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VON DER SPRACHE DER GÖTTER UND GEISTER

BEDEUTUNGSGESCHICHTLICHE

UNTERSUCHUNGEN ZUR HOMERISCHEN

UND EDDISCHEN GÖTTERSPRACHE

VON

HERMANN GÜNTERT

UNIVERSriY OF TORONTO

LIBRARY MASTER NEGATIVE NO.: 9i.Qo9../.L-r.k.

HALLE (SAALE)

VEKLAG VON MAX NIEMEYER 1921

An allen Orten soll meinem Namen geräncheit und ein reines Speisopfer geopfert werden; denn mein Name soll herrlich werden unter den Heiden, spricht der HErr Zebaoth.

Prophet Maleachi I. 11.

\) ava^, ov To (iuvthÖv ioxi lo ir .Je?.(potq, o?Tf Xf-yet ovxf: xqvktsi, akXä OTj/taiVEi.

Heraklit.

®ic Stimme ©DtteS. 3)te Kreaturen fiiib befe (Siegen SBorteS Stimme: (5§ fingt wnb Hingt fid^ felbft in Slnmutl) unb im @rimme.

Ang-elua Silesius, der Cherubinische Wandersmann, 1657, I, 270.

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FieilieiTii Ludwig von Heyl zu Herrnsheira

zugeeignet

in dankbarer Erinnerung an unvergeßliche, von herzlichster Freundschaft

durchsounte Wormser Jugeudtage

y

Vorbemerkung.

Wer vom Titel verführt von den folgenden Blättern etwa mystische Erbauung oder gar theosophische Belehrung erwarten sollt«, tut gut, sie ungelesen aus der Hand zu legen. Wenn sich der Verfasser auch nicht gerade jeden Verständ- nisses mystischer Erlebnisse für bar hält, so galt es jedenfalls hier, einem streng wissenschaftlichen Problem mit philo- logischer Kritik und sprachwissenschaftlicher Nüchternheit nachzuspüren: daher der vor allen Weihrauchwölklein war- nende Untertitel des Büchleins. Die Frage nach der Her- kunft der bei Homer und in der Edda als Ausdrücke der Götter ausgegebenen AVorte, die merkwürdigerweise noch keine ge- nauere sprachwissenschaftliche Behandlung erfahren hat, war mir zuerst bei meinen Untersuchungen über die ahurischen und daevisclien Ausdrücke im Awesta ^) entgegengetreten und hielt mein Interesse gefangen, je widersprechender gelegent- liche, hier und dort geäußerte Erklärungsversuche, die mir allmählich bekannt wurden, eine Antwort zu geben suchten. Da es also nicht allein galt, die einzelnen „Götterworte" im besondern sprachwissenschaftlich zu wägen, sondern auch das Problem als ganzes und allgemein zu verstehen, mußte eine größere, religionswissenschaftlich gefärbte Einleitung meine Ansicht von der Entstehung dieses Glaubens aus volkstüm- lichen Vorstellungen von der Macht des Namens und Worts sachlich begründen. Da jedoch der Wort-„aber"-glaube von verschiedenen Seiten schon ausgiebig behandelt ist, konnte es sich für unseren Zweck nur darum in diesem einleitenden

') Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad. d. Wiss. , 1914, 13. Abhandlung, vgl. die Fußn. 1 auf Seite 3.

VI

Teile handeln, aiicli den solchen Fragen ferner stehenden Leser in die in Betracht kommenden primitiven Gedanken- gänge einzuführen und ihn zu dem Punkte zu geleiten, von dem aus ich den Gla,uben an eine besondere S])rache der Götter und Geister, ganz allgemein betrachtet, erklären zu können glaube. Um erschöpfende Materialsammlung ist es mir also in diesem ersten allgemeinen und grundlegenden Abschnitt keineswegs zu tun; ich glaube aber, daß das Gebotene, das ich aufgrund eigener Sammlungen etwas individueller zu ge- stalten suchte, zur Einleitung in das eigentliche semasio- logische Problem der beiden nächsten Abschnitte vollauf ge- nügen dürfte. Daß ich bei einem Stoffe, der Sprach- und Eeligionshistoriker, klassische Philologen und Germanisten in gleicher Weise angeht, in der Darstellung ausführlicher und allgemein verständlicher sein mußte, als das bei einer rein in ein einziges Sondergebiet fallenden Facharbeit nötig ist, lag auf der Hand, Wenn ich auch den philologischen und reli- gionswissenschaftlichen Fragen keineswegs auswich, so ist doch die ganze Arbeit in erster Linie vom Standpunkt des Sprachwissenschaftlers geschrieben, der sich besonders für die Fragen der Wortgestaltung, Wortschöpfung und Wort- bedeutung interessiert, dem aber auch die Ansichten ver- gangener Zeiten über die Kraft der Sprache und des Worts aller Beachtung wert erscheinen; insofern ist diese Unter- suchung auch als Beitrag zur indogermanischen Altertums- kunde gedacht.

Für freundlichen Beistand bei der Drucklegung dieser Arbeit spreche ich meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Ge- heimrat Prof. Dr. Bartholoma e, meinen besten Dank aus; sehr zu Dank verpflichtet fühle ich mich auch gegen meinen Ver- leger, Herrn Hermann Niemeyer in Halle, der sich trotz der Ungunst der Zeitverhältnisse in der entgegenkommendsten, un- eigennützigsten Weise meines Buchs angenommen hat.

Heidelberg, im Januar 1921.

Hermann Güntert.

/

vi/

Inhaltsübersicht.

Seite I. Einleitender und grundlegender Teil. Der Glaube an Geister- sprachen im allgemeinen und seine Erklärung:

1. Nomina als nuniina und omina 1

2. Engelszimgen 23

3. Die Bildungsarten von Zauberworten 55

II. Teil. Die tiomerische Götterspraclie:

1. GötterAvorte 89

2. Paare von Götter- und Menschenworten 104

3. Nachhomerische Belege für Götterworte und sakrale Metaphern 116

!

I III. Teil. Die Synonyme der Alvissmpl:

1. Das Gedicht als .Ganzes 130

2. Die einzelnen Geisterworte 140

3. Ergebnis und indische Parallelen 151

Ausklang. Naturstimmen als Geistersprache nach einigen Dichter- , ' Zeugnissen 160

/ Berichtigungen und Nachträge 172

\

\ Seitenweiser:

I. Sachverzeichnis 173

II. Wörterverzeichnis 175

1.

Jl

)m leisen Raunen und schaffenden Weben der Natur hat die lauschende Volksphantasie seit ältesten Zeiten viel mehr gehört als nur sinnlose Geräusche und bedeutungsleere Töne ; man empfand darin vielmehr die vernehmlichen Stimmen über- menschlicher Mäclite und Wesen, die in einer geheimnisdunklen Rätselsprache lispeln und wispern, die den allmächtigen Welten- schöpfer preisen, die aber auch dem Sterblichen Warnungen und Ratschläge zukommen lassen, wenn er ihre Rede zu fassen vermag. Höhe und Stand der religiösen Anschauungen ist bei dieser gefühlsmäßigen Überzeugung verhältnismäßig gleich- gültig; mag der Mensch sich die ganze Natur von Geistern und Dämonen bevölkert denken, oder mag er in dem Weltall und seinem gesetzmäßigen Kosmos selbst die wirkende Gottheit verehren, mag er sich seinen Gott noch so geistig, dem Menschenhirne unfaßbar vorstellen oder von der Herrschaft des Unterbewußtseins, des „fremden Gastes" in der Menschen- seele, überzeugt sein, wie ihn kürzlich Maeterlinck ge- schildert hat'): dieser Grundüberzeugung, daß in den Stimmen der Natur göttliche Mächte reden und verkünden, „was ewig schaffend uns umwallt", bleibt zugänglich, wer überhaupt gefühlsmäßigen Stimmungen Berechtigung und Zutritt in seiner Seele zugesteht:

Die Himmel rühmen des Ewigoi Ehre,

Ihr Schall pflanzt seinen Namen fort.

Ihn rühmt der Erdkreis, ihn preisen die Meere:

Vernimm, o Mensch, ihr göttlich Wort!

Jahrtausendalte Überlieferung ist es, die solche Emp- findungen tief in der fühlenden Menschenbrust gefestigt und

') M. Maeterlinck, Der fremde Gast, Jena 1919.

Güiiteit, Sijrac'lic dor Ciöttoi- luid Geister. 1

geborgen hat. Der g-estirnte Nachthimmel in seiner Majestät erschien dem größten deutschen Denker als eine ehrfurcht- erregende Offenbarung des Ewigen, Grenzenlosen, und selbst der moderne, exzentrische Dichterpsycholog, der sich so gerne in der Rolle eines Gottleugners, Gottzertrümmerers gefällt, ist hochempfänglich für diese großartige Zeichensprache der Natur, für die Erhabenheit des Sonnengestirns, das er so oft redend einführt, für das beredte Schweigen der Flammen- schrift am Sternengewölbe, „ewiger Bildwerke Tafel"; er fühlt seine Seele in tiefsten Tiefen erschauern, wenn seine entzückte Weisheit ein überirdisch Zeichen aus anderen Welten gleich einer stummen Eede des Alls zu gewahren wähnt :

Ich sehe hinauf

Dort rollen Lichtmeere:

0 Nacht, 0 Schweigen, o totenstiller Lärm! . . .

Ich sehe ein Zeichen ;

aus fernsten Fernen

sinkt langsam funkelnd ein Sternbild gegen mich . . .

Man sage nicht oberflächlich, das sei nur dichterisches Bild, nur Gleichnis, also Dichter - Erschleichnis ! Das seelische Erleben und Schauen ist das gleiche, ob es sich nun hier mehr in religiöser, dort mehr in ästhetischer Form äußere.

In dieser tlberzeugung von den flüsternden Geister- stimmen der Natur ist einer der Hauptgründe für die Weis- sagekunst, für die Mantik, zu sehen: im sanften Säuseln der Blätter in der Krone heiliger Bäume wie im murmelnden Geplätscher eines heiligen Quells, im Flug der Vögel wie im Körperin nern des Götteropfers, im Donnergrollen und Sturmes- brausen wie im Flimmerglanze der Sternmyriaden an der entwölkten nächtlichen Himmelskuppel, im Verhalten geweihter Tiere wie in Traumgebilden: überall erlauschte die be- obachtende, hinhorchende und kombinierende Menschenseele geheime Zeichen, versteckte Winke überirdischer Wesen, die in^ihrer Art, in einer seltsam eigenen Götter- oder Geister- sprache, Rätsel des Daseins entsiegeln, die Warnungen oder Ratschläge dem Kundigen erteilen, die sogar die sterblichen

Augen ewig verschleierte Zukunft, das allgewaltige Schicksal selbst, zu eröffnen gewillt sind. Nur besonders begnadete, hellhörige Menschen freilich, Priester und Sibyllen zumal, aber auch die Dichter unti Seher verstehen sich auf diese Göttersprache und vermögen sie den anderen Menschen zu deuten und zu übersetzen. Ja sogar Menschenlippen können diese überirdische Sprache lallen, dann nämlich, wenn eine heilige Begeisterung, eine mystische Verzückung eine Steigerung über menschliches Maß ermöglicht: so stammelte, des Gottes voll, die delphische Pythia rollenden Auges und mit schaum- bedecktem Mund ihre Rätselworte, die nur dem Priester ver- ständlich waren, so denkt sich Aischylos seine Kassandra in unklaren Lauten gleich einer Schwalbe zwitschern, i) so hörte der mittelalterliche Mystiker in unmittelbarem Schauen der Gottheit und der Engelchöre diese himmlische Sprache, so redeten seit den Tagen des Paulus bis in unsere unmittelbare Gegenwart schwärmerische Christen in einer besonderen Ver- zückung in Stimmen der Engel, so berichten geeignete Medien im Trance -Zustand von außermenschlichen Sprachen. Auf solche Weise kann die Rede der überirdischen Wesen un- mittelbar beobachtet werden, da die Personen in ihrer Ver- zückung und ihrem Enthusiasmus nur das Sprachrohr, das willen- und bewußtlose Sprachwerkzeug der Mächte sind, von denen sie „besessen" werden. Aber der Priester, der ja diese fremdartigen Worte und Schreie zu deuten vermag, kann dann auch seinerseits mittels solcher magischen Worte sich mit den überirdischen Mächten ins Benehmen setzen : Zauber- formeln und -Sprüche sind nämlich, in diesem Sinne betrachtet, ebenfalls nichts anderes als die Wörter einer Geistersprache, mittels deren der Zauberer den Geistern zu gebieten imstande ist. Dies wird deutlicher, sobald wir uns die Bedeutung des Namens und Worts in primitivem Volksdenken nur einigermaßen zu vergegenwärtigen suchen.-)

') Agamemnon 1050 f.

■-) Ich stelle die wichtigste Literatur zusammen : Tylor, ürgesch. d. Menschheit, 1866, 136 ff., Nyrüp, Navuets magt in Mindre Afhandlinger ud- give af det Phil.-Histor. Sarafund, Kopenhagen 1887, 118 ff., Frazer, The golden bough I-, -10J3if., v. Andrian, Correspondenzbl. d. d. Ges. f. Anthropol., Ethnol u. IJrgesch., 27, 1890, 109 ff., Kroll, Rhein. Mus. 1898,345, Giese-

1*

Goethes Ausspruch. Name sei Schall und Rauch, ist nämlich eine ganz junge, moderne Auffassung und hat für ältere Zeiten jedenfalls keine Geltung. Es ist übrigens inter- essant, daß der Dichter, dessen grüblerischer Faust das Wort ja auch so hoch unmöglich schätzen kann, seinerseits sehr wohl ein Gefühl für jenes geheimnisvolle Etwas besaß, das selbst heute noch den Namen umgibt. Wie er nämlich in „Wahrheit und Dichtung" erzählt, ') schrieb einst der krittlige Herder in Straßburg an den Dichter eine Karte, in der Goethes Name nicht eben freundlich unter eine trübe etymo- logische Lupe genommen wurde : „Z)er von Göttern du stammst, von Goten oder vom Kote, Goethe, sende sie"^) mir.^^ Der Dichter fährt weiter: „Es war freilich nicht fein, daß ersieh mit meinem Namen diesen Spaß erlaubte; denn der Eigen- name eines Menschen ist nicht etwa wie ein Mantel, der bloß um ihn herhängt, und an dem m.an allenfalls noch zupfen und zerren kann, sondern ein vollkommen passendes Kleid, ja wie die Haut selbst ihm über und über angewachsen, an der man nicht schaben und schinden darf, ohne ihn selbst zu verletzen." Auch Th. Storm hat ein feines Verständnis für die besondere Bedeutung des Namens gehabt, wenn er singt s):

Denn ob der Nam den Menschen macht. Oh sich der Mensch den Namen, Das ist, weshalb mir oft, 7nein Freund, Bescheidne Zweifel kamen.

BRECHT, Die alttestameutliche Schätzung- des GottesuameDS, 1901, 08 ff., Heittmüller, Im Namen Jesu, Forsch, z. Bei. d. alten u. neuen Testam. II, Dieterich, Mithrasliturg-ie^, 1910, llOff. , W. Schmidt, Die Bedeutung des Namens im Kult und Aberglauben, Beilage z. Jahresber. d. Ludwig- Georgs-Gymnasiums in Darmstadt, 1912, Hirzel, Der Name, Abhandl. d. Sachs. Ges. d. Wiss., XXXVI, Nr. 2. Einzelnes bei Clodd, Folk-Lore I, 1890, 272 f., Arch. f. Religionswiss. IV, 1901, Iff., Wbllhausen, Reste arab. Heidentums -^ 1897, 199ff., Kauffmann, Balder, 1902, 198ff., A.Ermau, Aegypt. Religion 1905, 101, lOi, 155, Schindler, Aberglaube des Mittel- alters, 18.58, 96 ff., E. Littmann, Festschrift f. Andreas, 1916, 86 ff., Scheftelowitz, Die altpersische Religion und das Judentum, 1920, S. 57.

') Aus meinem Leben, 10. Buch.

-) Ciceros Briefe.

«) In dem Gedicht „Zur Taufe". So behauptet Origenr s c. Gels. I, 24 f., die Namen seien nicht d^iGn, sondern <fvati geschaffen.

Eins aber weiß ich ganz' gewiß: Bedeutsam sind die Namen.

In alten Zeiten vollends ist der Name und das Wort etwas ähnliches wie eine seelische Substanz, jedenfalls etwas Reelles, Wirkliches, Seiendes, etwas, das Leib und Seele an Bedeutung als gleichwertig galt. Aus der altindischen, be- sonders der buddhistischen Philosophie ist der Ausdruck nämarüpa- „Name und Aussehen" zur Bezeichnung des Wesens eines Dinges bekannt,') in der Jfmä^H.sä- Lehre begegnet der ähnliche Begriff nämaguna- „Name und Eigenschaft". 2) Die alten Ägj^pter lehrten geradezu, der Mensch bestehe aus Leib, Seele, dem schattenhaften anderen Ich (Ka) und dem Namen. 3) Nach ethnologischer Quelle'*) sollen die Bewohner von Angmagsalik an der Ostküste von Grönland kurz und bündig behaupten, der Mensch sei aus drei Teilen zusammengesetzt, aus Leib, Seele und Namen. Wer den Namen eines Geistes kennt, der hat Macht über ihn, der kann kraft dieser magischen Gewalt den Dämon zitieren. Die feierlichen Anrufungen der Götter im Gebet und Zauber be- schwören nach primitiver Denkungsart das überirdische Wesen; die Verbindung der Menschenwelt an das Geisterreich ge- schieht lediglich durch Namensnennung. Solange man eines Dämons Namen nicht weiß, kann man sich seiner nicht er- wehren; er ist unangreifbar, unfaßbar, alle Abwehrmaßregeln gegen seine Tücke sind Schläge in die leere Luft. Das be- kannte und weit verbreitete Märchen vom „Rumpelstilzchen" lehrt dies aufs anschaulichste.») Von Hexen in Werwolfs- gestalt singt Goethes „Zigeunerlied", das wirkungsvoll hier- hergehörige abergläubische Motive verwendet. Da der Zigeuner den wahren Namen der sieben Wölfe kennt, machen sie bei

0 S. Oldenberg, Buddha* 1900, 46. 262 ff. und Weltanschauung der Brähm.-Texte 1919, 105.

*) Sat. Br. XI, 2, 'S, 1 heißt es : „Das Weltall reicht so weit als Gestalt und Name."

») A. Erman, Aegypt. Religion, 1905, 8Hff.

*) V. Andrian im Correspondenzblatt d. dtsch. (jesellsch. f. Anthrop., Ethuol. u. Urgesch. 27, 1896, Spalt« 115.

•') E. Cloth, The pliilo.sophie of Rumpelstiltskin , The Folk-Lore Journal 1888, 7, 157 ff.

der bloßen Namensnennimg kehrt, weil sie sich in der Zauber- gewalt des Rufenden wissen:

Ich schoß einmal eine Katz' am Zaun, Der Anne, der Hex', ihre schwarze liehe Katz'; Da kamen des Nachts sieben Werwölf zu mir, Waren sieben, sieben Weiber vom Dorf.

Ich kannte sie all', ich kannte sie wohl, Die Anne, die Ursel, die Käth', Die Liese, die Barbe, die Ev\ die Beth; Sie heulten im Kreise mich an.

Da nannf ich sie alle bei Namen laut : Was willst du, Anne? was willst du, Beth? Da rüttelten sie sich, da schüttelten sie sich Und liefen und heulten davon . . .

Wille wau wau u)au!

Wille wo wo wo !

Wito hu!

Wer den zauberkräftigen Namen vergißt, hat jede Herrschaft über die geisterhaften Erscheinungen verloren. Das zeigt abgesehen von Hauffs bekanntem „Kalif Storch", der auf diesem Motiv beruht, wieder Goethe im „Zauberlehrling", der die (ieister, die er rief, nicht mehr los werden konnte'):

.,Ach ich merk' es! Wehe! uehe! Hab' ich doch das Wort vergessen ! Ach, das Wort, worauf am Ende Er das ivird, was er gewesen!

Eine naive, aber in ihrer Art ganz folgerichtige Logik liegt den primitiven Vorstellungen dieses Namensaberglaubens zugrunde. Nach einer jüdisclien Geheimlehre'-) z. B. kann man einen Dämon dadurch verscheuchen, daß man seinen

') Den Stoff zu dieser Ballade fand Goethe bekanntlich bei Lukian. Philopseudes 00 ff.

^) Aboda zara r2b, Fesachiui 1 12 a, s. (jikskbrkcht, Alttest. Schät/iniy (1. Gottesnamens 74, Hkittmüm-kr, Im Namen Jesu, Forsch, z. R^lig. d. alten u. neuen Testaments II, 165.

Namen wiederholt ausspricht und dabei jedesmal eine Silbe oder einen Buchstaben wegläßt: Schabriri, briri, riri, iri, rif Genau zu demselben Zweck wird z. B. der griechische Spruch dienen ') : axQay.avuQßa xccra{tßa araQßa rccQßa agßa Qßa ßa a Af'/f oXor ovToc To orotia jm^/ryotidcö^.

Name ist ein Teil des Wesens ; es wird hier also gleichsam von dem Wesen des Dämons Stück für Stück abgehackt, und er flüchtet, um auf diesem Wege des Analogiezaubers nicht völlig vernichtet zu werden. Wie man mittels magischer Analogiehandlung eine Wachspuppe für die betreffende Person, gegen die der Schadenzauber sich wendet, einsetzen kann, so daß sie selbst die Mißhandlungen der Puppe am eigenen Leibe spürt, wie eines Fingers Glied, ja nur die Fußspur genügt, um die ganze Person in magische Gewalt zu bekommen, 2) so kann man mit dem Namen, der ja ein so wesentliches Stück der dämonischen Macht ist, Herr über sie werden. 3)

Natürlich sind diese zauberkräftigen Geisternamen nicht allgemein bekannt, sind nicht etwa dieselben, wie die gewöhn- lichen Eigennamen, mit denen der Laie den Gott oder Geist benennt. Es handelt sich also um Geheimnamen, deren Kenntnis das Vorrecht der Priester und Zauberer ist. Schon im ältesten Denkmal des Indogermanentums spielen diese ge- heimen, „wirklichen" Namen eine Rolle, im Egveda. So liest

') K. Wkssely, Ephesia grammata (Jahresbericht d. Franz - Joseph - Gymnasiums in Wien) 1886, S. 28, Nr. 303.

2) Vgl. dazu R. Andree, Ethnogr. Parallelen u. Vergleiche 1889, 8 ff.

') Vgl. z. B. AV II, 31, 2 f. (in der Übersetzung Grills Hundert Lieder des Atharva-Veda", 1888, 6):

2. Den „Sichtbaren" und den „Unsichtbaren' zerquetsch' ich, den Kurüru auch,

Die Aländti und Caluna zermalmen alle wir durch' s Wort.

3. Mit mächt'ger Waffe tot' ich die Aländu,

ob sie verbrannt, ob nicht sie sind unschädlich;

Was übrig, wie das Abgetane, zwing ich

durchs Wort: kein einz'ger Wurm soll übrig bleiben.

4. Den Wurm, der in dem Eingeweid. und was in Kopf und Rippen sitzt. Acaskacu, Viadhoara

zermalmen wir durch unser Wort.

8

man z. B. RV IX, 95, 2 : devo devdnäm (jiihyäni nämävis hrnoti barhisi pravace „der Gott (sc. Soma) offenbart der Götter ge- heime Namen, sie auf der Opferstreu zu verkünden". Ebenda V, 5, 10 heißt es: „Dorthin bringe die Opferspenden (havyäni), wo du, Waldesherr (vänaspäU-), die geheimen Namen der Götter weißt." ') Vgl. auch IX, 58, 1, wo vom geheimen Namen der Opferbutter die Rede ist. Nach Sat. Br. II, 1, 2, 11 ist Ärjuna- ein geheimer Name Indras : Ärjuno ha vai namendro yad asya guhyanäma 'for indeed Indra is also called Ärjuna-, this being his mystic name';2) Indra ist indha- der „Ent- flammer" VI, 1, 1, 2, Agni wird Nabhas genannt, ebenda III, 5, 1, 32. Auch im Awesta ist von dem „heiligsten Namen" der Gottheiten die Rede (z.B. Y5,3 und sonst), man ge- braucht „den, der von den Namen der förderndste ist" (Y 36,3); der Name der Amdsasx)entas überwindet die Tücke der Dämonen (Yl,3). So wird zifo'rvooc in Mysterien jrvQiytv/jc, Lucina mit dem Fremdwort Ilithyia, Proserpina furva genannt: 'mystico nomine'.^) Kein Mann durfte in Rom, wie Cicero, de harusp. resp. 37 berichtet, den wahren Namen der bona dea erfahren. Rom hatte ebenfalls Geheimnamen, die man nicht einmal beim Gottesdienst nennen durfte: Serv. zu Verg. Aen. I, 277 urbis illius verum nomen nemo vel in sacris enuntiat.') Nach lo Lydus de mensibus IV, 25 soll der sakrale Name Roms Flora gelautet haben, daneben wird als orof/a TtkiorrAor Amor diesem oro//« uQarixöi' Flora gegen- übergestellt. Es wird von Plin. bist. nat. XXVIII, 18 erzählt, daß dies deswegen geschah, damit Feinde bei einer etwaigen Belagerung der Stadt den Namen der Stadtgottheit nicht kennen und auf diese also nicht magisch mit Namensnennung einwirken können.'^) Arabisch alWi ist natürlich kein Name, die Muhammedaner dürfen ihn daher ständig im Munde führen ;

das Wort bedeutet nur der „Gott", der wirkliclie Name Allahs /

*) Siehe Bühlbr bei v. Andrian a.a.O. 125, Grdr. d. indo-ar. Phil. III, 2, 47 und 170.

■') EGr,Ei.iN(i, Sacr. Books oi the Easi XTI, 1S8'2, 285, § 11.

•') Siehe Belege bei Lobeok, Aglaophamiis I, 401 f.

*) Lobeck, Aglaoph. 274, Fnßn. g, \V. Scjhmidt, Bedeutung des jSamens, S. 45.

•) Schmidt a. a. 0.

ist Geheimnis 1): wer ihn kennt, ist des größten Zaubers mächtig. Auch bei den alten Babyloniern spielt der „heilige", „große" Name eine gewichtige Rolle. £a ist in diesen Sagen der Herr der ewigen Geheimnisse, er oifenbart den „all- mächtigen, geheimnisvollen Namen", dem sich auch die Höllen- mächte beugen müssen.-)

Der ägyptisclie Zauberer droht dem Gott, seinen Namen den Menschen zu verraten, so daß er diesen dienstbar werden müßte, wenn er des Magiers Wunsch nicht erfüllt. 3) Im Totenbuch spricht der Tote, der zur Halle der beiden Wahr- heiten gelangt, also^): „Gelobt seist du, du großer Gott, du Herr der beiden Wahrheiten . . . ich kenne dich und kenne den Namen der zweiundvierzig Götter, die mit dir in der Halle der beiden Wahrheiten sind." In einem anderen ägyp- tischen Text spricht Isis zu He: „Sage mir deinen Namen, mein göttlicher Vater ; der Mann, dessen Name genannt wird, bleibt leben." ^) In einem griechischen Papyrus aus Ägypten**) heißt es: „Erhöre mich, denn ich werde den großen Namen aussprechen, Thaoth, den jeder Gott verehrt und jeder Dämon fürchtet." •')

Auch bei den Juden ') wird vom Geheimnaraen Gottes viel geredet; schon zu Jesu Zeiten durfte der wahre Wert des Wortes r^^i-:^ nicht ausgesprochen werden; auch nur einen Buchstaben des niedergeschriebenen Wortes auszulöschen, galt als Frevel. Gottes „wirklicher" Name, richtig ausgesprochen, bewirkte die größten Zauberkräfte, die einem Menschen be- schieden sein können. Das bloße Aussprechen genügte, den Gegner zu vernichten, die Naturkräfte zu beherrschen, den Dienst der Geister und Dämonen zu erzwingen, die vor dem magischen Wort erzittern; bei Krankheiten Avird damit der

') Tylok, Urgeschichte 18y, Schmidt a.a.O. 89, De Jon«, Antikes Mysterienweseu ', 1909, 143; Nöldeke, Tabari 183.

''■) Lenormant, Magie und Wahrsagekunst der Chaldäer^, 1920, 19.

•') A. Erman, Aegypt. Relig. 154.

♦) A. Erman a. a. 0. 104.

") A. Erman a a. 0. 155.

") Dieterich, Papyr. mag. 1888, 800, Wibdemann, Relig. d. alten Ägypter 1890, 114.

') Vgl. weitere Belege bei Scheftelowitz, Die altpers. Relig. u. d. .Judentum 1920, S. 57, Fnßn. 1.

10

„unreine Geist" ausgetrieben, i) In der Erscheinung des feurigen Busches war Moses das gewaltige Wort geoffenbart worden; 2) er soll nach späterer jüdischer Überlieferung es auf einen Zauberstab geritzt haben genau wie der nordische Wiking seine zauberkräftigen Runen in Stäbe eingrub. Als

■») Vgl. z. B. die jüdische Bleitafel von Hadrumetum, Wünsch, Defix. tabell. CIA Appeiid. p. XVII: 6Qxi'C,(o ae t6 ayiov ovo^a, o ov Xiyeraf . . . xai Ol öaiixoveq ^^sye^d-iöoiv ^^xd-a/ußoi xal 7ieQL(poß [oi yevjo/xsvoi . . .

'^) Als praktische Proben weiterer Geheimnamen genüge eine mittel- alterliche Beschwörung des Geistes Aziel, die hier nach Schindler, Aber- glaube des Mittelalters, 1858, 114 folgen möge: „Ich N. N. beschwöre dich Aziel mit diesen Machtworten: El und EU. die Adam gehöret und aus- gerufen, und durch den heiligen JS'amen Gottes Agle, den Loth mit seiner ganzen Familie gehöret und durch den er gesund geworden, und bei dem Namen Jod, den Jakob von dem Engel gehöret, der mit ihm gerungen und von der Hand seines Bruders Esau befreit hat, und bei dem Namen AnapMereton, den Aaron gehöret, wodurch er beredt und verständig wurde, und bei dem heiligen Namen Zebaoth, den Moses genennet, wodurch er alle Wasser und Pfützen in Blut verwandelte, und bei dem Namen Escha- rejah ariton, den Moses genennet, worauf sich alle Wasser in Frösche verwandelt haben, die in den ägyptischen Häusern alles verwüsteten, und bei dem Namen Elgon, den Moses genennet, worauf ein solcher Hagel ent- stund, dergleichen von Anbeginn der Welt niemals gewesen war, und bei dem Namen Adonai, den Moses geueunet, worauf Heuschrecken hervor- kamen, sich über ganz Ägypten auszubreiten und das noch übrige Getreide zu verzehren, und bei dem Namen Scheiuüsnmoihia, den Josua nennete, worauf die Sonne ihren Lauf verlor und stille stand, und bei dem Namen Alpha und Omega, den Daniel nennete, wodurch ei' den großen Drachen niederstieß und tötete, und bei dem Namen EmonueL den die drei Jüng- linge, Sadrach, Memcli und Abednego in dem feurigen Ofen gesprochen und dadurch errettet wurden, und bei den drei verborgenen Namen unseres Herrn und allmächtigen Gottes, dem Lebendigen und Wahrhaftigen, Agle, Elohu, Tetragrammaion : erscheine mir ganz freundlich vor meinem Kreise und bringe, was ich von dir fordere. Das gebiete ich dir, Geist Aziel, im Namen Jesu!" Das Geraisch hebräischer, griechischer und künstlicher Wörter ist sehr lehrreich. Ganz ähnlich lauten die altgriechischen Be- schwörungsformeln, z.B. ivtvxofxul oot xaxv. tof! luw '&to^ Xußu(i)x> 9tot) Aöwvai Ihfof} Mi/ar}). Hhov ^ov(Jir/k i^toC raß(Jirj?. i)-tov ^Puiparjk i>fof Aß()uoa^ iyiov 'Aß/Mvax}uva?.ßa ux(jtmfiuxfQi O^wl' xv(jiov . . . S^tov xvqIov Aaßu<f)Vtoxtj(j (pix(io<poo<fio>xüjßioy uf-rjiovoj wvoirjta: s. Xakl Wessely, Ephesia Grammata (Jahresbericht des Franz -Joseph -Gymnasiums Wien). 1886,-j'S. 22,* Nr. 210. Über den „vollendeten Namen" Buddhas s. Oldbn- HiflRG, Buddha^ 148, Max Müller, Vorlesungen ül)er die Wiss. d. S[tra(lie 1,28, Maass, Orpheus 71, Fiifln.

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kostbarstes Erbe überließ der Prophet diesen Stab mit dem eingeschnitzten Zaubernamen, womit er seine Wunder ver- richtet hatte, seinem Nachfolger Josua. Besonders oft redete man von zauberkräftigen Siegelringen, in denen der Sehern, der magische Wundername, eingraviert war. So erzählt JosEPHOs 1) vom Juden Eleazar. der mit einem solchen Ring am kaiserlichen Hof in Rom Dämonen austrieb, und in der Apokalypse ist von einem Siegelring Grottes die Rede, von einer acfQcr/}L; .Vtor QtövTo^, womit die Knechte Gottes aus den zwölf Stämmen „versiegelt", d. h. durcli das heilige Zeichen vor allen Dämonen geschützt werden. 2) Nach späterer jüdischer Überlief erung 3) gab C-rott den Israeliten Waffen, „worin sein großer Name eingegraben war; so lange sie in seinem Besitz waren, hatte der Todesengel keine Macht über sie".

Im Märchen hat sich, wie so oft, auch dieser Glaube besonders schön ausgeprägt; im ganzen Morgenland wird nämlich von dem wundergewaltigen Z aub erring '») Salomonis erzählt. Er war halb aus Erz, halb aus Eisen geschmiedet, und dem König als Gnadengeschenk vom Himmel zugesandt worden. Der Geheimname Gottes war in sein Metall ein- graviert, und dadurch machte dieser Talisman seinen Träger zum Beherrscher der Geister, zum Fürsten sowohl der guten Engel als der bösen Dschimu die insbesondere die Eisenteile des Reifes fürchteten. Wer entsinnt sich nicht jenes Märchens vom bösen Geist aus „Tausend und eine Nacht", der in einer von Salümün versiegelten Flasclie Jahrhunderte lang auf dem Meeresboden gefangen lag, und der dann seinen Befreier, den Fischer, zum Dank für die Erlösung umbringen will? Oder wer kennt nicht die Geschichte von der messingenen Stadt aus derselben Märchensammlung, wo Fischer drei kupferne, altertümliche Flaschen aus dem Meere Karkar heraufholen, in denen gleichfalls widerspenstige IJsckinn durcli Suleimans mächtiges Siegel festgebannt waren? Sai.omons Siegelring,

•) Antiqu. VIII, 2, ö. ■') 7, 2f.; 9, 4.

'■*) äemöt R. F. 51, vgl. Sohbftblowitz a. a. 0. ö7, FuÖii. ♦) Döi>GBR. SpliraefiH, t!»l1, 03 ff'. {a<f'(i(iy)i; l\(/.o/nöri)i;), Dir'jkrich, Abraxas 141 ff.

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der Zauberspiegel Alexanders und der Wunderbecher DscHEMSCHiDS slud persischeu Dichtern zufolge die drei be- rühmtesten Kleinodien der drei gewaltigsten Herrscher des Morgenlands. Daß man sich die Geistersprache gelegentlich aus solch wunderwirkenden magischen Worten zusammen- gesetzt dachte, sagt Gülnare, die Prinzessin aus dem Geschlecht der Meergeister, ausdrücklich: „Unsere gewöhnliche Sprache ist dieselbe, in welcher die auf dem Siegelring des großen Propheten Salomo, des Sohnes Davids, eingegrabene Inschrift abgefaßt ist." i) Wir sehen hier aufs deutlichste, wie der Glauben an eine Geister spräche sich aus Vorstellungen von der Zaubermacht des Worts entwickelt hat.

Da der Name und sein unvorsichtiges Aussprechen magische Folgen haben und das laute Nennen des Namens das Erscheinen des Geistes herbeiführen könnte, so gibt es eine Menge von Umschreibungen und Umgehungen des Namens.

Wenn man den Wolf nennt, kommt er r/erennt

heißt es im Sprichwort. Der Teufel wird nie beim rechten Namen genannt, obwohl doch griech. o öidßoXoc, auf das Teufel zurückgeht, seinerseits euphemistisch ist und nur an- deutend der .^Verleumder'-'' bedeutet.'^) So redet man vom .^Gottseibeiuns'^ ^ vom „Leibhaftigen^^, dem „JJösen''\ dem „alten bösen Feind'^] vgl. Meister f/Viaw", ti^gl. Old Nick, dm. Drolen „der Schelm" (mit Anklang an den gespenstischen Trolll), ■a,[s\. skelmir „Teufel", eigtl. „Schelm", 3) usw., schon im neuen Testament sind Umschreibungen für den großen Widersacher üblich''): ö .7tn(/dCoJi' (1. Thess. 3, 5), ö jTovyoöc (2. Thess. 8, 3 ; Eph. 6, 16), ixQyor rz/c t^ovolac: tot «V()oc (Eph. 2, 2) u.dgl. Griech. t/ßQÖc, lat. initkicus „der Feind" im Sinne von „Teufel"

') l()Ol Nacht, rtbers. v. Weu^, III, 17. Ober keltische Feensprache vgl. man .J. Rh^^s, Celtic Folklore, Welsh and Manx 1,269 (Fairy Ways and Words).

■■') Fries, fannen, fännen „Teiüel" hängt ebenso mit afries. f'andlu, as. fanden „versuchen, heimsuchen", nlid. fahndeit zusammen. Nach Falk- Torp a.a.O. 20;> ist norw. fanden, schwed. /'«« ,,'l'eut'el" aus dem Frie- sischen entlehnt. Dazu gehört auch bair. funfa'(r)l „'Peufel".

•■') .Siehe 0. Evbri>ing, Die paulin. Angelologie n. Dämonologie, USHH, y. 124. ') Fai.k-Torp, Norw. et. Wb. 157.

1?>

gab das Vorbild für aisl. fjdndinn, engl, fiend ,.Te\\feV\ Im Kleinrussischen nennt man den „Tenfel" ditko. eigl. „kleiner alter Mann" zn did, abg. dedz „Großvater", im Altkirchen- slavischen ist umgz „Zauberer" zugleich Bezeichnung des Teufels wie russ. Bopon>, poln. uroy „Feind, Teufel", und das- selbe bedeutet wahrscheinlich auch "^chrh, russ. 4eprb, cech. cert usw., zu cary „Zauberei", cnta „Strich" (von dem Ziehen der Zauberstriche und -kreise).') Der ungarische Bauer nennt den Teufel meist nicht mit dem gewöhnlichen Wort ördöy, sondern umschreibt seinen Namen mit Wendungen wie « yonosz „der Böse", a rosz „der Schlechte", a ros.i leleJc „die schlechte Seele", isten-bocsäss „Gott-vergib", isten-örizs „Gottbewahr", /.9#ew-we-a<?/ „Gott-nicht-gib".2) Auch an den aus Shakespeare s „Lustigen Weibern von Windsor", aus Marlowes und Goethes „Faust" bekannten Namen Mephistox)heles, MephostopJieles, der letzter Linie auf hebräisches Sprachgut zurückgehen dürfte, aber dann durch gelehrte Spekulation an gr. ffo)q „Licht", //// „nicht" und (filo^ .,lieb" angeglichen wurde, mag in diesem Zusammenhang erinnert sein. Am-amainyu, der Teufel der Zara^/ms^r« -Religion, wird pleonastisch der „böse" {aura-, aka-, drdgvant-) genannt. In Goethes „Faust" gestattet der Teufel nicht einmal der Hexe die Anrede ..Junker Satan''':

..Den Namen, Weih, verhitt' ich mir, . . .

Dil nennst mich Herr Baron, so ist die Sache ynt:

Ich hin ein Kavalier, wie andre Kavaliere."

Der Name wird von rückwärts gelesen: so erhalten wir den Herrn von Natas in Hauffs „Memoiren des Satans"; volks- tümlich wird das betreffende Wort entstellt: so kommen Formen zustande, wie Deicker, Döker, Düker, Denker, Deihl, Diaocl u. ä., franz. diacre, diantre statt diahle,^) poln. diachel und skrzahel (nach Brückner, KZ 48, 175 aus ,.Schratf^ xdiahel kontaminiert). Damit Flüche nicht infolge der den bloßen

') Brückner, KZ 48, 174 ; doch s. Mikkola, Wörter u. Sachen II, 218.

■-) V. Wlisocki, Volksglaube uud religiöser Brauch der Magyaren, 1893, S. 159.

=*) Eine Menge weiterer Belege, die hier zu häufen keinen Zweck hätte, bei Nyrop, Navnets niagt, ^lindre Afhandlingar af det philol.-histor. Samfund, Kopenhagen 1887, 154 ff.

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Worten anhaftenden Zaiibeikraft wirksam werden, wird eben- falls eine lautliche Veränderung vorgenommen, wie volkstüm- liche Wendungen zeigen: Äch, du meine Güte! (für Gott), Fots Blitz, eigtl. Gottes Blitz (treffe ihn oder es!), Botz Wetter, Donnerledder statt -weiter, Donnerstag noch 'nein! d.i. „Donner- wetter fahre hinein". Potz Sajjperment statt Gottes Sakrament, verflixt statt verflucht, Kruzitürken, -diaxl statt Kruzifix, heiliger Bimham oder Strohsack statt des Namens eines be- stimmten Schutzheiligen. Norweg. dmgeren, dcekeren, schwed. djäkelen, norw. jekel, dekel sind aus djcevelen „der Teufel" verdreht. 1) In anderen Fällen ist der Wortsinn so verblaßt, daß man geradezu von Interjektionen reden darf: Herrje! für Herr Jesus, Jegerl, Jekus, Jemine (< Jesus domine), Jerum, Jessas oder Jesses. Scherzhaft drohend und viel harmloser als einst gebraucht man die Redensart : Dich soll das Mäuslein beißen!, ohne heute noch zu ahnen, daß man damit eigentlich dem Nächsten die Pest an den Hals wünscht: Mauset steht für *Meisel = mhd. ml,sel, mlselsuht „Aussatz". Auch das im neuen Testament so schwer verbotene Narr hat im Lauf der Zeit seine Grundbedeutung gemildert. In wieder anderen Fällen wird ein wesentliches Wort unterdrückt: Da soll doch gleich . . .!. rerd .... Mein! (nämlich Gott) usw. Das gleiche läßt sich natürlich auch aus anderen Sprachen belegen, vgl. nur lat. edepol, medius fidius, Mehercle u. dgl., deren ursprüng- liche Bedeutung den Römern nicht mehr klar war. Da der Teufel keine Macht über Gott hat, erklärt es sich leicht, daß er und seine gespenstischen Scharen den Namen Gottes nicht aussprechen können und vor seinem Klang entsetzt davon- fliehen. Auch vor dem Gebet, in dem der Name Gottes an- gerufen wird,'-^) flüchten alle böse Dämonen, wie schon Zara- thustra durch das Ähunamirga -(Tehet den Teufel abwehrt (V. 18, 1). Umgekehrt darf man auch an die Gewalt des Fluchs erinnern, der um so gefährlicher ist. je größere Zauber- gewalt der Verfluchende besitzt. =^)

') Falk-Torp, Morw.-däu. Et. Wb. J74.

■^) Das Awesta hat für eine Gottheit, deren Namen im Gebet genannt wird, ein eigenes Adjektiv geprägt: aoj'fonäman-.

ä) Vgl. Radkrmacher über Schelten xxnd Fluchen, Arch. f. Religions- wiss. XI, 1908, Uli'.; Baktholomae, Air. Wh. ;W2, s.v. iijjunutno-.

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Ein anderer Weg", das Gefährliche des Namens zu um- gehen, führt zur Umschreibung mit ganz allgemeinen, undeut- lichen Bezeichnungen, deren okkasionelle Sonderbedeutung sich erst aus dem Zusammenhang der Rede erraten läßt; man denke beispielsweise an die zahlreichen Umschreibungen für „zaubern" durch Verba, die ganz farblos „machen" bedeuten, wie dÄ.haröti, lit.kereti „jemand verzaubern", i) oder an die Be- nennung von Geistern als Dinger, wie lat. bonae res, franz. males cJioses, nhd. Wichtelmännchen zu got. waihts „Sache". Es ist mit Grund vermutet worden, daß manche auffallende Um- schreibungen von Tieren so zu verstehen sind. Meidet es doch noch heute der gemeine Mann, bestimmte Tiere mit Namen zu nennen, namentlich in der unheimlichen Zeit der Zwölf- nächte „zwischen den Jahren", weil da leicht Gespenster in Tiergestalt umgehen könnten. Statt Mäuse sagt man Dinger, Bodenläufer, statt Fuchs Langschivanz , Loiel, Henading, die Norweger umschreiben ulv „Wolf" mit graaben „Graubein", die Dänen rceve „Fuchs" mit skogshund „Waldhund" u. dgl. mehr. '^) Die Marokkaner nennen die Eule, deren Schrei Unheil bedeutet, „jener der Nacht" mit andeutender Umschreibung 3) und dürfen am Samstag Abend Worte mit dem Sinn Ei, Schere, Nadel und Kohle nicht unmittelbar aussprechen. 0 Wenn also die Germanen den Bären,''') der oft als Gespenster- tier gilt, mit einer so jungen, durchsichtigen Umschreibung den „Braunen" nannten (vgl. lit. heras „braun"), oder die Slaven ihn medved^, d. h. „Honigfresser" heißen, obwohl doch nach Ausweis von lat. ursus, gr. (Iqxtoc. gall. Arto-, ir. art, ai. rhsahi, usw. ein altererbtes Wort vorhanden gewesen sein muß, so mögen solch abergläubische Gründe bei der Aufgabe des alten Worts mitgespielt haben, ß) Ebenso tritt im Slavischen die Umschreibung gad7, für die alten Ausdrücke zmij und

') Osthoff, BB. 24, 109.

*) Siehe Nyrop, Navnets magt, 122 ff. ; Schmidt, Bedeut. d. Namens 41.

*) E. Mauchamp, La sorcellerie au Maroc 158.

^) Ebenda nach Freudenbbrg, Die Wahrsagekunst, 1919, S. 156f.

*) Vgl. dazu E. ScHWYZKR, Sprache u. Religion, Wissen u. Leben VI. 1910, 469; Meillet, Bull, de la Soc. de Ling. 54, 152 ff.

") Siehe J. Löwenthal, Arkiv f. nord. Filol. 31, 1915, 155. Ferner F. Liebrecht, Zur Volkskunde, 1879, 18; Schrader, Reallex.', 1917, S. 81f.

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azh „Schlange" ein, ein Wort, das vielleiclit der „Prophet" bedeutete, i) Hierher gehören weiter die oft beobachteten Euphemismen, wie gr. Evf/Erldi-Q, jrorToc sv^sirog, lat. Mäneft wörtl. die „Guten", Bene- neben Maleventum, ai. Sivah der „Gütige" usw. Besonders der Orientale ist ängstlich, durch Rühmen seines Glücks und Wohlstands den Neid des Schicksals oder Teufels zu erregen. Gibt z. B, der Türke irgend etwas Günstiges in Bezug auf sein oder seiner Familie Wohlergehen zu, so setzt er deutlich hinzu: „Dem Teufel Blei in die Ohren!", wie wir in solchen Fällen wohl „unberufen !" hinzufügen. Dei- Araber nennt den tödlichen Schlangenbiß beschönigend den „lebenden Biß" (el karsit el haya), 2) und in hebräischen Schriften wird der „Blinde" gar der „Lichtreiche" "^ms "^js genannte) Im Persisch -Arabischen heißt „nein" >*»- xeir, das euphemistisch eigentlich „gut, das Gute" bedeutet. Der Zusatz „selig" oder „Gott hab' ihn (sie) selig!" bei Erwähnung Verstorbener scheint ursprünglich ebenfalls weniger ein Wunsch für die Seele des Abgeschiedenen, als Aäelmehr eine Beschwörung gewesen zu sein in der Befürchtung, sonst könnte der Tote infolge der Namensnennung erscheinen.

Bei primitiven Völkerschaften lassen sich ganze Wort- reihen als tahu nachweisen. Bei Bewohnern des Sangir- Archipels nördlich von Celebes gibt es eine sogen. Sasahara- Ausdrucksweise. '') „Das Sasahara weicht von der Umgangs- sprache nur in einer beschränkten Zahl von Wörtern ab; diese Sasaharawörter müssen auf dem Meere gebraucht werden, angeblich, um die Geister zu verhindern, die Absichten der Seefahrer zu belauschen und zu vereiteln," •') Die Priester- sprache der Toradjas auf Celebes vermeidet ebenso bestimmte Wörter der Alltagssprache und setzt allgemeine Umschrei- bungen ein, die an Kenningar der Skalden und der orientalischen Dichter erinnern.") Die Dajaks in Niederländisch Indien

') Brückner, KZ 38, 2'20.

'■') Freudenberg, Die Wahisageknnst, 1919, 157 uacb E. Mauchamp la sorcellerie au Maroc, IUI ü.

'■') ScnEFTELOWiTZ , D. altpers. Relig. u. d. Judent., 1920, S. 63, A. 2.

*) Johanna Portengbn, De Oudgermaaiische dichtertaal in haar ethnologisch verband, Leidener Dissert. 1919, 3. Cap.

») Jellinek, Zeitschr. f. österr. Gymu. 68, 1917/18, 7(56.

'■•) Jellinkk, a. a. 0. 767.

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haben geradezu zwei vei-scliiedene Sprachen, eine alltägliche und eine rituelle, die nur aus Ta//w -Wörtern besteht. ')

Aber auch umgekehrt vermag ein Dämon oder sonst eine feindliche Macht nichts über einen Menschen, dessen Namen sie nicht kennt. Ein gutes Beispiel liefert uns das Eddalied vom Fdfnir. Als der Lindwurm Sigurds Schwert im Herzen hat, fragt er seinen Mörder nach dem Namen und der Her- kunft. Der Prosatext fährt fort 2):

Sigurpr did])i nafns shis fyr ])vl at ])at var triia peira '1 forneskju, at orp feigs manns mcetti mikit, ef kann hglvapi övin simim mep nafni „Sigurd verhehlte seinen Namen deswegen, weil das der Glaube in alter Zeit war, eines Sterbenden Wort vermöge viel, wenn er seinen Feind mit Namensnennung ver- fluche." Jedenfalls haben solche Ta?;«- Gebote Entsprechungen bei allen Völkern und können zum Aussterben eines Worts führen (vgl. Gauthiot, MSL IG, 1910, 264 ff.).

Bedrücken Dämonen den Menschen, so rettet ihn nach weitverbreitetem Glauben in äußerster Gefahr Namensände- rung, so daß die Geister irregeführt werden. Daher erklärt sich der vielerorts übliche Brauch, einem Sclnverkranken einen neuen Namen zu geben, s) Ja es scheint persische Sitte ge- wesen zu sein, Kindern zunächst gar keinen Namen zu geben, wie dies wenigstens bei FiEDtisi von FeredUn und Sarw er- zählt wird.'») Denn dann können die Dämonen dem noch zarten, wenig widerstandsfähigen Wesen nichts anhaben. Ein namenloses Geschöpf ist nicht angreifbar, ist ein zerfiatterndes Schemen. Erst der Name macht das Wesen kenntlich, am Namen ist es von anderen zu unterscheiden. Da wir solche Gedankengänge nachweislich für die alte Zeit ansetzen müssen, erscheint die Beziehung von gr. öro//«, \-At.nönien, -ai. näma usw. zu dem in lat. nota vorliegenden Stamme sehr einleuch- tend. '•') Alsdann bliebe auch die Verwandtschaft von gr. ovoim

') Frazer, The golden bougii I-, 415ft'. ; Kaufpmann, Balder 198 ff.

2) Fäfnism. nach Str. 1 (ed. Gering- 301).

ä) Belege bei Andrbe, Ethuolog. Parallelen und Vergleiche 173, Schmidt a. a. 0. 22 ff.

*) Siehe Justi, Altirau. Namenbuch, Vorwort p. v.

*) nüinen und -tjndmen in cognümen, aynömeii sind Reimwortbilduugen, vgl. aruss.Ä:nrt»if „Zeichen", s. dazu Verf., Reirawortbildungen S. 168f., §272.

(iüntert, Sprarhe der Götter und Geister. 2

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mit ovoiiai, orotög, orotdyoj zu recht bestehen: die Basis *n&-, '''dnö- scheint „ein Zeichen machen" bedeutet zu haben; im Griechischen liegt dann die Bedeutungsvereng-erung; „zeichnen" zu „brandmarken, tadeln, schelten" vor, was ohne weiteres einleuchtet. In lat. nota darf man aber nicht mit W.Schulze') Tiefstufengestalt erblicken; ich glaube über- haupt nicht an eine ursprünglich zweisilbige schwere Basis *onö-, wie Hiet, Abi. § 312, sondern wir haben, wie bereits an anderer Stelle von mir betont ist, 2) wegen finn. nime, läpp, nama, mordwin. l'em, ung. nev, samojed. nem, nim von einem Wortstück *nem- auszugehen, bzw. von dessen 0- Ab- tönung *nom-. In lat. nota wird also ohne weiteres Normal- stufe vorliegen, wie in ovo/ua, övofjaL, drorä^co usw. auch; nö- aber kann nur Dehnstufe sein. Der irrationale Vokal, der nicht allein in ovofia, örof/ai, sondern auch in arm. anun, ir. ainm, cymr. anu, apreuß. emmens, abg. m? > *dnmen- vor- liegt, ist in den Kasus mit der Tiefstufe der Basis wegen der Häufung von nm entstanden (nm- > 9nm-) und dann ana- logisch ausgebreitet worden. Hom. roi'aro P 25 enthält Aug- ment, vgl. orarai' äri[täCtTai, [diixf^rai Hes. Der Name also ist, auch rein sprachlich betrachtet, das „Wahrzeichen", das Schihholeth, woran erst das Wesen zu erkennen ist.

Im Sanskrit bedeutet ebenso laJcsana- n. „Merkmal, Zeichen, Bezeichnung" auch „Name", i. ß. Kälidäsa Meghad. Str. 24. Das hebräische sem „Name" hat gleichfalls die Grundbedeu- tung „Kennzeichen, Merkmal". 3) Georg. sa¥eli „Name" ist wörtlich das, „was Kraft gibt". 4)

Auch bei der Hochzeit kommt gelegentlich Namensänderung der Ehegatten vor, weil lüsterne Dämonen da besonders gern Schaden sinnen.^) Ein türkisches Volksmärchen ß) erzählt so

1) a' und 3* werden im Lateinischen mir zu (t, s. Verf., Idg. Ablaut- probleme, 1916, § 71 ff.

-) Verf., Kalypso, 1919, S. 48.

ä) Siehe die Bemerkungen bei Giesebrecht a. a. 0. 7 ff. , Herzog- Hauck, Realeuzykl. f. prot. Theol.« 13, 626.

*) JuSTi, Iran. Namenbuch V. ovofia im Sinn von „Schatten", dem dämonischen Doppelgänger des Menschen nach altem Glauben, bei Eur. Hei. 43, A. DiETBRiCH, Mithrasliturgie«, 1910, 229.

5) Siehe z. B. Samter, Geburt u. Tod, 1911, 106 ff.

*) Klnos, Türk. Volksmärchen aus Stambul 274 ff.

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von eineiii Paar, das sich, um die Dämonen zu täuschen. Schah Meratn und Sade Sultan nennt. Bekannt ist das Verbot, chinesische Kaiser mit ihrem eigentlichen Familiennamen zu nennen; bei der Regierung- und nach dem Tod erhalten sie einen neuen Namen. Auch die sonstige Annahme neuer Namen, etwa bei Päpsten oder beim Eintritt in einen Orden, wird ursprünglich viel eigentlicher gedacht sein, als man das jetzt empfindet: mit dem neuen Namen ist gleichsam die ganze Persönlichkeit eine andere geworden. Wenn wir heute ganz in uneigentlicher, formelhafter Weise Ausdrücke gebrauchen wie im Namen Gottes, im Namen Jesu,^) sogar im Namen des Gesetzes, werden uns diese einst sakralen Formeln erst bei genauerem Nachdenken in der alten, unmittelbaren Be- deutung lebendig ; erst dann begreifen wir wieder den tieferen Sinn der Bitte: geheiligt sei dein Name oder des Gebots: du sollst den Namen des Herrn deines Gottes nicht mißhrcmchen ! Im Orient sind diese Anrufungen des Namens noch viel häu- figer und lebendiger: mau denke nur an die Formel hi 'smi llaM 'r-rahmmf 'r-raJßm „im Namen Gottes, des Erbarmers, des Milden!" der Araber, Perser und Türken, an das^;« näm i datar Örmazd „Im Namen des Schöpfers 0." der Parsen, an das Sri-Ganesäya namah der Inder usw. Kein mittelalterlicher Zauberspruch ohne Anrufung des Namens Gottes, des Vaters oder Christi, oft in lateinischer Sprache. Wie wesentlich der Name einer Person ist, zeigt auch rein sprachlich der nhd, Ausdruck Weibsen und Mannsen, der aus mhd. imbes und mannes name sich verkürzt hat. 2)

Wenn auch im Alten Testament von einer Göttersprache nicht einmal dort die Rede ist, wo man es am ehesten erwarten könnte, bei der Schöpfungsgeschichte, so war es andererseits späterer Spekulation doch ein leichtes, zwischen den Zeilen von magischen Zauberworten manches herauszulesen.

rnd Gott sprach: ..Es iverde Licht", und es ward Licht . . .

1) Vgl. schou Matth. 18,20: ov yd(} doiv dvo »; tqüc ovvrjy/xh'oi ek ro ifiov ovofxa, ixec dfil tv (xtam uvzuiv.

2) Vgl. SiEB.s, Mitteilungen der Schles. G eselisch. f. Volkskunde, 19Ü5, S. 119 f. und oben das ind. nämampam als philosophischen Begriff (S. 5).

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Mit diesen g-edruiigenen, schlichten Worten wird ausdrucks- voll das Urrätsel nach dem ersten Anlaß alles kosmischen Greschehens, nach dem Zustandekommen der ersten Kraft- äußeruug-, erklärt durch den göttlichen Allmacht -Befehl: „Er spricht, so geschieht es, er gebeut, so steht's da." i) In das nächtige Chaos dröhnen mit ehernem Klang diese elementaren Urworte, diese wahrhaft göttlichen Befehlsworte hinaus, das Aussprechen dieser Worte war die erste Schöpf ungs tat, diese Gottes Worte geben Veranlassung und Anstoß zu all den weiteren Schöpfungswundern: 'o^ ^ Mn fäMn'^ „es sei! und es war" oder cj)^ i:/ liun fä-yakün „es sei! und es ist!" sind die Zauberworte, die persische Dichter oft erwähnen ; '^) in mittel- alterlichen mystischen Schriften spielt das Fiatl eine große Rolle.

Im Anfang war das Wort . . .

Dem spekulisierenden Altertum mußte diese Kraft des ersten göttlichen Befehls, dieses Ur - Gottesworts als ein magischer Zauberakt von unbegreiflicher Größe und Gewalt erscheinen. Schon der Evangelist fährt nach seinem ersten Satze weiter:

und das Wort war Gott, Und Gott war das Wort. ^)

Die schwierige Logos -hehre, aus der stoischen Philosophie übernommen und mystisch weitergebildet, suchte das gött- liche Schöpferwort und den göttlichen Willen oder Gedanken gleichzusetzen. Ursprünglicher sagt der Psalmist 33,6: „Die Himmel sind durch das Wort des Herrn gemacht und all ihr Heer durch den Hauch seines Mundes."

Über die Beschaffenheit des Gottesworts gibt es in hel- lenistischer Zeit eine ganze Literatur ; immer wieder begegnet man der Auffassung, es handle sich nicht um ein eigentliches Wort, „das durch die Luft klingt", sondern um eine geheimnis-

>) Ps. 33, 9.

^) Im Persischen geradezu mit der Nominalbedeutung „Schöpfung", ä) Wir erlauben uns, hier Xöyog in seiner eigentlichen Bedeutung zu übersetzen, selbstverständlich nicht im Sinn der Stelle.

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volle Kraft- und Willeiisäußeiuug Gottes. ^) Während wir hier die philosophische Auffassung wirken sehen,-) erfreute sich, namentlich in der jüdischen Literatur, auch die wörtliche, eigentliche Auffassung großer Beliebtheit. Bereits in früh- talmudischer Zeit wird die Erschaffung der Welt weniger auf jenen elementaren Urbefehl selbst, als vielmehr auf die Zauber- wirkung der magisch -mächtigen Buchstaben des heiligen Ge- heimnamens Jehovas zurückgeführt, ^) jenes „großen und wun- derbarlichen Namens, der da heilig ist", wie es in den Psalmen heißt. '^) In der Tat ließ sich das leicht begründen: In der Genesis wird die Entstehung der Menschensprache ausdrück- lich dem Menschen selbst zugeschrieben. Zwar schuf Gott durch Namensnennung Tag und Nacht und benannte die Feste „Himmel", das Trockene „Erde" und die Sammlung der Wasser „Meer". 5) Aber nach der Erschaffung des Menschen überläßt er nach ausdrücklicher Angabe der heiligen Schrift diesem die Benennung der Dinge : „Denn als Gott der Herr gemacht hatte von der Erde allerlei Tiere auf dem Felde und allerlei Vögel unter dem Himmel, brachte er sie zu dem Menschen, daß er sie sähe, wie er sie nennte. Denn wie der Mensch

') Siehe über dieses Wort Gottes Karl Gronau, Poseidonios \ind die jüd.-ebristl. Genesisexegese, 1914, S. 69ff., wo weitere Belege; vgl. namentl. Chalc. c. 138 zu Tim. 41 A auf S. 71. Eier stehe m;r Basileios Heiahem. I, 289 A: t/ ovv ^ (fojv>) tov xvqlov ; nöxEQOv Ti}.7jyi) Tif^l rov aeQu; . . . /] drJQ 7ie7i?.7jY/idvog g^Q^ävojv /aexQi tfjg dxofiq rov tiqoc ov ylverai fj (piovrj ; Tj ovöhtQOv TovTüJv, ä?J.' hf-Qoyevt'jg xiq eaziv avtrj, (fccvzaaiovfiivov rod Tjyefi-OVixoC xtäv dvd-QOjncDV, ovq civ dxovSLV ßovkrjxai xfjq iölaq (pwvfjq 6 &E('q; Saxe dvaloyiav tyuv xi]v (pavxaoiav xavx7]v nQoq xrjv iv xoTq ovel- ijoiq yivofjih'tjv noV.äxiq. Man muß sich dabei der Grammatikerdefiuitiou erinnern; z. B. Donatus ars. gr. I: vox est aer ietus, sensibüis auditu, ähnlich Prisciau. I.

