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Georg Chriſtoph Sichtenberg’s
Bermifchte Schriften.
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- Mene vermehrte,
von deffen Söhnen veranftaltete Original - Ausgabe.
Mit dem Portrait, Facſimile und einer Anficht des Geburtshaufes des Verfaſſers.
Erſter Band.
— mo öTöF Göttingen, Berlag ber Dieterihfhen Buchhandlung. 1844.
Borrede
Die und yon vielen Berehrern unferes Vaters zuge⸗ gangenen Aufforderungen haben ung um fo mehr zu der gegenwärtigen neuen Ausgabe feiner nachgelaffenen ver- mifchten Schriften veranlaßt, als wir dadurch Gelegen⸗ heit erhielten, aus feinen, in unferm Befige befind⸗ lihen Papieren dasjenige noch mitzutheilen, was, ohne bisher gedrudt zu fein, in die bald nad feinem Tode erfchienene erfte Ausgabe nicht mit aufgenommen war, jo wie eine große Zahl feiner von uns geſammelten, ebenfalls ungedrudten, Briefe zu veröffentlichen. Zugleich glaubten wir diefe Sammlung, fo viel thunlih, durch feine bereits anderwärts gedrudten Briefe vervollftän- digen zu müffen, . |
Wir gingen bei dem Unternehmen von ber Anficht aus, daß es angemeffen fein werde, die rein wife fenfhaftliden Schriften hier nicht wieder mit aufzunehmen, ba fie für ein größeres Publiftum überall
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IV 8 y nicht, und, bei dem jegigen Stande ber Wifjenfchaften, auch für die Männer von Fach im Ganzen nicht mehr von bedeutendem Intereſſe fein dürften.
Auh die Erflärungen der Hogarthifcdhen Kupferftiche fohloffen wir aus, um den Umfang ber gegenwärtigen Ausgabe durch Aufnahme diefes für fich beftehenden Werkes nicht zu fehr auszudehnen.
Bei der Anordnung des Ganzen fuchten wir ung ber früher befolgten möglichft anzuſchließen und wichen von ihr nur in fofern ab, als wir die in ben beiden erftien Bänden enthaltenen Nachrichten und Bemer—⸗ fungen bes VBerfaffers über fich ſelbſt, wie die Demerfungen vermifchten Inhalts, unter den in ber erftien Ausgabe gewählten Rubrifen — wenn diefelben auch vielleicht hätten anders beftimmt werben fönnen — zufammenftellten, ihnen einige hieher ges börige Bemerfungen aus dem neunten Bande eins Ihalteten, und die im erften Bande befindlichen Frag⸗ mente in den zweiten Theil diefer neuen Ausgabe überfrugen.
Die Ausbeute, welche hier die nachgelaffenen Pa piere an bisher Ungedrudten gewährten, ließen w unter jenen Rubriken, fo willfürlih deren Auswc zum Theil auh war, ald Nachtrag folgen.
Rückſichtlich dieſes Planes verhehlten wir ung '
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neswegs, daß es vielleicht wünfchenswerth geweſen wäre, wenigſtens das in den beiden erſten Bänden Enthaltene nach der Zeit ſeines Entſtehens zu ordnen, mußten in⸗ deſſen darauf verzichten, weil theils die Papiere unſeres Vaters nicht durchaus vollſtändig auf uns gekommen, theils die erhaltenen in dieſer Beziehung nicht immer hinlänglich beſtimmte Nachricht geben. Dieſer Mangel einer chronologiſchen Ordnung möchte indeſſen einiger⸗ maßen von geringerer Bedeutung ſein, als es auf den erſten Blick ſcheinen könnte, da der Inhalt der Bemer⸗ kungen ſelbſt die Zeit ihres Entſtehens zum großen Theile genügend andeutet.
Die Vorberichte der beiden erſten Bände der erſten Ausgabe haben wir vollſtändig mit auf: genommen, ba fie über den Titerarifchen Nachlaß unfe- res Vaters überhaupt und über die Art und Weife, wie jene Bemerkungen entflanden, bie geeignete Auskunft enthalten, Wir Taffen fie der gegenwärtigen Vorrede unmittelbar folgen, —
Indem wir ung glücklich fchägen würden, wenn wir hoffen dürften, durch dieſe neue Ausgabe auch unferer Seite dazu beigetragen zu haben, das Andenken unferes Vaters, das durch die am ten Juli 1842 und 1843 in feinem Geburtsorte Dberramftadt fo finnig gefeier- ten Erinnerungsfefte von Neuem erwedt worden, auf
vi eine ſeinen zahlreichen Verehrern entſprechende Weiſe mehr und mehr zu beleben, ergreifen wir gern dieſe Gelegenheit, allen Denjenigen, welche uns dabei, durch Mittheilung ſeiner Briefe und ſonſt, freundlich unter⸗ ſtützten, unſern verbindlichſten Dank hiemit auch öffent⸗ lich zu bezeugen.
” Hannover und Oldenburg im October 1843.
Geo. Chph. Lichtenberg,
Königl. Hannov. Generaldirector ber directen Steuern.
Chr W. Lichtenberg,
Königl. Hannov. Steuerdirector und Commiſſair bei der Central⸗Steuer⸗-Behörde in Oldenburg.
Vorbericht
zum erſten Bande der erſten Ausgabe.
Die Sammlung, die wir hier dem Publikum über⸗ geben, muß ihr größtes Intereſſe durch den Mann er⸗ halten, auf den ſie ſich bezieht, und aus deſſen Papie⸗ ren ſie entſtanden iſt. Sie enthält nur fragmentariſche Aufſätze und einzelne Gedanken über ganz verſchiedene Gegenſtände, die keinen andern Zuſammenhang haben, als ihren gemeinſchaftlichen Urſprung. Ein großer Theil derſelben würde von dem Verfaſſer gewiß nie ans Licht gebracht worden fein, und das Übrige wenigſtens nicht in diefer Geſtalt. Aber die Forderungen, die man mit Recht an den Verfaſſer einer Schrift machen Fann, find fehr verfchieden von denen, bie ein bloßer Herausgeber zu erfüllen hat. Hier blieb Fein anderer Ausweg übrig: man konnte nur biefes dem Publifum mittheilen, ober nichts.
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Wer wird uns alſo tadeln, daß wir das Erſtere gewählt haben? So mangelhaft auch dieſe Sammlung iſt, ſo trägt ſie doch nicht wenig dazu bei, uns die Denkungsart ihres Verfaſſers zu enthüllen, und zum Theil ſein Innerſtes aufzudecken; und überdieß betrifft ihr Inhalt lauter Gegenftände, die der Aufmerkſamkeit eines jeden gebildeten Menfchen würdig find und fein Nachdenken befchäftigen können. Wenn fie alfo gleich nit in die Claſſe derjenigen Bücher gehört, die fich zum Zeitvertreib in einem Athem durchlefen laſſen, fo ift fie dafür defto gefchicdter, den Geift zu werden, und in Thätigfeit zu fegen, und ung fo die zuträglichfte und edelfte Art der Unterhaltung zu verfchaffen. Man muß fie nicht wie eine gewöhnliche Koft betrachten, die man bis zur Sättigung genießt, fondern wie ein geiftiges ©etränf, das in Heinen Gaben genoffen unfere Mahl: zeit würzt, und unfere Mafchine belebt, aber im Über⸗ maaß gebraucht, ihre Kräfte ſchwächt, und den Geift verwirrt.
Der Berfaffer war ein Mann von originellem Kopf, und von mannichfaltigen VBerdienften um die deutſche Literatur. Die Art von Talent, die er befaß, ift, fo wie überhaupt, fo befonders unter ung felten: Wis und Laune mit Menſchenkenntniß, philofophifcher Geift mil Gelehrſamkeit, Scharffinn mit Gefchmad verbunden! —
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wer wird. von einem ſolchen Manne nicht gern die noch übrigen Producte feines Geiſtes gefammelt und ber Bergefienheit entriffen fehen, nachdem wir ihn felbft auf immer verloren haben? Schon eine Kleinigkeit wird ung theuer, wenn fie und an einen verftorbenen Freund erinnert, um fo ſchätzbarer wird diefe Reliquie allen Freunden und Berehrern des Verfaſſers fein, da fie nicht bloß fein Andenken unter und zu erneuern, fondern ung mit feinem Charakter und feinem Geifte felbft mehr befannt zu machen geſchickt ift.
Er hatte von jeher die Gewohnheit, Alles aufzu- fhreiben, was ihm Merfwürdiges vorkam. Er las fehr viel, aber er dachte noch weit mehr, Wenn aljo au bier und da fih ein Ercerpt aus einem Buche findet, fo waren ed doch ungleich mehr feine eigenen Gedans fen, die er nieberfchrieb, und felbft feine Excerpten waren meiftend mit eigenen Zufäßen vermiſcht. Luftige Einfälle, komiſche Ausdrücke, fonderbare Ereigniffe, charafteriftifche Züge, Beobachtungen über fi und Ans dere, furz, was ihm bes Bemerkens werth war, das fohrieb er auf, Alles unter einander, fo wie es ihm ‚eingefallen war. Späterhin befamen diefe Papiere mehr bie Form von Tagebüchern: er bemerkte jedesmal das Datum, fehrieb auch manche minder wichtige Vorfälle, befonders in feiner Samilie, auf, notirte fih die Büs
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„Sch habe ſchon Tange, heißt es, an einer Gefchichte meined Geiftes- fowohl, als meines elenden Körpers geichrieben, und das mit einer Aufrichtigfeit, die viel- leicht Manchem eine Art von Mitihanm erweden wird; fie fol mit größerer Aufrichtigfeit erzählt werben, als vielleicht irgend einer meiner Lefer glauben wird. Es ift dieſes ein noch ziemlich unbetretner Weg zur Unfterbs lichkeit. Nach meinem Tode wird es der böfen Welt wegen erfi herauskommen.“
Eine ſolche Biographie von einem Kenner bes menfchs lichen Herzens, und einem fo aufmerkffamen Beobachter feiner felbft würde ein eigenes Vermächtniß für bie Melt gewefen fein, aber leider! hat er fie, wie fo viele andere angefangene Werke, nicht zu Stande gebracht.
Diefe Stelle Tann ung zugleich rechtfertigen, wenn wir felbft folhe Bemerkungen von ihm über fih ohne Einfhränfung aufgenommen haben, die nicht vor⸗ theilhaft für ihn erfcheinen. Es war fein eigener Wille fih mit der größten Aufrichtigfeit zu fchilder alfo auch feine Fehler und Schwachheiten nicht zu v fchweigen. Überbieg wird man dadurch nicht br dag man feine Fehler verbirgt, vielmehr gewinnt moralifhe Werth durch die Aufrichtigfeit, mit db’ fie gefteben. Auch find wir unbejorgt über der teil, den dieſe Geftändniffe auf die gute Mein
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ibm haben fönnten, da von ber andern Seite überall fein redliches Beftreben nach. einer immer größern ſo⸗ wohl geiftigen, als moralifchen Bollfommenpeit hervor⸗ leuchtet. Es würde fi) wenig für ung ſchicken, feine Lohrebner zu machen, fonft wären wir Teicht im Stande, von feiner großen Uneigennügigfeit, und Gewiſſenhaf⸗ tigfeit, von feiner Gefälligfeit, von feiner Strenge gegen fih felbft und der Nachficht gegen Andere, von feiner Wohlthätigfeit, von feiner Treue gegen feine Freunde, und feiner Zärtlichfeit gegen feine Gattin und Kinder, yon feiner unbeftehlihen Wahrheitgliebe die fprechendften Beweiſe zu geben.
Der zweite Hauptartifel, Die Sragmente®), bes greift faft lauter Stüde, die ſich auf eine Periode und ein Übel unferer Riteratur beziehen, die fonft große Auf⸗ merffamfeit verdienten — die Periode der Ems pfindfamen und der Kraftgenieg, est ift fie vorbei, und in fo fern verlieren diefe Stüde an Inter⸗ eſſe; indeffen zeigen fie wenigftend, wie eifrig der Ver⸗ faffer bemüht gewefen iſt, ſich jenem Übel zu wider: fegen, und mas für Deinen er noch bereitete, um fie im Fall der Noth fpringen zu laffen. Befonders fcheint
*) Diefe Fragmente find, wie in ber Vorrede bemerft wor:
den, in ben 2ten Band der gegenwärtigen Ausgabe aufgenom⸗ men worden.
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ber Barafletor ihm am Herzen gelegen zu haben; . denn er bat deffelben in feinen Papieren fehr oft ers wähnt, und vielerlei angemerkt, was er barin abhan⸗ bein wollte. Auch den Titel deffelben hat er auf vers ſchiedene Art beflimmt. Außer dem, der bier im Buche angegeben ift, finden fi noch folgende zwei:
1) Parakletor oder Beweis, daß man zugleich ein Driginalfopf und ein ehrliher Dann fein Fönne,
2) Parafletor d. i. Lehre und Troft für alle armen Seelen, die in biefen Tagen nicht in Originals föpfen wohnen Tönnen.
Imgleichen hatte er bereits eine Titelvignette dazu erdacht: „das Geficht eines Tachenden Satyrs, das durch einen DOpernguder fieht. Das Objectivglas muß nad dem Leſer gerichtet fein, obgleich das Perfpertiv nad einem andern Gegenftand zu zielen ſcheint. Ein Sinns bild für die Ironie.“
Es wäre auch wohl möglich, daß Manches von dem, was wir bier unter einer eigenen Überfchrift aufgeftellt haben, eigentlich in den Parakletor gehörte; bei dem Mangel einer genauen Beftimmung feines Inhalts Taf fih dieß nicht entfcheiden. Dieß könnte z. B. mit d der Fall fein, was bier unter der Rubrik der B fhrift ver Wahnfinnigen von der Entdedun fagt wird, die man in Deutfchland gemacht hatte
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einfach gefchriebene Werke in die Sprache des Genies zu übertragen. Denn es ift nicht zu leugnen, daß bie Erfindung einer folchen Beftreichungsmethode ein großer Troft für Diejenigen fein müßte, die nicht felbft Genie genug befigen, um die Sprache der Begeifterung zu haben; und vielleicht Tieße fich in unfern Tagen noch einmal Gebrauch davon in ber Philojophie machen.
Eine andere fatyrifche Schrift, mit der der Verfaſ⸗ fer in den fechziger Jahren viel befchäftigt geweſen iſt, ohne fie gleichwohl zu vollenden, iſt das Leben Kun- kels, eines ehemaligen Göttingifchen Antiquarius. Noch ift eine volftändige Rede zum Andenfen biefeg Ehrenmannes, in einem Zirkel von Studenten gehalten, vorhanden, die eine launige Bertheibigung deſſelben enthält, aber eben nicht zum Druck geeignet if. Bon diefer Rede aber follte das Leben noch verſchieden fein; denn es findet fih oft in den Papieren von jener Zeit etwas angemerkt, das in Kunfeld Leben gebraudyt wers den könnte, oder bort abgehandelt werden follte, wovon nichts in jener Rede vorfommt. Überhaupt wird Kuns kels Name oft in feinen Papieren genannt, gleichwohl haben wir nichts von feinem Leben ausgearbeitet ges funden. *)
) Was fih über Kunkel in den nachgelaffenen Papieren aufgefunden, wird in biefer Ausgabe mitgetheilt werden.
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Was endlich den dritten Hauptartifel, Die vermifch- ten Bemerfungen, anbetrifft, fo fieht man leicht, daß die Ordnung und Zufammenftellung, in der bie Sachen ſich hier befinden, nicht das Werf des Verfafs fer, fondern ber Herausgeber ift. Da biefer ganze Artifel aus lauter abgeriſſenen Gedanfen befteht, fo würde bie Verwirrung gar zu groß gewefen fein, wenn wir fie fo unter einander gemifcht gelaffen hätten, wie fie fih im Manufeript befinden. Um fie einigermaßen in einen Zufammenhang zu bringen, haben wir dieje⸗ nigen zufammengeordnet, bie ihrem Inhalte nach ver- wandt find. So überfieht man um fo eher die Mei- nung des Berfaffers über einen Gegenftand, Indeſſen muß man bier feine flrenge Eintheilung ſuchen. Die Überſchriften follen nur ungefähr bemerflich machen, von welcher Art die darunter begriffenen Sachen find; da aber dieſe nicht urfprünglich nach jenen abgefaßt find, fo fann man nicht fordern, daß ihnen Alles genau ans gepaßt fein fol. Bei manchem Satze fommt ed über: dieß auf den Geſichtspunkt an, aus dem man ihn be trachtet, um ihn an feiner rechten Stelle zu finden od nicht. Auch bei diefem Verfahren können wir und dr eine Äußerung des Verfaſſers ſelbſt rechtfertigen.
„Die Kaufleute, fagt er, haben ihr FFaste F (Sudelbuch, glaube ich, im Deutfchen) darin tra
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von Tag zu Tag Alles ein, was fie faufen und vers faufen, Alles unter einander ohne Ordnung. Aus bie fem wird es in das Journal eingetragen, wo Alles mehr fyftematifch ſteht; und endlih kommt es in ben Leidger at double extrance, nad der italienischen Art Buch zu: halten. In diefen wird mit jedem Manne bejonders abgerechnet. Dieß verbient von den Gelehr⸗ ten nachgeahmt zu werden. Erſt ein Buch, worin ich Alles einfchreibe, fo wie ich es fehe, oder wie es mir meine Gedanken eingeben. Alsdann kann diefes wieder in ein anderes getragen werben, wo die Materien mehr abgefondert und georbd« net find; und der Leidger fönnte dann bie Verbin⸗ dung und bie baraus fließende Erläuterung der Sachen in einem ordentlichen Ausdruck enthalten.”
Die Papiere des Berfaffers find Maste book; hieraus haben wir die Sachen in das Journal einge- tragen, und das ift ed, was wir dem Publifum übers geben. Den Leidger wirb derjenige liefern, ber bie bier erhaltenen Sachen gehörig verarbeitet. Dann wird es aber nicht Lichtenbergs, fondern des Bearbeiters eis genes Werk fein.
Endlich müffen wir ung im voraus entfchuldigen, wenn wir vielleicht manden Gedanfen hier aufgenoms
men haben follten, der bereits in ben gedrudfen Schrifs AR
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fen des Berfaffers, ſchon mehr verarbeitet und befler gelagt, vorkommt. Es fehlt zwar fehr viel, daß er Alles, was er niedergefchrieben bat, in der Abficht aufs gezeichnet hätte, um es in irgend einer Schrift wieder anzubringen *); indefien haben wir ſchon oben bemerkt, daß er Bieles von dem, worüber er öffentlich ſchrieb, in feinen Zagebüchern vorläufig abzuhandeln pflegte, und wir haben eine Menge von Beifpielen gefunden, daß er Gedanken, Einfälle, Ausdrüde, die hier einzeln ftehen, anderwärts in den mannichfaltigften Verbindungen ge⸗ braucht, und öfters bald weiter ausgeführt, bald mehr zufammendgezogen hat; es Tönnte alfo wohl fein, daß, bei ber zahlreichen Menge gebrudter Schriften yon ihm, Manches unferer Aufmerkſamkeit entgangen wäre, das wir als etwas Neues bier wieder aufgeführt halten,
Gotha im December 1799. 2. Chr. eichtenberg und Fr. Kries.
) Er erklärt ſich hierüber in einem ſeiner Briefe ausdrücklich:
„Ich habe, ſagt er, die Gewohnheit, daß ich meine Ge— danken über Dinge niederſchreibe, keineswegs um ſie etwa ein— mal anzubringen, ſondern bloß in ber Abſicht, ihren Zuſam— menbang zu probiren. Denn beim Niederfchreiben bemerft man gar Manches, was man beim bloßen überdenken nicht gewahr wird, wenigſtens iſt dieſes der Fall mit mir.“
Borberict
zum zimeiten Bande ber erften Ausgabe.
Bei der Herausgabe dieſer zweiten Sammlung föns nen wir und groößtentheils auf das berufen, was wir in dem Vorbericht zur erften Sammlung gefägt haben; und fo bleibt und nur wenig noch hinzuzufegen übrig.
Unferm Plane gemäß follte Diefer Band dasjenige in fih faffen, was der Berfaffer in ben achtziger und neunziger. Jahren niebergefchrieben. hat. Die ift aber nicht im firengften Sinn zu nehmen. Da chronologifche Ordnung Hier nicht die Hauptfache ift, fo haben wir manche frühere Bemerkung, die wir bier oder da noch fanden, ohne Bedenken aufgenommen und, wo es und gut dünkte, eingefchaltet. Ja der größte Theil der phy⸗ fiognomifchen und pathognomifchen Bemerkungen gehört in eine etwas frühere Periode. Sie find meiftend gegen das Ende der fiebenziger gefchrieben, zu der Zeit wu
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das phyfiognomifche Unweſen in Deutfchland fpüfte, dem ſich der Berfaffer befanntermaßen öffentlich in einer, erft im Göttingifchen Kalender, und dann befonders gebruds ten Abhandlung 9) widerfegt hat.
Überhaupt kann man häufig fehen, wie die Bemer- fungen des Berfaffere durch die Zeitumftände veranlaßt wurden, und daher von vielen fchon errathen, wann fie ungefähr gefchrieben worden find. So haben bie philofophbifhenBemertungen hier meiftend eis nen ganz andern Charakter, als in der erfien Samm- fung. Ein großer Theil derfelben betrifft den Idealis⸗ mus und die Kantifche Philofophie, die fich erft feit den achtzigern in Deutfchland mehr verbreitet, und den Berfafier, wie man fieht, viel befchäftigt hat. ine ganz neue und flarfe Rubrik find die politifhen Be— merfungen, von denen wir nicht erſt zu fagen brau: hen, durch welche Begebenheiten fie vorzüglich veran: laßt wurden. Bielleiht wird Mander darin einen Man: gel eines feften Syflems und ein Schwanfen der Grund: fäge mit Unzufriedenheit wahrnehmen. Allein man er: wäge, daß Politif überhaupt fih auf Erfahrungen grün: det, und daß, wenn biefe ſich ändern, auch unfere Über: zeugungen und Meinungen fi) ändern können. Kerner
*) Über Phyfiognomit wider die Phyſtognomen. Göttingen 1778.
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daß diefe Bemerfungen zum Theil die Ausbrüde von Empfindungen und Borftellungen find, die durch eins zelne Begebenheiten in dem Gemüth bes Verfaſſers her⸗ vorgebracht, und durch feine jedesmalige Stimmung mos bificirt wurden. Man muß alfo in ihnen nicht etwas Ganzes fuchen wollen. Das Ganze liegt in dem Kopf und Geift ihres Urhebers, deſſen Syſtem nach einen höhern Maßftabe zu beftimmen iſt. Vertheidigt er jetzt die Sache der Monarchie, und tritt dann wieder auf die Seite der Demokraten, gut, fo ift es ein Beweis, wie wenig er von Vorurtheilen eingenommen war, und wie gern er das Gute von beiden Parteien anerkannte. Er machte ed weder wie manche unferer angeblichen Weifen, die Alles vortrefflic finden, was jenfeits des Rheins gefchiehtz noch wie andere Politifer, die in Hige gerathen, wenn fie den Namen Franzofen nennen hören, und einen Demokraten für ein Ungeheuer halten. Übrigens ift e8 auch unfere Sache nicht, jede Behaup- tung bed Verfaſſers zu vertheidigens was wir hier dem Publifum übergeben, find die Meinungen eines Berftors _ benen, nicht die unfrigen.
Man darf aber überhaupt nie vergeffen, wenn man ben Berfaffer nicht mißverftehen will, daß es nur Bruch ftüde find, die bier milgetheilt werben. Man kann fie ale Säge betrachten, die aus dem Zulanmesssuss-
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herausgenommen find. Die ganze Reihe von Bebanfen und Empfindungen, wovon fie nur bie Nefultate find, it in dem Gemüth des Verfaſſers zurüdgeblieben, und die fennen wir nicht. Daher kann es fommen, baß ung mander Sag auffallend Flingt, der, wenn er gehö⸗ rig vorbereitet und ins rechte Licht geftellt würde, dad Auffallende verlöre. Man drüdt fih oft in einer ge- wiffen Stimmung und im Eifer etwas flarf aus, wo man bei fälterem Blute eine Milderung und Einfchräns fung nöthig findet. Hätte der Verfaffer dieſe Sachen für das Publifum gefchrieben, fo würbe er fchon bafür geforgt haben, fie in ihren Zufammenhang zu bringen und gehörig zu verſchmelzen. So aber hat er fie nur zu feinem eigenen Gebrauch aufgefest, und es ‚bleibt ung nichts weiter übrig, als und ſelbſt eine mögliche Reihe von Borftellungen zu denfen, aus welcher dieſer oder jener Sat hervorgegangen fein möchte. Wo wir aber keinen befriebigenden. Zufammenhang entdecken, da bürfen wir deßhalb nicht gleich. zu unbilligen Urteilen fortfchreiten.
Wir liefern noch einen Nachtrag zu ben Beob— abhtungen und Nahrihten des Berfaffers son unb über ſich ſelbſt, der aus einer wieder⸗ holten, genauern Durchſicht der Tagebücher entftanden it. Da es einmal bei biefen Nachrichten weder auf
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etwas Ganzes, noch auf eine beſtimmte Ordnung abge⸗ ſehen war, ſo iſt es verzeihlich, daß die erſte Durchſicht nicht mit größerer Sorgfalt geſchehen war, und wir erſt jest mit dieſer Naihlefe kommen. Die erftin Nachrichs ten wären nicht minder fragmentarifch geblieben, wenn auch diefe - gleich damit verbimden worden wären; und bie Lücken, die ſich in fehen. finden, werben durch biefe nicht ausgefüllt, Indeſſen ift- es immer ein ſchätzbarer Beitrag von Bemerkungen, die manche der zarteften Ems pfindungen ihres Urbebers enthfillen, und manchen fei- ner gebeimften Gedanken verrathen.
Bielleicht aber wird es Manchen befremden, hier nicht, wie im erſten Bande, eine Sammlung von Frage menten zu finden. - Sollte Lichtenberg, wird er beiten, in diefer Periode weniger gefihrieben, und nicht ebenfalls mandien Plan gemacht und auszuführen ange- fangen, aber noch unvollendet zurüdgelaffen haben! Hierauf laͤßt ſich theils mit ja, theils mit- wein ante worten. Zuerft ift- zu bemerken, daß gevabe in biefe Periode der größte Theil der Schriften fällt, die Lich⸗ tenberg bei. feinem ‚Leben ſelbſt heransgegeben bat, Gegen das Ende der. firbenziger übernahm er. Det Gön⸗ tingifhen Ralender, den er ununterbrochen ‚bie an feinen Tod fortgefegt hat, Im Jahr 1780 fing er in Verbindung mit Georg Forſter die Herausgabe
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bes Göttingiſchen Magazins an, das zwar nur wenige Jahre gedauert hat, aber doch eine Menge Aufs füge son feiner Hand enthält. Seit 1794 befchäftigte ihn bie Erflärung der Hogarthifhen Kupfer ftiche, wovon das Publikum fünf Lieferungen durch ihn erhalten hat, Wäre es alfo wohl zu verwundern, wenn er außerbem feine anderen Plane angefangen hätte; und ift es nicht befier, daß er ung, flatt Fragmente zu bins terlaffen, lieber etwas Ganzes felbft gegeben hat? Gleichwohl aber Hatte er wirklich noch ein Paar Plane, mit denen er fich viel befchäftigte, jeboch ohne die Arbeit auch nur fo weit anzufangen, daß wir ben Lefern einige Bruchſtücke Davon vorlegen könnten. Das Eine war ein phyſikaliſches Compendium, wovon es hier der Ort nicht iſt zu reden, und wovon wir dem Publikum zu einer andern Zeit Nachricht geben werden. Das Andere, das ganz eigentlich hierher gehört, war — ein Roman. Dieſer ſcheint eine rechte Lieblingsidee son ihm gewefen zu fein, denn er fpricht fehr oft in feinen Tagebüchern davon, und hat fid) eine Menge von Gedanfen, Charakterzügen, Situationen u. f. w. aufgeihrieben, die er darin ausführen und gebrauchen wollte, Sogar den Tag, wo er. den Entichluß dazu faßte, bat er angemerkt; es war ben 7. Detober 1785, alfo über 13 Jahre vor feinem Tode, Im Allgemeinen.
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etwas Ganzes, noch auf eine beſtimmte Ordnung abge⸗ ſehen war, ſo iſt es verzeihlich, daß die erſte Durchſicht nicht mit groͤßerer Sorgfalt geſchehen war, und wir erſt jetzt mit dieſer Nachleſe kommen. Die erſtern Nachrich⸗ ten wären nicht minder fragmentariſch geblieben, wenn auch diefe gleich damit verbunden worden wären; und bie Lüden, die ſich in jenen finden, werden durch biefe nicht ausgefüllt. Indeſſen ift- es immer ein fhäßbarer Beitrag von Bemerkungen, die manche der zarteften Ems pfindungen ihres Urhebers enthüllen, und manchen fei- ner geheimften Gedanken verrathen.
Bielleicht aber: wird es Manchen befremden, bier nicht, wie im erften Bande, eine Sammlung von Trage menten zu finden. Sollte Tihtenberg, wird er benfen, in diefer Periode weniger gefihrieben, und nicht ebenfalls manchen Plan gemacht und auszuführen anges fangen, aber noch unvollendet zurüdgelaffen haben? Hierauf läßt fih theils mit ja, theils mit nein ante worten. Zuerſt ift zu bemerken, daß gerade in biefe Periode der größte Theil der Schriften fällt, bie Liche tenberg bei feinem Leben felbft herausgegeben bat. Gegen das Ende der fiebenziger übernahm er ben Göt⸗ tingifhen Kalender, den. er ununterbrocden bie an feinen Tod fortgefegt hat. Im Jahr 1780 fing er in Verbindung mit Georg Forſter die Herausıct
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bes Göttingiſchen Magazins an, das zwar nur wenige Jahre gedauert hat, aber doch eine Menge Aufs fäge son feiner Hand enthält. Seit 1794 beicäftigte ihn die Erflärung der Hogarthifhen Kupfer ftiche, wovon das Publikum fünf Lieferungen durch ihn erhalten hat, Wäre es alfo wohl zu verwundern, wenn er außerdem feine anderen Plane angefangen hätte; und ift e8 nicht beffer, daß er ung, flatt Fragmente zu hins terlaffen, lieber etwas Ganzes felbft gegeben hat? Gleichwohl aber hatte er wirklich noch ein Paar Plane, mit denen er fich viel befchäftigte, jedoch ohne die Arbeit auch nur fo weit anzufangen, daß wir ben Lefern einige Bruchftüde davon vorlegen könnten. Das Eine war ein phyfifalifches Eompendium, wovon es bier der Ort nicht ift zu reden, und wovon wir bem Publifum zu einer andern Zeit Nachricht geben werben. Das Andere, das ganz eigentlich hierher gehört, war — ein Roman. Diefer ſcheint eine rechte Lieblingsidee von ihm gewefen zu fein, benn er fpricht fehr oft in feinen Tagebüchern davon, und hat fid eine Menge von Gedanfen, Charakterzügen, Situationen u. f. w. aufgefchrieben, die er darin ausführen und gebrauchen wollte, Sogar den Tag, wo er den Entfchluß dazu faßte, bat er angemerkt; e8 war den 7. October 1785, aljo über 13 Jahre vor feinem Tode. Im Allgemeinen
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ſollten die Thorheiten und Mängel unſers Zeitalters den Gegenſtand der Satyre darin ausmachen, und der Held deſſelben ſollte ein doppelter Prinz (nämlich zwei zuſammengewachſen, wie eine Mißgeburt) ſein, woraus, wie man denken kann, eine Menge lächer⸗ licher und komiſcher Situationen entſtanden wären. Aber Schade, dag von allem dieſem nichts ausgearbeitet iſt ). Noch früher ſcheint er die Idee gehabt zu haben, ein ſatyriſches Gedicht zu verfertigen. Denn in einer Stelle ſeines Tagebuchs, die viele Seiten vor jener vorhergeht, in der er den Entſchluß einen Roman zu ſchreiben anmerkt, heißt es: | „©egenftände der Satyre in meinem Gedicht: Moden und Trachten, fchlechtes Theater, ausländi- ſches Recht, Mangel an Ehrerbietung gegen die Als ten, Phlegma ber Juftizpflege, Affertation der Stus benten, Kriechen der Profefforen vor reichen Studen⸗ ten, Freſſerei, Zwangsehen, Unehrlichfeit der Kinder außer der Ehe, Mesalliance, Empfindelei, Nomane, Mondmanie, geringfügige Urfachen der Kriege, Sol⸗ baten, ſchlechte Heerftraßen, Hazarbfpiele, Vergeſſung der urfprünglichen Gleichheit, Titelprunf in den Zei- tungen, Ganonifationen, Unwiffenheit der Klöſter,
) Die wenigen, auf diefen Roman bezüglihen Bemerkun: gen, welche noch aufgefunden find, werben mitgetheilt merhen.
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. Pädagogifhe Bemerkungen u - - . . . ©. 214 Nachtrag zu den päbagogifhen Bemerfungen. — 222 Holitifhe Bemerfungen . - » » 2 2... 25 Nachtrag zu den politifhen Bemerkungen.. — 252 . Literärifhe Bemerkungen 1,7 Nachtrag zu den Titerärifhen Bemertungen . — 301 . Bemerkungen über Sprache und Orthographie — 314 Nachtrag zu den Bemerkungen über Sprache
und Ortbograpbie - - © - 0 2 22... — 3%
Vermiſchte Schriften.
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Erſter Theil.
I. Nachrichten und Bemerkungen
des
Verfaffers über ſich ſelbſt.
I.
Nachrichten und Bemerkungen des Ver⸗ faflers über fich felbft.
Charakter einer mir bekannten Perfon *).
Ihr Körper iſt fo beſchaffen, daß ihn auch ein ſchlechter Zeich: ner im Dunkeln beſſer zeichnen würde, und ſtände es in ihrem Bermögen, ihn zu ändern, fo würde fie manchen Theilen weni⸗ ger Relief geben. Mit ſeiner Geſundheit iſt dieſer Menſch, ohn⸗ erachtet ſie nicht die beſte iſt, doch noch immer ſo ziemlich zufrie⸗ den geweſen, und er hat die Gabe, ſich geſunde Tage zu Nutze zu machen, in einem hohen Grade. Seine Einbildungskraft, feine treueſte Gefährtin, verläßt ihn alsdann nie; er ſteht hin⸗ ter dem Fenſter, den Kopf zwiſchen die zwei Hände geſtützt; und
) Dieſe Schilderung, die der Verfaſſer von ſich ſelbſt macht. findet ſich in einem feiner früheſten CAGBGWbWwtA &- R
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wenn ber Vorübergehende nichts als den melandolifhen Kopf: hänger ftebt, fo thut er fich oft das ftille Bekenntniß, daß er im Vergnügen wieder ausgefchweift hat. Er hat nur wenige Freunde; eigentlich ift fein Herz nur immer für Einen gegenwärtigen, aber für mehrere abweſende offen. Seine Gefälligkeit macht, daß Biele glauben, er fei ihr Freund; er dient ihnen auch, aus Ehrgeiz, aus Menfchenliebe, aber nicht aus dem Xriebe, ber ihn zum Dienft feiner eigentlichen Freunde treibt. Geliebt hat er nur ein» ober zweimal; das eirre Mal richt unglüdlich, das an⸗ bere Mal aber glüdlid. Er gewann bloß durch Munterfeit und Leichtfinn ein gutes Herz, worüber er nun oft beide vergißt, wird aber Munterfeit und Leichtfinn beftändig als Eigenfchaften ſei⸗ ner Seele verehrten, die ihm die vergnügteften Stunden feines Lebens verfchafft haben; und könnte er fih noch ein Leben und noch eine Seele wählen, fo müßte ich nicht, ob er andere wäh- len würde, wenn er bie feinigen wieder haben könnte. Don ber Religion bat er als Knabe fihon fehr frei gedacht, nie aber eine Ehre darin. gefucht, ein Yreigeift zu fein, fo menig als darin, Alles ohne Ausnahme zu glauben. Er kann mit Inbrunft bes ten, und bat ben neunzigſten Palm nie ohne ein erhaberes, unbefchreibliches Gefühl Iefen Fönnen. Ehe denn bie Berge worden u. ſ. w. ifl für. ihn unenblich mehr, als: Sing, un fterblihe Seele u. f. w. Kür Affembleen find fein Körper und feine Kleider felten gut, und feine Gefinnungen felten .... genug geivefen. Höher als drei Gerichte des Mittags und zwei des Abends mit etwas Wein, und niedriger als täglich Kartofe
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fein, Üpfel, Brot und auch etwas Wein hofft er nie zu kom⸗ men. In beiden Fällen würbe er unglüdlich fein. Er ift nod allezeit Erank geworben, wenn er einige Tage außer biefen Gren- zen gelebt bat. Leſen und Schreiben ift für ihn fo nöthig, als Eifen und Trinken, und er hofft, es werde ihm nie an Büchern feblen. An den Tod denkt er ſehr oft, und nie mit Abfcheu; er wünfcht, daß er nur Alles mit fo vieler Gelaffenheit denken könnte, und bofft, fein Schöpfer werde bereinft fanft ein Leben von ihm abfordern, ven bem er zwar ein allzuöfonomifcher, aber doch kein ruchlofer Befiger war.
Ich wünfchte die Geſchichte von mir fo zu fehen, wie fie in verſchiedenen Köpfen exiſtirt. Meine Brüder wiffen die meiften Kleinigkeiten von mir; Hr. 2... g weiß Zieles von meiner beften Geite; ©. . . kennt meinen Charakter von ber guten und von ber fchlimmen Seite unter allen Menfchen am beiten. &...6 weiß bie meiſten Thorheiten von mir und bie meiften Heimligkeiten, wei ih immer aus meinen Ihorheiten Heim⸗ lichkeiten gemacht habe. Am einfältigften würde meine Ge: fhichte ausfehen, wenn fie W . . . befchreiben follte. Hr. 2, würde mid fo fhildern: Er bat Bein böfes Herz, er ift im äu⸗ Serfien Grab flüdtig, ‚und feine Marimen, bie er zuweilen äu⸗ Bert, find nur für eine Stunde gemängt; in ber nächſten vers fchlägt er fie wieder. Gr bat zuweilen gute Gedanken, und er kann fo ziemlich vergnügt fein, und bat es in feiner Gewalt e8 zu fein. Ob er wohl wirklich feine Freunde liebte?; quae- kur. — G...s würde ſich gewiß fo von mir ausdrücken:
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wenn ber Vorübergehende nichts als den melandolifhen Kopf: hänger fteht, fo thut er ſich oft das ftille Bekenntniß, daß er im Vergnügen wieder ausgefchweift hat. Er hat nur wenige Freunde; eigentlich ift fein Herz nur immer für Einen gegenwärtigen, aber für mehrere abmwefende offen. Seine Gefälligkeit macht, daß Biele glauben, er fei ihr Freund; er dient ihnen auch, aus Ehrgeiz, aus Menfchenliebe, aber nicht aus dem Triebe, ber ihn zum Dienft feiner eigentlichen Freunde treibt. Beliebt hat er nur ein= oder zweimal; das eine Mal richt unglücklich, das an⸗ bere Mal aber glüdlid. Er gewann bloß durch Munterkeit und Leichtfinn ein gutes Herz, worüber er nun oft beide vergißt, wird aber Munterkfeit und Leichtfinn beftändig als Eigenfchaften feis ner Seele verehren, bie ihm’ die vergnügteſten Stunden feines Lebens verfchafft haben; und könnte er fi) noch ein Leben und noch eine Seele. wählen, fo wüßte ich nicht, ob er andere wäh—⸗ len würde, wenn er bie feinigen wieder haben könnte. Bon der Religion bat er als Knabe ſchon fehr frei gedacht, nie aber eine Ehre darin geſucht, ein Preigeift zu fein,. fo wenig als batin, Alles ohne Ausnahme zu glauben. . Er kann mit Inbrunft bes ten, und bat ben neunzigfter Pfalm nie ohne ein erhaberfes, unbefchreibliches Gefühl leſen können. Ehe denn die Berge worden u.f. iv. ift für. ihn unendlich mehr, als: Sing, un fterblihe Seele u. f. w.. Für Affembleen find fein Körper und feine Kleider felten gut, und feine Gefinnungen felten..... genug getvefen. Höher als drei Gerichte des Mittags und zivei des Abends mit etwas Wein, und niedriger als täglich Kartofe
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fein, Üpfel, Brot und auch etwas Wein hofft er nie zu kom— men. In beiden Fällen würbe er unglüdlid fein. Er ift noch allezeit Eran? geworben, wenn er einige Tage außer biefen Gren⸗ zen gelebt bat. Leſen und Schreiben ift für ihn fo nöthig, als Eſſen und Trinken, und er hofft, es werbe ihm nie an Büchern fehlen. An den Tod denkt er fehr oft, und nie mit Abfcheu; er wünfcht, daß er nur Alles mit fo vieler Gelaſſenheit benfen fünnte, und hofft, fein Schöpfer werde bereinft fanft ein Leben von ihm abforbern, von bem er zwar Fein allzuöfonomifcher, aber doch kein ruchlofer Befiger war.
Ich wünfchte die Gefhichte von mir fo zu fehen, wie fie in verfchiedenen Köpfen exiſtirt. Meine Brüder wiffen bie meiften Kleinigkeiten von mir; Hr. %... g weiß Vieles von meiner beften Seite; €. . . kennt meinen Charakter von ber guten und von ber fhlimmen Seite unter allen Menfhen am beften. E ... 8 weiß die meiſten Thorbeiten von mir unb bie meiften Heimlichkeiten, weil ich immer aus meinen Thorheiten Heim: lichkeiten gemacht babe. Am einfältigften würbe meine Ge- fhichte ausfehen, wenn fie W... befchreiben follte. Hr. L. mwürbe mid fo fohildern: Er hat Bein böſes Herz, er ift im äus ßerſten Grab flüdhtig, und feine Marimen, bie er zuweilen äus Bert, find nur für eine Stunde gemünzt; in ber nächften vers fhlägt er fie wieder. Er bat zuweilen gute Gedanken, und er “ Bann fo ziemlidy vergnügt fein, und hat es in feiner Gewalt e8 zu fein. Ob er wohl wirklid feine Freunde liebte? quae- ritur. — ©... 8 würde fich gewiß (o non wir RÜRLU.
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Sein Herz ift gut, aber wer hätte bie Streiche binter ihm fu: hen folen, wenn er zu D... mit feinen Büchern am Ads ler vorbeigieng; doc an den Augen kann man ihm etwas anſe⸗ ben. Gottlob, ich Ferne ihn nun, und er gefällt mir befto beffer. — Ich weiß, E.. . n, deſſen vortreffliches Gerz im⸗ mer für die menſchliche Natur einen gehörigen Rabat rechnet, würbe zu vortheilhaft von mir urtheilen, und ich wollte, jeder: mann bädte von mir fo wie er, fo würde ih, ohne bewundert zu fein, von jedermann hochgeſchätzt werden.
MWahrfcheinlich gebe id mich zwei Jahr geringer an, als id) wirklich bin ). Schon in meinem achten Jahre wurde ich burch des Glaſers S .. . Knaben auf die Vorftellung von der See⸗ lenwanberung geleitet. |
Ich fand oft ein Vergnügen daran, Mittel auszudenten,
wie ich dieſen oder jenen Menfchen ums Leben bringen, oder ‚euer anlegen könnte, ohne daß e8 bemerkt würde, ob ich gleich nie den feften Entſchluß gefaßt habe, fo etwas zu thun, noch auch nur die geringfte Reigung dazu in mir verfpürt, und bin fehr oft mit folchen Gedanken eingefchlafen.
Ich verftehe von Muſik wenig, fpiele gar kein Inftrument, außer daß ich gut pfeifen fann. Hiervon babe ich fihon mehr Nugen gezogen, al8 viele Andere von ihren Arien auf ber Flöte
) Diefe Muthmaßung bat fi beftätig. In Meufels Bel. Zeutfchland fteht das Jahr 1744 als Geburtsjahr; nad) dem eingeholten Taufzeugniffe warb er aber den 1. Zul. 1742 geboren.
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und auf dem Klavier. Ich würde e8 vergeblich verfuchen, mit Worten auszubrüden, was ich empfinde, wenn: ich an einem ftilen Abend In allen meinen Thatenx. recht gut pfeife, und mir den Tert dazu denke. Wenn ich an bie Zeile Pomme: Haft bu es denn befchloffen ır., was fühle ich da für Muth, für neues Feuer, was für Vertrauen auf Gott! id wollte mid in bie See ftürzen ımb mit meinem Glauben nidht ertrinden, mit dem Bewußtfein einer einzigen guten. That eine Welt nicht fürchten. Spüre ich einen Hang zum Scherzbaften, fo pfeife id: Sollt' aud ih durch Gram unb Leid ıc. oder hen you meet a tender creature elc.
Mein Glaube an bie Kräftigfeit bes Gebets; mein Aber: glaube in vielen Stüden; Anieen, Anrühren ber Bibel und Küffen berfelben; fürmlide Anbetung meiner heiligen Mutter; Anbetung ber Geifter, die um mic ſchwebten — Ich befchwöre die Wahrheit diefer Erzählung gar nicht; eine Verſicherung ift nichts; ich berufe mich auf die innern Zeichen ber Übereinftim« mung und die Merkmale der Aufrichtigkeit, die fo fange die Welt ſteht, gelten werden, — dem allein Bennbar, ber Wahrheit aufs richtig fucht und Beobadhtungsgeift hat. Butrauen, weil e8 zum Theil im Herzen des Zutrauenden wurzelt, kann trügen, wenn die Verfaffung des Letztern nicht die reinfte ift.
Sch hielt mir ein Bettelhen, worauf ich gemöhnlich ſchrieb, was ich für eine befonbere mir von Gott erwiefene Gnade anſah, und nicht anders erklären zu können glaubte. Bei meinem ins» brünftigften Gebet fagte ich zuweilen: o lieber Sutr, Uua%
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aufs Zettelchen! Solche Ausdrücke, Ausbrüche der empfind- lichſften Seelen, find gleichſam Vertrauensgeheimniſſe zwiſchen Gott und der Seele.
In meinem zehnten Jahre verliebte ich mich in einen Kna⸗ ben, Namens & ..., eines Schneiders Sohn, ber in ber Stadtfchule Primus war; ich hörte gern von ihm erzählen, und forſchte bei allen. Anaben nad Unterrebungen, bie fie mit ihm gehabt hätten; ohne ihn felbft je gefprochen zu haben, war es mir ein großes Vergnügen, zu hören, daß er von mir gefprochen hatte. Nach der Schule Hetterte ich auf eine Mauer, um ihn aus der Schule gehen zus fehen. Wenn ich mid, jest feiner Phy⸗ fiognomie, die mir noch fehr deutlich vorfchwebt, erinnere, fo war er nichts weniger als ſchön — eine Stumpfnafe mit rothen Baden; war aber Primus in ber Schule. Es follte mir leid thun, wenn ich durch dieſes freie Bekenntniß das Mißtrauen ge⸗ gen die Welt vermehren ſollte; aber ich war ein Menſch, und das Glück der Welt, wenn fie es jemals erreicht, muß nicht durch Verhehlung geſucht werben, auf eine Weife. Dauerndes Glück ift nur in Aufrichtigkeit zu finden.
Ih Habe wenige Menfchen in ber Welt gekannt ‚ deren Schwachheiten ich nicht nach einem Umgang von drei Wochen (Stunden des Umgangs bloß gerechnet, welches wohl ein Vier⸗ teljahr im Kalender betragen konnte) ausgefunden hätte, und ich Din überzeugt worben, baß alle Verftellung nichts hilft gegen eis nen Umgang von brei Wochen; denn jede Befeftigungsfunft hat eine eigene Belagerungsfunft für den, der fehen Fann.
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Das Gäßchen, wo mr ®... 8 Tochter einmal begegs nete gegen halb Eins bed Nachmittags, vergeffe ih nie. Es kam mir wie in ber Nacht vor, weil dba Alles am Xifche fa — fehr fubtil, aber herzenswahr.
Ich babe nie aus Gewinnfucht unrecht gehandelt, fo wahr Gott lebt.
Ich erinnere mich deutlich, daß ich einmal in meiner erſten Jugend ein Kalb zum Apportiren abrichten wollte; allein ob ich gleich merkte, daß ich in den nöthigen Fertigkeiten merklich zu⸗ nahm, ſo verſtanden wir doch einander alle Tage weniger, und ich ließ es endlich ganz, und habe es nachher nie wieder verſucht.
In dem Hauſe, wo ich wohnte, hatte ich den Klang und die Stimmung jeder Stufe einer alten hölzernen Treppe gelernt, und zugleich den Tact, in welchem ſie jeder meiner Freunde, der zu mir wollte, ſchlug; und ich muß geſtehen, ich bebte allemal, wenn ſie von einem Paar Füße in einem mir unbekannten Ton heraufgeſpielt wurde.
Welch ein Unterſchied, wenn ich die Worte: „Ehe denn bie Berge wurden, und die Erbe und bie Welt ge ſchaffen worben, bift vu Gott von Ewigkeit zu Ewig— keit“ — in meiner Kammer ausſpreche, oder in der Halle von Weftminftersabteii Über mir die feierlichen Gewölbe, wo ber Tag immer in einer heiligen Dämmerung trauert, unter mir bie Reſte zufammengeflürzter Pracht, der Staub ber Könige, und um mid) ber die Trophäen des Todes! Ich habe fie hier und bort ausgefprochen; in meinem Schlafgemad haha a wmH
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erbaut; ich habe fie von Kindheit an nie ohne Rührung gebetet, aber bier durchlief mich ein unbefchreibliches, aber angenehmes Grauen; ich fühlte die Gegenwart des Richters, dem ih auf den Flügeln ber Morgenröthe felbft nicht gu entrinnen vermöchte, mit Thränen, weber ber Freude nocd bes Echmerzes, fondern mit Ihränen des unbefchreiblichen Vertrauens auf ihn. Glaubt nit, ihr, bie ihr überall muthmaßer und mehr muthmaßet als Iefet, daß ich aus modiſcher Schwermuth biefes dichte. Sch habe ben Young nicht ganz Iefen können, als e8 Mode war, ihn zu lefen, und balte ihn noch jegt für einen großen Mann, ba «6 Mode ift, ihn zu tabeln. "
Die Augen eines Frauenzimmers find bei mir ein fo weſent⸗ liches Stück, ich ſehe oft darnach, denke mir fo vielerlei dabei, daß, wenn id nur ein bloßer Kopf wäre, die Mädchen meinets wegen nichts als Auge fein könnten.
Bei einem Pleinen Fieber glaubte ich einmal deutlich einzu⸗ fehen, daß man eine Bouteille Waffer in eine Bouteille Wein verwandeln könne auf eine ähnliche Art, wie man eine bieredige Figur in einen Triangel verwandelt.
Es thun mir viele Sachen weh, die Andern nur leid thun.
Ich habe etliche Mal bemerkt, daß ich Kopfweh befam, wenn ich mich lange in einem Hohlſpiegel betrachtete.
Wenn ich bisweilen viel Kaffee getrunfen hatte, und baber über Alles erfchraf, fo Fonnte ich ganz genau merken, daß id) eher erjchraß, ehe ich den Krach hörte. Wir hören alfo gleihfam noch mit andern Werkzeugen, ald mit den Ohren.
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IH träumte neulih an einem Morgen, ich läge wachend im Bette und könnte feinen Athem befommen; darauf erwachte ih ganz munter, und fpürte, baß ih, nad meiner damaligen Lage, nur fehr mäßigen Mangel daran hatte. Ginem bloß füb: lenden Körper fommen böfe Empfindungen allezeit größer vor, als einem, ber mit einer. benfenden Seele verknüpft ift, wo felbft oft der Gcdanfe, daß die. Empfindungen nichts zu bebeus ten haben, ober daß man fih, wenn man nur wollte, bar von befreien könnte, Bieled von dem Unangenehmen vermindert. Wir liegen öfters mit unferm Körper fo, daß gedrüdte Theile und heftig fchmerzen, allein, weil wir wiſſen, daß mir uns aus biefer Lage bringen können, wenn wir wollen, fo empfinden wir wirklich fehr wenig. Dieſes beftätigt- eine Anmerkung, die ich) anderdwo gemacht habe, daß man fih durch Drüden die Kopfichmerzen vermindern Fünne.
Was für einen Effeet würde es mohl auf mich haben, wenn ih einmal in einer ganz fhwarz behangenen großen Stube, mo auch bie Dede mit fhwarzem Tuch befdylagen wäre, bei fihwar- zen Fußteppichen, fhwarzen Stühlen und ſchwarzem Kanapee, in einem ſchwarzen Kleide bei einigen wenigen Wachöferzen figen müßte und von ſchwarz gekleibeten Leuten bedient würde?
Nichts aufgefhoben; alle Tage ein wenig; Pfennige gefpart in allen Stücken; nidt zu viel auf einmal, und lieber ein wenig defto öfterer — das ift meinem Charakter am zuträglichfien, und wenn ich fo nicht etwas ausrichte, fo richte ich. nichts aus.
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In meinem Kopfe leben noch Eindrücke längſt abgefchiede- ner Urſachen. '
Es ift allezeit betrübt für mich, wenn ich bedenke, daß man in der Unterfuhung mander Dinge zu weit geben fann,. id) meine, baß fie-unferer Glüdfeligkeit nachtheilig werden können. Eine Probe davon babe ih an mir. Ich wünfche, ich wäre in meinen Bemühungen, das menfchliche Herz kennen zu lernen, minder glücklich gewefen. Ich verzeihe ben Leuten ihre Boshei⸗ ten weit lieber, als vorber, bas ift wahr; wenn jemand in Ge felfehaft übel von mir redet, zumal wenn es nur gefchieht, um bie Gefellfchaft zu beluftigen, fo kann ich ihm bewegen nicht im mindeften auffäffig werben, ich mache mir, im firengften Berftanbe, nichts daraus, nur. muß es nicht mit wallendem Blute und Hige gefchehen, oder. grobe VBerläumbung fein, die glaube ih nicht zu verdienen. Hingegen ift mir aud zu wenig an dem Lobe ber Leute gelegen ; ihr Neid wäre allenfalld das Einzige, was mich och freuen würde. Das follte in der Welt nicht fein. Alſo ift auch ‚bier harmoniſcher Wachsthum des ganzen Erkenntnißſy⸗ ftems nöthig; wo ein Theil zu fehr -aultivirt wird, ba führt es am Ende immer auf ein Pleines oder großes Unheil hinaus.
Über nichts wünſchte ich mehr die geheimen Stimmen bentender Köpfe gefammelt zu leſen, als über bie Materie von ber Seele; die lauten, öffentlichen verlange ich nicht, bie kenne ih fhon. Allein die gehören nicht fo wohl in eine Pfychologie, als in eine Statutenſammlung. Was wirb noch aus biefem Gejchledhte werden, ehe e8 vergeht? Die Welt kann leicht noch
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eine Million Jahre fo fortrollen, wie bisher, und-ba wären 5000 Jahre gerade das, was ein Vierteljahr in dem Leben eines Menfchen von 50 ift, kaum unſerer Univerfitätszeit. - Was babe ich da8 legte Bierteljahr gethan? Gegefien, getrunken, eleftrifirtt, Kalender gemadyt, über. eine junge Kase gelacht, und fo find 5000 Jahre diefer kleinen Welt bingelaufen, die Ich bin. Sch babe es fehr deutlich bemerkt, daß ich oft eine andere Meinung habe, wenn ich liege, und eine andere, wenn ich fiehe; zumal wenn ich wenig gegeifen babe und matt bin. Shatefpear hat eine befondere Gabe, das Närrifche auszus drüden, Gmpfindungen und Gebanfen zu malen, bergleichen man furz vor dem Einfchlafen oder im leichten Fieber hat. Mir ift alsdann ſchon oft ein Mann wie eine Einmaleindtafel vor: gefommen, und die Ewigkeit wie ein Bücherſchrank. — Er müßte vortrefflich Fühlen, fagte ich, und meinte bamit den Sap bes Widerſpruchs, den ich ganz eßbar vor mir gejehen hatte. Am 4. Julius (1775) erwachte id in Wreft *), allein nicht zu vollkommener Klarheit, aus einem Traume von meiner Muts ter. Mir träumte, fie wäre bei mir in dem Garten von Wreft und hätte mir verfprocdhen, mit mir: über ben Canal in der flie- genden Brüde zu fahren. Sie trug mir aber vorher etwas zu thun auf, biefes verwidelte mich in Schwierigkeiten, und ich
*) Einem englifhen Landſitz, 42 englifhe Meilen von Lon⸗ bon, wo ber Berfaffer einen großen Theil feines Aufenthalts in England zugebracht hat.
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find die vergnlügteflen meines Lebens. Der Neib und die Spöts terei Anderer, die bier und ba etwas mehr wiffen, ift unerträg» lid. Wie felig lebte ich damals! jekt, ba Alles, was ich thue, beobadıtet wird; und von Manchem, ber. nicht die Hälfte von mir werth ift, und eine bioß auswendig gelernte Bemerkung meinem urfprünglichen Beftreben entgegenfeht, werde ich ausge⸗ ladt. Man follte doch unterfcheiden lernen, zwifchen bem, was ein Mann felbft gedacht bat, und dem, was einer abfchreibt.
„Das Schlimmfte ift, daß ich in meiner Krankheit gar bie Dinge nicht mehr denke und fühle, ohne mich hauptſächlich mit zu fühlen. Ich bin mir in Allem bes Leidens bewußt, Alles wird ſubjectiv bei mir und zwar bezieht ſich Alles auf meine Em⸗
pfindlichkeit und Krankheit.
Ich ſehe die ganze Welt als eine Maſchine an, bie ba iſt, um mid) mein Leiden und meine Krankheit auf alle mögliche Weije fühlen zu lafien. Ein pathologifcher Egoiſt! Es ift ein höchſt trauriger Zuftand. Hier muß ich fehen, ob noch Kraft in mir ift, ob ich diefes übermwältigen kann, wo nicht, fo bin ich verloren. Allein, dieſe Krankheit ift mir jhon zur andern Na⸗ tur geworden. Wenn mir nur eine Arznei das erſte Differenzial von Stoß gäbe! Pufillanimität ift das rechte Wort für meine Krankheit; aber wie nimmt man fi) die? dieß zu lehren, würde Ehrenfäulen verdienen.
Nun weiß id), was das heißt, fich ermannen. Wenn man fhon ermannt ift, fo ift e8 gut, Andern rathen. Was ber Menſch elend ift, wenn er felbft Alles thun fol! Es Heißt ein
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Wunder von ihm fordern, wenn man feine Selbfterhaltung von ihm fordert.
Ich war zuweilen nicht im Stande, zu fagen, ob ih krank ober wohl wäre.
Meine Phantafie wurbe fcheu, fo wie Pferde, und lief fort mit mir. Diefes drüdt meinen Zuftand in der Empfindlichkeit am beften aus.
Ich merkte zuerft mein eintretendes Alter yan der Abnahme des Gebächtniffes, die ich bald mit dem Mangel an Übung def: felben entfchuldigte, bald als Folgen des eintretenden Alters be= Elagte. Solche Wellen von Furcht und Hoffnung habe ih all mein Lebenlang verfpürt.
Ich babe manchen Gedanken gehabt, von dem ich überzeugt fein Eonnte, baß er den Bellen unter den Menfchen gefallen würde, und ben ich nicht anzubringen mußte, auch anzubringen "nicht fonderlich begierig war, und bafür mußte ih mich von manchem feichten Literator und Compilator oder irgend einem bloß empirifhen Waghals und Gonfufionär über die Achfel ans fehen laſſen, und boch auch geftehen, daß, nach meinem Verhal⸗ ten, die Leute fogar Unrecht nicht hätten; benn wie Fonnten fie wiffen, was meine Indolenz felbft vor meinem Tagebuche ver: beimlichte? Doch wenn mir be Lüc fchrieb, ich fchriebe ihm feinen Brief, aus dem er nicht etwas lernte, fo fegte mich die— fes über alle Urtheile der Welt weg, aber wieder nur bei mir felbft.
Wenn ed der Himmel für nöthig und nüglich finden follte, mid und mein Leben noch einmal aufzulegen; fo welter iS um
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einige nicht unnüge Bemerkungen zur neuen Auflage mittheilen, die hauptfächlich die Beihnung des Portraits unb ben Plan bes Ganzen angehen.
Mein größter Troſt, ober eigentlih was mir zur füßeften Rache bei Sticheleien auf mich und Andere gereicht, ift bie völ⸗ fige Überzeugung, daß nie ein großer und ein guter Mann folder Nedereien fähig war.
Mir träumte, ich follte lebendig verbrannt werben. Sch war fehr ruhig dabei, was mich beim Erwachen eben nicht freute. So etwas kann Erfchlaffung fen. Ich raifonnirte ganz rubig über die Beit, die e8 dauern würbe: Vorher, dachte ih, bin ich noch nicht verbrannt, und nachher bin id es. Das war Alles, was ich dachte, und bloß dachte. Diefe Zeit liegt zwifchen fehr engen Grenzen. Ich fürchte faft, es wirb bei mir Alles zu Gedanken, und das Gefühl verliert fidh.
Seit der Mitte des Jahres 1791 regt fi) in meiner ganzen Sedantendkonomie etwas, das ich noch nicht recht befchreie ben kann. Ich will nur Einiges davon anführen, um künftig aufmerkfamer darauf zu werden: nämlich ein außerorbentliches, faft zu fchriftlichen IThätlichkeiten übergehendes Mißtrauen gegen alles menſchliche Wiſſen, Mathematit ausgenommen; und was mich noch an das Studium der Phyſik feffelt, ift die Hoffnung, etwas bem menſchlichen Geſchlechte Nüpliches aufzufinden. — Wir müffen freilich etwas ergreifen, aber ob das nun Alle fo ift, wie wir glauben? Da frage ich mich wieder, wat nennft bu fo fein, wie du es bir vorſtellſt? Dein Glaubr
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daß es fo ift, ift ja auch etwas, und von dem Übrigen weißt du nichts.
Ein großer Fehler bei meinem Stubdiren in ber Jugend war, daß ih ben Plan zum Gebäude zu groß anlegte. Die Folge war, baß ih bie obere Etage nicht ausbauen Fonnte, ja ih Fonnte nit einmal das Dach zubringen. Am Ende fab ih mic genöthigt, mid mit ein paar Dachſtübchen zu begnü- gen, die ich fo ziemlich ausbaute, aber verhindern konnte ich doch nicht, daß es mir bei ſchlimmem Wetter nicht hinein reg: nete. So geht ed gar Mandhen!
Ich babe den Weg zur Wiffenfhaft gemacht wie die Hunde, die mit ihrem Herrn fpazieren gehen: hundertmal benfelben vor: wärts und rückwärts, und als id anfam, war ich müde.
Sch babe das Regiſter der Krankheiten durcdhgegangen und babe die Sorgen und bie traurigen Borftellungen nicht darunter gefunden, das ift doch falſch.
Wenn ich in irgend etwas eine Stärke befike, fo ift es bie im Ausfinden von Ähnlichkeiten und. dadurch im Deutlihmaden beffen, was ich vollfommen verftehe. Hierauf muß ich alfo vorzüglich denken. |
Der berühmte Homwarb befuchte mih, warum? kann ich eigentlich nicht fagen, es müßte denn fein, baß .er meine Stube, meil id damals in 1%, Jahre nicht vor die Thüre gefommen war, etwa als einen Kerker habe in Augenfchein neh⸗ men wollen.
Der Procrastinateur : bee Auffchieber, ein Ahews pn Cm . X
& 20 , Luſtſpiel, das wäre etwas für mich zu bearbeiten. Auffchieben war mein größter Fehler von jeher!
Bon Allem nur das Schlimmfte fehen, Alles fürdhten, felbft Gefundheit für einen Zuſtand anfehen, worin man bie Krank⸗ beit nicht fucht: dieſen Charakter glaube ih am beften durch⸗ fegen zu können, ich dürfte mich bloß abſchreiben.
Sch Iefe die Pfalmen Davids fehr gern: ich fehe daraus, daß e8 einem .folhen Manne zuweilen eben fo ums Herz war wie mir, und wenn ich fehbe, baß er nach feinem großen Leis den wieder für Errettung dankt; fo denke ich, vielleicht kommt die Zeit, daß auch bu für Errettung banken kannſt. Es ift gewiß ein Troſt, zu fehen, daß es einem großen Manne in einer höhern Lage nicht befier au Muthe war, als einem felbft, und daß man doch nad ITaufenden von Jahren von ihm fpricht und fih an ihm tröftet.
Nachdem ich Vieles menfchenbeobachterifh und mit vielem fchmeichelhaften Gefühl eigener Superiorität aufgezeichnet und in noch feinere Worte gefledt hatte, fand ih am Ende, daß gerade das das Beſte war, was ich ohne alle diefe Gefühle fo ganz bürgerlich niedergefchrieben hatte.
Bei aller meiner Bequemlichkeit bin ich doch immer in der Kenntnig meiner felbft gewachſen, ohne eben die Kraft zu ha⸗ ben, mid) zu befiern. 3a ich habe mich öfters für alle meine Indolenz dadurch entfchäbigt gehalten, daß ich diefes einfah, und dad Vergnügen, das mir bie genaue Bemerkung eines Fehlers an mir machte, war oft größer, als der Verdruß, ben
21 ber Fehler felbft bei mir erwedte. So ſehr viel mehr galt bei mir der Profejfor, als der Menfh. Der Himmel führt feine Heiligen wunberlich.
Mein Körper ift derjenige Theil der Welt, den meine Ge- danken verändern künnen. Sogar eingebildbete Krankheiten können wirkliche werden. In der ganzen übrigen Welt können meine Hypotheſen die Orbnung der Dinge nicht ftören.
Ich batte in meinen Univerfitätsjahren viel zu viel Frei- beit, und leider etwas überfpannte Begriffe von meinen Fä⸗ bigfeiten, und fchob daher immer auf, und das war mein Berderben. In den Sahren 1763 bis 1765 hätte ich müſſen angehalten werden, täglich wenigftens fech8 Stunden, . bie fhwerften und ermfthafteften Dinge zu treiben (höhere Geome⸗ trie, Mechanik und Sntegralrehnung), fo hätte ich es meit bringen können. Auf einen Schriftftellee habe ich nie ſtudirt, fondern bloß gelefen, was mir gefiel, und behalten, mas fich meinem Gedächtniß, gleihfam ohne mein Zuthun, wenigftens ohne eine beftimmte Abficht, eingebrüdt bat. Weil ich aber dennoh eine gewiſſe Selbfibeobadhtung über mi ausgeübt babe, fo kann ich vielleicht im der kurzen Zeit, die ich noch zu leben babe, dadurch nüglicy werden, daß ich lebhaft und mit Kraft Andern fage, was fie nicht thun müſſen.
Ich babe mirs zur Regel gemacht, daß mich bie aufge bende Sonne nie im Bette finden fol, fo lange ich geſund bin. Es koſtete mich nichts, als den Entfchluß; denn ich habe e8 bei Gefegen, die ich mir felbft gab, ivamer In guten , OS
o 20 Luſtſpiel, das wäre etwas für mich zu bearbeiten. Aufſchieben war mein größter Fehler von jeher!
Von Allem nur das Schlimmſte ſehen, Alles fürchten, ſelbſt Geſundheit für einen Zuſtand anſehen, worin man bie Krank⸗ beit nicht fucht: biefen Charakter glaube ich am beften burdh« fegen zu können, ich dürfte mich bloß abfchreiben.
Ich Iefe bie Pfalmen Davids fehr gern: ich fehe daraus, daß e8 einem ſolchen Manne zuweilen eben fo ums Herz war wie mir, und wenn ich fehbe, baß er nad feinem großen Lei⸗ den wieder für Errettung dankt; fo benfe ich, vielleicht kommt bie Zeit, daß auch bu für Krrettung banken kannſt. Es ift gewiß ein Troſt, zu fehen, daß es einem großen Manne in einer höhern Lage nicht befier zu Muthe war, als einem felbft, und daß man doch nad Taufenden von Jahren von ihm fpricht und fih an ihm tröftet.
Nachdem ich Vieles menfchenbeobadhterifh und mit vielem fymeichelhaften Gefühl eigener Superiorität aufgezeichnet und in noch feinere Worte geftedt hatte, fand ih am Ende, daß gerade das das Belle war, was ich ohne alle biefe Gefühle fo ganz bürgerlich niebergefchrieben hatte.
Bei aller meiner Bequemlichkeit bin ich doch immer in ber Kenntnig meiner felbft gewachfen, ohne eben die Kraft zu has ben, mic) zu beſſern. Ja ich babe mich öfters für alle meine Indolenz dadurch entſchädigt gehalten, daß ich diefes einfah, und das Vergnügen, das mir bie genaue Bemerkung eines Fehlers an mir machte, war oft größer, als ber Verdruß, den
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ber Fehler ſelbſt bei mir erweckte. So ſehr viel mehr galt bei mir der Profeſſor, als der Menſch. Der Himmel führt ſeine Heiligen wunderlich.
Mein Körper iſt derjenige Theil der Welt, den meine Ge: danken verändern fünnen. Sogar eingebildete Krankheiten können wirfliche werben. In der ganzen übrigen Welt können meine Hypotheſen die Ordnung der Dinge nicht ftören.
Ich Hatte in meinen Univerfitätsjahren viel zu viel Frei: beit, und leider etwas überfpannte Begriffe von meinen Fä⸗ bigkeiten, und fchob daher immer auf, und das war mein Berderben. In den Jahren 1763 bis 1765 Hätte ich müſſen angehalten werben, täglich wenigftens ſechs Stunden, . bie fhwerften und emfthafteften Dinge zu treiben (höhere Geome⸗ trie, Mechanik und SIntegralrehnung), fo hätte ich es weit bringen können. Auf einen Schriftfteller habe ich nie ftudirt, fondern bloß gelefen „was mir gefiel, und behalten, was fich meinem Gedächtniß, gleichſam ohne mein Zuthun, wenigftens ohne eine beftimmte Abficht, eingebrüdt hat. Weil ih aber dennoch eine gewiſſe Selbfibeobahtung über mid ausgeübt babe, fo kann ich vielleicht in der kurzen Zeit, bie ich noch zu leben babe, dadurch nützlich werden, daß ich lebhaft und mit Kraft Andern fage, was fie nicht thun müffen.
Ich Habe mirs zur Regel gemacht, daß mich bie aufge bende Sonne nie im Bette finden fol, fo lange ich geſund bin. Es Eoftete mich nichts, als den Entfchluß; denn ich habe es bei Gefegen, die ich mir felbft gab, iramer In gäalten , U"
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ich fie nicht eher feflfehte, als bis mir die Übertretung faft uns möglich war.
O! ich erinnere mich noch fehr wohl, wie ich beim Auf: gange der Sonne empfinden follte und wollte, und nichts em- pfand, aber mit dem Kopfe bald gegen biefe bald gegen bie andre Schulter gefentt und mit blinzenden Augen zuweilen Vieles von Empfindung fprah, und damit nicht bloß Anbere, fondern fogar mich felbft betrog. Aber jene Empfindung Fam erft in fpätern Jahren und vorzüglich flard von 1790 an, da ich die Sonne öfter aufgehen ſah. Vorzüglich waren verftor- bene Freunde, zumal bie legtverftorbenen, und meine Frau und Kinder der Gegenftand, ben mein Herz jebt umfaßte. Ich babe oft Ihränen geweint, und bin niedergefniet. Könnte ich boh meinen Gntfchlüffen mehr Dauer geben! Allein es ift gewiß Lörperlihe Schwäche baran Schuld, Leichtfinn gewiß nicht, ob es mich gleich fehr fchmerzt, daß die Welt vermuth- lih das einer Wanfelmüthigkeit im Charakter zufchreibt, mas boch bloß Kränklichkeit ift.
—Ich Habe überhaupt fehr viel gedacht, das weiß ich, viel mehr, als ich gelefen habe. Es ift mir daher fehr Vieles von bem unbefannt, was bie Welt weiß, und baber irre ich auch oft, wenn id mich in die Welt mifche, und dieſes macht mich fhüchtern. Könnte ich das Alles, was ich zufammen gedacht babe, fo fagen, wie e8 mir ift, nicht getrennt, fo würde es ges wiß den Beifall ber Welt erhalten.
Wenn ich doch Ganäle in meinem Kopfe ziehen könnte, um
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den inländifhen Handel zwifchen meinem -Gedanfenvorrathe zu befördern! Aber da liegen fie zu Hunberten, ohne einander zu nügen.
Meine beftändige Vergleichung der Jahre eines Schriftftel- lers, deſſen Leben ich Iefe, mit den meinigen, die ich ſchon in meiner Jugend machte, ift ganz menſchliche Natur.
Ich fing erft gegen das Ende meines Lebens an zu arbeiten, und mein bischen Wi aufs Profitchen zu fteden.
Sein Leben aufs Profithen fteden: mie ich jekt im Sabre 1795. Ich hätte aber, was ich jest thue und thun will und gerne thäte, ehemals viel beſſer thun können, da hatte ich aber feine Zeit!!
Ich ftede jegt meine ganze Thätigkeit aufs Profithen. Koh: fen find noch da, aber feine Flamme.
Ich bin außerordentlid empfindlidy gegen alles Getöfe, allein eö verliert ganz feinen wibrigen Eindrud, fobald es mit einem vernünftigen Zwecke verbunden ift.
Wenn ich ehedem in meinem Kopfe nad Gebanfen oder Einfälen fifhte, fo fing ich immer etwas; jekt kommen die Sifche nicht mehr fo. Sie fangen an fi auf dem Grunde zu verſteinern, und ich muß fie heraushauen. Zumeilen befonme ih fie auch nur ſtückweiſe heraus, wie die Verfteinerungen vom Monte Bolca, und flicke daraus etwas zufammen.
Man klagt fo fehr bei jedem Schmerz und freut fich fo ſel⸗ ten, wenn man eine fühlt. Unter bie legte Claſſe von Men ſchen gehöre ih nicht. Wenn ich fo ganz feinen Schmerz fühle, was zuweilen der Kal ift, wenn ich mich zu Bette Tag , SS
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habe ich dieſe Glücfeligkeit fo ganz empfunden, daß ich Freu⸗ denthränen geweint babe, und biefer flille Dank gegen mei- nen gütigen Schöpfer machte mich noch ruhiger. O! wer fo fterben könnte! "
Sch verfprehe dem Publikum ihm Lünftig nichts mehr zu verfprechen (fehr wahr und richtig nach meiner Lörperlichen und vielleicht auch geiſtigen Anlage).
In meinem fechs und vierzigften Jahre fing ich an, die läng⸗ ften und kürzeſten Tage des Jahre mit einer Art von Intereffe zu beobadten, das gewiß bie Frucht dieſes Alters war. Alle Merkmale der Vergänglichkeit bei Dingen außer mir, waren mir Meilenzeiger: meines eigenen Lebens. Und felbft die höhere Weisheit (wie ich fie in diefen Jahren zu nennen beliebe), alles diefed zu bemerken, wurde verdächtig.
E83 war eine drollige Idee von — —, fi einen fo biden Kerl zu denken, ber mit ber einen Seite unter dem Bol und mit ber andern unter dem Äquator wäre. Gin trauriges Leben | Aber ich habe doch wirklich bei eisfalten Füßen zumeilen oben geſchwitzt.
Als ich 27 Jahr alt war, wurde ich Profeſſor in Göttingen. Damals fagte ich zu ben Purſchen, die mich grüßten, ganz ge borfamer Diener. Als ich Hofrath war, fügte ich bei die- fer Gelegenheit: ganz untertbhänigfter Diener. Wie id zu diefem doppelten Superlativ Fam, begreife ich bis auf diefe Stunde nidt. Influenza ber Zeit.
Ich bin mehrmal wegen begangener Fehler getabelt wor⸗
25 den, bie mein Tabler nicht Kraft oder Wit genug hatte, zu begehen.
Ehemals zeichnete mein Kopf (mein Gehirn) Alles auf, was ich hörte und fah, jetzt fchreibt er nicht mehr auf, fondern über: läßt e8 Mir. Wer ift diefer Ich? bin ich und ber Schreiber nicht einerlei ?
Ich kann nicht vergefien, daß ich in meiner Jugend ein- mal die Frage: was ift das Norbliht? auf einem Zettel mit der Addreſſe an einen Geift, fehrieb, und jenen des Abends auf den oberften Boden im Haufe legte. O wäre ba ein Schelm geivefen, der mir die Frage beantwortet hätte !
Nichts kann mich mehr ermuntern, als wenn idy etwas Schweres verfianden babe, und body fuche ich fo wenig Schweres verfiehen zu lernen. Ich follte es öfter verfuchen.
Menn fih mein Geiſt erhebt, fällt der Leib auf die Knie.
Wenn ich nur einmal einen rechten Entfchluß faflen könnte, gefund zu fein! Halere aude!
Sch werde täglich mehr überzeugt, daß mein Nervenübel von meiner Einfamkeit fehr unterhalten wird, wo nicht gar her⸗ vorgebraht worben ift. Ich finde faft gar Feine Unterhaltung mehr, als durch meinen eigenen Kopf, der immer befchäftigt ift. Da nun meine Nerven nie die ſtärkſten gewefen find, fo muß nothwendig dadurch eine Ermübung entftehen. Ich merke fehr wohl, daß mid Gefellfchaft aufheitert; ich vergeffe mich da, ober vielmehr mein Kopf empfängt, anftatt zu fchaffen, und rubt das ber.. Darum ift auch das Lefen fohon eine Ethaboo ru,
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allein es ift doch nicht das, was bie Befellfchaft ift, weil ich das Buch immer weglege, und für mid handle.
Ich babe oft mit Bemerkungen gegeizt, ich meine, immer aufs Künftige damit gefpart, ohne fie jemald gern auszugeben. Es könnte fein, daß manche auf biefe Weife gar nicht ans Licht fümen.
2. war im Herzen gut, nur hat er fih nicht immer bie Mühe genommen ,.e8 zu fcheinen. Mein größter Fehler, ber Grund von allem meinen: Berbruß.
Es war entweder in ber Nacht vom 14. auf ben 15., oder vom 15. auf den 16. October (1779), als mir träumte, ic) fehe eine feurige Wolfe unter den Plejaden berfliegen; zugleich läutete die große Glode zu Darmſtadt, und ich fiel auf die Knie und fpradh die Worte: heilig, heilig ꝛxc. aus. Meine Em: pfindungen waren dabei unausſprechlich groß, und ich hätte mich berfelben kaum mehr fühig geglaubt.
Die Erinnerung an meine Mutter und ihre Tugend ift bei “mir gleihfam zum Cordial geworden, das ich immer mit dem beften Erfolg nehme, wenn ich. irgend zum Böfen wanfend werde.
Ih konnte mid) ehemals fo fehr auf eine Nachtleiche freuen, daß ich den Tag über das wenige Geld, was ich hatte, aus Vergnügen in Buderwaare verthat.
Wenn ich einen Nagel einfchlage, nur um etwas anzubhef: ten, fo denke ich immer, was wirb gefchehen, ehe ich ihn wieder berausziehe. Es ift gewiß hierin etwas. Ich beftete den Papp: bedel im November an mein Bett an, und ehe ich den Nagr
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noch herauszog, war mein vortrefflicher Freund Schernhagen in Hannover, und eines meiner Kinder geftorben, und bie italie- nifche Reife zu Waſſer geworben.
Eine defultorifche Lectüre ift jederzeit mein größtes Vergnü⸗ gen geweſen.
als ih mih in der Naht vom 24. auf den 25. Januar 1790 auf ben Namen des fchwebifchen Literator8 und Buch händlers Gjörwell befann, ben ich gar nicht finden Zonnte, fo bemerkte ich Folgendes: von Anfang an zweifelte ich ganz, ihn je aus mir felbft wieder zu finden. Nach einiger Zeit bemer?te ich, daß, wenn ich gewiſſe ſchwediſche Namen ausfpradh, ih dunkel fühlte, wenn ih ihm näher Fam; ja ich glaubte zu bemerken, wenn id ibm am nächſten war; und doch fiel ih - plöglih ab und fchien wiederum zu fühlen, daß ich ihn gar nit finden würde. Welche feltfame Relation eines verlornen Wortes gegen die andern, die ich noch bei mir hatte, und gegen meinen Kopf. Den zmeifilbigen gab ich übrigens immer ben Borzug. Endlich bemübete ich mich, nachdem ich mich die Nacht durch gequält, und dadurch meine Nervenzufälle gewiß verfchlims mert hatte, den Anfangsbuchftaben zu finden, und als ich in bem Alphabet an das G Fam, ftuste ich und fagte fogleich Gjörwell. Allein einige Zeit nachher fing ich wieder an zu glauben, es fei doch der rechte nicht, bis ich enblid aus dem Bette fam und beiterer wurde. Was mein Aberglaube dabei für eine wichtige Rolle fpielte! Als ich den Namen fand, glaubte ih fogar, e8 fei ein Zeichen, daß id) nun gelaunt wuuhen wur.
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Dieb hängt mit einer Menge ähnlicher Vorfälle in meinem Leben zufammen. Ich bin fehr abergläubifh, allein ich fchäme mich beffen gar nicht, fo wenig als ich mich fhäme zu glauben, bag die Erde ſtille ſteht. Es ift ber Körper meiner Philofophie, und ih danke nur Gott, baß er mir eine Seele gegeben bat, die die- ſes corrigiren kann.
Bei meiner Nervenkrankheit habe ich ſehr häufig gefunden, daß das, was ſonſt bloß mein moraliſches Gefühl beleidigte, nun in das phyſiſche überging. Als jemand einmal ſagte: „mich ſoll Gott tödten,“ wurde mir fo übel, daß ich dem Men: fhen auf eine Zeit lang bie Stube verbieten mußte.
Es ſchicken wohl wenige Menfchen Bücher in die Welt, ohne zu glauben, baß nun jeber feine Pfeife hinlegen oder fie angäns ben würde, um fie zu lefen. Daß mir biefe Ehre nicht zuge dacht ift, fage ich nicht bloß, denn das wäre leicht, fondern ich glaube es auch, welches fchon etwas ſchwerer ift, und erlernt werden muß. Autor, Seker, Corrector und Genfor mögen es fefen, vielleicht auch ber Rerenjent, wenn er will, das find alfo von taufend Millionen gerade fünfe.
Wenn nur der Scheidepunft erft überfchritten wäre! Mein Gott, wie verlangt mich nach) dem Augenblid, wo bie Zeit für mid aufhören wird, Beit zu fein; wo mid) ber Schoos bed müt- terlichen Alles und Nichts wieber aufnehmen wird, in dem ich damals fchlief, ald der Haynberg ”) angefpült wurde, als Epifur,
) Ein .befannter Berg bei Göttingen.
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Cäſar, Lucrez lebten und fchrieben, und Epinoza den größten Gedanken dachte, der noch in eines Menfchen Kopf gefommen ift.
Seit einigen Tagen (22. April 1791) lebe ich unter der Hypotheſe (denn ich lebe beftändig unter einer), daß das Trin- fen bei Tiſch ſchädlich fei, und befinde mich vortrefflich dabei. Hieran ift gewiß etwas Wauhres, denn ich habe noch von keiner Anderung in meiner Lebensart und von Feiner Arznei fü ſchnell und hanbdgreiflich die gute Wirkung empfunden, als hiervon.
Es gibt für mich Peine gehäffigere Art Menfchen, als bie, welche glauben, baß fie bei jeder Gelegenheit ex oflicio witzig fein müßten.
Man ift nie glüdlicher, als wenn uns ein flarfes Gefühl beflimmt, nur in diefer Welt zu leben. Mein Unglüd ift, nie in diefer, fondern in einer Menge von möglichen Ketten und Verbindungen zu eriftiren, bie fi) meine Phantafie, unters ftügt von meinem Gewiſſen, ſchafft. So geht ein Theil mei: ner: 3eit bin ‚und feine Bernunft ift im Stande, darüber zu fies gen. Diefes verdiente fehr auseinander gefeht zu werden. Lebe bein erftes Leben recht, damit bu bein zweited ge: nießen kannſt. Es ift im Leben, wie mit ber Praxis des Arztes, die. erfien Schritte entfcheiden. Das ift doch unredt irgendwo, in der Anlage oder im Urtbeil. |
Als ih am 18. Dec. 1789 in meiner Nervenfrankheit die Ohren mit den Fingern zubielt, befand ich mich fehr viel beffer; nicht allein, weil nun mein Nervenfoften weniger Stöße befam, fondern auch, weil ich nun da8 kränkliche Saufen in wa Diren
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für ein erfünfteltes hielt, und mich für gefund in diefem Stüd, und daher felbft auf einige andere Gefühle weniger achtete. Die gute Wirkung war unleugbar.
Ich babe, feit meiner Krankheit 1789, die erbarmenswürs bige Fertigkeit erlangt, aus Allem, was ich fehe und höre, Gift für mich felbft, nicht für Andere zu faugen. Es ift als ob das Drüfenfyften meines moralifhen Wefens, woburd bei glück⸗ lich organifirten Menſchen Ruhe, Nutzen und Bergnügen aus Allem gezogen wird, ganz bie entgegengefepte Form angenommen hätte, fo wie wenn bei Windmühlen ber Wind plötzlich von hinten fommt, und Alles zerflört. Wie ift da zu helfen? Wie fann man ſich gewöhnen, in Allem nur das Befte zu fehen, aus Allem etmad Gutes zu vermuthen, immer zu boffen und felten zu fürdten, freilich verfteht fihs, auch immer fo zu handeln, dag man Urſache hat, mehr zu hoffen, als zu fürdhten ?
Wenn ich zumeilen in einem meiner alten Gebankenbücher einen guten Gedanken von mir lefe, fo wunbere ich mich, wie er mir und meinem Syſtem fo fremb bat werden können, unb freue mich nun fo darüber, wie über einen Gedanken eined meis _ ner Borfahren.
Euler fagt in feinen Briefen über verfhiebene Gegenſtände aus der Naturlehre (2. Band, ©. 228.), ed mwürbe eben fo gut donnern und bliken, wenn auch fein Menſch vorhanden wäre, ben ber Blik erfchlagen Eünnte. Es ift ein gar gewöhnlicher Ausdruck, ich muß aber geftehen, daß es mir nie leicht gewefen ift, ihm ganz zu faſſen. Mir kommt
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es immer vor, ald wenn ber Begriff fein etwas von unferm Denken Erborgtes wäre, und wenn es Peine empfindenden und denkenden Gefchöpfe mehr gibt, fo ift auch nichts mehr. Co einfältig biefes klingt, und fo ſehr ich verlacdht werden würde, wenn ich fo etwas öffentlich fagte, fo halte ih doch ſo etwas mutbmaßen zu fönnen für einen ber größten Vorzüge, ei- gentlich für eine der fonderbarften Einrichtungen des menfchlichen Geiftes. Diefes hängt wieder mit meiner Seelenwanderung zu— fammen. Ich denke, ober eigentlih, ich empfinde hierbei fehr viel, das ich nicht auszudrüden im Stande bin, weil es nicht gewöhnlih menfhlid ift, und daher unfere Sprade nicht dafür gemadt iſt. Gott gebe, baß ed mich nicht einmal ver: rüdt madt. So viel merke ih, wenn ich barüber fchreiben wollte, fo würde mich die Welt für einen Narren halten, unb deßwegen fehweige id. Es ift auch nicht zum Sprechen, fo wenig als die Fleden auf meinem Tifh zum Abfpielen auf ber
Geige. Nichts ſchmerzt mich mehr, bei allem meinem Xhun und Laſſen, als daß ich die Welt fo anfehen muß, wie ber ge: meme Mann, da ich boch feientififch weiß, daß er fie falfıh anfieht.
Wo Vorforge unnüg war, ba batte ich fie; wo fie aber hätte nützlich fein können, trat ber Zeichtfinn ein: kommt Beit tommt Rath, dachte ih, und that nichts — ein Charakter, der fehr viel gemeiner ift, als man glaubt.
Am 10. October 1793 ſchickte ich meiner lieben Rs ö
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bem Garten eine ünftlihe Blume aus abgefalienen bunten Herbſtblättern. Es follte mich in meinem jegigen Zuftande barftellen; ich ließ e8 aber nicht dabei fagen.
Wenn audy) meine Philofophie nicht hinreicht, etwas Neues auszufinden, fo hat fie body Herz genug, das längft Geglaubte für unausgemadt zu balten.
Ah! das waren noch gute Zeiten,.ba ich noch Alles glaubte, was id) hörte.
O wie oft babe ich ber Nacht gebeichtet, in der Hoff nung, baß fie mich abfolviren würbe, und fie hat mid nicht abfolvirt!
Ich babe offenbar bei dem gröbern Drud meines Hogarths gefühlt (miewohl dunkel), daß das bißchen Geift nicht im Stande ift, fo vieler Mafje Leben zu geben, man fage was man wolle; es ift wahr. Man follte die Bücher immer befto Eleiner drucken laffen, je weniger Geift fie enthalten.
Ich bin fchon deßwegen zu einem Cenſor ungeſchickt, weil für mich jede Handſchrift, etwa meine eigene ausgenommen, eine Art von überſetzung in eine Sprache iſt, ber ich wenig—⸗ ftens nicht bis zur Leichtigkeit mädtig bin; unb fo etwas zer: ftreut immer.
Ich kann ben Gedanken nicht los werben, baß ich ge- ftorben war, ehe ich geboren wurde, und burd ben Tod wieder in jenen Zuftand zurückkehre. Es ift ein Glüd in man⸗ cher Rüdfiht, daß biefe Vorftellung nicht zur Deutlichfeit ge- bracht werden kann. Wenn auch der Menfch jenes Geheimniß
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ber Natur erratben kann, fo wäre es doch fehr gegen ihr Ins tereffe, wenn er es beweifen könnte. Eterben und wieber Ic bendig werden mit Erinnerimg feiner vorigen Eriftenz, nennen wir ohnmächtig gewefen fein; wieder erwachen mit andern Or: ganen, die erjt wieder gebildet werben müffen, heißt geboren werben.
Nichts macht ſchneller alt, als der immer vorſchwebende Ge- danke, dag man älter wird. ch verfpüre biefes recht an mir; ed gehört mir zum Giftfaugen.
Menn e8 ein Werk von etwa zehn Folianten gäbe, worin in nit allzu großen Kapiteln jedes etwas Neues, zumal von der fpe- eulativen Art, entbielte; wovon jedes etwas zu benfen gäbe, und jmmer neue Auffchlüffe und Erweiterungen barböte: fo glaube ich, könnte ich nach einem foldhen Werke auf den Knieen nad) Ham- burg rutfchen, wenn ich überzeugt wäre, daß mir nachher Gefunds beit und Leben genug übrig bliebe, es mit Muße burchzufefen.
So lange das Gedächtniß dauert, arbeiten eine Menge Menfchen in Einem vereint zuſammen, ber zwanzigjährige, ber treißigjährige u. f. w. Sobald aber dieſes fehlt, fo fängt man, immer mehr und mehr an, allein zu ftehen, und die ganze Ge: neration von Ichs zieht fich zurück und lächelt über den alten Hülflofen. Diefes fpürte ich fehr ftar im Auguft 1795.
Es gebt mir mit meiner Gefundheit wie den Müllern zuweilen mit dem Waffer: ich muß immer, twenigftens zwei Tage in der Woche, im Freien fammeln, um bie übrigen fünfe mahlen zu fünnen.
Ich habe oft Stunden lang allerlei Phantafieen nachgehängt, in Zeiten wo man mich für ſehr beicgättior ut. W W
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das Nachtheilige davon in Rüdfiht auf Zeitverluft, aber ohne diefe Phantafieencur, die ich gemeiniglid um bie gewöhnliche Brunnenzeit gebrauchte, wäre ich nicht fo alt geworben.
Die Balken von Häufern anzufehen, bie Beugen waren von Hoff⸗ nungen, die nunnad 25 Jahren nicht erfüllt find. O Gott, o Gott! biefes ift zu fein für einen großen Theil des lefenden Publitums, aber nichts defto weniger wahr. Wie ſchwer ift es nicht, ein Mittel zu treffen !
Unter allen Überfegungen meiner Werke, die man unterneh« men wollte, erbitte ich mir ausbrüdlich bie hebräiſche.
Es war zu Ende Septembers 1798, als ih Jemanden im Traume die Gefchichte der jungen und fchönen Gräfin 9... ers zählte, die mich, und überhaupt jebermann fehr gerührt bat. Sie ftarb im September 1797 in den Wochen, oder eigentlich wäh⸗ rend der Geburt, bie nicht zu Stande fam. Sie wurbe geöffs net und das Kind neben ihr in den Sarg gelegt, und fo wur: ben fie zufammen bes Nachts mit Fadeln, unter einem entfeßs lihen Zulauf von Volt, nad) einem benadhbarten Orte, wo das Samilienbegräbniß ift, gebracht. Diefes gefhah auf dem Göt⸗ tingifchen Leichenwagen, einer fehr unbeholfenen Mafdine. Da: durch wurden alfo die Leichname fehr durch einander geworfen. Am Ende wollten fie, ehe fie in die Gruft gebracht wurden, noch einige Leute fehen. Man öffnete den Sarg und fand die Mut: ter auf dem Geficht liegend und mit ihrem Kinde in einen Haus fen geſchüttelt. Das ſchöne Weib, fchwerlich noch 20 Jahre alt, die Krone unferer Damen, bie auf manchem Bulle den Neid ber ſchönſten erregt, in dieſem Zuſtande! Diefes Bild hatte mich
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zu ber Zeit oft befchäftigt,. zumal da ich ihren Gemahl, einen meiner fleißigften Zuhörer, fehr wohl gefannt hatte. Diefe traue rige Gefchichte erzählte ih nun Jemanden im Traume, im Beis fein eines Dritten, dem die Gefchichte auch befannt war; ver—⸗ gaß aber (fehr fonderbar) den Umftand mit dem Kinde, der doch gerade ein- Hauptumftand war. Nachdem ich bie Erzählung, wie ich glaubte, mit vieler Energie und Rührung beffen, bem ich fie erzählte, vollendet hatte, fagte ber Dritte: ja, und das Kind Tag bei ihr, Alles in einem Klumpen. — Sa, fuhr ih gleihfam auffahrend fort, und ihr Kind lag mit in bem Sarge. — Diefes ift der Traum; was mir ihn merfwürbig madıt, ift die- ſes: Wer erinnerte mi im Traume an das Kind? Ich war es ja felbft, dem ber Umftand einfiel; warum brachte ich ihn nicht felbft im Traume als eine Erinnerung beit Warum fhuf fih meine Phantafie einen Dritten, der mich bamit überrafchen und gleihfam befhämen mußte? Hätte ich die Gefchichte wa⸗ . hend erzählt, fo wäre mir ber rührende Umftand gewiß nicht entgangen: Bier mußte ich ihn übergehen, um mid) überrafchen zu laffen. Hieraus läßt ſich allerlei ſchließen; ich erwähne nur Eines, und gerade das, was am ftärfften wider mich felbft zeugt, zugleich aber auch für die Aufrichtigkeit, womit ich diefen fon- derbaren Traum erzähle. Es ift mir öfters begegnet, daß, wenn ih etwas habe druden laſſen, ich erft ganz am Ende, wenn fi nichts mehr ändern ließ, bemerkt habe, daß ich alles hätte beffer fagen Fönnen, ja, baß ich Hauptumftände vergeffen hatte. Die: ſes ärgerte mich oft fehr: — Ich glaube, dak ein ve Ertiie ame I’
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rung liegt. Es wurde bier ein mir ſehr merkwürdiger Borfall dramatifirt. Überhaupt aber ift das mir nichts Ungewöhnliches, dag ih im Traum von einem Dritten belehrt werde; das ift aber weiter nichts, als bramatifirtes Beſinnen. Sapienti sat.
Gerade wie auf meinem neuen Bibliothefszimmer fieht es in meinem Kopfe aus. Ordnnungsliebe muß dem Menfchen früh eingeprägt werden, fonft ift Alles nichts.
Sn der Naht vom 9. auf ben 10. Februar träumte mir, ich fpeife auf einer Keife in einem Wirthshauſe, eigentlich auf einer Straße in einer Bude, worin zugfeich gewürfelt wurde. Gegen mir über faß ein junger, gut angeBleibeter, etwas windig ausfehender Mann, der, ohne auf die umher Sikenden und Stehenden zu achten, feine Suppe aß, aber immer den zweiten ober britten Löffel voll in die Höhe warf, wieder mit bem Löffel fing und dann ruhig verfchludte. Was mir biefen Traum befonders merkwürdig macht, ift, daß ich da⸗ bei meine gewöhnliche Bemerkung machte, daß folche Dinge nicht tönnten erfunden werben, man müßte fie fehen. (Ich meine, fein Ro: manenfchreiber würde barauf verfallen). Dennod) hatte ich dieſes doch in dem Augenblicde erfunden. Bei dem Würfelfpiel faß eine lange, bagere Zrau und firidte. Ich fragte, was man da gewinnen fönnte. Sie fagte: nichts; und als ich fragte, ob man was verlieren fönnte, fagte fie: nein! Diefes hielt ich für ein wichtiges Spiel”).
) Vielleicht ift e8 manchem Lefer intereffant zu hören, daß dieſes die legte Anmerkung ift, bie fih in des Verfaſſers Tage:
buche findet, und die er nicht lange vor feinem Xode, ber ben 24. Zebruar erfolgte, niebergefchrieben haben kann.
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Nachtrag zu den Nachrichten und Bemerkungen des Berfaflers über ſich ſelbſt.
Ich habe ſchon auf Schulen Gedanken vom Selbſtmorde gehegt, die den gemein angenommenen in der Welt ſchnurſtracks entgegenliefen, und erinnere mich, daß ich einmal lateiniſch für den Selbſtmord disputirte und ihn zu vertheidigen ſuchte. Ich muß aber geſtehen, daß die innere Überzeugung von ber Billig— keit einer Sache (wie diefes aufmerkſame Lefer werden gefunden baben), oft ihren legten Grund in etwas Dunklem hat, beffen Aufklärung äußerft ſchwer ift oder wenigſtens fcheint, weil eben der Widerfpruch, ben wir zwifchen dem Elar ausgebrüdten Satze und unferm unbeutlihen Gefühle bemerken, uns glauben madt, wir baben ben rechten noch nicht gefunden. Im Auguft 1769 und in ben folgenden Monaten babe id mehr an den Selbfi- mord gedacht als jemals, und allezeit habe ich bei mir befunden, daß ein Menfh, bei dem der Trieb zur Selbfterhaltung fo ge: ſchwächt worden ift, daß er fo leicht überwältigt werden kann, ih ohne Schuld ermorden könne. Iſt ein Fehler begangen worben, fo liegt er viel weiter zurück. Bei mir ift eine vielleicht zu lebhafte Vorftellung des Todes, feines Anfangs und wie
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rung liegt. Es wurde bier ein mir fehr merfwärdiger Vorfall dramatifirt. Überhaupt aber ift das mir nicht Ungewöhnliches, daß ich im Traum von einem Dritten belehrt werde; das ift aber weiter nichts, als dramatifirtes Befinnen. Sapienti sat.
Gerade wie auf meinem neuen Bibliothekszimmer fieht es in meinem Kopfe aus. Orbnnungsliebe muß dem Menfchen früh eingeprägt werben, fonft ift Alles nichts.
In der Naht vom 9. auf den 10. Februar träumte mir, ich fpeife auf einer Reife in einem Wirthöhaufe, eigentlich auf einer Straße in einer Bude, worin zugleich gemwürfelt wurde. Gegen mir über faß ein junger, gut angekleideter, etwas windig ausſehender Mann, der, ohne auf die umher Sigenden und Stehenden zu achten, feine Suppe aß, aber immer ben zweiten oder dritten Löffel voll in die Höhe warf, wieder mit dem Löffel fing und dann ruhig verfchludte. Was mir diefen Traum befonders merkwürdig macht, ift, daß ich das bei meine gewöhnliche Bemerkung machte, daß folche Dinge nicht könnten erfunden werben, man müßte fie fehen. (Ich meine, fein Ro⸗ manenfchreiber würde darauf verfallen). Dennoch hatte ich diefes doch in dem Augenblide erfunden. Bei dem Wütfelfpiel faß eine Tange, hagere Zrau und ſtrickte. Ich fragte, was man da gewinnen könnte. Sie fagte: nichts; und als ich fragte, ob man was verlieren fönnte, fagte fie: nein! Diefes hielt ich für ein wichtiges Spiel”
*) Bielleiht it e8 manchem Lefer intereffant zu hören, { dieſes die legte Anmerkung ift, die fih in des Verfaffers Ta buche findet, und die er nicht lange vor feinem Tode, ber d 24. Februar erfolgte, niedergeſchrieben haben kann.
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Nachtrag
zu den Nachrichten und Bemerkungen des Verfaſſers über ſich feldft.
SH babe ſchon auf Schulen Gedanfen vom Selbftmorde gehegt, die den gemein angenommenen in ber Welt fehnurftrads entgegenliefen, und erinnere mich, daß ich einmal lateinifch für den Selbfimorb bdisputirte und ihn zu vertheidigen fuchte. Sch muß aber geftehen, daß bie innere Überzeugung von ber Billig: keit einer Sache (wie diefes aufmerkſame Leſer werben gefunden baben), oft ihren legten Grund in etwas Dunklem bat, beffen Aufklärung äußerft ſchwer ift oder wenigftens feheint, weil eben der Widerfpruch, den wir zwifchen dem Elar ausgebrüdten Sake und unferm unbeutlichen Gefühle bemerken, uns glauben madıt, wir haben den rechten noch nicht gefunden. Im Auguft 1769 und in ben folgenden Monaten babe ich mehr an ben Selbft- mord gedacht als jemals, und allezeit habe ich bei mir befunden, daß ein Menfh, bei dem ber Trieb zur Selbfterhaltung fo ge: ſchwächt worden ift, baß er fo leicht überwältigt werben kann, ih ohne Schuld ermorden Fünne Iſt ein Fehler begangen worden, fo liegt er viel weiter zurüd. Bei mir ift eine vielleicht zu lebhafte Borftellung des Todes, feines Anton u Wr
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leicht er an fi ift, Schuld daran, daß ich vom Selbfimorbe v denke. Alle die mich nur aus etwas größeren Gefellfchaften und nicht aus einem Umgange zu zweit kennen, werben fi} wun⸗ dern, daß ich fo etwas fagen kann. Allein Hr. LZjungberg °) weiß ed, daß es eine meiner Lieblingsvorftelungen ift, mir ben Tod zu gedenken, und baß mich biefer Gebanfe zuweilen fo einnehmen Bann, daß ich mehr zu fühlen als zu denken fcheine und halbe Stunden mir wie Minuten vorübergehen. Es ift diefes Peine dickblutige Selbftfreuzigung, welcher ich wider meis nen Willen nachhinge, fondern eine geiftige Wolluft für mich, die id) wider meinen Willen fparfam genieße, weil ich zuweilen
9 Hr. Ljungberg, geborner Schwede, fludirte mit Lichten: berg in Böttingen, Beide waren feit 1766 in engfter Freund⸗ fhaft verbunden. Sie madten ben Plan, England und Italien gemeinfchaftlich zu befuchen, was indeffen nicht zur Ausführung kam. Er war, nad Nyerup's Literatur Copieen, 1780 Pro: feffor der Philofophie und Mathematit in Kiel, -von wo er in das Commerzeollegium nad Copenhagen verfegt wurde, und ftarb 1812. In Bezug auf ihn findet fih, abgefehen von eins zelnen Briefen, nur noch folgende Bemerkung in Lichtenberg’s Nachlaß: „An Hr. Liungberg fohrieb ih am ten December 1770: Nun babe ich feinen Menfhen, mit dem ich vertraut umgeben ann; auch nicht einmal einen Hund, zu dem ih du fagen fünnte. Zu meinem großen Glüde habe ich unter diefen Umftänden noch ein gutes Gewiſſen, fonft hätte ich mich je eher je lieber fihon zu ber Ruhe begeben, wovon ben Hamlet bie Träume, bie er in berfelben fürchte, zurückhielten.“
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fürchte, jene melancholiſche nachteulenmäßige Betrachtungsliebe möchte daraus entſtehen.
Iſt das nicht ein herrlicher Zug in Rouſſeau's Bekennt⸗ niſſen, wo er ſagt, er babe mit Steinen nach Bäumen gewor⸗ fen, um zu fehen, ob er felig ober verbammt mwürbe? Großer Gott, wie oft habe ich Ähnliches gethan, ich habe immer gegen ben Aberglauben gepredigt und bin für mich immer der ärgfte Beihenbeuter. As NR... auf todt lag, ließ ich e8 auf ben Krähenflug ankommen, wegen bed Ausgangs mich zu tröften. Sch hatte, wenn ih am Zenfter ftand, einen hohen Thurm mir gegenüber, auf dem viele Krähen waren. Ob rechts oder links vom Thurm bie erfte Krähe erfhien. Sie erſchien von ber linken, allein da tröftete ich mich wieder damit, daß ich nicht feftgefegt hatte, welches eigentlih die linke Seite des Thurms genannt zu werben verdiente. 8 ift vortrefflih, daß Rouffeau fih mit Fleiß einen dicken Baum auſuchte, den er alſo nicht leicht fehlen konnte. |
Ich babe eine Menge Pleiner Gedanfen und Entwürfe zus fammengefchrieben,, fie erwarten aber nicht ſowohl noch die letzte Hand, als vielmehr noch einige Sonnenblide, die fie zum Auf: gehen bringen.
Ich habe in England bald wie ein Lord, und bald wie ein Handwerksburſche gelebt.
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Ich muß zuweilen, wie ein Talglicht gepupt werden, fonft fange ih an dunkel zu brennen.
Mit der Feder in ber Hand habe id mit gutem Erfolge Schanzen erftiegen, von benen Andere, mit Schwert und Bann⸗ ftrahl bewaffnet, zurüdgefchlagen worden find.
Starte Empfindung, beren fo Viele fi rühmen, ift nur allzuoft die Folge eines Verfalles der Verſtandeskräfte. Ich bin nicht fehr bartherzig, allein das Mitleid, welches ich oft in meis nen Träumen empfinde, ift mit bem bei wachendem Kopfe nicht zu vergleihen. Jenes ift in mir ein nahe an Schmerz gren« zendes Vergnügen. |
Ich habe mich zuweilen recht in mir felbft gefreut, wenn Leute, bie Menfchentenner und Weltweife fein wollen, über mich geurtheilt haben. Wie entfeglich fie fich irren. Der eine hielt mich für weit beffer und ber andere für weit ſchlimmer als ih war, und das immer aus fehr feinen Gründen, wie er glaubte.
Sch gebe oft, wenn ein Bekannter vorbeigeht, vom Fenſter weg, nicht fowohl um ihm die Mühe einer Berbeugung, als vielmehr mir die DVerlegenheit zu erfparen, daß er mir feine macht.
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Das Sammeln und befländige Lefen ohne Übung der Kräfte bat das Unangenehme, welches ich feit einigen Jahren (1788 gefchrieben) bei mir bemerke, daß fi) Alles an das Gedächtniß und nidt an ein Syſtem hängt. Daher fallen mir beim Dispus tiren oft die beften Argumente nicht fo leicht bei, wie wenn id) allein bin, oder eigentlih, ih muß mir wirklih erfinden mas ih ſchon wußte, aber gemeiniglidh erft in bem Augenblide er: fahre ich, daß ich e8 wußte, wenn es mir nichts nützt, es gewußt zu haben.
Sch vergeffe das Meifte was ich gelefen babe; nichts deſto weniger aber. trägt e8 zur Erhaltung meines Geiftes bei.
Wir glauben, baß wir frei wären in unferen Sandlungen, fo wie wir im Iraume einen Ort für ganz befannt balten, ben wir gewiß jetzt zum erften Male ſehen. &o träumte mir in ber Naht vom 23ften auf ben 24ften October 1788, ich hätte mid) in eine Stabt verirrt, von der mir nicht einmal ber Name im Traume befannt war und endlih, als ich in ber Ferne eine zerfallene Bogenſtellung bemerkte, war ich froh, weil ich bie von meinem Garten aus fehen und alfo mein Haus nicht weit fein fonnte. Beim Erwachen fand ic) aber fhon, daß ich nie in meinem Leben an einer ſolchen Bogenftellung gewohnt batte u. ſ. w. In meinen Träumen findet fich mehr dergleichen.
Was bei anderen Ehen im Ernft gefchieht, das ahmen wir (ih und meine Frau) aus Scherz nah. Wir zanken uns fürm-
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lih im Scherz, -wo dann jeber fo viel Wik zeigt, als er auf: treiben fan. Diefes thun wir, um ber Ehe ihr Recht zu loffen. Wir feuern blind, um, wenn einer von uns fi) je wieder verheirathen follte, nicht aus der Übung zu kommen.
Es iſt mir in meinen Leben fo viel unverbiente Ehre an- getban morben, daß ich mir wohl einmal etwas unverbiente Blame Pann gefallen laffen.
Das größte Glüd in der Welt, um welches id den Himmel täglich anflehe, ift: daß nur verfländige und tugendhafte Men⸗ fhen mir an Kräften und Kenntniffen überlegen fein mögen.
IH wollte einen Theil meines Lebens bingeben, wenn ich müßte, was ber mittlere Barometerfland im Paradieſe ges weſen ift.
11. Yemerftfungen
vermiſchten Inhalts.
1. Philoſophiſche Bemerkungen.
E⸗ iſt ein Vorurtheil unſers Jahrhunderts in Deutſchland, daß das Schreiben ſo zum Maßſtabe des Verdienſtes gediehen iſt. Eine geſunde Philoſophie wird vielleicht dieſes Vorurtheil nach und nach vertreiben.
Seitdem jederman kritiſche Chartequen lieſt, ſind die Pro⸗ dukte des Witzes der Leute gewiſſermaßen der Maßſtab geworden, nad welchem man ihren Werth als Menſch überhaupt beſtimmt.
Vernunft und Erfahrung Lönnen zwar bei einem Cdhrift: fteller einigermaßen die Hausbaltung für die Empfindung führen, wenn er beide in einem febhr großen Maße befigt, nie wird er aber fein Wer? durch Büge erheben können, bei deren Erblidung der feinfte Nachahmer bekennen muß, fie lägen außer feinem Sprengel. Es ſcheint, als wenn fih der Himmel die Mitthei⸗ lung befonderer Gedanken und Entdedungen felbft vorbehalten hätte, da fie fo felten die Frucht bes Fleißes find.
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Wir Proteflanten glauben jekt im fehr aufgeflärten Zeiten in Abficht auf umfre Religion zu leben. Wie, wenn nun ein neuer Luther aufſtände? WBielleicht beißen unfre Zeiten noch einmal die finftern. Man wird eher ben Wind breben oder auf: halten, als die Gefinnungen des Menfchen beften können.
