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"7 —- 5 : — - RN x r % RUN L A er e ; I fi 7 & N “ 4 3 x Sr Fu ö 5 Q Ä FAN. I ie A- rn u en ze re ne A £ 2 VER d 32% BE al 35 EIER 14 w NN Parthenogenesis bei Schmetterlingen und Bienen. Ein Beitrag zur Fortpflanzungsgeschichte der Thiere von Carl Theodor Ernst v. Siebold ' Professor der Zoologie und vergleichenden Anatomie an der königl. Ludwig-Maximilians- Universität, Ritter des Maximilians-Ordens, Direktor des zoologisch-zootomischen Cabinets und Conservator des physiologischen Instituts in München. MIT EINER KUPFERTAFEL. — u re — LEIPZIG, Verlag von Wilhelm Engelmann. . 1856. Non semel quaedam sacra traduntur! Eleusin servat, quod ostendat revisentibus. Rerum natura sacra sua non simultradit. Initiatos nos credimus : in vestibulo ejus haeremus. Illa arcana non promiscue nec omnibus patent: reducta et in interiore sacrario clausa sunt. Ex quibus aliud haec aetas, aliud, quae post nos subi- bit, dispieiet. Seneca (Natural. quaestion. libr. VII. 31). I .i Vorrede. Durch meine ununterbrochen fortgesetzten Be- strebungen, die Zeugungsgeschichte der 'Thiere, so weit es menschlicher Einsicht erlaubt ist, zu verfolgen und aufzuhellen, wurde ich auf eine Erscheinung im Insekten-Leben gelenkt, welche mir lange Zeit unklar geblieben war, ich meine die Fortpflanzungsfähigkeit unbefruchtet gebliebener Insekten-Weibchen, welche nicht bloss als grosses Räthsel erschienen war, sondern sogar ein noch nicht einmal festgestelltes und dem- nach noch zu bezweifelndes Faktum zu sein schien. Immer fand ich diese sogenannte Lucina sine concu- bitu als eine Art Curiosum von den Physiologen be- handelt, immer wurden dieselben von älteren Be- obachtern herrührenden Beispiele aus dem Insekten- Leben als Belege aufgeführt. Die Frage, ob das \ gemeldete Faktum auch auf eine feste Basis gestützt s IV Vorrede. sei, blieb dabei ganz unbeachtet. Da man mit so wenig Vorsicht und ohne Argwohn jede Art von Mit- theilung über Lucina sine concubitu aufnahm, wurden den älteren mangelhaften Notizen dieser Art neue Beobachtungen hinzugefügt, welche in gleicher Weise unzuverlässig erschienen, so wie mansie mit prüfendem Auge zu analysiren anfıng. Seitdem in neuester Zeit der Vorgang des Be- fruchtungsaktes der Eier durch die Entdeckungen und Bemühungen von Newport, Keber, Bischoff, Leuckart, Meissner und Bruch um vieles genauer erkannt worden war, musste man sich sagen, dass alle jene in älterer und neuerer Zeit beobachte- ten Fälle von Lucina sine concubitu auf Täuschung oder Irrthum beruhen konnten, weil bis dahin die Kenntnisse über die Bedingungen, unter welchen eine Befruchtung vor sich geht, noch höchst unvoll- kommen waren. Jetzt, nachdem die Physiologie der Zeugung durch mehrere höchst wichtige Entdeckun- gen bereichert worden ist, und durch diese einige wesentliche früher ganz übersehene Momente des Befruchtungsaktes aufgedeckt worden sind, müssen ganz andere Ansprüche an diejenigen Beobachtungen gemacht werden, durch welche entschieden werden soll, ob ein zur Entwicklung gekommenes Ei befruch- tet war oder nicht. Aus diesem Grunde war es mir nicht zu verargen, £ P; wenn ich als Zweifler auftrat und diesen Gegenstand P ‚ di: ’ A EN % Br - Vorrede. ' V einer den jetzigen Grundsätzen der Physiologie ent- sprechenden Prüfung unterwarf. Die Resultate dieser Prüfung haben wider Erwarten den Beweis geliefert, 1) dass eine Lucina sine concubitu besteht, und 2) dass dieselbe nicht bloss hier und dort, wie man bisher ge- glaubt, nur zufällig auftaucht, sondern ihren ganz be- stimmten Platz in der Natur einnimmt. Freilich bleibt es uns bis jetzt noch verborgen, nach welchen Gesetzen und unter welchen Motiven diese merkwürdige Fort- pflanzungsart ihren Platz in der Zeugungsgeschichte angewiesen erhalten hat. Bei diesen Untersuchungen, denen ich ein-mehr- jähriges aufmerksames Studium gewidmet habe, wurde ich sehr bereitwillig und uneigennützig von verschie- denen Naturforschern und Naturfreunden unterstützt, indem mich dieselben theils mit dem zu solchen Un- tersuchungen und Beobachtungen nöthigen Material versorgten, theils aber auch durch Mittheilung ihrer mannichfaltigen auf dem in Frage stehenden Gebiete gemachten eigenen Erfahrungen in den Stand setzten, mir einen möglichst weiten Ueberblick über dieses noch unvollkommen durchforschte Feld zu verschaffen. Ich sehe es daher für meine Pflicht an, hiermit den Herren Baron v. Berlepsch in Seebach, Drechsler- meister Bremi in Zürich, Pfarrer Dzierzon in Carlsmarkt, Professor F. de Filippi in Turin, Dok- tor Herrich-Schäffer in Regensburg, Senator Dr v. Heyden in Frankfurt a. M., K ollar, Direktor £ Yyı : Vorrede. am k. k. Naturalien-Cabinet in Wien, Magistratsrath Radlkofer in München, Notar Reutti in Freiburg, Doktor Rosenhauer in Erlangen, Seminarlehrer A. Schmid in KEichstädt, Fabrikant Steiner in Breslau, Professor Zeller in Glogau für ihren bei meinen Forschungen mir geleisteten Beistand öffentlich meinen Dank auszusprechen. München, den 25. März 1856. C. Th. von Siebold. In:ha1T%. Einleitung Beleuchtung der bisher für Parthenogenesis ausgegebenen Fälle . Wahre Parthenogenesis bei einigen Sackträger-Schmetterlingen . Wahre Parthenogenesis bei der Honigbiene Wahre Parthenogenesis bei dem Seiden-Spinner Schlussbemerkungen > Erklärung der Abbildungen . @ “ Ba hr U 48 Ra Sl et u . - Einleitung. Es ist wohl an der Zeit, dass endlich auch die Zoologen und Physiologen ihre volle Aufmerksamkeit einer Erscheinung in der Fortpflanzungsgeschichte der Thiere zuwenden, welche in den letzt vergangenen Jahren die Bienenzüchter so lebhaft beschäftigt und in die grösste Aufregung versetzt hat, ich meine die Art und Weise, wie jedes einzelne Bienenvolk es zu Wege bringt, dass die von ihm angefertigten Arbeiterzellen, Drohnen- zellen und Königinzellen stets mit den richtigen Eiern belegt werden, aus denen, wie es die Einrichtung dieser verschiedenen Zellen-Arten verlangt, jedesmal die für dieselben bestimmten Arbeitsbienen-Larven, Drohnenlarven oder Königin-Larven ‚ausschlüpfen. Es muss hiernach das Eierlegen im Bienenstocke nach ganz besonderen Regeln vorgenommen werden, damit die eben genannten Bedingungen in Erfüllung gehen können; es muss dieser Legeakt bestimmten Normen unterworfen sein, welche bei dem Eierlegen der meisten übrigen Insekten nicht in Betracht kommen, indem es bei diesen gleichgültig ist, in „welcher Ordnung und Zahl hintereinander männliche und PN v. Siebold, Nachweis u. s. w. 1 I Einleitung. weibliche Eier gelegt werden. Die Frage aber, wie es jedem einzelnen Bienenvolke gelingt, für alle seine in Bezug auf Zahl und Anordnung der dreierlei Zellen so vielfach verschieden an- gefertigten Waben den passenden Eierbeleg zu erhalten, ist nicht leicht zu beantworten gewesen, ja, man kann wohl sagen, dass dieser Hergang bisher als ein undurchdringliches Geheim- niss erschienen ist, dessen Lösung den sorgfältigsten Bemühun- gen und vieljährigen Erfahrungen der Bienenzüchter nicht hat gelingen wollen. Dieser geheimnissvolle Umstand, der das Eierlegen der Bienen auszeichnet, war auch Veranlassung, dass seit urdenklichen Zeiten die Bienenzüchter mit einander im Streite liegen über die Bedeutung fast eines jeden einzelnen Abschnittes des Fortpflanzungsgeschäftes der Bienen. Bis heute hat sich dieser Streit fortgesponnen, und es ist kaum möglich, noch irgend eine Ungereimtheit über die Fortpflanzungsge- schichte der Bienen sich auszudenken, die nıcht schon von irgend einem Bienenzüchter in vollem Ernste ausgesprochen und in einer der unzähligen Bienenschriften gedruckt zu lesen wäre. Die grösste Verwirrung wurde hauptsächlich dadurch veranlasst, dass man sich nicht über die Geschlechter der Bie- nen einigen konnte; die Drohnen wurden für Weibchen, die Königinnen für Männchen gehalten; bald nahm man an, dass die Arbeitsbienen allein das Eierlegen zu besorgen hätten, bald sollte der eigentliche Begattungsakt zwischen Drohne und Kö- nigin nur im Innern eines Bienenstocks vor sich gehen, der Hochzeitsflug der Königin sollte alsdann nur eine Art Reini- gungsflug sein, während von anderer Seite her behauptet wurde, dass der Begattungsakt der Bienen niemals im Stocke, sondern immer bei dem Hochzeitsfluge hoch oben in der Luft vollbracht werde. Auch wurde der Begattungsakt ganz ge- läugnet, indem die Königin bei ihrem Hochzeitsfluge durch die blosse Erschütterung ihres Leibes fruchtbar würde. Ich / . Einleitung. 3 könnte hier viele Seiten anfüllen mit diesen Widersprüchen, welche in den Annalen der Geschichte des Bienenlebens nie- dergelegt sind, und durch welche das Studium des sonst so höchst interessanten Bienenlebens aus Büchern zu einer ganz unerquicklichen Beschäftigung verkümmert wird. Dieser endlose und oft sehr animos geführte Streit über die Fortpflanzungsgeschäfte der Bienen, wobei sich die Ver- fechter der verschiedenen die Bienen betreffenden Zeugungs- theorien oft nur als mit naturwissenschaftlichen Kenntnis- sen kümmerlich ausgestattete Dilettanten breit machten, war nicht geeignet, das Interesse der Physiologen auf sich zu ziehen, auch schien es, als wollten die Bienenzüchter unter sich ohne fremde Hülfe den Kampf ausfechten, denn niemals wurde dieser Streit auf das Gebiet der ernsthaft prüfenden Naturforschung hinübergespielt. Auch konnten die Naturforscher sich an diesem Streite nicht leicht betheiligen, da ihnen meistens die prakti- schen Kenntnisse über den Bienenhaushalt abgiengen, ohne welche jeder Versuch, diesen Streit zu schlichten, unvollkom- men ausfallen musste und von den hartnäckigen praktischen Bienenzüchtern, denen ein solcher Versuch als belehrender Wink hätte dienen können, mit Misstrauen aufgenommen wor- den wäre. Die Thätigkeit der Naturforscher beschränkte sich bei diesem immer wieder neu auflodernden Gezänke der Bienen- züchter nur darauf, dass sie mit Hülfe des Secirmessers und des Mikroskops nachwiesen und als unumstössliche Wahrheit feststellten: die Drohnen sind dıe männlichen Individuen, die Königin (Weisel) ist das weibliche Individuum und die Arbei- ter sind nicht rein geschlechtslose, sondern weibliche Indivi- duen, deren Fortpflanzungsorgane zu keiner vollen Entwicklung gekommen sind. Es wurden hierüber zu sehr verschiedenen Zeiten von den Zootomen Untersuchungen angestellt und be- kannt gemacht. Ich erinnere nur an die Arbeiten von Swam- 1 * 4 Einleitung. merdam!, Reaumur?, Fräulein Jurine?, Suckow* und Ratzeburg’. Obgleich die Abbildungen der männlichen und weiblichen Geschlechtsorgane der Bienen aus Swammer- dam’s Bibel der Natur von verschiedenen Bienenschriftstellern kopirt worden sind, und obgleich also die auf anatomischen Wege festgestellten Thatsachen den Bienenzüchtern mitgetheilt wurden, so konnten sich diese Wahrheiten doch lange nicht bei allen Bienenzüchtern einer Anerkennung erfreuen. Es er- schienen diese entomotomischen Untersuchungen den Bienen- züchtern wahrscheinlich deshalb nicht bedeutungsvoll genug, weil mit dieser’ Erkenntniss der Geschlechtsverhältnisse der Bienen noch gar mancherlei in der Fortpflanzungsgeschichte dieser Thiere nicht erklärt werden konnte. Viele praktische Bienenzüchter sahen diesen anatomischen Nachweis der Bienen- Geschlechter nur als theoretischen Kram an, und giengen im- mer wieder von neuem ihren als richtig geträumten sogenann- ten praktischen Weg ohne Berücksichtigung jener Thatsachen, indem sie es vorzogen, die verschiedenen Geschlechtsfunktionen 1) S. dessen Bibel der Natur. 1752. pag. 155 und 202. Taf. 19 und 21. 2) S. dessen M&moires pour servir a l’histoire des Insectes. Tom. V. 1741. Pl. 33—34, welcher Theil als Geschichte der Bienen 1759 ins Deut- sche übersetzt erschienen ist. 3) Vgl. Huber: Nouvelles observations sur les abeilles. 2 de Edit. 1514. pag. 431, Pl. XI. fig. 1. In dieser Schrift finden sich die interes- santen anatomischen Untersuchungen der oben genannten Dame nieder- gelegt, durch welche zuerst das Vorhandensein von verkümmerten Eier- stöcken bei Arbeitsbienen nachgewiesen und in einer vortrefflichen von ihr selbst angefertigten Abbildung dargestellt wurde. 4) S. Heusinger’s Zeitschrift für organische Physik. Band II. Heft 3. 1828. pag. 231. Taf. XII. fig. 30. Taf. XIV. fig. 38. 5) S. Brandt und Ratzeburg: medizin. Zoologie. Bd. 1533. pag. 202. Taf. XXV. fig. 34. 35. sowie Ratzeburg’s Untersuchung des Geschlechtszustandes bei den sogenannten Neutris der Bienen und über die Verwandtschaft derselben mit den Königinnen, 1833. in den Nov. Act. physico-medica. Vol. XVI. P. I. pag. 613. Tab. XLVL. R_ Fi 5 Einleitung. 5 nach ihren individuellen oft sehr beschränkten Ansichten ganz willkürlich und naturwidrig zu deuten. Nachdem ich bereits im Jahre 1837 das Vorhandensein und die Bedeutung des Receptaculum seminis bei den Insekten- weibehen nachgewiesen ' und im Jahre 1843 auf diesen Samen- behälter bei den Bienen-Königinnen” aufmerksam gemacht hatte, durch dessen Funktion gar manche bis dahin räthselhaft gebliebene oder unrichtig erklärte Erscheinung in der Fort- pflanzungsthätigkeit der Bienen richtig aufgefasst werden konnte, übten diese Untersuchungen auf die verkehrten An- sichten der meisten Bienenzüchter keinen besonderen Einfluss aus. Sie beachteten dieselben wahrscheinlich als theoretischen Kram nicht weiter, und doch konnte durch die Erkenntniss der Funktion des Receptaculum seminis eine von den Bienen- züchtern seit urdenklichen Zeiten bewunderte Erscheinung im Bienenstocke jetzt richtig erklärt werden. Es war nämlich von mir nachgewiesen worden, dass nach erfolgter Begattung der Same der Drohne, welcher das Receptaculum seminis strotzend anfüllt, nicht bloss Monate, sondern Jahre lang sich an diesem Orte befruchtungsfähig erhält, was sich an der so lange andau- ernden Beweglichkeit der Spermatozoiden dieses Samens erken- nen lässt?. Hierdurch erklärt es sich, dass eine durch einma- ligen Coitus befruchtete Königin, nachdem sich dieselbe ım ersten Jahre ihrer Eier entledigt hat, im nächsten Jahre und noch öfter von neuem entwicklungsfähige mithin befruchtete Eier, wie sie der Bienenstock bedarf, legen kann, indem noch 1) S. meine Beobachtungen über die Spermatozoen in den befruchte- ten Insekten-Weibchen, in Müller’s Archiv. 1837. pag. 417. 2) Ueber das Receptaculum seminis der Hymenopteren-Weibchen, in Germar’s Zeitschrift für die Entomologie. Bd. IV. 1843. pag. 371. 3) 8. ebenda pag. 374. (Betrifft Apis mellifica)und in Wiegmann’s » Archiv. 1839, I. pag. 107. (Betrifft Vespa rufa). ® 6 Einleitung. immer befruchtungsfähiger Same in ihrem Samenbehälter be- wahrt wird, um auf so lange hinaus Eier damit zu befruchten. Aber auch diese Entdeckung wurde von den meisten Bienen- züchtern ignorirt, überhaupt tauchten unter ihnen in Betreff der Feststellung der Geschlechtsfunktionen der Bienen immer wieder neue Bedenken über den Werth solcher anatomischen und mikroskopischen Untersuchungen auf. Zwei Phänomene im Bienenhaushalt waren es besonders, welche die Gemüther der Bienenzüchter in Bezug auf die Ver- theilung der Geschlechtsfunktionen bei den Bienen am meisten beunruhigten; ich meine 1) die Fähigkeit einer flügellahmen Königin, Brut zu erzeugen, und 2) das Zustandekommen von Brut in einem weisellosen Stocke. Diejenigen, welche den Weisel als das weibliche Individuum der Bienen anerkannten, und demselben nach den bisher gültigen physiologischen Ge- setzen die Eigenschaft zuschrieben, nur nach vorausgegangener Begattung und Anfüllung des Receptaculum seminis mit Sper- matozoiden entwicklungsfähige Eier zu legen, wurden in Folge derzuerst erwähnten Erscheinung darüber schwankend gemacht, wo und wann der Begattungsakt von der Bienenkönigin vorge- nommen werde. Es entspann sich daraus der vielfach in den Bienenschriften und Bienenzeitungen durchgekämpfte Streit, ob die Königin sich im Stocke oder ausserhalb des Stockes be- gatte. Dass ersteres möglich sei, glaubte man durch die flügel- lahmen und entwicklungsfähige Eier legenden Königinnen er- wiesen, und so wurde den beiden Bienen-Geschlechtern die Vornahme des Begattungsaktes innerhalb des Bienenstockes zugemuthet, ohne dass jemals eine solche Begattung im Stocke gesehen worden war. Es theilten hierin die Bienen gleiches Schicksal mit den Rehen; beı diesen Thieren konnten es sich dıe praktischen Jäger nicht erklären, dass der Uterus der Reh- geis nach der einzigen Brunstzeit (im August und September) m Einleitung. 7 bis zum Januar keinen Embryo enthielt, sie schrieben deshalb den Rehen einezweite Brunstzeit (im December) mit Unrecht zu, obgleich während dieser Zeit noch Niemand Rehe in der Begat- tung angetroffen hatte. Da, wo sich die vorhin erwähnte zweite auffallende Erscheinung, nämlich Brut in einem weisellosen Bienenstocke zeigte, wurde man ganz und gar irre über die Geschlechtsfunktionen der Bienen. Solche Beobachtungen wurden hauptsächlich benutzt, um damit den bisherigen wis- senschaftlichen Bemühungen, die Geschlechter der Bienen fest- zustellen, den Vorwurf der Unzulänglichkeit und Unhaltbarkeit zu machen. In den meisten zoologischen oder entomologischen Schrif- ten findet man alle diese das Bienenleben betreffenden brennen- den Streitfragen entweder nur unvollständig erwähnt oder kaum angedeutet, daher mag es gekommen sein, dass die Fortpflan- zungsgeschichte der Bienen von denjenigen Physiologen , wel- che sich speciell mit der Zeugungsgeschichte der Thiere be- schäftigten, unberührt geblieben ist'. Man hatte auf dieser - Seite keine Ahnung, welche schwierige Aufgaben hier der Wis- senschaft zur Lösung gestellt sind. Auch wurden die Physio- logen in letzter Zeit von einem anderen sehr anziehenden aber ebenfalls sehr schwierigen Gegenstand in Anspruch genommen, der sie anspornte, nach den Gesetzen zu forschen, nach welchen die bisher als Ausnahme betrachtete und jetzt mit dem Namen Generationswechsel bezeichnete geschlechtslose Fort- pflanzung neben der geschlechtlichen Fortpflanzung in der nie- deren 'Thierwelt verbreitet vorkömmt. 