0 Die Logoslehre geht bekanntlich durch die ganze griechische Philo- sophie und beginnt schon bei Heraklit, s. etwa Aall, Logos, 2 Bde.

3) Z. B. Berach 55 a, s. Heittmüller, Im Namen Jesu 133.

*) 99, 3, s. dazu Giesebrecht, Die alttestamentl. Schätzung des Gottesnamens, 1901, 21 ff.

5) In der V^luspö 6 geben die Götter ebenso die Namen für die Zeiten und beseitigen damit das Chaos : noti ok nipjum n^fn of g^fu, morgin hetu ok mipjan dag, undorn ok aptan, <}rum at telja „Nacht und Neumond gaben sie Namen, Morgen benannten sie und Mittag auch, Zwielicht und Abend, die Zeiten zu messen" : „Namen geben" heißt „erschaffen".

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allerlei lebendige Tiere nennen würde, so sollten sie heißen. Und der Mensch gab einem jeglichen Vieh und Vogel unter dem Himmel und Tiere auf dem Felde seinen Namen . . ." ') Die Menschensprache wird also von Adam erst geschaffen. Wenn sie vor der Sprachverwirrung auch einheitlich, rein und unverfälscht war im Gegensatz zu der späteren Rede der Menschen, 2) so ist doch jedenfalls soviel klar, daß jene gött- lichen Urworte mit dieser späteren willkürlichen Dingbezeich- nung durch Adam, der da noch gar nicht erschaffen war, keine Beziehung haben konnten, es ließ sich also geradezu aus der Darstellung der Bibel entnehmen, daß die Götter- sprache, die Worte, in denen der erste Schöpferbefehl erfolgte, mit der Menschensprache nichts gemein haben können, daß es also eine besondere Gottessprache, geheimnisvolle Gottes- worte geben müsse. 3) Diese kennen zu lernen, ist das heiße

') Genes. I, 2, 19.

2) Vgl. dazu Leibniz, Op. philos., ed. Erdmann 1,53: liugua Adanüca vel certe vis eins, quam iiuidam se uosse et in nomiuibus ab Adamo im- positis essentias rerum iutueri posse contendunt, nobis certe ignota est, Über das Schöpfungswort lesen wir Sat. Br. VI, 1,1,10: Frajäpati be- gelirte: „Möchte ich geboren werden aus diesen Wassern!" So ging er mit dem dreifachen Wissen in das Wasser ein. Daraus entstand ein Ei. Er berührte es und sprach: „Es werde! Es werde! und nochmals es werde!" Daraus ward das Gebet {brdhma n.) geschaffen, das dreifache Wissen." Noch mehr erinnert an die Genesis und das Schöpfungswort Gottes die Stelle Sat. Br. XI, 1,6, 1 ff. Aus den Wogenfluten entstand zunächst das goldene Weltei, aus diesem in einem Jahr Vrdjäpati. Dann heißt es weiter: „Nach einem Jahr machte er Sprechversuche. Er sagte: hhüh, da. entstand die Erde. Er sagte hhucah, da entstand das Himmelsgewölbe. Er sagte soah, da entstand der höchste Himmel ..."

^) Daß in der Darstellung der Bibel Gott Vater seinen Schöpfungs- befehl in der gleichen hebräischen Sprache erteilt, in der die ganze Erzäh- lung gegeben ist, darf man nicht als einen Widerspruch mit der Erfindung der Menschensprache durch Adam ansehen, insofern also das Hebräische schon vorhanden gewesen wäre, ehe der Mensch geschaffen war (s. Benfky, Gesch. d. Sprach wissensch., 1869, S. 23). Wie hätte das im schlichten Er- /ählerton der Genesis anders ausgedrückt werden sollen? Aber dieser Punkt ist für die Spekulation bedeutungsvoll gewesen, da einmal, wie be- reits erwähnt, die Annahme von besonderen Geheimworten Gottes entstand, wenn davon die Darstellung der Bibel auch nichts sagt. Andrerseits er- wuchs daher die Vorstellung, das Hebräische sei Ursprache und Geistersprache zugleich. So sagt Hieronymus, epist. XVIII A 6,7 (ed. Hilberg S. 82): Initium oris et communis eloquii et hoc omne, quod loquimur, Hebraeam

23

Streben der Mystiker von Jeher gewesen; der Weg- dazu ist die mystische Verzückung, die heilige unmittelbare Erleuch- tung, die göttliche Offenbarung.

2.

nWenn Ich mit Menschen- und mit Engehungen redete und hätte der Liehe nicht, so wäre ich ein tönend Erz oder eine klingende Schelle . . ."

Mit diesen stark rhetorisch gefärbten Worten i) tritt Paulus den übertriebenen Vorstellungen von der „Gnaden- gabe" (x«'(>'(>/va) des Zungenredens entgegen, das in der jungen Christengemeinde zu Korinth bei den meisten Mit- gliedern als höchstes Geschenk des „Geistes" galt Auch für Paulus handelt es sich zwar um eine erwünschte, segens- reiche Geistesgabe, aber Selbstzweck ist ihm das Zungenreden nur in sehr bedingtem Grade: er schätzt es im Gegensatz zur Mehrzahl der Gemeindemitglieder geringer ein als die Weissagung. Was er vor allem gegen dieses Zungen -Charisma einzuwenden hat, ist die Sinnlosigkeit der Worte, die der Er- leuchtete in seiner Verzückung stammelt, und die niemand versteht, wenn kein Ausleger der Gemeinde diese Geister- sprache übersetzen kann (14, 28). Da also die Eeden in der Engelssprache der Allgemeinheit unklar bleiben, ist diese Gabe zwar für den Verzückten selbst eine Weihe und Erbauung, der Gemeinde aber nützt er damit nichts (14, 2). Dieser ein- seitige Standpunkt der Zweckmäßigkeit, die Ansicht, nur des- halb sei das Weissagen ein höheres Gnadengeschenk, weil sie

linguam, qua vetus testameutiim scriptum est, universa antiquitas tradidit. Origines 11. Homil. in numeros, 307 (= Migne, Patr. Gr.-lat. 12, S. 649) Manserit autem lingua per Adam primitus data, ut putamus, Hebraea, in ea parte hominum, quae non pars alicuins angeli . . . sed quae Del portio per- mansit. Der Midras (Beres. E. P. 18) sieht einen Beweis dafür, daß das He- bräische die Ursprache ist, in der Ableitung des Worts UM „Weib", eigentl. „Männin'', wie Luther übersetzt, von ü „Mann", weil das Weib aus des Mannes Rippe geschaffen ist, s. Scheftelowitz, Altpers. Rel. u. d. .ludent. 21 7. ') 1. Korinth. 13,1.

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in menschlicher Sprache erfolge (14, 3 und 4), war gewiß manchem jungen Christen in ihrer praktischen Nüchternheit wenig sympathisch. Denn das Reden in Engelszungen galt eben als Sprechen in der göttlichen Sprache, wie Paulus selbst zugibt (14,2): o /«(> XaXmv yXcoöön ovx drd^Qomoii XaXü, dXXa ^ecö' ov6£}q yicQ dy.ovti, Jirevf/art dl XaXü jjx- öTTjQia : 6 di jrQoffjiirtvcov dvdQcöjtoia XaXti . . . Beschrieben wird das Zungenreden als ein Sprechen in die Luft,^) und schon hier wird es mit dem Reden in einer Barbarensprache verglichen: Idv ovv fit) siöco x))v övrccfiir ri/q (pmvTjc, tooftat Tfp XaXovvTi ßaQßagog xai 6 XaXcöv tv liioi ßdgßaQOQ (14, 11). Ohne Auslegung 2) war sie unverständlich, wie eine fremde Sprache.

Unter den Theologen ist die „Glossolalie" Gegenstand der ausführlichsten Streitigkeiten gewesen, und selbst heute scheinen alle Schwierigkeiten in den verschiedenen Dar- stellungen der Zungenrede an anderen Stellen des Neuen Testaments 3) noch keineswegs alle behoben.*) Uns kann es für unseren Zweck nur darauf ankommen, daß man das Reden

') 14, 9 : £OEO&t yuQ elg usQa /.aXo'Ovrec.

^) 14,28: dieQfjtijVEvri'jQ; 12,10: f-Qfitjvtia yktuoodiv u. ö. Die Kmist der Auslegnug galt auch als Charisma.

3) Außer dem 1. Korintherbrief 12ft'. uoch Acta 2, 1 14; 10, 41—48; 11, 15 17; 19, 1—7 und in dem späteren Anhängsel zum- Markusevangelium 16, 9—20. Siehe auch Texts and Studies V, 1, 135.

*) LiETZMANN in seinem Handb. z. n. Test. III, J. Weiss, Der erste Kor., Meyers krit.-exeg. Komment.^, 1910, 383 ff.. Feine in Herzog-Haucks Kealenz. f. d. prot. Kirche', 1908, XXI, 749 ff.. Schiele -Zscharnack, Re- ligion in Geschichte u. Gegenwart II, 1910, 1203 ff. LiETZMANN - DiBELIUS, Briefe d. Paulus, Handb. z. n. Test., 1913, 138 ; Everling, Paulin. Angelo- logie 38. Hilgenfeld, Die Glossolalie in d. alten Kirche, 1850, Theologus in Preuß. Jahrb. 87 (1897), 223 ff. Besonders nützlich war mir Eddison MosiMAN, Das Zungenreden, geschichtl. u. psycholog. untersucht. Teil I als Heidelberger Inaug.-Dissertation, Leipzig 1911, wo noch weitere Lite- ratur verzeichnet ist. E. Lombard, De la glossolalie chez les premiers chretiens, Lausanne 1910. P. Bovet, Revue de l'histoire des relig. 63, 1911, 296 ff. Von den verschiedenen Ansichten war dem Nichttheologeu, der rein vom philol.-histor. Standpunkt aus Stelleu des Neuen Testaments genau so zu werten sucht, wie die in irgend einem anderen Literaturdenkmal des Hellenismus, die Auffassung von Joh. Weiss a. a. 0. und von Bousset, Die Schriften d. Neu. Testam. II nach 1. Kor. 12, 11 am einleuchtendsten.

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in „anderen Zungen" {htQaig y/joooaic Act. 2,4; ähnlich xaivalc Y?j<')66cac Marc. 16. 17) auf ekstatisches Reden und Lallen deuten muß; die Erzählung vom Zungenreden am Pflngstfest (Act. 2, 1- 13) ist gegenüber der älteren Erwäh- nung der Glossolalie im Korintherbrief legendarisch aus- geschmückt, wie schon das Bild von den feurigen Zungen, die sich auf die Jünger senkten, lehrt. Weil der Begriff yXiöoöa eben ein schwankender, nicht eindeutiger ist, hat der Verfasser der Apostelgeschichte, auf ältere Legenden über das Zungenreden sich stützend und sie z. T. nicht recht verstehend, ein Sprachenwunder erzählen wollen; selbst da aber deutet der Spott der Ungläubigen, die Jünger seien „voll süßen Weines" (13), darauf hin, daß es sich vorzugsweise um ein scheinbar sinnloses Lallen handelte: Keineswegs predigen die Jünger den Juden, Griechen und Römern in der betreffenden Sprache, sondern sie rühmen in „anderen" Glossai die Wunder- taten Gottes {xa iihjalüa xov ^£of). Sogar Heiden können in „Zungen" reden und Gott preisen, wie es von Cornelius und seinen Freunden in Caesarea (Act. 10, 1 48) erzählt wird: 7Jxovov yctQ ammv laXovvxcov yXojüöaiQ xcd (jsyaZvi'ör- xo)v xov dtor. Die Hauptschwierigkeit, die an den verschie- denen Auffassungen der Theologen schuld ist, scheint nur in dem unklaren, schillernden Begriff yXöiöoa zu liegen: über- setzen wir es mit „Zunge", mit „Mundart", mit „Sprach- fertigkeit" u. dgl., so geben wii' eben stets willkürlich einen Ausschnitt aus der umfassenden Gesamtbedeutung, die das Wort in hellenistischer Zeit hatte. Insbesondere war es auch grammatischer Fachausdruck: ykojooici und Ätstic sind all- gemein bekannte Termini der alexandrinischen Grammatik, vgl. noch nhd. Glosse. Indem ich auf die genaueren Erörte- rungen von JoH. Weiss und seinem Schüler E. Mosiman, sowie auf BoussET a. a. 0. verweisen muß wegen aller weiteren Einzel- heiten, die uns hier natürlich nicht weiter beschäftigen dürfen, sei es nur gestattet, der Überzeugung Ausdruck zu geben, daß mit yXcäooat an den älteren Stellen nichts gemeint sein kann als die Sprachen der Engel, Ausdrücke aus einer „an- deren", d. h. übermenschlichen, göttlichen Sprache, worauf nicht nur das unmittelbare Zeugnis des PaujjUS {rede y?.oja- öcuQ x(j5v dyytXor 1. Kor. 13,1), sondern auch das stehende

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Preisen Gottes ') in dieser „Zungenrede" hindeutet. Die sinn- losen, stammelnden AVorte der Verzückten galten als Reden in einer Geister- oder Engelssprache, der Sprache insbesondere, in welcher die Engel Gott preisen. 2) Erst indem man diese treQat yhöooai später nicht mehr verstand was bei dem schillernden Begriff und der Wundersucht der Zeit gar nicht zu vermeiden war , deutete man das Zungenireden auch auf ein Sprechen in einer wirklich lebendigen Menschensprache, wie das z. B. die gewöhnliche Auffassung der Kirchenväter gewesen ist. Und dabei hätte der Apostel doch gewiß keinen Grund gehabt, sich in diesem Fall über die Nutzlosigkeit des Zungenredens ^zu beklagen. Ja gerade deshalb stellte man in der jungen Gemeinde zu Korinth im Gegensatz zu Paulus das „Zungeureden" über die Weissagung, weil diese eben nur in menschlicher, jenes aber in der himmlischen Sprache er- folgte. Im 2. Korintherbrief 12, 4 berichtet Paulus von Offen- barungen, die er hatte; dabei wird von „unaussprechbaren Worten", die kein Mensch sagen könne, gesprochen, die er im Paradies gehört; hatte er doch (im 1. Kor. 14,18) aus- drücklich erklärt, daß auch er sowohl die Gabe des Zungeu- redens als der Weissagung besäße: xai olöa tov Toinvror t'(rß(KOjio)' . . . oT.i fjQjtdytj tlg ror jncQachiOo)' xat i/xorötr nQQrjta. q/J^kitcc, Ic ovx i^ov drdQo'jJTdj XaÄ/jüai.

Es kann nicht bezweifelt werden, daß in den christlichen (remeinden hinsichtlich der „Zungenrede", d. h. der Gottes- sprache, nur Ansichten verbreitet waren, die sich in der Zeit des Hellenismus und schon vorher über die Göttersprache finden. Schon der Vergleich mit dem ehernen Becken (/«/xoc '/■//öl') und dem Tamburin (xr/ißiüor) an der Stelle des l.Kor.- Briefs, von der wir ausgingen, weist auf die orgiastischen Kulte hin, wie sie im damaligen „Heidentum" allgemein ver- breitet waren, auf die dionysischen Feiern und die Verehrung der großen Göttermutter Kybele. So haben denn auch Dieterich und Reitzenstein die Vorstellung von Götter-

') Act. 2, 1 1 ; 10, 46. l. Kor. 14, 2, 18.

*) Die Auffassung, Paulus gebrauche bloß eine rhetorische Floskel, kann ich mir darnach nicht zu eigen machen. Mit dem Glauben an eine „englische" Sprache müßte man übrigens trotzdem rechnen, weil Paulus dies Bild sonst nicht hätte gebrauchen könneii.

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und Geistersprachen im Hellenisums nachgewiesen. ') „Ver- schiedenen Dialekt sprechen lieißt verschiedene Namen Gottes nennen. So haben die männlichen und weiblichen Götter, Erde und Himmel, jeder der vier Winde eine eigene (fiovi], die der Gottbegnadete kennt. Diese Anschauung überträgt das Judentum auf die Engelwelt; jede ihrer Scharen preist Gott in einer anderen Sprache. So wird in den Papyri eine 'AQyay/ihy.i] i:?/,?/o-; des Moses angeführt ; sie gibt eine wunder- liche Buchstabenverbindung als Namen Gottes." Es bestätigt sich also auch hier, daß der Glaube an eine Göttersprache sich entwickelt hat aus den primitiven Vorstellungen von geheimen Gottesnamen und magischen Zauber- worten. Aus dem sog. Testament des Hiob belegt Reitzen- sTEiN a. a. 0. 57 gleichfalls die Vorstellung von einer Engels- sprache: Die drei Töchter Hiobs erlangen vor dem Tode des Vaters einen Zaubergürtel (vgl. den Kräftegürtel der alten Sagen). Als die erste den Gürtel anlegt, erzählt diese Legende : '/KU jraQa'/iQrina t.c,03 yiyovh rrc t-avTfjg Oüqxoc . . . djttfpO^t- c.aT<) Tovc dyybXixovq vfivovc tv dyytkixij rfojv/j xal vftvov (h'tfakjt! Tfii &ifö xara trjv dyytXixf)v vfcvoXoyiar. Bei der zweiten heißt es: xa) to /.dv OTÖf/a arrP/g dvtmßt x))v did XhXTov xiöv dQ'iövTvjy . . ., bei der dritten: xal fco;(£ xb oxöfda djrofp&tyyofavor tv xfj öiaXtxxco xmv iv mpti . . . Xt/Mktjxtr ()f l)' xTi öta/Jxxoj xcöv XtQovßlit öosoXoyovöa xbv dtOjroxfjv x(ör dQtxojv xxl. In seinem Buch „Die hellenistischen My- sterienreligionen, 1910, S. 17 faßt Reitzenstein treffend diese Vorstellungen zusammen : „Den Namen desselben Gottes ägyp- tisch, sjTisch, phrygisch, persisch, auch hebräiscli zu nennen, wird allgemeiner Brauch, und das Bestreben, zu einer mystischen Urreligion emporzudringen, zeigt sich in dem Ver- such, auch die Sprache der 'Engel' oder der Gotteskräfte oder bestimmter Urgötter hinzuzunehmen, und seltsam, aber doch auch leicht verständlich verbinden sich hiermit die An- ruf ungsfornieln, die ein bestimmter, durch Wunderkraft be- sonders begnadeter und beglaubigter Mann der näheren Ver- gangenheit oder Gegenwart verwendet und gelehrt hat; viel-

') Dieterich, Abraxas 4, 176 u. ö., Rkitzenstein, Poimaudies, 1904, S. 55ff., JoH. Weiss, Komment, v. Meyer^, V, 338 ff., Mosiman a. a. 0. 41 ff.

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leicht war ihm eine besonders wirksame Sprache offenbart." i) In der Asceusio Jesaiae 6, 6 f. 2) wird gar behauptet, die Engel selbst hätten verschiedene Sprachen: die des sechsten Himmels haben eine andere als die der fünf niederen Himmel : sed non erat vox horum, sicut vox eorum, qui in quinque coelis angeli ; nee sermo erat, sicut sermo eorum; at alia vox erat illic. Genau dieselbe Vorstellung finden wir im Poimandres, nach dem ebenfalls beim Aufstieg die Seele die öwä^aic, d. h. die verschiedenen Geister Gott in verschiedenen Sprachen loben hört (s. Poim. I, 24 26). Die vielen oro//«r« äorjf/a, ßag- ßuQiyM, {heojTtOia, isQi'c, (pQixcoö)], tCfjiOia ygai/ftara, die voces mysticae, die nomina sacra oder harhara, wie wir sie in Massen in Zauberpapyri erhalten sehen, 3) sind eben nichts anderes als Wörter der Engels- und Geistersprache. *)

Auch in der nachapostolischen Zeit war das „Zungen- reden" keineswegs außer Gebrauch gekommen; besonders aus der Zeit des Montanismus im 2. Jahrh., wo ja die Ekstase Avieder die eigentliche religiöse Betätigung war, wird uns vom Ausstoßen fremder Worte berichtet {^tvocpcovin'^. ^) Die Vor- stellung, daß Engelscharen an Gottes Thron ununterbrochen Hallelujah und Gloria singen aus Büchern, die in goldner Schrift offen vor ihnen liegen, und in Gesängen und Worten, die kein Mensch aussprechen kann, Gott preisen, ist in mittelalterlichen Visionen, wie z. B. der des Albers Tundalus, wiederholt an- zutreffen. 0) Man darf auch an die Sequenzen beim Graduale

0 Weiteres über die Engelssprache bei Eeitzenstbin, Poimandres 267 lind Historia Lausiaca 150 mit Anm.

2) A. HiLGENFELD, Die Glossolalie, 1850, S. 63 f.

•'') Wesskly, Epliesia grammata, Progr. d. Wien. Franz- Joseph-Gyum. J886. Dieterich, Mithraslitnrgie^ 36 ff.

*) Übrigens sei auch an das ^6&a- Schreien erinnert, Ga). i, 6; Apok. Joh. 22, 7; Rom. 8, 15; 1. Kor. 12, 3, 16, 22. Über verba Spiritus sancti vgl. auch Siebs' und Hippbs 'Wort und Brauch', Heft 12, 399, Fußn. 2.

'•>) MosiMAN a. a. 0. 48.

*) Vgl. E. Peters, Quellen und Charakter der Paradiesesvorstellungen in der Dichtung vom 9. —12. Jahrh. , Vogts German. Abhandl. 48, 1915, 125 und 134. Auch die Himmelsbriefe, die ja ebenfalls mit ihren Zauber- wörtern Mitteilungen der Götter sind, werden mit goldenen Buchstaben ge- schrieben; siehe Dieterich, Hessische Blätter f. Volksk. 1, 19 ft'.; Wiener Stud. VIll, 175ff.; Kauffmann, Balder 194 u. 2U0.

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Respousormm erinnern, die ja auf den Modulationen des Hallelujali beruhen.

Und auch in späteren Zeiten hat sich bei gesteigerter religiöser Erregung sehr häufig das „Zungenreden" eingestellt. Der heiligen Hildegard, die als Äbtissin des von ihr ge- gründeten Klosters Rupertsberg bei Bingen 1179 gestorben ist, werden Glossen aus einer unbekannten Sprache zu- geschrieben, die ihr der göttliche Geist offenbart haben sollte. Bekannt ist ferner die Erregung des religiösen Gefühls bei den Camisarden in den Cevennen am Ende des 17. Jahrb., wobei das „Zungenreden" eine große Rolle spielte, i) Ein Camisarde beschreibt seinen Zustand der Entzückung so'^): „Stets empfand ich dabei eine außerordentliche Erhebung zu Gott, bei welchem ich daher beteure, daß ich weder durch irgend jemand bestochen oder verleitet, noch durch eine welt- liche Rücksicht bewogen bin, durchaus keine anderen Worte als solche auszusprechen, welche der Geist oder der Engel Gottes selber bildet, indem er sich meiner Organe bedient. Ihm allein überlasse ich daher in meinen Ekstasen die Lenkung meiner Zunge, indem ich mich nur bestrebe, meinen Geist auf Gott zu richten und die Worte zu merken, welche mein Mund ausspricht. Ich weiß, daß alsdann eine höhere und andei'e Macht durch mich spricht. Ich denke darüber nicht nach und weiß nicht vorher, was ich reden werde." Das charakte- ristische Kennzeichen ist das Zungenreden endlich für die Irvingianer, ja die Gründung dieser ursprünglich schottischen und englischen Sekte geht auf Fälle von Zungenreden zurück, die um 1830 in Schottland vorkamen. Im Gottesdienst er- eigneten sich dann immer häufiger ekstatische Anfälle der Gläubigen; nüchterne Beobachter bezeichneten diese Äuße- rungen des „Geistes" als „unverständliches Geschnatter", als „die Schreie und Seufzer von Verrückten." ^) Eine Unter- suchung der irvingianischen „Glossen" ergab, daß sie nicht irgend einer Avirklichen Sprache angehören."*) Und noch in

») S. GOEBEL, Ztschr. f. hist. Theol., 1854, 287 ff.; MosiM.VNa.a.O. 50ff. ^) Nach Theologus, Preuß. Jahrb. , 1897, 87,235; Weinel, Die Wir- kungen des Geistes u. der Geister, 1899, S. 77. ^) Nach MosiMAN a. a. 0. 57. *) Weinel, Wirkungen d. Geistes 73 f. Ein reiches weiteres Material,

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vielen anderen Fällen, teils bei einzelnen Personen, teils bei Sekten, wie den Jansenisten in Frankreich, den Quakers zu Cromwells Zeiten, den Milleriten, den Mormonen usw., ist das Zungenreden beobachtet worden: überall handelt es sich um dieselbe, nun von uns schon hinlänglich beschriebene Erschei- nung. Mit Recht sagt W.James'): „Alle großen und führen- den Geister, welche die christliche Kirchengeschichte kennt ein Bernhard, ein Loyola, ein Luther, ein Fox, ein Wesley hörten Stimmen und hatten Visionen, Verzückungen, Ein- gebungen und Offenbarungen. Sie waren solchen Zuständen unterworfen, weil sie besonders sensitive Naturen waren. Menschen von solcher Gemütsanlage sind stets dergleichen Zuständen unterworfen."

Zum Schlüsse dieser Übersicht will ich nur noch die moderne Pfingstbewegung in Kassel und Umgebung streifen, worüber P. Deews in der Christlichen Welt, 1908, 22. Jahrg., Nr. 11, Sp. 271—276 und Nr. 12, Sp. 290 ff. berichtet. Das Auf- fallendste an dieser Gemeinschaftsbewegung war wieder das Zungenreden: „Unter starken Zuckungen und nervösen Er- regungen, unter Niederstürzen auf den Boden bricht erst ein einzelner, brechen dann immer mehr der Teilnehmer einer solchen Versammlung in unartikulierte, unverständliche Laute aus, die Worte, schließlich kurze Sätze bilden. Ein Ohren- zeuge hielt solch ein Sätzchen fest. Er glaubte gehöi't zu haben: schello mo dal hadhad tvotschihrei. Ein anderer gibt den Satz eines Zungenredners (in Kristiania) folgendermaßen

wieder :

sangala, singala, sing sing,

mangala, mangalo, mang mang mang."

Noch seltsamer klingt, daß bekannte Kirchenlieder, wie z. B. „Laßt mich gehen", in die Zungensprache übersetzt wurden 2) :

das hier zu häufen keinen Zweck hätte, bei Mosiman a. a. 0. 57 ff. Einzelnes schon bei Görres, Mystik II, 1837, 189 ff.

•) Die religiöse Erfahrung in ihrer Mannig-faltigkeit, übersetzt von G. WOBBERMIN, 1907, 439.

2) Paul in der Monatsschrift „Die Heiligung", Heft Nr. HO vom Nov. 1907. S. auch Österreich in den Philos. Vorträgen veröffentlicht von der Kant -Gesellschaft, Nr. 9, 1915.

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schua ea, schua ea, 0 tschi hiro ti ra pea akhi lungo ta ri fungo t( U bara ti ra tungo latschi bungo ti tu ta!

Diese Proben für das moderne Zungenreden,') das übrig-ens auch in Norwegen und Amerika wieder aufkam, mügen ge- nügen. Der wissenschaftlich prüfende Betrachter versteht nur zu gut des Paulus Standpunkt von der Zweck- und Nutz- losigkeit solcher Äußerungen in ekstatischen Erregungs- zuständen, sein Hinweis auf den enthusiastischen Taumel in heidnischen Orgien und sein Betonen der Liebe:

„Wenn ich mit 3Ienschen- und mit Engelszungen redete und hätte der Liebe nicht, so wäre ich ein tönend Erz oder eine klingende Schelle . . ."

3.

h

;s wäre völlig irrig zu glauben, die Vorstellung von einer Geister- oder Engelssprache wäre etwas ausschließlich Christ- liches, nur ein Gnadengeschenk des „Geistes". Wir haben ja oben 2) bereits betont, daß die Zauberworte der Papyri in gewissem Sinn nichts anderes sind als Glossen einer Götter- sprache. Wie der Zungenredner in ekstatischer Verzückung lallte, so redete auch die Pythia in unbewußtem Enthusias- mus, 3) so gaben überhaupt die Bakiden und Sibyllen ihre dionysischen Orakel. Den heiligen Wahnsinn als Gottesdienst haben wir besonders im thrakischen Dionysoskult, dessen

1) RuBANOWiTSCH , Das heutige Zuugenreden, Neumünster 1907. Schopf, Zur Kassler Bewegung, Boun 1907. Franke, Die Versammlungen im Kassler Blaukreuzhause in nüchterner Beleuchtung, Kassel 1907. Urban, Z. gegenwärt. „Pfingstbewegung'. 1910. Weiteres bei Mosiman a.a.O. VII f.

«) S. 3 und 28.

3) Vgl. z. B. Heraklit bei Plutarch de Pyth. orac. p. 397 A: IlißvU.u Sh /^uivo/xtruj OTÖfxaxi, xu^' 'HQÜxltuov, aytlaara xaX axalliümaxu („un- geschminkt") xttl ußvfjioxtt („ungesalbt") <pi^tyyoixiv)].

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wahre Natur uns erst Erwin Rhode wieder zu verstehen gelehrt hat (Psyche ^ II, 1 ff.) : Wenn die schrillen Flöten gellten, Pauken und Tamburin rasselten, tobten und taumelten die bekränzten Mänaden und Korybanten, des Gottes voll, in tollen Tänzen den Thyrsos schwingend unter jauchzendem Jubelruf durch die Nacht: Im, Aiovvoi: {euhoe Bacche)! In den „Bakchen" des Eueipides ist anschaulich geschildert, wie diese Raserei, dieser religiöse Taumel, alles mit sich fortreißt in wildem Fanatismus und kein Machtgebot eines Herrschers der aus Barbarenland stammenden BeAvegung Einhalt gebieten kann.

Aber auch bei kulturlosen Völkern findet sich die Auf- fassung, die Worte von Verzückten i) gehörten einer Geister- oder Dämonensprache an: es handelt sich eben um eine allgemein menschliche Anschauung, die in der Hauptsache an keine Zeit, Kulturstufe und Rasse gebunden ist. Gerade in primitiven Religionen und Kulturen spielen bekanntlich Tänze unter gellender Musikbegleitung eine Hauptrolle ; es kann also nicht im mindesten überraschen, daß auch vom Reden in einer Dä- monensprache, vom „Zungenreden", vom Schreien in unartiku- lierten Lauten öfters berichtet wird. In China toben bei Tempelfesten Männer oder Weiber halbnackt in toller Be- sessenheit umher und stoßen dabei allerhand Laute aus, „welche

^) Vergleiche sprachliche Bildungen, wie gr. fxüvTig zu f^airofÄCii, lat. vätes, gall. plur. oväteig, air. fäifh „Dichter" zu got. wöps „wütend, be- sessen", aisl. öpr, ags. tnöd, ahd. wuot „wüteiid", aisl. 6pr „Poesie", ags. wöö „Gesang"; a.i. viprah „erregt, begeistert", subst. „Dichter, Seher" zu vepate „bebt, zittert", O^vtäg „Bakchantin" zu lat. /Mro^fwj'or „Raserei, Verzückung". Ai. kavih „Seher, Dichter" hat in gr. O^vo-oxoog seine etymologische und semasiologische Stütze und dürfte, wie lat. augnr, auspe.r: auf die Deutung der Zukunft aus Vorzeichen gehen (lat. ömen aus *os-men zu üscen „Wahr- sagevogel"), während in &iäl. volva „Weissagerin, Zauberin" (zu ?;j>?r „runder Stab", got. walus „Stab") und vielleicht in gr. Bäxtg (zu ßäxxQOv, lat. ha- culum?) die Vorstellung der mit dem Zauberstab regierenden Herren der Geister ursprünglich der Wortschöpfung zugrunde liegen dürfte. (Vgl. Gering, Über Weissag, u. Zauber 25, Note 17.) Seher sitzen auf Stühlen, wenn sie ihre Orakel erteilen (vgl. die nordischen Vulven, die Pj'thia usw.) ; so versteht man aw. upairi-gätu- „Seher, Visionär", vgl. Bartholomae, Wb. 395 s. V. Mit dem gr. tvO^eog, ivd^ovoiao/xög, nhd. besessen vgl. mau aLyätudhäna-, yätudhärfi, s. Oldenberg, Weltanschauung d. Brähm. -Texte, 1919, 131. SißvV.a ist nichtgriechischer Herkunft.

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dann durch Leute, die solche Göttersprache zu verstehen be- haupten, verdolmetscht werden". ') „In PoljMiesien werden die Priester \'on ihrem Gott besessen ; sie werden rasend, die Muskeln krampfhaft, das Gesicht verändert sich, die Augen verdrehen sich, sie schäumen am Munde, werfen sich auf den Boden, und unter dem göttlichen' Einfluß äußern sie gellendes Geschrei, heftige und oft unverständliche Worte, indem sie den Willen des Gottes offenbaren. Andere Priester empfangen die Mysterien und legen sie den Leuten aus." ■) Von den Bataks auf Sumatra wird berichtet, daß sie von einem Geist in ekstatischem Zustand besessen seien, der sich einer beson- deren Sprache bediene. Bei Tänzen der Indianer, bei afrika- nischen Medizinmännern, bei den Teufelstänzen in Indien, bei den tanzenden Derwischen überall ^) finden wir = dieses Lallen und lieden in unartikulierten Lauten, das die Gläubigen als ein Sprechen in einer überirdischen Sprache auffassen. „Bei den Makusi- Indianern in Guiana werden die Blödsinnigen mit besonderer ehrfurchtsvoller Scheu behandelt, da es all- gemein Überzeugung ist, daß diese Armen in inniger Verbin- dung mit dem guten Geiste stehen, weshalb auch ihre Worte und Handlungen für Aussprüche der Gottheit gehalten werden. Die Buschneger am Maroni in (4uiana, die möglicherweise solche Vorstellungen den Indianern entlehnten, halten Krüppel und Idioten für heilig und nennen sie fjado pikht „Gottes- kinder" ; und auch die brasilianischen Indianer behandeln Blöd- sinnige rücksichtsvoll, man schreibt ihnen einen besonderen Zusammenhang mit verborgenen Kräften und prophetischen (iaben zu." ■*) Sogar bei den Russen und Muhammedanern herrscht derselbe Wahn : „man glaubt, daß sie die Gabe be- sitzen, Gott und überirdische Dinge zu schauen, wobei natür- lich ihr Blick für irdische Dinge getrübt wird." •-)

Ja, es kommt gar nicht so selten vor, daß ein Reden in

*) De Groot in Chantepie de la Saussayes Lehrb. d. Relig.-Gesch.^ 1, 89.

'^) MosiMAX a.a.O. 63 aus \\. Ei.t.is, Polynesian Researches, London 1858, 1,373 f.

*) Belege bei Mosiman a.a.O. 63 f., auf die der Kürze wegen hier verwiesen sei.

♦) R. Andrer, Ethnogr. Parallelen u. Vergleiche, Neue Folge, 1889. 3.

■') Andhee a. a. 0. f).

(iüntcrt, Spriiolio der (nitti-i- und (jcistfr. 3

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einer unbekannten, jedenfalls der großen Menge unverständ- lichen Sprache einen wesentlichen Bestandteil eines religiösen Kultus bildet. Bei den Tänzen der Azteken um die Pyra- miden von Cholula in Mexiko wurden nach Vater, Mithrid. III, 3. 90 alte, dem Volk ganz unverständlich gewordene Ge- sänge gesungen. Solche Verwendung unklarer, kaum den Priestern selbst noch verständlicher Sprachformen beim Gottes- dienst findet sich beim Shintokultus in "Japan, auch auf den Südseeinseln, besonders in Otaheiti. und bei den Toradjas auf ( 'elebes. ') Die alten Hymnen des Rgveda sind den meisten Priestern, die sie praktisch beim Gottesdienst verAvenden, und sicher den Laien, die daran teilnehmen, recht unklar. Die römischen carmina Saliorum waren den Priestern selbst nicht mehr verständlich, 2) im veralteten Saturnier soll Faimns seine Orakel gegeben haben. 3) Aber ist das schießlich bei uns anders? wo noch in der Gegenwart im katholischen Ritus (las Latein eine so Avichtige Bedeutung hat, also eine Sprache, die der großen Menge der gläubigen Katholiken ganz unklar und unverständlich ist? Mußte doch Kakl der Grosse in einer besonderen Verfügung^) dem allgemeinen Urteil seiner germanischen Untertanen entgegentreten, das Latein sei die einzige Sprache, in der man sich allein an Gott wenden dürfe. ^) Der gemeine Mann, der die Priester stets diese ihm unklaren Worte murmeln hörte, dem man gar das Auswendiglernen des Vaterunsers und apostolischen Glaubens in der lateinischen, also ihm völlig dunklen Fassung zumutete, konnte gar nicht anders, als diese lateinischen Sprüche mit seinen heid-

*) Einzelne Belege bei .T. G. Müller, Gesch. d. amerikan. Urreligionen. B.isel 1855, S. 458 f.; Jkllinek, Zeitsclir. f. österr. Gymn. 68, 767.

*) Quintil. I, fi, 40: Saliornm carmina vix saferdotibns snis satis in- ^ellecta.

*) Varro de 1. 1. VII, 36: versus antiquissinii, (|nil)us Fannus fata ce- cinis.se hominibus videtur, Saturnii ai)pellantnr.

*) Frankfurter Capitular vom Jahre 794. ^

'■>) Bekanntlich ist es die Lehre der Muhammedaner. daß der Koran nur in der arabischen Sprache seine heilige Kraft besitzt, in einer Über- setzung verliert er seine Heiligkeit. So kommt es, daß das Arabische al.s die heilige Sprache sich überall dort ausbreiten mußte, wo der Islam als Religion herrschte; s. Bknfry, Gesch. d. Sprach wissensch., 1869, S. 187 und 837.

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nischen Zauberformeln auf eine Stufe stellen und als ein- zigen Grund jenes uns ganz unbegreiflichen Gebots annehmen, an die lateinischen Worte selbst und ihren Klang' sei ein be- sonderer Zauber gebunden: Gott erhöre gleichsam nur den, der ihn in seiner eignen Sprache anrufen könne. ^) Bekannt- lich erklärt man so meist die üblichste Zauberformel Hohis- poktis als eine Entstellung von Iwr est corjmfi (meum) im Laienmunde, weil beim Abendmahl diese Worte so oft ge- murmelt werden:-) sie erinnerten allzu sehr au die volkstüm- lichen Hexenmeister -Formeln Acw. »lax, pax oder hahes. palces. Im griechisch-katholischen Ritus behält man die altbulgarische Fassung der heiligen Schrift bei. die wegen der dialektischen Färbung und ihres Alters einem modernen ungebildeten Slaven viel Unklarheiten bietet, und auch die Bibelübersetzung Luthers enthält trotz der kräftigen, treuherzigen Über- setzungsart, die jedem Protestanten gefühlsmäßig zusagt, gar 'manche Schwierigkeiten und Unklarheiten für moderne un- gebildete Leser, wie das Avegen ihres Alters gar nicht anders sein kann. Aber gerade das gibt diesen Texten ihren Reiz: es ist nur erwünscht, wenn hier nicht alles so klar ist wie in der Alltagssprache, die Dunkelheiten verleihen ihnen etwas Mystisches, was seine gefühlsmäßige Wirkung ausübt und aus- üben soll.

In alten Zeiten besteht das Ansehen des Priesters und Zauberers, des Medizinmanns oder Schamanen 3) zum guten Teil darauf, daß er die Formeln und Worte der Geistersprache kennt und versteht, und dieses höhere „Wissen" wurde auch fast überall ängstlich geheim gehalten: sowohl Druiden als Brah- manen und Schamanen wußten genau, worauf ihre Macht be- ruhte. Von einem ägyptischen Oberpriester heißt es. er sei

') Raumer, Einwirkung des (-'bristentums auf die ahd. Sprache 248; Stkinmeyeu, Denkmäler II, 325 ; KöiiEi., Gesch. d. d. Litt. 1, 243 ; A. Fkeder- KTXO, Wiss. Beih. z. Zeitscbr. d. allgem. Sprachvereins III, 14/15,152.

-') Auch wenn es zunächst nur der Name eines Gauklers gewesen sein sollte, wäre doch diese Benennung erst aus jenem Zauberwort ab- geleitet, vgl. Kluge, Et.Wb.-, 1910, 211; Heyne, Wh. II», 1906, 189 ft'.: Weigand, Wb.-', 1909, 888 und unten über griech. d/<-nr«f und latein. (iuterj.) imx!

*) Über don tiiniisclion /fiuberer s. CoMPAiii-yrTi. Kiilowala. 1892, 2l2ft'.

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eingeweiht „iu die Gotteswoite und (iottesdinge" ; er habe „eine laute Stimme, wenn er den Gott preist". ') Einen be- sonders schönen Fall von dem Geheimnis einei- Göttersprache, die nur den Priestern bekannt war, vermag ich aus dem alten Inkareich beizubringen: Die königliche Familie die gewiß priesterliche Funktionen ausübte kannte eine besondere Sprache, die sonst niemand erlernen durfte, weil sie für göttlich galt. -) Von dem indischen Brahmanen heißt es ausdrücklich, er müsse sowohl die göttliche als die menschliche Sprache be- herrschen (Käth. 14, 15; Nir, 13, 9), er kennt die vierfache Art des Worts (RV 1, 164, 45). ^) Von dem Zauberspruch und der magischen Formel (ai. hrähman- n. zu mir. hriht „Zauber- spruch") hat der Br&hmsiwe {hrahmdn- m.) seinen Namen; denn die Vorstellung vom Brahman ging aus von der des heiligen, zauberkräftigen Worts, der heiligen Formel, „um sich dann freilich zu einem Ausdruck für die ganze dem Brahmanen und dem Opfer innewohnende mystische Kraft zu erweitern".^) Bfhasputi- ist der Herr des zaubermächtigen AVorts, der ver- göttlichte, zum Gott erhobene Priester.

Wenn Wahnsinnige für besondere Lieblinge Manitus bei den nordamerikanischen Indianern galten, so verstehen Avir nach den vorausgehenden (Tedankengängen dies jetzt ohne weiteres. Daß man das Stammeln unklarer Worte, unartikulierter Laute aber nicht in alter Zeit für das nahm, was es ist, nämlich für eine anormale, unwillkürliche Ausdrucksbewegung in ge- steigertem exzentrischem Erregungszustand, die dem Ver- drehen der Augen, dem krampfhaften Aberziehen der Glieder- muskeln usw. ganz gleichgeordnet ist, sondern daß man dieses Lallen auf eine überirdische Geistersprache bezog, daran ist nur der alte Glaube von der Zaubermacht des Namens und

*) Nach der Übersetzung bei A. Erman, Agypt. Religion, 1905, Hand- buch d. kgl. Mus. z. Berlin IX, 57.

'^) Nach dem Zeugnis von Gakcilasso dr i,a Vega: Y es de saver que los Incas tuuieron otra langua particular que hablaran entre ellos que no la entendian los denias Indios, ni les era licito aprenderla, conio leuguage divino, s. v. T.schudi, Kechua - .Sprache, 1853, I, 12, Fußn. 2.

ä) A. Wehkr, Ind. Stud. 10, 1868, 97; über Ähnliches von den Druiden ^1. WiNDi.sCH, Tain bo Cüalnge, 1905, XLIII.

*) Oiii'KNBERG, Weltanschauung d. Brähniana- Texte, 1919, 131.

des Worts allgemein schuld, von dem wir ausgingen. Die Vorstellungen von besonderen Götter- oder (reister- sprachen sind also nach unseren vorausgehenden Unter- suchungen erwachsen aus der allgemeineren Anschauung älterer Zeiten von der magischen Kraft, die einem Wort als solchem innewohnt, sie sind nur ein Seitenschößling des Wortaberglaubens.

Wir müssen uns ja heute erst künstlich vergegenwärtigen, was nicht nur der Name, von dem wir oben vorwiegend sprachen, sondern auch das Wort allgemein einer primitiven Denkweise bedeutete. Am ehsten haben für unser modernes Gefühl Wörter wie HaUelujuh, Sela und vor allem Amen, dei'en wirkliche Bedeutung als hebräische Formen den wenigsten Gläu- bigen ja bekannt ist oder wenigstens zum Bewußtsein kommt, noch einen mystischen Charakter. Das entsprechende arab. amin dient wirklich im Märchen geradezu als Zauberformel. ') Namentlich der Orientale führt den Namen Gottes oder eines Heiligen ständig im Mund ; man denke nur an persische Formeln wie bismilWi „in Gottes Namen", das bei Beginn einer jeden Handlung, einer Mahlzeit, einer Reise usw. verwendet wird, oder an Ausrufsätze wie allalm ukhar „Gott ist groß!", ijä 'All „0 Ali!", inmlläh, müsälläh, xtidäyä mh\ alhamdulilläh! , um nur die allergewöhnlichsten zu nennen, ^) Das bloße Wort wirkt magisch : ein Star hatte die Worte Ace Maria sprechen lernen; als ihn einst ein Habicht verfolgte und ihm die zwei Worte entfuhren, wurde er gerettet. 3) Daher sprechen Muham- medaner bei Tagesanbruch ein glückbringendes Wort aus (wie salem, muharek usw.). dann wird man Glück haben; deshalb stellt der Inder an die Spitze seines Buchs ein gutes mahgaldm. dann wird er alle Hindernisse beseitigen. In i-ömischen Sol- datenlisten mußte ein Name von guter Vorbedeutung die Reihe eröffnen: nomina sind omina!

Über Zauberformeln noch weiteres hier zu sagen, ist unnötig, ihre Bedeutung ist allgemein bekannt.^) Das „Be-

') Siebe Kunös, Türk. Volksmärchen ans Stanitinl 26H.

■^) Viele andere ttndet man bei 8. Beck, Neupers. Konv.-tTramm., 191-1. ■S. 3o2, 395 ff. n. .sonst. ^) Sohindlbr, Aberglaube d. Mittelalters 97.

*) Vgl. die vielen Belege bei Wuttke, Der deutsche Volksaberglaube', 1900: ferner Häl.sk!, l)er ^Zauberspruch bei den (iermanen, Leipz. Dissert..

sprechen*' Avar schon in ältesten Zeiten, auch bei den Indo- germanen, üblich, vgl. Wendungen wie gr. IjTfod// „Zauberlied", hjTfpöoc „Zauberer", lat. mcantäre „verhexen", frz. enchunter, ahd. higalan „besprechen, verhexen", aisl. (/alinn „verzaubert", (/aldr „Zauberlied", fascinäre : ßaoxah'cj, fascinum : ßfcoxdi'io}\ /0//C „Zauberer" zu 700c „Schrei", 2) engl. 6'2>e?Z „Zauberei" aus ags. s2)eU „Rede", nhd. hesprechen, heschreien. slav. rhc/io „Zauber" zu vlzmiti 'balbulire' (< '^uolso-), lit. rm-dyti „be- sprechen" zu vardaa „Wort, Rede", iadeü „besprechen", abg. hajati, ohavati „besprechen, zaubern", mm „Arzt, Zau- berer" zu griech. Qfi^ia, qtitojq, ai. ahhiyäyati „bezaubert", wörtl. „besingt", vgl. auch ungar, meyiye.ii:e „beschrieen" usw. Der Zauberer und Hexenmeister wird nicht nur dunkle Zauber- formeln murmeln, auch seine Kräuter. Geräte und Werkzeuge benennt er mit seltsamen Namen. ^) „Wo sind" heißt es in Walter Scotts Altertümler III, 5 „wo sind Ihre Amu- lette, Ihre Platten, Siegel, Talismane, Zaubersprüche, Kristalle. Pentakel, wo der magische Spiegel oder die geomantischen Figuren, wo Ihre Bannformeln, wo Ihr Abracadabra, Freund? Wo Ihr Maifarren kraut, wo Ihr Eisenkraut?

All Ihre Kröten, Krähen, Drachen, Funther, Sonne, Mond, Tierkreis und Firmament, Wo Lato, A^'och, Zernieh, Chibrit, Heatitarit, Nebst Tränken, Pulvern, all dem Ap^jarat, Ob deren Namen schon ein MenscJi könnt'

närrisch ir erden '^"

Die Gaukler und Geisterbeschwörer wußten eben sehr wohl, welch einen mystischen Eindruck gerade die geheimnis- vollen Worte bei ihrem Treiben machten: so scheinen sie der Geistersprache mächtig zu sein und können den Geistern in ihrer eigenen Sprache gebieten und sie zitieren.

l!)10, PiiADEL, üriech. u. süditalieii. Gebete, Beschwörungen u. Jxezepte il. Mittelalters (liel. Vers. u. Vorarl). III), 1907, Heim, Incantamenta magica graeca latina, 19. Suppl. d. Jahrb. f. Phil., 1892, Gmix, Hundert Lieder des Atharvaveda-', 1888, sowie überhaui)t die liit. zum AV., Schkftki-owitz, Die altpers. Relig. u. d. Judentum, 1920, 23 (awest. Gebete).

>) Siehe Faj.k-Türp, Norw.-dän. et.Wb. 295. Schkaukr, Reallex.' 974 ft".

') Siehe unten Beispiele aus der griedi. u. röni. Priestersprache.

Wir meinen heute, auf den Sinn des Gebets komme es an, und man soll beim Beten „nicht plappern wie die Heiden" : aber nach primitivem Glauben wird durch häufige Wieder- holung* die Zauberkraft des Worts nur vermehrt: so kommt es zu solch seltsamen Einrichtungen wie den tibetanischen Gebetsmühlen. Aber wohl gemerkt, die Reihenfolge der Worte oder der Zauberformel darf nicht geändert werden, sonst ist die Wirkung umsonst; namentlich mußte der römische Priester genau auf den Wortlaut und die richtige Wortfolge und Aus- sprache achten. *)

Hier läßt sich auch die Bedeutungsentwicklung von lat. f'oUum und die dadurch bedingte unseres deutschen Blatt, frz. feiülh\ engl. Icaf von „Baumblatt" zu „Papierblatt" erwähnen: die sibyllinischen Weissagungen waren tatsächlich auf Baum- blätter geschrieben, wie ja Palmblätter im Orient ein gutes Schreibmaterial abgeben. Interessant ist. daß dieser Zusam- menhang von ., Baumblatt" mit ., Blatt Papier" im Rumänischen noch eigenartig empfunden wird: Am Anfang rumänischer Volkslieder nämlich wird jedesmal ein „Blatt", frimm verde, einer solchen Pflanze angerufen, die mit dem Inhalt des Liedchens in einem allegorischen Zusammenhang steht, z. B. ein Eichenblatt bei Heldenliedern, ein Jasminblatt bei Liebes- liedern usw."-) Im alten Indien verwandte man glänzende Baumblätter, die man zudem mit Schmalz bestrich, als magische Spiegel; indem man auf das Blatt den Blick starr heftete, trat eine Art Hypnose ein, und man glaubte, jetzt auf dem Blatt die Zukunft lesen zu können.^)

Bekannt ist ferner, daß Zettel mit magischen AVörtern geradezu verschluckt werden, z. B. um sich kugelfest zu machen : denn auch das geschriebene Wort hat liöchste Zauber- kraft.'») Man denke nur an die Amulette und vor allem an die

') Vgl. W. St'HMji), Aldi. f. Keligioiiswiss. 19, 273 ff.; Fk. Pfister, Berl. phil. ^^■ucbellschr., 1920, Nr. 27,28; 650.

'^) Vgl. Wech.slkk, Prakt. Lehrbucii d. lumäu. Sprache*, 1895, 188.

*) Fkeui>enber(^, Wahrsagekniist im Spiegel der Zeit und Völker- geschichte, 1919, 11 »ach K. Schmidt, Fakire und Fakirtum im alteu und modernen Indien.

*) Vgl. VViri'KK, 1). dlsi-.h. Vulksalierglaube ' 243f., ScH.Miivr, Itedeu- tnng des Namens :!2.

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„Himmelsbriefe". Wie körperlich und sinnfällig man sich die Zauberworte und ihre magische Kraftsubstanz dachte, zeigt nichts besser als die nordische Darstellung, daß in den Dichter- trank Oprerir die Runen der Dinge geschabt und in dem Met umgerührt worden seien (Sigrdr. 18: ciliar vom af skafnar pders i'Qru a ristnar oh liverfpar eil) ^'^^^ helija mjgj) ; vgl. auch HQvam. 141). So bereitet die Walküre dem Sigurd einen Zanbertrank, in den die 'Runen', d. h. die magischen Xatur- kräfte der verschiedensten Dinge, eingerührt sind: wer einen solchen mit Runen durchdrungenen Trank in sich aufnimmt, wird Herr über di^ so magisch mit ihm verbundene Welt. 'j Sobald eine üble Rune abgeschabt ist, hört auch ihre schäd- liche Wirkung auf, weil eben die dämonische Substanz beseitigt ist. Amulette enthalten oft mystische Zeichen, deren Zauber- kraft vor allem Unheil feit. Man denke wieder an die Gebets- fähnchen und Gebetsmühlen der Buddhisten, die das heilige Om mani padme hum ! ebenso unheilabwehrend abhaspeln, als würden diese heiligen Woi'te gesprochen; man denke an die Hieroglyphen der Ägypter, die in den Tempeln an Wand und Säule, an Tisch und Tempelgerät als heilige Wesen angebracht waren: heißen diese Schriftzeichen doch geradezu Gottes- worte,2) der ibisköpfige Thoth, der Gott aller Wissenschaft und Weisheit, hatte sie den Priestern offenbart. Näher liegt uns der Runenzauber der alten Germanen. Auch hier hat ein Gott, Odin, der Vater aller Magie, diesen geAvaltigen Zauber zwar nicht erfunden, aber doch von Mimirs Haupt ^) unter den größten Opfern erlauscht und den Menschen offenbart. Die Hgoamöl vor allem, aber auch viele andere Quellen reden leider von dem Runenzauber und seiner Verwendung nur im allgemeinen, ohne daß uns ein tieferer Einblick in das Wesen dieses Glaubens oder eine genaue Probe eines Zauberspruchs gegeben würde. Ursprünglich muß rmia im Altgermanischen „geheimnisvolles Raunen, Murmeln'' bedeutet haben und ging also zunächst auf das Zauberwort, nicht auf das eingeritzte

') Siehe tlazu namentlich Kai;ffmann. Haider 184 ff.

■-) A. Erman, Ägypt. Religion, 1!)U5, S. 1'2.

') Zu den Sagen vom prophezeienden abge.schlagenen Menschenkopf vgl. man Lirkkkch'I', Zur Volkskunde. 1.S7!', S. 289 ff. Auch in einem I)e- kannlen Märchen aus „Tausend und eine Nacht" kommt das Motiv vor.

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Schriftzeichen'): vgl. got. riinn „Geheimnis", r». rmia „heim- liches Flüstern", ags. tiin „heimliches Beratschlagen", nilid. nme „Flüstern, heimliches Beratschlagen", nhd. Ikmncu. ahd. girüno „heimlicher Ratgeber", got. (luruni „heimliches Berat- schlagen", aisl. riini „vertrauter Freund", nin(a) „Freundin" zu vyna „vertraulich Öüstern", ags. niman, engl, roan, nhd. raunen usw.-) Besonders wichtig ist ir. ;vm „Geheimnis" für diese Grundbedeutung. Das finnische rfuio. aus dem Germa- nischen entlehnt, bedeutet gleichfalls „Zauberlied" und nie- mals ein Schriftzeichen. ■■) Keine Frage also, daß die gewöhn- liche altnordische Bedeutung als „Schriftzeichen" sich erst spät und sekundär entwickelt hat;-*) im übrigen bedeutet auch im Aisl. das Wort allgemeiner „Lelire, Weisheit, Lied" usw. Berühmt und oft behandelt ist die Stelle der Skirnismöl 37, wo die Verwünschungen, die S/iiniir in Freijra Auftrag der scliönen Riesentoehter Gerd antut, schließlich durch das Ein- ritzen dreier Runen bekräftigt werden. Es scheint dabei nicht jeder beliebige Stab geeignet gewesen zu sein, wenigstens er- klärt Slämir ausdrücklich (32):

tu liolts ek yekk ok til hrä^- cipar, (janihantein at (jeta : (jambantein ek ijat.

„ich ging zu Holze und zum grünen Baum, einen Zauberzweig zu linden: den Zauberzweig fand ich."^) Vielleicht mußte das Zweiglein ungefähr der Gestalt der Hauptrune gleichen, die darauf eingeritzt werden sollte? Oder mußte der Baum eine besondere Richtung haben, wie dies offenbar Sigrdrifum. 10 angedeutet wird: a herkl skal r/sta ok ä harri cipar es lüta austr limar „auf die Borke soll man sie (die limrdnar, d. h.

'j Die umgekehrte Bedeutungsentwicklung- läßt sich bei iiihd. liesen „Weissagung-, heimliches Murmeln" beobachten, das ahd. Uozan = ags. hleotan „das Los werfen" fortsetzt.

") Ich erinnere dabei an den athenischen Heros Ks///t^/os. den „Flüster- gott", der das Raunen der Gebete fördert, s. Usenek, Kl. Schriften IV, 468.

•') CoMPARBTTi, Kalewala od. d. tradit. Poesie d. Finnen, 1892, 262 ff.

•) Vgl. auch E. Mo(iK in Hoops RL. IV, 580 f.

■') Das .Schlagen mit dem Zauberzweig, Str. 20 {Idnu^rcutli /)i/,- (liri)k) erinnert an das Scdilagen mit der ,,Lel)ensrute".

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Astrimen) ritzen und das Gezweig des Baumes, der nach Osten seine Äste streckt" ? AMr wissen das alles nicht näher. Das Ritzen war aber jedenfalls sehr Avesentlich; denn das Abschaben der Zeichen genügte, um den Schadenzauber wirkungslos zu machen. So erklärt Skirnir, er werde auch, was er eingeschnitten, nötigenfalls wieder abschaben. ") Es ist kaum anders denkbar, als daß die Runenzeichen, ähnlich den ägyptischen Hieroglyphen späterer Zeit, als Verkörperung dämonischer Wesen und Kräfte anzusehen sind. Genauer gesagt, man glaubt an eine „mystische Kraftsubstanz", die nicht nur einem Wort oder einer Formel innewohnt, sondern die überhaupt Menschen und Gegenstände „heilig" machen kann ; eine unpersönliche Zauberkraft erfüllt alles Heilige und Ge- weihte, sie ist es, die dem Wort sowohl als dem mystischen Zeichen, dem Amulett und der Schrift innewohnt."^) Auch die Wortbedeutung kann im Zauber als solche magische Macht angesehen werden : die Pflanze Apämärya-, deren Name wört- lich ,. Abwischung" zu bedeuten scheint, wird nun als apo- tropäisches Zaubermittel benutzt, das alles Unheil beseitigt, ,. abwischt". Einen hundsköpligen Dämon, der Krankheit bringt, verjagt man durch Würfelspiel; denn der „Spieler" heißt im Sanskrit scaijhnin- . wörtlich „Hundetöter". 3) Dämonen sind Wesen mit „üblem Namen" {durndmmi- KW 11, 2h,2). Zauber- worte sind denn auch greifbar deutlich und konkret vorgestellt worden. Als dem finnischen Helden Wäinämüinen drei Zauber- Avorte fehlen, um ein Schiff zu bauen, sucht er sie im Gehirn der Schwalben, im Kopfe der Schwäne, im Nacken der Gänse, auf der Zunge der Renntiere, im Munde des Eichhorns und findet Hunderte von Zauberwörtern, wenn auch nicht die.

') Vgl. auch Saxu lirauiui. T'J uiul Egils Heilung' des Bauernmädchens in Vermland, Egils. caj). 7o (s. u. S. 47).

■') F. Pflstek, Beil. Phil. Wocheiischr., 1920, Nr. 27,28, 646 ff. schlägt den Namen Orendd (nach einem Irokesoiwoit, die Melane.sier nennen die.9e magisclie Kraft Mana) für diese dvia/dL;, dieses zauberisclie Flnidiim vor. Vgl. noch 8<)i)KKBi.<»M, Das Werdeii des Gottesglauhens, 1916, Oi.denbehc;, Weltansch. d. l>r.-T. i;53ff. , wo liclitvoll über das lin'ilniKm- gehandelt ist, Ders., Nachr. d. firött. Ges. d. Wiss., 1916, 710 ff., ModK, llbergs Neue .lahr- b«cher22, 1919, 102.

') Siehe Oi.denbekg, Kelig. d. Veda 51;'), A. 1, \\'eltauschaimng 128.

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welche er brauclit (Kalewala Run. 16, 125 ff., s. Comparrtti, Der Kalewala, 1892. 263). Dadurch, daß der heilige Name gesprochen und gar auf eine bestimmte Stelle eingeritzt wurde, nötigte man also die durch Kenntnis des Namens beherrschte geisterartige oder dämonische Kraft, dort zu weilen und zu wirken, wo ihr charakteristisches AVesen, ilir Name, an- gebracht wird: wenn Skirnir einen Thurs, d.h. die Rune J', einritzt, so ist das nicht eine bloße Abkürzung des Worts für ., Riese"', sondern damit werden die Riesen gleichsam magisch gezwungen, zu erscheinen und die vorhergesprochene Ver- wünschung auszuführen (Str. 35) •) :

..Hrirnyinmiir heißt der Tharse.

Der dkli 1 iahen soll

An des Totenreichs Tor;

Zu der Frostriesen Halle

Sollst hinfort du täylich

Verhungert hinschleichen,

Verhungert hinkriechen !"

j.Sinnruneu'' (aisl. hugrunar) nennt der Isländer diese wichtigste und älteste Art der Zeichen (Sigrdrif. 12): Mimirs Haupt, das bekanntlich auch Odin die Zauberweisheit lehrte, hatte „weise das erste Wort gesprochen und sagte richtige Stäbe*'. ■■^) Wenn es nun in den folgenden Versen (Str. 15—17) weiter heißt, diese Runen seien eingeritzt auf dem Schild vor dem Sonnengott, auf dem Ohr und Huf seiner beiden Sonnen- rosse, auf dem Rade Odins, auf Slelpiiirs Zähnen und Bragis Zunge, auf dem Schnabel des Adlers, den Pranken des Bären, den Pfoten des A\^olfs, auf dem Nagel der Norne und dem Schnabel der Eule usw., so ist, wie man längst erkannt hat, 3) hier von einem tatsächlichen Einritzen von Schriftzeichen keine Rede, sondern diese Sinnrunen sind mystische, amulett- artige Zeichen, welche die Kräfte der betreffenden Wesen

'j Nach der trefi'licbeu iber.setzuiig vou Genzmek, Edda II, 1920, S. 31 f.