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Es wird fhwerlid Ein Menſch Lünnen gefunden werben, beffen Urtheil über das Gute und Schöne ale die Stimme der menfchlichen Natur wird angefehen werben können. Man follte anfänglich glauben, daß ein Mann von ber größten Erfahrung und Einfiht allemal am beften fchreiben würde. Allein ift ber Witzige nicht eben fo gut ein Menfh? Da ein menjchliches Gefchleht von lauter Weifen fo wenig das glüdlichfte wäre, als eines von lauter Narren ober Wipigen, fondern das Glück beffelben vielmehr in einer Miſchung von allen beftebt, fo kann fein Glied befjelben fein Gedanken- und Gefinnungsfyftem als das Kriterium bes beften angeben. Seneca und Plinius haben fo gut Recht, als Cicero. Am beiten wirb derjenige fehreiben, der fo fchreibt, wie ed die Vernünftigften berjenigen Klaffe gut finden würden, bie er durch feine Schriften zu belehren gebentt. Allgemeine Regeln werben fid) nie in diefem Stüd angeben lafjen.
Sch habe fehr oft barüber nachgedacht, worin ſich eigentlich das große Genie von dem gemeinen Haufen unterjcheidet. Hier find einige Bemerkungen. Der gewöhnliche Kopf ift immer ber berrfchenden Meinung und ber herrſchenden Mode conform, er
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bält den Zuftaud, in dem fich Alles jekt befindet, für den einzig möglichen, unb verhält ſich leidend bei Allem. Ihm fällt nicht ein, daß Alles, von der Form ber Meublen bis zur feinften: Hypotheſe hinauf, in dem großen Rath der Menfchen befchloffen worden, befien Mitglied er iſt. Er trägt bünne Sohlen an feinen Schuhen, wenn ihm glei) bie fpigen Steine .die Füße wund brüden; er läßt die Schuhſchnallen fi durch die Mode bis an bie Zehen rüden, wenn ihm glei ber Schuh öfters fteden bleibt; er denkt nicht daran, baß bie Korm des Schuhes fo gut von ihm abhängt, al8 von dem Narren, ber fie auf elendem Pflafter zuerft dünne trug. Dem großen Genie fällt überall ein: könnte dieſes niht auch falſch fein? Es gibt feine Stimme nie ohne Überlegung. Ich habe einen Mann von großen Talenten gekannt, deſſen ganzes Meinungenfoften, fo wie fein Meublenvorrath, ſich durch eine bejondre Ordnung und Brauchbarkeit unterfhied; er nahm nichts in fein Haus auf, wovon er nicht den Nuken deutlich ſah. Etwas anzu= fhaffen, bloß weil e8 andre Leute hatten, war ihm unmöglich. Er dachte: fo hat man ohne mich befchloffen, daß es fein fol, vielleicht hätte man anders befchloffen, wenn ich babei geweſen wäre. — Dank fei e8 diefen Männern, daß fie zuweilen wenig» ſtens einmal ſchütteln, wenn es fi) ſetzen will, wozu unfre Welt noch zu jung ift. . Chinefen dürfen wir noch nicht werben, Wären die Nationen ganz von einander getrennt, fo würden vieleicht alle, obgleich auf verfchiedenen Stufen ber Vollkom— menheit, zu dem dinefifhen Stilftand gelangt fein. L &
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Herr Capitain » Lieutenant v. 9... war fehr für den Uns terricht duch Maſchinen. Sein Hauptargument war beflänbig, baß es immer ein Glüd wäre, fo früh als möglich feine Abficht zu erreihen. Er batte faft Peinen andern Beweis. Da aber die Unterfuchung einer Sache, bie Bemühung fie zu verftehen, uns das Ding auch befier und von mehrern Seiten kennen lehrt, und ſich auf die paſſendſte Weife an unfer Gedankenſyſtem an⸗ ſchließt, fo ift gewiß für Leute, bie die Kräfte haben, eine Zeichnung bem Modell vorzuziehen. Der allzufchnelle Zuwachs an Kenntniffen, ber mit zu wenigem eigenen Zuthun erhalten wird, ift nicht fehr fruchtbar. Die Gelehrfamteit kann auch ins Laub treiben, ohne Früchte zu tragen. Man findet oft fehr feihte Köpfe, die zum Erſtaunen viel wifien. Was man fich ſelbſt erfinden muß, läßt im Verfiande die Bahn zurüd, bie auch bei einer andern Gelegenheit gebraucht werden ann.
Tobias Mayer hatte hinten in eines feiner Bücher ge fhrieben: guaeritur, ift e8 beffer, wenig und daß deuts li zu wiffen, ober viel und undeutlich?
Ein Mann, der fih in einem engen Felde mit Aufmerk⸗ famkeit und Nachdenken befchäftigt bat, wird da, wo ed nicht auf Geſchmack, fondern auf Verftand anfommt, gewiß auch außer biefem Zelde gut urtheilen, wenn ihm ber Fall gehörig vorgeftellt wird, ba ber Andere, ber vielerlei weiß, nirgends recht gut zu Haufe iſt. Wenn fich eine mannidfaltige Kenntniß heutzutage nicht fo Leicht aus Büchern erwerben liege, ohne
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andere Anftrengung, als allein bes Gedächtniffes, fo ließe fich nod eher etwas bafür fagen; ba aber bie Unbeutlichkeit, bie bier vorausgefegt wird, ein hinlänglicher Beweis ift, wie wenig ber Berftand babei gebraucht worden ift, fo ziehe ich ſchon aus dbiefem Grunde eine geringe aber beutlidhe Kenntniß vor.
Newton bat die Farben zu fcheiden gewußt. Wie wird ber Pſycholog heißen, der uns fagt, woraus bie Urfachen unferer Handlungen zufammengefegt find? Die meiften Dinge, wenn fie uns merklich werden, find ſchon zu groß. Ob ich den Keim in ber Eihel mit dem Mifroffop, oder ben hundertjährigen Baum mit bloßen Augen anfehe, fo bin ich glei weit vom Anfange. Das Mikroſkop dient nur uns noch mehr zu ver wirren. So weit wir mit unfern Fernröhren reichen Fünnen, fehben wir Sonnen, um bie ſich wahrfcheinlich Planeten breben. Daß in unferer Erde fo etwas vorgeht, bavon überführt uns bie Magnetnadel. Wie, wenn fich bdiefes noch weiter erfiredte ? wenn fich in dem Eleinften Sandförndhen eben fo Stäubchen um Stäubchen drehten, die uns fo zu ruhen feinen, wie bie Fir ſterne? Es könnte ein Wefen geben, bem das und fichtbare Weltgebäude wie ein glühender Sanbhaufen vorfäme Die Milchſtraße kann ein organifher Theil fein; in wie fern Tieße fi) die Vegetation aus biefem Syftem erflären? — 8 gibt nur eine einzige gerade Linie, aber eine unendliche Menge frummer; wenn fi) alfo ein Körper bewegt, fo läßt ſich eine unendlihe Summe gegen Eins feßen, daß er KK in Temumer
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ginie bewege, und für jede Arümmung läßt ſich ein Mittelpunkt angeben. Da fi eine zirkelfürmige Bewegung in ber Welt am längften erhält, wie wir an brei Planeten fehen, fowohl an ihren Bewegungen um bie Achſe, ald um bie Sonne und Sauptplaneten, fo ?önnte alle Bewegung daher ihren Urfprung nehmen. Das Licht allein feheint Hiervon eine Ausnahme zu machen, indefjen wirb es doch gebogen. con 'grofe Meß⸗ tünftler haben angenommen, baß fich dieſes ganze Syſtem um einen uns unfichtbaren Körper drehe — warum könnte unfere Erdkugel nicht ein folches Syſtem von Firfternen fein? Hier fiten wir in einer folden Sanbkugel. Unfere Erbe ift uns freilich das Sonderbarfte, fo wie unfre Seele bie fonberbarfte Subftanz, weil wir jene allein felbft bewohnen, unb biefe allein felbft find. Wenn wir nur einen Augenblid einmal etwas anders fein Pönnten! Was würde aus unferm Berftande werben, wenn alle Gegenftände das wirklich wären, wofür wir fie halten?
„Ich glaube» — fo follte man Alles anfangen, was man durch eignes Nachdenken berausbringt, und was nicht ein Gegenftand ber Rechnung if. Ich glaube, daß mancher Kopf mehr thun önnte, als er thut, weil er fi) einmal barein erge .ben bat, baß es ihm an Fähigkeiten fehlt. Andere, die viel Neues gefehen haben, haben vielleicht nicht mehr Fähigkeiten, aber mehr Induſtrie. Daher kann man einem jeden Philofophen
ben Spruch nicht genug empfehlen: „Seid munter und wadet!«
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Menſchliche Philofophie überhaupt ift die Philofophie eines einzelnen gewiffen Menſchen, durch die Philofophie ber andern, ſelbſt der Narren, corrigirt, und bieß nach den Regeln einer vernünftigen Schägung der Grabe ber Wahrſcheinlichkeit. Sätze, worüber alle Menfchen Übereinkommen, find wahr; find fie nicht wahr, fo haben wir gar keine Wahrheit. Andere Säge für wahr zu halten, zwingt uns oft die Verſicherung folcher Men— fen, die in der Sache viel gelten, und jeder Menfch würbe das glauben, ber fi in eben den Umftänden befände. Sobald biefes nicht ift, fo ift eine befondere Philoſophie da, und nicht eine, bie in bem Rath ber Menfchen ausgemacht ifl. Aber⸗ glaube felbft ift Localphiloſophie; er gibt feine Stimme auch.
Ich bin überzeugt, wenn Gott einmal einen ſolchen Men- ſchen fchaffen wollte, wie ihn fi) die Magifter und Profefforen der Philofophie vorftellen, er müßte den erften Tag ins Tollhaus gebracht werben. Man könnte baraus eine artige Fabel machen: Ein Profeſſor bittet fih von der Vorfiht aus, ihm einen Men⸗ fhen nach dem Bilde feiner Pfgchologie zu ſchaffen; fie thut es, und er wirb ins Tollhaus gebracht.
Ehe man noch bie gemeinen Erfcheinungen in der Körper- welt erklären konnte, fing man an, Geiſter zur Erklärung zu gebrauchen. Jetzt, da man ihren Zufammenbang beffer kennt, erflärt man Eines aus bem Anbern, unb bie Geifter, bei benen wir ftille ftehen, find enblih doch ein Gott und eine Sur.
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Die Seele ift alfo jeßt gleihfam das Geſpenſt, das in ber zer⸗ brechlichen Hütte unfers Körpers ſpukt. Aber iſt dieſes Berfah⸗ ren ſelbſt nur unſerer eingeſchränkten Vernunft gemäß? Dürfen wir ſchließen: was unſerer Meinung nach nicht durch Dinge ge⸗ ſchehen kann, die wir kennen, muß durch andere Dinge geſche⸗ hen, als wir kennen? Das iſt nicht bloß ein falſches, ſondern ein abgeſchmacktes Raiſonnement. Ich bin ſo ſehr überzeugt, daß wir von dem uns Begreiflichen ſo viel als nichts wiſſen, und wie viel mag nicht noch zurückſein, das unſere Gehirnfibern gar nicht darbilden können! Beſcheidenheit und Behutſamkeit in der Philoſophie, zumal in der Pſychologie, geziemt uns vorzüg⸗ ih. Was ift Materie, fo wie fie fi) der Pſychologe denkt? Co etwas gibt e8 vielleicht in der Natur nicht; er tödtet bie Materie, und fagt hernach, daß fie tobt fei.
Der Menſch ſucht Freiheit, wo fie ihn unglüdlicd machen würde — im politifchen Leben, und verwirft fie, wo fie ihn glücklich maht, und hängt Anderer Meinungen blindlings an. Der Religions» und Syſtemsdeſpotismus ift der fürchterlichfte unter allen. Der Engländer, der wider das Minifterium ſchimpft, ift ein SPlave der Oppofition, und die meiftien Menfchen find Sklaven ber Mode und alberner Gebräuche.
Wir thun alle Augenblid etwas, das wir nicht wiſſen, bie Sertigfeit wird immer größer, und endlic würde. ber Menfch Alles, ohne es zu wiffen, thun, und im eigentlichen Verſtande
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ein denkendes Thier werden. So nähert fih Vernunft ber Thierbeit.
Seitdem man Wiſſenſchaft zu nennen beliebt, Anderer thörichte Meinungen zu Pennen, die man vielleicht aus einer ein- zigen Formel nach den Regeln einer ganz mechanischen Erfin- bungsPfunft herleiten könnte , und fich überall durh Mode, Ge: wohnbeit, Anfehen und SInterefie leiten läßt, ſeitdem ift dem Menfchen die Lebenszeit zu kurz geworben.
Man empfiehlt Selbftdenfen, oft nur um bie Irrthümer Anderer beim Studiren von Wahrheit zu unterfcheiden. Es ift ein Nutzen, aber ift das Alles? Wie viel unnöthiges Lefen wird dadurch uns erfpart! Iſt denn Lefen und Stubdiren einerlei? Es bat jemand mit großem Grund ber Wahrheit behauptet, daß die Buchdruderei Gelehrfamkeit zwar mehr ausgebreitet, aber im Gehalt vermindert hätte. Das viele Lefen ift dem Denken ſchäd⸗ lich. Die größten Denker, bie mir vorgefommen find, waren gerade unter allen Gelehrten, die, welche am wenigften gelefen hatten. '
Wenn man bie Menfihen Ichtt, wie fie denken follen, und nicht ewig bin, was fie denken follen, fo wird auch dem Miß— verftändnniß vorgebeugt. Es ift eine Art von Einweihung in die Myſterien der Menſchheit. Wer im eigenen Denken auf einen fonderbaren Sag ftößt, fommt auch wohl wieder davon ab, wenn er falih if. Ein fonderbarer Sag bingegen, tr won mn
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Manne von .Anfehen gelehrt wird, kann Taufende, die nicht un⸗ terfuchen, irre führen. Man kann nicht vorfihtig genug fein in Befanntmadhung eigener Meinungen, bie auf Leben und Glück⸗ feligteit binauslaufen; bingegen nicht emſig genug, Menſchenver⸗ fland und 8weifeln einzufchärfen. Bolingbroke fagt fehr gut: Every man’s reason is every man’s oracle.
Der Menfh wird ein Sophift und überwisig, wo feine gründlichen Kenntniffe nicht mehr hinreichen; Alle müflen es fofg« li werden, wenn von Unfterblichkeit und Leben nad) dem Tode bie Rede ift. Da find wir alle ungründlid. Materialismus ift bie Afymptote ber Pſychologie.
In einer fo zufammengefesten Mafchine, als biefe Welt, fpielen wir, dünkt mid, aller unferer Beinen Mitwirkung une geachtet, was die Hauptfache betrifft, immer in einer Lotterie.
Der Menſch ift vielleicht halb Geift und halb Materie, fo wie der Polype halb Pflanze und halb Thier. Auf der Grenze liegen immer die ſeltſamſten Geſchöpfe.
Gott ſchuf den Menſchen nach feinem Bilde, das heißt ver« muthlih, der Menfch fhuf Gott nad dem feinigen.
Wenn ich etwas als Körper und dann als Geift betrachte, dad gibt eine entfegliche Parallare. Man könnte jenes ben fo:
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matocentrifden, und biefes den pſychocentriſchen Ort eines Dinges nennen,
Daß die Seele nach dem Tode übrig bleibt, ift gewiß erft geglaubt, und hernach bewiefen worden. Diefed zu glauben, ift nicht feltfamer, ald Häufer für einen einzigen Mann zu bauen, worin ihrer hundert Platz haben, ein Mädchen eine Göttin, und ein gefröntes Haupt unfterblich zu nennen. Der Menſch ift Fein künſtlicheres Gefchöpf, als die andern; er weiß e8 nur, daß er es ift, und daraus läßt fi Alles erklären; und wir thun wohl, biefe Eigenfchaft unfers Geiftes allen übrigen Eigenfchaften eines Geiftes vorzuziehen, da wir in der Welt die Einzigen find, die und dieſes ftreitig machen könnten.
Sind wir nit ſchon einmal auferftanden? Gewiß, aus einem Buftande, in weldem wir weniger von bem gegenmwärtie gen mußten, als wir in dem gegenwärtigen von dem zufünftie gen wiffen. Wie fich unfer voriger Zuftand zu bem jekigen ver⸗ bält, fo der jetige zum künftigen.
Der oft unüberlegten Hochachtung gegen alte Gefeße, alte Gebräuche und alte Religion hat man alles Übel in der Welt zu danken.
Ich glaube faum, daß e8 möglich fein wird, zu erweifen, daß wir das Werk eines höchſten Wefens, und nicht vielmehr zum Beitvertreib von einem fehr urmolllommenen zufammenges ſetzt worden find.
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- Wenn Scharffinn ein Bergrößerungdglas ift, fo ift ber Witz ein Berkleinerungsglas. Olaubt ihr denn, daß fi Entdedun- gen bloß mit Vergrößerungsgläfern machen laffen? Ich glaube, mit Berkleinerungsgläfern oder wenigftend durch ein ähnliches Inſtrument in ber intellectuellen Welt find wohl mehr Entdedun: gen gemacht worden. Der Mond fieht durch ein verkehrtes Fern⸗ rohr wie die Benus aus, und mit bloßen Augen, wie die Venus durch ein gutes Fernrohr in feiner rechten Lage. Durch ein ge meines Opernglas würden die Plejaden wie ein Nebelftern er- fcheinen. Die Welt, die fo fhön mit Gras und Bäumen bes wachfen ift, hält ein höheres Weſen, als wir, vielleicht eben deßwegen für verfchimmelt. Der fehönfte geftirnte Himmel ficht uns durch ein umgekehrtes Fernrohr leer aus.
Neue Muthmaßungen über Dinge follten die Gelehrten immer mit Dane annehmen, wenn fie nur einige Vernunft bei fi haben; ein anderer Kopf Hat zuweilen nichts nöthig, um eine wichtige Entdedung zu machen, als einen folchen Reiz. Die allgemein angenommene Art ein Ding zu erklären, bat Peine Wirkung mehr auf fein Gehirn und Bann ihm Leine neue Bes wegung mehr mittheilen.
Unfere Welt wird noch fo fein werden, daß es fo lächerlich fein wird, einen Gott zu glauben, als heutzutage Gefpeniter.
Es iſt ein großer Unterfchied, welchen Weg man nimmt,
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um zur Erkenntniß gewiffer Dinge zu gelangen. Wenn man mit Metaphyfif und Religion in der Jugend ‚anfängt, fo gebt man leiht in Vernunftſchlüſſen bis zur Unfterblichkeit der Seele fort. Nicht jeder andere Weg wird: dazu führen, wenigitens nicht eben fo leiht. Wenn fihb auch ſchon von jebem Wort einzeln ein deutlicher Begriff geben läßt, fo ift e8 doch unmög⸗ lich, in einem fehr zufammengefegten Schluß alle dieſe Begriffe gleich deutlich vor fich zu- haben; in ber Anmwenbung werden fie oft nach der Art verbunden, die uns von Jugend auf bie ge wöhnlichfte und leichtefte war.
Nichts ift ſchwerer in der Philofophie, als eine Sache ganz von Anfang zu nehmen, und doch bei Betrachtung berfelben von erworbenen Kenntniffen Gebrauch zu machen; 3.38. über bie Unfterblichkeit der Seele denfen zu wollen, ohne vorher ſchon ein gewifjes Ende, ein gewiſſes Ziel zu fehen; nicht beim fechften Schluß ſchon eine Meinung zu ergreifen, und ben achten, neuns ten, zehnten u. f. w. nur anzuhängen. Kann uns nit das Denken in unſerer materiellen Subſtanz eben bewegen fo außer: ordentlich vorkommen, weil wir biefes felbft find? Se nüber wir einem Gegenftand in der Ratur kommen, deſto unbegreifli- cher wird er. Das Sandkorn ift gewiß das nicht, wofür ich es anfehe. Ich begreife eben fo wenig, mie ein zujammengefehtes Weſen denken, als wie ein einfaches mit einem zufanımengefek- ten in Berbindung gebracht werden könne. Hätten wir eine Analyſis für dergleihen Säge, und könnten fie in eine Rewusi
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bringen, fo würden wir feben, daß beide einerlei find, und daß das LUnbegreiflide nur verfchoben, aber nicht aufgehoben ifl. Ich weiß nicht, wie weit bie beiden Säge: 2 mal 2 ift 4, unb: Heinrich IV ift von Ravaillac ermordet worben, in meinem Kopf von einander liegen, ober ob jeber allemal ben ganzen Kopf einnimmt, oder, wenn fie nur einen kleinen Theil einnehmen, ob fie in allen Menfchen eben diefelben find. Mir ift es wahrfcheinlich, baß jeder Gedanke eine gewiffe Gegend des Gehirns befonders in Bewegung febt, aber entweder biefe Be wegung bem ganzen übrigen Kopf mittheilt, in einem Menfchen ftärker als in dem andern; ober nicht ganz, aber in einem Men⸗ fhen weiter als in dem andern. Hieraus läßt fi das Zuſam⸗ menhängende in den Träumen erklären.
In allen Spraden fagt man: ic) denke, ich fühle, ich athme, ich habe Schläge befommen, und ich vergleiche, ich erinnere mich ber Zarbe, und ich erinnere mid) bes Bapes. Das, was fi) in uns der Farbe, und das, was fi ber Farbe erinnert, find vielleicht eben fo wenig einerlei, als das, was bie Schläge befommt, und das, was vergleicht. Alles thut etwas bei Allem, ber Mensch fühlt fih in Allem ganz, und wenn ich behalte, daß (a+x).(a— x) — a? — x? ift, fo hat vielleicht mein Daumen einen Theil davon zu behalten, wiewohl einen fehr unbeträcdhtlichen, aber in manden Menſchen doch fo viel, daß ber Sat ihnen bei Berührung einer Sache einfällt, ober baß fie im Traum, oder in einem Fieber glauben, ber Sag fei weiter nichts als ein Stüdchen Leinwand. Es iſt nicht fo vers
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drießlih, ein Yhänomenon mit etwas Mechanik und einer ftar: fen Dofls von Unbegreiflihen zu erklären, als ganz durch Me chanik, das heißt, die docta ignorantia macht weniger Schande als die indocta. Alle Bewegung in ber Welt bat ihren Grund in etwas, das feine Bewegung ift, warum foll die allgemeine Kraft nicht auch die Urfache meiner Gebanfen fein, fo gut als fie die Urfache von Gährung ift?
Der Mann bat recht, follte man fagen, aber nicht nad ben Geſetzen, die man fih in der Welt einftimmig auferlegt hat.
Die Wahrheit hat taufend Hinderniffe zu überwinden, um unbejchädigt zu Papier zu kommen, und von Papier wieder zu Kopf. Die Lügner find ihre fhwächften Feinde. Der enthufla ſtiſche Schriftfteller, der von allen Dingen fpridt, und alle Dinge anfieht, wie andere ehrliche Leute, wenn fie einen Hieb baben ; ferner, ber fuperfeine erfünftelte Menfchenfenner, ber in jeder Hänblung eines Mannes, wie Engel in einer Monade, fein ganzes Leben ſich abfpiegeln fiehbt und fehen will; der gute fromme Mann, ber überall aus Refpect glaubt, nichts unters fuht, mas er vor dem funfzehnten Jahre gelernt hat, und fein bißchen Unterfuchtes auf ununterfuchtem Grund baut — das find gefährliche Feinde der Wahrheit.
Das Gute und Zwelmäßige in ber Welt geht unaufhaltfam fort. Wenn e8 daher in ber menfchlichen Natur liegt, dos S-
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die chriftlihe Religion endlich einmal wieber zu Grunde gebt, fo wird es gefhehen, man mag fi) dawider fepen, oder nicht. Das Zurüdgehen und Hemmen auf eine Purze Zeit iſt nur ein unendlich kleiner Bogen in der Linie. Nur ift e8 Schade, daß gerade Wir die Bufchauer fein müffen, und nidt eine andere Generation. Es kann e8 uns alfo niemand verdenten, wenn wir fo viel als möglich arbeiten, unfere Zeiten nad unfern Köpfen zu formen. Ich denke immer, wir auf biefer Kugel dienen zu einem Bwed, beffen Grreihung eine Zuſammenver⸗ fhwörung des ganzen menfchlichen Geſchlechts nicht verhindern fünnte.
Die gar fubtilen Männer find felten große Männer, und ihre Unterfuchungen find meiltens eben fo unnüg, als fie fein’ find. Sie entfernen fih immer mehr vom praßtifhen Leben, bem fie doch immer näher zu kommen fuchen follten. So wie ber Tanzmeiſter und Fechtmeifter nicht von ber Anatomie ber Beine und Hände anfängt, fo läßt fi gefunde, brauchbare Philofophie auch viel höher, als jene Grübeleien, anfangen. Der Fuß muß fo geftellt werden, denn fonft würde man fallen, und, dbiefes muß man glauben, denn es wäre abfurb, ed nicht zu glauben, find fehr gute Fun damente. Die Leute, bie noch weiter gehen wollen, mögen es thun, fie müſſen aber ja nicht denken, daß fie etwas Großes thun; denn fie finden boch nur, wenn ihnen Alles gelingt, was der vernünftige Mann ſchon lange vorher wußte. Der Mann,
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der noch einmal ben eilften Grundſatz des Euklides demonſtrirt, verdient allenfalls den Namen eines finnreihen Mannes; aber zur Erweiterung der Wiffenfchaften wird er nichts beitragen, was er nicht ohne diefe Erfindung auch hätte thun Fünnen. „Uber, fagen fie, e8 gefchieht, den Zweifler zu widerlegen.“ Den wider: legt ihre wahrhaftig nicht; denn welches Argument in der Welt wird den Mann überzeugen können, ber einmal Abfurditäten glauben kann? Und verdient denn jebermann wiberlegt zu wer: den, der widerlegt fein will? Selbſt bie größten Schläger fchla« gen ſich nicht mit jedem, ber fie herausfordert. Das find bie Urfachen, weßwegen bie Beattifche Philofophie Achtung verdient. Sie ift nicht eine ganz neue Philofophie, fie geht nicht bis auf den tiefften Grund zurück, und taugt daher nicht zur Philofophie bes Profefford, aber fie ift die Philoſophie des Menſchen.
Es wäre nicht gut, wenn die Selbftmörbder oft mit der eis gentlihen Sprache ihre Gründe angeben könnten; fo aber res bucirt fie fich jeder Hörer auf feine eigene Sprache, und ente Eräftet fie nicht fo wohl dadurch, als macht ganz andere Dinge daraus. Einen Menſchen recht zu verftehen, müßte man zuwei⸗ len der nämliche Menfch fein, den man verftehen will. Wer da weiß, was Gedankenfoftem ift, der wirb mir Beifall geben. Öfters allein zu fein, und über fi feldft zu denken, und feine Welt aus ih zu mahen, kann uns großes Vergnügen gewäh—⸗ ren, aber wir arbeiten auf diefe Art unvermerkt an einer Phi⸗ Iofophie, nach welcher ber Selbfimord billig umd erlauıt N.
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Es ift daher gut, fi durch einen Freund ober eine Freundin wieder an die Welt anzuhaken, um nicht ganz abzufallen.
Bei unferm frübzeitigen und oft gar zu häufigen Lefen, wodurch wir fo viel Materialien erhalten, ohne fie zu verbauen, was die Folge bat, baß das Gedächtniß gewohnt wird, bie Haushaltung für Empfindung und Gefhmad zu führen — ba bedarf es oft einer tiefen Philofophie, unferm Gefühl den erfien Stand ber Unfchuld wieder zu geben, fi) aus bem Schutt frem⸗ der Dinge heraus zu finden, felbft anzufangen zu fühlen und felbft zu fprehen, und, ih möchte fat fagen, auch einmal felbft zu exiſtiren.
Ich glaube, daß ber Inſtinct im Menfchen dem geſchloſſe⸗ nen Urtbeil vorgreift, und daß daher Manches von minder ger lehrten, aber dabei genauen, Empfindern offenbart fein mag, was das gefchloffene Raifonnement noch bis jegt nicht erreichen und verfolgen kann. Es erzeugt fih thierifhe Wärme, unb wird erzeugt werden, ohne daß man noch genau im Stande ift, zu erklären, woher fie fomme. Dahin rechne ich die Lehre von ber Unfterblichkeit der Seele. „Es wird nach unferm Leben fo fein, wie e8 vor bemjelben war « — biefes iſt ein inftinctmäßis ger Borgriff vor alem Raifonnement. Man kann ihn noch nicht beweifen, aber für mich hat er, aufammengenommen mit ans« bern Umftänden, Ohnmacht, Betäubung, eine unmiberftehliche Gewalt, und bat ed auch vermuthlich für eine Menge von Men:
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fhen, bie e8 nicht geftehen wollen. Kein einziges Raifonnement bat mid noch vom Gegentheil überzeugt. Meine Meinung ift Natur, jenes ift Kunft, beren Refultat Alles fo fehr und ſtark widerfpricht, al8 nur etwas wiberfprechen kann.
Es wäre ein denkendes Weſen möglich, dem das Zufünftige leichter zu fehen wäre, als das Vergangene. Bei den Trieben der Inſecten ift fhon Manches, das uns glauben maden muß, bag fie mehr durch das Künftige als durch bad Vergangene ges leitet werben. Hätten die Thiere eben fo viel Erinnerung bes Vergangenen, als Borgefühl des Künftigen, fo wäre uns man- ches Infect überlegen; fo aber feheint bie Stärke bes Vorgefühls immer im umgekehrten Berhältniß mit der Erinnerung an das Vergangene zu ſtehen. .
Wenn ih im Traum mit Jemanden biöputire, und ber mich widerlegt und belehrt, fo bin ich es, ber ſich felbft belehrt; alſo nachdenkt. Diefes Nachdenken wird alfo unter ber Form von Geſpräch angefhaut. Können wir und daher wohl mwun- dern, wenn bie frühern Völker das, was fie bei ber Schlange denken (wie Eva), durh: die Schlange fprah zu mir, ausdrüden? Bon der Art find die Ausbrüde: der Herr ſprach zu mir; mein Geiſt fprah zu mir. Da wir eigentlich nicht genau wiffen, mo wir benfen, fo können wir den Gedanken verfegen, wohin wir wollen. So wie man [pres
chen kann, bag man glaubt, es fäme von einem Dritten , T. %
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kann man auch fo denken, baß es läßt, als würde e8 und ge- fagt. Hierher gehört der Genius des Sokrates. Wie erflaunlic) Bieles ließe fich nicht noch durch die Träume entwideln!
Wie find wohl die Menfchen zu bem Begriff von Freiheit gelangt? Es war ein großer Gedanke.
Daß zuweilen eine falfche Hypothefe ber richtigen vorzuzie⸗ ben fei, ſieht man aus ber Lehre von ber Freiheit bes Menfchen. Der Menſch ift gewiß nicht frei, allein es gehört ſehr tiefes Studium der Philofophie dazu, fi) durch dieſe Borftellung- nicht irre führen zu laffen — ein Studium, zu welchem unter Tau⸗ fenden nicht Einer die Zeit und Geduld, und unter Hunderten, bie fie haben, kaum Einer den Geift hat. Freiheit ift baber ei» gentlich die bequemfte Form, fich die Sache zu denken, und wird auch allezeit die übliche bleiben, da fie fo fehr den Schein für ſich hat.
Bor Gott gibt es bloß Regeln, eigentlih nur eine Regel, und Feine Ausnahmen, Weil wir bie oberfte Hegel nicht Fen- nen, fo machen wir Generalregeln, bie es nicht find; ja es wäre wohl gar möglih, daß bas, was wir Regeln nennen, wohl felbft noch für endlihe Wefen Ausnahmen fein Fünnten,
Der Spinozismus und der Deismus führen beide einen ver= ftändigen Geift fo gewiß auf Eins hinaus, daß man, um zu
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ſehen, ob man in dem erftern richtig ift, fich bes letztern bebie- nen kann, fo wie man fi) des Augenmaßes oft zur Probe der genaueften Meffungen bedient. |
Ich glaube von Grund meiner Seele und nach der reifſten überlegung, daß die Lehre Chriſti, geſäubert vom Pfaffengeſchmiere, und gehörig nach unſerer Art fih auszudrücken verſtanden, das vollkommenſte Syftem ift, das ich mir wenigftens denken kann, Ruhe und Glüdfeligkeit in der Welt am ſchnellſten, kräftig⸗ ften, fiherftien und allgemeinften zu beförbern. Allein ich glaube auh, daß ed noch ein Syſtem gibt, das ganz aus ber reinen Vernunft erwächſt, und eben dahin führt; allein es ift nur für geübte Denker, und gar nicht für den Menfchen überhaupt; und fände es aud Eingang, fo müßte man doch die Lehre Chrifti für die Ausübung wählen. Chriftus bat fi) zugleich nach bem Stoff bequemt, und dieß zwingt felbfi dem Atheiften Bewunde⸗ rung ab. (In weldhem Berftande ich bier das Wort Atheift nehme, wird jeder Denker fühlen) Wie leicht müßte e8 einem ſolchen Geifte gewefen fein, ein Syſtem für die reine Bernunft zu erdenken, das alle Philofophen völlig befriedigt hättel Aber . wo find die Menfchen dazu? Es wären vielleicht Jahrhunderte verftrihen, two man e8 gar nicht verftanden hätte; und fo etwas follte dienen, das menfchliche Geſchlecht zu leiten und zu lenken, und in der Todesſtunde aufzurihten? Ja, was würden nicht die Sefuiten aller Zeiten und aller Völker daraus gemacht haben? Was bie Menfchen leiten fol, muß wahr, aber allen wekiumn
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lich fein; . wenn e8 ihnen auch in Bildern beigebradyt wird, die fie fich bei jeder Stufe ber Erfenntniß anders erklären.
Eine große Rede läßt fi Teicht auswendig lernen, unb noch leihter ein großes Gedicht. Wie ſchwer würde es nicht balten, eben fo viele, ohne allen Sinn verbundene Wörter, oder eine Rede in fremder Spradhe zu memoriren. Alfo Sinn und Berftand kommt dem Gedächtniß zu Hülfe. Sinn ift Ordnung, und Ordnung ift doch am Ende Übereinftimmung mit unferer Natur. Wenn wir vernünftig fprechen, fprechen wir immer nur unferem Wefen und unferer Natur gemäß. Um unferem Ges bächtniffe etwas einzuverleiben, fuchen wir daher immer einen Sinn binem zu bringen, oder eine Art von Ordnung; baber genera und species bei Pflanzen und Thieren, Ähnlichkeiten bis auf den Reim hinaus. ben bahin gehören auch unfere Hypo⸗ thefen; wir müjfen welche haben, weil wir fonft die Dinge nicht bebalten können. Diefes ift ſchon längft gefagt, man kommt aber von allen Seiten wieder darauf. So fuhen wir Sinn in die Körperwelt zu bringen, die Frage aber ift, ob Alles für uns lesbar if. Gewiß aber Täßt fi) durch vieles Probiren und Nachfinnen auch eine Bedeutung in etwas bringen, das nicht für uns, oder überhaupt gar nicht Tesbar if. So ſieht man im Sande Gefihter, Landſchaften und dergl., bie fiherlih nicht die Abficht diefer Lagen find. Symmetrie gehört auch hierher; imgleihen die Stufenleiter in ber Reihe der Geſchöpfe; — alles das ift nicht in den Dingen, fondern in uns, Überhaupt Fann
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man nicht genug bedenken, daß wir nur immer uns beobachten, wenn wir die Natur und zumal unfere Ordnungen beobachten.
Die Berfuhe der Phyſiker, 3. B. bed le Sage, die Schmere, Attraction und Affinitäten mechaniſch zu erklären, find ebenfalls dahin zu rechnen. Indeſſen find dergleichen Verſuche immer fo viel werth, al8 eine Mafchine erfunden zu haben, die biefes ausrichtet.. Wenn Iemand eine Uhr machen Eönnte, bie die Bewegung ber Himmelsförper fo genau, ald in der Natur barftellte, würde ber nicht ein großes Verdienſt haben, obgleich die Welt nicht durch Räderwerk geht? Er würde felbft durch diefe Mafchine Manches entbeden, was er nicht hineingetragen zu haben glauben würde. Und was ift der Calcul anders, als etwas biefer Mafchine Ähnliches ?
Ih glaube, dab, fo wie die Anhänger de Hrn. Kant ihren Gegnern immer vormwerfen, fie verftänden ihn nicht, fo auh Manche glauben, Hr. Kant habe Recht, weil fie ihn vers fiehen. Seine Borftellungsart ift neu, und weicht von der ge⸗ wöhnlichen fehbr ab; und wenn man nun auf einmal Einfiht in diefelbe erlangt, fo ift man auch fehr geneigt, fie für wahr zu halten, zumal da er fo viele eifrige Anhänger hat. Man follte aber dabei immer bedenken, daß biefes Verftehen noch fein Grund ift, es felbft für wahr zu halten. Ich glaube, daß die meiften über der Freude, ein ſehr abſtractes und dunkel abgefaßtes Syſtem zu verftehen, zugleich geglaubt haben, es fei demonſtrirt.
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Die Vorftelung, die wir uns von einer Seele machen, bat viel Ähnliches mit der von einem Magneten in ber Erde. Es ift bloß Bild. Es ift ein dem Menfchen angebornes Erfindungs⸗ mittel, fi Alles unter diefer Form zu denken.
Wir wiffen mit weit mehr Deutlichfeit, daß unfer Wille frei ift, als daß Alles, was gefchieht, eine Urfache Haben müffe. Könnte man alfo nicht einmal da8 Argument umkehren und fagen: Unfere Begriffe von Urfache und Wirkung müffen fehr unrichtig fein, weil unfer Wille nicht frei fein könnte, wenn fie richtig wären ?
Das Wefen, ba8 wir am reinften aus ben Händen ber Natur empfangen, und was uns zugleich am nädften gelegt wird, find wir felbft; und doch wie ſchwer ift da Alles und wie verwidelt! Es fcheint faft, wir follen bloß wirken, ohne uns felbft zum Gegenftande der Beobachtung zu machen. Sobald wir und zum Gegenftande der Beobadhtung machen, ift es faft ei» nerlei, ob wir aus dem Haynberg den Urfprung der Welt, oder aus unfern Verrichtungen bie Natur unferer Seele wollen Pennen lernen.
Selbſt unfere häufigen Irrthümer haben den Nugen, baß fie ung am Ende gewöhnen zu glauben, Alles Fönne anders fein, als wir es uns vorftellen. Auch biefe Erfahrung kann ge- neralifirt werden, fo wie das Urfachenfuchen; und fo muß man endlich zu ber Philofophie gelangen, bie felbft die Noth⸗ mwendigfeit von dem Satze des Widerfpruch8 Teugnet.
71 Die beiden Begriffe von Sein und Nichtſein find bloß undurchdringlich in unfern Geiftesanlagen. Denn eigentlich, wiffen wir nicht einmal, was fein ift, und fobald wir uns ins Definiren einlaffen, fo müffen wir zugeben, baß etwas exiſtiren kann, mas nirgends. if. Kant fagt auch fo etwas irgendwo.
Es iſt doch fürwahr zum Erſtaunen, daß man auf die dunkeln Vorſtellungen von Urſachen den Glauben an einen Gott gebaut hat, von dem wir nichts wiſſen, und nichts wiſſen kön⸗ nen. Denn alles Schließen auf einen Urheber der Welt iſt im⸗ mer Anthropomorphismus.
Anſtatt daß ſich die Welt in uns fpiegelt, ſollten wir viel⸗ mebr fagen, unfere Vernunft fpiegele fi in ber Welt. Wir fünnen nicht anders, wir müffen Ordnung und weife Res gierung in ber Welt erfennen, bieß folgt aus ber Einrich⸗ tung unſerer Denkkraft. Es ift aber. noch Feine Folge, daß etwas, was wir nothwendig benfen müffen, auch wirklich fo ift, denn wir haben von der wahren Befchaffenheit der Außen: welt gar feinen Begriff; alfo daraus allein läßt fich Fein Gott erweiſen.
In allen Dingen in ber Welt gibt es ein Coup d’ Oeil, das heißt, jeder vernünftige Menfch, der etwas hört ober fiebt, urtbeilt inflinetmäßig baräber. Er ſchließt z. B. aus dem Titel
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bes Buchs und beffen Die auf den innern Werth. Wohlver- ftanden, ich fage nicht, daß biefe Dinge fein eigentliches Urtheil lenken, fondern nur, daß er mit dem erften Anblide einer Sache auch ein, diefer geringen Information proportionirtes, Urtheil von ihr verbindet, oft ohne baß er fi) befien deutlich bewußt wird. Auch hebt bie Erfahrung ber nächſten Secunde das Ur⸗ theil oft wieder auf. Alles biefes find Samenkörner von Wiffen- fhaften, aus denen ein Lambert etwas hätte ziehen können; allein fo wie nicht aus jedem Samen ein Baum oder Küchen» kraut wird, fo eben auch bier. Indeſſen find dieſe Winke nie aus ber Acht zu laſſen; fie find die Refultate vieler empfangenen Eindrüde in ber verftändlichften Summe conftruirt.
Das Möferifhe Mehl und nicht die Mühle iſt vortref- lich; Früchte der Philofophie und nicht die Philofophie. Wenn wir fragen, wie viel Uhr es ift, fo wollen wir nichts bon der Einrichtung der Taſchenuhr wiffen. Die Kenntniß der Mittel ift heutzutage eine rühmliche Wiffenfchaft geworden, und Niemand gebraucht fie zu feinem Glück und dem Glücke ber Welt. Kennt» niß der Mittel ohne eine eigentlihe Anwendung, ja ohne Gabe und Willen fie anzuwenden, ift, was man jest gemeiniglich Gelehrſamkeit nennt.
Es ift mir Peine Betrachtung angenehmer, als bie, in ben polirteften Zeiten Spuren von Gebräuchen der roheften Völker aufzufuchen, freilich ebenfalls verfeinert. (Es ift unmöglich, daß
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ein Volk lange in einer Gattung feiner Kenntniffe zunehmen fol, ohne in den andern auch mit zuzunehmen, wenigftens nicht ohne Scheiterhaufen.) So wird es einem fceharfen Beobachter nicht fchwer werden, einen fubtilen Schamanismus (geiftliche Zafchenfpielerei) felbft auf unfern Kanzeln zu finden.” Solche Dinge aufzufinden, barf man nur bie Reihe auffuchen, in wel: cher der Schamanismus liegt. Alles läßt ſich verfeinern, und Alles läßt fich vergröbern — ein vortreffliches Erfindungsmittel.
Es ift ein großer Unterfchied zwifchen etwas glauben, und das Gegentheil nicht glauben können. Ich kann fehr oft etwas glauben, ohne es beweifen zu können, fo wie ich etwas nicht glaube, ohne es wiberlegen zu Fünnen. Die Seite, bie ich nehme, wird nicht durch ftrieten Beweis, ſondern durch das Übergewicht beſtimmt.
Was, wie ich glaube, die meiſten Deiſten ſchafft, zumal unter Leuten von Geiſt und Nachdenken, find bie unveränderli⸗ chen Gefeße in ber Natur. Je mehr man fih mit denfelben be« kannt macht, deſto wahrfcheinlicher wird es, daß es nie anders in der Welt bergegangen, als e8 jekt darin hergeht, und baß nie Wunder in der Welt gefchehen find, fo wenig als jept. Daß ganze Zeitalter hintergangen werden, und nod) leichter ein- zelne Menſchen, daß man aus taufendfachen Intereſſe etwas glaubt, daß es fogar ein Vergnügen fein kann, etwas zu glaus ben, was man nicht unterfucht bat, das ift gar Lin Usulurt,
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bas fehen wir täglich; bag aber die Sonne beim Vollmond ver- finftert, Waſſer in Wein verwandelt wird, u. bergl. ift unbegreiflich.
Wer die Gefchichte der Philofophie und Naturlehre betradh- ten will, wirb finden, daß bie größten Gntbedungen von Leu⸗ ten find gemacht worden, die das für bloß wahrfcheinlich hiel⸗ ten, was Andere für gewiß ausgegeben haben; alfo eigentlid von Anhängern ber neuern Akademie , bie das Mittel zwifcher ber firengen Buverläffigfeit bes Stoiferd und ber Ungewißheit und Gleichgültigkeit des Skeptikers hielt. Eine folche Philoſophie ift um fo mehr anzurathen, als wir unfere Meinungen zu ber Beit fammeln, da unfer Verſtand am ſchwächſten iſt. Dieſes Letztere verdient in Abſicht auf Religion in Betrachtung gezogen zu werden.
Es iſt zum Erſtaunen, was für mannichfaltige Stufen von Belehrung uns unfere Einrichtung gewährt, von ber unerklär- fihften Ahnung bis zu den deutlichften Einfichten bes Berflan- bes. Es ift eine meiner Lieblingsbefchäftigungen, fie zu analy« firen. Saft jeder Überlegung geht ein gewiſſes beflimmendes Gefühl vorher, das bei glüdlichen Gemüthsbefchaffenheiten ſelten trügt, und das ber Verſtand nachher nur gleihfam ratificirt. Die Ihiere werden vielleicht bloß durch ſolche Ahnungen geleitet.
Man irrt ih, wenn man glaubt, daß alle unfer Neues bloß der Mode zugehörte, es ift etmas Feſtes darunter. Fort⸗ gang ber Menfhheit muß nicht verfannt werben.
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Mir ift es unbegreiflich, warum ber Zuſtand ber umendli- chen Herrlichkeit nicht lieber gleich angeht,‘ da doch diefes Leben nur überhaupt ein verfehwindender Punkt ift.
Ih glaube, es ift ein großer Unterfchied zwiſchen Verl nunft lehren und vernünftig fein. Es kann Leute ge ben, die nichts weniger ald eigentlich) gefunden Verſtand befigen, und doch vortrefflich über die Regeln nachdenken, die er befolgen muß; fo wie ein Phyfiologe ben Bau bes Körpers Fennen, und Teldft fehr ungefund fein Fann. Die großen Analyften des menfch: lihen Kopfs waren nit immer bie Praftifch - Vernünftigen. Ich rede bier nicht von Moral, fondern von Logik.
Ich glaube, ber ficherfie Weg, den Menfchen weiter zu bringen, wäre, durch die polirte Vernunft des verfeinerten Mens. fhen bie blinden NRaturgriffe des Barbaren (der zwifchen dem Wilden und Feinen in der Mitte flieht) mit Philofophie zu ver: feinern. Wenn e8 einmal in der Welt feine Wilden und Peine Barbaren mehr gibt, fo ift e8 um uns gefchehen.
Bu den feinften Ramiflcationen unferer Wiffenfchaften und Künfte liegt irgendwo der Stamm in unferer Wildheit oder Barbarei (dem Mittelzuftand zwifchen Wildheit und Verfeine⸗ rung); biefen aufzufuchen,. wie viel Philofophie erforderte es nit, aber wie viel Nuten hätte e8 auch!
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So wie bie Völker ſich befjern, beffern fi) auch ihre Göt⸗ ter; weil man legtern aber nicht gleich alle die, menſchlichen Eigenfchaften nehmen kann, die ihnen rohere Beiten angebichtet baden, fo hält die vernünftige Welt Manches noch eine Zeit lang für unbegreiflih, oder erklärt es figürlich.
&o lange die verfchiedenen Religionen nur verſchiedene Reli⸗ gionsfpradhen find, fo ift Alles recht gutz nur muß bie Abficht, der Sinn einerlei und gut fein. Was liegt endlidy daran, ob einer vor einem bölzernen Chriſtus niederfält, wenn er nur dadurch zum Guten geleitet wird. Nur muß die Religion an fi felbft die Prüfung aushalten, damit fie in jedem Dialekt, wie ih Semmler ausdrüdt, Gutes wirkten kann. Es vers räth wenig Weisheit bei manchen Leuten, daß ſie ſich über die religiöſen Gebräuche Anderer luſtig machen; ſie beweiſen durch ihre Aufführung, daß ſie den ganzen Sinn der Bibel nicht faſſen. Wenn bei dem Volke Zweifel entſtehen, ſo muß ſie der Gelehrte zu heben wiſſen; allein es verräth unbeſchreiblichen Unverſtand, wenn Gelehrte gegen die Religion des Volks ſchreiben und daran zu Helden werden wollen. Semmler ſagt ſogar): nicht alle Menfchen müffen unfere chriftliche Religion haben.
Die Menfhen glauben überhaupt fchwerer an Wunder, als an Traditionen von Wundern, und mancher Türke, Jude u.f.w.
) In feinem Leben, 2. Th. ©. 114.
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ber fich jest für feine Traditionen tobt fchlagen ließe, würde bei dem Wunder felbfi, als es geſchah, fehr Laltblütig geblieben fein. Denn in dem Augenblide, da das Wunder geſchieht, bat es fein anderes Anfehen, als bas ihm fein eigener Werth gibt; es phufifch erklären, ift noch Feine Freidenferei, fo wenig als es für Betrug halten, Blasphemie. Überhaupt ein Factum leug— nen, ift an fi) etwas Unfchuldiges; es wird nur in ber Welt gefährlich in fo fern, als man Andern daburch mwiderfpricht, die feine Unleugbarkeit in Schub genommen haben. Manche Sache, bie an fih fehr unwichtig ift, wirb dadurch wichtig, daß fich Leute don Anfehen ihrer annehmen, die man für wichtig häft, ohne eigentlich zu mwiffen warum. Wunder müſſen in der Ferne gefehen werden, wenn man fie für wahr, fo wie Wolfen, wenn man fie für fefte Körper halten fol.
Es ift mir nichts angenehmer, ald da, wo meine Zu⸗ ober Abneigungen vor meiner Vernunft vorhergehen, aufzufuchen, wie fie mit ihr zufammenhängen. Mit andern Worten, mir bewußt zu werden, daß ich das in ber Welt fei, oder warum ich das fei, was ich bin. — Sch glaube überhaupt, daß unfere ganze Philofophie darin befteht, uns befjen beutlich bewußt zu - werben, was wir fehon mechanifch find. Es ift fehr fonderbar, daß uns ber Himmel fo viel Spielraum gegeben bat. Ders mutblich können wir fo häufig im Scherz fehlen, damit wir uns nicht bei unferem freien Willen einfallen Taffen im Ernſt zu fehlen.
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So wie es fhon ſchmerzt, mande Entbedung nit gemacht zu haben, fobald man fie gemacht fieht, obgleih noch ein Sprung nöthig war, fo ſchmerzt es unendlich mehr, taufenb Feine Gefühle und Gedanken, die wahren Stügen menfchlicher Philofophie, nicht mit Worten ausgebrüdt zu haben, die, wenn man fie von Andern ausgebrüdt fiebt, Erſtaunen erweden. Ein gelernter Kopf fchreibt nur zu oft, was Alle fchreiben kön⸗ nen, und läßt das zurüd, was er fihreiben könnte, und wo⸗ durch er verewigt werben würde. Solche Bemerkungen, wie Hartknopf beim Siehbrunnen macht, babe ich in meinem Leben fehr viele gemacht.
Für den Geift bes Menfchen ift nicht minder geforgt, als für ben Leib der Thiere; was bier Trieb und Kunfttrieb beißt, ift dort gefunder Menfchenverfiand. Beide find einer Erftidung fähig, nur mit dem Unterſchiede, baß das Thier diefe nur von außen, ber Menfch auch von innen erhalten kann. Das Thier ift für fih immer Subject, der Menfch ift ih auch Object.
Wenn bie Welt noch eine unzählbare Zahl von Sahren fteht, fo wird die Univerfalreligion geläuterter Spinozismus fein. Sich felbft überlaffene Vernunft führt auf nichts Andres hinaus, und es ift unmöglich, daß fie auf etwas Andres hinausführe.
Im Religionshaß Liegt ficherlich etwas Wahres, alfo ver: muthlih etwas Nügliches, Ich wünſchte fehr, man möchte
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diefes ausfinden. Unſere Philofophen fprechen vom Religionshaß als von etwas, das fidh vielleicht wegraifonniren ließe; das iſt aber ſicherlich nicht.
Eine der größten Raffinerieen des menſchlichen Geiſtes iſt unſtreitig die, daß man der Menſchen Hoffnungen auf einen Zeitpunkt zuſammengezogen hat, von welchem ſich (wenigſtens mit geometriſcher Gewißheit) nie etwas Entſcheidendes für oder wider ausmachen laſſen wird; obgleich ein undeutliches Gefühl, das ſchwer zu entwickeln iſt, nur altzu deutlich zeigt, daß Alles nichts iſt.
Ich und mich. Ich fühle mich — find zwei Gegenſtände. Unſere falſche Philoſophie iſt der ganzen Sprache einverleibt; wir können ſo zu ſagen nicht raiſonniren, ohne falſch zu raiſon⸗ niren. Man bedenkt nicht, daß Sprechen, ohne Rückſicht von was, eine Philoſophie iſt. Jeder, der Deutſch ſpricht, iſt ein Volksphiloſoph, und unſere Univerſitätsphiloſophie beſteht in Ein⸗ ſchränkungen von jener. Unſere ganze Philoſophie iſt Berichti⸗ gung des Sprachgebrauchs, alſo, die Berichtigung einer Philo⸗ ſophie, und zwar der allgemeinſten. Allein die gemeine Philo⸗ ſophie hat den Vortheil, daß ſie im Beſitz der Declinationen und Conjugationen iſt. Es wird alſo immer von uns wahre Philo⸗ ſophie mit der Sprache der falſchen gelehrt. Wörter erklären hilft nichts; denn mit Wörtererklärungen ändere ich ja die Pro⸗ nomina und ihre Declination noch nicht.
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Wir mögen uns eine Art uns die Dinge außer uns vorzu⸗ ftellen gebenten, welche wir wollen, fo wird und muß fie immer etwas von dem Subject an fi) tragen. Es if, dünkt mid, eine fehr unpbilofophifche Idee, unfere Seele bloß als ein lei⸗ dendes Ding anzufehen; nein, fie leihet auch den Gegenftänden. Auf diefe Weife möchte e8 Bein Wefen in der Welt geben, bas die Welt fo erfennte, wie fie iſt. Ich möchte diefes die Affini- täten der Geifters und ber Körperwelt nennen, und ih Bann mir gar wohl vorftellen, daß ed Wefen geben könnte, für bie die Orbnung bed Weltgebäubes eine Muſik ift, wornach fie tan: zen können, während der Himmel auffpielt.
Die größte Inconfequenz, bie ſich bie menfchlihe Ratur je j bat zu Schulden kommen laffen, ift wohl gewiß,. daß fi) bie Vernunft fogar unter das Jod eines Buches gefchmiegt hat. Man kann fih nichts Entfeplidhers denken, und biefes Beifpiel allein zeigt, was für ein hülfloſes Gefchöpf ber Menſch in Con⸗ ereto, ich meine in diefe zweibeinige Phiole aus Erde, Waſſer und Salz eingefchloffen, if. Wäre ed möglidh, daß die Ber- nunft fi) je einen befpotifchen Thron erbauete, fo müßte ein Mann, ber im Ernft das Copernicanifhe Syſtem durch bie Auctorität eines Buchs widerlegen wollte, gehenft werben. Daß in einem Buche fieht, es fei von Gott, ift noch Fein Beweis, daß es von Gott ſei; daß aber unfere Vernunft von Gott fei, ift gewiß, man mag nun das Wort Gott nehmen, wieman will. — Die Vernunft ftraft da, wo fie herrſcht, bloß mit ben
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natürlichen Folgen des Vergehens oder mit Belehrung, wenn belehren ſtrafen genannt werden kann.
Was bin ich? Was ſoll ich thun? Was kann ih glauben und hoffen? Hierauf reducirt ſich Alles in ber Philoſophie. Es wäre zu wünſchen, man könnte mehr Dinge fo fimplicificiren; wenigftens follte man. verfuchen, ob man nicht Alles, was man in einer Schrift zu tractiren gedenkt, gleih anfangs fo entwerfen könnte.
Man Fann nicht genug beberzigen, daß die Eriftenz eines Gottes, bie Unſterblichkeit ber Seele u. bergl. bloß geben?bare, aber nicht erkennbare Dinge find. Es find Gedankenverbindungen, Gebankenfpiele, denen nicht etwas Objectived zu correfponbiren braucht. Es war ein großer Fehler ber Wolfiſchen Philofophie, daß fie den Sat bes Widerſpruchs auf das Erkennbare ausbehnte, da er doch eigentlich bloß das Denkbare angeht.
Wenn man über Idealismus in verfchiedbenen Stadiis des Lebens nachdenkt, fo geht es gemeiniglich fo: zuerſt ald Knabe lächelt man über die Albernheit defielben; etwas weiter findet man bie Vorftellung artig, wigig und verzeihlich ;’ disputirt gern barüber mit Leuten, bie ſich ihrem Alter oder Stand nad noch im erſten Stadio befinden. Bei reifen Jahren findet man ihn zwar ‚ganz finnreih, fih und Undere bamit zu neden, aber im
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Ganzen kaum einer Widerlegung wertb und der Natur wiber: fprehend. Man hält es nicht der Mühe werth, weiter daran zu den?en, weil man glaubt, oft genug baran gedacht zu haben. Aber weiterhin befommt er, bei ernftlihem Nachdenken und nicht gang geringer Befanntfchaft mit menſchlichen Dingen, eine ganz unüberwindlide Stärfe. Denn man barf nur bedenken, wenn e8 auch Gegenflände außer uns gibt, fo können wir ja von ihrer objectinen Realität fchlechterdings nichts willen. Es verhalte ſich Alles wie e8 wolle, fo find und bleiben wir ja doch nur Idealiſten, ja wir können fchlechterbings nichts Andres fein. Denn Alles kann uns ja nur bloß durch unfere Borftellung ges geben werden. Zu glauben, daß diefe Borftellungen und Em: pfindungen burch äußere Gegenflände veranlaßt werden, ift ja wieder eine Borfielung. Der Idealismus ift ganz unmöglich zu widerlegen, weil wir immer Spealiften fein würden; felbft wenn es Gegenftlände außer uns gäbe, weil wir von biefen Gegenftänden unmöglich etwas wiffen Fünnen. So wie wir glauben, daß Dinge ohne unfer Zuthun außer uns vorgehen, fo fönnen auch die Vorftellungen davon ohne unfer Zuthun in uns vorgeben. Wir find ja auch ohne unfer Buthun geworden, was wir find. Die Urfahe, warum fo viele Menfchen dieſes nit fühlen, ift, daß fie mit dem Wort Vorftellung einen fehr unvollftändigen Begriff verbinden, nämlich den von Traum und Phantafie. Diefes find freilich Gattungen von Vorſtellungen, aber fie erfchöpfen das Genus nicht. Hierin liegt unitreitig ber Grund des Mißverftänbniffese. Man muß erft eins werden über
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dad, was man unter Borftellungen verſteht. Sie find ficherlich von verfchiebener Art, aber Peine enthält irgend ein deutliches Beichen, daß fie von außen komme. Ja, was if außen? was find Gegenflände praeter nos? Was will bie Präpofition praeter fagen? Es ift eine bloß menſchliche Erfindung; ein Name, einen Unterfchied von andern Dingen anzubeuten, bie wir nicht praeter nos nennen. Alles find Gefühle.
AÄußere Gegenftände zu erfennen, ift ein Widerfpruch; ed ift dem Menfchen unmöglich, aus fi) heraus zu gehen. Wenn wir glauben, mir fähen Gegenftände, fo fehen wir bloß uns. Wir können von nichts in der Welt etwas eigentlich erkennen, als uns felbft, und die Veränderungen, bie in uns vorgehen. Eben fo Fönnen wir unmöglidy für Andere fühlen, wie man zu fagen pflegt; wir fühlen nur für uns Der Sag klingt bart, er ift e8 aber nicht, wenn er nur recht verftanden wird. Man liebt weder Bater, noch Mutter, nod Frau, nod- Kind, fondern die angenehmen Empfindungen, bie fie und machen; es fchmeichelt immer etwas unferem Stolze und unjerer Eigen: liebe. Es iſt gar nicht anders möglih, und wer den Cap leugnet, muß ihn nicht verfiehen. .. Unfere. Sprache darf aber in biefem Stüde nicht philofophifh fein, fo wenig als fe in Rüdficht Auf das Weltgebäude Copernieaniſch fein darf. Aus nichts leuchtet, glaube ich, des Menfchen höherer. Geiſt fo ſtark bervor, als daraus, daß er fogar ‚den Betrug aubfindig zu
maden weiß, den ihm gleichfam die Natur Igielen wir. WS .. S*
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bleibt die Frage übrig: wer bat Recht, ber, welcher glaubt, er werde betrogen, oder ber es nicht glaubt? Unſtreitig bat ber Recht, ber glaubt, er werde nicht betrogen. Aber das glauben auch beide Parteien nicht, baß fie betrogen werden. &obalb ich e8 weiß, fo ift es kein Betrug .mehr. - Die Erfindung der Sprade ift vor der Philofophie hergegangen, und das iſt es, was die Philofophie erfhwert, zumal wenn man fie Anbern verftändlihd maden will, bie nicht viel felbft denken. Die Philofophie ift, wenn fie ſpricht, immer gemärhiet ‚ bie Spradhe der Unphilofophie zu reden.
Es ift gewiß fehr fehwer, zu fagen, wie wir zu bem Begriff außer uns gelangen, ba wir boch eigentlich bloß in uns empfinden. Etwas außer fi) empfinden, ift ein Widerſpruch; wir empfinden nur in uns; bad, was wir empfinden, ift bloß Mobdification unfer felbft, alfo in uns. Weil biefe Beränbe- rungen nidt von uns abhängen, fo fihieben wir fie andern Dingen zu, bie außer uns find, und fagen, es gibt Dinge außer und. Man follte fagen praeter nos, aber bem preeter fubftituiren wir die Präpofition extra, bie etwas ganz Anderes ift; das ift, wir denken uns biefe Dinge im Raume außerhalb unfer; das ift offenbar nicht Empfindung,. fondern «8 fcheint etwas zu fein, was mit ber Natur unferes ſinnlichen Erfenntnißs bermögens innigft verwebt ift; es ift bie Form, unter ber uns jene Vorftelung bed praeter nos gegeben ift — sorm der Sinn⸗ lichkeit.
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Philoſophie ift immer Scheibefunft, man mag die Sache wen: den, wie man will. Der Bauer gebraucht alle Säge ber abftrarteften Philofophie, nur eingewidelt, verftedt, : gebunden, wie ber Phy⸗ fiter und Chemiker fagt; der Philoſoph gibt uns die reinen Sätze.
Man muß in der Welt und im Reiche ber Wahrheit frei unterfuchen, es koſte was es wolle, ‚und fih "nicht barum be⸗ fümmern, ob ber Sak in eine Familie gehört, worunter einige Glieder gefährlich werben können. Die Kraft, bie dazu gehört, fann fonft wo nützen.
Vielleicht könnte man fi die Sache fo vorftellen: Wir be- figen ein Bermögen, Eindrüde zu empfangen, das ift unfere Sinnlichkeit. Durch biefe werden wir uns ber Veränderungen bewußt, bie in und vorgeben; bie Urfachen dieſer Veränderun⸗ gen nennen wir Gegenftände. Diefe Gegenftände find wir. felbft nicht allein. Wir bemerken Veränderungen, Eindrüde in un, wovon wir auch ben Grund in uns felbft fuchen, weil wir uns bewußt find, daß fie von uns abhängen, ober in uns find, So find wir uns des jebesmaligen Buftandes unferer Seele bewußt. Diefed Vermögen ift der. innere Sinn Wo id alfo fage, das geht in mir vor, fo erfahre ich biefes durch ben innern Sinn. ‚Gefühl der Aufmerkfamkeit,. Spontaneität. Hier find wir felbft Gegenſtand und Beobachter, Object und Subject.
Allein nun.gibt es auch Eindrüde, wovon wir mit nicht zu überwältigender Überzeugung empfinden, daß. wir Sy ww
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pfangendes Subject, aber nichts weniger ald Object find. Biel leicht wäre e8 genug, bier zu fagen, jene Gegenflände wären praeter nos, etwas von und Berſchiebenes — das, follte man denken, wäre das Ginzige, was wir empfinden könnten. . Daß fih aber dieſes praeter nos in ein extra nos verwandelt, baß wir damit Entfernung von uns im Raume verbinden, unb damit verbinden müffen,, das fcheint das nothwendige Erforder⸗ niß unferer Natur zu fein. Da biefe VBorftelung Nothwendig⸗ feit mit fih führt, fo kann fie nicht von der Erfahrung herrüh⸗ ren, benn Fein Erfahrungsfak implicirt Nothwenbigfeit. Ja, wir müſſen uns fogar den Raum unendlich denken. Wie fün- en wir fo etwas erfahren? Das ift unmöglid. Ich glaube aljo, daß, wenn irgend ein Satz von aller Erfahrung unabe bängig ift, fo ift e8 der von ber Ausbehnung der Körper.
Hier entfteht denn aber doch bie Frage (und ich kann nicht fagen, ob man barauf geantwortet bat): wenn den Körpern objective Realität verftattet wird, und ihnen Eigenſchaften zu⸗ fommen, fo wäre body unter unzähligen Fällen auch der mög: ih, daß fie diejenigen hätten, bie wir ihnen unferer Ratur nach beilegen müſſen, nicht weil fie fie haben, fondern weil unter den unzähligen möglichen Formen ber Anfhauung body auch biefe Übereinflimmung möglich wäre. Diefes wäre auch eine harmonia praestabilita. Allein bier ift wieder eine Frage, ob eine foldhe Frage zu thun verftattet iſt? ob ein Object das fein fann, was e8 einem Andern zu fein fcheint? Diefe ganze Frage ift Schon wieder Anthropomorphismus. Denn wie eme
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pfindende und denkende Wefen von Objecten außer ihnen afflcirt
werben können, wiſſen wir ja nicht, und können es nicht wiffen. In biefer Lage der Dinge ift es das Klügfte, was wir thun können, bei uns fteben zu bleiben, unfere Mobificationen zu betrachten, und uns um bie Befchaffenheit ber Dinge an fich gar nicht zu bekümmern. —
So wie es nun mit dem Raume für die fo genannten äußern Gegenſtände ift, fo ift es mit ber Zeit für die Gegen- ftände des innern Sinned. Veränderungen in uns felbft ſchauen wir an unter der Form von Dauer, Folge, Sleichzeitigkeit u. f. w.
Was das Studium einer tiefen Philofophie fo fehr erfchwert, it, daß man im gemeinen Leben eine Menge von Dingen für fo natürlich und leicht hält, daß man glaubt, e8 wäre gar nicht möglih, daß es anders fein könnte; und doch muß man wiffen, daß man folcher vermeintlichen Kleinigkeiten größte Wichtigkeit erft einfehen muß, um das eigentlich fo genannte Schwere zu erflären. - Wenn ich fage: diefer Stein ift hart — alfo erft den Begriff Stein, ber mehreren Dingen zufommt, diefem Individuo beilege; alsdann von Härte rede, und nun gar das Hartfein mit dem Stein verbinde — fo ift dieſes ein folches Wunder von Operation, daß e8 eine Frage ift, ob bei Berfertigung manches Buches fo viel angewandt wird. „Aber find das nicht Sub⸗ tilitäten? braucht mar das zu wiffen ?“ — Was das Erfte anbetrifft, fo find es feine Subtilitäten, denn gerade an biefen fimpeln Fällen müffen wir die Operationen bes Berftandes Pennen lernen. Wollen,
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wir biefes erft bei dem Zufammengefegten thun, fo ifl alle Mübe vergebens. Diefe leichten Dinge ſchwer zu finden, verräth Beine geringen Zortfchritte in ber Philofophie. — Was aber das An⸗ dere anbetrifft, fo antworte ih: Nein! man braudt es nicht zu wiffen; aber man braucht auch kein Philofoph zu fein.
Für das Künftige forgen, muß für Gefchöpfe, bie das Künfs tige nicht kennen, fonbderbare Einſchränkungen leiden. Sich auf mehrere Fälle zugleich ſchicken, wovon oft eine Art bie andere zum Theil aufheben muß, ann von einer vernünftigen Gleiche gültigkeit gegen das Künftige wenig unterfchieden fein.
Die mwenigften Menjchen haben wohl recht über ben Werth bes Nichtfeins gehörig nachgedacht. Unter Nichtfein nad) bem Tode ftelle ich mir ben Zuſtand vor, in bem ich mich befand, ehe ich geboren warb. Es ift eigentlich nicht Apathie, denn bie kann noch gefühlt werden, fondern es ift gar nichts. Gerathe ih in biefen Zuftand — mwiewohl bier die Wörter ich und Zu⸗ ftand gar nicht mehr paſſen; es ift, glaube ich, etwas, das dem ewigen Leben völlig das Gleichgewicht hält. Sein und Nichtſein flehen einander, wenn von empfindenden Wefen bie Rede ift, micht entgegen, fondern Nichtſein und höchſte Glückſeligkeit. Ich glaube, man befindet fidh gleich wohl, ‚ In welchem von beiden Zuftänden man ift. Sein und abwar : ten, feiner Vernunft gemäß handeln, ift unfere Pflicht, da wir \da6 Ganze nicht überfehen. A Zt . Su F gr ———
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Die Herren, bie gegen Kants Vorftellung von Raum und Beit disputiren, kann ‚man billig fragen, was fie denn eigentlich unter ihrer wahren Kenntniß der Gegenftände verfteben, und ob überhaupt eine ſolche Kenntniß möglich if. Alles, was ich em: pfinde, ift mir ja nur durch mich felbft gegeben, und jede Ein: wirfung eines Dings außer mir ift ja Wahrheit; was wollen iwir als Menfchen weiter? Es if ein Rabicalirrthum aller derer, bie gegen biefe Kantifchen Vorflelungen disputiren, daß fie diefelben für Idealismus, oder gar für einen Betrug bes Urs heber8 der Natur halten, wenn es fo wäre. Mein da alle Dinge in der Natur Beziehung auf einander haben, was kann reeller und wahrer fein, als diefe Beziehungen? Wenn ich fage: bie Körper nehmen einen Raum ein, fo fage ich etwas fehr Reelles, weil id von einer Beziehung auf mich rede. Aber be: baupten zu wollen, bie Körper objective nehmen einen Raum ein, ift gerade fo unfinnig, als ihnen eine Farbe, ober gar eine Sprache zuzufchreiben. — Wenn au aus allem diefem nichts erhellet, fo erhellet doch wenigftens fo viel baraus, baß es ein ganz vergebliches Bemühen ift, Hrn. Kant wiberlegen zu wollen. !
- Was fehr feltfam ift, bleibt felten lange unerklärt. Das Unerflärliche ift gewöhnlich nicht mehr feltfam, und ift es viel«
leicht nie gewefen.
Verſtand faßt Theorie fehr gut; Judicium enticheitet Gh
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bie Anwendung. Daran fehlt es fehr vielen Menfchen, und öfters den größten Gelehrten und Theoretitern am meijten.
Schon vor vielen Jahren habe ich gedacht, daß unfere Welt das Werk eined untergeordneten Weſens fein könne, und nod Fann ich von dem Gedanken nicht zurüdtommen. Es iſt eine Thorheit zu glauben, ed wäre Feine Welt möglich, worin Peine Krankheit, Fein Schmerz und Fein Tod wäre. Denkt man fidh ja doh ben Simmel fo. Bon SPrüfungszeit, von allmäliger Ausbildung zu reden, beißt fehr menfchlich von Gott denken unb ift bloßes Geſchwätz. Warum follte e8 nicht Stufen von Gei⸗ fiern bis zu Bott hinauf geben, und unfere Welt das Werk von einem fein können, der bie Sache noch nicht recht verfiand, ein Verſuch? ih meine unfer Sonnenfoftem, ober unfer ganzer Ne⸗ beiftern, der mit ber Milchftraße aufhört. WBielleicht find bie Nebelfterne, die Herſchel geſehen bat, nichts als eingelieferte Probeftüde, oder ſolche, an denen noch gearbeitet wird. Wenn ih Krieg, Hunger, Armuth und Peftilenz betrachte, fo kann ich unmöglich glauben, baß Alles das Werk eines höchſt weifen We⸗ ſens fei; oder e8 muß einen von ihm unabhängigen Stoff ges funden haben, von welchem e8 einigermaßen befihränft wurde;
\ fo daß diefes nur refpective die beite Welt wäre, wie auch ſchon
\päufig gelehrt worden ift. \
Wenn man bie Natur als Lehrerin, und die armen Men: fhen als Zuhörer betrachtet, fo ift man geneigt, einer ganz fon«
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berbaren Idee vom menfchlihen Gefchlechte Raum zu geben. - Wir figen allefammt’ in einem Gollegio, haben bie Principien, die nöthig ſind, es zu verftehen und zu faffen, borchen aber im⸗ mer mehr auf die Plaudereien unferer Mitfchüler, als auf den Bottrag ‚der Lehrerin. Oder wenn ja einer neben uns etwas nachfchreist, fo fpiden wir von ihm, flehlen, was er felbft vielleicht undeutlich hörte, und vermehren es mit unfern eigenen ortbographifhen und Meinungsfehlern.
Es gibt für jeden Grad des Wiffens gangbatSätze, von denen man nicht merkt, daß fie über dem Unbegreiflichen, ohne weitere Unterftügung , auf bloßem Glauben fchweben. Man bat fie, ohne zu wiffen, woher die Sicherheit kommt, mit ber man ihnen traut. Der Philofoph bat dergleichen fo gut, wie ber Mann, der ba glaubt, das Wafjer. fließe deßwegen immer bergab, weil e8 unmöglidy wäre, daß es bergauf fließen könne.
Mit den Prärogativen der Schönheit und ber Glüdfe Iigteit bat «8 eine ganz verfchiedene Bewandtniß. Um: bie Vortheile der Schönheit in der Welt zu genießen, müffen an: dere Leute glauben, daß man ſchön ſei; bei der Glüdfeligkeit aber ift das gar nicht nöthig; es iſt vollkommen hinreichend daß man es felbft glaubt.
Sollte e8 nicht eine fallacia caussae fein, ober wenigſtens viel davon mit unterlaufen, wenn man von dem Mutzen her
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hriftlichen Religion mit fo vielem Enthuſiasmus fpriht? Sol: ten es nicht die guten Menfchen fein, bie bie Religion vers ehren; anftatt daß die Religion die guten Menfchen macht? Sie werden Anhänger und Bertheibiger der Religion, weil fie ihre Orundfäge predigt. So viel iſt wohl gewiß, _baf nicht leicht ein ſchlechter Menſch w viel um Religion befüms Wien wird, m
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Ich babe Heydenreichs Briefe über ben Atheismus gelefen , undach muß befennen, daß mir, feiner Abſicht zumiber, die Briefe bes Atheiften fehr viel grünblicher gefchrieben zu fein fheinen, als die bed Gläubigen. Ich kann mid von einigen Behauptungen bed lehtern fchlechterbings nicht Überzeugen, und doch bin ich mit Anflrengungen ber Bernunft nicht fo ganz uns befannt, und an gutem Willen fehlt es mir auch nit. Es wird zu viel auf die Ausbreitung des moralifhen Bewußtfeins gerechnet, und ich möchte faft fagen, fi) hinter biefen Sag verftedt, um einem glauben zu machen, man fei moralijch trank, wenn man die Behauptung nicht verfieht. Hätten vie Erfinder biefer wohlgemeinten Säge anerkannte Infallibilität, fo könnte man fi gewöhnen, ihre Säge wahr zu finden, und fie könn⸗ ten von ihrer Seite fprechen: bein Glaube hat dir geholfen. — Aber was ift für den Menfchen ein folher Beweis für bie Eriftenz Gottes und ber Unfterblichkeit, den zu verftehen, ober eigentlih zu fühlen, unter Taufenden kaum Einer fähig ift? Soll der Glaube an Gott und Unfterblichkeit wirflih in einer
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Welt wie biefe nügen, fo muß er wohlfeiler werden, ober er ift fo viel wie gar feiner.
Eine ber feltfamfien Wortverbindungen , beren die menſch⸗
fihe Sprade fähig ift, iſt wohl bie: Wenn man nicht gebo- sen wirb, fo ift man von allen Leiden frei.
- Eine der fonberbarften Anmenbungen, bie ber Menſch von der Bernunft gemacht bat, ift wohl bie, e8 für ein Meifterftüd zu balten, fie nicht zu gebrauden, und fo mit. Füügeln geboren fie abzufchneiden, Die Vertheidigung bes Mönchsweſens grün det fich gewöhnlich. auf ganz eigene Begriffe von Tugend, denen nicht unähnlich, bie einer von ben Wiffenfchaften haben müßte, um bie Tollhäufer für Akademieen berfelben zu erklären.
Es wäre möglid, daß manche Lehren ber Kantifchen: Phi⸗ lofophie von Niemand ganz verftanden würden, unb jeber glaubte, der Andere verftänbe fie beſſer als er, unb. fidh baber mit einer unbdeutlichen Einfiht begnügte, oder gar mitunter meinte, es fei feine eigene Unfähigkeit, bie ihn verhinderte, fo . beutlich zu fehen, als Anbere.
Alles was wir als Menſchen für reell erkennen müffen, ift e8 auch wirklich für Menſchen. Denn ſobald es nicht mehr verftattet ift, aus jenem Naturzwange auf Wirklichkeit zu fließen, fo iſt an ein feftes Principium gar nicht wer m m
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Nach einiger Zeit bemerkte ich mit großer Deutlichkeit, daß ich es gar nicht‘ gewahr geworben war, baß fich die Sprache, in der ich las, verändert hatte. Es war mir, als hätte ich immer Sranzöffh, oder immer Gnglifch gelefen. Ich bin überzeugt, wäre ich während biefer ungetheilten Aufmerkſamkeit auf biefen Gegenftand genöthigt geweſen, ein beutfhes Buch nachzuſchla⸗ ‚gen, fo würde ich auch bier dem Übergang nicht bemerkt haben, denn biefe Sprachen find mir, was das bloße Berftehen, zumal in einer phyfitalifchen Materie, wie biefe war, angeht, ungefähr gleich geläufig. Man kann bieß wohl, ohne den Borwurf von Ruhmredigkeit zu befürchten, von filh fagen, ba es gewiß in Deutfhland Unzählige geben mag, bie fi) in demſelben Falle befinden. Und weßwegen führe ich diefes bier an? Um folgen» ber Betrachtung willen: Iſt e8 gut und vortheilhaft für unfern Geift fih fo zu gewöhnen? ich kann es unmöglich glauben. Ich ziele hierbei nicht auf ben Beitverluft, denn ber ift offenbar fehr groß, .fondern ich glaube, baß es auch fonft in pſychologi⸗ fher Rückficht ſchädlich ift, fo vielerlei Zeichen für diefelbe Sache im Kopfe zu ‚haben. Es könnte ba viel beffer eine neue Qua⸗ lität ſtehen, wo jegt ein neues Zeichen für eine alte flieht. So wie ih aus dem englifhen Werke zu dem franzöfifhen über- ging, mußte gleih ein ganz anderes Regifter gezogen werben, und doch merfte id das nit. Ich mwünfchte diefes unterſucht zu leſen.
Es ift wohl gewiß, daß man über eine Sache fehr richtig
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und weije urtbeilen kann, und dennoch, wenn man genötbigt wird, feine Gründe anzugeben, nur ſolche anzugeben im Stande ift, die jeder Anfänger in ber Art Fechtkunſt wiberlegen ann. Letzteres Fünnen oft die weifeften und beſten Menſchen fo wenig, als fie die Muskeln Eennen, womit fie greifen ober Klavier fpielen. Diefes ift fehr wahr und verdient weiter ausgeführt zu werben.
Eine ber größten Stügen für die Kantifhe Philofophie ift die gewiß wahre Betradhtung, daß wir ja auch fo gut etwas find, als die Gegenftände außer und. Wenn alfo etwas auf und wirft, fo hängt die Wirkung nicht allein von dem wirfen- ben Dinge, fonbern aud von dem ab, auf welches gewirkt wird. Beide find, wie bei dem Stoß, thätig und leidenb zu- glei ; denn es ift unmöglich, daß ein Weſen die Einwirkungen eines andern empfangen kann, ohne daß die Hauptwirfung ge mifcht erfheine. Ich follte denken, eine bloße tabula rasa ift in dem Sinne unmöglih, denn durch jede Einwirkung. wird das einwirkende Ding mobificirt, und bes, was ihm abgeht, gebt bem andern zu, unb umgekehrt.
Mit dem Nutritionsgefchäfte der Seele ſieht es ſehr betrübt aus: da gibt es Öffnungen genug, Nahrung einzunehmen ‚ aber ed fehlt an Gefäßen, das Gute abzufonbern , und hauptſächlich an primis viis, den unnützen Vorrath dem großen Ganzen der Bücherwelt wieder ‚auguführen, und in ben, Kreislauf su bringen.
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Mie Vieles ift in uns nur durch eine beftändige Gewohn: beit von Kindheit an entflanden! Was für Ausfihten würden wir befommen, wenn wir unfer Kapital von Wahrheiten ein- mal von demjenigen entblößen fünnten, was ihnen nicht fowohl wefentlich ift, als vielmehr aus ber Öftern Wiederholung zus wächſt.
Die gemeinſten Meinungen und was jedermann für ausge: macht hält, verdient oft am meiften unterfucht zu werben.
Der Bauer, der glaubt, ber Mond fei nicht größer als ein Pflugrad, denkt niemals daran, daß in einer Entfernung von einiger Meilen eine ganze Kirche uns als ein weißer Punkt er« fheint, und daß der Mond hingegen immer gleich groß bleibt. Was hemmt bei ihm dieſe Verbindung ber Ideen, die er doch einzeln alle hat? Er verbindet in feinem gemeinen Leben auch wirklich Ideen, vielfeiht durch künſtlichere Bande, als wir. Diefe Betrachtung föflte den Philofophen doch aufmerffam mas hen, der vielleicht noch immer der Bauer bei gewiffen Berbin- dungen ift. Wir denken früh genug, aber wir wiffen nicht, daB wir denken, fo wenig als wir wiffen, daß mir wacfen ober verbauen. Viele Menfchen unter den gemeinen erfahren e8 fogar niemals. ine genaue Betrachtung der äußern Dinge führt leicht auf den betrachtenden Punkt, uns felbft, zurüd, und um: gekehrt, wer fich felbft einmal erft recht gewahr wirb, geräth leicht auf die Betrachtung der Dinge um ihn. Sei aufmerkfam,
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empfinde nichts umfonft, meſſe und vergleihde — das ift das ganze Gefep ber Philofophie.
Wir werden uns gewiſſer Vorftellungen bewußt, bie nicht von uns abhängen; Undere glauben, wir mwenigftens hingen von und ab; wo ift bie Grenze? Wir kennen nur allein bie Eriftenz unferer Empfindungen, Borftelungen und Gedanken. Gs denkt, folte man fagen, fo wie man fagt: es blitzt. Zu fagen co- gito , ift ſchon zu viel, fo bald man ed durch Ich denke über- feßt. Das Ich anzunehmen, zu poftuliren, ift praktiſches Be⸗ bürfniß.
Mit eben bem Grabe von Gewißheit, mit dem. wir übers zeugt find, daß etwas in uns vorgeht, find wir auch überzeugt; daß etwas außer uns vorgeht. Wir verftehen die Worte in—⸗ nerhalb und außerhalb fehr wohl. Es wird: wohl Nie mand in ber Welt fein, auch wohl fchwerlich je geboren werben, der nicht diefen Unterfchieb empfände Fund das. if für die Philoſophie hinreichend; hierüber folkte fie nicht hinausgehen ; es tft doch Alles unnütze Mühe und verforne Zeit. Denn was auch bie Dinge fein mögen, fo ift doch wohl ausgemacht, daß wir fchlechterdings nichts von ihnen wiffen, als was in unferer Bor: ſtellung liegt. In biefer Rückſicht, die, wie ich glaube, richtig ift, iſt doch wahrlich ‚die Trage, ob ‚die Dinge wirklich außer uns vorhanden, und fo vorhanden find, wie wir fie. fehen, völ⸗ lig ohne Sinn, Iſt e8 nicht fonderbar, daß der Areals suis
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etwas zweimal haben will, wo er an einem genug hätte und nothwendig genug haben muß, weil es von unfern Borftelluns gen zu ben Urfachen Feine Brüde gibt. Wir können uns nidt denken, daß etwas ohne Urfache fein könne; aber wo liegt denn diefe Nothwendigkeit? Wiederum in uns, bei völliger Unmög- lichkeit, aus und heraus zu gehen. — Es Liegt mir wahrlich wenig daran, ob man biefes Idealismus nennen will; auf ben Namen kommt nidts an. Es ift wenigftend ein Idealismus, der burch Idealismus anerkennt,’ daß e8.Dinge außer ihm gebe, und daß Alles feine Urfache habe. Was will man weiter? Es gibt ja Feine andere Wiffenfhaft für den Menfchen, wenigftens für den philofophifchen. Im gemeinen Leben beruhigt man fid mit Recht auf einer niebrigern Station; aber ich glaube nad völliger Überzeugung: man muß entweder von biefen Gegen» ftänden mit aller Philofophie völlig wegbleiben, ober fo philo: fophiren. Nach bdiefer Vorſtellung fieht man leicht, wie recht Hr. Kant bat, Raum und Zeit für bloße Formen ber Ans ſchauung zu halten. Es ift nicht anders möglich.
Sollte nicht manches von dem, was Hr. Kant lehrt, zu- mal in Rüdfiht auf das Sittengeſetz, Folge bed Alters fein, wo Seidenfchaften und Meinungen ihre Kraft verloren haben, und Vernunft allein übrig bleibt? — Wenn das menfdliche Geflecht in feiner vollen Kraft, etwa mit dem 40ften Jahre, ftürbe, was für Folgen würde dieſes auf die Welt haben! Aus ber Berbindung der ruhigen Weisheit des Alters entfieht viel
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Sonderbares. Ob es nicht noch einmal einen Staat geben wird, wo man alle Menſchen im Adften Jahre fchlachtet ?
Hrn. Kant gebührt gewiß das nicht geringe Verdienſt, in ber Phyſiologie unſers Gemüths aufgeräumt zu haben. Aber diefe nähere Kenntniß ber Musfeln und Nerven wird uns weder beffere Klavierfpieler, noch beffere Tänzer geben. Mir fommt e8 auch zuweilen vor, als wenn er fi) durch den Beifall, ben feine Kritif ber reinen Vernunft erhalten bat, nachher zu meit bätte führen lafjen.
Was heißt mit Kantifhem Geift denfen? Ich glaube, es beißt, bie Verhältniffe unfers Wefens, es fei nun was es wolle, gegen bie Dinge, bie wir außer und nennen, ausfin⸗ dig maden; das beißt, ‘die Verhältniffe des Subjectiven gegen das Objective beflimmen. Dieſes ift freilid immer ber Imed aller gründlichen Naturforfcher gewefen, allein bie Frage ift, ob fie e8 je fo wahrhaft philofophifce angefangen haben, als Hr. Kant. Man hat das, was doch ſchon fubjectiv ift und fein muß, für objectiv gehalten.
Sollte e8 denn fo ganz ausgemadt fein, daß unfere Ver: nunft von bem Überfinnlichen gar nichts wiffen könne? Sollte nicht ber Menjch feine Ideen von Gott eben fo zweckmäßig weben können, wie die Spinne ihr Neg zum Fliegenfang? Oder mit andern Worten: follte eö'nicht Wefen geben, die uns
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wegen unferer Ideen von Gott und Unfterblichkeit eben fo bes wundern, wie wife die Epinne und den Eeidenwurm?
Iſt denn wohl unfer Begriff von Gott etwas Anderes als yerfonificirte Unbegreiflichkeit ?
Alles beim Menfchen auf einfadhe Principien zurüdbringen mollen, beißt doch am Ende, dünft mich, vorausfegen, daß es ein folches Principium geben müffe, und mie beweift man das?
Hr. Fichte feheint nicht zu bedenken, baß es Leute gibt, tieunmöglidy ohne Hohlglas fehen, ohne Hörrohr hören und ohne Krüde gehen können. Er follte auch nur noch lehren, rohes Fleiſch zu efien, weil bie Thiere bes Feldes eine Garküche haben.
Es ift ein Satz, über welchen ich mich fogar zuweilen mit meinem Sohn unterhalte, daß, vorzüglich bei dem mathemati« fihen Genie, bie frühe Reife ber langen Dauer nicht nachtheilig it. Die Sade ift auch, wie mich dünkt, nicht ſchwer einzufes ben. Wenn Verftändlichfeit, und zwar unwiderſprechliche, für den Geift ift, was bei dem Magen Verbaulichkeit heißt, fo ift c8 auch Fein Wunder, zumal wo jene Nahrung gar feine Ems pirie vorausſetzt. Ich glaube, der Menfh würde ewig leben, wenn auch ber Leib das zu allen Zeiten mit efjen Fönnte *).
*) Diefes ſchrieb der Verfaffer wenige Tage vor feinem Tobe an Käftnern.
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Der Naturlehre ift, für mid wenigftens, eine Art von sinking fond (Xilgungsfond) für die Religion, wenn die vor: mwigige Vernunft Schulden mad.
Nachtrag zu den Bemerkungen vermifchten Inhalts.
Was man feine Menfchenkenntniß nennt, ift meiftens nichts als Reflerion, Zurüdftrahlung eigener Schwachheiten von Anderen.
Ih entfchuldige immer das Theorifiren, es ift ein Trieb der Seele, der nügen kann, fobald wir einmal hinreichende Er⸗ fahrung haben. So fünnten alle unfere jekigen theorifirenden TIhorheiten Triebe fein, bie erft fünftig ihre Anwendung finden.
Die vernünftigen SFreigeifter find Teichte fliegende Corps, immer voraus und die die Gegenden recognofriren, mohin das gravitätifche gefchloffene Sorpe der Orthodoxen am Ende doch auch Fommt.
‚Vorfiellungen find auch ein Leben und eine Welt.
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Zweifel muß nichts weiter fein ald Wachſamkeit, fonft kann er gefährlich werben.
Saden, die man mit dem Cirkel getheilt hat, unterwirft man doh auch noch dem Augenmaaß, um zu fehben, ob man nicht grobe Fehler begangen. So muß man das Refultat feiner Schlüffe der Probe des gefunden Menfchenverftandes ausfegen, um zu fehen, ob Alles richtig zufammenhängt.
So wie das höchſte Recht das höchſte Unrecht ift, fo ift auch umgekehrt nicht felten das höchſte Unrecht das höchfte Recht.
In allen Wiffenfhaften kann ed nügfich fein, Fälle zu ſup⸗ poniren, die nicht, fo viel wir wiffen, in ber Natur flattfinden, fo wie die Mathematiker andere Gefeße ber Schwere. Es ift immer eine Übung und kann zuweilen auf Bemerkungen führen.
Ich wollte, daß ich mich Alles entmöhnen Pünnte, daß ich von neuem fehen, von neuem hören, von neuem fühlen Fünnte. Die Gewohnheit verdirbt unfere Philofophie.
Man Fannn auf fo vielerlei Weife Gutes thun, als man füns digen kann, nemlich mit Oedanfen, Worten und Werfen.
Wo damals die Grenzen der Wiffenfchaft waren, ba ift jebt (* Mitte.
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Die gefährlichften Unmwahrheiten find Wahrheiten mäßig enteit,
Wenn uns ein Engel einmal aus feiner Philofophie erzählte, ich glaube, e8 müßten wohl mandye Säge fo Füngen wie 2 mal 2 ift 13.
Die Natur hat den Thieren Einfiht genug gegeben, für ihre Erhaltung zu forgen. Sie wiſſen fi) alle fehr gut zu helfen, wenn ed auf diefen wichtigen Artifel anfommt. Den Menfchen bat fie fogar, bat fie faft inftinetmäßig gegen die Furcht vor or /p) dem Tode gewaffnet durch Glauben an Unfterblichkeit..
Wir find fo eingerichtet, daß wir wohl felten gültige Rich⸗ ter bdeffen fein werden, was uns nüßlich ift. In diefem Leben ift diefes der Fall, wer will uns gut bafür fein, daß e8 in Rück⸗ fiht auf Fünftiges Leben nicht eben fo iſt? Wen Gott lieb hat, den züchtigt er. Wie wenn es nun hieße: wen Gott lieb hat, ben vernichtet er ?
Die Dinge außer uns find nichts Anderes, als wir fie ſehen, für uns wenigftens nicht, denn wir können bloß Relationen bes merfen, weil bie beobadhtende Subſtanz ja beſtändig in das Mittel tritt. Gott ſelbſt ſieht in den Dingen nur ſich.
über den 1 Betibei, welchen bie Lefung- Schlechter Büder a
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währt: Lönnte zu jegigen Zeiten eine fehr nützliche Lertüre wer: den. Dan Pönnte aus ihnen audy Denkmäler in papier mache maden. Ob überhaupt nicht das siehe | in der Welt nügli« her iſt als das Gute?
Darin, daß man große Krieger bewundert, liegt etwas Na: türliches, fo wie in ber Eroberungsſucht. Das Erfte correfponbirt mit Schönheit und Leibeöftärke, das Andere mit Wohlſtand. GE wirb daher auch nie aus ber Welt binausphilofophirt werben können.
Durch das planlofe Umberftreifen, durch bie planlofen Streif- züge der Phantafie wird nicht felten das Wild aufgejagt, das bie planvolle Philoſophie in ihrer wohlgeordneten Haushaltung gebrauchen kann.
Es iſt ſonderbar, daß nur außerordentliche Menſchen die Entdeckungen machen, die nachher fo leicht und ſũnpel ſcheinen. Dieſes ſetzt voraus, daß, bie ſimpelſten aber wahren Berhält- niffe der Dinge zu bemerken, fehr tiefe Kenntniffe nöthig find.
Aufklärung in allen Ständen befteht eigentlich in richtigen Begriffen von unfern wefentlihen Bebürfniffen.
Eine Wirkung völlig zu hindern, dazu gehört eine Kraft, bie der Urfache von jener gleich ift, aber ihr eine andere Rich: tung zu geben, bebarf es öfters nur einer Kleinigkeit.
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Wir nehmen Dinge wahr vernöge unferer Sinnlichkeit. Aber was wir wahrnehmen, find nicht die Dinge ſelbſt. Das Auge Schafft das Licht und das Ohr die Töne. Sie find außer uns nichts. Wir leihen ihnen biefes.. Eben fo iſt es mit bem Raum und der Zeit. Auch wenn wir bie Eriftenz Gottes nicht fühlten, beweifen fünnen wir fie nicht. Alle diefe Dinge führen auf eins hinaus. Es ift aber nicht möglid, ſich hiervon ohne tiefes Denken zu Überzeugen. Man kann Kantifche Philofophie in gewiffen Jahren, glaube ich, eben fo wenig lernen als dad Seiltanzen.
Die Gultur der Seelen, wozu auch das Brannteweintrinken mit gehört, hat viele Spuren ausgelöfcht, dereinft zu finden, was ber Menfch urfprünglid war und fein follte.
Wir müffen glauben, daß Alles eine Urſache habe, fo wie die Spinne ihr Netz fpinnt, um Fliegen zu fangen. Sie thut biefes, ehe fie weiß, daß es liegen in der Welt gibt.
Das eigentlich Chriftlihe in unferer Religion ift die Seele aller Religion, das Übrige ift Körper. Vom fhönften Grie: hen bi8 zum Neger ift Alles Menſchen⸗Race.
Es gibt Wahrheiten, die fo ziemlich herausgeputzt einherges ben, daß man fie für Lügen balten follte, und die nichts deſto weniger reine Wahrheiten find.
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In ber Vernunft iſt ber Menſch, in den Leibenfchaften Bott. Ich glaube, Pope bat fchon fo etwas gefagt.
Iſt es nicht fonderbar, daß der Glaube ſtärker werben kann als die Bernunft? Und ift es nicht bie Frage, weldes von beiden mehr Recht auf die Leitung unferer Handlungen hat, ba fie biefelben glei) ſtark leiten, wo fie zu berrfchen anfangen ?
Mit dem Fortfchreiten der Menfchheit zu größerer Vollkom⸗ menbeit fiebt es traurig aus, wenn man bie Analogie alles deſſen, was lebt, zu Rathe zieht.
Die neuen Erfindungen in der Philoſophie find faſt lauter Erfindungen neuer Irrthümer.
Sollte wohl die Vernunft, oder vielleicht beffer der Ver⸗ fland, wenn er auf Endurſachen geräth, beffer daran fein, ale wenn er auf ein Dictat des Herzens gerät? Es ift ja noch eine große Frage, wodurch mir am ftärfften mit der uns ums gebenden Welt verbunden find, von Seiten des Herzens ober der Vernunft ?
Geftern regnete e8 ben ganzen Tag und heute ſchien bie Sonne den ganzen Tag. Wie viele Begebenheiten meines Le⸗ bens würben eine andere Richtung genommen haben, wenn es beute geregnet und geftern die Sonne gefchienen hätte? Der
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Winter von 1794 auf 1795 war fürchterlich” fireng, ber von 1795 auf 96 fehr gelinde. Was für Weltbegebenheiten würden, - eine andere Richtung genommen haben, wenn die Ordnung umge kehrt geweien wäre? Sicherlich hätten: die Franzoſen Holland nicht erobert. Dergleichen Betrachtungen können Tepe weit füpren.
Daß fo Mancher die Wahrheit ſutht und nicht findet, rührt wohl daher, daß die Wege zur Wahrheit, wie bie in ben No- gaifhen Steppen, von einem Orte zum andern eben fo breit wie lang find. .
Die reine Philofophie pflegt (und faun: e8 nicht vermeiben) noch immer unvermerft ber Ziebe mit ber — unreinen. Unb fo wirb e8 gehen bis an das Enbe ber Zeit.
Gine felavifche Handlung ift nicht immer bie Yanblung ei: nes Sclaven.
Die Vernunft fieht jest über das Neich der bunfeln-nber warmen Gefühle juft fo hervor wie die. Alpen; Gpikan über bie Wolken. Sie fehen die Sonne reiner und beutliher, aber fe im kalt und unfruchtbat Sie brüſtet ſich mit ihrer oe
Was die wahre Sreibeit unb ben wahren Gebrauch —* ben am deutlichſten charakterifirt, iſt der Mißbrauch derſelben.
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r ” 2. Pſychologiſche Bemerkungen.
Bergangener Schmerz ift in ber Erinnerung angenehm, vers gangened Vergnügen auch, Lünftiged Vergnügen wieder, auch gegenmwärtiges. Alfo iſts nur ber zukünftige und gegenwärtige Schmerz, was uns quälet — ein merkliches Übergewicht von Seiten ded Bergnügens in ber Welt, das noch daburch vermehrt wird, daß wir uns beftänbig Vergnügen zu verfchaffen fudhen, deſſen Genug wir in vielen Fällen mit ziemlicher Gemwißheit vorausfehen können, da hingegen ber noch Fünftige Schmerz weit feltner vorausgefagt werden kann. ,
Der witzige Kopf und mittelmäßige Denker wirb bei gewiffen Begebenheiten immer auf gefünftelte Erklärungen verfallen, auf die Niemand gerathen kann, als er, weil er ohne Plan und ohne Abficht denkt; hingegen wird der verfländige Mann immer nahe und fimple Urfachen angeben. Diefes ift nicht zu vergeffen, wenn ein foldhes Paar (im Roman) aufgeführt werben fol. Dem erftern find weithergeholte und feiner Meinung nad fub- tile Erklärungen eben fo natürlich, als feine witigen Gedanken und epigrammatifcdhen Perioden.
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„Ss gibt hundert Wibige gegen einen ,- ber Berftand bat’ — ift ein wahrer Sap, womit fi) mancher wislofe Dummkop beruhigt, ber bedenken follte — wenn das nit zu viel vor einem Dummkopf gefordert beißt — daß es wieder hundert Leute, bie weder Wit noch Verſtand haben, gegen einen gebe, der Witz bat.
Was geht ed dich an, was der Grund jener guten That bei biefem Manne gewefen fein mag? War audh nicht Neid bie Quelle derfelben, fo kann es doch bad Vergnügen, beneibet zu werden, gemwefen fein — alfo, nicht ber eigene Neid, fondern der Neid Anderer. |
Glaubt ihr etwa, eure Überzeugung babe ihre Stärfe ben Argumenten zu danken? Ihr irrt fiherlid, fonft müßte Jeder, der fie hört, überzeugt werden, fo gut als ihr. Boltaire ift verblendet, fagen die Theologen; und er jagt: ihr feid verblendet. Da fie aber nicht gerichtlich darthun können, daß fie mehr Ber: nunft haben, als er, und er mehr Weltfenntnig und Philofophie befigt, als fie, fo ift noch ein Übergewicht auf feiner Seite. Man kann fo gut für ald wider einen Sag verblendet fein. Gründe find meiftentheild nur Ausführungen von Anfprüchen, wodurch man etwas, das man in jedem Fall doch gethan haben würbe, zu vertheidigen und ihm einen Anſtrich von Rechtmäßige feit und Vernunftmäßigkeit zu geben ſucht. Es fcheint, bie Natur babe eine fo nöthige Sache, als ihr die Überzeugung
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beim Menfchen war, nicht gern auf Vernunftfhlüffe allein an⸗ gen laffen wollen, indem dieſe leicht betrügfich fein können. Mer Trieb kommt uns, dem Himmel fei e8 gedankt! oft. [don über den Hals, wenn wir mit den Beweis ber Riglipkeit i und
Nöthigkeit noch nicht zur Hälfte fertig find.
Wenn jemand etwas fehr gerne thut, fo bat er faft immer etwas in ber Sache, was die Sade nicht felbft iſt. Diefes ift eine Bemerkung, bie eine tieffinnigere Unterfuchung durch den nüglichften Erfolg belohnen würbe.
Wer ſich nicht auf Mienen verfteht, ift immer graufamer ober gröber, als andere Leute; deßwegen kann man auch gegen Fleine Thiere eher graufam fein.
Ich fagte bei mir felbfi: das fann ih unmöglich glauben, und während dem Sagen merkte ich, daß ichs ſchon zum zweitenmal geglaubt hatte.
Plato ſagt, das poetiſche Genie werde durch die Harmonie und bie Versart rege gemacht, und dieſes ſetze den Dichter in den Stand, ohne Überlegung feine Gedichte zu verfertigen. Plato, thou reason’st well — ein jeder wird biefes bei ſich verfpürt haben, wenn er mit Feuer DBerfe gemacht hat. Vielleicht könn⸗ ten wir durch ähnliche Kunftgriffe unfere übrigen Fähigkeiten eben ſo in Bewegung fegen, hauptſächlich aud die Ausübung
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ber Tugend dadurch befördern. Cine große Yertigfeit im Divi⸗ diren, und zwar nad) ber Methobe, die man Über ſich divi diren nennt, bie ich bei jemand bemerkte, brachte mir —*82 Luft zur Kechenkunſt bei; ich dividirte mehr ber eiförmigen Ger ftalt der Rechnung wegen, als aus einer andern Abfiht. Ich babe ein paar junge Mathematifer gekannt (die in ber Folge ihre Ramen berühmt gemacht haben), die ein Bergnügen darin fanden, die Worte Caleul und Pues in dem Calcul auszu⸗ fpreden, daß ich nicht zmweifle, daß Pleine Rebenergöglichkeiten, die fie in dergleichen Vorftelungen fanden, Ihren Zleiß munter erhalten haben.
Wir finden nur alddann Vergnügen, wo mir Abfidht be merken; wenigftens ift das ber Fall bei den Gegenftänden bes Auges und des Obres: ber Flügel eines Schmetterlings gefiel und anfangs wegen ber regelmäßigen Farben; bald wurden wir bieß gewohnt, und nun gefällt er und wieber, wern wir feben, baß er aus Federn befteht. So gefällt uns ber Quarz mehr als der unförmliche Sandften. Wir müffen daher das Regel: mäßige und Bmedmäßige in. den Dingen aufſuchen, um uns
Vergnügen zu erwecken.
Was iſt es, das da macht, daß wir uns zuweilen eines geheimen Kummers ſtandhaft entſchlagen können, indem bie Vorſtellung, daß wir unter dem Schutz einer höchſt gütigen Vorſicht ſtehen, uns aufrecht erhält, — und daß wir dennoch in
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der nächften halben Stunde biefem nämlichen Kummer beinahe — Mit mir iſt es wenigſtens ſo, ohne daß ich ſagen könnte, daß ich bei der zweiten Vorſtellung meinen Kummer von einer neuen Seite betrachte, andere Relationen einſehe, und dergleichen — nichts weniger. Fände dieſes Statt, fo würde ich dieſe Anmerkung nicht einmal niedergeſchrieben haben. Ich glaube vielmehr, daß die moraliſche Empfindlichkeit im Men⸗
ſchen zu unterſchiedenen Seiten verſchieden iſt, des Morgens ſtärker als des Abends.
Wenn man ein altes Wort gebraucht, ſo geht es oft in dem Canal nach dem Verſtande, den das ABCbuch gegraben
bat; eine Metapher hingegen macht ſich einen neuen, und ſchlägt oft gerade durch.
Was mag wohl bie Urfadhe fein, daß unangenehme Ge banken uns bes Morgens, wenn wir erwachen, viel lebhafter plagen, al8 einige Zeit nachher, wenn wir wiſſen, baß Alles wacht, oder auch wenn man aufgeftanden ift, oder mitten am Tage, ober bes Abends, wenn man fih zu Bette legt? Sch babe davon vielfältige Erfahrung gehabt: ich bin des Abends ganz beruhigt über gewiffe Dinge zu Bett gegangen, über bie ich gegen 4 Uhr des Morgens wieder fehr befümmert gewefen bin, To daß ich oft einige Stunden wachte unb mich herum:
warf; um 9 Uhr, ober auch fhon früher war ſchon Gleichgül⸗ tigkeit oder Hoffnung wieder ba.
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Warum bie Menfchen fo wenig behalten können, was fie lefen, davon ift der Grund, daß fie fo wenig felbft denken a Wenn jemand das, was Andere gefagt haben, gut zu wieder bolen weiß, fo bat er gewiß felbft viel nachgedacht; es fei denn, daß fein Kopf ein bloßer Schrittzähler wäre, und ber: gleichen find manche Köpfe, bie des Gebächtniffes wegen Auf: fehen machen.
Ich empfehle Träume nochmals. Wir leben und empfinden fo gut im Iraum, als im Wachen, und das Eine madıt fo gut als das Andere einen Theil unferer Eriftenz aus. Es gehört unter die Vorzüge des Menfchen, baß er träumt und ed weiß. Man bat fchwerlich noch den rechten Gebrauch davon gemacht. Der Traum ift ein Leben, das, mit unferm übrigen zufammengefekt, das wird, was wir menfchliches Leben nennen. Die Träume verlieren fih in unfer Wachen allmälig herein, und man fann nicht fagen, wo das Eine anfängt und bad Andere aufhört.
Es gibt wenig Menfhen, die nicht mande Dinge glauben ſollten, die fie bei genauerer Überlegung nicht verfiehen würden. Sie thun es bloß auf das Wort mandher Leute, ober denken, daß ihnen die Hülfsfenntniffe fehlen, mit deren Erlangung alle Zweifel würden gehoben werben. &o ift es möglih, daß ein Satz allgemein geglaubt werden kann, deſſen Wahrheit noch kein Menſch geprüft hat.
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Da wir uns im Traume felbft fehen, fommt daher, daß
#*wir uns oft im Spiegel fehen, ohne daran zu denken, daß es
im Spiegel if. Es ift aber im Iraume die Vorſtellung leb⸗ bafter und das Bewußtfein unb Denken geringer.
Mertwürbig war es, baß, als id in ber Naht vom 23. auf ben 24. October fo viel von Paul Jones träumte, ich ihn unter zwei verfchiedenen Geftalten fah. Einmal, ba er ausfahb wie der Schinder von & ..., und einmal, wie ein großer, ftarfer holländiſcher Schiffer. Diefe Träume haben mir allerlei Ideen, bie in meiner Seele fchliefen, entwidelt. Die Unerfchrodenheit hatte ich von dem Schinder geborgt, ber eine der roheften und verwegenften Phyfiognomieen bat, bie ich Penne. Es ift ein merkwürdiger Zuftand ber Seele, dba man filh einen Mann unter zweien oder auch mehreren vorftellt, je nachdem fih Bilder mit den Eigenfchaften aſſociirt haben.
Es gibt viele Bemerkungen, bie man fidh öfters aus falfcher Philvfophie befannt zu machen fhämt, fo wie man aud, wenn man Engliſch ober Franzöſiſch lernt, aus falſcher Scham mande Töne nit nachſpricht, ob man e8 gleich könnte. Ich lag eine mal in meiner Jugend bes Abends um 11 Uhr im Bette unb wachte ganz helle, denn ich hatte mich eben erft niedergelegt. Auf einmal wandelte mid) eine Angft wegen Feuer an, bie ich kaum bänbdigen Eonnte, und mich bünfte, ich fühlte eine immer zunehmende Wärme an den Füßen, mie von einem nahen Feuer.
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In dem Augenblide fing die Sturmglode an zu ſchlagen, und
es brannte, aber nicht in meiner Stube, fondern in einem ziem= ,
li entfernten Haufe. Diefe Bemerkung babe ich, fo viel ich mich jest erinnern kann, nie erzählt, weil ich mir nicht bie Mühe geben wollte, fie durch Verfiherungen gegen das Lächers liche, da8 fie an ſich zu haben ſcheint, und mich gegen bie phi⸗ Iofophifche Herabfehung mander d ber Gegenmwärtigen au ſchützen.
Es gibt einen zuſtand, der wenigſtens bei mir nicht ſehr ſelten iſt, da man die Gegenwart und Abweſenheit einer gelieb⸗ ten Perſon gleich wenig ertragen kann; wenigſtens bei ber Ger genwart nicht das Vergnügen findet, welches man, aus ber Un: erträglichkeit der Abmeſenheit zu ſchließen, von ihr erwarten ſollte.
Die determinirteſten Philoſophen find zuweilen abergläubiſch, und halten etwas auf das Ominöſe.
Sonderbar iſt die allmählige Entwickelung des Künftigen, welche die Spieler der plötzlichen Enthüllung vorziehen. Bei Hazardſpielen, wobei umgeſchlagen wird, betrachten ſie die Karte, die ſie frei anſehen dürften, lieber erſt gegen ein ſchwaches Licht von hinten. Selbſt Kinder thun dieß.
Jemand geht lange unentſchloſſen in ſeiner Stube auf und
ab; auf einmal findet er eine hölzerne Walze, auf. der er Kupfer⸗
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fliche erhalten hatte, und biefer Prügel gibt feinem Geift Stärfe, und er entfchließt fih. Vielleicht hielt er es für einen Marfchalle« ftab, ohne es deutlich zu denken.
Aus der Narrheit der Menfchen in Beblam müßte fi) mehr ſchließen laſſen, was ber Menfch ift, als man bisher gethan bat. Wenn uns von einer Gefellfhaft von Leuten träumt, wie fehr in ihrem Charakter laffen wir fie nicht reden! warum ges lingt uns das nicht eben fo, wenn wir fehreiben ?
Vieles Leſen macht ſtolz und pebantifch; viel fehen macht weiſe, verträglich und nützlich. Der Lefer baut eine einzige Idee zu fehr aus; der Andere (dev Weltfeher) nimmt von allen Stän« den etwas an, mobdellirt fi nad) allen, fieht, wie wenig man fih in ber Welt um ben abftracten Gelehrten befümmert, und wird ein Weltbürger.
In ältern Jahren nichts mehr lernen können, hängt mit dem in ältern Jahren fi nicht mehr befehlen laſſen wollen zu⸗ fammen, und zwar fehr genau.