1) In dem ausführlichen von R. Leuckart ausgearbeiteten Artikel über Zeugung (s.R. Wagner’s Handwörterbuch der Physiologie. Bd. IV. 1853) ist die merkwürdige Fortpflanzungsgeschichte der Bienen kaum berührt worden, 8 Einleitung. Durch die Entomologen wurde die Physiologie der Zeugung in neuerer Zeit nur sehr spärlich bereichert, da die meisten der- selben ihre Aufgabe nur darin sahen, die Species der Insekten zu bereinigen; viele derselben suchten mit einem grossen Auf wand von Zeit und Mühe diejenigen Insekten-Arten festzustel- len, welche von Linn&e und Fabricius mit Namen belegt worden sind, während die Mehrzahl derselben eine noch grössere Befriedigung darin fand, die systematischen Insekten-Verzeich- nisse um einige ganz neue, wenn auch höchst unscheinbare Species bereichert zu haben. Da bis auf die neuste Zeit die Bienenzüchter eine Art ab- geschlossene Zunft bildeten, welche die wichtigsten die Fort- pflanzung der Bienen betreffenden Fragen unter sich beantwor- ten wollten, so mag es gekommen sein, dass die Früchte, mit denen die Kenntniss der Zeugungsgeschichte durch die Be- mühungen der neueren Naturforscher bereichert wurde, von jenem abgeschlossenen und kurzsichtigen Kreis der praktischen Bienenzüchter gar nicht bemerkt und also auch nicht benutzt werden konnten. Auch drang niemals aus ihrem Kreise eine Stimme heraus, welche die Hülfe der Physiologen zur Ent- scheidung gewisser Probleme in der Zeugungsgeschichte der Bienen beansprucht hätte. Erst in den letzten drei Jahren hat sich das Benehmen der Bienenzüchter auf eine höchst erfreuliche Weise geändert, und es muss dem jetzigen Kreise der Bienen- züchter nachgerühmt werden, dass derselbe in diesem Augen- blicke Männer unter sich zählt, welche die Ueberzeugung ge- wonnen haben, dass das Bienenleben nicht bloss dazu dient, dem Menschen Wachs, Honig und Meth zu verschaffen, son- dern dass dasselbe ein höchst merkwürdiges Glied in der gros- sen auf das mannichfaltigste zusammengesetzten Kette von Thierleben ausmacht, dessen Bedeutung aber nur mit Hülfe von Kenntnissen, wie sie die jetzige Entwicklung der Natur- Einleitung. 9 wissenschaften gewährt, verstanden werden kann. Es istdurch die Thätigkeit dieser aufgeklärten Männer ein völliger Um- schwung in der Bienenzucht eingetreten, ein von den Bienen- züchtern eingeführtes und durch die ergiebigsten Erfolge be- lohntes rationelles Verfahren feiert gegenwärtig den vollstän- digsten Triumph über die Empirie, wobei die Namen eines Dzierzon und Berlepsch als Sieger vor allen genannt zu werden verdienen. Auf welche Weise ich veranlasst worden bin, an diesem regen Treiben der Bienenzüchter Theil zu nehmen, darüber glaube ich Auskunft geben zu müssen, indem es sich weiter unten um eine neue auf die Bienen sich beziehende Fortpflan- zungstheorie handelt, deren Vertretung ich übernommen habe, aber nicht etwa nach einer von aussen mir aufgedrängten vor- gefassten Meinung, sondern nach innerer aus dem Gange mei- ner Untersuchungen und Erfahrungen entsprungenen Ueber- zeugung. Aus den folgenden Blättern wird man entnehmen können, wie mich das Verfolgen der Fortpflanzungsgeschichte der Insekten auf die Naturgeschichte der Bienen hinleiten musste. Es war wohl kein Zweig der Thiergeschichte in den letzten Jahren durch neue Entdeckungen, durch Erweiterung und Vervollständigung älterer Beobachtungen in so hohem Grade bereichert worden, als die Lehre von der Thierzeugung. Eine Menge von Thatsachen, welche den so lange als Regel für die Fortpflanzung der'Thiere hingestellten Lehrsätzen schnurstracks widersprachen, und bisher fast nur den Werth einer Curiosität hatten, sind durch den Scharfblick Steenstrup ’s unter dem u 10 Einleitung. Namen Generationswechsel zu einem Gesetze vereinigt worden !, das gegenwärtig von den Naturforschern nach allen Richtungen hin ausgebeutet wird. Es gab früher eine grosse Reihe auf- fallender Beobachtungen, gegen deren Richtigkeit, da sie mit den bisher als Norm angenommenen Gesetzen der Fortpflan- zung im Widerspruch standen, man gerne Zweifel hätte erheben mögen, wenn ihnen nicht durch die Zuverlässigkeit ihrer Be- obachter der Stempel der Wahrheit aufgeprägt worden wäre. Von manchen dieser Beobachtungen, über welche hier und da ein Naturforscher immer wieder ungläubig den Kopf schüttelte*, 1) S. Steenstrup: über den Generationswechsel. Copenhagen 1842. 2) Dieses Verneinen der mit dem Generationswechsel zusammenhän- genden Vorgänge spricht sich bis auf die neueste Zeit sogar in den An- sichten aus, mit welchen Ehrenberg und Diesing das Wesen der Cercarien deuten. Obgleich direkte Beobachtungen und die sorgfältigsten Untersuchungen gelehrt haben, dass diese merkwürdigen geschlechtslosen Geschöpfe keine fertigen Thiere sind, sondern als Larven in die Entwick- lungsreihe gewisser Trematoden gehören, so bleibt Ehrenberg beharr- lich bei seiner Meinung, dass die Cercarien den Trematoden nur entfernt ähnlich seien (s. den Bericht über die zur Bekanntmachung geeigneten Verhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Berlin a. d. J. 1851. pag. 776) und macht es Steenstrup zum Vorwurf, dass er sich zu dem einflussreichen Irrthum habe verleiten lassen, anzunehmen, die Cercarien entwickelten sich durch Abwerfen des Schwanzes zu Distomen. Ehren- berg beruft sich dabei auf seine im Jahre 1828 (Symbolae physicae. Phy- tozoa entozoa), gegebene Auseinandersetzung, Beschreibung und Abbil- dung der Cercaria ephemera, welche zu seinem Bedauern von Steens- trup nicht berücksichtigt worden sei, was wohl vor einigen Irrungen be- wahrt hätte. In dieser Beschreibung hat jedoch Ehrenberg das einer Primordialniere entsprechende Excretionsorgan für Ovarien und den grob- körnigen Inhalt desselben für Eier erklärt, worauf ich bereits vor längerer Zeit aufmerksam gemacht habe (s. mein Lehrbuch der vergleichenden Ana- tomie der Wirbellosen. pag. 139). Diesing hält, nicht weniger conse- quent, an dem Glauben fest, dass die Cercarien eine selbstständige und in sich abgeschlossene Thiergruppe seien (s. dessen Revision der Cercarien in dem Märzhefte des Jahrganges 1855 der Sitzungsberichte der Akademie der Wissenschaften in Wien). Einleitung. 11 ist durch die Erkenntniss des Generationswechsels jetzt aller Zweifel hinweggewischt worden. Andere bis jetzt noch räthsel- haft gebliebene Beobachtungen, deren Resultate ebenfalls mit den Grundsätzen der bis dahin bekannt gewesenen Zeugungs- geschichte nicht zusammenstimmen wollen, werden vielleicht, so darf man hoffen, durch die Lichtstrahlen des Generationswech- sels später noch aufgehellt werden. Dennoch bin ich durch meine eigenen Forschungen aber auch zu der Ueberzeugung gekommen, dass man auf der anderen Seite von dem Grenera- tionswechsel nicht zu viel erwarten darf, indem man nicht im- mer, wenn man es wünscht und vermuthet, Aufschluss von demselben erhält. Ich muss besonders warnen, dass man ja nicht mit der vorgefassten Meinung, man habe es mit dem Generationswechsel zu thun, eine Untersuchung zu weit ver- folgen möge, weil man sonst weit vom rechten Wege ab auf eine falsche Fährte gerathen kann, auf der man sich nimmer zurecht finden dürfte. Um nicht zu weit von dem Ziele abzuschweifen, das ich mir in diesen Blättern gesetzt habe, will ich nur dasjenige hier hervorheben, was man in der Insekten-Geschichte als eine Ei- genthümlichkeit des Generationswechsels zu betrachten Ver- anlassung genommen hat. Ich meine nämlich die merkwürdige Fortpflanzungsgeschichte der Blattläuse; diese hat, nachdem sie so lange als etwas ganz abnormes und unerklärliches dage- standen, in dem Wesen des Generationswechsels vollständig ihre Erklärung gefunden. Bekanntlich folgt bei den Aphiden auf eine geschlechtliche Generation, repräsentirt durch geson- derte Männchen und Weibchen, eine Reihe von Generationen, in welchen nur eine einzige Form enthalten ist, die ohne vor- hergehende Befruchtung in mehrfacher Wiederholung aus einan- der hervorgehen, bis nach etwa sieben bis eilf solchen Genera- tionen wieder eine Generation von Männchen und Weibchen 12 Einleitung. zum Vorschein kommt. ‚Steenstrup!' betrachtet jene For- men der Blattläuse, welche ohne Einfluss männlicher Ge- schlechtswerkzeuge fortpflanzungsfähig sind und bisher für jungfräuliche Blattlaus-Weibcehen angesehen worden waren, als Ammen , mithin als diejenigen Glieder einer dem Generations- wechsel unterworfenen Thierspecies, welche im geschlechts- losen Zustande (im Larvenzustande) Brut erzeugen können. Es sind auch wirklich jene Blattläuse, welche ohne vorausge- gangene Begattung lebendige Junge gebären, in ihrer Organi- sation ganz verschieden von den eigentlichen weiblichen Blatt- läusen, welche nach dem Begattungsacte entwicklungsfähige Eier legen. Es haben in den viviparen Blattläusen namentlich diejenigen Organe, aus welchen die lebendige Brut hervorgeht, eine ganz andere Form und Organisation als die Geschlechts- theile der oviparen weiblichen Blattläuse, sodass man mit Fug und Recht jeneOrgane im Gegensatz zu den Eierstöcken, deren Produkte (Eier) nur durch die Einwirkung des männlichen Samens entwicklungsfähig werden, als Keimstöcke bezeichnen kann, die ohne Einfluss männlicher Befruchtungsorgane Brut aus sich erzeugen können. Es fehlt daher auch jenen ammen- artigen viviparen Blattläusen, welche statt der Eierstöcke Keim- stöcke in sich tragen, das Receptaculum seminis, welches in den Weibchen der Insekten allgemein verbreitet vorkömmt und bei dem Befruchtungsacte der Eier eine wichtige Rolle spielt*. Ehe noch von Steenstrup der Generationswechsel in die Wissenschaft eingeführt worden war, hatte ich bereits auf die verschiedenen Organisations - Verhältnisse der oviparen und viviparen Blattläuse und insbesondere auf die Abwesenheit der 1) a. a. O. pag. 121. 2) Vgl. meine Beobachtungen über die Spermatozoen in den befruch- teten Insekten-Weibchen. Müller’s Archiv. 1837. pag: 392. Einleitung. 13 Samentasche bei den letzteren aufmerksam gemacht'. Später wurde von V. Carus” die Entwicklung der Aphiden ohne - Befruchtung vollständig als ein Vorgang des Generationswech- sels auseinandergesetzt. Es hat die Darstellung, welche Carus von der Entwicklung der Keimkörper in den Keimstöcken der viviparen Blattläuse gegeben hat, durch Leydig® zwar eine Widerlegung gefunden, gegen die ich nichts einwenden kann, dennoch möchte ich, obgleich nach Leydig aus den Keim- körpern der viviparen Blattläuse ganz ebenso wie aus Eiern die Brut mittelst Zellenbildung zur Entwicklung kömmt, die Be- zeichnung ‚‚Keimkörper‘‘ und ‚‚Keimstock‘“‘ für jene Fort- pflanzungsorgane der ammenartigen viviparen Blattläuse fest- halten, um sie in Bezug aufGenerationswechsel ihrer verschie- denen physiologischen Bedeutung wegen von den Eiern und Eierstöcken der weiblichen oviparen Blattläuse zu unter- scheiden. Owen‘ hat die geschlechtslosen viviparen Blattläuse als fortpflanzungsfähige jungfräuliche Weibchen betrachtet; es sind aber diese von Owen als jungfräuliche Eltern bezeichne- ten viviparen Blattläuse jedenfalls etwas ganz anderes als die oviparen Blattläuse in ihrem vor der Begattung sich darbieten- den jungfräulichen Zustande. Aus demselben Grunde kann ich auch Owen’s Ausdruck Parthenogenesis, mit welchem derselbe den Generationswechsel bezeichnet, nicht billigen, in- 1) Vgl. Froriep’s neue Notizen. Band XI. 1839. pag. 308. 2) Vgl. V. Carus: zur näheren Kenntniss des Generationswechsels. 1849. pag. 2. 3) S. dessen Bemerkungen über die Entwicklung der Blattläuse in der von mir und Kölliker herausgegebenen Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. 1850. pag..62. 4) Vgl. Rich. Owen: on Parthenogenesis or the successive production of procreating individuals from a single ovum. London. 1849, L pag. 30, 60 u. 76. nn 14 Einleitung. dem ich unter Parthenogenesis nicht die Fortpflanzung durch geschlechtslose ammen- oder larvenartige Wesen ver- stehe, sondern darunter die Fortpflanzung durch wirkliche Weibchen, das heisst, durch mit vollkommen entwickelten jungfräuliche weiblichen Geschlechtsorganen ausgestattete In- dividuen begreife, welche ohne vorausgegangene Begattung unbefruchtete entwicklungsfähige Eier hervorbringen. Es ist diese letztere Art der Fortpflanzung von älteren Naturforschern Lueina sine concubitu genannt worden, welche Bezeichnung nicht, wie es Owen gethan hat, auf den Gene- rationswechsel angewendet werden darf, indem hier unter ganz anderen Bedingungen die Fortpflanzung erfolgt, nämlich durch Theilung, durch Knospenbildung oder durch Keimkörper, welche mit Eiern nicht zu verwechseln sind, indem bei allen diesen Vermehrungsarten der unmittelbare Einfluss männlicher Befruchtungselemente fehlt, welcher nicht etwa zufällig oder abnorm ausgeblieben ist, sondern welcher, wie es der ganze Entwicklungsgang dieser Generationen bezeugt, gewissen Ge- setzen gemäss ganz aus dem Spiele bleibt. Da ich in Bezug auf meine späteren Mittheilungen ein besonderes Gewicht auf den Unterschied zwischen Genera- tionswechsel und Parthenogenesis legen muss, so wiederhole ich es hier noch einmal, dass die viviparen Blatt- läuse keine Weibchen sind, welche sine concubitu im jungfräu- lichen Zustande entwicklungsfähige Eier hervorbringen , son- dern geschlechtslose mit Keimstöcken ausgestattete ammen- oder larvenartige Individuen, welche von den wirklich jung- fräulichen Blattlaus-Weibchen himmelweit verschieden sind. Beleuchtung. 15 Beleuchtung der bisher für Parthenogenesis aus- gegebenen Fälle. Nachdem die merkwürdige Fortpflanzungsgeschichte der Blattläuse in das Bereich des Generationswechsels hat verwie- sen werden müssen, so frägt es sich, ob nicht andere Momente aus der Insektengeschichte bekannt geworden sind, welche als Lucina sine concubitu oder Parthenogenesis anzusehen wären. In der'I'hat werden von den verschiedensten Entomologen älterer und neuerer Zeit Beobachtungen mitgetheilt, welche auf die ziemlich verbreitete Existenz einer wahren Parthenogenesis un- ter den Insekten schliessen lassen sollten. Aber alle diese Er- zählungen von Spinnen-Weibchen oder weiblichen Schmetter- lingen, welche, ohne vorausgegangene Begattung und isolirt gehalten, Eier gelegt hatten, aus denen später Brut hervorge- schlüpft, verdienen eine nähere Beleuchtung; denn bevor wir durch solche Mittheilungen ein wichtiges aus vielseitigen Er- fahrungen erworbenes physiologisches Gesetz über den Haufen werfen lassen, kömmt es doch darauf an, festzustellen, ob wir jenen Erzählungen so geradezu Glauben schenken sollen, ob wir es hier mit zuverlässigen T'hatsachen zu thun haben, oder ‘obhier nicht aus oberflächlichen, unzureichenden und dürftigen Beobachtungen eine Thatsache eigentlich nur erschlossen an- statt bestimmt nachgewiesen worden sei. Ich habeschon früher auf diese Fälle als auf solche hingedeutet', welche einer genau- eren Prüfung bedürfen, um jeden Zweifel über die Richtigkeit der Behauptung zu beseitigen, dass nämlich wirklich eine spon- tane Brutentwicklung in den von jungfräulichen Insekten- 1) Vgl. die Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. 1849. pag. 97. 16 Beleuchtung der bisher für Weibchen gelegten Eiern stattfinden könne. Ich hatte es mir damals vorbehalten, die von so vielen Naturforschern hervor- gehobenen und immer wieder erzählten Fälle, durch welche die Existenz einer Zucina sine concubitu bewiesen werden sollte, einer sorgfältigen Kritik zu unterwerfen. Diese Kritik will ich jetzt vornehmen, um zu zeigen, wie wenig zuverlässiges von allen jenen Behauptungen übrig bleibt; denn da es sich um die Erhaltung oder Umstossung eines physiologischen Lehrsatzes handelt, dessen Wichtigkeit seit lange anerkannt worden ist, so versteht es sich wohl von selbst, dass nur ganz zuverlässige und jeden Zweifel ausschliessende Beobachtungen als vollwich- tig angenommen werden können, um den Satz umzustossen: dass wahre (in einem Eierstocke erzeugte) Eier nicht eher zu einem Embryo sich entwickeln können, als bis sie vorher dem befruchtenden Einflusse des (in Hoden erzeugten) männlichen Samens ausgesetzt worden sind. Die älteste Mittheilung über die Fortpflanzung von In- sekten-Weibchen sine concubitu, auf welche man sich wieder- holt berufen hat, rührt von dem Arzte J. P. Albrecht zu Hildesheim her, welcher ım Jahre 1701 der Leopoldiner Aka- demie der Naturforscher eine Abhandlung mit dem Titel ein- sendete!: ‚‚de Insectorum ovis sine praevia maris cum foemella conjunctione nihilominus nonnunguam foecundis.““ In dieser Abhandlung erzählte Albrecht, dass er eine an einem Johan- nesbeerstrauch eingesponnene braune Puppe unter einem Glase in seinem Gartenhause aufbewahrt habe, um zu sehen, welcher Schmetterling sich daraus entwickle. Ende Juli schlüpfte ein Schmetterling von weissgelber Farbe daraus hervor, der nıcht näher beschrieben wurde, da ihn aber Albrecht mit dem 1) Vgl. Miscellanea curiosa sive Ephemeridum Academiae Caesar. Leopold. natur. curios. Dec. III. Annus IX. et X. 1706. pag. 26. u Parthenogenesis ausgegebenen Fälle. 