*) Ebenda 14: /jü nui'lli Minis hofa]) fi-oplild <•■/ fi/rsdi orf) ok xikj})! snnnu alafi. "•

^) Siehe z. B. Uhi-and, Zur (iescli. d. Di.dit. u. Sage VI, 1808, S. 265, Kalff.mann, Balder, 1<J02, 190 ff.

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mystisch verkörpern, wie bei den ältesten Hieroglypiien der Ägypter und vor allem wie bei den bierogiyphartigen Sym- bolen der mittelamerikanisclien Völker: dem geheimnisvollen Wort, dem Geheimnamen, von dem wir schon so oft sprachen, tritt hier das Geheimsymbol zur Seite, dessen Kenntnis, dessen Niederschreiben magischen Einfluß auf die Kraft selbst aus- übt. Ein altnordischer stafr in ältester Bedeutung war geAviß ein mit einer Rune als dem Anfangsbuchstaben und zur Er- setzung des ganzen Worts versehener Holzstab, genau wie Moses' und Josuas Zauberstäbe uacli spätjüdischer Vorstellung (s. o. S. 10). Aus solchen Runenstäben besteht dann die Weisheit des Zauberers. In dem „Fluch der Busla" werden die „sechs" (Runen) auch als geheimnisvolle Zauberzeichen angesehen; rät der König sie nicht, so verfällt er der Zauberin. Es möge der Schluß dieses Fluchs hier folgen ') :

Sechs kommen hier: Sag ihre Namen, Entziffre alle! Ich £ei(/e sie dir. Batst dti sie nicht, Wie ich's richtig heiße, So fahre hin sur Hei, Von Hunden ^zerfleischt, Beine Seele aber Sinke zur Hölle!

Es heißt ausdrücklich, Mimir habe am Brunnen der Urd das „erste Wort und richtige Stäbe" geoffenbart, d. h. den Geheim- namen und sein runisches Symbol. Daß Wort und Zauber- handlung (Runenschneiden) sich ergänzen müssen, meint doch wohl auch die dunkle Stelle im Rünatal (Hovam. 142):

or]) mer af orpi orps leitapi, verk mer af verki oerks

„Wort führte mich von Wort zu Wort. AVerk mich von Werk zu Werk." 2) Wahrsclieinlich konnten auch in ältester Zeit Opfer

') Edda von F. Gknzmek, 1'J2U, II, 1S2.

-) Wahrscheinlich ist an die manische Bindung der einzelnen Runen durch die Alliteration gedacht; dadurch wird Wort mit Wort verknüpft.

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au die betreffenden dämonischen Wesen den Zauber uutei- stützen. Dies kann man daraus schließen, daß die Runen mit. Blut gerötet wurden. Wichtig' ist dafür die metrisch isolierte Strophe Hovamol 145:

Veiztu hce r/'sfa skal, vektu hve rdj)a shal'^ reis tu hve fn shal, veiztu hve freista skal? rektu hve bipja skal. reiztu hve hUta shal'^ reüfii hve senda skal. reüfu hve soa skalY

„Weißt du, wie man ritzen soll. Aveißt du, wie man raten soll, weißt du, wie man färben soll, w^eißt du. wie man er- pioben soll, weißt du, wie man wünschen soll, w^eißt du, wie man opfern soll, weißt du, wie man senden soll, w^eißt du. wie man schlachten soll?"' Hovam. 158 sagt Odin: „so ritze ich und färbe die Kunen" {srä ek rist ok / nhimn fäk). Ähnlich 79. 3 und 143. AVenn man später Mennig benützte, so ist das deutlich ein Ersatz für die einstigen blutigen Opfer: wir er- Avähnen diesen nebensächlichen Zug hier nur, weil unser Wort Zauher da seinen Ursprung hat: aisl. ^«;//r, ^\\^. .rouhar ge- hört bekanntlich zu ags. teafor „Mennig"'.

Endlich sei noch betont, daß der Geb rauch der Allite- ration, der „Stäbe", zweifellos erst im Zauberspruch üblich war als eine geheimnisvolle Binduug der Zauberkräfte und von da erst als poetischer Schmuck allgemein verwandt wurde. Odin, der Vater, des Zaubers, gewann zugleich auch den Dichter- met, den begeisternden Eausch trank, Mimir ') fand nicht nur das erste Wort, sondern auch richtige „Stäbe", und bei jener Verwünschungsformel der Skirnismol. von der wir ausgingen, linden wir neben dem Runenritzen auch die Alliteration im Zauberspruch :

Jmrs r/stk per ok pria stafi: erfji ok epi ok öpoJa

„einen Thurs ritze ich dir und der Runen dreie: Lüsternheit, Leid und Liebesrasen". 2) Hier sieht man den Stabreim noch deutlich in seiner eigensten magischen Bedeutung: Wie der

') Mit Miniirs Haupt vergleiche irian den Schädel eines etruskisclien Sehers, von dem Piin. nat. hist. 28, 4 berichtet, ('her einen Pferdekopf inj Orakel vgl. Wrbrr, Ind. Stiid. I, 381 Aiini. '^) Nach Gknzmkk S. 3'2.

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Reim.i) so ist auch der Stabreim zuerst im Zauber- spruch aufgekommen und hatte hier eine besondere geheimnisvoll bindende Kraft. Erst sekundär sind dann beide Arten des Wort- und Redeschmucks allgemeiner in poetischer Sprache angewandt worden. 2)

Daß die vielen Verwendungsarten des Runenzaubers, wie sie uns die Liederedda, namentlich in der Hovaraol und Sigr- drifum.j lehrt, keine poetischen Phantasien darstellen, sondern tatsächlich von den alten Nordländern geübt wurden, das zeigen die Schilderungen der Sagas. Die Egilssaga ist be- sonders reich an Beispielen für Runenzauber: wie die Walküre ihrem Sigurd Bierrunen lehrt, so schützt sich Egil durch Runen, die er in ein Hörn mit vergiftetem Trank einritzt und mit seinem eignen Blut rötet, vor der Grefahr, vergiftet zu werden. An anderen Stellen ist von Runen die Rede, welche die zauberkräftige AVirkung der Pferdeschädel auf einer Neidstange erhöhen.^) Wir hören ferner in Sagas da- von, daß Schwerter mit Runen siegkräftig werden, daß ein Mann durch eine Baumwurzel ums Leben kam, auf die eine Hexe Runen geritzt hatte "*) u. dgl. m. ^) Besonders bekannt

^) Siehe dazu unten i. Absclinitt.

-) Vgl. dazu LiLiENKROHN, Zui' RuHsnlelire 17. ß. M. Meyek, Alt- gerraau. Poesie 494, rojrpAREiTi, Kalewala 262 ff. Man entsinne sich in diesem Zusammenhang' an die Bedeutung der vedischen JMetren im alt- indischen Kult : Jcujaü, Tn'sliib/i usw. Averden ja als Gottheiten angesehen, sie heißen dairi/äh prajäh „göttliche (-feschöpfe", deri/tih oder ilerikäh „Göttinnen". „Nicht bloß die Handlungen der Menschen, auch die eignen Handlungen der Götter selbst bedürfen zu ihrem Gelingen des Beistandes und des Schutzes der Metra. Durch sie haben dieselben ihre jetzige Würde erlangt" (Belege für diese Angaben bei A. Weber, Ind. Stud. 8, 1863, lOf.). 1 »er Sinn dieser ganzen Spekulationen ist doch nur der, daß in den metrisch gebundenen Zaubersprüchen eine mystische, allbezwingende Kraft liegt. Die Metren tragen den Göttern das Opfer zu, sie heißen devai/fniah pdiifhfih „Götterpfad". Der alte Glaube vom Wortdämon ist aucli hier immer wieder leicht zu erkennen. Auch die Runen sind göttlicher Herkunft, HQvam. 79 rlimim reginkummm .

')-Cap. 57 (= Sagabibl. III, 189) und Vatnsdola s. (Forns. 54 u. 56).

*) Grettissaga 79 ff. (= Altn. Sagabibl. VIII, 274 ff.).

5) Man vgl. etwa Uhland, Schriften VI, 225 ff., B. Maonusson Olsen, Rwnerne i den oldislanske literatnr, Kopenhagen 1888, 6 ff.. Geklno, i'ber Weissagung und Zauberei im nord. Altertum. l!)()2. 2()f., .Mock in Hdojis Kenllex. IV, 581.

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und außerordentlicli lehrreich für die sinnfällige Auffassung- der Runenkiaft ist jener Bericht der Rgilssaga. i) der von der Heilung eines kranken Mädchens durch den runenkundigen Skalden handelt: er entdeckt nämlich unter dem Kopfkissen der Kranken einen mit üblen Eunen geritzten Fischkiemen. Die unheilvollen Zeichen werden von ihm abgeschabt und vernichtet, und dafür schneidet er segenspendende Heilrunen ein: des anderen Morgens ist das Mädchen genesen. Wenn es also heute so harmlos klingt: ich schnitt es (fern in edle Rinden ein . . ., so ist das ein Rest alten Eunen- und Liebes- zaubers, der sich bis heute gehalten hat: die Namen der Liebenden und damit ihre Herzen werden magisch zusammen- gezwungen.

Vor allem aber wurden Worte und Eunen, die auf Stäbe geritzt waren, zur Weissagung und zu Orakeln benutzt. Eine nordische Schwanenjungfrau heißt Olnin „die Alraune", weil sie die Zukunft versteht wie jene Donaunixen, die Hagen im Nibelungenlied das Ende der Nibelungen weissagen. Für die Germanen bezeugt es uns Tacitfs an einer oft behandelten Stelle der Germania: 2) aber auch für (^riechen. Eömer^^) und Gallier^) sind Losorakel bezeugt."^) Eein sprachlich erklärt sich ja so die Bedeutung des Worts Buchstabe „buchener Eunenstab" und vor allem die Etymologie von gr. /o/o^- „Wort". Dies gehört natürlich zu /Jynr, aber dessen Grund- bedeutung war nach Ausweis von lat. leffo. coUic/o, lefiio usw. auf alle Fälle „sammeln" ; wie nun eben lat. lefio „ich sammle"

») Cap. 73, 9 (= Sagabibl. III, 240 f.). -) Cap. 10.

^) In Praeiieste Avnrden zu den sorfes eichene Stäbe mit Schriftzeicben benutzt, ganz wie die nordischen Eunen, s. GOtte, Delph. Orakel 299, Fußn. 1.

*) sortps „Losorakel" gab es vor allem in Praeneste, später auch in Patavia (Sueton Tib. c. 14) , Antiuni (Sueton Calig'. c. 57) und Tibur (Stat. silv. I, 3.). Finnisch sagt man h/ödd (irjian „Los erraten" wie ahd. Iiliozaii „wahrsagen, zaubern" zu filior „IjOs".

■■') Plin. bist. nat. XXV, 105 : es ist vom Eisenkraut {i-erhenmu) die Rede: utrafiiw mrtinniar (ialli d prurcinuiit resjnmsd. Auch für Perser. Skythen und Slaven gibt es Belege (vgl. Schkftelowitz, Altpers. Rel. u. d. Judeut., 192Ü, 91, §84), so daß diese Art des Orakels schon den Indo- germanen bekannt gewesen sein mag, wie denn auch viele primitive Völker das Stäbclieiiwerten und Losschütteln kennen, vgl. Tylok, Primit. Culture ]', 1201'. Weitere spradiliche Helege bei Verf.. Kalypso 24S, Fußii. 2.

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und dann „icli lese" lehrt, wie ebenso unter dem Einfluß Yon lat, legere unser deutsches lesen eigentlich „zusammen- lesen" (z.B. Holz), „sammeln" beweist, bedeutete ?j)yoc das ,^Vort" im Sinne des „gelesenen" Orakels. Man vgl. auch nhd. er- zäMen oder \dX. sortilefiimu , sortärius. hs^wz. sor der. So zeigt die ßedeutungsentwicklung von gr. /o'/oc l)esonders schön den Zusammenhang von Wort, Zauber und Weissagung. Ich er- innere auch an ai. m/mtra- „Spruch, Zauberspruch, Lied", dem im Iranischen aw. mridra- „heiliges Wort", pämird. mutr „Zauberspruch", aber im Griechischen die Sippe von ni'ivric, iiarTi iojHci , MavTc'} 'Name einer Seherin' entspricht. Lat. öräculum gehört natürlich zu ös und bedeutete ursprünglich den als Prophezeiung gedeuteten AVortschwall verzückter Seher oder Seherinnen, i)

Das Ergebnis der Wort -Prophezeiungen, sei es mittels Wortorakels, sei es auf Grund des in Verzückung stammelnden Propheten, ergab das ,.Gesagte. Gesprochene", d. h. das fätuni (zu fäll, gr. (find)- also das „Schicksal"; ähnlicher Herkunft sind lat. fäs und nefäs, ein Ausdruck, der demnach gleichfalls auf die Offenbarung göttlicher Rechts Satzungen geht.'-) Im Is- ländischen, besonders der Liederedda, werden die (4ötter oft genug reijin „die Patmächte" genannt; aber dieses Wort ist mit tochar. A rakc, B rcke „Wort" und abg. reka „spreche" engstens verwandt: serb. rolro. naroh. „Schicksal" bedeutet also eigentlich nur der „Ausspruch", vgl. russ. itoKoüün tcm. „Schicksalstag"; die bulg. Xarqniici (eigentl. „Besprecherinnen") „Schicksalsfrauen" gehr)ren ebenfalls hierher.^') It. ditfa, span.

>) Siehe dazu oben S. 32 Fußu.

-) Der Begriff von ai. vrotä-. aw. urräta- scheint ebenfalls in .solchen Vorstellungen seinen Ausgangspunkt zu besitzen („göttliche Satzung'), weil es mit la,t. rcrbum, uhd. Wort wurzelverwandt sein dürfte; später entwickelt sich mehr die Gesaratbedeutung „Gesetz, Pflicht", vgl. lat. /'^Ts; s. OLDBNBER(i, Weltausch. d. Br.-T. 188; Verf., Kalypso 257 ff. und 248 ff., Avo weitere sprachliche Belege. Auch an die römischen Faiiiae sei er- innert; nacli irriger antiker Etymologie soll sogar Fumtiis seinen Namen von seinen Orakeln haben; Serv. Aen. VII, 47. 81: F<mnic< imo xttc. <pojvtjQ dictus, quod voce, non signis, ostendit futura, s. Otto, RE'^ VI, 1909, 2058, Verf., Kalypso 256. Man ziehe auch gr. 'h'(j-<pcaiK, l>io7itoiog heran.

") Vgl. Kkal;«!s Skkc'a, Glück u. Schicksal i. Volksglauben d. Südslavcn, 1881), 127 f., SciiitAUKK, IlbergsKeue.lnlnl). 22, 191!), 77, Verf., Kalypso 249.

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dicha „Glück'' ist die Fortsetzung eines vulgärlat. dirta „das Gesagte" im Sinne des als Schicksal Geoffenbarteu. Nähert sich hier das ..Wort"' schon einer gewaltigen Schicksalsmacht, so scheint mau geradezu zu einer göttlichen Verehrung des Worts gekommen zu sein ; dabei denke ich nicht nur an den ja konkret gedachten Loyos der griechischen, speziell helle- nistischen Philosophie, sondern auch an die Väc der Inder, der bereits ein eigener Rigvedahymnus (10, 125) gewidmet ist. Aus den Gewässern ist sie entstanden (v. 7) als erste Ema- nation, ihr Sohn ist Frajdpati. So wird Väc als Göttin (dev'i) verehrt, ihr häufigster Beiname ist Sdrasvati „die Hin- gleitende" ') Natürlich hat das Opfer auch die göttliche Vac den Menschen geschenkt: I»V 10. 71. 3: „Mit dem Opfer gingen sie auf der Sprache Spur. Sie fanden sie auf, die in die Seher eingegangen war. Sie brachten sie her und ver- teilten sie an vielen Orten. Die sieben Sänger jauchzten ihr zusammen zu." 2) Nach späterer Spekulation stammen die Geschöpfe aus der Ehe zwischen Frajdpati und der Väc. Käth XII, 5: .,Frajdpat( allein war dieses Weltall; er hatte ]'äc zu seiner Genossin und vereinigte sich mit ihr ... sie gebar diese Geschöpfe." Ebenso Sat. Br. VI, 1,2,7.=^) Man darf auch an den awestischen MaHra Sp9nta, den vergöttlichten „heiligen Spruch", das göttliche Wort, die als Gottheit an- gesehene Offenbarung, und an Akuna Vairija-, das Hauptgebet der Zarathustrier, erinnern. ^) Ja, in einem geAvissen Sinne darf man bezweifeln, ob Platons Lehre von den „Ideen" möglich geAvesen wäre, wenn nicht der Wortsinn dem nur seine Muttersprache kennenden Philosophen eine Vergött- lichung des Wortbegri iTs. eine Vergöttlichung der Worte, nahe- gelegt hätte: Platüns „Ideen" sind im Grunde, wenn man sie einmal von diesem einseitigen Standpunkt beurteilen darf, nichts als vergöttlichte Worte und M'ortbegriffe. Darf man es der bekannten homerischen Formel von den Ixt-a jirtQÖhvta entnehmen, so scheint man sich in altgriechischer Zeit die

') Siebe dazu A.Weber, Ind. Stutl. 9, 18(iö, 47oÜ". ; Deussen, Gescb. d. Philosophie 1,1, 1894, 147 f. Oldenbeuu, Weltausch. d. Br.-T. 78ff. '^) Hakuy, Ved.-brahnian. Periode, 189:5, 132. ^) Deussex a. a. ü. 206, 1)jl(;ek, Erlösung' d. MeiiscliPii, 1902, \:>\. M Siehe dazu Dakmestetkk, Essais Oriciitaux 197.

CiüiitiTt, SihucIk' dir (löllcr und (icisU-f. J.

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Wörter gelegentlich als geflügelte Wortdämonen vorgestellt zu haben, als Boten und Mittler zwischen Göttern und Menschen, Je konkrete!' und anschaulicher man sich aber einen solchen Wortdänion denkt, um so begreiflicher wird seine Anrufung im Zauber: wenn bei einem bestimmten Zauberwort sich etwa eine Felsenpforte öffnet, ') so wird gleichsam ein Geist, dessen Namen man kennt und der deshalb gehorchen muß, zitiert, um diese Handlung auszuführen. 2) Somit kommen wir eben wieder zum Grundgedanken von einer zaubermächtigen Geister- sprache, von magischen Geheimnamen, welche dem, der sie versteht, entweder die Geheimnisse der Zukunft enthüllen, oder ihm, wenn er sie selbst spricht, Gewalt über die Geister- welt verleiht, weil er in der Geistersprache selbst seine Be- fehle erteilen kann: wer die Geister- und Dämonensprache versteht, ist also ein Prophet und Zauberer zugleich, je nach- dem er Geheimnisse belausclit oder die Worte selbst spricht.

Anderer Herkunft scliließlich sind die mystischen Berichte über Geistersprachen, die aus moderneren oder mittelalter- lichen Quellen geschöpft sind. Schon Jacob Böhmj-: soll in Worten einer höheren Sprache, der ,,Natur.sprache", geredet haben. So sagt er an einer Stelle-'): „Welcher Mensch nun den Verstand hat der Sensuum, als der Geister der Buch- staben, daß er verstehet, wie sich die Sensus in der Lust haben komponieret, der verstehet's in der Fassung des Wortes, wenn sich das zur Substanz fasset, der kann die sensualische Sprache der ganzen Kreation und verstellet, woraus Adam hat allen Dingen Namen gegeben ... Da alle Völker haben in einer Sprache geredet, da haben sie einander verstanden; als sie sich aber der sensualischen Sprache nicht wollten ge- brauchen, so ist ihnen der rechte Verstand erloschen; denn sie fülireten die Geister der sensualischen Sprachen in eine äußerliche grobe Form und fasseten den subtilen Geist des

') „Sesam, öffiie dich!" im Märchen von Ali Baba und den 40 Räubern; „Berg Semsi, tu dicli auf!" im Märchen vom Simeliberg (bei Grimm Nr. 142).

'^) Man vgl. dazu Polivka, Anm. zu Grimms Märchen 111, 138 fl'.

■") Öeraphiu. Blumen-Gärtlein 1700, c. 35, 57 ff. (Neudruck von A. v. d. Linden, 1918, S. 221). Man vgl. auch das Kapitel „Von der Kraft der Eigenuaiiii'!,'- in Acjkum'As v. NkitKshkim „(lelieinior Philosoiiliif^", 1,70.

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Verstandes in eine grobe Form . . . kein Volle verstehet mehr die sensualisclie Sprache, nnd die Vögel in Lüften upd die 'l'iere im Walde verstehen sie nach ihrer Eigenschaft." .Vlanch arme Hexe des Mittelalters mnrmelte in nnbekannten S^)rachen und mußte dies sich als schweres Verbrechen anrechnen lassen : denn dies war natürlich nach dem sachkundigen Urteil dei- Inquisitoren und der Henker nicht die Engels-, sondern die Teufelssprache der Hölle! So wird in den Akten als Probe />. B. folgende Aufzählung in.vstischer Namen als Beleg an- geführt :

Anrin. Lalle, Sabalos, Aado, Pater, Aziel, Adonai. Sado. Vggoth, Agra, Jad, Baphra'A)

In Königsberg wurde ein Schwärmer nacli gräßlichen Martern verbrannt, der sich als Vertreter Gottes auf Erden ausgab und ein Rundschreiben mit folgendem Anfang ver- breitet hatte'-): AVlr Johann, Albreoht, Adelgreif, Sgrdos, Awafa. Kauemata, Killns, Mataldis. Schmalhilhnnndit , Sa- hr(i))dis. Elioris!, Hiipererzhoheirriesfer nnd luiiser, Friedens- färst der gfoi.ten Welt. OherergTiönig des heiligen Himmelreichs'' usw. Vor allem aber sind es geeignete Medien, die in ihrem abnormen Zustand Worte aus „übernatürlichen" oder ihnen sonst völlig fremden Menschensprachen gesprochen haben sollen. Auch dui'ch Tischklopfen und durch die Planchette. sowie Mitteilungen in „Geisterschriften" glauben Spiritisten Offenbarungen aus dem Geisterreich, Geistermitteilungen er- halten zu haben. ^) Diese Dinge interessieren uns weniger als die sehr genauen Angaben Swedenborgs über die Sprache der Engel, wie er sie am klarsten in seiner bekannten Schrift De coelo et eins mii-abiiibus, Londini MD('OLVIII ausführlicli beschreibt.'') Es wird zunächst betont, daß die Engel mit denselben Organen und in ähnlicher Weise wie die Menschen,

') B. SiDi.s, The Psychologie of Suggestion, 1899, 341 ff., Mosiman, a.a.O. 60, Horst, Zauberbibliothek 4, 33;if.

-1 Arnold, Gesch. d. Kirclie u. d. Ketzeitums hei ^Iayo- Hartmann, Wahrheiten im Volksaberghiiihen, Leipzig 1854, S. GO.

•'') Wer Belege wünscht, sehe etwa bei Lku.mann, Alierglanbe und Zauljerei, 1898, S. 254 ff. nach, wo weitere LiteratiU'.

*) Wir zitieren nnrli Tatki.s ('berselziing, ISOil, S. 182 fl'.. ^'SM.

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wenn auch einsichtsvoller, redeten, und daß die hörbaren Sätze ebenfalls in Wörter zerfallen. Alle Himmelsbewohner sprechen nur eine Sprache und verstehen sich demnach sämtlich unter- einander, freilich gibt es doch eine Art Dialektverschieden- heit oder Ausdrucksverschiedenheit zwischen den Engeln des himmlischen Reiches und des geistigen Reiches des Herrn (§241): die himmlischen Engel reden in Wörtern, in welchen die Vokale a, u und o vorherrschen, für die geistigen Engels- worte sind dagegen e und i bezeichnend. Vor allem wird dann von dem schwedischen Geisterselier behauptet, die Engels- sprache sei ganz Gefühl, unmittelbarer Gefühlsausdruck : „Die Sprache wird hier nicht erlernt, sondern ist jedem eingepflanzt ; sie entfließt unmittelbar ihrem Gefühl und Denken; die Be- tonung der Rede entspricht ihrem Gefühl und die Gliederungen des Tones, welche die Wörter sind, entsprechen den Denk- bildern, die aus dem Gefühl hervorgehen, und weil die Sprache ihnen entspricht, so ist auch sie geistig, denn sie ist das tönende Gefühl und das redende Denken." ') »I^i^- Engels- sprache hat nichts gemein mit den menschlichen Sprachen mit Ausnahme einiger Wörter, welche aus einem bestimmten Gefühl heraustöneu,2) jedoch nicht mit den Wörtern selbst, sondern mit ihrer Bedeutung." Den Engeln ist es unmöglich, so versichert Swedenboik^, auch nur ein ^^'ort einer mensch- lichen Sprache auszusprechen, und es ist interessant, wenn er fortfährt: „Es wurde mir gesagt, die erste Sprache des Men- schen auf unserer Erde sei damit zusammengetroffen, weil sie dieselbe aus dem Himmel hatten, auch treffe die hebräische Sprache in einigem damit zusammen." ') Von den weiteren Aus- führungen sei noch erwähnt, daß die Konsonanten vor allem Denkbilder, die Vokale die Gefühle ausdrücken 261, S. 205), daß es auch eine Schrift der Engel gibt, der Swedenborg ein ganzes Kapitel weiht, und daß Geister, wenn sie aus ihren himmlischen Sphären sich zur Erde begeben und mit Men- schen reden, in der betreffenden Menschensprache sprechen können, weil sie dann in des Menschen „ganzes Gedächtnis"

■) §236, S. 183f.

■'') Damit meint er sicher lautmalende Wörter mit starkem üefühls- exponenten. 8. dazu unten unsere Anffassuno' von Swrdknborgs Lehren.

■') § 2:;7, s. 185.

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eintreleii; über den vermciiil liehen Widerspiucli mit der obigen Behauptung', kein Engel könne Mensclienwoite aussprechen, hilft sich SwEDENBOKCi mit dieser Erklärung hinweg, daß das Fühlen und Denken des Menschen den Engeln als ihr eignes . erscheine und sie daher auch in ihrer gefühlsmäßigen Sprech- art mit einem Menschen reden könnten (S. 192, §246); ähn- lich habe Gott durch Geister, die er sandte, auch mit den Propheten gcs})rochen. Die Sprache der höllischen Geister ciidlich beruht nach Swedenborg auf demselben Prinzip des unmittelbarsten Gefühlsausdrucks: da aber diese Gefühle und Vorstellungen hier natürlich unrein und böse sind, so ist den Engeln die höllische Hede „wie ein übler Geruch, der die Nase beleidigt'' 245, S. 191).

Diese Mitteilungen aus den Offenbarungen des berühmten (-Jeistersehers müssen uns hier genügen, und bei aller Phan- tasie heben sie sich sehr angenehm von vielen anderen Ent- hüllungen geringerer Medien ab. die liier nicht weiter be- handelt zu werden brauchen. Ein einziges in der deutschen Literatur berühmtes Beispiel muß uns alle die anderen er- setzen: ich meine die Seherin von Prevorst, deren Biographie wir JusTiNus Kekner verdanken. Zweimal wird hier auch von der „inneren" Sprache gehandelt i): ,.In ihrem halbwachen Zustand sprach Frau H.. wie schon erwähnt, öfter eine Sprache, die einer orientalischen Sprache ähnlich zu sein schien. Sie sagte im Halbschlaf -wachen Zustand, diese Sprache liege von Natur in ihr, und es sei eine Sprache ähnlich der, die zur Zeit Jakobs gesprochen worden sei; in jedem Menschen liege eine ähnliche Sprache ... Sie konnte sie nur im halbwachen Zustand sprechen und schreiben, im wachen wußte sie von dieser Sprache durchaus nichts. Auch nur während sie schrieb, wußte sie die Bedeutung der Worte, blieb sich aber in der Schreibung immer völlig konsequent." Als Beispiel wird an- geführt: Emelachan „Dein Geist ist ruhig und stille, deine Seele ist zart, dein Fleisch und Blut ist stark, leicht brausen die beiden, wie die Wellen im Meer, dann spricht das Zarte in dir: komm und beruhige dich!"

') Bd. II, 208 und 229 von Keüneks sämtlichen Werken, Ausgabe

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„Spraclikeiiner fanden in dieser Sprache auch wirklich hier und da den koptischen, arabisclien und hebräischen ähnliche Worte. Das Wort Ehchaddai. das sie öfter für Gott ge- brauchte, heißt im Hebräischen „der Selbstgenügsame" oder „Allmächtige". Das Wort dalmachan scheint arabisch zu sein. Die Redensart bianacliU, die sie allein für ihren Lebensring noch auszusprechen wußte, und auf dem Sohnesring mit widrigem Gefühl übersetzte, heißt nach dem Hebräischen: „ich bin im seufzen"."

In modern theosophischen Kreisen spielt die Sprache der Marsbewohner eine große Rolle, von der verschiedene Medien näheres berichtet haben. *) Auch Maeterlinck hat in seinem geistvollen Buche „Vom Tode" manches Hierhergehörige ge- streift 2): wir haben für unser Problem keine Veranlassung, mit diesen theosophischen Geheimnissen uns hier weiter zu beschäftigen, die uns nur um der Frage selbst wollen von Interesse sind. Dagegen kann ich mir nicht versagen, unsere Übersicht über die Ansichten und Lehren von übernatürlichen Sprachen mit den Worten abzuschließen, mit denen Immek- MANN in seinem „Münchhausen" die innere Sprache der Seherin von Prevorst verspottet hat; denn dieses „Sanskrit von Pre- vorst, die Ursprache der Menschheit, die sie in ihrer Ver- zückung gefunden", gehört doch nun einmal unserer deutschen Literatur an 3): „Als war in den Hof kamen, hörten wir den Knecht zur Magd sagen: .Schnuckli huc/cli ko remis i qaitsch, dendrosto gerialta bnuy, firdeisimi mimfeistraijon haiih lauk schnapropäy (^ ' Die Magd versetzte: ,Fressaun dum sclüiwj- laufsheest, pimple, timple, simple, feriauke, meriankemau.' "

1) Vgl. FbouKNOY, Des Indes ä la plaiiete Mars, Gleiif 11»Ü0, und iui Arch. de psychol. I, Genf 1902.

■^) 8. 133, Fußn. 8; auch 8.4-4 v' Automat. Sprache" in den Sitzungen mit Mrs. Wribut).

") II. Teil, 4. Buch: l.>ic Poltergeister von Weinsberg.

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4.

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laben wir im Vürausgehendeii uns im allgemeinen über das Wesen der Götter- und Geistersprache und über die Gründe zu dieser weitverbreiteten Vorstellung klarzuwerden versucht, so ergibt sich nun für uns die besondere Aufgabe, die Worte der Götter- und Geistersprache einmal vom Stand- punkt der Sprachwissenschaft aus zu betrachten. Wie entstehen so lautet unsere neugierige Frage , wie ent- stehen solche Worte, solche Sprachen, die nach so be- stimmten Angaben nicht von dieser Welt sein sollen? Nach welchen Gesichtspunkten lassen sie sich beurteilen und ein- teilen y

Zunächst haben wir da natürlich bloße Geräusche und unartikulierte Töne sowie die mächtigen Stimmen der Natur selbst auszuschalten, obwohl man auch in ihnen die Sprache der Götter nach unserer obigen Einführung gesehen hat. ') Namentlich das Grollen des Donners hat man als Geister- sprache aufgefaßt, bzw. umgekehrt wird berichtet, daß Gott odei' ein Geist im Donner oder mit „Donnerstimme" spricht. Schon Klopstock singt in der „Frühlingsfeier" :

Höret ihr koch in der Wolke den Bonner des Herrn? Er ruft: Jehovu! Jehova!

Ähnlich gebraucht derselbe Dichter an einer anderen Stelle dies Bild 2):

War sie, die Donnerstimme, nicht eisern, mit der er uns

äurief?

Im „Messias" ist oft von dem Donner als der zürnenden Stimme Jehovas die Rede, oder er kündet doch Gottes Reden an, z. B. I, 364 :

1) Siebe Schwartz, Die poet. Natuiaiischauungeu d. Griechen, Römer 11. Deutschen, Berlin 1879, II, 137 und unten den .Schlußabschnitt.

'^) Nur im Totenreich ist alles still und schweigend, die Toten können nicht sprechen, wenigstens so lange sie in ihrem besonderen Reich, dem „Haus des Schweigens*' weilen, s. Hertz, Spielmannsbuch '666. Vgl. dazu .Jes. 38, 18. Auch die Salamander und „Feuerleut" haben keine Sprache. S(.'HiNi>i.BU, .\bergiaube d. Mittelalters 15,

Donnerwetter

Stiegen siim wartenden langsam das AUerheiUgste nieder. Aber noch redete Gott nicht. Die heiligen Donnerwetter Waren Vcrhiindiger nur der nahenden göttlichen Antwort.

Vgl. XIII, 999f.: Der Donnerton, mit dem er ruft, IX, 71^2: so sprechen Donner und so noch oft.

In Bürgers „Wildem Jäger" heißt es:

Hoch über seinem Hawpt herab Rief furchtbar mit Gewittergrimme Dies Urteil eine Donnerstimme.

Nach nordischer Mythologie ist im Donnergrollen das Rufen Thors zu sehen;') in Volkssagen deutet man den Donner als Waidmannsruf des wilden Jägers, in christlichen Sagen, z. B. solchen aus Schwaben, gilt er als Schelten Gottes: Der Himmels- ratterle balgt, der Himmeldattel greint, sagt man wohl. -) Daß ein Gott oder Geist mit Donnerstimme einen Sterblichen an- poltert, ließe sich leicht aus verschiedensten Literaturen belegen. Wir begnügen uns hier mit einer bezeichnenden Stelle aus der Apokalypse"): „Und hörete eine Stimme vom Himmel, als eines großen AVassers und wie eine Stimme eines großen Donners {ffovtjr ly. xov ovQicror . . . (öc (foDjV i^QovTf/i; laytVj/c). Daß Geisterstimmen im Sausen des Sturm.es, im Rauschen der Zweige usw. gehört werden, bedarf keiner weiteren Belege.

Nur gestreift kann hier die Vögelsprache werden, die aber in geAvissem Sinne gleichfalls als eine Geisterrede an- geschaut worden ist. Man denke nur an den nordischen Sigurd, der nach dem Genuß des dampfenden Drachenbluts gleichsam selbst Tier geworden ist und nun die Stimmen der Meisen versteht, die gleich dem Schicksal selbst sein Tun und Handeln beeinflussen, *) man denke an den weitverbreiteten Märchentypus vom Mann, der die Tiersprache kennt, worüber schon Benfey gehandelt hat.'') Man mag Stellen wie Aristoph. ran. 93 heranziehen :

') Mannharjj'I', Gierm. Myth. W), Pott, Zt. f. Volkerps. 3, 1865, 344. ■^) Mbibr, Sagen aus Schwabeii, 1852, I '251» nach Schwartz a. a. 0. ») 14, 2. *) Fafn. 81 ff.

^) Kl. Schrift. III, 23; vgl. weiter Aarne, Der tierspracbk. üMaini, 1!»14, Ztschr. f. Volksk., 1914, 23,330 und Läufer, Keleti SzQmle, 1901, II, 45 ff.

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L-^iffv).'Mih^ T((vt' Iot'} xa) OTvjffx'/ffara, '/f XiiSovotr i/oröfia, )j'tihjT<d Ti'yrtjC.

Die Seherin Kassaudia wird in Aischylos' Agameiiin. 1145 eine Nachtigall genannt, der Chor vergleicht nämlich das ihm nnverständliche ekstatische Reden der Prüi»lietin mit einer wohlklingenden Vogelstimme :

oUl tu; ^(n{)('( . . . "Itvv "Irrr ötÜ'ovo' d{{(f li^^ahl -/Ar/jtic

Vom „Schwalbenzwitschern" der Seherinnen ist oft bei Lyko- PHRON die Kede, z. B. Alexandra v, 5 ff. :

. . . or yä{t i'jOvyoc x «)(>// tXrOi: XVf/OfJföv, ojc ji(>ii\ alöXov uröiif. ' ilXX' (lojrfToi' ytciOa .vaif/dyFj ßof/v, <S((ffrtiff(cyroi' fpotiiaZiv Ix Xaiifrör ojxa, JE(fiyyoc y.tXau'FjC y/'/QW txf(fifoi\ni)'t/.

In V. Hoi-ziNGERS Übersetzung:

„. . . Denn nicht Avie sonst, entrang in Ruhe sich der Spruch der Maid Orakelmund; ein ungeheuerlich Gemisch verworr'nen Schalls entsandte sie der Kehle lorbeerduft'gem Spalt und .sprach prophetisch mit dem Ton der grausen Sphinx."

Ähnlich heißt es am Ende von Kassandras Prophetie v. 1461):

orr xay.ot dt Tic . . . TijV (foti-löXtjjTToi' idv'cijii ytXiööric

„im Unglück wird mancher die zukunt'tskundige Schwalbe ehren.". Aischylos gebraucht yiXidoriCur im Sinn von ßciQ- ßaQiCtir.^) Die Vogelsprache wird auch bei Vergil, Aen. 111,361 genannt, wo der vates so angerufen wird 2):

•) Fragin. 450 N, s. v. Holzingkk mx v. 1460, S. 38(). Vgl. dazu HerODüT 11,57: Tif/.itcrftc (k- fxoi i^oxiovoi xk>i'&>/itci nfjoc .Uoöwvukor hKi tovdt «i yvt'dlxic, <^iOT( ßä(}ß(X(joi i'/oc.v, bAoxtov f>;' 0(f i ofioUoc OQVim *p{^^yykoD-ui.

*) Siehe dazu E. Ffkikkk, .Studien zum antiken 8tenis'laul)oii, lülC. (= iioix.s Stüicljeia II), 67.

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Troiugena, interpres dlvom, qui numlna Phoebi,

qui tripodas, Clurü laurus, qui sidera sentis

et volucrum lirujuas et praepetis omina pinnae.

Ähnlich X, 177 :

. . . caeli etil sidera parent et linyime üolucnim . . .

Auch an die Worte des Vog'elchors bei Aristophanes, av. 716 darf man erinnern:

lO(nr d' viüv 'Am^ojv, JiM/oi, Aojdf/r/j, (poißoc. [ijfolh'iv.

FjrdüsT redet gelegentlich davon, daß die Nachtigall ini Rosengarten Pahlav'i, d. h. älteres Persisch spreche ') :

Steh' auf am Morien, Mick' auf und dicht', Hör', wie die Naclitigall altpersisch spricJitl

Diese Stelle hat offenbar Platen nachgeahmt, wenn er in seiner 24. Gasele singt ''■) :

Die Nachtigall, die Parsi singet, geirannst du lieh, Sie singt ja mit verwandter Kehle dem Vaterland.

Nach dem Bundeh. 19, 1(5 sprechen die seligen Bewohner von Yinias Paradies (var) die Sprache der Vögel, weil der Vogel Karsiptar dorthin Zarathustras Lehre gebracht hatte.

Daß man auch die eherne Zunge der Glocken als Geister- oder Engels spräche deutet, mag hier gleichfalls erwähnt sein; 3) die Totenglocke ist dabei besonders wichtig.

Wenn nun aber Götter oder Geister in menschlicher Sprache reden, wie sie tun müssen, wenn sie einem gewöhn- lichen Sterblichen etwas verkünden wollen, scheint man ihnen doch gelegentlich eine besondere Aussprache zugeschrieben zu haben. Wenigstens erkennt Aeneas seine göttliche Mutter.

') V. Hammer, Die scLüneu Redekünste Persieus, 1H18, 25.

'^) Gesammelte Werke bei Cotta II, 13.

'*) über Glockensprache vgi. Ztscbr. f. Vulkskunde, 1!)05, lä, Ö-42,, wo weitere Literatur. Das Klingen einer . Glocke .•spielte bei Muhammeds Visionen eine wesentliche Eolle. s. Nöldbke. Gesch. d. Korans, 1860, J61'. Über Sprache der Schiffe, aisl. skipainäl, vgl. Liebrkcht, Zur Volks- kunde, 187'J, 3651'., Lehmann -FiLHES, Island. Volkss., N.F., J891, 45. ^lan denke nur an die .sprechende J/v/o.

59

obwohl diese in der Gestalt eiuer einfachen .Tägerin sich ihm zeigt, an der göttlichen Stimme ') :

0 quam te niemoreni, rirf/o'^ numque huad tibi roltus mortalis, nee rox hominem sonat; o dea certe . . .

Offenbar kann es sich nur um den süßen Wohllaut der Stimme und Aussprache handeln, wie etwa die Musen auch ,. lilien- stimmig"-) genannt werden. Sprachlich gehört vielleicht hierhei-, daß o//r/>/y, das mit unserem singen, got. siggican usw. etymo- logisch nahe verwandt ist. bei Homer nur von göttlichen Offenbarungen gebraucht wird: daher wird Zti-g jrarnifqido^ (-) 250 genannt. Man mag sich allerdings bei diesen Worten auch an das singende Gemurmel von Zaubersprüchen erinnern, für das wir bereits oben S. 38 sprachliche Belege gegeben haben.

Dem Märchen nach zu schließen, gleicht die Stimme der Zwerge dem Piepsen von Mäusen, die Stimme der Riesen aber ist ein furchtbares Gebrüll.^)

Was die Sätze der Geistersprache betrifft, so möge eine höchst seltsame Erscheinung genannt sein, die uns in islän- dischen Sagen zunächst entgegentritt: das letzte Wort eines jeden Satzes wird wiederholt. Eine Dienstmagd hatte ein Kind ausgesetzt, dessen Seele nun umging: ein sog. iHburpr. Als die Magd einst zu einem Essen eingeladen war, klagt sie beim Melken im Stall den anderen Frauen, sie habe kein richtiges Kleid für diese Festlichkeit anzuziehen. „Da ertönt von der A\^and her eine Stimme und ruft:

möpir min i kct, kvl, hüiddd eklä pci, Jjvl ; eg skal IJa Jjer duluna mina iip dansa i,

') I, 328. Damit vgl. man, wie in Klopstocks Me^ssias Selima Gott Vater zuerst aubetend anredet, V, 110 ff. :

0 Du, den ich er blicke, mit icelchettt Namen, u Krster, Ach, mit tvelchem wimligeu Nauien, mit ivekher Entzückutuj, Neun' ich Dich, dru mein Auge nun ach zum emteninal anschaut? Gott! Jehovu! lUchler der Welt! mein Schöpfer! mein Vater! Oder hörnt Du Dich Heber den UnauHsprechUchen nennen?

') Hesiod, Theog. 41 : onl /.ttftluiooa.

■'■} V. Negkt.rin, (-fennan. Mytliol.', 1906, 22 f.

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„meine Mutter im Scliafpferche, Scliafpferche, fürchte du nicht darum, darum; ich will dir mein Laken leihen, um darin zu tanzen". In einer isländischen Fassung der Leonorensage wird von einem Burschen erzählt, der am Christabend, wie verabredet, seine Liebste Namens (Tul^riin abholen wollte, um den Gottesdienst zu besuchen. Als er über einen angeschwol- lenen Bach setzen wollte, scheute das Pferd vor den Eis- schollen, sinkt in den Pluten unter, und der Reiter wird von scharfen Eisschollen, die ihm «ine klaffende Wunde am Hinter- kopfe beibringen, getötet. Lange hatte das Mädchen ver- gebens auf ihn gewartet. Endlich spät in der Nacht kommt der Reiter, hebt sie schweigend hinter sich aufs Pfeid und reitet nach der Kirche zu. Unterwegs schaut er sich um und spricht :

Mdninn Upr,

daupinn ri])r:

ser ]nl ekki hvHan blett i hnakka minum'^ Garnn, Ganln!

„Der Mond gleitet, der Tod reitet, siehst du nicht den weißen Flecken an meinem Nacken? Garun, Garun!"' Dem Mädchen graut es, aber sie reiten fort, bis sie vor einem offenen Grab am Friedliof bei der Kirche halt machen. Da si»richt der Tote :

hiddii herna, Ganln, Gardn,

mepan eg fli/t hami Faxa, Faxa,

(lustr yfir (jarpa, garjm.

Warte du liier, Garun. Garun. bis ich den Faxi, Faxi ') ost- wärts bringe über den Zaun. Zaun." Da das Grab am Ein- gang des Friedhofs lag. wo im Norden häufig die Glocken hängen, gelang es dem entsetzten Mädchen noch nach dem Glockenseil zu greifen, ehe es zusammenstürzte: vor dem Klang der geweihten Glocke flüchtete das Gespenst, und das Mädchen war gerettet.'-) Besonders interessant ist hier auch die Verdrehung des Namens Gujnnn zu Gardn, weil ein Ge-

') Der Name des Pl'erds („der Mähiiige" .

') Die beiden .Sagen nach Konrad Maiirkk, Island. Volkssagen d. Gegenwart, 18H0, S. 59 n. 7:5 1.

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spenst (isl. draugr) den Namen (röttes niclit ansspreclien kann (aisl. Gu]> = „Gott"). 1)

Wie soll man sich diese seltsame Tatsache eikläien? ^\'em\ ich eine Vermutung äußern darf, so glaube ich auf die gerade im Norden verbreitete Ansicht hinweisen zu sollen, daß das p]cho als Sprache der Zwerge gilt; in der Henau}»« saga ok Bosa c. 12 (FAS III. 222) und in färöischen Liedern ist dies bezeugt, und heute heißt das Echo im Isländischen (Irerymdl „Zwergsprache". Hierher gehört wohl auch slov. ntali/i, maJic, das nicht nur „Kobold, Teufel", sondern auch „Echo" bedeutet: dieses wird also als Dämonensprache auf- gefaßt.'-) Das Wiederklingen der Rede im P^cho kann sich die Yolksphantasie nur so erklären, daß ein Geist die Antwoi't gibt, wie etwa in G. Hauptmanns ,. Versunkener Glocke" der Waldschratt die Leute irreführt. 3) Man denke nur an den römischen Faimuft, Picus oder Süranus. deren Stimme man im Walde aus dem Dickicht zu vernehmen wähnte;^) nach LucREz (IV. 579 ff.) war es das Echo, das Anlaß zu diesem Volksglauben gab:

Sechsmal, siebenmal auch, hah oft au den Orten ein Wort ich Wider rufen gehört; so warf ein Hügel dem andern Widerhallend es su, um wieder xuriick es zu bringen. Solche Gegenden träumt nun der nahetvohnende Landmann Von den Nymphen bewohnt und den siegenfüßigen Satyrn, Faunen, sagen sie, sind's, die stören mit nevJcischer Kur.in:eil Fnd mit schälerndem Lärm die närhtlirh sch/veigende Huhe.

Diese Ansicht scheint auch sonst zu herrschen: wenigstens lieißt das Echo in der Geheim- oder Gaunersprache bass koll „Himmelsstimme" aus hehv. bath bil „Tochterstimme". ^)

') lu einer däniscbeu Volksweise von 'Venil Fruva" wagt ähnlicli eine Riesin nicht das Wort ,.Kirche" auszusprechen und umsehreibt es mit verpi pua vigde vollen; s. K.Smith, Maal og Minne, 191S, 9.

■') Siehe zu dem Wort Bkücknkk. KZ :5.S, t2ir)f.

^) I. Akt, 4. Szene: „Zu Hülfe!"

*) Weitere zahlreiche Belege bei Otto, RE-^ 1919, VI, 2058.

'■') E. BiscHOPF, Wörterbuch der wichtigsten Geheim- und lieruls- sprachen, 7. Diese bulk kol ist den 'l'alnmdisten die niedrigste Form der Oftenbaruiig. s. Pinnek, Talmud Babli 2;5, Sr(»LL, Suggestii)u u. Hypno- lisnius in di-r X'iilkrrpsvi-lioldyie, 1.S94, y.'J.

62

Die einzelnen Worte, die einer Geisterspraclie zugeschrieben werden, sind nun keineswegs alle des gleichen Ursprungs. Wir müssen zunächst zwei große Abteilungen unterscheiden:

a) Willkürliche oder unwillkürliche Augenblicks- bildungen und

b) Wörter aus tatsächlich vorhandenen Menschen- sprachen, die aus näher zu untersuchenden Gründen als Ausdrücke einer G-eistersprache ausgegeben werden.

Es braucht nicht betont zu werden, daß für uns die zweite Gruppe (b) Aveitaus das größte Intei-esse beansprucht und uns hier vor allem zu beschäftigen hat. Jene erste Abteilung kann für den Sprachforscher nur als Beispiel für „Urschöpfungen" in Betracht kommen ; in der Hauptsache aber handelt es sich um phantastische Gebilde, die ja unverständlich sein sollen, soweit es überhaupt nicht bloß sinnlose, unartikulierte Schreie und Ausdrucksbewegungen, vom bewußten Willen ganz un- abhängige Lallmonologe der Sprachwerkzeuge sind. In der Sprache und bei neuen AVortschöpfungen von Geisteskranken finden sich die nächstliegendsten Parallelen für diese künst- lichen mystischen Worte. ') Wenn Geisteskranke nicht schnell für einen Eindruck ein passendes Wort haben, bilden sie sich häufig ein neues, z. B. Wuffa.'i für Tauben. 2) Vor allem aber ist oft beobachtet worden und das gehört hauptsäch- lich hierher , daß bei akuten Psychosen ohne Absicht des Kranken neue Wörter oder neue Wortbedeutungen entstehen, worüber die Kranken nach Eintritt des ruhigen Gemüts- zustands sich selbst wundern und Jedenfalls keine Erklärung wissen. Die Arten, wie diese Wortneubildungen Geisteskranker entstehen, sind etwa folgende''): 1. Absichtliche und bewußte Neubildungen künstlicher Art. 2. Unwillkürliche Wortneu- bildungen, die in akuten Phasen der Krankheit entstanden waren, werden dauernd beibehalten, o. Subjektive halluzina-

') Vgl. Liebmann u. Edki., Die Sprache der Geisteskranken, 190P): Strausky, Über Sprachverwirrtbeit, 1905, Pfersdorff, Zentralbl. f. Nerven- beilknnde, 1908, nnd vor allem die guten Bemerkungen bei .Tasi'Rk.s, All- gemeine Psychopathologie^', 1920, S. 137 l'f.

••«) FoRKL, Arcliiv f. Psychiatrie, 'M, 974.

■■ Nach (Irni Eiiiteiluiigsversucli lici .Iasimors. a.a.O. I-J:il'.

63

torische Eindrücke formen sicli zn den Kranken selbst nn- klaren Wortgebilden. i. Artikulierte Lautg-ebilde ohne jeden Sinn. „Höchst mannigfaltig' sind die Erscheinungen der moto- rischen Erregung- im Sprachapparat, die man Rede drang- nennt. Die Kranken sprechen, ohne daß uns dies aus Affekten verständlich wäre, ohne den Zweck der Verständigung- und der Mitteilung, sinnlos alles mögliche vor sich hin. Unauf- hörlich den ganzen Tag. ja Tage und Wochen lang geht ihr Redefluß . . ." i) Solche Gesichtspunkte kommen auch für unseren besonderen Fall, den als Wörtern einer Götter- oder Geistersprache ausgegebenen Lautgebilden, für die Erklärung vor allem in Betracht, soweit es sich eben um unwillkürliche Äußerungen anormaler Individuen handelt.

Im einzelnen muß es uns genügen, folgende Andeutungen über das Entstehen von Geisterworten unserer ersten Gruppe (a) hier zu geben.

1. Bei den sinnlosen Klangformen, Ausrufen und onomato- poetischen Gebilden handelt es sich also einfach um eine Aus- drucksbewegung infolge einer sehr starken Gefühlseinwirkung oder abnormer psychischer Verfassung, um Äußerungen der Sprachorgane, die zum größten Teil ohne deutliches Bewußt- sein des Sprechenden oder Schreienden in seinem anormalen Zustand der Verzückung. Hysterie oder Besessenheit unab- hängig von seinem AMllen vor sich gehen. Indem solche ein- zelnen Rufe von anderen Menschen, die einen Verzückten beobachten, aufgenommen oder diesem selbst deutli('li bewußt werden, können feststehende Formeln erwachsen, wie etwa das Lvdr, i-ri'.r, iroi, lat. euhan, enan. eiiJ/oe der Bakchantinnen (s. 0. S. 32). Für den Sprachforscher interessant ist es nun aber, daß aus den so gelegentlich entstandenen Sprach „wurzeln" wirkliche Wörter abgeleitet werden können, wie das Parti- zipium evt'cZojv, lat. eu(h)ans „euhan rufend*', i-rul^, lat. enhias „die Bakchantin", Erafißtrc. Ja geradezu Götternamen können in dieser Weise gelegentlich entstehen, wie des Dionysos Bei- name Erioü, \'A,i. Eidimfi.-) oder wie "laxyo^ nach dem Vorbild

') Jaspers, a. a. 0. 1-tl.

^) S. dazu f\. M.Meyer, Wörter u. Sadieii 1,63; A. Nehkinö, Mitteil. <1. Scliles. (ies. f. VulksliUiKle IS. li)l(j. 2."..

von ßäy.xoc (zu ßaßd^tir), mit dem es reimt, zu ur/oj, ucx///, iax'/ic), lay.ydi^c) gebildet ist. 0 Aber diese Wörter scheinen ihrerseits auch mit Ausrufen Avie lai, «Icci, uc usw. eugstens zusammeng-estellt werden zu müssen, vgl. täCc», idX&iiOL:, jon. u'j'Äiriio^, (df'.Coj, wie tvdCo) gebildet; davon kann wieder utf^ßoc nicht getrennt werden, das mit {iQlai/ßog, öiffvQa^/ßoc, h^t\ußoc, '^'svuftßoi: in Era^ißtvc reimt. Vom Refrain (äXiror. cäXiror des Threnos scheint sich die Gottheit Aivoc entwickelt zu haben, wie die estnische Gottheit lAgo aus dem Kehrreim der Sonnwendlieder %o, ligo (zu ligot „sich schaukeln") entstan- den ist.-) Eine andere solche Wortsippe ist griech. dXolvyij. oXoXv^co, sXtXi^oj, d/.aXdCfo, die kürzlich C. Theander, Eranos XV, 99 ff. mit Erfolg und Scharfsinn behandelt hat. Die Inter- jektion liegt in Ihitv, tXihr (z.B. Aisch. Prometh. 877) vor; mit Recht führt Theander den Gigantennamen Wjvy.rojQ auf *'OÄoXrxTO)Q zurück (a.a.O. 123).=*) Ein Aveiterer Beiname des Dionysos ist ^^^ußdCioc, das man sicher auf den kultischen Ausruf oaßoi , aaßt-i zurückzuführen hat. Ahnlich ist Üauör als Beiname Apolls aufgrund des iij-ran/or entstanden, Hom. Hymn. an Apollo Pyth. 11,94, 322, 339;") vgl. auch ujii- Ilaidr, Ti]vi:lXa y.cOJÄvr/.', USW. So scheint die awestische Gottheit Sraosa- mit dem vedischen srausat nicht nur lautlich zu- sammenhängen, das ein heiliger Ausdruck des Kultus ist'"): astu srausat!, das Sayaiia mit sraoamm hharatal „Hören möge sein!'' glossiert, entspricht dem awestischen sraosö kSa astu „Hören möge sein!" Ys. 55, 1, und dem Sinne nach dem griech. hiiptiiiHTi , lat. favete Unguis! Aus einem Ausruf ist medius fidius zu einer Gottheit geworden, es wird als detis sanctus mala avertens glossiert, ß) Von den Interjektionen di oi, oluoi stammen olinöZft, olinfr/ij, iuiior/im usw. So wird UV// und

') Verf. Reimwortl)il(lunge)i, 1!)14, S. 220, §344.

■■*) Nbhring, a. a. 0.

*) Ol) freilieb auch ^(».vftniK oder gar 'OÄvoot-ic; hierhergehört, ist mir (loch l'raglicli g-ebliebeu.

♦) Vgl. über den Gott Paian vor allem L. Peubner, libergs Nene -labrb. 22, 1919, 400f. In diesem schönen Vortrag findet man iuidi gute Bemerkungen über ü/.a/.r. „Schlachtruf-', ^/^A^f; (S. 3S7).

'') Siehe Spibuel, Eran. Altertumskunde II, lS7o, 9(1.

'^) liOKWK, I'rtidnnnus :i79.

C5

Ach bei uns ja ebenfalls substantiviert, und Ableitungen wie ächten fanden sich ein ; ähnlich im Griechischen cuXtvog „Klage- gesang" oder itüt(ioc. Von den eigentlichen voces mysticae ge- hören Formen hierher wie arlala'w.r/aia (78), ') tcüjm/m., L'U.aXa, oarra'j.cÜM (B02). ih'/J.avi (807), ahxQay.o). , •^a).aXay, ay/.a/.ay (338) usw.

2. Eine andere recht zahlreiche Gruppe mystischer Worte, Geheimnamen u. dgl. will aber dunkel sein: diese unter- scheiden sich also von den Gefühlsäußerungen der vorigen Ab- teilung deutlich, weil man in möglichst phantastischer Weise fremdklingende Worte schaffen will. Die meisten voces my- sticae -der Papyri scheinen mir hierher zu gehören. An Namen und Sätzen, wie lafo^iacf^Q'cVh^ioxn'oOÜMQixiJUfi aivtai (fiQxt- [tah ii^ovvoiii-viQqa^O) t^ac/cay ffVioyjiQ ffiyQOffVVQO (potymßoy ia{ißada. '/Qnii^iiitf ifiaco yf-rij iitoj, um eine ganz beliebige Stelle aus Wessklys Sammlungen (Nr. 331) herauszugreifen, dürfte ein Indogermanist sich vergebens die Zähne ausbeißen, wollte er ernstliche etymologische Versuche anstellen. 2) Eher möchte wohl ein Kenner der ägyptischen und semitischen Sprachen ferne Anklänge hier und dort feststellen. Aber in der Haupt- sache sind dies künstliche und spielerische Lautgebilde, deren fremdartiges Aussehen gerade beabsichtigt war. Im einzelnen erkennt man gelegentlich die Wege, die zur Bildung eines solchen Wortungeheuers führten. Buchstabenmystik. Vokalspiele und Bildung von Palindromen sind häufig festzustellen, z. B. laoi'.i (101) mit der symmetrischen Anordnung, verdreifacht t'.aa fj//ti o)«><') tu luac oexo (125, 207), durcheinandergestellt (20), in allen möglichen Permntationen zusammengekettet und durch Konsonanten getrennt. Sodann spielen sinnlose Silbenpermu- lationen eine große Rolle, wie z.B. (fo(tiJoQCfOQßoQßoQO(f{S0), ojy-iiuQ-iiu.-yo) (294), yj'>{jf^yßi><'-yj'>'y (297), <cßQfoy : ßQcuoy (306), ßaüaai^aßa (287), wobei der Sprachforscher sogar dissimila- torische Bestrebungen erkennt, z. B. ßfhßaXi (148) gegen ßi-{f-

') Die Nuiumeru beziehen sich auf Wesselys Sammlung. '-) Vgl übrigens dazu A. Dibterich, Mithraslithurgie- 36 ft'., auch G. Schmidt, Gnostische Schriften in koptischer Sprache, Texte u. Uuter.s. VIII, 1.2, 146 ff. Weitere xovnxa ovöucxc. findet mau im Papyr. Paris v!l609, s. Denkschr. (l.Wien.K. Akad. d. Wis.s., Bd. XXXVI, 1888 u. :J^LII. 1893, V. 5G9.

Güntert, Sprache dor Götter und (ieister. 5

66

ßaXi (149) usw., und spielerische Ablautkläuge, ^) wie ßa^tßtQßig (445), ^aoxhV.ii.io.O'ü^V.fo (244), ßaQßüQUi). : ßaQßaQcajX (94), lat. butubatta (4:4:8) ; Reimformen sind mir besonders aufgefallen: jcaayjiia/ (431), roviiilXov : ßioijßiXXor (3), i?jcovy : oßQUjlovy (9), oei./KjtiÄai< : ejitoiXcifj (IS), (fory-Qo-ßtoy {^2) , adßovir: la^oviv (75), d^a&aßa&ad : ßaß-agißafh (93), a&{>aßadß^a (96), ov(ji//X : oovQirjA (113) : HorQitjÄ (114); iqq(ü(1 : lOrQXitj). (114). afjaQU-yciQaQa (121), aajjj/cof) : öaQßaoO : Taßaojf^ (163), /«w«9 : öaßao)& : agßadiatod (196), Koof/f) : K'ttQßtji) (233), i/rijx-ovoiQi : (fihjX-ovGiQi (289), öCiQa-qaQd (300), yaXxovn : y/cQ/QOcii ("^20), (fcoy-(oßoy (331) , thnroß : räh/.oß (535) u. dgl. m. Reimende Formeln begegnen ja auch sonst häufig, worüber ich an anderer Stelle bereits gehandelt habe. 2) Hierher g-ehörten vor allem Catos Zauberformeln daries : dardaries : ((Sfataries und ista : pista : sista (Nr. 447) oder die athenische Brunneninschrift : vs : xvf- : vjrtQxn, die altindisclien Zauberworte c/iindJu : bhindhl usw. Dem bekannten Ahracadahra des Mittelalters (Seremis Sammonicus) läßt sich das griechische Zauberwort ltcu'ff)dß()(i (241) vergleichen. Andere mittelalterliche Formeln lauten Ami : reli-.beli und Iku- -.wax -.imx.^) Auch beim Zungenreden spielt die Reimassoziation die größte Rolle. '') So bemerkt der Pastor Paul bei seinen Selbstbeobachtungen in der von ihm heraus- gegebenen Monatsschrift „Die Heiligung", Nov. 1907: „Ein jeder kann an diesen Worten selien, wie sich alles so merk- würdig reimt. Das Lied „Laßt mich gehen" war also in klangvollen Reimen übertragen worden." Auch bei dem Lied „Jesu, geh voran" habe die Übersetzung in der „neuen" Sprache mehr Reime als in dem deutschen Original. Es ist interessant, daß auch Immermann in seiner Parodie des ..Sans- krit von Prevorst" unbewußt in Reime verfällt.'')

') Originell ist das Ablautspiel der Vokale in eiueni türkischen Volks- märchen aus Stambul (bei Künos S. 69 und 231 ff.) verwandt : Dews, also Dämonen, beherrschen mit einem Zauberwort aus ihrer Sprache den Stein zu einer Höhle: sagen sie cmujd, so öffnet sich der Stein, auf den Befehl runfid aber schließt er sich wieder.