Ich hatte Gelegenheit, öfters einen Betteljungen zu ſehen, der durch Gefichterfchneiden und allerlei Geberden Lahen zu ers - weden fuchte Diefes war mir fo unerträglid, daß ich das Ge⸗ fiht des Jungen, auch felbft in der Ruhe, anfing abfcheulich zu
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finden, und ben Knaben im eigentlihen Berftanbe zu haſſen, weil er fi) gar nicht wollte wehren lafjen. Eines Tages aber, dba ein fehr fchönes und gutes Kind, ein Mädchen von vier Jah⸗ ren, ſehr herzlich und doch mit einem gewiffen Anftand über bes Knaben Poffen lachte, machte bieß einen fo angenchmen Ein: brud auf mich, daß ich nun felbft des Knabens Gefichter erträg-* lih fand, und zwar nicht bloß aus ber zweiten Hand, wie man denken follte, fondern wirklich in ſich ſelbſt. Ich lächelte nicht in meinem eigenen, fonbern in bes Kindes Namen barüber; Auch babe ich bei andern Gelegenheiten bemerkt, daß man über gewiffe unfchäbliche Ungezogenheiten fi) erfi ärgern muß, um fie hernach erträglich zu finden. Ich verftehe mich bier recht gut, und erfläre die Sache weiter nicht.
Es iſt gar nicht abzufehen, wie weit fi) Anthropomorphis« mus erfireden kann, das Wort in feinem größten Umfange ge nommen. Es rächen ſich Leute an einem Todten; Gebeine wer: den ausgegraben und verunehrt; man bat Mitleiden mit leblofen Dingen — fo beffagte Jemand eine Hausuhr, wenn fie einmal in der Kälte ſtehen blieb. Diefes Übertragen unferer Empfindungen auf Andere berrfeht überall, unter fo mannicdhfaltiger Geftalt, daß es nicht immer leicht ift, e8 zu unterfcheiden. Wielleicht ift das ganze Pronomen der andere folden Urfprungs.
Worin mag ber Grund ber fonderbaren Erfcheinung liegen, die ich fo _oft bemerft habe, daß man mit Jemanden ia Krumr
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bon einem Dritten fpriht, und wenn man erwadt, findet, baß ber vermeinte Dritte gerabe ber Mann war, mit bem man aud) gefprodhen bat? Iſt es vielleicht bloße Form bed Erwachens, oder worin liegt der Grund?
Da man im Traume ſo oft feine eigenen Einmürfe für bie eines Anbern hält, z. B. wenn man mit Jemanben bisputirt, fo wundertd mich nur, baß biefes nicht öfters im Wachen gea fhieht. Der Zuftand des Wachens fcheint alfo hauptſächlich barin zu liegen, daß man das in uns und außer uns ſcharf und conventionsmäßig unterfcheidet.
Warum kann man fi ben Schlaf nicht abgemöhnen? Man follte denken, ba die wicdhtigften Verrihtungen bed Lebens unun⸗ terbrochen fortgehen, und die Werkzeuge, wodurch fie gefchehen, nie ruben und fehlafen, wie das Herz, die Eingeweide, bie lym⸗ pbatifchen Gefäße; fo wäre e8 auch nicht nöthig, daB man über: baupt fchlafe. Alſo Die Werkzeuge, welche die Seele als ſolche am meiften zu ihren Berrichtungen nöthig hat, werden in ihrer Thätigkeit unterbroden. Ich möchte wol wiffen, ob der Schlaf je in dieſer Rüdficht betrachtet worden if. Warum fchläft der Menſch? Der Schlaf feheint mir mehr ein Ausruben der Ge- banfenwerkzeuge zu fein. Wenn ein Menſch fi) körperlich gar nicht angriffe, fondern nur nad feiner größten Gemächlichkeit feinen Gefchäften folgte, fo miürde er doch am Ende ſchläfrig werden. Diefes ift wenigftens ein offenbares Zeichen, daß beim
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Wachen mehr ausgegeben, ald eingenommen wird; und biefer überfhuß läßt ſich, wie alle Erfahrung lehrt, im Wachen nicht erfegen. Was ift daB? Was ift der Menfh im Schlaf? Gr ift eine bloße Pflanze; und aljo muß das Meifterflüd ber Schö⸗ pfung zumeilen eine Pflanze werden, um einige Stunden am Tage das Meifterfiüd der Schöpfung repräfentiren zu können. Hat wohl Jemand den Schlaf als einen Buftandb betrachtet, ber uns mit ben Pflanzen verbindet? Die Gefchichte enthält nur Ere zählungen von wachenden Menſchen; follten bie von fehlafenden minder wichtig fein? Der Menſch thut freilich alsdann wenig, aber gerade da hätte der wachende Pfychologe am meiften zu thun. Die Nerven fpigen fi) gegen das Ende zu, und machen dad aus, was wir finnlihe Werkzeuge nennen. Es find bie Enden, bie nach außen ftehen, und die Eindrücke der Welt em» fangen. Diefe find vermuthlih ohne unfer Wiffen befchäftigt; und befiändig wach. 8 gibt alfo bei dem Menfchen, von ber Spige der Nervenfafern an nach innen zu gerechnet, eine Schicht, die beftändig in Arbeit ift, und vermuthlich, während fie in Arbeit ift, ber Seele Begriffe zuzuführen, nicht auch in Arbeit fein kann, fich felbft zu erhalten und das Verlorne zu erfeßen. Diefe Theile ruhen alfo in bem Beitraume bed Erſatzes. Wir: feinen nur zu fühlen, wenn wir wirfen, nicht wenn wir für die Wirkung fammeln. Was wir dann empfinden, iſt viel leicht bloß Empfinden bes Wohlbefindens. . E8 wird nicht zu Ge⸗ banken, es ift bloß Gefühl von Stärke, oder. doch Gemächlichkeit. Unfere ganze Gefchichte ift bloß Gefchichte. des wachenden
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Menſchen; an bie Gefchichte des ſchlafenden bat noch Niemand gedacht. Die Gebanfenwerkzeuge feheinen am leichteften zu er« müben zu fein; es find bie feinften Spiken. Daher denkt ber Menfh im gefunden Schlaf gar nicht. Ich wiederhole es nod) einmal: Gebraud und Erfaß feheinen einander in den feinften Spitzen entgegen zu wirken; wo Grfag der Nerven bereitet wirb, findet Feine Empfindung Statt. Diejenigen Theile, bie mehr nad innen liegen, find bloß zur Erhaltung, nicht zum Empfan⸗ gen und zur Gegenwirkung. &o ließe fi) bie Nothwendigkeit eines Schlafed a priori bemonftriven. eine Xheile, bie durch gröbere erfegt werben müflen , fönnen ihren Dienft nicht leiften, während fie in -Ausbefferung begriffen find.
Mit erftaunendem Vergnügen fand ih in Hrn. Lavaters Ausfihten in die Ewigkeit, Th. J. &. 143 folg., daß er von- dem Schlaf Ähnliche Empfindungen mit mir bat. Ich babe Jahre lang vorher, ehe dieſes Buch erfhien, Herrn 2...g bie Eröffnung gethan; ja als ih noch auf Schulen war, babe ich meinem Freunde E...n ſchon etwas davon gejagt, aber nie gehört, daß einer ober der andere von ihnen etwas Ahnliches empfunden hätte. Meine Betrachtungen in biefem Buftanbe gehen gemeiniglich auf ben Tod oder die Seele überhaupt, und auf das, mad Empfindung ift, und endigen fih in einer Be wunderung ber Einrihtung bed Menfhen. Alles ift mehr Ges fühl als Reflerion, und unbefchreiblich.
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Hat wohl Jemand je von Gerüchen geträumt, mozu feine Beranlafjung äußerlid da war? ich meine 3. B. von Roſen⸗ geruch zu einer Zeit, wo keine Rofen oder Rofenwaffer in ber Nähe waren. Bon Mufit ift ed gewiß, und vom Licht auch; aber Empfindungen von Schmerz im Traum haben gemeiniglich eine äußere Veranlaſſung. Vom Geruch bin ich ungewiß.
Träume führen uns oft auf Umftände und in Begebenheiten hinein, in die wir im Wachen nicht leicht vermwidelt werben können; oder fie laſſen uns unbequemlichkeiten fühlen, die wir vielleicht als klein in der Ferne verachtet hätten, in die wir aber vielleicht mit ber Zeit verwickelt worden wären. Ein Traum kann daher oft unſern Entſchluß ändern, und unſern moraliſchen Fond mehr ſichern, als alle Lehren, die durch einen Umweg ins Herz kommen.
Nachtrag zu den pſychologiſchen Bemerkungen.
Um uns ein Glück, das uns gleichgültig ſcheint, recht fühlbar zu machen, müſſen wir immer denken, daß es verloren gegangen und daß wir es dieſen Augenblick wieder erhielten. Es gehört aber etwas Erfahrung in allerlei Leiden dazu, um dieſen Verſuch glücklich anzuſtellen.
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Kopf und Füße, fo weit fie auch im phyſiſchen Berfiande von einander entfernt liegen, fo nahe liegen fie ſich doch im moralifchen und pfocdhologifhen. Freude und Traurigkeit zeigen fi) kaum fobald an der Rafe, die doch ber Seele fo nahe liegt, als in den Füßen. Ic kann diefes täglich von meinem Fenſter aus bemerken, wo ich beutlih an den Züßen der Studenten fehe, ob fie aus einem Collegio kommen, oder in eines zu geben Willens find, Jenes an der platt auffallenden Sohle, bie ben Qunger der regierenden Seele verräth, Diefes an bem ſchmach⸗ tenden Schritte, wo Abſatz und Zehen etwas langfamer nady einander aufjuliegen kommen, der allemal ein Zeichen ber Burg vorhergegangenen Sättigung ift. Bei den Studenten, wo id) nicht8 dergleichen bemerken konnte, fand ich nachher faft intmer, daß fie zugleich in ein Collegium gegangen und aus einem ge fommen waren. u
Menſchen, die fih auf bie Beobachtung ihrer felbit gut verftehen und fih damit heimli groß wiffen, freuen ſich oft über die Entdedung eigner Schwachheit, wo die Entdedung fie betrüben ſollte. So fehr viel mehr gilt bei Manchen ber Pros feffor als der Menfch.
Wie leiht Eigenliebe, ohne daß wir es merken, bie Trieb: feber mander, uns von berfelben ganz independent fcheinenden, Handlımg fein kann, können wir barauß fehen, daß Leute das Geld lieben können als Geld, obgleich fie nie Gebrauch davon machen.
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Es ift eine Bemerkung, die ich durch vielfältige Erfahrung - beftätigt gefunden babe, daß unter Gelehrten diejenigen faft allezeit die verftändigften find, die nebenher mit einer Kunft fidh befchäftigen, oder, wie man im Plattbeutfchen fagt, Plütern. -
Was die Spannung ber Triebfedern im uns am meiften hemmt, ift, andere Leute im Beſitz des Ruhms zu fehen, von "deren Unmwürdigkeit man überzeugt ift.
Wenn ich fage: halte beine Zähne rein und fpüle bir ben Mund alle Morgen aus, fo wird das nicht fo leicht gehalten, als wenn ich fage: nimm die beiden Mittelfinger dazu und zwar über Kreuz. Des Menſchen Hang zum n Myſtiſchen. Man nüze ihn.
Die ſichere Überzeugung ‚daß man eönnte, wenn man wollte, iſt Urſache an manches guten Kopfes Unthätigkeit, und das nicht ohne Grund.
Nichts erklärt leſen und ſtudiren beſſer, als eſſen und verdauen. Der philoſophiſche eigentliche Leſer häuft nicht bloß in feinem Gedächtniſſe an, wie der Freſſer im Magen, ba hin⸗ gegen der Gedächtnißkopf mehr einen, vollen Magen, als einen ftarfen gefunden Körper befommt. Bei Jenem wird Alles, was er lieft und brauchbar findet, dem Syſtem und bem innern Körper, wenn ich fo fagen darf, zugeführt, Diefes hierhin und das Andere dorthin, und das Ganze befommt Stärke.
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Es ift ganz gut viel zu leſen, wenn nur nicht unfer Gefühl darüber flumpf würbe und über ber großen SBegierde, immer ohne eigne Unterfuhung mehr zu wifien, enblih in uns ber Prüfungsgeift erftürbe,
Mangel an Kraft fi zu vertheibigen geht bei bem Schwa- hen in Klage über. Man kann diefes an den Kindern fehen, wenn fie von größeren Kindern unrecht behandelt werden, aber der ftille Trotzkopf ift allemal ber Beſte.
Krankheiten der Seele können den Tod nad fich ziehen und das kann Selbſtmord werden.
Wenn einmal eine Schwädhe in ben Nerven fo weit ge biehen ift, daß ein Entfhluß, etwas zu feiner eignen Beſſerung anzufangen, unmöglich wird, fo ift der Menfch verloren.
Ich habe fehr oft Folgendes bemerkt: Je mannichfaltiger die Begebenheiten find, bie fich ereignen, befto gefchwinder ver: ftreihen einem zwar bie Tage, allein deſto länger dünkt einen ‚bie vergangene Zeit, die Summe biefer Tage, bingegen je eins fürmiger die Befhäftigungen, befto länger werden einem bie Tage und befto kürzer die vergangene Zeit oder ihre Summe. Die Erklärung ift nicht fehr ſchwer.
Wenn einem zum Tode Berurtheiften eine Stunde geſchenkt wird, fo iſt fie ein Leben werth.
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Die Naturkundigen ber vorigen Zeit mußten weniger als wir und glaubten ſich fehr nahe am Biele. Wir haben fehr große Schritte darauf zu gethban und finden nun, daß wir noch fehr weit ab find. Bei den vernünftigften Weltweifen nimmt die Überzeugung von ihrer Unwiffenheit zugleich mit ihrem Wache: thum an Erkenntniß zu.
Man kann eben fo gut träumen ohne zu fohlafen, als man fhlafen kann ohne zu träumen.
Wir fehen, ein jeder, nicht bloß einen andern Regenbogen, fondern ein jeder einen andern Gegenfland und einen andern Satz als der Andere.
Was man fucht, ift gewöhnlich in ber lekten Taſche, ift ein vermeintlicher Erfahrungsfag, den man, glaube ih, in allen Ländern und in allen Familien angenommen bat, und doch glaubt ihn niemand im Ernft.
Wer im fich felbft verliebt if, bat wenigftens bei feiner Liebe den Vortheil, daß er nicht viele Nebenbuhler erhalten wird,
. Der Menfch kann gehen, pfeifen, oder auch Hundert zäh⸗ len und noch an etwas Anderes zugleich denken, und, was das Merkwürbigfte ift, ohne von allen dreien etwas zu willen, ba doch Jedes ganz eigne Regeln und Borficht erforkert,
I, N)
130 Ein eingebilbetes Unvermögen kann bei furchtfamen Perſo⸗
nen lange die Rolle eines wirklichen fpielen, in Werten des Kopfs fowohl wie bes Leibes. f
Die Träume können dazu nügen, baß fie das unbefangene Refultat ohne den 8wang, ber oft erfünftelten Überlegung, von unferm ganzen Wefen barftellen. Diefer Gebanfe verdient fehr beherzigt zu werden. = “
So wie man mit ben Kinnlaben nadhhilft, wenn man mit einer fchlechten: Scheere Papier fehneidet, ober wenn man fehr viele Blätter auf einmal ſchneiden will, (id habe dieſes audy an meinem Eleinen Jungen von 5 Jahren bemerkt), fo ‚gibt es ver: muthlich eine Menge Berrichtungen felbft des Geiftes,
Wer eine Scheibe an feine Gartenthür malt, :dem wird gewiß bineingefchoffen. nen
Man kann nicht fiherer zeigen, baß ein gewiſſer Charakter der wahre von einem fei, als wenn man zeigt, daß das Ge- gentheil Jedermann lachen machen würde.
Um vergnügt oder vielmehr luſtig in der Welt zu fein, wird nur erfordert, daß man Alles nur flüchtig anfieht; fo wie man nachdenkender wird, wird man auch ernfthafter,
131 Daß man manchen außerorbentlihen Man, von dem: man gehört Hat, geringer zu finden glaubt, wenn man ihn fiebt, rührt gemeinigli), oder gewiß allemal daher, daß man jekt fiehbt, daß er da8 gewöhnliche Geficht eines Menfchen hat.
Wenn man Iemanden bezahlt, ber nur eine gewiſſe, feharf beftimmte, Summe erwarten und fordern Tann, nichts mehr und nichts weniger, fo bezahlt man ihn, ohne das Gelb in Papier zu wickeln; ift die Summe unbeftimmt, fo bezahlt man im Papier, fi) und dem Einnehmenden alle: Nienenſpraqhe zu erſparen. Es iſt noch mehr hierin.
Es iſt zwar ſehr wahr, daß die meiſten Menſchen, die feiner Liebe fähig find, auch für die Freundſchaft wenig taugen. Man fteht aber doch auch oft das Gegentheil.
Wovon das Herz nicht voll iſt, davon geht der Mund über, babe ich öfters wahr gefunden, als den entgegengefeg: ten a
Es ift der gemeine Fehler aller Leute von wenig Talenten und mehr Belefenheit als Verſtand, daß fie eher auf künſtliche Erklarungen verfallen als auf natürliche.
Das ganze anochengebaude unferer Denkungsart unb un: fer Glaubens wird formirt aus urferen Helden, und Min N
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wahl geht zu einer Beit vor, two wir bie wenigfte Erfahrung und Überlegung haben, und wirft doch am Ende auf unfere Über legung, wo nicht auf die Folgen unferer Erfahrung.
Wer recht nachahmen könnte, ahmt nicht leicht nad). °
Jedes Dorf bat feine Pyramide, den Kirchturm. Aus allen Dorfpyramiden in Deutfchland follten fi) wohl bie ägyp- tifhen bauen laffen. Warum baut man fo in die Höhe? Der Glocken wegen allein gewiß nicht. Es if immer Eitelleit, mit Religion, vielleicht Aberglauben vermifcht, was biefe Pyramiden fhuf fo gut wie die ägyptifchen.
Selbft die Uingewißheit, worin wir uns über gewiſſe Ge genftände befinden, ift zuweilen nüglihd. Die Hoffnung befommt dadurch einen größern Spielraum, und man hält immer dasje⸗ nige für wahr, was unferm Buftande am angemeffenften: ift.
Ih habe einen Müllerknecht gekannt, der niemals die Mütze por mir abnahbm, wenn er nicht einen Efel neben fi) geben hatte. Ih konnte mir das lange nicht erklären. Endlich fand ih, daß er fi) dieſe Gefelfchaft für eine Demütbigung anfah und um Barmherzigkeit bat; er ſchien damit der geringften Ber- gleihung zwiſchen ihm und feinem Gefährten ausweichen zu wollen.
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Benvenuto Gellini macht bie vortrefflihe Bemerkung: „Scha⸗ den macht nicht Plug, weil ber neue ſich immer unter einer vers fhiedenen Form anfündigt.» Diefes kenne ich recht aus eigner Erfahrung.
Was ein bebäcdhtiges, geſetztes Verfahren in allen Vorfällen des Lebens nüglih ift, kann ih mir auch dadurch erläutern. IH kann mir feinen fchredlichern Zufall denken, als wenn mir jemand eines meiner Kinder aus Unvorfichtigkeit erfchöffe, und doch Penne ich mehrere Menfchen, denen idy ohne Mühe vergeben würde, andere, bie ich nie wieder würde vor Augen fehen kön⸗ nen, und noch andere, bie ich auf der Stelle erfchießen könnte und würde, wenn ich ein Gewehr zur Hand hätte.
So wie Affimilation Sylben und Wörter herborbringt, fo können Sylben in nominibus propriis wiederum Farben zu Bil⸗ dern ber Einbildungsfraft und Züge zu Charakteren hergeben. Es ift aller Unterfuchung werth, woher bie Bilder ſtammen, die wir uns von Leuten, von Straßen und Städten u. f. w. formiren, die wir nie gefehen haben. An dem Gefichte, das ich mir vom General Lee gemacht habe, hut das doppelte e mehr Antheil, als alle feine ſchlechten Thaten, die mir zu Obren ge: kommen find.
Bei dem Studio der Mathematik kann wohl nichts flärkern Troft bei Unverftändlichkeiten gewähren, als daß es ſehr viel
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ſchwerer ift, eines Andern meditata zu berfichen ; als ſelbſt zu mebitiren.
Die Allmacht Gottes im Donnerwetter wirb nur bewundert entweder zu ber Beit da feines ift, ober hinterdrein beim Abzuge.
Unfere Ohren repetiren zuweilen die Glockenſchläge, alfo Repetirohren. Ob es 1,2, aud allenfalls 3 geſchlagen hat, kann man nocd lange nachher ausmaden, wenn man auch nicht während des Schlagen® baran gedacht hat.
Ich bin überzeugt, daß es Brillen für die Seelenträfte ‚gibt fo gut wie für die Augen. Es wäre fonderbar, wenn fo etwaß nicht follte möglich fein. Wenn der Wik mit dem Alter ſchwach wird, fo kann oft das Lefen von Wortregiftern Bergleichungen bewirken, die ohne dieſes unmöglich wären. J
Wenn man die ſogenannten beſcheidenen 8weifel mancher Weltweiſen als poſitive Wahrheit behandelt wiſſen will, ſo darf man ihnen nur mit etwas Geringſchätzung widerſprechen.
Das Sorgenſchränkchen, das Allerheiligſte der innerſten Seelenökonomie, das nur des Nachts geöffnet wird. Jedermann bat das ſeinige. Ein Meubel, das in allen Haushaltungen und in jebem Stande angetroffen wird. So etwas wäre einer guten und lehrreichen Darftelung fähig.
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Die glüdlichen Zeiten des Lebens, da man noch nicht benft, wie alt man ift, und noch Fein Buch hält über die Haushals tung des Lebens !
Ich Pann: bis biefe Stunde nicht recht begreifen, warum bie Pleinen Kinder nicht eben fo beftändig lachen, als fie be: ftändig weinen.
Es ift gewiß beffer, eine Sache gar nicht ſtudirt zu haben, als oberflächlich. Denn der bloße: gefunde Menfchenverftand, wenn er eine Sache beurtheilen will, föteht nicht fo ſehr fehl als die halbe Gelehrſamkeit. Zu
Wenn e8 uns im Dunkeln irgendwo ftiht, fo Pünnen wir gemeiniglid mit einer Nabelfpike die Stelle finden. Was für einen genauen Plan muß die Seele von ihrem Körper haben!
Selbſt Aberglaube kamn zuweilen Nutzen ſtiften. Der ge⸗ meine Mann drückt nicht leicht eine ungeladene Flinte auf jemanden los, weil er glaubt, der Teufel könne auch mit einer ungeladenen fein Spiel maden.
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3. Moraliihe Bemerkungen.
Lady Gil, die Abtiffin des emglifchen Klofters in Liffabon, teifte in ihrem 23ften Jahre nad Irland, nahm eine Erbſchaft in Befig und Lehrte fo wieder zurüd in ihr Kloſter. Baretti) glaubt, eine ſolche Tugend in einer weiblichen Bruſt verdiene ber
"Vergeffenheit entriffen zu werben. Sch glaube, folde Ihaten follten jo heiß gebrandmarkt werden, als nur immer Witz, von Beradhtung, Spott und Abfcheu geleitet, brennen kann.
Gin Dreigroſchenſtück iſt immer beſſer als eine Thräne.
Ihr, die ihr ſo empfindſam von der Seele eurer Mädchen ſprechen könnt, ich gönne euch dieſe Freude. Glaubt aber ja nicht, daß ihr fo was Erhabenes thut oder ſagt; oder dünkt euch nicht edler als der Pöbel, ber gewiß fogar Unrecht nicht bat, fi) hauptſächlich an den Körper zu halten. Was doch ein
) Joſeph Baretti, fonft al8 Dichter befannt, hat auch Travels through England, Portugal, Spain and France (Lond. 1771. deutfch überf. Leipzig 1772. 8.) geichrieben, worin wahr: ſcheinlich die obige Anekdote enthalten ift.
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junger Recenfionenlefer für eine Idee von einem fo feinen Sen⸗ timent hat! Der Bauersknecht ſchielt nach dem Unterrock, und ſucht den Himmel dort, den du in den Augen ſuchſt. Wer hat Recht? Ich wäge keine Gründe in dieſer Frage, und noch viel weniger entſcheide ich ſie, aber rathen will ich es aus treuem Herzen allen empfindſamen Candidaten, daß ſie ſich mit dem Bauern ſetzen, es könnte ſonſt auf verdrießliche Weitläuftigkei⸗ ten hinauslaufen.
Die Sanduhren erinnern nicht bloß an die ſchnelle Flucht der Zeit, ſondern auch zugleich an den Staub, in welchen wir dereinſt zerfallen werden.
Bei einem Verbrechen iſt das, was die Welt das Berbrechen nennt, ſelten das, was die Strafe verdient, ſondern da liegt es, wo unter der langen Reihe von Handlungen, womit es ſich gleichſam als mit Wurzeln in unſer Leben hineinerſtreckt, die⸗ jenige iſt, die am meiſten von unſerm Willen abhieng und die wir am leichteſten nicht hätten thun können.
Man könnte die Gewohnheit eine moraliſche Friction nen⸗ nen, etwas, das den Geiſt nicht leicht über die Dinge hin⸗ ſtreichen läßt, ſondern ihn damit verbindet, ſo daß es ihm ſchwer wird, fi) davon los zu machen.
Die Zucht vor bem Tode, bie den Menfchen eingeprägt iſt.
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ift zugleich ein großes Mittel, deſſen fich. der Himmel bebient, fie von vielen Unthaten abzuhalten; denn Vieles wird aus dZurcht vor Lebensgefahr oder Krankheit unterlaſſen.
Weiſer werden, heißt, immer mehr und mehr die Fehler kennen lernen, denen dieſes Inſtrument, womit wir empfinden und urtheilen, unterworfen ſein kann. Vorſichtigkeit im Urtheilen iſt, was heutzutage Allen und Jeden zu empfehlen iſt. Gewönnen wir alle zehn Jahre nur eine unſtreitige Wahr⸗ heit von jedem philoſophiſchen Sqhriftteler, ‚ fo..wäre unfere Ernte immer reich genug.
Es gibt eine Art, ba8 Leben gu verlängern, bie ganz in unferer Macht ſteht: Früh aufſtehen, zwedmäßiger Gebrauch der Beit, Wählung ber beſten Mittel zum Endzweck, und. wenn fie gewählt find, muntre Ausführung. Auf biefe Art kann man fehr alt werben, fobald man das Leben nicht nad dem Kalender ſchätzt; aber was das Beſte ift, fo. wirb auch: jenes Leben, bas wir mit Kalendern ausmeffen, burch das, wovon Verdienſt ber Maßſtab ift, verlängert. Wenn man einmal eine Arbeit vor bat, fo ift e8 gut, bei ber Ausführung ſich nicht gleich das Ganze vorzuftellen, benn biefes bat, bei mir wenigftens, viel Niederfchlagendes; ſondern man arbeite an dem, was man gerade vor fi bat, und wenn man bamit fertig iſt, gebe man an das Nächſte. — Eine Sache den Augenblid anfan⸗ gen, und nicht eine Minute, viel weniger eine Stunde oder
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einen Tag aufſchieben, ift ebenfalls ein Mittel, bie Zeit zu ſtrecken.
Man kann die Fehler eines großen Mannes tadeln, aber man muß nur nicht den Mann deßwegen tadeln.
Daß man oft, einer geringen Handlung wegen, eine Ber: achtung auf einen Menfchen wirft, gefchieht nicht fomohl wegen diefer Handlung an ſich betradhtet, al& wegen befien, was man von ber Fähigkeit eines ſolchen Menfchen in andern Fällen mutb- maßet. Daher man ben fo leicht verachtet, der ſich ungeahndet beleidigen läßt.
Es find gewiß wenig Pflichten in der Welt fo wichtig, als bie, die Fortdauer bes menfchlichen Geſchlechts zu befördern, und fi) felbft zu erhalten, denn zu Beinen werben wir burd fo reizende Mittel gezogen, als zu biefen beiden.
Mir ift es eine fehr unangenehme Empfindung, wenn jemand Mitleiden mit mir bat, fo wie man das Wort gemeiniglich nimmt. Denn bie. Menfchen brauchen: gerade da, wo fie recht böfe find, die Rebensart: Mit einem folhen muß man Mitleiden Haben. -: Diefe Art des Mitleidens ift ein Almo⸗ fen, und Almoſen fept Dürftigkeit von der einen, und Überfluß von der andern Seite voraus, er fei auch noch fo gering. Dem englifhen Pity ‚ift e8 eben fo gegangen, und noch Anger
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dem Abjertivum pitiful, das unfer erbärmlid iſt. Es gibt aber ein weit uneigennügigeres Mitleiden, das wahrhaften Un« theil nimmt, das ſchnell zur That und Rettung fchreitet, und felten von empfindfamer Schwermüthelei (man verzeihe mir biefes Wort) begleitet wird. Man könnte jenes das almofen- artige Mitleid, und biefes das Mitleid bei Offenfip und Defenfivallianz nennen. — Mitſcham ift fehr lauter. Man fühlt fie, wenn fih ein Mann, den man hoch⸗ ſchätzt, aus nit genugfamer Kenntniß derjenigen, vor denen er fich zeigen will, vor ihnen lächerlich macht. — Es gibt eine ganz unintereffirte Mitfreude. Ich habe fie bei &...8 Wie dergenefung im Jahre 1778 ganz lauter empfunden. Nämlich ich konnte in diefem Fall nad der genaueften Unterfuchung Fein anderes SInterefie finden, als biefes, daß ein Mann von ber größten Rechtſchaffenheit und einer Gelehrfamkeit, die täglich feltner wirb, der Welt, der Univerfität und feiner Familie wieder gegeben worden war, nachdem man fehon, ihn nicht etwa tobt gefagt, fondern die Unmöglichkeit feiner Wiedergenefung medicinifch demonftrirt hatte.
Wenn jemand in der Welt fih eine Sittenlehre mit Hülfe von Nabelflihen und Scießpulver auf die Hand wollte ägen laffen, jo wollte ich wohl bie dazu vorfchlagen, die ich in irgend einem Stüde bed Zuſchauers einmal gelefen habe: The whole man must move together. Die Vergehungen bagegen find uns zählbar, und der Schaben, der daraus entfteht, groß und öfters
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unerfeglih. Zum Menfchen rechne ich Kopf und Herz, Mund ‚und Hände; es ift eine Meifterfunft, biefe durch Wind und Wetter ungertrennt bi8 an das Ende zu treiben, wo alle Be mwegung aufhört.
Daß die Menfchen Alles aus Intereffe thun, ift dem Philo⸗ fophen nüglich zu wiffen, er muß nur nicht darnach handeln, fondern feine Handlungen nah dem Weltgebrauch einrichten. So wie ein guter Schriftfteller nicht von dem gewöhnlichen Ge: brauch der Wörter abgeht, fo muß auch ein guter Bürger nicht gleih von dem Handlungsgebrauch abgehen, wenn er ſchon Bieles gegen Beides einzumenden bat. Ich bin fo ficher über: zeugt, daß der Menfch Alles feines Bortheild wegen (dieſes Wort gehörig verftanden) thut, daß ich glaube, es ift zur Erhaltung der Welt fo nöthig, als die Empfindlichkeit zur Erhaltung bes Körpers. Genug daß unfer Bortbeil fo fehr oft nicht erhalten werden kann, ohne Tauſend glücklich zu machen, und unfere erfte Urfadhe das Intereffe eines Theil fo weislih mit dem Intereffe vieler Andern zu verbinden gewußt bat.
Sich recht anfchauend vorftellen zu lernen, baß niemand volfommen glücklich ift, ift vielleicht der nächfte Weg, vollkom⸗ ‚men glüdli zu werden. Es ift freilich niemand ganz glück⸗ lid, aber es gibt fehr viele Stufen. in unfern Leiden; und das ift das Übel.
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Weil die Menfchen fehr geneigt zum Auffchieben und zur Zangfamkeit find, und gemeinigli das, twa8 um 5 Uhr bes Morgens vor fi) geben fol ‚ aft um 6 Uhr gefchieht, fo kann man ficher darauf rechnen, daß man die Oberhand in einer Sade behält, wenn man Alles ohne den geringften Verzug un: ternimmt.
Die Schwachheiten großer Leute befannt zu machen, ift eine Art von Pflicht; man richtet damit Laufende auf, ohne jenen zu fchaben. ‚Der Brief von d'Alembert über Rouſſeau im Mercure de France, Sept. 1779. verdient bekannter zu ſein.
Alle Tugend aus Vorſatz taugt nicht viel. Ber ober Gewohnheit je das Ding. ’
Man fol Riemanden in feiner Profeſſion erlic; machen, er kann badurch unglücklich werden.
Das respice — i einer weit ſruchtdarem Geflärung fähig, als man ihm gewöhnlich gibt. Der Menfh, der den Himmel erfunden bat, rechnet aufs Künftige. Wer bei jeder Handlung den Einfluß bebenft, den fie auf fein Künftiges haben kann, und fie nicht unternimmt, wenn fie ihm nicht im Künfe tigen Bortbeil bringt, wird gewiß glüdlich Ieben. Alle großen Leute haben bloß bed Künftigen wegen das Gegenmwärtige unters nommen, und fohledhte Menfchen haben immer, wie bie Xhiere,
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bloß da8 Gegenwärtige vor Augen; ja fie erniebrigen ſich unter bie. Thiere, weil. biefe aus: Inftinet Manches fürs Künftige thun, und aljo die Natur gewiffermaßen ihre Befeelung über fih nimmt.
Ich glaube auch an den Helvetiusfhen Sat: Man fann, was man will, aber niht Alles, was man ſich ruhig wünfht zu Lönnen, will man. Die Art zu wollen, bie Helvetius meint, ift unwiberftehliche Begierde, bie faft nie ohne die erforderliche Fähigkeit ift. . i
Es ift gewiß ein ficheres Seien, baß man befier ‚geworben ift, wenn man Schulden fo gerne bezahlt, als man Geld ein: nimmt. '
Es gibt eine gewiffe Iungferfchaft der Seele bei den Mäb- hen, und eine moraliſche Entjungferung; dieſe findet bei vielen ſchon fehr frühzeitig Statt.
Ih bin völlig überzeugt, daß der Menfch alle die Kennt: niffe befigt, die nöthig find, ihn glüdlich zu machen. Aber es ift mir auch wahrſcheinlich, daß biefe menschliche Glüdfeligkeit, als folche, ‚wenig zum Wohlfein des Ganzen beiträgt. Was der Menſch zum Wohlfein.. des Ganzen beiträgt, ift ſchwerlich feiner Willkür unterworfen. Was überfieht er davon? Nützt er, felbft mit Ausübungen feiner Willkür, :fo ift felbft feine Willkür eine Mafchine, und man ftreitet über Wer. Bu
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wilfürlih zum Vortheil des Ganzen wirkt, muß das Ganze überfehen. Diefes kann ber Menfch nicht, alfo iſt hier in Ab⸗ fiht des Ganzen an Freiheit nicht zu gedenken. Unumſchränkte Freiheit ift bier ein Widerſpruch. Hat er bloß Freiheit erhalten für einen gewiſſen Geſichtskreis, fo ift auch dieſes wieder Ma- fhinerie, und es ift immer bie Freiheit eines Menfchen, ber das Rad eines Krahns tritt. Ich glaube, da wo ber Menſch fih an bie große Kette anfchließt, iſt er nicht frei; er weiß wohl gar nicht einmal, daß er wirft.
Wenn ich je eine Predigt drucken laſſe, fo ift es über base Bermögen Gutes. zu thun, daß jeber befikt. Der Henker bole unfer Dafein bienieden, wenn nur der Kaifer Gutes thun könnte. Jeder ift ein Kaifer in feiner Lage.
Das Wort Gottesbienft follte verlegt, und nicht mehr vom Kirchengehen, fonbern bloß von guten Handlungen gebraudyt werben.
Woher mag wohl bie entfegliche Abneigung des Menfchen herrühren, fi) zu zeigen, wie er ift, in feiner Schlaftammer, wie in feinen geheimften Gedanken? In der Körperwelt iſt Alles wechfelfeitig, das, was es fich fein kann, und zugleich fehr aufe richtig. Nach unfern Begriffen find bie Dinge gegen einander alles Mögliche, was fie fein können, und der Menſch ift es nicht. Er fcheint mehr Das zu fein, was er nicht fein follte,
145 Die Kunft fih zu verbergen, ober ber Wibertwille, fich geiftlich
oder moralifh nadenb fehen zu laffen, geht bis zum Erſtau⸗ nen weit.
Ich glaube, ſehr viele Menſchen vergeſſen über ihrer Erzie⸗ bung für den Himmel, die für die. Erde. Ich ſollte denken, ber Menſch handelte am meifeften, wenn er erflere ganz an - ihren Ort geftellt fein liege. Denn wenn wir von einem weifen MWefen an biefe Stelle gefeßt worden find, woran fein Zweifel ift, fo laßt uns das Beite in biefer- Station tun, und uns nicht durch Offenbarungen blenden. Was ber Menfch zu feiner Glück—⸗ feligfeit zu wiflen nöthig bat, das weiß er gewiß ohne alle an- dere Offenbarung, als die, bie er feinem Wefen nad) befigt.
Die Superklugheit iſt eine der serien Arten von Unklugheit.
Der Glaube an einen Gott iſt Inſtinct, er iſt dem Men⸗ ſchen natürlich, ſo wie das Gehen auf zwei Beinen; modificirt wird er freilich bei Manchen, bei Manchen gar erſtickt; aber in ber Regel ift er da, und iſt zur innern Wohlgeſtalt bes Erkennt⸗ nißvermögens unentbehrlid.
Die Menfhen, die die Vergebung der Sünden durch latei- nifhe Formeln erfunden haben, find an dem größten Berberben in der Welt Schuld.
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Eine der fhwerften Künfte für den Menfchen ift wohl bie, fih Muth zu geben. Diejenigen, benen er fehlt, finden ihn am erften unter dem mächtigen Schuß eines, ber ihn befikt, und ber uns bann helfen fann, wenn Alles fehlt. Da es nun fo viele Leiden in ber Welt gibt, denen mit Muth entgegen zu ge: hen, kein menſchliches Wefen einem Schwachen Kraft genug ger ben kann, fo ift die Religion vortrefflih. Sie iſt eigentlich bie Kunft, fi durch ben Gedanken an Gott, ohme andere weitere Mittel, Troſt und Muth im Leiden zu verfchaffen, und Kraft, bemfelben entgegen gu arbeiten. Ich babe Menſchen gekannt, denen ihr Glück ihr Gott war. Sie glaubten an ein Glück, und ber Glaube gab ihnen Muth, Muth gab ihnen Glüd, und Glück Muth. Es ift ein großer Verluſt für ben Menfchen, wenn er bie Überzeugung von einem weifen, bie Welt lenkenden Weſen verloren hat. Ich glaube, es ift diefes eine nothwendige Folge alles Stubiums ber Philofophie und der Natur. Man verliert zwar den Glauben an einen Gott nicht, aber es ift nicht mehr der bülfreiche Gott unferer Kindheit; es iſt ein Wefen, befien Wege nicht unfere Wege, und beffen Gedanken nicht un⸗
fere Gedanken find, und bamit ift dem Hülflofen nicht fonber- {ich viel gedient.
Es ift eine goldene Regel, daß man die Menfchen nicht nah ihren Meinungen beurtheilen müffe, fondern nad bem, was diefe Meinungen aus ihnen machen.
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Den redlihen Mann zu erkennen, ift in vielen Fällen leicht, aber nicht in allen. Es ift bier wie bei den Mineralien: einige laffen fi) äußerlich Teicht erkennen, bei andern ift chemifche Ber: legung nöthig. Aber wer gibt fich bei Charakteren mit chemi« fher Berlegung ab, ober wie Biele haben die Fähigkeit dazu? Das fchnelle Aburtheln ift größtentheild dem Faulheitstriebe der Menfhen zuzufchreiben; das mühfame chemifche Syftem findet in Prari wenig Anhänger.
Es ift für des Menfchen Rechtfertigung hinreichend, wenn er fo gelebt hat, daß er feiner Tugenden wegen Vergebung für feine Fehler verdient.
Man fchreibt wider den Selbftmord mit Gründen, bie un- fere Vernunft in dem Eritifchen Augenblide bewegen follen. Die: fe ift aber Alles vergeblih, fo lange man fi) diefe Gründe nicht felbft erfunden bat, das heißt, fobald fie nicht die Früchte, das Refultat unferer ganzen Erkenntniß und unfers erworbenen Weſens find. Alfo Alles ruft uns zu: bemühe dich täglih um Wahrheit, lerne die Welt Eennen, befleißige dich ded Umgangs mit rechtfchaffenen Menſchen, fo wirft dis jederzeit hanbeln, wie dirs am zuträglichften if. Findeſt du dann bereinft ben Selbſt- mord für zuträglich, das beißt, find alle deine Gründe nicht zu= reichend, dich abzuhalten, ff.» ....... |
Ordnung führet zu allen Zugenden! aber was führet zur Ordnung?
40°
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Ze größer der Mann ift, deſto ftrafbarer iſt er, wenn er Fehler Anderer ausplaudert, die er erkennt. Wenn Gott bie Heimlichkeiten der Menfchen befannt machte, fo könnte die Welt nicht beftehen. Es wäre, als wenn man die Gedanken Anderer ſehen könnte. Wohl dem Menfchen, der Leinen Ausplauberer bat, der ihm an Kenntniffen überlegen ift !
Es gibt eine Menge Lleiner moralifcher Falfchheiten, die ‚man übt, ohne zu glauben, daß es fchädlich fei;z fo wie man etwa aus ähnlicher Gleichgültigkeit gegen feine Geſundheit Tabad raucht.
Der Stolz, eine edle Leidenſchaft, iſt nicht blind gegen eigene Fehler, aber der Hoch muth iſt es.
Viele, die über Ablaßkrämerei in der katholiſchen Kirche lachen, üben ſie doch täglich ſelbſt. Wie mancher Mann von ſchlechtem Herzen glaubt ſich mit dem Himmel ausgeſöhnt, wenn er Almoſen gibt! Ich habe ſelbſt die boshafteſten Menſchen, die frevelhafteſten Unterdrücker des Verdienſtes und der Unſchuld damit rechtfertigen hören: ſie thäten den Armen Gutes. Aber das war nicht vitae lenor, das war nur Flickwerk. Ein Paar Spiegelfheiben machen noch feinen Palaſt. Cs hat aud) etwas Ähnliches mit den Berehrungen unter dem Galgen.
Wenn doch nur der zehnte Theil der Religion und Moral,
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die in Büchern fteht, in den Herzen fände! Aber fu geht es foft durchaus: der größte Theil von menfchlicher Weisheit wird bald nach feiner Erzeugung auf den Repofitorien zur Ruhe gebradt. Daher einmal Jemand biefed Wort nicht vom latei⸗ nifchen reponere, fondern unmittelbar vom franzöfifchen repos berleiten wollte.
Ein Gelübde zu thun ift eine größere Sünde, als «8 zu brechen..
Was die wahre Freundfhaft, und noch mehr das glüdliche Band der Ehe fo entzüdend macht, ift, die Erweiterung feines Ichs und zwar über ein- Feld binaus, das fi im einzelnen Menfhen durch Feine Kunft fchaffen. läßt. Zwei Seelen, die fi) vereinigen, vereinigen fi) doch.nie fo ganz, baß nicht immer noch der beiden fo vortheilhafte Unterfchied bliebe, der bie Mit: theilung fo angenehm madt. Wer fich fein eigenes Leiden Elagt, klagt es ficherlich vergeblich; wer e8 der Frau klagt, klagt e8 einem Selbft, das helfen kann, und fchon durch die Theilnahme hilft. Und wer gern fein. Verbienft gerühmt hört, findet eben« falls in ihr ein Publikum, gegen welches er fih rühmen Fann, ohne Gefahr, fich lächerlich zu machen.
Diele Menſchen ſetzen die Tugend mehr im Bereuen ber Fehler, als-im Vermeiden berfelben.
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Nachtrag zu den moraliſchen Bemerkungen.
Schwachheiten ſchaden uns nicht mehr, ſobald wir ſie kennen.
Man wird in manchen Fällen aus dem Grunde nicht ge⸗ firaft, oder es fieht vielmehr fo aus, als ob man nicht geftraft würbe, weil man bie Strafe an ſich felbft bezahlt. Das was ausgezahlt wird, wird oft einem Theile genommen und dem an- dem entrichtet. Einer kann an dem Ruhme, ein witziger Schrift« fteller zu fein, zunehmen, während ber Grebit, ben er als ehr: fiher Mann hatte, abnimmt.
Die Welt ift in ihrem Urtheile in der Regel zu gütig, oder zu unbillig.
Sich an einem Tage nicht von feinem Imwede ableiten Taffen, ift auch ein Mittel, die Zeit zu verlängern, und ein fehr fiheres, aber ſchwer zu gebrauchen.
Wenn bu die Gefchichte eines großen Verbrechers licfeft, fo danke immer, ehe bu ihn verdammft, dem gütigen Simmel, daß er dich mit deinem ehrlichen Gefichte nicht an ben Anfang einer folchen Reihe von Umftänden geftellt hat. |
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Wenn wir die Aufmerffamteit auf ſchwache Empfindungen vernehmen lernen, fo fünnen fie uns den Dienft von ftarken thun.
So wie zu ben nieberträdhtigften und lafterhafteften Thaten Geift und Talent erfordert wird, fo ift felbft bei den größten eine gewiffe Unempfindlichkeit nöthig, die man bei anderen Ge: legenheiten Dummheit nennt.
Es ift wirklich nichts abfcheulicher, als wenn fich felbft zugezogene Strafgerichte noch einlaufen, nachdem man fchon länge angefangen bat, fich zu beffern.
Der Geldgeiz der beim Ehrgeiz fleht, verbiente allemal ein befieres Wort.
Die Helden ber alten Dichter find fehr von denen im Mil: ton 3. B. verfhieden. Sie find tapfer, Elug und weife, aber felten nach unferen Sitten liebenswürdig und barmherzig. Mils ton bat die feinigen aus der Bibel entnommen. Sollte viel: leicht unfere chriftlihe Moral ihren Grund in einer gewiſſen Schwachheit haben, in einer jüdifchen Feigheit, da fidh bie ans dere auf Stärke gründet? Allgemeine Verträglichkeit ift vielleicht ein fchönes Hirngefpinft und was ſich nie wird erreichen laſſen.
Sympathie ift ein fchlechtes Almofen.
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Seinen Neigungen ſchlechtweg entgegen zu handeln führt gewiß am Ende zu etwas Beflerem. So 3.8. daß ich bei Tiſche nicht trinke.
Es ift ſehr fhlimm, daß heutzutage bie Wahrheit ihre Sache durch Fiction, Roman und Kabel führen laſſen muß.
Ehe man tabelt, follte man immer erft verfuchen, ob man nicht entfehuldigen kann.
Es ift ein großer Unterfchieb, in einem ſchlechten Zuftande immer gelebt zu haben oder nun in denfelben erſt abwärts ge fommen zu fein. Im lekten Galle wird man von zwei Kräften getrieben, die in.der einfachen Richtung noch. immer als verfchie- ben gefühlt werden, hingegen im erften nicht, da man-fie für eine einzige, einfache hält. Diefes erſtreckt ſich noch über mehrere Dinge.
Man fängt feine Teflamente gewöhnlihd damit an, baß man feine Seele Gott empfiehlt. Ich unterlaffe diefes mit Fleiß, weil ich glaube, daß ſolche Recommandationen wenig fruchten, wenn fie nicht durch das ganze Leben porausgegangen find. Solche Recom⸗ mandationen find Galgenbefehrungen; eben fo leicht als unwirkſam.
Es gibt jegt der Vorfchriften, was man fein fol, fo man- herlei Arten, daß es fein Wunder wäre, wenn die Menge auf den Gedanken geriethe, zu bleiben, was fie ift.
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un - Beobachtungen über den. Menfchen.
Der fehmeichlerifche Elende, ich möchte faſt fagen der Feig- berzige, der unter jedem Streich des Schickſals winfelt, der fi mit bemüthigen Gebehrden naht, Brot fordert, und fih auf Gnade und Ungnade feinem Wohlthäter ergibt, ift leicht erfannt; ber Jagdjunker im Vorbeifprengen verſteht Mienenfprachg genug, ihn zu kennen. Der andere, ftille, nur für ein paar Stationen geſchaffene Mann, deffen Elend nicht geſchwätzig ift, der mehr benft, und wo er auf) immer an ber gemeinen LZaft angefpannt wird, beſſer ziebt,. ift fehmerer gu: kennen. Es gehört ein- ge übted Auge dazu, feine. ungefünftelte. Befcheidenheit- vom heim lihen Stolz und feine Kürze in Allem vom Troß zu unterfcheiden.
Die gemeinften Menſchen, ob fie's gleich nicht der Mühe werth achten, nieberzufchreiben, ‚was fie. fehen, fehen und fühlen boch Alles, was des Niederfchreibens werth geweſen wäre, unb ber Unterfchied zwifchen dem Pöbel und dem Gelehrten befteht oft bloß in einer Art von Apperseption..oder in der Kunſt, zu Buch zu bringen.
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Diefer Mann theilte Alles fehr gern mit, was ihn nichts Eoftete, unter Allen am meiften Complimente; beleidigte Nies manden, wenigſtens wußte man es nicht; hatte allezeit eine liebreiche Miene, und feine Befcheidenheit war fo groß, daß fie in ber Stimme fogar an das Kläglihe grenzte; er paffirte bei vielen Zeuten für tugendhaft, und bei den Meiften für demüthig; furz, er war von ber Art Leute, die man fo ziemlich häufig antrifft, und die man in England mit dem Namen sneaking rascals zu bechren pflegt.
Es gibt eine gewiſſe Art Menfchen, bie mit jedermann leicht Zreundfchaft machen, ihn eben fo bald wieder haſſen und wieber lieben. Stellt man fi) das menfchliche Geſchlecht als ein Ganzes vor, wo jeder Theil in feine Stelle paßt, fo werden dergleichen Menfchen zu ſolchen Ausfülletheilen, die man überall binwerfen kann. Man findet unter biefer Art von Leuten felten große Genies, ohnerachtet fie am leichteften dafür gehalten werden.
Aus den Träumen der Menfchen, wenn fie diefelben genau erzählten, ließe fich vielleicht Vieles auf ihren Charakter fchließen. Es gehörte aber bazu nicht etwa einer, fondern eine ziemliche Menge von Träumen.
Heftigen Ehrgeiz und Mißtrauen babe ih noch allemal beifammen gefeben.
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Zeute, bie nicht die feine Verſtellungskunſt völlig inne haben, und Andere mit Fleiß bintergehen wollen, entbeden uns gemeiniglich das Generelle ihrer ganzen Denkungsart bei ber erften Bufammentunft. Wer alfo ber Neigung eines Anbern ſchmeicheln, und fih in biefelbe ſchicken lernen will, der muß bei der erften Zuſammenkunft genau Achtung geben; bort findet man gemeiniglih die beflimmenden Punkte ber ganzen Den: fungsart vereinigt.
Es gibt Menfhen, bie fogar in ihren Worten und Aus: brüden etwas Eigenes haben, (die meiften haben menigftens etwas, das ihnen eigen ift,) ba boch Redensarten durch eine lange Mode fo und nicht anders find. Solche Menfchen find immer einer Aufmerkſamkeit würdig; es gehört viel Selbftgefühl und Unabhängigkeit der Seele dazu, bis man fo weit kommt. Mancher fühlt neu, und der Ausdrud, womit er dieſes Gefühl Andern deutlich machen will, ift alt.
Es ift zum Erflaunen, wie wenig oft dasjenige von uns gethan wird, was wir für nüglid halten und was auch leicht zu thun wäre. Die Begierde, geſchwind viel wiflen zu wollen, binbert oft die genauen Unterfuchungen; allein es ift felbft dem Menfchen, ber diefes weiß, fehr ſchwer, etwas genau zu prüfen, wenn er gleich überzeugt ift, er komme, ohne Prüfung, auch nit zu feinem Endzweck, viel zu lernen.
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Wenn man gern wiſſen will, was anbere Leute über eine gewiffe Sache denken, bie einen felbft angeht, To benfe man nur, was man unter gleichen Umftänben von ihnen benfen würde. Man halte Niemanden für moralifch beffer in biefem Stück, als man ſelbſt ift, und Niemanben für einfältiger. Die Zeute "merken Öfterer, als man glaubt, folde Dinge, die wir vor ihnen mit Kunft verftedt zu haben meinen, — Bon biefer Bemerfung ift mehr ald die Hälfte wahr, und das ift allemal viel für eine Marime, die jemand in feinem breißigften Jahre
foftfeßt, wie ich biefe.
Die Äußerungen der Großmuth find heutzutage mehr ein Wert der L2ertüre, ald ber. Gefinnungen;, das beißt, man ift mehr großmüthig, um Lectüre zu zeigen, als Güte bes Herzens. Leute, die es von Ratur find, merken felten, daß e8 etwas ift, großmüthig zu fein. -
Die higigften Vertheidiger einer Wiffenfchaft, die nicht den geringfien fcheelen Geitenblid auf biefelbe vertragen können, find gemeiniglich ſolche Perfonen, bie es nicht fehr ‚weit in bderfelben gebracht haben, und fich diefes Mangels heimlic) bewußt find.
Kluge Leute glauben zu machen, man fei, was man nidt it, ift in den meiften Fällen ſchwerer, als wirklich zu werben, was man fcheinen mil.
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In ben böfliden Städtchen ift e8 unmöglich, etwas in ber Weltkenntniß zu thun. Alles ift da fo höflich ehrlich, fo höflich grob, und fo höflich betrügeriih, daß man felten böfe genug werden fann, um eine Satire zu fehreiben. Die Leute verbdies nen immer Mitleiden. Kurz es fehlt Allem die Stärke.
Kein Charakter ift gemeiner, als der von Philipp IT. von Spanien: Langfam ohne Klugheit, falfch ohne jemanden zu bintergehen, und fein ohne die geringfte wahre Beurtheilung. So fhildert ihn Hume.
Es ift ein wahres Vergnügen, eine Coquette zu fehen, wie fie fih firäubt und bäumt und wendet, und nicht über bie Linie binüber will, bie bie alte Srau von ber jungen ſcheidet. Sie arbeiten mit Reiben und Wafchen, mit Schönpfläfterden und Pug immer dem Alter entgegen, das fie binübderziehen will, bis fe endlich, wenn fie fehben, daß man zu glauben anfängt, fie wären-fchon hinüber, wirklich nachgeben und hinübergehen.
Der Umgang mit vernünftigen Leuten iſt deßwegen jeder: mann fo fehr anzurathen, weil ein Dummkopf auf biefe Art buch Rachahmen Elug handeln lernen kann; denn bie größten Dummköpfe können nadahmen, ſelbſt die Affen, Yubelhunde und Elephanten können es. ’
Kaufleute, die täglich oft ganz entgegengefegte Moden rüds
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men hören, und das von Leuten, bie fie übrigens hochachten, befommen einen fo gemifchten Gefhmad, daß ihnen endlich Alles gefüllt. Sie fagen alfo mit Recht: „das bat biefer oder jener Mann gewählt,” anſtatt zu fagen, das ift- fchön und das nicht.
Wahrhaftes, unaffectirtes Mißtrauen gegen menfchliche Kräfte in allen Stüden, ift das fiherfte Zeichen von Geiftesftärke.
Es gibt Leute, bie werben mit einem böfen Gewiſſen ges boren — mit einem rothen Strich (Strid) um den Hals.
Leibnitz bat die chriftliche Religion vertbeibigt. Daraus ge⸗ rade weg zu fehließen, wie bie Theologen thun, er fei ein guter Chriſt gewefen, verräth fehr wenig Weltfenntniß. Eitelkeit, et= was Befferes zu fagen, ald die Leute von Profeffion, iſt bei ei⸗ nem folden Manne, wie Leibnig,..dver wenig Feſtes hatte, eine weit wahrfcheinlichere Triebfeder, fo etwas zu thun, als Religion. Man greife doch mehr in feinen eigenen Bufen, und man wird finden, wie wenig ſich etwas von Anbern behaupten läßt. Ja, ich getraue mir zu beweifen, daß man zuweilen glaubt, man glaube etwas, und glaubt es doch nicht. Nichts ift unergründ⸗ licher, ald das Syſtem von Triebfedern unferer Handlungen.
Mir ift ein Kleinthuer weit unausftehlicher, als ein Groß⸗ thuer. Denn einmal verftehen fo Wenige das Kleinthun, weil e8
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eine Kunſt if, da Großthun aus ber Natur entfpringt; und born läßt der Großtäuer jedem feinen Werth, ber Kleinthuer hingegen veradhtet offenbar den, gegen welchen er es il. Ich babe Einige gekannt, bie von ihrem geringen Verdienſt mit fo viel pietiftifcher Dünnigkeit zu fprechen wußten, als wenn fie fürchteten, man möchte fhmelzen, wenn fie fih in ihrem gan» zen Lichte zeigten. Sch babe mir aber angewühnt, über folche Leute zu lachen, und feit ber Zeit fehe und böre ich fie gern.
Ih glaube, daß die Quelle bed meiften menfhlihen Elends in Indolenz und Weichlichleit liegt. Die Nation, bie bie meilte Spannfraft hatte, war auch allezeit bie freiefte und glüdlichfte. Die Indolenz rädt nichts, fondern läßt ih den größten Schimpf und bie größte Unterdrüdung abfaufen.
Verſtändigen Perfonen werben nicht allein ſchöne Leute ohne Verſtand verbaßt, fondern auch die äußerfte Dienfifertigkeit bei Leuten verliert ohne Gaben des Geiſtes ihren Wert.
Die meiften Gelehrten find abergläubifcher, als fie ſelbſt fagen, ja als fie felb glauben. Man kann üble Gewohnheiten nicht fo Teicht ganz los werden; fie vor der Welt verbergen, unb bie fehäblichen Folgen hindern, das kann man.
Ich bin überzeugt, man liebt ſich wicht bloß in Audern, fondern baßt fi aud in Andern,
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Der Menfch hat einen unmiderftehlichen Irieb, zu glauben, man fähe ihn nicht, wenn er .nichts fiebt — wie bie Kinder, die bie Augen zuhalten, um nicht gefehen zu werden.
Ich kann nur die ‚Oberfläche ber Leute auf meine Seite bringen, ihr Herz erhält man nur mit ihrem finnlichen Ber: gnügen — davon bin ich fo überzeugt, als ich lebe.
Es gibt Leute von unfchädfiher Gemüthsart, aber doch dabei eitel, die immer von ihrer Ehrlichkeit reden und bie Sache faft wie eine Profeffion treiben, und .mit einer fo prahlenden Befcheidenheit von ihrem Berdienft zu wimmern wiſſen, baß einem die Geduld über den immer mahnenden Gläubiger ausgeht.
Deffen, was wir mit Gefühl beurtheilen können, ift fehr wenig, das Andere ift Alles Vorurtheil und Gefälligkeit.
Men would be angels, angels. would be Gods. Man bält immer das für verdienftlicher, was einem fauer wird. Die: ſes fließt aus der Verachtung feines gegenwärtigen Zuſtandes; daher Eommen die vielen Stümper. Der Schnallengießer will die Meereslänge erfinden. — Thue das, mas dir. leicht wird, wovon du gern immer fprächeft, wozu bu gern jedermann bräd;- teft, wenn du fönnteft, wovon bu bir deine eigenen Vorftellun: gen machſt, die andern Leuten zumeilen nicht in ben Kopf wol: len, und bie fie fremd und feltfam finden. Weiter muß man
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geben, allerdings, aber es muß ſich gleihfam von feldft geben, man muß glauben, immer bafielbe zu thun, und zur Berwuns berung anderer Leute fehr viel mehr thun. Es ift ein Unglüd, wenn ein Mann von Fähigkeiten buch Empfehlungen von Mäns nern, deren Begriffe von ihm etwas zu groß find, in ein Amt fommt, wo man etwas Außerorbentliches von ihm erwartet, das er noch nicht Teiften kann. Es ift immer befier, daß ein Amt geringer ift, al& bie Fähigkeiten. Wer oft baffelbe thut, kommt darin weiter, aber nicht der, der fi) vornimmt, Dinge zu thun, bie von feinen gegenwärtigen Berrichtungen verſchieden find. Diefes Fünnte mit der Einleitung gefagt werden, bab man aus Erfahrungen reden müffe, wenn man lehren wolle. Sein eignes Leben auf biefe Art befchrieben fruchtet mehr für Andere, als hundert Kaiferhiftorien. — Wenn man fagt, "man müffe Geſchichtbücher Iefen, um bie Menfchen kennen zu lernen, fo muß man nicht glauben, man verftehe jene feinen, ins Ber: ſchlagene fallenden Künfte darunter; bie lernt man wohl allein in ber Gefelfchaft, und gewiß fichrer und ſchneller.
Sch habe bemerkt, baß zwar jeht eine gewiſſe Freigeifterei unter jungen Leuten einreißt, bie mit ber Seit üble Folgen ha⸗ ben kann; aber fo viel ift gewiß, es bat fih doch ein gewiffes Wohlwollen unter eben biefen Leuten ausgebreitet. Man findet viel Mitleiden,, Befcheidenheit u. f. w. unter ihnen ”).
) Im Jahr 1774 geſchtieben. I. 1
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Es ift dem Menfchen ſehr natürlih, wenn er verliebt ift, Ähnlichkeiten zwifchen feinem Namen und feiner Geliebten Ra men, ja fogar zwifchen den Geburtstagen und Geburtsorten zu finden. So fand ein Berliebter es merfwürbig, daß er den 4, November, und feine Geliebte ben 4. December geboren war; ein anderer, baß fein Geburtstag auf den 1. Julius, und ber feines Mädchens auf ben 1. Jänner fiel.
Ich wollte lieber das Wort ſuperklug gemadt haben, al8 irgend eines; es macht feinem Zuſammenſetzer zuverläffig Ehre. Es gibt Leute, die fi) angewöhnt haben, über Alles Reflexionen anzuftellen, nicht weil ihnen die Saden natürlich einfallen, fondern weil fie e8 erfünfteln — ein Verfahren, das
der Philofophie nicht das Geringfte nügt. Es find fo zu reden
Wunder in der Welt der Ideen, auf die man nicht rechnen fann. Da dergleichen Leute immer Urfachen angeben, weil fie es für ihre Pflicht anfehen, ober für ſchön halten, fo verfehlen fie faft allemal das Natürliche, denn das Schwere, Weithergeholte ſchmei⸗ chelt dem Stolze, aus welchem fie es thun, mehr als das Na⸗ türliche. Hierin Tiegt auch der Grund davon, baß uns bie großen Entdedungen fo leicht zu machen fcheinen, wenn fie ge- macht find. Der eigentlich Berftändige Bingegen, ber nicht fo viel lebhaften Wiß hat, oder ihm wenigftens nicht gleich traut, fließt fo, weil er hohe Urfache bat, fo zu fehließen: durch Ähn⸗ lichkeiten ſind mir Tauſende verwandt, durch nahe Blutsfreund⸗ [haft nur Wenige. Verſteht ihr mich? Daher urtheilen Frauen⸗
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zimmer fo vernünftig — (wenn fie erft einmal beffer werben erzogen werben, fo wird es ſchon anders werben) — das haben unfere Vorfahren eingefeben, und fie bei wichtigen Angelegen- heiten zu Rathe gezogen. Die Gallier glaubten fogar, es fei etwas Göttliches in ihnen. Ihr Gefühl für das wahre Schöne bängt mit jenem zufammen, fo wie das Superfluge mit einem Bergnügen am Sonderbaren verbunden if. Der Kluge wirb nie fuperflug, hingegen kann ber Superkluge, wenn er aufhört, aus dem Erfinden ein Geſchäft zu machen, und viel vernünftige Sachen lieft, wofern er ſich nicht gar zu fehr verfiiegen bat, am Ende Plug werden.
Die Kunft, fih durch ein von almofenfuchender Demüthis gung weit entfernte Dünnethun ein Gewicht zu geben, hat vieleicht nie jemand ftärfer in feiner Gewalt gehabt, ale —
Wenn ihn bie Welt ganz kennte, fo wie ich ihn kenne, meine Herren, fie würde den Fuchs und das Shamäleon in ih⸗ ren Sleichniffen gegen ihn vertaufchen.
Es gibt Leute, die zuweilen ihre Offenberzigkeit rühmen; fie folten aber bedenken, baß bie Offenherzigkeit aus dem Cha⸗ rakter fließen muß, fonft muß fie felbft der als eine Grobbeit anfeben, ber fie ba, wo fie echt iſt, hochfchägt.
Wenn man etwas ernftlich fürchtet, fo bringen die entfern- 11°
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Wenn man gern wiſſen will, was anbere Leute Über eine gewiffe Sache benfen, bie einen felbft angeht, fo benfe man nur, was man unter gleichen Umftänben von ihnen denken würde. Man halte Niemanden für moralifch befjer in biefem Stüd, als man felbft ift, und Niemanben für einfältiger. Die Leute "merken Öfterer, als man glaubt, folde Dinge, die wir vor ihnen mit Kunft verftedt zu haben meinen, — Bon biefer Bemerkung ift mehr als die Hälfte wahr, und das ift allemal viel für eine Marime, die jemand in feinem breifigften Jahre
feſtſetzt, wie ich biefe.
Die Äußerungen der Großmuth find heutzutage mehr. ein Werk der Lectüre, ald ber. Gefinnungen, das beißt, man ift mehr großmüthig, um Lectüre zu zeigen, als Güte bes Herzens. Leute, bie es von Ratur find, merken felten, daß es etwas ift, großmüthig zu fein. - nt
Die bitigften Vertheidiger einer Wiffenfchaft, die nicht ben geringften fcheelen Seitenblid auf biefelbe vertragen können, find gemeiniglich folche Perfonen, bie e8 nicht fehr ‚weit in-berfelben gebracht haben, und fich dieſes Mangels heimlich bewußt find.
Kluge Leute glauben: zu machen, man fei, was man nicht ift, ift in ben meiften Fällen ſchwerer, als wirklich zu werben, was man feheinen will.
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In den böflihen Städtchen ift e8 unmöglich, etwas in ber Weltkenntniß zu thun. Alles ift da fo höflich ehrlich, fo höflich grob, und fo höflich betrügerifh, daß man felten böfe genug werden fann, um eine Satire zu fohreiben. Die Leute verdies nen immer Mitleiden. Kurz e8 fehlt Allem die Stärfe.
Kein Charakter ift gemeiner, als der von Philipp IT. von Spanien: Langfam ohne Klugheit, falſch ohne jemanden zu bintergeden, und fein ohne die geringfte wahre Beurtheilung. So fchildert ihn Hume.
Es ift ein wahres Vergnügen, eine Coquette zu fehen, wie fie fich firäubt und bäumt und wendet, und ‚nicht über bie Linie binüber will, die die alte Frau von ber jungen ſcheidet. Sie arbeiten mit Reiben und Wafchen, mit Schönpfläfterdhen und Yus immer dem Alter. entgegen, da8 fie binüberziehen will, bis fie endlich, wenn fie fehen, daß man zu glauben anfängt, fie wären-fchon hinüber, wirklich nachgeben und binübergeben.
Der Umgang mit ‚vernünftigen Leuten ift deßwegen jeder: mann fo fehr anzurathen,. weil ein Dummkopf auf. diefe Art durch Nahahmen Elug handeln fernen kann; denn die größten Dummköpfe können nahahmen, felbit die Affen, Pudelhunde und Elenhanten fünnen es. ’
Kaufleute, die täglich oft ganz entgegengefegte Moben rüh—⸗
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men bören, unb das von Leuten, bie fie übrigens hochachten, befommen einen fo gemifchten Gefhmad, daß ihnen enblid Alles gefält. Sie fagen alfo mit Recht: »das bat biefer ober jener Mann gewählt,“ anftatt zu fagen, das ift- fhön und das nicht.
Wahrhaftes, unaffectirtes Mißtrauen gegen menſchliche Kräfte in allen Stüden, ift das fiherfte Zeichen von Geiſtesſtärke.
Es gibt Leute, die werben mit einem böfen Gewiſſen ge boren — mit einem rothen Strich (Strid) um den Hals.
Leibnitz bat die chriftliche Religion vertheibigt. Daraus ges rabe weg zu fließen, wie die Theologen thun, er fei ein guter Chrift gewefen, verräth fehr wenig Weltkenntniß. Eitelkeit, et= was Beſſeres zu fagen, al& die Leute von Profeffion, ift bei ei⸗ nem folden Manne, wie Leibnig, der wenig Feſtes hatte, eine weit wahrfcheinlichere Triebfeder, fo etwas zu thun, als Religion. Man greife doch mehr in feinen eigenen Bufen, und man wird finden, wie wenig fi) etwas von Andern behaupten läßt. Ja, ich getraue mir zu beweifen, daß man zuweilen glaubt, man glaube etwas, und glaubt e8 doch nicht. Nichts iſt unergründs licher, ald das Syſtem von Triebfedern unferer Handlungen.
Mir ift ein Kleinthuer weit unausftehlicher, als ein Große thuer. Denn einmal verftehen fo Wenige das Kleinthun, weil es
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eine Kunft iſt, da Großthun aus ber Natur entfpringt; und bann läßt der Großthuer jedem feinen Werth, ber Kleinthuer hingegen verachtet offenbar den, gegen welchen er es il. Ich babe Einige gekannt, bie von ihrem geringen Berbienft mit fo viel pietiftifcher Dünnigfeit zu fprehen wußten, als wenn fie fürdteten, man möchte fhmelzen, wenn fie fih in ihrem gans zen Lichte zeigten. Ich habe mir aber angewühnt, über foldye Leute zu lachen, und feit ber Zeit fehe und höre ich fie gern.
Ich glaube, daß die Quelle des meiften menfchlichen Elends in Inbolenz und Weichlichkeit liegt. Die Nation, bie bie meifte Spannfraft hatte, war auch allezeit die freiefte und glüdlichfte. Die Indolenz rächt nichts, fondern läßt fi) den größten Schimpf und bie größte Unterdrüdung abfaufen.
Berftändigen Perfonen werden nicht allein ſchöne Leute ohne Verſtand verhaßt, fondern auch bie äußerfte Dienftfertigkeit bei Leuten verliert ohne Gaben des Geiftes ihren Werth.
Die meiften Gelehrten find abergläubifcher, als fie felbft fagen, ja als fie felbft glauben. Man kann üble Gewohnheiten nicht fo leicht ganz los werden; fie vor der Welt verbergen, und bie fchäblichen Folgen hindern, das kann man.
Ich bin überzeugt, man liebt ich nicht bloß in Andern, fondern haßt ſich auch in Andern.
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Der Menfch hat einen unwiderftehlihen Trieb, zu glauben, man fähe ihn nidt, wenn er nichts fieht — wie bie Kinder, die die Augen zuhalten, um nicht gefehen zu werben.
Ich kann mur die Oberfläche ber Leute auf meine Seite bringen, ihr Herz erhält man nur mit ihrem finnlichen Ber. gnügen — bavon bin ich fo überzeugt, als ich lebe.
Es gibt Leute von unfchädlicher Gemütbsart, aber doch dabei eitel, die immer von ihrer Ehrlichkeit reden und bie Sache faft wie eine Profeffion treiben, und .mit einer fo prahlenden Befcheidenheit von ihrem Berbienft zu wimmern wiflen, baß einem die Geduld über ben immer .mahnenden Gläubiger ausgeht.
Deffen, was mir mit Gefühl beurtheilen können, ift fehr wenig, das Andere ift Alles Vorurtheil und Gefälligkeit.
Men would be angels, angels would be Gode Man hält immer das für verbienftlicher, was einem fauer wird. Die- fe8 fließt aus der Verachtung feines gegenwärtigen Zuſtandes; daher fommen bie vielen Stümper. Der Schnallengießer will die Meereslänge erfinden. — Thue das, was bir.leicht wirb, wovon du gern immer fprächeft, wozu du gern jedermann bräd- teft, wenn du könnteſt, wovon bu bir deine eigenen Vorſtellun⸗ gen macht, die andern Leuten zuweilen nicht in den Kopf wol: len, und bie fie fremd und feltfam finden. Weiter muß man
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gehen, allerdings, aber es muß fih gleihfam von felbft geben, man muß glauben, immer bafjelbe zu thun, und zur Verwun⸗ berung anderer Leute fehr viel mehr thun. Es ift ein Unglüd, wenn ein Mann von Fähigkeiten burch Empfehlungen von Mäns nern, deren Begriffe von ihm etwas zu groß find, in ein Amt fommt, wo man etwas Außerordentliche von ihm erwartet, das er noch nicht leiften kann. Es ift immer beffer, daß ein Amt geringer ift, als die Fähigkeiten. Wer oft dafjelbe thut, kommt darin weiter, aber nicht der, ber fidy vornimmt, Dinge zu thun, die von feinen gegenwärtigen Berrichtungen verfchieden find. Diefes Fünnte mit ber Einleitung gefagt werden, daß man aus Erfahrungen reben müffe, wenn man lehren wolle. Sein eignes Leben auf biefe Art befchrieben fruchtet mehr für Andere, als Hundert Kaiferhiftorien. — Wenn man fagt, "man müſſe Gefchichtbücher Iefen, um die Menſchen Pennen zu lernen, fo muß man nicht glauben, man verftehe jene feinen, ins Ber: fchlagene fallenden Künfte darunter; die lernt man wohl allein in der Gefelfchaft, und gewiß fichrer und ſchneller.
Sch babe bemerkt, daß zwar jebt eine gewiſſe Freigeifterei unter jungen Leuten einreißt, die mit ber Zeit üble Kolgen ba- ben kann; aber fo viel ift gewiß, es bat fich doch ein gewiffes Wohlwollen unter eben biefen Leuten ausgebreitet. Man findet viel Mitleiden, Befcheidenheit u. f. w. unter ihnen °).
*) Im Jahr 1774 gefchrieben. l. AN
Es if dem Renſchen ſehr natürlich, wenn er verlicht iM, Ähnlichkeiten zwiſchen feinem Namen und feiner Geliebten Ra- men, fa fogar zwiſchen den Beburtstagen und GBeburtsorten zu finden. &o fand ein Berliebter e8 merkwürdig, daß er ben 4, November, und feine Beliebte den 4. December geboren war; ein anderer, dab fein Beburtstag auf den 1. Julius, und der feines Mädchens auf den 1. Jänner fiel.
Ich wollte lieber da8 Wort ſuperklug gemacht haben, ale irgend eines; es macht feinem Bufammenfeker zuverläfflg Ehre. Es gibt Leute, die fih angewöhnt haben, über Alles Meflerionen anzuftellen, nicht weil ihnen bie Sachen natürlich einfallen, fondern weil fie e8 erfünfteln — ein Berfahren, das ber Philoſophie nicht das Geringfte nügt. Es find fo zu reden Runder In der Melt der Ideen, auf bie man nicht rechnen fann. Da dergleichen Leute immer Urfachen angeben, weil fie es für ihre Pflicht anfehen, oder für fchön halten, fo verfehlen fie faft allemal das Natürliche, denn das Schwere, Weithergeholte ſchmei⸗ (belt dem Stolze, aus welchem fie es thun, mehr als das Na- tuͤrliche. Hierin Liegt auch der Grund davon, daß uns bie großen Entdeckungen fo leicht zu machen feheinen, wenn fie ge: macht find. Der eigentlich Verſtändige hingegen, ber nicht fo viel lebbaften Wid bat, oder ihm wenigftens nicht gleich traut, fidlieht fo, weil er hohe Urſache bat, fo zu ſchließen: durch Ihm- lichkeiten And mir Tauſende verwandt, durch nabe Blutsfreund⸗ (wart nur Wenige, Verſteht ihr mich? Daher urtheilen Srauen-
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zimmer fo vernünftig — (wenn fie erft einmal beffer werben erzogen werben, fo wirb es ſchon anders werden) — das haben unfere Vorfahren eingefehen, und fie bei wichtigen Angelegen⸗ beiten zu Rathe gezogen. Die Gallier glaubten fogar, es fei etwas Göttliches in ihnen. Ihr Gefühl für das wahre Schöne hängt mit jenem zufammen, fo wie da8 Superfluge mit einem Vergnügen am Sonberbaren verbunden if. Der Kluge wirb nie fuperffug, hingegen kann ber Superfluge, wenn er aufbört, aus dem Erfinden ein Gefchäft zu machen, und viel vernünftige Sachen lieft, wofern er ſich nicht gar zu fehr verftiegen bat, am Ende Plug werden.
Die Kunft, fi duch ein von almofenfuchender Demüthis gung weit entfernte® Dünnethun ein Gewicht zu geben, Bat vielleicht nie jemand ftärker in feiner Gewalt gehabt, als —.
Wenn ihn die Welt ganz Fennte, fo wie ich ihn Eenne, meine Herren, fie würde den Fuchs und das Chamäleon in ih: ren Gleichniffen gegen ihn vertaufchen.
Es gibt Leute, die zuweilen ihre Offenberzigkeit rühmen; fie follten aber bedenken, daß die Offenherzigfeit aus dem Cha» rakter fließen muß, fonft muß fie felbft der als eine Grobheit anfeben, ber fie da, wo fie echt ift, hochſchätzt.
Wenn man etwas ernftlich fürchtet, fo bringen bie entferu- AL”
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teften Dinge uns den Gegenſtand in den Sinn. Für einen, der am Hofe Iebt, kann die geringfte Bewegung im Geficht ‚nicht des Fürften felbft, fondern fogar feiner Diener, glauben machen, man fei in Ungnade gefallen. Doch machen bie Gharaftere hierin einen großen Unterfchied, und wer eine Zeichnung machen will, bat fehr darauf zu achten.
Er war fonft ein Menfh, wie wir, nur mußte er flärder gebrüdt werden, um zu fehreien; er mußte zweimal fehen, wa er bemerken, zweimal hören, was er behalten follte, und was Andere nach einer einzigen Obrfeige unterlaffen, unterließ er erft nach ber zweiten.
Die Marime von Rodhefoucault: dans l’adversit6 de nos meilleurs amis nous trouvons toujours quelque chose, qui ne nous deplait pas, £lingt allerdings fonberbar; wer aber die Wahrheit derfelben leugnet, verfteht fie entweder nicht, oder kennt fich felbft nicht.
Keine Leute find eingebildeter, als die Befchreiber ihrer Empfindungen, zumal wenn fie dabei etwas Profe zu comman⸗ diren haben.
Für alle Bemerkungen eines Mannes, ber 3. E. baarfuß nach Nom laufen könnte, um fih dem vatifanifhen Apoll zu Füßen zu werfen, gebe ich Beinen Pfennig. Diefe Leute fprechen
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nur von fih, wenn fie von andern Dingen zu reden glauben, und bie Wahrheit kann nicht leicht in üblere Hände gerathen.
Man fuche feinen Entbhufiaften Behutfamkeit lehren zu wols len. Solche Leute fagen, fie wollen behutfam fein, glauben auch, fie wären es, und find die unbehutjamften Menfchen auf der Welt,
Ein gemeiner Charakter ift folgender: Es gibt Leute, bie 3.3. wenn fie zeichnen, fein Fältchen im Ermel leiden können; fie haben für jedes Glied, das fie zeichnen, einen befonbderen DBleiftift, müffen eigene Stühle haben, ihre Fenſter müffen be- fonders liegen, und wenn fie anfangen zu zeichnen, zeichnen fie doch herzlich ſchlecht. Diefer Charakter findet fich nicht bloß bei Künftlern, fondern auch ſonſt. Man muß aber nicht glauben, als fagte ich e8 zur Erläuterung des Parturiunt montes etc. — nicht8 weniger; benn es ift ein Aufwand und feine Prablerei.
Habe Peine zu künſtliche Idee vom Menfchen, fundern ur: theile natürlich von ihm; halte ihn weber für zu gut, noch für zu böfe.
Jeder Menfch bat auch feine moralifche backside, bie er nicht ohne Noth zeigt, und die er fo lange als möglich mit den Hofen des guten Anftandes zubedt.
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Der Stolz der Menſchen iſt ein ſeltſames Ding, es läßt ſich nicht ſo leicht unterdrücken, und guckt, wenn man das Loch A zugeſtopft bat, ehe man fich's verſteht, zu einem andern Loch B wieber heraus, und hält man dieſes zu, fo ftebt es binter dem Loch C u. f. w.
In jedes Menfchen Charakter figt etwas, das ſich nicht bres hen läßt — das Knochengebäude bes Charakters; und biefes ändern wollen, beißt immer, ein Schaf das Apportiren lehren.
Man kennt mandhmal einen Menfchen genauer, ald man fagen kann, ober wenigftens als man fagt. Worte, Grad ber Munterkeit, Laune, Bequemlichkeit, Wit, Intereſſe — Alles brüdt und leitet zur Falſchheit. &
Wo Mäßigung ein Fehler ift, da ift Gleichgültigkeit ein Verbrechen.
Ih Eenne die Miene ber affectirten Aufmerkſamkeit, es ift der niedrigfte Grab von Zerftreuung.
Ih bin überzeugt, daß ber Zank Homerifcher Helden man: hen Bank im Parlamente bervorgebradt hat. Mancher, ber gegen Lord North ſprach, dachte, er rebete gegen ben Agamem⸗ non. Es ift ber menfchlihen Natur fehr angemeffen.
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Den Menfchen fo zu machen, wie ihn bie Religion haben will, gleiht bem Unternehmen ber Stoiker; es ift nur eine andere Stufe des Unmöglicdhen.
Es war wohl niemals ein Mann von irgend einigem Werth, auf ben fein Pasquill gemacht worden wäre, und nicht leicht eine fchlechte Seele, bie eins auf irgend einen Mann von Ber: dienſt gemacht hätte.
über nichts wird flüchtiger geurtheilt, als über die Charak⸗ tere der Menſchen, und doch ſollte man in nichts behutſamer ſein. Bei keiner Sache wartete man weniger das Ganze ab, das doch eigentlich den Charakter ausmacht, als hier. Ich habe immer gefunden, die ſo genannten ſchlechten Leute gewinnen, wenn man fie genauer kennen lernt, und bie guten verlieren.
Wer fi) nur etwas Mühe geben will, wird leicht bemerken, daß es eine gewiſſe Menfchentenntniß, eine Philofophie und eine Theorie des Lebens gibt, die, ohne weiter unterfucht zu werben, bob Bielen zum Leitfaden im Handeln ſowohl als Sprechen dient. Es gibt fogar berühmte Leute, die weiter nichts vorzuwei⸗ fen haben. &o hält man in mittelmäßig großen Städten immer ben Profeffor für einen Pedanten; ja fogar das Univerfitätsmä- ‚Bige hat da bie Bedeutung von Steifigkeit. Der Lanbjunker ift auch ein bekannter Charakter, und doc, find die meiften Land⸗ junter das gar nit. Schwache Köpfe find in biefer Philofophie
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gemeinigli fehr zu Haufe. Man muß zuweilen wieder bie Wörter unterfuchen, benn bie Welt kann wegrüden, und bie Wörter bleiben ftehen. Alfo immer Sahen und feine Wör—⸗ ter! Denn fogar die Wörter unendblidh, ewig, immer haben ja ihre Bedeutung verloren.
Man irrt fih gar fehr, wenn man aus dem, was ein Mann in Geſellſchaft fagt oder auch thut, auf feinen Charakter oder Meinungen fchließen wid. Man fpriht und handelt ja nicht immer vor Weltweifen; das Vergnügen eines Abends kann an einer Sophifterei hängen. Beurtheilt ja aud fein Bernünfs tiger Cicero's Philofophie aus feinen Neben.
Man follte nicht glauben, daß ber unnatürliche Berftanb fo fehr weit gehen könnte, baß fich Beute beim infteigen in bie Zrauerfutfhe complimentiren fünnten.
Es ift fonderbar, daß diejenigen Leute, bie bas Gelb am liebften haben und am beften zu Ratbe halten, gerne im Dimi⸗ nutivo davon ſprechen. „Da kann ich doch meine 600 Thä- lerchen babei verdienen“ — „ein hübfhes Sümmden! — Wer fo fagt, ſchenkt nicht leicht ein halbes Thälerchen weg.
Er wunderte fich, daß ben Kagen gerade an ber Stelle zwei Löcher in ben Pelz gefchnitten wären, wo fie die Augen hätten.
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Die kecht guten offenberzigen Leute muß man nie unter den Phraſesdrechslern ſuchen, wie Sterne.
Manche Menfchen äußern fchon eine Gabe, fih dumm zu ftellen, ehe fie klug find; die Mädchen haben dieſe Gabe fehr oft.
Wenn bie Menfchen fagen, fie wollen nichts gefchenkt haben, fo ift es gemeiniglich ein Zeichen, daß fie etwas geſchenkt haben wollen.
Der Menfh liebt die Gefelfchaft, und ſollte es auch nur die von einem brennenden Rauchkerzchen fein.
Man muß keinem Menfchen trauen, ber bei feinen Verſi⸗ herungen bie Hand auf das Herz legt.
Die Dienftmädchen Lüffen die Kinder und fehütteln fie mit Heftigkeit, wenn fie von einer Mannsperfon beobachtet werden; bingegen präfentiren fie fie in der Stile, wenn FZrauenzimmer
auf fie ſehen.
Sch Habe das fhon mehr bemerkt, die Leute von Profeffion wiffen oft das Beſte nicht.
Wie glülli würde Mancher leben, wenn er fi) um andes rer Leute Sachen fo wenig -befümmerte, als um feine eigenen.
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In jedem Menfchen ift etwas von allen Menſchen. Ich glaube dieſen Satz ſchon fehr lange; ben vollftänbigen Beweis davon kann man freilich erft von ber aufrichtigen Beſchreibung feiner feloft erwarten, nämlich, wenn fie von Bielen unternom⸗ men wird. Diefes, was man von Allen bat, mit geböriger Genauigkeit zu foheiden, iſt eine Kunft, die gemeiniglich bie größten Schriftfteller verftanden haben. Man braucht nicht viel von jedem Menfchen zu befiten. Es gibt geſchickte Leute, bie ihre chymifchen Verſuche im Kleinen anftelen, und richtigere Sachen berausbringen, als andere, bie fehr viel Geld darauf zu verwenden haben.
Jedes Gebrehen im menfchlichen Körper erwedt bei bem, ber darunter leidet, ein Bemühen, zu zeigen, daß es ihn nicht drüdt: der Taube will gut hören, ber Klumpfuß über raube Wege zu Fuß gehen, ber Schwache feine Stärke zeigen, u. f. w. So verhält es fih in mehreren Dingen. Diefes ift für ben Schriftſteller ein unerfchöpflicher Quell von Wahrheiten, bie An⸗ dere erfhüttern, und von Mitteln, einer Menge in die Seele zu reden.
Der Menſch ift der größten Werke alsdann fähig, - wenn feine Geiftesfräfte fihon wieder abnehmen, fo wie e8 im Julius und um 2 Uhr bes Nachmittags, da die Sonne ſchon wieder zu⸗ rückweicht und finkt, heißer ift, al8 im Junius und um 12 Uhr.
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Es ift wahr, alle Menfchen fchieben auf, und bereuen ben Auffhub. Ich glaube aber, auch der Thätigfte findet fo viel zu bereuen, als ber Faulſte; denn wer mehr thut, fieht auch mehr und deutlicher, was hätte getban werden können.
Es gibt Leute, die können Alles glauben, was fie wollen; das find glüdliche Geſchöpfe!
Ein Mädchen, bie fi ihrem Freund nach Leib und Seele entdedt, entbedit bie Heimlichkeiten bes ganzen weiblichen Ge⸗ ſchlechts; ein jedes Mädchen ift die Vermwalterin ber weiblichen Mofterien. Es gibt Stellen, wo Bauernmäbchen ausfehen wie die Königinnen, das gilt von Leib und Seele.
Er Hat bloß Feinheit genug, fich verbaßt zu machen, aber nicht genug, fi) zu empfehlen.
Es gibt wirklich fehr viele Menfchen, die bloß lefen, damit fle nicht denken dürfen.
Leber Menſch hat feinen individuellen Aberglauben, ber ihn bald im Scherz, bald im Ernft leitet. Ich bin auf eine lächer⸗ liche Weife öfters fein Spiel, ober vielmehr ich fpiele mit ihm. Die pofitiven Religionen find feine Benukungen jenes Hanges im Menfchen. Die Menfchen haben alle etwas davon, wenn fie nicht deutlich denken, und es ift gewiß noch nie ein fo vollkom⸗
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mener Deift gewefen, als er im Gompenbio ſteht; das ift un- möglid.
Der Menich, der fi) vieles Glücks und feiner Schwäche be mußt ift, wird abergläubifch, flüchtet zum Gebet, und bergl. mehr.
Das Höchſte, wozu ſich ein ſchwacher Kopf von Erfaßrung erheben kann, ift die Fertigkeit, die Schwächen beſſerer Menfchen auszufinden.
Es gibt in Rüdficht auf den Körper gewiß wo nicht mehr, doch eben fo viele Kranke in ber Einbildung, als wirkliche Kranke; in Rüdfiht auf den Verſtand eben fo viele, wo nicht fehr viel mehr Gefunde in ber Einbildung, als wirklich Gefunbe.
Bon dem Nuhbme ber berühmteften Menfchen gehört immer etwas ber Blöbfichtigkeit ber Bewunberer zu; und ich bin über: zeugt, daß folchen Menfchen das Bewußtfein, daß fie von Eini⸗ gen, die weniger Ruhm, aber mehr Geift haben, burchgefehen werden, ihren ganzen Ruhm vergält. Cigentlich ruhiger Genuß des Lebens kann nur bei Wahrheit beftehen. Newton, Fränk— lin, das waren Menfchen, bie beneidenswerth find.
Es ift Fein tüdifcheres und boöhafteres Gefchöpf unter ber Sonne, als eine H.., wenn fie Alters wegen ſich genöthigt fiebt, eine Betſchweſter zu werden.
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Wenn man von ber wenigen Übereinflimmung, die das Ins nere eines Menfchen mit feinem Außern hat (ich meine hier ben efoterifchen Menfchen mit dem eroterifchen), auf etwas Ahnliches in den Werfen der Natur ſchließen bürfte, fo wäre das ein fchlecdhs ter Troſt. Denn wie wenige $reunde würden Freunde bleiben, wenn einer bie Gefinnungen des andern im Ganzen fehen könnte!
Es gibt große Krankheiten, an benen man fterben kann; es gibt ferner welche, die fih, ob man gleich nicht eben daran ftirbt, doch ohne vieles Studium bemerken und fühlen laffen ; endlich gibt e8 aber auch welche, die man ohne Mifroftop faum erkennt. Dadurch nehmen fie fi) aber ganz abfcheulich aus; und diefes Mifroftop ift — Hypohonbrie. Sch glaube, wenn -fich die Menfchen recht darauf legen wollten, bie mitroffopifchen Krankheiten zu fubiren, fie würden bie Satisfaction haben, alle Tage krank zu fein. |
Man ift verloren, wenn man zu viel Beit-befommt an fi) zu denken, vorausgeſetzt, daß man ſich nicht als ein Object ber Beobachtung, wie ein Präparat, anſieht, fondern immer als Alles, was man jest. if. Man wird fo viel Trauriges ges wahr, daß über dem Anblid alle Luft verfliegt, es zu ordnen oder zufammenzubalten.
| Die Natur hat die Srauenzimmer fo gefchaffen, daß fie nicht nad Principien, fondern nah Empfindung handeln follen.
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Leute, bie ihre Briefe mit grünem Siegellad ſiegeln, find alle von einer eigenen Art, gewöhnlich gute Köpfe, die fich felbft zuweilen mit chemifchen Arbeiten befchäftigen, und wiſſen, baß es fchwer ift, grünes Siegellad zu machen.
Man gibt falfhe Meinungen, die man von Menfchen ge faßt hat, nicht gern auf, fobald man dabei auf fubtile Anwen» dung von Menfchenkenntniß fi) etwas zu gute thun zu Pönnen glaubt, und fih einbildet, folche Blide in das Herz des Andern fönnten nur Gingeweihete thun. Es gibt daher wenige Fächer ber menfchlichen Erkenntniß, worin das Halbwiſſen eröperen Schaden thun kann, al dieſes.
Es könnte gar wohl fein, baß eine gewiffe Generation, in linea recta ascendente et descendente, ein Ganzes ausmachte, das fich entweder vervollkommnet ober verfhlimmert. Daß z. B. ber Sohn des berühmten Howard völlig toll geworden ift, könnte mit dem Genie des Baters Bufammenhang haben. Denn ohne bei wahrhaften Menfchenkennern in den Verdacht zu kom⸗ men, ald wollte man biefen großen Mann verkleinern oder feine Tugend verbädtig machen, kann man behaupten, daß er Mans bes nicht würde unternommen haben, wenn er nicht bereits einen kleinen Hieb gehabt hätte, und wenigftens entfernte An⸗ lagen zu dem, was nachher fein Sohn wirklich geworben ift.
Es gibt wohl Leinen Menfchen in ber Welt, der nicht,
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wenn er um taufend Thaler willen zum Spigbuben wird, fies ber um ‘das halbe Geld ein ehrlicher Mann geblieben wäre.
Wer fagt, er haſſe alle Arten von Schmeicdheleien, und es im Ernſt fagt, der hat gewiß noch nicht alle Arten Eennen ge lernt, theils ber Materie, theild ber Form nad).
Leute von Berftand haſſen allerdings die gewöhnliche Schmeidelei, weil fie fih nothwendig durch die Leichtgläus bigfeit erniedrigt finden müffen, bie ihnen ber fchmeichelnde Tropf zutraut. Sie haſſen alfo bie gewöhnliche Schmeichelei bloß deßwegen, weil fie für fie feine if. Ich glaube nad) meiner Erfahrung ſchlechterdings an feinen großen Unterfchieb unter den Menfchen. Es ift Alles bloß Überfegung. in jeder ” bat feine eigene Münze, mit ber er bezahlt fein wil. Man ers innere ſich an bie eifernen Nägel in Otaheite; unfere Schönen müßten rafenb fein, wenn fie die eifernen Nägel in folgem Werthe halten wollten. Wir haben andere Nägel, Es iſt eben: falls bloß menſchliche Erfindung, zu glauben, daß Die Menſchen ſo ſehr unterſchieden ſind; es iſt der Stolz, der dieſe Unterſchei⸗ dung unterſtützt. Seelenadel iſt gerade ſo ein Ding wie der Geburtsadel. — (Etwas gemildert muß dieſes Alles werden.)
Die Menſchen nutzen wahrhaftig ihr Leben zu wenig; es iſt alfo Fein Wunder, daß es noch fo einfältig in ber Welt agfieht. Womit bringt man fein Alter bin? Mit Bertbeibigung von Meinungen; nicht weil man glaubt, baß fie wahr find, ſonde
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weil man einmal öffentlich gefagt hat, daß man fie für wahr halte. Mein Gott, wenn die Alten ihre Zeit doch Fieber auf Warnung verwenden wollten! Zreilich, die Menfchen werben alt, aber das Geſchlecht ift noch jung. Es ift wirkli ein Be: weis, daß die Welt noch nicht alt ift, daß man hierin noch fo zurüd iſt. Wenn doch die Alten mehr fagen wollten, was man vermeiden muß, und was fie hätten thun müflen, um nod größer zu werden, als fie geworben find!
Ich habe fehr häufig gefunden, baß gemeine Leute, die nicht raudten, an Orten, wo das Rauchen gewöhnlich ift, immer fehr gute und thätige Menfchen waren. Bei bem gemeinen Mann ift e8 leicht zu erflären; es verräth bei dieſer Glafje vor⸗ züglih ſchon etwas Gutes, fi von einer folden Mode nit binreißen zu laffen, oder überhaupt etwas zu unterlaffen, was wenigftens von Anfang nicht behagt. Auch muß ich geitehen, daß ˖ von allen ben Gelehrten, bie ich in meinem Leben babe Een: nen gelernt Sund bie ich eigentlich Genies nennen möchte, Bein einziger geraucht hat. — Hat wohl Leffing geraudt?
Es ift für die Vervollkommnung unferes Geiftes gefährlich, Beifall durch Werke zu erhalten, die nicht unfere ganze Kraft erfordern. Man fteht alddann gewöhnlich flille. Rochefoucault glautg daher, es babe noch nie ein Menfch alles das gethan, was er babe thun können; ich halte dafür, daß diefes größten: theils wahr ift. Jede menſchliche Secle hat eine Portion Indos
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lenz, wodurch fie geneigt wird, das vorzüglich zu thun, was ihr leicht wird.
Einer der größten und zugleich gemeinſten Fehler der Men⸗ ſchen iſt, daß fie glauben, andere Menſchen kennten ihre Schwä- chen nicht, weil ſie nicht davon plaudern hören, oder nichts da⸗ von gebrud® leſen. Ich glaube aber, daß die meiſten Menſchen beffer von andern gefannt werben, als fie ſich felbft Fennen. Ich weiß, daß berühmte Schriftfieller, die aber im Grunde feichte Köpfe waren (mas fi) in Deutfchland leicht beifammen findet), bei allem ihrem Eigendünfel von den beften Köpfen, die ich be+ fragen Eonnte, für feichte Köpfe gehalten worden find.
Wenn man felbft anfängt alt zu werden, fo hält man Au— dere von gleichem Alter für jünger, als man in frühern Jahren Leute von eben dem Alter hielt. So halte ich z. B. den go ſchmied K.., den ih ſchon vor 30 Jahren gefannt habe, für einen jungen N Mar, ob er gleich gewiß fchon einig® 9 Jahre älter ift, als fein Vater war, da ih ihn zum erfienmal fah, den ich damals gewiß für feinen jungen Mann mehr hielt. Mit andern Worten: wir halten uns felbft und Andere noch in denen Jah⸗ ren für jung, in welden wir, al8 wir nod) jünger waren, Ans dere fihon für alt hielten.
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Es gibt Leute, die zu keinem Entfhluß kommen fünnen, fie
müſſen ſich denn erft über bie Sache befchlafen haben: Dos K l. \R%
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ganz gut, nur kann es Fälle geben, wo man riskirt, mit fammt der Bettlade gefangen zu werben.
Wird man wohl vor Scham roth im Dunkeln? Daß man vor Schreden im Dunkeln bleich wird, glaube ih, aber das Er- flere nicht. Denn bleih wird man feiner felbft, roth ſeiner ſelbſt und Anderer wegen. — Die Frage, ob Frauenzimmzr im Duns keln roth werden, ift eine fehr fhwere Frage; wenigften® eine, bie ſich nicht bei Licht ausmachen läßt.
Es gibt nicht leicht eine größere Schwachheit, als die großen oder wenigſtens glänzenden Thaten mancher Menſchen aus ge⸗ wiſſen Engelsanlagen und einer Größe der Seele zu erklären. Es mag wohl einmal unter Tauſenden wahr ſein; wer aber den Menſchen etwas ſtudirt hat, wird bie Urſachen ſolcher Thaten gemeiniglich ganz in der Nähe finden. Es beißt ſchriftſtelleriſch
vornchm thun, wenn man Alles fo tief ſucht. oe
Ich glaude nicht, daß bie fo genannten wahrhaft Frommen Zeute gut find, weil fie fromm.find, fonbern fromm, weil fie gut find. Es gibt gewiſſe Charaktere, denen e8 Natur ift, fi in- alle häuslichen und bürgerlichen Verhältniſſe zu finden, und ſich das gefallen zu laffen, wovon fie theild den Nugen, theils die Un⸗ möglichkeit einfehen, es beffer zu haben. Alſo das der Religion zuzufßpreiben, Fönnte gar wohl eine fallacia causae fein.
Ih habe durch mein ganzes Leben gefunden, daß fich ber
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Charakter eines Menfchen- aus nichts fo ficher erfennen läßt, wenn alle Mittel fehlen, als aus einem Scherz, den er übel nimmt.
Wer ift unter.uns allen, der nicht Einmal im Jahre närrifch ift, das ift, wenn er ſich affein befindet; ſich eine aridere' Welt, andere Glüdsumftänbe denkt, als die wirdlihen? Die Vernunft befteht nur: darin, fi) fogleih wieder zu finden, fobald bie Scene vorüber ift, und aus ber Komdbie nach Haufe zu gehen.
Man hat in ben finftern Zeiten oft fehr große Männer ges fehen. Dort fonnte nur groß werben, wen bie Natur befonders zum großen Manme geftempelt hatte. Dept, ba der Unterricht fo feiht ift, richtet man die Menfhen ab zum: Großwerden, wie bie Hunde zum Apportiren. Dadurch hat man:'eine neue Art bon Genie entdeckt, nämlich. die große NAbrihtungsfähigkfeitz und dieſes find bie Menfchen., die uns den Handel hauptſächlich verderben; fie können oft das eigentliche Genie verrunkeln- oder wenigſtens hindern, gehorig emporzukommen.
Wenn zwei Perſonen, bie Fi jung gefannt- hatten, alt zus fammen fommen, fo müffen tauſend Gefühle entftehen. Eines der unangenehmften mag fein, daß fle nun fih in fo Manchem betrogen finden, was fie bei ihren: doffanngeſpielen ehemals als gewiß berechnet hatten. rn Er Zu
Selbſt die ſanfteſten, befcheidenften und beſten — NE IQ”
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immer fanfter, befcheidener und beffer, wenn fie ſich vor bem Spiegel fhöner gefunden haben.
Es ift angenehm, bei jedem Menfchen eine gewiſſe Gleich⸗ förmigfeit der Gefinnungen in Rüdfiht auf ihre Temperatur zu bemerken. Bei Johnſon nahm Alles eine gewiſſe Härte any was bei ihm einmal gemwurzelt hatte, das konnte nicht wieber heraus geriffen werden; baber auch fein Z love a good hater. Härte und Weiche erftredt fi gemeiniglich in jedem Menfchen über Alles.
Man rühmt fih im Alter nod einer Empfindfamkeit ber Jugend, die man nie befefien hat. So entfchulbigt fogar das Alter die Jugendfünden, und verbefiert jene Seiten durch Nach⸗ beifen. Sp erzählte mir in biefen Tagen ein alter Mann, er könne fi) Feine größere Freude denken, als im Sommer Mor gend um 5 Uhr oder noch früher durch das Korn zu fahren, oder zu gehen, oder zu reiten; er habe in feiner Jugend ba recht fo feine Andadt in Bewunderung feines Schöpferd gehabt. — Bon alle bem war gewiß fein Wort wahr. Er fuhr und ritt durch dad Kom und vergnügte fih; aber die Vergnügungen waren nit anbädtig, fondern gewiß fehr weltlich, Entwürfe zu Bällen u. dergl. Jetzt corrigirt er die Zeiten, und glaubt damals empfunden zu haben, was er jet vielleicht empfinben würde, oder wenigftens empfinden follte, nad feinem jeßigen Nervenz, Knochen und Muskelſyſtem. — Iſt das nicht fon-
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derbar? In ber That ift es in dem Horagifchen: laudator tem- poris acti etc. enthalten, nur mit Nüance.
Wenn man jung ift, fo weiß man faum, daß man lebt. Das Gefühl von Gefunbheit erwirbt man fi) nur durd Krank: beit. Daß uns bie Erde anzieht, merken wir, wenn wir in die Höhe fpringen, und dur Stoß beim Fallen. Wenn fi) das Alter einftellt, fo wirb der Buftand der Krankheit eine Art von Sefundheit, und man merkt nicht mehr, daß man krank ift. Bliebe die Erinnerung bes Bergangenen nit, fo würde man die Anderung wenig merken. Ich glaube daher auch, daß die Thiere nur in unfern Augen alt werden. Ein Eichhörnchen, das an feinem Sterbetage ein Aufterleben führt, ift nicht uns glüclicher als bie Aufter. Aber ber Menfch, der an drei Stel« len lebt, im Bergangenen, im Gegenwärtigen und in der Bus kunft, kann unglüdlich fein, wenn eine von diefen dreien nichts taugt. Die Religion bat fogar noch eine vierte hinzugefügt — die Ewigkeit.
Es gibt Leute, die fo wenig Herz haben, etwas zu behaup: ten, baß fie fi nicht getrauen, zu fagen, ed wehe ein ?alter Wind, fo fehr fie ihn auch fühlen mögen, wenn fie nicht vors ber gehört haben, daß es andere Leute gefagt haben.
Bei den meiften Menfchen gründet fi) der Unglanbe in einer Sache auf blinden Glauben in einer andern.
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Ich muß mich immer freuen, wenn die guten Seelen, die den Sterne mit Thränen des Entzückens in den Augen leſen, glauben, der Mann ſpiegele ſich in ſeinem Buche. Die Sterniſche Einfalt der Sitten, ſein warmes gefühlvolles Herz, ſeine mit Allem, was edel und gut iſt, ſympathifirende Seele, und wie die Phrafen alle beißen, und ber Seufjer alas poor Yorick! ber Alles zugleih fagt, find unter uns Deutfchen zum Sprüch⸗ wort geworden. Man bat dieß vermuthlich einem Manne, ber mehr Geſchmack ald Kenntniß der Welt hatte, nacdhgefagt, ohne bie Sache weiter zu unterfudhen. Denn bie, bie Sternen am meiften im Munde führen, find eben nicht die, die einen äußerſt wigigen, fchlauen und biegfamen Kenner ber Welt zu beurtbeilen im Stande find. Man kann den Eindrud von zehn Sprüdy wörtern auf einen Kopf leichter auslöfchen ‚ als ben von einem einzigen auf da8 Herz, und neulich hat man ihm fogar ben redlihen Asmus nachgefeht. Das geht zu weit. Die nicht bloß aus Schriften, fondern aus Ihaten bekannte rechtfchaffene Seele bes Wandsbeders fol Sternen nachſtehen, weil uns ein falfcher Spiegel ein angenehmes Bild von biefem zurüdwirft, oder zu⸗ rüdzumwerfen foheint? Ein Buch kann die ganze Seele feines Berfaffers zurüdwerfen, aber es verräth eine große Unbefannt« fhaft mit der Welt und dem menfhlihen Herzen, wenn man diefes von Yorids Schriften glaubt. Yorid war ein kriechender Schmaroger, ein Schmeidhler ver Großen, und eine unausftehliche Klette am Kleide derer, die er zu befchmaujen ſich vorgenommen hatte. Er Fam uneingeladen zum Frühftüd, und wenn man
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ausging, um ihn loszuwerden, fo ging er mit aus, umb rhit in andere Gefellfehaft, weil er glaubte, er könne nirgends un⸗ angenehm fein. Ging man nad) Haufe, fo ging er wieder mit, und feste fih endlich zu Tifh, wo er gern allein und von ſich ſelbſt fpradh. —Ein gelehrter und fehr rechtfchaffener Mann in England fragte mich einmal: was halten fie in Deutfchland von unferem Yorid? Ich fagte, er würbe von einer großen Menge angebetet, und Kenner biefer Art Schriften, die ihn eben nicht anbeteten, hielten ihn doch alle für einen außerorbentlichen und einzigen Mann in feiner Art; ich fände nicht, daß man in Eng- land fo von ihm bädte. — „Um Berzeihung, war die Ant- wort, man denkt in England eben fo von ihm; nur weil wir ihn näher kennen, fo wird das Lob durch die Häßlichkeit feines perſönlichen Charakters fehr gemildert; denn er war ein Mann, ber feine außerorbentlihen Talente größtentheild anwandte, nieber: trächtige Streiche zu fpielen.« — Ic weiß, viele, vielleicht die meiſten meiner Lefer ‚werben biefes für wahre Läfterung halten. Iſt es nicht eine Schande, werben fie fagen, Neſſeln auf das Grab besjenigen zu pflanzen, ber fie fo liebevoll von Lorenzo's Grab ausrig? Aber nicht ausgeriffen haben würde, möchte ich antworten, wenn ihn ein Herzog eingeladen hätte, ober Neffeln ausreißen dem unerreichbar angenehmen Schwäger und Maler von Empfindungen nicht fo vortrefflich geflungen hätte. Mit Wis, verbunden mit Weltkenntniß, biegfamen Fibern und einem burch etwas Interefje geſtärkten Vorſatz, eigen zu fcheinen, läßt fich viel fonderbares Zeug in der Welt anfangen, wenn man
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ſchwach genug ift, e8 zu wollen, unbelannt mit wahrem Ruhm es ſchön zu finden, und müßig genug, ed auszuführen.
Nachtrag zu den Beobachtungen über den Menſchen.
Die Vorurtheile find, fo zu ſagen, bie Kunſttriebe der Men⸗ ſchen. Sie thun daburch Vieles, das ihnen zu ſchwer werden würde bis zum Entſchluß durchzudenken, ohne alle Mühe.
Auch die gemeinſten Dinge würde jedermann anders aus⸗ drücken, wenn er ſeinem eignen individuellen Gefühle folgen wollte. Dieſes geſchieht aber ſelten vor einem gewiſſen reifern Alter, da man merkt, daß man ſo gut ein Menſch iſt, als Newton, oder als der Prediger im Dorfe, oder der Amtmann und alle unſere Vorfahren. Shakeſpeare iſt eine Probe davon.
Man muß nie den Menſchen nach dem beurtheilen, was er geſchrieben hat, ſondern nach dem, was er in Geſellſchaft von Männern, die ihm gewachſen find, ſpricht.
Große Leute fehlen auch, und manche darunter ſo oft, daß man faſt in Verſuchung geräth, ſie für kleine zu halten.
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Wenn Jemand auf bie Ärzte, auf Advocaten, ober bie elenden Philoſophen loszieht, fo lachen die Bernünftigen unter benfelben mit. Wllein wenn man auf einen ſchlechten Geift- lihen etwas fagt, beren e8 doch auch gibt, fo werfen felbft gute Männer unter ihnen mit Eifer und Verfolgung um fid. Was ift davon wohl bie Urfache ?
Die Gabe, den Menfchen ihre Heimlichkeiten fagen gu kön⸗ nen, ift e8, was man bei einem Schriftfteller oft Menſchen- fenntniß nennt. Ein Burſch dünkt ſich gleich mehr, wenn er ben Hut heruntergefhlagen, u. f. w. Iebermann bat feinen guten Grad von Menfchenkenntniß, bie Leute wiffen nur nicht, bag man eben das fagen muß, um für einen Menſchenkenner gehalten zu werden.
Jeder Menſch bat etwas Eignes. Die Feigen und Bieg— ſamen wiſſen es nur nach Anderen zu modeln. Der Wagen: meifter gebt, benft und fpridht, wie e8 fein Knochen⸗ und Ge dankenſyſtem mit ſich bringt; wer ihn ausladht, ben. lacht er wieder einmal aus, oder, wenn er an- der Gelegenheit dazu verzweifelt, fchlägt ihm hinter bie Ohren.
Ich kenne bie Leute wohl, bie ihr meint, fie find bloß Geift und Theorie und können fi) Leinen Knopf. annäben.
Leute, die fehr viel gelefen Haben, machen felten große
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Gntdedungen. Ich fage diefes nit zur Gntfchuldigung ber Faulheit, denn Erfinden fegt eine weitläufige Selbftbetrachtung der Dinge voraus. Man muß aber mehr fehen als fich fagen laſſen.