17 von Goedart in seiner Metamorphosis et Historia Insectorum (Pars I.) auf Tab. 33 abgebildeten Schmetterlinge verglichen hat, so kann angenommen werden, dass jener Schmetterling ein Spinner oder eine Eule gewesen ist. Derselbe legte nach einigen Tagen sehr viele Eier und starb nachher. Albrecht bemerkte hierzu die Worte: ‚‚Cum masculum huic Papilioni haud adfuisse certus essem et propterea ejus ova subventanea ac sterilia esse judicarem, vir amplius eorum habui rationem, relictis interim iisdem oscitantius et sine omni cura sub dicto vitro per totum tempus hyemale.‘“ Erst im April des folgenden Jahres sah Albrecht wieder einmal nach’ dem Glase, und war erstaunt, statt der Eier in demselben junge schwarze Räupchen zu finden. Da Albrecht weder die Beschaffenheit des Glases, noch die Art und Weise, wie dasselbe verschlossen war, näher beschrieben und überhaupt weder das Glas noch dessen Inhalt mit der nöthigen Sorgfalt im Auge behalten hat, so geht aus diesem Falle nicht bestimmt hervor, ob auch die Mündungen des Glases, in welchem der Schmetterling aufbewahrt war, so ‚verschlossen gewesen sind, dass kein männlicher Schmetterling derselben Art den Zugang und die Möglichkeit habe finden können, um sich mit dem eingeschlossenen Weibchen zu be- gatten. Derselbe Arzt erwähnt ferner noch eine Spinne, welche Dr. St. Blancard besessen habe, und welche vier Jahre hin- tereinander Eier gelegt, aus denen junge Spinnen ausgeschlüpft seien, ohne dass eine männliche Spinne dabei im Spiele ge- wesen. Diese kurze Mittheilung giebt uns nicht im geringsten über die Frage Aufschluss, ob jene fruchtbare Spinne wirklich im jungfräulichen Zustande eingefangen worden und ob nicht etwa schon vor ihrer Gefangenschaft von einem Spinnen- Männchen das receptaculum seminis derselben mit Samen ge- 1) Diese Beobachtung wurde zuerst ebenda Dec. III. AnnusIlI. 1696, pag. 63 mitgetheilt. v. Siebold, Nachweis u. s. w. 2 18 Beleuchtung der bisher für füllt worden sei. Ganz ähnlich wird es sich mit jenem Spinnen- - Weibchen verhalten haben, welches Dumeril bei Audebert gesehen', und welches eingesperrt ohne Mitwirkung eines Männchens zwei Jahre lang Brut erzeugt hat. Dass derin den Samentaschen der Insekten-Weibchen aufbewahrte männliche Samen jahrelang seine befruchtende Kraft behält, das ist eine erwiesene Sache; von Bienen-Königinnen z. B. weiss man, dass sie nach einmaliger Begattung vier bis fünf Jahre hindurch fruchtbar sein können; ich berufe mich hierbei auf das Zeug- niss des Pfarrers zu Carlsmarkt in Schlesien, Herrn Dzier- zon”, den ich unter den jetzt lebenden Bienenfreunden als einen der erfahrensten und zuverlässigsten Bienenzüchter ken- nen und schätzen gelernt habe. Eine andere Beobachtung von spontaner Fortpflanzung sine concubitu, welche Basler an einem aus der Raupe gezogenen weiblichen Schmetterling der Gastropacha quercifoha gemacht hat, theilte Bernoulli? ganz kurz mit. Da hierbei weder erwähnt ist, wie lange nach dem Ausschlüpfen desSchmetterlings Herr Basler die Kupfer- glucke bemerkt, noch über die sichere Aufbewahrung und Ab- schliessung der Puppe derselben Rechenschaft gegeben wurde, so lassen sich wegen des Mangels aller näheren Angaben gegen die in diesem Falle angenommene Parthenogenesis eine Menge Einwürfe machen. Nicht minder zuverlässig erscheint der von Bernoulli selbst als Parthenogenesis beobachtete und mit- getheilte Fall‘. Es hatte derselbe nämlich die Raupe einer Episema coeruleocephala verpuppen lassen, die Puppe aber 1) Vgl. Dietionnaire des sciences naturelles. Tom. II. 1816. pag. 324. 2) Vgl. dessen Theorie und Praxis des neuen Bienenfreundes. 2, Aufl. 1849. pag. 104 und 111. 3) S. Nouveaux Memoires de !’Acad&mie Royale des sciences et belles- lettres. Ann&e 1772, Berlin 1774. pag. 24 und 34. 4) Ebenda. pag. 25. BT Parthenogenesis ausgegebenen Fälle. 19 nachher ın einer Schachtel nicht weiter beachtet; nach etwa fünfzehn Tagen öffnete er die Schachtel zum ersten Male, und war überrascht, darin neben dem ausgeschlüpften und abge- storbenen Schmetterling eine Familie junger Räupchen vorzu- finden, welche die Puppenhülse ihrer Mutter und einen Theil ihrer Eierschalen bereits verzehrt hatten. Schon von den Theresianern (Denis und Schiffermüller) ist die Unhalt- barkeit der Behauptung, dass in den eben erwähnten Fällen eine Lucina sine concubitu stattgefunden habe, mit so triftigen Gründen nachgewiesen worden, dass ich nichts besseres thun kann, als mich auf diese Beweisgründe zu berufen, welche jene beiden erfahrenen Wiener Entomologen mit folgenden Worten durchführten ': ‚‚,Wir haben nämlich gar zu oft erfahren, dass sich Männchen bei den in unsern Zimmern ausgekrochenen, wohl auch an einer Nadel steckenden Weibchen eingefunden, und mit denselben gepaaret haben, da wir es gar nicht vermu- theten, manchmal auch nur zufällig und spät bemerkten; und wir haben solches kaum von einer andern Art mehr, als von eben den zwo Spinnerarten (in unserm Verzeichnisse Fam. J. Nr. 1. und B. Nr. 1.)* erfahren, die bei den erwähnten Natur- forschern fruchtbare Eier ohne Begattung gelegt haben sollen; ja von der letztern Art haben wir nach der Zeit öfter ein Weib- chen vorsätzlich, um Männchen, die unsere Freunde verlang- ten, zu fangen, Abends bei offenem Fenster ausgesetzet, und meistens mit erwünschtem Erfolge. Selbst beider gelehrten Männer Erzählungen scheinen uns einen solchen unbemerkten Zufall oder eine ungefähre Verwechslung und Irrung nicht ganz 1) Vgl. Systematisches Verzeichniss der Schmetterlinge der Wiener Gegend herausgegeben von einigen Lehrern am k. k. Theresianum, 1776. pag. 293. 2) Die Theresianer meinen hiermit Gastropacha quereifolia und Sa- turnia Pyri. 2* Ze 20 Beleuchtung der bisher für auszuschliessen. Herr Basler hatnicht die Puppe, sondern das ausgekrochene Weibchen, (freilich erst, als er es bemerkt hat) in ein Glas versperret, und die Eier ungeachtet auf einem Ofen bis in den November liegen gehabt, auch die jungen Raupen nicht aufgezogen; und Herr Bernoulli hat seine Puppe mit dem Schächtelchen aus den Augen verloren, bis er in demselben schon Räupchen fand. Endlich sind eben die zwei benannten Arten von Reaumur, Rösel, oder auch andern Naturfor- schern, und in sehr beträchtlicher Menge von uns selber oft erzogen worden; sollten sie das Vermögen, sich ohne Begat- tung fortzupflanzen, wenn es ihnen wirklich eigen wäre, nicht doch auch einmal geäussert haben? und doch legten uns Weib- chen, die nicht gepaaret waren, immer nur taube Fier.‘“ Auch Pastor von Scheven hat die Mittheilungen Basler’s und Bernoulli’s als Beweise einer stattgehabten Lucina sine con- cubitu mit sehr richtigem Takte durch folgende Einwendungen entkräftet!: ‚‚Auch der gelehrteste Naturforscher macht oft, ohne es selbst zu bemerken, den falschen Schluss: Ich habe dieses oder jenes nicht bemerkt, folglich ist es auch nicht ge- schehen. Dem Herrn Basler ıst seine Phaläne, wie die Er- zählung selbst zeigt, nicht eher wichtig genug zur genauen Beobachtung gewesen, als bis er aus dem vermeinten wunder- baren Erfolg sie für einen Zwitter erkannt hat. Wer ist uns nun Bürge dafür, dass nicht vorher eine Paarung und Befruch- tung vorgegangen? Aller Wahrscheinlichkeit nach hat Herr Basler nur eine einzige Phaläne dieser Art erzogen, woraus er den Schluss gemacht, dass keine Paarung möglich gewesen. Aber wie leicht es habe geschehen können, dass ohne sein Wis- sen dennoch eine Paarung vorgegangen, kann folgende Bemer- 1) Vgl. des Pastor v. Scheven Beiträge zur Naturgeschichte der Insecten im Naturforscher. Stück 20. 1784. pag. 50. Parthenogenests ausgegebenen Fälle. 21 kung, die ich vor einigen Jahren an der Phal. Quercus Linn. zu machen Gelegenheit gehabt, deutlich lehren. Von dieser Phaläne erzog ich ebenfalls nur eine einzige Raupe, dergleichen Rösel im ersten Theil seiner Insecten-Belustigungen "Tab. 35 a. abgebildet, und erhielt aus derselben einen weiblichen Schmet- terling. Weil aber dieser eben am Abend aus seinem Cocon zum Vorschein kam, so liess ich ihn, damit er seine Flügel ge- hörig ausbreiten möchte, an einem Fenster meines Zimmers in die Höhe kriechen, und weil er sich geruhig verhielt, die Nacht hindurch daselbst sitzen. Am andern Tage ward ich in dem Winkel dieses Zimmers ein Männlein dieser Phaläne gewahr, worüber ich in die grösste Verwunderung gerieth, da ich mit Gewissheit wusste, dass ich nicht mehr als eine einzige Raupe dieser Phaläne in meinem Hause gehabt hatte. Ich durfte aber nicht lange auf die Auflösung dieses Räthsels warten. Denn da ich bald darauf zu verschiedenen Malen ein Klopfen am Fenster gehört zu haben glaubte, und, um die Ursache dessel- ben zu entdecken, das Fenster öffnete, so bemerkte ich bald, dass verschiedene Phalänen vor demselben herumflogen, und ob ich sie gleich ihres schnellen Fluges wegen nicht gleich für das, was sie waren, erkannte, so schloss ich doch aus ihrem starken Fluge, welchen sie zuweilen gerade gegen das Fenster richteten, dass sie dort etwas zu suchen hätten. Ich liess sie daher nicht lange vergebens klopfen, sondern öffnete ihnen einige Fenster, worauf sich in kurzer Zeit verschiedene Männ- lein dieser Phaläne in meinem Zimmer einfanden, und sich mit dem bald aufgefundenen Weiblein zu paaren suchten. Diese Geschichte zeigt nicht nur, wie stark die Witterung der männ- lichen Phalänen dieser Art, und wie gross ihr Trieb zur Begat- tung sei, sondern lässt uns auch vermuthen, dass es dem Herrn Basler, dessen Phaläne mit der unsrigen in eine Classe ge- hört, und ihrer Natur und Lebensart nach genau verwandt ist, ne 32 Beleuchtung der bisher für eben also könne ergangen sein. Denn wenn sich das erste in meinem Zimmer eingefundene Männlein, welches sich ohne Zweifel durch eine kleine Oeffnung des Fensters hineingeschli- chen, sogleich mit dem Weibchen gepaart, und darauf in einen Winkel des Zimmers versteckt hätte, oder gar wieder davon geflogen wäre, der folgende Tag aber nicht so heiter gewesen, und zu den obigen Bemerkungen keine Gelegenheit gegeben hätte, so würde ich auf eben die Art, wie Herr Basler, be- fruchtete Eier von meiner Phaläne erhalten haben, ohne auf den Gedanken gerathen zu sein, dass eine Befruchtung ge- schehen, und vielleicht ohne einen Irrthum als möglich zu gedenken.‘“ Auch die Beobachtung des Bernoullı wird von Scheven mit so wichtigen Einwürfen beleuchtet, dass dadurch von ihr auch jede Spur der Glaubwürdigkeit hinweg gewischt wird. Da Scheven mit jener seiner Zeit eigenthümlichen Redseligkeit den Gegenstand behandelt hat, so würde es zu viel Raum bedürfen, wenn ich die Polemik desselben in ihrer gan- zen Ausdehnung wiedergeben wollte, ich werde daher nur den wichtigsten Theil seiner Bemerkungen hier hervorheben. Es war Scheven in der Erzählung Bernoulli’s unter anderen aufgefallen, dass schon nach fünfzehn Tagen nach dem Ein- spinnen der Raupe die kleinen Räupchen aus den Eiern ge- schlüpft waren, weshalb er sich gerade hierüber in folgender Weise ausliess': ‚,Nach dem gewöhnlichen Lauf der Natur braucht die Raupe einige Tage, ehe sie sich in ihrem Gespinn- ste zur Puppe verwandelt. Aufs wenigste vierzehn Tage, und grösstentheils noch länger pflegt die Puppe in ihrem Gespinnste zu liegen, ehe der Schmetterling aus derselben zum Vorschein kommt. Noch mehr Zeit aber wird erfordert, ehe die jungen Räupchen in ihren Eiern zur Zeitigung kommen, und aus 1) Ebenda. pag. 54. Parthenogenesis ausgegebenen Fälle. 23 selbigen auskriechen. Die mehrere oder mindere Wärme der Jahreszeit, oder des Orts, wo die Puppen und Eier aufbewahrt werden, verursacht freilich oftmals eine Veränderung in der Dauer der für diese Begebenheiten bestimmten gewöhnlichen Zeit. Allein dass alle diese Veränderungen binnen vierzehn Tagen sich ereignen sollen, ist eben so unglaublich, als dass eine Jungfer, die in ihrem Leben keine Mannsperson gesehen, und sich zu noch grösserer Sicherheit in ein Kloster begeben, daselbst nach vierzehn Wochen unschuldiger Weise zu einem Kinde kommen kann. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird ein anderer weiblicher Schmetterling, welchen der Verfasser lange vorher in dieser Schachtel mag gehabt haben, der auch von anderer Art kann gewesen sein, (denn der Beobachter scheint die jungen Räupchen, die ohnedem in der Jugend nicht leicht zu kennen sind, nicht genau untersucht zu haben), seine Eier in einem Winkel dieser Schachtel angelegt haben, welches der Besitzer vergessen, oder gar nicht bemerkt. Aus diesen sind die jungen Räupchen vermuthlich zu eben der Zeit, da die Phal. pacta' ihre unbefruchteten Eier gelegt, zum Vorschein gekommen, und haben aus Mangel der Nahrung die annoch frischen und weichen Eier verzehret, und sich zuletzt sogar über die Puppe, oder vielmehr Puppenhaut hergemacht. Es mag nun diese oder eine andere Verwechselung, deren sich viele denken lassen, geschehen sein, so ist doch so viel gewiss, dass die Geschichte selbst ın der Art, wie sie erzählt und er- 1) Aus welchem Grunde Scheven den Schmetterling, an welchem Bernoulli seine Beobachtung über spontane Fortpflanzung gemacht haben will, als Phalaena pacta bezeichnet, weiss ich nicht, denn Ber- noulli vergleicht seinen Schmetterling mit dem von Roesel in seinen Insectenbelustigungen, IV. Sammlung Nr. 15 abgebildeten Nachtvogel, welcher nichts anderes als Episema coeruleocephala ist. 24 Beleuchtung der bisher für klärt wird, gar keinen Glauben verdient, und dass die darauf gebaueten Schlüsse um so weniger richtig sein können.‘ Ich habe es nicht unterlassen können, die Einwendungen, welche Pastor Scheven gegen die von Bernoulli mitge- theilten Beobachtungen, so viel es der Raum erlaubte, hier wörtlich mitzutheilen, da dieselben bisher ganz unbeachtet ge- blieben sind, denn so oft behauptet wurde, dass gewisse Insek- ten ohne vorhergegangene Befruchtung entwicklungsfähige Eier legen könnten, berief man sich immer wieder, selbst in der neusten Zeit', gerade auf die von Bernoulli bekannt ge- machten Beobachtungen, welche doch schon längst durch Scheven als unzuverlässig entkräftet waren. Einen ebenso geringen Werth haben die noch übrigen Mittheilungen, welche als Belege für die Existenz einer Lucina sine concubitu dienen sollen, da sie in Form von ganz kurzen Notizen auch nicht die geringste Bürgschaft darüber liefern, ob und welche Vorsichtsmassregeln angewendet worden sind, um die bei dergleichen Beobachtungen sich so leicht einschleichen- den Täuschungen abzuhalten. Aus diesem Grunde kann der Fall gar kein Gewicht haben, welchen Suckow ohne alle näheren Umstände mit folgenden Worten mittheilte*: ,,Ich zog Weibchen von Bombyz Pinti, welche ohne zuvorgegangene Begattung Eier legten, aus denen sich die Räupchen entwickel- ten und sämmtliche Verwandlungen durchmachten.‘“ Ein an- derer Fall wurde von L. Ch. Treviranus mit den Worten 1) Man vergleiche in dieser BeziehungG.R. Treviranus (Biologie. Band III. 1805. pag. 265) Burmeister (Handbuch der Entomologie. Band I. 1832. pag. 337) Lacordaire (Introduction & l’&tude de l’Ento- mologie. Tom. 11. 1538. pag. 383) und V. Carus (Zur näheren Kenntniss des Generationswechsels. 1849. pag. 21). 2) Vgl. Heusinger’s Zeitschrift für die organische Physik. Band II. 1828. pag. 263. / .d Parthenogenesis ausgegebenen Fälle. 35 erwähnt': ‚‚Ich selber bin Augenzeuge gewesen, dass ein Weib- - chen von Sphinz Ligustri, das während der Nacht in meinem Zimmer sich aus der Puppe entwickelt hatte, und am Morgen darauf an einer Nadel gespiesst ward, am zweiten Tage zahl- reiche Eier legte, aus denen sich Raupen eben so entwickelten, als wenn eine Begattung mit einem Männchen stattgehabt hätte, was ganz gewiss nicht der Fall war.‘“ Wenn wir uns aber an das erinnern, was oben von den Theresianern und von Scheven mitgetheilt worden ist, so wird die einfache Versicherung des Treviranus, dass bei diesem Sphinx- Weibchen keine Begattung stattgefunden habe, nicht ausrei- chen, um alle Zweifel darüber zu beseitigen, ob nicht heimlich und unbemerkt ein Männchen herbeigekommen sei und mit jenem Weibchen die Begattung vollzogen habe, welche der Beobachtung des Treviranus um so eher entgangen sein konnte, da derselbe gewiss nicht vorher an eine Parthenogene- sis gedacht und das aufgespiesste Weibchen scharf bewacht haben wird. Noch unzureichender sind die ganz kurzen Mit- theilungen Burmeister’s?*, in welchen nichts weiter gesagt ist, als dass Dr. Al. v. Nordmann unlängst bei Smerinthus Populi eine spontane Entwicklung beobachtet habe und dass von Gastropacha potatoria ein ähnliches Beispiel bekannt ge- worden sei. Auch Lacordaire’s Angaben? über Lucina sine concubitu bei Gastropacha Pin’ und über einen von Carlier beobachteten Fall, nach welchem aus einer Ziparis dispar drei Generationen ohne Begattung hervorgegangen seien, können nur mit Misstrauen aufgenommen werden, indem sie jede 1) S. dessen vermischte Schriften anatomischen und physiologischen Inhalts. Band IV. 1821. pag. 106. 2) Vgl. dessen Handbuch a. a. O. pag. 337. 3) 8. dessen Introduction a. a. O. pag. 393. 36 Beleuchtung der bisher für nähere Beschreibung der etwa angewendeten Vorsichtsmass- regeln, welche bei diesen Beobachtungen nothwendig sind, vermissen lassen. Einen anderen Fall von Parthenogenesis behauptet Plie- ninger beobachtet zu haben'!. Derselbe hatte nämlich einige Weibchen von Gastropacha Quercus aus Raupen gezogen und gleich nach dem Auskriechen aufgespiesst. Dieselben legten, während sıe auf der Nadel steckten, ihre Eier ab, von denen ein grosser Theil fruchtbar war, obschon hier sicher, wie Plieninger behauptete, keine Befruchtung stattgefunden hatte. Die fruchtbaren Eier unterschieden sich, fügte derselbe hinzu, dadurch von den unfruchtbaren, dass sie nicht, wie letztere zusammenfielen, sondern ihre Rundung bis zum Aus- kriechen der jungen Raupen behielten. Ob Plieninger das Auskriechen der Raupen aus jenen Eiern auch wirklich abgewartet und gesehen hat, ist nicht erwähnt worden. Neh- men wir nun auch an, dass das Ausschlüpfen der Räupchen in vorliegendem Falle auch wirklich erfolgt ist, so wird diese Erscheinung Herrn Plieninger jedenfalls unerwartet ge- kommen sein und derselbe unterlassen haben, die aufgespiess- ten Weibchen bis zu dem Akte des Eierlegens mit der nöthigen Sorgfalt vor dem Herbeikommen lüsterner Männchen zu be- wachen. Noch muss ich zweier Fälle gedenken, welche gewöhnlich als Beweis für dieLucina sine concubitu herbeigezogen worden sind, aber beı näherer Betrachtung gar nichts mit unserer Frage zu thun haben. Der eine dieser Fälle betrifft den Spinner Orgyia gonostig- 1) Vgl. Würtembergische naturwissenschaftliche Jahreshefte, Heft I. 1848. oder Schleiden und Froriep’s Notizen aus dem Gebiete der Natur- und Heilkunde. Bd. VII. 1848. pag. 232. Parthenogenesis ausgegebenen Fälle. 