2) Reimwortbilduugeu S. 216, § ;{40.

') Schindler, Aberglauben des Mittelalters 261 u. oben S. 35.

*) Vgl. das obige Beispiel S. 30 f.

•') Siehe oben S. 54 luuiL. laiih; pimple, limplc, sinqjlf.

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Ebenso habe icli bereits früher die Ansicht vertreten, ij daß als eine Hauptquelle für die Entstehung' des Reimes und seine Verwendung in der Poesie die Zauberformel und der Zauberspruch, sowie magische Formeln anzusehen seien, und ich brauche also hier nicht weiter darauf zurückzukommen. 2) Audi wurde dort von mir bereits auf die vielen reimenden (iötternamen aufmerksam gemacht, wodurch die Macht des Gleichklangs in der sakralen Sprache gleichfalls bewiesen wird ; es seien beispielsweise hier nur erwähnt ^) : gr. 2iqiYytc :

') Über Reimwortbilduugeu im Arischen und Altgriechischen. 1914, S. 216 ff., § 310 ff. 8. auch Bartels, Ztschr. d. Ver. f. Volksk. V, 1895, 37.

■■*) Goethes poetische Ansicht, daß die Liebe die beste und erste Lehr- nieisterin des zarten Reinispiels Avar, hat übrigens schon in einem durch RÜCKERTS Cbersetzimg bekannten persischen Gedicht ihre seltsame Ent- sprechung. Die Griechin Helena findet die reimende Rede des Lynkeus „seltsam und freundüch'' und bittet Faust um nähere t'nterweisuug :

..Ein Ton scheint sich dem andern zu bequemen, Und hat ein Wort zum Ohre sirJi gesellt. Ein andres liommt, dem ersten liebzukosen."

Faust meint, die Wechselrede locke das Reimspiel hervor: Helena: ^'o sage denn, ivie Sprech' ich auch so schön';' Faust: Das ist gar leicht: es muß vom Herzen gehn. Und ivenn die Brust von Sehnsucht überfließt. Man sieht sich um und fragt Helena : Wei- mitgenießf.

Faust: Nun schaut der Geist nicJit vorwärts, nicht zurück. Die Gegemcart ollein Helena: Ist unser Glück.

So lehrt die Harmonie der Empfindung auch den Einklang der Worte I Der persische Dichter erzählt so von der liebenden Sklavin Dileram, welche jedes AVort ihres Herrn, di^s Schahs Behram, gleich einem Im.-Iio nach- klingen ließ, genau wie die Eriii)findung in ihr widerhallte:

„Dileram!" So schloß er stets.

Und stets schloß sie: „Schah Behram !■•

Und so icar der Beim entblüht.

H7/' der Held zur Huld in kam.

Man gestatte diesen Nachtrag zu meinen „Reimwortbildungen" als einen poetischen Beleg zu der dort vertretenen Ansicht, daß gleiche Empfin- dungen ixnd Bedeutungen auch gern durch ähnliche Lautgebilde aus- gedrückt werden.

^) .Siehe Reimwortbildungen S. 219; Idg. Ablautprubleme S. 75, Fiilin. 1. wozu hier neue Ergänzungen treten.

5*

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^TQiyyeQ, Jafidri/Q : J\i//i(T>j{>, yiata : Fata, Miji'fj : ^th]vri, yisQOjrtj : 2^TtQ0jtt'j, Bäxx'^Q /'Jnxxo'i, \?ii. Mtitinus : Tutinus, Jovis: Vejovis, Carmenta : Larenfa, Äheona : Adeona, Pavor : Pallor, Picmnnus : Pilumnus. Anna : Peranna. aisl. Alfgdr : Valfgdr, die Riesenmädcheii Fenja und 3Ienja, die Walküren Hrist und Mist, die Zwerge Vitr und Litt, Döri und Ori, Skirfir und Virfir, Füi und Küi, Göinn und Moinn, Nainn und Präimt USW..1) die Hunde Htiska und Lnska, die awestischen Vögel Amru- und Camru- , die arabischen Engel Härnt und Märüt im Koran, 2) die liebräisclien Dämonen risake und Büsake'-^) und die ungarischen Zwerge PiUnko und Tilinko. <) Diese Belege dürften genügen, um die Reimbildung bei Götternamen zu beweisen. Zweifellos handelt es sich, namentlich bei den nordischen Namen, zum guten Teil um rein künstliche Ge- bilde, die erst der Reim erzeugt hat. Dies zeigt uns in lehr- reicher Weise ein volkstümlicher Andreas segen.-^) Will ein Mädchen seinen zukünftigen Mann sehen, so braucht es nur am Andreasabend Hafer und Lein in die vier Ecken seiner Kammer zu streuen und folgendes Sprüchlein zu murmeln:

Eas, Keas, Mein lieher Andreas, Ich sn\ ich säe Haherlein, Daß mir niein Nermllerliebsfer erschein' . . .

Die beiden ersten Namen sind nur Reimvariationen zum Namen des Heiligen.— Das Musterbeispiel eines Palindroms sei die rox mystica i^aLvymcoor/oHoor/riaß (173). Auch die Alliteration spielt gelegentlich eine Rolle, wie z. B. bei dem charakteristischen Wort jrejrf(>.7r(>^jn//jTfjTt (98), gebrochene Re- duplikationen wie im Gebilde Briklibrit in Gkimms Märchen usw. Auch dreimalige und noch öftere A¥iederholung der- selben Silbenreihen läßt sich oft beobachten. Wenn also der Sprachforscher auch sciion manche Kräfte wirken sieht, die beim Schaffen solcher grotesken Gebilde wirksam waren

') Siehe auch Grimm, Myth.* 375.

'■') Littmann, Festschrift f. Andreas, 1916, 70 ft'.

") ScHKFTELOWiTZ, Die altpers. Rel. u. d. Judent., 19'2ü, 60.

*) V. Wlisocki, Volksglaube u. relig. Brauch d. Mag^yaren. S. 33.

■') Vgl. ScHiNDLKK, Aberglaube 259.

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in der Haui)tsache wird er erkennen müssen, daß bei diesen höllischen Fratzen ein methodisches Forschen und Etymologi- sieren ganz unangebracht ist. Das gilt auch von den alt- indischen ooces mysiicae, wie hin und om,^) während vausat. rasat, vmd- (Sat. Br. 1,7, 2.21), scäha verständlicher sind: vasat ist Aorist von raJi-/^) sväha entstand aus sn-aha, (-««fZ; ist wohl aus rausut und ciük vermengt. In der Formel hin bhilr hhuvah srar om! Äsv. S. 1,2,3 sind Frajäimti^ drei Schöpfungsworte, die wir oben kennen lernten (S. 22, A. 2), von den beiden mystischen Worten hin und om eingefaßt. Während hin sprach- lich eine gewöhnliche Interjektion, so gut wie ai. hum, htm, hls, hudul; phat. hninmä usw. darstellt, dürften bei der Bildung von om wohl die Substantive ömäm. „günstig, helfend", omdm. „Gunst". omyu „Schutz" zu ürati „fördert, schützt" (= = lat. acere) eine Rolle gespielt haben. Es ist ein seltsam Spiel des Zufalls, daß die gleiche Silbe auch in den eleusinischen Mysterien beim Schluß des (rottesdienstes den Fortgehenden zugerufen wurde: xo/g o/f-.TtU. ■') Aber selbstverständlich ist die Ansicht, dieses o//- sei das indische om, unhaltbar, mahnen doch auch die sicher unverwandten Wörter liebr. amen und lat. ömen zur Vorsicht.

1) Über diese .Silbe um. die oft als vierlautig (lum und iiasaliscber Nachklang- aufgefaßt wird, findet man in den Upanisaden die abenteuer- lichsten Lehren. Es genüge hier eine kleine Stelle aus dem Isj-siiuha- Täpanlya Up. 2, 1. wo Prajäpati den Göttern das Wort om auslegt: ,,0)«, diese Silbe ist dieses All. Seine Erklärung ist: Das Gewesene, Seiende, Zukünftige, dies alles ist das Wort om. Und was noch anderes, über die drei Zeiten Hinausgehendes es gibt, auch das ist das Wort om : denn dies alles ist brähma (n.). ' A. Weber, Ind. Stud. 9, 12t). Oder a. a. 0. 1, 22: „Die erste mätrü des Wortes, das o, ist die Erde, die Luft ist der «-Laut, der Himmel der /»-Laut, die Halb-//«7^yö am Ende ist die Moudwelt" {a + u + in + nasal. Nachklang = om), A. Weber a. a. 0. 90; auch Ind. Stud. I, 255. Ähnlich soll in Ahrmadahm A = rf/> ..Vater", B = ?vi°;* ..Sohn" und R = ra^'h „Geist" bedeuten.

■^) Vgl. dazu EgCtKling, 8acr. Books of the East XII, 8«, Fußu. 2. A. Weber, Ind. Stud. 9, 18G5, 92, Fußn. 1.

*) Lobeck, Aglaopb. I, 775 ff., Dieterioh, Mithrasliturgie^ 216. xöyc und .1«^ sehen wegen des besieichueuden > bzw. ^ am Ende aus wie ono- matopoetische Lautgebilde des Tj^pus von nhd. Kribs, Krabs, Klaps, Bums, pardaate. lat. /^öx.' „basta" (s. o. S. 35) u. dgi. Dieselbe charakteristische Bildung auf c haben wir in dem ÄpoUohex des Leydner Papyrus (ägypt. hilf,- ..Sporl)cr". Urteil \\ ikukmann. Hclii;ion der ;>lteii .Xgypter, IH90, 145).

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jTf'ts erinnert auch an das mittelalterliche Jia^, max, pax, vgl. endlich den Ausruf nlid. FUx, Flux, Floria (z. B. in Zellers ,yogelhändler"). Für das Awesta begnüge ich mich, auf das „kabbalistische Gremengsel" ') an der Stelle Y 11,9 zu verweisen.

3. Als besonders wichtigen Faktor nennen wir die Zahlen- mystik und Onomantie: Da die Buchstaben im Griechischen und in den semitischen Sprachen auch Zahlen bedeuten, ist hier seit den Zeiten der Pj^thagoräer manches Geheimnis zu enträtseln gesucht worden. Der große Zaubergott 'Aßgaoac. ergibt die Zahl 365 {a = 1) + = 2) + (o = 100) -f = 1) + ( ö = 200) + (a =^ 1) + (s = 60). 2) In dem Namen des persischen Mithras entdeckte spätere Spekulation in der Schreibung MEJ- SPA^ die Zahl 365, und man deutete dies auf den Jahres- lauf des Sonnengottes. 3)

Namentlich in den Lehren der Kabbala spielt die Buch- stabenversetzung, Permutation, Wortbildung aus Anfangs- oder Endbuchstaben von Bibelsprüchen eine seltsam -phantastische Rolle. Um nur ein Beispiel zu nennen, so entsteht aus den ersten Worten der Genesis: „es werde Licht, und es ward Licht" : "IN iiT^i ^ix "in-i durch einfache Aneinanderreihung der Anfangsbuchstaben dieser vier Worte der neue Gottes- und Geheimname xix^ Java. Die 72 Gottesnamen des sog. Schem- hamphoras. des „geteilten Namens", entstehen in ähnlicher Weise aus drei Versen 4) mit 72 Buchstaben aus dem zweiten Buch Mosis. 5) Sprachwissenschaftlich ließen sich aus einer ganz anderen Welt die neuen Wortschöpfungen vergleichen, die durch Zusammenfügen von Anfangs silben oder -lauten fester Wortverbindungen gerade in unserer Zeit so beliebt sind, wie Äayrm>- Federhalter (= K.W. Comp.), i^« (= Inter-

1) Bartholomae, Air. Wli. 1171. Über ägyptische Zaubersprüche mit unklaren Worten, „die zum großen Teil sicher als geheime Namen des Gottes gedacht sind", vgl. A. Ekman, Ägypt. Eelig. 156.

-) Siehe Wkssely a. a. 0. 11, avo man R. 12 ein anderes schönes Bei- spiel findet {7it(}i.az(:rjü).

'■^) HiERONYMUS in Arnos e. 3 (Miunk, Patr. Lat. 25, 8p. 1018, ^2bl), s. dazu WiNDiscHMANN, Abhdl. f. d. R. d. Morgenlands I, 1859, 59 m. Fußn. 3.

*) 2. Mos. 14, V. 19, 20 u. 21.

'') Vgl. z. B. Schindler, Aberglaube des Mittelalters, Breslau 1858. S. i)f)f. Lehman -Petersen, Abergl. u. Zauberei, 1S98, 119 (m. Tabelle).

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nationale Luftschiffahrt-Ausstellung), r/fl,(=Union-Film- Aktien- gesellschaft). JlapiKj usw. Da ferner die hebräischen Buchstaben zugleich Zahlen wert haben, ein Wort also auch als Zahl ge- lesen werden kann, kam man auf den Gedanken. Wörter von gleichem Zahlenwert miteinander gleichzusetzen und zu ver- tauschen. Endlich gibt es sehr verwickelte Lehren von der Permutation, d. h. Buchstabenversetzung, wie z. B. die „Kabbala der neun Kammern", wodurch neue künstliche Gottes- oder Engelsnamen entstehen. Sprachwissenschaftlich haben alle diese spitzfindigen Methoden einer künstlichen Wortschaffung nach den kabbalistis-^hen Methoden der drei Grundarten Ge- matria, Notariqon und Tennira Aveiter kein Interesse und mußten hier nur des Prinzips wegen erwähnt Averden. •)

Hier möge auch die seltsame Ansicht von der Bildung des Namens Adam ihre Stelle finden, wie sie in einem im Mittelalter weitverbreiteten lateinischen Text, den M. Förster, Archiv f. Eeligionswissenschaft 11, 1908, 481 ff. behandelt hat, vertreten wird: c. IV. Cum factus fuit Adam et non erat nomen eins, vocavit dominus ({uattuor angelos suos et dixit eis: ,.ite, (luerite nomen istius hominis!" Angelus Michael (h)abiit in Oriente et vidit stellam. cuius nomen AnathoUnL et tulit inde A et adduxit ante dominum. Angelus Gabriel abiit in occidente et vidit stellam, cuius nomen erat Disscis, et tulit inde D et adduxit ante deum. Angelus Raphael abiit in aquilone et vidit stellam, cuius nomen erat Archtus, et tulit inde A et adduxit ante dominum. Angelus Uriel abiit in me- ridiano et vidit stellam. cuius nomen erat Mensehrion, et tulit inde M et adduxit ante dominum. Et dixit at Uriel dominus: „lege litteras!" et dixit Uriel: ADAM. Et dixit dominus: „sie vocabitur nomen eins!"

Mittelalterliche Mystiker werden nicht müde, in diesem Sinn die Geheimnisse eines Namens zu entschleiern. Es muß uns als Probe eine Stelle aus Jacob Böhmes Seraphinisch Blumengärtlein 1700, cap. 85. ölf) genügen, avo der Name

') Vgl. E. BiscHOKF, Die Kabbalah. Einführung- in die jüd. Mystik u. Geheimwissenschaft, 1908, und die Elemente der Kabbalah, 1515.

-=) Neudruck von A. v. d. Linden (in den Geheim. Wissenschaften Ib), 1918, S. 219. Wer solche schwindelerregende Phantastereien nur dem Mittelalter zutraut, der lese G. v. Ltsts „rrsj)ra('lie der Ario-Germanen u.

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Jesus so erklärt wird: „Der innerliche Verstand in den fünf Vocalibus ist dieser: I ist der Name lESUS. E ist der Name Engel. 0 ist die geformte Weisheit oder Lust des I. als des lESUS, und ist das Zentrum oder Herz GOTtes. V ist der Geist, als das SUS an dem lESUS, welcher aus der Lust ausgehet. A ist der Anfang und das Ende, als der Wille der ganzen Fassung, und ist der Vater."

Erwähnt werden mag als Gegenstück zu solcher Art von Namen Zerlegung die Art, wie in spiritistischen Sitzungen durch Klopflaute Sätze gebildet werden: „Derjenige, welcher Mitteilungen wünschte, zeigte der Keihe nach auf die Buch- staben eines gedruckten Alphabets. Klopflaute gaben dann die Buchstaben an, welche die Antwort bildeten. Auf diese Weise konnten Namen oder ganze Sätze schnell zusammen- buchstabiert werden." ')

4, Der Gefühlswert des reinen Klanges spielt bei den Geister- und Engels sprachen die größte Rolle. Kühne Wort- schöpfungen, die in Augenblicken dichterischer Begeisterung geboren waren, sind ja auch in der Literatur belegt. Um nur ein bekanntes Beispiel zu nennen: Dehmel schuf im „Trink- lied" so sein dagloni gleia ylühJala ; das erste Wort ist ein Beleg dafür, daß einem Dichter die gewöhnliche Sprache einfach nicht genügt und er rein gefühlsmäßig nicht nach irgend- welchen formalen oder grammatischen Vorbildern ein völlig neues begeisterungtrunkenes Wortgebilde prägt :

Singt mir das Lied com Tode, und vom Lehen, dagloni gleia glnldalu!

ihre Mysteriensprache" oder sein „üeheimuis der Ruueii'' oder E. Tibdes Ur- arische Gotteserkenutnis, 1917 nach, wo er z.B. belehrt wird, daß alle germanischen Pamenzeiehen in dem „achtflächigen Kristallsiegel", dem ,,Saphir" und ,,Stein der Weisen" enthalten sind (S. 133 ff.). Es ist lehr- j'eich, Kräfte auch in unserer „modernen" Zeit wieder am Werk zu sehen, die in früheren Tagen sich viel ungehemmter auswirken konnten.

') A. Lehmann, Abergl. u. Zauberei '-', 1898, 248f. Über Buchstaben- zauber vgl. im übrigen Dietbrich, Rhein. Mus. 5(3, 77 ff. == Kl. Schriften 202 ff.: BoLi., Sphaira 4t>9 ff. ; Moök in Hoops Realenc. IV, 580, Weber, Ind. Stud. 2, 315ff. Auch erinnere ich an die bekannte >iator «repo-Forme]. ^. Fritsch, Ztsc.hr. f. Ethnol. XV, 1883: Verhandl. d. ßerl. anthrop. Gesellsch. 530 und /nk'tzt Skliomann, Hess. Rlälter f. N'olk^knnde Xlll. liJU, 154 ff.

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Kling Mang, seht schon knicken die Reben, aber sie haben uns Trauben gegeben. iralla hei!

Singt mir das Lied vom Tode and vom Leben, dagloni; Scherben, klirrlala ! KUngMaug : neues Glas! trinkt! wir schweben über dem Leben, an dem wir kleben, hei!

So ähnlicli dürfte das Optinipoga ,,du mußt schlafen" der Seherin von Prevorst zu werten sein. Die suggestive Wir- kung des Wortklangs auf Visionäre und Ekstatiker läßt sich häufig- beobachten. Wenn Fhanz von Assisi den Namen „Bethlehem •' aussprach, empfand er eine Süßigkeit im Mund, wenn er den Namen ,.Jesus" nannte, schmatzte er mit den Lippen : labia sua, cum puerum de Bethlehem vel Jesum uomi- naret, quasi lingebat lingua. felici palato degustans et de- glutiens dulcedinem verbi huius. ')

Die Anhänger einer Sprachmystik würden hier zu ihrem liecht kommen, insofern sie überzeugt sind, daß stets bei einem ^^'ortgebilde der lautliche, akustische Klangeindruck in inniger Beziehung zum Wortbegriff stehe nicht nur in der verhältnismäßig geringen (liiippe der lautnachahmenden Schallwörter. Solche Mystiker wähnen, die feinsten Färbungen und Schattierungen der Bedeutung- aus dem bloßen ^\'ortklang herauszuhören, mehr wie das : sie glauben, wie sicli dies z. B. auch Jacob Böhme zutraute, nur am lautlichen Klang eines ihnen fremden Worts seine Bedeutung erraten zu können. Dann gäbe es eigentlich nur eine Avesentlich lautmalende Sprache, die „innere" odei- ,.höhere'' Sprache, wie man sie wohl nennt, die „Natur-" oder „sensualische Sprache" wie sie Jacob Böuaje heißt; alle wirklich gesprochenen wären nur Zweige und Schößlinge jener allgemeinen Ursprache, hätten sich aus ihr entartet, weil das Gefühl der Menschen sich in ihrer kulturellen Entwicklung änderte und differenzierte und sich so auch jener engste natürliche Zusammenhang von Wortklang und

') Siehe ü. Stolj., Siiggestioii u. Hypnotisiuus i. d. Völkerpsychologie, l^eipzig 1894, 292 u. ']77. Andere haben Farbenempfinduugeu beim Ans- spreclieii von Worten, „Schallpholi.smen", s. Htoli, a.a.O. 476 tf.

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Wortbedeutung unter dem abnutzenden, zerstörenden Wirken des x4.11taggebrauclis allmählich verlor oder doch verdunkelte. ' ) Jedenfalls ist mir nicht zweifelhaft, daß Swedenborgs oben kurz dargelegte Ansichten über die Engels- und Teufels- sprache "2) durchaus auf dieser Vorstellung beruhen, wenn auch alles verfeinert und veredelt ersclieint. Man könnte offenbar diese Swedenborg sehe Engels spräche, wenn ich anders ihn recht verstehe, einer trefflichen Komposition vergleichen, die mit dem Ausdrucksvermögen und C-refühlsgehalt der Töne eine bestimmte Empfindung oder einen bestimmten Sinn bis zum völlig eindeutigen Ausdruck zu bringen imstande wäre, da Wort und Sinn, Wortklang und musikalischer Ton bis zur höchsten Vollkommenheit einander angepaßt wären. In ähn- licher Weise sagt Kerner in der „Seherin" : „Soll es denn nicht eine Sprache geben, Avelche die Potenzen und Grada- tionen der Naturdinge ebenso in den Charakteren und Wörtern ausdrückte, wie die schaffende Natur, so daß beim Hören und Lesen des Wortes zugleich auch alle die wesentlichen Dinge selbst zur Vorstellung gelangen?" Wir verstehen, warum nach Swedenborg die Sprache der Engel keine harten Kon- konanten kennt, warum keine Konsonantenhäufungen sich finden und sie so überreich an Vokalen ist (a. a.O. § 241, S. 189j: sie gleicht einer im dokissimo erklingenden, das reine und schuldlose Gemüt der Engel eindeutig und restlos wieder- gebenden sanften Melodie. So nur wird schließlich verständlich. Avarum nach Swedenborg auch jedem Menschen eine ähn- liche Sprache wie die der Engel eingepflanzt ist: „da sie aber bei dem Menschen nicht, wie bei den Engeln, in die dem Gefühl analogen A\'orte fällt, so weiß der Mensch nicht, daß er in ihr ist; jedoch liegt hierin der Grund, warum der Mensch, sobald er ins andere Leben kommt, sofort dieselbe Sprache mit den (Tcistern und Engeln daselbst gemein hat, sie zu sprechen weiß, ohne daß ihn jemand lehrte" 243, S. 190).

Glauben wir su die Träume unseres Geistersehers wohl begj-eifen zu können, so ist gegen jene Theorie, die ja auch in dei- Sprachwissenschaft eine Rolle spielt und selbst einen

') \'i4l. (la/.»i oben S. 50. -) S. 52.

Jacob Grimm betört hat, das AValten des Begleitgefühls ent- gegenzuhalten, des zarten Seelchens, das nicht abgenutzten, unverbrauchten ^Yorten ihre individuelle Färbung, ihre zarte Leuchtkraft und ihren feinen Duft verleiht. ') Subjektivem Werten und nicht zu geringem Phantasiespiel wird man aber mit nüchternem Hinweis auf den Gefühlswert stets einen schlimmen Stand haben. Zur näheren Beleuchtung der An- sichten moderner Mystiker über die göttliche Sprache begnüge ich mich mit einer bezeichnenden Stelle aus Saint Jean de LA Croix, La Nuit obscure de l'Ame TL 17-): „Wir empfangen diese mystische Erkenntnis Gottes nicht durch Bilder oder bildliche Darstellungen, deren unser Geist sich sonst bedient. Da nun die Sinne und die Einbildungskraft nicht mit im Spiel sind, so erhalten Avir durch diese Erkenntnis weder Gestalt noch Zeichen: auch können wir keinen Bericht dar- über geben noch etwas als Gleichnis heranziehen ; und doch dringt diese geheimnisvolle und süße Weisheit tief in unsre innerste Seele. Man denke sich einen Menschen, der etwas zum erstenmal in seinem Leben sieht. Er kann es verstehen, gebrauchen und genießen, aber er weiß es weder zu benennen noch zu beschreiben, obwohl es nur ein reines Sinnending ist. Um wieviel weniger wird er das können, wenn es über die Sinne hinausgeht. Das ist die Eigentümlichkeit der göttlichen Sprache.'*) Je innerlicher, geistiger und über- sinnlicher sie ist, je mehr geht sie über die Sinne hinaus, sowohl über die inneren als über die äußeren und erlegt ihnen Schweigen auf. Die Seele fühlt sich dann wie in einer großen, tiefen Einsamkeit, zu der nichts Geschaffenes Zugang hat. in einer unendlichen, grenzenlosen Einöde, einer Einöde, die um so köstlicher ist, je einsamer sie ist. Li diesem Abgrund der Weisheit wächst die Seele, indem sie aus den Quellen der Erkenntnis der Liebe trinkt und erkennt, daß unsere AVorte. so erhaben und gelehrt sie auch sein mögen, doch ganz gemein, nichtssagend und ungeeignet sind, wenn wir sie auf göttliche Dinge anwenden wollen." Das musikalische Element, das wir

') Verf., «itzuugsber. d. Heidelb. Ak. (l. Wiss.. 1914. 13. Ablidl., S. ISff. 2) .Tamb.s-Wobbermin, Die religiöse Elf ahrung-, Leipzig- 1907, S. 378t. ') Von niiv gesperrt.

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in 8wedenbor(tS Beschreibung' der Engelssprache zu empfinden glaubten, treffen wir auch sonst in Beschreibungen der Mystiker an, wenn sie von der Geistersprache reden. Man vergleiche H. P. Blavatsky, The Voice of the Silence'): „Wer die Stimme der Nada, den 'klanglosen Klang' hören und verstehen möchte, der muß die Natur der Dharana kennen lernen . . . Wenn ihm seine eigene (jestalt unwirklich erscheint, wie beim Erwachen die Gestalten der Träume, wenn er aufhört, das Viele zu sehen, kann er das Eine erkennen den inneren Klang, der den äußeren verstummen läßt. Denn dann wird die Seele hören und das Gehörte behalten. Und dann wird die Stimme des Schweigens zu deinem inneren Ohre sprechen. Und nun ist dein Selbst im Selbst verloren, du selbst in dir selbst, aufgegangen in dem Selbst, von dem du zuerst ausgegangen bist. Sieh, du bist das Licht und der Klang geworden, du bist dein Meister und dein Gott. Du selbst bist der Gegen- stand deines Suchen«: die ungebrochene Stimme, die durch die Ewigkeiten liindurchklingt frei von Wechsel und Sünde, in der die sieben Töne vereinigt sind, die Stimme des Schweigens. Gm tat sat." So spielt, wie schon erwähnt (o. S. 58, A. 3), das Klingen einer Glocke in Muhammeds Offenbarungen und Visionen eine große Rolle. "-)

5. Der ^^'ortrhythmus und die Satzmelodie sind gleichfalls von großer Wichtigkeit: so klingt der Rhythmus bei dem oft gebrauchten Zauberwort a-jh'.ruduralßa oder in den Sechs- silblern )'aßoQy.aya(j(}OQiiti (323), it(((jxt)Jj-}.ncOxt/J.oj (oft ge- braucht), yMjHjrrxQÜiÄaiifiu (337), yoQßidOnvcr/aQövj (127), »V«//- })vXayiLa('j{h\), axTkt:ioi}Lyi:(jyt/ (91), ax(ji(f/^uuya}tu(jti.{ib9) jedem, der rhythmisches Gefühl besitzt, in das Ohr. In dem Abm- mduhm ist neben dem Reim der Rhythmus nicht zu verkennen. Auch kann man auf die oben (S. 30) angeführten Worte eines Zungenredners hinweisen :

xanifala. mmfala. simj simj.

}yiangal(i. mangalo, manq mang mang.

wo neben F^eim und Ablautspiel vor allem der Rhythmus

') James -WoBBBRMiN a. a. U. 3921.

-') .]a.mk.s-\\ (»HBKKMiN iv. 11. 0. 442, >«»>L,i>KKK. (ie«ch. (1. Koiaü.s, 8. It).

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auffällt, jener volkstümli<^he Vierheber, den schon die Kinder bei ihrem Spiel stets anwenden : x x x x x.

G. Der Spieltrieb, wie er sich in sog. „Streckformen" und künstlichen Sprachspielen wie der 2)0-, /f- Sprache i) u.dgl. äußert, kommt auch für die Geisterworte in Betracht : z. B. ^uijßaQtij'/. JaijßaQau]?. /ffoc ^ßaijßaQCOj). ßrjkßovtj). (94), f/:wjj- qcoQ(fco()ßa ßoj(fOQCf/OQßa ffOQrfOQffOQßa ßcoßoQßoQßa ßo)ßoQ- ßo(jßa (373). Ein besonders lehrreiches Beispiel entnehme ich der ungarischen Literatur.'-) J. Arany, läßt in dem Gedicht ,.J6ka ördöge" einen Teufelsbeschwörer so sprechen: turgu- dorgod mirffit fo rgoffa rgcuUfarr/dl '^ argadöfsogorgont margar- gadtfärgnL Streicht man nun nach dem System der sog. 'Vogelsprache' in jeder Silbe >f/ ] Vokal, so bleiben zwei ganz gewöhnliche Sätze: htdod mit fogattdl? „weißt du, was du versprochen hast?" adosoni mamdial „mein Schuldner ist ge- blieben".

7. Nachahmung eines allgemeinen Sprach Charakters in der Wahl besonderer Vokale oder Konsonantengruppeu, vor allem auch mit üblichen Endungen, wie wir sie oft in der Studentensprache beobachten (Buckelorum „Buckliger". Hal- lorum, SchlinkschlangscJdonim. Fidibus usw.) ^) Hier scheint bei den roces mgstime das Semitische, vielleicht auch Ägyptische eine besonders vorbildliche Rolle gespielt zu haben: viele Worte haben eine semitische Klangfarbe, z. B. cüan (21), 0(}yo{) (82), if>(Kctj/. : iötqu/jX (114), (Kfvovr (100), dc.vovjr (150), 001^,7(261), wo/ (276), ;.«a«// (278), .«^«xo/ (287) usw.: das sind alles natürlich nur subjektive Eindrücke. Bei der Kassler Pfingstbewegung ist ein slavischei' Einfluß nicht zu verkennen : wotschikrei usw. Hier spielen zweifellos unbewußt fortwirkende Gehörseindrücke eine Rolle. Dem Sprachforscher macht die mittelalterliche Formel Ai/nnifiapt« einen indischen Eindruck, sicherlich mit Unrecht.

Sehr interessant ist es, bei einem über ganz Europa ver- breiteten Märchen,") wie dem „Rumpelstilzchen", zu beobachten.

') Neue Proben s. Mitteil. Schles. Ge.s. f. Volkskunde, 1918, S. 215. 0 Siehe Emerich Kövi, PBB 32, 1907, 554.

') Siehe Kluge, Deutsche Studentensprache , 1895, 40 f. Belege für allgemeine Xachahnmng bietet das Persische bei Aristophanes.

*j Siehe die Anmerkgn. v. I>oLrE--PoLi\ ka z. d. .Märchen, 19U5, 495.

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wie der Name des seinem Wesen in allen Varianten stets gleichbleibenden Kobolds je nach der betretenden Sprache sich ändert, wie man also bei der Übernahme des Märclien- stoffs den Geisternamen nach dem betreffenden Sprachgefühl umgewandelt hat^):

a) Gewöhnliche Namen: dithmarsch. Gehhart, schlesw. Hans Donnerstag, oldenb. Vater FinA: österr. Felix, franz. Die et Don, bask. Kirikitom.

b) Ablautende Namen: franz. li.icdin Fdcdon, engl. Tom Tit Tot, cech. Tingl-Tangl, schles. Friemel, Friemel, Frumpenstü.

c) Reimformen: poln. (drei Frauen) Ciacia Lacia, Eup- eup-cup pro drodse, nsächs. HoUrühieh. Bonneführlein, silt. FMe Nehhe-pen. ostpreuß. Fttle Fettle.

d) Umschreibungen: sizil. ligna di smpa , ungar. Varga- liiska, westfäl. Hoppeltinken , liess. Biimpelstibchen , pomm. Doppeltiirk, swaart Hex, österr. Hpringhunderl , Knmmugeli Ziliguckerl, tirol. Kugerl, Kistl im Körhl Furzinigele, Halmen - MJcerle, Spit^hartele, Waldlügele, harz. Fidlefitclien, opfälz. Spitz- bärtl, schlesw. Knirrfwker, deutschung. Winterkölhl, niedsächs. Verlefrän.zehen , Joppentienchen, antwerp. KwispeUolje, hess. Flederflitß, olausitz. Cijketarusk, schott. Fittletot, Whuppity, Stoorie, cech. Knlfacek, harz. Pampernelle.

e) P h a n t a s i e n a m e n : franz. Racapet, it al. Tarandi), Zoro- hiihli, westfäl. Zirkm-k, schwed. Titeliturl, lothr. Ropicjuet, franz. Virloiivet, Mirkikevir, Bodomont. deutsch (dial.) Hippche, Island. (iilitrutt usw.

Es ist höchst reizvoll, diese künstlichen „Urschöpfungen" eines Koboldnamens stets durch den allgemeinen Sprach- charakter des betreffenden Volkes bedingt zu sehen.

8. An letzter Stelle dieser ersten Hauptgruppe von Götter- und Geisterworten möge eine Deutung einzelner Wörter aus der unbekannten Sprache 2) der heiligen Hildegaruis versucht werden, die im Jahre 1179 als Äbtissin des Klosters Rupertsberg bei Bingen gestorben ist (s. 0. S. 29). Es ist l)ekannt, daß diese

') Belege der Namen bei Poi>fvKA, Ztschr. f. Volkskunde 10. liKK», S. 254 ff., 382 ff.

*) Abdruck der Glossen beiEoTH, Geschichtsquellen aus Nassau III, 1880, S. 457 ff. und bei Stkinmeyer, Altbochd. Glossen ITT. 390 ff. Die anderen Werke lici Mi(iNK, Patrologia latiiia, IUI. 197. IS'm.

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außerordentliche Frau, die als Dichterin und Philosophin, als Ärztin und Naturforscherin in ihrer Zeit hervorragte, Visionen hatte und als Seherin bei ihren Zeitgenossen großes Ansehen genoß. So soll sie im Jahre 1141. als sie im 43. Lebensjahre stand, plötzlich ein Licht umleuchtet haben, und sie glaubte den überirdischen Befehl zu hören: „Du gebrechlich Geschöpf, Staub von Staub und Asche von Asche, sprich und schreibe, was du siehst und hörst. Sprich und schreibe nicht nacli menschlicher Rede, nicht nach menschlicher Einsicht, nicht nach menschlicher Darstellungsweise, sondern so, wie du es in Gott vernimmst, so, Avie der Schüler die Worte des Lehrers wiederholt!"' ') In einem Briet an den Mönch Wibert von Gembloux teilt sie Genaueres über die Art ihrer Visionen mit 2): „Wie der Spiegel, der alles reflektiert, in einen Rahmen gefaßt wird, so hat Gott die menschliche Vernunft in den Rahmen des Körpers eingeschlossen. Durch sie schaut der Mensch die Geheimnisse Gottes wie in einem Spiegel . . . Von meiner Kindheit bis zu dieser Stunde, da ich über siebzig Jahre zähle, gewahre ich ununterbrochen jenes Licht in meinem Innersten. In diesem Licht erhebt sich meine Seele auf Gottes Geheiß zur Höhe des Himmels, in die Lüfte und zu den ^^^olken, zu den entferntesten Orten und ihren Be- wohnern. Ich sehe alles bis ins Kleinste. Aber ich vernehme es nicht durch die fünf Sinne meines Körpers, ich erreiche es nicht durch intensive Gedankenarbeit, sondern alles steht klar vor meinem Geiste. Meine Augen sind offen, keine Ek- stase umfängt mich. Ich schaue es Tag und Nacht, wachend und nicht träumend, aber oft todkrank und sterbensmatt. Das Licht, welches ich erblicke, ist an keinen Raum gebun- den. Abe»' es ist heller als die AVolke, welche die Sonne trägt. Es hat weder Länge noch Breite noch Tiefe. Ich nenne es den „Schatten des lebendigen Lichtes". Wie Sonne. Mond und Sterne sich im Wasser spiegeln, so spiegelt sich in ihm Schrift und Wort. Tun und Lassen der Menschen. Was ich in diesem Lichte schaue, verstehe ich sofort und be- halte es lange Zeit. Was ich aber nicht in diesem Lichte

1) JoH. May, Die heilige Hildegard von Hingen. 1911, 45. 0 May a. a. <J. 4r;.

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erkenne, bleibt mir fremd, da ich keine gelehrte Bildung- be- sitze. Was ich in diesem Lichte sehe, höre oder schreibe, bringe ich in formlosen lateinischen Worten vor, so wie ich sie in der Vision vernehme. Ich schreibe nicht, wie die Philo- sophen, meine Worte erklingen nicht wie die menschliche Stimme, sondern sie gleichen einer zuckenden Flamme, einei- Wolke, die in klarer Luft schwebt. Die Gestalt des Lichts umfasse ich so wenig, als ich die Sonnenkugel mit meiner Hand umspannen kann. Manchmal, jedoch nicht häufig, sehe ich in der Lichtwolke ein anderes helleres Licht, das ich das 'lebendige Licht" nenne."

Liest man diese Schilderungen und berücksichtigt man, wie interessant und wertvoll gerade für den Sprachforscher die Pflanzennamen in den Physica der Hildegabdis sind, ») so bringt man den Mitteilungen über die unbekannte Sprache lebhaften Anteil entgegen, um leider bald enttäuscht zu werden. Denn es handelt sich bei einer ganzen Anzahl der rund 900 Glossen, aus denen diese lingua ignota per simplicem hominem Hildegardem prolata in dem Wiesbadener Codex Blatt 459 ff. besteht, nicht, wie man etwa erwarten sollte, um gefühls- durchtränkte Lautgebilde als Ausdruck eines übermächtigen seelischen Erlebnisses und verzückten Schauens. sondern um spielerische Verdrehungen deutscher und latei- nischer Worte. Es ist schon bemerkenswert und unbestreit- bar, daß die „unbekannte Schrift" der Hildegabdis nichts als eine offenkundige spielerische Entstellung der damals üblichen Schriftzüge darstellt, indem der Lautwert der Buchstaben nur versetzt und ein paar Häkchen und Strichlein an die üblichen Formen gefügt sind ; -) auch Avird man von vornherein enttäuscht, statt einer Beschreibung ganzer Sätze und gram- matischer P'ormen nur Glossen zu finden. Seltsam und be- fremdend für unser Gefühl wirkt auch die Verwendung ver- einzelter Glossen als Götterworte in den sonst lateinisch ge- schriebenen Hymnen der Heiligen, z. B. (in dedicatione ecclesie Nr. 54): O ecclesia or^chis armis divinis precincta et iadncto ornata tu es caldevmft stigmatum loifolum et urhs scienciarmn

') Vgl. z. B. Ztschr. f. (1. WüitforscLuug- TU, 800.

••) W. tiKi.M.M, Ztsclir. f. (l. A. (1, 1848, 324 ft". ; May a.a.O. 23if.

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0 0 tu es eciam cri^anca in alto sono et es chor^ca gemma. Wenn die Glossen ferner im seligen, liclitverklärten Schauen himmlischer Geheimnisse entstanden Avären, dann verstünde man nur schwer, daß eine Verstandes-, nicht gefühlsmäßige Logik in manchen Bildungen von Götterworten herrscht. So z. B.: Mai^ 'mater' : Hilpnai^ 'noverca', Feiteri^ 'pater' : Hü^- 2)euen^ 'nutricus', Petto rs 'patruus', also von Feueri^ wie patruus von pater abgeleitet, ähnlich Mai^fia 'matertera' von Mai^ , mater', Peuearre^ 'patriarcha' zu Peuors, Peueri^, Pha- ^Mr'avus' und isTwZ^jj/ia^io' 'attavus': hier war unbestreitbar das Lateinische unmittelbares Vorbild.

Gehen wir aber von solchen allgemeinen Erwägungen zu einer kritischen Prüfung der Einzelheiten über, dann erinnern die Glossen der Hlldegardis nicht an die Sprache der Seherin von Prevorst und ähnliche gefühlsgeschaffene Lautgebilde, sondern an Geheimsprachen spielerischer Art, wie wir sie auch sonst aus der mittelalterlichen Literatur kennen, i) So werden z. B. in den Schriften des Grammatikers Vikgilius, 'De duodecim latinitatibus' folgende besondere Methoden, Ge- heimworte zu bilden, unterschieden: L die usitata latinitas,

2. statt des ganzen Worts wird nur ein Buchstabe geschrieben,

3. die Neubildung 'nee tota usitata nee tota inusitata', wie z. B. gilmola für gula, 4. spielerische Umformungen von Zahlwörtern: nim 'unus', dun 'duo', 5. 'metrofia, hoc est intellectualis', ut dicantabat id est principium, sade id est iustitia, 6. statt eines Wortes steht ein ganzer Satz, 7. statt eines Satzes ein Wort, 8. Vertauschuug der Casus und Modi, 9. eine Silbe erhält die mannigfaclisten Bedeutungen, 10. 'pro uno fono usitato multa ponuntur", 11. 'spela, hoc est humillima, quae semper res terrenas loquitur, 12. polema, hoc est superna, quae de superioribus tractat'. Zu diesen wunderlichen Spiele- reien bemerkt Goetz mit Recht: „Wir haben hier sj^stematisch durchgebildete Geheimsprachen, die aber nur im Schatten der Schule ein dunkles Dasein führten, den Esoterikern ein geist- reiches oder geistloses Spiel, den Exotikern gegenüber ein Mittel, sich prahlerisch geheimnisvoller Weisheit zu rüh-

0 Vgl. Goetz, Über Dunkel- und Geheimspracheu im späten und mittelalterlichen Latein, Ber. d. Verh. d. Sachs. Ges. d. Wiss. , 1896, 48, 62 ff. Güntert, Sprache der Götter und Geister. fi

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men." i) Ähnliche Weisheit, die uns in die Technik bei der Bildung von Geheim Wörtern einführt, findet man in Schwenters „Steganologia et Steganographia aucta Geheime, Magische, Natürliche Red vnnd Schreibkunst" aus der Zeit um 1620: die Silben- und Buchstabenänderung und ihre Vertauschung spielt dabei die Hauptrolle. 2) Daß wir an solche Spielereien aucli bei den meisten Glossen der Hildegardis zu denken haben, zeigt die Beobachtung, daß viele „Götterworte" in enger Abhängigkeit von lateinischen und deutschen Grund- wörtern, oft mit bestimmten, häufig wiederkehrenden Suffixen, gebildet sind. Wir unterscheiden:

a) Lateinisch-griechische Grundwörter. 1. Mit Suffixvariation, z. B. -Uhi^ in Kir^an^lihi^ 'missalis liber', Jpm^iolibi^ ' evangeliorum liber', Mumi^alibi^ 'matutinalis liber' ist lat. lih[er-\-iz; folglich enthält Lihi^aman^ 'liber' nur noch- malige Suffixerweiterung: lih + w + am -f an$, Iuri§ „Eichter" =^- iur[is- + iz, Agilarcliini^ ' magister scholarum ' = aytläQi[riQ, + in + is, Ieui§ 'iecur' = lat. ie[c]u[r + iz mit ausgelassenem c, Maia^ 'maxilla' = lat. mafxjiflla + az, Gole^ia 'coUum' = col- [lum -\- es -\- ia, i?t<&iaM|' 'sanguis' = lat. ruh[er + ian^, Dormel 'culus' = dor[su]m -\- el, Kolin^ia 'colu' = col[u -f iw^ + ia, G'id§ia 'faux' == gtilfa ~[- § + ia, Hascuül 'nasus', sicher Schreib- fehler für Nascuül, vgl. Nascu-§ir^ 'naseloch', also nasftis + cu, Cö5m^m ' Costa' = „gestrecktes" cosfta -f in§ + ia, I)uoU§: 'nates' = lat. duo- + li^, vgl. frz. les deux soeurs = 'fesses', Dizol 'do- minica dies' = di[es ■+- sol[is, Sanccuua 'cripta' = sanctua, Ceril 'cerebrum' = cer [ebnem + H, No^ia 'ulula' = lat. nocftua + ia, Fluan^ 'tocium, Harn' = flu[ere + an^, ümbripo 'tectnm' = umbrfa + i^ + io „Schattenspender", Tronischia 'cathedra' = t(h)ron[us, dQÖvoq + iscJiia, Mais 'mater' = mafter + is, Neni^ 'nepos' = ne/2JOS + m>, jBüsm^ 'bubulcus' :=&05 + m^', Scorin^ 'cor' = s + cor + in^, Figire^ 'pictor' = ßgurfa + e^, Pillix 'capitellum' = caJpi/teJUfum + ix, Ipari^ ' Spiritus' = sjpirfitus mit Vokalspiel + ^>, Äbiol 'abbas' = a6/^6a5 + «oZ, Kanelis «cantor' = canffor, Karin^ 'cardinalis', Enpholian^ 'epus' =

>) A. a. 0. S. 91.

'^) Siehe den Text bei Kluge, Kotwelsch, Quellen u. Wortschatz der Gaunersprache u. d. verw. Geheimspracheu, 1901, I, 132 ff.

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infula + ian^, Cherin 'gruz ' = xaiQtiv, Aigons 'deus', Aiegan^ 'angelus' = lat. aefvum, gr. aifcov, also „der ewige", Osinz 'mandibula' = lat. os + ins, Lu^eia 'oculus', aber Ln^immphia ' ougappel ', Lupliet ' cilium ' = lux -f dli[um, Beni^scia ' dextra ' =r-- „segnende", henfedjicfens, Buian^ 'vesica' = hu[lla -f- ian^, Zir^er 'anus' = circfulus vom Ring im Mastdarm, Mon^chia = mon[a]s[tenum] + chia, Luican^ 'lucerna' = lucferna, Pere^ilin^ ' imperator ' = iwjperfator variiert, lii/cJiol ' rex ' = reg-, wohl mit alid. riche vermengt, GospiUanj 'dapifer' = hospiftes, mit Va- riation des Anlauts wegen Gast, das bei der Wortschöpfung vorschwebt, Spari$in „Wedel" = spar[gere + ^^ + in, Zim^i- tama 'exercitus' ■■= redupliziertes exerjcitfus, Nolisclia, Deni- ^imo „November, Dezember" variieren nur die ersten Silben der lateinischen Worte. Auiri^ 'nauclerus' = [njavis + i^, Beluai^ 'venator' = helua -|- is, Zilix 'socius' == sojcifus -\- lix, Zi^im ' circinum ' = ci[r]ci[nu]m, Bunaz 'responsorium' = du[o + naz, ^) Korischol 'pfellel' = corifum -\- schol, Kolian^ 'claudus' = yo)X[6c. -f ian^, Beueriz 'pater' = pfater rjeverfenchis + is, Kelions 'papa' = c[aput] e[cc]le[siae , Tronpol 'patronus' ^ X)a]tron[us + d + ol, Brani$el 'bracchium' = hra[chium-\-nis+el, 3Ialui$ia 'meretrix' enthält malfus am Anfang, Mel$ita 'hunec- wir^' = mel, Cruni$ = crufs + ni£.

2. Umstellung der Buchstaben: z.B. Inimois ^homo^ = hominis, luv ^ vir' ^= vir, (vgl. aber C/^r?a^J 'testiculi', Viriscal 'barba'), Vri^oil 'virgo' = virgo + il, Loiffol 'populus' ^= xjopuli mit spielerischem Wandel der p in f, Culi^in^ 'villicus' = vilfljicus verstellt, Scailo 'clericus' aus sacfer + ilo umgestellt.

b) Deutsche Grundwörter liegen vor z. B. in Fuscal *pes', Funi^ 'planta pedis', Fusclialio^ 'bases' = fuß + cd, + ni^, Gar^in^ 'hortulanus' = gart[en -\- in^, Gagria ^ eniser' = gackern „die Schnatterin", ürchio 'ciconia' = [stjorch -}- io, Noi/ca 'nathdegala' = Nacht[igall, bzw. mit Anklang von lat. noct-, vgl. Noi^hi^ 'nocticorax', Suin^ 'sudor' = stvitf^en, Agi^inix 'magister' = m]ages[ogo + in + ix, Scraphin^ 'krephelin' = s + krapfo „Krapfen" + in^, Munchpdol 'nummularius' = munfi^a „Münze" 4- Suffixkonglomerat, Bimin^sta 'cos' = Bimsstein, Clomischol 'campana' == „gestrecktes" GlofcJce, Zeia 'testis' =

•) Siehe oben dun 'duo'.

6*

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^eifchen, seifhen, Z'mc^i'm 'candela' = Kienfspan, Kinchfcali/ 'candelabrum' = Kien + calix, also „Kienhalter", Ziw^ia 'ansa' = ^inkfen + ia, Oir 'auris' = Ohr, mit Einwirkung von auris, Motm 'os' = Munfd -\- ü mit Vokal Variation, Malfhir 'molaris deus' = malen, malmen mit möglicher Einwirkung von lat. molaris, Galich ^menihrm-n' == Glied, g^'lid, SiM. gilit, Danj 'in- testina' = Barfm + ^ Büidio 'caelatura' = ahd. Midi „Bild", Sterauin^ia 'frons^ Stirn, dhd.stirna, mit Vocal Variation, Scar- dux ' dux ' = Schar, ahd. sl-ara -f dux, Scal^io ' umerus ' = Schulter, ahd. scid[tirra mit Yokalvariation, Kri^ia 'ecclesia' = Kretis, ahd. krUd, Hoil 'caput' ho[uhit + il, Li^o 'saltator' = ahd. leih „Spiel, Tanz", Bahini^ 'praedo' = rauhen mit Vermischung von r apere, Fulscaioli^ 'auceps' = im ersten Glied fofgajl, got. ftigls „Vogel", Bumheri^ ''plsiwstrvim.^ = Bums, onomatopoetische Bildung, Flagur 'flamma' = flackern, lat. flagrare.

c) Ein slavisches Grundwort scheint mir Zuuen^ 'sanctus' = abg. si;^fe „heilig" zugrunde zu liegen, was ich der seltsamen Sprachbeziehung wegen besonders erwähne. Sogar Anklänge an Geheimsprachen neuerer Herkunft finden sich, z.B. erinnert Miskila ^soror' auffällig an Meschel,^) MischV-) „Mädchen" moderner Geheimsprachen. Da ich aber sonst keine weitereu beweisenden Beziehungen mit dem Rotwelsch gefunden habe, kann dies ein zufälliger Anklang sein oder auf ein gemeinsames hebräisches Wort zurückgehen. Die Übersicht über die von mir vorgetragenen Deutungen 3) dürfte zur Genüge den Beweis erbringen, daß wir es hier mit einer Art Geheimsprache zu tun haben, und daß der Spieltrieb die größte Eolle bei den Glossen der Hildegakdis spielt. Ich kann Johannes May, der vom katholischen Standpunkt aus

1) Kluge, Kotwelsch, 1901, 489 (Krämersprache).

'^) a. a. 0. 417 (Wiener Dirneiispraehe).

3) Kur etwa ein Dutzend Glossen fand ich bereits gedeutet bei GÖRRES, Mystik, 1837, 11,153, W.Grimm, a.a.O. 339, Goetz, Ber. d. Verb. d. Sachs. Ges. d. Wiss., 1896, 48, 92, J. May, a. a. 0. 232, Kluge, Unser Deutsch =*, 1914, 71 ff. Eine ganze Keibe Vermutungen kann ich hier nicht weiter anführen, eine möge wegen der Kuriosität des Falles wenigstens hier folgen: Arschia 'culix' scheint auf einer tollen Mönchsetymologie zu beruhen, die culix von culus ableitete: ctdus M'urde ins Deutsche übersetzt und mit dem auch sonst begegnenden Ausgang -chia vermummt.

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das Leben der Heiligen scliildert, im übrigen nur beistimmen, wenn er über die „unbekannte Spraclie" sich so äußert i): „In freiem Spiel der Phantasie und in Anlehnung an bekannte Worte hat Hildegakd ihre unbekannte Sprache geschaffen . . . Daß sie selbst bei Darstellung der Geheimsprache unter dem Einfluß übernatürlicher Erleuchtung zu stehen glaubt, ändert an dieser Tatsache nichts. Im übrigen hatten schon die Kluniazenser, wie später die Zisterzienser eine ausgebildete Zeichensprache . . . Nicht ganz so, aber ähnlich wird auch der Zweck der Rupertsberger Geheimsprache gewesen sein. Zu- nächst mußte es auf die Zuhörer einen feierlichen, tiefen Ein- druck machen, wenn der Konvent in einer noch nie gehörten Sprache verkehrte oder deren Worte in fi-ommen Liedern ge- brauchte. Sodann konnte es immerhin von AVert sein, in einer politisch und religiös aufgewühlten Zeit ein Verständi- gungsmittel zu besitzen, das nur eingeweihten Kreisen ge- läufig war."

Wir kommen zu der sprachlich viel reizvolleren zweiten Hauptgruppe von Geisterworten, nämlich zu denen, die aus tatsächlich vorhandenen Sprachen genommen sind. Wir können da etwa folgende Fälle absondern:

1. Formeln, Gebete, Namen usw. in der betr. Mutter- sprache. Wie häufig ist etwa das Vaterunser oder der Name Gottes, Christi oder irgend eines Heiligen zugleich magisches Zauberwort in Segen, Amuletten, Himmelsbriefen usw. 2) Man erinnere sich auch an das 'ici Hussein der ekstatischen Perser am 10. Tag des Moharrem, an das Allah der tanzenden Der- wische, an das glory, gloryl in den 'jerks' der Puritaner, s) Aus dem griechischen Altertum darf man an Formeln denken wie vfiijv CO vfaratt, w tov "Aöcovtv, co Öid^vQaftße. Dabei iiaben naturgemäß viele der Namen einen für den gemeinen Mann fremdartigen Klang. Besonders lehrreich ist es, daß nach nordischem Volksglauben die Trolle im Hallingdal sich

>) a. a. 0. 232.

■'') Siehe obiges Beispiel S. lü, A. 2.

3) Siehe S. Hbdin, Zu Land uach Indien, 1910, II, 70 ; 0. Stoll, Sug- gestion u. Hypnotismus i. d. Völkerpsych. 381.

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beim Schwur noch des altheidnischeii altnordischen Rufs heil bedienen. 0

2. Fremde Sprachen liefern einfach Worte einer Geister- sprache. Wir haben oben S. 34 f. das Latein in diesem Sinne betrachtet, und es ist ganz richtig empfunden, wenn Hauff in seinem „Kalif Storch" das Zauberwort mutäbor erfindet. Im Hellenismus gaben echt ägyptische und aramäische, im Ägyp- tischen phönizisch- semitische Worte 2) leicht Material. Daß dabei Verdrehungen mit und ohne Absicht begegnen können, ist selbstverständlich. Als Beispiele nenne ich Adonai, El, Sadai, Zebaoth, Alpha Omega, Athanatos, Tetragrammatron u. dgl., die in mittelalterlichen Beschwörungsformeln =*) als Geisterworte erscheinen, und bei den griechischen voces mysticae und Zaubersprüchen treffen wir ^äQctjtiQ (25) und ^Jiid^ (92), MixarjX, Faß^nß, 'Pcctpatß, ^aßaco{}- und 'Admvai (z. B. 210 und oft), "laig und "S2oiqiq (QQ), 'i^Qog {182) usw.") In den oracula Sibyllina finden wir folgende cUp&^iToi dyys^aTJQeg in einen Vers zusammengefaßt (v. 215, ed. Rzach):

'Agaxtrj/, '^Paizi^X OvQitjX 2!afiu)X ACar/X xt.

Bekannt ist die Erörterung der kniffligen Streitfrage, ob die Engel griechisch oder hebräisch sprechen, die im Mittel- alter ebenso ernstlich erörtert wurde, wie die Sprachart, die Adam im Paradies gesprochen habe. Das Wichtige für uns ist hier eben die Tatsache, daß man auch eine bestehende Menschensprache als Paradies- oder Engels spräche ansah. Man fühlt sich dabei an Goethes Verse erinnert:

und so möchf ich alle Freunde, jung und alt, in eins versammeln, gar mi gern in deutscher Sprache Paradieses -Worte stammeln.

») E. Smith, Maal og Minne, 1918, 10. Hier finde ich auch die An- gabe, daß die Bevölkerung in Kaschmir für „Menschen" das alte Sauskrit- wort manöl verwende, während das ursprüngliche, einheimische von Dämonen gebraucht wird.

2) So beim „Löwenzauber", A. Erman, Ägypt. Eelig. 156.

^) Vgl. das obige Beispiel, S. 10, A. 2 und 51.

*) Vgl. Dieterich, Abraxas 70 ff . , Bianchi, Hess. Blätter f. Volksk., 1914, 104 ff.

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Hier kann man eine bezeichnende Stelle aus dem Bihte- buoli des XIV. Jahrb., das Oberlin in Straßburg 1784 heraus- gab, einfügen (S. 77 f.): 'So vahet man denne an die heiligen messe. Die singet man mit vier slachte spräche; dv einv heizet latin; dv ander heizet kriechs, das ist l-i/rieh/son; dv dritte heizet ebreisch, das ist amen; dv vierdv ist himelschiv spräche, das ist aUeluia.' Vom Lobpreisen der Engel wird also die gut hebräische Form hier klar und bündig als Himmels spräche ausgegeben. Von altertümlichen Formen in sakraler Sprache haben wir oben bereits gehandelt, i) Schon im Neuen Testament spielen Fremdwörter eine ähnliche Rolle. Mit Recht sagt E. Schwyzer^): „Manches Hebräische und Aramäische in der Bibel ist beabsichtigt, so gut wie das semitische K?Aiderwelsch der Fluchtafeln und Zauberpapyri, das für die abergläubischen Griechen ebenso verständlich war wie für uns Holcuspolius und Abrakadabra.^^

Fürs Germanische ist bezeichnend, daß in Märchen ge- radezu Zigeunerisch als Geistersprache zu belegen ist: In einer niederländischen Sage ist von buhlerischen Zauberweibern die Rede, die junge Burschen entführen und sie mit dem AVort SchavaJienstauen zum Tanz auffordern. 3) Nach Laistners ansprechender Deutung =*) ist das eine Verdrehung von zigeun. dsawa te stawen „gehen wir tanzen". Die Zigeuner haben stets als Kenner von Zauber- und Weis sagekünsten gegolten; es ist also wohl verständlich, daß ihre Sprache als dämonisch galt. Verdrehungen zigeunerischer Worte oder wenigstens Worte mit einem Zigeunersuffix finden wir, wie ebenfalls schon Laistner^) beobachtet hat, z. B. in den Wörtern Ge- Icrippen, Jcoflippen, die eine Waldfrau Kare gebraucht; vgl. zigeun. Worte auf -dpen, wie z. B. boldpen „Himmel", sürdpen „Zopf", riinddpen „Ball", dürlidpen „Wahrsagen" usw.

Auch die bekannte Sage von Belsazer läßt sich in diesem Zusammenhang anführen, die durch Heines Ballade so volks- tümlich geworden ist:

») S. 34 f.

-) Wissen und Leben, 1910, VI, i73 in einer interessanten Betrach- tung über „Sprache und Religion".

3) Wolf, Deutsche Sagen, Nr. 344, S. 467.

*) Rätsel der Sphinx II, 60. ») a. a. 0. 59.

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Und sieh! und sieh! an weißer Wand, Da kam's hervor wie Menschenhand,

Und schrieb und schrieb an tveißer Wand Buchstaben von Feuer und schrieb und schwand . . .

Die Magier harnen, doch keiner verstand Zu deuten die Flammenschrift an der Wand.

„Das aber ist die Schrift, allda verzeichnet: Mene, mene, tekel, u-pharsin. Und sie bedeutet dies: Mene, das ist, Gott hat dein Königreich gezählt und vollendet. Tekel, das ist, mau hat dich in einer Wage gewogen und zu leicht gefunden, Peres, das ist, dein Königreich ist zerteilt und den Medern und Persern gegeben." i)

3. Sogar Wörter der Kinder spräche werden gelegent- lich als Geisterworte ausgegeben. In der Mühlknappensage sprechen die gespenstischen Katzen wie kleine Kinder, wenn sie sagen: er bäft statt er schläft.'^)

4. Wir wenden uns schließlich zum wichtigsten und interessantesten Fall, der den Nerv unserer Untersuchung ausmacht: als Wörter von Göttersprachen werden auch sonst übliche und belegte Formen der betr. Sprache gewählt. 3) So ist es in den beiden bedeutungsvollsten Belegen für Götterworte in der Literatur überhaupt, von denen wir mit Absicht bis jetzt noch nicht geredet haben: bei Homer und in der Älvissm^l der nordischen Liederedda. Diesen beiden Fällen hat sich also jetzt unsere Untersuchung zuzuwenden.

») Daniel 5, 25—28.

^) Laistnbr, Rätsel d. Sphinx II, 59'

3) Wenn im altindischen Drama die Götter Sanskrit sprechen wie Priester und Vornehme gegenüber dem Präkrit der meisten anderen Per- sonen, so handelt es sich nm Standes sprachen, wie wir sie besonders im Javanischen ausgeprägt finden.

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9.