Wenn die feinen Weltleute fragen: Gott weiß, warum? o ift es immer ein ficheres Zeichen, daß fie außer bem lieben Gott noch einen großen Mann kennen, ber es auch weiß.
Es gibt Schwärmer ohne Fähigkeit, und dann ſind fie wirk lich gefährliche Leute.
Die Enthuſiaſten, die ich kennen gelernt, haben alle den entſetzlichen Fehler, daß ſie bei dem geringſten Funken, der auf fie fällt, allemal wie ein lange vorbereitetes Feuerwerk abbren⸗ nen, immer in berfelben Form und mit bemfelben Getöfe, während bei dem vernünftigen Manne die Empfindung immer dem Eindruck proportionirt if. Der Leichtfinnige raifonnirt nady dem erften Eindruck Faltfinnig fort, da ber vernünftige Mann immer einmal umkehrt und fieht, was ber Inftinet bazu fagt.
Die Gemiffen der Menfhen find, fo wie ihre Leiber, nicht allein nicht gleich zart, fondern auch bei einem Menfchen zart, wo fie bei bem andern eine fehweinsledermäßige Dide haben. Sp habe ich Leute gefannt, deren Gewiſſen fo zart war, baß fie nicht glauben wollten, die Sonne ftände ftil, und um Vieles
nicht auf ein. Städchen Brot getreten Hätten, und bie hingegen mit bem Eigenthbum der Wittwen und Waiſen fchalteten wie mit ihrem eigenen.
Tauſend ſehen den Nonſens eines Satzes ein, ohne im Stande zu ſein oder die Fähigkeit zu beſtten, ihn ſormlich zu widerlegen.
Kleine Fehler zu entdecken, iſt von jeher die Eigenſchaft ſolcher Köpfe geweſen, die wenig oder gar nicht über bie mittel⸗ mäßigen erhaben waren. Die merklich erhabenen ſchweigen fill ober fagen nur etwas gegen ba8 Ganze, und bie großen Geiſter ſchaffen um, ohne zu tadeln.
Von dem, was der Menſth ſein ſollte, wiſſen auch die Beſten nicht viel Zuverläſſiges; von dem, was er iſt, kann man aus jedem etwas lernen.
Keine Claſſe von Menſchen urtheilt billiger von der andern, als die Denker von den Denkern, und keine unbilliger, als die Literatoren von den Literatoren. Die erſten ſehen Alles im wahrſten Lichte, erkennen und verzeihen, die anderen meſſen anderer Leute Fleiß nach ihrem eignen und richten fie darnach.
So wie es Mechaniker von Genie gibt, bie mit wenigen und ſchlechten Inſtrumenten vortrefflich arbeiten, fo gibt es au
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Leute, bie ihre wenige Belefenbeit fo zu gebrauchen und ibren- Srfahrungen eine folche Extenfion zu geben wiflen, daß faum ein fogenannter Gelehrter gegen fie aufkommen kann.
Daß die Menfchen fo oft falfche Urtheile fällen, rührt gewiß nicht allein aus einem Mangel an Einfiht und Ideen, fonbern hauptſächlich davon her, baß fie nicht jeden Punkt im Sage unter das Mifroftop bringen und bedenken.
Beute, bie viel auf ber Strafe leſen, iin gerneiniglich nicht viel zu Haufe.
Auch felbft den weiſeſten unter den Menfchen find die Beute, bie Gelb bringen, mehr willlommen, als bie, die welches bolen.
Die Menfhen haben immer Wig genug, wenn fie nur feinen baben wollen.
Es iſt ja doch nun einmal nicht anders: die meiflen Men⸗ fhen leben mehr nad der Mode als nad) der Vernunft.
Manden Perſonen muß man fehr nahe fommen, um ben
Reiz zu ſehen, den ihnen das gute, gefüllige Gemüth gibt. Kann es nicht eben deßwegen bei Manchen ganz untenntlidy fein ?
Die edle Einfalt in den Werfen ber Ratur bat nur gar
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zu oft ihren Grund in ber edeln Kurzfichtigkeit befien, ber fie beobachtet;
Gr war einer von benen, bie Alles beffer machen wollen, al8 man es verlangt. Diefes ift eine abfcheulihe Eigenſchaft in einem Bedienten.
Zu überzeugen ift ber Pöbel nicht, oder fehr felten. Durch liftige Lenkung feines Uberglaubens kann er body noch zuweilen zu guten Handlungen gebradht werden. Wir fohreden ja bie Kinder, bie wir nicht Überzeugen Bönnen, auch mit dem ſchwar⸗ zen Manne und mit Schornfteinfegern. Der heilige Januarius zu Neapel ift nichts weiter, Hier ift mieder die Reihe, deren äußerfte Glieder gar nicht mehr zufammen zu gehören fcheinen.
Gewiß ift die Anbetung der Sonne zu verzeihen. Jeder⸗ mann fieht fhon unwillfürlih nad einem hellen led. Das thun auch die Thiere, und was bei Kagen, Hunben unwillfürs liches Starren, ift bei den Menſchen Anbetung.
Iren ift auch in fo fen menſchlich, als die Xhiere wenig ober gar nicht irren, wenigftens nur bie Plügften unter ihnen.
Die gefundeften und fchönften, regelmäßigft gebauten Leute find die, die fich Alles gefallen laſſen. Sobald einer-sin Ge: brechen bat, fo bat er feine eigne Meinung.:
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Die Seiftlihen machen einen Lärm, wenn fie einen Mann fehen, der frei dentt, wie Hennen, bie unter ihren Jungen ein Entchen haben, melches in das Wafler gebt. Sie bedenken nicht, daß Leute in dieſem Elemente eben fo fidher leben, als fie im Trocknen.
Es ift zum Erftaunen, mie weit ein gefunder Menfchen- verftand reiht. Es ift auch bier, wie im gemeinen Leben, der gemeine Mann gebt bin, wohin ber Bornehme mit Sehfen fährt.
Feder gute Kopf iſt ein matbematifcher Wilder, ber filh fein Boot mit fümmerlihen Werkzeugen baut, aber in vielem ſchweren Zälen, durch individuelle Geſchicklichkeit und Übung, oft Dinge ausrichtet, die jener nicht ausrichten kann.
Ein großes Genie wirb felten feine -Entbedungen auf ber Bahn Anderer mahen. Wenn es Sachen entbedt, fo ent⸗ dedt e8 auch gewöhnlich die Mittel dazu.
Bon bem feltfamen Gefchmade ber Menfchen zeugt auch dieſes, baß bei belagerten Stäbten Leute ſowohl heraus als binein befertiren.
Nichts zeigt fo Fräftig, wie fehr man fi) durch die Gewohn⸗ beit über Alles wegfegen lernt, als bie Yerüden, die felbft Geiſt⸗
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liche in einer von dem natürlichen Haarwuchs fo fehr abweichen: ben Form tragen, ohne dadurch Tächerlich zu werben.
Es gibt Zeichnenmeifter, die für Jedes, Bleiftift, Röthel, ſchwarze und weiße Kreide, ein eigned Zebermeffer in einer eignen Abtheilung der Schublade halten, Portraitmaler, bie mit Rich: tung und Stimmung bes Lichts und ber Fenfterladen vor Son: nenuntergang nicht fertig werden, bie Armel ewig einftreichen, den Stuhl rüden u. f. w. Diefe zeichnen und malen gemeinig- ih am fchledteften. Die ärmfte Unfähigkeit ift immer reich an Nebenbereitungen, durch alle Verrichtungen und alle Stände, felbft bis auf die feichten Schriftfteller, bie immer in Einleituns gen glänzen. |
Der Dachdecker ftärkt ſich vielleiht durch ein Morgengebet zu ben größten Gefahren. Das find glüdlide Menſchen, bie das können. Bielleicht aber audy durch eine Doſis von gebrann« tem Kakenhirn. O, wenn man body manchmal wüßte, was ben Leuten Muth gibt !
Jedermann ift fehr begierig, durch Schaden Flug zu werben, wenn nur ber erfte Schaden, ber dieſes lehrt, wieder erjegt wäre.
Auf die Blüthe folgt die unreife Frucht, die Blüthe ift in fi eine Vollkommenheit. Eben fo ift e8 mit dem Menfchen. Der Jüngling wird für vollfommener gehalten als ber Manu
J. I
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von 30, 40 Jahren, und dann kommt erſt wicder ein vollenbeter Buftand, bie Keife.
Wenn ih auch nit im Stande bin, dad: es werbe, über todten Stoff auszufpredhen, um ihn bamit zu befeelen, fo kann ich doch vielleicht in die Trompete ber Erweckung ftoßen, um zu fehben, ob ſich unter den Erfchlagenen noch etwas rührt.
Der verftorbene M., welcher eine Fatholifche Aufmärterin batte, fagte einmal ganz bona fide zu mir: bie Perfon ift zwar katholiſch, das ift wahr, aber ih kann Dich verfihern, es ift eine ehrliche gute Haut, fie hat neulich mir zu Liebe fogar einen falfhen Eid gefchworen.
In der Gabe, alle Borfälle bes Lebens zu feinem und fei« ner Wiffenfchaft Vortheil zu nügen, darin befteht ein großer Iheil des Genies.
Gr hieß dieſes: mit ftillthätiger Geduld abwarten. Diefes ift eine große Regel. Die Menfchen ändern fi) von ſelbſt, wenn man fie nicht ausbrüdlich ändern will, fondern ihnen nur un» merklich die Gelegenheit macht, zu fehen und zu hören. BBiele Unternehmungen mißlingen bloß, weil man die Früchte davon noch gern erleben wollte. .
Man lat, und mit Recht, über den Verſuch jenes Men:
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fen, ber feinem Pferde das Freſſen abgemwöhnen wollte. Es ftarb aber leider! gerade an dem Tage, ba bie größte Hoffnung war, ihm bie Kunft endlich beizubringen. Mit dem Klugmer: ben geht das nicht bloß den Schwaben fo, fonbern ben meiften Menfchen.
Die Perfonen, die am aufgelegteften find, ſich mit prakti⸗ fhen Dingen zu befchäftigen, ober, was man in ber gelehrten . Welt jest arbeiten nennt, find bie, die am wenigften Unterhal⸗ tung in fich felbft finden. Bei ihnen ift immer ber Stoß von außen nöthig.
Bei einem Menfchen, ber mit Gottesfurdt prahlt, muß man nie eigentliche chriftliche Gefinnungen fuchen.
Sehr viele und vielleicht bie meiften Menfchen müffen, um etwas zu finden, erft wiffen, daß es da ift.
Der gemeine Mann hält. bei feinem SKirchengehen unb Bibellefen die Mittel für den Zwei. Ein fehr gewöhnlicher Irrthum.
Wenn ich mit Jemandem rede, ſo bemerke ich gleich, ob er Elaſticität hat, oder ob er jedem Drucke nachgibt. Die Bar⸗ biere find alle weich. Käſtner ift hart. Meiſter war slaftifch.
3°
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Bon.Allem, was in ber Welt ausgerechnet wird, gefcheien 2/, gedankenlos.
Die Menfchen gehen eigentlich nicht felbft in Gefellfchaft, fondern fie fchiden eine angeBleidete Puppe ftatt ihrer bin, bie fie ausfleiden, wie fie wollen.
Rouffeau, glaube ich, hat gefagt: ein Kind, bas nur feine Eltern kennt, kennt auch die nicht recht. Diefer Gedanke läßt fi) auch auf viele andere Kenntniffe, ja auf alle anwenden, bie nicht ganz reiner Natur find. Wer nichts ale Chemie verfteht, verſteht auch bie nicht recht.
Was doch eigentlid ben Armen den Himmel fo angenehm madt, ift der Gedanke an bie dortige größere Gleichheit ber Stänbe. |
Bei vielen Menfchen ift das Verſemachen eine Entwidelungs- krankheit bes menfchlichen Geiſtes.
Thue ed ihm nach wer kann.
Hupazoli Iebte in 3 Jahrhunderten. Er warb ben 15ten März 1587 zu Cafale geboren und ftarb den 27ten Januar 1702. Er beirathete 5 Frauen, mit denen er 24 Kinder zeugte, und außer diefen zählte er noch 25 Baftarde. Er trank nur Waffer, tauchte nie Tabad und aß wenig aber gut, befonders Wildpret
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und Früchte Er wohnte nie einer Schmauferei bei, um allzeit früh zu Abend zu effen, und eine halbe Stunde nachher zu Bette gehen zu können. Er hinterließ 22 Bände, worin Alles aufgee fhrieben war, was er verrichtet hatte.
Ich habe mehrere folcher Buchhalter gefannt. Sie werden gewöhnlich alt. Die Diät biefer Menfchen nachzuahmen hilft nit viel... Die Nachahmer thun es durch den Kopf, durch ver: nünftigen Entſchluß, und das hilft fo wenig als fi der Mangey bes Genies durch Regeln erfegen läßt. Man hält bier für bie Wirkung, was eigentlich die Urfache if: Die Männer nad der Uhr werden gewöhnlich alt, denn die Fähigkeit, alt zu werben, madt fie zu folhen. Der Nachahmer weiß filh bei fich felbft fhon zu groß, ber Triumph über feine Neigungen felbft ift ein Nervenfpiel, das fi) nicht-mit einent langen Leben verträgt.
Cultur verfchlingt die Gaftfreundfchaft.
Wer recht fehen will, was der Menfh thun könnte, wenn er wollte, darf nur an bie Perfonen gebenfen, bie fih aus Ges fängniffen gerettet haben oder haben retten wollen. Sie haben mit einem einzelnen Nagel fo viel getban, wie mit einem Mau⸗ erbrecher.
Die Leute, bie niemals Zeit haben, thun am wenigften.
Man wird grämlich, wenn man alt wird, oder wenn Liekbs.
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Ich babe mich öfters bes Lächelns nicht erwehren können wenn ih auf meinem Garten die Reiſenden vorbeifahren Toy. Die Morgens um 5 Uhr paffirten, waren bie, welche um 3 Uhr reifen wollten, um 6 Uhr famen bie um 4 bie Pferde befellt hatten, und dann endlih um 7 oder 8 Uhr, bie den Weg noch in der angenehmen Kühle machen wollten.
Einige Leute berathfchlagen fi) aus Scherz, was fie anfan⸗ gen jollten, wenn fie das große 2008 gewünnen. Zwei barunter haben ein 2008 in Compagnie. Sie fallen auf allerlei Arten von Handel, den fie anfangen wollten, ed wird von Anderen mit Gründen eingefproden, warum diefer Hanbel nicht gienge, enblich vergißt man, baß das Ganze eine Vorausfegung ift. Es wirb geftritten, al8 ob die Sache wirklich wäre, und mit einem folden Eifer, daß e8 darüber zu Schlägen kommt. Die Schläge abgerechnet, babe ich fo etwas einigemal erlebt, nit ohne Ber: gnügen und herzliches Lachen der Geſellſchaft, indeffen hatten ſich bod Einige fo weit dabei erhitzt, daß fie nicht mitlachten, wel« ches das Vergnügen ber Andern nicht wenig erhöhete.
Was für ein Unterfchieb zwifchen den Jahren, wo man bie Borfehung überall, und denen, wo man Beurtheiler fieht!
Erft müffen mir glauben, und dann glauben wir.
Die Könige glauben oft, das was ihre Generale und Abs
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mirale thun, fei Yatriotismus und Eifer für ihre eigne Chre. Ofters ift die ganze Triebfeder großer Thaten ein Mädchen, wel— ches die Zeitung lieft.
Die Menfchen haben ihre befonderen Manieren zu fehlen, zumal liegen die Fehler häufig in- einer falfchen Art don Ge- nauigfeit. .
Man ſpricht viel von Aufklärung und wünſcht mehr Licht. Mein Gott, was hilft aber alles Licht, wenn die Leute entwe⸗ der Leine Augen haben oder die, welche fie haben, vorfäglich verjchließen ! 0
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5. Phyfiognomiſche und pathognomifche Be: obachtungen und Bemerfungen.
Menogenes, ber Koch bes großen Pompejus, fah wie ber große Pompejus felbft aus. &. Plin. Hist. nat. VII. 17.
Wir können uns beim Anblid einer Sache nicht enthalten, wenigftens etwas barüber zu urtheilen; diefes thun wir auch bei Menſchen, darauf hat Einer eine Phyſiognomik gebaut.
Ich babe einmal in Stade eine Ruhe mit einem heimlichen Lächeln in dem Gefichte eines Kerls erblidt, der feine Schweine glüklih in eine Schwemme gebracht hatte, worein fie fonft un⸗ gern gingen, dergleichen ich nachher nie wieder geſehen habe.
In 9. logirte ih einmal fo, daß meine Fenfter auf eine enge Straße gingen, woburd die Communication zwijchen zwei großen erhalten wurde. Es war fehr angenehm, zu fehen, wie bie Leute ihre Gefichter veränderten, wenn fie in bie kleine Straße Famen, wo fie weniger gefehen zu fein glaubten. So wie Einer bier fein Waſſer abfhlug, ber Andere dort fih die Strümpfe
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band, fo lachte der Eine heimlich, und der Andere fchüttelte den Kopf. Mädchen dachten mit einem Lächeln an bie vorige Nacht, und legten ihre Bänder zu Eroberungen auf ber nächſten großen Straße zuredt. |
Sch bemerkte wirklich auf feinem Gefichte den Nebel, der allezeit während des Wonnegefühls aufzufteigen pflegt, dad man empfindet, wenn man fi über Andere erhaben zu fein glaubt.
Wir haben Peine deutliche Vorfielung vom menſchlichen Gefidht, und das macht e8 fo fchwer, Phyfiognomif zu lehren. Die Regeln enthalten immer nur Beziehungen einzelner Theile auf den Charak⸗ ter. Das Gefiht eines Mannes, ber mich einmal betrogen bat, Penne ich fo genau, ſehe es fo bdeutlih vor mir, daß ich in einem andern ihm ähnlichen Gefichte die geringfte Abweichung fo fchnell bemerfe, als wären fie ganz verfchieden, ob ich gleich nit im Stande bin, mit Worten auszubrüden, wo es liegt, und noch weniger, e8 zu zeichnen; und doch werde ich auß ber größern oder geringern Ähnlichkeit, bie andere Leute mit jenem haben, auf ihren Charakter ſchließen, weil fich die Vorftellung ber Betrügerei mit jener Senfation affocürt hat. Ein Zug im Geſicht wird fih nicht fo leicht mit ber Vorfchrift, als mit der Hanblung afforiiren. Ich habe immer gefunden, daß ed Leute von mittelmäßiger Weltfenntniß waren, die ſich am meiften von einer ?ünftlichen Phyſiognomik verſprachen; Leute von großer Weltfenntniß find die beften Phnflognomen, und bie, die am
204 wenigften von ben Regeln erwarten. Die Urfade ift Teicht eine zufehen.
Das Thorheitsfältchen findet fi gemeiniglich bei Leuten, die mit einem albernen, nicht verfehwindenden Lächeln Alles be= wundern, und nichts verftehen.
Der völlige Idiot, ber vernünftige gangbare Mann, und ber Rafenbe haben überhaupt ihre Zeichen, woran man fie Teicht ertennt, aber die Gradationen und Nüancen bierin zu beftimmen (da8 eigentliche Fach der Phyfiognomik), ift fehr fchiwer.
Es gibt Leute, deren Lippen mit gleicher Breite um ben ganzen Mund berumgehen, der dadurch das Anfehen von einem Seuerftahl erhält; mit diefen ift felten viel anzufangen.
Große Heinlichkeit ohne Gederei und ohne daß man merkt, daß fie gefucht wird, Nachgibigfeit und unaffectirte Befcheibenheit und Wohlwollen ohne Zwang kann zur Schönheit werden, we⸗ nigffens Liebe gewinnen.
Wenn’ die Phyfiognomik das wird, was Lavater von ihr er: wartet, fo wird man bie. Kinder aufhängen, ehe fie die Thaten gethban haben, die ben Galgen verdienen. Es wird alfo eine neue Art von Firmelung jedes Jahr vorgenommen werden miüfe fen — ein phyſiognomiſches Auto da Fe.
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Wenn ich no ein Beichen des Berftandes angeben foll, das mich felten betrogen bat, fo ift es dieſes, daß Leute, bie fehr viel älter find, als fie fcheinen, felten viel Verftand haben; und umgekehrt, junge Leute, die alt ausfehen, ſich auch bem Ber- flande des Alters nähern. Man wird mich verftehen, und nicht etwa glauben, baß ich unter jung ausfehen, Gefundheit und frifche Farbe, und unter Anfchein des Alters, Zalten und Bläffe verſtehe. |
Es iſt etwas Beſonderes, und ich habe es nie ohne Lächeln bemerkt, daß Lavater mehr auf den Naſen unſerer jetzigen Schrift⸗ ſteller findet, als die vernünftige Welt in ihren Schriften.
Die Hand, bie Einer ſchreibt, aus ber Form der phufifchen Hand beurtheilen wollen, ift Phyfiognomil.
Sobald man weiß, baß Iemand blind ift, fo glaubt man, man ?önnte e8 ihm von binten anfehen.
Es gibt wahrhaftig eine Art zurüdhaltender und empfind⸗ licher Menjchen, die, wenn fie fidh freuen, ausfehen, wie Ans bere, wenn fie weinen. Wer das noch nicht gefehen bat und nit weiß, muß fi nicht unterftehen, ein Wort über Phy⸗ fiognomif zn fagen.
Niemanb ift aufgelegter, zu glauben, feine Bemerkungen
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hätten etwas unbefchreibli Xieffinniges, und was Taufenden von Menfchen zu fehen verfagt fei, als ber Yhyfiognomift. Ich babe mich ehemals fehr damit abgegeben, und mir nicht wenig darauf zu Bute gethban. Die meiften waren fo fein, baß es mir gar nicht ſchwer wurde, zu glauben und einzufehen, daß fie nicht leicht Jemand anders machen könne, ald Ih. Man barf aber nur Acht geben, tie veränberlih und fchwimmend bie Grenzli⸗ nien jeder gemachten Beihnung find, und wie oft man andere ziehen muß; das Beftänbige ift gering, und zu Papier gebradht nur demjenigen recht verftänblich, der es ſich ſchon vorher felbft gefunden bat, dem Adepten. Nunmehr bin ich überzeugt, daß e8 hundert andern Leuten, zumal Stubenfigern, eben fo gegan⸗ gen ift, wie mir. Nachrichten aus dem Cabinet ber Seele find unterrichtender, als die, bie in allen Compenbien ſtehen; baber babe ich die gegenwärtige aus dem Cabinet ber meinigen fehr gern befannt gemacht.
Das Suftem bed Hefvetius, daß die Menfchen an Anlagen . alle einander glei wären, flößt alle Phyfiognomif über ben Haufen. Moher kommt es doch, daß man bei ähnlichen Ge- Achtern fo oft ähnliche Gefinnungen findet ?
Es gibt Leute, die fo fette Gefichter haben, daß fie unter dem Sped laden können, baß ber größte phyfiognomifche Zauberer nichts davon gewahr wird, da wir arme wind» dünne Gefchöpfe, denen die Seele unmittelbar unter ber
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Epidermis fist, immer die Sprache fpreden, worin man nicht lügen ann. \
Der Verſtand feheint das Band zu fein, woburcd wir mit der Welt überhaupt und mit ihren Abfichten zufammenhängen, nicht unfer Gefühl allein. Wenigftens muß ber Berfland vor her erkannt haben, und dann Fönnen fich feine Schlüffe endlich, zur Klarheit berabgefiimmt, mit andern Gefühlen durch Affos ciation verbinden. Schlüffe von Schönheit auf Vollkommenheit zu maden, ift nicht beffer, als von den Conpulfionen und Ge⸗ fihtöverzerrungen eines Sterbenden auf feine fihredfichen Em⸗ pfindungen zu ſchließen. Er Bann gerade in einer Art von mwollüftigem Gefühl Liegen, wie der Mann, von dem in den Pariſer Memoiren (für das Jahr 1773) erzählt wird, ber einen in mephitifcher Luft erftidten Menfchen zu Hülfe eilen wollte, und jelbft ohne Empfindung hinfiel, und nur durch bie forg: fältige und anhaltende Bemühung einiger Ärzte ins Leben zurüd: gebracht wurde. Hier heißt es in dem Berichte:
«Entre le moment de son entrée dans cette cave et celui, oü il perdit connoissance, il ne s’ &coula qu’ environ deux minutes, Pendant cet espace de tems il ne’ ressentit ni douleur, ni oppression, et l’instant, qu’il perdit connois- sance, il eprouva une sensalion des plus voluptueuses, un delire inexprimable; il goütoit avec plaisir, à la porte du tombeau, une satisfaction delicieuse, absolument exemte des horreurs, que l’on a ordinairement de la mort. II perdit
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enfin tout mouvement, tout sentiment, et resta dans celte situation environ une heure et demie au pied de l’escalier de la care, oü il &toit tombé etc.»
Es ift eine alte Regel: Ein Unverfhämter kann befcheiden ausfehen, wenn er will, aber kein Befcheidener unverſchämt.
Den Streih, ben Parrhaſius dem Zeuris, und Beuris ben Bögeln fpielte, fpielen täglih Tauſende ihren Nebenmenfchen mit ihren Gefichtern.
Sch gebe zu, daß bie ganz großen, und bie ganz ‚fchlechten Menfchen gezeichnet fein mögen — iſt das aber zu einer Phy⸗ fiognomit genug? Die meiften und minder monftröfen Men⸗ fhen liegen gewiß in ber Mitte, und erfi die Gelegenheit und ber Zufall wirft fie in eine von beiden Claſſen.
Ein aufgeblafener Menfh kann fehr fehwindfüdhtig aus: fehen. — Die Hoffnung, die man fih von Phyſiognomik macht, bat fehr viel mit den Träumen Fontenelles gemein, ber von bem Fliegen in ber Luft auf das Fliegen nach dem Monde fällt. Die Damen glaubten ihm aud).
Bon Allem, was ich über Phyſiognomik gefchrieben babe, wünfchte ich bloß, daß zwei Bemerkungen auf bie Nachwelt fümen. Es find ganz einfältige Gedanfen, und Niemand wird
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mic) darum beneiden. Der eine, baß ich die Ähnlichkeit zwi⸗ [hen Phyfiognomie und, Prophetik erkannt habe; der andere, daß ich überzeugt gewefen bin, bie Phyſiognomik werde in ihrem eigenen Fette erfliden.
Wenn bie Podeninoculation allgemeiner wird, fo werden wir um eine ganze Claffe von Gefichtern fommen. Überhaupt, wenn Krankheiten ausftürben, fo würden viele Gefichtsgefchlech- ter untergehen.
Fragment.
Phyſiognomiſche Miſſionsberichte, oder Nachrichten von dem Z3uſtande und Fortgang der Phyſiognomik zu Sranquebar.
Es wird unfern Lefern noch aus ben Erlanger Zeitungen im Andenten liegen, daß um die Mitte bed Jahre 1778 das Sdiff la Divineuse, unter Führung des Capitains Sebaftian Brand, geladen mit Storchfcehnäbeln, Stirnmeſſern und fünf: hundert Ballen Silhouetten, aus dem Xerel nad Oftindien ab- gegangen, um das Licht der Phyſiognomik in jenen finftern Gegenden zu verbreiten. Am Bord beffelben befanden fich drei Eingeweihete; nämlid: Don Zebra Bombaft, eigentlich ein geborner Spanier, der aber in Deutfchland erzogen iſt; ein Mann von edlem hohen Sinn, in Gang und Stil von recht
trönungsmäßigem Wefen. Bon der Wahrheit der Phyfiognomie 1. \&
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überzeugt, oder doch fo gut als überzeugt, achtete er Feine Ein⸗ würfe mehr. Hr. Lavater hätte auf feinen würbdigeren Mann verfallen können; hauptfächlich weil er mit bem utili nicht allein das dulce, fondern auch ba8 amarum zu verbinden weiß.
Der zweite war Peter Kraft, ein auserwählter phyfiogno- mifcher Gläubiger, ber burh Hrn. Lavaters Stil überzeugt worden war, weil er glaubte, in folder Begeifterung könne man feine Unwabhrbeiten reden. Der kaltblütige Menſch allein irre eigentlih nur, weil Kälte, Erde und Irrtümer Synonyma wären; bingegen fei der warme Menſch gottesbefefien, fei Planzug bed Ganzen, ohne freien Willen, und alfo offenbar Triebwerk des Weltzweds. Weiffagungen aus Überlegung wären ipso facto feine. Nur allein Gott weiffage aus Raifonnement, das Gefhöpf nur durch ihn; und das gefchehe allemal, wenn e8 koche.
Don Zebra und Peter Kraft waren die beften Freunde, und bewegen von Hrn. Lavater gewählt worden. Es war auch nicht leicht möglich, daß fie hätten Zeinde werden können; benn in ber Überzeugung von ber Wahrheit der Phyfiognomit waren fie ſchon eins, und hatten alfo nicht nöthig, fi) auf die Gründe einzulaffen; daher fie die meifte Zeit nur in flarfen, zuweilen twigigen Ausdrüden wider die Gegner der Phyſiognomik fprachen.
Der britte Friedrich Weiß aus Berlin, ebenfalls ein Bertheidiger der Phyſtognomik, wiewohl Fein warmer. Nach einem einflimmigen Zeugniß Aller, die bie Reiſegeſellſchaft ges kannt haben, war er ber befte Kopf unter ihnen. Er batte in
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ber That über Phyfiognomit nachgedacht. Hr. Lavater hatte ihn, obne ed fih merken zu laſſen, gewählt, um Leute zu überzeugen, in denen bie Gnabe nicht wirken wollte; bingegen Don Zebra und Peter Kraft, biejenigen zu überzeugen, ' die ohne Überzeugung glauben.
Nachtrag zu ben phufisgnomifchen und pathognomifchen Beobach⸗ tungen und Bemerkungen.
Es ift bie Pflicht jedes Weltweifen, den König in einem Schubflider zu erfennen, um bem Berdienfte zu bezahlen, was des Verdienſtes ift, und nicht Größe der Seele, Talent und Fähigkeit nach dem lärmmachenden Effert zu fhägen. Wenn die Phyſiognomik dazu etwas beitragen kann, fo ift fie aller: dings eine verehrungswürbige Wiffenfhaft und Schuldigkeit fie zu flubdiren.
Die unterhaltendfte Fläche auf der Erde für uns iſt die des menſchlichen Gefichts,
Die gemeinen Leute find herrlich zu gebrauchen, manche Bemerkungen zu machen, wenn. man ihre Mienen beobachtet. 14*
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Man kann fie benutzen wie die Hunde, bie abgerichtet-find, Hühner und Trüffeln zu finden, welche man felbft nicht riechen kann.
Mir können gar nichts von ber Seele fehen, wenn fie nicht in den Mienen fitt. Die Gefichter einer großen Berfammlung von Menfchen könnte man eine Gefchhichte der menſchlichen Seele nennen, mit einer Art von chinefifhen Beichen gefchrieben. Die Seele legt, wie der Magnet den Zeilftaub, fo das Gefiht um fih) herum, und bie Verſchiedenheit ber Lage bdiefer Theile be: ſtimmt die Verſchiedenheit befien, das fie ihnen gegeben hat. ge länger man Gefidhter beobadhtet, deſto mehr wird man an den fogenannten nichtöbedeutenden Gefigtern Dinge wahrneh- men, bie e8 individuell machen.
Gefiht und Seele find wie Sylbenmaaß und Gedanken.
Es gibt wenig Menfchen, die ein gefcheutes Gefiht machen können, wenn fie nad) ber Sonne fehen.
Se größer die Veränderung von ber Ruhe zum Lachen ober von der Ruhe zum Weinen im Gefiht ift, deſto empfindlicher it es. Ich babe in meinem Leben Leine folche Veränderung gefehen, als in bem Gefichte meines älteften Jungen, wenn er lähelt und wenn er weint. Im erſten Falle babe ich nicht leicht ein himmlifcheres Geficht gefehen, und wenn er weint, fo befommt er eine Art von 80jährigem Geficht, das ganz vieredig
mwird, da das andere fonft rund iſt. Sch babe ihn daher ben Wagenmeifter genannt, weil ber fel. Bruns, unfer vierfehrötiger Wagenmeifter, ungefähr ein folche® Geficht hatte.
Es gibt Gefihter in ber Welt, wider die man ſchlechter⸗ dings nicht Du ſagen kann.
Den Leuten, die ausgewachſene Schienbeine haben, kann man dieß gemeiniglich an dem Unterkinn anſehen.
6, - Pädagogiſche Bemerkungen.
Es wäre ber Mühe werth, zu unterfuchen, ob es nicht ſchädlich ift, zu ſehr an der Kinderzuucht zu poliren. Wir kennen ben Menfchen noch nicht genug, um dem Zufall, wenn ich fo reden darf, dieſe Verrichtung ganz abzunehmen. Ich glaube, wenn unfern Pädagogen ihre Abficht gelingt, ich meine, wenn fie e8 dahin bringen können, daß fi) die Kinder ganz unter ihrem Einfluß bilden, fo werden wir feinen einzigen recht großen Mann mehr befommen. Das Braudhbarfte in unferm Leben bat uns gemeiniglich niemand gelehrt. Auf öffentlihen Schu⸗ len, wo viele Kinder nicht allein zufammen lernen, ſondern auch Muthwillen treiben, werden freilich nicht fo viel fromme Schlafmügen gezogen, Mancher geht ganz verloren, ben meiften aber fiebt man ihre Überlegenheit an. Betwahre Gott, daß ber Menfh, deffen Lehrmeifterin die ganze Natur ift, ein Wachs⸗ klumpen werden fol, worin ein Profeffor fein erhabenes Bildniß abdrudt.
Nachdem die Welt fchon fo lange geftanden hat, feheint es faft unnöthig, am Menfchen weiter zu fünften. Man laſſe
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die Kinder fo viel als möglih thun, und halte fie immer zu ältern, als fie felbft find; man ſchwatze ihnen nicht viel von großen Männern vor, fondern balte fie wo möglich) an, Andere zu übertreffen. Wer immer angehalten wird, feine Spieltameraden zu übertreffen, ber wirb im vierzigften Jahre alle feine Collegen übertreffen. Aus ber Schule von Eton und Weftminfter Fommen Leute, bie alles Andre lieber thun, als ſchwatzen. Wenn ich mir ein Vergnügen machen will, fo denke ih mir einen von unfern funfzehnjährigen gelehrten Knaben in die Gefellfehaft eines funfzehnjährigen Engländers, der aus ber Schule von Eton zurüdfommt; ben erften im Haarbeutel, ge— pubert, bemüthig und gefpannt, auf den mindeften Drud mit einer Menge Gelehrfamkeit Ioszubrechen, in feinen Meinungen fhlechterdings nichts Anderes, als ber Feine fehlecht copirte Papa oder Präceptor, ein bloßer Wiederfchein, bewundert bis ins fechözehnte Jahr, im ftebzehnten, achtzehnten, neunzehnten, zwan- zigften mit Erwartung und Stille angefehen, da indeffen das auf hohlen Grund aufgeführte Gebäude zu finfen anfängt, im zwei und zwanzigften, drei und zwanzigften u. f. w. ein mittel- mäßiger Kopf, und fo bi8 ans Ende. Der Engländer hingegen bat fein reines Todiges Haar um bie Ohren und Stirne hängen, die Miene blühend, die Hände zerkfragt und auf jebem Knöchel eine Wunde; Horaz, Homer und Birgil find ibm immer gegen mwärtig, in feinen Meinungen ift er beftimmt und eigen, irrt fih taufend Mal, aber verbeffert fich felbft u. f. w.
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gefunde Kinder zu ziehen. In wie weit flimmt dieſes mit unferer Methode überein? Unfer Einbläuen ber Geographie foheint Feines von allen Dingen fonderlich zu befördern. Es kann einer in feinem zwanzigften Jahre noch glauben, daß das Kö- nigreich Preußen eine Infel fei, und deßwegen doch ein in allem Betracht trefflicher Menfch fein. Ich habe einen foldhen gekannt. Man foll zwar immer bei der Erziehung auf bie conventionellen Schönheiten des Geiftes Rüdfiht nehmen, aber e8 find doch bie letzten. “
Kinder zu kuppeln, wie die Hunde oder die Schweine in England. Es wird in der Welt nicht eher gut geben, bis man die Kinder Puppelt. |
Es ift in der That verkehrt, wenn man unfern Kindern Alles mit Liebe beibringen will, da in dem höheren Leben, wenn wir älter werden, uns das Wenigfte zu Gefallen geht, und wir und immer unter einen Plan demüthigen müffen, ben wir nicht überfeben. Alſo je eher je lieber zu jenem, Fünftigen Leben gewöhnt!
Ih wünſchte ein Kind zu haben, das ich mir ganz eigen machen könnte; ich mollte e8 zu Allem anhalten, wovon ich jeßt zu fpät einfehe, daß ich es verfäumt habe. Die Eltern halten ihre Kinder nicht genug zu dem an, was fie nun erkennen müf: fen verfäumt zu haben. Überhaupt glaube ich, daß es fehr we-
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nige Lehrer gibt, bie fo unterrichten, baß fie das vermeiden zu lehren, was fie felbft, wenn fie bei jetzigem Berftande jung wä- ren, vermeiden würden zu lernen.
Es war ein vortreffliher Junge, als er kaum ſechs Jahr alt war, konnte er fhon das Vater Unfer rückwärts berbeten.
Man follte alle Menfchen gewöhnen, von Kindheit an in große Bücher zu fehreiben, alle ihre Erercitia, Auffäge u. f. w. und bie Bücher in Schmweinsleber binden. Da fi Fein Gefek daraus machen läßt, fo muß man die Eltern darum bitten, we- nigftens bei Kindern, bie zum Studiren beftimmt find, bieß zu beobachten. Wenn man jett Newtons Schreibbücher hätte! Wenn ih einen Sohn hätte, fo müßte er gar ein Papier unter Händen befommen, als eingebunbenes. Serriſſe oder befubelte er es, fo würde ich mit väterlicher Dinte babei fehreiben: Dieß hat mein Sohn anno .. den ... befudelt, Man läßt den Körper und bie Seele, da8 punctum saliens der Mafchine fortwachfen, und verfchweigt und vergißt e8. Die Schönheit wandelt auf den Straßen; warım ſollten nit in dem Familienarchiv die Probucte, oder vielmehr bie Signaturen ber Fortfchritte bes Geiftes niedergelegt bleiben, und der Wachsthum dort eben fo fihtbar aufbewahrt liegen können? Der Rand müßte gebrochen, und auf einer Seite immer die Umftände, und zwar fehr unparteiifch, gefchrieben werben. Was für ein Vergnügen würde es mir fein, jegt meine Schreib: bücher alle zu überfehen! Seine eigene Naturgefhichtel Manu
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fieht jeßt immer, was man ift, und fehr ſchwach, was man war. Man müßte dem eigentlichen Gegenftande ber Sammlung diefe nicht zu oft fehen laſſen; vieleicht nur erft fpätz das Übrige müßte er bloß aus Relationen kennen. Man hebt die Kinder: bäubchen auf, und ich babe öfters felbft den Bufammenkünften mit beigewohnt, da man einem großen, befoldeten und anfehn- lihen Kopf fein Kinderhäubchen wieß. Warum nicht eben fo mit Werfen bes Geiftes? Die Eltern könnten eine ſolche Samm⸗ lung von Bänden eben fo aufbewahren, wie ihr Kind, benn es ift der Spiegel beffelben. Wie fie feinen Leib zu bilden haben, lehrt fie ihr Auge; wie feinen Geift, der Anblid biefer Bände. Vom vierten Jahre, glaube ih, könnte man anfangen. Kein Band müßte verloren werden; denn das Papier muß boch bezahlt werben, und das Aufbewahren macht keine Schwierigkeiten. Ich wüßte nicht, welches angenehmer und nüglicher wäre, bie Bewe⸗ gung aller Planeten zu Eennen, oder biefe Annalen einiger vor züglihen Menfchen. Die Welt würde dadurch fehr gewinnen.
Man muß bie Kinder in einen Korb fperren, aber ihnen ben Korb fo angenehm maden, ald möglich; das heißt, wer ein großer Biolinfpieler werben fol, muß täglich 8 Stunden geigen, bon der 3eit an, ba er eine Bioline halten Bann, u.f.w. Das ift der Korb, aus dem er nicht darf, allein barin muß ihm Alles fehr erleichtert werben.
Ein Lehrer auf Schulen und Univerfitäten kann Peine In⸗
bividuen erziehen, er- erzieht bloß Gattungen. Gin Gedanke, ber fehr viel Beherzigung und Auseinanberfegung verdient.
Es wird gewiß von unferer Jugend jebt viel zu viel gelefen, und man follte dagegen fehreiben, wie gegen die Selbftbefledung, nämlidy gegen eine gewiffe Art von Lectüre. Es ift angenehm, aber fo fhäblih, al8 immer nur das Branntweintrinten.
Sa einmal recht gründlich zu unterfuchen, warum das Blüs ben ohne Früchte zu tragen fo fehr gemein ift, nicht bloß an den Obſtbäumen. Bei unfern gelehrten Kindern ift e8 eben fo: fie blühen vortrefflih, und tragen Feine Früchte.
Vielleicht iſt noch nie ein Vater geweſen, ber nicht irgend einmal fein Kind für etwas ganz Originelles gehalten bat. Doc glaube ich, find die gelehrten Väter diefem zärtlichen Irrthum mehr ausgeſetzt, als irgend eine andere Klaffe von Vätern.
Wenn man nur bie Kinder bahin erziehen könnte, daß ihnen alles Undeutliche völlig unverftändlich wäre.
Ich bin überzeugt, daß die vermeinte Grünblichfeit beim Bortrage ber Anfangsgründe fehr ſchadet. Es ift gar nicht nötbig, daß ein Lehrer bem Anfänger die Sache gründlich vor⸗ trägt; aber ber Lehrer, ber dieſen Vortrag wählt, muß fie gründ⸗ lich verftehen; alddann ift gewiß für den Anfänger geforgt.
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Wenn das Ungefähr nicht mit feiner gefhidten Hanb in unfer Erziehungswefen bineinarbeitete, was würde aus unferer Welt geworden fein?
Berminderung ber Bebürfniffe follte wohl das fein, was man ber Jugend durchaus einzufchärfen, und wozu man fie zu ftärfen fuhen müßte. Je weniger Bedürfniffe, befto glüdlidher, ift eine alte, aber fehr verfannte Wahrheit.
Es ift gut, wenn junge Leute in gewifjen Jahren vom poetifchen Übel befallen werden; aber inoculiren muß man es ihnen ums Himmelswillen nicht laffen.
Die Muttermilch für ben Leib macht die Natur; für den Geiſt wollen unfere Pädagogen fie machen.
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Nachtrag zu ben pädagogiſchen Bemerkungen,
Es ift ein Fehler in unferen Erziehungen, daß wir gewiſſe Wiffenfchaften zu früh anfangen. Sie verwacfen fo zu fagen in unfern Berftand, und ber Weg zum Neuen wirb gehemmt. Es wäre die Frage, ob nicht bie Seelenkräfte fich ftärfen ließen, ohne fie auf eine Wiffenfchaft anzumenben.
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Sie hatten: bei dem jungen Menſchen die eigentliche Propf⸗ zeit vorbeiſtreichen laſſen und es wollte nichts mehr auf dem wilden Stamme einwachſen.
Es gibt keine wichtigere Lebensregel in ber Welt, als bie: halte dich, fo viel du kannſt, zu Leuten, bie gefhidter find als du, aber doch nicht fo fehr von bir unterfchieden find, daß du: fie nicht begreifi. Das Erheben wird deinem Chrgeiz burch Snftinet Teichter werden, als dem Allzugroßen das Herablaſſen aus Palter Entſchließung.
Bücher, bie man junge Leute will leſen madyen, muß man ihnen nicht ſowohl felbft anempfehlen, als in ihrer ‚Gegenwart loben. Sie finden fie hernach von ſelbſt. So ift es mir ge gangen.
Wie perfectibel der Menſch ift und wie nöthig Unterricht, fieht man fchon daraus, baß er jekt in 60 Jahren eine Gultur annimmt, worüber das ganze Gefchlecht 5000 Jahre zugebradht hat. Ein- Züngling von 18 Jahren kann die Weisheit ganzer Zeitalter in fi) faffen. Wenn ich den Sag lerne: die Kraft, bie im geriebenen Bernftein zieht, ift Diefelbe, die in den Wolfen dbonnert, welches ſehr bald gejihehen Bann, fo babe ich etwas gelernt, deffen Erfindung den Menfchen einige Zaufend Jahre gekoftet hat.
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rüber Unterricht gewährt eine Beitlang ben Anfchein des Genies, erhält fi) aber nicht. Die Stillſtände erfolgen bald früher bald fpäter.
Ich babe immer gefagt, die Mathematiker gebeihen am beften, wenn man fie auf junge Stämme von Uhrmachern pfropft.
Man läßt die Kinder im 14ten Jahr confirmiren; man follte fie im 25ften confirmiren, oder wenigftens neu bewerfen laſſen, wie die Häufer in Göttingen. — Man muß feine Philofophie alle 10 Jahre neu bewerfen laſſen.
Es ift ein fehlechter Lohn, wenn ein Junge, auf ben man etwas verwandt hat, am Ende ein Poet wird. Ein Biertels ſtündchen Nahtmufit für einen jahrelangen Dienft. Eltern, bie bemerfen, baß ihr Junge ein Poet von Profeffion werden will, follten ihn fo lange peitfchen, bis er das Verſemachen auf: gibt, ober bis er ein großer Dichter wird.
Ich fürdte, unfere allzuforgfältige Erziehung liefert uns Zwergobſt.
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7. Politiſche Bemerkungen.
Die Lüftung der Nation kommt mir zur Aufklärung ber: felben unumgänglich nöthig vor. Denn was find_die Menfchen anders als alte Kleider? Der Wind muß burdhfirdcdhen. Es kann fi Jedermann bie Sache vorftellen, wie er will; allein ih fiele mir jeden Staat wie einen Kleiderſchrank vor, und bie Menſchen als bie Kleider beffelben. Die Potentaten find bie Herren, bie fie tragen, und zuweilen bürften und auskfopfen, und wenn fie fie abgetragen haben, die Treffen ausbrennen und das Beug -wegjchmeißen. Aber bie Lüftung fehlt; ich meine, daß man fie auf den Boden hängt. Wenn der Kaifer einmal feine ungarifhen Schafe auf den Sand in der Mark triebe, und der König von Preußen die feinigen in Ungarn weiden n ließe, was würde da nicht bie Welt gewinnen |
Wenn man auf einer entfernten Inſel einmal ein Bolt anträfe, bei dem alle Häufer mit fcharf geladenem Gewehr be: hängt wären und man beftändig des Nachts Wache hielte, was würde ein Reifender anders denken können, als daß die ganze Infel von Räubern bewohnt wäre? Iſt e8 aber mit ben euro:
l. WD
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päifchen Reichen andere? Man fieht hieraus, von wie wenigem Einfluß die Religion überhaupt auf Menſchen ift, bie fonft fein Geſetz über ſich erkennen, oder mwenigftend, mie weit mir noch von einer wahren Religion entfernt find. Daß die Reli- gion feldft Kriege veranlaßt bat, tft abfcheulich, und die Erfinder ber Syfteme werben gewiß bafür büßen müffen. Wenn bie Großen und ihre Minifter wahre Religion, und die Unterthanen vernünftige Gefege und ein Syſtem hätten, fo wäre Allen geholfen.
Das GEinreißen bei gewöhnlichen Anftalten if ein großes Berderben, vorzüglich in der -Politif, Ökonomie und Religion. Das Neue ift dem Projectmacher fo angenehm, aber denen, Die ed ‚betrifft, gemeiniglich fehr unangenehm, Der erite bedenkt dabei nicht, daß er ed mit Menfchen zu thun bat, die mit Güte unvermerdt geleitet fein wollen, und daß man dadurch fehr viel mehr ausrichtet, als mit einer Umſchaffung, beren Werth denn borh erft durch bie Erfahrung entfchiehen werden muß. Bern man boch nur das Lektere bedenken wolte! Man ſchneide die Glieder nicht ab, die man nod heilen fann, wenn fie auch gleich etwas verftümmelt bleiben; ber Menſch könnte über der Operation flerben. Und man reiße nicht gleich ein Gebäude ein, bad etwas unbequem ift, und ftede ſich dadurch in größere Unbequemlichkeitn. Man made kleine Verbeffe- rungen.
Dr, Forſter fagt, bie Vielmweiberei bringe mehr Mädchen
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als Knaben hervor. Diefe Behauptung (in wie weit fie ge gründet ift, weiß ich nicht) beftätigt eine alte Meinung von mir, daß es fi) mit dem menſchlichen Gefchlecht verbafte, wie mit bem einzelnen Menfhen. Es bequemt ſich zu Allem. Dieß ift wiederum eine ‘Folge feiner Perfectibilität. Vielleicht würde Vielmännerei mehrere Knaben erzeugen, weil ba die Reihe an einen befto feltener käme. Es verfieht fi) von felbft, wenn der Mann eine Untreue beginge, fo wäre biefes nicht mehr Vielmännerei. Wozu ließe fi) nicht das menſchliche Geflecht bringen !
Es ift freilich nöthig, daß, wenn die nügliche, arbeitende Claffe in Kenntniffen erhoben werden fol, die höhere fehr viel weiter fein muß, um fie nachzufchleppen. Allein dieſes ſehr viel weiter ift relativ. Wenn unfere Gelehrten fo fort arbeiten, fo werden fie fi immer mehr von der gemeinen Men: fhenclaffe entfernen, und ber Eifer, jene nad fi zu ziehen, wird immer größer, aber auch die Verachtung größer werden, womit man jene Menſchen anfleht. Der Katholif ift in diefer Rückſicht billiger, al8 wir: er gibt das nach, was wir verlan- gen, baß ber Niedrigere zugeben fol. Er fegelt langfamer, um bie fihledhten Segler bei fi) zu behalten; wir gehen mit vollen Segeln, und hoffen, was kaum zu ermarten ift, baß uns die Kleinen nachkommen follen.
Man erleichtert fich, habe ih irgendwo gelefen, bie Be— 5 *
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trachtung über die Staaten, wenn man fie ſich als einzelne Menfchen gedenkt. Sie find alfo auch Kinder, und fo lange fie diefes find, mögen fie monarchiſch am beften fein. Wenn aber die Kinder groß werden, fo laſſen fie fi nicht mehr fo behandeln, benn fie werden alsdann wirklich nicht felten klüger, als der Vater.
Wenn e8 noch ein Thier gäbe, ba8 dem Menfchen an Kräften überlegen wäre, und ſich zuweilen ein Vergnügen daraus machte, mit ihm zu fpielen, wie bie Kinder mit Maifäfern, oder fie in Cabinetten auffpießte, wie Schmetterlinge; fo würde es wohl am Ende ausgerottet werden, zumal wenn es nicht an Geiftesfräften dem Menfchen fehr weit überlegen wäre. Cs würde ihm unmöglich fein, ſich gegen die Menſchen zu halten; es müßte ihn benn verhindern, feine Kräfte im mindeften zu üben. Gin ſolches Thier ift aber wirklich der Despotismus, und doch hält er fih noch an fo vielen Orten. Bei der &e- fhichte des Thieres muß aber auch angenommen werden, daß ed den Menfchen nicht wohl entbehren kann.
Wenn die Hunde, die Wespen und die Horniffen mit menfchlicher Vernunft begabt wären, fo fünnten fie ſich vielleicht ber Welt bemäcdhtigen.
Es ift eine Frage, ob wir nicht, wenn wir einen Mörber rädern, gerade in ben Fehler des Kindes verfallen, das ben Stuhl Schlägt, an ben es fich ftößt.
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Darf ein Bol feine Staatöverfaffung ändern, wenn es win? Über diefe Frage ift fehr viel Gutes und Schlechtes gefagt worden. Ich glaube, die befte Antwort barauf ift: Wer will e8 ihm wehren, wenn es dazıı entfchloffen ift? Allgemein geworbenen Orundfäßen gemäß handeln, ift natür- lich; der Berfuh kann falfh ausfallen, allein es ift num einmal zum Verſuch gefommen. . Ihm vorzubeugen müßten die MWeifeften die Oberhand haben, und diefe Weifelten müß⸗ ten eine Menge ber MWeifeften oder ber Unweiſeſten, gleich viel, commanbiren fönnen, um bie Bernunft der Beffern und den Gehorfam ber Schlechtern immer nad) berfelben Seite zu lenken.
Die Gegner der Franzöfifchen Republik fprechen immer, daß fie da8 Werk einiger wenigen aufrührerifchen Köpfe fei. Hier kann man frei fragen: was ift je bei großen Begebenheiten das Werk von Bielen zugleich gewefen? Oft war es nur das Wert eines Einzigen. Unb mas find denn unfere Potens tatenPriege je ander8 gewefen, als das Werk von Wenigen? — König und Minifter. Es ift ein elendes Kaifonnement. Es müffen und können immer nur Wenige fein, wenn etwas Großes ausgeführt werden fol. Die Übrigen, bie Menge, müffen alfemal berüber gebradht werden, man mag das nun Überzeugung oder Verführung nennen, das ift gleich viel. Auch fpricht man fo verädhtlic von Bierbrauern, Parfümeurs u. dgl., die jebt große Rollen fpielen. Es gehört ja aber dazu nichts
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als gerader Menfchenverfiand, Muth und Ehrgeiz, ben biefe Leute fo gut, als Andere befigen fünnen.
Ich möchte wohl wiffen, was gefchehen würde, wenn ein- mal die Nachricht vom Himmel füme, daß ber liebe Gott ehe: ftend eine Commiſſion von bevollmädtigten Engeln berabfchiden würde, in Europa herum zu reifen, fo wie die Richter in England, um bie großen Prozeſſe abzuthun, worüber es bienie- den feinen andern Richter gibt, als das Recht bes. Stärfern ? Wie mander Minifter würde dann lieber um gnäbigften Urlaub anfuchen, einem Wallfiſchfang beisumohnen, ober die reine Caps Horn: Luft zu atmen, als in feiner Stelle bleiben !
Ich fehe nicht ein, was e8 fhaden kann, dem Yatriotismus, für ben nicht ale Menſchen Gefühl ‚haben, Liebe des Könige unterzufieben, wenn ber König fo berrfht, daß er bie Liebe und Treue feiner Untertbanen verdient. Liebe und Treue gegen einen rechtfchaffenen Mann ift. dem Menfchen viel ver: ländlicher, als die gegen das beite Geſez. Was für eine Macht haben nicht die Lehren ber Tugend, wenn fie aus bem Munde rechtfchaffener Eltern fommen! Gott bat gefagt: du folft nicht tödten, du follft Vater und Mutter ehren u.f.w. Das verfteht Jedermann. Der Beweis aus dem Recht der Natur ift nicht fo einleuchtend. Jene Worte find deßwegen fein Betrug, denn ed ift die Stimme ber Natur und Gottes,
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Ich möchte wohl wiffen, ob Alle, die wider bie Gleichheit der Stände fihreiben und diefelbe lächerlich finden, recht willen, was fie jagen. Eine völlige Gleichheit aller Menfchen, fo wie etwa aller Maifäfer, läßt fi) gar nicht denken; fo können es alfo auch die Franzofen nicht verftanden haben, benn fie reden ja überall von den Reichen. — Unter den Stubenten auf lint- verfitäten findet eine ähnliche Gleichheit, wie die franzöfifche, Statt: der ärmſte Student dünkt fi) fo viel wie der Graf, und gibt diefem nichts vor, und das ift recht; ob er gleich gerne zugibt, daß er im Collegio an einem befondern Tiſche fit, und beffere Kleider trägt. Nur muß biefer, als Graf, feine Vorzüge prätendiren; bie ihm bewilligten läßt ihm Sedermann gerne. Wollte er welche prätendiren, fo wäre das ber Weg, zu bewirken, daß man ibm alle verfagte. Nur bie ſtolzen Prätenfionen find es, was ber freie Menfch nicht vertra- gen kann; übrigens ift er gar fehr geneigt, wenn man ihn gehen läßt, Jedem bie Vorzüge zu bewilligen, die er verdient; und welches diefe find, das zu beflimmen, bat er gewöhnlich ein fehr richtiges Maaß. Jede Achtung ift ein Gefchen?, das nicht erzwungen werden darf und kann. Bewilligt das Volk durch Decrete gewiſſe Vorzüge, ſo iſt dieſes eine Abgabe, und kein Geſchenk des Einzelnen, und dieſe koͤnnen prätendirt werden. Von der Art find die VBorrechte der Magiftratsperfonen im Dienft. Jedermann denke doch an die Bürger feiner Baterfiadt. Wenn ber reichfte Kaufmann einen Vorzug vor dem ärmſten Schufter oder Schreiber prätenbirte, fo möchte er übel anfommen. „Du
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haft mir nichts zu befehlen“« — ift bie Antwort. Prätendirt er ihn nicht und ift fonft ein ehrlicher Mann, fo wird ihm jener den Borzug nie verfagen.
Unter die Mißverftänbniffe oder die faljchen Darftellungen bei der franzöfifchen Revolution gehört auch die, daß, man glaubt, die Nation werde von einigen Böfewichtern geleitet. Sollten nicht vielmehr biefe Böjewichter fi die Stimmung der Nation zu Nupe machen ?
In Frankreich gährt ed; ob Wein oder Efjig daraus wer» ‚den wird, ift ungewiß.
Durch bie Ermordung Ludwigs XVI. wurden Leite gegen bie Grunbfäge jener fränkifhen Vandalen empfindlid, die es vorher nicht waren. Jene Ihat war die Sprade, wodurch fie ihnen verfländlich wurden; und fie zu rächen, thut jet Mancher, was er fonft nicht würde gethban haben. So werben bie größten Dinge verrichtet, und eben fo ift e8 bei taufend Menfchen mit ber Liebe gegen den König. Der Untertban thut oft für einen guten König, was er für die eherne Bildfäule des Geſetzes nicht würbe getban haben. Ein guter Regent ift die Kraft bed Ge» feßes, die freilich meiftens nur zum Strafen gebraudit wird, aber wenig zum DBelohnen. Der Menfch unterläßt viel leichter etwas aus Furcht vor dem Haß des Regenten, als er es aus Liebe für ihn thut. Was für eine große Kunft wäre ed, zu
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maden, baß ber Menjch Dinge thäte, ohne daß er e8 müßte! fo wie ber, ber bie Jagd liebt, feinem Körper eine beilfame Bewegung verfchafftz oder der, der den Hunger ftillt, für die Nahrung feines Körpers forgt, ober fein Gefchlecht fortpflanzt, indem er eigentlidy nur feinem Vergnügen nachgeht. Der Himmel bat fo wenig auf unfern Berftand anfommen laffen, und wir wollen Alles damit treiben. Das Gefep ift ein gar Palter Körper.
Die Welt fo zu erfchaffen, wie Epikur, Demokrit, le Sage, ift freilich Werwegenheit. Es kann ganz anders zugegangen fein. Ullein das ift dad leider nur allzu gemeine argumentum indoleniiae. Wir find Theile dieſer Welt, Mitbewohner, und der Gedanke, der in uns lebt und webt, gehört ja auch mit dazu. Da wir nun einmal für allemal in des lieben Gottes Unterhauſe ſitzen, und er ſelbſt uns Sitz und Stimme aufge⸗ tragen hat, ſollen wir unſere Meinung nicht ſagen? Wenn wir ſie nicht ſagen ſollten, und nicht ſagen dürften, ſo würden wir ſie nicht ſagen können. Ich glaube, wozu der menſchliche Geiſt Hang fühlt, da ſoll man ihn ja gewähren laſſen. Es unterbleibt nicht, und darf und kann auch nicht unterbleiben. Daß eine vernünftige Religionspolizei hierüber etwas waltet, iſt, wie ich glaube, recht gut. Nur muß dieſes nicht durch ge⸗ druckte Befehle im Detail geſchehen; das iſt eine abſcheuliche Sache. Denn der Befehl, wenn er auch noch ſo gut abgefaßt iſt, kann ſich nicht in das Detail einlaſſen; und ſo lange er dieß nicht kann, fo kann er ja eben fo einfältig gedeutet wer:
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den, als das, dem er Einhalt thun will. Die Sprache ber Mandate und Edicte kann bei ſolchen Gewifjensangelegenheiten unmöglich burdhaus beftimmt fein. Lange Mandate werden nicht gelefen, oder wenn fie gelefen werden, nicht behalten. Man follte aber nicht deßwegen genauere Beobachter niederfeker, fondern die, welche die allgemeinen (generifchen) Befehle geben, follten die daraus entftehenden ſpecifiſchen zu mobe riren wiſſen. Was würde wohl daraus werden, wenn ber liebe Gott einmal bie Gefchöpfe nad) dem Linneifhen Syftem be: handeln und füttern wollte? — Die Menfhen, fo fehr fie auch im Beihenbuche einander ähnlich fehen, find unter fi) unendlich verfchieden; und da die Größe überhaupt etwas Relatives ift, fo ift bier eine unendliche Werfchiedenheit; und wenn wir die Ge finnungen der Menfchen fehen Fünnten, wir würden eine Ber- fhiedenheit antreffen, bie für das höchfte forfchende Auge un⸗ endlih fein würde, wir möchten nun das nennen, wie wir wollten. — Alfo, jede Religionspolizei ſollte ſich fo allgemein, als möglih, in ihren Gefegen ausprüden und privatim corris giren. Du ſollſt nit tödten; Du follft nit fleb: len; das ift recht gut geboten; das follte man nachahmen.
Was Lönnten nicht NRegenten ausrichten, zumal in Beinen Staaten, wenn fie fih ihren Unterthanen öfters zeigten, pre: digten u. f.w.! Sie würden fo die Seele des Geſetzes, beffen Körper für fih wenig Heiz bat. — Die beften Gefeke- kann man bloß refpectiren und fürdten, aber nicht lieben. Gute
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Regenten refpectirt, fürchtet und liebt man. Was für mächtige Quellen von Slüd für ein Volk!
Se größer und weitausfehender der Pan ift, in den eine Revolution bineingehört, .defto mehr Leiden verurfucht fie denen, die darunter begriffen. find; indem es nicht Jedermanns Sache ift, felbft wenn er es überfieht, fi durch ben Berftand mit Geduld zu ftärken, und dieſes um fo weniger, je ungemiffer es ift, ob er nod die Früchte davon genießen werde. Uber eben diefelbe Kurzfichtigfeit, die den Menfchen unfähig macht, bie großen Plane der Vorfehung zu überfchauen, verftattet audy ben weifeften Regierungen nicht, auf dem fanften Wege, ben fie mit Recht einfchlagen, große Bwede zu erreihen. Ja, ba ed natürliche YHflicht ift, immer nur das zu wählen, was uns gut: dünkt, fo ift es unmöglich, zum Bortheil ber Welt Einen Weg einzufchlagen,, ber Millionen fürs Gegenwärtige unglücklich madıt. Der Menſch ift nur da, die Oberfläche der Erde zu bauen; ben Bau und die Reparaturen, bie mehr in die Tiefe gehen, behält fih die Natur felbft vor. Erdbeben, die Städte umkehren, kann er nicht machen, und wenn er fie fönnte, würde er fie gewiß am unrecdhten Orte anbringen. Ich bin fehr geneigt, zu glauben, daß es mit unferen ..arcdhieen und „.Eratieen eben jo gehe. Was ber Pflug und die Art thun kann, das ift für uns, aber nicht was. den Erdbeben, Überſchwemmungen und Orkanen zugehört, und vermuthlih, ja gewiß eben fo nützzlich und nöthig if. Wenn am Ende das Glück des ganzen Ge:
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fchlechts in einer .. Pratie befteht, wovon wir das erfie Wort ber Zufammenfeßung gar nicht Fennen, und bad man nad Ge brauch der Mathematiker etwa durch xOEratie bezeihnen könnte, wer will biefes x beflimmen? Gin Freund las Chriftolratie, und aus dem Innerften meiner Seele gefprochen, ich babe gegen biefen Werth von x nichts einzuwenden, wenn man nur erfl über die Bedeutung bed Wort Chriftus recht eins wäre, ober die ſo deutliche Bedeutung nicht muthwillig verfennen wollte. Es ift aber zu fürchten, daß auch dieſes Verſtändniß nur durch Reformationdrebolutionen und breißigjährige Kriege wird bewirkt werden können.
Mun wird, wenn man Acht geben will, bei dem Deuts fhen die Nahahmung überall finden, freilich bald mehr, bald weniger verftedt. Selbft unfer Fechten für Bezahlung ifi Nach⸗ ahmung ber Bertheidigung des Vaterlandes. Eigentlih kann wahre Bertheidigung feines eigenen Herde, feines Weibes und feiner Kinder mit dem Dienfte ber Soldaten nicht verglichen werben; und doch geſchieht es fehr häufig. Es find Dinge ganz verfhiedener Art, und fo unterfchieden, wie wahre Freund⸗ fhaft halten von [hmarogen.
Weiffagungen finden fih in fehr alten Büchern auch ſchon deßwegen, weil einem bie Begebenheiten, bie die Beranlafjung dazu waren, nicht immer einfallen. Denn wer bat, wenn er auch Geſchichte weiß, Alles fo fonchroniftifch gegenwärtig, daß
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er willen kann, was bamals bie Tiſchdiscurſe der Gefellfchaft waren? Begebenheiten der Zeit verleiten zu einem Traum; ähnliche Begebenheiten ereignen fiy wieder, und ber Traum trifft ein. So habe ich felöft den Tod Ludwigs XVI. lange vorher geweiffagt, und gewiß mehrere Menfchen haben bafjelbe gedacht. Was bie franzöfifche Revolution für Folgen haben wird, läßt fi) auch dunkel vorausfehen. Johann Huß wurde verbrannt, Luther nicht; es entſtand ein breißigjähriger Krieg, und nun fleht die Reformation da.
Bei ber jegigen Anardie in Frankreich und ber Uneinigfeit im Nationalconvent folte man immer fragen: wie viel gehört wohl davon ben Gmigranten zu? und wie viel dem Einfluß fremder Höfe? Gewiß wird nicht bloß mit Armeen von letzteren gefochten. '
In Peiner Streitigkeit, deren ich mich erinnere, find je, glaube ih, die Begriffe fo verftellt worden, als in ber gegen- wärtigen über Zreibeit und Gleichheit. Gebt, ruft die eine Partei, hin nah Paris, da feht ihr’ bie Früchtchen der Gleich⸗ heit! Und es iſt betrübt, zu ſehen, daß ſogar berühmte Schrift⸗ ſteller in dieſen Ton mit einſftimmen. Eben fo könnte ich rufen: ihr, die ihr ein ſo großes Glück im Umgange mit dem andern Geſchlecht und in der Liebe findet, ſeht dort die Hospitäler der Naſenloſen! oder ihr, die ihr von dem Labſal ſprecht, das euch beim Genuß ber Freundſchaft der Wein gewährt, ſeht dat Six
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Trunkenbolde in ben Klauen der Schwindfucht im Kreife ber: bungernder Kinder langfam dahin fterben! Ihr Ihoren, möchte ich fagen, fo lernt uns doch verfiehen! O ich glaube au, ihr verfiehbt uns nur allzu wohl, ihr beraifonnirt nur defwegen fo, weil ihr fürchtet, bie Welt möchte uns verftehen. Die Gleich⸗ beit, die wir verlangen, ift der erträglichfie Grad von Ungleich⸗ beit. So vielerlei Arten von Gleichheit e8 gibt, worunter es fürdterliche gibt, eben fo gibt es verfchiebene Grabe ber Un» gleichheit, und darunter welche, bie eben fo fürchterlich find. Bon beiden Seiten ift Verderben. Ich bin daher überzeugt, daß die Bernünftigen beider Parteien. nicht fo weit von einander lies gen, als man glaubt; und daß bie Gleichheit der einen Partei, und die Ungleichheit der andern wohl gar am Ende biefelbigen Dinge mit verſchiedenen Namen ſein könnten. Allein was hilft da alles Philoſophiren? Dieſes Mittel muß erkämpft werden, und wird die übermacht von einer Partei zu groß, zumal wenn der Muthwille der andern unbändig war, ſo kann es auch ſehr viel ſchlimmer werden. Es iſt aber nur zu befürchten, daß jene mittlere Gleichheit oder Ungleichheit (wie man will) von beiden Parteien gleich ſtark verabfcheut wird. Sie muß alfo wohl mit Gewalt eingeführt werden; und ba ift e8 denn dem Einführen» den nicht zu verdenfen, wenn er ſich einen etwas flarfen Aus- fhlag gibt. Hierin liegt überhaupt ein allgemeiner Grund von der Seltenheit guter Mittelzuftänbe.
Wenn ber goldene Mittelzuftand durch den Streit der Ber:
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theidiger beider Ertreme erfochten werden fol; jo ift es eine gar mißlihe Sade. Nichts als völlige Entkräftung beider Theile wird fie geneigt dazu machen, und in biefem Falle bemädhtigt fi) leicht ein Dritter beider Parteien.
Sieyes ift feit 17883 wahrfcheinlicher Weiſe bie Iriebfeder aller großen Begebenheiten in Frankreich. (Im Jahr 1793 ge: fhrieben.)
Es find immer gefährliche Zeiten, wo ber Menfch fehr lebhaft erkennt, wie wichtig er ift, und was er vermag. Es ift immer gut, wenn er in Rüdfiht auf feine politifchen Rechte, Kräfte und Anlagen ein bißchen fchläft, fo wie die Pferde nicht bei jeder Gelegenheit Gebrauch von ihren Kräften maden dürfen.
Wenn Freiheit, wie man jagt, bem Menfchen natürlich ift, ift es ihm denn minder natürlich, fi) dem Schuge eines Anbern zu unterwerfen, wenn er nicht Stärke ober nicht IThätigkeit genug hat? Da man fi über Könige weggefegt bat, wird es nit immer Menfchen geben, die fi) über Geſetze wegſetzen? Tugend in allen Ständen ift die Hauptfadhe; wo die nicht ift, da ift Alles nichts, und Wechfel wird flets Statt finden. Alles, wofür ein Staat zu forgen bat, ift, richtige Begriffe von Gott und der Natur in Umlauf zu bringen. Man bat ſich über Könige weggeſetzt, nicht weil fie Tyrannen waren; fondern man nannte fie fo, weil man ſich über fie wegſetzen
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wollte. Und wie, wern e8 nun nie an Ehrgeizigen fehlen wird, bie die Gefege für Tyrannen halten ?
Es ſcheint faſt, als wenn es mit ber Erfenntniß gewiffer Wahrheiten und ihrer Anwendung im Leben ginge, wie mit Pflanzen: wenn fie einen gewiffen Grab von Höhe erreicht haben, fo werden fie abgefchnitten, um wieder von vorme ans zufangen. Der höchſte Grad von politifcher Freiheit liegt un⸗ mittelbar am Despotismus an, Wie fchön ift e8 nicht bei der englifchen Gonftitution, daß fie republifanifche Freiheit mit ber Monarchie ſchon vorläufig gemifht bat, um den völligen Um⸗ fhlag aus einer Demokratie in reine Monarchie oder Despotis⸗ mus zu verhindern ! |
Das Traurigfte, was bie franzöfifhe Revolution für uns bewirkt hat, ift unftreitig das, baß man jede vernünftige und von Gott und Rechtöwegen zu verlangende Forderung, als einen . Keim von Empörung anfehen wird.
Es kommt nicht darauf an, ob die Sonne in eined Mo—⸗ narchen Staaten nicht untergeht, wie fih Spanien ehedem rühmte; fondern was fie während ihres Laufes in biefen Staa: ten zu fehen bekommt.
Man fpricht viel von guten Königen, die do im Grunde nichts weniger waren, als gute Könige, aber gute Leute. Es
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ift diefes eine Hödhft ungereimte Verwirrung ber Begriffe. Man kann ein fehr guter Mann und doch Eein guter König fein, fo gut ald man ein ebrliher Mann und dabei Fein guter Bereiter fein Bann. Dieß ift wahrhaftig ber Kal mit Ludwig XVL Was halfen feine guten Gefinnungen? Dadurch konnte fein Volt unmöglih glüdlih werden. Man fagt nit, baß er nicht vergleichungsweife gut geweſen ſei. Er war gewiß fehr viel beſſer, als mande feiner Vorgänger.
Eine Gleichheit und Freiheit feftfegen, fo wie fie fich jest viele Menfchen gedenken, das bieße ein eilftes Gebot eben, wodurch die übrigen zehn aufgehoben würden.
Wenn ber größte Lehrer des Menfchengefchlehts käme und eine Schule anlegte, vollkommene Menfhen zu -bilden, und alle Schulmeifter rottirten ſich zuſammen, aus Furcht ihre Kunden zu verlieren, fchrieben gegen ihn, fuchten. feine Kinder zu ver führen, fihieten ihm mit Fleiß verworfene Gefchöpfe zu, ja mitunter .verfleidete Mädchen mit venerifchen Krankheiten, ließen ihnen Branntwein und wohlſchmeckende Gifte zufhiden u. f. w. — wie würde ein folches Inftitut beftehen künnen? Wenn nun Alles darin, wirklich darunter und darüber ginge, was für Recht hätten nun bie neidifchen Schulmeifter, in die Welt zu fihreiben: quid dignum tanto tuljf hie promissor .hiatu? — Sem Plan hatte nicht. Schuld, Ionen. fie, die Schulmeiſter, mit ihren Gegenarbeiten.
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Sonft fuht man bei Belehrungen die Meinung wegzus fhaffen, ohne den Kopf anzutaften ; in Frankreich verfährt man jegt fürzer: man nimmt die Meinung mit fammt dem Kopf weg.
Was die Großen jest zu bedenken haben, ift, daß fie ihre Untertbanen gewiß nicht leicht ärger drüden können, als fie in Sranfreich gebrüdt wurden; und diefe doch ihrem ‚Könige ben Kopf abgefchlagen haben.
Es find jest Deutfche, Engländer, Franzofen, Yiernontefer, Spanier, Portugiefen, Neapolitaner und Holländer, die das heilige Grab der franzöfifhen Monardie zu erobern tradhten; ob es ihnen wohl gelingen wird?
Es ift eine große Frage, wodurch in der Welt mehr ift ausgerichtet worden: durch das gründlich Gefagte, ober durch das bloß ſchön Geſagte. Etwas zugleich fehr gründlich und fehr fhön zu fagen, ift ſchwer; wenigftens wird in dem Augenblick, da die Schönheit empfunden wird, die Gründlichfeit nicht ganz erkannt. Man tadelt das feichte Gefhwät, das jest in Frank⸗ reich in politifchen Dingen gebrudt wird. Ich glaube, biefer Tadel ift felbfi etwas feicht, und zeigt, baß bloß das Syſtem, aber nicht die Kenntniß menfchlicher Natur die Feder geführt hat. Denn diefe Bücher werden ja nicht für das Menfchengefchlecht und die abſtracte Vernunft gefchrieben, fondern für concrete Menſchen von einer gerwiffen Partei; und erreichen gewiß ihren
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Zweck fiderer, als alle Werke, die für ben abftracten Menfchen berechnet find, den ed nody nicht gegeben bat, und n’e geben wird.
Ich fehe darin nichts fo fehr Arges, daß man in Frankreich ber chriftlihen Religion entfagt bat. Das find ja Alles nur Pleine Winkelzüge. Wie wenn das Bolt nun ohne allen äußern Z3wang in ihren Schoos zurüdkehrt, weil ohne fie fein Glück wäre? Welches Beifpiel für bie Nachwelt, und welches koſtbare Erperiment, dad man wahrlidy nicht alle Tage anftelt! Ja, vielleicht war es nöthig, fie einmal ganz aufzu: heben, um fie gereinigt wieder einzuführen.
Es ift, glaube ich, Peine Frage, daß, bei aller Ungleichheit der Stände, die Menfchen alle gleich glücklich fein können; man fuche nur jeden fo glücklich als möglich zu machen.
Milton, der zwar nicht unter die Königsmörder felbft ge: bört, die Carl I. auf das Schafstt brachten, aber fie doch nady ber befanntlich vertbeidigte, lehrte: a popular government was the most frugal; for the troppings of a monarchy would set up an ordinary common wealth., Diefes ift eiri zu unferer Zeit fehr gewöhnliches Raifonnement. Wir müffen, fagen fie, fo viel bezahlen, bloß um den Hofſtaat zu unterhalten; dieſen brauchen wir nit. — Diefe Art zu frhließen ift aber, fo vielen Shein fie auch für fih Hat, nichts defto weniger fehr grundlos. Erftlich fegt es voruus, daß, um glädlih zu eben, won
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nichts weiter nöthig bat, als Gelb: Ruhe und innerer Friede kommt babei nich in Betracht. Die Leute glauben, das bißchen Geld, das fie mehr haben, würden fie alsdann eben fo rubig verzehren fönnen, als in der Monardie; aber das iſt Berblen- dung. Wir ertragen ed ganz wohl, daß uns eine Familie bes herrſcht, die wir über uns erhaben glauben. Aber wenn fich ein Böſewicht, der dem Range nad nicht mehr ift, als ich, burch Gelb und 2ik bei den Wahlen emporfhwingt; ein Mann, dem ich mich an reellem Berdienſt überlegen fühle — das Präntt. Auch wenn ich nicht gewählt werde, und bie Frau fagt: „aber, lieber Mann, warum wählen fie denn dich nicht? . wenn wir doch nur ein einzigesmal das Glück hätten! unfere Kinder wer⸗ den gar nicht fo angefehen, als wie ber Frau N... ihrer — das ſchneidet fehr tief und verbittert das Leben, und verleitet felbft manden Mann, der in einer Monarchie ehrlich. geblieben wäre, zu Gabalen. Bei einer foldhen Hintanfegung verliert Alles feinen Werth. Schon ber frhönfte Landfik in England wirb feinem Beliger zur Wüfte, wenn er bei einer Parlaments⸗ wahl ausgefallen iſt. Hingegen in einer Monarchie vernachläffigt zu werden, das fchreibt man mehr dem Schiefale zu, und dünkt fih wohl noch gar in dem Leiden groß, und wird auch mehr beklagt. Jeder mir benachbarte Bauer, der feine Stimme wider mich gegeben bat, fieht fih als meinen Herrn an, und rühmt fih in ber Schente, mich gedemüthigt zu haben. — Bweitens, ift denn das Geld, das dem Hofe gezahlt wird, meggemworfen? ober wird es in eiferue Kiften vergraben ?
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Kommt es nicht vielmehr fehneller in Umlauf, als jebed andere Geld? . Fragt einmal die Hoflieferanten, oder den Schufter und Schneider, der für den Hof bes Hoflieferanten arbeitet; dieſe werben anders urtbeilen. Der Hof bat feine Höfe unter fid, die wieder. die ihrigen haben, und fo erfiredt es ſich mit ufıs zäbligen Ramificationen bis zur unterften Claſſe.
Drittens unterfuche- man einmal unparteiifch, was eigent- li der Grunbtrieb des Republikanismus ifl. Bei den Meiften wenigftens ein Haß gegen die Großen. Denn man ift ge wöhnlich immer befto. weniger republifanifch gefinnt, je höher ber Rang ift, den man felbft in ber Welt beffeidet. Auch ift ed fhon hundertmal gefagt worden, daß die Bertheidiger der Gleichheit eigentlich) nichts wünſchen, als Alles höher zu ihrem Horizont hinauf, aber nicht fich felbft zu einem tiefern herab gebracht zu fehen. Die berühmte Mıs. Macaulay, eine große Gleihmaderin, konnte e8 dem Dr. Johnſon nie vergeffen, daß er fie nach einem folhen Dispüt, als man fih zu Tiſch feste, fragte, ob fie nicht ihren Kammerd'ener miteffen laffen wollte. oo
Biertens wird man häufig finden, daß bie Vertheidi⸗ ger ber Freiheit nicht felten ‚bie größten Tyrannen in ihrem Haufe find. In England erzählt man, daß ber Herzog von Richmond, der ehemalige große Bertheidiger der amerifanifchen Freiheit nicht felten feine Berwalter durdhprügeln fol. Ja Milton, ber große Freiheitsredner, hatte drei Weiber nach einander und drei Töchter, aber ſolche erniedrigende Bearike
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vom weiblichen Gefchlechte, daß er glaubte, fie wären bloß zum Gehorchen da. Diefes ging bei ihm fo weit, daß er fogar feine eigenen Töchter nicht fihreiben Icrnen ließ. Ich glaube, es müßte eine fehr unterhaltende Lectüre fein, bie Reden eines ſolchen Freiheitsritters mit ber Gefchichte des Pleinen monardji« fhen Staates verglichen zu fehen, an deffen Spige er felbft ſteht.
Es wäre vortrefflich, wenn fi) ein Katechismus, oder eigent- li ein Studienplan erfinden ließe, wodurch die Menfchen vom dritten Stande in eine Art von Biber verwandelt werden könn⸗ ten. Ich kenne fein befjeres Thier auf Gottes Erdboden: es beißt nur, wenn c8 gefangen wirb, ift arbeitfam, äußerſt matri« monial, kunſtreich und bat ein vortreffliches Fell.
Ih möchte was darum geben, genau zu wiffen ‚ für wen eigentlich die Thaten gethan worden find, von denen man öffent« li fagt, fie wären für das Baterland gethan worden.
Ich kann freilih nicht fagen, ob es beſſer werben wird wenn es anders wird; aber fo viel kann ich fagen, es muß anders werben, wenn e8 gut werben foll.
Es gibt Länder, wo es nichts Ungewöhnliches ift, daß man Officiere, die im Kriege treu gedient haben, beim Frieden redu⸗ eirt. Wäre es nicht gut, bei gewiflen Departements ber Staats: verwaltung bie Einrichtung zu treffen, daß die bazu gehörigen
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Krieg wird? Es wäre auch fihon genug, wenn fie auf halbe Bejoldung gefegt würden.
Wer bat denn die Frangofen genötbigt, ihr Heil auf Um: wegen zu fuhen? Die jekige Berfaffung (1796) ift jo wenig ber Zweck, ald Robespierre's Iyrannei war. Auf biefem Wege, glaube ih, muß die Sache gefunden werden. Kommen fie am Ende zu einer monardifchen Regierung zurüd, gut, fo ift es ein neuer und zwar ſehr Präftiger Beweis, daß große Staaten nicht anders beherrſcht werden können.
Wenn die Gleichheit der Stände, über bie man jet fo viel fchreibt und fpricht, etwas Wünfchenwerthes ift, fo muß fie nothwendig etwas jener Gleichheit Analoges haben, bie man nah Aufhebung des Rechts des Stärkern durch weiſe Geſetze eingeführt bat. Es ift daher ein gar fonderbares Argument, das man zur Vertheidigung der Ungleichheit beibringt, wenn man fagt, die Menfhen würden mit ungleichen Kräften ges boren. Denn hierauf kann man antworten: eben deßwegen, weil die Menjchen mit ungleiden Kräften geboren werben, und der Stärkere den Schwädern verfchlingen würde, hat man fidh in Geſellſchaften vereinigt, und durch Geſetze eine größere Gleich: beit eingeführt. Iſt das fo genannte Gleichgewicht von Europa etwas Anderes? Überhaupt wäre e8 wohl befier, zu fagen: Gleihgewidt ber Stände, als: Gleichheit.
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Ich babe das Buch: ber politifhe Thierfreis. ober bie Zeichen der Zeit. gelefen. Es ift gut gefchrieben, und enthält theil® eigen, theils aus andern ercerpirt, das Befte, was fi) gegen die Großen und bie Monardieen jagen läßt. Einiges mag auch wohl unwiberleglich fein. Allein man laffe einmal die Volföregierungen überall eintreten, fo werden vermutblich andere Umftände folgen, bie bie Bernunft eben fo wenig billigen fann, als die jegigen. "Denn daß das republitanifche Syſtem ganz frei von allem Unheil fein follte, ift ein Traum, eine
foße Idee. Sch glaube, ohne deßwegen richten zu wollen, man wird ewig und ewig durch Revofutionen von einem Syſtem in das andere ftürzen, und die Dauer eines jeden wird von der tem= porellen Güte der Subjerte abhängen. Nah Amerika läßt fich noch nichts beurtheilen, weil e8 zu weit von den Län⸗ dern entfernt ift, wo man anders denft, und die anders Den⸗ enden auf jener Seite der Welt nicht Unterftügung gemug haben. Die eingefchräntte Monarchie feheint am Ende die Afympfote zu fein, der die Staaten immer näher zu fommen fuchen müffen ; aber auch da wird ed immer und ewig auf die Güte ber Sub: jecte anfommen. - _
Große Eroberer werden immer angeftaunt werben, und bie Univerfalbiftorie wird ihre Perioden nad) ihnen zufehneiden. Das ift traurig; es liegt aber in ber menfchlichen Natur. Gegen ben großen und ftarfen Körper felbft eines Dummkopfs wird immer der Eleine des größeften Geiftes, und ſonach ber große
249 Geift felbft, veräcdhtlich erfcheinen, ‚wenigftens für ben größten Theil der Welt, und das fo lang Menfhen Menjchen find. Den großen Geift im Heinen Körper vorzuziehen, bazu gehört Überlegung, zu der fich die wenigften Menjchen erheben.
Es fol in einem gewiffen Lande Sitte fein, daß bei einem Kriege der Regent fowohl. al& feine Räthe über einer Pulvertonne ſchlafen müffen, fo fange der Krieg dauert, und zwar in befons dern Zimmern des Schloffes, wo Jedermann frei hinſehen fann, um zu beurtheilen, ob das Nachtlicht auch jedesmal brennt. Die Tonne ift nicht allein mit dem Siegel der Volksdeputirten verfiegelt, fondern auch mit Riemen an ben Fußboden befeftigt, die wieder gehörig verfiegelt find. Alle Abend und alle Morgen werben bie Siegel unterfucdht. Man fagt, baß feit geraumer Beit die Kriege in jener Gegend ganz aufgehört hätten.
Der jekige Krieg bat gewiffe Begriffe allgemein in Gang gebradt. Man kann nicht fagen, daß dieſes fchon oft gefchehen fei. Nein, niemals fo! nad Erfindung ber Buchdruderei, nach der Reformation, nad dem Gtabliffement fo vieler Zeitungen und Sournale, nad fo vielen Leihbibliorthefen, und nad ber entitandenen Lefefucht, die gewiß nie fo allgemein war. Es fommt fo Bieles zufammen, was nie vorher beifammen war, und nit beifammen: fein fonnte, was unfere Zeiten zu ben merkwürdigſten macht, die je gewejen find.
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Ich möchte wohl das Berhältniß der Zahlen wifien, die aus— drüdten, wie oft das Wort Revolution in ben 8 Jahren von 1781 bis 89 und den 8 Jahren von 1789 bis 97 in Europa ausgefproden und gedrudt worden if. Schwerlich würbe das Berbältniß geringer fein, als 1 : 1000000.
Iſt es nicht fonberbar, daß man, um dem Gouvernement und namentlih dem Directorium in Frankreich Reſpect zu ver fhaffen, ein Coſtum, eine Kleidertracht eingeführt bat? Das fhönfte Coſtum wäre unftreitig die Erblichkeit der Regierung. Keine Tracht, Fein Anzug wird je erfunden werben, der bem gleiht. Es liegt im Menfchen ein Princip, das diefen Ans zug fchneidert, den man jetzt geradeweg ber Schneibergilde über⸗ läßt. Sollte fi nit ein Mittel finden lafjen, bier einen Mit: teliweg zu finden? Es ift Demokratie in dem aus Kopf und Herz beftehenden Menfchen, was die Monardie ber reinen Bernunft verwirft, und die politifchen Demokraten ftügen ‚fich auf Monarchie ber Bernunft. Sie erfennen eine Monardjie zur Bertheidigung einer Demofratie — Suchet einmal in der Welt fertig zu werben mit einem Gott, den bie Bernunft allein auf den Thron geſetzt hat. Ihr werdet finden, es ift unmög⸗ lih. Ich fage biefes, fo fehr ih au einfehe, daß es billig wäre; aber biefe größere Billigkeit ift gerade die Stimme ber Bernunft, bie jenes will, alfo parteiifh. Befraget bad Herz, und ihr werbet finden, daß, fo wie bie Kleider Leute, fo bie Geburt Regenten madt. Das Gleihniß führt, ich geftehe es,
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auf etwas LXächerliches, aber bloß für den Lacher, den erbärm- lichſten Menſchen, den ich fenne. Sch werbe gewiß von benen verftanden, von denen ich verſtanden fein will, und biefes über: bebt nich der Mühe, bier präcifer in den Ausdrüden zu fein. Ich bin davon fo fehr überzeugt, daß, wenn mir die Wahl gelafjen würde, welches Ortapblatt von mir auf die Nachwelt fommen follte, ich getroft fagen würde: dieſes. — Sind denn bie Kleidertrahten auch Vernunft? Warum ift ein Rewbell dur den Schneider mehr werth, als durch bie Natur? Ihr imponirt der Einbildungöfraft und dem Herzen von einer Seite, wo die Belehrung: von feinem Irrthum viel leichter ift, als da, wo e8 auf Vorrechte und Geburt antommt. Geht mir weg mit euren neuen Schneidereien, bie weit hinter den unfrigen liegen! Selbſt in eurer Livree liegt etwas von bem ignoto Deo. Das Herz und das Auge wollen was haben.
Die Polizeianſtalten in einer gewiffen Stadt laſſen fi) füg- lih mit den Klappermühlen auf den Kirfhbäumen vergleichen: fie ftehen flil, wenn das Klappern am nöthigften wäre, und maden einen fürchterlihen Lärm, wenn wegen bes heftigen Windes gar Fein Sperling fommt.
Die Corps Invaliden bei den Soldaten bienen body wahrlid) beutlich zu zeigen, was bereinft aus ben Baliden werben wird. Es wäre gut, wenn man aud in andern Ständen den Jüngern eine folche Pafiionsgefchichte vorhalten könnte. Andere Claſſen
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von Gefhäftsmännern fehen die Erempel nicht fo beifammen. Man muß fie fi) durd Überlegung und Phantafle zufammen bringen, und das vermindert ben Totaleindrud fehr. -
Man will wiffen, daß im ganzen Sande feit 500 Jahren Niemand vor Freuden geftorben wäre,
Wenn Heirathen Frieden ftiften können, fo follte man ben Großen die Bielmeiberei erlauben.
Die an den Untertbanen meiftern wollen, wollen die Fir fterne um die Erde drehen, bloß damit die Erbe rube,
Die Großen mit ihren langen Armen ſchaden fe weniger, al8 ihre Kammerbdiener mit ben kurzen.
Nachtrag zu den politiſchen Bemerkungen.
In den Worten: Vox populi vox Dei ſteckt mehr Weis: beit, al8 man heutzutage in vier Worte zu ſtecken pflegt.
Polybius diftinguirt zroifchen Urfache, Vorwand und Anfang
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eincd Krieges. Die beiden legteren werben gemeiniglich nur allein befannt. So geht e8 auch in anderen Dingen.
Das Land, wo bie Kirchen fhön und die Häufer verfallen find, ift fo gut verloren, als das, wo bie Kirchen verfallen und die Häuſer Schlöffer werden.
Es iſt auch Population, wenn man Mafchinen flatt der Menfchen gebraudt, Bandmühlen, Dampfmafdinen.
Unfer Weltſyſtem ift ein monardifher Staat. Die Sonne bat ihren Hofftaat, fie hält aber doch die Großen etwas entfernt. Sie erlaubt ihnen aber ihre Nebenplaneten. Hieraus ließe fich vielleicht eine Fabel machen, die auf bie jegigen (1791) politie fhen Revolutionen paßte. Die Satelliten rebeliren und wollen gerade um die Sonne laufen. |
Eine Repubfit zu bauen aus den Materialien einer nieder: geriffenen Monarchie, ift freilich ein fchmweres Problem. Es geht nicht, ohne bis erſt jeder Stein anders gehauen ift, und bazu gehört Zeit.
Wir wollen nun ſehen, was aus ber franzöfifchen Kepublif wird (1796), wenn die Geſetze ausgefchlafen haben. W
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8. Ziterärifche Bemerkungen.
Was find unfere gelehrten Zeitungen und unfere meiften Sournale? Sie find allerdings vom bloßen Meßkatalog unter fhieden, aber was fie von dieſem unterfcheidet, ift gerade daß, was da macht, daß fie faft Niemand mehr lieft.
Mit Phlegma ſchreibt fihs Leine Satire gegen Phlegma, denn darin befteht eben feine Natur, daß es fi nicht felbft ftört. Wir ahmen immer die Satire der Engländer und Fran» zojen na, und bedenken nicht, daß wir mit ganz andern Fels len zu thun baben.
Unfere-Yorife haben fi nun allmälig verloren; der Fluch fhien immer mit den Generationen zuzunehmen. j
Diejenigen unter den Gelehrten, denen es an Menfchenver:
ftand fehlt, lernen gemeiniglich mehr als fie brauchen, und bie Bernünftigen unter ihnen fönnen nie genug lernen.
In den Bügomer Prit. Sammlungen, wo man die Qumifche
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Gefhichte nicht undeutlich der Häberlinifchen nachſetzt, vergißt man offenbar einen Hauptumftand: Wer nämlich Humiſche Ges ſchichte ſchäzt, verwirft deßwegen nicht Häberlinifhe. Die eine läßt fih gar nicht mit der andern vergleihen, Die eigentlichen Gefhichtklauber, die, um eine Jahrzahl zu berichtigen, Folians ten langfam durchblättern und ganze Zrühlinge verfigen, find überhaupt ein murrendes, alles andere verachtendes Bolk, und können fich fehr erbittern, wenn man ihnen irgend ein Werf vorzieht, das mit Leichtigkeit gefchrieben zu fein fcheint. „Das fteht in dem trodenen Annaliften Alles weit genauer« — aber fie bedenken nit, daß, fo wenig ald dem Menfchen äußerfte Genauigkeit möglich ift, fie eben fo wenig ihm auch überall nös tbig iſt. Wer den Ausdrud der Muskeln an dem farnefifchen Herfules bewundert, dem muß ber Phnfiolog nicht verächtlich zurufen: sim Albinus und Gowper fteht das Alles weit genauer.“ Jedes nah feiner Art, iſt eine Regel, die den Kritiker überall leiten fol.
Daß Garve aufgehört bat zu fhreiben, ift ein fo großer Berluft für unfere Literatur, als daß Lavater angefangen bat.
IH kann nicht leugnen, mein Mißtrauen gegen den Ges ſchmack unferer Zeit ift bei mir vielleicht zu einer tadelnswürdis gen Höhe geftiegen. Täglich zu fehen, wie Leute zum Namen Genie kommen, wie die Kellerefel zum Namen Taufendfuß, nicht weil fie fo viel Füße haben, fondern weil die Meiften nicht bis
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auf 14 zählen wollen, hat gemadt, baß ich feinem mehr. ohne Prüfung glaube. oo.
Aus dem jehigen Zuſtande ber Gelehrſamkeit, da fi Nützlich⸗ keit, Gründlichfeit und Tändelei wie 1, 3 und 5 verhalten, gleich auf einen Verfall der Wiſſenſchaften fehließen wollen, beißt bie Sache mit gar zu mifroffopifchen Augen betrachten. Diefes Zidzad wird im Allgemeinen doch nur ein fteter Weg; ob er. zur Auf nahme oder zum Verfall führt, läßt fi fo geſchwind nicht beur⸗ theilen. Funfzig Jahre Kleinmeifterei und Tändelei nehmen fich “ für das lebende Zeitalter traurig aus, im Ganzen find es un« merkliche Krümmungen in bem großen Zuge. Wenn man nahe ift, fo fieht e8 aus, als böge er ſich zurück. — Wenn ein Volt fih einmal aus der edeln Einfalt in das mehr Schimmernde verloren bat, fo geht, wie ich glaube, der Weg nach der Ein» falt zurück, durch das höchſt Affeetirte, das mit bem Ekel enbigt.
Wenn unfere jetzt im Schwange gehende regifterartige Ge— lehrſamkeit nicht bald zu ihrem Winterftilifiand fommt, fo ift allerdings viel zu befürchten. Der Menfch lebt allein, um fein und feiner Mitmenfchen Wohl fo fehr zu befürdern, al® es feine Kräfte und feine Lage erlauben. Hierin fürzer zu ſeinem End» zweck zu gelangen, nügt er bie Verſuche feiner Vorfahren. Er. ftudirt. Ohne jene Abficht ſtudiren, bloß um fagen zu können, was Andere gethan haben, das heißt bie lehte der Wiffenfchaften treiben. Solche Leute find fo wenig eigentliche Gelehrte, als
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Regifter Bücher find. Nicht bloß wiffen, fondern auch für die Nachwelt thun, was bie Vorwelt für uns gethan bat, heißt ein Menſch fen. Sol ih, um nichts noch einmal zu erfinden, was ſchon erfunden ift, mein Leben über der Gelehrten Ge- [dichte zubringen? Sagt man doch Dinge vorfäglich zweimal, und man nimmt ed einem nicht übel, wenn nur bie Einklei⸗ bung neu ift. Huf du felbft gedacht, fo wird deine Erfindung einer fihon erfundenen Sache gewiß allemal das Zeichen des Eigenthümlichen an ſich tragen.
Es haben ſich in dieſem Jahre eine Art von gelehrten Wit« terungsgefprächen in unfere Gefellfehaften eingejchlichen, fo daß man faft das eigentliche Wetter barüber vergißt. Anftatt zu “fügen, e8 geht ein fcharfer Wind, fagt man, das neuefle Stüd der alfgemeinen deutfchen Bibliothek ift nun angefommen. Statt von ſchmutzigem Wetter zu fprechen, fpriht man von der Frank⸗ furter Zeitung und man Plagt jegt nicht mehr über ſchwüle Luft ober Froft, fondern faft allein über Recenfentenunfug. Es fol auch fogar ein franzöſiſcher Spottvogel in einer neuen Auflage feiner Grammaire ein Geſpräch zwifchen einem Herren und einem Schneider eingefchaltet haben, wo diefer unmittelbar nach der Frage: Befehlen der Herr goldene Knicbänder oder cameelhanrne? feinen Kunden fragt: Haben der Herr die Frankfurter Zeitung gelefen?
Die Engländer werden es duch Überfegung unferer Schrif— ten dahin bringen, daß wir fie gar nicht mehr überfegen. J. 1 \ı
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Einige Leute wollen das Studiren ber Künfte lächerlich maden, indem fie fagen, man ſchreibe Bücher über Bildchen. Was find aber unfere Gefpräche und unfere Bücher anders, als Befchreibungen von Bildchen auf unferer Netzhaut oder in unferm Kopf?
In der Republik der Gelehrten will jeder berrfchen, es gibt ba keine Aldermänner, das ift übel. Ieber General muß, fo zu reden, ben Plan entwerfen, Schildwache fiehen, bie Wacht⸗ ftube fegen, und Wafler holen; es will Peiner ben andern in bie Hände arbeiten.
In Deutfhland haben wir eine Menge Gelehrten, die fidh gefchwinde, wie man gu fagen pflegt, in ein Fach hineinwerfen koͤnnen. Diefe Leute wunbern: fi) heimlich über ſich felbft, daß fie fo bald im Stande find, über eine Materie zu fchreiben. Sie werben Polygraphen, ehe fie fi) befjen verfehen, und erlan⸗ gem einen Ruhm; allein faft immer werben fie nur von Unwiſ⸗ fenden und SHalberfahrnen angeftaunt. Der eigentlide Mann des Yaches lächelt bei ihren Arbeiten, die der Wiffenfchaft felbft nicht einem Pfennig eintragen. Sie gegentheils find blöbfinnig genug, biefen ihnen verfagten Beifall des Kenners für Neid zu halten. Unſere meiften Schriftfteller find von der Art, man darf es kühn behaupten. Sie find vortrefflih, um von ihnen zu fpreden — benn auch unter biefen berporzuragen, ift eine Ehre, wenigftens in dem Lande, wo es Mobe ift, auf biefe Art
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gelehrt zu fein — aber Bortheil bringen fie ber Wiffenfchaft fiherlih nit. Um in einer Wiffenfhaft fo zu fehreiben, daß man nicht bloß die Menge ftaunen macht, fondern ben Beifall bes Kenners erhält und ber Wiffenfchaft felbft etwas zulegt, muß man fih ihr allein widmen, und zu gewiſſen Beiten felbft nur einzelne kleine Theile berfelbern bearbeiten. Unfere Gelehrten werben gewiß von andern ähnlichen wieder verdrängt, fie ſter⸗ ben am Abend be Tages, da fie in ber Sonne fdhimmerten und fpielten, zu Xaufenden dahin und werben vergefien. — Man kann fi feldft His zum Erflaunen in einer Sache Genüge leiften, und der Erfahrne lacht über unfer Werk.
Lord Chefterfielb Hat gewiß nie gedacht, daß feine Briefe im Druck erfcheinen würden. Hätte er einen Trartat über bie Erziehung befannt gemacht, fo läßt fich gewiffermaßen aus bes Lords Charakter, den er fehr pünktlich vor der Welt zu behaup⸗ ten fuchte, fchließen, daß er ganz anders ausgefallen fein würbe, als ein folcher Erziehungsplan, den man aus feinen Briefen entiverfen koͤnnte. Das Meifte ift darin, wie billig, ben inbivi- duellen Umftänden des jungen Stanhope angemeffen, unb ba, wo er beffen Natur wibderfpenftig findet, fucht er manchen fei: ner Regeln ein Gewicht zu geben, das fie in einem allgemeinen Syſtem nicht haben dürften. Gr bringt freilich als Hofmann auf Grazie und Anftand bei einem jungen Menfchen, ben er zum Hofmann machen will, aber daß er es auf eine ſolche Art
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thut, wie wir in feinen Briefen fehen, wo er fo oft vom Tanz» meifter, vom Berfchneiden und Nägelabfchneiden fpricht, und immer the graces, the graces im Munde führt, bad muß aus dem befondern Charakter ded jungen Stanbope erklärt werben. Vielleicht kann Folgendes dazu beitragen, was ich von guter Hand babe. Ich las Cheſterfield's Briefe auf Lord Bofton’s Landhauſe, wo fi damals eine gewifje jchottifhe Dame, Mrs. Walkingfhbaw, ebenfalls zum Beſuch aufhielt, die nicht allein den jungen Stanhope fehr gut gefannt bat, fondern auch noch jest vielen Umgang mit feiner Mutter hat. Nach der Befchrei- bung biefer Dame war Mr. Stanhope ein guter, fetter, bequemer Junge, ber viel gelernt hatte, aber wenig von bem Stolz und brennenden Ghrgeiz befaß, den ihm fein Water zwanzig Jahre, nachdem er ihn gezeugt hatte, noch einflößen wollte; nichts von Bolingbrof’s wirfender Kraft, deſſen Ihaten ibm zum Mufter vorgeftellt waren, obgleich vielleicht mehr gründliche Gelehrfame keit in einem geringern Alter. Gr hätte fi) vielleicht gut geſchickt, wie ich merke, ald Privatmann ein paar Auctoren oder Acla pacis herauszugeben, und einen guten Ehemann und Bater zu machen. Dabei war er im höchften Grade unreinlich, wie viele Bücdermänner, uud pflegte oft in Gefelifchaft mit dem linken Fuß auf dem rechten zu fliehen. Bon feiner wenigen Lebensart zeugt bie befannte Gefhichte von feiner Aufführung bei einem Gaſtmahl, bas fein Vater in der Abficht angeftellt hatte, ihn in die Welt einzuführen und ihm Verbindungen zu verſchaffen. Endlich heirathete er noch wider des Vaters Willen, aber ein
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vortreffliches Frauenzimmer, die Herausgeberin der Briefe, mit der er gewiß glüdficher gelebt hat, ald wenn ihm fein Vater, wie gewiß am Ende gefchehen fein würde, feine ea am politifchen Himmel gefhloffen hätte.
Es gibt wohl wenige Namen, bie fo fehr verdienen in dem Tempel bed guten Geſchmacks aufgeftellt zu werden, während fie der Henker mit gleihem Recht an ben Galgen ſchlägt, als der Name bes Engländer Junius. &o viel Bosheit bei fo viel attiſchem Wigz; verabfcheuungswürdige Beleidigung der Ma: jeftät in einem beneibenswerthen Ausdrucke; Kenntniß bed Men⸗ fhen, auf die ruchlofefte Art zur Kränkung ihrer Rechte gemiß- braudt; alle Zaubereien der Beredſamkeit aufgeboten, ein Ges fpenft feiner Vorftelungen, den Despotismus, zu verbannenz; ein Eifer für die Conftitution, der, wenn er allgemein werden follte, ihren Untergang unvermeidlich maden würde — biefes charalte- rifirt die Briefe diefes in allem Betracht außerordentlichen Mannes.
Man wundert fich oft, mie ein Mann, wie Mahomeb, feine Leute fo habe hintergehen, und mit feinen Fähigkeiten, fie mögen nun Plein ober groß gemwefen fein, ein Auffehen in ber Welt maden fünnen, das gar Fein Verhältniß zu ihnen hatte. Man wundert fih, und fiebt es boch alle Tage, wiewohl in einem geringern Grabe vor fih. Es gibt in ber gelehrten Res publif Männer, die ohne das geringfte wahre Verdienſt ein fehr großes Auffehen machen; Wenige unterfuichen ven Werth berfel-
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ben, und bie, bie ihn Zennen, würde man für Läfterer halten, wenn fie ihre Meinung öffentlich fagten. Die Urſache ift, der eigentlich große Mann bat Eigenfchaften, bie .nur der große Mann zu fhägen weiß; der andere foldhe, welche der Menge ge fallen, die hernach die Bernünftigen überflimmt.
Ich glaube, es ift Feine Wiffenfchaft, worin ein Mann mit größerer Allgemeinheit von Unterhaltung mehr nügen, und fidh felbft mehr zeigen kann, als die Geſchichte. Freilih muß das Manchem feltfam vorfommen, meil biefes Wort faft ganz feine Bedeutung im Deutfchen verloren bat. Die Deutfchen haben, fo viel mir bekannt ift, bis jeht noch feinen Geſchicht⸗ fchreiber gehabt, und werden auch vielleicht noch nicht fo bald einen befommen. Sie haben nicht bie Gelegenheit, alle Ser lenfräfte fo auszubilden, ale Männer, bie. in großen und geichen Städten leben, wo Pracht und Üüppigkeit auf das böchfte geftiegen find. Sie bearbeiten meiftens nur Cine Geiftesfraft, und das Phlegma bed Grüblers ift felten bei ihnen. mit dem Witz unb ber Philoſophie verbunden, die nöthig ift, die Sachen zufammen zu.bringen, und dann ſtark und gut zu fagen. Ferner findet fi bei ihnen eine gewiſſe Tory'ſche Gefälligkeit gegen bie Großen, bie macht, baß fie das Meifte mit einer einfchläfernden Unmaßgeblichkeit und feis gen Unvorgreiflichkeit fagen. Ihre Sprade ift noch nidt in dem Buftande, daß bie Sprache ber guten Gefellfchaft die von Büchern abgeben könnte. Der gute Schriftftelleer muß daher fich
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eine Sprache fchaffen, wenn er fi) fo ausbrüden will, baß er Ausländern gefallen fol.
Nichts iſt mehr zu wünſchen, als baß Deutfchland gute Sefchichtfchreiber haben möge; fie allein können machen, daß fi bie Ausländer mehr um uns befümmern. Es müffen aber ja feine Begebenheitöberichtiger fein, oder fie müflen uns bie Mühe in dem Werke nicht fehen laſſen; fie müffen Selbftverleugnung genug befiten, das Reſultat von einer monatlangen Unterfuchung in 'einer 3eile binzuwerfen, fo baß ed unter Zaufenden kaum Einer für fo Eoftbar hält. Es wird dennoch gewiß gefunden, und wenn jest nicht, fo nach taufend Jahren. Es muß überall Rückſicht auf. Gefhichte des Menfchen, Geift der Gefege genom⸗ men werden, nicht prahlbaft, und aus eben dem Grunde nicht einmal in einer Modewendung und noch viel weniger in einer Pointe. Die runde Form ift bie, die am wahrfcheinlichfien ganz auf bie Nachwelt kommt, wenn ‚die Materie fonft gut iſt; ich wollte daher faft anrathen, wenigfiens in ben Betrachtungen, lieber von Seiten der Kürze zu fehlen; wenn bie Nachwelt wei: fer wird, fo bringt fie, wie Sterne fagt, mehr als die Hälfte bes Buchs ohnehin mit. Sie kann vermuthlich gefchwinder Iefen. Ich wünfchte aber wohl zu wiſſen, in wie ferne ber Deutjche jegt zu einer ſolchen Gejchichte fühig ift; ich fage meine Meinung. mit einiger Furcht. Der eigentliche Profefjor, oder Stubenfiger ſollte ich vielmehr fagen, ift der Mann, der unter Allen am we⸗ nigften fähig ift, ein großer Gefchichtfchreiber zus werben. Gr
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kann dem Andern vorarbeiten, er kann Differtationen fchreiben, damit der Andere ein Wort fprechen kann, und kann in fo fern ein fehr nügliher Mann werden. Allein es ift gewiß, daß fid) am Ende diefe fehweren Berichtigungen alle nach 4 bie 500 ober 1000 Jahren verlieren werben, wo die Nachwelt noch bes Mans nes Buch lefen wird, der Zurz, bündig und mit männliddem Ernſt — ber für größtmögliche Unterfuhung Bürge wirb, fo wie ein gefeßtes Geſicht und fimple reinliche Tracht für einen männlichen Charakter — die Begebenheiten erzählt, und ohne zu predigen, Anmerkungen einftreut, aus denen man Predigten maden Fünnte. Ich fage, der Stubenfiker ift nicht der Mann, der bierzu taugt, weil e8 faum möglich ift, ohne Umgang mit ber Welt und mit Leuten, bie einem an Erfahrung überlegen find, und von allerlei Stand, fi) da8 Gefühl zu erwerben, das uns faft ohne nachzudenken von Begebenheiten urtbeilen, ober wenigftens am rechten Orte fuchen,, ober nach ber rechten Rich⸗ tung verfolgen lehrt. Bücher würden diefen Mangel völlig ere fegen, wenn alle Bücher von Menfchenfennern gefchrieben wären; allein felbft der Mann, ber Erfahrung bat, im gemeinen Leben barnach verfährt, fie am Tifh und Spaziergängen äußert, wirb fie oft nicht in fein Buch bringen, nicht weil er fie für Arcana bält, behüte der Himmel, fonbern weil er glaubt, fie ſchicken fih nicht für ein Bud. Denn es ift nur allzugemein, baß kluge Leute beim WBücherfchreiben ihren Geift in eine Form zwingen, bie von einer gewiffen Idee, bie fie vom Stil haben, beftimmt wird, eben fo wie fle Gefichter annehmen, wenn fie
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ſich malen laffen. Langer Aufenthalt in großen Handelsſtädten, nicht weit von einem Hof, ober noch befier, in einiger Verbin⸗ dung mit ihm, Aufmerkſamkeit auf bie gleichzeitigen Begeben- beiten und ihre Verbindung, Lefung bes Tacitus, Robertfon und einiger wenigen andern, Philofophie, Naturlehre und Mathe: matif, beftändige Aufmerkſamkeit auf das, wovon gerebet wird, wenn man in Gefellichaft ift, find Dinge, die überhaupt Bieles beitragen, ben vernünftigen Mann zu bilden, und b haupt: ſächlich den Geſchichtſchreiber.