97 ma, dessen flügelloses Weibchen Goedart'! aus der Raupe zog und ohne Begattung fruchtbare Eier legen sah, welche Mittheilung nicht bloss Goedart, sondern auch Lister? und Goeze° in Erstaunen gesetzt hatte, allein schon Swammer- damm* und Reaumur’ haben von dieser Erzählung alles Wunderbare abgestreift, indem von ihnen nachgewiesen worden ist, dass Goedart die geflügelten Individuen dieser Spinner- Art gar nicht als die zu diesem Schmetterlinge gehörigen Männchen erkannt hatte, so dass er also, ohne es zu ahnen, die Männchen dieses Schmetterlings zugleich mit erzog, was höchst wahrscheinlich zu einer von ihm unbemerkt gebliebenen Paarung jenes Weibchens Gelegenheit gegeben haben konnte. Der andere Fall, welcher gewöhnlich noch als Beweis einer Parthenogenesis aufgezählt wird, bezieht sich auf die von Pallas® an Psyche graminella und Fumea nitidella gemachten Beobachtungen, welchen ich weiter unten (pag. 31) eine nähere 1) Vgl. dessen Metamorphoseos et historiae naturalis pars secunda, de Insectis. 1662. pag. 106. Experim. XXX. 2) Vgl. Joh. Goedartius de Insectis cum notularum additione. Opera Lister. 1685. Nr. 78. b. pag. 190. 3) 8. dessen entomologische Beiträge, dritten Theiles dritter Band. 1781. pag. 9. Ich muss hier übrigens bemerken, dass Goeze mit Unrecht aus Lister (Goedart) Nr. 7S a. und b. zu Bombyx antiqua eitirt hat, statt Nr. 79 zu citiren. In einem Exemplare der Goedart’schen Meta- morphosis mit kolorirten Abbildungen, das ich hier vor mir habe, ersieht man deutlich, dass die daraus in der Lister’schen Ausgabe kopirten Schmetterlinge und Raupen von Nr. 78 a. und b. zu Orgyia gonostigma und Nr. 79 zu Orgyia antiqua gehören. 4) Vgl. dessen Bibel der Natur. 1752. pag. 15 und 227. .5) 8. dessen M&moires pour servir A l’histoire des Insectes. Tom. I. Part. 1. 1737. 12°. pag. 409, 6) Vgl. Nov. Acta physico-medica academiae naturae curiosorum. Tom. III. 1767. pag. 430: Phalaenarum Biga, quarum alterius Femina artubus prorsus destituta, nuda atque vermiformis, alterius glabra quidem et impennis, attamen pedata est, utriusque vero, sine habito cum masculis commercio, foecunda ova parit. 38 Beleuchtung der bisher für Betrachtung widmen werde. Auch diejenigen Fälle von Lucina sine concubitu, welche man bei Bienen und Gallwespen beo- bachtet haben will, übergehe ich hier, da ich dieselben eben- falls später einer besondern Kritik unterwerfen muss. Uebersehen wir noch einmal alle bisher aufgeführten Fälle, welche eine Parthenogenesis nachweisen sollten, so stimmen dieselben insgesammt darin überein, dass die angeblich spon- tane Entwicklung der Brut von den Beobachtern zufällig und unvorhergesehen bemerkt wurde, wobei also alle diejenigen Vorsichtsmassregeln, welche zur Erlangung einer sicheren allen wissenschaftlichen Forderungen entsprechenden Beobachtung erforderlich sind, versäumt waren. Aus diesem Grunde müssen wir daher die Richtigkeit der Folgerungen, welche die oben genannten Naturforscher aus ihren Beobachtungen gezogen haben, um so mehr bezweifeln, dagerade diesen Beobachtungen andere entgegengestellt werden können, welche von Anfang an in der Absicht angestellt worden sind, um über die Möglichkeit einer spontanen Entwicklung unbefruchteter Insekten - Eier Gewissheit zu erhalten, und bei Anwendung aller nöthigen Vorsichtsmassregeln nur negative Resultate geliefert haben. Als Gewährsmänner hierfür kann ich mich auf die vielfachen Erfahrungen des Reaumur, Rösel und der Theresianer berufen, welche aus den von ungepaarten Schmetterlingsweib- chen abgelegten Eiern niemals Räupchen erhalten haben. Von Keferstein sind nach seiner Aussage direkte Versuche angestellt worden, aus unbefruchteten Schmetterlings-Eiern Räupchen zu ziehen, wobei derselbe aber immer zu einem ne- gativen Resultate gekommen ist!. Aber auch den oben mitge- theilten von Blancard undAudebert an Spinnen gemachten unzuverlässigen Erfahrungen über Parthenogenesis lässt sich 1) S. entomologische Zeitung. 1842. pag. 90. Parthenogenesis ausgegebenen Fälle. 39 eine Beobachtung entgegensetzen, welche beweist, dass auch die Spinnen bei ihrer Fortpflanzung den allgemeinen physio- logischen Gesetzen unterworfen sind. Blackwall' erzog nämlich mehrere junge Weibchen von Agelena labyrinthica, Tegenaria domestica und Tegenaria eivilis ganz isolirt und abgeschlossen in durchsichtigen Gläsern; nachdem dieselben durch jahrelange Pflege und Fütterung erwachsen waren, leg- ten dieselben in ihrem jungfräulichen Zustande Eier, aus wel- chen sich keine Brut entwickelte. Die durch diese direkt angestellten Beobachtungen erhal- tenen negativen Resultate waren an und für sich schon Grund genug, die Richtigkeit der oben angeführten Fälle von angeb- licher Parthenogenesis zu bezweifeln ; dass man aber überhaupt dergleichen Beobachtungen, welche nur zufällig gemacht, und nicht mit Vorbedacht angestellt werden, mit dem grössten Misstrauen aufnehmen darf, weil bei solcher Gelegenheit so leicht Täuschungen mit unterlaufen, darüber geben folgende briefliche Mittheilungen die gründlichsten Belege. Herın W. v. Langsdorff in Lahr verdanke ich nachstehende Notiz: „Es entwickelte sich ein Weibchen von Gastropacha Quereus, das ich aus dem Raupenkasten, der in meinem Garten stand, in mein Cabinet, welches hinter zwei Zimmern liegt, trug und in eine unbedeckte Schachtel setzte; die Thüren standen, weil es hoher Sommer und sehr heiss war, halb offen; als ich nach einiger Zeit wieder kam, fand ich dieses Spinnerweibchen in Begattung mit einem Männchen, das aber bei meiner Ankunft schnell davonflog; dieses Weibchen legte mir natürlich be- fruchtete Eier, andere Weibchen von G. Quercus, die bald nachher ausschlüpften,, legten, da ich sie sorgfältig verschlos- sen hatte, zwar auch Eier, welche nachher aber einschrumpf- i) 5. dessen Versuche an Spinnen in den Annals of natural history. 1845. Tom. XV. pag. 227. 30 Beleuchtung der bisher für ten, da sie unbefruchtet waren. Wäre ich nun etwas später gekommen, wo das Männchen schon entflohen war, so würde auch ich vielleicht getäuscht worden sein, da das Spinnerweib- chen sich ganz an derselben Stelle befand, wo ich es hingesetzt und ich nicht hätte vermuthen können, dass ein Eichenspin- ner- Männchen so unbemerkt durch zwei Zimmer, in welchen sich zudem mehrere Personen befanden, bıs in ein drittes durch- schlüpfen konnte.‘“ Herr v. Heyden schrieb mir vor einiger Zeit: ‚„Merkwürdig ist es übrigens, mit welcher Schärfe ge- wisse Schmetterlings-Männchen ihre Weibchen auswittern. ‘ Ich sah vor mehreren Jahren eine Anzahl Männchen der Psyche pulla ein verschlossenes Fenster meiner Stube von aus- sen umschwärmen und mehrere sich an die Scheiben setzen ;' hierdurch aufmerksam gemacht, bemerkte ich, dass sich Weib- chen dieser Art in einer innerhalb der Stube stehenden Schachtel in der Nähe des Fensters entwickelt hatten. In der Nachbar- schaft meiner Wohnung war mir kein Fundort dieser Art be- kannt.‘“ Wie leicht wäre auch hier bei unvollständig verschlos- senen Fenstern eine Begattung der Psyche-Weibchen möglich gewesen und unbeobachtet geblieben! Welchen unerwarteten Täuschungen man bei solchen Beobachtungen ausgesetzt sein kann, lehrt noch eine von Lucas gemachte Mittheilung', nach welcher aus den beiden in einem gemeinschaftlichen Seidenwurm -Gespinnste eingeschlossenen Puppen sich ein männlicher und ein weiblicher Schmetterling entwickelten. Es wäre möglich, dass, wenn zufällig beide Schmetterlinge in einem solchen gemeinsamen Cocon zugleich die Puppenhülle abstreiften, sie sich innerhalb des Cocons trotz des engen Rau- mes hätten begatten können; hätte alsdann das Weibchen 1) Vgl. Annales de la societe entomologique de France. Tom. Ill. 1845. pag. LXXXII. Be Parthenogenesis ausgegebenen Fälle. 31 allein den Cocon verlassen und entwicklungsfähige Eier gelegt, wie leicht könnte nicht das zurückgebliebene Männchen über- sehen und der Fall für eine Fortpflanzung sine concubitu ge- halten worden sein’? Wahre Parthenogenesis bei einigen Sackträger- Schmetterlingen. Aus dem bisher Mitgetheilten konnteich mich nichtüberzeu- gen, dass die Möglichkeit einer wahren Parthenogenesis in der Insektenweltohne allen Zweifel festgestellt sei. In welcher Weise die von den Psychiden immer wieder erzählten Beobachtungen einer Parthenogenesis aufzunehmen und zu deuten seien, habe ich in einemfrüheren Aufsatze derZeitschrift für wissenschaftliche Zoologie nachgewiesen'! Eine Täuschung ist hier um so leichter möglich, da die ausgeschlüpften fusslosen Weibchen der Gat- tung Psyche sich innerhalb des ehemaligen Raupensackes be- gatten und nach der vollzogenen Begattung wieder in die Pup- penhülse zurückkriechen, um. sie mit befruchteten Eiern zu belegen. Ein solches befruchtetes in ihre Puppenhülse voll- ständig zurückgezogenes Psyche-Weibchen ist schon oft für einnoch unausgeschlüpftes jungfräuliches Individuum gehalten worden, dessen Fähigkeit entwicklungsfähige Eier zu legen denjenigen, der die Lebensweise der echten Psychen nicht kannte, in Erstaunen setzen musste, denjenigen aber, der mit diesen Geheimnissen vertraut war, nicht im geringsten über- raschen konnte. Auch die nach der neueren Systematik von den echten Psychiden getrennten und der Gattung Fumea beigezählten Sackträger können zu ähnlichen Täuschungen Veranlassung geben, indem ihre mit sechs entwickelten Füssen 1) Vgl. diese Zeitschrift. Bd. I. 1849. Ueber die Fortpflanzung von Psyche. pag. 9. u 32 Wahre Parthenogenesis versehenen Weibchen zwar nach dem Ausschlüpfen den ehe- maligen Raupensack verlassen und sich ausserhalb am Sacke festklammernd die Männchen erwarten, aber nach erfolgter Begattung die im Sacke zurückgebliebene Puppenhülse ver- mittelst ihrer Legeröhre vollständig mit befruchteten Eiern nebst Afterwolle von unten bis oben so vollstopfen, dass die pralle Puppenhülse, deren dehiscirter Vorderrücken dabei ganz zugedrückt ist und deshalb geschlossen zu sein scheint, sehr leicht mit einer noch nicht ausgeschlüpften Puppe verwechselt werden kann. | Nachdem ich auf diese wichtigen Momente aus der Lebens- geschichte der Psychiden aufmerksam gemacht hatte, erhielt ich nichts destoweniger von verschiedenen Lepidopterologen die Zusicherung, dass sie an Psychiden dennoch eine Parthe- nogenesis beobachtet hätten und sicher seien, sich darüber keiner Täuschung ausgesetzt zu haben. Alle näheren Angaben | bezogen sich auf solche Species von Sackträgern, welche gegen- wärtig nicht mehr als echte Psychiden betrachtet, sondern als Gattung Talaeporia oder richtiger Solenobia den Tineiden bei- gezählt werden. Ich fühlte mich durch solche Mittheilungen angeregt, die- sen kleinen Sackträgern, welche ich bisher ziemlich ausser Acht gelassen hatte, eine ganz besondere Aufmerksamkeit zuzu- wenden, wobei ich, damals in Freiburg, mich der Unterstützung des Herın Reutti, eines sehr tüchtigen und zuverlässigen Lepidopterologen, zu erfreuen hatte. Es boten sich zu unseren Beobachtungen die beiden in der nächsten Umgebung von Freiburg sehr häufigen Arten Solenobia lichenella Linn. und Solenobia triquetrellaF.v.R.dar', vonwelchen ich nach meiner 1) In Hinsicht der Bestimmung dieser beiden Sackträger-Arten ver- weise ich auf Zeller’s klassische Beschreibung der Tineaceen-Gattungen in der Linnaea entomologica. Bd. 7. 1552. pag. 343, A bei einigen Sackträger-Schmetterlingen. 33 Uebersiedelung von Freiburg nach Breslau ‘an letzterem Orte viele Exemplare auffand und benutzen konnte, auch in Berlin sammelte ich zu zwei verschiedenen Malen eine grosse Menge Säcke dieser beiden Solenobien ein, so dass ich während der Jahre 1850, 1851 und 1852 viele hunderte dieser Säcke bei- sammen hatte, aber zu meinem grössten Erstaunen schlüpften aus allen diesen Säcken nur weibliche Individuen hervor', nur ein einziger Fundort hatte mir auch ein paar Männchen von Solenobia triquetrella geliefert. Ich konnte beobachten, dass diese jungfräulichen Sack- träger-Weibchen, welche ich stets in kleinen mit Glasdeckeln verschlossenen Behältern überwachte, sich ähnlich wie die Weibchen von Fumea nitidella äusserlich an ihrem Sacke mit ihren Füssen festklammerten und durch Hineinschieben der Legeröhre den Sack mit Eiern anfüllten ; übrigens wichen diese weiblichen Solenobien von den Fumea-Weibchen dadurch ab, dass erstere beim Ausschlüpfen und Hervorkriechen die Pup- penhülse ganz aus dem Sacke mit hervorzogen. Derselbe blieb dann anfangs mit seiner Endspitze noch einige Zeit in der hin- teren freren Mündung des festgesponnenen Sackes lose stecken, fiel aber auch oft ab, so dass also dıe Solenobien-Weibchen ihre Eier immer unmittelbar in den Sack legen. Ganz ähnlich ver- fahren auch die Weibchen der den Solenobien zunächst stehen- den Sackträger-Gattung Talaeporia bei dem Ausschlüpfen und Eierlegen. Was mir .bei dem Benehmen der Solenobien-Weibchen noch besonders aufliel, war der Umstand, dass dieselben sehr bald nach dem Ausschlüpfen ihr Legegeschäft beginnen , wäh- 1) Auch Wocke sammelte in der Umgegend von Breslau gegen 600 Säcke der Solenobia lichenella, aus denen er nicht ein einziges Männchen erhielt. Vgl. den ein und dreissigsten Jahresbericht der schlesischen Ge- sellschaft für vaterländische Cultur über das Jahr 1853. pag. 182. v. Siebold, Nachweis u. s. w. 3 u 34 | Wahre Parthenogenesis rend die Weibchen von Fumea mit dem Eierlegen so lange warten, bis sie sich begattet haben, wobei viele der letzteren in meinen Zwingern, in denen es zuweilen an Männchen fehlte, über das vergebliche Warten in ihrem jungfräulichen Zustande hinstarben, ohne vorher sich der Eier entledigt zu haben. Die Solenobien- Weibchen besassen dagegen einen so heftigen Drang zum Eierlegen, dass sie, wenn ich sie von ihrem Sacke ent- fernte, ihre Legeröhre tastend nach der Mündung des Sackes umherschoben und zuletzt ihre Eier frei fallen liessen. Hatte ich mich nun schon an diesen männerlosen Solenobien über den Eifer des Eierlegens verwundert, wie erstaunte ich erst, als aus allen Eiern dieser Weibchen, von deren jungfräulichem Zustande ich auf das Bestimmteste überzeugt war, Räupchen hervorschlüpften ', welche mit grösster Emsigkeit nach Material zum Anfertigen kleiner Säckchen umhersuchten.. Nachdem ich im Frühjahre 1850 zuerst durch diese Er- scheinung überrascht worden war, musste ich überzeugt sein, dass sich De Geer, Scriba und Speyer, welchevon diesen Thieren fruchtbare Eierlegung ohne vorhergegangene Begat- tung berichteten, nicht getäuscht hatten, wie ich dies früher vermuthete?, dennoch konnte ich mich noch nicht überreden, dass dieses Phänomen als Parthenogenesis zu deuten sei, son- dern ich glaubte in der ganzen Erscheinung vielmehr eine der Fortpflanzung der Aphiden analoge geschlechtslose Vermehrung zu erkennen, indem ich die Solenobien-Weibchen, welche ohne Begattung entwicklungsfähige Eier gelegt hatten, für ge- 1) Dieses fruchtbare Eierlegen ohne vorausgegangene Begattung wurde bei Solenobia lichenella auch von Wocke (a. a. O. pag. 182) und Reutti (s. die Beiträge zur rheinischen Naturgeschichte. Heft 3. 1853. pag. 176) beobachtet. ’ 2) S. meine Abhandlung über die Fortpflanzung von Psyche. a. a. O. gc pag. 99. | bei einigen Sackträger-Schmetterlingen. 35 schlechtslose Ammen hielt, wobei ich mich damit beruhigte, dass ein Generationswechsel ın der Insektenwelt nicht bloss bei den Blattläusen, sondern auch bei einigen Schmetterlingen vorkomme!. Später stieg jedoch in mir der Gedanke auf, dass sich durch eine genaue Zergliederung dieser fraglichen Soleno- bien-Ammen zwischen diesen und den Solenobien-Weibchen ein noch viel grösserer anatomischer Unterschied herausstellen müsste als zwischen den lebendige Junge gebärenden Blattlaus- Ammen und den eierlegenden weiblichen Blattläusen®, denn bekanntlich besitzen alle Schmetterlingsweibchen zwei Ge- schlechtsöffnungen hintereinander, von denen die äusserste oder hinterste zum Absetzen der Eier dıent, während die vor dieser (nach vorne) gelegene zweite Oeffnung bei dem Begat- tungsakte das männliche Zeugungsglied aufzunehmen hat. Waren jene, entwicklungsfähige Eier legenden Schmetterlinge Ammen, so erwartete ich bei ihrer genaueren Untersuchung weder äusserlich die zweite Geschlechtsöffnung noch innerlich die Begattungstasche (bursa copulatrix) und den Samenbehäl- ter (receptaculum seminis) anzutreffen, welche Theile ich bei allen weiblichen Schmetterlingen bisher vorgefunden hatte®. Ich wurde aber in meinen Erwartungen gänzlich getäuscht, denn alle jene von mir anfangs für Ammen gehaltenen Talaepo- rien gaben sich ohne Ausnahme als vollständig entwickelte Schmetterlings-Weibchen zu erkennen, alle besassen die doppelte Geschlechtsöffnung, die bursa copulatrix und das receptaculum seminis in derselben Weise angeordnet und ausgebildet, wie sie 1) S. meine Bemerkungen über Psychiden, in dem Jahresbericht der schlesischenGesellschaft für vaterländischeCultur über dasJahr!850.pag.S4, auch abgedruckt in der entomolog. Zeitung. 