^u der sonnenheitren, klaren Welt Homers den Glauben an eine Götterspraclie, ') ja bestimmte einzelne Götterworte, anzutreffen, hat auf den ersten Blick etwas Befremdliches. Denn wie unsere vorausgehenden Beobachtungen gelehrt haben, ist man bei der grundsätzlichen Erklärung dieses Glaubens genötigt, teils tief auf primitive Gedankengänge kulturloser Völker zurückzugehen, teils an religiös gesteigertes Empfinden mystisch veranlagter Schwärmer zudenken: beides Dinge, die zu Homers Anschauungen nicht recht zu passen scheinen. Am wenigsten der dionysische Enthusiasmus ; denn wie E. Eohde bewiesen hat, gibt es bei Homer nur eine apollinische Mantik. Was bei den Kreisen aber, für die der Dichter sang, nicht oder nicht mehr Glauben genoß, das mag in Volksanschauung und religiösem Denken einer frühereii Zeit lebendig gewesen sein. Solch eine erstarrte Formel wie die tjtsa jtTSQÖevra, bei Homer nur noch rhetorische Wendung, solch eine bild- liche Ausdrucksweise wie jroiov Ot txoq q^rytr iQXoq oöorxov; beleuchtet blitzartig den alten Volksglauben vom geflügelten Wortdämon, der gleich den Vögeln zwischen Menschen und Un- sterblichen in den Höhen des Olymps vermittelt. Man denkt an die Verse in Akistophanes' „Vögeln", die von der Bedeu- tung der geflügelten Mittler zwischen Himmel und Erde handeln 2) :

jiävra Öb OvtjTOlq tOxiv dqj' in^aöv rtöv ö^riücov ^dytöxa . . . eOiilv d' v(iiv "Afificov, AtXffoi, AojÖcov/j, ^olßoq, 'AjtöXXcov . . . OQVLV X8 vofii^txt jtävd-'' üöcmtQ Jitgl fiavxsiag diccxQivsi ' (pri^rj y'vntv OQVtq löxi, jtxaQfiöv x^oQVid-a xaltirt,

^V}.lßo?.OV OQVLV, (pCOVyV OQVLV, dtQajlOVx' OQVIV, OVOV OQVLV.

üq' ov fpavsQcoQ tii.Liig i\uiv töfiiv fiavxslog 'AjtökXcov ;

Der Grund zur Vorstellung einer Göttersprache bei Homer muß derselbe gewesen sein, wie in all den uns bereits be- kannten Analogien ; aber der hellenische Dichter hat für sein aristokratisches, aufgeklärtes Publikum, das so kühl von den

*) Nägelsbach - AuTBNRiETH , Hom. Theol.^ 191. 435 ff., Gruppe, Griech. Mythol. II, 884.

^) 708 ff. Siehe auch oben über die Vogelsprache S. 57 f.

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Göttern und dem Jenseits dachte, nur das allgemeine Motiv beibehalten, das ihm aus dem Volksglauben und volkstüm- licher Tradition bekannt v^ar. Dunkle Zauberworte aber konnte er nicht mehr gebrauchen, sein dichterisches Gewissen, sein Schönheitsideal ließ die Götter keine rohe Barbaren- sprache lallen ; denn die Götter sind bei Homer nur ins Ideale gesteigerte Menschen, die sich ewiger Jugend erfreuen: seine Götter also eine barbarische Sprache reden zu lassen, ist in dieser Zeit ein Ding der Unmöglichkeit, und „barbarisch" bleibt eben jede Sprache, die nicht hellenisch ist. Aber andrerseits reizte es den Dichter doch, einzelne Proben der Göttersprache zu geben, schon im Interesse seines eigenen Standes: die hohe Weisheit des Sängers, dem ja die göttliche Muse die Verse zuflüstert, der sich so gern nur als Werkzeug der Musen fühlt, muß in strahlendstem Lichte erglänzen, wenn er gelegentlich solche Geheimnisse von der Göttersprache den anderen Sterblichen kündet. Sagt doch Platon im Ion 534 E : Ol de xoirjval ovöhv dXX' tj tQfirjvelg eIöl rmv ß^Hov. Bei Dio Chktsostomos , Or. XI, 23 lesen wir: or (^lövov t$,dv avrcö (sc. 'Oii)'jQ(o) rag allag ylföxxaq, iiiyvitiv rag rcöv 'EX?jjvcov xai jTore jAv cdo)lL,tLV, jrort öt öcogi^sii', jtorl 6s Id^eiv, dXXä xcu öiaörl (d. h. in der Weise des Zeus, also in der „Götter- sprache") öta^JytaOat. i)

Wenn demnach keine Zauberworte barbarischen Klangs für den Dichter möglich waren, wie hat er dann seine einzelnen Wörter der Göttersprache geschaffen?

Diese Hauptfrage unserer Untersuchung ist in der ver- schiedensten, sich oft widersprechenden Art im Altertum wie in der neuen Zeit beantwortet worden, das ganze Problem ist aber noch nicht geklärt 2) : die einen sehen in den homerischen Götterwort.en uralte, aus der Alltags spräche längst abgestor- bene Ausdrücke, manche redeten gar von „pelasgisch" offenbar, weil sie diese Sprache selbst vorzüglich verstan- den ? , die. anderen sehen gerade im Gegenteil in ihnen be- sonders klare und deutliche Ausdrücke, die einen sprechen

0 Siehe dazu Thumb, Haudb. d. gr. Dial. 314, § 290. '^) Siehe die Kritik älterer Ansichten bei Nägklsbach-Autenrieth, Homer. Theo!.-', 1884, 435 f.

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von einer „hieratischen Sprache" und einer „Tradition von Sprachaltertümern", wieder andere von eigenen Erfindungen des Dichters. E.M.Meyee') vermutete, es handle sich um ältere Ausdrücke, die mit Vermeidung der alltäglichen ursprünglich in der Ansprache an Götter und Dämonen verwendet werden mußten. ,. Diese kunstmäßige Verwendung ließ sie dann für den gewöhnlichen Gebrauch absterben, und man faßte dann diese für den Verkehr mit den Göttern bestimmten Worte als Idiotismen der Götter auf." Also handelt es sich nach E, M. Meteks Ansicht um uralte, nur in der Fachsprache der Priester versteinert erhaltene Wörter; so schön das ausgedacht ist, so dürfte auch nicht die Spur eines Beweises für diese neuste Theorie zu erbringen sein. 2) Früher hatte Cohen ^) gemeint: „Das alte Wort scheidet manchmal gänzlich aus der Umgangssprache, dann lebt es in der Sprache der Götter; denn die Menschen verstehen es nicht mehr. Das Schwinden eines Wortes aus der Umgangssprache und sein alleiniger Gebrauch in der Sprache der Dichtung ist der Grund für die auffallende Erscheinung, die uns bei den Griechen und Deutschen entgegentritt, daß die Götter eine eigene Sprache sprechen." Weitere Erklärungsversuche werden wir noch zu behandeln haben.

Den Sprachforscher lockt hier eine reizvolle Untersuchung eines in der Hauptsache semasiologischen Problems. Er wird nüchtern und sachlich festzustellen versuchen, ob die als Wörter einer Göttersprache angeführten Formen künstliche Gebilde oder wirklich echte, natürliche Sprachschöpfungen sind. In diesem zweiten Fall, der tatsächlich hier bei Homer im Gegensatz zu den vielen oben besprochenen Fällen vor- liegt, gilt es den Grund zu finden, warum man ein bestimmtes Wort auf einmal der göttlichen Ausdrucks weise zugeteilt hat, wieso es ein solches Adelsprädikat verdient habe. Keine allgemeine Betrachtungen und von vornherein vorgefaßte Theorien können hier frommen, sondern Fall für Fall will für sich allein untersucht sein.

') IF, 1901, 12, 51.

^) Oder wie sollte z.B. Z:ca-H^o<^ sich dieser Theorie fügen":'

') Steinthals Ztschr. f. Völkerpsychol. u. Sprachwiss. G, 239.

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Wir beginnen diese Prüfung mit einem der cliarakte- ristischsten Belege aus der Odyssee. Es handelt sich um die bekannte Szene, wo Odysseus auf die Insel der Zauberin Kirke gelangt und voll banger Sorge wegen des zu langen Aus- bleibens seiner auf Kundschaft ausgeschickten Gefährten sich entschließt, selbst auf die Suche auszugehen. Unterwegs er- scheint ihm Hermes und berichtet dem Helden von dem selt- samen Geschick seiner Freunde, von der gefährlichen Tücke Kirkes, der Zauberin. Dann bückt er sich zur Erde, reißt eine Wurzel aus dem Erdreich und gibt dies lodlor (fc'tQi^iaxov, dies kostbare Zauberkraut dem Odysseus mit dem Rate, es in den Mischtrank zu rühren, den Kirke ihm kredenzen werde. Die Stelle, y, 302 ff., lautet :

o'jc ciQCc ffOJPr/oaQ jroQi (fc'cQfiaxov (({r/tu/övr/ic Ix yab]Q £Qv6aQ xai itoi (fvdiv avrov tÖ£i^8V. QiC,'^ (lEV (.(sXav loxe, ya)MXTi de tixsXov ävd^oq' f^aölv ÖE fdv xaXtovöi d^soi ' yaX£:iidv dt r^ OQVöötiv drögaoi ys d^i^t/TOiöi, {hsol de jzdrra övvavrai.

Gehen wir zunächst auf das Wort [.icilv selbst ein, so zeigt seine tatsäcliliche Bezeugung in der griechischen Literatur, daß es bald den Hellenen selbst in seiner scharfen Bedeutung nicht mehr recht verständlich war. Die späteren Belege sind mehr oder weniger durch Homer bedingt. Schon im Altertum haben sich die Gelehrten die Frage vorgelegt, welche Pflanze wohl mit dem Moly gemeint sei. So lesen wir einerseits bei Theophrast, H. pl. 9, 15,7: ro dl nöJlv jisql ^eveov xaX ev Tll KvlXrivii (paolv tivcu xal ofioiov cj ^'Oiüjqoc. dQ7jX8, rijV Hlv QiC,av 8X0V CrQoyyvXrjv jcQoöe}/g:tQrj XQOfivco, ro öi (pvlXov ofioiov OxüJaj yjjrjöd-ca 6t arxcö üiQoq rt xa tiXt^L(ptt.Q[iaxa xai xac ^aaytiag. ') Andrerseits gibt Dioskubides, De mater. med. III, 47 (S. 60, 11 ed. Wellmann) an: fioJXv //er (fjvXXa tyti dyQOJoxtf ofioia jtXaxvxtQu. 6t, tjr) y/jv {xX(6fttva)' ävd-T] XbvxoLOig jtccQUjiXf/Oia, yaXaxxoxQoa, rööova 6t xqoc, xov iov, xavXor 6t Xtjrxov, 7ii]'/to}V x£00d()cov' Ix' itxQOXi 6e iTctOxiV ojotl OxoQ6oti6tg xi ' (>/ga 6t fiiXQa, ßoXßotL6rjC. Der Scholiast erklärt fHüXv xo dy{>iov mjyavov. Diese Stellen

•) Vgl. auch Plinius' Hist. uat. XXV, 4 (8), § 26—27.

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zeigen deutlich, daß den Griechen diese Pflanze ftcoXv unklar blieb ; wenn der Scholiast einige Eezepte des Hippokrates und Galenos angibt, so beweist gerade dies, daß nur in der "Wissenschaft das Wort eine Rolle spielte, in der Arzneikunde, wo mystische AVorte für bestimmte Rezepte sehr beliebt sind. Nur auf Grund gelehrter Forschung wird das Mohj als eine Lauchart oder als Alraune gedeutet, nicht infolge der leben- digen Kenntnis der volkstümlichen Wortbedeutung, i)

Andrerseits freilich ist das Wort ficöÄv gut griechisch, und die immer wieder auftauchenden Versuche, dahinter ein phönizisches, ägyptisches oder iranisches Wort zu suchen oder es als eine künstliche Erfindung des Dichters hinzustellen,-) sind nichts als törichte Phantasien. Das beweist allein schon die Ableitung (lojXv^a „eine besondere Art von Knoblauch", der nach dem Gloss. Hipp, nur eine Spitze hatte {ä:n)Jiv xfjv x£g)ah)r tyor) und als Heilkraut (jcgood^elvai jtQoq zag ft/JTQag Hipp. 2, 595) verwendet wurde. Sehr wichtig ist der Zusatz im Gloss. Hipp. : rii'tg (Vt xo iioJXv; denn daraus erhellt, daß die Alten selbst nicht an dem Zusammenhang von ^icöXv und lioilv^cc zAveifelten. Zugleich aber wird dadurch verraten, auf welche Weise die Botaniker die Bedeutung des home- rischen fHoÄr erschlossen: es ist nur ein Rückschluß von der Bedeutung des abgeleiteten üblichen Worts auf die dunkle des homerischen. Zum Suffix von ficoXv-^a vgl. man Formen wie xrvi^a : zrrco , XaxtQVL^a, x6QVL,a\ selbst (»iL^a könnte bei der Ableitung (w'tlvCa von [.io)Xv nicht ganz ohne Einfluß ge- blieben sein.

Das Adjektiv ficolvg „träge, matt", sowie (.aoXvrco, f^coZvoj „entkräfte", dor. (icöävc, hat mit (icoXv nichts zu schaffen, wie man zu erwägen geneigt scheint ;3) diese Wörter gehören vielmehr zu hom. [ilXtoq, lit. melas, meist plur. melal „Lüge". Zu einem geistreichen Spiel hat diesen Anklang von [^ioj).v und (iöjXvq Lykopheon in seiner Alexandra v. 679 benutzt, wo er von dem Kirkeabenteuer berichtet:

') Vgl. dazu die zusammenfassenden Bemerkungen bei Murr, Pflanzen- welt in d. griech. Mythol., 1890, 208 ff.

') So Nägelsbach -AuTKNRiETH, Hom. Theol.^, 191, § 144. ■•) Prellwitz, Et. Wb.^ 305.

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dXZd VLV (sc. 'Odv<j&fja) ß^aßr/q fimXvQ, öacoöei QiC,a xai Ktagog g^avslg NowaxQidrijq TQixtrpaloq ^aiögog d-eög.

„Doch ilm errettet vor Schaden die entkräftende Wurzel und das Erscheinen des Totengotts aus Nonakris, der Dreikopf, dei- frohe Gott." Ein „etymologisclies Vexierspie] " nennt es V. HoLziNGEK ganz richtig.!)

Daß ftojh) ein sehr altertümliches Wort ist, lehrt andrei-- seits die Vergleichung mit ai. mülam „Wurzel, bes. Zauber- wurzel" ; midakäfman- bedeutet „Zauberei mittels Wurzeln". Die Vergleichung ist an sich evident, die Lautverhältnisse mit dem Ablautspiel ö(u) : ü deuten auf hohe Altertümlichkeit, auf voreinzelsprachliches Alter des Worts : ^icölv verhält sich hinsichtlich seines Stammvokals zu ai. mulam etwa wie ftojfwg : d[ivnow, ficöQog, lat. niörus : ai. mUräh „dumm", xgcö^m : got. hrukjan „krähen", qxoXsög „Lager wilder Tiere" : (pvhj usw.''') Gegenüber diesen sicheren Ergebnissen der sprachwissenschaft- lichen Betrachtung erscheinen alle Versuche, in ficöXv ein orientalisches Lehnwort nachzuweisen, von vornherein als aus- sichtslos. ^)

Die sprachliche Geschichte von ficöXv erzählt also von alter Zauberei mit Wurzeln, wie sie überall vorkommt.

Krüt, steine und wort

diu Tiant an hreften grözen hört,

heißt es schon in Feeidanks „Bescheidenheit". Man braucht nur die Alraune zu nennen, was möglicherweise ^wjXv sogar bedeutet haben könnte. Der germanische Name der Mandra- gora beweist ihre Verwendung im Zauber, selbst wenn wir sonst von den „Alräunchen" und Galgenmännlein, welche aus

') Zur stelle S. 272 seiner Ausgabe. Man vgl. auch die Angabe der Scliolien: naQU to fnolvnv, " taxiv aipccri'Qeiv zu (pÜQnuxa.

2) Kretschmer, KZ 31, 386, Hirt, Abi. 38 ff.

3) De Lagarde, Ges. Abhandl. 172 ff., R. M. Henry, The Class. Rev. 20, 435 ; Fabeleien bei Brunnhofer , Arische Urzeit 298. Unrichtig ist auch die Ansicht, ßöJXv sei ein im Anklang an fj.ü>).vq erfundenes Wort Homers, Nägelsbach- Autenrieth, Hom. Theol.^ 191. Sogar Sokrates hat schon über das fA<3?.v gegrüljelt und deutet es als Symbol der Vernunft, Xenoph. Apomn. I, 3, 7.

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Wurzeln der Pflanze hergestellt werden, nichts wüßten'): ahd. alriinat, nmd. alrUne ist die „ganz {al) geheimnisvolle Wurzel" : got. rmia „Geheimnis", as. ahd. rüna „geheime Be- sprechung", ags. rün, aisl. rünar „geheimnisvolle Unterredung, Runen" (s. o. S. 41). Besonders wichtig ist für die Homer- stelle der Sagenzug, daß die Alraune nur sehr schwer aus- zugraben ist. Sie wird besondei-s gern unter einem Galgen gefunden; im letzten Mondviertel zur Zeit der Sonnenwende oder sonst in geeigneter Stunde wird sie unter magisclien Be- schwörungsformeln, oft unter Verwendung eines schwarzen Hundes, gegraben; in dem Augenblick, da sie von der Erde weggenommen wird, ächzt sie schauerlicli auf, und dieser klagende Aufschrei kann der suchenden Person besonders ge- fährlich wei'den.2) Die Alraunwurzel findet im Liebeszauber Verwendung, verleiht Reichtum und Fruchtbarkeit und ver- bürgt insbesondere reichen Kindersegen. Wir lesen bei Dios- KtJEiDES geradezu: (/(a'dQayoQccg , oi ös dvTipjXov, ol öh diQ- y.aiav, ol 6\ KLQyudar xalovoiv. tJi^iS?) öoxii r/ Qi^a eivcu jTonjTix// . . . Ähnlich finden wir bei Plinius, Hist. nat. XXV, 13,94 die Angabe: mandrarjorani alii Circaeum vocant . . . cavent effossuri contrarium ventum et tribus circulis ante gladio circum- scribunt; postea fodiunt ad occasum spectantes. Also alles deutet in der Überlieferung auf Zauber, was auch eine Betrachtung allgemeiner Art bestätigt.

Die Kirkeepisode ist nämlich ein Märchen, der ganze Stil, vor allem die Motivierung ist märchenhaft.') Die Zauberin, des Helios Tochter, eine zweite Medea oder Hekate, wohnt im Innern eines düstern, nächtigen Waldes in ihrem Hexen- haus, dessen Rauch man von weitem aus den Bäumen empor- wirbeln sieht; die Hexenverwandlungen von Menschen in Tiere,

») Grimm, Myth. 4, 1005ff., Horst, Zauberbibl. 6, 277 ff., Schlosser, Sage vom Galgemiiäunlein, Diss. Münster 1912, Usener, Kl. Sehr. IV, 131.

2) SöHNS, Unsere Pflanzen 5, 1912, 148; Hertz, Ges. Abbandl., 1905, 259 ff. ; Marzell, Zauberpflanzen, IS'aturw. Wochenschr., N. F., 8,11. Ab- bildung z. B. bei SciiRADER, Reallex. d. idg. Altertumsk.'^, 1917, 72. Aus ■mandragoras volksetymologisch umgebildet ist frz. main-de-gloire einer- und engl, mundrake, norw. dragedukke, eigtl. „Menscheudrache" andrerseits, siehe dazu Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 151 f.

•'') Siehe dazu Verf., Kalypso, 1919, 9 ff., 17, wo weitere Literatur.

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die aber ihre Menschenveriiunft behalten, der stattliche Hirsch der die Opfer in den Hexenwald locken soll {x 158), die Zauberpflauze, welche die in Tiere Verwandelten in manchen Märchen erlöst, wie in Grimms Märchen von Joriiide und Joringel, wo die von der Hexe in eine Nachtigall verwandelte Heldin mit einer blutroten Zauberblume erlöst wird»): all diese Züge beweisen den Märchencharakter der Kirkeepisode. Jetzt verstehen wir, warum gerade Hermes dem Helden bei- steht : nicht etwa als Götterbote vom Olymp gesandt, sondern in seiner Eigenschaft als Gott des Zaubers. Ganz richtig nennt Lykophron a.a.O. den Hermes den Kragog, d.h. den Totengott (zu zztgta, y-TtgiCscr, Öi.u-xtoQoq).'^) Nur durch Zauberkraft gewinnt er die Wurzel, da er sich bloß da, wo er gerade steht, zu bücken braucht, um die sonst so versteckt wachsende Zauberpflanze aus dem Erdreich zu ziehen: solche Kräutlein wachsen nicht gerade am Wege, können nicht im hellen Tageslicht mühelos gegraben werden, sie stehen im schattigen Waldesdunkel am versteckten Ort ,

ii)o hei mistelschiverem Tannbaum die Älraumvurz heimlich aufsprießt;

nur zur guten Stunde nach langen Vorbereitungen glückt unter Gefahren die magische Handlung. Daher fügt auch Homer ausdrücklich hinzu (x 305 f.) :

ävögäöL yt iivfjTolcii, d-tol 6t re jiävxa. Övvavrai.

Übrigens deutet noch eine weitere Stelle in der gi'ie- chischen Überlieferung selbst darauf hin, daß das Moly eine Zauberwurzel war gleich unserer Alraune oder der Spiing- wurzel unserer Märchen^): eine andere Zauberin, gleichfalls eine Heliostochter wie Kirke, nämlich Pasiphae, bedient sich in einer Sagenfassung, die deutlich von der homerischen olini der Kirke abhängig ist, einer Zauberpflanze, die Wurzel der

') Verf., Kalypso 9, A. 4.

-) Nicht zu xxäo&ai als Gott des Gelderwerbs, wie von Holzinger S. 125 übersetzt.

3) Siehe noch Marzell, Zs. f. Volksk., 1914, 24, 17; Wortii. Brauch 12, Iiidex H. V. Wurzel, Hkhn, Kulturpll. u. Haust.«, 1911, 201 ff.

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Kirke, KiQxaia qil^cc genannt wird;') wir lesen nämlich bei Apollodor III, 15,3: IIqöxqlv Ktcfcdog (lyfjfar). t) dl Xaßovoa •/Qvoovv 6xt(farov IlTsXtovTt awEvimC^rai, 'acu g^cogad-ttöa vjib K£(fdXov :!iQbQ Mivcoa (fevyFt. 6 de avvfjc tQÜ xai jteid-ti Ovi'iAdth'. Et Öt yi ovi>£X.ihot fwi) M'ivcoi, äövvarov i'iv cdxi]v CKod^Tivai. IlaOKfcaj /«(), SJceiö^ jioXXaiq Mivcoq övv7]vvaC,£ro yvi'äi$.\r, IffaQ^iäy.Evöiv avrdj', yxa bjtöxs aXlij övj'EvvdCoiro, tlq ciQ&^Qa cuf'iti {))/Qicc, xal ovrcog djiojXXvrro. tymnoc, ovr avTOv xvi'a rcr/yv dxovriov re i&vßoXov, am rovroiq ÜQOXQig öovoa T?]r KiQxatar jraTv (nt,av Trgog rb {i7]6h' ßXdipai Ovvtvvd- Ztrcu. Die Ähnlichkeiten sind zu groß, als daß man Un- abhängigkeit von der homerischen Kirke erzählung annehmen könnte. Obwohl aber bei Homer die ganze Pflanze, auch die Blüte, beschrieben wird, nennt der Dichter hier nur die Wurzel der Kirke, was (.icöXv nach unseren Ausführungen eben wirklich bedeutet. Bei Eusthatios ist die Sage er- halten, das luöXv sei nach einem Kampfe der Kirke mit einem sie bedrohenden Giganten Pikoloos aus dessen Blut entstanden. Damit läßt sich nicht nur vergleichen, daß aus dem Samen des Galgenmannes die Alraune entsteht, woran Schwaetz^) erinnert hat, sondern auch die blutrote Farbe der Zauber- blume im deutschen Märchen will beachtet sein.

Seit Aristaech hat man sich darüber gewundert, daß der Name des Moly nicht wie in anderen Fällen von Götter- worten auch in der Menschensprache vom Dichter angegeben worden sei; der alexandrinische Gelehrte setzte die Öuih], oxL ovx tijie, jccög y.uXHxat jtag' dv&Qcojioig' tJt/jyaye yovr oxL dyvcoöxov löxiv dv&Qcojioig. Ähnlich meint der Scholiast: ovxtxt jTQOötd-rjxs JtaQcc dvd-Qcojtoig övofidC,t6dai, vjiIq xov f/t) ^?jx(:lv rjfiiv x?]i' Qi^ai'. Gewiß war es die Vorstellung des Dichters, daß es sich hier um ein geheimnisvolles Wort handle, das er deswegen nicht in die Menschensprache über- setzt, weil die Menschen das magische Kräutlein nicht kennen, sondern es nur unter Anwendung von Beschwörungen mit

1) Siehe schon Schwartz, Prähistor.-anthropol. Studien, 1884, 471 ff., dessen Deutung von Moly als einer „Blitzhlume" freilich Phantasterei ist; ferner Gruppe, Gr. Myth.^ 708 und Radermacher, Die Erzählungen der Odyssee, Sitzungsber. d. Kais. Ak. d. Wiss., Wien 178,1, 1915, S. 6.

") a.a.O. 472 f.

(lüntprt, Spi'uclio (lov (iötter und Geister. 7

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dem „eigentlichen" Namen der Götterspraclie auf dem Wege des Zaubers gewinnen können.

Die spracliwissenschaftliclie Nacliprüfung ergibt also in diesem Falle, daß es sich um Vorstellungen volkstümlicher Art, um Wortaberglauben handelt, der bei dem märchenhaften Stil der ganzen Episode ohne weiteres von dem Dichter dieser Stelle beibehalten wurde. Das Wort selbst aber ist nicht eine künstliche vox mystica oder ein Fremdwort, i) wie sie in späterer Überlieferung, in Zauberpapyri, insbesondere auch für Pflanzen und Zauberkräuter belegt sind, sondern der Sänger wählte nur ein altertümliches, etwas verstaubtes Wort, 2) dessen eigentliche Bedeutung nicht mehr recht klar ^var, und das oft im Zauber vorkommen mochte. Das daraus entstandene Begleit- gefühl genügte dem Dichter, um das Wort der Sprache der Götter zuzuschreiben. 3) Die homerischen Griechen wollen von Zauberei und Hexenkunst wenig wissen, solche ,Wwrzeln" wie das Moly wachsen nicht in der heimischen hellenischen Erde; aus fernen Ländern, aus Ägypten oder Kolcliis, kommen sie her, wie das Epos selbst (d 229) angibt :

. . . Aiyvjcx'u], rfj jiXtlüta cpigti ^iiöcogog aQovQa (paQfiaTca, üiolXa {/ev ioB-Xä fiEiuyfdra, jcoX?m 6e XvyQa.

Eine Art magischer Speise ist auch dfißQooia und vtxraQ, der die Götter nach homerischer Anschauung allein ihre Un- sterblichkeit verdanken. Wenn diese Wörter auch gerade nicht ausdrücklich als Bezeichnungen der Göttersprache ge- nannt werden, so ist doch in Wahrheit das tatsächliche Ver- hältnis dem Gebrauch von (.uölv nicht unähnlich. dftßQooia und rtxTag bedeuten beide als Synonyme „Unsterblichkeit", welche die Götter also unmittelbar in Form einer Fäulnis und Todeskeim zerstörenden Zaubernahrung in Form eines

') R. M. Henry, The Class. Eev. 20, 435 vergleicht sachlich mit Recht Stelleu aus Zauherpapyri und faßt Hermes richtig als Gott des Zaubers in der Kirkeepisode; seine Schlüsse auf die sprachliche Katur des Worts fidjXv aber sind ganz verfehlt.

^) Man könnte etwa unser Wtirz für Wurzel (hinsichtlich des Begleit- gefühls) vergleichen in Springiourz, Hauswurz u. dgl.

^) Man vgl. das heil der Trolle von Hallingdal oben S. 58f.

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(fiiQUaxor zu sich nehmen ; an andrer Stelle i) habe ich schon betont, wie naiv und realistisch sich die homerischen Griechen die Wirkung dieses Kräutleins gegen den Tod dachten : es war eine die Fäulnis und Verwesung vernichtende, daher ewig jung und gesund erhaltende Panacee, und nur diesem Universalmittel allein verdankten die homerischen Götter ihre Vorzugsstellung vor den Sterblichen, denen eben jenes Lebens- elixir, jene kraukheitsvernichtenden Säfte der Götterspeise nicht zugänglich waren. Auch die germanische und keltische Mythologie kennt ebenso wie altorientalische Sagen die leben- und jugendspendenden Äpfel vom Baum des Lebens, und die Gewinnung vom Wasser des Lebens ist ein weitverbreitetes Märchenm.otiv. So begegnet in der nordischen Literatur ein Kraut, das abgehauene Glieder vor Verwesung schützt, Fas. III, 396,2) und selbst Odins Dichtermet scheint ursprünglich nur mehr ein solches Lebenselixir gewesen zu sein; 3) Runen, die eingemengt wurden, hatten ihn zauberkräftig gemacht, wie es Sigrdrif. 18 heißt:

allar voru af sJcafnar ])cers vgru d ristnar oJc hverfpar vip enn helga nijg]) ok sendar ä vipa vega.

„Abgeschabt waren alle, die eingeritzt waren, und in den 'mächtigen Met' (d. i. eben Ößrerir) gemischt und weiten Weg gesandt" (s. o. S. 40).

Da die Götter der homerischen Welt also grundsätzlich und im Wesen sich von den Sterblichen nicht unterschieden, erklärt sich aus dieser gleichen, nüchternen Auffassung der Unsterblichkeit als krankheitsfreies Beharren in einem Jugend- zustand dank jener allheilenden Medizin der Götterspeise ohne weiteres die Einschränkung des Worts IxcoQ auf das Blut der Unsterblichen im Gegensatz zum menschlichen aif/a. Die Götter enthalten sich aufs strengste jeder Menschennahruug : also, so folgert der in in diesen Dingen sehr rationalistisch

') Verf., Kalypso S. 158 ff., über meine Etymologie von vtxrccQ S. 161 f.

*) Vgl. Gering, Über Weissagung und Zauber im nord. Altertum, Kieler Prorektoratsrede 1902, S. 21.

3) Heusler zu Genzmers Edda, 1920, II, 169, Fußn. 4. Über den heiligen Met vgl. auch Kauffmann, Balder 192.

7*

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denkende aufgeklärte Jonier der homerischen Zeit also können die Götter auch nicht denselben Blutstoff besitzen wie die „brotessenden" i) Sterblichen. Der Götterleib besteht an sich nicht etwa aus feineren Substanzen und Elementen, die homerischen Götter sind keine Sylphiden, sie haben keine Astralgestalt, sondern der Körper der Unsterblichen bleibt nur schön, stark und jugendlich, weil die aseptische Kraft ihrer Nahrung Jede schädlichen Keime abtötet. Wird doch einem toten Menschenkind wie Hektor ein wenig Ambrosia und Nektar zur Aufhaltung der Verwesung eingeträufelt (vgl. T 39 oder W 186), und umgekehrt wird ein Mensch unsterblich, sobald er die Ambrosia und den Nektar genießt. Man be- achte den scharfen Gegensatz, der ,' 196 ff. zwischen den Speisen von Kalypso einerseits und Odysseus andrerseits betont ist:

pviicp?) öh xiihkL jtaQCi Jiäöav iÖcodtjr,

to&tip y.al jiiveiv, oia ßgorol ävÖgsg tdovoii''

avTtj 6^ dvTiov t^sv '06voO/~jog {^doio,

T)J dl jtaQ^ dfißQOOitp^ öficocu xcu I'^XTCCQ tdtjyMV.

Wer so kühl und nüchtern, fast möchte man sagen natur- wissenschaftlich, denkt, der muß zur Ansicht gedrängt werden, auch das Blut der Unsterblichen, das aus der Götterspeise entsteht, müsse ein feinerer Körpersaft gewesen sein als das dick und träge fließende «1//« der Sterblichen, wie es sich aus deren grober und derber Kost umsetzen muß. Als Aphro- dite von dem berserkergleich wütenden Diomedes an der zarten Hand verletzt wird, erzählt der Säuger, E 339 ff". :

Qtt d' äf/ßQOTor aif/a d^toio, Ix^oQ, olog jrtQ rs QttL fiaxaQtdOi. d^tolöiv ov yctQ (jirov tSouo', oi' Jilvovif cudojia oLvoV tovve'k' ilraiiiovtc. tlöi xal dOdraTOi yMXtovTcci.

Da wir also sachlich ohne weiteres verstehen, daß man in dem Götterblut einen ganz besonderen, feinen Saft sich dachte, dürfte es ein Leichtes sein, auch rein sprachlich die Wahl gerade des Worts Ixojq für den göttlichen Lebenssaft

') Wie bedeutsam dieses zunächst so farblose Beiwort al(pi]arai ist, ergibt sich aus unserer Betrachtung.

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zu erklären. Deim niclits anderes als eben ..fehle Fliisaiykeit, dünner Saft'' in mensclilichem oder tierischem Fleische, „Lymphe" hat im Altgriechischen iyoJQ bedeutet. Das zeigen ein paar Belege anschaulich. Wir lesen in Platons Timaios 82 E : orav /«(> T?]xofttvfj oc'cq^ drdjcahv siq rag cpXeßag n)v T7ixiö6va t^ifj, TOT£ fJcTCi jcrtvfiatoq aifia jiolv . . . '/[pXäg xcu lywQag xcd qXtyiiara jtavxoiu Icyßi, und besonders 83 C : iycoQ ÖE, 6 (ihv aificcTog oQog Jigäog, 6 6\ fis^.aivfjg yoXfjg ös^lag re äyQiog. Ferner vgl. Athen. 9, 399 E : (ü) ^.vjctirco de o' oQcövra hyöiQa Oxä^ovra xQtcöv, all' löd-it Xdßgojg oder Aristot. hist. anim. III, c. 2, 19: xotvotarov (itv sott ai^ia jiäöi zolg tvaifioig Cfooig . . . iJTaira de ro clvdloyov rovroig, lycoQ xal ivtg. Be- sonders deutlich ist die Stelle III, c. 19,94: ylvtrcu y«()(sc. ro aificc) iycoQOtiötg, xcd öiOQQOvrui ovzcog Sors rjö?] XLVtg löiöav aifiarojÖtj 'lÖQcöra oder 95: yirttai 6h jcezzofitvojv Ig lycöQog fdr cdiita, ig aiiiazog de jiL^eh'j. Auch von dem wässerigen Bestandteil der Milch wird lyrng gebraucht, Arist. hist. anim. III, C. 20, 100: jräv 61 ydXa lyti iyöjQa vöazcoB-jj, o xaXtizca oQQog. Schon diese von Homer klärlich völlig unabhängigen Belege zeigen, daß das Wort insbesondere der wissenschaft- lichen Fachsprache angehörte, in der Volkssprache scheint es wenig üblich gewesen zu sein. Lange war lycoQ noch ter- minus technicus der Mediziner ; so ist es z. B. bei Philolaos dem Pythagoreer 1) : Xiyti 6e zi/v yoXt]v lyoJQa üvat zTJg öccq- xög. üiaQd6o^6v zs avzög dvrjQ £Jil zovzov xtLVtf Xiyu ydg (i7]6s zezdxO^cti im rop 7Jjtazi ypXiiv, hymQ*^ (isvzoi rfjg öaQxog elvai zrjv yoXriv. Ähnlich Anaxarchos 27 (= bei Deels II 3, S. 145, 17) : zovzX (ilv alfia xal ovx lycoQ. Vgl. auch die An- gabe Hipp. X. eß6. c. 7 = Pseudo - Galen, ji. aizlag nad^öyv ed. Helmreich, Hermes, 1911, 46,442: oxozav z6 zijg ipvxf'ig ^tQ- Hov zf~jg zoc dvd-QOjjcov Iv zoiöi OJrXdyyroiöi xal zfiöi (fjXtipl ytvrjzai jcXtov zov Iv zovzoiOi zotöi yrngioiOiv övyyevtog &tQfiov zbv tycöga zöv tS.o) zov ocofiazog zov vyQOP xal xpvyQOV owdyov hp' Uovzo Hörn, 7jjriaXov Tioitl zozt ism zov 6m(iarog xzX. Die Etymologie von ixmg ist für unsere semasiologische

') Siehe Diels, Vorsokratiker 32, A. 27. P, 308, 24. 26. Ich verdanke den Hinweis darauf der Freundlichkeit des Herrn Prof. Dr. Erwin Pfeifer; vgl. auch E. Smith, Maal og Minne, 1918, 18.

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Frage, warum gerade dies AVort das Götterblut im Gegensatz zu dem Synonym «///« bezeichne, verhältnismäßig gleichgültig ; man gestatte mir aber doch, daß ich kurz darauf eingehe. Ein Zusammenhang mit ix//«c, wie ihn G. Meyer i) vermutete, ist nicht vorhanden; Peellwitz^) verweist auf eine Wurzel si „senden", Persson^) möchte Ablaut zu alf/a annehmen, ohne über die Länge des anlautenden l- eine Erklärung zu geben: alles verfehlte Vermutungen. Wörter auf -ojq als Maskulina sind im Altgriechischen selten: außer 6 xbXwq ist vor allem 6 axcoQ „Grind, Kopfausschlag" zu nennen. Mir scheint es da nicht zu kühn, trotz des verschiedenen Akzents äxcoQ und iymQ miteinander zu vereinigen. Die Bedeutungen „wässeriger Hautausschlag" auf der einen und „Lymphe, wässeriges Naß im Fleisch" auf der anderen Seite stehen sich äußerst nahe; man vgl. eine Stelle, wie Galen. 14,313 (ed. Kühn): djcöQfiq Ovviöravrai JitQl zo Z'fjg x8cpa?S/g öfQfia. covdfiaörai de djio rov övfiJiTOjftarog. Xtjiräg yccQ eyei xaza- TQrjösig, 6i' cov djcoQQtei iyjcoQ yliöyQog: dycjQ (äyojQ?) ist also lx<^Q yXioxQog.

Formal sehe ich in iycoQ eine i- Reduplikation von äyojQ-, denn nicht nur in Praesentien wie yiyvo^icu, l'ortif/i, lat. sisto usw., sondern auch bei Nomina war eine i-Eeduplikation seit alters üblich.'*) öjüjievco, jraQ&-£vomjra , tv-Iji?j, aw. Im (zur Basis *oqu- „sehen" in öaos, lat. oculus usw.) zeigen ebenso wie uQ/pn] d. i. iQavä zu dgagiöxo) dieselbe Kontraktion des re- duplizierenden i- Vokals mit der Schwächung des vokalischen Stammanlauts, auch hier ist, wie in lyok), die Kontraktions- silbe nicht betont, weil sie eine Schwundstufe enthält: wie also iQaj'ä < i -{- dr- zu normalem dg- in aQaQioxoj, 'wie tv-Tjttj aus <i-{-9cp- zu *dx- in öoai: (<*öxie) entstand, so deute ich tycoQ aus i + dy- zu normalstufigem chyrnQ. Dieses selbst hat schwerlich mit dyvQov „Spreu", dxvQÖv „Spreuhaufen" etwas zu schaffen diese Wörter gehören vielmehr zu dyv7i, got. ahana „Spreu" usw. , sondern ich verbinde dxcoQ un- bedenklich mit 'AytQvjv, 'Ax^QOVöia, dx^QOvota' vdaxa tXmdij

') Et. Gr. Wb. II, ib. ') Et. Wb.^ 201. «) AVurzelerw. 112, A. 2. *) BruCtMANn, nQt'jrtj, Ber. d. sächs. Ges. d. Wiss., 68,3, 1916, S. 14ff., Verf., Idg. Ablautprobleme S. 134.

103

Hes., weiterhin sind demnach lit. izeras, azeras „Teich, See", apreiiß. assaran „See", russ. ö3cpo „Landsee, See" anzureihen, deren Grundbedeutung deutlich „sumpfiges Gewässer, Schlamm" war. Da wir bei Homer die auffallende Akkusativform iyß E 416 finden, scheint im Nominativausgang trotz des ab- weichenden Geschlechts das bedeutuugsverwandte vöcoq ein- gewirkt zu haben, obwohl wir r- Ableitungen ja auch in jlyJ()(or und seinen Verwandten antreffen. Jedenfalls ist lyo^Q, rein formal betrachtet, ein uraltes Wort, weil an seiner Ge- stalt Gesetze geschaffen haben, die weit vor der historischen Periode der homerischen Sprache wirksam waren.

Was andrerseits gr. aliia betriffst, so halte ich an der gut begründeten Vergleicliung mit nhd. Seim, ahd. seim, nhd. seimig „schleimig", mnd. sem, holländ. seem, norw. (dial.) seima „Schicht von Schleim oder zäher Flüssigkeit" fest,') glaube freilich, daß auch die Sippe von nhd, Schleim, schleimig speziell im Hochdeutschen als Reimwort einigen Einfluß auf die Bedeu- tung gewonnen hat: Seim scheint ursprünglich „dicker Saft" besagt zu haben, erst die häufige Verbindung mit Honig, ahd. honanyseim ist an der engeren Bedeutung „süßer Saft, Honigsaft, Syrup" schuld. Daher glaube ich auch nicht, daß ccluvhog „schmeichelnd", cufiv2.of(//T//g „geschickt im Täuschen" mit a\ucc und Seim zu verbinden ist, wie man 2) gemeint hat ; dieses Adjektiv bedeutete „listig berechnend", und ich sehe keinen triftigen Grund, es von cd'fwjp und seinen Verwandten loszureißen.

Unsere bedeutungsgeschichtliche Frage, warum lycog das Götterblut im Gegensatz zu dem ali/a bezeichne, ist also auf das einfachste gelöst; es gab urgriechisch zwei synonyme Wörter für „Saft": tyojQ war lymphenähnlicher, wässeriger Körpersaft, iclifa aber, das gewöhnliche Wort für „Blut", hatte diese Bedeutung wahrscheinlich aus einer allgemeinen von „dickflüssiger, schleimiger Saft" verengt. Den geschilderten Anschauungen vom Wesen der (>eia ^ojovTtg entsprechend

1) Osthoff, MU. i, 144; Prellwitz, Gr. Et. Wb.* 15; Boisacq, Dict. et. 24.

^) ScHRADER, KZ. 30, 463. Sehr fraglich sind mir Schröders Kom- binationen ZfdA. 42, 67.

104

konnte man zur Bezeichnung des Götierbluts nur lyo'j{t wählen. Man kann jene Stelle, von der wir ausgingen, E'SSOfl'., ein- fach übersetzen: „es floß das unsterbliche Blut der Gottheit, der (flüssige oder wässrige) Saft, wie er bei seligen Göttern zu fließen pflegt."

Die Fälle Ixcoq, vty.raQ und dfißgooia scheiden also als Belege für die homerische Göttersprache im engeren Sinne aus : wenn sie auch tatsächlich auf die Götterwelt beschränkt sind, so erklärt sich dies aus den Anschauungen, welche in homerischen Zeiten vom Wesen der Götter verbreitet waren.

6.

Wir wenden uns den Begriffen zu, bei denen Homer Doppelbenennungen, ein AVort der Menschen- und der Götter- sprache nebeneinander, angibt. So an der Stelle a 291 :

OQind-i hyvQij evaXlyxiog, ?/v r' h' Öq86öii> XaXxida xixh]öxoi^öi ß-eol, ärÖQeg de xviavdiv.

Es handelt sich um einen gespenstischen Nachtvogel, in dessen Gestalt Hypnos eine riesige, bis zum Äther ragende Tanne erstiegen hat, um eine Art Uhu oder Kauz, der im Aberglauben eine so große Rolle spielt. Daß dieser unheim- liche Gespenstervogel xaly.iq eigentlich ein verzauberter Mensch war, merken schon die Schollen zu diesem Vers an: in Argos erzählte man von einer gewissen Harpalyke, die von ihrem Vater Kymenos vergewaltigt worden war. Den dann geborenen Sohn Presbon läßt sie schlachten und setzt ihn dem Vater als Speise vor; sie aber wird in den yalxlg ver- wandelt. Andrerseits ist XalrAg der Name der Mutter der Kureten, die auch K6[ißrj heißt: diese -/.öußij aber wird ihrer- seits der 'xoQcort/ (svdXiog) gleichgesetzt nach Ausweis der Hesychglosse : xoifßa xoQo'nnj IIolvQQf'jrioi. Es ist nahe- liegend, an einen Sturmvogel zu denken, der beim Gewitter- zauber beteiligt ist. ') Nach Studniczka ') wäre der fliegende

') Gruppe, Gr. Myth. 899. '') Arch. Jahrb., 1887, II, 280.

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\'ogel, der auf alten Münzen aus Chalkis abgebildet ist, nichts anderes als dieser Gespenstervogelj die xo^ißi}.

Fragen wir, warum die Menschen diesen unheimlichen Nachtvogel xv/iiröig nennen, die Götter aber yalyJg, so läßt sich antworten, daß der alltägliche, gewöhnliche Name des Vogels zweifellos zrinröic war. Auch von Aristophanes Av. 1181 wird neben yriw chrck dieser xvfuvdig erwähnt, und über ihn finden wir bei Aristoteles, Hist. anim. 9, 12 be- stimmte Angaben, worauf schon die Schollen ä291 Bezug nehmen: o xi\uii'6ig oIxh fdr öqij, Ion 6t iiümq, '/lalx'iL^cov, Tfjv XQOicn^ xal ^dys^oq oööov ItQas ö (paöOofpovog c6q

q)}]6lV jiQtÖTOTthjQ 1) JTCiQti Öt TtOll' dtjXvzojQ Xiftrai fj XV-

fiiröiQ. Der Name dürfte zu jenen halb onomatopoetischen Vogelbezeichnungen gehören, welche enger oder weiter mit xavas, xav7]g verwandt scheinen, wie auch xi?:i\uog, xixvfdg, x'ixvßig, xiTVfug, xizxdßf/ ; lat. cuciibire stellt auch nahe, yal- xig dagegen, das natürlich nach der /rdxoc- Farbe den Vogel benennt s. o. xalxi^cov in der Glosse; , war gerade bei der allgemeinen adjektivischen Bedeutung ein viel geheimnis- vollerer, weil vieldeutigerer Name mehr andeutender als scharf bezeichnender Art: „der eisenfarbige, dunkle".''^) Nach spä- teren Angaben kann denn auch yaXydg einen Fisch und eine bestimmte Eidechse bedeutet haben : Aristoteles, Hist. anim. VIII, c. 24, 147 dxoxreh'ei öh Öäxvovda rj öcpööga Jtoisi alyüv xcu 7) xa?,oi\uey7j yahdg vjto rircöv, vjtö 6' evicov C^iyvig. Dazu halte man die Hesychgiosse ^lyvlg- 1) yalxi] öavQa.'-') Ari- stoteles fährt fort: eOti ö' ofioiov ralg ^iixQcüg aavQaig, xb öl xQcö^ia tolg rviflivoig ocpeoiv. Aber ebd. 4, 103 heißt es auch: ip6(fovg öi rirag äffiäöi (sc. iy^veg) xai zQiyfiovg ovg Xtyovöi (jpmvslp . . . sri 61 yaXxlg xcd xoxxv^.

Gehen wir auf den Gefühlswert ein, der den beiden Synonymen yalxlg und xv{ai'6ig im Altgriechischen anhaften mußte, so löst sich leicht das Problem ihrer Verteilung auf Götter- und Menschensprache: das nüchtern alltägliche, also

1) A. a. 0. : Hist. anim. 9, 12.

''') Vgl. oben die marokkanische Umschreibung „jener der Kacht", S. 15, sowie andeutende Umschreibungen wie vvxrtQlg, l&t. noctua, n.M. Klage- mutter, Tolenvoyel, Leichhuhn u. dgl. für „Eule".

«) Thompson, Greek birds 108 ff. ; Boisacq, Dict. et. 534.

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xv/jivdig, konnte natürlich nicht als Wort der Götterspi'ache ausgegeben werden, das allgemein andeutende, daher geheimnis- vollere und vieldeutigere ;fo:2x/g aber schien dem Dichter um so passender, als es Sagen über eine Verwandlung in diesen Vogel gab, als man sogar eine Gottheit des Namens kannte. So erhielt der Ausdruck der Göttersprache zugleich eine ge- wisse Farblosigkeit und Vieldeutigkeit, so daß sein Verständnis den Menschen nicht ganz leicht und klar war. Es ist nur gut begreiflich, wenn man meinte, die Göttersprache sei nicht jedem Menschen oder weiteres verständlich; da aber andrer- seits keine Barbarenwörter den Göttern zugemutet werden konnten, ließ sich diese vorausgesetzte schwere Faßlichkeit von Götteraussprüchen nur erreichen, wenn vieldeutige, mehr andeutende und anspielende, als wirklich scharf bezeichnende Worte den Göttern zugesprochen wurden. Man kennt ja die Doppelsinnigkeit der späteren Orakel, die auch auf ähnlichen Ursachen beruht, das bekannte yJß6)]Xov der Sprüche des Aos'iac, zu der wir also erste Ansätze in diesen Fällen der homerischen Göttersprache entdecken. Man fühlt sich an die Verse er- innert, mit denen der Chor in Aischylos' Agamemnon 12541 Kassandras Weissagungen bespricht:

KaöödvÖQCi' %ai fi/)v äyccv 7' "EVj/v' bJiiöTajiac (pdrcv. XoQog' y.al yaQ jtv&öxQaj'ta' öv<jf/a{)-fj 6^ ofimg.

Diese Vorstellung, die Götter redeten zwar hellenisch, aber doch für menschliches Fassungsvermögen dunkel und schwer verständlich, ließ sich praktisch am einzelnen Wort eben nur durch die Wahl allgemeiner, andeutender und vieldeutiger Worte veranschaulichen.

Sahen wir, daß schon bei der ChalMs Eigennamen herein- spielen, so ist dies erst recht bei allen noch übrigen Belegen der Göttersprache bei Homer der Fall. So lesen wir 5 813 ff.:

iöTi Ö8 TLq jT{tojidQOid-t jToZioQ cdjiüa xoXoj)'?/ . . . rrjv i) TOI ävÖQhq Baritiav xlxXi/Oxoi^Ou^, dd-dvaroL öt rs 6i](ia üioXvöxdQih^oio MvQlvfjq.

Ich kann auch in diesem Falle nur denselben Grund zur Ver- teilung der beiden Ortsbezeichnungen erkennen, den wir oben ermittelt haben: Der alltägliche, von vornherein gegebene

107

Ausdruck i«t Bariiia: Das Wort bedeutet „Dorngebüsclr' als Ableitung zu ßchog, ßatig „Dornstraucli". Eine mehr diclite- risclie Umschreibung dieses nüchternen Ortsnamens ist dem- gegenüber afjfia MvQiVfjg. Ich kann es nicht für richtig halten, in dem Namen Myrina selbst ein Wort mit dem Sinne „Dorn- strauch" zu suchen, indem man etwa an fjvQix?] „Tamariske" erinnerte, sondern wir haben es hier mit einer Heroine und Heroenkult zu tun. Denn nach Angabe der Schollen war MvQivti eine Amazone, und ich wüßte nicht, weshalb man dieser bestimmten Angabe den Glauben versagen sollte ; Schol. ad B 814 : jioXv(jxdQ9^fioio ' xoXvxivrjrov, raxsiac, öiä ütoXXä IvtQyslv avxTjV Iv reo jioXi^uo' OxccQf^f/ög yag t) zcöv jroöc'iv xivi]öig. MvQiva 61 l4fiaL,(yrog örofia. Dazu kommt die An- gabe bei Strab. XII, c.6, 573 : ojrov xal ^Af/aC,6v8g xartd-aQQtjöav avxTjg . . . xoXeig de jralaiai of/oXoyovi'tai ajio'ji'Vfioi avrcöv' iV öl ra 'IZiaxff jcsÖlo) xolowi] xig \ozlv, 7Ji' tjzoi ^ävögeg Bazl- Eiav xixhjOxovöiv, dd^avazoi ös ze öf/fia xoXvöxc'cQd^fioio Mv- Qivrjg'. . . . xal ?) MvQtva ovv STrcovvfiog zavzrjg Xtyezai.

Ob das Sage ist oder ob sich wirklich ein ö;)//« auf dem Hügel befand einerlei, auf jeden Fall handelt es sich um eine Kultstätte einer eponymen Heroine in der Troas. Daß auch sonst in Kleinasien Verehrung von Amazonen vorkam, daß Amazonengräber Gegenstand kultischer Verehrung waren, ist deutlich nachgewiesen. ^)

Wenn die Götter jene Stätte, welche die Menschen nüchtern das „Dorngebüsch" heißen, nach der Verehrungs- stätte eines ihnen näherstehenden Wesens, einer Heroine, be- nennen, welche ebenfalls göttliche Verehrung genoß, so ist das ohne weiteres einleuchtend; anders ausgedrückt: warum der Sänger die Verteilung der synonymen Bezeichnungen der betreifenden Örtlichkeit eben gerade so und nicht umgekehrt vornahm, glauben wir vollauf verstehen zu können.

Genau dieselbe Sache liegt vor bei den beiden Namen, die der Skamanderfluß in der Troas bei Homer führt; F74:

^dyag jcoza^bg ßad-vdivi]g, ov Scwd^ov xaXtovOi d-Eol, ävÖQsg dt ^xäiiavÖQOV.

') Siehe F. Pfister, Reliquienkiüt im Altertum (= Rel. Vers. u. Vor arb. V), 1,281 f.

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Wieder ist der tatsäcliliclie Name des Flusses 2£y.aiiar'\)(}^ gewesen; das Wort dürfte ungriecliiscli und nur im Ausgang geschickt an den Stamm von dvriQ angeglichen worden sein. Jedenfalls aber hieß der Fluß tatsächlich so: das beweist sein heutiger Name Mendere, darauf deutet auch die metrische Schwierigkeit, die seine Verwendung im Hexameter bietet. Aca'&og „der gelbe", wie der Flavus Tiberis, kann demgegen- über nur als dichterisches, schmückendes Beiwort gefaßt werden, das in seiner Allgemeinheit sich, wie oben ausgeführt, als Götter wort eignete. Es wäre möglich, daß ein und der- selbe Fluß auch zwei Namen, einen barbarischen und einen griechischen, gehabt hat; soll doch der Mendere tatsächlich gelbes Wasser haben, i) Man hat auch vermutet, 2) daß ^ard-öc eine Übersetzung des fremden Worts sein könnte, vgl. den lykischen Xanthos, der ja ebenfalls bei Homer erwähnt wird 3): allein das läßt sich alles nicht wahrscheinlich machen; ja die Volks etymologische Angleichung des fremden Flußnamens an den Stamm von dvfJQ, drögog {^xdfi-avÖQog) spricht gegen eine solche Annahme. Ein Flußgott Xanthos kommt auch auf Münzen vor; 4) jedenfalls waren also beide Namen, der ge- Avöhnliche und die von einigen Dichtern gebrauchte Umschrei- bung, nebeneinander in der Überlieferung gegeben, und für uns ist es lehrreich, wie der Dichter, der diese Namen auf Götter- und Menschensprache verteilen wollte, vorgegangen ist. Der Flußgott selbst heißt meist Sdv&og, doch liest man <P 305 auch: ovÖl 2xd{zcti'ÖQog ehjyt ro ov (itvog, dXl' tri

1) Nägelsbach -AuTENRiETH, Homer. Theol.^ 438. Seltsames steht bei dem Paradoxographen Antigonus c. 78 (= rer. natural. Script. Graeci minor, ed. 0. Keller, p. 21, 18 ff.), worauf mich Herr Prof. F. Boll freund- lichst aufmerksam macht: Sop^eTv 6h xal rov 'Zxäi.iavSgov S.ar0^a noieiv, 616 xal rov 7ioj7/T/}v dvzl SxafxävÖQOV aÜvS-ov avxov uQOoayoQSveip. Ebenso Paradox. Vatican. c. 11 (= a.a.O., p. 107, 19 f.): 0 SxäfiavS^og ^avd-ag noiH xaq TQiyaq- od^ev xal Zävd-oq nag' "^Of^rjgo) nQoariyoQSvd^)}. Ähnlich Aristot. hist. anim. III, 12, 519 a : öoxel rfe xal 6 SxäfcavÖQog nora- (j.6g ^ai'&a ra nQoßaxa noielv 6id xal r6v"Ofi7jQÖv (paoiv avzl Sxafiav- ÖQOv :E:(xvd-ov nQooayoQ£vtLV avxov. Vgl. übrigens auch Platon, Cratyl. 391 E.

■■^) V. WiLAMOWiTz, Die Ilias und Homer, 1916, 381 mit Anm. 1.

3) B 877, E 479, M 313.

0 Siehe die Belege bei Waser, RE.^ 1909, VI, 2814.

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jiäXXor I yonro Urßttcji'i, xo(tv6(jt Öh xrita onoio. Also so konsequent und pedantisch, den Flußgott nur beim Götter- namen zu nennen, ist der Dichter nicht gewesen.

Einen etwas schwierigeren Fall haben wir in der Doppel- beneunung des Riesen Aigaion vor uns, A 401 ff. :

dXXa 6v xöv y' eXd^ovoa, dsä, vjreXvöao ötöfiöjv, coy' ty.ax6yyuQ0v xaXJöao' ag fiaxgoj' "OXvi^ijror, ov BQu'cQ£cor xaXiovöi d-soi, ävögeq 6a ra jrdvrag AiyaUor'' 6 yaQ avra (jhj ov jraTQog df/alrojv.

Auch hier kann Aiyalon' nur der gewöhnliche Name sein, BQUiQacog aber ist ein poetischer Beiname, dessen Sinn jedem Griechen klar und verständlich war: von ßQiaQÖg, ßgiagtog abgeleitet, bedeutet das Wort „der Starke, Schreckliche" ^) und paßt aufs beste für den von allen Göttern gefiirchteten Kraftmenschen, der selbst den Zeus an Körperstärke übertraf: mit seinen Muskeln prahlend setzt er sich wie ein gefeierter Meisterathlet und Ringkämpfer neben den Vater Kronion, y.vöa'C yaUor, und flößt mit seinen nervigen Armen allen Un- sterblichen gründlichen Respekt ein vor seinen dreinschlag- freudigen Fäusten . . . ror xcu vjiäÖaiOar itdxaQag daol ovöa

Jener gewöhnliche Name des Riesen Aiyakov entbehrt durchaus solcher Durchsichtigkeit, Es gehören erst weitere Untersuchungen dazu, um diesen Namen des Giganten in der Menschensprache zu verstehen. Meiner Überzeugung nach hängt er zusammen mit alyag „Wogen", cdyiaXög „Strand" und ging ursprünglich auf den gewaltigen Anprall erregter, sturmgepeischter Meereswogen, die mit Donnertosen gegen die Küste andringen. Dem Namen nach zu schließen, hätten wir in dem Riesen ui'sprünglich einen Wasserdämonen zu er- kennen. 2) Dies läßt sich wohl auch sachlich noch einiger- maßen stützen 3) : Aigion galt als Sohn Poseidons und war als Meer- oder Wassergeist Heros eponymos mehrerer Städte, so insbesondere der Stadt Aigai an der Westseite der Insel

1) Siehe Immisch, Rhein. Mus., 1893, 47, 294.

") Anders, mich nicht überzeugend, Gruppk, Gr. Mythol. 414, A. 5.

ä) Siehe Schömann, Opusc. II, 95.

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Euboia bei Karystos. i) Der Sage nach mußte er von Euboia nach dem Ehyndakos an der Südküste der Propontis aus- wandern, wo sein Grabmal gezeigt wurde. Somit verstehen wir sehr wohl, warum gerade die Meeresgöttin Thetis ihn aus der Wassertiefe zur Hilfeleistung des Zeus heraufholte. Später freilich trat dann eine Vermengung ein mit anderen ly.azöyx^iQoi, er wurde mit Titanen, Kyklopen, Giganten usw. zusammengebracht, weil auch er, wie Poseidon, Stürme und Erdbeben verursachte. Den bündigen Beweis für die Richtig- keit dieser Auffassung von Aigaion sehe ich darin, daß Poseidon selbst gelegentlich Aigaion genannt wird, z. B. bei Callim. fr. 103 (ed. Schneider II, 361): Aiyaiowi d^eol oder bei Lykopheon 135, wo er das Meersalz Aljaimvoc; ayvhi]v jrdyov nennt. Vgl. Valer. Flaccus Argon. 1, 629: vix litore puppem solvimus, et quanto fremitu se sustulit Aegon! Das nahe- stehende Aiyaloq als Beiname Poseidons steht bei Eur. Alk. 595.

Schon Homer nennt ja Aigai als besondere Kultsttätte Poseidons. 2) Unter solchen Umständen kann ich nicht als „Ziege" enger mit Alyakov vereinen und den Giganten für einen ursprünglichen Dämonen in Ziegengestalt ansehen, wie Gruppe 3) will, wo at/sg „Wogen", aiyiaXoq „Strand", xarai- yi^co „renne mit Gewalt an", ai. ejati „regt sich" so trefflich zu der sachlichen Seite des Problems stimmen. Ob als »Ziege" letzten Endes mit dieser Sippe lautlich verwandt ist, bleibt eine Frage für sich und hat uns hier nicht weiter zu be- schäftigen. Wenn Poseidon selbst gelegentlich Aigaion heißt, so ist dies die bekannte Erscheinung, daß selbständige Sonder- oder Lokalgottheiten zum Beinamen persönlicher Götter heruntersinken.

Damit sind die Belege der homerischen Göttersprache er- schöpft, und wir kommen zu dem überraschenden Ergebnis, daß es sich in den Fällen, wo Homer eine Doppelbezeichnung für ein und dasselbe Objekt in menschlicher und göttlicher

0 Siehe Pauly -Wisse wa EB.'* I, 945; v. Holzinger in d. Ausg. d. Lykophr. S. 186 zu 135 ; Gruppe, a. a. 0. 583, 8.

'■') 0 203 und vor allem JV21: Alyüq- IV9-« de ol xXvta. öcüfucia ßiv&soL Xifiv7jg I '/(jvaea (xaQixalQOvxa TezEvxaTai, a<pd^iTcc cclei. Vgl. auch hymn. Hom. 22, 3 : 6'^ &' '^EXixdivcc xal evQeiag ^sysi Aiyag.

«) a. a. 0. 1148.