Mich dünkt, der Deutſche hat feine Stärke vorzüglich in Ori⸗ ginalwerfen, worin ihm fchon ein fonberbarer Kopf vorgearbeitet hat; oder mit andern Worten: er befigt die Kunft, durch Nachah⸗ men original zu werben, in ber größten Vollkommenheit. Er befigt eine Empfindlichkeit, augenblidlich die Formen zu haſchen, und fann fein Murfi aus allen Tönen fpielen, die ihm ein ausläns« bifcher Originaltopf angibt.
Gewiß kann in Deutfchland nichts der Aufmerkfamkeit eines fatirifhen Kopfes würdiger fein, als ber jegt fo allgemein ge mworbene Jächerlihe Eifer, Original zu fein. Es geben über biefem Bemühen die beſten Köpfe zu Grunde, und ber Deutſche vernachläffigt diejenigen Wiffenfchaften, wozu ihn bie Natur hauptſächlich beſtimmt zu haben fcheint: das Klarmachen in ber Philofophie und ber höhern Geſchichte.
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Ich glaube, daß von funfzig,. bie ben Homer ſchön finden, ihn kaum Einer verfteht. Sie haben ihn nie tadeln hören, unb fo Fann fie feine Lectüre ergögen; allein es. gehört viel dazu, ihn eigentlich zu verfiehen. Ein Bud, bad man im zwanzig⸗ ften ganz überfieht und ganz verfteht, gefällt nicht leicht mehr, wenn man breißig alt it. Daher kommen bie elenben Nachah⸗ mungen ber Alten, die wir von jungen Leuten lefen. Sie haben 3. E. den Horaz, ben Shakefpear nachgeahmt, den fie fahen, gewiß, davon bin ich ficher überzeugt; aber nicht ben Horaz unb Shafefpear , den ber erfahrnere, klügere und weifere Mann in ihnen finder. Der Eine klebt bloß an dem Ausbrud und ber Manier, bie er nicht erreicht; ber Zweite gibt uns faft in ber Manier Sachen, bie gerade denen ähnlich find, die mar aus bein Original wegwünſchen könnte; ein ‘Dritter weiß. ben Aus- druck zwar zu treffen, allein er hat nichts in ber Welt gefehen und erfahren, und fagt und Dinge, bie wir fihon auswenbig wiffen, u.f. w. Ein fidhres Beihen von einem guten Buche ift, wenn ed einem immer beffer gefällt, je älter man wirb. Ein junger Menfh von 18 Jahren, der fagen wollte, fagen dürfte, und vornehmlich fagen könnte, was er empfindet, würde vom Tacitus etwa ‚folgendes Urtheil fällen: „Es iſt ein ſchwerer Schriftfteller, der gute Charaktere zeichnet, und vor⸗ trefflich zumeilen malt, allein er affectirt Dunkelheit, und kommt oft mit Anmerkungen in bie Erzählung ber Begebenheiten herein, die nicht viel erläutern. Man muß viel Latein wifjen, um ihn zu verftehen.n — Im 2öften Jahre, vorausgefegt, daß er mehr
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getban hat, als gelefen, wird er vielleicht fagen: „Tacitus ift der dunkle Schriftfteller nicht, für den ich ihn ehemals gehalten, ich finde aber, daß Latein nicht das Einzige ift, was man wiſſen muß, um ihn zu verfteben, man muß fehr viel felbft. mitbrin. gen; und im 40ften, wenn er die Welt bat kennen lernen, wird er fagen: ⸗Tacitus ift einer ber’ erſten este, bie je gelebt haben.“
Daß die Plagiarii fo verächtlich find, Fommt daher, weil fie ihr Plagium im Kleinen und heimlich ausüben. Sie follten es machen, wie bie Eroberer, bie man nunmehr unter bie bonnetten Leute rechnet: fie follten platterbings ganze Werke fremder Leute unter ihrem Namen bruden laffen, und wenn ſich Jemand dagegen in loco felbft regt, ihm binter die Obren fhlagen, baß ihm das Blut zu Maul und Nafe berausfprügte; auswärtige .aber:in Beitungen Spisbuben, Cabalenſchmiede und dergleichen fchelten,, fie zum — weifen, ober. fagen, daß fie das Wetter erfchlagen folle. Auf diefe Art wollte id) meinem Va⸗ terlande weiß miachen, daß ich den Sebaldus Nothanker geſchrie ben hätte.
Es gibt eine gewiffe Art von Büchern, vergleichen wir in Deutfchland in großer Menge haben, die zwar nicht vom 2efen abjchreden, nicht plötzlich einſchläfern, oder mürrifch machen, aber in Zeit von einer Stunde ben Geiſt in eine gewiſſe Mat- tigfeit verfegen, die zu allen Zeiten einige Ähnlichkeit mit derje⸗
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nigen bat, ‚die man kurz vor einem Gewitter verfpürt. Legt man das Buch weg, fo fühlt man fi) zu nichts aufgelegt; fängt man an zu fehreiben, fo fehreibt man eben fo; felbft gute Schrif⸗ ten fcheinen diefe laue Gefhmadlofigkeit anzunehmen, wenn man fie zu leſen anfängt. Ich weiß aus eigener Grfahrung, daß gegen diefen traurigen Buftand nichts geſchwinder hilft, als eine Taſſe Kaffee mit einer Pfeife Varinas.
Winkelmann, Hagedorn und Leffing haben unfern beutfchen Kritikern einen neuen Geift mitgetheiltl. Ehemals fagte man von einem ſchlechten Kupferftih: Der Kupferftich ift fchlechtz jetzt haben bie Beurtheilungen mehr Feuer. Bon einer Coeurdame 3. 8. mürben fie fo urtbeilen: Das Gefiht bat zu viel Locales, die Augen haben von ben Augen ber Juno, die ber Kartenmadher zu erreichen gefucht hat, nichts als die Größe; nicht von dem ftillen Feuer, da8 den Paris wanken madıte, nichts von bem Himmel an ihnen, der fich mit ihnen auf» und mit ihnen zufchließt. Go idealifh auch der Mund ſcheint, fo franzöfifeh find die Locken; fie fpielen nicht neidifh um bie volle Wange, fondern mit rei- cher Pomade in eine gewiffe Stellung gefteift, fcheinen fie wenig befümmert zu fein, ob fie zu wenig ober zu viel verbergen. In ihrem Wuchs ift nichts Griechifches ; dem Serer könnte fie gefallen. Man vermiffet mit Unwillen die ſchlanke Biegung bes Körper, die uns dadurch, daß fie das Geficht mwegzieht, ben warmen. elas ſtiſchen Bufen anzubieten ſcheint. Pie Hände find wie von ber englifhen Krankheit verdreht und ſcheinen angefet. Bas Co
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Iorit ift das Golprit-- eines ſchlechten Malers, ber auf frifchen Gips malt, und der, um einer Stelle fanften Schmelz mitzu⸗ theilen, fieben andere ganz abgefchnitten figen läßt. Kurz in der ganzen Goeurdame finden wir auch ‚nicht die flüchtigſte Spur des Genies, das durch einen einzigen Bug uns nöthigt, Leine wand für unfern Nächten zu-balten, feinen ſtummen Seufzern und entgegen zu erbarmen, und bei feinen gemalten Thränen, das höchfte Gefchen? des gefühlvollen Menfchen, lebendige Thrä⸗ nen zu einen.
Da, wo einen die Leute nicht mehr können denken hören, da muß man fpredden; fobald man aber bahin fommt, mo man wieder Gedanken vorausfegen kann, bie mit unfern einerlei find, fo muß man aufhören zu ſprechen. Ein folhes Buch ift Sterne's Reife; aber die. meiften Bücher enthalten zwijchen äweien merkwürdigen Punkten nichts, als den allergemeinften Menfchenverftand — eine ſtark audgezogene Linie, wo eine punftirte zugereicht hätte. Alsdann ift es erlaubt, bad Ge: dachte auszudrüden, wenn es auf eine befondre Art ausgebrüdt wird, doc biefes ift ſchon mit unter der exften Anmerkung be griffen.
Der beftändige Umgang, den 8... mit Büchern von als lerlei Art hatte, die Titel, bie er las, und über welche er ſpre⸗ chen hörte, Hatten in. feinem Kopf eine Art von allgemeiner En- eyPlopädie erzeugt, welche gedrudt zu fehen vielleicht des größ⸗
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ten Betrachtungenſammlers nicht unwürbig wäre. Weil ich mich öfter mit ihm über mathematifche Bücher unterhalten habe, fo kenne ich ihn von biefer Seite etwas genauer. Seine Begriffe formirten ſich ungefähr fo: Er fah Käftner’s Ruhm und Beſol⸗ bung — erfier Schluß: alfo durch Mathematit kann man zu Ruhm und Brot kommen. Er fah eine Sprache in den mas thematifchen Büchern, die fih von allen andern, chriftlichen und beibnifhen, Sprachen unterfhied — zweiter Schluß: bie Mathematid ift erfchredlich fchwer. Einige Bücher gingen ihm befländig ab, ambere blieben ihm ſtehen, und beinahe ewig ſtehen — dritter Schluß: einige Theile der Mathematik | müffen alfo wohl Brot eintragen, allein fie wirb doch nicht ganz mit gleihem Eifer getrieben. Er ſah die Finfterniffe vorausſa⸗ gen, und zwar, baß, wie er felbft fagte, die Kalendermacher ſel⸗ ten ſich um ein paar Baterunfer lang irrten — vierter Schluß: das ift etwas Außerorbentliches um die Mathematik. Bufammengenommen ſah feine Definition ungefähr fo aus:
"Die Mathematik ift eine Profeffion, wobei ein ehrlicher Mann alle feine fünf Sinne nöthig bat, die Ehre und auch Brot einbringt, aber nicht viel getrieben wird; einige heile davon müſſen faft fo brauchbar fein, al8 die Pandekten; fie lehrt Fünftige Dinge vorberfagen, und das auf eine erlaubte Art; die Mathematifer wiffen vermutblih, wenn unfer einer ftirbt, aber fie thun wohl, daß fie e8 uns vorenthalten, und Gott gebe, daß die Landesobrigkeit es ihnen niemals erlaube, etwas davon auszuplaudern ·.
Ä | 371.
So viel ich hören und fchließen konnte, fo war feine Tafel
ver menſchlichen Erfenntniß fo getheilt: BWiffenfhaften bringen
Fu Brot und fein Brot u. Ehre und Brot und
Ehre feine Ehre fein Brot feine Ehte Turiopludentia Metaphysica Pocsia Advocaltia Medicin« Logica Belles Let- Oeconomia Theologia Critica tres Anatomia Analysis. infi- Mathesis Kechnen und
nitor. Philosophia Schreiben.
Die Yoriks find die Obfervatoren bei der philofophifchen Facultät diefer Welt, bie man eben fo nöthig bat, al& bie bei Sternwarten. Sie brauchen die großen Kunftgriffe, allgemeine Lehrſätze zu ziehen, nicht zu verftehen; nur genau obferviren müffen fie fönnen. Was würde man von einem Obfervator far gen, ber ein folches Diarium bdruden ließe: „Den 12ten habe ih den Mond gefehn, den 13ten darauf die Sonne, fehr ſchön; bie folgende Nacht Fonnte man erfehredlich viele Sterne fehen « u. f. w., oder ber die Phafen einer Sonnenfinfterniß nad) Ba- terunferslängen beflimmte? Aber unfere meiften Schriftiteller find weiter nichts, als ſolche moralifche Obfervatoren, bie einem Kenner eben fo abſcheulich zu lefen find, als e8 ein folches Dias rium einem Aftronomen wäre.
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Das Studium ber Naturgefchichte ift nun in Deuftſchland bis zur Raſerei geftiegen. Es ift freilich immer befier, als firogende Freiheitsoden zu verfertigen, oder das Dukendb Ideen unferer fo genannten großen Dichter bald in drei⸗ bald in fech8» zollige Zeilen in erftimulirter Begeifterung zu mifchen. Allein obgleich vor Gott das Infect fo viel gilt, als ber Menſch, fo ift ed für unfern Nervenknaul doch nicht fo. Gütiger Himmel, wie viel bat der Menſch in Ordnung zu bringen, bis er auf Bögel und Schmetterlinge kommt! Lerne deinen Körper kennen, und was bu von deiner Seele wifjen kannſt; gemöhne deinen Verſtand zum Iweifel und bein Herz zur Verträglichkeit. Lerne den Menfchen Eennen, und waffne dich mit Muth, zum Vor⸗ theil deines Nebenmenfchen die Wahrheit zu reden. Schärfe dei: nen Berfland durch Mathematit, wenn bu fonft feinen Gegen- ftand findeft, Hüte dich aber vor Namenregiftern von Würment. wovon eine flüchtige Kenntniß nichts nügt, und eine genaue ins Unendlide führt. — „Uber Gott ifi unendlich im Infert, wie in der Sonne.« DO ich geftehe dieſes gern zu; er ift auch im . Sande ded Meeres unermeßlich, den noch fein Linne nad feinen Geftalten geordnet hat. Wenn du nicht befondern Beruf haft, in jenen Gegenden nad Perlen zu fifchen, ſo bfeibe hier und baue deinen Ader, er erfordert deinen ganzen Fleiß, und be- denke, daß die Zahl der Fibern deines Gehirns und ihrer Fal⸗ ten und Brüche endlich iſt. Wo eine Schmetterlingshiftorie ftebt, wäre Plag für Plutarchs Biographien gewefen, die doch zu großen Thaten angefeuert hätten. Iſt nicht Geſchichte der Künfte noth:
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wenbiger und nüglicher® Ich wollte lieber wiſſen, was in ber Gefhihte der Handwerke und Künfte ſteht, als Alles, was Linne je gebacht und gefchrieben, weiß, wußte und wieder vergeffen hat. Allein das ift das Loos ber Deutfchen, jeden großen Ausländer, der nichts Anderes tbun Ponnte, ald was er that, ber ben ausbrüdlichen Befehl der Natur hatte, in biefem und feinem andern Sache groß zu werben, ich fage, es ift das 2008 ber Deutfchen, einen ſolchen Mann nachzuahmen, nicht allein ohne Befehl der Natur, fondern felbfi wider ihren Willen,
Die Aftronomie ift vielleicht diejenige Wiffenfhaft, worin das Wenigfte durch den Zufall entdeckt worben ift, mo der menſch⸗ Ihe Berftand in feiner ganzen Größe erfcheint, und wo ber Menſch am beften fennen lernen kann, wie Blein er ift.
Ob nicht eine flehende Macht von Recenfenten gut wäre, die die Streitigkeiten ber übrigen Gelehrten führten, und bie Gerechtſame und Vorzüge der Nation darthäten? Diefe Leute müßten eben fo viel Gelehrſamkeit und: Beredfamkeit befigen, als die Soldaten Tapferkeit.
Daß man fo viel wider die Religion und bie Bibel fchreibt, gefchieht mehr aus Haß gegen eine gewiſſe Claſſe von Menfchen. Wenn Philologen anfangen follten zu herrſchen ‚fo könnte leicht den alten Clafſikern Homer, Birgil, Horaz und andern eine
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ähnliche Ehre mit größerem Vortheil mwiberfahren. Wir dürften nur einmal einen pbilologifhen Pabft bekommen.
Über nichts Fönnte fi die Satire mit glüdlicherem Erfolge ausbreiten, als über das abfcheuliche Überfegen zu unferer Zeit. Die meiften beutfchen Gelehrten find die Dolmetfcher der Müf: figgänger und die Mäffer der Buchhändler. Man überfekt, um; wie man fagt, nützliche Kenntniffe gemeiner zu madhen, und die Kenntniffe werden gemeiner, ohne nüplidh zu fein. Ewig Mittel gefammelt und kein Endzweck erreiht! Cs ift zum Er: ftaunen, wie mande Gelehrte in Deutfchland Kenntniffe anhäu- fen, bloß um fie vorzuseigen.
In den ganz alten Werken der Bibel, in griechifcdhen und lateinifhen Schriftftellern findet man eine Menge von Tugend: lehren, fo viele feelenftärkende Sentenzen, die von den erleuch» tetften Köpfen aus ber Erfahrung gefammelt, und mit dem Zug einer ganzen Lebensbahn verglichen, endlich in biefen Schatz niedergelegt worden find. Im Salomo fliehen eine Menge vortrefflicher Lehren, die wohl nicht von ihm find — Eingebungen; vielleicht Hefte, die ihm feine Lehrmeifter dictirt haben. Eben bdiefer Verſtand der Alten, die Gabe, bie fie haben, einem Beobachter feiner felbft ins Herz zu reden, ift ed, was mir bie Lefung der Bibel fo angenehm macht. Es find die Grundzüge zu einer Welttenntnig und Philoſophie des Lebens, und bie feinfte Bemerkung der Neuern ift ges
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meiniglih nichts als eine mehr inbividuclifirte Bemerkung jener Alten.
Ein Mann von Weltfenntniß und Berftand belehrt oder unterhält mic) immer, wenn ed auch glei mandmal nicht ge- rade von: der beften Seite gefchehen follte. Bei einer Schladit. zwifchen Engeln und Zeufeln bat Milton mehr Schönes gefagt, ald Andere bei ihrem Sonnenwagen. Lamberts Abhandlung über Dinte und Papier ift für mich unterhaftender, als Zim⸗ mermanns ganzer Nationalftolz.
Durch unfer vieled Xefen gewöhnen wir uns nicht allein Dinge für wahr zu halten, die e8 nicht find, ſondern unfere Beweiſe befommen aud eine Form, die oft nicht fowohl bie Natur der Suche mit fih bringt, als unfer unvermerfter Ans hang an die Mode, Mir beweifen aus den Alten, was wir mit Beifpielen aus unferm Ort eben fo Präftig unterflügen fönn- ten; auch werden Sentengen citirt, bie nicht beweifen, und Süße, aus denen man nichts Neues lernt. Es ift fehr fchwer, eine Sache neu anzufeben, nicht durch das Medium der Mode, oder mit Rüdficht auf unfer Modeſyſtem. Cs wird immer Anz jehen gebraucht, wo man Gründe brauchen follte, immer ge: fhredt, wo man belehren follte, und Götter werben zu Hülfe genommen, wo Menfchen binreichend wären.
Garrick dankte fehr weisfih ab, um nidt das Schickſal 18°
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bes Schaufpieler8 Aefopus zu haben, der noch bei Einweihung des Theaters des Pompejus agiren wollte. Die Stimme fehlte ihm, und man weiß noch jegt, daß man wünſchte, er wäre weggeblieben. Middleton Tom. I. pag. 470.
Unter den Gelehrten find gemeiniglidy biejenigen die größten Verächter aller übrigen, bie aus einer mühſamen Bergleihung unzäbliger Schriftfteller enblich eine gewiffe Meinung über einen Punkt feftgefegt haben. Auch diefed muß freilich gefchehen, und fie verdienen deſto aufrichtigern Dank, je mehr ed ausgemacht ift, daß wir an ihrer Stelle eben das thun und denken würben. Bieles Wachen und Lefen, denkt man, verdient den Lohn bes Ruhms. Allein diefe Leute müffen auch bedenken, daß gerade mit eigenen Augen in bie Welt bineinfehen, auch ein Stubium ift, wozu fie nicht aufgelegt find. Denn ob ich Bemerkungen hinter dem Buche, oder hinter ben Fenfterfcheiben made, ift wohl gleichviel. Nehmet Alles mit Dank an, und veradhtet kei⸗ nen. Es ift Alles gut, und Alles kann zu einem großen End⸗ zweck genugt werben. In Büchern nah ben Menfchen fuchen, ſollte ich deß wegen für eine fchlechtere Arbeit halten, als felbft beobadıten, weil die Wenigften im Stande find, den Menfchen, fo wie er ift, zu Buch zu bringen; und daffelbe Geiftesgebrechen, welches macht, daß man den Menfchen falſch beobachtet, macht, daß man ihn aud falſch im Buche erkennt; alſo iſt bei dem letztern Studium die Wahrſcheinlichkeit zu fehlen doppelt ſo groß, als bei dem erſtern.
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Alles was unfere Schriftfteller noch zu fchilbern vermögen, ift etwas Liebe; und auch dieſe wifjen fie nicht in bie etwas ent⸗ fernten Berrichtungen des menfhlichen Lebens zu verfolgen. Be⸗ merfungen in einem Roman anzubringen, bie fi) auf bie längfte Erfahrung und tieffinnigften Betrachtungen gründen, fol fi fein- Menfch fcheuen, der ſolche Bemerkungen vorräthig bat. Sie werden gewiß audgefundenz durch fie nähern fih bie Werke des Witzes ben Werken der Natur. Ein Baum gibt nicht bloß Schatten für jeden Wanberer, fonbdern bie Blätter vertragen auch noch das Mikroffop. Ein Buch, das dem Weltweifen ger fällt, kann deßwegen auch noch dem Pöbel gefallen. Der lebte braucht nicht Alles zu ſehen; aber es muß ba fein, wenn etwa Jemand kommen follte, ber das fcharfe Geficht hätte.
Die traurigfte Art Schriften ift die, bie weder Raifonnes ment genug enthalten, um zu überzeugen, noch Wiß genug, um zu ergötzen; dahin gehören einige Schriften bed Hrn. Leibmebdicus 3immermann in Hannover.
Wenn einem die Meinungen ber Bellen über eine Sache alle befannt geworden find, fo läßt fih mit bloßer Schlauigfeit oder wenigftens fehr geringer Fähigkeit noch etwas darüber fagen, was die Welt in Erftaunen ſetzt. Bloßer Vorſatz, etwas zu fagen, fann da ſchon viel thun.
Es ift jeder Zeit eine fehr traurige Betrachtung für mic)
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gewefen, daß in den meiften Wiſſenſchaften auf Univerfitäten fo Vieles vorgetragen wird, das zu nichts dient, als junge Leute dahin zu bringen, daß fie ed wieder lehren können. Griechifch wird gelehrt, auf daß man es wieder lehren könne; und fo gebt ed vom Lehrer zum Schüler, ber, wenn-er gut einfchlägt, höch⸗ tens wieder Lehrer wird und wieber Lehrer zieht. Bergmanns vortreffliche Terminologie, die man nit annehmen will, unb nimmt man fie an, doch mit ber alten verbinden muß, gehört
bierber.
Mir ift e8 immer borgefommen, als wenn man ben Werth der Neuern gegen bie Alten auf einer fehr falfhen Wage wäge, und ben legtern Borzüge einräumte, bie fie nicht verdienen. Die Alten fehrieben zu einer Zeit, ba die große Kunft, fchlecht zu fhreiben, noch nicht erfunden war, und bloß fchreiben bieh gut Threiben. Sie fchrieben wahr, wie die Kinder wahr reben. SHeutzutag finden wir und, wenn wir im fechzehnten Jahre zu uns felbft fommen, ſchon, möcht ich fagen, von einem böſen Geift befeffen; und bdiefen erft burch eigene Beobachtung und Streit gegen Anfehen und Borurtheil und gegen die Macht einer vierzehnjährigen Erziehung auszutreiben, und dann nod wieder bie eigene Haushaltung ber Natur anzufangen, erfor dert ficherlih mehr Kraft, als in den erften Zeiten ber Welt, natürlih zu ſchreiben, jetzt da natürlich fchreiben, möcht ic fagen, faft unnatürlih if. Homer bat gewiß nicht gewußt, daß er gut fehrieb, fo wenig wie Shafefpear. Lnfere heutigen
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guten Schriftfteller müffen alle die fatale Kunft lernen: zu wif: fen, baß fie gut fhreiben.
Es gibt Peine Art von Gelehrfamkeit, und Feine Art Tite: rärifcher Befchäftigung, die man nicht mit irgend einem Hand» wer? ober fonft einer Handarbeit vergleichen Fünnte Wir haben im Reiche der Gelehrſamkeit Wegeverbefferer, ein fehr nügliches Ge: fchäfte, das wenig einbringt; Sclaven, bie mit blutigem Schweiß Buder preffen und fieden, den andere Leute verſchmauſen; Leute, die griechifche Münzen einfchmelzen, um modernes Beug baraus zu gießen; Oaffenreiniger; Bettelvögte; Ausrufer; Bader, bie fich für Wundärzte ausgeben, u. a. m. Allein ich babe nie eine Sat» tung finden können, die fo viel mit dem Keffelflider gemein hätte, als die Leute, die unter dem Schein, ein nüpliches Handwerk zu treiben, herumziehen, um bie Leute zu betriegen und zu beftehlen.
Ich babe immer gefunden, je weniger ein Schriftfteller in ber Naturlehre im Stande ift, in feinem Werke feine eigene Größe zu beweifen, befto geneigter ift er, befländig bie Größe Gottes zu zeigen. Und die fromme Welt findet fih von ihrer Seele wiederum geneigter beim Letztern, als beim Erftern ben guten Willen für die That anzunehmen.
Es iſt fehr gut, bie von Andern bundertmal gelefenen Bücher immer noch Einmal zu leſen, denn obgleich das Ob⸗ jeet einerlei bleibt, fo ift doch das Subject verfchieben.
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Es wäre gewiß fehr nüglich, der Welt bie Schriftfteller an⸗ zuzeigen, bie mit Kenntniß anderer, bie vor ihnen gewefen find, aus ſich felbft allein gefhöpft haben. Durch biefe allein lernt man, und es find ihrer gewiß fehr wenige, die alfo Sedermann leicht Tefen Fünnte. Die andern prägen nah und find im eigent» lihen Berftande Falſchmünzer.
Swift Eleibet bie Kinder feiner Ybantafle freilich oft felt- fam genug heraus, daß man fie faum von Hanswurſten und Luftfpringern unterfcheibet; allein Zeuge, Borten und Steine, bie er barauf verwenbet, finb immer echt.
Der Gemeinfprud, daß bad Leben eined Gelehrten in feis nen Schriften beftehe, verbient fehr eingefchränft zu werben. -
Das Stümpern in höhern Wiffenfchaften ift, wenn es mit einigem Witz und einer gewiſſen Duplicität bes Ausdruds ge⸗ fhieht, das, was niebere Clafjen für hohe Weisheit halten; ber Mann, ber von bem Fade ift, worin bier geftümpert wird, lächelt über die Thorbeit. H. in feinen 3. 3. G. d. M. ift-ein Stümper an vielen Stellen.
Wie man alte Bücher ftudirt, in ber Abfiht Wahrheit zu ſuchen, fo kann man wohl zumeilen eine Ausbeute erhalten, bie Andern entgangen ift, allein man risfirt auch zumeilen, die beite Beit feines Lebens zu verkuren.
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Simmermanne Buch, und auch viele Menfhen, bie nur die Formen der Philofophie haben, gleichen einem Gebäude mit gemalten Fenſtern; man glaubt Wunder was fie für Licht hät- ten, fie find aber deſſenungeachtet fehr dunkel; ober gegen Ein Senfter, das ein bißchen Licht ins Haus bringt, find allemal zehn gemalte.
Es gibt wenige Gelehrte, die nit Einmal gebacht haben, fih reich zu fchreiben. Das Glück ift nur wenigen befdhieben. Unter den Büchern, die gefchrieben werben, machen wenige ihr Glück, wenn fie leben bleiben; und bie meiflen werben tobt geboren.
Es ift leider in Deutfchland der allgemeine Glaube, doch nur Gottlob} unter den eigentlih Unmündigen, daß Jemand von bemjenigen viel verftehen müffe, worüber er viel gefchrieben bat. Gerade das Gegentheill Die Leute, die Leine Denker find, und bloß fehreiben, um zu fehreiben und im Meßkatalogus zu ftehen, verftehen oft 14 Tage nachher weniger von dem, was fie gefchrieben haben, als der erbärmlichfte ihrer Leſer. Gott bes wahre alle Menfchen vor biefer Art von Schriftftellerei! es ift aber leider die gemeinfte.
Die Mathematit hat die großen Fortfchritte, die man in ihr gemacht hat, ihrer Unabhängigkeit von Allem, was nicht bloß - Größe ift, allein zu danken. Alfo Alles, was nicht Größe ift,
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it ihr vößig fremd... Da fie alfo Seiner fremben Hülfe be- barf, fondern nur allein Entwidelung der Gefege des menfch: lihen Geiftes ift, fo ift fie nicht allein die gewiſſeſte und zuver⸗ läffigfte aller menſchlichen Wiffenfchaften, fondern auch gewiß die leichtefte.. Alles was zu ihrer Erweiterung bienen kann, ift im Menfchen ſelbſt; die Natur rüftet jeden Elugen Menfchen mit dem vollftändigen Apparat dazu aus, wir befommen ihn zur Ausfteuer mit. Eben dadurch wird fie bie leichtefte aller Wiffen- fhaften, und wir bürfen in feiner andern hoffen, fo weit gehen zu können. Denn der, ber ben ATften Satz im erfien Buch des Euklides beweifen kann, ift doch ſchon fehr viel weiter in ber Entwidelung biefer Gefege des menfchlichen Geiftes, ald man irgend in der Phyſik gekommen ift.
Ich glaube,. daß einige der größten Geilter,. die je gelebt haben, nicht halb fo viel gelefen hatten, und bei weitem nicht fo viel mußten, als manche unferer mittelmäßigen Gelehrten. ' Und mander unferer fehr mittelmäßigen Gelehrten hätte ein größe⸗ rer Mann werden können, wenn er nicht fo viel gelefen hätte.
Was dem Ruhm und ber Unfterblichfeit manches Schrift- ftellers ein größeres Hinderniß in den Weg legt, als der Neid und die Bosheit aller Eritifchen Journale und Zeitungen zufam: mengenommen, ift ber fatale Umftand, daß fie ihre Werke auf einen Stoff müffen bruden laſſen, ber zugleich auch zu Gewürz⸗ duten gebraucht werden kann.
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Was mir an der Art, Gefchichte zu behandeln, nicht gefällt, ift, baß man in allen Handlungen Abfichten ſieht, und alle Vor⸗ fälle aus Abfichten berleitet. Das ift aber wahrlich ganz falfch. Die größten Begebenheiten ereignen ſich ohne alle Abficht; ber Zufall macht Fchler gut, und erweitert das Flügft angelegte Un. ternehmen. Die großen Begebenheiten in der Welt werden nicht gemacht, fondern finden fid.
Leben von Johnſon durch Boswell.— Johnſon ift mir ein höchſt unangenehmer, ungefchliffener Patron. Aber das find gerade die Menfchen, aus denen man bie Menfchen fennen lernen muß — Kroftallifation, bie fi durch kein Ab» ſchleifen verkennen läßt. Was helfen mir die gefchliffenen Steine
Eine feltfamere Baare, ale Bücher, gibt e8 wohl fchwer: li in ber Welt. Bon Leuten gedrudt, die fie nicht verftehen; von Leuten verkauft, die fie nicht verſtehen; gebunden, vecenfirt und gelefen von Leuten , bie fie nicht verfiehen; und nun gar gefchrieben von Leuten, die fie nicht verftehen.
Biele Priefter der Minerva haben, außer mandyer Ähnlich: Peit mit der Göttin felbft, aud die mit dem berühmten Vogel berfelben, baß fie zwar im Dunkeln Mäufe fangen, aber am Tagedlicht den Kirchthurm nicht eher ſehen, als bis is ſie fich die Köpfe daran entzwei ſtoßen.
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Wenn England eine vorzügliche Stärke in Rennpferden bat, fo haben wir bie unfrige in Rennfedern. Ich babe welche gefannt, die mit einem einzigen Sag über bie höchften Helen und breiteften Gräben ber Kritit und gefunden Vernunft binüberfesten, al& wären e8 Strohhalmen.
Iſt es nicht fonderbar, daß man das Yublitum, da® uns lobt, immer für einen competenten Richter hält; aber fobald es uns tabelt, es für unfähig erklärt, über Werke bes Geiftes zu urteilen ?
Wer mit Einemmal überfehen will, wie bie Menfchen Ge: f&hichte fchreiben, ber muß fi) mit der Gefchichte der Religions: ftifter befannt maden, weil das der Fall ift, wo man die Sache am beutlichften fieht. In der Naturlehre iſt e8 eine fehr bekannte Regel, daß man bie günftigften Umftände abpaffen muß. Die eine Partei glaubt gewöhnlich fehr viel mehr, und bie anbere fehr viel weniger, als wahr if. Was bier im höchſten Grabe erfcheint, zeigt fih minder merflih in andern Relationen; if aber immer ba.
Ich glaube, daß man felbft bei. abnehmendem Gedächtniß und finkender Geiftesfraft überhaupt noch immer gut fchreiben fann, wenn man nur nicht zu viel auf den Augenblid ankom⸗ men läßt, fondern bei feiner Lectüre oder feinen Mebitationen immer nieberfchreibt, zu Fünftigem Gebrauch. Auch ber abge:
285 lebteſte Mann bat Augenblide, wo er, durch Umſtände fo gut wie burh Wein angefpornt, fiebt, was fein Anderer gefehen. Diefes muß gehörig aufgefammelt werden. Denn das, was der Augenblid ber Ausarbeitung zu geben vermag, gibt er tod. So find gewiß alle großen Schriftfteller verfahren.
Sollte ed nicht fehr viel befjer um das menschliche Gefchlecht ſtehen, wenn wir gar feine Gefhichte, wenigftens Feine politifche mehr hätten? Der Menſch würde mehr nad ben jebesmaligen Kräften handeln, die er hat; da jekt bier und da das Erempel, gegen einen, den es beffert, Tauſende ſchlimmer macht. — Alles biefe8 für den proprium locum.
Es gibt eine bleibende menſchliche Natur, Regungen des Herzens, die ſich jetzt noch bei eben den Veranlaſſungen einſtel⸗ len, auf die ſie ehemals in Athen, Rom und Jeruſalem gefolgt find. Schriftſteller, bie dieſen Menſchen in ihren Werken ſchil⸗ dern, geben zugleich den Commentar dazu, und werden geleſen werden, fo lange Menſchen find, zumal wenn fie durch Abwech—⸗ felung zu unterhalten wiffen ; denn Vergnügen an Beränberung ift dem Menfchen bleibend eigen. Allein diefe Anlagen verhin- dern nicht, daß der Menſch nicht felbft in gewiſſen Grenzen follte fehr veränberlich fein können. Der Stolz zeigt fich unter taufendfadher Form, fo gut wie die Neigung zum Puk. Der Mond bewegt fi) in einer Elipfe um bie Erbe, aber es finden fih viele Anomalieen. : Monben gehen und kommen wieder.
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Much diefe Menfchen kann man ſchildern; es ift menfchliche Na⸗ tur, mobifleirt durch Umftände, die dem Wechjel unterworfen find. Diefen Menfchen bat fi vorzüglid Hogarth gewählt; aber folche Werke verlieren viel mit der Zeit. —
Es gibt Pein größeres Hinderniß bes Fortgangs in den Wij- fenfihaften, al8 das Verlangen, ben Erfolg davon zu früh ver- fpüren zu wollen. Diefes ift munteren Charakteren fehr eigen; barum leiſten fie auch felten viel; denn fie laffen nad und werden niedergefchlagen, fobalb fie merken, baß fie nicht forte rüden. Sie würden aber fortgerüdt fein, wenn fie geringe Kraft mit vieler Beit gebraucht hätten.
Unter allen Kapiteln, die uns ber angenehme Schwätzer Mountuigne binterlaffen bat, bat mir immer das dom Xobe, der vielen vortrefflichen Gedanken ungeachtet, am wenigften ges falten, Es ift das 19te im erften Buche. Man fieht durch Alles bindurch,, daß ich der wadere Philofoph fehr vor bem Tode ger fürchtet, und durch die gewaltfame Ängſtlichkeit, womit er ben Gedanken wendet, und felbft zu Wortjpielen dreht, ein fehr übe- les Beiſpiel gegeben bat. Wer fi vor dem Tode wirklich nicht fürchtet, wird fhwerlid davon mit fo vielen kleinlichen Troſt⸗ gründen gegen ibn zu reden wiffen, als bier Montaigne beibringt.
Eine traurige Betrachtung für dic alte Geſchichte Liefert uns bie neue ſranzöſtſche. Wie vicl iſt nicht darüber geſchtieben wor⸗
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ben! Wer dünkt ſich gleichwohl jekt weife genug, etwas barüber zu ſchreiben, was nur einigermaßen der Wahrheit nahe kommt? Nun ift freilich bei den Alten nicht fo viel gefchrieben, und folg« Lich gelefen worden; aber gewiß gefchehen ift wohl eben fo viel; ja was das Schlimmfte ift, fo mußte man fich bort mehr auf Erzählung und Tradition verlaffen.
Es ſchadet bei manchen Unterfuchungen nicht, fie erft bei einem Räuſchchen durchzudenken und dabei aufzufchreiben; herz nach aber Alles bei kaltem Blute und ruhiger Überlegung zu vollenden. Eine Bleine Erhebung durch Wein ift den Sprüngen der Erfindung und dem Ausdrud günftig; der Ordnung und Planmäßigkeit aber bloß die ruhige Vernunft.
Die Deutfihen mögen auch fagen, was fie wollen, fo kann nicht geleugnet werden, daß unfere Gelchrfamkeit mehr darin befteht, recht gut inne zu haben, was zu einer Wiffenfchaft ge- hört, und zumal beutlich angeben zu können, was diefer und jener darin gethan bat, als felbft auf Erweiterung zu denken. Selbft unter unfern größten Schriftftelern gibt es welche, bie eigentlich nur das, was man fehon wußte, gut geordnet wieder bruden laffen, bier und da mit einer Erläuterung, die fie ent« weder wieder an einem andern Ort aufgefangen haben, ober bie ſich fonft leicht. machen läßt. Wie viele Kante, Euler, Klaprothe haben wir denn? Die Engländer befümmern fich wenig darum, mas Andere mögen gewußt baben,. und- fuchen
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immer weiter zu geben, als das allgemein Bekannte reicht, und fteben fich dabei recht gut, und, möchte ich faft binzufeken, wir uns auh — nämlidy bei ben Erfindungen ber Engländer.
Ich glaube, daß ed mit: bem Studiren gerabe fo geht, wie in der Gärtnerei: es hilft weber ber da pflanzt, noch der ba be⸗ geußt etwas, fondern Gott, ber das Gebeihen gibt. Ih will mich erklären. Wir thun ficherlih eine Menge von Dingen, von denen wir glauben, daß wir fie mit Wiſſen thäten, und bie wir boch thun, ohne es zu wiffen. Es ift fo was in unferm Gemüthe wie Sonnenfhein und Witterung, das nicht von uns abhängt. Wenn ich über etwas fchreibe, fo kommt mir das Befte immer fo zu, daß ich nicht fagen kann woher. Merkwürbige Beobachtungen, wie viel man thut, ohne e8 zu wiffen, enthält Montaigne im 3. Th. ©. 105 ff.
Der einzige Fehler, ben bie recht guten Schriften haben, ift ber, daß fie gewöhnlich bie Urfache von fehr vielen ſchlechten ober mittelmäßigen find.
Die Mathematik ift eine gar herrliche Wiffenfchaft, aber die Mathematiker taugen oft den Henker nit. Es ift faft mit ber Mathematik, wie mit der Theologie. So wie bie ber letztern Befliffenen, zumal wenn fie in Ämtern ftehen, Anſpruch auf einen befondern Credit von Heiligkeit und eine nähere Verwandt: haft mit Gott machen, obgleich fehr Viele darımter wahre Tau«
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genichtfe find, fo verlangt fehr oft der fo genannte Mathematiker für einen tiefen Denker gehalten zu werben, ob e8 gleich darunter die. größten Plunderköpfe gibt, die man nur finden kann, untaug- lich zu irgend einem Gefchäft, das Nachdenken erfordert, wenn es nicht unmittelbar durch jene leichte Verbindung von Zeichen gefches ben kann, die mehr das Werk der Routine, als des Denkens find.
Das neue Teftament ift ein auctor classicus, das befte Noth⸗ und Hülfsbüchlein, das je gefchrieben worden ift; daher man jest auf jedem Dorfe der Chriftenheit mit Hecht einen Pro- feffor angefegt hat, biefen Auctor zu erklären. Daß es viele unter dieſen Profefforen gibt, bie ihn nicht verftehen, hat biefer Auctor mit anderen Auctoren gemein. Aber dadurch unterfchei: det fi) das Buch gar fehr von anderen, daß man Schuiker in ber Erklärung deſſelben fogar geheiligt hat.
Der Mann, ber nicht aus dem Stegreif über Materien feis nes Faches zu raifonniren weiß, ber erft in feine Excerpten bliden, oder in feine Bibliothek fteigen muß, ift gewiß ein Artefact. Man hat heut zu Tage eine Kunft, berühmt zu werben, die ben Alten unbekannt war. Diefe wurden e8 durch Genie; die mei« ften von unfern berühmten Gelehrten aber find Paften, feine Edelſteine. Sehr weit wird es freilich auch mit ihrem Ruhm nicht gehen. Ihre Werke werden vergeffen werden, wie die Poefie des Cicero, bie fogar durch eine der Ewigkeit entgegengebenvde Profe nicht zu erhalten war.
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Es fagte einmal jemand von Tobias Mayer: er habe felbfi night gewußt, daß er fo viel wiffe — und barin ftedt gewiß etwas fehr Wahres. Diefes ift die eigentliche Art, es in der Welt weit zu bringen. Die gewöhnlichen Gelehrten treiben die Wiffenfchaften al8 einen Iwed und fehen das, was fie noch nicht wiſſen, ſchon mwenigftens in den Titeln voraus; das ift niederfchlagend. Mayer fuchte immer ſelbſt, und Alles, was er lernte, war ihm Bedürfniß — fo konnte er es in feiner Wiffenfchaft weit bringen.- Jetzt lernt man gerade umgekehrt: man gibt ſich mit Integrationen ab, die man nie brauchen wird, und mit einer Menge von unnügen Dingen, ob fie gleich fehr finnreih find. Franklin foheint mir ein ähnlicher Gelehrter gewejen zu fein; Meifter hatte Vieles davon; auch Cook. Der Lebtere fagte: Der Teufel hole alle Gelehrfamkeit, unb er date und lernte und ftudirte beftändig, und war vermuthlich ein größerer Gelehrter, als viele von den Leuten, die er unb die ganze Welt fo nannten. Doch auch in biefer Diftinction liegt etwas Wahre. Der Gelehrte könnte derjenige Mann fein, - ber eine Menge von Kenntniffen in feinem Kopf aufgehäuft bat, bie ihm nicht weiter nügen, als daß er fie Andern wieber mittheilen kann. Wenn aber Jemand fi für ein einziges Fach ausbildet, und ber ganze Menſch dahin zufammenftimmt, und er nur in fo fern Menſch ift, als er biefes ift, dann ift er kein Gelehrter.
Simmermanns Sragmente über Friedrich II. enthalten mans
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ches gute Korn; allein das Bud muß erft gedrofchen, dann ge: fihtet und geworfelt werben; ober eigentlich der Verfaſſer erft gedrofchen, und dann das Buch gefichtet und geworfelt werben.
Man kann von feinem Gelehrten verlangen, fih in Ge- felfchaft überall al8 Gelehrten zu zeigen; allein ber ganze Ton muß den Denker verrathen; man muß immer von ihm lernen; feine Art zu urtheilen muß auch in ben Fleinften Dingen von ber Befchaffenheit fein, daß man fehen kann, was baraud wer: den würde, wenn ber Mann mit Rube und in fi) gefammelt wiffenfohaftlihen Gebrauch von biefer Kraft machte.
Sn den Schriften berühmter Schriftfteller, aber mittelmäßi« ger Köpfe, findet man immer höchftens das, was fie einem zei- gen wollen; hingegen flieht man in den Schriften bes ſyſtemati⸗ fhen Denkers, der Alles mit feinem Geifte umfaßt, immer das Ganze und wie jedes zufammenhängt. rftere fuchen und fin den ihre Nadel bei dem Lichte eines Schwefelhölzchend, das nur an ber Stelle fümmerlich leuchtet, wo es fich befindet, ba bie Andern ein Licht anzünden, das fich über Alles verbreitet.
Nichts beweifet mir fo deutlich, wie e8 in der gelehrten Welt bergeht, als der Umftand, daß man ben Spinoza fo lange für einen böfen nichtswürdigen Menfchen, und feine Meinungen für gefährlich gehalten hat. So geht es ebenfalls mit dem Ruhm fo vieler Andern.
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Die meiften Glaubenslehrer vertheidigen ihre Säge nicht: nicht, weil fie von ber Wahrheit derſelben überzeugt find, fon dern weil fie die Wahrheit derfelben einmal behauptet haben.
Da Herr Profeffor Witte in Roftod erwiefen bat, baß die ägyptiſchen Pyramiden und die Ruinen von Perfepolis das Werd von Vulcanen find, fo wäre es einmal der Mühe wertb, zu ermweifen, daß ber Chimboraffo und der Montblanc von Men: fhenhänden aufgeführt worben find. Es ift wenigftens einmal ein Berfuh. Die Oranitwaden auf den Darmftäbter Feldern find Glicker), mit welchen bie Rieſenkinder fpielten. Herr Nies bubr bat Herrn Witte's Hypotheſe vortrefflich beleuchtet im Mu: feum 1790 Der: Es ift eine Abhandlung, die man auch gegen die gebraudhen kann, die die Welt für das Werk des Zufalls halten. — Ih glaube, Herr Witte nimmt das Wort Bulcan in einem andern Sinn, ba es fo viel al8 Künftler überhaupt bedeutet; denn fürwahr! wer ben Schild des Achilles fchmieben kann, dem find doch ein Paar perfifche Infchriften eine Klei⸗ nigfeit.
Es gibt ſo genannte Mathematiker, die ſich gerne eben ſo für Geſandte der Weisheit gehalten wiſſen möchten, als manche
) So heißen in ben Rheingegenden die kleinen Kugeln von Stein, womit bie Kinder fpielen. In Thüringen beißen- fie Schüſſe.
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Theologen für Gefanbte Gottes, und eben fo bad Volk mit al- gebraifhem Geſchwätz, das fie Mathematik nennen, bintergehen, ald jene mit einem Kauberwelfh, dem fie den Namen biblifch beilegen.
Ich fehe die Recenfionen als eine Art von Kinberkrankheit an, die bie neugebornen Bücher mehr ober weniger befült. Man hat Erempel, baß die gefundeften daran fterben, und bie ſchwäch⸗ lichen oft durchkommen. Manche befommen fie gar nicht. Man bat oft verfucht, ihnen durch Amulete von Vorrede und Debi- cation vorzubeugen , ober fie gar durch eigene Urtheile zu macu⸗ liren; e8 bilft aber nicht immer.
Man Plagt über die entfehlihe Menge fchlechter Schriften, bie jede Mefje herauskommen; ich fehe das fchlechterbings nicht ein. Warum fagen die Kritifer, man foll der Natur nachah⸗ men? Die fhlechten Schriftftellee abmen der Natur nah, fie folgen ihrem Triebe fo gut, wie die großen; umd ich möchte nur wiffen, was irgend ein organifches Wefen mehr thun Fünne, als feinem Triebe folgen? Ich fage: fehet die Bäume an, wie viel werben von ihren Früchten reif? nicht ber funfzigfte Theil; bie andern fallen unreif ab. Wenn nun bie Bäume Maculatur bruden, wer will e8 ben Menfchen wehren, bie doch befier find als die Bäume? Ja, was fage ich die Bäume; wißt ihr nicht, baß von den Menfchen, bie das procreirende Publikum jährlich herausgibt, mehr als ein Drittbeil ftirbt, ehe es 2 Jahr alt
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wird? Wie die Menfchen, fo die Bücher, die von ihnen ge- ‚Schrieben werden. Anftatt mich alfo über die überhand nehmenbe Schriftftellerei zu beklagen, bete ich vielmehr bie hohe Ordnung der Natur an, bie e8 überall will, daß von Allem, was gebo- ren wird, ein großer Theil zu — Dünger wird und zu Macu⸗ latur, welches eine Art von Dünger iſt; die Gärtner, ich meine die Buchhändler, mögen auch fagen, was fie wollen.
Ich babe lange nicht begreifen können, woher e8 fommt, daß es einem fo entfeglich ſchwer fällt, in den Büchern mandyer berühmten Polygraphen zu leſen; aber endlich merkte ih mir bie Sade ab: es rührt daher, daß diefe Menfchen fonft in Vergleich mit wahrhaft großen Männern fo unbedeutend find, daß es einen gar nicht reizen kann, zu wiflen, waß fie wiſſen.
Man lieft jest fo viele Abhandlungen über bad Genie, baß jeber glaubt, er fei eines. Der Menfch ift verloren, der filh früb für ein Genie hält.
Eine alle Denkkräfte ſchmelzende Befchäftigung ift bei ben meiften Menfchen das Gompiliren und Ercerptenfammeln. Man bemer?t auch täglich, daß Männer, die in ihrer Jugend viel Er- weiterung in ben Wiffenfchaften hoffen ließen, in reifern Jahren, bloß um häufig im Meßfatalog zu glänzen, oder auch fich zu bereihern, Compilatoren geworben find, zumal ba fie bemerf: ten, daß man in Deutfchland bei literärifhem Ruhm gemeinig-
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Ti eben nicht fehr genau biftinguirt. Ich glaube, daß es ein Berdienft ift, was in hundert Büchern flieht, unter einen ge: wiſſen Gefihispunft in eines zu bringen; allein man muß e8 fehr von dem Berbienft des Mannes unterfheiden, ber die Wif fenfchaft erweitert und ihre Grenzen fortrüdt. Ubrenfchöpfer waren Hugenius, Hoof, Harrifon, und biefe find felten; Uhrmacher gibt e8 überall, ich meine Bäume, woran Uhren wadhfen, Spinnen, die Uhren weben.
Es ift traurig, daß die meiften Bücher von Leuten gefchrie: ben werden, bie fi zu dem Gefhäft erheben, anftatt daß fie fi) dazu berablaffen folten. Hätte z. B. Leffing ein Ba- demecum für luftige Leute herausgeben wollen, ich glaube, man hätte es in alle Spraden ber Welt überfeht. Aber fo fchreibt Jedermann gern über Dinge, worin er fidh noch felbit gefällt, und man gefällt fich felten in Dingen, bie man fo inne hat und überfieht, wie etwa das Einmaleind. Wer, wenn er fhreibt, um fi) Genüge zu thun, Alles fagt, was er weiß, fohreibt gewiß ſchlecht. Hingegen wer anhalten muß, um nidt zu viel zu fagen, kann fi) eher Beifall verfprechen.
.., Prediger zu . ., ift derartige Mann, ber das Klatſch⸗ magazin über Schulen und Univerfitäten anlegen will. Ein Pre⸗ biger follte fi) f[hämen, ‘fo etwas anzufündigen. Gr will aud) Liften liefern von studiosis non studentibus, wenn anders, wie er fagt, auf dem Papier fih Raum dazu findet, und, hätte er
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binzufegen können, auf feinem Budel Raum für bie gerechten Büdtigungen, bie er bewegen erhalten wird.
Ih glaube, man treibt in unfern Tagen die Gefchichte ber Wiffenfchaften zu minutiös, zum großen Nachtheil der Wife fenfchaft feld. Man lieft e8 gerne, aber wahrlich es läßt ben Kopf zwar nicht Teer, aber ohne eigentliche Kraft; eben weil es ihn fo voll macht. Wer je ben Trieb in fich gefühlt bat, feinen Kopf nit anzufüllen, fendern zu flärfen, bie Kräfte und Ans lagen zu entwideln, fi) auszubreiten, der wird gefunden haben, baß es nichts Kraftloferes gibt, als bie Unterredung mit einem fo genannten Literator in der Wiffenfchaft, in ber er nicht felbft gedacht hat, aber taufend hiftorifch » literärifche Umftändchen weiß. Es ift faft als wie Vorlefung aus einem Kochbuch, wenn man bungert. Ich glaube auch, daß unter denfenden, ihren eigenen und ber eigentlihen Wiffenfhaft Werth fühlenden Menſchen bie fo genannte Literärgefhichte nie ihr Glück machen wird. Diefe Menfchen raifonniren mehr, als fie fih darum befümmern, zu wiflen, wie andere Menfchen raifonnirt haben. Was das Trau⸗ rigfte bei der Sache ift, fo findet man, daß, fo wie die Neigung an literärifcehen Unterfuchungen in einer Wiffenfchaft wächſt, bie Kraft zur Erweiterung ber Wiſſenſchaft felbft abnimmt, allein ber Stolz auf den Befit ber Wiffenfchaft zunimmt. Solche Leute glauben fih mehr im Beſitz ber Wiffenfchaft felbft zu fein, als die eigentlichen Befiger. Es ift gewiß eine fehr gegründete Be— merkung, daß wahre Wiffenfchaft ihren Beſitzer nie ftolz macht,
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fondern bloß die von Stolz fi aufblähen laffen, die aus Unfä- bigkeit, die Wiffenfchaft felbft zu erweitern, fih mit Aufklärung ihrer dunkeln Gefchichte abgeben, oder Alles herzuerzählen wiſſen, was Andere gethban haben, weil fie dieſe größtentheils mechaniſche Beſchäftigung für übung der Wiſſenſchaft ſelbſt halten. Ich könnte dieſes mit Exempeln belegen, aber das ſind odiöſe Dinge.
Es müßte eine ganz entſetzlich elende überſetzung ſein, die ein gutes Buch für einen Mann von Geiſt, der ins Große lieſt und nicht über Ausdrücken und Sentenzen hängt, verderben könnte. Ein Buch, das nicht einen ſolchen Charakter hat, den ſelbſt der ſchlechteſte überſezer kaum für den Mann von Geiſt verderben kann, ift gewiß nicht für die Nachwelt gefchrieben.
Es ift gewiß fehr fchwer, ein Werk zu fchreiben, das ben Beifall derer erhält, bie bei Genie die Materie, worein die Sache einfchlägt, zum Studio ihres ganzen Lebens gemacht haben. Ich babe gefunden, daß, wenn ich eine gewiffe Materie in ber Phyſik, von nicht fehr großem Umfange, 8 bis 14 Tage lang zum Haupt: gegenftand meiner Unterfudhungen machte, mir alle Schriftfieller, bie darüber gefchrieben hatten, feicht vorgefommen find.
Wenn doch große Männer ihre Art zu ftudiren befannt machen wollten, eigentlich die Art, wie fie ihre Meifterwerke verfertigt haben. Der Anfang biefer Werke war ficherlich nicht der An: fang des Schreibens. Es wäre möglich, daß von einem großen
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Werk des Genied der Anfang das wäre, was zulegt gefchrieben worben ifl. Der Anfang wird ficherer gemacht, wo man ſich vorher fehon ber Güte der Mitte und bes Endes bewußt ift. Man fand in Sterne's Nachlaß eine Menge flüchtiger Bes merkungen; fie wurden fogar trivial genannt; aber das waren’ Einfälle, die ihren Werth erſt durch die Stelle erhielten. Hier werben Farben gerieben, hätte Sterne auf den Titel feis ner Collectaneen fegen müffen. — Man verliert ja durch biefe Vorbereitung nicht bie Kraft, um bei der wirklichen Compofition noch immer hinzu zu erfinden, oder das anzubringen, was: auch alsdann noch ber Zufall gibt. Bei Butlern fanb man eben das; und Johnſon, felbft ein Mann dieſer Art, aber freilich, wie man aus feinen aufgezeichneten Unterrebungen merft, ein großer Erfinder aus dem Stegreif, fagt dabei: such is the la- bour of those, who write for immortality.
Se weifer man felbft wird, deſto mehr fiehbt man in den Werfen ber Natur; warum follte nicht auch in manchem unfes rer Gedanken fehr viel mehr enthalten fein, al8 wir zuweilen bemerken? es find ja auch Producte der menfchlidhen Natur. Jeder Gedanke ift an ſich was, ber falfche fo gut als der wahre. Der falfche ift nur das Unkraut, das wir in unferer Hausbal- tung nicht gebrauchen können. So läßt ſich Manches entfchul- digen, was ich dem Hogarth angebichtet babe. Er konnte das Alles inftinetmäßig bingeworfen haben, ohne es zu wiffen.
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Das Populärmaden follte immer fo getrieben werden, daß man bie Menfchen damit heraufzöge. Wenn man fidh herab: läßt, fo follte man immer daran benfen, aud bie Menfchen, zu benen man fich herabgelaſſen hat, ein wenig zu heben.
Jean Paul Friedrich Richter hat ſehr viel geſchrie⸗ ben. Ein Verzeichniß ſeiner Schriften ſteht im deutſchen Maga⸗ zin. Altona, 1798. Febr. Dieſer Aufſatz enthält auch noch
einige andere Nachrichten von dieſem außerordentlichen Kopfe.
Ein Urtheil über Jean Pauls Romane in ber Gothai- fchen gelehrten Zeitung 1798 Nr. 74. S. 659 ift vortrefflid. Man kann nichts Befjeres und Grünbdlicheres über dieſen fonber: baren Schriftfteller fagen. „Das Intereſſe, heißt e8 da, das er erregt, ift nicht ſowohl ein Intereffe an feinen Perfonen und deren Gefchichte, als vielmehr an ihm und feinem Geifte und feinen Erfindungen, wie fie fib in ver Erzählung offenbaren. Statt daß wir fonft den Verfaffer über feinen Erzählungen ver: geffen, ift es bier umgekehrt; wir vergefjen bie Perfonen und bie ganze Gefchichte über dem Berfaffer.“
Sean Paul ift auch zuweilen faum erträglid), und wirb es noch weniger werden, wenn er nicht bald dahin gelangt, wo er ruhen muß. Er würzt Alles mit cayennifchem Pfeffer, und es wird ihm begegnen, was ich einft S... weifjagete: er wir, um fi Falten Braten fchmadhaft zu machen, gefhmolzenes Blei ober glühende Kohlen dazu effen müſſen. Wenn er wieder von vorne anfängt, wirb er groß werben.
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Sean Paul ſucht den Beifall ſeiner Leſer mehr durch einen coup de main, als durch planmäßige Attake zu erobern.
Ich habe wohl hundertmal bemerkt, und zweifle nicht, daß viele meiner Leſer hundert und ein ober zweimal bemerft haben mögen, daß Bücher mit einem fehr einnehmen: den, gut erfundenen Titel felten etwas taugen. Vermuthlich ift er vor bem Buche felbft erfunden, vieleicht oft von einem Andern.
Es it Schade, daß man bei Schriftitellern bie gelehrten Eingeweide nicht fehen kann, um zu erforfchen, was fie gegef- fen haben. "
Ih bin überzeugt, wenigftens nach ben Begriffen, die ich mir don den Kräften des menfchlichen Geiftes habe machen müfs fen, daß es felbft mit allen den Approrimationen in unferer Analyfis bereinft beffer gehen wird. Das Verbeffern der einge fhlagenen Wege ift es, was bie Fortfchritte des Geiſtes aufhält. Neue Wege! — fo muß man fchreiben, wenn bie Nachwelt von einem glauben fol, man babe dieß Alles fchon vorausgefehen.
Es ift heutzutage nicht felten, daß einer Blumenkörbchen anfündigt, und Kartoffelfädchen liefert.
Sind wohl die ungeheuren und Poftbaren Anftalten, bie man jet an verfchiedenen Orten für bie Aftronomie macht, zu
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loben? Iſt nicht ſchon durch die Anftaften ber Engländer, Frans zofen, einiger italienifchen Staaten u. f. w. binlänglich für diefe Wiffenfhaft geforgt* Wenigftens müßte man andere Wege ver: fuchen. Herfchel fuchte den Weg der Vergrößerung. und erlangte dadurch Unfterblichfeit. Müßte man nicht Obfervatoria in gro» gen Höhen, auf dem Montblanc und Montrofe errichten? oder an andern Seiten ber Erbe, ob da bie Schwere vielleicht anders wirft, ober fi fonft etwas Neues zeigt? Iſt es wenigftens weisli gehandelt, diefe Anftalten zu machen, da noch andere Wiffenfchaften im Staube liegen?
Bor allen Dingen etwas gegen bie jetzige Art, die Aftronomie zu behandeln; es gebt in der That zu weit. Ich frage, ob fo ‚viel daran liegt, einen Ort eine Biertelmeile falfch zu fegen? bu gerechter Gott! um wie viel Grade mögen unfere Staatöverwal: tungen falfch liegen! und wie Bieles mag noch nicht in den Städten berichtigt fein, deren geographifche Lage man berichtigt hat! Der Koflenaufwand auf Obfervatoria ift groß; wie viel würde nicht eine Schulanftalt bei gleihem Aufwande bewirken können!
Nachtrag
zu den Titerärifchen Bemerkungen.
Ehemals, wenn man ein fehlechtes Buch ſchrieb, hatte man es auf feinem Gewiffen, wenn jemand verführt oder angeführt
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"wurde. Sebt bei den vielen gelehrten Zeitungen darf man fich nicht mehr fo ſehr feheuen.
Bücher werden aus Büchern gefchrieben, und unfere Dich» ter werden meiftentheild Dichter durch Dichterlefen. Gelehrte ſollten fich mehr darauf legen, Empfindungen und Beobachtun⸗ gen zu Buch zu bringen. -
Es läßt fi ohne fonderlich viel Wit fo fchreiben, daß ein Anderer fehr_vielen haben muß, e8 zu verſtehen.
Wenn wir mehr felbft dächten, fo würden wir fehr viel mehr fchlechte und fehr viel mehr gute Bücher haben,
Es gibt fein fichereres Kriterion von einem großen Schrift« ſteller, als wenn fi) aus feinen Anmerfungen en passant Bü- cher machen laffen. Tacitus und Sterne find jeder in feiner Art Mufter hiervon.
Die Menſchen find oft fo einfältig nicht, ale fie zuweilen ſchreiben. Mancher hat eine beffere Phyſiognomik und eine beffere Theorie der Künfte im Kopfe als in feinem Buche. Die Kunft ift nur, feine Empfindung unverfälfht zu Buche zu bringen. Aber das foll Alles ſchön und der Stil ftaatsmäßig fein. Es geht ihnen mit dem Bortrage, wie gewiffen gemeinen Leuten, bie unter fih Tempel, Treppe, und bei Bornehmen Tempfel und Trepfe fagen.
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Die alten Dichter haben doch noch den NRugen, wenn fie auch fonft einen hätten, daß wir bie Meinungen bes gemeinen Volks bier und da aus ihnen kennen lernen, bie fonft nicht auf: gezeichnet find. Auch den haben unfere Genies nicht einmal. Denn unfere Volkslieder find oft voll von einer Mythologie, die niemand im Städtchen kennt, als der Narr, ber das Volkslied
gemadt hat.
Es ift fein fiherer Weg, fih einen Namen zu maden, als wenn man über Dinge fchreibt, die einen Anfchein von Wichtig: feit haben, die ſich aber nicht leicht ein vernünftiger Mann die - Zeit nimmt zu unterfuchen.
Die bunteften Vögel fingen am ſchlechteſten, gilt oft auch vom Menſchen. In einem Pradtftil muß man nicht immer tiefe Gedanken fuchen.
Ein aufmerkfamer Denker wird in den Spieljchriften großer Männer oft mehr Lehrreiches und Feines finden, als in ihren ernfihaften Werfen. Das Formelle, Conventionelle, Etiquetten- mäßige in diefen fällt ba gemeiniglich weg. Die meiften Schrift: fieller nehmen dort eine Miene an, wie manche Leute, wenn fie ſich malen laffen.
Es fieht mit ber Bücherfritit zuweilen aus, ald ob man bie Recenfionen buch Waiſenknaben hätte mifchen und ziehen laffen.
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Man bat griechifche und lateiniſche Bücher eingeführt, fo wie die arabifchen Hengfte in England. Man Pünnte ben Stammbaum mandes Buchs fo angeben, wie die Engländer bie von ihren Pferden. \
Die Menfchen müffen, um gut von einer Sache zu benfen, nicht Alles ſehen, fondern immer nocd einen Theil zur Muth⸗ maßung verftedt behalten. SYoriden bat bdiefes feine Empfin- dung gelehrt. Wieland und Göthe waren ganz andere Menfchen, ehe der eine fih in Farcen und der andere in Mercurabhanblun- gen entkleidete. Es find wenige Menfchen, die, wie 3.8. Lam: bert, Möfer und Zeffing, diefe Entkleidung vertragen können. So befommt man in den meiften Fällen nach dem 10ten Buche, das ein Mann fehreibt, oft eine fehlechtere Ipee von ihm, als man von bem erften batte, nicht weil er ſich berunterfchreibt, fondern weil man alsdann gegebene Punkte genug bat, bie ganze Lebenslinie defjelben zu ziehen. Überhaupt, gut gezeigter Borrath gefällt beffer als Aufwand.
Man lat Über Rabeners Noten ohne Tert, aber Lavater ift in der That noch viel weiter gegangen, ber bat uns Noten gegeben, wozu ber Tert ber Gommentar fein muß. Das ift bie wahre Sprache der Seher, die man erft verfteht, wenn fi} bie Begebenheiten ereignet haben, bie fie ankündigen.
Bor einigen Tagen meldete fich bei mir ein Mann in Böt«
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tingen, ber aus zwei Paar alten feidenen Strümpfen ein Paar neue machen konnte und feine Dienfte offerirte. So verfichen wir die Kunſt, aus ein paar alten Büchern ein neues zu machen.
Was oft ben Polygraphen macht, ift nicht das Bielwiffen, fondern jenes glückliche Verhältniß feiner Kräfte zu feinem Ge fhmade, vermöge beffen ber leßtere immer gut beißt, was durch bie erfteren hervorgebracht wird.
Die ſchönſte Stelle im Werther ift die, wo er ben Haſen⸗ fuß erfchießt.
Man wiberfpricht fi niemald, wenn man fi) mit einer feften Meinung zum Schreiben nieberfegt, allein bei ber fefte fin Meinung kann man ben Gegenftand flüchtig behandeln, und, wenn man mit bemfelben allzu befannt ift, fo daß man zu glauben anfängt, jedermann müſſe es verfiehen, Worte ge brauchen, die der, den man erft belehren will, zmweibeutig findet. Ich vergebe e8 Hrn Lavater, daß er fo viele Wibderfprüde in meiner Abhandlung findet, er.war nicht der Erfte, ber fie darin zu finden glaubte, und einer ber größten Denker, bie mir je vorgefommen find, bat mir geftanden, er babe meine Meinung erft bei der zweiten Durchlefung verftanden, und fei nun völlig mit mir eind. Das ift ein großer. Sehler von einer Schrift, ich leugne e8 nicht, und es foll mir eine Warnung fein, Fünftig Alles was ih druden.lafie, wie Moliere, erſt meiner Köchin vorzulefen.
I. EN
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Bei manchem Werke eines berühmten Mannes möchte ich lieber lefen, was er weggeftrichen bat, als was er hat flehen laſ⸗ fen. Belehrung findet man öfters in der Welt ald Troſt.
Hopulairer Vortrag beißt heutzutage nur zu oft ber, wo⸗ durch die Menge in den Stand gefegt wird , von etwas zu fpre= hen, ohne es zu verfteben.
Es ift wie bie tägliche Erfahrung lehrt, fehr wenig An- ftrengung nöthig, etwas zu fagen, das eine ganz beträchtliche erfordert, ed zu verfiehen. Hingegen erfordert e8 außerordentlich viel Talent, einem vernünftigen Manne etwas Neues und Wich: tiges fo leicht vorzutragen, daß er fich freut, es jegt zu willen, und ſich fhämt, es nicht felbft bemerkt zu haben. Lezteres ift ein fo charakteriftifches Beichen von einem großen Schriftiteller, daß wenige folcher Bemerfungen einen ganzen Band alltäglicher Dinge veredeln können.
Die fimple Schreibart ift fchon deßhalb zu empfehlen, weil fein rechtfgaffener Mann an feinen Wusdrüden- fünftelt und klügelt.
Ein Volk kann in ſeinen Schriften vernünftiger ſcheinen, als es iſt, denn es kann noch lange die Sprache ſeiner Väter ſchreiben, wenn ihm ſchon ihr Geiſt zu mangeln anfängt. Die Metaphern in unſerer Sprache entſtanden alle durch Witz, und
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jeht gebraucht fie der Unwitzigſte. Die Morgenländer denken bei ihren vielen Bildern nicht mehr ale wir. Co faffen au oft Leute das Äußere der Eitten rechtfchaffener Leute, ohne daß fie es wiſſen. Die bilderreihfle Spradhe muß mit ber Zeit das Bildliche verlieren, und bloß zu Beichen erfalten, bie ben wilfürlichen nahe Eommen. So kann Sprachkenntniß fehr nüglich werben.
Es ift faft durchaus der Fehler unferer Schriftfteller, daß fie ih aus anderen Schriften bilden, und bloß zufammenfeßen. Die Gradus ad Parnassum » Methode habe ich ed genannt. Gie lefen nach, che fie über eine Sache nachgedacht haben, und fo wird endlich ihre ganze Wiffenfchaft die Kenntniß deſſen, was Andere gewußt haben.
Ihre Kritik iſt bloß experimental, fie bewundern, was fie haben bewundern hören.
Es ift nur Schade, daß Leute bie an Höfen und in großen Städten leben, nicht wenigftens ein paar Tage in der Woche der Auslegung alter Weltweifen und Schriftfteller überhaupt widmen. Ich glaube, fie würden alle Schulfüchfe auf einmal niederfchlas gen können.
Ich Habe in meinen Univerfitätsjahren und nachher enthufla-
ftifche Bewunderer von Haller und welche von Klopfliod gekannt, 20 *
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Bei manchem Werke eines berühmten Mannes möchte ich lieber lefen, was er weggeftrichen hat, als was er hat flehen laſ⸗ fen. Belehrung findet man öfters in der Welt ald Troft.
Hopulairer Vortrag beißt heutzutage nur zu oft ber, wo⸗ burch die Menge in ben Stand gefegt wird , von etwas zu ſpre⸗ chen, ohne es zu verſtehen.
Es iſt wie die tägliche Erfahrung lehrt, ſehr wenig An- ſtrengung nöthig, etwas zu fagen, das eine ganz beträchtliche erfordert, e8 zu verfiehen. Hingegen erfordert e8 außerordentlich viel Talent, einem vernünftigen Manne etwas Neued und Wid)- tiges fo leicht vorzutragen, daß er fi) freut, es jegt zu willen, und fich fhämt, es nicht felbft bemerkt zu haben. Lebteres ift ein fo charakteriftifches Zeichen von einem großen Schriftfteller, dad wenige folcher Bemerfungen einen ganzen Band altaglicher Dinge veredeln koͤnnen.
Die ſimple Schreibart iſt ſchon deßhalb zu empfehlen, weil kein rechtſchaffener Mann an feinen Wusdrüden: künſtelt und Plügelt.
Ein Bolt kann in feinen Schriften vernünftiger fcheinen, als es ift, denn es kann noch lange die Sprache feiner Väter ſchreiben, wenn ihm ſchon ihr Geift zu mangeln anfängt. Die Metaphern in unferer Sprache entitanden alle durch Wis, und
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jest gebraucht fie der Unwitzigſte. Die Morgenländer denken bei ihren vielen Bildern nicht mehr ald wir. Eo faffen auch oft Leute das Äußere ber Eitten rechtfchaffener Leute, ohne daß fie es wiſſen. Die bilderreichfte Sprahe muß mit der Zeit das Bildlihe verlieren, und bloß zu Beihen erfalten, die ben willfürliden nahe kommen. So kann Spradkenntniß ſehr nüsglich werben.
Es ift fait durchaus der Fehler unferer Schriftiteler, daß fie ih aus anderen Schriften bilden, und bloß zufammenfegen. Die Gradus ad Parnassum » Methode habe ich e8 genannt. Gie lefen nah, che fie über eine Sache nachgedacht haben, und fo wird endlich ihre ganze Wiffenfchaft die Kenntniß deſſen, was Andere gewußt haben.
Ihre Kritik iſt bIoß-erperimental, fie bewundern, was fie baben bewundern hören.
Es ift nur Schade, daß Leute die an Höfen und in großen Städten leben, nicht mwenigftens ein paar Tage in der Woche der Auslegung alter Weltweifen und Schriftfteller überhaupt widmen. Ich glaube, fie würden alle Schulfüchfe auf einmal niederfchlas gen fünnen.
Ich Habe in meinen Univerfitätsjahren und nachher enthufla- ftifche Bewunderer von Haller und welche von Klopflod gekannt,
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Die von Haller, ich rede bier bloß von dem Dichter, waren ges meiniglid Leute von Geift und Nachdenken, die ihre Brotwiffen- fhaft nie vernadpläffigten. Hingegen mit Klopſtocks enthuſta⸗ ſtiſchen Bewunderern verhielt es fi) gerade umgekehrt. Die meiften waren unausftehliche Pinfel, denen vor den Wiffenfchafs ten, bie fie eigentlich erlernen follten, efelte. Muſenalmanache waren eine Kauptlectüre für fie. Waren ed Juriften, fo lernten fie nichts, waren e8 Theologen, To wurden e8 frühzeitige Pre: biger, und bie famen noch am beften fort. Mebiriner, bie en- thufiaftifch für Klopftod eingenommen gewefen wären, babe ich nicht gefannt. Mir ift nicht bewußt, daß ein beclarirter Be wunderer von Haller und ber feine Gedichte mit vorzüglichem Bergnügen gelefen, hernach etwas frappant Einfältiges gefchrie- ben hätte, hingegen ift e8 eine ganz befannte Sache, baß unter Klopftods eifrigften Bewunderern einige ber größten Flachköpfe der Nation find. Das Factum ift wahr. Erklären kann ich es felbft nicht.
In einem Lande, wo ber zuletzt Schreibenbe bei den Meiften Recht behält, muß man nicht antworten, fobald man fi eini« ges Übergewichts bewußt ift. Diejenigen, für die der Mann von Verftand allein fehreibt, haben ohnehin entfchieden, ehe die Du⸗ plik erfcheint. So babe ich bei der Phyſiognomik gedacht.
Wenn man fi) einmal einen Gebanfen eines Andern ein wenig zu Nuge macht, fo fehreien alle Recenfenten: halt den
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Dieb. Diefes fommt mir vor, als wie, wenn fi) ein Knabe hinten auf eine Kutfche fekt, fo rufen alle anderen, bie die Freude nicht haben können, dem Kutfcher zu: es fipt einer hinten auf.
Ich mag immer den Mann mehr lieben, ber fo ſchreibt, wie e8 Mode werben kann, als den, ber fo fchreibt, wie e8 Mode ift.
Anderer Leute Wein auf Bouteillen ziehen und ſich dabei ein bißchen benebeln, daß man glaubt, er gehöre ihm. So etwas thun die meiften deutſchen Schriftfteller.
E83 wagen fich viele Leute in Fächer, in denen man nichts von ihnen erwartet, theils, weil die Verwunderung bes Yublis kums es felbft etwas blind gegen Mängel madt, und bann, weil bie Leute felbfi bie Schwierigkeiten eines ſolchen Faches nicht fo gut Pennen, als das, worin fie ſich befchäftigt haben.
Ein Noth: und Hülfsbüchlein für Schriftfteller könnte gut werden.
Obgleich ih weiß, daß fehr viele Necenfenten bie Bücher nicht leſen, die fie fo mufterhaft recenſiren, fo ſehe ich doch nicht ein, was es ſchaden kann, wenn man das Buch lieſet, das man recenſiren fol.
Das deutſche Genie iſt ſehr geneigt, in wiſſenſchaftliches
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Dingen ftatt der; Sache felbft an bie Literatur fi) zu halten. Das deutfche Publikum, das felbft ſchon nad) der Seite geftimmt it, ift auch daher geneigt, dieſe Literatoren mit dem Ruhme zu frönen, ber eigentlich dem Denfer und dem Grweiterer ber Wif- fenfhaft allein gebührt.
Jemand überfpringt bei VBorlefung der Meffiade immer eine Zeile, und die Stelle wird doch bewunbert.
" &8 fommt fo außerordentlih viel darauf an, wie etwas gefagt wird, daß ich glaube, die gemeinften Dinge laffen fich fo fagen, daß ein Anderer glauben müßte, ber Teufel hatte es einem eingegeben.
Der Ton ſtimmt oft die Behauptung, ſtatt daß die Be bauptung den Ton angeben ſollte. Selbſt gute Schriftfteller, wenn fie auch gern ſchön fprechen, finden fi) unvermerft zuwei⸗ fen ba, wo fie eigentlich nicht bin wollten.
Das Berdienft von Raffineurs von Zuder, den andere Na: tionen gepflanzt und gefotten haben, ift dad Verdienſt ber mei⸗ ſten deutſchen Schriftfteller.
Die unnützeſten Schriften in unſeren Tagen ſcheinen bie mo⸗ ralifchen zu fein, nachdem wir die Bibel haben. Man möchte faft den Ausfpruch des Kalifen Omar bei dem Brande ber Alerans
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driniſchen Bibliothek gebrauchen: Entweder ſie enthalten was in der Bibel ſteht, und dann find ſie unnütz, oder fie find darwider, und dann muß man fie verbrennen. Unfere meiften moralifchen Schriften find wirklih nur fhöne Rahmen um bie zehn Gebote-
Die Leichenpredigten auf Bücher unterfcheiden ſich gar fehr von denen auf Menfchen. Die letzteren werben gewöhnlich über Verdienſt gelobt und bie erfteren ausgefchimpft.
Viele fogenannte berühmte Schriftfteller, in Deutfchland mwenigftens, find fehr wenig bedeutende Menfchen in Gefellfchaft. Es find bloß ihre Bücher, die Achtung verdienen, nicht fie felbft. Denn fie find meiftens fehr wenig wirklich. Sie müffen ſich immer erft durch Nachſchlagen zu etwas machen, und dann ift es immer wieder das Papier, das fie gefchrieben haben. Sie find elende Rathgeber und feichte Lehrer dem, ber fie befragt.
Ich möchte wohl wiffen, wie e8 um unfere beutfche Litera: tur in manchen Fächern ftehen würde, wenn wir Peine Englän- ber und Franzoſen gehabt hätten. Denn felbft zum beffern Ber: ſtändniß der Alten find wir durch fie angeführt worden. Selbſt die Frivolität Mancher unter ihnen hat Manchen die Augen für ben Werth ber Alten geöffnet.
Es hält nicht ſchwer, eine Sade zu Papier zu bringen, wenn man fie einmal in ber Feber hat.
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Es war vor einiger Zeit Mode, und ift es vielleicht noch, auf die Titel der Romane zu fegen: eine wahre Geſchichte. Das ift nun eine kleine unfchuldige Betrügerei, aber daß man auf manchen neueren Gefhichtsbücdhern die Worte: ein Roman, wegläßt, das ift Feine fo unfchuldige.
Bielleicht Teiftet manches ſchlechte Buch, das jegt verachtet wird, bdereinft einem guten eben ben Dienft, ben bie elenden Schaufpiele den Shakefpearifchen geleiftet haben, mit deſſen Wer: Een fie gleichzeitig waren. So fommt auch dem ſchlechten Schrift- fteller der Troft zu Statten, baß die Nachwelt bereinft fein Bers dienft erfennen wirb. :
Um über gewiffe Gegenftände mit Dreifligkeit zu fihreiben, ift fat nothwendig, daß man nicht viel davon verſteht. Auch geht es gut an, wo ber Gegenſtand noch wenig bekannt ift. Unftreitig hat man fehr viel mehr vom Vielfraß zu erzählen gewußt, da er noch wenig gekannt war, als jekt, da man ihn Pennt.
Der adernde Staatsbürger. Welches find die adernden Staats» bürger im Gelehrtenfache? Die Bergleichung ließe fih, glaube ih, weit treiben, vom Adermann bis auf bie Buderbäder und Conditors, die Dichter.
° Die Nege ber Kritifer, womit fie nach Fehlern in Werken
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fiſchen, follten von fo weiten Mafchen fein, daß fie Fehler von einer gewiffen Größe burchließen und nicht Alles auffingen. Das häßliche Filtriren.
Die Vorreden zu manchen Büchern find deßwegen dfter& fo feltfam gefchrieben, weil fie gewöhnlich noch im gelehrten Kind⸗ bettfieber verfertigt find.
Es find zuverläffig in Deutfchland mehr Schrififteller, als alle vier Welttheile überhaupt zu ihrer Wohlfahrt nöthig haben.
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9.
Bemerkungen über Sprache und Srtbograpbie.
Ich werde das in Ewigkeit nicht vergefien, ift ein falfcher Yusdrud.
Es ift ein ganz unvermeiblicher Fehler aller Sprachen, baß fie nur genera von Begriffen ausdrüden, unb felten das hin- länglich ſagen, was fie fagen wollen. Denn wenn wir unfere Mörter mit den Sachen vergleichen, fo werben wir finden, baß bie legtern in einer ganz andern Reihe fortgeben, als die erftern. Die Eigenfchaften, bie wir an unferer Seele bemerken, hängen fo zufammen, daß fi) wohl nicht leicht eine Grenze zwifchen zweien wird angeben lafien. Die Wörter hingegen, womit wir fie bezeichnen, find nicht fo befchaffen, und zwei auf einander folgende und verwandte Eigenfchaften werden durch Zeichen aus⸗ gebrüdt, bie uns Feine Verwandtfchaft zu erfennen geben. Man follte die Wörter philofophifch beeliniren, das ift, ihre Verwandt⸗ fhaft von ber Seite durch Veränderungen angeben fünnen. In der Analyfi8 nennt man einer Linie a unbeflimmtes Stüd x, dad andere nicht y, wie im gemeinen Leben, fondern a —x.
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Daher hat die mathematifhe Sprache fo große Vorzüge vor ber gemeinen.
Sauerampfer ift ein Pleonasmus, Ampfer beißt fchon fauer und ift das bollänbifche amper.
Man kann ficher glauben, daß man in einer Sache eine gute Strede vorgerüdt ift, wenn man Kunfiwörter darin ge: braudt. Die offenfive Kritif hat wirklich ihre Kunftwörter im Deutfchen: einen herumnehmen, einem ben Bart wafchen, einen verfoblen, bürften, fämmen, ftriegeln, burd bie Hechel ziehen u.f. w.
Homocentriſch habe ich in dem moyen de parvenir ”) gelefen — fein übler Ausdruck. Antbropocentrifch wäre beifer, obgleich centrum auch ein lateinifches Wort iſt. Es war aber bem kurzweiligen Verfaſſer vermutblich zu lang, ob er gleich ein guter Grieche gewefen fein foll.
Die Tebendigen Sprachen find für die Ausländer, bie nicht unter dem Volke gelebt haben, größtentheils tobt. Wie ſchwer ift e8, alle die Pleinen Beziehungen zu erlernen, die gewiſſe Aus» drüde, und Redensarten in fich faffen! und fat unmöglich ift e8, wenn man einmal bei Jahren ift.
*) Einem berühmten Buche von Franzischus Bervaldus.
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Borfucceffor, wie bie gemeinen Leute im Osnabrüdi- fhen einen Borgänger nennen, ift nicht viel fehlechter, als Nachfolger, da einem ja niemand vorfolgen kann.
Im Wort Gelehrter fledt nur der Begriff, daß einem Vieles gelehrt ift, aber nicht, daß man auch etwas gelernt bat; baher fagen bie Franzoſen finnreich, wie Alles, was von biefem Volke kommt, nicht les enseignes, fondern les savans. und bie Engländer nicht the taught ones, fonbern the learned.
Es iſt eine vortrefflihe Bemertung von Hartley, daß dur bie VBerfchiedenheit der Spraden falfche Urtheile verbeffert wer: ben; weil wir in Worten denken. Es verdient fehr überlegt zu werden, in wie fern die Erlernung fremder Sprachen uns bie Begriffe in unferer eigenen aufklärt.
Wir bewundern zuweilen bie Kräftigfeit der Sprachen un» ausgebildeter Nationen; die unfrige ift nicht weniger kräftig; unfere gemeinften Ausbrüde find oft fehr poetifch; aber das Poe⸗ tifche eined Ausdrucks verliert fi), wenn er und gemein wird. Der Laut bringt den Begriff hervor, und das Bild, das vorber das Mittel war, verfchwindet, und mit ihnen zugleich alle Neben: ideen, bie e8 in fich ſchloß.
Was heißt ſchwätzen? Es heißt, mit einer unbefthreib- lihen Gefchäftigkeit von ben gemeinften Dingen, bie entweber
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fhon jedermann weiß, ober niemand wiffen will, fo mweitläuftig ſprechen, baß niemand barüber zum Worte fommen kann, und jedermann Seit und Weile lang wird. Die beutfhe Sprade ift fehr arm an Wörtern für Handlungen, bie fih fo zu andern Handlungen bes vernünftigen Mannes verhalten, wie Geſchwät zur zwedmäßigen vernünftigen Unterrebung. So fehlt e8 uns an einem folhen Wort für rehnen.
Ein Menſch wählt fi) ein Thema, beleuchtet e8 mit feinem Lichtchen, fo gut ers hat, und fchreibt alddann in einem gewiffen erträglichen Mobeftil feine Alltagsbemerfungen, bergleichen jeder Secundaner auch hätte machen, aber nicht fo faßlich ausdrüden können. Für diefe Art zu fchreiben, welches die Lieblingsart ber mittelmäßigen und untermittelmäßigen Köpfe ift, wovon es in allen Ländern wimmelt, babe ich ?ein befferes Wort, ale Gandidatenprofe, finden können. Es wirb höchſtens das ausgeführt, mas bie Bernünftigen fchon bei bem bloßen Wort gebacht haben.
Je mehr man in einer Sprache dur Vernunft unterſchei⸗ den lernt, deſto fchwerer wirb einem das Sprechen berfelben. Sm Fertigfpredhen ift viel Inftinctartiges; durch Vernunft Täßt es fi nicht erreichen. Gewiſſe Dinge müffen in ber Jugend er: lernt werden, fagt man; diefes ift von Menſchen wahr, bie ihre Vernunft zum Nachtheil aller übrigen Kräfte cultiviren.
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Es donnert, beult, brüllt, zifcht, pfeift, brauft, fauft, fummet, brummet, rumpelt, quäkt, ächzt, fingt, rappelt, . praffelt, raſſelt, Tnallt, Eniftert, Elappert, knurret, poltert, winfelt, wimmert, raufht, murmelt, kracht, gludfet, röchelt, Elingt, klingelt, bläfet, ſchnarcht, klatſcht, lispelt, Leucht, ſchreiet, weinet, ſchluchzet, krächzet, ſtottert, lallt, girret, haucht, klirret, blökt, wiehert, ſchnarrt, ſcharrt, ſprudelt. —
Dieſe Wörter und noch andere, welche Töne ausdrücken, find nicht bloße Zeichen, ſondern eine Art von Bilderſchrift für das Ohr.
Um eine fremde Sprache recht gut fprechen zu lernen, und wirklid in Gefellihaft zu ſprechen, mit dem eigentlichen Accent bes Volks, muß man nit allein Gedächtniß und Ohr haben, fondern ud) in gewiffen Grad ein Pleiner Geck fein.
Sit heimſuchen wirklid fo viel als firafen, oder ift es fo viel ald das Herz unterfudhen? Wir müffen mehr Ge- brauch von dem Wort heim machen, es ift fehr ftarl. Heim reden ift, im die Seele reden, höchfte Überzeugung verbunden mit der Schaam fie zu geftehen bewirken. "
Das englifche kurze u hat wirklich viel Ähnliches mit dem franzöfifchen o in l’on a, bonne, ich meine das reine Parififche 0, und nicht dad o refugie. In Befchreibung ber englifchen Ausfprahe durch das Deutjche ift man noch lange nicht weit
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genug gegangen; man bat Faum ben vierten Theil von dem barin gethban, was man thun könnte. Man irrt, wenn man glaubt, daß das Ih ber ſchwerſte Laut für den Deutfchen wäre. Da wo es gelifpelt wird, ift e8 dem Deutfchen fehr leicht, wenn man ihm nur bie Zunge führt; aber vorfagen beißt nicht bie Bunge führen. Jeder Deutfche bat es gewiß einmal in feinem Leben ausgefprochen , vielleicht mehr vor dem 16 Jahr als nach⸗ ber. Es ift das f mit ber Zunge zwifchen ben Zähnen ausge: fprohen; je weniger man auf bie Zunge beißt, und je Bleiner das Stüdchen berfelben ift, das zwifchen den Zähnen ift, befto wahrer und feiner wird ed. Dieß gilt von dem th, wenn es gelifpelt wird, wie in three, through, both, wrath, ihew, thin, thing etc. Die Engländer Iifpeln es aber nicht immer, und dann ift es ungleich ſchwerer zu befchreiben und auszufprechen. Es ift nur der Anfang zu jenem, die Zunge legt fill nur, ale wenn fie jenes ausfprechen wollte, fpricht aber gleich die folgen- ben Buchſtaben aus; fo klingt es in that. Beim f bleibt die Spitze der Zunge hinter ben Zähnen, und beim th ift fie vor den⸗ felben oder zwifchen inne. In that, mother, father , together, gather und zwifchen Bocalen überhaupt, ift es bloß der Anfang zum 3ifhen, ohne das Zifchen felbft, von dem man nichts hören muß. Die Gaffenjungen am Oberrhein fprehen Feder eben fo aus, wie die Engländer ihr feather, und das d in bem Wort wie das ungelipelte th.
Die verfchiedenen Selbftlauter ließen fi durch eine ähnliche Einrihtung, wie Mayers Zarbentriangel darftelen. Der Eng:
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länder ihr kurzes in much, such, but hat etwas vom e und vom 0; es ift nicht metſch und nidht motſch, ſondern befteht aus zwei Theilen e und einem Theil o, rein genommen, das beißt, fo wie wir fie im ABC ausfprebher. — Man kann ja taub und ſtumm Geborne reden lehren, wie viel mehr Leute, bie eine unendliche Menge von Lauten zu commanbiren haben.
Shakeſpear ift meiftens ſchwer ganz zu verftehen, und feine gelehrten Sommmentatoren haben ihn oft nicht verftanden. Ihn gut zu liberfegen, ift an vielen Stellen ganz unmöglich, wegen feiner an Nebenibeen reichhaltigen Metaphern, wovon .ber befte Überfeger uns doch immer nur einige geben kann. Außer einer tiefen Kenntniß der englifhen Spradhe, bie nur wenige Auss länder fich verfchaffen können, wirb eine noch ſchwerer zu er⸗ reichende Kenntniß ber Sitten bes Volks erfordert. Um nur eine anzuführen, fo wünfchte ich wohl, daß ein Deutfcher, der feine Nation und die englifhe gut kennt, uns ein Werkchen über Shakeſpear's Flüche gäbe, und fie uns durch Ähnliche, 5. €. für Oberſachſen, überfegte (dern für Deutfchland überhaupt müffen wir nicht rechnen, weil wir fein London ober Paris haben). &o wie fie gemeiniglich überfeßt werben, ift es abfcheulich, und brüden Shakeſpear's Sinn gar nit aus. Das Weiß Gott unſers Pöbels, geſchwind gefprochen, erweckt bei uns weiter nichts als die Idee einer Ungezogenheit; dem Engländer mürbe es bie Idee vor Feierlichfeit, und wenn e8 oft Fäme, von Ruch⸗ /ofigFeit, zumal am Anfange der Rebe, erwecken, ungefähr wie
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bei uns, wenn man fagte: Das weiß Gott, baß ıc. Co haben wir (ich fpreche als Oberheſſe) nichts, das dem englifchen damn it entfpräde. Potz Wetter kommt ihm nahe, ift aber zu läppiſch. God damn it wird in Deutfchland oft durch Gott verdamme überfekt, jo abfcheulih, daß man kaum Ärger fehlen fönnte, wenn man e8 durch der Herr fegne überfegte. In England ift es mehr pöbelhaft als ruchlos, fo zu ſchwö⸗ ren, zumal wenn es gefhwind geiproden wird. Ja e8 kann fo gefehwind gefprochen werden, daß es einen Anfchein von Artig⸗ feit bei der vornehmen Jugend gib. Wenn Shafefpear's Perſonen fluchen, fo verfehlt e8 bei uns feinen Endzwed; was bei ihm eine Schattirung fein follte, wird bei uns Hauptfigur. Der Engländer flucht caeteris paribus zehnmal mehr, als ber Deutfche, weil bie fluchende Claſſe der Menfchen (die Seeleute) diefem Staat feine Reichthümer verfchafft, und feinen Schuß gewährt, und ed unter ihnen Männer gibt, die bie Achtung biefer Welt und der künftigen verdienen.
Conrab Photorins (p. t. Fotorins) Sendfchreiben an bie Heraudgeber ded Magazins, bie Abfchaffung der Hofen betreffend.
Ew. Wohlgeboren rühmlihft bekannter Eifer für unfere neue Orthographie oder, wie fie fte jest ſchicklicher nennen, Cäno⸗ oder Kainographie, um fie nicht mit ber alten fo genann, ten Ortbographie zu verwecfeln, bat mich aufgemuntert, Des nenjelben einen Plan zur Bekanntmachung vorzulegen, ber wir dem Kainographifchen viel Ahnfichkeit hat, wanlih, Tr Bim-
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Pleider abzuſchaffen; und follte biefer Ihren erwünfchten Beifall erhalten, fo follen Diefelben ein Werk von mir befommen, wos von ich Ihnen jekt nichts weiter fagen fan, als daß es eine Reformation ber beutfchen Sprache ift, und unfere Gänograpbie mußte nothwendig barauf leiten. Denn welches ift thörichter, der zu fchreiben, und dähr zu lefen, ober zu fagen, ich drehe, ih drehete; ich ſtehe, ih ftand; ich ſehe, ih ſahz id gebe, ih ging? Diefes macht ben Ausländern und Kindern un« enbliche Mühe. Daher auch die Juden, die zwar ein unterbrüdtes Bolt find, aber boch zuweilen über uns aufrechtftehend wegfehen, manchmal fagen: e8 fehete unvergleihlich aus; e8 wäre ambefte, ergebete hin ꝛc. Ih muß Ew. Wohlgeb. gehorfamft um Bergebung bitten, daß ich mic) ber Gänographie in meinem Briefe nicht bediene. Mein Geift ift zwar ſtark, allein aber das Fleiſch ift ſchwach. Ich bin nit mehr jung, unb ver: fhreibe mich jeben Augenblid; auch weiß ich zwar immer, wie ich ſpreche, allein ich weiß es nicht immer zu fchreiben. 3.8. recht darf ich nicht ‚ und rächt kann ich nicht fehreiben, benn es wird ja nicht gefprochen wie Hecht, u. f. w.
Forſchlach Fünftig feine Bainflaider mer zu tragen.
Der fchönfte Theil bes menfchlichen Geſchlechts trägt Peine, fo wenig als ber zartefte, nämlich das weibliche Gefchlecht und bie Kinder. Die größten Menfchen haben. Feine getragen, weder die Erzbäter, noch ber pius Aeneas, noch Tullus und Ancus.
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Cicero, Pompejus und Cäſar trugen keine, auch hat ver: mutblih Sokrates Feine getragen. Ja bie gefünbeften Bölfer, ich meine die ungefitteten, tragen bis auf biefe Stunde Peine; auch bie gefitteten Bergfchotten nit. Daß es einem auffallend fein würde, jetzt einen Minifter oder General ohne Beinkleider berumgeben zu fehen, das ift bloß die Ungewohnheit, lächerliches Borurtheil. ES HE nicht mehr, als flatt des einfältigen der und phyſiſch jest där und füfifch zu fhreiben, welches recht ift. Ohne Beinkleider zu geben, fol Leuten fehr bienlich fein, bie fi) verändern wollen, indem es ein gelindes Faltes Bad ift. Das beftändige Auf» und Zuknöpfen ift wirklich fehr befhwerlih. Wer an einer Kirche wohnt, barf nur die Leute beobadıten, bie am Tage bie einwärtögehenden Winkel berfelben ftehend einnehmen; was das oft für Umftänbe fegt, einige müffen fogar den Stod wegftelen, und beide Hände brauchen. Ich riethe eine Art Bleiner Schürze, bie rund herum ginge, fo wie bie Bederfhürzen am Rhein ıc.
Was die Engländer in der Füſik, die Franzoſen in ber Metafüfit find, find die Deutfchen unftreitig in der Ortofrafi. Das Süftem, das uns 9. 8... hierüber gegeben bat, ift vor- treflich. Fürz gleich nicht überall Überzeugung bei fih, fo fürz body auf Einigkeit, und hilfz nichz, fo ſchatz doch auch nichz. Borzügli Dank ferdint Hr. Mülius in Berlin, ber auch in feinem zerbeutfchten Gil Blas Hüpofrates fchreibt, und alfo
us
auch vermuthlih Filüppus und Hipyvie\e \gräleen wir.
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U ı 324
— — Neulich entftand bei einem Teſtament ein entfeglicher und faft fcandalöfer Streit über folgende Worte: „Auch vermade ih da8 Heu von meinen Wiefen ben jebesmaligen drei Stabt« farren zu O...« Es wurde nämlich geftritten, ob Zeftator die Prediger des Orts, oder die Bullen gemeint habe; und weil bie lektern einen beſſern Advocaten erhielten, al8 die erftern, fo fiel da8 Heu dem Bullenftal zu. Der Advockt für bie Prediger mußte nichts beizubringen, als daß man einem unvernünftigen Vieh nichts vermachen könne; nur fei befanntlih Teftator ein Anhänger von Hrn. 8... und befien profaifchen Werfen gewe⸗ fen, und babe daher farren flatt pfarrern gefchrieben. Da: gegen erwies der Advocat für die Bullen mit unmwiberfprechlichen Beugniffen, Xeftator fei zwar ein eifriger K— ianer, aber, ba er felbft Pfeiffer geheißen, aud ein bartnädiger Vertheidiger bes Pf gewefen, weßbalb er wohl oft Klopfſtock und Trepfe gefagt, aber fih nie Feiffer unterzeichnet babe. Die Sache wäre alfo klar. Überdieß habe der Selige bekanntlich nicht viel auf die bafigen Herren Prediger gehalten, und da die Wiefen gegen 300 Thaler abwerfen, fo wäre ed gar nicht wahrſcheinlich daß er ſie gemeint hätte, u. ſ. w.
Iſt es nicht ſonderbar, daß eine wörtliche überſetzung faſt immer eine ſchlechte iſt? und doch läßt fi) Alles gut überſeten. Man fieht hieraus, wie viel e8 fagen will, eine Sprache ganz verfiehen ; es heißt, das Volk ganz kennen, das fie fpricht.
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Kurzſichtig fein und weit ſehen werden im meta: phorifchen Verſtande von Geiftesgaben falſch gebraucht. Ein Kurzfichtiger heißt da ein Blinder; es ift aber Elar, baß Kurz: fihtige auch Dinge fehen, bie andere Leute nicht fehen.
Der Teufel ift wohl heutzutage, in unferen aufgeklärten %. Zeiten, ein re Fmer Teufel. Woher mag überhaupt die Redensart: armer Teufel fommen? Sie findet ſich aud in anderen Sprachen: poor devil, pauvre diable.
Daß bie Berwechfelung von lehren und lernen, bie bei uns, zumal in der Sprade bed Umgangs gemeiner ift, als man denen follte, von etwas Tieferm herrührt, als bloß von der Ähn⸗ lichkeit des Lautes, kann man daraus abnehmen, daß die Schott- länder häufig to learn mit to teach verwechfeln, die boch nicht verfchiedener Elingen können. Hingegen verwechlelt.der Englän: der häufig 2o lie liegen, und to lay legen, welches auch ber unftudirtefte Deutfche nicht thut, da doch die Ähnlichkeit des Lauts und der Relation in ben Begriffen, bie fie ausdrüden, bei beiden gleich groß ift. Wer Tiegt, ber bat ſich gelegt; und wer fich lehrt, ber lernt; ober, wer “gelegt wird, liegt, und wer gelehrt wird, Iernt.
Unfere Inverfionen in ber Sprache haben das Nachtheilige, bag wir dem Ausländer oft fade vorkommen müſſen, der fe ux- möglich alle verftehen Fan, ba fe bei dem Wpite Ah lurnt
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werden müſſen. Es wäre beſſer, wir ſprächen weniger in In⸗ verfionen.
Wenn man viel felbft denkt, fo findet man viele Weisheit in die Sprache eingetragen. Es ift wohl nicht wahrfcheinlich, daß man Alles felbft hineinträgt; fonbern es liegt wirklich viel Weisheit darin, fo wie in ben Sprühwöggfie
—— bu
Es ift zum Erflaunen, wie fehr das Wort unendlich ge- mißbraucht wird; Alles ift unendlich ſchön, unenblid beffer u.f.w. Der Begriff muß.etwa® Angenehmes haben, fonft hätte der Mißbrauch nit fo allgemein werben können. Mas haben die Alten bavon ?
Im gemeinen Leben heißt oft die Epilepfie das böſe Wefen. Was wäre das gute Wefen? Jemand meinte, man könnte ben epileptifhen Budungen im Paroxyomus ber ge- krönten Liebe biefen Namen geben.
Nachtrag | zu den Bemerkungen über Sprache und Orthographie.
Despaviladdra heißt eine Lichtpuge auf Spaniſch. Man ſollte glauben, es bieße wenigftens ein kaiſerlicher Generalfeld: marfchalllieutenant.
Pe 0 % Es gibt eine wahre und eine fürmliche Orthographie.
Deu Eine hat eine falfhe Rechtfhreibung und der Andere eine rechte Kalfchfchreibung.
Ich glaube, es Fünnte einer Sprache gar nicht fchaben, wenn man viele a und Grärismen übertrüge. So würden gewiß bie Alten« enigftens verftändlich werben. In meinen Schuljahren, we das Wort populär no nicht fo Mode war wie jest, glaubten wir, e8 hieße pöbelhaft oder fo etwas.
Auffchieben beißt, feinem Hehirne eine größere Extenfion ‚ geben.
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Das ift ein närrifcher Einfall, fagt man von einer gewiffen Art Einfälle, die nichts weniger ald unklug find, auch, das Ding ift doch närrifh. Gewiß hat ber erfie Mann, ber die Redensart gebraudte, etwas dabei gedacht. Es kann dag Unermwartete und das Seltfame in der Verbindung ber Ideen bezeichnen, das Ülberfpringende, dergleichen man bei närrifchen Leuten vieles findet.
Man muß künftig bloß Shafspere fchreiben mit W. Malone. Denn es ift ausgemacht, daß er fich felbft fo gefchrieben hat, und in ben Kirchenbücdhern von Stratford ſteht bei Kindtaufen, Copulation und Todesfällen der Name beftändig fo.
%
R De:
\ So wie es vielfylbige Wörter gibt, bie fehr wenig fagen, fo gibt ed auch einfylbige von unenblicher Bedeutung.
® Das Wort: Entbindung ift zweidentig; ed kann auch ben x Tod bedeuten. "
| Der Deutfche liebt bie fcharfen reg Barum nicht: Hoch, höher, höchft Ebelgeborener, Wohl, DEM , Beitgeborener Her? u " "
Georg Chriſtop h Fichtenberg’s Bermifchte Schriften.
Neue vermehrte, von deſſen Söhnen veranftaltete Original - Ausgabe.
Mit dem Portrait, Facſimile und einer Anficht des Geburtshaufes des Verfaſſers.
Zweiter Band.
——ı ZZ He —
Göttingen, Berlag ber Dieterihfhen Buchhandlung. 1844,
14.
inhalt
bes zweiten Bandes.
Bemerkungen vermifdhten Inhalts.
. Üftgetifche Bemerdunden . . . .
Nachtrag zu ben äfthetifchen Bemerkungen .. *
Witzige und ſatyriſche Einfälle und Bemerkungen Nachtrag zu den witzigen und ſatyriſchen Einſällen
und Bemerkungenn. —
Witzige und komiſche Ausdrücke und Vergleichungen Nachtrag zu den witzigen und komiſchen Ausdrücken und Vergleichungennn.
Urtheile und Bemerkungen über den Charakter ver⸗ ſchiedener Völlr . . ... re. Nachtrag zu ben Urtheilen und Bemerkungen über bern Charakter verfchiedener Böllr -. . . . .
Zum Andenken von Berfiordbnn . -. . »
— 102
— 109
— 118
7.
IV
Gute Ratbihläge und Marimen . -. . » . . &.17 Nachtrag zu den guten Rathſchlägen und Marimen — 135 Borfchläge . . 0 0 0 . . o 0 0 0 0 — 138 Nachtrag zu den Vorſchlägen. —14
. Allerband + + . . . 0 . . . . + . — 147
Nachtrag zu Alerband -. » »o 2 2 20.2. —189 Fragmente. Lorenz Eſchenheimers empfindſame Reiſe nach Laputa — 199
. Beiträge zur Geſchichte des... —203
Parakletor oder Troſtgründe für die Unglücklichen, bie keine Originalgenies ind..... -— 207
Über den deutſchen Roman. > ed Die Bittfchrift deB Wahnfinnigen . - -. » ». . —- 2
. Das Baftmahl der Ioumalifin . . . » .. — 32
Über die Macht der Liebe > > 2 2 2 0000 294
I.
Bermifchte Schriften.
— — —
Zweiter Theil.
. u) * ‚re “ .. . .s » m...
10. Aſthetiſche Bemerkungen.
Was kann bie Abficht des geiftlichen Heldengebichts fein? Erbauung,. Belehrung und Vergnügen. Der Unterfchieb zwifchen Erbauung und Belehrung liegt, dünkt mid, barin, baß jene in dem Vergnügen beftehbt, das ich empfinde, wenn ich mein Thun mit ben Vorfohriften der Religion, von beren Nuken ich überzeugt werde, übereinflimmend, ober mich durch biefe Über zeugung in meinen Entfchlüffen geflärkt ſehe. Belehrt binge- gen werde ih, wenn ich Dinge höre, bie ich vorher entiweder gar nicht, oder falfh gewußt habe. Einige nennen auch jede geiftliche Belehrung Erbauung. Wird das Wort Erbauung im erfien Sinne genommen, fo kann das geiſtliche Heldengedicht "nügen. Es kann mir die Vorfihriften ber Religion lebhafter vorfielen und tiefer einprägen; eine erdichtete Folge von ihrer Übertretung kann mich erinnern, daß in meinem Haufe, in meiz nem Birkel von Freunden fi) fo etwas zutragen Fünne, und fann meinem Entſchluß mehr Kraft geben. ben fo kann es mich belehren, und alfo auch ergögen; aber Feine chriftliche Göt- terbiftorie muß hineinkommen. Unfere allerheiligfte Religion ift ein Gegenftand, den man immer vorzeigen foll, wie er ift; man
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fol nits mit ihm unternehmen, wovon ber Ausgang zweifel- baft ift, und ein weifer Mann nicht einmal etwas, von dem er gute Folgen erwartet, benn er könnte fi) irren. Diefer Theil erbaut nicht, belehrt nicht, und kann auch nicht ergögen, wohl- verftanden, in fo fern nicht ergögen, als e8 Hiftorie aus unferer Religion ift, als Erdichtung freilich allein betrachtet.
So wie wir eine Meffiade und ein verlornes Parabies haben, wo alles Göttliche menfhlich zugeht, fo könnte ein Bauer eine Henriabe fchreiben, wo Alles wie in feinem Dorfe, nur ideas liſirt, vorginge.
Einen Roman zu fchreiben ift deßwegen vorzüglich angenehm, meil man zu allen Meinungen, bie man gern einmal in bie Welt laufen laffen will, allemal einen Mann finden ann, ber fie als die feinigen vorträgt.
Ein Ihema zu einem poetifhen Briefe ift in folgenden Worten ber Argenis) &. 293 enthalten: Reges sumus suppli— eibus; rursusque rex nobis, in cujus est manu quod pelimus.
Wieland erzählt fo viel Gutes vom Agathon und feheint
) So beißt befanntfich der berühmte politifche Roman von Johann Barklay, der zu Ende bes fechszehnten und zu An- fange des fiebzehnten Jahrhunderts lebte.
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alle feine feinen Beobachtungen des Menfchen zu erfchöpfen, uns biefen Menfchen fonderbar und groß vorzuftellen; er fpricht aber felbft fo wenig, baß uns alles biefes nur Teſtimonia zu fein feinen, und als ſolche wirfen. Ich kann es unmöglich glau⸗ ben, daß ein fo fehwärmerifcher delphiſcher Jefuitenfchüler Athen nur eine Stunde beberrfhen kann; ja es wirb mir bange, wenn ich höre, daß er ſich dazu entfchließt. Leute, wie Agathon in Delphi, entfchließen fich felten oder niemals Beherrfcher zu wer: ben, und taugen auch nicht dazu. Ich bin durch das ganze Stüd dem Agathon nicht recht gut gewefen; ich möchte faft fagen, ih mißgönne e8 dem belphifchen Sefuitenfchüler, daß fih ein fo großer Mann wie Wieland für ihn intereffirt, und jede feiner Altagdempfindungen durch fo feine Theorien zu adeln fucht.
Das Gute ift bewegen fo fihwer in allen Wifjenfchaften und Künften zu erreichen, weil ein: gewiffer feitgefegter Punkt erreicht werben fol. Etwas nad) einer vorgefegten Regel fchlecht zu maden, wäre eben fo fehwer, wenn e8 anders alsdann nod) den Namen des Schlechten verdiente.
Man glaube nicht, daß eine Bemerkung für ein Schaufpiel . zu fein oder zu tief fei. Was der Kenner in ber Natur zu fin- den im Stande ift, entdedt er auch bier wieder. Bielleicht wäre es nicht gut, einen gar zu fubtilen Sag zum Hauptgegenſtand bes Stücks zu machen; aber ben Hauptfak zu ſtützen, ift alles Wahre gut; und ift es fehr tief, fo dient e8 dem Stüd noch zu
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einer Stütze und, wenn ich fo reden darf, zu einem Nothpfen« nig, wenn bie wisigen Einfälle und bie Situationen Tängft nicht
mehr haften wollen.
Es ift ein Fehler, den der bloß wisige Schriftfteller mit bem ganz fihlechten gemein hat, daß er gemeiniglich feinen Ge genftand eigentlich nicht erleuchtet, fondern ihn nur dazu braucht, fich felbft zu zeigen. Man lernt den Schriftfteller Eennen und fonft nichts. So ſchwer e8 auch zuweilen eingehen follte, eine wihige Periode wegzulaffen, fo muß es duch gefhehen, wenn fe nicht nothwendig aus ber Sache fließt. Diefe Kreuzigung ges möhnt allmälig den Witz an bie Bügel, bie ihm bie Bernunft anlegen muß, wenn fie beide mit Ehren austommen follen.
Schlechte Schriftfteller find hauptfächlich diejenigen, die ihre einfältigen Gedanken mit Worten der guten zu fagen traten; könnten fie, mas fie denken, mit angemefjcenen Worten fügen, fo würden fie allezeit zum Beten des Ganzen etwas beitragen und für den Beobachter mertwürbig fein.
Die Entfehuldigungen, die man bei ſich felbft madıt, wenn man etwas unternehmen will, find ein vortrefflicher Stoff zu Mos nologen; benn fie werden felten anber8 gemacht, ald wenn man allein ift, und fehr oft laut.