1551. pag. 341. oder in the transactions of the entomological society of London. Vol. 1. 1551. pag. 234. 2) Vgl. Froriep’s neue Notizen, Bd. XI. a. a. O. 3) 8. Müller’s Archiv. 1837. pag. 417. Ye 36 Wahre Parthenogenesis sich bei den übrigen Schmetterlingsweibchen vorfinden. Immer waren Begattungstasche und Samenbehälter vollständig leer und unausgedehnt. Auch war kein Unterschied zwischen den Eierstöcken (nach Zahl, Form und Inhalt) dieser vermeintlichen Ammen und zwischen denselben Organen der weiblichen Schmetterlinge herauszufinden, kurz ich überzeugte mich auf das Bestimmteste, dass ıch es hier nicht mit Ammen, sondern mit jungfräulichen Weibchen zu thnn hatte!. Nach dieser Entdeckung dürfte der Name Partheno- genesis, welche der englische Naturforscher Owen auf den Generationswechsel bezieht, recht eigentlich für den eben von mir beschriebenen Fortpflanzungs-Hergang der Solenobia tri- quetrella und lichenella die passendste Bezeichnung sein. Die beiden eben genannten Sackträger-Arten sind übrigens nicht die einzigen Repräsentanten der wahren Parthenogenesis, ein noch ebenso auffallendes Beispiel von jungfräulicher Fort- pflanzuug eines weiblichen Insektes bietet die Psyche Helix dar. Von diesem höchst merkwürdigen Schmetterling kennt man bis jetzt mit Sicherheit nur das Weibchen. Dasselbe lebt als Raupe in einem Sacke, der in seiner Gestalt einem links gewundenen Schnecken -Gehäuse ähnlich sieht, auf welche Aehnlichkeit sich auch der von mir gegebene Artname dieser Psyche bezieht. Der Sack der Psyche Helix besitzt fast die Grösse einer kleinen Erbse (meistens 2 Lin. rhnl. hoch und ebenso breit) zeigt dritthalb Schneckenwindungen (Fig. 1—3) und besteht aus einem weisslichen festen Gewebe, dasäusserlich mit kleinen Erdtheilen dicht und fest bedeckt ist. Die Farbe des Sackes ist 1) Ich habe auf diese Thatsache schon bei der Versammlung der deut- schen Naturforscher zu Gotha aufmerksam gemacht, wie aus der kurzen Anzeige im Tagblatt der 2Sten Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte, Nr. 3. pag. 28 erhellt. ai bei einigen Sackträger-Schmetterlingen. 37 meistens erdgrau, doch kommen in gewissen Gegenden auch schwärzlich oder rothbraun gefärbte Säcke vor, was wohl mit der Farbe des Erdbodens zusammenhängt, von welchem diese Sackträger zum Theil das Material zu ihren Säcken hernehmen. Hier und da kommen auch einzelne Gehäuse vor mit aufge- wundenen Windungen (anfractibus devolutis). Die oberste engste halbe Windung ist immer sehr undeutlich vorhanden und erscheint meistens zusammengefallen. Da wo die zweite Windung beginnt, befindet sich immer eine seitliche Oeffnung (Fig.2,3,und6 a), deren Ränder gewöhnlich niederliegen und den Eingang in die Höhle der Windung verdecken'). Wenn die 1) Ausser Psyche Helix giebt es noch andere Insekten, deren Larven als Sackträger einen schneckenhausförmigen Sack anfertigen. Unter der Gattung Psyche selbst kömmt noch eine Species vor, deren Raupen wie Psyche Helix einen spiralig. gewundenen Sack mit sich herumtragen. Ich besitze durch die Güte des Herrn Zeller in Glogau und des Herrn Dr. Rosenhauer in Erlangen zwei in Sicilien und Spanien aufgefundene erdfarbene schneckenhausförmige Säcke mit ganz flachen Windungen (Fig. 15—17). Sie sind fast dreimal so gross wie die Säcke von Psyche Helix, und gehören ihrer abweichenden Gestalt und ihrer Grösse nach einer anderen Art an, die ich vorläufig Psyche Planorbis nennen will. Beide Säcke sind wie die der Psyche Helix mit feinen aufgekitteten Erd- und Sandkörnchen bedeckt. Hinter der obersten engsten halben Windung befindet sich ebenfalls ein seitliches Loch, welches von einer hier stattfin- denden Unterbrechung in den Wandungen des Sackes herrührt (Fig. 15a). Auch in der Familie der Phryganiden kommen Larven vor, welche ein spiralig gewundenes Gehäuse bauen. Die erste Notiz darüber lieferte Schuttleworth (in den Mittheilungen der naturforschenden Gesellschaft in Bern, Bd.I. Nr. 3. Juni. 1843. pag. 20), welche ich, da sie wenig bekannt geworden ist, hier wörtlich wiedergeben will. Die betreffenden Worte lauten: ‚‚Unter den von Blauner in Corsica gesammelten Molluscen befand sich noch eine ziemlich bedeutende Anzahl eines, zuerst für eine unbeschriebene Valvata gehaltenen Gehäuses, welches mit der Valvata arenifera Lea aus Nordamerika.(s. Lea: Observ. pag. 114. Tab. XV. fig. 36a und b) nahe verwandt, wo nicht identisch zu sein schien. Das vollkommen regelmässige, spiralig gewundene Gehäuse besteht aus einer sehr feinen durchsichtigen Membran, auf welcher sehr kleine Sandkörnchen und Steinchen mit allergrösster Regelmässigkeit befestigt sind. Die zirkel- runde Mündung wird durch einen sehr zarten, scheinbar spiralig gewun- Be : Wahre Parthenogenesis Raupe ihre Fäces entleert hat, schiebt sie dieselben aus dieser Oeffuung heraus, wobei sich die Ränder der letzteren etwas denen, membranösen Deckel geschlossen. Die allgemeine Form, wie auch die Dimensionen, erinnern auffallend an die Valvata depressa Pf. In allen noch mit Deckeln versehenen Individuen fand sich entweder die Larve oder die Nymphe eines, wahrscheinlich zur Gattung Phryganea gehören- den Insektes, das, halbspiralig gebogen, einzeln in jedem Gehäuse lag, vor. Unter dem Mikroskope zeigten die Deckel. ausser der oben berührten spi- raligen oder regelmässig concentrischen Struktur, eine dem Innenrande parallel laufende excentrische Längsöffnung. Exemplare der Valv. areni- fera Lea, die ich kürzlich aus Wien erhielt, zeigen genau die gleiche Bil- dung sowohl des Gehäuses als des Deckels. In Reaumur: Mem. pour serv. Y’'hist. des Insect. Tom. III. pag. 193. Tab. 15. Fig. 22—24 findet sich eine kurze Beschreibung und Abbildung eines (auch in der Schweiz vor- kommenden spiralig gewundenen) Phryganea-Gehäuses. Diese Reaum.Art aber weicht in jeder anderen Beziehung von der oben beschriebenen Art ab, und scheint auch keinen Deckel zu besitzen.‘‘ Das von Schuttleworth zuletzt erwähnte Gehäuse gehört zu Psyche Helix, das andere einer Val- vata ähnliche Gehäuse dagegen ist davon sehr verschieden (s. meine Abbild. Fig. 18—22) und rührt gewiss von einer Phryganide her. In Bremi’s Sammlung zu Zürich sah ich verschiedene Gehäuse dieser Phryganide, welche theils auf Corsica theils am Comer See gesammelt waren. Bremi hat die fragliche Phryganide, von der diese spiraligen Gehäuseabstammen, Helicopsyche Shuttleworthi genannt; später wurden ihm mehrere Exem- plare eines kleineren ähnlichen Gehäuses aus einem Bache von Portorico zugeschickt, deren Bewohner Bremi mit dem Namen Helicopsyche mini- ma bezeichnete. Ich erhielt durch die Güte desHerrn Bremi von beiden Arten einige Exemplare, welche in ihrer Struktur von den Säcken der Psyche Helix wesentlich verschieden sind. Was ihre Grösse anlangt, so haben die grössten Säcke der Helicopsyche Shuttleworthi einen Querdurch- messer von 2 Lin. rhl. und die von Helicopsyche minima einen Querdurch- messer von I! Lin. rhl. Ein Hauptunterschied zwischen diesen Phryganiden- Gehäusen und den spiraligen Psychiden-Säcken besteht darin, dass, wäh- rend bei Psyche Helix äusserst feine Sandkörnchen äusserlich dem weissen Gewebe der Sackwandungen als Beleg aufkleben,, bei Helicopsyche grös- sere vieleckige Sandpartikelchen dicht aneinander gekittet von innen und aussen die Wände des Gehäuses unmittelbar und allein bilden. Ferner verschliessen die Psyche-Raupen ihre Säcke niemals mit einem Deckel. Dass aber in der That die Helicopsyche-Säcke von einer Phryganide her- rühren, erkannte ich aus dem Inhalte, den ich aus zweien noch bedeckel- ten Gehäusen der Helicopsyche minima hervorzog. Derselbe bestand aus einer vertrockneten Puppe, welche in ihrer Form der Beine, der langen ai bei einigen Sackträger-Schmetterlingen. 39 heben. Diese seitliche Oeffnung des Sackes rührt eigentlich von einer Unterbrechung her, welche an dieser Stelle die Wan- dung des Sackes fast an ihrem ganzen Querdurchmesser er- kennen lässt. Der Leib der Raupe ist zwar auch spiralig ge- krümmt (Fig. und 7), derselbe entspricht jedoch in Form und Fühler, der behaarten vier Flügelstummel und der beiden Beiss-Kiefer ganz an eine Phryganide erinnerte. Die von Lea (in seinen Observations on Najades and descriptions of new species. vid. Transactions of the ame- riean philosophical society Vol. IV. Philadelphia. 1534. pag. 104. Pl XV. Fig. 36 a, b. Vergl. die von mir gelieferte Copie Fig. 23, 24) gegebene Be- schreibung seiner Valvata arenifera lautet wie folgt: Testa orbiculata, con- vexa; anfractibus tribus, qui arenis agglutinatis operiuntur; umbilico la- to; spira obtusa. Hab. Cumberland river near Nashville. Length four- twentieths of an inch. Ztemarks. This very curious and interesting species was among thefresh water shells so disinterestedly senttome bytheLyceum of Natural History of NewYork to be examined and inserted in this paper. It has the singular property of strengthening its whirls by the agglutina- tion of particles of sand etc. by which it is entirely covered, and in this character it resembles the Trochus agglutinans Lam. (Trochus conchylio- phorus Authors). 'The apex in all the specimens which J have had an opportunity of examing is broken. The operculum was observed in two specimens sufficiently perfect to exhibit a striated horny structure. Die mir von Bremi mitgetheilten Säcke der Helicopsyche minima stimmen fast vollständig mit diesem von Lea beschriebenen und kolorirt abgebildeten Gehäuse der Valvata arenifera überein. Sogar die bronze- grüne Farbe haben sie miteinander gemein. Die Anwesenheit eines Deckels spricht übrigens auch für die Abstammung dieser Gehäuse von einer Phryganide, da die Sackträger der Schmetterlinge keine Deckel an- fertigen, sondern ihrenSack mit seiner unteren Mündung immer an fremde Gegenstände festspinnen. Auch die Deckel, deren ich einige an meinen Exemplaren des Sackesvon Helicopsyche minima vorfand, hatten übrigens wie die bei Valvata arenifera ein gestreiftes Ansehen. Sie waren kleiner wie die Mündung der Säcke, und verschlossen dieselbe daher nur unvollständig. Mit dem Mikroskope betrachtet erkannte ich an diesen Deckeln eine fase- rige Struktur, welche von dicht aneinander klebenden verhältnissmässig groben Spinnfäden herrührten; am Rande dieser Deckel standen einzelne Spinnfäden hervor, durch welche derselbe mit der Mündung des Sackes verbunden war. An meinen Exemplaren der Säcke von Helicopsyche Shuttleworthi bemerkte ich keine Deckel, wahrscheinlich waren sie abge- fallen oder noch nicht angefertigt, als diese Säcke eingesammelt wurden. 40 Wahre Parthenogenesis Länge nur der untersten Windung des Sackes. Auf diese Weise würde.es der Raupe nicht möglich sein, ihren Leib zur Entlee- rung der Fäces bis in die oberste engste Windung hinaufzu- schieben. Es. verlässt das Weibchen von Psyche Helix, wie alle Psyche-Weibchen, nach vollendetem Legegeschäft den mit seiner vorderen Mündung festgesponnenen Sack und benutzt dazu die seitliche Oeffnung in den hinteren Windungen des- selben, obwohl sich das Thier mit seinem eierleeren und ver- schrumpften Leib auch durch die hinterste Windung und durch die enge Oeffnung an der Spitze des Sackes herauszwängen könnte. Wahrscheinlich ist es aber noch ein anderer Umstand, der die Raupe instinktmässig antreibt, bei dem Ausbau und der Vergrösserung des Sackes unterhalb der obersten engsten Windung eine Seitenöffnung anzubringen, ich meine nämlich die etwaige Zulassung des Begattungsaktes, welcher hier beı der eigenthümlichen schneckenhausähnlichen Form des Sackes nur durch eine solche tiefer gelegene Seitenöffnung desselben ausgeführt werden könnte. Es ist dieser Sackträger zuerst von Reaumür erwähnt worden !), seitdem aber von den Entomologen gänzlich unbeach- tet geblieben. Erst in neuster Zeit wurde diesen schnecken- hausförmigen Raupensäcken eine grössere Aufmerksamkeit ge- schenkt. Ich wurde zuerst in Freiburg im Spätsommer 1849 durch Herrn v. Heyden, dem die entomologische Wissen- schaft so viele interessante Entdeckungen verdankt, auf diesen Sackträger aufmerksam gemacht. Derselbe wurde auf dem Schlossberge bei Freiburg an Felsen festgesponnen von Hey- den entdeckt, später wurde dasselbe Thier auch an dem zwi- 1) Vergl. dessen M&moires pour servir a P’histoire naturelle des insec- tes. Tom. III. Part. 1. edit. 12°. pag. 249. Pl. 15. Fig. 20—22, Abbildun- gen des Sackes von Psyche Helix (s. die Copie davon auf meiner Tafel Fig. 10—12). ai bei einigen Sackträger-Schmetterlingen. 41 schen Freiburg und Basel gelegenen Isteiner Klotze aufgefun- den!. Von Zeller wurde mir dieser Sackträger aus der Um- gegend von Glogau mitgetheilt, ausserdem empfing ich mehrere ein paar Stunden von Wien bei Mödling eingesammelte lebende Exemplare durch die Güte Kollar’s, in dessen Gesellschaft ich selbst nachher (im Jahre 1850) an demselben Fundorte viele Exemplare einsammelte. Auch Dr. v. Frantzius über- brachte mir einige Exemplare dieser Sackträger aus Meran. Durch Herrich-Schäffer’s Vermittlung erhielt ich viele dergleichen Säcke aus derGegend von Teegernheim bei Regens- burg. Von Mann und Zeller ward dieser Sackträger auch in Sicilien beobachtet?. Ausser demvon Röaumur angegebe- nen Fundorte wurden kürzlich von Bruand noch Besancon und Dijon in Frankreich als Fundorte dieses Sackträgers be- zeichnet®. In Bremi’s Sammlung zu Zürich sah ich Exem- plare dieses Sackes, welche aus Tessin und Wallis eingesendet waren. Durch die Güte des Dr. Rosenhauer in Erlangen erhielt ich einen spiraligen Sack, der bei Malaga in Spanien aufgefunden ward, und seiner Grösse wegen vielleicht einer besonderen von Psyche Helix verschiedenen Art angehört. Die Form des Sackes ist ganz dieselbe, seine Breite beträgt aber 3 Lin. und seine Höhe 2°, Lin. Als Futterpflanze wählt sich die Raupe der Psyche Helix ‚verschiedene Pflanzen aus. Auf dem Schlossberge bei Freiburg 1) Vgl. Reutti’s Uebersicht der Lepidopteren-Fauna des Grossher- zogthums Baden, in den Beiträgen zur rheinischen Naturgeschichte. Heft 3. 1953. pag. 49. „ 2) Vgl. hierüber meine Bemerkungen über Psychiden in dem Jahres- bericht der schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur über 1850. pag. 87. 3) S. dessen Essai monographique sur la tribu des Psychides, in den Memoires de la societe d’Emulation du Doubs. Ann£e 1852. pag. 74. PI.II. Fig. 48b. (Sack von Psyche Helix). 49 Wahre Parthenogenesis nährt sich diese Raupe von Artemisia vulgaris. Nach Zeller’s Zeugniss lebt dieselbe auch auf Anthyllis vulneraria, Lotus corniculatus und Gnaphalium arenarıium. Kollar fand die seinigen auf Atriplex laciniata. Von mir wurden diese Sack- trägerraupen bei Regensburg auf Alyssum montanum und Teu- crium Chamaedrys fressend beobachtet. Auch von Bruand wird angegeben, dass dieser Sackträger ausser auf Cheiranthus odoratus und Scabiosa arvensis am häufigsten auf Teucrium Chamaedrys angetroffen werde. Reutti fütterte diese Raupen mit Lamium purpureum, ich selbst ernährte sie mit Lotus cor- niculatus und Hippocrepis comosa. Es sind diese Sackträger nach Art derColeophoren-Raupen Blattminirer, indem sie sich mit ihrem Leib durch ein rundausgefressenes Loch tief zwischen die Epidermis-Platten der Blätter hineinschieben und das Chlo- rophyll rund um sich her verzehren, wobei der Sack aussen an der Oeffnung der Epidermisplatte mit seiner Mündung kleben bleibt. Die Blätter, auch sogar die bunten Blüthen der Futter- pflanzen werden auf diese Weise von den Sackträgern oft voll- ständig entfärbt. Die Raupen der Psyche Helix haben eine schmutzig weisse Farbe, der Kopf, die Beine, die drei Thorax- segmente und das Hinterleibsende besitzen eine derbe schwarz- braune Hautbedeckung. Die Einschnitte des Thorax sowie die Mittellinie desselben sind farblos (Fig. 2, 4, 6, 7). Aus dem Sacke herausgenommen behält dieRaupe, wenn sieherumkriecht, dieselbe sanftspiralige Krümmung ihres Leibes bei, wie innerhalb des Sackes. Sind diese Sackträger ausgewachsen, was im Spät- sommer der Fall ist, so verlassen sie nach Art der Psychiden- Raupen ihre Futterpflanzen und suchen einen passenden Ort zur Verpuppung auf. Sie kriechen, wenn sie in ihrer Nähe Stein- oder Felswände finden, an diesen in dieHöhe und spin- nen die untere weite Mündung ihres Gehäuses fest. Auch zur Ueberstehung des Häutungsprozesses spinnen sich jedesmal a bei einigen Sackträger-Schmetterlingen. 