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Sprache angibt, bei dem Göttenvort nur um eine poetische Umschreibung- allgemeinerer Art handelt; der nüchterne, alltägliclie Ausdruck ersclieint als Name in der Menschen- sprache. Man überschaue noch einmal die Paare: Statt des g-ewöhnlichen ^^y.dfiai'ÖQog gilt die Umschreibung „der Gelb- liche", Zärfhog; statt xvfurdig sagen die Götter umschreibend und andeutend die „Dunkle", Xa?.yJg; statt Aigaion gebrauchen sie den umschreibenden Namen „der Starke", BgucQHoq^ statt der volkstümlichen Ortsbezeichnung „Dorngebüsch", Baxieia, sprechen sie vom „Grabmal der Heroine Myrina". Wir sehen also, daß es sich um einen stilistischen Kunstgriff, ') um etwas Gemachtes und Künstliches handelt, um etwas, was mit wirk- lich volkstümlichen Anschauungen zunächst nichts weiter zu tun zu haben scheint, als eben den allgemeinen Glauben selbst, daß es eine besondere, eigene Göttersprache gebe: der war, wie unsere Untersuchung lehrte, seit vorhistorischen Zeiten aus den Anschauungen von der Zaubermacht des Namens und Worts entwickelt worden und war auch zu homerischer Zeit in der Masse des Volks zweifellos ver- breitet. Indem also der Dichter den echt volkstümlichen Gedanken aufgriff, blieb ihn in Fällen, wo er nun wirklich im einzelnen Doppelbezeichnungen geben wollte, nur eine künstliche Erfindung, nur das Mittel dichterischer Um- schreibung übrig, weil er seine Hellenengötter kein barbarisch es Kauderwelsch konnte radebrechen lassen. Diese Umschreibungen erschienen einmal edler und gewählter als die abgegriffenen Wortmünzen des Alltags, waren also der Unsterblichen würdiger; sodann aber blieb wegen der nur andeutenden, vielsinnigen Bedeutung solcher Umschreibungen begreiflich, warum die Götter - spräche gewöhnlichen Sterblichen trotz ihrer echt hellenischen Worte unklar und unverständlich sein mußte. Es gehört eben eine genaue und intime Kenntnis des ganzen Zusammenhangs, also eine besondere Vertrautheit mit den Gedanken der Götter dazu, um zu wissen, daß mit

*) Ich darf hier daran erinnern, daß auch die Unterscheidung alm- risdie)' und daevischer Wörter im Awesta nach meiner Ansicht letzten Grundes bloß auf stilistischen Erwägungen beruht, Verf., Sitzungsber. d. Heidelb. Akad. d. Wiss., 1914, 13, 33 f.

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der „Dunklen" ein bestimmter Vogel, mit dem „Gelblichen" ein Fluß gemeint ist: Diese Dunkelheit und Vielsinnigkeit der Göttersprache, die wii' später aus so zahlreichen Orakel- sprüchen kennen, erscheint somit schon bei Homer als ihr bezeichnendstes Merkmal.

Ehe wir versuchen, dies unser Resultat noch mehr zu vertiefen und die eben klar gelegte Methode, wie die home- rischen Sänger bei der Schaffung von Götterausdrücken vor- gingen, in einen größeren Zusammenhang einzubeziehen, gilt es zunächst, unser Ergebnis gegen andere bereits geäußerte Auffassungen abzuwägen und zu festigen. Die Ansicht des alten Scholiasten, der zu ^403 bemerkt: toJv öwn'vficov fisv jtQOTSQor ovofia '^'0[.n]QO^ de d^tovg dvag)SQei, öl Ö8VTSQ0V dg dr&Qcojtovg, ist völlig verkehrt; einmal handelt es sich bei diesem Problem gar nicht um wirkliche Syno- nyme im eigentlichen Sinn, sondern um poetische Metaphern, sodann sind diese dichterischen Umschreibungen künstlich, also selbstverständlich jünger als die gewöhnlichen Wörter der Menschensprache. Nur im Fall jicüXv^) ist ein veraltetes Wort den Göttern zugesprochen aus sachlichen Gründen: ein entsprechendes Wort in der Menschensprache aber fehlt. Wenn Eusthatios urteilt, als Götterwort fungiere zd xqhttop Tcöv övoiidxcov, svysviOreQov, zd ötiivözsgov, SO läßt sich das nur in dem engbeschränkten Sinne halten, daß die poetischen Umschreibungen gewählter klingen als das Wort der Alltagssprache. Auch der Vergleich mit der Orakel- sprache, den man gezogen hat,"^) ist nur in dem von uns schon oben beschriebenen Umfang, also im stilistischen gemein- samen Grundprinzip, richtig. Auf ganz irriger Fährte wandelte V. Leu WEN, 3) mit seiner Ansicht, als Götterworte seien nur echtgriechische Worte gewählt worden, die der Menschen- sprache aber seien dunkel und barbarisch. Diese Anschauung würde nur für 2ixä^iavÖQoq passen, das auch wir für ein

») und TIluyxxai, /j. 61, worüber unten S. 115 f.

'■') Nägelsbach - AuTENRiETH, Homer. Theol.^* 436, der selbst erklärt, das Orakel wolle dunkel reden, bei Homer sei aber von dieser Absiebt gar keine Rede.

■0 Miieniosyue, 1892, 20, 138 ff. Über die Ausführungen von E. Smith, Maal og Miiuio, 1918, 14ff., siehe unten S. 113, A. 1 und S. 123, A. 3.

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hellenisiertes Fremdwort halten; Barlsia, xvfardig oder Aiyaicov sind aber gewiß keine Barbaren Wörter ; umgekehrt, wie kann v. Loewen in den Götternamen „einfache" Aus- drücke (simplicia a. a. 0. 139) sehen wollen, was bei der um- ständlichen Bezeichnung 0////« jroXvoyMQ&fioio MvQivijQ geradezu absurd klingt ? ') Man muß doch auch beachten, um dies noch einmal zu betonen, daß es sich in all den hierhergehörenden Fällen nie um echte, in der Umgangssprache lebendige Synonyme und deren Verteilung handelt, obwohl hier Material genug dem Dichter zu Gebote gestanden hätte. Wie hätte aber ein Rhapsode es wagen können, ein in der Volkssprache übliches Wort auf einmal der Göttersprache zuzuschreiben'-^ Auch Kvk'^ala scheint mir nicht das treibende Motiv erkannt zu haben, wenn er meint, 2) daß die klaren und durchsichtigen Wörter den Göttern zugesprochen worden wären; wie Speise und Trank bei den Göttern besser seien als bei den Menschen, so sei auch ihre Sprache vollkommener : die Götterworte wären somit verständlich und klar, die MenscheuAvorte dunkel und unverständlich. Hiergegen läßt sich sofort wieder geltend machen, daß es sich nicht um einfache Synonyme handelt, sondern um andeutende Umschreibungen, die keineswegs so eindeutig klar sind, wie Kvicala uns glauben machen will. Für iwjXv gilt diese Theorie erst recht nicht. Zudem ist dieses etymologische Werten eines Worts

*) Es braucht keiner weitereu Worte, um die Unrichtigkeit anderer Ansichten über die homerische „Götterglottik" darzutun: so, wenn Bern- HARDY und Nägelsbach- AuTBNRiETH, Hom. ThcoL' 191, § 144 behaupten, es handle sich um „für Humer fremdsprachliche Wörter", um eine „Tra- dition von Sprachaltertüniern" ; oder wenn Lobeck trotz des trefflichen Materials, das er mit großer Belesenheit gesammelt hat, feststellt, es seien eigene Erfindungen des Dichters, ein elegaus et prope necessarium mendacium, Aglaoph. II, 858 ff. Oder wenn man gar wirkliche, barbarische („pelasgische") Wörter annahm. R. M. Meyers und Cohens Ansichten (s. 0. S. 91) passen höchstens auf den einen Fall ixwXv^ und selbst da darf man nicht von eigentlich hieratischer Sprache reden; für Götterausdrücke wie E!är9-og oder ycO.xiq trifft dieser Erklärungsversuch gar nicht zu. Die Auffassung von E.Smith, Maal og Minne, 1918, 12ff. aber unterschätzt m. A. den Abstand des homerischen Stils von primitivem Denken ; s. dazu unten S. 123, A. 3 und 129.

*) Kritickö a exeget. pfispevky k Platonovym rozmluväm, 1896, S. 285. Güntert, Sprache der Götter und Geister. 8

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für die homerische Zeit ganz unwahrscheinlich: was xvfitvdiq oder UxafmrÖQog war, das wußte man klar und eindeutig, etymologische Erwägungen über die Herkunft und Verwandt- schaft dieser Worte hat man gewiß nicht angestellt.

Man hat endlich als Parallele zu den Fällen homerischer .Götterworte auf jene Doppelnamen aufmerksam gemacht, die für einzelne Personen in den Epen Homees bezeugt sind.i) So wird Z402f. bekanntlich von Hektors Sohn gesagt:

'^ExTOQiörjv . . . rov Q "ExTCOQ xaXteOxe Sxa^iavÖQiov, avtaQ ol illXoi 'AoTvdvaxr' ' oioc yag tQvtro "Ihor "Exroj^t.

Dieselbe Erklärung des zweiten Namens 'Aörvävas wird auch X506 gegeben:

'AöTvdims, ov TQcöeq ejcixhjOir xaXiovOLV. OLog yaQ öfpiv sqvöo jtvXaq xai r^r/^f^a fiaxgcc.

Ich kann dieser „Parallele'^, die nur auf ganz flüchtigen Blick hin an das Problem der Götterworte erinnert, keinerlei Berechtigung zugestehen: die Sache liegt hier völlig anders. Hier handelt es sich um einen Beinamen, eine tjrixZtjOig, um den Vater zu ehren; es ist genau dasselbe Prinzip, einen Helden im Namen oder Beinamen des Sohnes zu ehren oder zu charakterisieren, wie wenn Odysseus' Sohn TfjXtfiayog „der in der Ferne Kämpfende", des Orestes Nachkomme Teiodfiti'og „der Rächer" oder Aias' Sohn nach des Vaters berühmtem Schild EvQvodxrjg heißen (s. Geuppe, Mythol. 741, A. 4; auch Navöixdä ließe sich anführen), ^xaiidvögiog, nach dem Fluß- gott der Heimat gewählt, war also der ursprüngliche Name von Hektors Söhnlein, der Beiname bezweckt eine Ehrung des Vaters; dieses ehrende cognomen hat Hektor selbst begreif- licherweise nicht gebraucht, wohl aber seine Umgebung. So dürften sich diese Doppelnamen leicht verstehen. 2) Daß es wirklich solche Beinamen gab, zeigt ein weiterer Fall eines

») Van Leuwen, Mnemosyne, 1892, XX, 140 und schon Nägelsbach- AuTENRiETH, Hom. Theol.^, 439 f.; vgl. auch Platon, Cratyl. 392 B, C.

•■') Anders v. Wilamowitz, Die Ilias und Homer, 1916, 312, der ver- schiedene Tradition annehmen möchte.

115

homerischen Doppelnamens: f 561 ff., wo von einer Kleopatra die Rede ist:

rtp^ dl Tor' tv (.ityäQOiOt Jtarijf) xal Jiöxria fifJTtjQ 'AXy.vortjr xtüieoy.ov tjtcovvf^op, ovvex' «(>' avT/jc fif'jTriQ dXxvövoQ jroXvjttVi)tOQ oiTor hypvöa y.Xai', ort /.nr hxätQyoc dvt'iQJtaot <Poißog 'AjrokXojv.

Also wiederum erhält die Tochter nach dem Schicksal der Mutter einen Zunamen {tjTc6vi\uov). Auch der bekannte Doppelname Paris- AI exandros bietet keine Parallele zu jenen Götterbenennungen. Auf Vasen erscheint fast nur der letztere Name, der gewiß mit Alexandra, einem „Beinamen" der argivischen Hera, zusammenhängt, während Paris wahr- scheinlich mit dem Helenakult Beziehungen hat : flagela hieß, worauf GrRUPPE, Mythol. 305 hinweist, eine heilige Schlange, die in manchen Sagen eine Rolle spielt. Dem Helenos soll sie die Ohren ausgeleckt haben, vielleicht hat Helenas Gemahl daher seinen Namen, den andere freilich für ungriechisch, etwa phrygisch halten. ') Jedenfalls dürfte es sich in diesem Fall um ursprünglich selbständig verehrte Heroen oder Lokal- gottheiten handeln, die dann in der Sagenfigur des Paris ver- schmolzen sind. Wie dem auch sei, diese Beispiele von Doppel- namen beruhen auf jeden Fall auf ganz anderen Voraus- setzungen und können das Problem der Göttersprache nicht aufhellen. Die scheinbare Ähnlichkeit in der Verteilung zweier Synonyme muß bei näherer Prüfung als Täuschung erkannt werden.

Eine Stelle bleibt uns übrigens noch nachzutragen, an der Homer einen Eigennamen der Göttersprache zuteilt, ohne aber wie im Falle des Moly'^) das entsprechende Wort der Menschensprache anzugeben, // 61 :

fT^tr [ih^ yciQ jitTQai tjiijQScpttg, jcqotI 6' avrag xvfca faya QOid^ü xvavcojnöoq 'Afig)iTQiT/jg' nXayxTCcg Öt) roi ricg yt ihtoi //«x«(jfc xaXtovöiv.

») TOMASCHEK, Sitzungsber. d. Wien. Akad. d. Wiss., 1894, 131, 19.

*) Daß diese beiden Fälle der Odyssee angehören, während die Um- schreibungen in der Ilias vorkommen, scheint mir nicht weiter von Belang und dürfte nur diircL den verschiedenen Stoff (märchenhafter .Grundzug der Odyssee) zu erklären sein.

116

Man hat den Eindruck, daß diese Odyssee -Stelle nicht sehr ursprüng-lich empfunden ist, sondern nach anderen Mustern, insbesondere nach dem Falle des Moly, geformt ist. Die Erklärung selbst ist nicht eben schwierig und unsicher: es handelt sich um eine rein sagenhafte Örtlichkeit, und um das Geheimnisvolle, Seltsame und Außermeuschliche zu be- tonen, bedient sich der Dichter nach dem Vorbild anderer Stellen des Kunstgriffs, WMyxral als Götterwort auszugeben. Die Entsprechung in der Menschensprache fehlt, weil die Menschen jene sagenumwobenen Felsen gar nicht kennen und nie gesehen haben. Das Wort jiXayxral, sc. jittgai ist natür- lich gut griechisch und gehört zu jiXd^töthai. Die uns heute geläufigeren synonymen Ausdrücke ^^viijihiydötq (Eurip. Med. 2. 1252), mrjyddeg (Ap. Rhod. 2, 596), auch :SvvÖQOfidd£g (Theokr. 13, 22, Eurip. Iph. Taur. 408), ^JwoQfidÖsg (Sim. fr. 22) sind sämtlich nachhomerisch. Höchstens wäre als Synonym der Ausdruck 'Afiß^ööiai jrtTQm in Betracht ge- kommen, weil an der Homerstelle von den Tauben erzählt wird, die für Zeus Ambrosia holen und dabei durch jene gefährlichen Felsen fliegen müssen.

7.

B.

>ei der tonangebenden Stellung Homers in der antiken Literatur ist es nicht verwunderlich, daß sein Vorbild spätere Dichter veranlaßt hat, gleichfalls von der Göttersprache zu berichten. Interessant daran bleibt nur das eine bei diesen Nachahmungen, wie der betreffende Dichter die tatsächliche Verteilung der Wörter bei Homek aufgefaßt hat. So läßt sich schon Hesiod anführen, der fragm. 3 {= 186 ed. Rzach) berichtet: N?/öo) tr 'Aßarrlöi Öiy \ T))r jxq\v Aßarriöa y.ixXijoxov d-£ol aihv lovTtq, \ Evßoiai^ de ßoog tot' tJTOJVVfiov corofiaosv Zevg.

Der scharfe Gegensatz zwischen Götter- und Menschen- sprache wird hier schon dadurch verwischt, daß das gewöhn- liche Menschenwort für die Insel dem Zeus zugeschrieben

117

wird. Aber im übrigen können wir leicht dieselbe Praxis wie bei HoMEE feststellen: lißccrriQ sc. i'f/oog ist eine gewähltere Umschreibung der Insel nach den euboiischen Abanten, bzw. nach dem Städtenamen "Jßai in Phokis, das nach Strabon X, 1,3 die Urheimat der euboiischen Abanten gewesen sein soll.') Ähnlich wie in dem Fall der Heroine Myrina wird also wieder eine Örtlichkeit nach einem uralten, heroenhaften Geschlecht bezeichnet, das einst das Land bewohnt haben sollte. Genau dasselbe Prinzip der Namensverteilung liegt vor, wenn Pindae, frgm. 87 (= p. 397 Christ) von Delos singt :

av TS ßgoToi AäXov xixXijoxovöip, fiaxageg d' ti' ^OXviijcco Tt]Xtg)avTOv xvavtag i^ovbc, äoxQOV.

Die offenkundigste Umschreibung muß als Ausdrucksweise der Olympier herhalten. Es ist längst erkannt, daß hinter dem artigen Bilde nichts als der Name 'Acrsgia steckt, der für Delos wie auch für Kreta bezeugt ist ; 2) er kommt von einer sagenhaften Titanin Hotsqicc, die mit Ztvg 'AoTtQiog zusammenhängen dürfte. Bemerkenswert erscheint mir also vor allem, daß sowohl Hesiod wie Pindae die Praxis der alten Rhapsoden, Götterworte durch Umschreibungen zu gewinnen, wohl durchschaut und daher selbst nachgeahmt haben. So wird es ja auch immer mehr Sitte, in der Dichtersprache nicht plump den wirklichen Namen einer Örtlichkeit zu nennen, sondern ihn zu ersetzen und zu umschreiben.

Auch Platon hat einmal, wenn sichtlich auch nur im Scherz, von einem „Götterwort" berichtet; 3) es handelt sich um eine seltsame Stelle im Phaidros, c. 32, 252 B, wo offenbar mit solchen Götternamen gespielt wird: tovto öe jiäd-og, ob jtal xuXt, jTQog ov örj (jol 6 Xoyog, ärd^gcojroi f/iv "Egcora 6vo(idC,ov(jiv, ^eot de o xaXovOiv dxovöag slxorog Siä vE6z7]Ta yeXdoei. XtyovOi dt, olfiai, zLvhg ^Ofir]Qid(öv ix rmv djco&trcov tjtcöv ovo iJttj eig xbv "Egcora, dir xh exeQOV vßgiöXLXOv jtdvv xcu ox' OffjOÖQa XL IfifitxQov. v^i'ovöi df (ode ^xbv d' ^roi

») Vgl. TOEPFPER, RE.2 I, 13 ff., V. W1LAMOWITZ, Herakl. II, 93. 2) Vgl. Callimach., Hym. 4, 37. 40. 197 usw., s. Usener, Kl. Sehr. IV, 49. ä) Im Cratyl. 400 D heißt es viel ernster: ntgl &ewv ovöhv i'o/xev ovte nsQi «vTcöi' ovze neQi X(Lv ovofxcawv, uxza noxe avxol hccvxovg xaXoiaiv.

118

{)^i^7jTol jAv "EQcoTct -/.aXoroL Jior/jvor, \ d{}dvccToi. dt IhtQona, 6iä jcreQOCpoiTOi' drccyx7]i>/

Ob dies Zitat aus irgend einem Kykliker echt sein mag, oder ob Platon vielmehr, wie man^ mit Grund vermutet, die Praxis solcher Dichterlinge, die das Motiv einer Götter- sprache geschmacklos zu Tode hetzten, travestieren wollte oder vielleicht nur einer Laune nachgab das ganze Kapitel ist in sehr scherzendem Ton gehalten : genug für uns hier, daß jedenfalls auch in diesen spielerischen Versen das Götterwort eine allgemein andeutende Umschreibung ist („der Geflügelte"), welche wegen des Reims zum gewöhnlichen Menschen wort uns noch besonders auffällt : "Egcoru : UxtQcoTa. Wissen wir doch, daß der Eeim auch bei anderen Fällen von Götter- worten seine wichtige Rolle gespielt hat (s. o. S. 66 ff.).

Ein später Dichter, Philoxenos aus Kythera, hat in seinem Aüxvov die homerische Göttersprache gleichfalls nach- geahmt, wenn er singt 2):

jcoQd-filöag jioXX(D7> dya&cöv JidXiv siorpegov ysfiovoag, tag t(p?jf(£Qoi TcaX.tovTL TQajitCac, dd^ävaroL 6t

r' jifiaXO^tlag xtQag.

Bekanntlich wird von diesem Amaltheia-Horn , das Ovid dem cornu copiae gleichsetzt,^) gefabelt, es verleihe Regen und Fruchtbarkeit: es ist eine Variante von Fortunas Füll- horn, mithin haben wir als Götterausdruck wieder nichts als eine poetische Umschreibung.

Auch OviD kann hier genannt werden, der in recht äußerlicher Nachahmung des homerischen Vorbilds sich den Effekt, Götterworte anzubringen, nicht entgehen ließ. So heißt es Metam. 11,640 von einem Traumgott:

Hunc Iceion superi, mortale Phobetora vulgus nominat.

Es ist interessant festzustellen, daß der römische Epigone die homerische Technik in der Prägung von Götterausdrücken in

') KvicALA, Kriticke a exeget. pfispevky K Platouovym rozmluväui, 1896, S. 283 ff.

0 Bei Athen. XIV, 642 f. Das Material hat Lobeck, Aglaoph. II, 841 ff. seit langem (1829) gesammelt.

••') Metam. IX, 88.

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diesen Fällen nicht durchschaut hat ; er wählt blindlings zwei Namen aus, um sie ebenso willkürlich zu verteilen. Vielleicht mochte dem gebildeten Römer der angebliche Menschenname Phobetor, „der Furchterregende" zu ffoßog, (f.oßko etwas durchsichtiger gewesen sein. Icelus dürfte wohl das griech. '/xf/oc „ähnlich" sein, weil Traumgottheiten oft in Gestalt eines Menschen erscheinen. Im übrigen hat Ovid auch die Homerstelle von dem Moly übernommen : 14, 292 :

Pacifer huic dederat florem Cyllenius alhum: Moly vocant superi: nigra radice tenetur.

Auch hier hat man durchaus den Eindruck oberflächlicher Nachahmung, von dem tieferen Grund des homerischen Ge- brauchs, von dem Gefühlswert, den die „Würz" Moly für den homerischen Griechen besaß, hatte der römische Dichter keine Ahnung: es war für ihn lediglich ein schönes Dekorations- stück, das er seinem Vorbilde des Effekts wegen entnahm.

Die Pythagoräer scheinen einen feinen Unterschied im Gebrauch der Synonyme d^t^uig, dix?j und rofwg gemacht zu haben, lamblich. de vita Pyth. IX, 46 (Natjck S. 33): tovq yciQ dvd^QojJiovq elöörag ort rojiog ajiaq jcgoodeiTCd dixaio- ovvfjg, fiv&ojtoitiv TtjV avTTJv tu^iv ix^iv üiagd ts tcö Au t?)v ßtfiiv xai jcaQO. reo UIovtcovl ti)v Aixrjv xal xard tag jioXeig Tov Nofiov. Diese feine Unterscheidung läßt sich wohl ver- stehen: vof/og ist das allgemeine, übliche Prosawort, gehört also den Menschen an, i^tfiig aber hat den Nebenbegriff der „göttlichen Satzung" (o. S. 48), hom. d-^iiöxeg nähert sich dem Sinn „Götterbeschluß, Orakel", zudem ist ja Otiag eine be- kannte homerische Gottheit, die Tochter des Uranos und der Gaia (0 87,93, F4, /?68). Man kann dies Bedeutungsverhältnis von &tiug und ro/iog dem von lat. fäs und lex vergleichen. Wenn dlx)/ der Unterwelt zugesprochen wird, so ist wohl an das Totengericht gedacht: hier hat der Begriff „Gesetz" nicht den Nebensinn der heiligen Göttersatzung, sondern des Richterspruchs, dem sich alles zu unterwerfen hat. Solche Gleichsetzungen von Göttern waren, worauf Lobeck a. a. 0. 1098 mit Recht hinweist, ein auch sonst beliebtes Spiel theo- logischer Grübler; so wenn Servius zu Aen. IV, 610 bemerkt: Dirae in coelo, Furiae in terris, Eumenides apud inferos.

120

Hat doch angeblich Pythagoras gelehrt, dem Jupiter und der Juno entspreche Bis und Proserpina in der Unterwelt.')

Noch vereinzelte Überlieferungen von Götterworten gibt es, die sich hier und dort versprengt erhalten haben, und die Lobeck in seinem Aglaoph. 1829, II, 841 ff. bereits gesammelt und auch in der Hauptsache ganz richtig gewürdigt hat. So berichtet z. B. Pheeekydes,^) otl gl d-sol rijv rgctjuC^av d-vcoQov xaXovoi. Die Erklärung dieses „Götterworts" liegt auf der Hand: natürlich gehört es zu &\hj, fhvco, dvfiu, {hioig usw. und bezeichnet den Opfertisch, der für die Götter in dem Gottesdienst allein in Betracht kommt. Das Suffix begegnet auch in O-vqcoqoc, hom. {)'V()a{/)(OQ6g und jrvXa(/)coQ6g „Tür- hüter", sowie in att. aQxvcoQÖg „Netzwächter", x7]moQ6g „Gärtner", vXrjcoQog (Akzent?) „Waldhüter", oxsvcoQÖg „Wächter des Trosses", und läßt sich erschließen aus den Denominativen övöcoqloj „beschwerliche Wache halten" und oöojQto} ' oöoffvXaxTHv (bei Photios). 3) dvcoQÖg bedeutet also genau „das Opfer behütend oder bewahrend", eine leicht ver- ständliche sakrale Metaplier für den Opfertisch und Altar,

Ähnlich liest man in den Schollen zu Theokrit III, 22/3 (S. 261 Wendel): Kagvöriog 6 n^gya^u^jvög (pr/öL Kvariag fjsv vjt' di'ihQcojTcor, vjto 6e &£öyv Öqxov jrvXag xaXtiüfhai. Wahr- scheinlich ist die Stelle verderbt, da man nicht recht einsieht, was sachlich und sprachlich „Eidestore" für Symplegaden bedeuten sollten man hat <Pöqxov (Meineke, Wendel) konjiziert , jedenfalls aber ist hier wieder eine Umschreibung als Götterwort ausgegeben. Bei Harpokrat. s. v. wird be- merkt: JisXavov xaXov(ikv ?)fi£ig ol d-tol a xaXeirs os/jvcög aX(pi{)-' vfjeig ol ßgoroL Dies jiiXavog ist ein sakrales Wort, das bestimmte Opferspenden und insbesondere eine Art Opfer- kuchen bezeichnete*): weil das Wort seiner Bedeutung nach dem Götterkultus angehört, wird es als Götterwort aus- gegeben. Ähnlich bemerkt Epicharm, statt der gewöhnlich o/iaiHriöai genannten Muscheln sagten die Götter die „weißen",

1) Nach LuTATius zu Stat. Theb. IV, 526; Lobeck a. a.O. 1098.

2) Nach Diog. Laert. 1, 11 (ed. Cobet p. 31).

') Siehe Schulze, Qu. ep. 19 ; Boisacq, Dict. et. 359.

♦) Siehe Persson, Beitr. II, 748, A. 1; Boisacq, Dict. et. 759 f.

121

/n-x«/') offenbar eine Bedeutuiigsvereng-erung, wie sie nur in der Fachsprache von Opferdienern und Priestern entstehen konnte.

Diese zuletzt genannten Beispiele leiten uns nun zur Erkenntnis über, daß die Art, wie man seit Homeks Zeiten Götterworte bildete, diese Umschreibungen oder „sakralen Metaphern", wie wir sie nennen wollen, auch sonst in religiös gehaltener, feierlicher Sprache häufig angewandt wurden, daß sie für den sakralen Stil bezeichnend waren. Denn um mit dem wichtigsten zu beginnen, so beruht die Ausdrucksweise der Orakel auf ganz dem gleichen stilistischen Prinzip. In wirklich gesprochenen Barbarensprachen scheint die Pythia höchstens Barbaren gelegentlich geantwortet zu haben, 2) in voces mi/sticar, wie wir sie oben kennen lernten, niemals. Die bekannte Zweideutigkeit und Dunkelheit der Orakel beruht allein auf diesen Umschreibungen, die das Gemeinte nur an- deuten, aber nicht scharf und klar ausdrücken. In diesem Sinne ist das berühmte Wort EI, das dem Ankömmling vom Tempel in Delphi rätselhaft entgegenleuchtete, ») für die ganze Praxis der Pythia bezeichnend. „Hölzerne Mauern" statt „Schiffe" zu sagen ist also eine Stileigentümlichkeit der sakralen Rede, und es ist überraschend, daß diese Ausbildung besonderer Umschreibungen in religiös gehaltener Rede, dieser sakralen Metaphern, bei Homer eben in den Ausdrücken der Göttersprache beginnt. 6 äras ov fiavTslor toxi Iv AeXtpolg, ovrs ksytt ovrs xQVJtrti, dXXä örj^ialvtL, sagt Heba- KLEiTos eine oft zitierte,") grundlegende Stelle bei Plu- TAECH, De Pyth. Orac, c. XXI zur Beleuchtung der Vieldeutig- keit und Dunkelheit der Orakel, der cdoXorofioi iQrj6[ioi, des XQriOfiög xißötjXoc des Aosiag, wie die Griechen sich aus- drückten. Auch vom olympischen Zeus heißt es 6 {^toc; ajisotj- (icavtv.^) Der Gott „ließ die Strahlen der Wahrheit sich in

*) Lobeck, Aglaoph. II, 863.

2) Z. B. im karischen Dialekt gegeuüber den Abgesandten des Mar- donios, Pausan. IX, 23, s. Götte 209 A, 247 A.

3) Plutarch schrieb darüber bekanntlich eine eigene Abhandlung. *) Lobeck, Aglaoph. 11,841; Götte, Das delphische Orakel, 1839

S. 115 f.

*) Vgl. Weniger, Arch. f. Religionswissenschaft, 1915, 18, 100.

122

der Poesie brechen",') jedenfalls reizten die geheim nis vollen Umschreibungen dieser Göttersprache zum Nachdenken der Sachlage an, ])er amhages, ut mos oraculis so charakteri- siert dies der kühle Tacittjs, Annal. II, 54. Vor allem hat Plutarch in der Abhandlung, warum die Pythia die Orakel nicht mehr in Versen erteile, sich über hierhergehörige Pro- blem^e ausgesprochen, und es ist für uns doppelt interessant, seine Auffassung kennen zu lernen, weil hier ein Fachmann und Priester spricht. „Wir glauben", so heißt es cap. 22 „daß Apollon zu seinen Anzeigen sich der Sprache der Reiher, Zaunkönige und Raben bediene, und verlangen nicht, daß sie, weil sie Boten und Herolde der Götter sind, alles in Worten und deutlich aussprechen ; allein von der Pythia ver- langen wir, daß sie eine Sprache und Ausdrucksweise wie von der Bühne führe, keine ungeschmückte und einfache, sondern in bestimmten Versmaßen, in hochtrabender Weise, voll von neuen Worten und Bildern,-) uuter Flötenschall zu uns rede." „In der alten Zeit mißgönnte Apollon der Wahrsagung nicht den Schmuck und die Anmut, er entfernte nicht die hier geehrte Muße vom Dreifuß, sondern führte sie vielmehr herzu, indem er die poetischen Naturen weckte und ehrte ; er gab ihnen selbst Bilder ein und verlieh ihnen einen glänzenden Vortrag, der ansprach und Bewunderung erregte" (cap. 24). Als Beispiele solch sakraler Metaphern aus Apollons Orakelsprache erwähnt sodann Plutaech, daß er die Delpher xvQixdovii, die Spartaner og:toß()Qovc, die Männer oQtmmg, die Flüsse oQSfijrorag genannt habe. Diese Proben ergänzt uns Athen. VI, 272 B dahin, daß Apollon die Thessaler in Orakelsprüchen als jtotxiloöl(pQovc, die Arkader als ßcÜMi^f/gjdyoix, die Korinther als yoirixofttrQag bezeichnet habe. 3) Wir sehen, es handelt sich in diesen Fällen um das- selbe Prinzip wie bei der homerischen Göttersprache: es sind teils durchsichtige Metaphern und Verhüllungen, teils seltner gebrauchte, offenbar nur in dialektischer Begrenzung

^) GöTTE a.a.O. 116 nach Plutarch s Worten a.a.O.

^) «AA' tv f^iTQcp xul dyxü) xul nXccaf-tari xcd ixt:xa<poQalq oroficamv xal fisr' av?.oü (piyeyyofjiivrjv na^jl/itir d^iovfier.

^) Bei Hesych heißt es ^v/xßöXovg . . . m'lg dl r«s f*'« ^'^s <PWV<i yivo/xtvag iiuvidaq^ Arch. f. Religionswiss., 1915, 18, 84 Fußn.

123

übliche Worte. o()&(i)civtg dürfte wohl mit n^of/r, n(){H/r, äipoQQog USW. zusammenzuhängen, vgl. lakon. uQtjv, jon. '^QOf/r, aiol. kret. tQöfjr, und weiter djz-tQi'uo. i) Dazu gehört die Hesychglosse oQt'mvbQ ' clrÖQSc.

Übrigens ist diese Ähnlichkeit der homerischen Götter- worte und solcher Umschreibungen der Pythia bereits von den Alten beobachtet worden, so daß man sagte, die Priesterin spreche eben die Sprache der Götter: Dio Chrys. X, 303, 1 // T?]r avT))v tivcu öialty.ror cn'd^Qcojtcov yML ß^ecöv ro^iC,tig; (W.ä TOOovTOV dtaffhQti, coörs top 7iora(ibv rov tv TqoUc Sccv&oi' jtccq' ly.droiQ xaXitod^ai xcu vir XaXxiöa xvfiivöiv ö^fi' xcu doacfr/ rröi' '/QijOfaör löTi xcu jToXXovc i'jöi] ts7j- .TdT?]x£r. 2) Umschreibungen liegen ja im Wesen jeder dichte- rischen Ausdrucksweise, weil der Dichter die abgegriffenen, schmutzig gewordenen Münzen der Alltagsrede vermeiden und durch neue blendende Prägungen von frischem Glänze ersetzen will. 3) Ähnliche Metaphern und Bilder im allgemeinen findet man also bei jedem Dichter. Fürs Griechische braucht man nur an den würdevollen Stil eines Aischylos oder Pindar zu erinnern, die von Umschreibungen oft Gebrauch machen. 4)

1) Siehe Boisacq, Dict. et. 68. 83. ^) Lobeck a. a. 0. 854.

^) Es ist eine maßlose Übertreibung und Einseitigkeit, wenn Johanna Portengen, De Oudgermaansche dichtertaal in haar ethnologisch verband, Leidener Diss. 1915, alle fenwm^ar auf einstige Tabubegriffe zurückführen will; vgl. auch M. H. Jellinek, Ztschr. f. österr. Gymn., 1917/18, 68, 770, eine Besprechung, auf die mich Herr Dr. Franz Eolf Schröder freund- lichst aufmerksam gemacht hat. Umschreibungen sind nicht nur ein nahe- liegendes stilistisches Mittel der poetischen Ausdrucksweise, die sich da- durch von der nüchternen Alltagssprache abhebt, sondern auch im Volke ein stets beliebtes Spiel; man erinnere sich, um diese Freude an ab- wechselndem Ausdruck und neuen Bildern auch in weitesten Kreisen des Volkes zu sehen, nur an die vielen neugeschaffenen Metaphern der Soldatensprache, wie sie sich in dem Weltkrieg studieren ließ (z. B. Hühner, Schvietterling, Blechtuter, Hornvieh, Sinelmöpse: „Musiker", Schlachtmeister, Knochenschnster , Medizinmann, Karholfähnrich, Aspirinonkel: „Arzt", Stottertante, Fleischhackmaschine, Totenorgel: „Maschinengewehr" usw.). Allerdings geben die Sasahara -Wovta der Sangiresen oder die Priester- sprache der Toradjas auf Celebes gute Beispiele für sakrale Metaphern. Aber von so primitiven Gewohnheiten bis zu der Höhe von homerischen und auch eddischen Gedichten ist es ein weiter und auch steiler Weg!

♦) Siehe jetzt Dornseiff, Pindars Stil, 1921, 28 ff., worauf mich Herr Prof. BOLL freundlichst hinweist.

124

Aber in der besonderen Verwendung der Metapher in der sakralen Sprache, von der wir reden, kommt doch ein anderes hinzu: die Vieldeutigkeit und Dunkelheit der Orakel war nicht nur, wie man schon im Altertum behauptet hat,i) eine List und ein Gebot der Klugheit der Priester, um nämlich hinterher den dunklen Ausdruck so oder so den tatsächlichen Geschehnissen anzupassen und mit den Ratschlägen des Gottes stets recht zu behalten, sondern sie erwächst, wenigstens in der älteren Zeit, aus dem Bestreben und Bedürfnis, das Heilige zu verhüllen, nicht alles plump beim Namen zu nennen; die Umschreibungen sind Kennzeichen religiöser, feierlicher Rede geworden, weil dies der ungewöhnliche, geheimnisvolle Cha- rakter einer heiligen Handlung erforderte : Mystische Schatten, weihevolle Dämmerung gehören nun einmal zum Stil einer religiösen, an das Gefühl und die Stimmung sich wendenden Feierlichkeit: Die „Götter lieben das Geheime" heißt es mit Recht schon im Sat. Brah. VI, 1, 1, 2.

Den Beweis für die Richtigkeit dieser Auffassung sehe ich vor allem in den Geheimworten und sakralen Metaphern, wie sie bei Pythagoräern und Orphikern namentlich, aber auch sonst in Geheimkult und Mysterium üblich waren. Läßt sich doch ein ganzes Glossar 2) orphischer und pythagoräischer Umschrei- bungen aus den reichhaltigen Angaben des Clemens Alexan- paiNus, Strom. V, c. VIII f. (= Migne Patr. Gr.-Lat. 9, S. 72 ff.) zu- sammenstellen. Wir müssen wenigstens einige Proben hierher- setzen (§ 19 ff.) : 'AvÖQOxvötjg yovv 6 IIvß-ayoQLxdg 'Ecptöia xa- XoviiEva YQd/jfiara tv jtolXolc, Ör) jioXvd^QvXXtjta ovta övfißoXcov t^siv (prjOl rdS^LV örjfiaiveiv 6h "Aoxiov /ilv öxorog, p) yaQ l'/ti TOVTO öxidv (f)(Jöq 6b Kazdoxiov, ajiei xazavydC,ti t?jv oxidr ' Äl§, xt köTiv Tj yfj xard dg^cciccv tjtcovvfiiav, xal Tergdg 6 Iviavrbg diu rag cogag, Aafivafitvsvg Öe 6 rj?uog, 6 öcifid^cov, xd Äloid

') Plutarch de Pyth. orac. 25 bemerkt, man beschuldige die Poesie, welche die Orakel verhüllte, nicht bloß, daß sie die Erkenntnis des Wahren hindere und Dunkelheit und Schatten den Aussprüchen beimische, sondern man wolle auch Bilder, Rätsel und Zweideutigkeiten als Rückhalte und Schlupfwinkel verdächtigen, in die man, wenn die Prophezeiung nicht ein- getroffen sei, sich verstecke und zurückziehe. Vgl. auch F. Dornseiff, a. a. 0. 29.

*) Siehe schon Creuzer, Symbolik III, 480.

125

TS f) dh){)f)g (prov7]. . . . ox'yl y.ai 'EjiiytvriQ er toJ jtsq) rfjg 'ÖQfftcog jioüjoecog ra lÖid^orra jtccq' 'Ogcfü ly.xid-tfitvÖQ (ptjOi ' * xsQxiöi xafijn'XoyQcoOi ' xolq aQÖxQOiq firjvvsod^ai ' OT/jfiooi de ToTg av?M§i, fiiror dt to OJitQ^ta d}.?.f]yoQ&iO{}^ai, y.a) öäxQva Aibg Tov (\ußQO}' öt/Xovr f/oiQccg rt av rd fitg?/ tz/C öf>?./y'r//c, TQUcxada y.cä jTtrTixaidtxdrfjv xal voi\u?iviav' 6ib xai XtvyooxöXovg ((vrdg y.aXtir tov ^Ogcfta. (fcoTog oi'oag fttQtj. jidlir dvO^ioi' }dr TO ia() öui Ttjj' (pvOir, d^jida Öi Ti)v vvy.Ta öid TijV drd- jTccvOh', y.cä yoQyöriov xijv oehjvijr did to Ir avTii JtQOOoiJtov'

'A<fQ0diTTjV T8 TOT XülQÜl' XaS-' Öv ÖSl OJTt'lQtLl^ Ibytöi^CiL TtUQa

Tcjj {^toXoyoj.

ToiavTa xal ol üvdayoQeiOL fjviööovTO, ^SQOecpöinjg fdi' xvvag Tovg jcXar//Tag, Kqovov dt ddxQvov tijv d^dXaoöav dXXriyoQovvT^g 371, a.a.O. S. 80).

Die hier gebrauchten Beispiele zeigen eine ähnliche Bil- dimgsweise wie die homerischen Götterworte; meistens sind es Umschreibungen von mehr oder minder poetischer Kraft. Der Sprachforscher fühlt sich nicht nur an die poetischen Metaphern, die kenningar und Jieiti der nordischen Skalden und der deutschen Sprachgesellschaften des 17. Jahrhunderts er- innert, sondern geradezu an Ausdrücke der deutschen Gauner- sprache, die ja gleichfalls eine Geheimsprache ist und sein soll; i) jedenfalls mußten solche zahlreich verwandten Metaphern zu einer dem Laien unverständlichen Geheimsprache führen.

Sogar Fremdwörter werden in dieser orphischen Geheim- sprache verwandt, wie das phrygische ßeöv „Wasser" ; Cle- mens, a.a.O. § 27, S. 73: ... ßtdv fdr ya.Q Tovg <pQvyag to vÖcoq (fijOi xaXeir, xad^d xal 'Ogcftvc' "^ xal ßtöv Nvfupdcor xaTa- XtißsTai dyX.aov vÖcoq. ' dXXa xal 6 d^vxrig Alcov ofioicog cpal- fitTai y()dg)co)' ' ' xal ßtdv Xaßojv xaTa yjiQför xaTaytov xal IjtI T?)r hQOOxojthjv TQtjrov\ . . . 2JvrofiöXoyog T?jg TOiäode öos^jg xal 6 Kn^ixrjvog Nedvd^rjg yQd<pco7' TOvg ßlaxedovcov IsQtlg tv Talg xaTbvyalg ßtÖv xaTaxaXtlr i'Xuco avTOig rf xal TOig Ttxvoig, ojitQ tQ(i)ivevovOLr dtQa.

*) Man vgl. Ausdrücke, wie Vater Weiß „Winter", Weißling „Ei", Scheinling „Auge", Sehtvarzmantel „Schornstein", Trittliny „Schuh", Grün- hurt „Wiese'' usw. Vgl. Kluges und Günthers Darstellungen des Rot- welsch, BiscHOFPs Wörterbuch der Gaunersprache.

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Von hier ist es dann nicht mehr weit zu den geheimnis- vollen und geheimgehaltenen, den Laien unverständlichen Fachausdrücken der Priestersprache, wie etwa oUfvig, wo- neben Hes. aUfvor aijxva stejit : es dürfte zu öiipcov, aicpröq y.troc, oi(pvv£i xtvoi (Hes.) gehören und mit lat. tlbia ver- wandt sein: ein altes, aber ungebräuchlich gewordenes Wort. Vornehmlich die Römer waren in der Beibehaltung solcher sakral gebrauchten Ausdrücke sehr konservativ. Besonders Arnobius VII Cap, 24 hat uns alte Namen und Fachausdrücke der römischen Priestersprache aufbewahrt (= S, 1248 bei Migne, Patr. lat. 5) : quid sibi reliqua haec volunt magorum cohaerentia disciplinis, quae in sacrorum reconditis legibus pontificalia re- stituere mysteria, et rebus inseruere divinis? Quid inquam, sibi haec volunt, apexanes, hirciae, silicernia, longavi? quae sunt nomina, et farciminum genera, hirquino alia sanguine, comminutis alia inculcata pulmonibus. Quid taedae? quid 7iaeniae? quid offae? non vulgi, sed quibus est nomen ap- pellatioque penitae: ex quibus quod primum est, in exiguas arvina est miculas, catillaminum insecta de more: quod in secundo situm est, intestini est porrectio, per quam proluvies editur; succis perexsiccata vitalibus: offa autem penita est, cum particula visceris cauda preoris amputata. Quid polimina? quid Omenta? quid palasea, sive, ut quidam cognominant, pilasea? ex quibus est nomen omenti pars quaedam; quo re- ceptacula ventrium circumretita finiuntur. Bovis cauda est plasea, siligine et sanguine delibuta. Polimina porro sunt ea, quae nos proles verecundius dicimus: a vulgaribus autem as- solent cognomine testium nuncupari. Quid fitilla, quid frumen, quid africia, quid gratilla, catumeum, conspoUum, cuhila? ex quibus duo, quae prima, sunt pultium nomina, sed genere et qualitate di versa. Series vero, quae sequitur, liborum signi- flcantias continet: et ipsis non est una eademque formatio. Non enim placet carnem strebulam nominare, quae taurorem e coxendicibus demitur, pulpamenta non assa, quae in verubus exta sunt, animata prius et torrefacta carbonibus: non salsa- mina denique, quae sunt una commixtio quadrinis copulata de frugibus. Non similiter fendicas, quae et ipsae sunt hirae, quas plebis oratio ilia solet, cum eloquitur, nuncupare. Non ratione eadem aenimnas, quae sunt prima in gurgulionibus

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capita, quae dejicere cibos et referre natura est ruminatoribus saeculis. Non magmenta, non augmina, non mille species, vel farciminum, vel fitillarum, quibus nomina indidistis obscura, vulgoque ut essent aiigustiora, fecistis. Wir liabeii hier eine ganze Sammlung- unklarer, zum Teil sehr unsicher überlieferter Geheimausdrücke der römischen Priestersprache. Auch sonst bringt Arnobius in diesem Buch noch dunkle und seltene Wörter aus dieser Fachsprache, wie etwa bria, sympuvia (cap. 29) u. dgl. Wichtig ist hier das Zeugnis Quintilians (1, 6, 39 ff.) : verba a vetustate repetita non solum magnos ad- sertores habent, sed etiam adt'erunt orationi maiestatem ali- quam non sine delectatione : nam et auctoritatem antiquitatis habent et, quia intermissa sunt, gratiam novitati similem parant. sed opus est modo, ut neque crebra sint haec nee manifesta, quia nihil est odiosus adfectatione, nee utique ab ultimis et iam oblitteratis repetita temporibus, qualia sunt Hopper' et 'antegerio' et 'exanclare' et 'prosapia' et Saliorum carmina vix sacerdotibus suis satis intellecta. Sed illa mutari vetat religio et consecratis utendum est.

Wenn einerseits die Erwägung, daß die Römer in reli- giösen und sakralen Dingen sehr konservativ waren, auf hohe Altertümlichkeit schließen lassen, so läßt andrerseits die Spezialbedeutung der meisten dieser Ausdrücke von vorn- herein dem Etymologen dieses Material wenig ergiebig für seine Zwecke erscheinen.

Von lateinischen sakralen Geheimausdrücken hat Loewe im Prodromus corporis Glossariorum Latinorum 1876, p. 377 weiteres Material gesammelt. Wir erwähnen candes: 'vasa fictilia Saliorum', tegularia 'maleflca, eo quod supra tegulas sacrificet', amhignae 'oves ex utraque parte agnos habentes', Maialis 'porcus pinguis, eo quod de his Maiae sacriflcabant' und Sonderbenennungen bestimmter Priesterarten, wie egones, econes 'sacerdotes rustici', fulguratores 'rustici aruspices', ex- stispnces 'haruspices, ab extis hostiarum'.

Wir dürfen auch an die Umschreibungen in den Geheim- kulten erinnern ; ^) in den orphischen Mysterien durfte der Name

») Vgl. dazu Lobeck, Aglaoph. II, 846 f.; Maass, Orpheus, 1895, G9f.; W. Schmidt, Bedeutung des Namens, 1912, 39 u. 45.

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der Gottheiten nicht genannt werden, sondern wurde durch andeutende Umschreibungen ersetzt.

Seltsam geheimnisvolle Benennungen, die nur dem Ein- geweihten in ihrer Symbolik verständlich waren und trotz solcher Auslegung zum Teil in uralte Zeiten des Tierdienstes hinaufreichen dürften, führen die Mysten selbst in ihren ver- schiedenen Weihegraden. In den Mithrasmysterien hießen diese z. B. corax „Rabe", xQV(pLoq, cryphius „Verborgener", miles „Soldat", leo „Löwe", Fersa „Perser", 'IIXiod(j6fioc helio- dromus „Sonnenläufer", pater „Vater". In anderen Geheim- kulten heißen Eingeweihte Bär, Ochse, Füllen;^) da auch Verkleidungen dabei vorkamen, denkt man an Tiertänze und Maskeraden primitiver Völker. Geheimnisvolle, umschreibende Symbole haben sich Ja bis heute in jedem Geheimkult er- halten, vgl. die der Freimaurerei.

Handelt es sich hier auch nicht mehr um den Göttern zugeschriebene Worte oder Metaphern, so lehrt doch dieser Blick auf Orakelrede und Fachausdrücke der Priestersprache das Wesen und den Grund der homerischen Göttersprache noch besser und tiefer verstehen. Zwei Grundtypen sakraler Rede treten uns immer deutlicher entgegen: sakraler Archaismus und sakrale Metapher. Neben Umschrei- bungen, die in primitiveren Zeiten menschlichen Denkens von dem Bestreben veranlaßt wurden, etwas Heiliges und Ge- weihtes nicht plump beim Namen zu nennen, die Gottheit dadurch nicht etwa herbeizurufen oder dem Unberufenen mit der Kenntnis des heiligen, geheimen Namens gar eine mächtige Zauberwaffe in die Hand zu drücken, erhalten sich gerade in der religiös gefärbten Sakralrede mit Vorliebe alte oder dialektisch gefärbte Wortformen, die der großen Menge, mit der Zeit sogar den Priestern selbst unverständlich geworden sind. Hier wirkt der uralte Glaube von der mystischen Kraft des Wortgebildes und Wortkörpers nach: wie eine magische Formel stets unverändert in der gleichen Wort- und Silben- folge gesprochen werden muß, wie ihre Wiederholung die

1) CuMONT- Gehrich, Mysterien des Mithra, 1903, ll'2f. Die Pythia und ihre Priesterinuen in Delphi hießen „Bienen", Pindar, Pyth. IV, 60: '/_Qrfi!A.6q fxe?.icaag JtXtplSoq.

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Zauberkraft stärkt, ein Versprechen dagegen von übelster Wirkung ist, so erhält sich in sakraler Rede zähe das einzelne Wort, weil es als solches für heilig empfunden wird. Die sakrale Metapher beruht mithin im tiefsten Grunde auf primitivem Volksglauben von der Macht des Namens, der sakrale Archaismus dagegen auf der urwüchsigen Vor- stellung von der magischen Zauberkraft eines Worts. In späterer Entwicklung, wenn solche primitiven Gedanken längst nicht mehr Geltung haben, erhalten sich Archaismen und Umschreibungen in würdevoll feierlicher, religiös ge- haltener Rede und Dichtung als stilistische Kunstmittel.

Für beide Typen, für sakrale Archaismen und Metaphern, finden wir Belege in der homerischen Göttersprache; sind die meisten der hier den Göttern zugeschriebenen Ausdrücke Um- schreibungen, so bietet uns der Fall imXv auch ein gutes Beispiel für einen sakralen Archaismus.

Man darf aber nicht soweit gehen und behaupten wollen, die Worte, für die Umschreibungen vorliegen, seien noch zu HoMEES Zeiten für den Dichter tahu gewesen.') Das kann schon deswegen nicht sein, weil die Alltagsworte ja den Menschen verbleiben. Wäre zu Homers Zeiten die Vorstellung von der Macht des Worts und Namens noch so lebendig ge- wesen wie in den Gedichten der Sangiresen,^) dann müßten natürlich die Tabu -Wörter den Göttern, die Umschreibungen aber, mit denen man ja eben die Heiligkeit des Namens um- gehen will, den Menschen zugeschrieben sein. Nein, derartige Erklärungen verkennen denn doch den Abstand der home- rischen Kultur von der primitiver Völker. Man darf das Vorgehen eines lionierischen Aoiden, der für ein aristo- kratisches, in religiösen Dingen ziemlich blasiertes Publikum dichtete, nicht auf eine Stufe stellen mit einem asiatischen Schamanen und einem Teufelsbeschwörer der Wilden!

Wir bleiben also bei dem Ergebnis, daß die homerischen Sänger in der Art, in der sie ihre Götterworte schufen, in einer Weise verfuhren, die später nicht nur von sie äußerlich

') Das habe ich vor allem g&g&n. die Auffassung von E. Smith, Maal Off Minne, 1918, 14 ff. einzuwenden.

*) S. 0. S. 16 und Jbllinkk , Ztschr. f. österr. Gymn., 1917/18, 68, 766. Güntert, Sprache der Götter und Geister. 9

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und unmittelbar nachahmenden Dichtern, sondern von dem religiös gefärbten, hohen Stil der Dichtung (Aischylos, Pindar usw.) und der Orakelsprache, ja sogar der priesterlichen Fach- sprache weiter verfolgt worden ist. Die wichtigsten Mittel ihrerTechnik, sakraler Archaismus und sakraleMetapher, sind zu HoMEES Zeiten längst stilistische Kunstgriife geworden, beruhen aber, wie Parallelen aus anderen Kulturen beweisen, letzten Endes auf primitiven Vorstellungen von der magischen Zauberkraft des Worts und Namens.

Die Gottheit spricht bei Homer nicht so, wie sich nüchtern die Menschen des Alltags ausdrücken, aber sie gebraucht andrerseits auch keine Geheimworte, keine künstlich erklügelten Zauberglossen, wie der Magier und Geisterbeschwörer, noch tobt sie sich aus im enthusiastischen Schreien und Rufen, sondern sie hüllt ihre Winke und Weisungen in andeutende Umschreibungen oder, um mit Heraklit zu reden,

ovrs Xtysi, ovrt xqvjctsl, d}.2.ä örj^aivst.

8.

Ei

;ine auffallende, schon früh beobachtete Parallele zur homerischen Göttersprache gewährt ein seltsames Lied der altnordischen Liederedda, die Älvtsstnol, in der uns in langen Strophen von Wörtern der Götter- und Geistersprachen be- richtet wird. Den äußeren Rahmen dieses merkwürdigen Gedichts bildet die Verlobung eines Zwerges Älnss, des „Ganz -weisen", mit Thors Tocliter in der Abwesenheit des Vaters. Bei seiner Heimkehr ist der Gott nicht sonderlich erbaut von seinem zukünftigen Schwiegersohn, diesem winzigen Burschen, der „blau um die Nase" ist, als hätte er die Nacht bei Leichen zugebracht, i) Da der Handel nun aber einmal,

•) Dies geht auf die eig:eutliche Natur vieler Zwerge als Toten- dämouen, siehe dazu Verf., Kalypso, 1919, S. 73. Über die Toten im Berge siehe W. v. Unwkrth , Untersuchungeu über Totenkult und Ödinverehrung, Vogts Germauist. Abhandl., 1911, 37, 7 ff. Als Nachtrag zu den „ver-

I; \

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wenn auch hinter seinem Rücken, geschlossen ist, sucht Thor nun keineswegs wie in fast allen anderen solchen Lagen die Sache mit seinem Hammer wieder in Ordnung zu bringen, sondern er beschließt, mit einer List den listigen Werber loszuwerden: er fragt ihn nämlich aus nach den Namen der wichtigsten Dinge in allen neun Welten und weiß dadurch in schlauer Berechnung den auf seine Weisheit eitlen Zwerg so lange hinzuhalten und zu fesseln, bis die ersten Sonnenstrahlen den Sohn des nächtigen Dunkels überraschen. Dies bedeutet aber seine Vernichtung: nach anderen ähnlichen Sagen zu schließen, wurde nämlich der vom Tageslicht überraschte Zwerg versteinert.

Wir wissen, wie beliebt Wissenskämpfe und Rätselfragen als Proben der Weisheit im nordischen Altertum waren, und manch geistiges Turnier wird uns in der Edda und den Sagas geschildert.!) Allein die Art, wie in der Alvissrngl nur nach Worten der verschiedenen Götter- und Dämonensprachen examiniert wird, ist nur aus der Vorliebe der Nordländer für Aufzählungen erklärbar, wie sie sich ja auch bei genea- logischen Werken findet. Das Gedicht macht von vornherein keinen sehr ursprünglichen und altertümlichen Eindruck schon wegen der äußeren Einkleidung; es bleibt gänzlich unmotiviert, wieso der Zwerg auf Thors Tochter, deren Namen übrigens gar nicht genannt wird, so zwingende Anrechte hat, daß der Vater hier ausnahmsweise nicht seine Kraft zu gebrauchen wagt; der Schauplatz der Handlung bleibt unklar und wird nicht einmal angedeutet, vor allem aber befremdet in höchstem Grade, Thor, den sonst so täppischen Draufgänger und bäurischen Kraftgott, als listgewandten Examinator in Dingen der Weis- heit über einen Zwerg siegen zu sehen, dessen Klugheit und Wissen noch besonders betont wird: was von Odin zu er- warten wäre, will zu dem üblichen Charakterbilde Thors wenig stimmen. Die Einteilung des Kosmos in neun Räume

mummten Zwergengestalten" gebe ich hier noch ai. guhyakah „Kobold, Yaksa" zu giihä „Höhe, Versteck", gühati „verbirgt, verhüllt" ; vgl. auch aisl. diüjüendingr „Unterirdischer, Kobold". Über den Typus des mittel- alterlichen Zwergs handelt A. Lütgens, Vogts Germanist. Abhdl. 38, 1911. *) Vgl. nur die yafprüpmsmöl, aber auch den Streit zwischen Wäinä- möinen und Joukahainen im Kalewala III.

9*

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bleibt unklar, zumal nur sechs Bewohnerklassen dieser "Welten genannt werden; jedenfalls ist es dem Dichter nicht darum zu tun, diese Bewohner der verschiedenen Welten scharf zu scheiden: er spielt mit Umschreibungen, wie etwa uppregin, ginnregin, ohne daß der Leser weiß und wahrscheinlich wissen soll , was er sich im einzelnen darunter zu denken hat. Was sollen z. B. uppregin in Strophe 10 sein, wenn Äsen und Vanen bereits genannt sind?

So erhält man den Eindruck einer spielerischen, ober- flächlichen Ausführung des an sich nicht unebenen Einfalls, im Rahmen der Sage von der Lichtempfindlichkeit der Zwerge i) uns eine Sammlung synonymer Ausdrücke zu bieten, wie sie sonst wohl in der isländischen Prosaliteratur begegnen ; ebenso halte ich das Sagenmotiv von verschiedenen Götter- und Geistersprachen an sich selbstverständlich für volkstümlich, wie das unsere ganze Untersuchung lehrt. Aber die Art, wie diese alten, guten Motive dann verarbeitet sind, kann man nicht als sehr glücklich bezeichnen, und mir bleibt sowohl die Bewunderung als die Annahme eines relativ hohen Alters gleicherweise unverständlich, die Finnur Jonsson für dieses späte Machwerk eines mäßigen Dichters übrig hat 2) Mit Eecht meint Heusler, zu diesem Lied „brauchte es das Island um 1200, gesättigt wie es war mit meistersingerischer Formen- kunst und sprachtheoretischem Eifer", 3) mit Recht nennt es Gering 4) „ein versifiziertes Kapitel aus der skaldischen Poetik".

Wenn also der ganze Charakter eines solchen Liedes uns schwerlich viel über altheidnische, echt germanische Vor- stellungen von Götter- und Geistersprachen wird lehren können, so ist es immerhin ein wichtiger Beleg für diesen Glauben selbst. Auch hier erwächst dem Sprachforscher die

') Siehe dazii v. d. Leyen, Märchen in der Edda, 49. Die Ansicht von E. Smith, es handle sich in der Einkleidung unseres Gedichts um das Motiv des Freiers, der durch sein Rätselraten die Prinzessin erringt (vgl. Turandof), halte ich für unrichtig, s. Maal og Minne, 1918, 17. Auch Kauffmann, Balder 200, nimmt mir das Motiv zu ernst und altertümlich.

'■') Den oldn. og oldisl. Litt. Histor. I, 165 ff., namentlich 170.

») In F. Genzmers Edda -Übersetzung, 1920, II, 100.

") Edda -Übersetzung 81, Fußn. 1.

133

Aufgabe, die Verteilung der Synonyme zu prüfen und die Grundsätze zu ermitteln, nach denen der Dichter diese Wen- dungen den Göttern, Vanen, Eiben usw. zuteilte ; was nämlich bis jetzt über dieses Problem erforscht ist, kann nicht völlig genügen J)

Wir halten es für das einfachste, hier zunächst eine Übersicht über die Verteilung der Synonyme zu geben:

Strophe 10: „Erde".

*) JWP W'^A mQnnum,

b) fold mep Qsum,

c) vegir vanir,

d) igrän jgtnar,

e) groandi alfar,

f) aurr uppregin.

Strophe 12: „Himmel".

a) himinn mep mgnnum,

b) hlyrnir 7nep gopum,

c) vitidofnir vanir,

d) uppheitnr jgtnar,

e) fagra robfr alfar,

f) drjüpr sah' dvergar.

Strophe 14: „Mond".

a) mäni ineP mgnnum,

b) mylinn mep gopum,

c) hvel i lielju,

d) skyndir jgtnar,

e) skin dvergar,

f) drtali alfar.

Strophe 16: „Sonne".

a) söl m£p mgnnum,

b) srnina meP gopum,

c) Dvalins leika dvergar,

d) eyglö jgtnar,

e) fagra hvel alfar,

f) alskir äsa synir.

Strophe 18: „Wolke".

a) sk^ mep mgnnum,

b) sMirvgn mep gopum,

c) vindflot vanir,

d) ürvgn jgtnar,

e) veprmegin alfar,

f) hjalmr hulips i helju.

Strophe 20: „Wind".

a) vindr mep mgnnum,

b) vgfupr mep gopum,

c) gneggjupr ginnregin,

d) epir jgtnar,

e) dynfari alfar,

f) hvipupr i helju.

Strophe 22: „Luft" (genauer „Windstille").

a) logn mep mgnnum,

b) legi mep gopum, e) vindslot vanir,

d) ofhly jgtnar,

e) dagsefi alfar,

f) dags Vera dvergar.

Strophe 24: „Meer".

a) sc6r mep mgnnum,

b) silcegja mep gopum,

c) vägr vanir,

d) älheimr jgtnar,

e) Idgastafr alfar.

f) djiipr marr dvergar.

') J. Grimm, Myth.* 1,275; 3,101, Simrock, Edda n888, S. 400, Weinhold, Altnord. Leben 78, Mogk, Grdr.*2,598, Symonds, Edda S. CCLXVIII, Detter-Heinzel, Edda II, 309ff., Schütte, If. 17, 451, Hbusler, Archiv f. d. St. n. Spr., 1906, 116, 264 ff.; Helm, PBB. 32, 99 ff.