Der Beim ift etwas, das mehr ben nörblichen Ländern
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eigen ift, fo wie das Sylbenmaaß mehr in ben füblichern ver: ehret wurde. Bei diefen ift Alles Muſik, ba bei jenen nur zu⸗ weilen, aber befto ftärker die Kunft und die Harmonie ſichtbar wird, Ich zweifle nicht, daß bie Griehen und Römer nicht bis: weilen auf Reime verfallen fein follten, e8 war aber biefes Künft: liche ihnen allzufühlbar und daher verhaßt, fo wie uns bie Heime fhmetterte und kletterte; bahingegen ihr zarteres Ohr fhon eher Füße zählen Fonnte, als das unfrige, das fi) daher ein fühlbares Sylbenmaaß, den Reim, erfand. Die alten deut: fhen Verſe haben oft nur Reime und faft gar fein Metrum.
Es ift eine richtige Beobadhtung, wenn man fagt, baß Leute, bie zu viel nachahmen, ihre eigene Erfindungskraft ſchwä⸗ hen. Diefes ift bie Urfache bes Verfalls der italienifchen Bau⸗ kunſt. Wer nahahmt und die Gründe ber Nachahmung nicht einfiebt, fehlt gemeiniglich, fobald ihn die Hand verläßt, bie ihn führte, .
In Werfen bes Gefhmads ift es fehr fchwer, weiter zu kommen, wenn man fchon einigermaßen weit ift, weil hierin ein gewiffer Grab von Vollkommenheit leicht unfer Vergnügen werben kann, fo daß wir nur diefen Grad, ber unfern ganzen Geſchmack ausfüllt, zum Endzweck unferer Bemühungen maden. In andern Stüden, bie nit bloß auf das Vergnügen gehen, verhält e8 fich ganz anders. Daher haben wir es in ben leßtern ben Alten weit zuvorgethan; in den eriiern ober ab wait u
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tief unter ihnen, ohnerachtet wir fogar Mufter von ihnen vor uns haben. Dieſes kommt baber, weil das Gefühl des neuern Künftlers nicht fharf genug iſt; es geht nur bis auf bie körper⸗ lihen Schönheiten feines Mufters, nicht auf die moralifhen, wenn ih fo fagen darf. Man Bann das Gefiht eines reblichen Men: fhen fehen, man kann e8 aber auch gewiffermaßen fühlen. Das “ Lebtere ift das Erftere, verbunden mit einer Rüdficht auf bad Mo⸗ ralifhgute, womit wir in ihm oft bie Miene begleitet fahen. Was ich hier fagen will, wirb wohl jeber verftehen, für den ich eigentlich ſchreibe. So lange ber Künftler nur bloß nad ben Augen zeichnet, wirb er nie einen Laokoon herausbringen, ber etwas mebr als Zeichnung bat, der mit Gefühl verfertigt ift. Diefes Gefühl ift dem Künftler unumgänglich nöthig; aber wo fol er e8 fernen und wie? Unfere Afthetiten find bei weiten noch nicht praßtifch genug.
NRouffeau nennt mit Recht ben Accent bie Seele ber Rebe (Emile T. I. p. 96). Leute werben von uns oft für bumm an: gefehen, und wenn wir e8 unterfuchen, fo ift e8 bloß ber ein⸗ fache Ton in ihren Reben, ber ihnen biefes Anfehen vor Dumm» beit gibt. Weil nun ber Accent bei den Schriften wegfällt, fo muß der 2efer darauf geführt werben, dadurch, daß man deut⸗ licher durch die Wendung anzeigt, two ber Ton hingehört, und biefes ift e8, was bie Rede im gemeinen Leben vom Brief uns» terfcheidet, und was auch eine bloß gebrudte Rebe von berjenis gen unterfcheiden follte, bie man wirklich hält.
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Die Bersart den Gedanken anzumefien, ift eine fehr fchwere Kunft, und eine Bernadläffigung derfelben ift ein wichtiger Theil des Lächerlihen. Sie verhalten fi) beide zufammen wie im ge meinen Leben Lebensart und Amt.
Sn ben Werken unferer Kunft werben befländig Dinge ver ſchwendet; Alles muß bei uns ftärfer gemadt werben, als es ber Gebrauch erfordert, weil wir nicht alle Umftände überfehen fünnen. Bei unfern Kleidern, Schränken, Stühlen, Häufern müffen wir allegeit in die wahre Gleichung der Dinge noch eine unbeflimmte Größe hinzufeßen, die wir nad) Gefallen verändern fünnen. Wenn ab hinreichend wäre, etwas zu erreidhen, ohne daß man das Geringfte davon nehmen Fönnte, fo müffen wir dafür ab-x nehmen, da die Natur allemal ab+d fegt, und auf einmal Alles beftimmt. Dur die Veränderung dieſes d madt die Natur Varietäten, und befördert bie gänzliche Verän⸗ derung, wenn es negativ wird.
Den Männern haben mir fo viel feltfame Erfindungen in
ber Dihtfunft zu danken, bie alle ihren Grund in dem Erzeu⸗
gungstrieb haben, 3.3. die Ideale von Mädchen. Es ift Schade, daß die feurigen Mädchen nicht von ben fchönen Jünglingen fihreiben dürfen, wie fie wohl könnten, wenn e8 erlaubt wäre, So ift die männliche Schönheit noch nicht von denjenigen Hän⸗ ben gezeichnet, die fie allein recht mit Feuer zeichnen könnten. Es ift wahrfcheinlih, daß das Geiftige, was ein paar bezauberte
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Yugen in einem Körper erbliden, ber fie bezaubert hat, fich ganz auf eine andere Art dem Mäbchen im männlidhen Körper zeigt, als es fih dem Sünglinge im weiblichen entbedt.
Gerade das Gegentheil thun, ift auch eine Nahahmung, und die Definition ber Nachahmung müßte von Rechtswegen Beibes unter fi begreifen. Diefes follten unfere großen nach⸗ ahmenden Driginalföpfe in Deutfchland beberzigen.
„Unfere Profe, fagt man, ginge fo: ftolz, und unfere Poefte fo demüthig einher « — ift denn das etwas fo gar Abſcheuliches? Die Profe ift Tange genug zu Fuße gegangen (pedestris oratio), und mich dünkt es wäre nun einmak Zeit -für die Poefle, abzu⸗ fteigen, um bie Profe reiten zu laffen.
Was für ein Werk ließe fich nicht über Shafefpear, Hogarth und Garrif fchreiben! Es ift etwas hnliches in. ihrem Genie: anfchauende Kenntniß des Menfchen in allen Ständen, Andern buch Worte, den Grabftichel und Geberden verftändlich ge= macht.
Beim Robinſon Cruſoe iſt die Deutung der bibliſchen Stellen bei jeder Gelegenheit auf ſich ſehr ſchön und natürlich. Es iſt dieſes allezeit das Zeichen eines guten und bedrängten Herzens und für den Kenner ſehr rührend.
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Der Iheatermenfch, ber Romanenmenfh, bas find Tauter eonventionelle Gefchöpfe, die ihren Werth haben, sicut nummi: und fi) ohne Rüdfiht auf den natürliden Menfchen idealifiren laſſen. Allein der Zufchauer ift felten fo verborben, daß er nicht den natürlihen Menfchen mit Vergnügen erkennen follte, fobald er auf die Bühne tritt.
Die erfte Hegel bei Romanen fowohl als Schaufpielen ift, daß man die verfehiedenen Charaktere gleihfam wie die Steine im Schadfpiel betrachtet, und fein Spiel nicht durch Beränbes rung der Gefege zu gewinnen ſucht, nad) welchen ſich dieſe Steine richten müffen; alfo nicht den Springer wie einen Bauern zieht und dergleihen; 2) muß man biefe Charaftere genau bes fiimmen, und fie nicht außer Activität fegen, um feinen Ends zweck zu erreihen, fondern nur durch die Wirkfamfeit berfelben gewinnen wollen. Das nicht thun, beißt Wunder thun wollen, die immer unnatürlich find.
Wenn man bie Gefchlechter nicht an den Kleidungen erfens nen Zönnte, ja überhaupt die VBerfchiedenheit des Gefchlechts er- rathen müßte, fo würde eine neue Welt von Liebe entftehen. Diefes verdiente in einem Roman mit Weiöheit und Kenntniß ber Welt behandelt zu werden.
Es gibt, wie ich oft bemerft babe, ein untrügliches Zeichen, od der Mann, ber eine rührende Stelle ſchrieb, wirklich dabei
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gefühlt hat, ober ob er aus einer genauen Kenntniß des menſch⸗ lihen Herzens bloß durch Berftand und fehlaue- Wahl rührender Züge uns Thränen abgelodt hat. Im erftien Kal wird er nie, nachdem die Stelle vorüber ift, feinen Sieg plötzlich aufgeben. So wie bei ihm ſich bie Leidenfchaft fühlt, kühlt fie fi) auch bei uns, und er bringt uns ab, ohne daß wir es wiffen. Hin⸗ gegen im legtern Fall nimmt er fih felten die Mühe, ſich feines Sieges zu bedienen, fondern wirft ben Lefer oft, mehr zur Bes mwunberung feiner Kunft, als feines Herzens, in eine andere Art von Berfaffung hinein, bie ihn felbft nichts koſtet, als Witz, ben Lefer aber faft um Alles bringt, was er vorher gewonnen hatte. Mich bünft, von ber Iektern Art ift Sterne. Die Ausdrüde, womit er Beifall vor einem andern Richterſtuhl er- balten will, vertragen fich fehr oft nicht mit dem Sieg, den er fo eben vor dem einen erhalten hatte.
Sterne und Fielding.
Sterne ſteht nicht auf einer fehr hohen Staffel, nit auf ,
dem ebelften Wege. Fielding fteht nicht ganz fo hoch, auf einem weit edlern Wege. Es ift der Weg, ben derjenige betres ten wird, der einmal ber größte Schrififteller der Welt wird, und fein Fündling ift gewiß eines ber beften Werke, bie je gefchrieben worden find. Hätte er uns ein Plein wenig mehr für feine Sophie einzunehmen gewußt, und wäre er da, wo wir nur ihn bören, oft kürzer gewefen, fo wäre vielleicht gar kein Werft darüber.
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Eine glüdliche Situation in einem Stüd ausgefunden, macht die übrige Arbeit leicht; die, die eine Sade bloß mit Einfällen verfhönern wollen, haben eine Höllenarbeit.
Die Dichter find vielleicht eben nie bie weifelten unter ben Menfchen geweſen; allein es ift mehr al8 wahrfcheinlidh, daß fie und da8 Beſte ihres Umgangs und ihrer Gefellfchaft Liefern. Da Horaz uns fo viel Vortreffliches binterlaffen bat, fo denke >» ih immer, wie viel Bortrefflide® mag nicht in den Gefellfihaf- ten gefprochen worden fein; benn fchwerlich haben bie Wahrhei⸗ ten den Dichtern mehr als das Kleid zu banken. Das fehöne Rectiu; vives, Licini, etc. ift das Medio tutissimus ibis der
Geſellſchaft.
Man muß fi ja vorſehen, wenn man von einem geſetzten, rechtfchaffenen Manne etwas Empfindfames erzählt, daß es nicht mit vielen Worten geſchieht; man muß es ſo in der Erzählung unterdrücken, wie es der Mann in Gegenwart Anderer thun würde. Es iſt nun einmal in der Welt fo, daß die äußere Be: jeugung eines innern Gefühls durch Geberden und Mienen, die uns nicht Poften und daher auch oft nachgemacht werden, felten für anftändig und immer für unmännlich gehalten werden. Nun verfallen aber unfere dramatifchen Dichter und Romanenfchreiber gerade in dad Gegentheil. Nichts ale Empfindungsbezeugungen erzählen fie uns. Debwegen baffen wir bie Gefellfehaft ihrer Helden, wie die von Schulknaben.
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3% glaube, ber ſchlechteſte Gedanke kann fo gefggt wer- ben, daß er bie Wirkung bes beften thut, follte auch" das letzte Mittel diefes fein, ihn einem ſchlechten Kerl in einem Roman ober einer Komödie in ben Mund zu legen.
Man muß feinem Werd, bauptfählid Feiner Schrift bie Mühe anfehen, die fie gefoftet hat. Ein Scriftfieller, ber noch von ber Nachwelt gelefen fein will, muß es fich nicht verdrießen laſſen, Winfe zu ganzen Bühern, Gedanken zu Disputationen in irgend einen Winfel eines Kapitel hbinzumwerfen, daß man glauben muß, er habe fie zu Taufenden wegzuwerfen.
Es gibt eine Art von Ironie, bie wohl einmal. eines Ver⸗ fuhs wert) wäre. Man müßte nämlich die Zweifel, die man gegen eine Sache bat, mit einem gewiffen ftarfen Anfchein von Güte des Herzens und von der Nichtigkeit ber Meinung, bie man beftreitet, vortragen. Ich will mich Durch ein Beifpiel beut« licher erklären. Es könnte einer über die Genugthuung an Hrn 2... ober fonft jemand fo fchreiben: Ich babe unmaßgeblich gedacht, da der liebe Gott nichts an den Pflanzen und Thieren zu ändern gefunden, fondern fie fo gelaffen hat, wie fie anfüng» lich waren, fo wäre ed, meiner einfältigen Einficht nach, doch ganz fonderbar, daß er an dem Menfchen, den er body nad feinem Bilde gemacht bat, fchon nach Verlauf von ein paar tauſend Jahren cine Reparation nöthig gefunden haben follte, und noch dazu von ber Art, baß er etwas thun mußte, was
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die Nachwelt faum glauben kann, nämlich feinen Sohn von Himmel berabfhiden. Wollen Em. Wohlgeboren gütigft bemer⸗ ten, daß die große Abweichung bes Menfchen von feinem erftern volltommenern Zuſtande eine Folge ber in ihn gelegten Freiheit war, daß ihn aber fein Hang zur Veränderlichkeit endlich von jelbft wieder zurggegebracht haben würde? u.f. mw.
Was hilft das Lefen der Alten, fobald ein Menfch einmal den Stand ber Unſchuld verloren bat, und wo er hinfieht, überall fein Syftem micder findet? Daher urtheilt der mittelmäßige Kopf, es fei leicht, wie Horaz zu ſchreiben, weil er es für leicht hält, befier zu fehreiben, und weil dieſes beffer zum Unglüd ſchlechter ift. Se älter man wird (vorausgefegt, daß man mit dem Alter weifer werbe), defto mehr verliert man die Hoffnung, beſſer zu fihreiben, als die Alten. Am Ende fieht man, daß das Eichmaaß alles Schönen und Richtigen die Natur ift, daß wir dieſes Maaß alle in uns tragen, aber nur fo überroftet von Vorurtheilen, von Wörtern, wozu die Begriffe fehlen, und von falfchen Begriffen, baß fi} nichts mehr damit mefjen läßt.
Bielleiht wird bald eine Zeit fommen, wo wir fehen wer: den, daß wir in mandhen Stüden über den Alten find, in denen wir uns jegt unter benfelben glauben. In der Bildhauerkunft und Malerei ift diefes nur allzu klar. Winkelmann war ein Enthufiaft, ein Mann, der für die Alten eingenommen wär, und fih felig pries, als er ben claffifchen Boden betrat; ber
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feinen Gefhmad nah den Muftern bildete, die er richten follte. Bacon's Venus in der Exhibition in Pal-Mall könnte allemal, glaube ih, neben ber mebiceifchen ftehen. Es gehört fchon viel bazu, nad fo vielem Lärm, ſich in diefer Kunft hervorzuthun, ohne ben Entfhluß, nah Rom zu geben, fi) dem vaticanifchen Apoll zu Füßen zu werfen. Ale reifen hin, „J der Abficht ihn anzubeten, aber Peiner, feine Gottheit zu unterfuchen.
Es gibt einem Ausdruck eine große Stärke, wenn ein Wort eine Beziehung auf mehrere folgende bat, bie an ſich nicht ſchlechtweg unter eine Claſſe gehören. Go fügt 3. B. der Ber: faffer eines Briefed gegen die (amerikaniſchen) Colonieen: Their distance from Britain, and, as ihey conceived, from cha- stisement, not a little forwarded this disposilion etc. Dieſes dient nur, meinen Gedanken zu erläutern. Solde Berbindun« ‚ gen von Worten fommen im Gefpräd) felten vor, weil man ba nicht Zeit bat fie anzupaffen, und find deßwegen für gefchries bene Profe vornehmlich ſchicklich, als ein Unterfheidungszeichen. Denn, ganz abgezogen von Sachen und Inhalt, hat die Profe ihre eigenen mannichfaltigen Verbindungen, bie oft nicht leicht find und Schwierigfeiten haben, wie ber Reim und das Sylben⸗ maaß in ber Poefie. Man findet fie häufig in guten Schrift fielen. Junius bat fie fehr oft. In dem Gefpräh kommen fie zumweilen vor, fo wie die halben Alerandriner ober bie Reime in ungebundener Rede. Aber von der münblichen Rebe ift bie gejchriebene Profe, die eigentlich fo genannte Profe, ganz vers
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ſchieden, und in fo fern hatte der bourgeois gentilhomme im Moliere reht, wenn er ſich mwunberte, baß er beftändig Profe gefproden. — Man wird bei allen Menfchen von Geift eine Neigung finden, ſich kurz auszubrüden, gefhwind zu fagen, was gefagt werben fol. Die Sprachen geben baber keine ſchwa⸗ chen Kennzeiheiepon dem Geift einer Nation ab. Wie fchwer ift es nicht einem Deutfchen,. den Tacitus zu überfeen! Die Engländer find. fhon coneifer, als wir; ich meine ihre guten Schriftſteller. Sie haben einen großen Vorzug darin vor uns, daß fie befondere Wörter für bie Species haben, wo wir oft das genus mit einer Limitation gebraudhen, weldes Weitläufe tigkeit macht. Es könnte nicht ſchaden, wenn man in jeber Periode die Worte zählte, und fie jedesmal mit ben wenigften
auszubrüden fuchte. |
Um wisig zu fohreiben, muß man fi mit ben eigentlichen Kunftausprüden aller Stände gut befannt machen. Ein Haupt: wer? in jedem, nur flüchtig gelefen, ift hinlänglid; denn was ernfthaft feicht ift, kann wigig tief fein.
Ein Unterfchied zwifchen unfern Dichtern und benjenigen alten, die ich kenne, und einigen Engländern, ber einem gleich in die Augen fällt, ift ber, daß biefe felbft in ihren Oben Dinge gefagt haben, die nachher bie Philofophen brauchen fünnen; bas gegen felbft diejenigen unter uns, bie großes Auffehen unter der Jugend und einigen bejahrten Bornehmen gemacht haben,
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nichts zu Stande bringen, das weiter zu gebrauchen wäre. Die Sprache ber alten Dichter ift die Sprache der Natur, ſchon in ‚ eine menfchlihe überſetzt; unfere neuern fprechen bie Sprache der Dichter unabhängig yon. Empfindung, das heißt, eine ver rüdte; was fie fagen, bat fcheinbaren Zufammenhang, und ift oft zufälliger Weife richtig. Die Urfache ift, bilden fich nicht durch Beobachtung, fondern durch Leſen, und man kann ja nicht verſtehen, wovon man keinen Begriff bat. Sie glauben, die gerühmten Alten wären das, wofür fie fie anfehen, und ahmen fie als folhe nad. Horaz hat gewiß nicht für Leute ges fhrieben, bie von einer Stabtfchule auf Univerfitäten gehen; nicht einmal für die Lehrer folcher Zeutez er konnte nicht für fie fchreiben, nachdem er an dem erften Hofe der Welt gelebt hatte. Jedermann ſchreibt am leichteften für die Claſſe von Menſchen, unter die er gehört, wobei ich nicht die meine, unter die er in der Welt laut gerechnet wird. Wenn wir das hätten, was Horaz als Primaner gefchrieben hat, das möchte vielleicht einem Primaner ganz verſtäudlich fein, wenigftens einem römi⸗ fhen. Ich fage nicht, daB ein Dichter Tauter Schönheiten haben fol, die nur dem Weltkenner verftändlich find. Nein, ſie follen auch bierin ber Natur folgen, die für das bewaffnete und un: bewaffnete Auge, ja felbft für den Blinden ihre Schönheiten bat.
Viele, die biefes Tefen, werben ſich oft heimlich gefagt has ben, daß ihnen die Alten nicht fo fchmeden, als manche Neuere. IH muß bekennen, es ift mir felbft fo gegangen; ich habe manche bewundert, ehe fie mir gefallen haben; hingegen haben mir auch
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manche gefallen, ehe ich fie verftanden babe. Und ich bin über zeugt, es geht manchen Perfonen fo, die Commentarien über diefe Werke fchreiben. Ich babe den Horaz lange vorher bewun⸗ dert, ehe er mir gefallen bat; ich mußte es thun, fo wie man in Wien niederfallen muß, wenn ba8 kommt, was man bort das Benerabile munt. Und Milton und Birgil haben mir eher gefallen, ehe ich fie verftanden babe. Nachdem ich bekannter mit der Welt geworben bin, nachdem ich angefangen habe, felbft Bemerkungen über den Menfhen zu mahen — nicht niederzu: fchreiben, fondern nur aufmerffam zu fein — und mid dann, wenn ich diefe Schriftfteller Tad, meiner Bemerkungen wieder zu erinnern, da fand id, daß das, was ich in jenen Dichtern als unbrauchbares Geftein weggemworfen hatte, gerade das Erz war. Ih verfuchte e8 nun mit andern Stellen, mit benen meine Bes merfungen noch nicht zufammengetroffen waren; fie machten mich im gemeinen Leben aufmerffam, und feit der Zeit (ich befenne gern, daß e8 noch nicht lange if) wächſt meine Bewunderung jener Männer täglih, und ich fchäge mich glücklich, daß ich von Grund meines Herzens überzeugt bin, daß fie die Unſterb⸗ lichkeit verdienen, bie fie erhalten haben.
Wer fih in diefer Art die Alten zu lefen etwas geübt bat, der gehe nun einmal zu ben Neuern über. Gr wird nit allein feine Beſchäftigung finden, fondern wird oft einen geheimen Unwillen verfpüren, wenn gr fiebt, was für einen Ruhm biefe Leute erhalten haben, und baß e8 einem für Unverftand ausge⸗ legt werden würde, wenn man es Öffentlich bekennen wollte.
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Allein ich denke, laßt fie geben; fie gehen gewiß nicht durch das feine Sieb, womit die Zeit unfere Werke der Ewigkeit zufichten wird. Kein Buch kann auf die Nachwelt gehen, das nicht die Unterfuchung bes vernünftigen und erfahrnen Weltkenners aus—⸗ hält. Selbit bie Zarce, bie Schnurre muß Ergösgung für biefen Mann enthalten, und fie kann es, wenn fie zur Ewigkeit gehen fol. Gefchieht es zumeilen, daß ſolche Dinger ohne innern Werth doch fortbauern, fo ift e8 mehr den meffingenen Krams pen zuzufchreiben. Der Beifall der Primaner und der Beitungs: fihreiber ift, fo wie ihr Tadel, in Abficht des Ruhms eines Werks, was ein Tropfen im Weltmeer ift. Ihren gerechten Tadel wirb ber Feld ber Vergeſſenheit, ber fchon hängt, um fi) über alles Elende zu wälzen, mit dem Werke zugleich be- beden; und mit ihrem ungerechten können fie fo wenig eis nem Werk den Weg zur Unfterblichfeit verfperren, als bie eins tretende Fluth mit einem Kartenblatt zurüdfächeln. Dem Ber faffer können fie allerdings fchaden ; den Leib können fie töbten, aber die Seele nicht. In den taufend und einer Radıt ift mehr gejunde Vernunft, als viele von den Leuten glauben, die Aras biſch lernen, fonft hätten wir vermuthlich fchon Überfegungen von ben übrigen Bänpen.*).
) Bekanntlich ift feitdem wirklich eine Fortfegung diefer une terhaltenden Erzählungen ſowohl franzöfifch als deutſch erfchie: nen. Das arabifhe Original brachte ein eingeborner Araber, Don Chavis (Charis) in die ehemals Fönigliche Bibliothet nach
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Ich glaube, daß fi) Zeberreime fchreiben laffen, die, ohne ben Regeln biefer erhabenen Dichtungsart im geringften zu nahe zu treten, dem Weiſen felbft fo viel Vergnügen machen könnten, als eine Stelle aus bem Homer. Das Präbicat: Poffen fommt einem Wer? des menfchlichen Witzes vorzugsweiſe zu, allein ein armer Tropf fchreibt Poffen in allen Claſſen ber Wifjenfchaften.
Ein guter Ausdrud ift fo viel werth, als ein guter Gedanke, weil es faft unmöglich ift, fi) gut auszuprüden, ohne das Aus- gebrüdte von einer guten Seite zu zeigen.
Unfere neuen Kritifer preifen uns im Stil die edle und un⸗ gekünftelte Einfalt an, ohne uns dur ihr Beifpiel auf biefe edle Einfalt zu führen. Alles, was fie zu fagen wiffen, ift, baß fie uns.auf die Alten verweifen — in ber That eine Art zu ver: fahren, bie nichts anders al8 gefährlich fein kann. Nicht jeber, der edeleinfältig fehreiben ſoll, kann die Alten lefen — Bas wäre fürwahr zu viel verlangt; von dem aber, ber eine folche Forde⸗ rung thut, kann man mit Recht mehr verlangen. Er muß fi erklären. Der meifte ‘Theil der Menfchen, deren Stil als nicht
Paris und überſetzte e8 wörtlich ins Franzöfifche. Diefe Über: fegung bildete Cazotte um, und gab fie zu Genf in vier Bünden (unter dem Titel: Suite des mille et une Nuits etc. 1788. 1789) heraus; und nach diefer wurde die deutſche über— fegung in ber Blauen Bibliothek gemadt, von ber fie den fünften bis achten Band einnimmt.
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fimpel genug getabelt worden ift, hat, wenn er fchrieb, immer eine gewiſſe Spannung bei fi) ver'pürt, eine gewifje Aufmerk: ſamkeit, nichts zubringen zu lafien, was fchleht wäre; nım wollen fie ganz edel und fihlechtweg ſchreiben, laſſen von biefer &pannung nah, und nun dringt alles Gemeine zu. Simpel und edelfimpel zu fchreiben, erfordert vielleicht bie größte Span« nung ber Kräfte, weil, bei einem allgemeinen Beftreben unferer Seelenträfte, gefallen zu wollen, fi nichts fo leicht einfchleicht, ale das Geſuchte. Es wird außerdem eine ganz eigene Art dazu erfordert, bie Dinge in ber Welt zu betrachten, bie eher das Werk eines nicht fehr belefenen ſchönen Geiftes, als eines Stu⸗ diums bes Altertbums if. Wenigftens glaube ich, fol man bie Simplicität nie aus anderen Schriften zuerft kennen lernen wol⸗ In. Wer fo viel Latein verfteht, bag er ben Horaz ohne An⸗ ftand Iefen Fann, und nicht bloß an einigen Sentenzen beffelben Bergnügen findet, fondern fpürt, daß, troß einer oft überrafchen« den Schönheit, dennoch fein Gefühl immer mit dem Horazifchen gleich gebt, der kann bernach ben Horaz zu feinem Unterricht lefen, und wird das, was in ibm Schönes liegt, alddann noch mehr entwideln. Wer aber gehört hat, Horaz fei ſchön, Tieft ihn, ohne ihn wirklich feiner Empfindung barmonifch zu finden, merft fi einige Züge und ahmt ihn nach; der muß entmweber ein fehr feiner Betrüger fein, ober es wird allemal unglücklich ausfallen. Ein folder Echriftfteller wird allemal glauben, er habe ibn übertroffen, fo oft er eine Zeile niederfchreibt, und dieß zwar befmwegen, weil er die Schönheiten des Horaz als abfolut
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für fich beſtehend anfieht, und nicht bedenkt, daß fie in einem gewiffen Verhältniß mit ber menfchlichen Natur ftehen, das er nicht Pennt, alfo nicht weiß, wo ber Punkt ift, unter welchem feine Schönheit, und über welchem Feine Simplicität mehr flatt: findet. -
Nicht Jedermann ift ed gegeben, fo zu fehreiben, wie e8 dem Menfhen in abstracto zu allen Zeiten und in allen Weltaltern gefallen muß. In einer Berfaffung der Welt, wie die jekige, gehört viel Kraft dazu, um immer im Wefentlichen zu wachfen, und fehr viel Ballaft, um nicht, wenn Alles ſchwankt, auch mit zu ſchwanken. Auf diefe Art natürlich zu ſchreiben, erforbert unftreitig bie meiſte Kunft, jeko da wir meiftens.tünftlihe Men» hen find. Wir müffen, fo zu reben, dad Coſtume des natürs lihen Menfchen erft fiudiren, wenn wir natürlich fehreiben wol« len. Philoſophie, Beobachtung feiner felbft, und zwar genauere Maturlehre des Herzens und der Seele überhaupt, allein, und in allen ihren Verbindungen, biefe muß berjenige flubdiren, der für alle Zeiten fchreiben will. Das ift der feite Punkt, wo fich gewiß bie Menfchen einmal wieder begegnen, es gefchehe auch wenn e8 wolle. Iſt ein folder Gefhmad der herrfchenbe, fo ift der Werth des menfchlihen Gefchlehts, mit ben Mathematikern zu reden, ein Größtes, und Fein Gott kann es höher bringen. Wer nur für etliche Jahre, nur für eine Meffe, oder nur für eine Woche fchreibt, fommt mit Wenigerm aus. Er barf nut neuere Schriftfteller Iefen, die Gefellfchaften feiner Beit befuchen, fo
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gibt fih, wofern er nur ein Menfh ift, wie man ihn in bie Haushaltung braucht, das Übrige von ſelbſt. Der Gebanke, daß es fo außerordentlich leicht ift, Schlecht zu fehreiben, bat mid) daher oft befchäftig. Ich meine nicht, baß es leicht fei, etwas Schlechtes zu fchreiben, das man felbft für fehlecht hielt, nein! fondern, daß es fo leicht ift, etwas Schlechtes zu fchreiben, das man für fehr fchön hält. Hierin liegt das Demüthigende. Ich zeichne eine gerade Linie, und die ganze Welt fügt: „das ift eine frumme» — ich zeichne noch eine, diefe wird gewiß gerade fein, vente ih; und man fagt gar: „o! biefe ift noch Erummer.«“ Was ift da zu thun? Das. Befte ift, Feine gerade Linie mehr gezeichnet, und dafür anderer Leute gerade Linien betrachtet, oder felbft nachgedacht. |
Es ift ein großer Rednerkunſtgriff, die Leute zumeilen bloß zu überreden, wo man fie überzeugen könnte; fie halten ſich alsdann oft da für überzeugt, wo man fie bloß überreben kann.
Mir ift nichts abgefhmadter in unfern Schaufpielen, als die wohlgeſetzten Neben, die auf ben Knieen gehalten werden. Man wird nach und nach auch fo fehr daran gewöhnt, daß es nicht viel größern Eindrud macht, Jemanden auf den Knieen zu frhen, al8 wenn er die Arme kreuzt. Wenn mich mein eiges nes Gefühl nicht betrügt, fo kniet man nicht leicht vor einem Menjchen, und nicht eher als bis die Sprache zu falen anfängt. Wer mit feinem Knieen fo fertig ift, und feine Betheurungen fo
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regelmäßig herſagt, der iſt ohne Zweifel ein Betrüger. Ich for⸗ dere die Herzen aller derjenigen auf, die irgend einmal in der Welt einen Menſchen vor einem Menſchen aus Affect haben knieen ſehen, oder ſelbſt einmal gekniet haben; und frage, ob es billig iſt, mit dieſem größten und ehrwürdigſten Zeichen des innerſten Affects, das bie menfchlice Natur bat, jede Eleine vorübergehende Wallung des Blutd zu bezeichnen? Sch babe ein einzigesmal einen Mann im Ernft Enieen fehen, und als er binfiel, fo war es mir, als entginge mir der Athem.
Eine Stodhausfeene foll- fi) vortrefflich auf dem Theater ausnehmen. Es müßten ba die Spigbuben über Freiheit und Ehrlichkeit mit einander bisputiren.
Sich erfi eine Abfiht zu wählen und einen Endzweck feſt⸗ zufegen, und dann Alles, auch fogar das Geringfte in der Welt diefer Abficht unterwürfig zu machen, ift der Charakter des vers nünftigen und großen Mannes und großen Schrififtellers. In einem Wer? muß jede tiefinnige Bemerkung, fo gut wie jeder Scherz dazu dienen, die Hauptabfiht ficher zu erhalten. Auch wenn ber Zefer vergnügt werden fol, vergnüge man ihn fo, daß die Hauptabficht dadurch erreicht wird.
Die feinfte Satire ift unftreitig die, deren Epott mit fo weniger Bosheit und fo .vieler Überzengung verbunden ift, daß er felbft: Diejenigen zum Lächeln nöthigt, bie er trifft. So fpradh
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Lord Chefterfield im Oberhauſe. Dr. Maty fagt von dieſem großen Redner: «Ele reasoned best, when he appeared not witty; and while he gained the affections of his hearers, he turned the laugh on his opposers, and often forced them to join in it.»
Es ift eine fehr fhöne Bemerkung von Prieftley, daß ber bifderreichfte Stil eben fo natürlich ift, als der einfachſte, ber nur die gemeinften Worte gebraudt; denn wenn bie Seele in der gehörigen Lage ift, fo fommen jene Bilder ihr eben fo na türlich vor, als diefe fimpeln Ausdrüde.
Ein guter Charakter für eine Komödie ober einen Roman ift der, der Alles zu fein verfteht, weil er ein gutes Gewiſſen bat, und Alles deutet und zu feinem Schaden nupt.
Gin guter Scriftfteller hat nit allein Witz nöthig, bie Ähnlichkeiten auszufinden, wodurch er ſeinem Ausdruck Anmuth verſchaffen kann, ſondern auch die zu vermeiden, die dem Leſer zum gänzlichen Verderben deſſelben einfallen können. Zu oft iſt nicht ſowohl das, was der Autor ſagt, dem Eindrud, ben er maden will, nadıtheilig, als das, was bem Lefer, deſſen Ges danfen minder ängftlich fortgehen, dabei einfällt, und woran er felbft nicht gedacht bat.
Bei einem Roman follte hauptfächlicy darauf gefehen wer: den, die Irrthümer ſowohl, als die Betrügereien aller
Stände und aller menfchlichen Alter zu zeigen. Hierbei Fönnte fehr viel Menfchentenntniß angebracht werben.
Nichts erwedt bie Neugierde der Jugend mehr, als Frag: mente nüglicher Kenntniffe in angenehme Gedichte eingewebt. Thomſons Jahrszeiten find ein Meifterftüd hierin, und haben wohl in manchem Engländer bie Liebe zur Natur erweckt.
Wer, wie Boileau, den zweiten Vers zuerft madt, und ibm ale möglide Geſchwindigkeit und Fluß ertheilt, wird ges funden haben, wie ſchwer es ift, dem erften foldhe Füße zu ges ben, daß er nachkommen kann. Doch ift e8 immer beſſer, als dem erften eine Geſchwindigkeit zu geben, womit er den zweiten über den Haufen rennt, und beide zufammen flürzen.
Es wäre eine rührende Situation, Jemanden vorzuftellen, ber des Nachts plöglic” blind würde, und glaubte, die Nacht dauerte fort. Er nimmt fein Feuerzeug und fchlägt, und kann feine Funken berausbringen, und dergl. m.
Der wahre Wit weiß ganz von ber Sache entfernte Dinge fo zu feinem Vortheil zu nugen, baß ber Lefer denken muß, ber Schriftſteller babe fich nicht nach der Sache, fondern bie Sache nad ihm gerichtet.
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An Werthern gefällt mir das Lefen feines Homers nicht.
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Es ift fubtile Prahlerei, daß der Mann etwas Griechiſches leſen fonnte, während anbere Leute etwas Deutfches leſen müſſen. Daß deutſche Schriftſteller ſo oft ihre Helden mit einem Grie— hen in ber Hand fpazieren laſſen, ift deutfche Prahlerei, Zei- tungs » und Sournalenleferei. Literärifches Verdienſt ift in Deutfchland leider der Maaßſtab von wahrem Werth geworden, weil Schulfüchſe den Thron des Gefhmads ufurpiren. Anftatt einen Helden immer in feinem Homer lejen zu laffen, wollte ic ihn lieber in das Buch fehen laffen, aus dem Homer feldft lernte; das wir ganz ohne Barlanten, ohne Dialekte vor uns haben. Es ift von bdiefen tiefen Kennern des Geſchmacks gar nicht ſchön, baß fie eine Kopie ſtuditen, während‘ fe das Origi⸗ nal vor ſich haben.
Es iſt mit den Sinngedichten, wie mit den Erfindungen überhaupt: die beſten ſind ebenfalls diejenigen, wobei man ſich ärgert, den Gedanken nicht ſelbſt gehabt zu haben. Das iſt es wohl, was die Leute meinen, wenn ſie ſagen, der Gedanke müſſe natürlich ſein.
Was eigentlich den Schriftſteller für den Menſchen ausmacht, iſt, beſtändig zu ſagen, was der größte Theil der Menſchen denkt oder fühlt, ohne es zu wiſſen. Der mittelmäßige Schrift: fteller fagt nur, was Jeder würde gefagt haben. Hierin bes fteht ein großer Vortheil zumal der dramatifchen und Romanen: dichter.
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Es fol Menfchen gegeben haben, die, wenn fie einen Ges danken nieberfehrieben, auch fogleich. die befte Form dafür ges troffen haben folen. Ich glaube wenig davon. Es bleibt alle mal bie Frage, ob ber Ausdrud nicht befjer geworben wäre, wenn fie den Gedanken mehr gewandt hätten; ob nicht Pürzere Wendungen möglich gewefen wären; ob nicht manches Wort hätte wegbleiben fünnen, u. dergl. — Gleich auf den erften Wurf jo zu fihreiben, wie 3. B. Taritus, liegt nicht in ber menfchlichen Natur. Um einen Gebanfen recht rein barzuftellen, bazu gehört vieles Abmwafchen und Abfüßen, fo wie einen Körper rein darzuftellen. Um fi} biervon zu überzeugen, vergleiche man nur bie erften Ausgaben der Reflexions von Rochefoucauft mit den fpätern. Man fehe die Ausgabe des Abbe Brotier (Paris 1789), fo wird man finden, was ich gefagt habe. Wenigftens wird es kaum möglich fein, gleich das erftemal fo zu fehreiben, baß man eine Schrift öfters wieder lieft, und immer mit neuem Bergnü- gen. Brotier drüdt fih in eben diefer Ausgabe vortrefflich hier: über aus. Er fagt: Corneille, Bossuet, Bourdaloue, la Fontaine et la Rochefoucault ont pense et nous pensons avec cux, et nous ne cessons de penser, et tous les jours ils nous fournissent des pensees nouvelles; que nous lisons Racine, Flechier, Neuville, Voltaire, ils ont beaucoup: pense, mais ils nous laissent peu à penser apres eux. Tels sont dans les arts Raphael et Michel Ange, qui ont anime et animent encore tous les arlistes, tandisque Guido et le Berain plai- sent, sans qu'il sorte de leurs ouvrages presque aucune 6tin-
30 celle de ce feu, quı porte la lumiere et la chaleur.» — Aud verliert fi bei öfterm Hin⸗ und Herwenden bed Gedankens ber
Kiel zu glänzen, und man ftreicht weg, was bloß des Glan» zes wegen daſteht.
Die Vorſchriften, wie man Verſe machen ſoll, mögen wohl an ſich gut ſein und Kenntniſſe verrathen, aber mir kommen ſie immer vor, wie das ſonſt vortreffliche Sir Digby Recept Krebſe zu machen: man nehme einige alte Krebſe, ſtoße ſie klein und gieße Waſſer darüber.
Die deutſchen Geſellſchaften fegen Preiſe auf das beſte Trauerſpiel; unſer Vaterland ſcheint nicht das Land der Trauer⸗ ſpiele zu ſin. Warum ſetzen ſie nicht einmal einen Preis auf ein philoſophiſches Gedicht, wie das des Lucrez, oder auch nur eines über die Elektricität in dem Geſchmack? Ich glaube, daß dieſe Lehre der größten und erhabenſten Darſtellung fähig wäre; da könnte man wagen, was man in einem philoſophiſchen Trac⸗ tat nicht wagen dürfte.
Das, wad man wahr empfindet, auch wahr auszubrüden, da8 heißt, mit jenen Bleinen Beglaubigungszügen der Selbſtem⸗ pfindung, macht eigentlich den großen Schriftfteller; die gemei⸗ nen bedienen fich immer ber Redensarten, das immer Kleider vom Trödelmarkt find.
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Ein großer Griff in ber Berfification ift es, verwickelte Con» ſtructionen, dergleichen man in Profa macht, aud im Vers an⸗ zubringen, und doch fich herauszumideln, ohne weder dem Einn, noch dem Reim Gewalt anzuthun. Ich verftehe mich bier felbft fehr wohl, finde aber, duß ich mich nicht für Andere deutlich ausdrücke. Thümmel in feinen Heifen nad bem ſüdlichen Frankreich hat fih in dem, was ich meine, hauptfädhlich als einen großen Meifter bewiefen.
Wir haben eigentlih nur Ableger von Romanen und Komödien; aus dem Samen werden wenige gezogen.
B. befitt großes Dichtertalent; aber es ift bei ihm in eine fremde Materie gefaßt, fo wie bei den Bleiftiften das Reisblei in Holz; wenn er fich zu fpigen vergißt, fo glaubt er zuweilen, er fchriebe, wenn er bloß mit dem Holze Erikelt.
Wenn ein wigiger Gedanke frappiren fol, fo muß die Ähn⸗ lichkeit nicht bloß einleuchtend fein, das iſt noch das GSeringite, ob es gleich unumgänglich nöthig iſt; fondern fie muß auch von Andern noch nicht gefunden worden fein, und doch muß Alles, was dazu gehört, jedem fo nahe liegen, daß es ihn Wunder nimmt, daß er fie noch nicht audgefunden hat. Das ift bie Hauptfade. Hat man die Bemerkung ſchon bunfel gemacht, fo wohl die eigentliche, als die, womit bie Bergleihung ange: ftellt wird, aber noch nie deutlich gedacht, fo fleigt das Ver⸗
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gnügen aufs höchſte. Die Menfchen fehen täglich eine Menge bon Dingen, bie fie zur Regel erheben Fönnten, es :gefchieht aber nicht; fie bringen fie nicht zu Buch, und das nd die rechte Fundgrube des Witzes.
In jedem Menſchen liegen eine Menge von richtigen Be merfungen; allein die Kunft ift, fie gehörig fagen gu lernen — das ift fehr ſchwer, wenigftens viel ſchwerer, als Mancher glaubt; und gewiß fommen alle fchledhte Schriftfteller darin mit einan- ber überein, baß fie von allem dem, was in ihnen liegt, nur das fagen, was Jedermann fagte, und was baber, um gejagt zu werden, nicht einmal in einem zu liegen braudt.
Um gut verfificiren zu können, ſcheint e8 unumgänglich nötbig, daß man: dad Metrum und den Numerus in bemfelben leife hört, ohne noch bie Worte zu vernehmen, die e8 füllen folen. Die Form des Gedankens muß dem Dichter fhon vor: ſchweben, ehe der Gedanke felbft erfcheint.
Eine gute Bemerfung über das fehr Bekannte ift es ei- gentlich, was den wahren Wis ausmadt. ine Bemerkung über das weniger Bekannte, wenn fie auch fehr gut ift, frape pirt bei weitem nicht fo, theild weil bie Sache felbft nicht Jedermann geläufig ift, und theils weil es leichter ift, über eine Sache etwas Gutes zu fügen, worüber noch nicht viel gefagt iſt. Man bezeichnet auch daher diefe Art von Eimfällen
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im gemeinen Leben durch die Ausbrüde: geſucht und weit bergebolt.
Mich wundert, daß no niemand eine Bibliogenie ges fehrieben bat, ein Lehrgedicht, worin bie Entſtehung nicht fos wohl ber Bücher, ald des Buchs befchrieben würde — vom Lein- famen an, bis e8 enbli auf dem Hepofitorio rubt. Es Pönnte gewiß babei viel Unterhaltendes und zugleich Lehrreiches gejagt werden. Bon Entfiehung ber Lumpen; Verfertigung bes Pa—⸗ piers; Entſtehung des Maculaturs; mitunter bie Druderei; wie ein- Buchftabe heute hier, morgen bort dient. Alsdann wie die Bücher gefehrieben werden. Hier Fönnte viel Satyre angebracht werben. Der Buchbinder; hauptſächlich die Büchertitel und zu- legt die Pfefferduten. Jede Verrichtung könnte einen Gefang ausmachen, und bei jedem könnte der Geift eines Mannes ans gerufen werben,
Ih glaube, die Beit des deutſchen Hexameters kommt erft durch Gewohnheit. Wenn man erfi recht viel Gutes in beut- fhen Herametern zu leſen haben wird, fo wirb er fi durch Affoeiation empfehlen. Diefe Zeit ift noch nicht da. Beſſer wäre es unftreitig, durch liebliches Sylbenmaaß felbft dem mit: telmäßigften Gedanfen Anmuth zu verfhaffen, als einem wis drigen Sylbenmaaß durch Größe ber Gedanken aufhelfen zu wol len. Es ift etwas Verkehrtes in der Abfiht. Warum haben Engländer und Franzofen Leine berühmten Hexameter? uUnbe⸗
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rühmte mögen fie wohl genug haben; ich babe felbft dergleichen gefehen; fie ſchienen mir abfheulih, und ich babe Urfache zır glauben, daß es unzähligen Andern nicht beffer damit gehen würde. Warum halten biefe Nationen nichts darauf? Ich fürchte, der Grund davon liegt fehr tiefe Bewahre Gott, daß fo etwas eine Regel für Deutfche werben follte, aber ein Wink ift e8 allemal. Mit Raifonnement muß man nidt fommen; Gefühl geht hier darüber, und nur dieſes hat ein Recht, zu ent fheiden. Warum will man etwas einführen, das dem Gefühl erft durch Affociation von Begriffen erträglich wird? Bei ben Engländern befümmert man fih nicht um Raiſonnement, - wo e8 auf Gefühl anfommt. Ein wohlflingender Herameter ift ja deßwegen noch nicht ein wohlklingender Verd überhaupt. Was
den Griehen und Römern gefallen bat, muß uns befmwegen | nicht auch gefallen. Indeſſen verdienen diejenigen unter unfern Dichtern, bie etwas Schönes in fhönen Herametern gefagt has ben, Dont, indem fie dadurch vermuthlich der Ergögung unferer Nachkommen ein größeres Feld verfchafft haben.
Ich glaube, daß ein Gedicht auf ben leeren Raum einer großen Erhabenbeit fähig wäre. Ich glaube wenigftens fo, nad Allem, was ich bisher gelefen habe; vielleicht trägt aber auch meine eigene Dispofition etwas bazu bei.
Es ift etwas, was, bünft mich, unfere beften Romanendichs ter von den großen Männern ber Ausländer in biefem Fach un:
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terfcheidet (auch ber größte Theil unferer dramatifchen Schrift» fteller gehört mit dahin), daß man, um ihren Werth umd bie Schwierigkeit, fo zu fohreiben, ganz zu fühlen, Lectüre haben muß. Sie ſollten aber ihre Charaktere fo entwerfen, daß man glaubte, man fünde fi) unter Lebendigen, und ginge mit ihnen um, und lebte mit ihnen. Es fcheint, al8 wenn ber Fleiß auch fogar den Dichter bei den Deutfchen machte und machen müßte. Es ift, glaube ich, eine gute Erinnerung für unfere Landsleute, wenn fie auf Eminenz Anſpruch machen wollen, fich Fächer zu wählen, wo bloß Fleiß und Urtbeilstraft den Werth des Werks ausmachen, und lieber da wegzubleiben, wo ein Senfkorn von Genie bie vierzigjährige Arbeit bes flubirten Nachahmers verdunfeln Parnn. Das Fliegen muß man den Vögeln über: lafien.
Die Verſe, die in Deutfchland bei gewiſſen Gelegenheiten gemacht werden, theilen fi) in zwei Claſſen, das Garmen und das Gedicht. Dus Carmen befteht aus grüßtentheils be⸗ drudten Seiten in Folio, wovon eine dem Titel, die andern dem Inhalt gewidmet find. Der Inhalt befteht aus gereimten Beilen, und ber Titel ift die Hauptfahe. Wenn bie Beilen ges reimt find, fo ift das Übrige von geringer Bedeutung. Man bat bei Verfertigung eines Carmens nur die Regel zu beobad): ten, bie Wolf den Kalendermachern beim Wetter gibt: man muß im Winter Feine Donnerwetter, und im Sommer ?einen Schnee prophezeihen. — Bel dem Gedicht ift der Titel nicht
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die Hauptfache; es ift daher fehr oft in Quarto oder in. Octavo gebrudt, und ber Reim ift eine conditio sine qua non. Manche Arten find gar nicht leicht zu machen, und das ift bie Urſache, daß fie jet ziemlich felten find. Man macht baber jept fehr häufig Garmina in Quarto und in Octavo.
Wer nicht fo fchreiben fann, daß bie Philofophen Regeln davon abftrahiren müſſen, der laffe es. Iſt wohl je ein Dice ter_durch Regeln geworden? Was helfen ber Neſſel die Regeln für die Ceder? Die Philofophen, die Äfthetiker, kann man als Phyſiologen anfehen. So wenig bie höchſte Kenntniß befien, was zu einem volllommenen Menfchen gehört, ben Befiker bie: fer Kenntniffe in den Stand fekt, einen volllommenen Men- fhen zu maden, fo wenig werden auch bie Regeln einen ‚Did ter maden. Für Philofophie und Kenntniß der menfchlichen Natur find diefe Unterfuhungen in hohem Grabe wichtig, wer wird das leugnen?
Es ift faft nicht möglih, etwas Gutes zu fehreiben, obne daß man fi) dabei Jemanden, oder auch eine gewiffe Auswahl bon Menfchen denkt, die man anredet. Es erleichtert wenigftens den Vortrag fehr in taufend Fällen gegen Einen.
Die Künfte üben die Empfindung und Phantafie, und vers feinern fie. Diefe Fähigkeiten aber und ihre Vervollkommnung find zur Erreihung des Zwecks menfchlicher Natur unentbehrlich,
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wir mögen nun biefe in die Glüdfeligkeit, ober in bie Aus« übung ber Tugenb fegen.
Die beiden erſten Menfchen hat man betrachtet; ich wünſchte, die Dichter möchten e8 einmal mit ben letzten beiben verfuchen.
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Nachtrag zu den äſthetiſchen Bemerkungen.
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Die Genies. brechen die Bahnen, und bie fchönen Beier ebnen und verfchönern fie.
Die Komödie befjert nicht unmittelbar, vielleicht auch die Satyre nit, ich meine, man legt die Lafter nicht ab, bie fie lächerlich machen. Aber fie vergrößern unfern Gefichtöfreis und vermehren die Anzahl der feften Punkte, aus benen wir und in allen Borfällen des Lebens geſchwinder orientiren können.
Es iſt mit dem Witz, wie mit der Muſik. Je mehr man hört, befto feinere Verhältniffe verlangt man.
Eine Hauptregel für Schriftfteller, zumal foldhe, bie ihre eigenen Empfindungen befchreiben wollen, ift: Ja nicht zu glau-
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ben, daß, weil fie folches thun, biefes bei ihnen eine befonbere Anlage ber Natur anzeige. Andere können folches vielleicht eben fo gut al8 Du, fie maden nur kein Gejchäft daraus, weil «8 ihnen einfältig vorfommt, ſolche Dinge bekannt zu machen.
Ich Iefe die: Tauſend und eine Nacht, und den Robinfon Crufoe, ben Gilblas, den Zündling, taufendmal lieber, als bie Meffiade, und wollte zwei Meffiaden für einen Pleinen Theil bes Robinfon Crufoe hingeben. Unfere meiften Dichter haben, ich will nicht fagen nicht Genie genug, ſondern nit Verſtand genug, einen Robinfon Crufoe zu fchreiben.
Das umgekehrte parturiunt montes gefällt ben Menfchen fehr, und der Schriftfteller muß es zu beobachten fachen.
Mie kommt ed, daß unfere Dichter von unferen vernünfti= gen Leuten von Stande nicht mit Vergnügen gelefen werden? Der Fehler kann unmöglich in unferm Yublitum liegen, er liegt fiherlich in ynferen Dichtern, meift junge ober alte Knaben, bie im Kreife unerfabrener Bewunberer aufgewacfen find, und da» ber nicht zunehmen fünnen. Wer nicht in gewiffen Jahren oft in Gefelfchaft war, wo er nicht die erfte Rolle fpielte, und feine Kräfte ftet8 in Epannung fein mußten, um nidht eine üble Meinung von fi zu erweden, wird gewiß ein Tropf werben, und das find viele unferer gerühmten Dichter, Der Mann ber Welt kann nichts von ihnen lernen, er überfieht fi. So wie
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das handlungsvollſte Schaufpiel auch noch Bemerkungen ent- halten muß, die felbft den Denker bei der Lampe müffen be: fhäftigen können, fo kann felbft die Ode, indem fie die Eins bildung “mit Bildern binreißt, wie das Licht einen, dem ber - Staar audgezogen worden, tiefe Bemerkungen enthalten, die den Mann von Überlegung, wenn ber Raufch verfliegt, befchäftigen Pünnen.
Empfindfam zu fchreiben, dazu ift mehr nöthig, als Thrä- nen und Mondſchein.
Eine Rebe muß nicht gebrudt werben, Dan bat gute Re: den gehabt in ben Zeiten, da man vermuthlich ſchlecht fehrieb, und etwas, das ſich gut Iefen läßt, muß man nicht berfagen bören. Es find ganz verfchiedene Dinge. Ein Gemälde gehört nicht ımter das Mikroſkop. Das follten fi) unfere bramatifchen Dichter merken.
Wenn man Rape of the Lock durch „Lockenraub⸗ über: feßt, fo ift ſchon die Hälfte des Wiged verloren. Was mag nicht erft im Gedichte felbft verloren gegangen fein!
Unftreitig ift, wie ich ſchon früher einmal bemerkt habe, die männliche Schönheit noch nicht genug von den Händen gezeich⸗ net worden, bie fie allein zeichnen könnten, ben weiblichen. Mir ift es allemal angenehm, wenn ich von ein mwura Di:
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terin höre. Wenn fie fih nur nicht nad ben Gedichten ber Männer bildeten, was könnte da nicht entdeckt werben !
Die Nachtigallen fingen und wiffen wohl babei nicht, was für Lärm die Verliebten und Dichter aus ihren Gefängen ma- hen und baß es eine Gefellfchaft höherer Wefen gibt, bie fi ganz mit Philomelen und ihren Klagen unterhalten. Vielleicht bält ein böberes Gefchledht von Seiftern unfere Dichter wie wir bie Nachtigallen und Canarienvögel; ihr Gefang gefällt ihnen eben bewegen, weil fie feinen Berftand barin finden.
Bon ben meiften Widerfahern des Reims gilt wohl, was Dryden von Milton fagt, fie befiten die Talente zum Rei⸗ men nicht.
Fünf Komödien von Ginem Act zu fchreiben, ift nicht halb fo ſchwer, als eine einzige von fünf Acten.
Die Briefe eines Plugen Mannes enthalten immer ben Charakter ber Leute, an die er fchreibt. Diefes kann in einem Roman in Briefen fehr fchön gezeigt werden.
Es ift die Redekunſt, die vor ber Überzeugung einhertritt, und ihren Pfad mit Blumen betreut. ..
In allen Werken Hogarths findet fi) kein Eſel ange:
bracht, womit fonft bie fatyrifchen Künftler fo fehr freigebig find.
Wenn e8 doch in Sahen bes Geihmads ober der Kritik überhaupt ein Oberappellationsgericht gäbe!!
Der Gedanke bat in dem Ausdrucke noch zu viel Spiel» raum; ich babe mit dem Stodfnopfe hingewieſen, wo ich mit ber Nadelſpitze hätte binweifen follen.
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Witzige und fatyrifche Einfälle und Bemerkungen.
Barrere erzählt in feinem Werk über Guiana, daß die Wil ven einen in ihre Gefelfhaft aufnehmen, bevor er nicht eine Menge harter Proben ausgeftanden und fi) tüchtig gezeigt. hat, Hunger und Durft zu leiden, fi) von großen Ameifen, Weöpen, liegen und anderm Ungeziefer auf das beftigfte flehen, und fih an verfchiedenen Stellen Schnitte in den Leib machen zu laſſen; kurz, bie empfindlichiten Schmerzen mit der größten Standhaftigfeit und Geduld zu ertragen. — Das ift doch mehr als da8 Magifterwerben bei uns.
Gefpräd. A. Ja die Nonnen baben fi nicht allein durch ein firen- ges Gelübde ber Keufchheit, fondern auch noch durch flarfe Git⸗ ter vor ihren Fenſtern verwahrt: B. O durch das Gelübde wollten wir wohl kommen, wenn wir nur durch die Gitter wären.
Die Regeln der Grammatif find bloße: Menfchenfagungen ; daher auch der Teufel felbft, wenn er aus befeffenen Leuten ges
. rebet, ſchlecht Latein geredet, wie man das in ber Geſchichte bes Urban Granbier in Yitavals merkwürbigen Rechte: bänbeln mit mehrerem nadhlefen ann.
Das Bekehren der Miffethäter vor ihrer Hinrichtung läßt fi) mit einer Art von Mäftung vergleihen: man macht fie geift- lich fett, und ſchneidet ihnen bernady bie e Kehle ab, bamit fie nicht wieder abfallen.
Du fragft mich, Freund, welches befjer ift: von einem böfen Gewifjen genagt zu werden, ober ganz ruhig am Galgen zu hängen ?
Bu ©. babe ih einen Epifuräer gekannt, es war ein Kerl von 61, Fuß, und von einer ungewöhnlichen Leibesftärke. Es ging damals in das fechöte Jahr, daß er in der Karre ging, wozu er Zeitlebens verdammt ar.
Man bat fo viele Anweifungen,, den Wein recht zu bauen, und noch feine, ihn recht zu trinken. Gr wählt nur gut unter dem Schuß eines fanften Himmels, und ähnliche Seelen müffen diejenigen haben, die ihn am beften trinken. Derjenige, ber mehr als eine Bouteille trinkt, ohne entweder franzöfifh, oder von feinem Mädchen zu fprehen, ohne mich feiner Freundfchaft zu verfihern, ohne zu fingen, ohne irgend ein kleines Geheimniß zu verratben u. f. w., und ber, ber beim vierten Glas mid
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bigig fragt, ob ich ihn nicht für einen braven Kerl balte, alle Pleinen Scherze krittlich abwägt, kurz ber Unglüdlide, der beim Wein immer Schläge haben will, und fehr oft auch be: kommt, thäten beide weifer, wenn fie Waſſer tränken.
Es wäre vielleicht gut, wenn Redner fi Einen hohen Ab- fag am Schuh machen ließen, um im Fall der Roth fi auf einmal viel größer zu maden. Dieje Figur müßte, zur rechten Zeit gebraudht, von unglaublicher Wirkung fein.
Kein Wunder, daß ſich Stutzer fo gern im Spiegel fehen: fie ſehen fih ganz. Wenn ber Philofoph einen Spiegel hätte, in welchem er fi, fo wie jene, ganz fehen Fönnte, er würde nie bavon weg kommen.
Der liebe Gott muß uns doch recht lieb haben, daß er
immer in fo ſchlechtem Wetter zu uns fommt.
Bertheidigung eines fchlechten Autors. Darf man Schaufpiele fchreiben, die nicht zum Schauen find, fo möchte ich fehen, wer mir wehren wollte, ein Bud zu fchrei- ben, das nicht zum Leſen ift.
Über die Horaziſche Regel: Nonum prematur in annum. Ih fehe nicht, warum, da ber Autor felbft nur neun Mo:
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nate im Mutterleibe gelegen bat, fein Buch neun Jahre im Yulte liegen fol? Ober, werben bie Gedanken befier, wenn fie lange liegen? Man kann fi) nichts Einfältigeres denten. Mich wundert e8 gar nicht, wenn ein Staat mit foldhen Geſetzen nicht beftehen fann. Gottlob kenne ich auch Feine Provinz in Deutfchland, wo bie Gelehrten ihre Werke neun Jahre liegen ließen; doch find mir Beifpiele befannt, wo Richter die Hora- zifche Hegel befolgt haben: fie ließen nämlich die Prozeſſe neun Jahre lang liegen, aber am Ende wurben fie gemeiniglich fchlech- ter entfchieden, al8 in ben Ländern, wo man fie aus bem Steg⸗ reife entfcheibet.
Jeder arme Teufel follte wenigftens zwei ehrliche Ramen haben, bamit er ben einen baran wagen könnte, um ben an bern ins Brot zu bringen. So haben Schrififieller anonymiſch gefchrieben. Man könnte fill} dann mit bem einen noch wehren, wenn ber andere abgejchnitten wäre.
Sch habe Leute gekannt, bie haben heimlidy getrunfen, und }
find öffentlich befoffen geweſen.
Sie flreihen bie Poſtwagen roth an, als die Farbe des Schmerzens und ber Marter, und bedecken fie mit Wachslinnen, nit, wie man glaubt, um bie Neifenden gegen Sonne und Regen zu fihügen,, (denn die Reifenden haben ihren Feind unter fih, das find bie Wege und ber Poltwagen,) fondern aus ber-
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felben Urfahe, warum man denen, bie gehenkt werben follen, eine Mütze über das Geficht zieht, damit nämlich die Umfte benden bie gräßlichen Gefichter nicht fehen mögen, bie jene ſchneiden.
Er läſe ſo gern, wie er ſagte, Abhandlungen vom Genie, weil er ſich immer ſtark darnach fühlte.
Wenn man manche Hiſtörchen genau unterſucht, ſo wird man immer finden, daß etwas Wahres darunter ſteckt, und zu⸗ weilen etwas ganz Anderes, als man fich anfangs vorſtellte. So find z. B. die Hexen, die man ehemals fo ſehr mit Feuer und Waffer verfolgt bat, gar die Gefchöpfe nit gewefen, bie man fich gemeiniglich einbildet; auch bat man das Verbrennen derfelben ein wenig zu früh eingeftellt. Ich habe an die 150 Stellen gefammelt, woraus ich beweifen kann, baß bie Heren der vorigen Welt eigentlich die fo genannten Kaffeefhwe ftern der jegigen find. Unter dem Namen Kaffeefchweitern vers ftehe ich alle alten Frauensperfonen, bie in ihrer Jugend fo viel gelernt haben, daß fie die Bibel, bis auf einige Nomina pros pria im alten Teftament, ziemlich fertig weglefen, und alle Zah⸗ len ausfprechen können, wenn fie mit Worten gefchrieben find; bie, nächft den biblijchen Gefchichten, ſich hauptſächlich auf bie Privatgefhichte aller Familien in ihrem Städtchen gelegt haben, und über Schwangerfchaften, Eheverlöbniſſe, Hochzeittage und Kopfzeuge Regifter halten; die in jeder Krankheit eines jungen
Mädchens, den Baftard reifen fehen, unb den Mann und ben Ball errathen, ber bie Urſach und ‚bie Gelegenheit dazu war; die bypothetifchen Ehen zwifchen ledigen Perfonen, und nicht felten reelle Ehefcheidungen mit ihrem Gefhwäg ftiften, kurz alle unverftändigen, plappernden, befuchen gehenden, alten Weiber, bie eben fo fehr bie Pet und das Verderben ber guten Geſell⸗ fhaft, als die verfländigen Matronen und ehrwürdigen Mütter die Zierde berfelben find. Die Hern ſchwammen auf bem Waſſer iſt ein bloß figürlicher Ausdruck, und foll nur fo viel heißen, daß eigentlich Thee und Kaffee ihr Element fei, und id "glaube im Ernft, daß unfere neuen Hexen im Kaffee nicht er- fäuft werden können, denn ich babe felbft einmal eine 24 Taffen trinten ſehen, ba bie frifcheften weftphälifchen Viehmägde an vieren fterben. Daß fie am 1. Mai auf einem Befen reiten, bat mir von Anfang an am meiften zu fchaffen gemacht, denn ich babe zwar öfters in meinem Leben Birkenbefen und Kaffee fhweftern beifammen gefehen, aber allemal ritt das Birkenholz auf der Kaffeefchwefter. Berner, da im mittlern Latein ein Buſch oder Befen Boessonus heißt, fo hätte e8 leicht fein kön⸗ nen, baß jemand den Böfen, als weldhes ben Teufel bebeus tet, mit dem allerdings die Hexen fowohl als bie Kaffeefchwe: ftern viel zu thun haben, mit dem Befen verwecfelt. Aber fo wahrfcheinlich auch dieſes Manchem fcheinen möchte, fo wird boch ber Denker auch bier die Schwierigkeit finden, die wir vors bin bei dem Birkenholz fanden. Denn nad biefer Erklärung hätten bie Hexen zwar ben Teufel geritten, aber fie fünnten als»
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dann umfere Kaffeefhweftern nicht fein, benn bie reitet um- gelehrt der Teufel. Sonſt heißt ja bekanntlich bie großbär tige Schwalbe, bie Biegenmelkerin, wegen ihrer Reigung zum Trinken, in manchen Ländern die Hexe; was war alfo natürlicher, ale daß man bie Melkerinnen ber Kaffeefannen eben fo nannte?
Es iſt nicht zu leugnen, daß ein Quartant, ber fo bil, als breit iſt, die herrlichfte und fchönfte Bücherform bat: erftlich er⸗ weckt die Gleichheit der Dimenfionen bie Idee von Fülle und Solipität, dann flebt er dem berühmten Altar bes Apolls ähn⸗ ih, und das zeigt gleihfam das praesens numen.
Eine einzige Seele war für feinen Leib zu wenig, er haͤtte zwelen genug gu thun geben können.
Auf einer Charte von Weſtphalen könnten bie gefährlichen Stellen mit %, von einem Rade oder einem Todtenkopf angege⸗ ben werden: & oder 2 . Der Vorſchlag paßt noch auf manche andere Gegenden Deutſchlands.
Auf die Frühlingsdichter. Es iſt mit ihren Verſen, wie mit ben Krebſen, fie taugen nur in den Monaten, in deren Ramen feinste ift.
Der große Geiſt. Gr hatte die Eigenſchaſten der größten Maͤnner in ſich ver-
einigt; er trug ben Kopf fchief, wie Alerander, hatte immer etwas in den Haaren zu nifteln, wie Cäfar, konnte Kaffee trin« fen, wie Leibnig, und wenn er einmal recht in feinem Lebne ſtuhl ſaß, fo vergaß er Eſſen und Trinken darüber, wie New— ton, und man mußte ihn, wie dieſen, wecken; ſeine Perücke trug er wie Dr. Johnſon, und ein Hoſenknopf ſtand ihm
7 offen, wie dem Cervantes. „Die Wälder werden immer kleiner, das Holz nimmt ab,
mas wollen wir anfangen?« O wenn die Wälder ausgehauen find, können wir fidherlic fo lange Bücher brennen, bis neuer Vorrath angewachſen ift.
Der Vorſchlag, Bücher zu brennen, und dadurch wieder in Hanf und Flachs zu verwandeln, iſt aller Aufmerkſamkeit eines Patrioten würdig. Eigentlich werden doch nie Kriege gegen Bücher geführt, denn die Scharmützel der Gewürzkrämer vermindern die Bevölkerung gar nicht. Man.follte Bücher einliefern laſſen, wie Sperlingsföpfe an manden Orten.
Wenn ber Menfd feinen Körper ändern könnte, wie feine Kleider, was würde ba aus ihm werben! ober wenn aus ben- Kleidungsftüden der Frauenzimmer immer das würde, was fie fi) ftatt derfelben, hätten kaufen follen !
Verſuch über bie Nachtwächter, Ich ſelbſt bin ein Nachtwächter, meine Herren, zwar nicht II. 4
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von SProfefion, fondern ein Dilettante; ich kann nämlich des Nachts nicht fchlafen, und babe es darin, fo wie Dilettanten gemeiniglich, ohne Prablerei zu reden, weiter gebracht, als die meiften von SProfeffion.
Es ift ald ob unfere Sprachen verwirrt wären: wenn. wir einen Gedanken haben wollen, fo bringen fie uns ein Wort, wenn wir ein Wort fordern, einen Strih, und wo wir einen Strid erwarteten, fteht eine Zote.
Eine luſtige Situation wäre folgende zwifchen zweien Come plimentenmachern; fie müffen zugleich fprechen, fie verftehen fich nicht, und jeder will dem andern zu Gefallen reden:
A. Ich dächte, biefes wäre fehr nöthig
B. Ich dächte, diefes wäre fehr unnöthig
A. Erlauben Sie gütigft, ich wollte fagen
unnötig
B. Verzeihen Sie gütigft, ich wollte fagen
nöthig u.f.w.
beide zugleich
wieder zugleich
Eine Scene aus bem Duodrama zweier Awillinge im Mutterleibe, U. Haft dur geftern gehört, was die Hebamme gefagt bat? B. Nein, ich babe gefchlafen. Was fagte fie denn? 4. Es würde nun nicht über acht Tage währen, fo follte ber Pleine Junge heraus.
B. Horch, ich höre wieder Mufif, wenn nur bie Mutter nicht tanzt! Ich babe mir bei dem letzten Ball bier die Hüfte verrenft, das thut mir abfcheulich weh.
A. Und ich ſtieß mir die Nafe aufs Knie, daß ich fie gar nicht mehr finden kann; und der Himmel weiß, was die Mut- ter getrunten bat, höre Bruber, ich war Pudel did. Du kannſt gar nicht glauben, was mir da feltfam ward. Die Kugeln zu beiden Seiten ber Nafe find auch Ohren, Bruder, ich hörte Worte damit, bie ich nicht fprechen kann, denn wenn id) fie fprehen will, jo höre ich fie nur mit den Seitenohren.
B. O das babe ich oft, ich ſtieß mich neulich an eines der Vorderohren, da hörte ich ein Wort, das Plang wie fpik.
Bergleihung unfers neuern Stils mit den engli:- ſchen Gärten
Jedermann muß wiffen, wenn er e8 auch nicht fühlt, daß die englifhen Gärten bie vortrefflichften find, fo daß ich über: zeugt bin, die Natur bat es ſchon hundertmal bereut, daß fie den Schaffbaufer Wafferfal nicht gerade den Ruinen von Pal⸗ myra gegenüber, und den Montblanc auf die Lüneburger Heide gejest hat, woburd nicht allein jene ganze Gegend, fondern auch hauptſächlich der Profpert vom Baumbaufe zu Hamburg gewon⸗ nen baben würde. Nun aber betrachte man einmal die engli« fhen Gärten: da fohlängelt fih ein angenehmer Weg von einer Biertelmeile nach einem Gartenhaufe hin, da8 Faum einen Büch— fenfhuß vor uns liegt; eben fo führen uns unierr Suuhtüütt
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nach ihrem Gegenftande hin — fo wie dort zu beiden Seiten bie berrlichften Zorbeerbäume, das mit Trotteln behangene Liburnum, ber reizende Tulpenbaum und die fehöne Acaria unter ber beut- fhen Eiche ftebt, fo wandelt bier Herz und Ohr durch bie fanf: teften Sentenzenmifhungen in angenehmer Ungewißheit dahin, ob wir den polirten Bögling von Verfailles oder einen von Her: manns Abdjutanten fprechen hören; es ftehen ba ionifche Wörter neben altbrittifhen, und Lemgo und Rom umarmen ſich. - Dort fieht man hinter Brombeeren und ausländifchem Unkraut ben . Wolfen fpornenden Obeliff emporfteigen, gerade fo wie bier, unter dem angenehmften verworrenen Raifonnement, fich die afiatifche Pe⸗ riode in einen Schluß erhebt, den man da nicht fuchen follte. Und - fo wie dort die fchönften übergoldeten Bafen aus Holz, die ſchönſten Götterftatuen bei muthwilligen Saunen ftehen, fo fteht bier die rei« zendfte Prachtmoral, umarmt von ber lieblichften Bote, u. f. w.
Das Wort Laune wird heutzutage faft in einem fo weit: läuftigen Sinne gebraudht, als das Wort Butterbrot.
Die Zeitungsfchreiber haben fich ein hölzernes Kapellchen er: baut, das fie auch den Tempel des Ruhms nennen, worin fie den ganzen Tag Portraits anfchlagen und abnehmen, und ein Gehämmer machen, daß man fein eigenes Wort nicht hört.
Zu Zezu*) gibt e8 eine Art Puppen, die in ältern Zeiten ) Der Name einer erdichteten Infel, deren Gefchichte zu
gemacht worden find, wogegen Baucanfons ‚Ente unb Ylötenfpie ler bloße Nürnberger Waare if. Die Kunft dergleichen zu ver fertigen, verſtehen die Einwohner nicht mehr, ſeitdem ſie ſich ſehr ſtark bemühen, hiſtoriſch genau zu wiſſen, was die Alten gewußt haben, ohne fich um die Erwerbung eben des Geiſtes der Alten ſonderlich zu bekümmern. Ich habe ſie öfters auf der Straße gehen ſehen, und allemal, ehe ich es wußte, und noch oft nachher, für wahre Menſchen gehalten. Die Verehrung gegen dieſe Puppen geht ſo weit, daß man einigen ſogar Ehrentitel gegeben hat. So hatte z. B. eine, die ſehr leſerlich ſchreiben konnte: es lebe der Fürſt, ben Titel eines geheimen Gabi» netſecretärs bekommen; und eine andere, die eine kleine Elektri⸗ ſirmaſchine beſtändig feierte, hieß: Profeſſor der Phyfik und Mit: glied der Akademie der Wiſſenſchaften.
Ein Philoſoph auf ber Inſel Zezu hatte bie Frage aufge⸗ worfen: Wenn ſich ein Menſch in einen Ochſen verwandeln könnte, ob das als ein Selbſtmord anzuſehen, und der Ochſe ſtraffällig wäre?
Hercules wird mit einer Löwenhaut gemalt, um ſeine Tha⸗ ten anzudeuten; unſere Jäger müßte man mit einem Haſenfell über dem Kopf malen, und unſere kritiſchen Herculeſſe mit dem
ſchreiben ber Verfaſſer einmal Willens geweſen fein mag; wenig: ftens finden ſich verfehiedene Beiträge dazu in feinen Papieren.
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Felle eines armen Dichter, dem man, um es kenntlich zu ma⸗ chen, noch einige Zorbeerblätter um ben Kopf, und eine Yeber hinter dem Ohr laffen könnte.
Die Bewegungsgründe, woraus man etwas thut, könnten fo wie die 32 Winde georbnet, und ihre Namen auf eine ähn- lihe Art formirt werden, 3. B. Brot:Brot:-Ruhm, ober Ruhbm-Ruhbm:Brot.
Es madt ben Deutfchen nicht viel Ehre, daß einen an füh⸗ ren (was fonft mit anleiten ſynonym ift) fo viel heißt, als einen betrügen. Sollte bas nicht ein Hebraismus fein?
Sch weiß gar nicht, was ihr Leute wollt; ich bin gar nicht einmal Willens, ein großer Mann zu werden, unb das hättet ihr mich mwenigftens vor der Hand erft fragen müſſen. Meint ihr denn, um einem Sünber mit ber Geißel über den Wirbel zu hauen, müffe man eine Löwenſtärke beſitzen? Man braucht fein großer Mann zu fein, um jemanden die Wahrheit zu fagen, und ein Glück für uns, daß auch ber arme Teufel Wahrheiten fagen fann. j
Der Mann hatte fo viel Berftanb, daß er faft zu nichts mehr in der Welt zu gebrauchen war.
Genera poelarum — ein Nebenkapitel in einem Bud).
Diefes ift eine Theorie, die meines Erachtens in ber Pſycho⸗ logie eben das vorftellt, was eine.fehr bekannte in der Phyſik ift, die das Norblicht durch den Glanz der Häringe erklärt.
In England find jetzt bie fo. genannten papier mache - Ber- zierungen fo eingeriffen, baß man, glaube ich, endlid Denk: mäler in Weftminfterabtei davon maden wird. Überhaupt wäre ed nicht übel, wenn mandyer Gelehrter fein verfertigtes Maculatur ſtampfen und feine Büfte daraus verfertigen ließe.
Wir find fo albern, daß wir immer auf das Natürliche bringen, andere Nationen find klüger. In London heißt he is a natural nit ein Haar weniger ald, er ift ein dummer Teufel, und wer weiß nicht, daß natürlicher Sohn fo viel ift als ehrlofer Baſtard, und daß dergleichen Menfchen in vielen Ländern Deutfchlands von allen Ehrenftellen ausgefchloffen find, wozu nur die unnatürlichen gelangen können?
Daß die Arbeiten bed Geiſtes auch ben Körper angreifen, pflegte Zener zu fagen, könne er beutlich daran fpüren, daß, wenn er Nepperifche Stäbe zufchnitte, er oft fo müde mwürbe, als wenn er Stangen für feine Baumfcdule fpikte.
In ben glüdlichen Zeiten ber ‚Barbarei, da hatte man doch noch Hoffung, einmal mit ber Zeit ein guter Chrift zu werben. Man durfte nur regelmäßig in die Kirche gehen, und bem lie:
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ben Gott von Allem, was er einem gab, wieder etwas zurück⸗ geben, deſſen Bejorgung noch bazu die Geiftlichfeit übernahm. Aber heutzutage ift e8 faum mehr möglich, biefen Titel zu er⸗ langen.
In eben diefem goldenen Alter war e8, wo man nod et was auf ein Buch hielt. Kine Gräfin von Anjou bezahlte für ein Homiliarium bes Bifhofs Haimo zu Halberftabt zweihun: dert Schaafe, fünf Malter Waizen, und, glaube ich, eben fo viel Malter Roden und Hirfen. — 8weihundert Schaafe für einen Band Homilien, das Plingt doch noch wie ein pro labore. Aber fragt einmal jet einen Halberftädtifhen Domberrn, was man für feine empfindfamen Predigten kriegt? Keine Ham⸗ melskeule. |
Was? man müßte bie Sache verftehen, wenn man bar: über bisputiren wollte? Ich behaupte, daß zu einem Dispüt noth⸗ wendig ift, daß wenigftens einer die Sache nicht verſtehe, wor: über geſprochen wird; und in dem fo genannten lebendigen Dispüt in feiner höchften Vollkommenheit dürfen beide Parteien nichts don der Sache verftehen, ja fie müſſen nicht einmal wif: fen, mas fie felbft fagen. Das ift Lully's ganze Kunft *): es iſt kein Arcanum, fondern ein Räthſel; er hatte die Welt zum Beiten, wie mancher Philofoph vor und nah ihm. Wir bes
) Ars Lulliana, die Kunft, von allen Dingen finnlos zu
ſchwatzen, ift eine Erfindung von Raymundus Zullus, einem berüchtigten Scholaftiker des dreizehnten Jahrhunderts.
figen alle biefe Kunſt, und fie ift offenbar in der Kunft, Profe zu reden, fchon mitbegriffen. Als ich in Gngland war, dispu⸗ tirte man auf allen Bierbaͤnken, Kaffeehäufern, Kreuzwegen und Landkutſchen über die Amerikaner nach ben Regeln des lebendis gen Dispüts; und felbft in bem Rath der Aldermänner, an befe fen Spige Wilkes fand, wurde nach biefen Regeln bisputirt. Ja, ale einmal ein einfältiger Tropf auffland, und zu bebenten gab, ob es nicht einigermaßen gut wäre, die Sade ernftlich zu prüfen, ebe man einen Entfchluß faßte, fo antwortete ein ans - terer Mann ausdrüdlih, daß, ba dieſes zu weit führen würde und mübfam wäre, ber Entſchluß ohne weitere Unterſuchung ge faßt werben müßte — welches auch bamals, weil es faft Eſſens⸗ zeit war, genehmigt wurbe.
Bertheibigung unferer Obenfänger.
Menſchenverſtand ift eine herrliche Sade, allein das unbe. bolfenfte, unbrauchbarfie Ding von ber Welt bei foldhen Gele genheiten, wo man ihn nicht nöthig hat. Wer fagt euch denn, daß ihr ihn brauchen follt, wenn ihr eine Ode lefen wollt? Sie find bei fhlummerndem Menfchenverftand gefchrieben, und ihr beurtheilt fie bei wachendem. Mit einem Wort, das rechte Wert ift da, aber ihr bringt ben rechten Kopf nicht mit. »Horaz, fagt ihr, hätte ganz andere Oben gefchrieben, ed wären Beilen darin, bie bewundere man immer mehr, je älter man würde, unb je öfterer man fie lefe, ba hingegen bie meiften beutfchen Oden immer einfältiger Elängen, je öfterer man fle wieder:
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holte./ — Kann man ſich eine maliciöſere, Liſcoviſchere Art ſich zu erklären ausſnnen? Ich glaube, einem ſteinernen Apo⸗ ſtel müßte die Geduld ablaufen. Ihr Haubenſtöcke, wer ſagt euch denn, daß ihr unſere Odenſänger mit dem Horaz verglei⸗ . hen ſollt? Was? Horaz lebte an einem ber erſten Höfe der Welt, und in einer Stadt, bie das Herz bes menſchlichen Ge⸗ fihlecht8 genannt werben könnte, da konnten die Gaffenbuben dad Quicquid agunt homines auf jedem Kirchhof oder hinter jeder Mauer fehen, wenn fie nur bie Augen aufthun wollten. Da war «8 freilich eine gewaltige Kunft, ben Menfchen zu tens nen. Wahrheiten, bei deren Erforfhung wir jegt alle unfere Phyſiognomik aufbieten, und bei beren Bewunderung uns bie Augen über und bie Nafenlöcher aufgehen — wißt ihr, was bie in Rom waren? SKaffeebiscourfe, nichts weiter; Dinge, über bie jeder Betrüger noch funfzig Staffeln hinausgehen mußte, wenn er feine Künfte fpielen wollte. Ich hätte faft Luft, bie feinen Herren, bie unfere Almanachsſänger mit dem Boraz meſſen kön⸗ nen, und gewiß mit mehrerm Recht, mit gewiſſen Originalföp: fen zu vergleihen, die in Celle in einem gewiſſen Haufe einge- ſchloſſen firen. Einfältige Streiche I Unfere Odendichter find meie . ftens junge, unſchuldige Tröpfe, die in Pleinen Städten leben und fingen, wo alle Einwohner einerlei hoffen, einerlei fürchten, einerlei hören und einerlei denfen; wo zwanzig Köpfe in einer Gefelfhaft immer für Einen gelten; Leute, bie aus Dichter: lefen Dichter werden, fo wie man aus Büchern fhwimmen, oder aus Rugenda's Bataillen bie Kriegskunſt lernt; unerfahrne
Menfchen, davon jeber etwa ein Dugend’eigene und zwei Dutzend geborgte Ideen baar liegen. bat — ba läßt. fih :damit über die Welt handeln. — Außerbem gibt es ja zweierlei Oden: ge lehrte, für Geift und Chr, und ungelehrte, für das Ohr allein, und zu den letztern braudt man Baum einmal vom Weibe geboren zu fein. Wenn man etwas Sylbenmaß in ben Ohren hat, und dabei zwanzig bis breißig Oben als Stimulantia lieft, fo möchte ich das Gefiht von dem Sterblichen fehen, ber nit eine Ode wiederhallen könnte, die jeden poetifchen Prima⸗ ner zur Bewunderung binriffe. Kurz, foldye Compofitionen muß man gar nicht mit dem Maßftabe mefien, mit dem man Hage: dorns, Utzens und Ramlerd Oben mißt; fie gehören zu einer ' ganz andern Claſſe von Gompofition, und find das in der Poeſte, was Jakob Böhme unfterblihde Werke in’ Profe find, eine Art von Pidenid, wobei der Verfaſſer die Worte, und: ber Lefer ben Sinn ftelen. Will diefer nicht, oder kann er nicht, gut, fo Täßt ers bleiben; zu einem ſolchen Kränzchen finden fi immer Leute. —
Zragment.
Witzige Schriften wollten fie. Da regnete, bliste und ha⸗ gelte ed Epigrammen. Wißt. ihr, was die Antwort war? . Die alte abgedrofchene Sentenz: e8 gäbe hunbert Wigige gegen Einen, ber Verftand hätte. Wer Fonnte es alsdann den Spottpögeln verdenfen, von benen es in Deutihlanb wimmelt, wenn fie bie Welt mit verftändigen Schriften anfüllten, ich meine mit folchen,
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in denen fein Gran von Witz anzutreffen ift* Daher nahm bie verftändige Komödie, bie verftändige Farce, unfere verſtändige Sa- tore ihren Urſprung; ja man machte fogar verftändige Wortfpiele.
Ich kann nicht unterlaffen, den Lefern, oder vielmehr ben Berlegern zu melden, daß ich enblih, nad einer faft funfzehn- jährigen Lectüre des größten Schriftfteller8, ben wir haben, ich - meine Jakob Böhme, einige Paragraphen in ihm fo verftehe, als wenn ich fie heute felbft gefchrieben hätte. Es find offenbar Weifjagungen, und wer fi) nur etwas im Zukünftigen umge: fehen bat, wirb eingeftehen müffen, daß fie auf die fürchterlichen drei 7 gehen, die wir jekt in unferer Jahrzahl (1777) haben, und feit taufend Jahren nicht gehabt und erft in taufend Jah⸗ ren wieber haben werden. War nicht 1555 der Religionßfriebe, und brannte nicht 1666 London ab? Ich werde aber bie Ickte Hand nicht eher an das Werk Iegen, als bis fi) die Begeben⸗ beiten felbft werben ereignet haben.
Ich habe auf Schulen junge Geſchöpfe, die ausfahen, als Pönnten fie gar nicht, oder doch wenigſtens gar nichts fprechen, fogar bebräifch fprechen hören, fo daß den Zuhörern die Haare zu Berge, und bie Augenachfen parallel fanden. Ich erinnere mich nie ein ähnliches Erempel bei andern Rationen gelefen zu baben, ein einziges ausgenommen, bad, wo ich nicht irre, zu Bileams Beiten vorgefallen ift.
Es ift keine Kunft, etwas kurz zu fagen, wenn man etwas zu fagen bat, wie Tacitus. Wein wenn man nichts zu fagen hat, und fchreibt dennoch ein Buch, und madt gleihfam die Wahrheit felbft mit ihrem ex nihilo nihil fit zur Zügnerin, das beiße ich Verdienſt.
Auf einer meiner Reifen wurde ich in ein Gabinet von Büften und Statüen geführt. Mir gefiel, troß ber vielen alten theuren Köpfe, die Büfte eines Demofrits, der etwa 50 bis 60 Jahr alt fein mochte, mehr als Allee. Allein um mid nicht von der Frau, die das Cabinet zeigte, auslachen zu laffen, fiel mein Lob auf einen alten Caligula, ber bie Zeichen der Aufer: ftehung, römifche Gartenerde, noch hinter den Ohren hatte, und die Frau fagte, ich müßte ein Herr von Gefchmad fein.
Nachdem wir nun die Natur durchaus kennen, fo fieht ein Kind ein, daß ein Verſuch weiter nichts ift, als ein Compli⸗ ment, das man ihr no madt. Es ift eine bloße Ceremonie; wir wiffen ihre Antworten fhon vorher. Wir fragen bie Natur um ihren Conſens, wie bie großen Herren bie Landſtände.
⸗ „Wie gehts?« fragte ein Blinder einen Lahmen. „Wie Sie fehen,“ antwortete der Lahme, „ganz paſſabel.“
Wenn ich die Genealogie ber Dame Wiſſenſchaft recht Benne, fo ift die Unwiffenbeit ihre ältere Schwefter; und
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ift denn das etwas fo Himmelfchreiendes, bie ältere Schweſter zu nehmen, wenn einem bie Jüngere auch zu Befehl ſteht? Bon Allen, die fie gekannt haben, habe ich gehört, daß die ältefte ihre eigenen Reize habe; daß fie ein fettes, guted Mädchen fei, die eben deßwegen, weil fie mehr fchläft, als wacht, eine vor: treffliche Gattin abgibt.
Sp ſchreiben, wie H..., ift undriftlic gegen die Nach⸗ welt; denn nun werden neidifche Wortklauber mande fpätern Erfindungen ſchon in biefen Schriften finden wollen, obgleid ber ehrliche Mann mit Feiner Sylbe daran gedacht hat.
Prophetiſche Blide in einen Meßkatalog vom Jahr 1868 *);
Abbt vom Berdienfte. Paris 1867.
Abhandlung von ben im vorigen Jahrhundert üblichen fo genannten Deutfhen Geſellſchaften, und ob in Jena eine geweſen, welches geleugnet wird.
Abhandlung von ber Art zu Fritifiren, vor und nad) dem großen Krieg, militärifches Verfahren ber Beitungsfchreiber und der fo genannten Offenfivfritifer überhaupt.
Gleims ſämmtliche Werke mit Kupfern, von ben beften Mei: ftern in und außer Deutfchland. Wien 1868.
Geſchichte der ökonomiſchen Gefelfchaften des vorigen Jahr:
) Im Jahr 1768 gefchrieben.
bunbertS, bes daraus entftandenen Verfalls bed Aderbaues, der Hungersnoth der Scribenten, und daher erfolgten Über: fegungsgeiftes in Deutfchland.
I. 38. €. Schuhmachers in Augfpurg, Vorfchlag, die Schuhfoh: len nad ber Rablinie zu krümmen, nebft einem Anbang, worin gegen Winkelmann behauptet wird, baß ber Batica: nifche Apoll Peinen guten Stiefelfuß gehabt habe.
Bon den Schimpfwörtern der alten Deutfhen, Antichriſt und Antifritifus. Erfurt 1860.
Leute werden oft Gelehrte, fo wie mande Soldaten wer- ben, bloß weil fie zu Peinem andern Stand taugen. Ihre rechte Hand muß ihnen Brot fchaffenz fie legen ſich, kann man fagen, wie die Bären im Winter bin, und faugen aus der Tage.
Die Barbarei ift eine Sündfluth über die Wiffenfchaften gewefen, welche der wigelnde Frevel einiger römifchen beaux esprits über biefelben gebracht hat; fie ift in beinahe zweitaufend Zahren noch nicht ganz vertrodnet, felbft in Deutfchland ftehen bier und da noch ſtarke Pfügen, wie Seen, wo gewiß feine Taube ein Ölblatt finden würde.
Nahahmung der englifhen Cross-readings ). Geftern disputirte unter dem Vorſitz des Hrn. Leibmedicus — Ein Hengftfüllen mit einem weißen Pleß vor dem Kopf.
* Man muß fi) vorftellen, das Lefen. gefhehe in einem
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Eine Jungfer von gutem Herkommen wünſcht ald Kammer: mädchen anzukommen — Hinten fteht bie Jahrzahl 1719.
Es wird eine Köchin gefucht, die mit Backwerk umzugehen weiß — Zu zwei Perfonen eingerichtet, nebft etwas Kellerraum.
| Ein junger ftarfer Kerl, ber ſchon als Reitknecht gedient — Bertreibt Vapeurs und Mutterzufälle in Burzer Zeit.
| Heute wurde Frau N... von Zwillingen entbunden — Wer auf zehne pränumerirt, Priegt eines umfonft.
Dem Förfterr u WW... if geftern ein junges Rind von ber Weide entlaufen — Um fünftigen Sonntag feine Antrittsprebigt zu halten. Neulich gab der Churfürft dem Capitel ein fplendides Diner — Drei Perfonen wurden gerettet, bie Übrigen erfoffen.
( Die drei Damen, beren geftern Erwähnung gefhehen — Können immer eine Stunde vor der Auction befihtigt werben.
° Öffentlichen Blatte, worin fowohl politifche, als gelehrte Neuig: feiten, Avertiffements von allerlei Art, u. f. w. anzutreffen find: der Drud jeder Seite fei in zwei oder mehrere Golumnen ges theilt, und man leſe die Eeiten queer durch, aus einer Co: lumne in die andere.
Am 13. diefes flug ber Blitz in die hieſige Kreuzkirche — Und feßte Tages darauf feine Reife weiter fort.
Die Vermählung des Grafen v. 9... ift glücklich vollzogen | worden — Er bat aber Gottlob! nicht gezünbet.
Den 12ten ftarb ein Mann in feinem 104ten Jahre — Und befam in der Taufe die Namen Friderica Sophia.
Die neue Oalanteriefrämerin am Marfte verkauft — Schnupfen, Kopfweh und andere Zufälle,
Gefpräh zwifhen mir und dem franzöfifdhen Spradmeifter L..., ber ein verfleinertes Gehirn gefunden haben wollte.
Der Spradhm. Hier, Herr Profefjor, habe ich ein ver- fteinertes Menfchengehirn auf dem Haynberge gefunden; daß ift wirklich eine große Seltenheit. |
Ich. Ja, fo wie überhaupt Berfleinerungen von Dingen, die leicht faulen; allein die Menfchen, bie dergleichen gefunden haben wollen, find gar Feine Seltenheit. Ic babe fogar Je: manden gekannt, der einen verfteinerten Butterwed gefunden haben wollte.
Der Spradm. Wollen Sie mir biefed rare Stück nicht abfaufen? Vous l’aurez pour un ducat,
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Ich. Mein lieber Herr L..., folgen Sie meinem Rathe, und werfen Sie ben Stein weg, es ifl ein gemeiner, im Waffer abgerundeter Stein.
Der Sprachm. DO Sie find ſchon fo oft fo gütig gegen mich gewefen — Vous l’aurez pour un &cu. Je n’ai pas un sou.
Ich. Hier haben Sie einen halben Gulden, ben ſchenke ich Ihnen, aber nehmen Sie den Stein mit.
Der Spradm. O Sie fennen ja ben Hrn.-Hofrath 9... gut, empfehlen Sie mich doch, vielleicht wird dieſes pretiöfe Stüd für das Cabinet gekauft.
(Hier ging mir bie Gebulb aus).
Ich (Heftig). Hören Sie, laſſen Sie mi mit Frieben; wenn Sie aber fagen wollen, das, was Sie hier in ber Hand balten, fei Ihr eigenes Gehirn, fo will ich ſehen, was ich für Sie thun kann, denn fo Blingt doch die Sache noch plaufi⸗ bel. (Hier machte ich die Thür auf).
Ein Paar Fabeln. Der Schuh und der Pantoffel.
. Ein Schub mit einer Schnalle redete einen Pantoffel, der neben ihm ftand, alfo an: Lieber Freund, warum fchaffft du dir nicht auch eine Schnalle an? es ift eine vortreffliche Sache. Ich weiß in Wahrheit nicht einmal, wozu die Schnallen eigent: li nügen, verfegte ber Pantoffel. Die Schnallen! rief der Schuh hitzig aus, wozu die Schnallen nügen? Das weißt bu nicht ?
Ei, mein Himmel, wir würben ja gleich im erſten Moraſt ſtecken bleiben. Ja, liebfter Freund, antwortete ber Pantoffel, ich gebe nit in den Moraft.
%. Sie müffen fih notwendig Sramers Er und über ihn anfchaffen, es ift ein unentbehrlidhes Bud).
B. Barum unentbehrlich ?
A. Ei, mein Gott! Sie verfiehen ohne baffelbe nicht eine Beile in Klopftods Oben.
B. Ia, mein Freund, ich leſe Klopfiods Oben nidt.
Das Spradhrohr und der Mund.
Man würde dich gewiß nicht auf fünfhundert Schritte hö⸗ ren, fagte dad Spradrohr zum Munde, wenn ich nicht ben Schal zufammenbielte.
Und dich würde man nirgends hören, berfehte ber Munb, wenn ich nicht ſpräche.
Ihr Gefchichtfchreiber, rüdt den Helden nicht auf, baß ohne euch ihre glänzendften Thaten nach hundert Jahren vergefien fein würden, benn ohne biefe glänzenden Thaten hätte man nie et- was von euch erfahren.
Tobesanzeige Am fünften Ianuar verblich,
Im fechzigften, Herr Paflor Jürgens. 5 «
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Was er gefchrieben, findet fi In Meufels Deutfchland, und fonft — nirgends.
Em etwas vorfchnippifcher Philofoph, ich glaube Hamlet, Prinz von Dänemarf, hat gefagt, e8 gäbe eine Menge Dinge im Himmel und auf der Erde, wovon nichts in unfern Com: penbien ftände. Hat ber einfältige Menfch, der bekanntlich nicht recht bei Troft war, damit auf unfere Gompenbien ber Phyſik ge ftihelt, fo fann man ihm getroft antworten: gut, aber dafür ftehen auch wieder eine Menge von Dingen in unfern Gompendien, wo: von weder im Himmel noch auf der Erde etwas vorkommt.
Er Hatte ein paar Warzen auf feiner Nafe, die fo faßen, daß man fie leicht für die Köpfe ber Nägel hätte hatten Fömen, womit fie am Geficht angeheftet war.
Ein Ball en Masque zum Beften der Armen.
Hodzeiten gehören unter bie Fleifchfpeifen, da fie in ben Faſten verboten find.
Die metallifchen Alter der Welt find jet verkalcht. Geheimer Ausrufer — eine neue Hofcharge — näms
lich, der heimlich verbreitet, was man gern verbreitet hätte, und doch nicht Taut verbreiten barf.
Wenn bie Menfchen nicht nach ben Uhren geben, fo fan« gen endlich die Uhren an nad) den Menfchen zu gehen.
Da flieht er, wie Niobe, unter den Kindern feines Witzes, und muß feben, wie ihm Apol eines nad) dem andern über den
Haufen ſchießt.
yon Buch, das in der Welt am erſten verboten zu werden erdiente, wäre ein Katalogus von verbotenen Büchern.
Seht, da wir Buchbrudereien haben, brauchen wir fein ftehendes Heer von Abfchreibern, Mönche, zu halten.
Die Bücher in einen Hofftaat zu ordnen: La Lande wäre mein Premierminifter, Robinfon mein Kammerbiener, gelebhrte Zeitungen bie Sagbhunde u. f. w.
Bon einem, ber nur immer auf das Gegenwärtige denkt, Eönnte man fagen, er bat die Unfterblikfeit ber Seele _ nicht erfunden.
Es war nur Schade, wenn er aud ein noch fo niebliches Kleid trug, fo machte fein öfonomifches, fubmifjes Gefiht, daß
man immer glaubte, es fei fein einziges.
In einem Lande, wo den Leuten, wenn fie verliebt find,
70 bie Augen im Dunkeln leuchteten, brauchte man bes Abends feine Laternen. .
Weil er feine eigenen Pflichten immer vernadhläffigte, fo behielt er Zeit genug übrig, zu fehen, wer von feinen Mitbürgern feine Pflichten vernadhläffigte, und es ber Obrigkeit anzuzeigen.
Harlequin will fich felbft ermorden, und nachdem er gegen jede Todesart etwas einzuwenden findet, entfchließt er fich end» lich, fich tobt zu kitzeln.
Es ift Fein Iufligerer Charafter, al8 der von einem Univer⸗ falpatron ohne Kenntniffe. |
Andere lachen zu maden, ift £eine fchwere Kunft, fo lang ed einem gleich gilt, ob e8 über unfern Wi ift, ober über uns felbft.
Man macht jest fo junge Dortoren, baß Doctor und Ma⸗ oifter faft zur Würde ber Taufnamen gediehen find. - Auch bee fommen die, denen biefe Würden ertheilt werben, fie oft wie bie Taufnamen, ohne zu wiflen wie.
Das Werkchen ift bei aller feiner Dicke fo leer, daß man es faft für Fein Buch, fondern für ein Zutteral halten follte. — Ghartefe fo viel ald Chartae Theca.
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Diefer Mann arbeitete an einem Syſtem ber Raturgefchichte, worin er bie Thiere nach der Form ber Ercremente geordnet hatte. Er hatte drei Claffen gemadt: die eylindrifchen, fphäri: fhen und kuchenförmigen.
Es ift doch nichts als eine bloße Berwechfelung vom Mein und Dein bei beiden, beim ehrlichen Manne fowohl, als bei dem Spigbuben. Der eine fieht jenes an, als wäre e8 biefes, und ber andere hält biefes für jenes,
Die Gelehrten haben feit jeher ihre Hypochondrie ober ihre Augenkrankheit Lieber befchrieben, als bie Krankheiten bes innern Kopfes.
Man follte Katharr ſchreiben, wenn er bloß im Halſe, und Katharrh, wenn er auf der Bruſt fikt.
Man follte, wenn man bie Titel anfiehbt, wie fie ihren Werth verlieren, faſt glauben, es wäre mehr Ehre in die Welt gekommen; fo wie der Werth des Geldes fällt, wenn bed Gol⸗ des zu viel wirb.
Manche Leute behaupten eine philofophifche Unparteilichkeit über gewiffe Dinge, weil fie nichts davon verfteben.
Wenn einmal jemand dem größten Schelm in Deutihlanb
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100000 Louisd'or vermachte, wie viele Prätendenten zur Erb: fhaft würden fi nicht finden!
Warum follte das herrliche Sprüdhwort nicht fo gut vom geiftlihen al8 vom Teiblihen Vermögen gelten: Mit Bielem bält man Haus, mit®enigem fommt man aud aus?
Die menfchliche Haut if ein Boben, worauf Haare wachfen ;
[ mich wunderts daß man noch Fein Mittel ausfindig gemacht hat, ihn mit Wolle zu befüen, um bie Leute zu fcheeren.
Conbamine fol in Amerifa einige Affen gefehen haben, die
feine Operationen nahmadıten: nad) einer Uhr liefen, dann nad)
einem Serfpectiv, dann thaten, als fchrieben fie etwas auf, u. bergl. m. — Solcher Philofophen gibt es viele.
Bahrdt im Ketzeralmanach und ber Verfaffer des Alma: nachs für Belletriften fagen freilich öfter bie Wahrheit, aber doch thun fie e8 in ben meiften Fällen wie bie Narren und bie Kinber.
Ich fehe immer einen Soldaten mit feinem Bajonette als ein Argument an, und eine Revüe als eine logiſche Übung, Menſchen zu überzeugen, was fie find.
Die Wilden haben biefes im Gebrauch, und die Zahmen in manchen Gegenden Deutſchlands auch.
Wenn fich Yrügel fchreiben ließen, ſchricb einmal ein Vater an ſeinen Sohn, ſo ſollteſt du mir gewiß dieſes mit dem Rücken leſen, Spitzbube!
Der Vater. Mein Töchterchen, du weißt, Salomon - fagt: wenn dich die böſen Buben locken, fo folge ihnen nicht. Die Tochter, Aber, Papa, was muß ih dann thun, wenn mich die guten Buben loden ?.
Ja, der Hr. Leibarzt war ein vortrefflicher Mann, er befuchte SZedermann, er mochte vornehm ober gering fein, und wenn es um Mitternacht gewefen wäre. Man konnte mit Recht von ihm fagen, was. Horaz von bed Kaifer Augufis Leibarzt fagt: aequo' pulsat pede pauperum tabernas regumque turres.
Unter bie größten Entdeckungen, auf bie der menfchliche Berftand in ben neueften Zeiten gefallen ift, gehört meiner Mei⸗ nung nad) wohl die Kunſt, Bücher zu beurtbeilen, ohne fie ger lefen zu haben.
Das alte Weib Pönnte eine vortreffliche politifche Mo: natsjchrift werben.
„Die Antwort wird verbeten„ — was man fo häu—⸗ fig unter die Irauerbriefe fekt, wäre unter ben Recenfionen recht
ſchicklich.
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Die fehönen Weiber werben heutzutage mit unter bie Ta⸗ Iente ihrer Männer gerechnet.
Während man über geheime Sünden öffentlich fchreibt, habe ich mir vorgenommen, über Öffentliche Sünden heimlich zu fchreiben.
Wenn auch einmal: einer lebendig begraben wird, fo blei« ben dafür hundert andere über der Erbe hängen, die tobt find.
A. Hat das Mädchen nicht einen herrlichen Bufen! B. Ja wohl, dasift recht was Horaz ein bene praeparatum pectus nennt.
All hail, Macbeth! 'überfegte einmal jemand buch: „Alle Hagel, Macbeth!“
Die Hühner verfhluden Steine, wenn fie verbauen wollen. Die Seele ſcheint bei Verdauung der Gedanken etwas Ahnliches nöthig zu finden, inbem fie. befanntlid immer Steine in ber Birbeldrüfe bat.
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Die Braut war pockengrübig, und ber Bräutigam finnig. Spötter fagten, wenn das Pärchen nur erft zufammengefchmies bet wäre, fo gäben ihre Gefichter ein treffliches Waffeleifen.
Was ift für ein Unterfchieb zwiſchen einem Daher und einem Arzt ?
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Antwort: Der Yaftor baut den Acker Gottes, und ber Arzt den Gottesacker.
Sch babe öfters gefehen, dab fi Kräben auf Schweine fegen und Acht geben, wenn biefe einen Wurm aufwühlen, damn berabfliegen , ihn holen, und fi darauf wieder an ihre alte Stelle ſetzen. Ein herrliches Sinnbild von dem Sompilator, der aufmühlt, und dem ſchlauen Schriftfieller, der es ohne viele Mühe zu feinem Bortheil verwendet,
Er war damals Hoffhaggräber und grub eine Menge Schätze am Hofe für fih, ohne jemals. einen außer bemfelben für ben Hof zu graben.
Ein Bater fagt: ber verfluchte Junge macht e8 gerade fo wie ih, ich will ihn prügeln, baß er bed Teufels wird.
Nachdem wir über anderthalb Stunden gegangen waren, befanden wir uns an ber nämlichen Stelle, von welcher wir audgegangen waren. Das ift eine verzweifelte petitio principii, rief ih auß,
Bei Ramsden ſollen jegt die Pofaunen für ben jüngften Tag geftellt fein, und man glaubt, daß, wenn ihm Gott Leben und Gefunbheit bis dahin gibt, fie zur rechten Zeit fertig \ wer den follen.
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Bilb eines Polygrapben.
Wenn er eigene Meditationen fehrieb, fo hielt er ſich ordent⸗ ih in feinem Schlafro@ mit langen Ermeln, wie bie meiften Menfhen; wenn er aber Excerpte aus Reifebefchreibungen machte, über die Gebräuche bei verfchiebenen Bölkern, fo fchrieb er wie ein Becker⸗ oder Mebgerfnecht, in einer Wefte ohne Ermel, mit bem Hemd über die Ellenbogen aufgeftreift. Es fah vortrefflich aus.
Es gibt manche Leute, bie nicht eher hören, als bis man ihnen die Ohren abfchneibet.
Aus Galvani's Entdedung wirb es begreiflih, warum die Menfchen ihre Hände fo gern nach Gold ausfireden; denn das Ausftreden gehört mit unter bie Zuckungen. Man flieht alfo, daß bierin nicht Alles moralifh, fondern auch Manches phufifch if. Die Hände find Wünfchelrutben, die immer nad) Metall fchlagen.
Die Menfchen verfprechen fich jekt fo viel von Amerifa und befien politifchem Zuftande, daß man fagen fünnte, die Wünſche, wenigftens bie heimlichen, aller aufgeklärten Guropäer hätten eine weſtliche Abweichung, wie unfere Magnetnabeln.
Wenn es gegründet iſt, mas ein vortreffliher Kopf, ber Abbe Lechevalier, muthmaßte, baß der König Lubwig XVI. durch den Einfluß der Royaliften hingerichtet fei, weil man dieß
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für das ficherfte Mittel gehalten hätte, wieder einen König zu befommen; fo könnte man nicht unfhidlich fagen, der König fei in usum Delphini hingerichtet worden.
Ich ſchätze Leute glülih, bie einen Vornamen mit einem M haben, weil fie gleihfam natürlihe Magiftri find.
Der berrfehende Gefhmad an Halbromanen zeigt fi fogar jest in unferen politifchen Zeitungen.
Guter Rath. A. Sagen Sie mir, fol ich heirathen oder nicht? B. Ih dädte, Sie machten es wie Ihre Frau Mutter, und beiratheten in Ihrem Leben nicht.
Bergleihung zwifhen einem Prediger und einem Schloſſer. Der erſte ſagt: du ſollſt nicht ſtehlen wollen; und der andere: dus ſollſt nicht ſtehlen fönnen.'
Er kann die Dinte nicht halten, und wenn es ihm anfommt, jemand zu befubeln, fo befubelt er fi) gemeiniglich am meiften.
A. Dieß ift wohl Ihre Frau Liebſte? B. Um Bergebung, es ift meine Frau.
— Bee — *
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Nachtrag
zu ben witigen und fatyrifhen Einfällen und Demerfungen,
Daß ber Barometer öfters fällt, wenn es trübe wirb, daran find die Wolken eben fo wenıg Urſache, ald an manden Orten die Jahrmärkte, daß ed regnet.
Bei einem Eleinen Werfen denke ich immer, das ift nur ein Spähbüchelchen, woburd der Berfafier Ankergrund für ein größeres fuchen läßt.
Die großen Medaillen Gellert, Hagedorn u. f. w. bat bie Natur eingefhmolzen, und feheint fie uns nun in kleinen Cou⸗ rantforten wiederzugeben.
, Acht Bände hat er gefchrieben. Er hätte gewiß beſſer ge- ‘than, er hätte acht Bäume gepflanzt, oder acht Kinder erzeugt.
Da faß nun der große Mann und fah jeinen jungen Kagen zu.
Er bat den Galgen nit auf dem Budel, aber in ben Augen.
Er war ein fo. aufmerkffamer Grübler, daß er ein Sanbforn immer eber fah als ein Haus. j -
Der Mann hatte Bieles bei wachender Gelehrfamkeit und fhlafendem Menfchenverftande ausgehedt.
Seit wann ft denn: ſchlecht und recht und recht fchlecht einerlei ?
Die Natur bat bie Menfhen durch bie Bruft verbunden, und die Profefjores hätten fie gern mit bem Kopfe zufammen.
Sein Dintefaß war ein wahrhafter Janustempel. Wenns jugepfropft war, fo wars in ber ganzen Welt Friebe,
Eine von den Convenienzen ber Ehe ift aud bie, einen Befuh, den man nicht ausftehen Bann, zu feiner Frau zu weifen, Das Kompliment: Sind Sie geftern glücklich nah Haufe gefommen? zeugt noch von unfern ehemaligen Sitten und Stein:
pflafter.
Eine Wegebefjerung in. ven Wiffenfchaften wäre anzurathen, um deſto befjer von ber einen zu ber andern kommen zu können.
Außer ſeiner geiſtlichen Heerde, welcher er, wenn er konnte,
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etwas abnahm, hatte er noch 200 Etüd auf ber Weide gehen, bie er regelmäßig fchor.
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Wenn eine Betfchwefter einen Betbruber heirathet, fo gibt - 1 das nicht immer ein betendes Ehepaar.
Der Verleger bat ihn in efligie vor feinem Werke aufhän- gen laffen.
Der Hund ift bas wachſamſte Thier, und doch ſchläft es den ganzen Tag.
Man ſollte Crocodille in den Stadtgräben ziehen, um ihnen mehr Feſtigkeit zu geben.
Von dem Manne könnte man ſagen, daß die Satyriker ihn ſich gleichſam zu ihrem Ambos gewählt hatten.
Etwas Witziges läßt ſich wider Alles ſagen und für Alles. Hiergegen könnte ein witziger Mann wieder etwas ſagen, das
mich vielleicht dieſe Behauptung bereuen machen könnte.
| Es ift Schade, daß es keine Sünde iſt, Waſſer zu trinken, „rief ein Italiener, wie gut würde es ſchmecken!