43 diese Raupen, wie alle übrigen Sackträger, mit ihrem Gehäuse vorübergehend fest. Die Entwicklung des Schmetterlings er- folgt noch in demselben Jahre!. Untersucht man den festge- 1) Es ist dieser Sackträger ebenso wie die übrigen Psychiden den Nachstellungen von Ichneumoniden ausgesetzt. Der Ichneumoniden-Para- sit von Psyche Helix gehört merkwürdiger Weise einer Chalcis an, während ich aus den Raupen der übrigen Psychiden noch nie eine Chalcis erzogen habe. Es scheint aber diese Chalcis, welche mir von Kollar unter dem Namen Chalecis nigra bezeichnet wurde, nicht sehr verbreitet vorzukom- men. Reaumur hat sie aus den Säcken der in Frankreich gefundenen Psyche Helix erhalten, wie aus der wiewohl sehr kurzen Notiz desselben hervorgeht (s. dessen M&m. pour serv. & Y’hist. des Insect. T. III. a.a, O- pag. 250); dann lieferten mir auch die bei Mödling eingesammelten Säcke sehr häufig diese Chaleis; dagegen schlüpfte aus mehr denn hundert Säk- ken, welche ich mir von Tegernheim bei Regensburg verschafft hatte, auch nicht eine Chalcis und überhaupt kein einziger Ichneumonide aus. Die Chalcis frisst sich immer an der Seite des Sackes zwischen der ersten und zweiten Windung nach aussen durch und hinterlässt ein der Grösse der Chaleis entsprechendes rundes Loch auf der äusseren Seite des Sackes (Fig. 1b). Es gehört diese Chaleis (Fig. 13, 14) nach Nees von Esen- beck’s Hymenopterorum Ichneumonibus affinium Monographiae Vol. II. pag. 27 zu den in Sectio II. (abdominis petiolo brevissimo) beschriebenen Arten der Gattung Chaleis, deren Species-Charakter sich in folgender Weise diagnosticiren lässt: nigra, pubescens, sutello in mediomarginis dente ob- tuso, femoribus posticis subtus obsolete unidentatis, tarsis piceis. Long. lin.1—1°/ Die übrigen von mir aus Psychiden-Raupen gezogenen Ichneu- moniden sind folgende: Campoplex difformis Gr. aus Fumea nitidella Ochsh. — — laetus Rtzb. aus Fumea betulina Zell. — — Jlugens Rtzb. aus Fumea nitidella und betulina. — — psilopterus Gr. aus Solenobia lichenella L. Cryptus eborinus Rtzb. aus Fumea nitidella. — spiralis Gr. aus Talaeporia pseudobombycella Ochsh. Hemiteles albipennis Rtzb. aus Solenobia triquetrella F. R. — — areator Gr. aus Psyche calvellaOchsh u. Fumea nitidella. — — elongatus Rtzb. aus Talaeporia pseudobombyecella. — — gastrocoelus Rtzb. aus Solenobia triquetrella u. lichenella. — — imbecillus Gr. aus Fumea nitidella. — — leucomerus Rtzb. aus Solenobia triquetrella F. R. — — melanarius Gr. aus Solenobia triquetrella. — — similis Gr. aus Psyche calvella. — — tristator Gr. aus Fumea nitidella. 44 Wahre Parthenogenesis sponnenen Sack einer in der Verpuppung begriffenen Psyche Helix nach einiger Zeit, so findet man die Puppe in der unteren weiten Windung des Gehäuses und zwar mit dem Vorderende nach oben und mit dem Hinterende nach unten gegen die fest- gesponnene untere Mündung hin gerichtet. Zwischen dieser und dem Hinterleibsende der Puppe steckt dann immer die bei der letzten Häutung abgestreifte und verschrumpfte Rau- penhaut; es kehrt sich also auch diese Raupe, wie alle Psychi- den-Raupen nach Festspinnung des Sackes noch vor der eigent- lichen Verpuppung im Sacke um. In allen bis jetzt von mir untersuchten Säcken der verpuppten Psyche Helix, deren ich innerhalb sieben Jahren über anderthalbhundert Individuen zu beobachten Gelegenheit hatte, fand ich immer nureine weib- liche Puppe. Dieselbe ist unbeweglich, von gelbbrauner Farbe und mit sehr undeutlichen Leibeseinschnitten ; sie bietet einen der unteren Spiral-Windung des Sackes entsprechenden sanft spiralig gekrümmten Leib dar, der nach vorne etwas weniges verschmächtigt erscheint (Fig. 5). Der flügel- und fast fusslose weibliche Schmetterling, der sich aus dieser Puppe entwickelt, erscheint ebenfalls sanft spiralig Hemiteles I. nov. sp. aus Fumea betulina. — — 2.nov. sp. aus Talaeporia pseudobombycella. Microgaster longicauda W esm. aus Solenobia lichenella. Pezomachus agilis Gr. aus Psyche calvella. — — eursitans Gr. aus Psyche graminella Ochsh. — — geochares Först. aus Fumea nitidella. — — pedestris Gr. aus Psyche calvella u. Fumea nitidella. — — ., 1.nov. sp. aus Psyche calvella. . — — _ 2.nov. sp. aus Psyche calvella. Phygadeuon tenuipes Gr. (?) aus Fumea nitidella. Pimpla annulicornis Rtzb. aus Psyche graminella. — examinator Gr. aus Psyche graminella, Fumea betulina und niti- della. — scanica Gr. aus Psyche calvella und Fumea nitidella. Pteromalus Zelleri Rtz b. aus Fumea nitidella. bei einigen Sackträger-Schmetterlingen. 45 gekrümmt (Fig. $, 9). Seine Farbe ist grau mit einer sehr schwachen Bräunung aufdem Rücken der drei T'horaxsegmente. Das Vorderleibsende ist etwas verschmächtigt, der fühlerlose stark nach unten umgebeugte Kopf lässt sehr undeutliche, ganz verkümmerte Mundtheile erkennen ; zu beiden Seiten desselben machen sich zwei dunkle Pigmentflecke bemerkbar, die jedoch keine Augenfacetten enthalten. Der Hinterleib ist spärlich mit weisslichen Härchen besetzt. Die varıkösen Harngefässe leuchten hier und da mit weissgelber Farbe durch die Leibes- haut hindurch, ebenso die violett gefärbte Bauchganglien- Kette. Die Bewegungen dieser Psyche-Weibchen sind äusserst träge, wobei die sechs Füsschen der drei Thoraxsegmente als sechs ganz kurze kegelförmige Fortsätze sich kaum betheiligen. Eine Zergliederung, die ich mit mehreren dieser Thiere vor- nahm, gab mir die Ueberzeugung, dass ich wirklich weib- liche Insekten vor mir hatte; die innere und äussere Organi- sation ihrer Geschlechtswerkzeuge verhielt sich ganz wie bei den übrigen weiblichen Psychen. Die beiden Geschlechtsöff- nungen zeigten sich an allen Individuen vorhanden, ebenso die bursa copulatrix und das receptaculum seminis, welche beide natürlich immer leer waren. Die acht Eierstocksröhren enthiel- ten nur sehr wenige Eier. Diese weiblichen Schmetterlinge setzten , wie alle übrigen echten Psychen, ihre gelblichen Eier in die leere, stets im Raupensacke der Psychen zurückbleibende Puppenhülse ab, und schrumpften alsdann auf ein sehr geringes Volumen ein, worauf sie meistens den Sack durch die oben erwähnte seitliche Oeffnung verliessen und bald darauf abstarben. Die in der Puppenhülse verborgenen und unbefruchteten Eier kommen noch in demselben Jahre zur Entwicklung. Oeff- net man im Spätherbste oder im Winter einen festgesponnenen Sack der Psyche Helix, so findet man jedesmal im Innern der 46 Wahre Parthenogenesis zurückgebliebenen Puppenhülse zehn bis vier und zwanzig junge rothgrau gefärbte Räupchen. An den leeren farblosen Eihüllen, die sich zerknittert zwischen den Räupchen auffinden lassen, ist unter dem Mikroskope die Mipropyle deutlich zu erkennen. Nachdem ich auf diese Weise bei Psyche Helix niemals eine andere Fortpflanzung als die durch Parthenogenesis er- kannt hatte, musste es mir. auffallen, dass es anderen Entomo- logen geglückt war, das Männchen von Psyche Helix zu erhal- ten. Bei näherer Betrachtung bleibt es aber doch zweifelhaft, ob die als Männchen der Psyche Helix ausgegebenen Schmet- terlinge auch wirklich zu Psyche Helıx gehörten. So wurde von Herrich-Schäffer das Männchen einer Psyche helicinella nebst dem Sacke von Psyche Helix abgebildet‘. Der abgebil- dete Schmetterling war von Mann in Sicilien entdeckt worden; da sich in dessen Nähe ein leerer Sack von Psyche Helix vor- fand, so glaubte Mann, dass jener Schmetterling aus diesem Sacke hervorgeschlüpft sei. Herrich-Schäffer lässt es übrigens selbst zweifelhaft, ob jener spiralige Sack auch wirk- lich zudem von ihm als Psyche helicinella abgebildeten Schmet- terling gehört habe, indem er sagt: ‚‚der Sack (ob wirklich dazu gehörig?) ist schneckenförmig, ohne Pflanzentheile, nur aus Sandkörnern gebildet.‘“ Aus diesem Grunde habe ich den Namen Psyche Helix, welchen ich den von mir aus den schneckenförmigen Säcken gezogenen weiblichen Schmetter- lingen gegeben habe, beibehalten, da es noch nicht erwie- sen ist, ob die Psyche helicinella des Herrich-Schäffer auch wirklich zu meiner Psyche Helix gehört. Gleich zweifel- haft verhält es sich mit dem von Bruand als Psyche heli- cinella beschriebenen und abgebildeten männlichen Schmetter- 1) S. dessen systematische Beschreibung der Schmetterlinge von Eu- ropa. Bd. II. pag. 21. fig. 108, 109. bei einigen Sackträger-Schmetterlingen. 47 ling'). Bruand beschreibt zu Psyche hhelicinella das Weibchen und die Sackträgerraupe meiner Psyche Helix, sagt aber aus- drücklich, dass er diese Sackträger niemals bis zur Entwicklung des Schmetterlings habe erziehen können”. Hiernach hat man also gar keine Bürgschaft, dass die von Bruand im Freien eingefangenen geflügelten Individuen der Psyche helicinella die Männchen von meiner ungeflügelten weiblichen Psyche Helix sind. Da die Psyche-Männchen sich mit ihren innerhalb des Sackes verborgenen Weibchen begatten und zu diesem Be- hufe ihren Hinterleib in die hintere freie Mündung des weib- lichen Sackes hineinschieben, wird auch das Männchen von Psyche Helix diese Handlung ebenso vornehmen und deshalb wahrscheinlich einen dem gewundenen Sacke des Weibchens entsprechenden gekrümmten Hinterleib besitzen. Eine solche Krümmung des Hinterleibes ist weder bei dem von Herrich- Schäffer noch bei dem von Bruand abgebildeten Männchen der Psyche helicinella wahrzunehmen, wodurch meine oben ausgesprochenen Zweifel noch mehr Anhalt gewinnen. Es sind also jedenfalls noch weitere Beobachtungen über die Existenz der männlichen Individuen von Psyche Helix anzustellen. Viel- leicht rührten jene beiden flachen spiraligen Säcke, welche ich 1) S. dessen Essai monographique a. a. O. pag. 3. Pl. II. fig. 48a. 2) Hierüber äussert sich Bruand.a.a.O. pag. 74in folgender Weise: Cette chenille est fort difficile a elever, et, pour ma part, apres trois essais successifs, j’ai renonce & obtenir le papillon en domesticite. Il est probable que quelques circonstances atmosph£riques (la rosee matinale, par exem- ple), sont necessaires A son &closion. La chenille se nourrit tres-bien jus- qu’au moment de sa transformation ; alors elle commence ä errer ca et la dans le vase ou la boite qui la renferme, enfin elle se fixe .apres les parois ..... puis-rien n’arrive: elle meurt miserablement.‘‘ Mir ist die Erzie- hung dieser Sackträger, nachdem sie fast ausgewachsen waren, in geräu- migen luftigen Zwingern und unter Darreichung von stets frischem Futter (Lotus corniculatus) bis zur Entwicklung der Weibchen nicht schwer ge- worden. 48 Wahre Parthenogenesis ‘oben (pag. 37 Anm. 1) zu einer besonderen Psychen-Art (Psyche Planorbis) gehörend beschrieben habe, von der Raupe der männlichen Psyche Helix her, was gar nichts so auffallendes wäre, da ja die Raupen-Säcke gewisser anderer Psychiden nach den Geschlechtern in Form und Grösse verschieden sind. Das auffallendste Beispiel dieser Art bietet Solenobia clathrella Z. dar!. Auch lasse ich es unentschieden, ob nicht jener von mir (pag. 41) erwähnte grössere Sack, der sich ausser durch seinen. Umfang in nichts von den Säcken der weiblichen Psyche Helix unterschied, einer Raupe angehört, die sich zu einem männ- lichen Individuum der Psyche Helix entwickelt haben könnte. Wahre Parthenogenesis bei der Honigbiene. Während ich mit meiner Aufgabe beschäftigt war, eine Parthenogenesis bei Psyche Helix, Solenobia triquetrella und lichenella festzustellen, unterliess ich es nıcht, auch andere Insekten, von denen die Sage gieng, dass die Weibchen im jungfräulichen Zustande ohne Mitwirkung eines männlichen Individuums selbstständig fortpflanzungsfähig seien, in das Be- reich meiner Untersuchungen zu ziehen. Es lag nahe, die Honigbiene genauer ins Auge zu fassen, über deren Fortpflan- zung von jeher die abentheuerlichsten Mittheilungen von den verschiedenen Bienenzüchtern gemacht wurden. Unter diesen Mittheilungen war schon längst meine Aufmerksamkeit auf jene merkwürdige Fähigkeit hingewendet, welche gewissen Arbeitsbienen zugeschrieben wurde und welche darin bestehen 1) Man vergleiche Zeller’s Beschreibung des männlichen und weib- lichen Sackes der Solenobia elathrella in der Linnaea entomologica. Bd. VII. 1852. pag. 345. S. auch Fischer von Roeslerstamm: Abbildungen zur Berichtigung und Ergänzung der Schmetterlingskunde. pag. S4. Taf. 38. | bei der Honigbiene. 49 sollte, dass dieselben ohne Begattung entwicklungsfähige Eier legen könnten. Ich setzte mich deshalb von Breslau aus im Jahre 1851 mit verschiedenen Bienenzüchtern in Verbindung und wurde auf diese Weise mit dem ausgezeichneten Bienen- züchter Dzierzon, Pfarrer zu Carlsmarkt bei Brieg in Schle- sien bekannt. Durch diesen mit einer vortrefflichen scharfen Beobachtungsgabe ausgestatteten und von Vorurtheilen freien Bienenzüchter wurde ich theils brieflich theils mündlich über den Bienenhaushalt und über die wichtigsten Erscheinungen des Bienenlebens in einer Weise mit Kenntnissen versehen, wie ich sie mir niemals aus zoologischen und entomologischen Schriften hätte verschaffen können. Was mich am meisten bei diesen Mittheilungen überraschte, war die von Dzierzon aufgestellte ganz neue Fortpflanzungstheorie, mit welcher mich derselbe damals bekannt machte, und mit welcher sich alle auf das Fortpflanzungsgeschäft der Bienen sich beziehenden und oft an das Wunderbare streifenden Erscheinungen vollkommen erklären lassen. Eine dieser merkwürdigen Erscheinungen ist die eben er- wähnte Eigenschaft gewisser Arbeitsbienen, entwicklungsfähige Eier zu legen, welche Eigenschaft von keinem aufmerksamen Bienenzüchter geläugnet wird, aber bisher in keiner Weise ge- nügend erklärt werden konnte. Die Zergliederung der Arbeits- bienen hatte ergeben, dass sie unentwickelte Eierstöcke be- sitzen, dass bei ihnen das receptaculum seminis nur unvollkom- men entwickelt ist und dass sie vermöge ihrer verkümmerten Begattungsorgane überhaupt nicht im Stande sind, sich mit einer Drohne (einer männlichen Biene) zu begatten und sich von dieser befruchten zu lassen. Woher sollte nun aber jene Fortpflanzungsfähigkeit gewisser Arbeitsbienen rühren? Ich versuchte es anfangs, diese Fortpflanzungsfähigkeit mit dem Generationswechsel in Zusammenhang zu bringen, und v. Siebold, Nachweis u. s. w. 4 u 50 Wahre Parthenogenesis sprach die Vermuthung aus', dass bei den Bienen ähnliche Verhältnisse vorkommen möchten, wie bei den Blattläusen, und dass demnach bei den Bienen zu gewissen Zeiten Indivi- duen erzeugt würden, welche als ammenartige Wesen unbe- fruchtet Brut hervorbringen könnten. Sollten aber wirklich in den Bienenkolonien Ammen vorkommen, so müssten sich diese durch sorgfältige Zergliederung herausfinden lassen, in- dem sie statt der Ovarien Keimstöcke und keine Spur eines receptaculum seminis enthielten. Ich sprach damals zugleich den Wunsch aus, dass mir bald Gelegenheit gegeben werden möchte, solche Bienen, welche von den Zeislern als fruchtbare Arbeiter erkannt worden waren, einer genaueren Zergliederung und mikroskopischen Untersuchung unterwerfen zu können, um darüber zu entscheiden, ob sie wirklich Ammen seien oder nicht. Nachdem ich aber mit Dzierzon’s Zeugungstheorie der Bienen bekannt geworden und ich mich immer mehr von der Richtigkeit dieser "Theorie überzeugte, leuchtete mir ein, dass bei den Bienen von einer Ammenbildung gar nicht die Rede sein könne. Um mich über diese Theorie so vollständig wie möglich zu unterrichten, begab ich mich selbst nach Carls- markt und hielt am 26. Juli 1851 mit Dzierzon eine Unter- redung, wobei ich seiner Zeugungstheorie alle möglichen Zwei- fel entgegenhielt, dieselben wurden aber von ihm jedesmal mit solchen schlagenden Gründen beseitigt, die sich sowohl mit den anatomischen Verhältnissen der Bienen so wie mit den physiologischen Gesetzen des Insekten - und thierischen Lebens überhaupt in Einklang bringen liessen, dass ich zuletzt nicht 1) S. meine Bemerkungen über die Lebensweise und den Haushalt der Bienen, in dem Jahresbericht der schlesischen Gesellschaft für vater- ländische Kultur im Jahre 1551. pag. 48. u “* bei der Honigbiene. 51 länger Anstand nehmen konnte, die Richtigkeit dieser Dzi er- zon’schen Zeugungstheorie anzuerkennen. Dzierzon sprach seine Ansicht über die Fortpflanzung der Bienen zuerst in der Eichstädter Bienenzeitung' im Jahre 1845 aus, jedoch ohne die wichtigsten Momente seiner Theorie besonders zu betonen und ohne sie zu einer besonderen 'T'heorie zu erheben. Ich halte es für nothwendig die in jener Zeitung damals von Dzierzon ausgesprochenen Ansichten hier wört- lich wieder zu geben. Sie lauten, wie folgt: „Indem ich voraussetze, was in den folgenden Nummern besprochen und erwiesen werden wird, dass der Weiser (die weibliche Biene), um tauglich zu sein, von einer Drohne (männ- lichen Biene) befruchtet werden müsse, und dass die Begat- tung in der Luft geschehe, spreche ich die UVeberzeugung aus, woraus sich alle Erscheinungen und Räthsel vollkommen er- klären lassen, dass die Drohneneier einer Befruchtung nicht bedürfen; die Mitwirkung der Drohnen aber schlechterdings nothwendig ist, wenn Arbeitsbienen erzeugt werden sollen. Wie bei den höheren 'Thierarten das Männchen das vollkom- mene und regierende ist, wie der Stier die Rinderheerde, der Haushahn die Hühner zusammenhält und gleichsam beherrscht, findet bei den Insekten der umgekehrte Fall Statt. Bei Wespen, Hornissen, Hummeln, Ameisen und besonders bei den Bienen bildet das vollkommene Weibchen den Mittelpunkt und hält den Schwarm zusammen. Sowie selbst die Drohnen ihr unter- geordnet sind, so sind sie überhaupt an sich unvollkommene Wesen, zu deren Erzeugung auch von Seiten der Natur nicht so viel Kräfte und Bedingungen nothwendig sind, als zur Er- zeugung der Königin und, was dasselbe ist, der Arbeitsbienen. (Durch die Benennung Zeus scheinen die Alten dies schon I) 8. Bienenzeitung, herausgegeben von Dr. C. Barth und Seminar- lehrer A. Schmid in Eichstädt. Jahrgang 1. 1845. page. 113. 