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Strophe 26: „Feuer". ' Strophe 30: „Nacht".

a) eldr meß mgnnum, a) ngtt meß nignnum,

b) funi 7neß gsum, b) njöl meß goßum,

c) vdginn vanir, \ c) grima ginnregin,

d) freki jgtnar, | d) öljös jgtnar,

e) forhrennir dvergar e) svefngaman alfar,

f) hrgßußr i Jielju. j f) draumnjgrim dvergar.

Strophe 28: „Wald". i Strophe 32: „Saat".

a) vißr meß mgnnum, a) bygg mep mgnnum,

b) vallar fax meß goßum, i b) barr meß goßum,

c) hlißßang halir,

d) eldi jgtnar,

e) fagrlimi cdfar,

f) vgndr vanir.

c) vgxtr vanir,

d) ciiti jgtnar,

e) lägastafr alfar,

f) hnipinn i helju.

Strophe 34: „Bier".

a) gl meß mgnnum,

b) hjörr vißß gsum,

c) veig vanir,

d) hreinn Iggr jgtnar,

e) mjgßr i helju,

f) sumbl Suttungs synir.

Es wäre nach meiner Ansicht völlig verfehlt, wollte mau aus den Angaben des jungen Gedichts entscheidende Schlüsse auf die altnordische mythische Geographie ziehen, das zeigen die offenkundigen Äußerlichkeiten und Formeln, mit denen der Dichter arbeitet. Daher verzichte ich hier von vorn- herein darauf, etwa aus den älteren Eddaliedern die genauere Grenze in der Bedeutung von uppregin, goß oder cesir fest- zustellen') und mit dem Gebrauch in der Alvissm^l zu ver- gleichen. In der Hauptsache spielen in des Dichters Phantasie folgende Wesen eine Rolle, unter die er seine Synonyme ver- teilt: 1. Menschen, 2. Äsen, 3. Vanen, 4. Riesen, 5. Alben, 6. Zwerge. Davon stehen sich bereits Alben (5) und Zwerge (6) nahe genug, wenn auch dvergar ein viel engerer Ausdruck als alfar ist, vgl. die Ijosalfar. Sind doch in Str. 14 dvergar und alfar als etwas Verschiedenes genannt. Die Wesen

') Eine an und für sich ganz lehrreiche Untersuchung, die einmal augestellt werden sollte. Dazu käme noch tivar, firar usw.

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'/ helju sind Zwerge und Toten, obwohl freilich sonst vom Schweigen der Hei viel geredet wird (s. o. S. 55, A. 2).

Wer sich also immerhin abmühte, zwischen alfar und dvergar, zwischen dceryar und halir bezw. den Wesen i helju einen Unterschied herauszuklauben, der müßte dann sofort des weiteren erklären, warum diese Wesen nur gelegentlich genannt werden und nicht gleichmäßig in jeder Strophe. Es könnte sich billigerweise doch nur um Umschreibungen jener sechs Hauptklassen handeln, von denen wir ausgehen. Suttungr war bekanntlich der Riese, dem Odin den Dichtermet ab- gewann; Suttungs Söhne, Str. 34, können also nur Riesen sein, dabei sind in derselben Strophe aber die Riesen bereits mit einem Wort bedacht {jgtnar 34 d). Was stellte sich der Dichter unter iq)pregin (Str. 10 f.) vor, wo bereits Äsen, Vanen und Alben (d. h. Lichtalben) in der gleichen Strophe genannt sind? Was sind die go]), wenn Str. 16 daneben die Äsen, Str. 18. 22. 24. 26. 32 neben ihnen die Vanen genannt werden? Hier also ernstlich nach tieferen sachlichen Erklärungen suchen, wäre gewiß sehr unangebracht.

Eine Antwort will freilich nur die Frage haben: wie kommt der Dichter zu solchen Unklarheiten? Sollte es sich um zwei Synonyme der betreffenden Sondersprache handeln, sollten z. B. also für „Bier" zwei Ausdrücke in der Riesen- sprache vorhanden gewesen sein? Vielleicht gar weil die Riesen dieses Naß so liebten und in ihren Kellern zwei ver- schiedene „Bräue" führten? Und sollte in Str. 10 ein sowohl der Äsen- als der Vanensprache gemeinsamer Ausdruck vor- liegen ?

Den alleinigen Schlüssel für das Verständnis dieser an- scheinend so verzwickten Probleme, den Schlüssel insbesondere zur Frage nach der Verteilung der Synonyme liefert, wie man m. A. noch nicht in gebührendem Maße beachtet hat die Aufmerksamkeit auf die Verstechnik und Alliteration. *) Der Dichter hat den Vorrat seiner Synonyme in der Hauptsache

») Schon SiMROCK, Edda «1888, S. 400 macht allgemein darauf auf- merksam ; dann Kauffmann, Balder 202, Schütte, IF. 17, 451 und Helm, PBB., 1907, 32,102, deren Standpunkt wir freilich sämtlich nicht ganz billigen können.

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nach den Geboten der Alliteration verteilt. Am deutlichsten lehren dies die Vanen -Worte : sie lauten alle mit v- an : vegir, vindofnir, vindflot, vindslot, vägr, vceginn, vgndr, vgxtr, veig. Nun fehlen aber Vanen Wörter in den Strophen 14. 16. 20 u. 30, und ich besinne mich keinen Augenblick, um dafür folgen- den Grund anzugeben: Dem „Dichter" waren hier einfach keine mit v- anlautenden Synonyme zur Hand. Natür- lich mußte die entstehende Lücke des fehlenden Vanenworts ausgefüllt werden, und da scheute sich der Verfasser nicht, in Str. 14. 16 und 30 den Zwergen noch die Alben beizu- fügen, während ihn in Str. 20 zur Einführung der seltsamen, einmal erwähnten ginnregin lediglich der Stabreim mit gneggjup veranlaßt hat. Die rätselhaften uppregin (Str. 10) trotz der Äsen, Vanen und Alben sind nur durch das al- litterierende Synonym aurr beschworen worden, und um das Wort sumbl unterzubringen, hat der Dichter das Gewaltmittel nicht verschmäht, die Kenning Sutümgs Söhne (= Riesen) zu gebrauchen, dessen ungeachtet, daß die Riesen in dieser Str. 34 bereits ihr Wort erhalten hatten.

Auch die Kehrseite dieser Praxis darf nicht übersehen werden: warum, so fragt man billigerweise, fehlen unter den Synonymen für „Wolke" so gewöhnliche Wörter wie nifl oder ])oka?^) Man kann nur antworten, weil der Dichter sie nicht allitterierend unterzubringen wußte. Lediglich eine beschränkte Anzahl von Stellen ertrug nämlich die beliebige Verwendung eines Synonyms. Die erste Tonstelle (a) in jeder Ljöpahättr- Strophe gebührte dem gewöhnlichen Prosawort, das als Wort der Menschen gilt. Dabei ertappen wir den Dichter bei der gemütlichen Gedankenlosigkeit, daß er Thor, den Gott, bis auf einen Fall (Str. 23), das gewöhnliche Menschen wort ge- brauchen läßt. Die einzige Ausnahme ist marr, womit der Gott nach dem „Meer" fragt, ein Wort, das in der Antwort des Älviss als Bezeichnung der Zwergensprache wiederholt wird: man zerbreche sich ja nicht den Kopf nach irgend welchen „Feinheiten" Thor habe den Zwerg zu Fall

*) Damit man sehe, wie wenig konseqiient der Dichter sowohl in der Wahl der Synonyme als der Wesen, denen er sie zuspricht, vorging, geben wir die Sammlung der wichtigsten Synonyme bei Snorri.

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bringen wollen oder dgl. ; nein, für seinen Stab mit menn in Str. 23 war dem Dichter marr am bequemsten gewesen.

Stelle a in jeder Strophe ist also in der Hauptsache fest- gegeben, hier darf nur ein prosaisches übliches Wort der Umgangssprache stehen. Auch die Stelle b ist nicht völlig frei: einmal sieht man deutlich, wie in den meisten Fällen die Allitteration wieder für die Wahl des Götterworts aus- schlaggebend war; 1) wenn es aber einmal dem bei seinen metrischen Nöten schwitzenden Versemeister gelungen war, die Stäbe anders zu verteilen, wählt er altertümliche Syno- nyme, wie wir noch sehen werden. Nur in Strophe 10. 26 und 34 also herrscht keine Bindung zwischen Menschen- und Götterwort, und da beobachtet man, daß das Menschen wort mit Vokal anlautet: 10: jgrp, 26: eldr, 34: gl, aber eben in diesen Fällen finden wir, unbestreitbar wieder metri causa, statt des üblichen Ausdrucks mep go])um vielmehr gsum. Der Gebrauch von Äsen anstatt der Götter ist also durch keinerlei sachliche Gründe bedingt. Wirkliche Freiheit für die Wahl des Synonyms der Göttersprache kann man demnach nur in den drei Strophen 10 (fold), 26 (funi) und 34 (hjgrr) zu- geben, wenn man auch damit rechnen darf, daß einmal zu- fällig dem Dichter ein alliterierendes Wort in die Hände kam, das er auch aus sachlichen, nicht bloß metrischen Gründen gerade den Göttern zugeschrieben hat,'-) Über Stellung c, wo die Vanenworte meistens^) untergebracht sind, haben wir schon geredet; war kein Wort mit v- zur Stelle, dann sucht sich der Dichter zu einem Synonym eine beliebige Benennung von allitterierenden Wesen, denen das Synonym dann zugeteilt wird: Str. 14c: Jivel den Wesen i helju trotz dvergar und alfar in derselben Strophe; Str. 16 c: Bvalins leika den dvergar trotz alfar in der Stellung e, 20 c : gneggjuj^r den ein- maligen ginnregin, 28 e: hUpjiang den Jialir, 30 c: grima den

') Und zwar Stabreim mit dem Menschenwort in Stellung a; mau prüfe Str. 12: hitninn : hlyrner, 14: mäni : mylinn, 16: söl : sunna, 18 : sky : skürvgn, 20 : vindr : vgfupr, 22 : logn : lägt, 24 : scer : silobgja, 28: vipr : vaUar fax , 30: ngtt-.njöl, 32: bygg : barr. Diese Liste muß alle Zweifel verstummen lassen. *) Vgl. etwa barr, Str. 32.

^) Nur 28 f. sind die vanir mit ihrem Wort vgndr in die letzte Vers- zeile geraten.

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ginnregin. Genau dasselbe Prinzip wie in der Stellung c herrscht in der entsprechenden Stelle f der zweiten Hälfte der Z/q/)a/?a^^r- Strophe: das Wort ist mit dem Wesen, dessen Sprache es angehören soll, durch Stabreim gebunden. Sind Wörter mit d- zur Stelle, so müssen sie die dvergar nehmen; so Str. 12: drjiipr sälr, 22: dagsvera, 24: djiljJr marr, 30: draumnJQrun; hat der Dichter Synonyme mit h- im Anlaut, dann wählt er zur Bezeichnung der (Nacht)alben die Wesen ihelju; so in Str. 18: hjdlmr hulijjs, 20: hvipupr, 26: hrQ])u])r, 32: hnijnnn. Auch in Str. 34 ist zweifellos der Ausdruck '/ helju gewählt wegen des bequemen Stabs mit hreina Igg, wenn dies diesmal auch in einer früheren Versstelle (d) be- gegnet. Wie aber, wenn keine Synonyme oder Umschreibungen mit anlautendem d- oder It- zur Hand stehen? Dann müssen eben die Zwerge bzw. Wesen i helju, denen meistens diese Versstelle f gehört, anderen Weltbewohnern weichen. Außer den schon besprochenen Strophen 28 und 34, wo die Vanen und Suttungssöhne eingesetzt sind, kommen nur vokalisch an- lautende Synonyme in Betracht. Man sollte vielleicht glauben, der Dichter habe dann wenigstens eine Klasse von Wesen konsequent beibehalten, da ja alle Vokale miteinander al- litterieren, etwa die Äsen oder die uppregin; aber nein, gleichsam um mit seiner „Geschicklichkeit" in der Hand- habung der Stäbe zu spielen, vielleicht auch, um ja keine genauere Scheidung der Wesen in den sechs Welten auf- kommen zu lassen und somit jede genaue Nachprüfung zu vereiteln, um wenn ich so sagen darf seine AUitterations- spuren zu verwischen, hat er mit dem Überfluß gespielt : Str. 10 bindet er aur und uppregin, obwohl doch Äsen und Vanen berücksichtigt sind, Str. 16 alsJcir mit äsa sgnir, obwohl doch die Götter bereits genannt sind, und Str. 14 wagt er es ruhig drtali den alfar zuzusprechen, obwohl unmittelbar vorher die dvergar bereits mit ihrem Wort bedacht sind. Man muß doch zugeben, etwa iqypregin hätte an allen drei Stellen ohne weiteres eingeführt werden können, wäre es hier überhaupt auf größere Einheitlichkeit angekommen, i)

') Die timr sind offenbar nicht heraugezogeu , weil keine mit t an- lautenden Synonyme in Betracht kamen.

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Es erübrigt, noch einiges zu den Stellungen d— e zu sagen. Zu Anfang (d) spielen hier meistens die jgtnar eine Rolle, und so war es einfach und bequem in demselben Versteil nach der Cäsur (Stellung e) die alfar, wenn möglich, einzuführen, und so vokalisch anlautende Synonyme, die ja sieben- bis acht- fach häufiger sind als Woi-te mit einem bestimmten konsonan- tischen Anlaut, damit zu binden ; in diesen Fällen ^) allitteriert dann gleichzeitig das jQtunn-^^ori auch mit dem Namen der Riesen selbst. In den drei noch übrigen Fällen finden wir die Stäbe anders verteilt: Str. 14 und 26 konnten Riesen- und Zwergen wort allitterieren (sJcyndi : sJcin bezw. freka : forhrenni), das Riesenwort hreinn Iggr in Str. 34 wird mit der Wesens- bezeichnung i helju an Stelle e gebunden.

Diese etwas umständliche, aber nicht zu vermeidende Heranziehung der metrischen Verhältnisse hat uns, wie ich meine, in der Erklärung dieses Gedichts ein gut Teil weiter- gebracht, und wir sehen, nur in ganz beschränktem Umfang können wir jetzt noch die Frage aufrecht erhalten, nach welchen Grundsätzen der Dichter in den wenigen Fällen seine Synonyma verteilt hat, wo ihn keine metrischen Fesseln be- drückten. Zugleich ergibt diese Prüfung die Unrichtigkeit der Annahme, die Allitteration zwischen dem betreffenden Wort und den übernatürlichen Wesen beruhe auf altheid- nischen Vorstellungen von der magischen Bindung durch Stabreim : die mit v- anlautenden Vanenworte und der Anlaut des Worts vanir seien geheimnisvoll gebunden. 2) Die genaue Durchsicht der Synonyme und der Vergleich des Wortanlauts der Wesen, dem sie zugeteilt sind, lehrt deutlich, daß mit solch urwüchsigen, primitiven Gedankengängen bei unserem Gedicht nicht mehr gerechnet werden darf.

Daß die Objekte, die benannt werden, in einer gewissen Reihenfolge auftreten, hat man längst beobachtet ^) : wir haben

^) Str. 10: Igren (j{)tuar), 12: uppheim, 16: ei/gl6, IS: ürvgn, 20: epi, 22: ofhly, 24: älheim, 28: elcli, 30: öljos, '62:ceti allitterieren sämtlich mit alfar.

*) So scheint sich Kauffmann, Balder 1902, die Sache zu denken, der überhaupt das Gedicht m. A. für viel zu altertümlich hält und es als Quelle für alt- primitive Vorstellungen doch wohl überschätzt.

*) E. M. Meyer , Altgerm, Poesie nach ihren formelhaften Elementen beschrieben, S. 469, Mogk, Pauls üruudr.'* 597.

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die Paaie Erde Himmel, Mond Sonne, Wolke Wind, Luft Meer, Feuer— Wald (Holz), Nacht, Saat Bier (d.h. aus Getreide gewonnenes Produkt). Es liegt auf der Hand, daß der Nacht als Gegenstück Synonyme für den „Tag" ent- sprechen müßten: Ist eine Strophe verloren gegangen? hat sie der „Dichter" nicht zuwege gebracht? oder ist eine Strophe vielleicht interpoliert?

Es erübrigt uns noch, die Synonyme selbst unter Be- rücksichtigung aller entwickelter metrischer Vorbehalte ein wenig näher zu prüfen.')

1. Erde.

Das den Göttern zugeschriebene Wort fold ist metrisch nicht gebunden, weil der Stab auf jgr]) gsum ruht, der Dichter hatte also, wie oben S. 137 bemerkt, hier ziemliche Freiheit. Er wählt ein echt germanisches, auch in nordischer Poesie öfter gebrauchtes Wort, das aber offenbar in der Um- gangssprache nicht mehr recht üblich war: es ist nur im Faeröer Dialekt {fold) erhalten, in den neunordischen Sprachen dagegen als selbständige Form abgestorben; lediglich in Orts- namen erstarrt als letztes Kompositionsglied {-fold oder -foll) ist es nachweisbar. Gehen wir dagegen zurück, so finden wir darin eine alte schwundstufige Variante zu dem bekannten Wort german. "^felpa- (in nhd. Feld, ahd. feld, engl, field usw.), die auch in as. folda, ags. folde vorliegt. Nach Ausweis von ai. prthivi „Erde", das in der Wurzelstufe an fold erinnert, abg. polje „Feld", lat. planus usw. haben wir es mit einem Schößling eines altindogermanischen Worts zu tun.

vegir, metrisch wegen vanir gewählt, ist in seiner Be- deutung von „Erde" gewaltsam zurechtgebogen und läßt sich in diesem Sinne sonst nicht nachweisen; das Wort bedeutet vielmehr „Wege, Pfade" und ist die altisländische Ent- sprechung zu unserem Weg, ags. weg, engl, way, norw. vei usw. Allerdings kommt im Kompositum vegr gelegentlich in Ver- wendungen vor, die eine gewisse Annäherung an die Be-

*) Um eine Übersicht über die zur Verfügung stehenden Synonyme zu geben, genügt es, die betr. Ausdrücke aus Snorris Edda, anzufügen. Tür „Erde" vgl. Sn., Edda I, 472 ff. : j^rß, fold, gnmd, haupr, land, läp, hlöPyn, frön, figrgyn.

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deutung von „Erde, Land" aufweisen, z. B. austrvegr „Osten", « austrvega (Ls. 59, 3) „ostwärts", su^rvegr „Süden", norpvegr (= ags. noröiveg) „nordwärts"; vor allem möchte ich auf foldvegr aufmerksam machen, das Baiddr. 3 3 begegnet und etwa „gangbare Erdoberfläche" bedeutet; denn auch im Ags. begegnet das also offenbar altertümliche Kompositum foldweg. Man sieht demnach immerhin den Weg, auf dem man vegir als ein Synonym von Wörtern für „Erde" aufführen konnte. atirr, das den iippregin zuerkannt wird wegen des vokalischen Anlauts, bedeutet vielmehr der „sandige Erdboden" nach Ausweis von norw. aur „eisenhaltiger Kies", nd. ür „eisen- haltiger Sand", holl. oer „Eisenerz", schwed. ör, dän. (dial.) m\ Wichtig ist auch ags. ear „Erde"; eine Ableitung dazu ist aisl. e^rrf. „flache Küstenstrecke", norw. ör „sandiger Strand".i) Der Ausdruck hyija auri 'terra condere' hätte vielleicht eher auf die Welt der Unterirdischen als die der uppregin gepaßt; wird doch aurvanga sjgt Vsp. 14, 4 von dem Zwergenland ge- braucht, ein Zwerg heißt geradezu Aiirvangr, doch offenbar von seinem Aufenthalt im Erdinnern (Vsp. 13, 4). Aber die dvergar kommen eben aus metrischen Gründen von vornherein nicht in Betracht, und mindestens die alfar einzusetzen, konnte sich der Dichter nicht entschließen, weil er sie in der vorher- gehenden Stelle schon untergebracht hatte. Um wenigstens sachlich und mythologisch richtiger vorzugehen, hätte er mit den upipregin das igren der Stelle d binden sollen, und dann den alfar in Stellung f das passendere aurr zusprechen können; aber so einfach auch diese Umstellung gewesen Wäre, wir können sie von einem so äußerlich arbeitenden Versemacher, wie dem Dichter der Alvissmgl, nicht verlangen. Die beiden noch bleibenden Synonyme für „Erde" igrän und groandi machen den Eindruck junger Erfindungen und Umschreibungen und stehen mit den vier anderen Benennungen nicht auf der- selben Stufe: groandi, ein substantiviertes Partizipium zu gröa, ist die „Grünende", fgren bedeutet ähnlich, nur adjek- tivisch „schön grünend" und läßt sich mit mhd. ingrüene engstens vergleichen. Im Norwegischen ist heute noch tgren „grünlich" gebräuchlich. Hier handelt es sich also nur um poetische

') Falk und Torp, Norw. et. Wb. 36.

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Metaphern, nicht wie in den anderen Fällen, um wirklich übliche Wörter.

2. Himmel, i)

Das Götterwort hlyrnir ist metrisch durch Allitteration mit liiminn gebunden, und seine Zuteilung ist somit nicht mehr frei gewesen. Bei Dichtern kommt dieses Wort öfter im Sinn von „Himmel" vor. 2) Es ist eine Ableitung von hlyrn n. „Tageszeit", bedeutet also eigentlich „Zeiten"; auch Snobri kennt es als Synonym für „Himmel".

Alle anderen Ausdrücke sind Umschreibungen und vom Dichter nach naheliegenden Mustern erst selbst geprägt. vindofnir „Windweber" entspricht etwa den Kenningar vmd- heimr oder vindhjalmr „Windhelm" an anderen Stellen der Edda (HH. 2, 48, 3; Vsp. 63, 4), und man wundert sich nur, daß der Dichter nicht eines von diesen Wörtern gewählt hat. Auch uppheimr ist eine Kenning und nach vindhemr, jgtun- heimr usw. mit der Vorsilbe gebildet, die in dem agerm. uphi- minn, as. uphimil, ags. upheofon vorliegt. Aber sonst ist dies uppheimr „das Oberheim" nicht belegt, so wenig wie die poetischen Umschreibungen fagra rcefr „das schöne Dach" und drjtipr salr „triefender Saal" noch sonst vorkommen. Man wundert sich, daß der Dichter, wenn er doch neue Um- schreibungen heranzog, dann nicht wenigstens solche einführte, die eine klarere Durchführung der verschiedenen Wesen er- möglichten. Im übrigen mag bemerkt sein, daß an das „schöne Dach" unsres Skalden auffällig eine Umschreibung der fin- nischen laulajat für „Himmel" im Kalewala erinnert: hirjohansi „bunter Deckel".-') Doch ist das Bild vom Himmel als dem „Dach" der Erde auch sonst anzutreffen. Eine ähnliche aisl. Kenning ist salpak „Dach des Bodens". So stellt man, wohl mit Recht, unser Himmel, as. hedan, ags. heofon, aisl. Jiiminn,

*) Synonyme bei Sn., Edda I, 470. 592 f.; II, 568 f.: himinn, .hlyrnir, heippornir, hreggmimir, andlängr, Ijösfari, drifandi, skaturnir, vipfepmir, vetmimir, leijitr, hrjöpr, viphläinn.

'^) Belege bei Egilsson, Lex. poet., 1860, 363.

") Vgl. D. CoMPARETTi, Der Kalewala oder die traditionelle Poesie der Finnen, Halle 1892, S. 195, wo Fußn. 5 auch gut auf lit. danghs „Himmel" zu dengiü „decke", davktis „Deckel" hingewiesen wird. Sielie auch Reichklts Arbeit über den steinernen Himmel IF. 32, 23 ff.

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got. Jiimins < Viemin- zu gr. xiitUd-Qor „Dach", y.cqiäoa „Ge- wölbe", lat. camur „gewölbt". Die Bedeutung „Decke" findet sich in nd. liemel, mndl. kemelte, ahd. himiUa, ags. hüsheofon, heofon rof, ^än. sengchimmel, norw. himlmg; vgl. aucli nhd. HimmelheU. Ob dies nocli ein Rest der alten allgemeineren Bedeutung ist, dürfte freilich trotz ihrer Verbreitung in mehreren germanischen Dialekten fraglich bleiben. Wahr- scheinlich sind sie alle erst einzelsprachlich aus der urgeima- nischen Bedeutung „Himmel" übertragen. Dazu kommt, daß man in den Kirchen oder Festsälen die Decke gei-n als Himmel blau malte und mit Sternen verzierte. ')

3. Mond. 2) mylinn, wegen des Stabs mit niani den Göttern zu- gesprochen, scheint der „Feurige" zu bedeuten ; man denkt an Verwandtschaft mit schwed. moln „Wolke " ; 3) sicher ist die Grundbedeutung nicht auszumachen. Dagegen entspricht sMn, der Zwergenausdruck, dem norw.sJdn; unser nhd. Seit ein ist eine Ablautsdublette dazu, das Wort bedeutet „Glanz, Licht, Leuchte", bekannt ist das Kompositum solsJcin „Sonnenschein". Daß diese allgemeine Bedeutung des Worts vom Mond ge- braucht wird, ist Erfindung des Dichters. Dabei spielte natür- lich wieder die Allitteration mit dem Riesenwort sJcyndir seine Rolle. Dies bedeutet eigentlich der „Eilende" als Ableitung von shynda „sich schnell vorwärts bewegen", sJcunda ser „be- schleunigen", norw. shjnde sig „sich beeilen", &gs.scijndan „be- schleunigen, eilen", as. shundian „antreiben", ahd. scimten. Wir haben also, trotzdem auch Snorei das Wort unter den Synon3anen erwähnt, nichts als eine poetische Umschreibung: sie geht wohl auf den „Flug der Zeit"; denn das Albenwort drtali „Jahresberechner" nur wegen der Allitteration den Alben zugesprochen geht ja gleichfalls auf den Mond als Zeitrechner, als die Himmelsuhr, als die vielleicht schon in

») Vgl. Falku. TORP, Norw. et. Wb. 404. 1482. Heyne, Hausalter- tümer 1, 79; A. Nehring, Mitt. d. Scliles. Ges. f. Volksk., 1916, 18, 21 f.

2) Sn. , Edda I, 472 : müni, ny, nip, ärtali, mulmn, fengari, glämr, skyndir, skjidgr, skramr.

») Vgl. ViGFUSSON, An Icel.-Engl. dict., p. 440; Genzmer, Edda n, 102 übersetzt „Minderer", denkt er au mi/lja „zermalmen"?

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alter Zeit der Mond angesehen wurde, i) hverfanda hvel end- lich „das rollende Rad", wie man bei der Hei den Mond der Allitteration wegen benennen soll, ist eine ohne weiteres ver- ständliche künstliche Umschreibung.

4. Sonne. 2)

Durch Stabreim mit dem gewöhnlichen söl (= norw, schwed. 50?) gebunden ist das Götterwort sunna: hier lieferte der Zufall dem Dichter von selbst eine allitterierende Form. Es ist ein Seitensprößling, der zur selben Basis gehört wie sol] aber im Nordischen scheint der sonst so weit im Ger- manischen verbreitete w- Stamm im Absterben gewesen zu sein, in der Edda kommt sunna, das ahd. sunna, nhd. Sonne, ags. afr. sunne, got, sunnö entspricht, sonst nicht vor. Nur im Wort für „Sonntag" hat sich in den nordischen Dialekten der Stamm, als erstes Kompositionsglied versteinert, erhalten: faerör. sunnudagr, aschwed. sunnudagher, adän. sundagh, norw. sendag, die dem ahd. sunnüntag, ags. sunnandceg „dies Solls" usw. entspreclien. Wir haben hier also einen Fall wie oben bei fold: den Göttern wird ein echt germanisches, nur bereits veraltetes Wort zugeteilt. Alles, was bleibt, sind Spielereien : JDvalins leika ist eine unklare Kenning; man deutet „Dvalins Gespielin oder Spielzeug", indem man aisl. leikr „Spiel, Spott" (= got. laiks „Tanz" usw.) heranzieht. Genzmer übersetzt mir unverständlich „Dwalins Zwang". 3) Vielleicht gibt die Bedeutung „Dvalins Gespött" einen besseren Sinn, wenn man sich dabei denkt, daß die von der Sonne versteinerten Zwerge zum Gespött werden. Nach Dettek-Heinzel*) begegnet die- selbe Kenning auch Fas 1,475, wo man liest: (nigrhui) d/repr skini Dvalins leiku, wo also ebenfalls auf diesen Mythos

') Dabei denke ich an die bekannte, wenn auch neuerdings an- gefochtene Etymologie von idg. *mens „Mond" (in ai. maJi, aw. mäh- „Mond", air. mi usw.) als „Zeitmesser" zur Basis *jne- „messen". In den aisl. Kenuingar haben wir jedenfalls eine gute semasiologische Parallele, und morphologisch unmöglich ist diese Deutung ebenfalls nicht, wenn andrerseits auch keineswegs gesichert.

*) Sn. , Edda I, 472 : sunna, VQpull, eyglöa, alskir, s^ni, fagrahval, Uknskin, Dvalins leika, älfrgpull, ifr-rgpull, mylen.

3) Edda II, 102.

*) Ssemundar Edda II, 310.

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angespielt wird, fagra hvel „das schöne Rad", ey(ßo „die immer g-lühende" und alsMr „die ganz reine" sind durch- sichtige, junge Metaphern.

5. Wolken.

Abgesehen von dem gewöhnlichen shy (= norw. schwed. shj, engl. [Lehnwort] sky „sichtbarer Himmel") haben wir es mit unursprünglichen, „gemachten" Umschreibungen zu tun. Dabei begegnen wieder einmal zwei Reimwörter, deren Rolle auch in der Göttersprache uns schon bekannt ist: shürvgn „Regenhoffnung", wegen der Allitteration mit shy den Göttern zuerkannt, und ilrv^n „Regenwolken - Hoffnung". i) vindflof, das Vanenwort, bezeichnet die Wolken als „Segler der Lüfte", vgl. Vera ä floH „schwimmen", vejjrmegin „Wetterkraft" ist nur hier belegt, während hjalmr hidips, wie die Leute der Hei das Gewölk nennen, auf den sagenhaften Heihelm der Nacht- alben deutet, der unser nhd. Tarnliappe entspricht. Hier also stoßen wir einmal auf eine Umschreibung, die durch mytho- logische Vorstellungen veranlaßt ist,

6. Wind. 2)

Das mit vindr allitterierende Götterwort vgfujir ist in Grmn. 543 ein Beiname Odins und bedeutet „Waberer"; ein sonst übliches dichterisches Wort für „Wind" ist vindofnir „Windweber", gneggjupr aber heißt der „.Vieherer" (zu gneggja = norw. gnegge „leise wiehern", schwed. gnägga usw.) und geht also auf das Bild des Sturmrosses. Spir ist der „Schreier" zu ä2)a „schreien, rufen" (zu got. ivöpjan, ahd. ivuofan usw.), }ivijm2>r „der Stürmische" (zu hvipa ,5Windstoß", auch „Seufzer"), und dynfari heißt der „mit Gebraus Einherfahrende" (zu dynr „Gedröhn", norw. dm\. dyn, d.gs. dynian usw.): alles, wie m.an sieht, uneigentliche Metaphern, keine wirklichen Synonyme.

') ttr zu norw. (dial.) ür „Regenwolken", aisl. auch „Staubregen, alt- dän. ur, verwandt mit der Sippe von ovQia „best. Wasservogel", lat. ürlnor „tauche" usw.; skür = norw. skur „Regenschauer" entspricht unserem Schauer, ahd. scür.

^) Sn., Edda 1, 486 : hregg, byrr, glygg, kret, gjösta, vindr ; dann wird unsere Strophe zitiert.

Güntert, Sprache der Götter und Geister. IQ

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7. Luft (bzw. Windstille). Gegenüber der erregten Luft, dem Sturmesbrausen, das den Metaphern der eben behandelten Strophe zugrunde lag, wird unter „Luft" hier die „Windstille" bezeichnet durch das die Reihe eröffnende logn (= norw. logn „geschützt" [vom Wasser], alt. dän. lufgjn „Windstille, Ruhe"). Ugi, das damit gebundene Götterwort, bedeutet eigentlich „das Sichlegen (des Sturmes)", norw. dial. %je „Aufhören des Sturmes", was ebenso vind-slot n. „Windriegel" d. h. „Windstille" besagt. ofJütj, wie die Riesen die Luft nennen, scheint auf die schwüle Wind- stille vor einem Gewitter zu gehen: lily „Wärme" = norw. dial. lya „milde Luft" ist durch of verstärkt. Unklar und geschraubt sind die beiden letzten Kenningar: dag-sefi mag „Mildern des Tags" bedeuten, i) dags vera „das Bleiben bzw. Ruhen des Tags" oder wohl richtiger „der Aufenthaltsort des Tags".

8. Meer. 2)

Das den Göttern wegen Allitteration mit scsr zuerkannte silmgja ist ajia^ Ityonevov und macht der etymologischen Zer- gliederung Mühe. Wahrscheinlich haben wir si-ldegja zu trennen, wo si die bekannte verstärkende Vorsilbe ist (= ahd., ags. usw. sin) und Idegja (zu Idegi n. „Platz, wo Schiffe vertaut liegen", neunorw. sJcipslcegje „Hafen") auf die weithin ver- breiteten Wasser ginge: „überallhin ausgebreitete Flut". 3) Trennen wir sü-cegja, so könnte das zweite Glied wohl mit cegir zusammengebracht werden, aber sil macht Schwierig- keiten. Nach einigen 4) soll es „schweigende AVasser" be- deuten, eine auch sachlich etwas bedenkliche Deutung. 0) Jedenfalls aber ist dies hier den Göttern nur aus metrischen Gründen zugesprochene Wort eine ganz künstliche Schöpfung. Das neben scer in dieser Strophe verwendete altertümliche, echt germanische Wort ist nicht den Göttern, sondern viel-

^) Nach Gering, Wb. 144, 889; also zu sefa, das wohl aus dem älteren svefa dissimiliert ist ; vgl. Rf>. 45.

2) Sn., Edda 1,492: marr, JEgir, Gumir, Hlcer, haf, leip, ver, sali, i90> grgpir.

8) So Gering, Wb. 909.

*) So ViGFÜssoN, Corp. poet. bor. 1, 483.

*) Got. süan, lat. sikre hat doch kaum mit sil etwas zu schaffen.

I4f

inetir den dvergar zuerkannt worden : marr, das got, marei, marisaiws, as. meri, ahd. meri, nhd. Meer entspricht, ist aber im Nordischen bereits im Absterben begriffen. Das nur noch im älteren Dänischen und Schwedischen selbständig erhaltene Wort ist heute lediglich in Kompositen erstarrt erhalten, wie in marsvin „best. Fisch", marhalm „Meergras" usw. Es ist also entschieden irrig, wenn man gemeint hat, den Göttern seien nur die alten echt germanischen Wörter zugesprochen worden. 1) Sogar metrisch hätte sich das AVort, wenn es der Dichter unbedingt den Göttern hätte überlassen wollen, ohne Schwierigkeit mit dem m- von mgnnum der ersten Vershälfte binden lassen. Es ist eben verkehrt, bei dem Dichter irgend- welche ratio in der Verteilung zu suchen außer den oberfläch- lichsten metrischen Beweggründen: er hat marr nicht mit mgunum gebunden, weil er sein silcegja sonst nicht gut unter- gebracht haben würde. Sogar das Vanenwort ist ein echtes altgermanisches Synonym, wenn es auch gemeingermanisch (wohl aber aisl.) nicht gerade „Meer" im eigentlichen Sinne bedeutet hat: vdgr „Meerbusen, See" ist die nordische Ent- sprechung von ahd. iväg „bewegtes Wasser, Woge, Meer", nhd. Woge, Sign. IV (Bg „Woge", schweb, vag „Woge" usw. dlheimr bedeutet „Aalheim", ist also eine künstliche Umschreibung. Idgastafr heißt bei den Alben nicht nur das „Meer", sondern nach Str. 32 auch die Saat, d. h. wohl die „Gerste", eine selt- same Doppelbedeutung, stafr, das Ja oft als zweites Kom- positionsglied begegnet, scheint recht verblaßt gebraucht zu sein im Sinne von „Stoff"; das erste Glied kann zu laga „mit Flüssigkeit übergießen", insbes. das Malz beim Brauen, gehören. Wir verstehen also am Ende, daß das Bier bzw. die Gerste, aus der mit AVasser Bier gebraut wurde, als Idga- stafr bezeichnet würde, wieso man aber das Meer einen „Bräu- stoff" nennen kann, etwa weil man zum Bierbrauen auch Wasser bedarf oder wegen des Gischts, leuchtet weniger ein. Das erste Kompositionsglied wird also in diesem Fall nicht, wie unten in Str. 32, mit dem Terminus technicus laga „brauen" zu verbinden, sondern vielmehr enger mit Iggr „Flüssigkeit,

^) Schütte, IF. 17, 451 ff. Dagegen auch schon Heusler, Archiv f.

d. Stud. d. neueren Spr. 116, N. S., 1906, 16, 264 f. und Helm, PBB., 1907,

32, 99 ff.

10*

148

Wasser, Fluß, Binnensee" (= norw. laag „aufgegossenes Wasser", ags. lagii „See, Fluß, Wasser", as. lagu) zu vereinen sein. Mit dieser Sippe ist auch aisl. „Meer", norw. dial. laa Sumpf wasser", sowie weiterhin lat. lacus, ir. loch „See" usw. verwandt. Den farblosen Ausgang -stafr scheint dann dieses Synonym von jenem zweiten lägastafr übernommen zu haben, wo er mehr berechtigt ist. lägastafr in unserer Strophe wäre etwa „Wasserstoff".

9. Feuer. 1) Das Götterwort funi ist metrisch nicht gebunden, so daß der Dichter frei schalten konnte : wir haben denn auch wieder ein altes Wort, das im Absterben begriffen war und in den neunordischen Sprachen nicht mehr begegnet: es ist mit got. fön n. „Feuer" gen. funins, apreuß. panno „Feuer" usw. zu verbinden. 2). vceginn ist Konjektur für das überlieferte vag, das offenbar aus der eben behandelten Strophe durch ein Versehen des Schreibers verschleppt ist. Wie dies Wort, so sind auch die übrigen bloß junge Umschreibungen : frehi „das gierige", forbrennir „derVerbrenner" im^ hrgpupr Aer „Schnelle".

10. Wald. Die ganze Strophe enthält, vom Menschenwort vipr „Wald, Holz" (= norw. schwed. ved) und dem Yanenwort vgndr „Rute, Busch" = got. ivandus abgesehen, nur ganz ge- künstelte Umschreibungen: vallar fax „Mähne des Gefildes", hl/])pang „Tang der Berghalde", eldi „Nahrung" (sc. des Feuers), fagrlimi „schönzweigig". Bemerkenswert ist die etwas zu- rechtgebogene Bedeutung des Vanenworts : sowohl im Gotischen {wandus) als in den neunordischen Sprachen (norw. vaand) bedeutet es „Eute, Gerte", höchstens „Gebüsch", aber nicht eigentlich „Wald". Auch sei betont, daß das immerhin ur- nordische Wort diesmal den Vanen, nicht den Göttern zugeteilt

wurde

11. Nacht (und Nebel). 3)

Das mit ngtt gebundene njol ist wieder ein altes Wort, das dem ahd. nebul „Nebel" entspricht. In den neunordischen

0 Sn., Edda I, 506: eldr, log/', häl, glcepr, eisa, gm, hyrr, viti, funi, hriwi, letjgr. «) Vgl. Bartholomae, PßB., 191G, 41, 272 ff.

•'') Sn., Edda II, 485 finden sich die meisten heiti wieder.

149

Dialekten ist es nicht mehr vorhanden, grma faßt die Nacht desgleichen als „Nebelmaske", als „Tarnhelm",') und würde gut für die Zwerge passen. Aber die erbarmungslose Vers- not zwingt den Dichter mit den ginnregin zu operieren, während nur der Allitteration wegen die Söhne der Nacht, die Zwerge, sie wenig passend drcmm-njgrun „Traum web erin" nennen sollen, svefngaman „Erquickung durch den Schlaf" und ö-Ij6s „Lichtlosigkeit" sind wieder farblose, künstliche

Metaphern.

12. Saat, bzw. Getreide.

barr m., das mit dem gewöhnlichen Ausdruck allitterierende Götterwort, ist wieder eine echt altgermanische Bildung, die aber im Nordischen poetisch und altertümlich geklungen haben muß: vgl. ags here „Gerste", lat. /ar, got. adj. ianVems „von Gerste" usw. Nur die Zusammensetzung norw. harlog „Malz- wasser" hat im 1. Kompositionsglied das Wort im Neunordischen noch bewahrt. Die lebenskräftigere verwandte 2) Form aisl. harr n. „Nadeln, Baumsprossen" hat sich dagegen in norw. har, schwed. harr selbständig erhalten. Das Vanenwort vQxtr be- deutet „Wuchs" (= got. wahstus und dän. veJcst „Wuchs, Wachstum", auch „Gewächs", schweb växt) : hier liegt also wieder der Fall vor, daß ein altgermanisches Wort in seiner Bedeutung gepreßt worden ist, um ein passendes Synonym zu erhalten. Auch ceti, wie die Eiesen die Saat nennen, hat eine viel allgemeinere Wortbedeutung: „Speise, Nahrung", vgl. norw. ceta „Aas". Über lägastafr „Bräustoff", das hier an passender Stelle steht, haben wir oben bereits gesprochen.^^) hnipinn „biegsam" geht auf die Halme des Getreides.

13. Bier.

Die metrisch sehr einfache Verteilung von gl und hjörr auf Menschen und Göttern entbehrt nicht des Interesses. Das ältere Wort für „Bier" war jedenfalls gl, das „ungehopftes" Bier bedeutete; vgl. ags. ealo, alo]), dän. 0I, schwed. öl, as.

1) Siehe dazu Verf., Kalypso 111 ff.

2) Vgl. dazu Hoops, Waldbäume u. Kulturpfi. 360, wo wegeu des Gebrauchs von harr in unserem Lied auf die vielleicht verwandte Hesych- glosse (f'jQov Tj zcüv ilfj^aiojv d^tcöv x(iO(ft'j hingewiesen wird.

ä) S. 147f.

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alo-fat „Bierfaß", holländ. aal, mhd. alschaf „Trinkgefäß" und weiter lit. alüs „Bier", apreuß. alu „Met", abg-. oh „Bier", finn. (Lehnwort) olut „Bier". Bekanntlich wird in einem Schenkungsbrief Karls d. Gr. an die Abtei in St. Denys der Hopfenbau für Deutschland zuerst bezeugt: erst zur Zeit der Völkerwanderung lernten die Germanen durch Berührung mit asiatischen Völkern die Verwendung des Hopfens zur Bier- bereitung kennen. Bier dagegen bedeutet „gehopftes Bräu"; unterscheidet doch der Engländer noch heute sehr wohl zwischen beer und ale. Aisl. hjörr ist nun ziemlich sicher aus ags. heor entlehnt, so daß das Wort ursprünglich nur dem West- germanischen angehört : ahd. hior, afries. Uar, as. Uor, holländ. hier\ aus dem Germanischen entlehnt ist franz. liere, Italien. hirra. Daß das Wort also bereits urgermanisch gewesen sein sollte, halte ich aus diesen sachlichen Gründen für unwahr- scheinlich.') Damit fällt denn auch die ganze etymologische Auffassung des Worts von Schrader,^) der in wenig über- zeugender Weise ein Gebilde urgerman. *hi-us:a- aus vollerem *M-uesa-, *bi-iiusa- „Bienensaft" = „Honig" konstruiert. Ganz abgesehen von der unmöglichen Bildung dieses Kompositums setzt sie sachlich voraus, „Bier" sei, wie Met, ursprünglich ein Honiggetränk gewesen. Wegen gelegentlicher Angaben, es sei dem Gerstenbräu auch manchmal Honig beigemengt worden, darf man doch nicht die Sache auf den Kopf stellen und für „Bier" statt von „Gerstenbräu" vielmehr von einem „Honigtrank" ausgehen; das war seit vorgermanischer Zeit allein der Met. Aus ebendenselbem Grunde ist mir auch die Annahme, das Wort gehöre zu „brauen", etwa aus *breu-ro- dissimiliert, ganz unwahrscheinlich, eben weil es ja nur west- germanisch, also jüngerer Herkunft ist : zur Völkerwanderungs- zeit konnte für das neuartige Bräu keine solche Bildung mehr vorgenommen werden. Man könnte annehmen, daß hier aus slav. pivo „Bier", Stamm *pives-, piti „trinken" entlehnt "sei, 3) wie \\t. xw^as „Bier", apreuß, J)^^<'^5 ~ poln. ^mo „Bier" zweifellos ein slavisches Lehnwort darstellen. Aber wenn man auch

') Siehe M. Heyne, Nahruiigswesen 341. 2) Reallex , 1017, I-, 45.

•■') So Kuhn, KZ. 35, 3l3ff. Ähnlich uud mii- unannehmbar E. Schröder bei HüOPS, Eeallex. I, 279 ff.

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sachlich die erwähnte Heimat des Hopfens dafür anführen könnte, so weiß ich mir im Punkte des Lautlichen nicht zu helfen: wohei- das -r-? woher das h- statt ^j-? Da müßte denn schon angenommen werden, ein altes *beura- oder Heusa- „Gerstensaft" zu german. *beuuu- in ags. Leo, aisl. bygg „Gerste" sei durch dieses slav. *piues- „Bier" umgebildet worden: sehr glaublich sieht mir auch dies nicht aus. Vielleicht ist die Sache ganz anders verlaufen: Bier scheint, wie Heyne, Nahrungswesen 341 schon annahm, nichts als das romanische (vulgärlat.) hiver e (mit spirantischer Aussprache des zweiten h) zu sein, das die Germanen annahmen, wobei v zu o voka- lisiert wurde: roman. hirer(e) > hior. Für das neue „Bräu", das Mode wurde, wählte man ein romanisches Fremdwort, wie das in dieser Zeit ja in so vielen Fällen üblich war'): das Getränk xat' tsox/jr, vgl. vor allem Italien, bevere „trinken". Daß slav. *xnves- in der Geschichte unseres Worts „Bier" eine Rolle gespielt hat, ist mithin eine unnötige Annahme.

Das aisl. bjorr wird nur von ausländischem Bier gebraucht, für das neu importierte Hopfenbräu; und dies erhalten die Götter zugewiesen: hier glaube ich freilich auch, daß der Dichter seine S3monyme mit Absicht verteilt hat, insofern er also das beste, schmackhafteste Getränk neuester Bräuart den Göttern zuspricht. Das Vanenwort veiy „berauschendes Ge- tränk" (= norw. veigja „Saft") ist ein mehr poetisches Wort, aber daß es den Vanen angehört, daran ist nur das anlautende V- schuld. Jireinn Iggr bedeutet „klare Flüssigkeit", sumhl (= ags. symbel) ist „festliches Gelage, festlicher Trunk". Bei der Hei trinkt man überhaupt kein Bier, sondern Met (mJQpr), eine seltsame Gleichgültigkeit in der Wahl dieses zweiten berauschenden Hauptgetränks der Nordleute: den sachlichen Unterschied von Bier und Met hat der Dichter einfach unberücksichtigt gelassen.

Unsere Prüfung der einzelnen Synonyme läßt sich etwa in folgendes Ergebnis zusammenfassen:

1. Der Dichter der AMssrngl hat den alten, echt heid- nischen Volksglauben, daß die Götter und Geister eine be-

>) Vgl. Seiler, Die Entwicklung der deutschen Kultur im Si)iegel des Lehnworts, 1900, II, 31 ff., besonders 47.

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sondere Sprache sprechen, die nur der Zauberer und Priester kennt, dahin erweitert, daß er, um Synonyme in origineller Weise zusammenzustellen, auch den Zwergen, Eiesen, Vanen usw., also allen Bewohnern der verschiedenen Welten eine besondere Sprache beilegt. Diese Schematisierung ist sub- jektive Erfindung des Dichters, auf die er ohne weiteres von Jenem allgemeinen Glauben aus geraten konnte. So hatte er einen originellen Rahmen für die Sammlung seiner Sjoionyme; weil es sich stets um mehr als zwei handelte, mußte er auf seine Theorie von verschiedenen Geistersprachen verfallen. Zudem ist die Gegenüberstellung der verschiedenen mythischen Wesen in der nordischen Dichtung ein sehr beliebtes Motiv. Man denke an die Frage : „Was gibts bei den Äsen, was gibts bei den Alben?" der Pnjmshvi^a oder an eine Strophe, wie etwa H(}vam. 144:

Opinn mep gsum, en fyr glfum JDainn,

Dvalinn dvergmn fyrir Alsvipr mep jgtnum ...

„0. bei den Äsen, aber bei den Alben D., Dv. bei den Zwergen, AI. bei den Riesen", wo die Namen großer Runen- meister unter den verschiedenen Wesen aufgezählt und ein- ander gegenübergestellt sind. Ganz ähnlich Sigrdrifum. 18:

pcer'u mep ösum, pcer'u meP glfum, smnar mep visum vgnum, sumar hafa mensJcir menn.

„Diese (Runen) sind bei den Äsen, diese bei den Alben, einige bei den weisen Vanen, einige haben die Menschen". Es lag für einen Skalden nicht allzu weit ab, diese „Runen" durch tatsächliche, einzelne Worte zu belegen, die er auf die einzelnen Wesen verteilte ; ein Vorbild von außen anzunehmen, ist nicht nötig. An Einwirkung kymrischer Triaden ^) zu denken, halte ich also für unnötig und ganz unerweisbar. Noch eher ließe sich, namentlich bei der Überzeugung von weitgehender christ- licher Beeinflussung der Eddadichtung und eddischen Mytho- logie an die Vorstellung von besonderen Engelssprachen in

») Heusler, a.a.O. 266, Neckel, Beitr. z. Eddaforsch. S. 402; an keltischen Einfluß dachte auch schon Vigfüsson, Corp. bor. I, 60.

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frühchristlichen Texten erinnern, die wir oben S.27 angetroffen haben: nötig oder nur wahrscheinlich ist auch das nicht.

2. Es handelt sich nicht um eine konsequente Zusammen- stellung bereits vorhandener, üblicher Synonyme für je ein und dieselbe Bedeutungsgruppe, sondern der Dichter schafft sehr häufig neue Umschreibungen eigner Prägung: Freude an sprachschöpferischer Tätigkeit ist ihm nicht abzusprechen, und die Alvissm^l ist kein gewöhnliches heitatalA)

3. Die Verteilung der einzelnen Wörter auf die Wesen der verschiedenen Welten erfolgt in den weitaus meisten Fällen nach rein metrischen oder verstechnischen Gesichts- punkten-): die Rücksicht auf die AUitteration erklärt ebenso sehr die Wahl der einzelnen Weltenbewohner (bzw. ihrer Namen) selbst, denen das Wort zugesprochen wird, wie die betreffende Verteilung der Synonyme untereinander.

4. Wo es sich ohne metrischen Zwang machen ließ, ist der Dichter bemüht, den Göttern ein altertümliches, in der Alltagsrede nicht mehr übliches Wort zuzuschreiben. Doch ist dies eben infolge metrischer Einflüsse keineswegs konsequent in allen Fällen durchgeführt (s. S. 147. 148, Nr. 10). Auch ein junges Lehnwort für eine aus dem Ausland be- zogene Ware gehört den Göttern an (björr).

5. Die einzelnen Wörter selbst sind alle echt isländischer Herkunft; 'voces mysticae', Zauberglossen oder künstliche Wortschöpfungen liat der nordische Dichter ebenso wie Homer verschmäht.

6. Im einzelnen lassen sich die Synonyme in folgende Gruppen einteilen:

a) Veraltete altgermanische Wörter mit hohem dichte- rischen Begleitgefühl, wie funi, sunna, marr, njöl usw., also sakrale Archaismen, wenn wir den Ausdruck wieder ein- führen dürfen.

b) Dichterische Umschreibungen, Kenningar, die auch sonst belegt sind, z. B. grima, mylinn, hlyrnir.

c) Die Alltagsworte der Prosa geben stets die Menschen- worte.

0 Siehe auch Hbusler, a. a. 0. 265.

'^) Ohne daß darin irgend etwas von altem ßunenzauber zu finden wäre.

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d) Der Dichter modifiziert öfters die Bedeutung eclit nordischer Wörter (meist Verengerung) z. B. vQndr ,J\Vald", skin „Mond" ; dies erinnert an die vielseitige Bedeutung home- rischer Götter Worte {Sdr&'og, yahciQ, s.o. S. Ulf.).

e) Der Dichter schafft neue selbständige Metaphern für den betr. Begriff, wie z. B. älheimr für „Meer", Jmijnnn „bieg- sam" für „Getreidehalm" usw.

f) Diese Umschreibungen sind meistens nach ganz all- gemeinen Gesichtspunkten gewählt und ebenfalls (vgl. d) nicht besonders scharf und charakteristisch.

g) Von mythologischen Anspielungen sind nur zwei Motive verwandt : das von der Versteinerung der Zwerge durch Sonnen- licht {Bvalins leika) und das vom hüllenden Wolkenhelm, von der Tarnkappe (hjalmr hulips und grima).

Völlig verfehlt war schon die von Grimma) erwogene, dann von Schütte'^) im einzelnen vertretene Hypothese, daß menn die Skandinavier, aber go]) nicht Götter, sondern Goten bedeuteten, „so daß söl das nordische, sunna das alt- gotische Wort wäre" ; nicht einmal das ist ohne Einschränkung (s. unsere These 4) richtig, daß die südgermanischen Wörter nur den Göttern zugeteilt seien, vgl. die Synonyme marr, vägr, sumbl, veig.^) Diese Theorie verkennt völlig das Wesen des Liedes und die treibende Kraft in der Verteilung der Synonyme.

Die seltsame Parallele, die Axel Olrik zwischen den Synonymen und Metaphern der Alvissm^l und der Fachsprache der Fischer der Shetlandinseln zog,"*) und die Magnus Olsen 5) noch erweiterte, führt nicht unmittelbar zur Lösung des Problems, ist aber im Prinzip auf richtigem Wege. Denn in dieser Fischersprache spielt ebenso wie in dem Sasalmra (o. S. IG) der Aberglaube die Hauptrolle : damit die Geister und Dämonen nicht die Absicht der Fischer aus ihren Vv"orten ent- nehmen, bedienen sie sich einer aus Metaphern bestehenden

1) J. Grimm, MythoL* III, 101; Gr. D. Spr. 768; Kl. Schriften 3, 221.

2) IF. 17, 451 ff.

8) Heusler, Arch. f. d. Stud. d. neuer. Spr. 116, N. S., 1906, 16, 264 f., Helm, PBB., 1907, 32, 99 ff.

*) Nord. Tidskr. för vetenskap, konst och industri, 1897, 339; E.Smith, Maal og Minne, 1918, 12.

'-) Maal og Minne 1909, 91 ff.

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Geheimsprache. Ähnliches ist ja auch von der Jägersprache bekannt. Aber damit kann man nicht unmittelbar die Syno- nyme des Eddalieds vergleichen, wo die Metaphern ja nicht die Menschen, sondern gerade umgekehrt die übernatürlichen Wesen anwenden. Nur eine allgemeine Parallele bleibt also übrig, die das Wesen sakraler Metaphern beleuchtet. Ähnlich wie für Homer (o. S. 129), sträube ich mich auch für die relativ späte Älvissm<^l gegen zu unmittelbare Vergleiche mit primitiven Anschauungen: davon daß der Dichter solchen Wortaberglauben noch ernst genommen hätte, kann keine Kede sein, wohl aber benützte er volkstümliche Anschauungen, frei und selbständig verAvendet er sie als stilistische und künstlerische Mittel.

Vielleicht dürfte dieses Ergebnis unserer Prüfung des Eddalieds von den Geistersprachen manchen ernüchtern, aber mag es sich auch in der Ausführung der einzelnen Worte und Metaphern nur um die spielerische Synonymensammlung eines geistreichen Isländers handeln, ohne daß dabei noch viel von altheidnischer Runenweisheit zu spüren ist, der Grund- gedanke seiner Einkleidung, diese allgemeine Voraussetzung, daß die Götter, Riesen und Alben in dunklen Umschreibungen oder alten, kaum noch ihrem Sinn nach verständlichen Wörtern reden, ist uns das wertvollste an dem Gedicht. Denn es ist eine echt nordisch empfundene Vorstellung, daß Runenweisheit und Skaldschaft etwas Mystisches und Ge- heimnisvolles sind, und daß diese Weisheit in Runen ver- borgen werden müsse, verborgen vor der unheiligen Menge: fela i rünum „in Runen verbergen, verhüllen" wird geradezu als das Wesen dieser heidnischen Weisheit gepriesen. Dies zeigt folgende Stelle in Sn. Edda I, c. 58 (S. 214 Arnam.): en ])at Jigfum ver orptdk nii mep oss, at halla giillit munntal Pessa jgtna, en ver felum i rünum epa i sJcäldsJcap svä, at ver Jcgllum pat mal ejja tal pessa jgtna. ])ä mcelti ^gir: patpyJcJci mer vera vel folgit i rünum. „Aber wir haben jetzt diese Redensart unter uns, das Gold die Mundzählung dieser Riesen (nämlich des I>jaz% ipi und Gängr, von denen vorher die Rede war) zu nennen, aber wir verbergen es in Runen oder Skaldenkunst so, daß wir es Rede oder Wort dieser

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Riesen 1) nennen. Da sprach Aegir: Das bedünkt mich wohl in Runen verborgen."

Also wir haben es im letzten Grunde auch hier bei den Synonymen der isländischen GeisteTworte, wie bei der home- rischen Göttersprache, mit „sakralen Archaismen und Me- taphern" zu tun.

Nennt doch Thor am Ende der AlvissmQl 35 die Me- taphern „alte Stäbe", d.h. alte, geheime Weisheit:

ek sah aldrigi fleiri forna stafi

„ich habe noch nie mehr erfahren an alten Stäben", d. h. „an Vorzeitkunde", wie Genzmer II, 104 treffend übersetzt. Der dem Lied zugrunde liegende Hauptgedanke ist also nach unserem Dafürhalten aus echt heidnischen, volkstümlichen Anschauungen von der Heiligkeit und mystischen Kraft des Worts in primitivem Denken erwachsen; die Art, wie der Verfasser des Liedes aber die einzelnen „sakralen Archaismen und Metaphern" schuf, verrät dann freilich wenig Verständnis mehr für diesen Glauben und wenig Ehrfurcht vor dem reli- giösen Stil: für ihn war es eine reizvolle Skaldenspielerei,''') jener Glaube, den ihm die Überlieferung bot, den er auf lite- rarischem Wege studieren konnte, gab ihm einen schönen Rahmen ab für seine Synonymensammlung; eine einst lebendige religiöse Vorstellung wird unter seinen Händen zum prunkenden Dekorationsstück.

Wie hoch die Nordländer das sakrale Geheimnis, ihre Runen Weisheit, einschätzten, ergibt sich ja schon aus ihrer Vorliebe für Aufzählung mythischer Verhältnisse und Namen, die stets nur einzelnen bekannt sind, die sich dann im Weis- heitskampfe messen. Gerade im Norden ist der Typus eines tiefsten Geheimnisses, das niemand entsiegeln kann, ausgeprägt worden in der schwersten aller Fragen, was Odin seinem toten

') Daß die Riesen ein Wesen anders benennen als die anderen Wesen, kommt gelegentlich auch sonst noch vor. Gylfag. 5 (= Sn., Edda ed. Arnam. p. 42) heißt es vom „Urriesen" : ok var sa iwfndr Ymir, en Hrim- ßussar liulla han Örgelmi „und er war Ymir genannt, aber die Reifriesen nennen ihn Orgelmir."

2) Dies muß ich nochmals gegen Kauffmann, Balder 200 ff. betonen, der das Gedicht für zu altertümlich hält.

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Sohn Balder, ehe die Flammen dessen Scheiterhaufen umloliten, noch ins Ohr geraunt habe. An dieser Frage scheitert das Wissen VafJ)rü]>nirs sowohl wie das Gestumhlindis:

Nicht einer iveiß, Was in alten Tagen Beinern Sohn du gesagt!

Odin selbst hatte sich diese geheimnisvollen Weisheitslehren der Runen und Stäbe ja erst in höchster Not erworben, da er an der Weltesche hing und Mimir ihm Zauberlieder und Lebenstrank gewährte Der Sänger, der am Nornenquell von diesem Mysterium berichtet, gelobt ebenfalls feierliches Hüten der Geheimnisse i) :

Ich schaute und schivieg, Ich schaute und sann, Hörte der Waltenden Wort, Von Fiunen hörte ich reden . . . Wie sie wirkten Weihgötter Und sie sog der Zauberherr: Das schlauste ist, du schweigst . . .

Auch aus der altindischen Literatur lassen sich, wie anhangsweise hier kurz bemerkt sein möge, Belege für den Glauben an eine Göttersprache und einzelne Götterworte selbst anführen. Als Sprache der Götter gelten zunächst die heiligen Hymnen des Rgveda in der Ausdrucksweise der Grammatiker. So sagt z. B. Mahidäsa, der Bearbeiter der ersten sechs Bücher des Aitareya-Brähmaria, öfter: yad vai devänäm neti tad esäm o5m iti „was bei den Göttern 'nein', ist bei den Menschen 'ja' ", was nach B. Liebich, Zur Ein- führung in die indische einheimische Sprachwissenschaft, 1919, 11,62) heißen soll, daß die später „nicht" bedeutende Partikel na im Rgveda auch in offenbar bejahten Sätzen im Sinne von

1) HQvam. 111 u. 79 in Genzmers Übertragung, Edda, 1920, 11, 170 ff. ■") Sitzungsber. d. Heidelb. Akad. d. Wiss., phil.-hist. Kl., 1919, 15, AbhaiuU.