Eine jede Sache hat ihre Werktags⸗ und ihre Sonntagsfeite.
si
Das Mädchen ift ganz gut, man muß nur einen andern Rahmen darum maden laſſen.
Man könnte dad Gewiſſen unſerer Empfindſamen ein poeti⸗ ſches Gewiſſen nennen.
In Göttingen wird ber Mann, der ben Kopf von außen zu: ftugt, von den Burſchen eines größern Vertrauens gewirdigt, als der ihn von innen zu verbeſſern unternimmt. *
Die Wege werden immer breiter und Kine; je: näher man biefer Höle (London) kommt.
Sie hätten ein Octavbanbchen nad Göttingen geſchickt, und an Leib und Seele einen Quaͤrtanten wieder bekonmen.
Aus dem Blöfen des Kindes ift Sprache fo geworben, wie aus dem Zeigenblatte ein franzöfifches Gallakleid.
Bei Prophezeihungen ift der -Ausleger oft ein wichtigerer Mann als der Prophet.
Er liebte bauptfächli die Wörter, bie meht in Wörterbü⸗ chern vorzukommen pllegen. —
Es wird noch auftommen, Biftentarteni ‚int ben Collegi⸗ II. 6
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zurüdzulaffen ; noch beffer bei den Kirchen. Man geht hin, wenn feine Kirche ift, und läßt eine Karte ba, etwa beim Küfter,
Der Dreifuß, den bier und ba die Galgen formiren, hat gewiß mehr Wahrheit wo nicht gelehrt, doch eingefchärft, als ber zu Delphi.
...;&e verfchludte viel Weisheit, e8 war aber, als wenn ihm Alles in die unrechte Kehle gekommen fei.
Bei ben geiftlihen Schafen in ber Gemeinde fo gut, wie bei den weltlichen auf dem Felde ift die Wolle immer bie Hauptſache.
..... Es gibt Predigten, die man opne Thränen zu weinen nicht anbören , und ohne welche zu lachen nicht leſen kann.
Wenn er ſprach, ſo fielen in der ganzen Nachbarſchaft die Mauſefallen zu.
Wer ein Gewitter, und nur ein paar hunderttauſend Hor⸗ niſſe teuͤmmandiren könnte, ber koönnte mehr thun als Alexander, oder auch nur eine halbe Million Menſchen. |
. Die Leute, bie dad y fo gern aus dem ABC verbannen wollen, kann ich wenigftens fo viel verfihen, daß, als. in ben Sahren funfzig die Worte: Seid fromm! am Himmel ftanden, das Wort feid mit einem y gefchrieben war.
Wenn uns ber liebe Bött ferner Leben und Geſundheit fchenkt, fo hoffe ich follen wir alle hier begraben werden. Rebe in einem Samilienbegräbniffe.
Das Fauftreht iſt Heutzutage verſchwunden bis auf bie Freiheit, jedem eine Fauſt in ber Tafche zu machen.
Die feltfamften Ideen fchwärmten feinem Kopfe zu, als wenn ihre Königin barin fäße, und bas war auch wahr,
Es ift immer befjer, einem ſchlechten Schriftfteller gleich den Onabenftoß zu geben, ale ihn ſo lebendig von unten herauf zu recenfiren.
Geſtern Nachmittag 33/, Uhr iſt meine Taſchenuhr ganz fanft verftorben. Sie hatte fchon feit drei Monaten gefräntelt.
Gr excerpirte beftändig, und Alles, was er las, ging aus einem Buche neben dem Kopfe vorbei in ein anderes.
63 wäre fein Wunder, wenn bie Zeit ſolchen Leuten das Stundengla8 an ben Kopf fohmiffe.
Um biejes Gebäude gehörig aufzuführen, muß vor allen Din genein guter Grund gelegt werden, und ba weiß ich feinen feflern, als wenn man über riede Schicht pro gleich eine Schicht contra aufträgt.
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Der Ameritaner,:ber ben Columbus s zuerſt entbedte, ', machte eine böfe Entdedung.
Unter allen den Guriofitäten, die er in feinem Haufe auf: gehäuft hatte, war er felbft am Ende immer bie größte,
Es ift faſt unmöglid, bie Fackel der Wahrheit durch ein Gedränge zu tragen, ohne Jemandem den Bart zu ſengen.
Er erfand Alles etwa fo, wie bie wilden Schweine und bie Jagdhunde die Salzquellen und Geſundbrunnen.
Das Außerordentlichſte bei bieſem Gedanken er unſteitig dieſes, daß, wenn er ihn eine halbe Minute ſpäter gehabt hätte, ſo hätte er ihn nach ſeinem Tode gehabt.
Er las immer Agamemnon ſtatt „angenommen“, fo ſehr hatte er den Homer geleſen.
So wie es Thiere gibt, bie mit dem Schwanze greifen, ſo gibt es auch welche, die mit der Hand ſchwänzeln.
Er hatte gar keinen Charakter, ſondern wenn er einen haben wollte, ſo mußte er immer erſt einen annehmen.
Es ſcheint, wir haben jetzt nur noch Sugochſen, Aueroch ſen gibt es nicht mehr. Wir haben jetzt nur Zugdichter, die eigent⸗ lichen Auerdichter gibt es nicht mehr.
Man bat Beifpiele von Geburten, ‚die 44 Jahre im Mut⸗
terleibe zugebracht haben, und am Ende ift doch nichts-daraus geworben.
Daß am Menfchen nicht viel Sonderliches ift, beweiſt haupt fählih die Weitläuftigkeit der Jurisprudenz.
Ob er am Herzen befchnitten war, weiß ih nicht, aber baß er verdient hätte, es an den Ohren zu fein, ba8 weiß id).
Der Mann sans la lettre war beffer, als nachdem man den Titel darunter geflochen hat.
Bom Stolziren bes welfchen Hahns. Ich möchte wohl wife fen, was die Natur damit will. Er felbft kann nichts bamit wollen.
So wie man anderen Leuten Piftolen und Degen wegthun muß, wenn fie betrunfen find, fo mußte man ihm ben Gelb: beutel wegnehmen, damit er nicht zu viel Gutes that.
Es gibt Familien, in denen die Leute ſchon bei jungen Jahren die Schneidezähne verlieren. Es find das Feine ſonder⸗ liche Leute. u
Was das Glodenläuten zur Ruhe ber Verftorbenen beitra-
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gen mag, will ich nicht entfcheiden; ben Lebendigen in es ab⸗ ſcheulich.
So wie die Leibärzte der Ochſen Menſchen ſind, ſo hat man [. auch oft gefunden, daß bie Leibärzte ber Menfchen Ochſen find.
Er hatte fi) wenigftens feit 6 Wochen nur in Gedanken ge- wafchen.
Einer will fi) erfäufen, allein fein greßer Hund, der ihm nachgelaufen, apportirt ihn allemal wieber.
Einer zeugt ben Gedanken, ber Andere bebt ihn aus ber Taufe, ber Dritte zeugt Kinder mit ibm, ber Zierte beſucht ihn am Sterbebette, und der Fünfte begräbt ihn.
Er glaubte nicht allein Feine Geſpenſter, ſondern er fürch— tete fi) nicht einmal bavor.
Er konnte das Wort „ſucculent⸗ ſo ausſprechen, daß, wenn man es hörte, man glaubte, man biſſe in einen reifen Pfirſich.
Die Natur hatte bei dem Bau dieſes Menſchen ihren Plan auf 90 Jahre angelegt, er felbft aber fand für befjer, ihn nad einem zu bearbeiten, bei welchem nicht völlig das Drittel von jenem herauskam.
Was den Weg zum Himmel betrifft, fo mögen wohl, auf und ab, Religionen gleich gut fein, allein der Weg auf ber Erde, das ift ber Henker.
Das Buch bebarf noch des Aalfaterns, die Riſſe auszu⸗ ſlopſen.
Er hatte immer ſo viel mit den Geiſtlichen zu ſchaffen, daß ſich endlich die Leiblichen der Sache annahmen, und ihn aus ber Stadt fchafften.
Da liegen nun die Kartoffeln , und ſchlafen ihrer Auferſte⸗ hung entgegen.
Er mochte in Proſa untertauchen ‚ ober in Poefie ſich erhe⸗ ben, ſo war immer ein Heer von Recenſenten hinter ihm her. Es ging dem armen Teufel wie den fliegenden Fiſchen, die von ihren Feinden verfolgt werben, fie mögen untertauchen oder
fliegen.
Die Suppe fehmedte fo abfheulih, daß, um zu glauben, es fei auf eine Vergiftung abgefehen, man nur nöthig gehabt hätte, ein großer General oder ein König zu fein.
- In einem Auffake, worin ein neuer Brunnencurort empfohlen wird, wird auch angezeigt, daß ein fchöner geräumiger Kirchhof da fei.
88 Wir freffen einander: nicht, wir ſchlachten uns / bloß.
Er ſchlief in x feiner gewöhnlichen Unthätigfeit einmal ſpo lange auf der Fenſterbank, daß ihm die Schwalben hinter die Ohren bauten.
Man ftattete ihm ſehr heißen, etwas verbrannten, Dank ab.
Gr bing noch auf ber r bortigen Univerftät, wie ein fchöner Kronleuchter, auf dem aber feit zwanzig Jahren Fein Licht mehr gebrannt hatte,
[ Ein Kerl, ber einmal feine 100000 Thaler geftohlen hat, kann bernach ehrlich durch -die Welt kommen.
Bu ben jährlichen Sterbeliften follten noch folgende Rubrifen Binzufommen: In ben Hinimel find gefommen 33; zum Teu⸗ fel find gefahren 717; zweifelhaft 883. Mit ſolchen Zetteln könnten die Theologen ſich Geld verdienen.
Er hatte ein paar Augen, aus denen man, ſelbſt wenn fie ſtill fanden, feinen Geift und Wit fo erkennen onnte, wie bei einem ftillftehenden Windhunde die Fertigfeit im Laufen.
Bon einem Juben: er ftarb den Tten September, nachdem er bereits den 6ten ejusdem, wie biefes bei bem Volke Gottes gebräuchlich ift, war begraben worben.
89 Ich habe Thon lange gedacht, bie Philofophie wird ſich
noch felbft freffen. Die Metaphyſik bat diefes zum Theil ſchon gethan.
Die Barbierer und Haarſchneider tragen .bie kleinen Stadt: neuigfeiten in bie großen Käufer, fo wie bie Bögel den Samen von Bäumen auf bie Kirchthürme. Beide keimen ba oft zum Schaden, nur ift die. Pflanzungsart verfhieben. Jene fprechen fie, und dieſe übertragen fle auf bem entgegengejegten Wege.
Nah einem. breißigjährigen Kriege mit. fich felbft, Fam es endlich zu einem Vergleich, aber die Zeit war verloren.
Man kann wirflih nicht wiſſen, ob man nicht jekt im Tollhauſe ſitzt. RW
Die Fliege, die nicht geklappt ſein will, ſetzt ſich am ſicher⸗ ſten auf die Klappe ſelbſt.
Ich lobe mir die Leute, welche Nerven haben wie 4: Pfen- nigöftride.
Wenn auch das Gehen auf zwei Beinen dem Menfchen nicht natürlich ift, fo ift es doch gewiß eine Erfindung, die ihm Ehre macht.
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Seine Bücher waren alle ſehr nett; fie hatten auch fonft wenig zu thun.
Hinten hatte er einen falfchen Zopf eingebunden, und vorne ein frommes Geſicht, das nicht viel ächter war, auch zuweilen wie jener bei heftigen Bewesungen ausfiel.
.. Man hat Nachtſtühle, die wie aufeinander gelegte Folian⸗ ten ausſehen. Einige Schriftſteller ſcheinen Gefallen an der um⸗ gekehrten Methode zu finden, und Bücher zu ſchreiben, die ſich wie Nachtſtühle präſentiren.
Geſpräch.
Ich. Warum weint ſie denn?
Die Gartenfrau. Ach, mein Mann geht heute zum Nachtmahl nach Bovenden.
Ich. Nun, iſt denn da zu weinen? Das in ja gut, daß er ſo fromm iſt.
Die Frau. Ach ja, fromm, wenn er zum Nachtmahl ge⸗ weſen, ſo betrinkt er ſich, und da krieg ich allemal Schläge.
Ich verkaufte, wie Eſau, mein Geburtsrecht in die Facul⸗ tät zu treten gegen etwas Ruhe.
Ein Mechanikus (Seyde) beurtheilte Bürgers Gedicht auf Michaelis, mit der Bemerkung, es wäre Schwung darin. Es
mar eine Luft, ben Dann von einer Ode urtbeilen zu bören wie von einer Zeuerfprügße.
Die Entfhuldigungen feiner Fehler nehmen fich zum Theil gut aus: fie tragen aber zur Beſſerung ſeines Fehlwurfs gemei⸗ nigli fo wenig bei, al8 beim Kegeln das Nachhelfen mit Kopf, Schultern, Armen und Beinen, wenn bie Kugel fhon aus der Hand ift. Es ift mehr Wunſch ale Einwirkung.
Man kann wirklich, wenn man in einem ſchlechten Wagen fit, ein folches Gefiht machen, baß ber ganze Wagen gut aus- ſieht. Auch vom Pferde gilt das,
Es hilft freilich, aber man muß immer bebenten, es if ein Schritt, der mit dem viele Ähnlichkeit hat, da man fi zur Heilung ber Schwindſucht in den Kuhſtall einmiethet.
Branntewein aus Sperlingen brennen, würde fie bald zer« ftören.
Ein canadifher Wilder, dem man alle Herrlichkeiten von Paris gezeigt hatte, wurde am Ende gefragt, was ibm am be ften gefallen babe. Die Metzgerläden, antwortete er.
Die Frage ift, mas man in jener Welt dazu fagen wird, wo man vermutblich anders benft, als bier zu Lande.
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Um fortzufommen, bediente er’ ſich des befannten vierfüßigen Thiers, das noch in keinem zoologifchen Werke befchrieben ift, und dad unter dem Namen von Portehaife in allen großen Btäbten häufig berumfchleiht. Man Pönnte e8 als ſchwanger betrachten, und mit dem trojaniſchen Pferde vergleichen. Man: gibt ü über . Iorifen Gedichten oft die Versart on:
- oo. [—o—-.e|j|=-oo0| ufm Wenn man bie Gedanken darin mit Eins und den Nonfens mit Null anzeigte, fo würbe «8 zumeilen fo ausfehen:
-—-"000|000|000|-
Wenn fie auf dem Leihhauſe Menfhen annähmen, fo möchte ich wohl wiffen, wie viel ih auf mich geborgt befäme. &o find die Schuldthürme eigentlich Leihhäufer, in welchen man nicht fowohl auf Meublen, als auf bie Beſitzer felbft Geld leiht.
Es 8 fehlt nicht viel, fo ordnet man die Menfchen in Rüdficht auf Geiftesfähigkeiten fo wie bie Mineralien nach ihrer Härte, ober eigentlih nach der. Gabe, bie eines beſitt, das andere zu ſchneiden und zu Fragen. J
Die Chr begießen das vnaniden- und bie Juden bes fihneiden ee.
%. De Mann bat viele Kinder. B. Ja, aber ich glaube, bei ben meiften bat er bloß bie Gorrectur beforgt..
Die Degen, welde bie größten Sroberungen machen, find die mit Demanten befeten.
Der Januarius ift ber Monat, da man feinen guten Freun⸗ den Wünfche darbringt, und die übrigen bie, worin fie nicht erfüllt werben.
In England wurde bei einem politiſchen Ftauenzimmerclub feſtgeſetzt, daß bei wichtigen Borfällen außer ber Präfidentin nur noch zwei. Perfonen zu gleicher Zeit. reden follten.
Im Adrefkalender ſtehen die Profefforen offenbar nach ber Zandmiliz.
Herr N pflegte ſich und feinen Kindern jo viel Circenses zu geben, daß es endlich beiden am pane zu fehlen anfing.
Die Vermählung des Dogen mit dem abriätifhen Meere könnte genügt wärden. Der Bürgermeifter zu ...., das wegen feines Biers berühmt iſt, vermählt fi) jährli mit einem Braus keſſel. N. vermählte fi alle Jahre wenigftens Einmal mit ber Goſſe, nur mit dem Unterfchiebd von dem Dogen zu Venedig, baß diefer nur einen Ring ins Waſſer wirft, jener aber mit fehr viel größerer Herzlichkeit ſich felbft hineinlegte. -
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S. that felten Unrecht, aber was er that, gemeiniglich zur unrechten Zeit.
Er Hatte im Prügeln eine Art von Gefchlechtötrieb ; er prüs gelte immer nur feine Frau.
Die beiden Hohenliederdichter Salomon und Bürger haben in puncto puncti nie ſonderlich viel getaugt.
Es gibt eigentlich zwei Arten, eine Sache zu unterfuchen, eine Faltblütige und eine warmblütige, | Der Correetor verbeffert Drudfehler noch zu rechter Zeit;
ber Krititer gebructe Zehler, wenn «8 Teider zu fpät iſt.
Es wäre freilich gut, wenn es keine Selbſtmorde gäbe. Aber man richte nicht zu voreilig. Wie in aller Welt wollte man z. B. in Trauerſpielen bie unnügen Perfonen wegſchaffen? Sie durch andere ermorden zu laffen, ift gefährlih. Alles ift weislich georbnet.
Man kann ſich nicht leicht eine fchlauere Here benken. Die Schlange hatte wie ben Vater, fo auch feine beiden Söhne bes ſtrickt. Wahrli eine wahre Gruppe des Laofoon.
* . So gehts an ber Leine, an der Elbe und am Rhein, und wird wohl am Jordan eben fo gegangen fein. :
»
Er ſchickte mir ein fehr ſchlecht gebrudktes und gefchriebenes Troſtgedicht, gerade als wenn man Thränen mit Löſchpapier trocknen könnte.
Er war nicht ſowohl Eigenthümer als Pächter der Wiſſen⸗ haften, die er vortrug. Denn es gehörte ihm nicht ein Fleck⸗ chen davon.
Es gibt heutzutage fo viele Genies, daß man recht froh fein ſoll, wenn einem einmal ber Himmel ein Kind befcheert, das feines ift.
Man hatte ihm fein Buch zu Schanden recenfirt, und ex fagte felbft, wenn er es auf ben Schranke flehen fähe, fo ver« arge es in ihm das Gefühl, wie der Anblid bes verfchloffenen Zadend eines Kaufmannes, der banferot geworben: ift.
Gefpräd.. A. Ja, die bat ihr Köpfchen. B. Und ich habe mein Prügelchen.
Er hatte fi) fogar eine Conſtitution entworfen,.. um ſich zum Handeln zu bringen, und eigentliche Minifter erwählt, Mäs figfeit, fogar den Geiz einmal. Sie wurden her immer wie ber beruntergeworfen.
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-. Mit ber ehriftlichen Religion Läßt fi): Staat mahen, aber wahrlich mit. den Chriften ſehr wenig.
Man wäfht am Gründonnerstag 12 Männern ober Wei: bern bie Füße, und bafür das ganze Jahr hindurch e allen übri⸗ gen Unterthanen die Köpfe.
Ob der Mond bewohnt iſt, weiß der Aſtronom ungefähr mit der Zuverläſſigkeit, mit. der er weiß, wer fein Vater war, aber nit mit der, womit er weiß, wer feine Mutter gewefen:ift.
Wenn die Nachwelt einmal einen ganz aufgetrennten Das menanzug fände (vielmehr ftatt der Nachwelt, eine andere: Claffe vernünftiger Wefen) und wollte -baraus die Figur ber. Dame beftimmen, die. damit überzogen geweſen wäre, was würde. da für eine Figur herauskommen? “ FE
Doß in den Kirchen geprebigt‘ wird, macht behtwegen die Blikableiter auf ihnen nicht unnöthig.
Man hat heutzutage mehr Magifter ber Rehtſhoſenhet als rechtſchaffene Menſchen.
%
Es it eing ganz befannte Sache, baß bie e Bieelkünd Ken größer find, als die Viertel ftunden.
Die Buchhändler follten Leinenlumpen und Papierfchnigeln zur Bezahlung nehmen, fo könnte ſich noch mancher ehrliche Mann ein Werken anfdyaffen.
Ih hatte mich auf K’8 Anrathen damals entfeglich dar⸗ über geärgert.
Wenn er philofophirt, fo wirft er gewöhnlich ein angeneh⸗ mes Mondlicht über bie Gegenflände, das im Ganzen gefällt, aber nicht einen einzigen Gegenftand deutlich zeigt.
Daß wir bie Sperlinge noch nidt ganz von unfern Erb: fenfeldern adhalten fünnen, ift ein Zeichen, daß wir bie Natur der Sperlinge noch nicht genug kennen. Wan verfährt gegen fie, wie gegen Spigbuben, das ift wie gegen Menfchen, und das find fie doch offenbar nicht. Ich wollte alfo auf alle Weife zur unmenfchlichen Behandlung rathen.
Jemand ftirbt ftoifh, an einem Gefhwür am Rüden, man begreift nicht, warum ber Mann fo tieffinnig ift, findet aber nad feinem Tode, daß ihm der Galgen auf ben Rüden ge: brannt war.
Kein Wort im Evangelio ift mehr in unferen Tagen befolgt worden, als das: Werdet wie die Kindlein.
II. 7
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Wo alle Leute fo früh als möglich Fommen wollen, da muß - nothwendig bei weiten ber größte Theil zu fpät Fommen. -
Ein Stoß auf den Magen raubt alles Bemwußtfein nicht dem Magen, fondern dem Kopfe felbft. Überhaupt wird immer von Kopf und Herz geredet, und viel zu wenig vom Magen, vermutblih, weil er in den Souterrains logirt ift, aber bie Alten verftanden es beffer. Perſius creirte ihn bekanntlich fchon zum Magister Artium, und feitdem ann er dod) wohl etwas binzugelernt haben.
Bekanntlich ift Boltaire zweimal getauft worden, es bat aber nicht viel gefruchtet, und vielleicht wäre es beffer für ihn und bie Welt gewefen, wenn man, ſtatt das Pflänzchen zwei: mal zu begießen, e8 zweimal befchnitten hätte.
Bei diefer Gelegenheit mwurben einige Guartbänbe in den FSoliantenftand erhoben, und e8 wurbe ihnen erlaubt, Xitelblät: tet in folio zu führen, die aber eingefchlagen getragen werden mußten.
"x
Es ift möglih, Iemandem die Baden fo zu ftreiheln, daß
ed einem Dritten ſcheint, als hätte man ihm eine Obrfeige ges gebeii. .
Im ganzen Sirkel von Liebe zur Veränderung, die das
— ——— —— — o⏑
weibliche Gefchlecht befikt, ift wohl bie zur Veranderung des Namens die vorzüglichfte.
Sch habe ihm Lieber gefungen, gereimte und ungereimte, aber er hörte fie an, wie der Maifäfer ben Gefang ber er Kinber, und that nur bloß was ihm gefiel.
Das Niefen ift eine Operation, wodurch große Übel entſte⸗ ben können, Taubheit, Blindheit, Aberkröpfe, ja felbft der Tod. Diefes ift die Urfache, warum man Profit fagt, Gott gebe, daß bir dieſes nicht fihaden möge. Man Eönnte das Profit bei manchen anderen Dingen fagen, beim erften Verſemachen, Heis rathen u. f. w.
Er hatte fo viel über die Sache gedacht, wenigſtens geſchrie⸗ ben, daß man damit, wo nicht ein Pferdihen, doch ein mäßiges Efelchen hätte belaften Pönnen.
Er war ein unerfhöpflicher Erzähler, und höchſt unterhal- tender Mann. Das Licht feines Wiges leuchtete über Tafeln von 50 Couverts. Es mußte aber jemand da fein, der das Licht zuweilen putzte, fonft fing e8 an dunkel zu brennen, und verlofh wohl gar. Es mit ber LXirhtfcheere auszuthun, war unmöglid. j D)
Sept ſucht man überall Weisheit auszubreiten, wer weiß, 7 *
100 J
ob es nicht in ein paar Hundert Jahren Univerfitäten gibt, bie alte Unwiſſenheit wieder berzuftellen.
Ab, was wollten wir anfangen, fagte das mänden, wenn ver liebe Gott nicht wäre !
Wenn dieſes Philofophie ift, fo ift e8 mwenigften® eine, bie nicht recht bei Troſt ift.
Jemand, ber bie Größe eines Fledens befchreiben wollte, fagte: er war von der Größe eined gewöhnlichen Dintenfleds.
Frage: Was ift leicht und was ift fchwer? Antw.: Solche Fragen zu thun ift leicht; fle zu beantworten ift ſchwer.
Die großen Zeldherren wollten wir gern entbehren, wenn
wir nur dafür defto mehr große Stadt» und Lanbesherren bes fämen.
Als er am Kirchhofe vorbeiging, fagte er: Die da Fännen nun ſicher fein, baß fie nicht mehr gehenkt werden; das können wir nidt.
Gr fagte Alles mit fo wenig Worten, als follte er fie fi eindbrennen laffen,
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Wenn irgend ein Phöbus feinen feurigen Wagen zur Er: feuchtung und Berberrlihung der Welt an dem Firmamente hin- führt, fo fann man ficher auf ein Dupend Phaetone rechnen, bie in ihren Gabrioletchen und Halbchaischen hinterbrein purzeln.
Er fhliff immer an fih, und wurde am Enbe ftumpf, ehe er fcharf war,
Wäre ed nicht gut, bie Theologie etwa mit dem Jahre 1800 für gefchloffen anzunehmen und ben Theologen zu verbieten, fernere Entdedungen zu machen?
Ich bin längſt von dem Satze überzeugt gemwefen, daß es in den Familien, die 3. & aus Mann und Frau, 4 bis 8 Kin⸗ dern, einer Kammerjungfer, ein Paar Mägbden, ein Paar Bes dienten, Kutfiher ıc. beftehen, und auch Eleineren, zumal wenn noh ein paar Frau Bafen wenigftens tolerirt werden, gerade fo zugeht, wie mut. mut. in den größten Staaten. Es gibt da Verträge, Kriege, Zriedensfchlüffe, Minifterwechfel, Lettres de Cachet, Reformation, Revolution u. f. w.
Um an etwas zu zweifeln, ift freilich oft bloß nöthig, baß man es nicht verfteht. Diefen Sa wollten einige Herren gar zu gern umkehren, indem fie behaupten, man verftehe ihren Satz niht, wenn man ihn bezweifelt.
102
12.
Witzige und Fomifche Ausdrücke und Vergleichungen.
Diefer Satz gehört mit unter die officinellen.
Er kann fi) den ganzen Tag in einer warmen Borftellung fonnen.
Sie find fo fehr unterfehieden, als ſchwarz von weiß; alfo fo fehr als ein Peruquenmader von einem Schornfteinfeger.
Er fpeit Geheimniffe und Wein.
Herr 9... hat diefe Meffe ein Wer? vom Stapel laufen laſſen.
Er mäanderte wohl dreimal um die Stelle herum.
Er ſpeiſte ſo herrlich, daß hundert Menſchen ihr: Unſer tägliches Brot gib uns heute davon hätte erfüllt werden können.
Seit urbar machen.
Gr war das bei ber Sadhe, was ber Schwanzmeifter bei der Ramme iſt: er commanbdirte, führte den dickſten Strid, und arbeitete am wenigſten.
Va fpriht mit dem Maule wie ber Franzoſe, mit Hanb- dungen wie der Engländer, mit ben Achfeln wie ber Italiener, oder mit allen dreien wie der Deutſche.
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Man könnte ihn den Saunkönig der Schriftfteller nennen.
Wenn fein Wagen fuhr, fo glaubte man inımer, e8 füme eine Feuerfprige, wohlverflanden, eine in- ber Richtung von der Brandftätte nach dem Sprigenhaufe.
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Zwei auf einem Pferde bei einer Prügelei ein ſchönes Sinns- bild für eine Staatöverfaffung.
Bon dem Birfenbaum gilt oft mehr, ald von ben Küns ften, da8 Opidianifche Emollit mores nee sinit esse feros.
Professor Philosophiae extraordinariae.
Das Doctorwerden ift eine Confirmation bed Geiſtes.
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Blitztrunkene Wolken, Spotttrunßen.
Es regnete fo ftark, daß ale Schweine rein, und alle Men: fhen dredig wurden,
Die Störde und Kraniche können kaum fo rar in England fein, als die Louisd'or bei ihm. Bumeilen ließ fih ein halber Gulden fo wie eine Märzfchwalbe fehen, verſchwand aber bald wieder.
Sie ift am furore Wertherino geftorben.
Er war ein Zwillingskopf, das ift, er hatte, ohne eine Mißgeburt zu fein, bie Kopflräfte von zweien.
Er ift jegt in Paris, und compilirt Krankheiten und Nar: renspoſſen.
$ F Gine zweifhläfrige Frau. Eine einfchläfriger Kirchftuhl.
Dortor der Ihanatologie.
Mit dem Band, das ihre Herzen binden follte, haben fie ihren Zrieden ftrangulitt.
Die Shetis, ‚ bie der Bacchus umarmt, wäre ein berrliches Schild für unfere Weinfchenten.
Eine Vorrede könnte Fliegen wedel, und eine Dedica⸗ tion Klingelbeutel betitelt werden.
Das hat ihm ſicherlich ſein diabolus familiaris- eingegeben. Der Sap muß noch mit einem Bruch multiplicirt werben.
Ein Schulmeifter fohreibt an einen andern: ba heißt es recht : Nitimur in foetidum. .
Den Hintern mit dem Birkenpinfel roth malen.
Der Herbft zählt der Erbe die Blätter wieder zu, bie fie dem Sommer geliehen bat.
Nicht Alle, die Wohlgeboren find, find Wohlgeſtor⸗ ben, ober im Reiche der Todten Hochedelgeſtorben.
Wir haben mehr Titulärpbilofophen, als wirkliche.
Wir von Gottes Ungnabden Taglöhner, Xeibeigene, Neger, Frohnknechte ꝛc.
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Ein Menfh, der mit einem Fluch Añdern die Herzhaftig: keit nimmt und fi) gibt — ein Straßenräuber.
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Kirchthürme, umgekehrte Trichter, das Gebet in den Himmel zu leiten.
. Die Zonfur ber Zeit und die Corona civica ber Debauche um bie Schläfe. "
Königlicher dofblitableiter — ein Titel.
Er war nicht ſowohl Vater des Vatetlandes, als deſſen Generalquartiermeiſter.
Ein Mannsfriſeur, der auch allenfalls mit Frauenzimmern fertig werden kann.
Wenn man ſeinen Stammbaum und die hoffnungsvolle Jugend anſah, ſo mußte man geſtehen, daß die Familie ein wahrhaftes perpetuum nobile wäre.
Gr befam die Hauptprügel, der Andere nur bad accessit.
Sein jüngerer Bruder Priegte feined befondern Kopfes wegen eine Pleine Stelle beim Theatro anatomico zu G... Nämlich er fam todt auf die Welt, und wird jegt dort in Spiritus aufbewahrt.
Die Frauenzimmer mit Paradießyogeln verglichen, weil fie feine Beine haben.
Er ftieß ihn mit dem Kopf gegen bie Erde, ald wenn er ihn da aufftelen wollte, wie Columbus das Ei.
Seine Bebienten waren noch fo ziemlih weihmäulig, fie famen beim zweiten Klingelzug allemal.
Er hatte einige Jahre mit ihr im Stande ber unbeiligen Che gelebt.
Die Schulen — gelehrte Rafpelhäufer. — Er rafpelte bie auclores classicos feine ganze Lebenszeit durch.
Statt Quod erat demonstrandum, KUQIE Elton! unter eine pfochologifche Demonftration. '
Er faß zwifchen feinen jungen Hünblein, und nannte fich Daniel in der Löwengrube.
Er feßte der Wade einen Louisd'or auf bie Bruft, und fo entkam er ofüdlih.
Gr bielt fehr viel vom Lernen auf ber Stube, und war alfo gänzlich für bie gelehrte Stalfütterung.
108
Der Efel kommt mir vor wie ein Pferd ind Holländifche überfekt.
Die gefhärfte Sokratifhe Methode — ich meine bie Tortur.
Ein Fiſch, der in der Luft ertrunken war.
Der Gang der Jahreszeiten iſt ein Uhrwerk, wo ein Guck⸗ guck ruft, wenn es Frühling iſt.
Der berühmte Schwein- und nachherige Seelenhirt Sixtus V.
Vom Wahrſagen läßt ſich wohl feben in der Welt, aber nicht vom Wahrheit ſagen. |
Eine Ausgabe auf papier velin, und eine auf papier vilain. Mein Aide be Camp — Melungs Wörterbuch.
Die Geſundheit fieht e8 lieber, wenn der Körper tanzt, ald wenn er fchreibt.
Etwas aus Ultracrepidamie thun.
Ich bin nicht der Meinung, die Erde zum Hofpitalplaneten
zu maden.
Bankerotwaſſer — der Kaffee.
109 Nachtrag
zu ben wißigen und fomifchen Ausdrücken und Bergleichungen.
ARE bie Livree bes Hungers und bed Elends. Gott, ber unfere Sonnenuhren aufziebt. Eine Mondfinfterniß, die Silhouette der Erbe.
Nah dem neuen Griechenland reifen, um das Grab ber fhönen Künfte zu befuchen.
Eine Schraube ohne Anfang; fo könnte man wohl eine lahme nennen.
Das Geftirn des Unheils war über ihm aufgegangen. Gr ift in eigenhänbdiger Perfon binaufgeftiegen.
M Ein Mittagsmahl überſetzte ein Franzoſe: mal de midi. So find in Göttingen öfters wahre maux de midi.
Wären nur bie Herren Weiber beffer, mit ben Drau Che männern ginge c8 wohl noch hin.
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Abhandlung von merkwürdigen Ochſen⸗ und Cfelsföpfen, bie nahe bei N. und in der anliegenden Gegend über der Erbe gefunden worden.
Bon dem Erziehungsbuche bis zum Erziehungsbefen.
Eine Efelin, bie felbft nöthig gehabt hätte, erft die Eſels— mild zu trinken.
Augen wie ein Stilet. Eine Jungfer Hausfrau, ober eine Frau Haudjungfer. Profit, wenn's fein Schnupftabad ift.
Stanflin, der Erfinder der Disharmonica zwifchen England und der neuen Welt.
An die Univerfitätögaleere angeſchmiedet. Lieber Gott, ich bitte dich um taufend Gotteswillen.
Als unfere felige Kuh noch lebte, fagte einmal eine Frau in Oöttingen.
Er ftand fo erbärmlich. da, wie ein ausgebranntes Räucher⸗ kerzchen.
Es gibt eine Art von Proſa, bie man bie Staatsperuque nennen könnte.
Der Menfh der alten Zeit verhält fih zur neuen, wie. ein Bratenwenber zu einer Repetiruhr.
Das neue Teftament, von neuem aus bem Griedifchen überfeßt, vermehrt und verbeffert u. f. w.
Eine Scelendocolade, deren Gebrauh zum ewigen Leben führt. on
Er trieb einen Pleinen Finfternißhanbel.
Verse der Preffe und der Kaffeemühle. Der Franke fichtz der Emigrirte gehet fechten.
Die Herren vom Berge, ich meine vom Parnaß. (1796 ge⸗ fchrieben). "
Schon lange vor ber franzöfifhen Revolution "hatte er bie dreifarbige Nafe aufgeftedt.
Es war mir auf dem Garten immer eine Freude, bes Sonns tags fo die fchönen Leinathenienferinnen vorbeigehen zu fehen.
—
112
Ein wahres Stedbriefgeficht.
Er ſchien eher Tifchlerarbeit zu fein, als ein wirklich menſch⸗ liches Gefchöpf.
Flüche für Kinder, Seeleute, Militairperfonen ır.
Ein großes Licht war der Mann eben nicht, aber ein großer bequemer Leuchter. Er handelt mit anderer Leute Meinungen.
Er handelte mit anderer Leute Meinungen. Er war Pros feffor der Philofophie.
Die Geehrten und die Gelehrten.
Er ftieg langſam und ſtolz wie ein Gerameter voran unb feine Frau trippelte wie ein Pentameterchen hinter brein.
Auf den Fenftern der Aufklärung ruht in... nod eine ſchwere Zare.
Die Stadtuhr hat wieder rheumatifche Zufälle,
Gr hatte von feiner Frau ein Kind, welches Einige für apokryphiſch halten wollten.
Er hatte ein paar Stückchen auf der Metaphyſik ſpielen gelernt. Das Grenabiercabinet Sriehr. Wilhelm bes Sehen.
— Bäber heilen gut. Das Berbrechen ber befeidigten Philoſophie. Eine. Menagerie von Spisbuben. | u Der Papagei fpradh noch bloß feine Mutterſprache. Jungfern, davon drei auf ein Säculum gehen.
Die weißen Federn der Damen ſind weiße Fahnen, die ſie aufſtecken zum Zeichen der Capitulation.
Zwölflöthiger Rheinwein. Hinlänglicher Stoff zum Stillſchweigen.
⸗ Wenn der Schlaf ein Stiefbruder des Todes iſt, ſo iſt der Tod ein Stiefbruder des Teufels.
Er ſchrieb und dachte friſch von der Leber weg, ohne Alles erſt durch das Filtrum der Gonvenien; laufen zu laſſen.
IL i 8
114
Ein Pfaffe auf ber Canzel. Er war did, breit, hatte einen furzen Hals, und fein Gefiht öfters unter einem Winkel von 459 aufwärts gerichtet, fo daß er förmlich einem geifllihen Con- troversbombenmörſer glih. Zuweilen wurde fein Rüden faft borizontal und da fpie er, wie eine Drehbaſſe, Fluch, Freuden: und Segenfeuer durch einanber.
Die Nafe machte mit den beiden Augenknochen eine Art von fpanifhem Reuter, daß man fe nicht einmal hätte küffen kön⸗ nen, wenn man gewollt hätte,
Wir wohnen in Göttingen in Sqheiterhaufen, , bie mit Thür ren und Fenſtern verfehen: find.
©ie afen ein Te Deum laudamus.. ...:
Er war Anekdotenfpebiteur und > Sofmebi bei dem Fürs: ſten zu NR.
Seine Stirn verdient das glühende Eiſen bes Geſchicht⸗ ſchreibers.
Ein Sorgenmeſſer; mensura curarum. Mein-Geſicht iſt eines.
DOffenfiver und defenfwer: Stolz. —
Sie zog eine. Diebe und Leibrente. -— , te Der felig zerplakte B., ſagte dieſen Morgen mein Zrifeur.
Dem Büchelchen die Pocken einveuliren, das tft, fi bie Recenfenten durdy Bitten zu Freunden machen.
D. follte auf fein Maculaturmagazin ‚die Aufſchrift ſetzen laſſen: Piperariis et Apollii; oder auch: Musis et Piperi.
Das ift die Wetterfeite meiner moralifchen Sonftitution, da Fann ich etwas außhalten. i
Neujahrswünſche, für deren Güte der Verkäufer rinfteht. Sie fünnen, wenn ne nicht einſchlagen, ‚ wieder zurückgegeben werden.
Die ganze Halsgerichtsordnung der Canzel.
" Diefen meinen Secundaverweis« fchreibt ein Kaufınann an feinen Sonn.
ICH
Ein Haus, worin bie Körper nach ahgeſchiedener Serum einen Wittwenfig erhalten.
‚Bi ift zwar noch nicht verheirathet., Bat: aber promovirt. 8 vw
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Gr war ber Ausrufer bed Evangelii, denn Prediger konnte man ihn nicht nennen.
Ih habe gehört, er fol zuweilen nüchtern fein. Der Hunger und das Elend liegen ba gleichfam in Garniſon.
Er war ber wahre Serunbenzeiger bes Anſtandes ‚bet Ber: nunft und des guten Gefhmads.
Gr hatte mehrere Krankheiten, allein feine Hauptflärke befaß er im aſthmatiſchen Face.
Er war damals die Spadille ber Gefellfhaft. Der gute Ton fteht dort um eine Octave niedriger.
Das Mufenbrot ift an manden Orten noch fehwärzer als das Commisbrot.
Er glich gewiffen Blumenblättern, die man nie gerade bies gen Bann, fie bleiben immer nad) ber einen oder der andern Seite hohl.
Das Wort Haldgeriht Fünnte zumeilen von einem concilio medico gebraucht werben.
117
Er hatte eben einige lateinifhe Wörter apportiren gelernt.
Man fagt: das Adlerauge der Kritif. In vielen Fällen wäre es befjer, zu fagen: die Hundsnaſe der Kritik,
Borrede ſollte heißen Borf pann ‚ denn bas find manche Borreben.
Es ließen fih ganz artige Bemerkungen über die vielen auf dem großen Profpert in M. in die Augen fallenden Kirchfpiken maden. Sie find eine Art fpanifcher Reuter gegen den Teufel und fein Heer, SKriegableiter u. f. w.
Yen Mädchen, faum zwölf Moden alt. .
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. 133. | oo | Urtheile und Bemerkungen über den Charakter verſchiedener Völker.
Die Osnabrücker find ganz gute Leute, aber fie braudyen doch auf drei Tage, um einen Windofen zu ſehen.
In Athen berrfchte meit weniger gefunde Vernunft, als in Lacedämon. Die erfte Stadt war äußerft wanfelmüthig; fie ließ ihre Generale binrichten, und bereute es; fie vergiftete den So⸗ Prates, beftrafte feine Feinde, und errichtete ihm Ehrenfäulen.
Im Jahr 1774 Tas ich in irgend einer von Hume's Schrife
ten, die Engländer hätten. gar feinen Charafter.
„Ich konnte damals nicht begreifen, wie ein ſolcher Mann ſo
y etwas fagen Fonnte, für das fich einen Tag Credit erwarten
ließ. Nun, nachdem ich etwa 16 Wochen unter biefem Volke
gelebt habe, glaube ich mit Überzeugung, daß Hume recht hat.
Ich will bamit nicht fagen, daß es wahr ift, allein mir fommt
es nun fo vor, was ich voriged Jahr für gänzlich unmöglid ges halten hatte,
Wenn fi etwas Beftimmtes von dem Charakter der Eng:
%
länder fagen läßt, fo iſt es biefes, daß ihre Meven, wie man zu fagen pflegt, fehr fein find. Sie unterſcheiden Wieles, wo Andere nur Eins fehen, und werben leicht durch den gegenwärs tigen Eindrud hingeriſſen. Daher fieht: man, wie ihre Wankel⸗ müthigfeit mit ihrem Genie zuſammenhängt. Wenn fie fi porfäglich einer einzigen Bade überlaffen,, fo müffen fie e8 auf biefe Art fehr weit bringen,
Sn England findet man mehr Originalcharaktere in Gefell- [haften und unter dem gemeinen Volk, als man aus ihren Schriften Fennt. Wir hingegen haben eine Menge. im Meßka⸗ talog, wenige in Geſellſchaft und im gemeinen Leben, und uns ter den Galgen gar keine.
Sagt, ift noch ein 1 Ban außer Deifötan, wo man bie Nafe eher rümpfen lernt, als putzen?
ꝰ Der Charakter der Deutſchen in zwei Worten: patriam fugimus. Virg.
Die Engländer folgen ihrem Gefühl mehr, als andere Men⸗ ſchen, daher find fie fo geneigt, neue Sinnen anzunehmen, z. B. sense of trulh, sense of moral, sense of heauty.
Die Deutfchen Iefen zu viel. Darüber, daß fie nichts zum zweitenmal erfinden wollen, lernen fie Alles fo anfehen, wie
120
ed ihre Vorfahren angefehben haben. Der zweite Fehler ift aber gewiß fchlimmer, als ber erfte.
Selbft aus den taufend und einer Naht kann man bie Indolenz ber Indianer ertennen. Aladins Lampe, womit er ſich Alles verſchaffen kann, das Pferb, dad vermittelft eines Bapfens hinführt, wohin man will, find unwiderſprechliche Kenn: zeichen des Charakters. Haben nicht thätigere Nationen auch in ihren Fabeln mehr Thätigkeit ?
Keine Ration fühlt fo fehr, als bie beutfche, ben Werth von andern Nationen, und mwirb leider! von ben meiften wenig geachtet, eben wegen biefer Biegfamleit. Mich dünkt, bie an« dern Nationen haben redht: eine Nation, bie Allen gefallen will, verdient von Allen verachtet zu werden. Die Deutfchen find e8 auch wirklich fo ziemlihd. Die Ausnahmen find bekannt, und fommen nit in Betracht, wie alle Ausnahmen.
’
Ich glaube doch, daß, in Vergleich mit bem Gnglänber, bie Vernunft bei dem Deutfchen mehr vertuſcht, was eigentlich gar nicht einmal Statt finden follte. Der Deutfhe lacht 3. €. bei mancher Gelegenheit nicht, weil er weiß, daß es unſchicklich ift, wobei dem Engländer dad Lachen gar nicht einfällt.
Wo die gemeinen Leute Vergnügen an WBortfpielen finden, und häufig felbft welche machen, ba kann man immer darauf
rechnen, ‚daß bie Ration auf einer ſehr hoben Staffel von. Cul⸗ tur flieht. Die Calenberger Bauern machen Feine. .
Nachtrag zu den Wrtheilen und Bemerkungen über den Charakter verfchienener Völker.
Die engliſchen Genies gehen. vor der Mode ber, und bie deutſchen hinter drein.
Die Griechen beſaßen eine Menſchenkenntniß, die wir, ohne durch den ſtärkenden Winterſchlaf einer neuen Barbarei durchzu⸗ gehen, kaum erreichen zu können ſcheinen.
Wenn man den Ländern ihre Namen von den Worten gäbe, die man zuerſt hört, fo müßte England damn it heißen.
Ich möchte einmal wiffen, was gefchehen würde, wenn man in Zondon bie zehn Gebote fo lange aufhöbe, als es 12 fchlägt.
Wir kennen noch zur Zeit die Spisbuben der Engländer beſſer, al8 fie unfere Gelehrten.
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Warum gibt fih nicht leicht irgend jemand, ber e8 nicht ift, für einen Deutſchen aus, fondern gemeiniglich, wenn er ſich für etwas ausgeben will, für einen Zranzofen oder Engländer? Das ift in diefer Welt ausgemadht. Aber das find Hafenfüße. Gut, aber warum gibt es Feine Hafenfüße unter andern Natio⸗ nen, bie fi für Deutfche ausgeben? Cs ift ſeltſam. Es ift ein Irrthum. Aber Irrthum von, Nationen, wer wil:ihn rich ten? Es werben Kriege. geführt über. Urfachen, bie im gemeinen Leben den Galgen verdienen. Aber wer will richten ?
Der deutfche Gelehrte hält die Bücher zu lange offen, und ber Engländer madt fie zu früh zu. Beides bat indefien in der Welt feinen Nupen. |
Die Hannoveraner haben ben Fehler, daß fie zu früh klug werden. J
| 14, Zum Andenken von Verſtorbenen.
Große Männer follten ihren Beifall Öffentlich nicht bloß den Helden geben, nicht bloß dem Manne, der von einer Bor« ftelung begeiftert eine Ode ſtammelt, fondern auch bem gerech- ten und firengen Richter, bem gelehrten und gewiſſenhaften Ad⸗ . vocaten, dem finnreihen und emfigen Handwerker. Fürchtet nicht, daß eure Geſchichtbücher mit Namen üÜberſchwemmt wer⸗ den würden. Sie ſind ſo ſelten und ſeltner, als die Helden, je geringer der Lohn iſt, den ſie aus den Händen des Ruhms erwarten. Ich weiß nicht, ob bie Geſchichtſchreiber des ſieben⸗ jährigen Krieges den Generalanbiteur Sriefebacd nennen wers den; wenn ein Livius darunter ift, fo vergißt er ihn nicht. Ein Dann, der feinem Könige fo getreu, wie feinem Gott war; ‘der, wenn er bie Gerechtigkeit und das Geſetz für ſich hatte, nichts fcheute, was fonft Menfchen zu fürchten pflegen, burd nicht8 beftechlih, was die Welt geben Bann; Purz der Mann, deſſen Tugend Ferdinand bewundert, und bei deſſen Tode Zimmermann geſagt hat:
Der Mann, der von der Bahn der Tugend niemals wich,
Der an Gerechtigkeit den Höllenrichtern glich,
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Den Fürftengunft vergebens wanken madte, Der als ein Gott bei jeder Handlung badhte, Der ftirbt! — ad nur zu früh für Baterland und Freund ıc. Die Namen folder Männer müffen nicht etwa unter dem Titel: Leben gewiffenbafter Rihter unb Abpocaten — der Nachwelt zugeftellt werden wollen, bie fie gewiß unter diefer Addreffe nicht erhält. Man muß ihnen nicht einen Lei« henftein auf einem Stadtkirchhof errichten, fondern man muß fie unter die Könige begraben. j
Den 12. September 1769 ftarb in Göttingen Hr. Rolten, ein Büchfenmacher und ein fehr ehrliher Mann. Gr hatte es in feiner Kunft fehr weit gebraht, und war zugleich ein treff⸗ liher Schütze. Er ſchoß einmal aus freier Hand 13 mal nad einander auf 250 Schritt ins Schwarze, und beinahe immer auf benfelben Fled. Bei folennen Sceibenfchießen hat er öfters ben Yunft aus ber Scheibe geſchoſſen. Gr liegt in ber Albaner Kirche begraben, wo ber große Mayer ebenfalls liegt. Gr war mein guter Freund, und batte ein vortreffliches Herz, daher lächele ich nicht bei ber Verbindung der beiden Ramen, Mayer und Nolten.
Am 18. December 1788, ftarb mein vortreffliher Meifter‘),
*) Albreht Ludw. Friebr. Meifter, geb. 1724, zu Weider beim im Hohenlohifchen, Prof. ber Philofophie in Göttingen.
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allein erft ven 23. ward er, nach feiner- Verordnung, begrabett. Hieraus Teuchtet bed guten Mannes Furcht hervor, die ihn fonft gegen das Ende feiner Tage verlaffen zu haben ſchien. Ich babe ihn fehr genau gekannt, nicht bloß, weil ich viel mit ihm umging, — denn man kann ſehr viel mit einem Manne umgehen, und ihn boch nicht Eennen lernen, — fonbern weil id) in einer Berbin- dung mit ihm ſtand, wobei man fi nicht bloß an einander anfchließt, fondern auch fo unter einander öffnet, baß-Alles in’ beiden Gefäßen bis zum horizontalen Stand zuſammenfließt. Er war ein Mann von den größten Fähigkeiten, und einem Scharffinn, der nicht leicht ſeines Gleichen hat. Mathematiſcher Calcul war deßwegen nicht das, was Reize für ihn hatte; er dachte ſehr gering davon, wie von den Leuten, die ihren ganzen Ruhm darin allein fuchen., Schriftſtelleriſchen Stolz hatte er gar nicht; er hätte fonft gewiß leicht feine Herren Collegen” über: troffen. Ganz gekannt bat ihn indeffen die Welt gar nicht, auch feinem Charakter nad. Es ift gar fonderbar, wie viel der vernünftigfte und rechtſchaffenſte Mann nöthig bat, nicht mit dem Mifroffop betrachtet zu werden. Ich möchte wohl zumei« len wiffen, wo alle8 ba8 hinaus will, und wo man die Linie zu ziehen bat. Das Mädchen im Stand ber Natur paart fi willig mit dem Manne, ber Stärke und Geſundheit und Thä⸗ tigkeit verräth. Nach der Hand findet fie, daß fein Athem nicht der reinfte ift, daß er ihr wirklich nicht immer Genüge leiſtet n.f.w. So geht e8 überall. Meifter war ein höchſt feiner und ſcharffinniger Kopf, und wirklich ein großer Mann, von uner-
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ſchütterlicher Rechtfcehaffenheit im Handel und Wandel, und dod batte er fo unzählige Schwachheiten, wo man ihn ganz ſah. — —
Petron und Apulejus waren immer feine Lieblingsfchriftfiel- ler; obgleich er gegen edle Simplicität nit unempfindlich war, Un Auflöfung einer verwidelten Synthefe fand er befonderes Bergnügen.
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— 15. | Gute Hathichläge und Marimen.
Wenn bu in einer gewiffen Art von Schriften groß werben wilft, fo lies mehr, als die Schriften biefer Art. Wenn du auch ſchon deine Äſte nicht Über ein großes Stüd Feld ausbrei⸗ ten willſt, fo ift es deiner Aruchtbarfeit immer gutraslich, deine Wurzeln weit ausgebreitet zu haben.
Ein gutes Mittel, gefunden Menſchenverſtand zu erlangen, ift ein beſtändiges Beftreben nach deutlichen Begriffen, -und zwar nicht bloß aus VBefchreibungen Anderer, ſondern fo viel möglich durch eigenes Anfchauen. Man muß die Sachen oft in der Ab» fiht anfehen, etwas daran zu finden, was Andere noch nicht gefeben haben; von jedem Wort muß man fi) wenigftens Eins mal eine Erklärung gemacht haben, ‚ und- keines. brauchen, dad man. nicht verſteht. on: =
Es ijt fehr gut, Alles, was man denkt, rechnet u. dergl., in befondere Bücher zu fehreiben: dieß macht den Wachstum merk: lich, unterhält den Be und gibt einen 1 Rebenbenegunghgrund, aufmerkfam zu fein. --. on, ner
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Man muß nie denken, biefer Sa ift mir zu fohwer, ber gehört für große Gelehrte, ih will mich mit den andern bier befchäftigen; das ift eine Schwacdhheit, bie leicht in eine völlige Unthätigkeit ausarten kann. Man muß fi) für nichts zu gering
balten. u
So zu leſen und zu ftudiren, daß es fi) immer anfekt, kann ich rathen, obgleih die Welt nit an mir ben Nupen diefes Rathes fieht. Ich gebe ihn nicht, weil ich ihn durch häu⸗ fige Erfahrung nützlich befunden babe, fondern weil ich ihn jept fehr deutlich fehe, daß ich ihn hätte befolgen follen. Aus dieſem Geſichtspunkte follte man überhaupt Vorſchriften betrachten.
Bei Abſichten muß man bei der Lectüre beftändig vor Augen haben, wenn fie vernünftig fein fol: einmal, die Saden zu behalten und fie mit feinem Syftem zu vereinigen, und dann vornehmlich fi die Art eigen zu machen, wie jene Leute bie Sachen angefehen haben. Das ift die Urfadhe, warum man es bermann warnen follte, Peine Bücher von Stümpern zu leſen. zumal wo fie ihr eigenes Raifonnement eingemifcht haben. - Man fann Saden aus ihren Compilationen lernen, allein was einem Philofophen eben fo wichtig, wo nicht wichtiger ift, feiner Den- Fungsart eine gute Form zu geben, lernt er nicht.
Hüte dich, daß du nicht durch Zufälle in eine Stelle kommſt, ber du nicht gewachfen bift, damit du nicht feheinen mußt, was
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du nicht biſt. Nichts ift gefährlicher, und töbtet alle innere Ruhe mehr, ja ift aller Rechtfchaffenheit mehr nadıtheilig, ale biefes, und endigt gemeiniglich mit einem gänzlichen Verluſt des Grebits,
Übe beine Kräfte, was dich jegt Mühe Eoftet, wird bir end» lich mafchinenmäßig werben.
Was man fieht, tzut oder lieſt, ſuche man immer auf den Grab der Deutlichkeit zurückzubringen, daß man wenigſtens die gemeinſten Einwürfe dagegen beantworten kann; alsdann läßt es ſich zu dem errichteten Fond unſerer Wiſſenſchaft ſchlagen. Kein ſtreitiges Vermögen muß je darunter gerechnet werden. Will ſich etwas allgemein Angenommenes nicht mit unſerm Syſtem vertragen, ſo fehlen uns vielleicht noch Grundideen; und Erlernung ſolcher iſt ein großer Gewinn. —
Man muß nicht zu viel in Büchern blättern über Wiſ— fenfchaften, die man noch zu erlernen hat. 8 fehlägt oft nieder. Immer nur das Gegenwärtige weggearbeitet !
Durch eine fricte Aufmerkſamkeit auf feine eigenen Gedan⸗ fen und Empfindungen, und durch bie färkflindividualifirende Ausdrückung berfelben, durch forgfältig gewählte Worte, die man gleich niederfchreibt, kann man in kurzer Zeit einen Borrath von Bemerkungen erhalten, beffen Nutzen fehr mannichfaltig ift.
I. 9
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Wir lernen uns felbft fennen, geben unferm Gedankenſyſtem Feftigkeit und Zuſammenhang; unfere Reden in Geſellſchaften er: balten eine gewiſſe Eigenheit wie bie Gefichter, welches bei bem Kenner fehr empfiehlt, und deffen Mangel eine böfe Wirkung thut. Man bekommt einen Schatz, ber bei Fünftigen Ausarbeitungen ge nügt werden kann, formt zugleich feinen Stil, und flärft ben in- nern Sinn und die Aufmerkſamkeit auf Alles. Nicht alle Reichen find es durdy Glück geworden, fonbern viele durch Eparfamteit. &o kann Aufmerkſamkeit, Öfonomie der Gedanfen und Übung ben Mangel an Genie erfegen. -
Man Fann nicht leicht über zu vielerlei benfen, aber man kann über zu vielerlei Iefen. Über je mehrere Gegenftände ich denfe, das heißt, fie mit meinen Erfahrungen und meinem Ges dankenfyftem in Berbindung zu bringen fuche, befto mehr Kraft gewinne ih. Mit dem Lefen ift es umgekehrt: ich breite mid) aus, ohne mich zu flärken. Merke ich bei meinem Denken Lücken, bie ich nicht ausfüllen, und Schwierigkeiten, bie ich nicht überwinden kann, fo muß ich nacdhfchlagen und Iefen. Ent: weder dieſes ift das Mittel, ein brauchbarer Mann zu werben, oder e8 gibt gar Feines.”
O, wenn man bie Bücher und die Gollectaneen ſähe, aus denen oft die unfterblichen Werke erwacfen find — (ich habe die Geftändniffe einiger vertrauten Schrifrfteller für mich, die nicht wenig Aufſehen gemacht haben) — es würde gewiß Tau⸗
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fenden den größten Zrofl gewähren! Da nun biefes nicht leicht gefchehen kann, fo muß man lernen durch fi) in Andere hinein fehen. Man muß Niemanden für zu groß halten, und mit Überzeugung glauben, daß alle Werfe für die Ewigkeit die Frucht des Fleißes und einer angeftrengten Aufmerkſamkeit gewefen find.
Laß dich deine Lectüre nicht beberrfchen, fondern berrfche über fie.
Ängftli zu finnen und zu denken, was man hätte thun können, ift das Übelfte, was man thun Pann.
Von den jedermann bekannten Büchern , muß man nur die allerbeften Iefen, und dann lauter folche, die fat niemand ennt, deren Berfaffer aber fonft Männer von Geift find. -
Jeden Augenblick des Lebens, er falle, aus welcher Hand bes Schickſals er wolle, und zu, den günfligen, fo wie den ungünfti- gen, zum beftmöglichen zu machen, barin befteht die Kunft bes Lebens, und das eigentliche Vorrecht eines vernünftigen Wefens,
Zur Auferwedung bes in jedem Menfchen fchlafenden Sy: ftems, ift das Schreiben vortrefflih; und jeder, ber je geſchrie— ben hat, wirb gefunden haben, daß Schreiben immer etwas er: wedt, was man vorher nicht deutlich erfannte, ob es gleich in uns lag.
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Sich der unvermutheten Vorfälle im Leben fo zu feinem Bortheil zu bedienen wiffen, daß bie Leute glauben, man babe fie vorher gefehen und gewünfcht, heißt oft Glück, und madıt ven Mann in der Welt. Ja, biefe Regel bloß zu mwiffen unb immer im Geift zu haben, ift ſchon eine Stärfung. Nach Ro— chefoucault's Urtheil, fol der Cardinal de Reg biefe Eigenfchaft in einem hoben Grade befeffen haben.
Wer weniger hat, als er begehrt, muß wiffen, daß er mehr bat, als er werth ift.
„Es gibt fehr viele Menſchen, die unglüdlider find, als bus — gewährt zwar Fein Dad, darunter zu woh—⸗ sen, allein fih bei einem Negenfchauer darunter zu retiriren, ift das Säschen gut genug.
Man follte fi nicht fchlafen Iegen, ohne fagen zu können, daß man an dem Tage etwas gelernt hätte. Ich verftehe bar- unter nit etwa ein Wort, dad man vorher noch nicht gewußt bat; fo etwas ift nichts; will es jemand thun, ich habe nichts dagegen; allenfalls kurz vor dem Lichtauslöfchen. Nein, was ich unter dem Lernen verftehe, ift Fortrüden der Grenzen unfe: rer wifjenfchaftlichen oder fonft nüglichen Erkenntniß; Berbeſſe⸗ rung eines Irrthums, in bem wir uns fange befunden haben; Gewißheit in’ manden Dingen, worüber wir lange ungewiß waren; beutlih Begriffe von dem’, was uns undeutlich war;
Erfenntniß von Wahrheiten, bie fich fehr weit erſtrecken u. f. w. Was dieſes Beſtreben nüglih macht, ift, daß man bie Sache nicht flüchtig vor dem Lichtausblafen abthun kann, fondern daß die Befchäftigungen des ganzen Tages dahin abzweden müffen. Selbft das Wollen ift bei dergleichen Entſchließungen wichtig, ich meine bier das beftändige Beftreben ber Borfchrift Gnüge zu leiſten.
Unternimm nie etwas, wozu du nicht das Herz haft, dir den Segen bed Himmels zu erbitten!
Ad, ih habe fo oft felbft erfahren, wie viel die Regel gilt: Vermeidet den Schein des Böfen fogar! Denn wenn man auch noch fo gut handelt, fo gibt man doch irgend einmal Je manden Gelegenheit, uns eine Schuld aufzubürben, wobei fein Mund nicht einmal zu lügen Urfache hätte, fo fehr auch fein Herz ihn der Falfchheit ziehe.
Rath am Ende bes Lebens: Man hüte fi, wo mög: ih, vor allen Schriften der Compilatoren und der allzu literäs rifhen Schriftfteller! Sie find nit ein Menfch, fondern viele Menfhen, die man nie unter einen Kopf bringen Bann, ohne fi) zu verwirren; und e8 gebt oft viele Zeit verloren, eine folche muftvifche Arbeit unter einen guten Geſichtspunkt zu bringen. Ein Mann, der Alles zufammen gebacht hat, für ſich, verdient allein gelefen zu werben, weil ein Geift nur einen Geiſt faffen kann.
136 “
Manche Leute wiſſen Alles fo, wie man ein Räthfel meiß, deſſen Auflöfung man gelefen bat, oder einem gefagt worden iſt, und das ift die fchlechtefte Art von Wiffenfchaft, die ber Menfch am wenigften fi erwerben follte. Er follte vielmehr darauf ber dacht fein, ſich diejenigen Kenntniffe zu erwerben, bie ihn in ben Stand ſetzen, Vieles felbft im Kal der Noth zu entbeden, was Andere lefen oder hören müffen, um e8 zu wiffen.
Man fol feinem Gefühle folgen, und ben erften Eindrud, ben eine Sache auf uns madht, zu Wort bringen. Nicht ale wenn ich Wahrheit fo zu fuchen riethe, fondern weil es bie uns verfälfchte Stimme unferer Erfahrung if, das Reſultat unferer beften Bemerkungen, da wir leicht in pflichtmäßiges Gewäſch verfallen, wenn wir erſt nacdfinnen.
—
Große Dinge gefeben zu haben, 3. B. einen großen Sturm, muß unftreitig bem ganzen Gehirn eine andere Stimmung geben, und man Pann fi) daher nicht genug in foldhe Lagen bringen. Man fammelt auf biefe Art, ohne zu wiſſen.
Sweifle an Allem wenigftens Einmal, und wäre e8 auch) der Sag: zweimal 2 ift 4.
In die Welt zu gehen, ift deßwegen für einen Schriftfteller nöthig, nicht fowohl, damit er viele Situatignen fehe, ſondern felbft in viele komme.
ein Glied ausmacht. Jedes Ding gehört in.eine folche Heibe, beren äußerſte Glieder gar nicht mehr zufammen zu gehören fcheinen.
Nicht eher an bie Ausarbeitung zu gehen, ale bis man mit der ganzen Anlage zufrieden if, das gibt Muth und erleichtert die Arbeit.
Es ift eine große Stärfung beim Studiren, wenigftens für mich, Alles. was man Tiefet, fo deutlich zu faffen, daß man eigne Anwendungen bavon, ober gar Zufähe dazu machen kann. Man wird dann am Enbe geneigt, zu glauben, man babe Alles felbft erfinden fünnen, und fo etwas macht Muth, fo wie nichts mehr abfchredt, als Gefühl von Superiorität im Bud).
Nachtrag zu den guten Rathſchlägen und. Marimen.
Wig und Laune müffen wie alle corrofive Sachen mit Sorg: falt gebraucht werben.
Man ift nur gar zu fehr geneigt, zu glauben, wenn man etwas Talent befißt, Arbeiten müffen einem leicht werden. Greife Dih immer an, wenn Du etwas Großes thun willſt.
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Mandye Leute wifjen Alles fo, wie man ein NRäthfel meiß, deſſen Auflöfung man gelefen bat, oder einem gefagt worben ift, und das ift die fchlechtefte Art von Wiffenichaft, die der Menfch am wenigften fich erwerben follte. Er follte vielmehr darauf ber dacht fein, ſich diejenigen Kenntniffe zu erwerben, bie ihn in den Stand fegen, Vieles felbft im Fall ber Noth zu entdeden, was Andere lefen oder hören müſſen, um es zu wiffen.
Man fol feinem Gefühle folgen, und ben erften Eindruck, ben eine Sade auf uns madt, zu Wort bringen. Nicht ale wenn ich Wahrheit fo zu fuchen riethe, fondern weil e8 die uns verfälfchte Stimme unferer Erfahrung ift, das Refultat unferer beften Bemerkungen, da wir leicht in pflichtimäßiges Gewäſch verfallen, wenn wir erft nachfinnen.
— —
Große Dinge geſehen zu haben, z. B. einen großen Sturm, muß unſtreitig dem ganzen Gehirn eine andere Stimmung geben, und man kann ſich daher nicht genug in ſolche Lagen bringen. Man ſammelt auf dieſe Art, ohne zu wiſſen.
Zweifle an Allem wenigſtens Einmal, und wäre es auch der Satz: zweimal 2 ift 4.
In die Welt zu gehen, ift deßwegen für einen Schriftfteller nötbig, nicht fowohl, damit er viele Situatignen fehe, ſondern jelbft in viele komme.
Man muß fih hüten, manche Dinge nicht befannt zu nen- nen, weil man gerade zuweilen baraus fiebt, baß fie einem unbelannt waren.
Keine Unterfuhung muß für zu ſchwer gehalten werben, und feine Sache für zu fehr ausgemadt.
Ich glaube, diejenigen Gelehrten, bie Alles fhägen zu kön⸗ nen glauben, haben doch nicht recht den Werth eines jeden ihrer Mitbrübder fchägen gelernt. Es kommt wahrhaftig in dem Fortgange ber Wifienfchaften nicht darauf an, ob einer etwas in dem, was fonft groß genannt wird, getban bat. Wenn nur jeder thäte was er könnte, ben Theil von Kenntnifjen verarbeitete, befien er mädtig ift, und in welchem er fchärfer ſieht als tauſend Andere.
Man kann das Streben nad Entdedung bem Bogelfchießen vergleihen. Wer die Krone abfchießt, muß bedenken, daß bie Schüffe feiner Vorgänger auch etwas dazu beigetragen haben, daß er einen Flügel abEriegt, oder gar die Krone.
Nichts verloren gehen zu laffen, ift eine Hauptregel, Pas pierfchnigel fo wenig, als Zeit.
16, Borfchläge.
Es wäre ein guter Plan, wenn einmal ein Kind ein Bud für einen Alten fohriebe, da jest Alles für Kinder fchreibt. Die Sade ift ſchwer, wenn man nicht aus dem Charakter gehen will.
Jede Univerfität follte einen Ambafjadeur auf ben übrigen Univerfitäten haben, zu zwedmäßiger Unterhaltung fowohl ber Freundſchaften, als der Feinbfchaften.
Eine Statiftid der Religion wäre wohl ein Werf, daß, von einem Kerner gefchrieben, großes Auffehen machen Fünnte.
Der Pas de Calais follte künftig Pas de Blanchard heißen.
Wir glauben für die Nachwelt zu forgen, wenn wir unfere Gedanken auf Lumpenpapier abdruden lafien, die dann bie Nachs welt, das heißt, die Leute, die und Urgroßväter nennen, wieder auf Lumpenpapier copiren. Aber, mein Gott! was wird aus allem Lumpenpapier und unferer Wiffenfchaft werben, wenn wir wieder einmal Boden des Meered werden? Die ägyptifchen Pyramiden waren ein gefcheuter Gedanke. Jene Leute verftans
ben ſich auch auf das Papiermachen, aber fie vergaßen, etwas bars auf zu druden. Wir follten auf einer Stelle in ber Schweiz, bie be Lüc, Sauffüre, Sennebier angeben müßten, ein fol ches Denkmal errichten, und Europa müßte fubferibiren. Ich gebe meinen Louisd'or. Aber welche Hieroglyphe würde dazu gewählt werden müſſen? Welches find die Zeichen, wodurch man fi) einem künftigen Menfchengefchlechte wieder veritändlich machen fünnte? Es müßte eine Sprade fein, die Kinder und Philofophen verbände. Die Hieroglyphen Fünnten alfo ſehr wich⸗ tig fein. O wenn boch Beiden auf ben Pyramiden fländen ! Bielleiht hat jemand ben Gedanken vor mir gehabt, und bie Hieroglyphen oder Myſterien finb das, was ich meine.
Ein fehr ſchönes Süjet für einen Maler wären einige Eleine unfchuldige Mädchen, die neugierig in einen Brunnen guden, aus dem, ihrer Meinung nach, die Kinder geholt werden. Es könnte allenfalls nur eines bineinfehen, während die anderen warten, bis die Stelle frei wirb.
Särge von Korbwerk könnten wohlfeil und doc ſchön gemacht werden; man könnte fie ſchwarz und weiß anftreichen. Sie hätten den Vortheil, daß fie leicht verfaulten.
Ein Sournal des Lurus und der Moden für Ärzte; auch für mehrere Stände ließe ſich ſo etwas wohl ſchreiben, ſelbſt Phi⸗ loſophie nicht ausgeſchloſſen.
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Da ber politiſche Pabſt gefallen if, umb ber geifiliche balı nadfulgen wird, fo wäre bie Frage, ob man nicht einen merkt einsfdhen wählen ſollte; ih meine eine Art von Delay Lama, Der durch Lioßes Werlihren und durch Überfenbung feiner Ab⸗ und Ausmlsfe Arankheiten heilte. Ich glaube, ein ſolcher Mann fonnte wnnklich durch das bloße: ih binder Herr euer Do« tur -- Rrankheiten bannen. Bu einem folhen Pabſt ſchickte lb Ummermann.
Ach möchte zum Weichen für Aufflärung das bekannte Zeis chen dea FJeuers (‚\) vorſchlagen. Das Feuer gibt Licht und Rurıne, und iſt zum Wachethum und Portfchreiten alles befien, wag lebt, unentbehrlichz aber unvorfichtig gebraucht, brennt es auch und zerſtört.
Es verdiente wohl, daß man am Ende des Jahres ein Ge: richt über die politiſchen Jeitungen hielte; vielleicht machte dieß die Sehreiber derſelben behutſamer. Da die Zeitungsſchreiber ſeldſt delogen werden, fo müßte man billig verfahren, um nicht rede an thun. Man müßte zwei oder mehrere entgegenge⸗ ſedte Miileer mit einander, und mit dem Lauf ber Begebenhei⸗ ten vernleichen fo Tiefe ib am Ende etwas über ihren Werth und CEdaruakter ſeſtſeden.
“a min wodl der Müde werth, einmal das BerlsSumben im Kur alt ein Kartenſhiel verzuftclien, me immer Gimer
ben Andern fticht. Pope's Lodenraub Pönnte hierbei zum Mufter genommen werben.
Es wäre gewiß ein verdienſtliches, wenn gleich nicht leich⸗ tes, Unternehmen, das Leben eines Menfchen doppelt oder breis fah zu befchreiben, einmal, als ein allzu warmer Freund, dann als ein Feind, und dann fo wie e8 die Wahrheit felbft fhreiben würde.
Sch denke, über alte Seitungen, 3. B. jest (1797) über die von 1792 an, müßte fih ein herrliches Collegium leſen laſſen, nicht in biftorifcher, fondern in pfochologifcher Rüdficht. Dus wäre etwas! Was in der Welt kann unterhaltender fein, als die vermeintliche Gefchichte der Beit mit der wahren zu vers gleichen ?
Über den Wberglauben ließe fich gewiß etwas fehr Gutes fohreiben, nämlich zu feiner Bertheidigung. Jedermann ift aber: gläubifh. Ich mit meinen Lichtern; ich glaube an biefe Dinge nit, aber es ift mir doch angenehm, wenn fie nicht wibrig ausfallen.
Warum gibt man nidht manchen Meubeln ober Gefäßen paffendere Formen, wie e8 die Alten 3.8. bei ihren Lanzen ges tban haben? — Wenn man wüßte, wie bie Büchſe der Pan« dora audgefehen hätte, fo wäre fie wohl zu Dintenfäffern, Lot⸗
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Nachtrag zu den Vorſchlägen.
Die Menjhen nah ben Häufern zu orbnen, worin fie woh⸗ nen, wie die Schneden.
IH denfe, wenn man etwas in bie Luft bauen will, fo find e8 immer beffer Schlüffer als Kartenhäufer.
Hat nicht unfere Gefangbuchverbefferung viel Ähnlichkeit mit dem Ausweißen ber alten gothiſchen Kirchen, bie dadurch gefhändet werden? Man foll verhindern, daß fie nicht einftür- zen und den Boden reinlich halten. ine ausgeweißte Abtei von Weftminfter wäre abfcheulich.
——
Es ift fein übler Gedanke, die Ruthe hinter den Spiegel zu ſtecken, daß fie dem, ber bineinfieht, gleihfam auf ben Rücken gebunden erfcheint, der Gedanke hat mehr brauchbare Seiten, könnte auch zu einer Titelvignette, oder zur Auffchrift über ein Kapitel gebraucht werden.
Man Lönnte bie menfchliche Gefellfhaft in drei Glaffen theilen, in bie: 1. nequce ora neque labora, 2. ora et non labora, und 3. ora et labora.
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Was man von dem Vortheile und Schaden ber Aufklä— rung fagt, ließe fi) gewiß gut in einer Zabel vom Feuer bar: ftellen. Es ift die Seele der unorganifhen Natur, fein mäßiger Gebrauch macht und das Leben angenehm, es erwärmt unfere Winter und erleuchtet unfere Nächte. Aber das müſſen Lichter und Fadeln fein, die Straßenerleuchtung durch angezündete Häus fer ift eine fehr böfe Erleuchtung. Auch muß man Kinder nicht damit fpielen laffen.
Es liege ſich vielleicht ein ganz guter Aufſatz über bie Na- men von Hunden ſchreiben. Melac nennt man Hunde, nad ben befannten privilegirten Morbbrenner. Vielleicht gibt es nad der franzöfifchen Staatsumwälzung auh Namenumwäl- zung unter ben Hunden. Güftine wäre ein herrlicher Name für einen, ber viel beilt und nicht beißt, wenigftens nicht wo er fol. Kogebue müßte nothwendig einer heißen. Ehrliche Leute, die noch fo beißen, kann e8 fo wenig verdrießen, wie ben tür: kiſchen Kaifer, daß fo viele Hunde Sultan beißen. |
In jeder Farultät follte wenigftens Ein recht tüchtiger Mann fein. Wenn die Charniere von gutem Metall find, fo kann das Übrige von Holz fein.
Einmal bie fogenannten natürlichen Dinge aufzuzählen; natürliche Kinder, natürliche Religion, natürliche Tugend. Es ſteckt in dieſen AÄußerungen ber natürlichen Philoſophie fehr Vieles, was fich die unnatürlihe nicht immer träumen läßt.
11. 10
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Man adjungirt alten Leuten junge. Ich glaube, es wäre in vielen Källen beffer, wenn man manden jungen Leuten alte adjungirte.
Sollten ſich nicht manche Verordnungen, z. E. Feuerord⸗ nungen, unmittelbar, vermittelſt leichter Transpoſitionen auf andere Gegenſtände, z. E. Erziehung der Kinder, mut. mut. an⸗ wenden laſſen? Die Wörter: Waſſer, Spritze, Schläuche, Spritzenmeiſter u. ſ. w. dürften nur gehörig überſetzt werden. Ein Verſuch, eine Inſtruction für einen Spritzenmeiſter zugleich für einen Schulrector einzurichten, könnte ſehr lehrreich werden.
Wie möchte es in den Wiſſenſchaften ausſehen, wenn die Menſchen erſt im 15ten Jahre ſehen, und im 20ten etwa erſt bören und folglich fprechen lernten? Co etwas verdiente mit Philofophie und Menfchentenntniß burchgefegt zu erben.
Ehemals taufte man bie Glocken, jetzt follte man bie Dru⸗ derprefien taufen.
Wir find Alle Blätter an einem Baum ‚ keines dem an⸗ bern ähnlich, das eine fommetrifh, das andere nicht, und doch gleich wichtig bem Ganzen, Diefe Allegorie koͤnnte durchgeführt werden, . "
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17, Allerhand.
ere Gelehrten verfallen in den Fehler der Krämer in en Stäbten, fie kaufen nicht an der Stelle, wo es wächſt, Ben laſſen es ſich lieber erſt von einem Engländer oder Fran⸗ ıberbeifchaffen. Das ewige „unſern Landsleuten be mt mahenio Warum ſuchen wir unfern Landsleuten ‚ben Geift einzuprägen, felbft zu verfuchen, und immer auf Beffermachen zu denken?
efhreibung eines fondberbaren Bettvorhangs. Im Sabre 1769 gerieth id auf den Gedanken, allerlei Ges ier auf einem Bogen Papier neben einander zu zeichnen, die ſtens etwas Lächerliches an ſich hatten. Wenige Perſonen, ich das Papier vorlegte, konnten ſich des Lachens enthal⸗ ij durch kein Buch hätte ſich dieß fo bald erreichen laſſen. 5 hatte aber noch nicht vierzig Köpfe gezeichnet, als ich mich n erfchöpft fühlte. Die Zuſätze Famen nur felten. Im fols ſenden Sabre Iegte mich ein kleines Flußfieber in ein Bette, das men fchrägen Himmel hatte, durch deſſen nicht gar dichtes Ge⸗ bebe „ das noch dazu aus ziemlich ungleichen Fäden beftand, bie
an»
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weiße Wand durdfchien. Hier zeigte fich eine unzählkare Menge ber feltfamften und brolligften Gefichter. Ich konnte in einer Fläche, die faum fo groß als ein Quartblatt wär, über hun: dert berauöbringen, und jedes hatte mehr Ausdrud und Eigen— thümlichkeit, als fonft in den gezeichneten Gefihtern anzutreffen ift, die unverbefjerlihen Köpfe von Hogarth ausgenommen, mit denen fie viel Ähnliches hatten. Wenn ich einen Kopf hatte, fo nahm ich feinen Mund zum Auge, und ben Augenblid ftand ein neuer ba, ber mich bald anlädhelte, bald anfletfchte; ein dritter lachte mich aus, und ein vierter blidte mich höhniſch an. Es ift unmöglih, alle die huſtenden, niefenden und gähnenden Stellungen zu befchreiben, bie fi) mir vorftellten. Hätte ich fie mit eben der Kraft zeichnen können, ‚mit welcher fie fi) meinem Auge und meiner Einbildungskraft.darftellten, ich würbe gewiß biefen Vorhang verewigen. — onardo da Vinci foll biefe Befhäftigung jungen Malern empfehlen.
Im Jahr 1711 ereignete fi) ‚ein großer Unfall in Lyon: ein muthwilliger Feldwebel, Namens Welair, ließ am Tage bed heil. Dionyfius, ba eine Menge Menfchen über bie fchmale Rho⸗ nebrüde nad einem Dorfmarkt gegangen waren,. den Zapfen: ftreih zum Thorſchluß eine Stunde früher: ald gewöhnlich fchla: gen. Das Thor befindet ſich mitten auf der Brüde. Als bie Zeute unterwegs dad Trommeln hörten, eilten fie, um nicht ge: nötbigt zu werben, vor der Stadt zu fihlafen; fie drängten fi auf der Brüde, einige ließ ber Feldwebel gegen ein Trinkgeld
dur, und andere beraubte er mit feinem Complott. Das Ge- dränge wurbe aber fo heftig, daß zweihunbert Leute babei ums Leben kamen, diejenigen nicht gerechnet, bie einige Tage barauf an ihren Wunden farben. Belair wurde unter den ärgften Berwünfchungen des Volks geräbert. ©. Pitaval Causes cèlè- bres. Tom. X. — In Göttingen, wo bie Kühe ded Sommers um Mittagszeit auch nach ber Stabt getrieben werben, ereignete fih im Jahr 1765 ein ähnlicher Zufall, aber body nur unter den Kühen. Sie hatten bei der großen Hike diefed Jahres immer bie Gewohnheit, wenn fie nahe an ba8 Thor kamen, zu lau« fen, weil fie fi) nad dem Fühlen Gang unter bem Thor durch den Wall fehnten. An dem, traurigen Tage befand fich zum Unglüd ein Bauersfneht mit einem Wagen unter dem Thor, als die Kühe angerennt Pong Die Pferde am Wagen fiengen an auf das fi) vorbeidrängende Vieh auszufchlagen, unb ſchlu⸗ gen einige Stüd nieder; über biefe ftürzten die hintern, und fo fort, daß in weniget:MRinuten der ganze Thorweg von unten bis oben mit tobten Kuhd angefüht war. Sie wurden bernady von dem Henkersfnecht tweggeräumt, unb längs ber Straße hin gelegt, da man fand, daß fih ihre Anzahl auf etliche und fie- benzig belief, auch diejenigen nicht gerechnet, bie noch hernach in den Ställen flarben. Ich babe fie felbft Tiegen fehen.
Als der brave Mann todt war, fp trug biefer den Hut, ber den Degen, fo wie er; biefer ließ fih fo frifiren, jener ging, wie er; aber der redlihe Mann, wie er, wollte feiner fein.
150
Bu einer Vorrede. Geſpräch zwifhen einem Lefer und dem Berfaffer.
Der Saft. Was haben Sie Gutes, Herr Wirth?
Der Wirth. Nichts als was Sie bier fehen, was auf bem Küchenzettel fieht, den Sie fo eben in der Hand batten.
Der Saft. Und ift das Alles? .
Der Wirth. Alles, mein Ser.
Der Saft. Uber fagen Sie mir um aller Welt willen, fonnten Sie fi nicht auf etwas Beſſeres gefaßt machen ?
Der Wirth. Ja, was heißen Sie befjer, mein Her? ift das nicht gut ?
Der Gaſt. Nein, fo etwas, was mehr wiberält. Sauern Kohl und Sped, ober fo etwas.
Der Wirth. Das habe ihenichtz wenn ich gewußt hätte, daß ich die Ehre von Ihnen haben würbe, unb daß Sie fauern Kohl und Sped liebten, fo bätte ich mic vorgeſehen; aber es kom⸗ men der Perſonen ſo viel, und jede vekdangt etwas Anderes, ſo daß ein armer Wirth nicht weiß, wan anſchaffen ſoll. Dieſes Gericht fand geſtern Beifall.
Der Gaſt. Daß Sie doch keinen ſauern Kohl haben! — Doch, wenn es nicht anders iſt, ſo geben Sie her.
Der Wirth. Ich hoffe, Sie ſollen zufrieden ſein, es iſt zwar nur ein ſchlechtes Gericht, aber ich weiß es auf eine eigne Art zurecht zu machen; ich werfe allerlei daran, was einem hungrigen Magen bekommt. Belieben Sie näher zu treten, mein
Herr.
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Gin Mädchen, 150 Bücher, ein paar Freunde und ein Pros fpect von etwa einer beutfchen Meile im Durchmeſſer, war bie Welt für ihn.
Die Zeiten, wo man anfängt, die Regeln zu flubiren, wie e8 andere Seiten gemacht haben, daß fie es fo weit brachten, find böfe Beiten. Die beften Köpfe werben entjeklich belefene, bleihe, ſchwindſüchtige Stubenfiger, anftatt gut verbauende, frifhe Erfinder zu fein.
Wenn die wilden Schweine dem armen Manne feine Felder verderben, fo rechnet man es ihm unter dem Namen Wildfchas den für göttlihe Schidung an.
Es kann nicht Alles ganz richtig fein in der Welt, weil bie Menfchen noch mit Betrügereien regiert werben müſſen.
wi: .: —
Eine Sprache, a allemal die Verwandtſchaft der Dinge zugleih ausbrüdte, wäre für den Staat nüglidher, als Leib. nigens Charakteriftil. Ich meine eine folde, wo man 3. B. Seelforger flatt Prediger, Dummkopf flatt Stuper, Waſſertrinker fiatt anakreontiſcher Dichter fagte.
Es ift in der That ein fehr blindes und unfern aufgeklär⸗ ten Zeiten fehr unanftänbiges Vorurtheil, daß wir die Geogra⸗ phie und die römifche Gefchichte eher lernen, als bie Phyſiologie
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und Anatomie, ja bie beibnifche Kabellehre eher, als Liefe für Menfchen beinahe fo unentbehrlihe Wiffenfchaft, daß fe nächſt der Religion folte gelehrt werben. Ich glaube, daß einem hö⸗ bern Geſchöpfe, als wir Menfchen find, dieſes das reigenbfte Schaufpiel fein muß, wenn er einen großen heil des menfchlichen Gefchlechts ein paar taufend Jahre ſtarr hinter einander herziehen fieht, die aufs ungewiffe und unter dem Zreibriefe, Regeln für die Welt aufzufuchen, bingehen und fih und ber Welt unnüg fterben, ohne ihren Körper, der doch ihr vornehmfter Theil war, gefannt zu haben, da ein Blick auf ihn, fie, ihre Kinder, ihren Nächſten, ihre Nachkommen hätte glüdlic machen können.
Es wäre zu unterfuchen, was man zum allgemeinen Maß» ftabe der Bedienungen in ber Welt annehmen fol, um gleich einer Nation begreiflich zu machen, wie hoch ein 'gewiffer Mann anzufehen ſei. Es fragt ſich alfo: gibt e8 Leute, die ſolche Ver⸗ richtungen haben, bie bei allen Nationen nöthig find, und bei allen gleich hoch gefchägt werden? Die Priefter laffen fih wohl nit dazu annehmen; biefer Maßſtab ift fehr ungewiß und in vielen Ländern zu Plein. Ein Mädchen ginge noch eher an; biefe werden ziemlich gleihfürmig, in Europa wenigftens, ges liebt, fo daß ich glaube, der Ausdruck: er liebte ihn wie fein Mädchen, ift bedeutender, als ber: er liebte ihn, wie feinen Vater,
Wenn man einen guten Gedanken lieft, fo kann man pro»
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biren, ob fi) etwas Ähnliches bei einer andern Materie denken und fagen laſſe. Man nimmt bier gleihfam an, baß in ber andern Materie etwas biefem Ähnliches enthalten fei. Diefes iſt eine Art von Analyfis der Gedanken, bie vielleicht mancher Gelehrte braucht, ohne e8 zu fagen.
Ein allgemeines Map für das Verdienſt oder für bie Wich⸗ tigkeit einer Verrichtung, das allen Ständen ſogleich die wahre Größe einer That angäbe, wäre eine Erfindung, bie eines mo⸗ ralifden Newtons würdig wäre. -3. €. eine Gompagnie vor des Commandanten Haus zu erereiren, ift gewiß nicht fo ſchwer, als en paar Schub zu fohlen, (ich weiß es freilich, daß bie Ehre eine Befoldung iſt; fie auszuzahlen, Tegt der Fürſt eine Steuer auf die Hüte und den Nacken ber Untertanen. Wenn ein Handwerksburſche vor dem Officier den Hut zieht, To denke ih immer, biefer Burfche ift eine Art von SKriegszahlmeifter; und wie unartig find bie Officiere, bie Bie Zahlung ohne Quit⸗ tung annehmen, ich meine, die nicht wieder an den Hut greis fm!) und ich behaupte, ein Kleid zu fehneiden, ift zuverläf- fig ſchwerer, als Hofcavalier zu fein — ich meine ben Hof: cavalier in Abſtracto. ine ſolche Rangortnung, bie aber gewiß dem Berfaffer und dem Verleger den Kopf often würde, wünfchte ich gebrudt zu fehen z fe eriftirt gewiß in dem Kopfe jedes rechtfchaffenen Mannes, Man künnte zu einem ſolchen Maß das Balanciren auf dn, Kalt nehmen, weil diefed un⸗ gefähr alle Menfchen mit NR. er Sugroindint (nm, und
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und Anatomie, ja bie beidnifche Fabellehre eher, als dieſe für Menfchen beinahe fo unentbehrlihe Wiffenfhaft, daß ſie nächſt der Religion folte gelehrt werden. Ich glaube, daß einem bö» bern Gefchöpfe, als wir Menfchen find, dieſes das reizenbfte Schaufpiel fein muß, wenn er einen großen Theil des menfchlichen Gefchlechts ein paar taufend Jahre ſtarr hinter einander berziehen fieht, bie aufs ungewiffe und unter dem Freibriefe, Regeln für bie Welt aufzufuchen, bingeben und fih und ber Welt unnüg fterben,, ohne ihren Körper, der doch ihr vornehmfter Theil war, gekannt zu haben, da ein Blick auf ihn, fie, ihre Kinder, ihren Nächſten, ihre Nachkommen hätte glücklich machen können.
Es wäre zu unterſuchen, was man zum allgemeinen Maß—⸗ ftabe ber Bebienungen in ber Welt annehmen fol, um glei einer Nation begreiflich zu machen, wie hoch ein gewiffer Mann anzufehen ſei. Es fragt ſich alfo: gibt e8 Leute, die ſolche Ber: richtungen haben, bie bei allen Nationen:gihig find, und bei allen gleich hoch gefchägt werden? Die Weſter laſſen ſich wohl nicht dazu annehmen; biefer Maßſtab iſt fehr ungewiß und in vielen Ländern zu Plein. Ein Mädchen ginge noch eher an; biefe werben ziemlich gleihfürmig, in Europa wenigftens, ger liebt, fo daß ich glaube, ber Ausdrud: er liebte ihn wie fein Mädchen, ift bedeutender, al8 ber: er liebte ihn, wie feinen Bater.
Wenn man einen guten Gedanken lieft, fo fann man pro:
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biren, ob fi) etwas Ähnliches bei einer andern Materie denken und fagen laffe. Man nimmt bier gleihfam an, daß in ber andern Materie etwas biefem Ähnliches enthalten fei. Diefes ift eine Art von Analyfis der Gedanken, bie vielleicht mancher Gelehrte braudt, ohne es zu fagen.
Ein allgemeines Maß für das Verbienft oder für bie Wich⸗ tigkeit einer Verrichtung, das allen Ständen fogleidh die wahre Größe einer That angäbe, wäre eine Erfindung, die eines mo⸗ ralifhen Newtons würbig wäre. -3.@. eine Compagnie vor des Commandanten Haus zu erereiren, ift gewiß nicht fo ſchwer, als ein paar Schuh zu fohlen, (ich weiß es freilich, daß bie Ehre eine Befoldung iſt; fie auszuzahlen, legt der Zürft eine Steuer auf die Hüte und den Nacken ber Untertfanen. Wenn ein Handwerksburſche vor dem Officier ben Hut zieht, fo denke ih immer, biefer Burfhe ift eine Art von SKriegszahlmeifter; und wie unartig ſiicn Ale Officiere, die Sie Zahlung ohne Quit⸗ tung annehmen, id ei, die nicht wieder an den Hut greis fen!) und ich behaupte, ein Kleid zu fchneiden, ift zuverläfs fig fchwerer, als Hofcavalier zu fein — ich meine ben Hof- cavalier in Abſtracto. Eine folde Rangordnung, bie aber gewiß dem Berfaffer und dem Berleger ben Kopf koſten mwürbe, wünfchte ich gebrudt zu fehen ; fie eriftirt gewiß in dem Kopfe jedes rechtfchaffenen Mannes. Man Lönnte zu einem folchen Maß das Balanciren auf der Nafe nehmen, weil biefes un: gefähr alle Menfchen mit gleicher Gefchwindigfeit lernen, und
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durch die Länge ber Tabakspfeife in Bollen, bie Grabe ber Schwierigkeit meffen.
Der Streit über bedeuten und fein, der in ber Religion fo viel Unheil angeftiftet Hat, wäre vieleicht heilfamer gewefen, wenn man ihn über andere Gegenftände geführt hätte; denn es ift eine allgemeine Quelle unfers Unglüds, baß wir glauben, die Dinge wären das wirklich, was fie doch nur bedeuten.
Der Aberglaube gemeiner Leute rührt von ihrem frühen und allzueifrigen Unterricht in der Religion ber. Sie hören von Geheimniffen, Wundern, Wirfungen des Teufels, und bals ten e8 für fehr mwabrfcheinlich, daß dergleichen Saden überall in allen Dingen gefchehen können. Hingegen, wenn man ihnen erft die Natur felbft zeigte, fo würden fie leichter das Überna⸗ türlihe und Geheimnißvolle der Religion. mit Ehrfurcht betrach⸗ ten, anftatt daß fie es jekt für. etwas iBemeines anfehen. Ich glaube, wenn man ihnen fagte QNuren heute ſechs Engel über die Straße gegangen, fie würden es für nichts Beſonderes anſehen. Auch die Bilder in der Bibel taugen nicht für Kinder.
Man folte in ber Woche wenigſtens einmal biätetifche Pre⸗ digten in ber Kirche halten, und wenn bie Diätetit von unfern Geiftlihen erlernt würde, fo könnten fie geiftliche Betrachtun⸗ gen einfledhten, bie fih bier gewiß fehr gut anbringen ließen. Denn es ift nicht zu zweifeln, daß geiftliche Betrachtungen, mit
etwas Phyſik vermifcht, die Leute aufmerkfamer erhalten ,,- und ihnen erbaulichere Vorftelungen von Gott geben würden, als bie oft übel angebrachten Beifpiele feines Zorns.
Gin langes Glück verliert ſchon bloß durch feine Dauer. Lefen beißt borgen, baraus erfinden, abtragen.
Mit elektriſchen Ketten ließen fi) Signale geben, Längen nicht weit entlegener Orter beflimmen u. f. w. Es ließen fi) vieleicht Ströme dazu gebrauchen, wenigftens auf eine gewiffe Strede.
Sobald man anfängt Alles in Allem zu fehen, wird man gemeiniglich dunkel im Ausdruck. Man fängt an, mit Gngel- gungen zu reden.
Leſſings Geſtübniß daß er für ſeinen geſunden Verſtand faſt zu viel geleſen habe, beweiſt, wie geſund ſein Verſtand war.
Ein Mittel, ſich Ruhm zu erwerben, iſt, wenn man mit einer gewiſſen Zuverſicht in eine dunkle, unbekannte Materie hineingeht, wohin es niemand der Mühe werth achtet, einem zu folgen, und darüber mit ſcheinbarem Bufamnienhange raifonnirt.
Wenn ich ein beutfches Buch mit Tateinifchen Buchſtaben
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Gedanken. Auf biefe Art kann Jakob Böhms Buch Manchem fo nüglich fein, als das Buch ber Natur.” — — —
Es iſt allemal ein gutes Beiden, wenn Künftler oft von Kleinigkeiten gehindert werben können, ihre Kunft gehörig aus zuüben. 5... ftedte feine Singer in Herenmehl, wenn er auf dem Glaviere fpielen wollte, und ein anderer großer Klavierfpies ler konnte nie zum Spielen gebracht werden, wenn er fidy bie Nägel nicht lange vorher abgefchnitten hatte. Den mittelmäßigen Kopf hindern foldhe Sachen nicht, weil feine Unterfcheidungsfraft überhaupt nicht fo weit geht; er führt gleihfam ein grobes Sieb.
Alles reformirt ih: Mufit war ehemals Lärm, Satyre war Yasauill, und da, wo man heutzutage fagt: erlauben Sie güs tigft, fhlug man einem vor Alters inter bie Ohren.
Ein Louisd'or in der Taſche ift beffer, als zehn auf bem Bücherbrett. '
Wenn ein toller Kopf ded Teufels Beug anfängt, ift e8 deß⸗ wegen eine Folge, baß ein Collegium von zwölf folchen Leuten eben folches Beug anfangen würde? Keinesweges; ich bin viels mebr überzeugt, daß zwölf tolle Köpfe etwas befchließen könn⸗ ten, das ausfehen müßte, als käme es von zwölf Plugen. Und fagt, was ift der Menfch anders, als ein kleiner Staat, ber von Tollköpfen beberrfcht wirb?- -
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In den barbarifchen Beiten, wenn das fo genannte Eſels⸗ feft zum Andenken der Flucht nad Agypten gefeiert wurde, ſchrie der Prieſter, anſtatt den Segen zu ſprechen, dreimal wie ein Eſel, und die Gemeine ſprach ihm dieſe verſtändlichen Worte treulich nach, der Eine gut, der Andere ſchlecht, je nachdem er ein guter oder ſchlechter Eſel war. Dieß ſollte kein Spaß ſein, ſondern war eine ſehr heilige Handlung. Bergl. Du Cange, voc. Festum. . u
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Bu Heinrich& des VIII. Beiten fpeifte man in England um 10 Uhr bes Morgens zu Mittag’ und um 4 Uhr zu Abend; jegt fpeift man um 5 Uhr zu Mittag und um Mitternacht zu Abend. Fortrüdung. der Nachtgleichen und ber Effenszeit. Die Iehtere zu unterfuchen ift fo wichtig für ben Moraliften, als die erftere für den Aftronomen.
Das Buch hatte die Wirkung, die gemeiniglich gute Bücher haben: e8 machte die Einfältigen einfältiger, die Klugen Flügen, und die übrigen taufende blieben ungeändert.
‚ Die beweifen, wo nichts zu beweifen if. Es gibt eine Art von feerem Gefhwäg, dem man burch Meuigfeit bed Ausdrucks und unerwartete Metaphern das Anſehen von Küle gibt. KR... und 2... find Meifter barin. Im Fön geht es an, im Ernft ift es underzeihlich.
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Wenn die Menfhen plöglich tugendhaft würben, fo müßten viele taufende verhungern.
In einem Stüd find wir allerdings unendlich weit unter den Engländern, und das ift in ber Kunft, Avertiffements zu maden. Es ift faft unmöglich, ſich des Kaufens zu enthalten, auch wenn man weiß, daß es nicht wahr if. Man meint, man glaubt ed nicht, und glaubt es doch. Ich habe oft ber Sadıe nachgedacht, und man wirb leicht fehen, worin es liegt. Um mich beutlih zu erklären, will ich nur ein Beifpiel von den Quadjalbern geben. Dieſe maden eine Befchreibung von ber Krankheit, gegen bie ihre Arznei gerichtet ift, nicht etwa in all gemeinen Ausbrüden und kurzweg, fondern fie wiffen, baß der Menfch lieber Detail hat. Sie befchreiben daher bie Symptomen genau, und was fie fagen, geht oft beim — bie große Kunft aller großen Schriftfteller. So erinnere ic mich einer Bekannt: madung eines Mitteld gegen Zahnweh, die ungefähr fo Tautete: „Überall, wo man jest hinfommt, hört man Perfonen über Schmerzen Elagen, bie fie Zahnſchmerzen nennen, fie find aber ganz verfchieden. Denn viele Perfonen, die ſich bie Zähne haben ausziehen laſſen, haben fich eher fchlimmer darnady befunben. Zunge, gefunbe Perfonen find ihnen am meiften ausgeſetzt; fie fhlafen wenig, getrauen fi) nichts Feftes zu effen, aus Furdt den Schmerz zu erweden, und fallen baber ganz von Fleiſch und werben elend. Ich muß befennen, baß, meiner großen und langen Erfahrung ungeachtet, mid; dieſes Übel lange getäufcht
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bat, indem ich weder durch Ausziehen, noch. Schröpfen, noch durch meinen bekannten vortrefflihen Zahnbalſam, der fonft gar nicht trügt, etwas audgerichtet habe; bis ich endlich meine in bem großen Schnupfenjahr 1740 mit dem größten Gegen ge braudten bimmlifhen Tropfen, (diefen Namen geben ihuen faft wider meinen Willen einige meiner Patienten, wegen ber wohlthätigen und fchnellen Wirfung,) bie bisher nicht viel helfen wollten, bervorgefucht habe; fie. heilen fait augenblidlih, und ih babe wahre Wunder damit gethan.“ :
Daß alle fcherzhaften Sachen Poffen find, wird wohl am meiften von alten Theologen oder alten Profefforen ber Rechte behauptet. Sie glauben, Alles wäre ernfihaft, was mit einem ernfthaften Gefiht oder in einem ernfthaften slilo gefagt wird, ba ed doch ausgemacht ift, daß von hundert Pofjen gewiß neun: zig ernfthaft vorgetragen werden. Aus ben luſtigen Schriften kluger Köpfe läßt fich fehr oft mehr lernen, als aus fehr. vie len ernfthaften. Sie tragen Manches mit einer lachenden Miene vor, mas fie im Ernft meinen, was aber noch nicht unterfucht genug ift, um einen ernfthaften zu Pleiden. Andere Leute kön⸗ nen e8 gar wohl im Ernſt nügen.
Der Pöbel ruinirt ſich durch das Fleifh, das wider den Geift, und ber Gelehrte durch den Geiſt, ben zu. fehr wider ben Leib gelüftet.
II. 11
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Ter eigentliche Menſch ßeht wie eine Zwiebel mit vielem tauſend Röurzeln aus; die Nerven empfinden allein in ibm, bad Andere dient, diefe Wurzeln zu halten und bequemer fortzufchaffen; was wir fehen, ift alfo nur ber Topf, in welchem der Menſch (tie Herden) gepflanzt iſt.
Iinfere Kunſtkammern find voll von elfenbeinernen Bechern ein Beweis von ber Favoritneigung unferer lieben Voreltern: ein Stück Elfenbein, woraus ber Grieche einen Apoll gefchnigt bitte, ſchnitten fie zum Becher.
Als ich Im Jahr 1769 einen Engländer zu dem Profeſſor #. . . führte, ber damals Prorertor war, fo bielt diefer mit vieler Gravität und rbetorifcher Genauigkeit eine lateinifche Rebe an Ihn, und als er völlig ausgeredet hatte (denn ich wollte ihn nicht in die Rede fallen), fagte ich zu ihn: Ihr Magnifi: eng, die Engländer verftehen unſer Latein nicht. Gr fchien aber nicht fehr betreten darüber.
Man gibt oft Regeln Über Dinge, wo fie unftreitig mehr Schaden ald Nuden bringen, Was ich bier meine, will ich mit einem Artikel ans einer Feuerordnung erläutern; die Anwendung wird ſich ein jeder in feiner Wiſſenſchaft zu muchen wiffen :
„Wenn ein Haus brennt, fo muß man vor allen Dingen die rechte Wand des zur Linken fichenten Haufes, und hingegen die ine Wand des zur echten fichenden zu decken ſuchen.
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Die Urfache ift Teicht einzufehen. Denn, wenn man z. €. bie linke Wand des zur Linken ftehenden Haufes decken wollte, fo liegt ja bie rechte Wand bed Haufes der linken Wand zur Rech: ten, und folglih, da das Feuer auch diefer Wand und ber redh- ten Wand zur Rechten liegt, (benn wir haben ja angenommen, daß dad Haus dem Feuer zur Linken liege,) fo liegt die rechte Wand bem Feuer näher, als die linke; das ift, bie rechte Wand bed Haufes könnte abbrennen, wenn fie nicht gedeckt würde, ehe dad Feuer an die linde, die gebedt wird, käme; folglich könnte etwas abbrennen, das man nicht beit, und zwar eher., als etwas Anderes abbrennen würde, aud wenn man es nicht deckte; folglich muß man biefes laffen und jenes beden. Um fi bie Sade zu imprimiren, barf man nur merken, wenn das Haus dem Zeuer zur Rechten liegt, fo ift es die Iinfe Wand, und liegt das Haus zur Linken, fo ift e8 die rechte Wand.»
Daraus, daß bie Kinder ihren Eltern zuweilen fo fehr glei« hen, fiebt man offenbar, daß es ein gewiſſes Naturgeſet ift, baß Kinder ihren Eltern gleichen follen. Allein wie viele Fälle gibt es deffenungeadhtet nicht, wo fie ihnen nicht gleihen? Ber muthlich find daran gewiſſe Collifionen Schuld, ebenfalls wie bei ben Phyfiognomieen.
Es ift fehr reizend, ein ausländifches Frauenzimmer unfere Sprache fprehen und mit ſchönen Lippen Fehler mahen zu hören. Bei Männern ift e8 nicht fo.
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Ih kann mir eine Beit denken, welcher unfere teligiöfen Begriffe fo fonderbar vortommen werben, als ber unfrigen ber Nittergeift.
Es klingt lächerlich, aber es ift wahr: wenn man eiwas Gutes ſchreiben will, fo muß man eine gute Feder haben, haupt⸗ fächlich eine, die, ohne baß man viel brüdt, leichtweg fchreibt.
Ein großer Nuken bed Schreibens ift auch der, daß die Meinung Eines Menjchen und das, was er fagt, unverfälfcht auf die Nachmelt fommen kann. Die Tradition nimmt etwas von jedem Munde an, burd den fie läuft, und kann endlich eine Sache fo vorftellen, daß fie unfenntlid wird. Es ift alle mal eine Überfehung.
Sie ſprechen für ihre Religion nicht mit der Mäßigung und Verträglichkeit, die ihnen ihr großer Lehrer mit Ihat und Wor« ten predigte, fondern mit dem zwedwibrigen Eifer philofophifcher Sectirer, und mit einer Hike, als wenn fie Unrecht hätten. Es find Peine Chriſten, fondern Chriftianer.
Herr Camper erzählte, daß eine Gemeinde Grönlänber, als ein Miffionair ihnen die Flammen ber Hölle recht fürchterlich malte, und viel von ihrer Hitze fprach, fih alle nach ber Hölle zu fehnen angefangen hätten.
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Mit wenigen Worten viel fagen beißt nicht, erft
_ einen Auffag maden, und dann bie Perioden abkürzen; fondern vielmehr, die Sache erſt überbenfen, und aus dem Überbachten das Beſte fo fagen, baß der vernünftige Lefer wohl merkt, was man weggelaffen hat. Wigentlich heißt es, mit den wenigften Worten zu erkennen geben, daß man viel gedacht habe.
Die Rolle des Pajazzo, die allerdings etwas fehr Sonderba⸗ res bat, könnte in andern Dingen nadhgeahmt werben. Die Nachahmer Sterne's find gleichfam die Yajazzi deffelben‘, und fo it Zimmermann Lavaters Pafazzo.
Das Ja mit dem Kopffehütteln, und das Nein mit bem Kopfniden wird einem fehr fchwer, befommt aber doch nachher eine eigene Bedeutung, wenn man es kann.
Twiß hatte ſich mit ſeiner Tour through Ireland ſo verhaßt gemacht, daß man ſein Portrait auf dem Boden der Nachttöpfe mit offenem Munde und Augen vorſtellte mit der Umſchrift:
Come let us piss On Mr. Twiss.
Könnte man nicht vierteljährige Kalender herausgeben, ober gar für jeden Monat einen, mit einer niedlichen Vignette, Nach⸗ richten und Gebichten, geziert?
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Er batte ben Brief erft mit Oblaten, und oben barauf mit Lad gefiegelt, aus einer Ähnlichen Abfiht, wie Mercur bie Grundfäge ber Geometrie auf Säulen aus Thon und Erz grub. Denn warb ber Brief zu nahe an ben Ofen gelegt, fo hielt ihn die Oblate zu, und fiel er ins Waſſer, das Lad.
Warum fehielen die Thiere nicht? Dieß ift auch ein Vor: zug der menſchlichen Natur.
Die meiften Leute halten bie Augen gu, wenn fie rafirt werben. Es wäre ein Glüd, wenn man bie Ohren unb andern Sinne fo verfhließen Fönnte, wie bie Augen.
Wenn man einem vernünftigen Manne einen Hieb geben fann, baß er toll wird, fo fehe ich nicht ein, warum man einem tollen nicht einen follte geben können, daß er Elug wird.
Wenn eine Gefchichte eined Königs nieht verbrannt worden ift, fo mag ich fie nicht leſen.
Iſt es nicht fonderbar, daß die Beherrfcher des menfchlichen Geſchlechts den Lehrern befjelben fo fehr an Rang überlegen find? Hieraus fiebt man, was für ein frlavifches Thier der Menſch ift.
Es war eine Zeit in Rom, da man bie Zifche beffer erzog,
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als die Kinder. Wir erziehen bie Pferde beſſer. Es ift boch feltfam genug, daß der Mann, der am. Hofe die Pferde zureitet, Zaufende von Ihalern zur Befoldung bat, und bie, die demſel⸗ ben die Unterthanen 'zureiten, bie Schulmeifter, hungern müffen.
Swift ging einmal mit Dr. Sheridan verkleidet auf eine Bettlerhochzeitz Letzterer ftellte einen blinden Mufitanten vor, und Swift war fein Hanbleiter. Da fanden fie das größte Wohlleben, fie befamen Geld und Wein im Überfluß. Tags darauf ging Swift auf ber Landſtraße fpazieren, und fand ba Blinde, die auf der Hochzeit recht gut geſehen, und Lahme, die - recht gut getanzt hatten; Cr fchentte ihnen das auf der Hoch⸗ zeit erworbene Geld, fagte ihnen aber zugleich, wenn er fie noch einmal bier, ober irgendwo in biefem Gewerbe anträfe, fo würbe er fie insgefammt einftedlen laſſen; worauf fie alle eiligft.davon liefen. — Co wurden die Blinden fehend, und bie. Lahmen gehend.
Als e8 den Gothen und Vandalen einfiel, bie große Tour durch Europa in Gefellfhaft zu machen, fo wurden die Wirthe: bäufer in Stalien fo befegt, daß faft gar nicht unterzufonmen geweſen fein fol. Zuweilen Elingelten drei, vier auf Einmal.
Daß wir unfere Augen fo leicht, und unfere Obren fo ſchwer verfchließen können, wenigftens nicht anders, als wenn mir unfere Hände davor bringen, zeigt unmwiberfprechli, baß ber
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Himmel mehr für die Erhaltung ber Werkzeuge, als für das Bergnügen der Seele geforgt bat. Doc find die Ohren nd unfere beiten Wächter im Schlaf. Was für eine Wohlthat wäre es nicht, bie Obren fo leicht verfchliegen und Öffnen zu können, als die Augen |
Sm Deutfchen reimt fh Geld auf Welt; e iſt faum möglich, daß e8 einen vernünftigern Reim gebe; ich biete allen Sprachen Trogz
Wenn jemand alle glücklichen Einfälle ſeines Lebens. bicht zufammen famnmelte, fo würde ein gute Werk daraus werben. Sebermann ift wenigfiend ded Jahre Einmal ein Genie. Die eigentlih fo genannten Genies haben nur die guten Ginfälle dichter. Man fiebt alfo, wie viel darauf ankommt, Alles aufzus fohreiben.