4* u 8% 52 Wahre Parthenogenesis ”. Ä . angedeutet zu haben). Die Wahrheit dieser Behauptung geht. schon daraus hervor, dass, so wie jeder, der das Schwerere und Grössere vermag, auch das Leichtere und Geringere leisten kann, auch jeder Stock, der Arbeitsbienen zu erzeugen im Stande ist, auch Drohnen, wenn es ihm an passenden Zellen im Brutlager nicht mangelt, zu erzeugen vermag, aber nicht umgekehrt. Bei der Begattung wird nicht der Eierstock be- fruchtet, sondern der Samenhälter, jenes beim jungen Weiser mit einer wässerigen Feuchtigkeit gefüllte Bläschen oder Knöt- chen, mit Samen gesättigt, worauf es dann an seiner weissen Farbe deutlicher zu unterscheiden ist. Die Thätigkeit des Eier- stockes beginnt im normalen Zustande erst nach der Begattung, ist aber nicht nothwendig dadurch bedingt, daher manche un- befruchtete Weiser gar keine, während andere Drohneneier legen, und selbst Arbeitsbienen dieses thun, die ich wegen Mangel eines Samenhalters für ganz unfähig zur Begattung halte. Dergleichen Eier sind nun nach meiner Ueberzeugung zur Erzeugung der Drohnen hinreichend, während das Ei, aus welchem eine Königin oder Arbeitsbiene sich entwickeln soll, mit dem gefüllten Samenhälter in Berührung treten muss. Es ist dies freilich nur eine Hypothese und wird es wohl auch bleiben , welcher aber jeder genaue Beobachter eben so wenig seinen Beifall wird versagen können, als der Hypothese des Kopernikus, dass die Erde sich um ihre Axe drehe. Denn alle räthselhaften Erscheinungen im Bienenstaate werden durch sie sehr einfach erklärt. ‘‘ Später fasste Dzierzon in einer besonderen Bienenschrift seine Ansichten über die Fortpflanzung der Bienen zu einer förmlichen Theorie auf folgende Weise zusammen!: Ts "Vgl. Theorie und Praxis des neuen Bienenfreundes oder neue Art der Bienenzucht mit dem günstigsten Erfolge angewendet und dargestellt * Re = u * bei der Honigbiene. 53 ,,Es wird also, und dies ist wohl zu beachten, bei der Be- gattung der Königin nicht der Eierstock befruchtet, sondern jenes Bläschen oder jener Samenhälter mit dem männlichen Samen durchdrungen oder gefüllt. Dadurch wird manches, ja alles Räthselhafte gelöst, namentlich, wie die Königin im zei- tigen Frühjahre, da es keine Männchen im Stocke giebt, doch fruchtbare Eier legen könne. Der bei der Begattung aufgenom- mene Samenvorrath reicht nämlich für ihr ganzes Leben aus. Die Begattung erfolgt nur einmal für immer. Die Königin fliegt dann auch nicht mehr aus, ausser, wenn das ganze Volk aus- zieht. Unbedenklich kann man ihr, so wie sie zu legen begon- nen hat, die Flügel beschneiden, sie wird doch fruchtbar blei- ben bis an ihren Tod. In ihrer Jugend muss aber jede Königin wenigstens einmal ausgeflogen sein, weil die Befruchtung nur in der Luft geschieht, daher keine von Geburt aus flügellahme Königin jemals vollkommen fruchtbar wird. Ich sage: voll- kommen fruchtbar, oder fähig, beide Geschlechter fortzu- pflanzen. Denn, um bloss Drohneneier zu legen, dazu bedarf es nach meiner Erfahrung einer Befruchtung gar nicht. Dies ist eben das Neue und Eigenthümliche meiner Theorie, die ich Anfangs nur als Hypothese hinzustellen wagte, die sich aber vollkommen bestätigt hat. Drei flügellahme junge Königinnen sind mir nämlich im verflossenen Sommer vorgekommen , wel- che, obschon sie als flügellahm den Befruchtungs-Ausflug offen- barnicht machen konnten, auch bei der Sektion sich als unbe- fruchtet erwiesen, dennoch Drohneneier legten.‘“ — ‚‚Hier- durch werden alle Räthsel, die man bisher vergebens zu lösen sich bemühte, vollständig gelöst. Erstens das Räthsel: warum von Dzierzon. 2. Aufl. (ohne Druckort) 1849. pag. 106. Ganz ähnlich sprach sich Dzierzon in einem 1852 erschienenen Nachtrage zur Theorie und Praxis pag. 4 u. d. f, aus. * 54 Wahre Parthenogenesis vermögen viele Mütter, sie mögen der Gestalt nach Königinnen oder Arbeitsbienen sein, gerade nur das männliche Geschlecht oder die Drohnen fortzupflanzen ? Weil die erstern entweder unbefruchtet sind, oder ihre Fruchtbarkeit schon erschöpft ist; die letztern dagegen gar nicht befruchtungsfähig sind.‘“ „Denn der festen U eberzeugung bin ich, dass die als Ab- normität vorkommenden, Eier legenden Arbeitsbienen wegen Mangels eines Samenhälters ebensowenig befruchtungsfähig sind, als die jungen Königinnen wegen Mangels gesunder Flü- gel. Ferner unterliegt es wohl keinem Zweifel, dass die Könı- ein durch den eigenthümlichen Ton ihrer Flügel die Drohnen an sich fesselt und zur Begattung disponirt, was eine Arbeits- biene natürlich nicht vermag. Zweitens wird durch die 'That- sache, dass die Drohneneier einer Befruchtung nicht bedürfen, sondern den Lebenskeim schon aus dem Eierstocke mit sich bringen, das früher schon erwähnte Vermögen der fruchtbaren Königin, Arbeitsbienen- und Drohneneier nach Belieben zu legen, sehr leicht erklärlich, während es sonst unerklärbar und unglaublich wäre. Indem nämlich, wie früher gezeigt wurde, bei der Begattung nicht der Eierstock befruchtet, sondern der Samenhälter gefüllt wird, hat die Königin es in ıhrer Gewalt, ein zu legendes Ei so abzusetzen, wie es aus dem KEierstocke kommt und wie es die unbefruchteten Mütter legen , oder ihm durch Einwirkung des Samenhalters, bei welehem es vorbei- streichen muss, einen höheren Grad, eine höhere Potenz der Fruchtbarkeit zu verleihen, und den Keim zu einem vollkomm- neren Wesen, nämlich zu einer Königin oder Arbeitsbiene darin zu wecken. Dies thut sie natürlich instinktmässig durch die Weite der zu besetzenden Brützelle angeleitet.‘“ — ‚‚Zur Er- zeugung der Weibchen im Bienenstocke sind also mehr Bedin- sungen und Kräfte erforderlich, als zur Erzeugung der Männ- chen oder Drohnen. Jede Mutter, die Arbeitsbienen-Brut zu Ah bei der Honigbiene. 55 erzeugen vermag, kann auch Drohneneier legen, aber nicht umgekehrt. ‘‘ Es riefen diese Ansichten über die Fortpflanzung der Bie- nen unter den Bienenzüchtern, wie zu erwarten war, den leb- haftesten Widerspruch hervor, mit der heftigsten Polemik wurde in der oben genannten Bienenzeitung dagegen ange- kämpft, wobei jedoch die meisten Gegner, ohne Kenntniss des anatomischen Baues der Bienen sowie ohne Einsicht über die physiologische Bedeutung der Geschlechtsfunktionen im Insekten-Leben sich so arge Blössen gaben, dass es Dzierzon hätte ein leichtes sein müssen, seine Gegner zum Schweigen zu bringen, allein da fast nur Dilettanten wieder zu Dilettanten sprachen, so nahm der Streit kein Ende, indem die unrichtig- sten, abentheuerlichsten und abgeschmacktesten Behauptungen über die Vertheilung der Geschlechtsfunktionen, über Begat- tung, Befruchtung, Eierlegen der Bienen u. s. w. in vollem Ernste als ausgemachte Wahrheiten hingestellt wurden, ohne dass es auffiel, wie solche in der Phantasie eines Bienenzüchters ausgedachte Ansichten über den Bienenhaushalt jedes wissen- schaftlichen Beweises ermangelten. Daher konnte es kommen, dass gleichzeitig in der Bienenzeitung mit der von Dzierzon aufgestellten Theorie, welche ıhr Urheber von Zeit zu Zeit in dieser Zeitung mit wichtigen neuen Beweisen zu stützen suchte, immer wieder von neuem Fragen zur Untersuchung und Beant- wortung vorgelegt wurden, über die man längst im Reinen sein musste, nachdem durch Dzierzon’s Theorie die wichtigsten Punkte der Zeugung der Bienen aufgeklärt worden waren. So kann man in den verschiedenen Jahrgängen der Bienen- zeitung bis auf die jüngste Zeit folgende Fragen als noch nicht genügend beantwortet und folgende Punkte als noch zweifel- haft von verschiedenen Bienenzüchtern zur Besprechung her- vorgehoben finden, nämlich: ob die Drohnen wirklich die u : 56 Wahre Parthenogenesis männlichen Bienen sind, ob die Drohnen nicht das Ausbrüten der Eier zu besorgen hätten, ob die Drohnen nicht eigentlich Missgeburten seien, ob es nicht auch männliche Arbeitsbienen we blosse Erschütterung befruchtet werde, ob die Begattung zwi- gebe, ob die Königin vielleicht durch Beschnäbelung oder dure schen der Königin und einer Drohne am Ende doch im Bienen- stocke vor sich gehe, und dergleichen mehr. Diesen verschiedenen sich so vielfach widersprechenden Fragen gegenüber setzte ich als Vicepräsident beideram 2. Juni 1852 zu Brieg in Schlesien abgehaltenen dritten Versammlung der deutschen Bienenwirthe! die anatomischen Verhältnisse der drei Arten von Bienen, der Drohne, der Königin und der Arbeiterin auseinander, und forderte die dort anwesenden Bie- nenzüchter auf, ihre Einwendungen und Zweifel gegen die ein- zelnen Punkte der von Dzierzon aufgestellten Theorie aus- zusprechen. Es geschah dies von verschiedenen Seiten; Dzierzon, welcher als Präsident der Gesellschaft anwesend war, vertheidigte seine Behauptungen mit den Mitteln, welche ihm seine reichen mit richtigem Verständniss aufgefassten Er- fahrungen an die Hand gaben, während ich ihm da, wo es sich um die verschiedenen anatomischen Verhältnisse und um die Bedeutung der inneren und äusseren Geschlechtswerkzeuge der Bienen handelte, durch meine mit der Secirnadel und dem Mikroskope gemachten Erfahrungen zu Hülfe kam. Obwohl die Mehrzahl der Bienenzüchter ihre vorgefassten Meinungen und unrichtigen Ansichten über den Bienenhaus- halt und namentlich über die Fortpflanzung der Bienen nicht so schnell fahren liessen, so erhoben sich in der Bienenzeitung doch nach und nach immer mehr Stimmen, welche einzelne Punkte dervon Dzierzon ausgesprochenen Zeugungs-Theorie 1) Vgl. die Bienenzeitung. Achter Jahrgang. 1552. pag. 117. + > »” bei der Honigbiene. 57 der Bienen als richtig bestätigten. Man fing an, sich für den inneren anatomischen Bau der Bienen und der Insekten über- haupt zu interessiren; man nahm Notiz von den in neuerer Zeit mit dem Mikroskope errungenen Kenntnissen, durch welche man über die Funktion der männlichen Samenfeuchtigkeit im Innern der Insekten-Weibchen eine klarere Anschauung er- worben hatte. Um diejenigen Behauptungen, welche in der Dzierzon’schen Theorie noch zu sehr das Gewand einer Hypo- these an sich trugen, von allem Zweifelhaften zu entkleiden, und als nackte Wahrheiten erscheinen zu lassen, trugen solche Bienenzüchter, denen es um die ernste Wahrheit allein zu thun war, dafür Sorge, dass verschiedene Bienen-Individuen, deren Zustände nach genauer Untersuchung über verschiedene zwei- felhafte Punkte der Dzierzon’schen Theorie den richtigen Auf- schluss geben konnten, geübten Entomotomen zur Sektion und Begutachtung überliefert wurden. Auf diese Weise gewann diese Theorie immer mehran Festigkeit und Form und erstarkte in einer Weise, dass sie jetzt darauf Anspruch machen kann, auf wissenschaftlichen Boden verpflanzt zu werden, um hier einer weiteren Entwicklung entgegenzugehen. Ein Hauptver- dienst um die Anerkennung der Dzierzon’schen Theorie hat sich Herr Baron v. Berlepsch auf Seebach bei Langensalza in Thüringen erworben, indem dieser einsichtsvolle und erfah- rene Bienenzüchter weder Opfer, noch Zeit noch Geduld scheute, um aus seinen zahlreichen und zum Beobachten äus- serst geschickt angeordneten Bienenkolonien über die brennen- den die Fortpflanzung der Bienen betreffenden Fragen sich die wichtigsten Aufschlüsse zu verschaffen. Berlepsch setzte in einer Reihe apistischer Briefe! die neue Theorie über die I) Diese apistischen Briefe sind in den Jahrgängen 1853 und 1854 der Eichstädter Bienenzeitung niedergelegt und bilden für unsere Kenntnisse u “ > 98 L Sn. Wahre Parthenogenesis Fortpflanzung der Bienen in systematischer Reihefolge aus- einander und belegte die einzelnen Sätze mit auf die mühsam- | sten Versuche sich stützenden Beweisen, wobei sich derselbe als ausgezeichneter Beobachter und scharfsinniger Naturforsch kund gab. Noch muss erwähnt werden, dass nicht bloss für die The- orie, sondern auch für die Praxis der Bienenzucht Dzierzon als epochemachend gerühmt werden muss. Derselbe hat näm- lich dem Bienenstocke eine Einrichtung gegeben , wodurch es dem Bienenzüchter möglich wurde, sowohl die Beobachtung der einzelnen Bienenkolonien und Controlirung der Handlun- gen seiner einzelnen Angehörigen oder der fremden Eindring- linge auf das genaueste und zuverlässigste zu verfolgen, als auch den ganzen Bienenhaushalt der einzelnen Stöcke nach allen Seiten hin zu beaufsichtigen und zu leiten. Mit Hülfe eines Dzierzon’schen Bienenstocks ist der Bienenzüchter sogar - im Stande, seine Bienenstöcke willkürlich zu vergrössern oder zu vermehren. Dzierzon verfiel nämlich auf die glückliche Idee, die Bienen zu veranlassen, ihre Waben von im oberen Raume der Bienenstöcke löse hintereinander angebrachten Querhölzern herabzubauen, wodurch Dzierzon ım Stande war, sämmtliche Waben eines Bienenstockes, dessen Inneres durch Hinwegnahme einer aushebbaren Vorder - oder Hinter- wand zugänglich gemacht wird, so oft er wollte, der Reihe nach zu untersuchen, indem durch diese Vorrichtung jede einzelne Wabe, von unten her dem losen Querholze anklebend, mit die- sem herausgenommen, von beiden Seiten betrachtet, und un- beschadet wieder an ihren Ort eingehängt werden kann. 3 E der Fortpflanzungsgeschichte der Bienen und Insekten überhaupt ein höchst wichtiges Aktenstück. + bei der Honigbiene. 59 Dzierzon war es mit Hülfe dieser sinnreichen Vorrichtung ' möglich geworden, nicht bloss zu verfolgen ‚ was von Tag zu Tag, was von Stunde zu Stunde in einem Bienenstocke vor- gieng, er konnte Sogar zu jeder Zeit mit Augen sich auf das FE genaueste überzeugen, was innerhalb einer jeden einzelnen Zelle der verschiedenen Waben seiner Stöcke vorgieng. Der- ' selbe war ferner auf diese Weise fähig, sich über alle Schritte der Arbeiter, welche die letzteren innerhalb des Stockes zwi- schen den Waben vornehmen, Kenntniss zu verschaffen, sowie die Handlungen der Bienenkönigin zu belauschen. Es waren dies alles Vortheile, welche die sonst so gerühmten mit Glas- wänden versehenen Bienenstöcke nicht im geringsten bieten konnten, da diese letzteren Bienenstöcke doch nur allein die dem Glase zugewendete Fläche einer einzigen Wabe übersehen liessen, sonst aber eine ganz geringe und höchst unvollkommene Einsicht in das Innere einer Bienenkolonie erlaubten. - Dzierzon konnte über die Zustände seiner Bienenstöcke die genaueste Rechenschaft ablegen. Er wusste die Zahl und Art der Zellen, welche von einer Königin täglıch oder stünd- lich mit Eiern belegt wurden; er wusste, in welcher Zeit die Larven in den gelegten Eiern zum Ausschlüpfen kamen; er war im Stande, das allmälige Heranwachsen der Larve zu be- obachten; er konnte sich genau überzeugen, welche Art von Futter dieser oder jener Larve von den Arbeitern zugetragen wurde; er konnte sich über die Zeit der Verpuppung einer 1) Da durch das seitliche Ankleben der von den Stäbchen herabgebau- ten Waben das Herausnehmen derselben häufig erschwert wurde, so suchte Berlepsch diesen Uebelstand auf eine sehr sinnreiche Weise dadurch zu vermeiden, dass er seinen Stöcken statt der Stäbchen viereckige Rähm- chen einhieng, deren Hohlraum die Bienen mit ihren Waben ausfüllen, wo- durch das Herausnehmen und Einhängen der Rähmchen sehr erleichtert, und überhaupt dem Dzierzon-Stocke eine so bequeme Einrichtung gegeben ist, dass nichts mehr zu wünschen übrig ist. 60 Wahre Parthenogenesis Bienenlarve, über den Termin des Ausschlüpfens der Bienen aus den bedeckelten Zellen, über die Zahl und Beschaffenheit der Königin-Zellen die bestimmteste Auskunft verschaffen ; Dzierzon war auf diese Weise stets unterrichtet, in welchem Zustande die einen Bienenstock beherrschende Königin sich befand; er konnte jede Störung, jede Unregelmässigkeit, die sich in dem geregelten Haushalte eines Bienenstockes durch mannichfaltige Umstände veranlasst leicht einstellt, ebenso schnell wie die Ursache derselben erkennen. . Welche Vortheile dies einem mit so scharfer und vorur- theilsfreier Beobachtungsgabe ausgestatteten Bienenzüchter, ‘ wie Dzierzon, gewähren musste, lässt sich leicht einsehen. Es konnten dem scharfsichtigen Beobachter Dzierzon durch dieses Hülfsmittel die wichtigsten und belehrendsten Auf- schlüsse über das Treiben einer Bienenkolonie zuströmen, und so konnte es nicht ausbleiben, dass endlich der höchst merk- würdige und verborgene Hergang des Fortpflanzungsgeschäfts der Bienen von menschlichen Augen richtig durchschaut wurde. Aber auch für die Praxis waren die Dzierzon’schen Bienenstöcke von der grössten Bedeutung, denn Dzierzon konnte von jedem einzelnen seiner Bienenstöcke zu jeder Zeit genau wissen, wie stark derselbe bevölkert, wie fleissig seine Bevölkerung und womit dieselbe beschäftigt sei. Er konnte sich stets unterrich- ten, ob die Zahl der Arbeiter mit der von der Königin erzeug- ten Brut in Verhältniss stehe, ob die Zahl oder Anwesenheit der Drohnenlarven dem Bienenstocke erspriesslich sein werde oder nicht, ob der nothwendige Futtervorrath vorhanden u.s.w. Auf alles dies konnte der verständige Bienenzüchter und Be- sitzer von Dzierzon-Stöcken, mit deren Hülfe in kürzester Zeit sich eine vollständige Einsicht in den Zustand eines jeden Bienenhaushaltes verschaffen liess, leitend und korrigirend ein- wirken, indem man dem einen an Arbeitern armen Bienenstocke bei der Honigbiene. 61 die fehlende Menge von nöthigen Arbeitern hinzufügte, oder dem anderen schwachbevölkerten Stocke einige mit Eiern und Brut besetzte Waben zur Erleichterung der Arbeit fortnahm und einem reich bevölkerten Stocke zur weiteren Pflege ein- hängte. Der vorsichtige Bienenzüchter wusste jetzt, aus wel- chen Stöcken er die mit unnützen oder Gefahr bringenden Drohnen-Larven besetzten Waben zu entfernen hatte; er war im Stande einen sonst fleissigen Stock, dessen Einwohner durch den Verlust der Königin zu demoralisiren drohten, vor dieser gefährlichen Weiserlosigkeit zu retten, indem er noch rechtzeitig für den Wiederersatz dieses Verlustes da sorgte, wo es die Bienen selbst zu thun unterlassen. Kurz mit Hülfe von Dzierzon-Stöcken kann ein erfahrener umsichtiger Bienenzüch- ter zu Werke gehen, wie ein verständiger Obstgärtner, der durch Wegschneiden der unnützen Schösslinge und durch richtige Pflege der knospentragenden Zweige seine Bäume zur Erzeu- gung einer reichen Fruchternte vorbereitet und anhält. 