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'wie, gleich als ob' erscheint. 9 Entsprechend werden als „Götterworte" von den Grammatikern ungebräuchliche Aus- drücke des Egveda angeführt, wie z. B. agnistoma für agni- stoma, nyagrodlia für nyagroJia oder mänusa für mädusa'^) Damit kann man den griechischen Ausdruck Öiaori „in der Art des Zeus" vergleichen, womit die Götterworte gemeint sind, Dio Chrys. Or. XI, 23 (s. o. S. 90). Bei Somadeva 1. 59. 64 ist von vier Sprachen die Rede, von Sanskrit, Prakrit, Volksdialekt und Dämonensprache, s) Als Probe der indischen Sagen von der Ursprache möge hier die Stelle Taitt. S. VI, 4, 73 in Liebichs Übersetzung 4) dienen: „Die Väc (d.h. das als Gottheit gedachte Wort) redete abgewandt, undeutlich. Die Götter sprachen zum Indra: lege uns diese Sprache aus- einander . . . Indra stieg mitten hinein und legte sie aus- einander. Darum wird diese Sprache artikuliert gesprochen." Es gibt eine Legende, nach der die Sprache früher nicht artikuliert war {niruMam), und nur der vierte Teil von ihr wurde es alsdann, d. h. drei Viertel der Väc bleibt Menschen unverständlich, man vgl. Satap. Br. IV, 1, 3, 11 ff. 5) und RV. 8, 89, 10, Auch die „Tiere von aller Gestalt" sprechen diese Väc (RV. 9, 89,11), die Menschen reden nach RV. 1, 164,45 das erste Viertel, die drei den gewöhnlichen Menschen un- verständlichen Spracharten kennen nach dieser Stelle nur die Brähmana, welche einsichtig, ß)

Es gibt nun auch einzelne „Götterworte", die solche all- gemeinen Angaben bestätigen; ich meine nicht nur 'nomina sacra' wie svälia, hin, om,') vausat u.dgl. (o. S. 69), sondern Einzel- ausdrücke, die in ihrer Art an die homerischen Götterworte erinnern. ^) So liest man z. B. Sat. Br. I, 1, 4, 4 : atlia hrmä-

1) Sogar Metren der Götter werden in indischen Quellen denen der Menschen gegenübergestellt, s. Weber, Ind. Stud, 1863, 8, 75

=*) Belege bei Liebich, a. a. 0. 7.

3) J. Grimm, Mythol." Nachtr. III, 101. *) a. a. 0. S. 10.

s) Siehe Eggeling, Sacr. Books of the East, 1885, XXVI, 267.

^) Siehe dazu E. Hardy, Ved.-brahmanische Periode d. Religion d. alten Indiens, 1893, 131 f.

') om wird als Götterwort dem menschlichen iathä entgegengestellt, Sänkh. 15, 27, 13.

") Siehe A. Weber, Ind. Streifen, 1868, 1,46; Ind. Stud., 1868, 10,97 und Ludwig bei Kvicala, Kri ticke a exegeticke pfispevky k Platanovüra

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jinam ädatte sarmäs'iti, carma vä'etat hrsiiasija : tad asya tan mänusmn, sarma devattä, tasmäd äha sarmasUi! „Er erfaßt nun das schwarze Fell (sc. einer Antilope) mit den Worten: 'Du bist ein Schutz {sarman-)\ es ist dies nämlich die Haut (carman-) der schwarzen (Antilope) : Dies (sc. carman-) ist sein menschlicher (Name), Schutz (sarman-) aber (sagt man) bei den Göttern, deshalb sagt er: 'Du bist ein Schutz'." A. Weber, Ind. Streifen I, 46 übersetzte Carman- freilich durch „heilbringend" und ihm folgend Eggeling, Sacr. Books of the East, 1882, XII, 24 durch 'bliss-bestowing', aber dem kann ich nicht beistimmen: es muß doch dem Substantiv carman- der Menschensprache wieder das Substantiv sarman- in der Göttersprache entsprechen, carman- ist ein übliches Wort mit der Bedeutung „Haut, Fell", das Eeimwort sarman- kann auch „Hülle, Decke" bedeuten, hat aber außerdem noch den Sinn von „Schirm, Schutzdach, Schutz, Obhut" ; es ist mit unserem nhd. Helm, got. hilms usw. urverwandt. Stellen wir also auch hier die Frage nach dem Grund der Verteilung dieser Syno- nyme auf Götter- und Menschensprache, so wurde dem ge- wöhnlichen carman- das reimende sarman- gegenübergestellt, weil es bei seinem viel weiteren Bedeutungsumfang ein geist- reiches Spiel {Dache ~ Schutz) gestattet, aber zugleich auch die Vieldeutigkeit und Dunkelheit besitzt, die für die Aus- drucksweise der Götter so bezeichnend ist. Daß unsere Auf- fassung von sarman- als „Schutz, Zuflucht, Obhut" u. dgl. zu- trifft, lehrt die ähnliche Stelle Sat. Br. III, 2, 1, 8, wo auch Eggeling 1) übersetzt: „He then kneels down with his right knee (on the skin) with the text, 'Thou art a refuge : afford me refuye!' for the skin {carma) of the black deer it is in- deed among men, but among the gods it is a refuge {sarma) : therefore he says, 'Thou art a refuge : afford nie refuge.'"

Ähnlich heißt es Sat. Br. X, 4, 1, 16, dem Menschenwort kalä „kleiner Teil, i/io" entspreche in der Göttersprache aksara--. 'now what a digit is to men that a syllable is to the gods.' 2)

rozmluvatn Faidros Gorgias, S. 284 ff. Zum allgemeinen auch J. v. Negelein, Germ. Mythol.», 1906, 22 ff.

1) Sacr. Books of the East, 1885, XXVI, 27.

2) Sacr. Books, 1897, XLUI, 347.

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Diese Verteilung beruht auf spitzfindiger Spekulation: dem kleinen Maß der Menschen entspricht das Absolute {aksara-) der Götter, dessen Kenntnis nach Sat. Br. XIV, 6, 8, 8 nur dem Brahmanen allein zusteht.

Eine besonders gute Parallele zu der eddischen Götter- und Geistersprache aber gewährt die Stelle Sat. Br. X, 6, 4, 1, wo die Namen für „Pferd" nicht nur in der Göttersprache, sondern auch in der Sprache der Gandharven und Asuren an- geführt sind. Wir geben gleich Eggelingsi) Übersetzung: *As Haya it carried the gods, as Väjin the Gandharvas, as Arvan the Asuras, as Asva men.' äSva-, das gewöhnlichste der Sjmo- nyme, gehört den Menschen, das Götterwort hciya- „Eoß", das in armen, ji „Pferd" seine Entsprechung findet, ist poetisch und nicht mehr in der Alltags spräche üblich, immerhin aber ein altererbtes Wort. Väjin-, eigentlich „Renner", und drvant- „Renner", junge dichterische Umschreibungen der Vedasänger für „Pferd", werden dann als Ausdrücke der Dichtung den anderen beiden Klassen übernatürlicher Wesen zugesprochen, wobei die Allitteration von äsura- und ärvant- die Verteilung bis ins einzelnste erklären dürfte. Es ist sehr bemerkenswert, daß wir in diesem Falle eine solche Ähnlichkeit 2) in altindischer und altisländischer Literatur antreffen, wo von gegenseitigem Zusammenhang oder von Beeinflussung selbstverständlich keine Rede sein kann.

9.

%

unsere Untersuchung geht zu Ende, und wir hoffen, ihre beiden Grundfragen, die allgemeine, wie man überhaupt zum Glauben an Geistersprachen gekommen sein mag, und die be-

1) a. a. 0. XLIII, 401.

^) Sogar in ägyptischen Pyramidentexten scheinen Worte der Götter- sprache vorzukommen. Ein alter Spruch, der dem Toten die Benutzung der Himmelsleiter (»«o/ce<) ermöglichen soll, lautet: „KommQ moket, komme poket, komme dein Name, den die Götter sagten." A. Erman, Ägypt. Relig. 15G fügt hinzu: „Hier mag gemeint sein, daß die Götter die Leiter nicht moJcet nennen, wie die Menschen, sondern pokeV Wir aber beobachten wieder die Kraft des Reims am Werk, s. dazu oben S. 67. 118. 145. 159.

161

sondere, welchen Ursprungs und welcher Bildungsart diese Wörter seien, die in der Literatur und volkstümlichen Über- lieferung als Ausdrücke der Götter und Geister vorkommen, wenigstens in der Hauptsache beantwortet zu haben.

Wir beobacliteten die Herkunft und Bildung von Wörtern aus der Götter- und Geistersprache vom ekstatischen Schrei der Verzückten und Besessenen bis zu sprachmystischen Voi-- stellungen von einer ganz gefühlsmäßigen, den Ausdrucks- mitteln der Musik zu vergleichenden Engels spräche, vom be- wußt und absichtlich geprägten Geheimwort des Magiers bis zur sakralen Metapher und dicliterischen Umschreibung, wir bemerkten, wie aus den sakralen Archaismen und Metaphern sich allmählich stilistische Kunstmittel entwickelten. Wir dürfen hier noch an die mj^stische Auslegung ganzer Texte erinnern, wo nach der Überzeugung der Gläubigen die Gott- heit sich zwar gewöhnlicher Menschenrede für ilire Offen- barungen bedient, aber in Wahrheit mit dieser profanen Form einen ganz anderen, tiefen Sinn verbindet. Man ent- sinne sich, um ein Beispiel für diese Art göttlicher Rede zu geben, an die beliebten Deutungen der heiligen Schrift mystice und spiritualiter , wie man sie u. a. auch bei Otfried von Weissenbtjrg findet, an die mystische Auslegung des hohen Liedes, an die Sprache der Propheten, der Sibyllinischen Orakel oder der Offenbarung Johannis. Man denke an die Weisheit der Sufis, die es fertiggebracht haben, die rosen- duftigen Liebes- und Weinlieder des größten persischen Lyrikers „mystisch" auszudeuten! Allegorie und Symbolismus sind stets naheliegende Ausdrucksformen für Offenbarungen und mystische Erlebnisse gewesen, schon weil die Sprache das Übersinnliche und Gefühlsmäßige ja doch nur im Bild und Gleichnis wiedergeben kann, wenn derjenige, der visionäre Erlebnisse hatte, seine Gesichte und Gefühle nüchternen All- tagsmenschen zu veranschaulichen sucht : ihm selbst war diese übernatürliche Mitteilung in ihrer Bedeutung ohne weiteres klar und verständlich. In diesem Sinn darf man auch ein Dainionion, des Busens innere Stimme, das Raunen des Ge- wissens in der eigenen Brust als eine Geistersprache an- sehen. —

Güntert, Sprache dor Götter und Geister. Xi.

162

Für uns heute hat das Wort längst seine alte dämonische Zaubermacht eingebüßt, es ist uns zur bloßen Marke und Münze im geistigen Austausch herabgesunken; also wird der Glaube an zauberwirkende, geisterzitierende Zauberglossen den meisten zunächst nur als törichtes Ammenmärchen aus der Kindheit der Völker oder als tolle Phantasterei erscheinen. Die Spuren des alten Glaubens, der auch heute immer wieder auflebt, sind aber in manchen Wendungen und Redensarten >) zu erkennen, die wir jetzt stets noch im Munde führen, ohne den tieferen Grund ihrer Entstehung zu empfinden. Vor allem aber haben diese Anschauungen in bedeutenden Werken der Welt- literatur ihre künstlerische Verwertung gefunden, und das allein würde unsere Untersuchung rechtfertigen. Der Glaube an Geisterstimmen im allgemeinen aber ist heute noch so frisch wie einst und wird sich erhalten, solange Einbildungs- kraft und warmes Naturgefühl noch ein Menschenherz er- wärmen. Das unbezähmbare Sehnen über menschliche Ge- bundenheit nach einem ewig -schönen Eeich des Lichts und der Freiheit, die flammende Begeisterung, der „heilige Wahn" kennzeichnet nicht nur den Propheten, sondern auch den wahren Dichter: Seher und Sänger war im Altertum ein einziger Begriff. So berichten neben den großen Propheten gerade die größten Dichter von jenem überirdischen Geister- reich und seinen Stimmen, das sie in verzückter Seligkeit ge- schaut haben. Wer also über jenes Traumreich der Sehnsucht weiteres wissen will, der frage nur bei Dichtern an, die auch das Motiv der Geistersprache immer wieder ausnützen. Ein paar Belege mögen uns dies veranschaulichen.

An erster Stelle müssen wir hier Klopstock, den „sera- phischen Dichter" nennen, der in seinem „Messias" öfters auch von der Sprache Gottes und der Geister oder Engel redet, von der Sprache „der Himmel, die Gott an dem Throne hesingt" (IX, 420), ^) von einem Wort, wie es Himmlische hören (XI, 596). Die Dunkelheit der Göttersprache wird oft betont (z. B. I, 188 ff., wiederholt I, 354 ff.):

0 Siehe oben S. 19.

'^) Zitat nach der Ausgabe von Klopstock s Werken, herausgegeben von Hamkl in Kürschners National -Literatur.

163

„Jetzo erhöhen sich neue, geheimnisvolle Gespräche Zivischen ihm und deni Ewigen, scMclisalenthi'dlenden Inhalts, Heilig und furchtbar und hehr, voll nie gehoffter Entscheidung, Selbst Unsterblichen dunkel . . .

Ähnlich VIII, 236. Auch von einer „himmlischen Schrift" auf der Schicksalstafel im Allerheiligsten Gottes weiß der Dichter zu singen (11, 319 ff.). Wir finden den Glauben von heiligen Geheimnamen Gottes im „Messias" wieder, die kein Teufel aussprechen darf (II, 813 ff.):

. . . Äch, nun verzweifl' ich von neuem. Denn gelästert haV ich Jehova! ich nannf ihn mit Namen, Heiligen Namen, die nennen kein Sünder darf ohne Ver- söhner!

Gottes „unsterblicher", „göttlicher Name" wird oft erwähnt, z. B. VIII, 380. 436. Das Gefühlsmäßige, das nach unseren obigen Ausführungen der Himmels spräche eignet, beschreibt Klopstock mit den Worten (IV, 654 ff.):

. . . Sein niederschauendes Äuge Schauete Tiefsinn her, mit einer Hoheit vereinet, Die, unaussprechlich der Sprache des Menschen, nur sterbende

Christen Fühlen und durch ihr Lächeln im Tode beim Namen sie

nennen.

Ist es schon erstaunlich, wie sich solche urwüchsigen all- gemeinen Anschauungen von der himmlischen Sprache in Klop- stock s „Messias" nachweisen lassen, so ist es vollends über- raschend, daß uns der Dichter ganz ähnlich wie Homee sogar Doppelnamen eines Wesens oder Dings in göttlicher und menschlicher Sprache verrät. So heißt es von Eloa (I, 291):

„Gott nennt ihn den 'Erwählten', der Himmel Eloa" (d. h. der „gottgewählte" v. 293). i) Und noch bezeichnender ist der Doppelname, den der Dichter für die Milchstraße an- führt (V, 149 f.):

Gott ging jetzt durch die Sterne, die „Milchstraße" wir nennen, Aber bei den Unsterblichen heißt sie die „liuhstatt Gottes".

') Vgl. auch I, 56 : Gabriel nennen die Himmlisclien ihn.

11*

164

Denn da der erste himmlische Sabhath vollendet die Welt sah, Stand der Ewige dort und schaute den werdenden Säbbath.

Hier ist die Parallele zu Homees Götternamen völlig durch- geführt, und der Dichter muß den Grund der heiligen Um- schreibung erst angeben, die Menschen also in ein himmlisches Geheimnis einweihen, ehe diese die sakrale Metapher verstehen können. Etwas Ähnliches sind die „neuen Namen" der Erde, die öfter erwähnt werden, z. B. I, 520 ff. :

Bings erschollen zugleich die neuen Namen der Erde. Gabriel hörte die Namen: „Du Königin unter den Erden, Augenmerk der Geschaffenen, vertrauteste Freundin des

Himmels, Zweite Wohnung der Herrlichkeit Gottes, unsterbliche Zeugin Jener geheimen erhabenen Tat des großen Messias!''' Also ertönte durchhallt von englischen Stimmen der Umkreis.

Ähnlich IX, 173.

Selbst hier haben wir also wieder unsere bekannten sakralen Umschreibungen. Das Hallelujah der Engelchöre, das Donnern bei Gottes Zorn, das sanfte Windes säuseln bei der Anwesenheit des Allmächtigen das sind Einzelzüge, die sich jedem Leser des „Messias" eingeprägt haben und nicht belegt zu werden brauchen.

Auch andere Dichter melden uns von der Sprache im Reiche ferner Seligen, deren Sonnenlande sie in ihren ent- zücktesten Träumen geschaut haben. Ein paar Beispiele nur können hier herausgegriffen werden. Bekannt ist Möeikes Märchentraum vom Land, „das ferne leuchtet": er kannte Sprache und Namen der Bewohner seines Atlantis. Suckel- borst, der „sichere Mann", schreibt in sein Buch, das er aus den Scheunentüren der Bauern sich handlich hergerichtet, was er in seiner Jahrtausende alten Erinnerung als alter Riese noch zusammenbringen konnte an Kenntnis der Vorzeit :

Aber auf einmal jetzt, in des stattlichen Werkes Betrachtung, Wächst ihm der Geist, und er nimmt die mächtige Kohle vom

Boden, Legt vor das offene Buch sich nieder und schreibet aus Kräften

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Striche, so grad wie krumm, in unnachsagharen Sx)rachen, Kratzt und schreibt und hrummelt dabei mit zufriedenem

NachdrucJc.

Erinnert sei auch an die Berichte über die Zwerge und Riesen in Swifts unsterblichem Gulliver. ') Es sei mir ge- stattet, aus zwei neueren Kunstmärchen die jüngsten Belege für eine Geistersprache anzuführen, die mir bekannt geworden sind. Max Eyth^) erzählt in einem Märchen: „Allein sie traf in den Schatten der Zweige eines Brotfruchtbaums und rief die Schlange. Dreimal mußte sie rufen in Zauberivorten, die kein Sterblicher mehr verstand. Es ivar die Sprache, die die Geschöpfe der Erde gesprochen hatten, ehe Menschen tvaren." Dies erinnert an eine Stelle gleich zu Anfang in Novalis' „Ofterdingen" : ..Ich hörte einst von alten Zeiten reden, wie da die Tiere und Bäume und Felsen mit den Menschen ge- sprochen hätten. Mir ist grade so, als ivollten sie allaugen- blicklich anfangen, und als könnte ich es ihnen ansehen, ivas sie mir sagen wollten. Es muß noch viel Worte geben, die ich nicht iveiß : ivüßte ich mehr, so könnte ich viel besser alles be- greifen." Paul Keller weiß noch Genaueres über die Sprache im Märchenland. 3) Nicht nur die sonderbarsten Eigennamen, wie Herididasufoturu,^) Dr. Schnugu, Prinz Hamrigula, Fräu- lein Elkaguntascha, die Stadt Marilkaporta usw. erwähnt der volkstümliche Dichter, sogar über die Grammatik dieser Sprache weiß er Einzelheiten zu berichten : „Aber das Märchenland ist glücklich; es hat eine Sprache, die alle verstehen, in der alle Sub- stantiva nach dein Muster des Wortes „Bruder" dekliniert tverden, und in der das Eigenschaftswort „ehrlich" das einzige ist, das sich nicht steigern läßt. Diese Sprache ist so kinder- leicht und einfach, daß man sie in wenigen Tagen lernen kann. Mancher begreift sie in einer Stunde; ja, ich glaube, die Be- gnadetsten tverden damit geboren." Somit wissen wir es, wo- her die Sonntagskinder und Dichter diese Kenntnis der Geister- sprache besitzen: es ist die Muse, die ihnen diese Gabe an

1) Vgl. dazu Revue de linguistique, 1912, 45, 78 f.

') Der Kampf um die Cheopspyramide* II, 200.

«) Das letzte Mär;hen, 31. 35. Aufl., 69.

*) a. a. 0. S. 75, vgl. auch F. Lienhards XII. Bune „Gesang der Seligen".

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der Wiege verlieh, ao rühmt sich schon der homerische Rhap- sode; es ist die gesteigerte Feinfühligkeit und Empfindsamkeit des Genius, so sagen wir heute; es ist die Hellhörigkeit für die flüsternden Stimmen der Natur, welche dem Dichter wirk- lich etwas zu sagen haben:

Sein Ohr vernimmt den Einklang der Natur . . ., Und sein Gefühl belebt das Unbelebte ...

Um hier nur einen dieser Begnadeten aus der Zeit des Mittelalters als einen solchen Hüter dieser herrlichen Gabe zu nennen, wer erinnert sich nicht des Heiligen von Assisi, der mit Blumen und Wellen redete, der auch in Tier und Gestein die Werke göttlicher Allmacht erkannte und liebevoll sich dem ganzen All nahte? „Eine wahrhaftige und lautere Güte des Herzens ist wie ein magisches Geheimnis Salomonis, welches dem Menschen die Sprache der Tiere und das innere Wesen der Pflanzen, Bäume, Steine und Berge erschließt, so daß vor seinen Augen die vielfältige Schöpfung als eine völlige Einheit liegt und keine verborgenen und feindlichen Klüfte und Schattenreiche hat. Franziskus verstand, als ein solcher Liebling Gottes die Schönheit der Erde, wie nur selten ein anderer Dichter sie verstand, er liebte jedes große und kleine Geschöpf, sie aber liebten ihn wieder und gaben ihm Antwort. Wenn er müde war mit Menschen zu reden, ging er zu den Wiesen, Wäldern und Tälern und vernahm in Quellen und Winden und Vogelgesang die süße, mächtige Sprache des Paradieses." i) in seinem „Sonnengesang", den laudes creatu- rarum, spricht er von dem 'Herrn Bruder', dem Sonnengestirn (messor lo fratre sole), von 'der Schwester Luna' (sora luna), vom 'Bruder Wind' (fratre vento), von der 'Schwester Wasser' (sor acqua), vom 'Bruder Feuer' {fratre focu), von unserer 'Schwester, der Mutter Erde' (sora nostra matre terra): brü- derlich, in inniger Bruderliebe gibt er sich dem All und allem Geschaffenen hin. Später hatten vor allem die Romantiker ein besonders scharfes Ohr für die Geisterstimmen der Natur ; denn nach den schönen Worten von Ricabda Huch^) waren

^) Herm. Hesse, Franz von Assisi (Die Dichtung, Bd. XIII), S. 52 f. O Ausbreitung und Verfall der Romantik, 1902, 206.

167

sie tiberzeugt, „daß der Bildersprache des Dichters, des Kindes und des ursprünglichen Menschen eine Wirklichkeit entspricht, die durch die Entwicklung des Unbewußten zum Bewußtsein in Zeit und Raum verloren, aber ewig wahr und da sei und auch für den Menschen wiedergewonnen werden müsse." Kein anderer als Herder hatte in seiner berühmten Ab- handlung vom „Ursprung der Sprache" gelehrt: „Wie das erste Wörterbuch der menschlichen Seele eine lebendige Epopöe der tönenden und handelnden Natur war, so war die erste Grammatik nichts als ein philosophischer Versuch, diese Epopöe zur regelmäßigen Geschichte zu machen." Woher diese seine romantisch -schwärmerischen Ansichten stammen, ist nicht schwer zu erraten, wenn man Hamanns Ausspruch über die Ursprache kennt : „Jede Erscheinung war den ersten Menschen ein Wort, das Zeichen, Sinnbild und Unterpfand einer neuen geheimen, unaussprechlichen, aber desto innigeren Vereinigung, Mitteilung und Gemeinschaft göttlicher Energie und Ideen. Alles, was der Mensch im Anfang sah, beschaute und mit seiner Hand betastete, Avar ein lebendiges Wort. Mit diesem Worte im Munde und im Herzen war der Ur- sprung der Sprache so nahe und so leicht, wie ein Kinder- spiel."

So läßt Platen seinen Faust klagen, daß er die Stimmen der Natur nicht fassen könne'):

Was in dem Boden dieser Bäume wurzelt, wer versteht's? Was diese Lüfte Tcaum vernehmbar lispeln, wer versteht's? Sie alle sagen etwas, doch sie sagen nichts zu mir, Und ihre Sprache klingt dem eingeschränkten Sinne fremd. Ach, so begegnet immer seltner ein Verwandtes mir, Und tvenige mir verstehn das Weben dieser tiefen Brust: So hauch' ich's feurig mm in ahnungsvollen Dichterklang, Doch ach, das Wort zerstückelt, kümmerlich. Unendliches!

') Fausts Gebet, Gesammelte Werke, Cotta, I, 2(&. Nach einer estuischen Volkssage hat der göttliche Urheber des Gesanges und der Sprache „das Rauschen seines Gewandes auf Wald und Bach, die grellsten Töne auf den Wind, die zarteren auf die Singvögel, den vollen und tiefen Wohllaut aber auf das Menschengeschlecht" übertragen, dessen Rede also göttlichen Ursprungs ist, s. Uhland, Zur Geschichte der Dichtung und Sage, 1868, VI, 222.

168

Nicht der klügelnde Verstand, nur Phantasie und feines dichterisches Empfinden, nur die Liebe zum All, das kosmische Bewußtsein des Mystikers lehren diese Geisterstimmen der Natur verstehen, wie es uns ein Walt Whitman so schön schildert i) : „Ich glaube an dich, meine Seele . . . Komm mit mir hinaus ins Freie, löse das Band deiner Zunge ! . . . Sprich nur leise mit mir, ich liebe das Summen deiner sanften Stimme. So lagen wir einst an einem lichten Sommermorgen. Bald waren um mich der Friede und die Erkenntnis, die über alle irdische Weisheit erhaben ist. Ich fühle mich in Gottes Hand ; ich wußte, der Geist Gottes sei meinesgleichen, und alle Menschen, die je gelebt hatten, meine Brüder und Schwestern. Und ich erkannte die Liebe als Grund der Schöpfung." Bekannt ist Beethovens Gebet: „Allmächtiger, im Walde bin ich selig, glücklich im Walde, jeder Baum spricht durch dich. 0 Gott, welche Herrlichkeit in einer solchen Waldgegend!"

Sehr innig und anschaulich hat uns dies Geheimnis von der Sprache Gottes in der Natur E. T. A. Hoffmann in seinem Meisterwerk, dem „Goldnen Topf", geoffenbart. Hat doch gerade dieser geniale Künstler und Dichter besonders tiefe Einblicke in die Nachtwelt des Dämonischen getan, und man erzählt, er selbst habe sich vor seinen gespenstischen, unheim- lich bizarren Phantasiegestalten, insbesondere vor jenem so oft geschilderten wunderlich -schrulligen Alten mit dem spöttischen Hohnlächeln um die Lippen, zuweilen gefürchtet. Es war das unmittelbarste Urerlebnis des Dichters, denn diese Gestalt kehrt mit der gleichen verzerrten und grotesken Wunderlich- keit in allen seinen bedeutenderen Werken wieder, mag sie nun Archivarius Lindhorst, Obergerichtsrat Drosselmeyer, Eat Krespel oder wie sonst heißen: es war eben die eine Seite seines eigenen Wesens, und schon der Volksglaube warnt nach- drücklich, um die gespenstererfüllte Mitternacht sein eigen Bild in einem Spiegel zu beschauen ...

Aber der Künstler hatte auch heitere und sonnige Züge, und gerade bei seinem Anseimus, dem großen Kind mit dem

') Nach James -WOBBERMiN, Die religiöse Erfahrung, 1907, S. 368. Vgl. auch oben Jacob Böhme, Über die sensualische Sprache S. 74 ff.

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innigen Dichtergemüt, dem unpraktischen Phantasten und Träumer, dem reinen Toren, finden wir jene Eigenschaft Tassos wieder, jene Fähigkeit, in kindlicher Naivität, mit liebender Hingabe die lispelnden Stimmen der Natur, das Säuseln der Blätter, das Murmeln des Wassers, das Zwitschern der Vögel als sinnvolle, hingeflüsterte Geistersprache zu deuten und nachzufühlen ') :

„Glühende Hyazinthen und TuUpanen und Hosen erheben ihre schönen Häupter, und ihre Hüfte rufen in gar lieblichen Lauten dem Glücklichen zu: Wandle, ivandle unter uns, Ge- liebter, der du uns verstehst unser Duft ist die Sehnsucht der Liebe . . . wir lieben dich und sind dein immerdar!

„Hie goldnen Strahlen brennen in glühenden Tönen: ivir sind Feuer von der Liebe entzündet!

„Her Hüft ist die Sehnsucht, aber Feuer das Verlangen, und wohnen wir nicht in deiner Brust? ivir sind ja dein eigen!

„Es rischeln und rauschen die dunJden Büsche, die hohen Bäume: Komme zu uns! Glücklicher . . . Geliebter! Feuer ist das Verlangen, aber Hoffnung unser kühler Schatten! wir umsäuseln liebend dein Haupt, denn du verstehst uns, iveil die Liebe in deiner Brust tvohnt . . .

„Hie Quellen und Bäche plätschern und sprudeln: Geliebter, wandle nicht so schnell vorüber, schaue in unser Kristall . . . dein Bild wohnt in uns, das wir liebend bewahren, denn du hast uns verstanden . . .

„Im Jubelchor zwitschern und singen bunte Vögelein: Höre uns, höre uns, wir sind die Freude, die Wonne, das Entzücken der Liebe . . ."

So ist unserem Dichter in der Natur alles verständlichen Singens und sinnvollen, beredten Klingens voll ; diese raunenden Geisterstimmen tönen ihm gleich Äolsharfen das selige Evan- gelium von der all bezwingenden, all einenden Liebesmacht, die den stumpfen und tauben Sterblichen allein hellhörig zu machen imstande ist, das beseligende, herz erschauernde Evan- gelium von der alles Geschaffene umfassenden Liebe zur gött-

1) Zwölfte Vigilie. Ähnliche Stellen über die unverstandenen Stimmen der Natur auch im „Meister Floh", im „Klein Zaches", im „Fremden Kind" und anderen Werken des Dichters.

170

liehen Allnatur. In ihrer Geistersprache wisf^ern diese Natur- stimmen dem Dichter das gleiche zu, was die mystischen Chöre in der Gralsburg auf Monsalvat dem reinen Toren

zujubeln :

Selig in Liehe!

Nichts anderes lehrt „das große "Wort" der Upanischaden als höchste Denkerweisheit:

TAT TVAM ASI

„Das bist du!''

Das rauschen die Büsche und Bäume, das plätschern die Wasser, das jauchzen die Vöglein! . . .

Es ist die schönste und tiefsinnigste Geistersprache, von der uns solche Dichterzeugnisse künden, in ihrer Wirkungs- macht und Ausdrucksweise der Musik verwandt, die nach des Dichters Wort ja allein von allen Künsten unmittelbar die Seele ausspricht. Gegenüber einer solchen Geistersprache mit ihrem süßen Wohllaut und ihrem tiefen Sinn für den, der mit sehnendem Herzen und fühlender Seele sich ihr hinzugeben und sie zu fassen vermag, will uns der gewaltsame Versuch, das innere Wahrnehmen und Deuten dieser Geisterstimmen, das beseligende Hören und visionäre Schauen des Mystikers in einzelnen, abgerissenen Zauberglossen, in lesbaren, artiku- lierten Lautgebilden einer unheiligen Menge wiederzugeben und begreiflich zu machen, wie wir dies oft in unserer Unter- suchung beobachteten, nur wie eine plumpe Entstellung, wie die unschöne Entweihung und verstandesfrostige Verzerrung eines heiligen Dichtergeheimnisses erscheinen.

Was Platens Faust nur dumpf und unklar als hohes Glück ahnt, die Gabe, den „menschenähnlichen Lauten" in der Natur einen tieferen Sinn abzugewinnen und diese erlauschten Geheimnisse für das eigene seelische Erleben und Schauen, für Wirken und Schaffen fruchtbar zu machen und zu nützen das empfindet Goethes Faust, das empfindet Goethe selbst in jenem tief ergreifenden Gebet „Wald und Höhle'' gerade als sein köstlichstes Gottesgeschenk; wie Fkanziskus von Assisi sieht er überall in der all belebten Natur seine Brüder:

171

Erhabner Geist, du gabst mir, (jabst mir alles.

Warum ich bat Du hast mir nicht umsonst

Dein Angesicht im Feuer zugetvendet.

Gabst mir die herrliche Natur zum Königreich,

Kraft, sie zu fühlen, zu genießen. Nicht

Kalt staunenden Besuch erlaubst du nur,

Vergönnest mir, in ihre tiefe Brust

Wie in den Busen eines Freunds zti schauen.

Du führst die Beihe der Lebendigen

Vor mir vorbei und lehrst mich meine Brüder

Im stillen Busch, in Luft und Wasser kennen .

Und steigt vor meinem Blich der reine Mond

Besänftigend herüber, schiveben mir

Von Felsenivänden, aus dem feuchten Busch

Der Vorwelt silberne Gestalten auf

Und lindern der Betrachtung strenge Lust.

-i€)ffi<34-

172

Berichtigungen und Nacliträge.

Zu S. 9 ff. : Nach eiuer äthiopischen Quelle teilt Jesus seinen Jüngern selbst den großen Geheimnamen Gottes mit, s. Littmann, Festschrift für Andreas S. 86.

S. 32, Z. 1 V. 0. : lies Rohde.

S. 32, Z. 6 V. 0. : lies statt uo, loj vielmehr Iw, l(i>.

Zu S. 42: Beim bloßen Wort ghftä- flammt schon Agni- auf, Sat. I, 4, 1, 13. 19.

Zu S. 61: Man denke auch an den Loreleyfelsen bei St. Goar, der durch sein mehrfaches Echo berühmt ist. Die Wiederholungen in Gebeten (z. B. gT. ioov vaov, a> <plXs ZsC oder nXiXoTOV ovkov ovXov '(ei l'ovXov 'i'ei) sind ganz andrer Art: hier soll durch Wiederholung die Bitte nach- drücklicher geäußert werden.

Zu S. 63: Zu unsrer ersten Gruppe gehört auch der seltsame Ruf tiil-tul, der beim nordischen Julfest ausgestoßen wurde. Man mag ferner an den griechischen ovQio/xög, nonnvofiog und die okoXvyi^ denken, vgl. dazu jetzt F. Heiler, Das Gebet ^ 1920, 48.

Zu S. 73: Zur Wirkung des Namens Jesu vgl. man Angelus Silesius, Cherubin. Wandersmann III, 27:

®er fftffe S@[u§ 9iaf)m' i[t §6mg auf ber 3uny:

Qm C^r ein Srautgefang, im §er^ ein "Ji^eubenfprung.

Zu S. 74: Im Gegensatz zu Swedenborgs Ansichten von der Himmels Sprache verständigen sich die Engel nach Dante ebne jede Worte oder Klänge miteinander: sie lesen ihre Gedanken, die im göttlichen Lichte gespiegelt sind, ohne weitere lautliche Mitteilung, s. dazu Vosslers an- regenden Vortrag „Über das Verhältnis von Sprache und Religion", Neuere Spr., 1920, 28, 103, der mir erst nach der Drucklegung meiner Arbeit be- kannt geworden ist.

S. 142, Z. 4 V. 0. : lies Jilyrnir statt hlyrnir.

Zu S. 164 ff.: Zur Ansicht vom Wort Gottes in der Natur möge hier noch der Ausspruch von Christian Morgenstern, Wir fanden einen Pfad, 1914, folgen: „Es ist wohl gerade in unserer aufgeregten Epoche mehr denn je nötig, den Blick . . . von der Tageszeitung weg auf jene ewige Zeitung zu richten, deren Buchstaben die Sterne sind, deren Inhalt die Liebe und deren Verfasser Gott ist."

Seitenweiser.

(A. = Anmerkung, N. = Nachtrag.)

I. Sachverzeichnis.

Abanten 117.

Abba schreien 28, A. 4.

Adam, Bildung des Namens 71, seine

Sprache 22. Aigai 109 f. Allegorie 161. Allitteration 135 ff. 160. Alraune 94. 96. Alvissmgl 130 ff. Amaltheias Hörn 118. Ambrosia 98 ff. Andreassegen 68. Äpfel der Hesperiden 98. Archaismus, sakraler 128 ff. 153 ff. Argo 58, A. 3. Ausrufe, ekstatische 63 f. 85. 172 N.

Balder 157.

Begleitgefühl eines Worts 75. 98 mit

A.2. 119. Beinamen 110. 114. Belsazer 87 f. Beschwörungen 10. Bier 150 f.

Blätter im Orakel 39. Blödsinnige im Aberglauben 33. 36. Böhme, Jac, seine Natursprache 50f.

73. 168, Erklärung von Jesus 72.

Camisarden 29. Chalkis 104.

Dante über die Engelssprache 172 N. Delos 117.

Dichtermet Odins 40. 98 f.

Donner als Gottes stimme 56. 164.

Doppelnamen 114.

Echo 61. 172 N.

Engel, Sprache der 27 f. 51 ff. 74.

172 N. Euboia 116 ff. Eule 15. 105 mit A. 2. Euphemismus 16.

Fachsprache 101, der Priester 120 f.,

der Fischer 154, der Jäger 155. Fluch 14.

Franz von Assisi 73. 166. Füllhorn 118.

Galgenmann 94. 97.

Gaunersprache 84. 125.

Gebetsmühlen 39 f.

Geheimes runisches Wissen 155 ff.

Geheimsprache 81 f.

Geistesl<ranke, ihre Sprache 62 f.

Glockensprache 58. 76.

Glossen der Hüdegardis 80. 82 ff.

Goethe, Zigeunerlied 5, Zauberlehr- ling 6, Tasso 166, Faust 13. 170 f., über seinen Namen 4.

Götter bei Homer 89 f. 100.

Götternamen, reimende 68, ägyp- tische 9.

Götterworte, griechische 92 ff., alt- isländische 140 ff., altindische 159, ägyptische 160, A. 2.

174

Hafis 161.

Hamann über den Ursprung der

Sprache 167. Harpalyke 104. Hauff, Kalif Storch 6. 86. Helenes 115. Herder über d. Ursprung d. Sprache

167. Hermes als Totengott 96. Hildegardis, Die heilige 29. 78 ff. Himmel als Dach 142 mit A. Himmelsbriefe 28, A. 6. 40. Hopfen 150.

Immermanns Münchhausen 54. Irvingianer 29.

Jesus, mystische Deutung seines Namens 72. 172 N.

Kabbala 71.

Kassandra 8.

Kenningar 16. 123. 125. 140ff.

Kindersprache 88.

Kirke 92. 95 f.

Kleopalra 115.

Klopflaule d. Spiritisten 72.

Klopslock s Messias 55 f. 162 ff.

Koboidnamen 78.

Lebensrute 41, A. 5.

Logos 20 f. 49.

Loreley 172 N.

Losorakel 47 A.

Luthers Bibelübersetzung 35.

Märchen vom Rumpelstilzchen 5. 77 f., 1001 Nacht 11 f. 40, A. 3. 50, A. 1, Simeliberg 50, A. 1 , Jorinde 96, Kalif Storch 6. 86, türkische 18 f. 66, A. 1.

Mandragora 94. 96.

Mendere 108.

Mephistopheles 18.

Metapher, sakrale 121 f. 124. 128. 153 f., volkstümliche 123.

Metren, göttliche 46, der Götter 158, A.l.

Mimir 40. 45. 157.

Minos 97.

Mond als Himmelsuhr 144. Muhammeds Visionen 58, A. 3. 76. Myrina 107.

Mysterien Grade in 128. Mystiker, ihre Ansichten von Geister- sprachen 50 ff. 75 f.

Name im Volksglauben 4 ff., Geheim- namen 7 ff. 172 N., Umschreibungen d. N. 13 ff., Änderung d. N. 17.

Nektar 98 ff.

Oberlins Blhtebuoh 87. Orakelsprache 106. 121 f. Orenda 42, A. 2. Orphiker 124f.

Palindrome 68.

Paris 115.

Pasiphae 96.

Paulus 28 ff.

Permutation 70.

Pferdekopf 45 A. 46.

Pfingstbewegung 30.

Pikoloos 97.

Pindars Stü 128. 130.

Piaton über Göttersprache 117, A. 3.

Prevorst, Seherin 53 f. 73.

Priestersprache 121, römische 126.

Psithyros 41, A. 2.

Pythagoräer 119. 124.

Rätselfragen 131. 132, A. 1. Reim 46. 66 ff. 118. 145. 159.

A.2. Rhythmus der Zauberwörter 76. Runenweisheit 155. Runenzauber 40ff. 46 f.

Salier, Lieder der 34. 127. Sasahara 16. 154. Sehern 9 ff. 18. Schemhamphoras 70. Schiffsprache 58, A. 8. Schöpfungsworte 20 ff. 69. Siegelring 11. Spiegel Alexanders 13.

160,

17J

Spieltrieb 77. 81.

Sprachgesellschaften, Deutsche 125.

Sprachspiele, Künstliche 77. 81.

Springwurzel 96.

Stabreim 46. 135 ff. 160.

Standessprachen 88, der Priester 101. 120 f., der Fischer 154, der Sol- daten 123, der Gauner 84. 125.

Studentensprache 77.

Swedenborg über Engels spräche 51 ff. 74. 172 N.

Symbolismus 40. 161.

Synonyme der Alvissmol 133 ff.

Tabu 16 f. 123. 129.

Tarnkappe 145. 149. 154.

Teufelsnamen 13 f.

Themis 119.

Thor in der Alvissmol 131.

Tote können nicht sprechen 55, A. 2.

135. Triaden, Kymrische 152. Turandot 132, A. 1.

Umschreibung 15. 105, A.2, s.Metapher. Urschöpfungen, Gefühlsmäßige 72 f., bei Geisteskranken 62.

Vac, ai. Göttin der Sprache 49. 158. Vieldeutigl<eit der Götterworte 106.

121 f. 154. Voces mysticae 65 ff. 158. Vogelsprache 56 f. 89. Volksetymologie 14. 95, A. 2.

Wäinämoinen, finnischer Sagenheld

42. 131 A. Wasser des Lebens 98. Weissagung 2. Wort im Volksglauben 37 ff., au.s

Anfangsbuchst, mehrerer Wörter

neu gebildet 70.

Xanthos 91, A. 2. 108. 111 f.

Ymir 156, A. 1.

Zahlenmystik 70.

Zauberblume 96.

Zauberformeln 66.

Zigeunersprache 87.

Zungenreden 23ff. 66.

Zwerge, oft Totendämonen 130, A. 1,

scheuen das Licht 131, ihre Sprache

59. 61. 140 ff.

IL Wörterverzeichnis.

1. Indogermanische Sprachen.

Altindisch.

ak$ara- 159 f. agm$toma 158 apämärga- 42 ahhigäyati 38 Arjuna- 8 ürvant- 160 ävati 69 ä&va- 160 üidha- 8 ejati HO

om 69 m. A., 158 m. A. 7 Ö7nä 69 kald- 159 Tcaröti 15 Tcavi- 32 A. guhyaka- 131 A. gühati 131 A. ghxtä- 172 N. cdrman- 159 jagall- 46, A. 2 tatha 158, A. 7 tri?iubh- 46, A. 2.

durnäman- 42 na 157 nämaguna- 5 näman- 8. 17 nämampa- 5 nyagrodha- 158 pi-thivt- 140 phat 69

brähman- 36. 42, A. 2 mdntra- 48 mäs- 144, A. 1 mürä- 94

176

yätudhäna- 32 A. lak$a>ia- 18 va$at 69 Väc- 49. 158 väjin- 160 viiwa- 32 A. vaxik 69 vau$at 69. 158 vratä- 48, A.2 Sräa- 16 srau^cit 64 svaghnin- 42 sväJia 69. 158 Jiäya- 160 M/« 69. 158 ^MW 69

Zigeunexüsch.

bohpen 87 surdpen 87

Awestisch. aoxtü-näman- 14 A. 2 J.»ra Mainyu- 13 J.wrw- 68

Ahunavairya- 14. 49 tlä 102

upamana- 14, A. 3 upairi-gätu- 32 A. wväta- 48, A. 2 Camru- 68 wä/t- 144, A. 1 mq^ra- 48 ma&ra sp&nta- 49 Sraoia- 64

Neuiraniscli. xe?V (npers.-arab.) 16 ?(Mi<r (pamirdial.) 48

Armenisch.

rtWfJi 18 >■ 160

Altgriechisch.

'Aßavriq 116 f. aiß^w 64 ^ty«/ 109

Alyaieov 109 «tyee 109 f. alyLaXöq, 109 f. ßt'AiVOV 64 f. ßI;Uß 99. 103 al(x.vXiog 103 ulfxwv 103 ßfs^ 110 ßjötß 124 ßAßAß^w 64 '^A£|ßvdi>og 115 'AXxvovTj 115 aX(prjOTi]q 100, A. 1

dfxuS-lTiSai 120 'Af^aX&elag xtQaq 118

außQoaia 98 f.

Afißgöaiai nh^ai 116

Kfxvßwv 94

avtlßriXov 95

ßTr-E^ßw 123

aQagioxü) 102

ß^y/e 125

ßpari;cy(*o? 120

CCQQTjV 123

aoxioq 124 'AoreQia 117

UoTVßVßl 114

'/l;(t'()ü>v 102 f. ß^vr/ 102 a;(t;pox' 102 ß/w^ (ä'/C^Q) 102

ßußa^w 64 Bß;(r/e 32 A. Bäxxoc, 64. 68 ßaXuv>](payoi 122 ßuoxuivio 38 Baxleia 106 ff. /9ßro? 107

^srfv (phryg. LW.) 125 BoiaQEujg 109

rßz-ß 67

y'iYvojxai 102 yAwoaß 25 yo?;g 38 yojiyovto»' 125

öäxQva Aiöq 125 öafjtva/jievevq 124

/trjfl^TT^Q 67

()iß/?o;.og 12 diß;ifTopoi; 96 6id^vQai.ißog 64 ()/;^jj 119 SvawQSüj 120

M 121

e('(0/;v (lakou.) 123 £LQrjv7j 102 sAeAtC 64 tAeA/^w 64 sv^eog 32 A. ^viTijJ 102

STIfß 7tTf()6£VTa 49

impÖT] 38 €()ff»?v (jou.) 123 "E'ptoe 117 f. £i5ß^ü>v 63 Evafxßevg 63 et;«'»' 63 £;i;/9otß 116 evtßS 63

Evßsviöeg 16. 119 evlfivog (ir.övTog) 16 evot 63

EvQvoaxiig 114 ev(p7ifieiT£ 64 t'xd()Ö€ 12 Zeve '^tfwptoi? 117 ^tyv/g 105

TiXioSQOfioq 128

S'fiMie 119 iyeoneoioq 48, A. 2 a^i:0(paxoq 48, A. 2 i)(}iafj.ßog 64 ^vf«? 32 A. y^vüöpeöo? 32 A. y^i;()a>pöe 120 di.'ü> 120 O^rcy^Jog 120 tßtity 64 i«/ 64

"lay/oq 63. 68 iä?.e/xog 64 f. iufxßog 64 läyu} 64 l'^vfißoq 64 i'xeloq 119 t;^(W«? 102 'laTTj/Ltt 102 //<5 (Acc. Sing.) 103 t/wp 99 ff.

xuficcQa 143

xttxaiyi'C,w 110

xuxüaxioq 124

^aj;«>^ 105

;ifeAc«4) 102

xrjnwQoq 120

xlßÖrjXoq 106. 121 f.

xixxäßt] 105

xlxvßiq 105

KiQxaia gi'Ca 95. 97 xixv/iuc 105 xfisXt&QOv 143 Pfvv^ß 9 pfdyl 69

;^o^/?a, ;fd^^»/ 104 f. ^oß«^ 128 ;fd()v^a 93 xoQCüvri 104 }CQV(pioq 128 Ar()CM5cy 94 KxÜQoq 96 xxsQea 96 xxeQit.(o 96 Kväveai 120 xv/xivdiq 104 ff. ;iirvv£g 4>eQO£<p6vT]q 125

kaxsQv^a 93 ^4/vo? 64 At'l 124 Aöyo? 47 ^o^/ß? 106

Mßr« 67 (xuvÖQuyÖQuq 95 fxuvxtvofxui. 48 iaßVTic 32, A. 1. 48

Güntert, Sprache der

(xslenq 93 M^?)";? 67 (M/to? 125 fiv()ixt] 107 Mv(jLva 106 ff. (MCW/V 92 ff.

H(i}Xv(v)ü) 93. 94 A. 1 iWfSAve 93 f. (iwfxoq 94 ßWQoq 94

Navaixäa 114 V6XXUQ 98 f. vd/^oj 119 vvxxsQiq 105, A. 2

Äßi'^o? 107 f. 123

OÖlOQtU) 120

ol(ixoi) 64 oliiioyi] 64 dAoP.iy?/ 64 'OXvxxiOQ 64 "OAv^Tiog 64, A. 3 'OXvoaevq 64, A. 3 ofxnä^ 69 d^a^;? 59 Svttxai 18 ovofxa 17 oninevü} 102 OQefijäveq 122 f. d'ööe 102 ov()/ß 145, A. 1 oipeoßoQOi 122

Ilaicüv 64 narofi<paioq 59 TTß^ 69, A. 3 TlaQela 115 TittQ^evonlna 102 flß{>t? 115 mXavoq 120 TrfAffßrfeij 57, A. 1 nXayxxai 115 f. 7i?MC,o/xat 116 nXtjyüöeq 116 noixiXööKpQoi 122 Üxl-Qwq 118 Götter und GeiBter.

177

nvXaeoQÖq 120 TtVQiyevt'iq 8 nvQixuot. 122

pcFß ^0*0 vre? 103 ^^//ß 38 f>/?ß 93

.Tßy^ß^to? 64 öß/?or 64 ^eAv?Vj; 67 oißvXXa 32 A. ötVvf? 126 oi<p(ov 126 SxafiavÖQioq 114 2';tfß^ßj;dpoe 107 f. 123 ö;i;ei;ö>pd? 120 oxQiyyeq 67 SvunXrjyäötq 116 -S'vvrf^OjUßrfeg 116 2'i;ro(3^ßdt5 116 arplyyeq 66 OifQaylq 11

Tsioä/xevoq 114 TeT()ß? 124 TTjXs/xaxoq 114 xijveXXa 64

vdcop 103 vAj/w^jo? 120

^'?jMt 48 ^d^oe 119 yvAjy 94 ^(uAfde 94

XaXxlt,ü)v 105 Z«A;<rtg 104 ff. XeXi6ovit,a) 57 XOivixo/xexQai 122 ävaxo 18

Lateinisch.

Abeona 68 africia 126 agnomen 17, A. 5 amhignae 127 -4mor 8

12

178

Anna Peranna 68 apexanes 126 augmina 127 augur 32 A, aveo 69

Beneventum 16 bria 127

camwr 143 candes 127 Carmenta 68 catumeum 126 cognomen 17, A. 5 conspolmm 126 corwM copiae 118 cubula 126 cucubio 105

Dirae 119 Dis 120

eclepol 14 egones 127 öMÄoe 32. 63 exstispices 127

/"ar 149 /■as 4. 119 fascino 38 Fatuae 48, A. 2 fatum 48 Faunus 48, A. 2 favete Unguis 64 ^<t7to 126 FZora 8 folium 39 frumen 126 fulguratores 127 Furiae 119 /wror 32 A. /«rt?« 8

gratüla 126

hireiae 126

IceZoM 118 f. llithyia 8 incanto 38 inimicus 12

tocMS 148 Larenta 68 Ze^fo 47 f. Zeo 128 Zea? 119 longavi 126

maginenta 127 Maialis 127 mandragoras 95 Manes 16

medius fidius 14. 64 mehercle 14 OT^7es 128 mo/?/ 119 morus 94 Mutinus 68

naeniae 126 we/as 48 noctua 105, A. 2 noinen 17 wo^a 17 f.

oeulus 102 o^ae 126 owiew 32 A. 69. Omenta 126 oraculum 48 oscen 32 A.

palasea 126 PaZZor 68 Pavor 68 i?aa: 69, A. 3. 70 Persa 128 Phobetor 118 f. Picumnus 68 Pilumnus 68 planus 140 polimina 126 Proserpina 120

res bonae 15

salsamina 126 silicerina 126 s«s(o 102 sortilegimn 48 sympuvia 127

taedae 126 tegularia 127 fiöm 126 topper 127 Tutinus 68 urinor 145, A. 1

«jates 32 A. Vejovis 68 verbum 48, A. 2

Italienisch.

bevere 151 6/rra 150 '

(^»«a 48

Französisch. &«ere 150 choses (males) 15 diacre, diantre 13 enchanter 38 feuille 39

main-de-gloire 95, A. 2 sorcier 48

Spanisch. (?ic/ta 49

Rumänisch.

frunzä verde 39

Irisch, (air. u. mir. nicht ge- schieden.) am7?i 18 &n7t< 36 /■«iY/t 32 A. Zoc/t 148 wi 144, A. 1 riiw 41

Kymrisch.

a»Jj< 18

Gotisch.

uhana 102

barizeins 149

fön 148

hihns 159

himins 143 hrükjan 94 ZaiX's 144 marei 147

marisams 147 nT>ja 41. 95

siggioan 59 SMw>jö 144 wahstus 149 ««rt/Ms 32 A. mmidus 148 «i'öpia« 145 ^ö/)s 32 A,

Althochdeutsch.

a/n7?«rt 95

btgalan 38

*«or 150

M/ 140 ginmo 41 himilza 143 /jfoo^r 47^ A 4

hliozan 47, A. 4 honangseim 103 ^^^«H 41, A. 1 >«^n 147 »i^ÖM^ 148 scunten I43 s«<r 145, A. 1 Sem 103 sm- 146 sunna I44 sufmUntag I44 wä«7 147 tvuofan 145 ^Mo< 32 A. zoubar 45

Mittelhochdeutsch. alschaf 150 ingrüene 141

fe^f(?n 41, A. 1 misehuht 14

Neuhochdeutsch. Abrncadabm 38. 66

69, A.l. 76. 87. -4c/j 65 Alraune 95 ^wm 37. 69 Aspirinonkel 123, A. 3

-B«> 15

besessen 32 A. besprechen 38 ■B«^- 150 -B^a« 39

Blechtiiter 123 A. 3 Briklibrit 68 Suchstabe 47 Buckelorum 77 •Bwwis 69, A. 3

-De?6; 13 Dinger 15 ^Donnerstimme 56

£"^0« 163 erzählen 48

179

fahnden 12, A. 2 Fankerl 12, A. 2 J^eZfZ 140 Fidibus 77

^^ieischhackmaschine 123, A. 3

-F&, i^/aa; 70

Gottseibeiuns 12 Grünhart 125, A. 1

Hallelujah 37

Hauswurz 98, A. 2

-öe^>w 159

Henading 15 Herrje 14 Himmel 142 Himmelbett 143 Himmels Straße 163 Hokuspokus 35 Hornvieh 123, A. 3

Jesses 14

Karbolfähnrich 123 A.3

Klagemutter 105, A 2 ^?«i?s 69, A. 3

Knochenschuster 123

A.3 Än^»s 69, A. 3

Leichhuhn 105, A. 2 fesen 48 io2e? 15

Mannsen 19 Mäuslein I4 ü/wr 147

Mephistopheles 13

-ZV«>«e 18 f. iVarr I4 iVe5<?? 148

Pardautz 69, A. 3 -Pote £fofe 14

raunen 41 Rumpelstilzchen 5. 77 f.

Sapperment 14 Satan 13 Schauer 145, A. 1 Schein I43 Scheinling 125, A. 1 ScJüeim 103 Schratt 13

Schwarzmantel 125, A. 1 sem^V/ 103 -Se^a 37 sm^m 59 Sonne I44 Sonntag I44 Spielmöpse 123, A. 3 Sprtngwurz 98, A. 2 Stottertante 123, A. 3

^m/eZ 12 f. Totenorgel 123, A. 3 Totenvogel 105, A. 2 Trittling 125, A. 1

12*

180

unberufen 16

Vater Weiß 125, A. 1 j

Weg 140 j

Weh 64 I

Weibsen 19 i

Weißling 125, A. 1 ^ |

Wichtelmännchen 15 I

Woge 147 ]

TTorZ 48, A. 2

Zauber 45

Altsächsisch.

oiofat 150 fctor 150 /■«ndö» 12, A. 2 /"oZda 140 heban 142 Zo(/M 148 rima 41. 95 skundian 143 wphimil 142

Mittel- u. Neunieder- deutBch.

alrüne 95 /iemeZ 143 sem 103 ür 141

Mittelniederländ. liemelte 143

Holländisch.

aoi 150 6^r 150 oer 141 ^reejw 103

Friesisch.

biar 150 fandia 12, A. 2 fannen 12, A. 2 SMWwe 144

Angelsächsisch.

6eö 151 beor 150 ftere 149 dynian 145 eaZo 149 mr 141 folde 140 foldweg 141 Zteofow 142 hleotan 41 A. hüslieofon 143 Zar/W 148

norÖweg 141

nm 41. 95

rünian 41

scyndan 143

speZi 38

sunna-tulceg 144

sunne 144

symbel 151

teafor 45

upheofon 142

i<;e(/ 140

1ÜÖ9 32 A.

tt!^^ 147

I Englisch.

aZe 150

fteer 150

^eZd 140

^«cZ 13

Zea/" 39

mandrake 95, A. 2

roitn 41

sÄ;^/ 145

sjjeZZ 38

iüai/ 140

Altisländisch.

alfar 134 f. AZ/'pdr 68 älheimr 147 artaZt 143 awr 141 i awvanga sigt 141

austrvegr 141

fta/T 149 ZyoVr 149 f. bygg 151

dagsefi 146 (Zo(;.s Vera 146 djüplendingr 131 A. Don 68 draugr 61 draumnjgrtm 149 Dvalins leiJca 144 dvergar 134 dvergmäl 61 dynfari 145 (Zym* 145

eZdt 148 ei/^Zö 145 eyrr 141

fagrlimi 148 Fenja 68 F^^^■ 68 fjändinn 13 /löti a 145

foW 140

foldvegr 141

forbrennir 148

/VeÄ^ 148

/Mwi 148

galinn, galdr 38 gneggja 145 gneggjupr 145 Göinn 68 ^q/) 134 f. ^n'wft 149 groandi 141

Äetii 125 himinn 142 hlippang 148 % 146 hlyrnir 142 hnipinn 149 ifrtse 68 hrgpupr 148 hugrünar 43

181

hvel (hverfandn) 144 f. hvipa 145 hvipupr 145 %(;'« auri 141

igmn 141 JQtunheimr 142 kenningar 123. 125

?a 148

^ofif« 147 lägastafr 147 ff. Z^?Är 144 ii</- 68 /ofifn 146 %>• 147. 151 Luska 68 to<7« 146 legi 146

wmrr 147 Menja 68 ilf2S« 68 »yp/)^- 151 viylinn 143 w»y?;a 143, A. 3

Näitm 68 «iöZ 148 norpvegr 141

o/% 146 öljös 149 Ör« 68 o> 32 A. Ößr&rir 40. 99 pl 149 f. P^rtin 47

ref/m 48 rünt 41. 95 jKws^a 68 r^na 41 rc^/V C/a<7^a; 142

sah (drjüpr) 142 saZ/)rtÄ; 142 sefa 146, A. 1 si- 147 silcbgja 146

skelmir 12 sÄm 143 skipamäl 58 Sä;<V7?/- 68 sA«r 145, A. 1 skürvgn 145

shjndir 148 so/ 144 sölskin 148 sto/>- 44 SMWÖZ 151 sunna 144 Suttungr 135 sujbrvegr 141 svefngaman 149 toM/r 45 uphiminn 142 uppheimr 142 uppregin 135 «ir 145, A. 1 ttrwpw 145 «a^fr 147 Fa//p5>- 68 vallar fax 148 t'<?5fr 140 ^Je^V7 151 veprmegin 145 vindflot 145 vindheimr 142 vindofnir 142. 145 vindslot 146 F^V;• 68 i'«j6r 148 vp/M/)r 145 vpZva 32 A. vpn(?r 148 vpa;«r 149 vckginn 148 CB<^■ 149 #a 145 0i)iV 145

Norwegisch, (mr 141 &ar 149

öar/o^f 149

dragedukke 95, A. 2 <^y« 145 doegeren 14

/awfZ^i 12, A. 2 fifwe<75(e 145 graaben 15

liimling 143

e<Sfr0M 141 ieÄ;^/ 14

Zaa 148 /««(/ 148 logn 146 Zya 146 %i<9 146

marhahn 147 marswin 147

sema 103 sä;mi 143 skipslcegje 146 skogshund 15 sÄ;«r 145, A. 1 s% 145 sÄywf^e stg 143 so? 144 sendag 144

«r 145, A. 1

vaatid 148 tJeeZ 148 m 140 veigja 151 ceto 149 er 141

Schwedisch, iar;- 149 djäkelen 14 /■«n 12, A. 2 gnägga 145 OToZw 143 ü/ 149 tir 141

182

shy 145 sol 144

sunnudagJier 144 ved 148 växt 149 väg 147

Dänisch.

drolsn 12 ZMCöfjw 146 sengelihnmel 143 sundagh 144 «je/csi 149 0? 149 er 141

Litauisch.

aZws 150 azeras 103 fteras 15 dangüs 142, A. 3 danktis 142, A. 3 dengiü 142, A. 3 izeras 103 hereti 15

melas, pl. «leZai 93 pyvas 150 vafdyti 38 zadeti 38

Preufsisch.

aZw 150 assaran 103 emmens 18 panno 148 2>*iü»s 150

Altbulgarisch (Altkirchenslavisch).

(?l& 16 bajati 38 car?/ 13 crsia 13 (Zef^s 13 ^arfs 15 «Mf 18 medvedz 15 obajati 38 oZg 150 2)«<i 150 ^eüo 150 jpoZje 140 reÄ;<j 48 vZacTis 38 vlZiK^ti 38 «racö 38 ?;ra(jr5 13 ^rw»; 15

Russisch.

BOpOITb 13

znam^ (aruss.) 17, A. 5 osepo 103 poKOBOH ji;eHB 48 lepTL 13

Polnisch. diachel 13 J9^■^<;o 150 skrzabel 13 iüro</ 13

Cechisch. cert 13

Slovenisch. '»tafo'/c 61

Serbisch.

narokT) 48 roÄ;s 48

Bulgarisch.

Nanpcnici 48

Tocharisch. rake, reke 48

2. Finnisch-ugrische Sprachen.

Pinnisch.

Ungarisch.

kirjukansi 142

megigezve 38

mme 18

«^w 18

olut 150

öi'äög 13

rrmo 41

Pj7t«Ao 68

Tilinko 68

Lappisch.

nama 18

Samojedisch

/»<?»!. 18

Estnisch.

%o< 64

183

Hebräisch. hath M 61 BüMkt 68 23 A. 23 A, Jahve 9

3. Semitische Sprachen.

Sem 9. 18 makB 68

Arabisch.

cdläh 8 Härüt 68

inSälläh 37 Märj7< 68 a-e/r (pers.) 16

Babylonisch. Ea 9

I Ägyptisch.

j bak 69, A. 3 J Afl 5

4. Sonstige Sprachen.

«jofe« 160, A. 2 jpoÄ:^< 160, A. 2 r/to<7i 9. 40

Georgisch.

sak<:eli 18

Druck von Karras

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