Sn Genua barf fih ein Mann bei feiner Frau auf ber Straße oder ſonſt öffentlih bliden lafjenz der Cicisbeat hat ba die größte Höhe erreicht, und ein Mann, ber nicht darauf achten wollte, würde verfpottet werben und ſich den. größten Inſulten des Pöbels ausfegen. Man tadelt diefen Gebrauch vielleicht mit Recht, aber es ift doch etwas in dem Gefühl, was ihn entfchul: big. Es gibt doch zu fonderbaren Gedanken Anlaß, einen Mann bei feiner Frau zu fehen. Sie werden ausgemeſſen, und allerlei dabei gedacht, was man nicht benft, wenn man jedes allein
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fiebt. Einen Erzbifhof von Canterbury mit feiner rau einher geben zu fehen, würbe wenigftens ba® bifchöflihe Anfehen nicht fefter gründen, das ift gewiß. In jedem menſchlichen, von eis nem ganzen Staat gebilligten Gebrauch, liegt immer etwas zum Grunde, was ih, wo nicht rechtfertigen, boch entjchulbigen läßt.
Ah! beim Tabackrauchen bedenkt ber Statiflifer nur den Taback. Aber, gerechter Gott! das Bergnügen, nach bes Tages getragener Laft und Arbeit, in feiner Familie ruhig und vorbe⸗ reitend zum Purzen Schlaf und ber fi) morgen wieder erneuern» den ſchweren Arbeit, das Kraut abbrennen zu ſehen, das Ge⸗ fhäft des Ausfpudens, und den Erſatz durch theuer erfauften Trunf, die ausrubende Beichäftigung — o großer Gott! das Alles bebenft niemand. Laßt ed bem Armen, ber es einmal bat, ihr, die ihr Alles habt, was ihr wollt, und wechfeln könnt, wie es euch gefällt.
Wenn man einmal Nahrichten von Patienten gäbe, benen gewiffe Bäder und Gefundheitbrunnen nicht geholfen haben, und zwar, mit eben ber Sorgfalt, womit man das Gegentheil thut, e8 würde niemand mehr hingehen, wenigftens fein Kranker,
Wenn jemand etwas ſchlecht macht, das man gut erwar⸗ tete, fo. ſagt man: nun ja, fo kann ichs auch. Es gibt wenige Redensarten, die ſo viel Beſcheidenheit verrathen.
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Wenn bei Meinen Perfonen Alles gehörig ſtark und gut ift, fo find fie gewöhnlich Tebhafter, als andere Menfchen, weil bei gleiher Bluterzeugung weniger Maſſe zu verforgen ift. 8werge und Rieſen find gemeiniglic gleih dumm, weil bei erftern bie Kräfte fehlen, und bei letztern zu viel zu beftreiten ift. Vielleicht fommt e8 noch dahin, daß man die Menfchen verftümmelt, fo wie die Bäume, um befto beffere Früchte bes Geiftes zu tragen. Das Gaftriren zum Singen gehört fehon hierher. Die Frage if: ob fih nicht Maler und Poeten eben fo fehneiden ließen ?
Ich babe einmal, wo ih nicht irre, in Rouffeau’s Emil gelefen, daß ein Mann, ber täglih mit der Sonne aufftanb und mit Untergang berfelben zu Bette ging, über hundert Jahr alt geworden fein fol. Ich glaube aber, wo man eine folde Ordnung in einem Manne antrifft, da find auch mehrere zu vermuthen, und diefe mögen denn die Urfache des Alters gewes fen fein,
Das Alter macht Elug, das ift wahr; dieſes heißt aber nichts weiter als Erfahrung madht Plug Hingegen: Klugheit macht alt, das heißt, Reue, Ehrgeiz, Ärger macht bie Baden einfallen und die Haare grau und ausfallen — das ift nicht minder wahr. Diefe täglichen Lehren mit Büchtigung zwar nicht auf den 9. . ., aber an gefahrlichern Theilen einge⸗ ſchärft, find ein wahres Gift.
Es müßte fehr artig laſſen, wenn man eine ganze Stabt auf eine Wage bauen könnte, das beftändige Schwanfen zu ‚bes merken. . .
Ich glaube nicht, daß es ganz unmöglich wäre, baß ein Menih ewig leben könne; denn immer abnehmen f&ließt den Begriff von aufhören nicht nothwendig in fich, .
Das Künftliche aus dem Sinne fchlagen, ift bei weiten nicht fo viel werth und fo Fräftig wirkend zur Gefundheit, als das Natürliche; denn wirklich ift Erfteres ſchon eine Art von Anftrengung.
Le Baillant bemerft in feinen Reifen in das Innere von Afrifa, daß die Adler auch Aas frefien, und bittet bie Dich» ter der alten und ber neuern Seit um Bergebung, daß er den ftolgen Vogel Jupiter fo ſehr erniedrigt; doch merkt er an, daß er ed nur im Notbfall thue, und was thut man nicht in ber Noth! Der Adler thut alfo, was feine Dichter im Nothfall auch thun würden, er ſchickt fi) in bie Beit. Ja, Jupiter felbft buhlte um Europens Beifall unter einer Maske, in welcher er nichts von. feiner vorigen Pracht beibehielt ald — die Hörner. Unter derfelben Maske buhlt jetzt ein ſtolzer Schriftftellee (3.......n) um den Beifall Germaniens, und es fcheint ihm zu gelingen.
Gin Pabſt (Zacharias, glaube ich) that bie Leute in den
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Bann, bie an Mntipoden glaubten; und jebt könnte ber Fall leicht Tommen, baß einer feiner Nachfolger die Antipoben in ben Bann thäte, wenn fie nicht an die Infallibilität des römi- fhen Stuhls glauben wollten. Wenigftens haben bie Päbſte die Länder von Leuten verfchentt, beren Beine zwar keinen Winkel von 180 Grad, aber doch ſchon einen beträchtlich ſtum⸗ pfen mit ben unfrigen machen. Das ift body auch ein Kortfchritt.
Sihern Nachrichten zu Zolge, wurden im Jul. 1790 Steine von der Baſtille auf ben Straßen von London Pfundweiſe vers Fauft. Das Pfund koſtete mehr, als das beſte Rindfleiſch.
Keine Claffe von Stümpern wird von ben Menfchen mit größerer Nachſicht behandelt, als bie propbetifhen. Wer ſollte wohl benten, daß man ben Kalendern noch glauben könnte, ba fie taufendmal irren, unb es befamnt ift, daß fie bloß aus dem Kopfe, oder allenfalls nad) einem Mobell von einigen borberge benden Jahren bingefchrieben werben? und doch geſchieht es.
Ein 2008 in ber bannöverifchen Lotterie Loftet 18 Thaler, und 30 Grofchen Einfchreibegeld; biefes beträgt täglich eine Auß lage von etwas mehr als 14 Pfennigen; fo viel verfchnapfen manche Menfchen täglich. Wer fi) alfo gewöhnt, Hoffnung zu fhnapfen, und wem biefed gut bekommt, dem wollte ih auf alle Fälle rathen, in bie Lotterie zu feken.
Die befte Art, Lebende und Verfischene zu loben, iſt, ihre Schwadheiten zu entfehuldigen und babei alle mögliche Menſchen⸗ tenntniß anzuwenden. Nur Beine Tugenden angedichtet, - bie fie nicht befeffen haben! das verdirbt Alles, und macht felbft das Wahre verdächtig. Entfhuldigung von Fehlern empfiehlt den Lobenden.
Theoſophie, Aftrologie und eine gewiffe Meteorologie. haben nicht bloß da8 gemein, daß man bei ihrem Studium ſowohl, als ihrer Ausübung die Augen nad) dem Himmel richtet, fondern auh, daß ihre Berehrer immer mehr fehen wollen, als Andere.
Mir thut e8 allemal weh, wenn ein Mann von Talent ftirbt, denn bie Welt bat dergleichen nöthiger, als der Himmel.
Es iſt eine fehr weislihe Kinrihtung in unferer Ratur, daß wir fo viele Außerft gefährliche Krankheiten gar nicht füh⸗ len. Könnte man ben Sclagfluß von feiner erfien Wurzel an verfpüren, er würde mit unter bie chroniſchen Krankheiten ge rechnet werben. ‚
Wie wenig Ehre es einem Maler macht, Thiere durd feine Gemälde zu täufchen, davon :hatte ich einmal einen auffallen⸗ den Beweis: mein Nothfehlchen hielt das Schlüſſelloch einer Commode für eine Kliege, flog einigemal darnach und ſtieß ng beinahe den Kopf darüber ein.
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Seitdem er die Obrfeige befommen batte, dachte er immer, wenn er ein Wort mit einem O fah, ald Obrigkeit, es heiße Ohrfeige.
Das Pulver, wovon in einer Stelle aus dem Morhof in Leſſing's Collertaneen (Th.1. S. 89) unter dem Artikel Petrus Arlensis de Scudalupis gerebet wird, und das Leffingen an das bölifche Feuer erinnert, ift wohl gewiß das Knallgold geweſen.
Schlecht disputiren iſt immer beſſer als gar nicht. Selbſt Kannengießern macht die Leute weiſer, wenn gleich nicht in der Politik, doch in anderen Dingen; das bedenkt man nicht genug.
Wenn jemand in Cochinchina fagt: Doji (mich hungerthh, fo laufen bie Zeute, als wenn es brennte, ihm etwas zu eſſen zu geben. In manden Provinzen Deutfchlands könnte ein Dürftiger fagen: mi hungert, und es würbe gerade fo viel beifen, als wenn er fagte: Doji.
Bei dem Verluſt von Perſonen, bie uns lieb waren, gibt es feine Linderung, als bie Zeit und forgfältig gewählte 3er: ftreuungen, wobei uns unfer Herz Feine Vorwürfe machen kann.
Die Urfadhe der Seekrankheit fol, wie Briſſot de War—⸗ pille fagt, noch nicht recht befannt fein. Ich glaube, fie rührt
von ber zufanmengefekten Bewegung bed Blutes ber, an bie man fich erfti gewöhnen muß. Denn ich babe allegeit bemerkt, daß die unangenehmfte Bewegung bie ift, dba man nad) einem fahften Auffteigen des Schiffes wieder zu finfen anfängt, wo denn unftreitig nicht bloß das Blut nad) dem Kopfe, fondern au ber Kopf dem Blute entgegen gebt.
Es ift doch beſonders, daß e8 in nalen Ländern fo viele Menfchen gibt, die Weltmafchinen verfertigen. Auch in Bofton fand fi, wie Briffot erzählt, ein gewifler Pope, ber über 10 Jahre an einer zugebradht hatte. Eine unnügere Arbeit läßt fih wohl sicht gedenken. Vaucanſons Flötenfpieler, der die Flöte wirklich bläft, geht weit darüber. Einen läppifchern Gebrauch kann wohl ber Menfch von feinen Seelenträften nicht machen, als wenn .er die Weltmafchine durch ein Räderwerk darzuftellen ſucht, das immer zur Familie der Bratenwender gehört und daran erinnert. Schon eine vergoldete Sonne, die auf einem Zapfen ruht, ift etwas Ab⸗ fcheuliches; und die Schwere durch Stangen zu repräfentiren, an die man die Planeten fpießt, hat viel Ähnlichkeit mit dem Ginfal bes Shakefpear, den Mondſchein durch einen Kerl vorzuftellen. Wenn die großen Herren, die body nur allein dergleichen Poffen bes zahlen konnen, fo etwas fehen wollen, fo können fie auf einem freien Platz die Sache dur ihre Hofleute und Hoflafaien bar» ftellen laſſen, und bie Rolle der Sonne felbft Übernehmen.
Ich glaube, der befte Copiſt und Zeichner würde einen Kopf
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oder eine Figur nicht gut treffen Eönnen, wenn. fie ihm verkehrt vorgelegt würde, unb unter ber Bedingung, weber das Original, noch feine Copie während ber Arbeit, gerade vor ſich hinzulegen. Man fieht alfo, was ber Künftler thut, ber ein Geficht copitt: er lieft beftändig im Ganzen, und mit dem Geifte dieſes Gans zen vor Augen, thut er manden Strid in der augenblidlicdhen Begeifterung, wenn ich fo reden darf, wovon er nichts weiß, und ſo wird die Copie ähnlich. Man wird finden, daß dieſes Leſen im Ganzen, dieſes Zuſammenfaſſen bei jedem Unternehmen nöthig iſt, und dem Mann von Genie von dem gemeinen Kopfe unterſcheidet. So ſind bei dem Commando von Armeen, bei Anlegung großer mechaniſcher Werke, bei großen Finanzopera⸗ tionen oft die tiefſten Theoretiker die elendeſten Ausführer. Sie haben immer das Detail zu ſehr vor Augen, und dad Unge— meine, das neu Entdedte und Schwere, und vergefien darüber das Leichte, Alltäglihe, das immer, ober boch in den meiften Fällen das Hauptfählichite ift. «Hier fällt mir der Mas thematifer ein, ber gegen eine Mafchine, bie ben Weg bes Schiffee auf der See zeichnen follte, nichts einzumenden hatte, als daß die Beichnung wegen der Ausdehnung des Papiers trügen könne.
Sich durch plögliche Umänderung ohne Erklärung gegen bie, die es eigentlich angeht, ein gewiffes Air von Wichtigkeit zu geben, ift ein fehr gemeines Verfahren im Cheftande, Jammer und Elend, wo e8 in Regierungen Statt findet }
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Gewiſſen Menſchen iſt ein Mann von Kopf ein fataleres Geſchöpf, als der declarirteſte Schurke.
Ich habe mir die Zeitungen vom vorigen Jahre binden laſſen, es iſt unbeſchreiblich, was für eine Lectüre dieſes iſt: 80 Theile falſche Hoffnung, 47 Theile falſche Prophezeihung und 3 Theile Wahrheit. Dieſe Lectüre hat bei mir die Zeitungen von dieſem Jahre ſehr herabgeſetzt, denn ich denke: was dieſe ſind, das waren jene auch.
Wenn bie Fiſche ſtumm find, fo find dafür ihre Verkäufe⸗ rinnen befto berebdter.
Wir leben in einer Welt, worin ein Narr viele Rarren, aber ein weifer Mann nur wenige Weiſe macht.
Pantheon ber Deutfchen.
Sch babe au vor Newtons Grabmal in Weflminiter« abtei geftanden; ih habe Shakeſpears Denkmal, vermifcht mit denen von großen Helden angefehen; allein ic muß befen- nen, vielleicht zu meiner Schande, baß ber Eindrud fehr ges -mifcht und eigen war. Ich konnte mich unmöglich überzeugen, daß Newton und Shakefpear dadurdy geehrt würden, fonbern, wenn ich mich in ber Erklärung meines Gefidhts nit irre, fo war e8 mir, als fländen dieſe Denkmäler da, bie übrigen zu ehren, und bem Plaß Ehre zu verfchaffen. Es war mir unmög«
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lid, mid von biefem Gefühl los zu machen. — Was könnte es helfen, jetzt Lutbern in einem beutfchen Pantheon aufzu⸗ ftellen? Sol das zur Ehre Luthers fein? Unmöglih, es ift zur Ehre des Pantheons. Wenn ja eine folche Anftalt nützen fol, fo müffen Männer aufgeftellt werben, deren Thaten ohne Slanz groß waren; Männer, bie fich bloß durch Handeln um Baterland und Nebenmenfchen verdient gemacht haben — ein Scriftfteller, als folder. Ein Schriftfteller, ber zu feiner Ber: ewigung eine Bildfäule nöthig bat, ift auch dieſer nicht werth.
Wenn ber Menfch die Nägel nicht abfchnitte, fo würden fie unftreitig fehr fang wachſen, und er dadurdy zu allerlei Verrich⸗ tungen ungefchidt werden, bie ihm jest Ehre machen. Diefe Berftümmelung ift alfo unftreitig von großem Nutzen geweſen. Sch babe daher immer das Nägelabfauen als einen Inftinct bes trachtet, fih auszubilden. Daher faut man an den Nägeln bei einer epinöfen Frage oder überhaupt bei einem ſchweren Problem. Wenn ſchon dadurch nidht viel ausgerichtet wird, fo wird doch Per- feetibilitätstrieb geübt; nun wirft fih die gefammelte Kraft, wenn fie ih an einem Ende zu ſchwach fühlt, auf einen andern Theil.
Der Gehalt, das ſpecifiſche Gewicht des Geiftes und ber Talente eines Menſchen ift deſſen abfoluter Werth, multiplicirt mit der mittlern Wahrfcheinlichkeit feiner Lebensdauer ober fei« ner Entfernung vom gewöhnlichen Stillftand der Fortfchritte. — Sehr verſtändlich, für mich. wenigftens.
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In England warb vorgefchlagen, die Diebe zu caftriren. Der Vorſchlag ift nicht Übel: die Strafe ift fehr hart, fie macht bie Leute verächtlih, und doch noch zu Gefchäften fähig; und wenn Steblen erblich ift, fo erbt e8 nicht fort. Auch legt der Muth fh, und ba ber Gefchlechtstrieb fo häufig gu Diebereien verleitet, fo fällt auch biefe Beranlafjung weg. Muthwillig bloß ift die Bemerfung, daß bie Weiber ihre Männer deſto eifriger vom Stehlen abhalten würden; denn fo wie die Sachen jetzt ſtehen, riskiren ſie ja, fie ganz zu verlieren.
Die Jahre ber zweiten Minorennität, das find böfe Deiten, wenn fie anfommen. Bei Schriftftellern übernimmt das Pub⸗ likum alsdann gemeiniglih die Vormundſchaft. Abnahme des Gedächtniſſes, graue Haare, Wegfchleihen der Zähne, und Lob der Zeiten, wo das Fleifch noch weicher gekocht wurbe, find die ficheren Kennzeichen, daß fie eingetreten find. Wohl dem alsdann, der auf guten Grund gebaut hat.
j Gartefius fagt in einem Briefe an Balzel (European Maga- zine Febr. 1795 p. 85.), daß man bie Einfamkeit. in großen Städten fuchen müffe, und er lobt fi) dazu Amfterdam, von wo ber Brief datirt if. Ich fehe auch wirklich nicht ein, warum nicht Börfengefumfe eben fo angenehm fein fol, als das Raus fchen des Eichenwaldes; zumal für einen Philoſophen, der Feine Handelsgeſchäfte macht, und zwifchen Kaufleuten wandeln kann, wie zwiſchen Eichbäumen, da die Kaufleute ihrerſeits bei ihren
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Gängen und Gefchäften fih fo wenig um den müffigen Wand⸗ ler befümmern, als die Eihbäume um den Dichter.
Seit der Erfindung der Schreibefunft haben bie Bitten viel von ihrer Kraft verloren, die Befehle hingegen gewonnen. Das ift eine böfe Bilanz. Gefchriebene Bitten find leichter ab⸗ geſchlagen, und gefchriebene Befehle leichter gegeben, al® münd« liche. Bu beiden ift ein Herz erforderlich, das oft fehlt, wenn der Mund der Sprecher fein foll.
Es ift doch fo ganz modern, einen Afchentrug oben über ein Grab zu fegen, während der Körper unten in einem Kaften fault. Und diefer Afchentrug ift wieder ein bloßes Beichen eines Aſchenkruges; es ift bloß der Leichenftein eines Aſchenkruges.
Nach dem Menfchen kommt in dem Syſtem ber Boologen ber Affe, nach siner unermeßliden Kluft. Wenn aber einmal ein Linne die Thiere nad ihrer Glüdfeligkeit, oder Behaglichkeit ihres Zuſtandes ordnen wollte, fo kämen doch offenbar manche Menſchen unter die Müllerefel und die Jagbhunde zu fleben.
Es macht allemal einen fonderbaren Eindrud auf mid, wenn ih einen großen Gelehrten, oder fonft einen wichtigen Mann febe, dabei zu denken, daß doch einmal eine Zeit war, ba et den Maikäfern ein Liebehen fang, um fie zum Auffliegen zu er: muntern,
Aus dem Bittern, wenn man fchwad wird, follte man faft glauben, die Wirkung unfers Willens auf unfern Körper ges fhähe ftoßweife, und bie Stetigkeit in ben Bewegungen verbalte fih zum Bittern, wie ber Kreis ober die Prumme Linie zum Polygon. Man kann in jedem Alter, glaube ich, wigig fein, nur geht ed nicht immer in einem fo fleten Strom, wie in ber Jugend; man zittert ba. Sammelt man aber die Bemerkun: gen, und nimmt bie Zwifchenräume meg, fo kann ber Lefer bie Abnahme der Kräfte nicht bemerken. Ich mag thun, was ich will, fo kann ich e8 nicht ohne Zwiſchenräume — ich zittere überall. Zittern ift Anfirengung und Ausruben in fchnellen Ab» wechfelungen verbunden.
Bor einigen Tagen. las id, baß ein Prediger im Lüttichi= fen, wo ich nicht irre, ber. 125 Jahr alt war, von feinem Biſchofe gefragt worben wäre, wie er ed angefangen hätte, fo alt zu werben. Ich habe mich, war die Antwort, des Weins, ber Weiber und bes Zorns enthalten. Hier ift nun, wie mid dünkt, die große Frage: wurde ber Mann fo alt, weil er fi jener Gifte enthielt, ober weil er ein Temperament befaß, das es ihm möglich machte, ſich jener Gifte zu enthalten ? Ich glaube, es ift unmöglich, nicht für das Letzte zu flimmen. Daß ſich mit jenen Giften jemand das Leben verkürzen kann, und zwar fehr ftarf, ift Bein Beweis, daß man fi) das Leben verlängert, wenu man fich ihrem Gebrauch entzieht. Wer bas Temperament nicht bat, würde, wenn er ſich des andern Geſchlechts enthielte, ges
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wiß fein Leben damit nicht verlängern. — Eben fo iſt e8 mit der Sage, baß bie wahren Ghriften immer rechtfchaffene Leute find. Es bat lange rechtfchaffene Menfchen gegeben, ehe Chri⸗ fien waren, und gibt Gottlob! auch da noch welche, wo Feine Chriſten find. Es wäre alfo gar wohl möglich,. daß bie Leute gute Chriften find, weil das wahre Chriftentbum basjenige von ihnen fordert, wa8 fie auch ohne baffelbe gethban haben würden. So⸗ Prates wäre gewiß ein fehr guter Chrift geworden.
Wenn ein Prediger merkt, daß feine Zuhörer nicht aufs merkfam find, fo müßte er es machen, wie ein gewifjer Dr. Alymer, Bifhof von London. Als diefer fand, daß ber größte Theil feiner Verſammlung fchlief, fing er auf einmal laut an in einer bebräifchen Tafchenbibel zu leſen, bie er bei fi) hatte. Sogleich wurde Alles aufmerffam. Da fing ee an: „waß feib ihr doch für feine Leute! ihr feid aufmerffam, wenn ich euch etwas vorlefe, wovon ihr Fein Wort verfteht, und fchlaft, wenn ich mit euch in eurer Mutterfprache. von. Dingen rebe, auf denen das Heil eurer Seele beruht. (Universal Magaz. Oct. 1797. p. 284.)
Iſt e8 nicht abfcheulih, daß fi der Menſch gewöhnt hat, zur Nahrung oder zur Befriedigung feiner Leckerhaftigkeit Dinge zu wählen, die von feiner eigenen Gartenmauer an gerechnet, ein Paar taufend Meilen entfernt wahfen? Warum tractiren reiche Juden bei ihren Tractamenten nidt mit Wafler aus dem Jordan, oder mit dem Honig und ber Milch, die in ihrem. Baterlande flieht ?
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Das größte Geheimniß, das fo viele Menfchen erfahren haben, und noch fo viele beiderlei Gefchlechts erfahren werben, das man gewöhnlih an öffentlihen Plägen erfährt, das aber noch nie jemand ausgeplaubert hat, noch je ausplaubern wirb — bie Empfindung, wenneinember Kopfabgehbauenmwirb.
Wie viel .in der Welt auf Vortrag ankommt, kann man fhon daraus fehen, daß Kaffee aus Weingläfern getrunken, ein ſehr elendes Getränk iftz ober Fleiſch bei Tifche mit ber Schere gefchnitten, oder gar, wie ich einmal gefehben habe, Butterbrot mit einem alten, wiewohl fehr reinen, Schermeffer geſchmiert — wen würde das wohl bebagen? -
Sch weiß von guter Hand, baß feit ber evolution ber re⸗ ligiöfe Sfepticismus gar. nit mehr unter ben Menfchen von Rang und Familie in Frankreich Statt finden fol, worin er ehemals berrfchte. Man bat beten gelernt. Diele Damen, bie fonft nichts davon wiffen wollten, find nun ganz pour la reli- gion de nos peres. Man glaubt aber doch auch, daß fie etwas mehr dabei gedacht, und auch das gouvernement de nos peres gemeint hätten.
Hat wohl jemand je den Einfall gehabt, die Afopifchen Gabeln durch Ihiermarionetten vorzuftelen? Wenn die Thiere gut gezeichnet wären, fo könnte es wohl eine herumziehende Truppe ernähren.
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Das große 2008 in ber Erfindungslotterie dee Menfchen ift Gottlob ! noch nicht gezogen. Wer ed gewinnen wird, läßt fi freilich nicht fagen; aber fo viel feheint gewiß zu fein, baß es fein Compilator und aftronomifcher Conflabler gewinnen wird.
In Nr. 372 des Reichsanzeigers von 1798 ſteht wieder et⸗ was von ber — — ) Hermetifchen Gefellfchaft. Ein rechtes Mufter von Dummheit, Stolz und an Wahnfinn grängendem Mangel an Menfchenkenntniß und Philofopbie.
Es erleichtert die Correfpondenz, wenn man weiß, baß ber Correfponbent eine fhöne Frau hat.
Ich habe in meinem Leben eine ganz beträchtlihe Menge fehr alter Perfonen gefehben, kann mich aber nicht erinnern, je eine gefehen zu baben, bie fiar® podengrübig gewefen wäre. Was ift die Urfache? Unſtreitig wirb es eine von folgenden breien fein müfjen. Entweder ſolche Leute erreichen Bein hohes Alter; oder durch das Sufammenfchrumpfen der Haut verlieren fih die Podengruben größtentheild; oder enblih, ba überhaupt nicht febr viele Menfchen fehr alt, und ebenfall8 nur wenige ſtark von den Poden gezeichnet werden, fo könnte es leicht fein,
*) Hier ftand im Mfpt. ein fehr derbes Epitbeton, das wir, nicht aus Schonung für die faubere Gefellfhaft, fonbern für und felbft ausgelafien haben.
185 baß biefe zwiefache Seltenheit bie Urſache wäre, warum es einem Menfchen von 50 bis 60 Jahren begegnen könnte, Peinen poden- grübigen Alten gefehen zu haben. Diefe britte Urfache fcheint mir bie wahrſcheinlichſte. Indeſſen follten mehrere Menſchen eine ähnliche Bemerkung gemacht haben, fo verdiente doch bie Sache vieleiht Aufmerkfamteit.
So angenehm bie Muſik dem Ohre ift, wenn es fie bört, fo unangenehm ift fie ihm oft, wenn man ihm bavon
vorſpricht.
Spielen iſt ein ſehr unbeſtimmtes Wort, oft wird etwas eine Spielerei durch den ſchlechten Gebrauch, den man von einer Sache macht. Es gibt Leute, die ſogar mit den allerheiligſten Dingen ſpielen.
Die geſchnitzten Heiligen haben in ber Welt mehr ausgerich⸗ tet, als die lebendigen.
Die verfchiebenen Arten von Yulfen, ihrer Geſchwindigkeit fowohl, als ihrer Härte nah, müßte ſich durch eine Mafchine, buch fchwingenbe Darmfaiten von verfihiebener Dide und Span⸗ nung deutlich ‚machen laffen. So etwas ließe fi in Collegien gebrauchen.
Mus was für Urſachen werben bie Hechte von heißem Eſſig
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blau, die Krebſe im Kochen roth, das grüne Wacheuch unter Vaſſer bel u. ſ. w.?
Sollten ſich Gerüche mot durch dohiwpiegel concentriren laſſen?
Würde ein Öltropfen auf unſere Erdkugel fallen, wenn fie sarız aus Waſſer beftände ?
Könnten nicht in den Hirnhöhlen durch Zerſetzung ber Dämpfe, die nothwendig bisweilen Statt finden muß, allerlei Ungemäd« lichkeiten entftehen: Gewitter, Regen, Thau? fo etwas wäre wirklich möglid; find ja Dämpfe auch die Urſache ber Erdbeben.
Wie hängt eine bekannte Erfahrung, daß Leute in ber Dämmerung befjer fehen, ald am Tage, mit einer andern zu⸗ fammen, daß manche Taube befjer im Lärm hören?
Hat man Beifpiele von taubgebornen Thieren? Taubge⸗ borne Hunde möchten wohl ſchwerlich ſtumm fein.
Hat man wohl je unterfuht, warum bie Nafen gefunder Hunde fo kalt find? Cs könnte leicht die Abfiht haben, baf fi! manche Gerüche leichter darauf niederfchlügen.
Sat man wohl präcife Berfuche darüber, daß Mil bei
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einem Donnerwetter gerinnt? und ift biefes ber Fall, mie wird es am natürlichften erflärt ?
’ Ob wohl ein Hund Eönnte abgerichtet werben, einen mag.
netifchen Stahl von einem anbern zu unterfheiden? Der Ge braud von ber Hundesnaſe ift wohl noch nit ganz gemarht worden, ber fi) davon machen ließe. Erdbebenpropheten find die Hunde, wie auch einige andere Thiere.
Sollte ed wohl in Abſicht auf das ganze Weltfgfiem ober felbft die Firfterne fo etwas gehen, wie Wetter, Witterung, Wetterſeite?
Ich bin manchmal faſt geneigt, zu fragen: gibt es in der Welt noch etwas Anderes, als Waſſer? J—
Wozu ift das Stroh.gut? Iſt es wohl wahr, was ich oft gehört habe, daß die Hunde nicht ſchwizen; und wenn es wahr iſt, was läßt ſich für ein
phyfiologiſcher Grund angeben?
Was würde eine Nachtigall machen, der man um die Schlagezeit die Ohren zuklebte?
Iſt es nicht ſonderbar, daß man die Geometrie mit einem
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befondern Falle anfängt, mit ber Lage ber Linien auf Ebenen? Leicht mag dieſes fein, ob es aber wiſſenſchaftlich iR, ift eine andere Frage. Es müßte doch fürwahr bie Möglichkeit einer Ebene erwiefen werben. Ich fürdte nur, wenn man bie Phi⸗ loſophie der Nathematik zu weit treibt und fie zu weit von dem gemeinen Menfchenverfiand wegrüdt, fe wirb fie im Ganzen verlieren.
Ob die Muſik bie Pflanzen wachſen mache, ober ob es unter den Pflanzen welche gebe, die muſtkaliſch find ?
Bir können ein Hirſenkorn ungeheuer vergrößern; aber eine Sekunde Zeit fönnen wir zu Feiner Minute und zu Peiner Biertelftunde machen. Das wäre vortreffiih, wern man das Fönnte! Allein man ſucht mehr die Zeit zu verkleinern, fo follte man fagen, flatt verfürzen.
Es ift fehr weife, daß die Fifche ſtumm find ; denn ba das Waſſer den Schall fo außerorbentlich fortpflanzt, fo würden fie ihr eigenes: Wort nicht hören. Ich glaube, eines der größten Unglüde, das bie Welt befallen Pünnte, wäre biefe®, daß die Luft den Schall ungefhwädht zwanzig Meilen weit fortpflanzte.
189 Nachtrag zu Allerband.
Die Efel haben bie traurige Situation, worin fie jet in der Welt Ieben, vielleicht nur dem witzigen Ginfalle eines lofen Menfchen zu danken. Diefer ift Schufd, daß fie zu dem ver- achtetften Thiere geworben find, und biefes auch wohl bleiben werden, und gewiß gehen viele Eſeltreiber nur deßwegen mit ihren Eleven ſo fürchterlich um, weil es Eſel, nicht weil es träge und langſame Thiere find.
Wenn man einmal in der Welt anfangen wollte, nur das Nötbige zu thun, fo müßten Millionen Hungers fterben.
Gin paar Dusend Millionen Minıften machen ein Leben von 45 Jahren, und etwas darüber.
Eine Uhr, die ihrem Befiter immer um %, zuruft: Du...; um balb: Du bift..; um %: Du bift ein.; und wenn e8 vol fhlägt: Du bift ein Menfd.
Wie werden einmal unfere Namen hinter bem Grfinder des liegend und dergl. vergeffen werden!
190 Die Sympathieen ſind gewiß nicht alle zu verwerfen. Viel⸗ leicht finden wir einmal bie Urſachen dazu. Sie find vielleicht. Reſte von den verlorenen Wiffenfchaften einer andern Generation Menfchen.
Gelegenheit macht nicht Diebe allein, fie macht auch be fiebte Leute, Menfchenfreunde, Helden. Bon bem Ginfalle, ben ein Witiger hat, gehört mehr als die Hälfte dem Dumme Popfe zu, ben e? traf.
Wie nahe wohl zumeilen unfere Gedanken an einer großen Entdeckung hinſtreichen mögen.
Die Orakel haben nicht ſowohl aufgehört zu reden, als vielmehr die Menfchen ihnen zuzubören.
Wer eine Wiffenfchaft noch nicht fo ‚inne hat, daß er. jeden Berftoß dagegen fühlt, wie einen grammaticalifhen Fehler in feiner Mutterfprache, der bat noch viel zu lernen.
In ben Bibelerflärungen kommt mir Bieles vor, wie in den Erklärungen der Figuren in der Baumannshöhle.. Man hat da betende Jungfrauen, Taufſteine, Pathen, Mönche, Rinds⸗ zungen, Säulen, Eierftüde, Himmelfahrt Chrifti, Pauken u. |. w. Man muß aber gemeiniglich fhon wiffen, was e8 fein foll, um e8 darin zu erfennen.
Sch babe einmal in einem ökonomischen Schriftſteller fol genden Einfall gelefen, der fehr artig if, und auch auf menſch⸗ lihen Umgang angewandt werden könnte. Unter allen Vögeln, fagt der Berfaffer, feheinen bie Sperlinge die größten Vertrau⸗ ten ber Bauern zu fein, und feine Art wird von Bauern fo fehr gehaßt als dieſe.
Der Schwarze Mann ber Kinder gehört mit in bie Klafie von Erfindungen, worin die Höllenftrafen fiehen. Es ift, glaube ich, nicht möglich, den Aberglauben auszurotten.
Die Neigung der Menfchen, Eleine Dinge für wichtig zu balten, bat fehr viel Großes hervorgebracht.
Einer glaubt genauen Umgang mit Käftner gehabt zu haben, und am Ende mars ber Waifenhauspräceptor Keftuer zu Göt— tingen.
Warum fann jedermann ohne Vorwurf von Stolz fügen: ih bin ein ehrlicher Mann, aber nicht: ich bin ein Mann von Genie, oder ein wißiger Kopf? Iſt etwa jenes weniger, oder ſchimpft das Wort Spigbube nicht fo viel als Dummkopf? Und doch dürfen Necenjenten ed den Leuten nicht allein in das Geficht fogen, daß fie Dummköpfe jind, fondern e8 ihnen fogar auch beweiſen.
Es gibt Leute, die das r wie ein mw audfprechen, fie find
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mir unerträglih. 3.9. Fwiction, Swage, Bweite, flatt Fric⸗ tion, Zrage, Breite.
Eo viel iR audgemadt, die chriſtliche Religion wirb mehr von ſolchen Leuten verfodten, bie ihr Brot von ihr haben, als folden, die von ihrer Wahrheit überzeugt fund. Man muß bier nicht auf gebrudte Bücher fehen, das if dad Wenigſte, bie belommen Tauſende nicht zu lefen, ſondern auf bie Perſonen, die täglich an ihrer Aufrechterbaltung fchnigeln und ſtümpern, und auf Univerfitäten vom Freitifde an dazu erzogen und ver zogen werben. “
Es ift doch fonderbar, daß wir fo viele Mittel kennen, eine Krankheit zu befördern, und fo wenige, fie zu heilen.
Den Efel macht feine Ähnlichkeit mit dem Pferde nur defto lächerliher, aber das Pferd wirb nicht lächerlich durch den Eſel.
Ein Geſchöpf höherer Art läßt bie ganze Geſchichte der Welt repeticen, fo wie man bie Uhren repetiren läßt.
Es mag ein Einfall noch fo einfältig fein, er regulirt immer etwas und berrfcht irgendwo. Das Gefiht im Monde herrfcht in unjern Kalenderzeichen.
are
Die Leihenöffnungen können biejenigen Fehler nicht ent» decken, die mit dem Tode aufhören.
Es wird gewiß in England des Jahre noch einmal fo viel Portwein getrunken, als in Portugal wächſt.
Die Luſtbarkeiten, wobei man in bie Höhe fehen muß, find immer angenehmer, ald eine, wobei man geradeaus fiebt. Or. Blanchard ſollte Muſikanten mit in die Höhe nehmen.
Man wirft ben Corporationen ber City of London vor, daß fie aus Leuten befteben, die meiftens als Individuen fehr würdige Männer find, aber in corpore gewöhnlich fehr einfäl⸗ tige Streiche machen. Gerade wie unfere Aheologen.
Die Welt jenfeit der gefchliffenen Gläſer ift wichtiger, als die jenfeit der Meere, und wird vieleicht nur von ber jenfeit bes Grabes übertroffen.
—n — 1 Ih möchte wohl ben Titel des lekten Buches wiſſen, das gedrudt werden wird, Original verfteht fi), nicht Auflage.
Was man fehr prädtig Sonnenfläubdhen nennt, find bo eigentlih Dredftäubchen.
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Wenn der Menſch, nachdem er 100 Jahre alt geworden, II. 13
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wieder umgewendet werben könnte, tie eine Sanbuhr, und fo wieder jünger würbe, immer mit der gewöhnlichen Gefahr, zu fitrben; wie würde e8 da in ber Welt ausfehen ?
Ein untrügliches Mittel wider das Sahntmweh zu erfinden, wodurch es in einem Augenbli& gehoben würde, möchte wohl fo viel werth fein und mehr, als noch einen Planeten zu ent: beden. | |
Jedes Zeitalter hat eine Menge Eigenheiten, bie die Nach⸗ welt mit Vergnügen aufgezeichnet fehen würde, und bie viel zu fein für den Gefchichtfchreiber find, die immer wechfelnden Thor: beiten der Beit ıc. Für diefe ift Hogarths Grabſtichel das befte Medium fie aufzubewahren. Wer in aller Welt kann einen Parlamentswahlfhmaus, oder eine Midnight conversation fo fhildern, wie er gethban bat, und wie lehrreidy kann nicht eine ſolche Schilderung gemacht werden !
Wie viele Menfhen mag mohl bie Bibel ernährt haben, Commentatoren, Buchdruder und Buchbinder?
In England wird ein Mann der Bigamie wegen ange FMagt, und von feinem Advoraten badurch gerettet, baß er be:
wies, fein Client babe drei Weiber.
Es iſt ein Glück, daß die Gedankenleerheit keine ſolche
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Folge bat, wie bie Luftleerheit, denn fonf würden manche Köpfe, bie fi an die Lefung von Werken wagen, welde fe nicht verftehen, zufammengebrüdt werben.
Man wirft oft den Großen vor, daß fie fehr viel Gutes hätten thun können, das fie nicht getban haben. Sie könnten antworten: Bedenkt einmal das Böfe, das wir hätten thun fönnen, und nicht gethan haben.
Die Buchdruckerkunſt ift doch fürwahr eine Art von Mef: ſias unter den Erfindungen.
Wenn Noth die Mutter des Zleißes oder der Erfindung ift, . fo ift e8 eine Frage, wer ber Vater, oder die Großmutter, oder die Mutter der Noth ift.
Jeder Menfch erhält bei feiner Geburt ein Loos in der gros gen Lotterie der Erfindungen, in welcher wohl gewiß am Ende des Jahrs 1798 das größte Loos noch nicht gezogen war. '
Als am Sten Ortober 1796 die Stadt Andreasberg auf dem Harze durch den Blig größtentheild abbrannte, wollten bie Leute dem Mann, in deffen Haufe der Blig eingefhhlagen hatte, Fein Obdach geben, weil er ein Böfewicht fein müffe, indem Gott feinen Zorn zuerft über ihn ausgelaffen babe.
13 *
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Man führt gegen den Wein nur bie böfen Thaten an, zu denen er verleitet, allein er verleitet auch zu Hundert guten ,. bie nicht fo bekannt werden. Der Wein reist zur Wirkſamkeit, bie Guten im Guten, und die Böfen im Böfen.
rag mente
1.
Lorenz Efchenbeimers empfindfame Reife nah Laputa.
Schreiben des Hrn, Vxs-4 dxs ddy Trullrub, Älteſten der Akademie zu Lagoda, das Empfindſame im Reiſen zu Waſſer und zu Lande und im zu Hauſe Sitzen betreffend. Aus dem Hochbalnibarbiſchen überſetzt
von
M. S.
Vorrede bes Überfegers. Die gelebrte Welt bat es bekanntermaßen fchon längft und mit Recht bedauert, daß ber berühmte Lemuel Gulliver bei feis nem Aufenthalt in Laputa und Lagoda ſich nicht mehr bemüht
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bat, eine genauere Verbindung zwifchen ber bafigen Akademie und irgend einer europäifchen zu fliften, da er die vortrefflichite Gelegenheit dazu hatte. Anderer Vortheile zu gefchweigen, will ih jest nur bie einzige Univerfallurbelmethobe er: wähnen, die durch bie neuern Bemühungen einiger beutfchen Gelehrten viel gefhwinder zur Vollkommenheit hätte gehracht werden können, babingegen unfer bereitö eingeführter Infular- univerfalismus wieber durch jene geiwonnen haben würde. Defto größer ift, glaube ih, alfo ber Dienft, den ich ber gelehrten Welt erzeige, indem ich ihr die Nadıricht ertheilen Fan, baß wirklich unlängft etlihe @remplare Transartionen ber Akademie zu Laputa von bem Häringsfiiher Hans Puyt in Amfterdam, ber bahin verfhlagen worden, aufgekauft und nad Europa gebracht worden find, wovon ich mir mit vieler Mühe endlich eines verſchafft habe. Der Leſer witd kaum glau⸗ ben, was für Muͤht es mid gekoſtet hat, alle die Sachen zu entziffern, da mir außer den wenigen Worten, die uns Gulli⸗ ver erklärt hat, und einiger andern, die eine Ähnlichkeit mit dem Japaniſchen haben, welche Sprache ich verftehe, fonft nichts befannt war. Unterdeſſen And Ainmehr alle Schwierigkeiten gehoben, und ich werde nächſte Iubilatemefje im Stande fein, einen Band bavon in beutfcher Sprache zu liefern. Sch babe bier eine Probe mit folgender Abhandlung machen wollen, nicht weil fe mir vorzüglich gefallen Hat, fondern weil fie noch vor Michaelis abgedrudt werden Tonnte, und außerdem zeigt, wie jene Männer and in einer Sache ſchon vor einigen Jahren ges
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dacht haben, woron bie Engländer fih für bie Erfinder, und die Deutfchen für die Berbeſſerer ausgeben.
Ehe ich fchliefe, muß ich mich noch über bie vielleicht zu freie Überſezung einiger Wörter erklären. Hauptſächlich habe ich die Worte Vtzocknu lomnar? immer dur‘ empfindfame Reife überſezt. Das Wort tzoc heißt eigentlih: fich mit Gewalt zum Bredhen zwingen oder mit Gewalt und aufeine unnatürlide Weiſe etwas von ſich geben. Wenn es aber mit dem Wurzelzeichen fleht, fu wird es allezeit im moralifhen Berftande genommen. So beißt zef ein küh— ler Wind, Vzef ein Schmeichlerz lull ein Chamäleon, Vlull 2ebensart; zomn ein Bär, V zomn ein Kriticus, viele andere zu gefchweigen. Ich kehre nun wieder zu meinem Wort Vtzocknu zurüd: knu heißt überhaupt Alles, was eine Wirkung der Seele ift, als Betradhtungen und bergleichen. Lomnar bedeuten Reifen, und die Bedeutung des kleinen Er: ponenten am Ende wird Holgendes erläutern können. Es ift befannt, baß ber balnibarbifhe Hof nicht eigentlich in Balni- barbi, fondern auf Zaputa (der fliegenden Infel) iſt. Die Sprache ber Infel ſtimmt mit der Sprache in Balnibarbi meiftentheifs überein, nur daß jene feiner iſt. Ich babe fie deßwegen auf bem Titel zum Unterfchiede die hoch balnibarbiſche genannt. Etlihe Wörter aber haben demungeadhtet am Hofe und auf ber Infel eine andere Bedeutung als in Balnibarbi. Daher pflegt man eine Pleine an das Ende des Worts zu fegen, wenn man zwar hochbalnibarbifch fehreibt, aber ein gemiffes Wort in der
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nieberlänbifhen Bedeutung bes gemeinen Volks genommen haben will. Es ift zum Erflaunen, wie verfchieben zumeilen bie Be beutungen ber Wörter find. 8. 8. zorr heißt ein artiges $rauenzimmer, und zorr® eine Hure; molom ein Ge lebrter, molom® ein Schwätzer.
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2. Beiträge zur Gefchichte des ***
Gegen das Ende des erſten Jahrhunderts wurde mitten in dem Sitze des guten Geſchmacks und der Gelehrſamkeit (die Studenten der damaligen Zeit nannten e8 Tiber-Athen) ein Geſchöpf geboren, das ausjah wie andere Menfhen. So viel uns auch die Gefchichtfchreiber bier und da von feinen Gemüths⸗ gaben fagen, fo ift doch Alles, was fi aus ihren Nachrichten von bem Geſchlechte deffelben fchließen läßt, fehr unſicher und widerfprechend.. Man müßte benn daraus, daß ed in fpätern Jahren einen weiblichen Ramen annahm, fehließen wollen, daß es zum ſchoͤnen Geflecht gehört hätte, welches aber durch ans bere männliche Berrichtungen, bie e8 nach bem Zeugniß einiger Schriftſteller unternahm, wieder unwahrfcheinlid gemacht wird, wenn ich nur die beiden anführen will, daß es fechten Eonnte und flubirt hatte. Man wird mir alfo verzeihen, wenn id, um fo unparteiifh als möglich zu fein, immer mit Es von diefer Merfon rebe, einem Wort, das doch fonft keinen Nugen bat, als etwa einen befcheidenen Schriftfteller aus einer Verlegenheit zu ziehen, wie bie, in ber ich mich fo eben noch befunden habe.
Bas in feinen jüngern Jahren ſchon von ihm in die Augen fid, war ein ungewöhnlich einnehmendes Wefen, eine Fähigkeit
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und Begierde zu mandherlei Dingen, nebfl einem unwiderſteh⸗ lichen Triebe, alle diefe mannichfaltigen Begierden zu befriedigen. Auf Univerfitäten machte ed auch einen Verſuch dazu; es ging in der That von einer Sache zur andetn, und gab. allezeit bei ber letzten ſich die heimliche Verſicherung, bei dem zweiten Be⸗ ſuch mehr zu thun. So kam es in der Arithmetik bis in die Brühe, und in der Geometrie bis zu der Diſection des Win⸗ kels; es ſprach fehr fertig über daB summum bonum, über Raumı und Beit, beurtheilte bie Werke der Kunſt, wußtte yon Titus Feldzügen zu ſprechen, und machte Verſe. Es las fehr..vief, doch ohne viel zu lernen ober zu wiſſen, fo wie manche Leute viel effen,. und dennoch, oder vielleicht eben deßwegen auszeh⸗ ren. Sp wie aber überhaupt. das, was nicht figert bleibe, durch irgend einen andern Weg wieder: fortgeht, fo hatte. es eine. Babe, fehr viel über vielerlei mit Beifall zu fprechen weiche Auslee⸗ rung zum Etſtannen der. Umftehenden zuwrilen mehrere Stun⸗ ben nad) ‚einander anhielt. Nun ift befannt, daß, was: ein fehr gefunder Verſtand ſeinem Befiger vielleicht wit ber-Beit: ver⸗ ſchafft, Vertheidiger, Bewunderer, Nachahmer, eine ſehr ge ſunde Figur dem ihrigen gewiß und in kurzer Weit verfihafft. Dieß geſchah auch bier: die Nachahmumg und Bewunderung verbreitete ſich erſt über Die! ſchönen Körper, und. ſtieg dann immer weiter bis auf die ſchönen Geiſter. Dieſe brachten bie Wiſſenſchaft, den Kopf. in Geſellſchaft mit Anftand und fo aus⸗ zuleeren, daß es amsflcht, als bliebe er noch voll, ſo weit in ein Syſtem, als ſie ſich dazu bringen laͤßt. Hier findet ſich bie
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erfie Spur der Tafchenmwörterbücher, und bie Art zu fludiren, die für die Erlernung ber Wahrheit eben das ift, was die bes rühmte Kurbelmethode bed Doctors zu Lagoba für die Erfindung berfelben wäre, ich meine unfere fo berühmte Inſularmethode. Man fchrieb und las, fintt Bücher, Recenſionen, und fpradh nur, anflatt zu wifien und zu denken, unb Gedächtniß fing an, bie Haushaltung für Vernunft und Gefhmad zu führen. Unfer Gefhöpf hatte das Vergnügen, in feinen beften Jahren Perſonen vom Lehrftand unter feine Nachahmer zu zählen, obs gleich dieſe es nicht für ihr Original hielten. Ich kann bier nicht verfchweigen, daß es bamals hier und da einige Leute gab, die ihm den Namen die Halbköpfigen beilegten, und zwar, wie man glaubt, aus einem ähnlichen Grunde, weßwegen bie Portugiefen dem fcharfiinnigen Ton Diego be Mendoza den Namen des Siebenköpfigen gaben, nidt ſowohl wegen einer befondern Stärke oder Form des Kopfes, als vielmehr bedjenigen unfichtbaren Wejens, das fi), der gemeinen Meinung nad, in bemfelben aufhält.
As fh bei unferm Subject diejenige Neigung zu regen anfing, bie fih in unfern beiten Jahren am heftigften regt, und von welcher fo viel Unheil in der Welt berrührt, ich meine die Reigung Bücher zu fihreiben, fo fand es ſich in der größ- ten Berlegenheit. Es hatte Wis, das heißt, Fühigkeit, etwas gut zu fagen, wenn ed etwas zu jagen gehabt hätte; allein biefe Fähigkeit fand etwa ein paar hundert Ideen, bie nad allen möglichen Gombinationen und mit dem Bande ber flüchtigs
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ften Ähnlichkeit zufammengenüpft, body noch immer feinen großen Gedanken, und noch weniger ein Buch machen fonnten. Diefes mußte ich nothwendig erinnern, ehe ich fagen Eonnte, daß es um diefe Zeit anfing — — Liederhen zu fohreiben. Und nun ſchrieb ganz Xiber« Athen Liederhen aus Nahahmung, und größ- tentheil8 auch aus gleicher Befchaffenheit ihrer Seelenkräfte und Seelenſchwächen. Wer ein Mädchen hatte , ſchrieb auch gewiß
Der muntern Kleinen holde Briefchen
Bol Liebe und — — Diminutivchen.
So wie dieſer Geſchmack allgemeiner wurde, fing die Ver⸗ nunft an im Gehalt zu fallen, daß die wahre endlich ſo ſelten wurde, daß ſelbſt die Yameos bie ihrige mit Profit hätten abs fegen können. &8 ging Wörtern, womit man fonft ganz leichte Dinge bezeichnete, wie heutzutage den Wörtern Algebra, Nachtgedanken oder Griechiſch, es lief den Leuten dabei wie kaltes Waffer den Rüden hinunter. Ja, Einige geflanden, baß es ihnen, wenn fie ihre Vernunft gebrauchen follten, wäre, als wenn fie mit ber linten Hand arbeiten, ober etwas Geſchrie⸗ benes im Spiegel leſen wollten. Und doch wurde viel gefchrie- ben und biöputirt, weil man aber einander nicht verftand, To entftand ein folches Schreiben omnium contra omnes, daß nie mand fiher war. Was ward aber aus unferm Befhöpf? Es Iebte fehr Tang, ging endlih im Alter in ein Klofter, lehrte ariftotelifche Philofophie, und ftopfte fih mit Philofophie, anftatt ſich damit zu nähren, und verlor endlich unter dem "Namen Barbarei in einem fehr hohen Alter Ehre und Leben.
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3. Parakletor
oder Troſtgründe für die Unglücklichen, die feine | Driginalgenies find.
Deutfchland bat fo lange nad Originalköpfen gefeufzt, und jest, da fie allein am Mufenalmanad) zu Dugenben fiten, klagt man überall über die Originalköpfe. Keine Meffe ginge mehr wie unter Franz I, der Eine hinkte, der Andere affectirte ein fteifes Knie, der Dritte fchlüge ein Rad, der Vierte Purzelbäume, ber Fünfte ginge auf Stelzen, der Sechfte machte ben Hafentanz, ber Siebente hüpfte auf einem Bein, der Achte rollte, der Neunte ritte fein fpanifches Rohr, der Zehnte ginge auf den Knien, der Eilfte kröche, und der Zwölfte rutfchte. Ich hätte es den Origi- naltöpfen vorher fagen wollen, und ich rathe es allen denen, die e8 werben wollen, fo zu bleiben, wie fie find; denn ich habe immer gemerft, daß man fo mit unferm einfältigen Yublitum am weitefien kommt. Ich wollte einmal fehen, wer mir etwas fagen will, wenn id bin, was ih bin? Aber wenn ibr ori« ginell fchreibt, 3. B. in fonfopifchen Sentenzen, fludht und fhimpft wie Shaßefpeare, leiret wie Sterne, fengt und brennt mie Swift, oder pofaunet wie Pindar — meint ihr, daß ihr
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damit Dan? verdienen würdet *_ Sch will nicht fagen, was bie Leute thun würden, wenn ihr wirklich jchreibt, wie Shafefpeare, Sterne, Swift und Pindar — denn da fände fi wohl noch bier und da ein ehrlicher Mann, ber ein Einjehen hätte — aber mit Fluchen, Schimpfen, Leiern, Sengen, Brennen und Poſau⸗ nen richtet ihr nichts aus.
Ich weiß nicht 2 ob ich lebhafter empfinde, als andere Men fhen, oder ob ich weniger Unrecht leiden kann, ober ob ich meiner furzen Statur wegen, ba das Blut noch ganz heiß ift, wenn es vom Kerzen nah dem Kopfe fommt, gejchwinber Schlüſſe ziehe, aber mich bünft, es ift um alle beutfche Auto: renfreiheit fchlechterbings und unmwieberbringlich gefchehen, wenn wir noch zwei Meſſen bem .zügellojen, wiberfinnigen Gefchrei des beutfchen Yublitumd Gehör ‚geben. Bor der Schlacht bei Rob bad) fehlte es den Faullenzern an Romanen; wir lefen die eng⸗ liſchen Romane, fo daß wir alle Straßen in London wiſſen, und den Galgen zu Tyburn ſo gut, als ben unfrigen kennen, wir äugeln im Park, und treiben, Gott. weiß was, in Co: ventgarden, unb. fo geben wir ihnen einen Roman. Nun bat das Kind einen Roman, „Wir wollen deutſche Driginalcha- xaktere hinein, « fchreien fie. Originalcharaktere? Gebt hin — ic hätte bald etwas gefagt — geht bin, fagt das erſt den Zeuten, bie bie Kinder geugen, unb denen, bie fie beherr- fen, wenn fie groß find, und nicht uns. „Run gut, fo gebt uns Gedichte. Wir geben einen Boll breite und ſechs⸗ zoͤllige, wie fie fie haben wollen, zu Zentnen. Die Bud:
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Raben wollen ihnen nicht gefallen; gut, wir nehmen lateinifche, unb einige Spottuögel nehmen fogar blaue und rothe Farbe, Was that das Yublitum, war es zufrieden? O in Ewigkeit niht! Es wurde nur gröber unb ausfchweifender in feinen Zorberungen, und dachte mit einer einzigen unferer Republif auf einmal bie Bank zu fprengen. Es verlangte nämlih — Driginalgenies und Originalwerke. Aber das war gerade ber Punkt, auf dem wir es erwarteten, und es ift ein betrübter Beweis, wie unerfahren der beutfche Lefer in ber Kennt» niß feines eigenen Landes ift; immer die Augen jenfeit bes Rheins ober jenfeit bed Canals gerichtet, fieht er nicht, warauf er tritt. Ich habe von jeher geglaubt, daß unter allen Nationen in Deutfch» land bie Originalgenies marfchfertig lägen, weil fie aber nicht verlangt wurden, fo lebten und fchrieben fie fo fort, wie wir gemeinen Schriftfteller, von ber Linken zur Rechten, und gingen von Empfindung und Gedanken zum Ausdbrud immer in ber fürzgeften Linie. Aber kaum war bie Lofung gegeben: wer original [reiben kann, ber werfe feine bisherige Feder weg, als die Federn flogen, wie Blätter im SHerbfte. Es war eine Luft anzufehen, breißig Yoride ritten auf ihren Stedenpferdben in Spiralen um ein Biel herum, das fie ben Tag zuvor in einem Schritt erreicht hätten; und ber, ber fonft beim Anblick bes Meeres oder bes geflirnten Himmels nichts den⸗ ten konnte, ſchrieb Andachten über eine Schnupftabacksdoſe. Shakefpeare fanden zu Dutzenden auf, mo nit allemal in einem Trauerſpiel, doch in einer Recenfion; da wurden Ideen II. 14
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in Sreundfchaft gebradht, bie dh außer Beblam nie gefehen batten; Raum und Zeit in einen Kirfchkern geklappt und in die Ewigkeit verſchoſſen; es hieß: eins, zwei, drei, ba geſchahen tiefe Blicke in das menſchliche Herz, man: fagte feine Heimlich⸗ keiten, unb fo ward Menſchenkenntniß. Selbſt draußen in Böotien fand ein Shafefpeare auf, der wie Nebutadnezar, Gras ftatt Frankfurter Milhbrot aß, und durch Prunkſchnitzer fogar bie Sprache originell machte. Niederfuchfen ſummte feine Oben, fang mit offenen Najenlöchern und voller Gurgel Patriotismus und Eprace und ein Baterlanb‘; das die Sänger zum Teufel wünfht. Da erklangen Lieder und Romanzen, die e8 mehr Mühe Poftete zu verftehen, als zu machen. Kurz, die Originale waren da; und das Publikum — was fagte dad? Anfangs befchämt über die unerwartete Menge flugte es, dann aber er: klärte es feierlich: das wären feine Originale, das wären Dich⸗ ter aus Dichtern, und nicht Dichter aus Natur, durch fie würde das Capital nicht vermehrt, fonbern nur bie Sorten vermwechfelt, bald Silber in Kupfer, bald Gold in Silber umgefekt, u. f. w. Da haben wird, meine Freunde! Mid dünkt, unjere Sache ift jept zu klar, ale baß es nöthig wäre, lange zu überlegen, was zu thun fei. Geſetzt auch, wir gehorcdhten ibm, unfere DOriginalfhrififteller ließen diefe: Originalküpfe fahren, und ver: fuchtens mit Nr. 2., fo würben-wir biefelbe Antwort erhalten ; und gejeht, fie träfen’s, fo wären unterdeffen die Herren müde und wollten wieber etwas Neues. Kurz, heut gebroden ift bef- fer, als morgen. Es ift Mar, fie wollen uns nur berumziehen,
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wie bie Boſtonianer das Parlament, bis bei jchwächern Nudh kommen bie jegt noch biegfame Gewohnheit zu einem Gefeg verbärtet, das uns Schriftſteller zu Hofnarren des deutſchen Yublitums madt. Alſo jegt nicht weiter. Ich fage, ihr habt Driginalköpfe verlangt, da find fie zu Taufenden; es wimmelt. Ihr erkennt fle nicht, und ich fpreche mit freier tim, id er: kenne fie dafür, mein Wort ift: „erft mich, dann fie,“ und num trete auf ben Eand, wer will. — —
Ihr wollt haben, wir follen fchreiben, wie bie Griechen, und ihr mit eurer Bezahlung wollt immer alte Deutfche bleiben. Macht ihr den Anfang, und fest uns Ehrenfäulen, fo wollen wir mit unfern Iliaden fchon zu feiner Zeit berausrüden. Aber immer fordern, immer auf Rechnung, und immer die Bezab- fung aufgefhoben, das ſchmeckt freili vortrefflich. Hätte ich aber etwas zu fagen, fo wüßte ich wohl, was ich thäte: bei jeder Meffe müßte gegen einen Bullen Bücher, den wir der Welt liefern, bie Welt angehalten werben, uns eine Ehrenſäule ab- zuliefern, und hätte man beren eine Quantität beifammen, fo würden fie auf dem Landtage ausgefpielt, und dann vom Stein: bauer gehörig belettert, beziffert und gefegt. Dieß wäre das befte, wo nicht daß einzige Mittel, fo wie wir und ihr jest ein: ander gegenüberfiehen, uns wicder zu vereinigen und dem Streit ein Ende zu machen. Ihr folltet nur einmal bie englifchen Ge: Ichrten ſehen, wie die es machen und ſichs maden lafien! Ba fiten fie am Tiſch fo fett und fo rund, effen und trinken fi
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einen Weſtenknopf na bem anbern ans dem Knopfloch, und wenn fie das lange genug getrieben haben, fo fireden fie ſich in Räefiminfterabtei auf ein marmornes Poſtament, mitten unter die Kbnige bin, und laſſen das Yublitum, über das fie fih noch dazu im Leben meiftens luſtig gemacht haben, für die Un Poflen forgen. Und das ift recht; denn wer feib ihr? fagt! wer flempelt denn die meiſten Entreebillets zum Ewigkeit, wir ober ihr? Am Ende, daß ichs gerabe herausfage, wenn ihr nicht wollt, fo brauchen wir auch nicht, und fahren fort wie bisher, und geben ohne euer Buthun in bie Ewigkeit. Das müßte nicht rechtlich gugeben, wenn ein Buch, das gut gefchrieben ift, ein paar Dutzend neuer und nüslicher Wahrheiten enthält, in mef- fingene Eden und Krampen gebunden, und alle Monat einmal gelüftet wird, nicht fo weit reichen follte, als eure Klingelbagen oder eure Blankenburger. — —
Ich kann in der Welt nicht begreifen, was wir bavon baben, den Witen fo bei jeder Gelegenheit ben Bart zu ftreicheln. Danken können fie ed uns nicht, und aus ben breiten und nie: drigen Stirnen und den trogigen Gefichtern zu ſchließen, wor: über ich jeder deutſche Pitſchierſtecher aufhält, würden fie es nit einmal, wenn fic es koͤnnten. Es if fürwahr eine mächtige Ehre für uns, daß 08 vor zwei tauſend Jahren Leute gegeben at, Me geſcheuter waren, ald wir. Meint ihr vielleicht, wu Ihren nach ın den Zeiten, wo ie größte Weisheit in tem Be wahren dedand, daß man michts wife? Muf das Gapual
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borgt man euch keinen Magiftertitel, fo wenig als auf den Reichthum, der in ber Armuth beftebt, einen Srofchen. Nein, Freunde, bie Beiten find vorbei. Solche Süpe find heuzutage nichts weiter als fchöne Nefter von ausgeflogenen Wahrheiten ; in den philoſophiſchen Kunſtkammern gehen fie mit, in bie Haus⸗ haltung taugen fie nicht einen Schuß Pulver. ine berrliche Ehre, heutzutage überzeugt zu fein, daß man nichts wiffe! Wollte Bott, es wäre bierin noch fo wie fonft! dann wären eure Klagen über die jegigen Zeiten unnüß; denn ihr werdet nicht Icugnen, daß wir Leute genug haben, bie nichts wiffen, und die einfältige Überzeugung davon ließe fi) ihmen bald bei« bringen. — —
Nachdem die Theorie von der Nothwendigkeit eines Man: geld an Symmetrie, um original zu fein, ift gegeben worten, fo ann gefagt werden: Ich bielte daher für ratbfam, daß man ben neugebornen Kindern einen fanften Schlag mit geballter Fauſt auf den Kopf gäbe, ber, ohne ihnen zu fchaben, die Sym⸗ metrie de8 Gehirns etwas verrüdte. Ich riethe ihn ja nicht ges rade auf bie Stirn, ober oben oder hinten hinzugeben, auch nicht auf die Seite, weil biefes bie Symmetrie Feineswegs affici- ren würde. Denn in ben drei erften Fällen werden beide Sei» ten gleich ſtark unmittelbar getroffen, und in dem lekten würde bie Reaction ber gegenüberftehenben Seite flatt eines Schlages fein. Ich riethe alfo unmaßgeblih den Schlag gerade über einem ber beiden äußern Augenwintel anzubringen; denn da
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alsdaun Iheile von einer ganz andern Structur umd Lage in Heaction gebracht werben, fo Bann e8 nicht anders fein, ald daß dadurch die ſchönſte Afyımmetrie des Gehirns erhalten wire. Sch babe deßwegen oft mit Verdruß bemerft, daß die Schläge auf ben Kopf, oder die fo genannten Chrfeigen in unfen Edulen ablommen, und nur in ber großen Gefellihaft, wo fie ganz umſonſt angebradt werben, weil bie Köpfe alsdann gewöhnlich fon in das Holz gegangen find, Mode find. Man hat Erem: pel, daß Leute, die auf den Kopf gefallen, ober mit einem Prügel darauf gefchlagen find, zuweilen angefangen haben zu weiffagen, und ander von ben Dingen in ber Welt zu denken, als andre Menfchen. Diefes hieß nun freilich, des Guten zu viel thun, und ich erkläre noch Alles hierin aus einer fommetri- fen Berrüttung des Gehirns; allein Fein Menfh kann Icug: nen, baß der beneidenswürdigfte Kopf in biefer Welt derjenige wäre, ben man vergöttern würde, wenn er bie eine Seite ‚nicht hätte, und ben man in Beblam einfperren müßte, wenn bie andere nicht wäre; das find bie großen Seelen, bie Affe und Angel zugleich find, und die freilich zumeilen die Täppifchen Ideen des erfiern mir dem tranfcendentalen Periodenklang bes Intern, oder bie fonnenhellen Ideen bed Iegtern mit ben uns verftändlichen Beichen bes erfiern ausbrüden. — Weiter: warum fdlagen fih die Menſchen an ben Kopf, wenn fie etwas nicht wiffen, was fie hätten wiſſen ſollen? ein Gebraud, der ten Menſchen natürlich if. — —
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4. Über den Deutfchen NRoman.
-, Mnfere Lebensart it nun fo fimpel geworben, und alle ans fere Gebräuche fo wenig myſtiſch; unfere Städte find meiftens fo klein, das Banb fo offen, Alles ift fich fo einfältig tren, daß ein Mann, ber einen beutihen Roman ſchreiben will, faft nicht weiß, wie er Leute zufammenbringen, oder Knoten ſchürzen foll. Denn da bie Eltern jet in Deutfchland burchaus ihre Kinder felbft .jüugen, fo fallen bie Kindervertaufhungen weg, und ein Sanell von Erfindung ift verfiopft, der nicht mit Geld zu bezah⸗ Im war. Mollte ih ein Mädchen in Mannskleidern herumge⸗ ben laſſen, das käme gleich heraus, und bie Bebienten verrie⸗ tben es, noch ehe fie aus dem Haufe wäre; außerdem werden uufere Srauenzimmer fo weibijch erzogen, baß fie gar nicht das Herz haben, fo etwas zu thun. Nein, fein bei der Mama zu figen, gu kochen und zu nüben, und felbfi eine Koch« und Näh⸗ mama zu werden, das ift ihre Sache. Es iſt freilich bequem für fie, aber eine Schande fürs Vaterland, und ein unüber⸗ winbdliches Hinderniß für den Romanenfchreiber.
In England glaubt man, baß, wenn zwei Perſonen von einertei ‚Gefihlecht in .demfelben Zimmer fchlafen, ein Kerker⸗
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fieber unvermeidlich fei; deßwegen find bie Perfonen in einem Haufe des Nachts am meiften getrennt, und ein Schriftteller darf nur forgen, wie er die Hausthüre offen Eriegt, fo kann er in das Haus laffen, wen er will, und barf nicht forgen, daß jemand eber- aufwacht, als er. es haben wid.
Ferner da in England die Schornfleine nicht bloß Rauch: canäle, fondern hauptſächlich die Luftröhren der Schlaffammern find, fo geben fie zugleich einen vortrefflichen Weg ab, Ummit: telbar und ganz ungehört im jede beliebige Stube des Hauſes ju kommen, und der ift fo bequem, baß ich mir babe fagen laſſen, daß, wer einmal einen Schornſtein auf» und abgeftiegen fei, ihn felbft einer Xreppe vorzöͤge. Im Deutfchland käme ein Liebhaber Ihön an, wenn er einen Schornftein hinabklettern wollte. Ja, wenn er Luft hätte, auf einen Feuerheerd, oder in einen Waſchkeſſel mit Lauge, oder in die Antihambre von zwei bis drei Ofen zu fallen, die man wohl gar von innen nicht ein⸗ mal aufmachen kann. Unb gefegt, man wollte die Liebhaber fo in die Küche fpringen lafien, fo ift die Krage, wie bringt man ihn aufs Dach? . Die Kater in Deutfchland können diefen Weg wohl zu ihren Geliebten nehmen, aber die Menfchen nicht. Hingegen in England formiren die Dächer eine Art von Straße, die zuweilen beffer ift, als die auf der Erbe; und wenn man auf einem ift, fo Eoftet es nicht mehr Mühe auf das andere zu kommen, als über eine Dorfgoffe im Winter zu fpringen. Man will zwar fagen, man babe biefe Einrichtung wegen Feuersge⸗ fahr getroffen; ba aber dieſe fi kaum alle 150 Jahre in einem
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Haufe ereignet, fo flelle ich mir vor, daß man e8 vielmehr zum Xroft bebrängter Berliebten und Spigbuben für nüsglich befun- ben Bat, die fehr oft biefen Weg nehmen, wenn fle gleich noch andere wählen tünnten, und gewiß allemal, wenn die Retirade in ber Gil geſchehen muß, gerade fo wie etiwa die Heren und der Teufel in Deutfchlanb zu thun pflegen.
Endlich ein rechtes Hinderniß von Intriguen ift der fonft feine und fobenswürbige Einfall der Poftdirectoren in Deutſch⸗ land, durch ben eine unzählige Wenge von Tugenden bes Jahre erhaliten werben, baß fe flatt ber englifchen Poſtkutſchen und Mafchinen, in denen ſich eine ſchwangere Prinzeffin weder fürch⸗ ten noch fchämen bürfte zu reifen, bie fo beliebten offenen Rum: pelwagen eingeführt haben. Denn was bie bequemen Kutfchen in England und bie dortigen vortrefflihen Wege für Schaden thun, ift mit Worten nicht auszubrüden.
Fürs erfle, wenn ein Mädchen mit ihrem Liebhaber aus London bed Abends durchgeht, fo kann fie in Frankreich fein, ehe ber Bater aufwacht, oder in Schottland, ehe er mit feinen Berwanbten zum Schluß kommt; daher ein Schriftfteller weder Seen, noch Zauberer, noch Talismane nöthig hat, um bie Ber: liebten in Sicherheit zu bringen; denn wenn er fie nur bis nach Gharingeroß oder Hydepark⸗Corner bringen kann, fo find fie fo fiher, ale wenn fie in des Weber Meleks Kaften waren”).
) Bom Weber Melek und feinem Kaften fiehe die perfifchen Märchen, dritter Tag.
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Hingegen in Deutſchland, wenn auch der Bater den Berluft feiner Toter erft ben britten Tag gewahr würde, wenn cr nur weiß, daß fie mit ber Poft gegangen ift, fo kann er fie zu Pferde immer noch auf ber dritten Station wieder kriegen.
Ein anderer übler Umftand find bie leider nur allzuguten GSefellfhaften in den bequemen Poſtkutſchen in England, bie immer voll fchöner, wohlgekleibeter Frauenzimmer fleden, und wo, welches das Parlament nicht feiden follte,; bie Paffagiere fo figen, baß fie einander anfehen müſſen; wodurd nicht allein eine höchſt gefährliche Verwirrung ber Augen, fondern zuweilen eine. höchſt ſchändliche zum Lächeln von beiden Seiten reizende Berwirrung der Beine, und daraus enblid eine oft nicht mehr aufsulöfende Verwirrung ber Eeelen. und Gedanken entſtanden iſt; fo daß mancher ehrliche junge Menfch, ber von London nad) Orford reifen wollte, flatt. beffen zum Teufel .gereift iſt. So etwas ift nun, bem Himmel fti Dank, auf..unfern Poſtwagen nicht möglich. Denn erfilich können artige Brauenzimmer ſich unmöglich auf einen folchen Wagen fegen, wenn fie ſich nicht in ber Jugend etwas im Zaunbeklettern, Elſterneſterſtechen, Aüp⸗ felabneymen und Rüſſeprügein umgeſehen haben; denn ber Schwung: über die Seitenleiter erfordert eine befondete Gewandt⸗ beit, ımb wenige Frauenzimmer können ihn thun, ohne den untenftehenden Wagenmeifter und die Stullfnechte zum Lachen zu bringen. Für das zweite, fo fit man, wenn man endlich fist, fo, das man fi nicht in das Geſicht ſieht, und in diefer Stellung fünnen, was man auch fonft dagegen fagen mag, we⸗
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nigftend Intrigen nicht gut. angefangen werden. Die Erzäh—⸗ ung verliert ihre gange Würze, und man kann höchſtens nur verſtehen, was men. fagt,. aber nicht was man fagen will. Endlich hat ˖ man auf den beutfhen Poſtwagen ganz andere Sachen zu thun, als zu plaudern; man muß fidh feit halten, wenn bie: Zöcher Pouımen, ober in ben ſchlimmen Fällen fi ge börig zum Sprung fpannen; muß auf die Afte acht geben, und ſich zus gehorigen Zeit Duden, damit ber Hut oder Kopf figen bleibt; bie- Windfeite wierken, und immer bie Kleidung an ber Seite verfiärken, von wo ber Angriff gefchiehtz und regnet es gar, Fo hat befanntlid ber Menfch die Kigenfchaft mit andern Ihieren gemein, bie nicht in oder auf dem Waſſer leben, daß er file wird, wenn. er naß wird; da ftodt alfo bie Unter rebung ganz. Kommt man entlih in ein Wirthshaus, fo gebt -bie Zeit mit andern Dingen bin: der eine trodnet fid, ber andere ſchüttelt fih, der eine kaut feine Bruſtkuchen, und ber: andere bäht fi den Barden und was dergleichen Kindereien mebr find.
Hierbei kommt noch ein Umftand in Betradytung, ber auch alle freundfchaftlihe Miſchung der Gefellfehaft unmöglich macht. Nämlich weil die Poftwagenreifen mit fo vielen Trüb⸗ falen verbunden find, fo bat man bafür geforgt, baß die Wirthshäuſer noch um fo viel fchlechter find, als nöthig ift, um. ben Poflmagen wieder angenehm zu madhen. Ja man kann fih nicht vorftellen, was das für eine Wirkung thut, Ich babe Leute, die zerſtoßen und zerfchlagen. waren und
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nad Rube feufzten, als fie das Wirthshaus fahen, wo fie fich erquiden follten, fi mit einem Heldenmuth entfchließen fehen weiter zu reifen, ber wirklich etwas Ähnliches mit jenem Muth bed Regulus hatte, der ihn nad Garthago zurüdzuge- ben trieb, ob er glei wußte, daß man ihn bort in eine Art von deutfchem Poſtwagen fehen, und fo ben Berg herunter rol⸗ len laffen würde.
Alfo fallen die Poftkutfchen » Intriguen mit den Poftkutfchen felhft, den rechten Treibhäufern für Epifoben und Entdelungen, fhlechterbings weg. Aber im Hannöverifhen, wird man fagen, it ja nun eine Poſtkutſche. Gut, ich weiß ed, und zwar eine, bie immer fo gut ift, als eine englifhe. Alſo foll man alle Romane auf dem Wege zwifhen Haarburg und Münden an: fangen laffen, den man jebt fo geſchwind zurüdlegt, daß man kaum 3eit bat recht befannt zu werden? Alles was ja bie Fremden thun, ift, daß fie in das Lob bed Königs ausbrecdhen, ber dieſes fo georbniet bat, oder fchlafen. Denn fie find gemei- niglich, ehe fie in dieſe Kutfche kommen, fo abgemattet, daß fie nun glauben, fie wären zu Haufe ober lägen im Bette. Das find aber in der That bie rechten Gegenftände für einen Roman, fünf fchlafende Kaufleute fchnarchend einzuführen, vber ein Ka⸗ pitel mit dem Lobe des Königs anzufüllen. Das Erftere ift ſchlech⸗ terbings gar Fein Gegenſtand für ein Buch, und das Lehtere für feinen Roman. Aber ich bin durch diefen unnügen Einwurf nur von meiner Sache abgefommen. Ja wenn nicht noch zu⸗ weilen ein Klofter wäre, wo man ein verlichte® Paar untere
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bringen Pönnte, fo wüßte ich mir keinen eigentlich beutfchen Roman bis auf die dritte Seite zu fpielen; und wenn es ein: mal eine Klöfter mehr gibt, fo it das Stündchen der beutfchen Romane gefommen. — —
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5. Die Bittfchrift der Wahnfinnigen.
Die Bittfchrift der Wahnfiunigen zu Celle Eönnte eine gute Satyre abgeben. Sie fünnten um eine Bibliothef anfuchen, und vorher über den Werth der Bücher mit einander bisputiren. Das Letztere könnte eine vortreffliche Perfiflage auf die NRecenfenten in Deutfchland werden. Es müßte vorgeftellt werben, wie mancher den Nachttopf nach ven Büchern göſſe. 3.8. Einer, der ganz nadend da faß, und von feinem geiftlihen Ornat nichts am Leibe hatte, als einen alten Kragen, ben er bei jeder Gelegenheit herum: zaufte, und fih und Andere öfters damit firanguliren wollte, griff bei dem Wort Timorus”) nah feinem Nachttopf, um ihn über das Buch audzuleeren; er war aber zum Glüd ganz leer, welches bei Einigen ein berzliches Lachen erregte.
Nun wird weiter gelefen: M... vom Steinfheiden:e. Den! den! o den! fihrie ein alter melandolifher Mann mit einem langen Bart. M... bat mich in meiner legten Schwan« gerfchaft touchirt. —
) Dieß ift eine kleine ſatyriſche Schrift des Werfafferd, die im Jahr 1773 unter dem erdidhteten Namen von Conrad Photorin erfhienen ift.
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Die Einleitung zu ber Gefchichte könnte ebenfalls fehr tref- fend eingerichtet werden. Daß die Regierung eine ſolche Bitt: fchtift angenommen, kann ich ihr im geringften nicht verbenten. Eine Bittfchrift muß gewöhnlich durch vier Linien brechen, ehe fie den von dem Bittenden gewünſchten Endzweck erreicht: fie muß angenommen, gelefen, in Betrachtung gezogen und befolgt werden. Diefe werben ben Regeln einer gefunden Befefligungsfunft gemäß immer fefter, je .näber fie dem End» zwed liegen. In diefer Kunſt haben die Deutfchen und Fran⸗ zojen ed unglaublidy weit gebracht. Es hat vornehme Herren gegeben, bei benen fchon bie britte faft unübermwindlich war. Alfo mit dem -einfältigen Annehmen vergibt man fich gar nichts; in einem Schloß gibt «8 viele Winkel, aus denen ein Stüdchen Papier fo wenig wieder ganz herauskommt, als aus ber Schmie: deeſſe. — —
— — Einer ſchreibt Fidibus und Tapeten, oder nannte vielmehr ſein Buch zuerſt ſo; denn im Vorbeigehen muß ich dem guten Mann ſagen, daß er nicht der Erſte iſt, der Fidibus geſchrieben hat. Viele vortreffliche Männer aus allen vier Fa⸗ eultäten nicht zu gedenken, fo kann ich von meiner Wenigfeit verfihern,, daß ih Fidibus, Pfefferduten, Papier zu Unterlagen und anderm Gebrauch in ber baushaltung geſchrieben habe, ehe man an ihn dachte.
Der Himmel gebe euch Kopf, rufen fie hinten drein. Und ich wünſche, er hätte euch zwei gegeben, fo fäßet ihr jet viel-
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leicht in Spiritus bis über eure vier Ohren, anftatt baß ihr jebt mit einem Paar, aus dem man,viere fchneiben könnte, her⸗ umfchleicht, und ben Leuten griechifche Ideen in ihre beutfchen Köpfe feht.
Ja, der Lefegeift ift dem Deutfchen fo angeboren, daß er ihn nicht einmal verläßt, wenn die Bernunft fort ift. Hiervon kann ich meinen Lefern ein Beifpiel mittheilen, bas vielleicht in der Geſchichte des menſchlichen Gefchlechts feines Gleichen noch nicht gehabt hat. In einem gewifjen deutfchen Narrenhauſe haben die Patienten bei ber Landesregierung um bie gnäbdigfte Berwilligung einer öffentlichen Bibliothet im Rarrenhaufe un: terthänigft angehalten. Bugleih haben fie ein Berzeichniß ein- geſchickt, was fie eigentlich für Bücher verlangten, und ich kann mit Vergnügen melden, baß eine Copie ſowohl von ber Bitt- fhrift, al8 von dem Bücherverzeichniß in meinen Händen ift. Die erfte ift ein wahrhaftes Meifterftüd, und ber Stil ift in manchen Perioden bem von einigen unferer frei herumgehenden Schhrififteller fo ähnlich, baß eines von beiden gewiß wahr ift: entweder man bat vernünftige Leute fchändlicher Weife ins Toll⸗ haus geſperrt; oder eine ganze Menge beraudgelaffen. Die Bitts ſchrift feße ich ber, allein ich habe meine Urſachen, warum ich das Bücherverzeichniß noch für dießmal zurüdhalte. Es leben nämlich noch eine Menge von ben Perfonen, und zum Theil in hohen Ämtern in der Kirche und im Staat, auf deren Schriften die Wahl gefallen ift, und diefe könnte es verbrießen, daß man ihre Bücher in einem Narrenhaufe aufftellte, gleichfam als Re:
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präfentanten ihrer Autoren. Ja, id wunderte mich nicht wenig, als ih ein Büchelchen von mir darunter erblidte, um fo viel mehr, ba das Bud, ausdrücklich gegen bie Narren gerichtet ift. Allein ich erfuhr bald bie Urfahe. Ich hatte jenes Werkchen ironice adgefaßt, und bie armen Teufel glaubten, wie der Frank⸗ furter Recenfent, es wäre Ernſt.
Bittfhrift ber Narren. MY Lords,
Wir Enbesunterfehriebene haben mit Beiftand und auf An⸗ rathen der unter uns befindlichen Barden und Druiden unferer Abficht zu entfprechen geglaubt, wenn wir eine unfern Köpfen entfprechenbe oder entfagende Bibliothed hätten. Wir haben Originale und hohe Genies unter uns. Hier in ber Gwigfeit, bort in ber Ewigkeit, dort, bort, dort iſts noch wie ein meißer Punkt, immer Eleiner, immer grauer, immer fpiger — — bo, bo — nun ifts fort. O wenn wir Worte hätten! ein Buch ein Wort, ein Wort ein Buch, aber hoher Genius, und euer Deutfch, eure Grammatif! gudt, gudt, Golofjus babet fih in einem Fingerhut! Großer Fochender Gedankenſchwall hebt fi und hebt ſich und hebt fich in mir, erft wie das Raufchen bes Eichenwaldes in dem Ohr des furchtfamen Wanbererd um Mitternadt, dann kochts deutlicher, deutlicher, wie das flürmende Weltmeer in ber Gerne, und dann horch! faft wie ein niefendes Regiment. Nun iſts gut Shakefpeare, fo, fol nun ifts gut! Aber, hochzueh⸗ rende Herren, wir alle waren Kinder, und Ihr Fünnt es wieder
II. 15
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werden, wenn bart weich, und weich hart bei Eu) wird. Sam: melt Shr nicht und leſet Jhr nicht? Gut. Wir in dieſem Haufe find nicht immer Kinder. Iwanzigmal de Tags, weh ! weh! wie fchredlich! die hellen Augenblide find die fchlimmiten ; ihr bedauert und wegen der unrechten. Der Himmel ftraft bie Bernünftigen mit Narıheit, und die Narren mit den kurzen Viſiten einer treulos gewordenen Vernunft. Was! Was! Was!
Gabs'n, wolt's n’t freffn. Siehſt's Genie? wie's 'n Wolk'n webt? Ob d's Genie ſiehſt? Wenn d's nit ſiehſt, hoſt d'n Noſen nit 's Genie z' riechen ).
Deutſchland hat man unſtreitig eine ber erſten Entdeckun⸗ gen dieſes Jahrhunderts zu danken, bie, wie alle deutſchen Ent: dedungen, bei ber Nachwelt in feliger Erinnerung bleiben wird, fie mag nun zu lauter Kopf, oder zu lauter Herz werden. Näm—
) Aus diefen im böotifhen Dialekt gefchriebenen Zeilen ſollte ich faft vermuthen, daß das Concept von einem gewiffen Mann gemacht worden fei, ber, wie mir gefagt worden, noch fürzli bei einem Eritifchen Gericht auf ber ungelehrten Bank geſeſſen, jett aber in dieſem Haufe auf der gelehrten fit. Ich gedenfe ihm künftig die Unfterblichkeit zu verſchaffen, ſobald ich mit meiner eigenen erft ins reine bin. Iſt es diefer Mann, fo muß ber Leſer merken, daß, weil er nie etwas Kfuges gefagt bat, er vermuthlich die vernünftig fcheinenden Zeilen, bie vor dem Böotifchen hergeben, in einem Anfall von Raferei, binge gen die böotifhen und andern bei einer Wiederfehr feiner Ver: nunft gefchrieben haben muß.
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li wir haben zuerft gelehrt, wie man die Berrüdten und Ras ſenden gebrauchen könne, bie man bisher als das Kehricht ber Geſellſchaft weggeworfen hat. Sie werden bekanntermaßen ſchon an vielen Orten in Deutſchland gebraucht, den gemeinen Men⸗ ſchenverſtand in das mit Recht beliebte Halbgahre und Unbe⸗ greifliche zu überfegen. Denn dba man in Deutfchland endlich babin gekommen ift, daß man glaubt, ein’ Mann habe gar kei⸗ nen Kopf, wenn er nicht zuweilen darauf geht, das ift, feinen originellen, und doch mancher Mann, der Weib und Kinder zu ernähren bat, und unter ber ftrengen Difciplin bes planen Men⸗ fchenverftandes ftebt, fich nicht hinfegen und noch ein Originals kopf werben kann, fo kann ich nunmehr melden, daß fich einige unglüdfelige Bewohner dieſes Haufes erboten haben, biefe Mühe für fie zu übernehmen. Man beliebe nur fein Werkchen in ganz gemeiner Profe abzufaflen, 3. B. 2 mal 4 ift 8 und 3 davon abgezogen, bleiben 5; ober: es läßt fih zumeilen aus der Nafe, ben Lippen, der Stirn und ben Augen auf bie Seele des Man⸗ nes Schließen, in deſſen Befitz fie find, zumal wenn ber Mann in dem Volke lebt, wo man feine Bemerkungen über ihn früh angefangen bat zu fammeln; oder: es ift angenehm, wohl zu thun, ja ein Vergnügen, davon zu lefen, das zuweilen Freuden⸗ thränen bei guten Leuten erwedt. Alles biefes werben unfere Köpfe ins Unbegreifliche überfegen. Buteilen werden fie einer bekannten alten guten Bemerfung etwas von bem Menſchenver⸗ ſtand benehmen, der darin liegt, und die Lücke mit dem ihrigen ausfüllen, ſo daß man glauben ſollte, es wäre dreimal mehr 15*
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dahinter. Diefes ift eine vortrefflihe Erfindung, und wir haben die Ehre zu melden, daß einige angefehene Männer, die wir bie erften Philofophen von Deutfchland nicht nennen wollen, ihre Bü- chelchen in unferm Haufe haben beftreichen laffen (denn fo wird ed genannt), und viel Auffehen damit in ber Welt gemacht haben. Serner dba es vernünftigen Leuten ſchwer wird, fi) einen
neuen Stil zu fhaffen, worin hingegen bie Narren eine ganz eigene Gabe haben, fo hat man an bie 150 Arten, die größ- tentheils noch nie gebraucht find, verfertigen laſſen, und Proben davon vorräthig, bie die größte Satisfaction geben werden. Einige darumter find zum Entzüden artig, und andere zum Grepiren drollicht. Man bat ihnen der Berftändlichkeit wegen Namen gegeben, bie zwar zum Theil von Salatfamen berge: nommen, aber allemal fo gewählt worden find, baß fie die Na- tur bed. Stils beffer ausbrüden, als e8 in einer breimal fo langen Definition möglich gewefen wäre. Wir haben fie in Claſſen von fieben abgetheilt, darunter die pretiöfefte folgende it — im Geſchlecht ber launichten (genere lunaticorum) übers trifft fie fchlechterbings nichts.
1. Groß Shakefpearifh Nonpareille.
. Englifch geſchachter Hanswurft.
3. Sachſenhäuſer Steinkopf, bunt.
4. Ditto, ſchlicht.
5. Bunter Prabler, mit und ohne Vorik.
6. Großer Mogul.
7. Gefprengter Prinzenkopf.
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Ich bin einmal auf ben Einfall gefommen, ob nicht Saturn, der mehr wie ein zerbrochenes Orrery ausfieht, als wie ein Planet, wohl gar das Modell von unferm Syſtem gewefen fein koͤnnte, welches nun, da e8 nichts mehr nükt, bei Seite getworfen worben if. Diefe Muthmaßung wurde bei mir zur Gewißbeit, als ich. bebadhte, daß Saturn fünf Trabanten hat, und gerabe fo viel Hauptiplaneten find, wenn man ben Saturn nicht mit rechnet. Der Ring ift weiter nichts, als eine dem Horizont an unfern aflro« nomifhen Rechenmaſchinen ähnliche Vorrichtung, vermuthlich um Problemata aufzulöfen. Ja Short bat ſogar die Sirkel ge ſehen, die darauf verzeichnet find. Diefe meine Entdedung einer fo alten Urkunde für die Aftronomen, wodurch man nunmehr die Tychonianer durch den Augenfchein widerlegen kann, und bie von dem größten Nutzen für die Aftronomie fein wird, fobalb bie Berngläfer einmal zu der Güte gediehen find, daß man die Charaktere auf dem Ring wird leſen önnen, machte mir eine ungemeine Freude. Ich wurde auch von Freunden aufgemuns tert, den Gedanken bekannt zu machen; weil ich mich aber im Erfindungss und Genieftil niemals viel geübt babe, fo fehlugen fie mir vor, den Auffag ganz fimpel zu machen, und nichts hin⸗ ein zu bringen, als was nöthig ift, und fo gearbeitet ihn nach einem befannten Tollhaufe zu ſchicken, und ihn dort für ein Ges ringes beftreihen zu laffen. Diefes babe ich gethan, und ich muß befennen, ic) babe mein Wer? nicht mehr gekannt, ale ed zurüdfam, fo wenig als bie Leute ihre Schweine, wenn fie aus ber Maft kommen. Wo vorher das Gerippe beleidigend
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hervorſah, da war nun eine fanfte Wölbung von Sped, und was fich vorher wie ein Würfel anfühlte, fühlte nun die Hand angenehm, wie eine Kugel; durchaus berrfchte ein gewiffer gro- Ber weifjagender Ton, einige Gedanken wurben kühn gefagt, und anbere kühn verfcehwiegen; das Weggelafjene ift fo wegge⸗ laſſen, daß man glaubt e8 wäre befjer, als das SHergefehte, fo daß, wenn man es oft lieft, man endlich glaubt, man fchwebe auf ber Xiefe, und könnte den Plato mit Einem Wort ausfpres hen, und im Gedankenſchwindel fi) befier, als alles was ift, in Ewigkeit ohne Efel nad) Gottes Zweck auf einmal genießen. Ich feke eine Probe daraus ber:
Dort hängt es, binausgerüdt über bie Kernfchußweite bes Lichts, wie groß! wie weggeworfen das Model — Rumpelkam⸗ mer dem Schöpfer, unerfchöpflichee Mufeum für dich, Menſch! das Model einer Welt, felbft Welt! felbft vielleicht als Model bewohnt — nicht Pappbedel, nicht Meffing, fondern Model Gottes! Satum — welche Hieroglyphe! Coelus, Coelius — den Griehen Uranus, Uranie, Urarie, Orrery — Alles Elar, nicht Wink, fondern Fingerzeig, Worthall in die Ceele, dem Menfhen Licht vom Schöpfer aufgeftedt, und vom Menfchen in Kathedernacht eingehült! Philoſophiren fünnen fie alle, fehen feiner.
Primus ab aethereo venit Saturnus Olympo. Primus Planeta, nidt ultimus, erftes Model, Probe — zeigt Jupiter und mit wen? vermählt — mit ber Logika oder Arith: metita? Nein! mit der Ops, baber Optif, Aftronomie, Er:
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kenntniß des Allmächtigen. Bermählt Ops mit bem Satum, und der Himmel fleht euch offen. An ein Sandkorn Gefchmie: deter, wenn du etwas haft, fag, was haft du? ieh hin alfo, fiehb und flarre mit entftaartem Auge. Saturn! unter ihm bie goldenen Beitn — morgenländifche Philoſophie — Bücher in Einem ®ort. Der Tod ift das Leben, ehe bie Zeit war, war die güldene Beitz; fein Jammerthal, feine Kopfiteuer, kein Zahn» weh! Guldene Beit, Leine Zeit, wie harmoniſch und boch wie wahr! wie finnig und doch wie ſtark! Jungfräuliche, unges fhänbete Bernunft vermähblt mit gefundem Ausdrud, noch nicht durch den Pöbel und Peine Akademie abgenukt: Letzter "Planet, Model, Mikrofoften, letztes Gefchöpf, Menſch, Ebenbild Gottes, Mitrotosmus — wo ift Analogie, wenn bier keine ift? —
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6, Das Gaſtmahl der Iournaliften.
Gleich nad Zubilate voriged Jahr wurde mir von einem Freunde gemeldet, daß zu Flarchheim, einem kleinen Dorfe auf
ber Seite von Langenfalza, eine merkwürdige Zuſammenkunft |
fein würbe, bie wohl verdiente, von jemanden, ber fo viel Neu: gierbe hätte, und, wie er fi) ausdrüdte, ben Seelen fo gern in die Gefihter gudte, ald ih, gefehen zu werden. Es wären einige ber wichtigften Gelehrten, Zeitungsfchreiber und Journa⸗ liften von Deutfchland, wie er felbfi von einem unter ihnen wiffe, entfchloffen, an diefem Ort zufammen zu fommen, fi perfünlich Fennen zu lernen, und ein paar Tage zu fchmaufen. Er glaubte, daß vielleicht wichtige Sachen vorgenommen werden würden, wenigftens hätte ihm dieß berfelbe Mann zu verftehen gegeben; vermuthlich eine kleine Veränderung mit der Litteratur. möchte wohl ber Gegenftand fein.
Ich war über diefe Nachricht faft außer mir. Denn was muß das nicht für ein Anbli fein, dachte ich, bdiefen Zirkel von xalorg xuyasors beifammen zu fehen, die ehrwürdigen Glie⸗ ber des Gerichts, das Leinen zeitlichen Richter erkennt, bdiefe Bewahrer jenes großen Siegeld, womit die Patente des Ruhms
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geftempelt werben, unb bie endlich allein das Jus praesentandi bei der Rachwelt aus ben Händen der Welt empfangen haben. Man bat längfi bemerkt, daß, je undeutlicher die Begriffe find, die man von ber Größe eines Mannes bat, fie defto mehr auf das Blut wirken, und bie Bewunderung befto enthufiaftifcher wird. Himmel, fagte ih, made mid fo glüdlich, diefes An⸗ blicks zu genießen, die Leute zu ſehen, gegen bie alle Weifen der Erde das find, was fie gegen dich find! Und in dem Aus genblid Fam es mir vor, als wenn ich die Gefellfchaft fähe, jeden mit einem Heiligenfchein um ben Kopf. Ob ich gleich nicht deutlich weiß, daß ich einen Journaliften mit einem Apo⸗ fiel verglichen Hätte, fo fchien e8 boch faft, als wenn ich es ein» mal dunkel getban haben müßte, denn fie fchienen mir in dem augenblidlihen Gefihte da zu fiten, wie bie Eilfe auf einem Kupferftich, den ich in meiner Kindheit öfters angefehen hatte. — —
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7. Über die Macht der Liebe.
Mittwoch. Morgens 8 Uhr den 19. Febr. 1777.
So wie ich vorgeſtern angefangen hatte, kann und mag ich nicht fortfahren. Ich lege alſo ein kleineres Fundament für ein kleineres Gebäude, für Sie zum — umblaſen. Jedoch aus einer geheimen Ahnung zu urtheilen, wird auch dieſer Brief nicht ſo ganz klein ausfallen; ſeltſam ausfallen wird er gewiß. Ich wage viel damit, wenn ich je viel bei Ihnen gegolten habe, denn ich wage Alles zu verlieren. Sie ſollen nicht allein meine Gedanken über Verlieben und Macht bes Frauenzim— mers hier in einem Auszuge ſehen, ſondern ich will Ihnen auch einen kurzen Entwurf meiner Methode zu philoſophiren geben, um mir bei Ihnen nicht ſowohl die Überzeugung wegen bes erfteren zu erleichtern, als die Vergebung. Ich werde Alles in den gerabeften Ausdrüden fagen, bie mir vorfommen, und muß deßwegen um zwei Dinge bitten: einmal, baß Sie denken, ich fchriebe weder an Mann noch Weib, fonbern bloß an eine vernünftige Seele, und baß, weil biefe Vorftelung manchem nicht fo geläufig fein möchte, als Ihnen, Sie mir diefen Brief,
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fobald Sie ihn gelefen haben, wieder verfiegelt zurück ſchicken. Ich fehe jeht erfi, eine biefer Bitten gebt an Ihren Berftand, bie andere an Ihr. Herz, ih muß alfo noch eine dritte binzufü« gen, daß die Gewährung biefer Bitten nit von ber Beſchäfti⸗ gung abhängen möge, die Herz und Berftand in diefem Wirr: warr finden, benn es Bönnte fein, baß fie ganz leer audgiengen.
Trotz meiner großen Armut an Kennmiſſen (morunter ich nicht Alles verfiehe, mas ich weiß, fondern nur was ich auch zweckmäßig zufammengebacht habe), finde ich mich oft nicht we: nig durch den Gedanken berubigt, baß ich das durch taufenbfa« ches Interefie gefpaltene und taufendfach ſich ſelbſt betrügende menfchlihe Herz zu bem Grab babe kennen lernen, daß ich an einer Sache zweifeln fann, und wenn fie in taufend Büchern bejaht ſtünde, taufend Jahre durch geglaubt worden, und als untrüglih von ſchönen und häßlichen Lippen verfündigt worben wäre. Ich habe mir zur unverbrüdlidhen Regel gemacht, aus Refpect ſchlechterdings nichts zu glauben, bemohngeachtet aber, vor wie nah, fortzufahren, aus Reſpect am gehörigen Ort oft zu thun und zu fagen, was ich nicht glaube und nit glauben fann. Der Men ift ein ſolches Wunder von Seltfamkeit, daß ih überzeügt bin, es gibt Leute, bie oft meinen, fie glaubten etwas und glaubens body nicht, bie ſich felbjt belügen, ohne es
zu wiſſen, und Dinge einem Andern nacdhzumeinen und nadzu>
fühlen glauben, bie fie ihm bloß nachſprechen. Daß das wahr ift, davon, fage ich, bin ich ficher überzeugt, denn ich habe mid ehemals felbft darüber ertappt. Diefes bat mich fehr
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mißtrauifch gegen mich felbft und noch mehr gegen die Verfiche: sungen Anderer gemacht, deren Interefie, Gattung von Eigen: liebe und Berftandesfräfte ich nicht ?enne, und von benen ich alfo nicht weiß, ob fie ein Botum haben, ober ob fie bloß He rolde find. Wir find nur gar zu geneigt zu glauben, das fei wahr, was wir oft bejahen bören und was Viele glauben, und bedenfen nit, daß ber Schein, ber zehn betrügt, Millionen betrügen kann. Neun Sehntheile des menfchlichen Gefchlechts glauben, die Erbe ftünde ftill, und es ift doch nicht wahr. Wir bedenken nit, daß, wenn Einer halb aus Intereffe etwas bes jabt, e8 Taufende ganz aus Intereffe nadhfagen, und zehntaufend, weil fie doch was fagen müffen, und gar feine Meinung haben, ober bloß Anderer ihre. Das ift ber größte Theil der Menfchen. Es ift daher Sammer Schabe, baß wir fo oft die Stimmen nur zählen können. Wo man fie wägen fann, ſoll man es nie verfäumen. Ich kann daher nicht leugnen, daß mir die Leute vorzüglid angenehm find, die ohne Affertation zuweilen die eviden⸗ teften Säge bezweifeln, oder Leute zu entfchuldigen fuchen, bie fie bezweifelt haben, fo wie neulich 8... von D..., ber behauptet hatte, 3 mit O0 multiplicirt wäre 3, oder mit andern Worten breimal nichts wäre drei. Ohne im geringften folchen abfurden Sweifeln, wie biefe, eben angeführt, das Wort zu reden, glaube ih auch, daß es feine größere Verſtandsſtärkung gibt, als Miße trauen gegen alle Meinungen ber Menge. Man kann fi immer fiher zurufen: das ift nicht wahr, und wenn man auch gleih am Ende findet, daß man fih geirrt hat; fo wird man
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diefen Irrtum nie ohne Gewinn von Geiten des Syſtems von Kenntniffen entdeden, bie man bat, und beffen Fefligkeit boch eigentlich ausmacht, was wir Seelenftärke nennen. Sagen ober gar predigen muß man biefe Zweifel eben nicht immer. In Religionsfachen ift es das fichere Zeichen eines ſchwachen Kopfe. Denn was ift wahr an biefen Dingen, das nicht fein Wahreres haben kann? Und wo es auf zeitlihe Ruhe und Glüdfeligkeit ankommt, muß man, meiner Meinung nad), allgemein anges nommene Säge fo wenig ohne große Urfache änbern, als einen geprüften guten Minifter mit einem andern vertaufchen, von beffen Geſchicklichkeit man fih mehr bloß verfpridht. In ber Frage, worüber ich jest fehreibe, könnte die muthwilligfte öffent: lie Unterfuhung feinen Schaben fliften, ja nugen würde fie, weil bierin das Eleinfte Theilchen, dem Baum anzulegen ober bem Sporn abzunehmen, ein gutes Werk thun beißt, es müßte dann fein, daß man fo fehriebe, baß man gerade das Gegen- tbeil würfte, fo wie jemand von &... 8 Abhandlung vom Selbſt⸗ mord gefagt hat: Er müßte nicht, feitdem er das Büchelchen gelefen hätte, käme ihn zumeilen ber Kitel an, fich felbft zu er: morden. — Sehen Sie nun, warum ich meinen Brief zurüd verlange? Doch zur Sache.
Die Frage: If die Macht ber Liebe unwiderſtehlich, oder kann der Reiz einer Perfon fo ftar auf uns wirken, baß wir dadburh unvermeidlich in einen elenden Zuſtand geras then müffen, aus welchem uns nichts als ber ausfchließende Beſitz diefer Perfon zu ziehen im Stande ift? habe ich in meinem Leben
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unzählige Mal bejahen hören von Alt und Jung, und oft mit aufgefchlagenen Augen und über das Herz gefaltenen Händen, den Zeichen ber innerften Überzeugung und ber fich auf Discretion erges benden Natur. Ich könnte fie auch bejahen, nichts ift mwohlfeiler und leichter, ich werde fie auch fünftig aus Gefälligkeit wieder bejaben, oder auch, wenn Pünftige Erfahrungen das Gabinet berei- chern, aus bem ich jett herausphilofophire, im Ernft, woran ich aber deßwegen fehr zweifle, weil ein paar Beifpiele, die gehörig ins Licht gefeht für mich fireiten, binlänglich find, den ganzen Sa auf ewig zu leugnen. Ich babe, fage ich, den Sas unzählige Mal bejahen bören und bejaht gelefen in Profe und in Berfen. Aber wie viel Menfchen waren barunter, die bie Frage ernſtlich unterfucht hatten? Bewußt wenigftens ift e8 mir von feinem, daß er fie unterfucht hätte, und vielleicht hatte fie auch wirklich Feiner un: terfucht; denn wer wird eine Sade unterfuchen, von beren Wahrheit der Guckuk und die Nachtigall, die Zurteltaube und ber Bogel Greif einftimmig zeugen, wenigitens, wenn man ben füßen und bittern Barden aller Zeiten glauben barf, über beren Philofophie aber zum Glück der Philoſoph fo jehr lacht, als das vernünftige Mäbchen über ihre Liebe. Ich glaube, ich habe die Frage binlänglich unterfucht, lange vor Hrn. Prof. Meiners, deffen Ülbereinflimmung mit meiner Meinung in der Haupt: fache nicht wenig dazu beigetragen hat, daß ih den Mann jest Liebe, deſſen Kopf ich längft verehrt habe. Nach biefer Un— terfuchung behaupte ich mit völliger Überzeugung: die unwider— Beblihe Gewalt der Liebe, uns durch einen Gegenftand entwe:
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der höchſt glücklich oder höchſt unglücklich zu machen, ijt poeti⸗ ſche Faſelei junger Leute, bei denen der Kopf noch im Wachſen begriffen iſt, die im Rath der Menſchen über Wahrheit noch keine Stimme haben, und meiſtens fo beſchaffen find, daß fie feine befommen können. Sch erkläre bier noch einmal, ob es fi) gleich wohl von felbft verfteht, daß ich den Zeugungstrieb nicht meine; der, glaube ich, kann unwiderftehlich werden, allein fiherlich hat ihn die Natur uns nicht eingeprägt, uns höchſt uns glüdli oder böchft glüdlich zu machen. Bus Erite zu glauben macht Gott zu einem Tyrannen, und das Letztere ben Dienfchen zum Vieh. Und doch rührt die ganze Verwirrung in bdiefem Streit aus nicht genugfamer Unterfheidung eben biefes Tries bes, der fih unter fehr verfchiedener Geftalt zeigt, und ber fhwärmenden Liebe ber. Man vertheidigt Liebe und verwirft Liebe, und eine Partei verfteht dieſes und tie andere etwas Anderes. So weit diefen Morgen.
Donnerstag. 9 Uhr.
Die guten Mädchen haben die Ausprüde Himmel auf der Welt, Seligkeit, womit mande Dichter die glücklichſte Liebe belegten, al8 ewige unwandelbare Wahrheit angefeben, und mädchenmäßige Jünglinge haben es ihnen nachgeglaubt, da e8 doch nur weichliches Geſchwätz junger Schwärmer ift, bie weder mußten, was Himmel, noch was Welt war. Die Bes nennungen find nur in fo fern wahr, in fo fern e8 wahr ift, daß Mädchen Göttinnen find, Die Griehen, nicht allein das weis
fefte und tapferfte, :fondern auch das wollüftigfte Volk auf der Welt, bielten wahrlich die Mädchen nicht für Göttinnen, ober ben Umgang mit ihnen für Paradies oder ihre Liebe für unwi⸗ derſtehlich. Sie erzeigten ihnen nicht einmal die Achtung, bie man wenigftes von einem freien Volk, ich will nicht fagen von einem gefühlvollen, gegen ein ſchwaches Gefchleht hätte er- warten follen. Sie braudten fie, bie organifirten Fleiſchmaſſen zu zeugen, aus benen fie felbft nachher Helden, Weife und Dichter formten, und ließen fie übrigens gehen. Sie wohnten im Innerften des Haufes, kamen nicht in Männergefellfchaften, wodurch ihnen benn freilih aller Weg abgefchnitten ward, fi für fo kluge Köpfe gehörig auszubilden, baher fie immer fchledy- ter und verächtlicher werden mußten. Daß ihnen wahrhaftig große Männer courten, biefe Achtung mußten fie fih erſt durch befondere auszeichnende Geiftesgaben erwerben, und biefe Be- ſuche waren nit von der verliebten Art. Das Vermögen, das ihnen bie Natur gegeben bat, ein bdringendes Verlangen auf eine angenehme und nützliche Art zu befriedigen, rechneten fie ihnen für kein Verdienſt an, und, wie mich bünft, mit großem Recht; denn es ift ein Handel, wobei beide Parteien gewin- nen. Die Ausdrüde Herz verfhenfen, Gunft verſchen— fen, find wieder poetifhe Blümchen. Kein Mädchen fchenkt ihr Herz weg, fie verkauft e8 entweder für Gelb oder Ehre, oder vertaufcht ed gegen ein anderes, wobei fie Vortheil hat, oder doch zu haben glaubt. Aber was führe ich Ihnen die Griechen an? Gibt e8 nicht heutzutag ein fehr vernünftiges Volk, das
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von ber beides lächerlichen und dabei müffiggängerifchen Schwärl" merei ber Liebe frei ift, ein Volk, bem wir allein den Fort⸗ gang in nüglichen Wiffenfhaften, Beſſerung bes Menfchen und alle großen Thaten zu danken haben. Wiffen Sie, was ich für ein Bolt meine? Gewiß Sie Pennen es. Es ift die Gemeinde ber activen, vernünftigen, ſtarken Seelen, bie man über die ganze Erbe ausgebreitet findet, obgleich manches Städtchen leer ausgehen möchte; ber gefunde, nügliche glüdliche Landmann, den unfere albernen Dichter (wie überhaupt die Natur) befingen und bewundern, ohne ihn zu kennen, fi fein Glück wünſchten, ohne doch ben Weg dazu wählen zu wollen. Mir läuft die Galle über, wenn ich unfere Barden das Glück bed Landmanns beneiden höre. Du willſt, möchte ich immer fagen, glücklich fein wie er, und dabei ein Ged fein wie Du, das geht freilich nicht. Arbeite wie er, und wo beine Glieder zu zart find zum Pflug, fo arbeite in ben Tiefen der Wiffenfchaft, fies Eulern oder Hallen ſtatt & ..., und ben ſtärkenden Plutarch ftatt bes entnervenben Siegwarts, und enblich Ierne bein braune Mäd⸗ chen genießen, wie bein braunes Brot — von Hunger verflärt und gewürzt, tie bein Landmann thut, fo wirft bu glüdlich fein wie er. Nicht Adel der Seele, nicht Empfindfamteit, ſon⸗ bern Müffigang, oder doch Arbeit bei ber ber Geift müffig bleibt, und Unbefanntfhaft mit ben großen Reizen der Wiflenfchaft, worin fhlechterbings nichts von Lieb’ und Wein vortommt, ift die Quelle jener gefährlichen Leidenfchaft, bie (ich getraue es allgemein zu behaupten) ſich noch niemals einer wahrhaft männ⸗ II. 16