1) Obwohl schon yor mehreren Jahren Dzierzon seine neue Theorie und Praxis der Bienenzucht dem Publikum zur Kenntniss und Benutzung durch den Druck übergeben hatte, so haben sich die von Dzierzon in der Bienenzucht gemachten Fortschritte in dem Kreise der Bienenzüchter doch nur sehr langsam und allmälig Bahn brechen können; ja, noch län- ger währte es, bis Dzierzon’s die Fortpflanzung der Bienen betreffenden Behauptungen über jenen Kreis hinaus zu den Ohren eines Physiologen und Naturforschers gelangten. Die Schuld davon trägt Dzierzon selbst; dieser sonst so praktische Bienenzüchter hatte es nämlich gescheut, sein über Theorie und Praxis ausgearbeitetes Manuskript einer soliden Buch- handlung in Verlag zu geben, sondern es vorgezogen, seine Erfindung und Entdeckung auf höchst unpraktischem Wege bekannt zu machen, indem er seine neue Theorie und Praxis anfangs im Selbstverlage erscheinen liess und nachher an einen auf einem Dorfe in Schlesien wohnenden Privatmann zur weiteren Verbreitung verkaufte. Ueber ein solches Verfahren beklagte sich Herr v. Berlepsch mit Recht (in der Extra-Beilage zur Nr. 21 der Eichstädter Bienenzeitung 1852), da derselbe, und mit ihm viele andere Bienenzüchter durch jene ungeschickte und beschwerliche Einrichtung gehindert wurden, sich rechtzeitig die wahre Dzierzon-Methode der 62 Wahre Parthenogenesis Indem ich mich zur näheren Auseinandersetzung der Dzierzon’schen Theorie über die Fortpflanzung der Bienen selbst wende, hebe ich aus der Zeugungsgeschichte der Bienen den ersten wichtigen Punkt hervor, auf dessen Feststellung Dzierzon ein ganz besonderes Gewicht legen musste, da eine Menge von auf die Fortpflanzung sich beziehenden Vorgängen in einem Bienenstocke nur dadurch ihre richtige Deutung und Erklärung findet, wenn man nämlich festhält: die junge noch unbefruchtete Königin begattet sich nie- mals im Bienenstocke, sondern immer ausserhalb‘ desselben hoch in der Luft. Ich übergehe den lebhaften Streit, der seit urdenklichen Zeiten von den Bienenzüchtern zur Vertheidigung oder Verwerfung dieses Satzes geführt wurde, und verweise nur darauf, dass noch von keinem Bienenzüchter, der sich durch Anwendung von Dzierzon-Stöcken den Einblick in das Innere eines Bienenstockes verschafft hat, eine Königin Bienenzucht zu eigen zu machen, denn (so spricht sich auch Berlepsch über die Dzierzon-Stöcke aus) die Erfindung, die an Stäbchen hängenden Waben einzeln herausnehmen zu können, ist unbedingt die praktisch wichtigste, die je in der Bienenzucht gemacht worden ist, die nothwendig alle bisherigen Methoden reformiren, resp. antiquiren muss und der allein Dzierzon die Trefflichkeit seiner Zuchten und die fast völlige Erschlies- sung der Naturgeschichte der Bienen, ihres Lebens und Webens verdankt. Nachdem Dzierzon sein geistiges Eigenthum durch Verkauf in fremde Hände gegeben, welche das Wichtigste seiner Methode, die richtige Con- struktion des echten Dzierzon-Stockes dem Publikum vorenthielten, machte derselbe einen anderen Versuch, seine Theorie und Praxis der Bienenzucht zur allgemeinen Kenntniss zu bringen, indem er im Jahre 1854 den Bie- nenfreund aus Schlesien, ein Monatsblatt zur Belehrung und Unterhaltung für Naturfreunde überhaupt und Bienenzüchter insbesondere drucken liess. Es sind von diesem Monatsblatt (in Commission bei Ad. Bänder in Brieg) bis jetzt 25 Nummern erschienen ; ich fürchte aber, dass dieses von Dzierzon gewählte Mittel wegen der unbequemen Form und wegen des etwas weitläuftig gehaltenen Textes nicht geeignet ist, das Publikum mit dem eigentlichen Kern der Dzierzon’schen Theorie und Praxis bekannt und vertraut zu machen. ! bei der Honigbiene. 63 mit einer Drohne innerhalb des Bienenstockes im Begattungs- akte überrascht worden ist. Die Drohnen sind immer, so lange sie sich im Bienenstocke befinden, äusserst träge Insekten, welche selbst durch die Nähe einer begattungslustigen Königin sich nicht aus ihrer Ruhe und ihrem Phlegma aufscheuchen lassen, dagegen erwacht in diesen sonst so trägen Drohnen, wenn sie ein warmer sonnenheller und windstiller Tag hinaus ins Freie gelockt hat, der Geschlechts- und Begattungstrieb in vollstem Maasse. Sie durchschwärmen hoch über ihrem Stocke mit lautem Gesumme die durchwärmte Luft, um die Aufmerk- samkeit einer Königin, welche von derselben günstigen Witte- rung zu ihrem Hochzeitsfluge angetrieben wurde, auf sich zu ziehen. Jedenfalls erreichen nur sehr wenige der vielen tau- sende von Drohnen das ersehnte Glück, ‚von einer Königin als Gatte ausgewählt und angenommen zu werden, da bekannt- lich die Zahl der weiblichen Bienen im Verhältniss zu der grossen Zahl männlicher Individuen nur eine höchst geringe ist. Durch dieses Missverhältniss sind aber auch die wenigen weiblichen Bienen, wenn sie begattungslustig ihren Hochzeits- flug unternehmen, stets gesichert, ihren Zweck zu erreichen, da es bei der Menge von in ähnlicher Absicht die Luft durch- schwärmenden Drohnen einer Königin nicht schwer fallen wird, die Wahl eines ihr zusagenden Gatten zu treffen. Dass bei den Bienen die Begattung in der freien Luft vor sich geht, ist wohl nichts Auffallendes, da man so viele an- dere Insekten frei in der Luft umherfliegend das Begattungs- geschäft abmachen sieht. Freilich wird der Begattungsakt von den Bienen sehr schnell vollzogen, was überhaupt allen denje- nigen Insekten eigen ist, welche mit den Bienen der Ordnung der Hymenopteren angehören, während die Männchen und Weibchen ausanderen Insektenordnungen gewöhnlich tagelang in der Begattung eng vereinigt bleiben. Aus diesem Grunde 64 Wahre Parthenogenesis gehört es mit zu den seltensten Begegnissen eines noch so auf- merksamen Entomologen, ein Hymenopteren-Pärchen ın flag- ranti zu überraschen'. Die Bienenzüchter dürfen sich daher nicht wundern, dass der Begattungsakt der Bienen bisher noch so wenig beobachtet worden ist. Indessen wurde derselbe denn doch hier und da einmal von menschlichen Augen zufällig ge- sehen, indem, was sich übrigens höchst selten ereignet, ein im Begattungsakte verhängtes Bienen-Paar aus hoher Luft herab auf die Erde stürzte. Solche vereinzelte Beobachtungen, über welche auch in der Bienenzeitung Nachricht gegeben wurde?, sind wohl beweisend genug, dass die Bienen ausserhalb des Bienenstockes sich begatten. Einen noch schlagenderen Beweis für diesen in der freien Luft vor sich gehenden Begattungsakt liefert ausserdem das Aussehen und Verhalten der vom Hochzeitsflug heimkeh- renden befruchteten Königin. Schon äusserlich kann sich der von einer solchen Königin vollbrachte Coitus verrathen, indem an derselben nicht bloss die vor dem Hochzeitsfluge verschlos- sen gehaltene äussere Mündung der Geschlechtswerkzeuge offen i) Es ist dies der Grund, weshalb man in keiner Ordnung der Insek- tenklasse so viele einzelne Weibchen oder einzelne Männchen als besondere Species aufgeführt findet, wie in der Ordnung der Hymenopteren; da bei diesen Insekten die weiblichen und männlichen Individuen von einer und derselben Art oft ganz verschieden gefärbt und gezeichnet sind, und da man sich auch nicht, wie bei den Schmetterlingen, um das Erziehen der- selben bekümmerte, so war es bei vielen dieser Hymenopteren bisher un- möglich, die zusammengehörenden Geschlechter einer Art herauszufinden. Es ist deshalb Gravenhorst auch zu entschuldigen, wenn derselbe (in seiner Ichneumonologia europaea) eine Menge Ichneumonen-Species auf- gestellt hat, die nur aus Weibchen oder Männchen bestehen. Es geschah dies gewiss nicht aus jener von vielen Entomologen übertriebenen Ruhm- sucht, neuen aber nicht in der Natur begründeten Arten einen Namen gegeben zu haben. 2) S. die Bienenzeitung 1845. pag. 3°, 1552. pag. 155, 1853. pag. 105 und 174. bei der Honigbiene. 65 steht, sondern indem auch die abgerissenen männlichen Begat- tungswerkzeuge in der Scheide stecken geblieben sind und zum Theil aus derselben hervorragen. Um diese fremdartigen Kör- per, welche schon oft in der Scheide einer vom Hochzeitsfluge zurückkehrenden Königin wahrgenommen wurden, ihrer Be- schaffenheit nach mit Sicherheit zu bestimmen, sendete mir Herr v. Berlepsch unterm 21. Juli 1853 eine solche Königin, aus deren aufgesperrter Geschlechtsöffnung bestimmt geformte Theile hervorragten, zur genaueren Untersuchung zu”. Die Resultate, welche mir die genaue anatomische und mikrosko- pische Untersuchung dieser Königin geliefert hat, habe ich ın der Bienenzeitung niedergelegt?. Ich konnte durch diese 1) Ebenda. 1846. pag. 95 und 1853. pag. 43. 107 u. 120. 2) Das diese Sendung begleitende Schreiben des Herrnv. Berlepsch enthielt unter anderen folgende Notizen: ‚‚Ununterbrochen beschäftigt, die Naturgeschichte der Honigbiene aufzuhellen resp. zum endlichen Ab- schlusse zu bringen, gelang es mir heute, eine zur Begattung ausgeflogen gewesene Königin, als sie eben in den Stock zurückwollte, mit einer Nadel zu durchstechen. Die Begattungszeichen stehen weit hervor. Indem ich mir nun erlaube, Ihnen diesen Cadaver zu übersenden, geht meine Bitte dahin, dass Sie die Gewogenheit haben wollen, durch Section festzustellen, 1) ob resp. welche Theile der Drohne in der königlichen Vulva sich befin- den und 2) wie das Samenbläschen beschaffen ist. Finden Sie Theile der Drohne in der Vulva, so wird man doch endlich zugestehen, dass die Droh- nen die Männchen sind, dass die Begattung ausserhalb des Stockes vor sich geht, und dass es albern ist, die Drohnen für Missgeburten auszuge- ben, und die Männchen unter den Arbeitsbienen zu suchen. Finden Sie ferner das Samenbläschen mit weissem Samen gefüllt, so ist Dzierzon’s Hypothese, wonach durch die Begattung nicht der Eierstock befruchtet, sondern das Samenbläschen mit dem männlichen Drohnensamen gefüllt wird, zur Evidenz erhoben.‘ 3) 8. Bienenzeitung. Jahrgang 1854. Nr. 20. pag. 227. Zergliederung einer vom Begattungsfluge heimgekehrten Dienenkönigin. Ein Sendschrei- ben an Herrn August v. Berlepsch in Seebach. Ich habe dieses Sendschrei- ben zugleich dazu benutzt, den Bienenzüchtern die anatomischen Verhält- nisse der Geschlechtswerkzeuge bei den Bienen auseinanderzusetzen, damit sie sich endlich überzeugten, dass nur nach Berücksichtigung dieser Ver- hältnisse die Bedeutung der Drohnen, der Königin und der Arbeiter in v. Siebold, Nachweis u. s. w. 5 u 66 Wahre Parthenogenesis Analyse feststellen, dass jene bestimmt geformten Theile in der Scheide der Königin nichts anderes waren als die abgerissenen einer Bienenkolonie richtig beurtheilt werden könnten. ‚Dass ich hierbei nichts überflüssiges unternommen habe, das liess mich der mehrfach in der Bienenzeitung ausgesprochene Dank erkennen, mit welchem meine Belehrung von vielen Freunden der Bienenzucht aufgenommen worden war. Ich glaubte übrigens, den Bienenzüchtern jenen Dienst erweisen zu müssen, wenn ich mich an das erinnerte, was über die verschiedenen irri- gen von Bienenzüchtern behaupteten Ansichten in Bezug auf die Fort- pflanzungsgeschichte der Bienen bis auf den heutigen Tag bekannt gewor- den ist (s. oben pag. 2). Um einen Beweis zu geben, auf welche Abwege dergleichen Bienenzüchter gerathen sind, welche mit gänzlicher Verken- nung der von der Natur gegebenen Objekte nur ihre eigene Meinung gel- tend machen wollen, so führe ich hier aus Magerstedt’s praktischem Bienenvater (oder Anleitung zur Kenntniss und Behandlung der Bienen. 1542. pag.6S) dasjenige wörtlich auf, was derselbe alsNaturgeschichte der Bienen lehrt: ‚‚Die Königin ist die Mutter aller Arbeitsbienen. Dieselben sind in grösserer Anzahl männlichen, in geringerer Zahl weib- lichen Geschlechts. Sie legt die Eier zu beiden Arten in die kleinen, engen Zellen des Baues. Das Brutgeschäft liegt, ausser den weiblichen, den männ- lichen Arbeitsbienen ob, dabei werden sie aber von den geschlechtslosen Drohnen, zur Förderung ihrer Arbeit, unterstützt, und darum ist die Zahl der Drohnen in der Zeit, wo die meiste Brut vorhanden ist, am stärksten. Ihr Geschäft ist vorzugsweise die Brut zu erwärmen, und die Tem- peratur der Stöcke in der Zeit zu erhöhen, während welcher die Arbeiter auswärts beschäftigt sind. Wenn mit mangelnder Nahrung und abnehmen- dem Brutgeschäfte ihre Gegenwart sich nicht mehr nöthig macht, werden sie abgetrieben. Die Königin wird aber nicht begattet. Ihr erster Befruch- tungsausflug erschüttert ihren Eierstock und dadurch wird sie zur frucht- baren Eierlege befähigt. ‘‘ Dieses mit solchen aufeinander gehäuften groben Irrthümern behafteteBuch ist ganzkürzlichin dritter Auflage erschienen. Herr v. Berlepsch hat mir versichert, dass er dem Verf. desselben mein Sendschreiben geschickt habe, damit sich derselbe eines anderen besinne. Nun kann man aber in dieser 1S56erschienenen dritten Auflage aufpag. 181 lesen : ‚„‚„Die Königin ist die Mutter aller Arbeitsbienen, die Arbeitsbienen sind in grösserer Anzahl männlichen als weiblichen Geschlechts. Die Na- tur hat beide Geschlechter äusserlich unterschieden. Die Königin wird nicht durch Begattung, sondern durch die Erschütterung ihres Eierstockes und durch die Einwirkungen derselben während der mehrmals zu wieder- holenden Befruchtungsausflüge zur Fortpflanzung befähigt. Die weiblichen Bienen werden ebenfalls durch Ausflüge und dadurch bedingte Erschüt- terungen ihres Eierstockes zur Eierlege befähigt. Aus den von weiblichen u bei der Honigbiene. | 67 Begattungsorgane einer männlichen Biene (Drohne). Eine innige Vereinigung beider Bienen-Geschlechter musste also hier stattgefunden haben. Das Zurückbleiben abgerissener Theile der männlichen Geschlechtswerkzeuge im Innern der weiblichen Scheide nach vollzogener Begattung ist übrigens ein Ereigniss, welches bei verschiedenen anderen Insekten, namentlich bei Käfern nicht selten vorkömmt. Mit diesem Verhalten der äus- seren Geschlechtswerkzeuge der von mir untersuchten Königin stimmte auch noch der Zustand der inneren Zeugungsorgane derselben genau überein, denn ihr Receptaculum seminis, (Sa- menbläschen), welches bei allen jungfräulichen Insekten-Weib- chen leer ist, war bei dieser Königin mit Spermatozoiden (Sa- "menfäden) über und über gefüllt. Diese Königin war also jeden- falls befruchtet nach ihrem Stocke zurückgekehrt und hättedie Fähigkeit gehabt, auf lange Zeit hinaus mit diesem Vorrath männlichen Samens bei dem Eierlegen die nöthige Befruchtung der Eier vorzunehmen. Da sich bei dem Begattungsakte der Bienen der Penis ei- ner Drohne vollständig nach aussen hervorstülpt und zu dieser Umstülpung des Ruthenkanals kein besonderer Muskelapparat vorhanden ist, so hat gerade der Umstand, dass sich die Droh- nen nur im Fluge begatten, eine wichtige Bedeutung, auf wel- che bereits Leuckart aufmerksam gemacht hat'; es werden Bienen gelegten Eiern gehen Drohnen hervor, die, weil völlig geschlechts- los, nicht an dem Fortpflanzungs- wohl aber an dem Brutgeschäfte mit- wirken.‘‘ Ferner auf pag. 279. ‚‚Erwiesener Maassen sind sie (die Drohnen) zur Befruchtung (der Königin) nicht nöthig.‘“ Was soll man zu einem sol- chen gänzlichen Ignoriren der Wahrheit sagen? Herr v. Berlepsch hat am Ende doch recht, dass er mir (in der Bienenzeitung. 1855. pag. 78) die Herrn Immker, wenn es darauf ankomme, sich der Anerkenntniss der Wahrheit zu entziehen, als ein sehr schwer zugängliches Immenvolk schilderte. 1) S. die Bienenzeitung, Jahrgang 1955. pag. 201. 5 * 68 Wahre Parthenogenesis nämlich während der Flugbewegung die verschiedenen Luft- säcke des Tracheensystems der Drohne mit Luft gefüllt, wodurch diese im Innern des Bienenleibes auf den benachbarten hervor- zustülpenden Ruthenkanal durch Druck einwirken können. Nach dieser einmaligen Befruchtung kann eine Bienen- königin eine lange Zeit hindurch willkürlich männliche oder weibliche Eier legen, denn sie hat durch die Füllung ihres Receptaculum seminis mit männlichem Samen sich die Fähigkeit angeeignet, auch weibliche Eier von sich zu geben, während sie vor der Begattung mit leerer Samenkapsel, also im jung- fräulichen Zustande, nur männliche Eier legen kann. Der zweite und wichtigste Punkt der neuen Zeugungstheorie der Bienen ist nämlich der von Dzierzon aufgestellte Satz: alle Eier, welche ın den beiden Eierstöcken einer Bienenkönigin zur Reife kommen, sind nur von einerlei Art, welche, wenn sie, ohne mit männ- lichem Samen in Berührung gekommen zu sein, gelegt werden, sich zu männlichen Bienen ent- wickeln, sich dagegenaber, wennsiedurch männ- lichen Samen befruchtet wurden, zu weiblichen Bienen ausbilden. Dzierzon behauptet also, jedes von einer Bienen- Königin unbefruchtet gelegte Ei liefert eine Drohne, jedes von ihr be- fruchtet gelegte Ei dagegen liefert eine Arbeiterin oder Königin, je nachdem die daraus hervorgeschlüpfte Larve mit Arbeiter- Futter oder Königinnen-Futter ernährt wird. Dieser Satz der Dzierzon’schen Theorie musste, als er zu- erst ausgesprochen wurde, das grösste Aufsehen erregen und erfordert vor Allem der genausten Prüfung unterworfen zu werden. Ehe ich diese Prüfung vornehme, will ich nur bemer- ken, dass schon von vorne herein ein Umstand für die Richtig- keit dieses Dzierzon’schen Satzes spricht, nämlich: dass mit ii bei der Honigbiene. 69 Festhaltung dieses Satzes jede auch noch so auffallende Er- scheinung im Geschlechtsleben der Biene ungezwungen erklärt werden kann. Da aber durch diesen Dzierzon’schen Satz zu- gleich ein altehrwürdiger physiologischer Lehrsatz umgestossen wird, nämlich dass ein Ei, welches sich zu einem männlichen oder weiblichen Individuum ent- wickeln soll, immer durch den männlichen 98a- men befruchtet sein müsse, so erscheint die Sa- che wichtig genug, um nach allen Seiten hin auf das sorg- fältigste erwogen und untersucht zu werden. Ich habe mich der Mühe unterzogen, und mit allen mir zu Gebote stehenden Mitteln Dzierzon’s Behauptung geprüft, wobei ich mich durch folgendes von der Richtigkeit derselben überzeugte. Zuerst berufe ich mich darauf, dass es bei den Insekten eine allgemeine Erscheinung ist, dass die Weibchen, auch wenn sie sich nicht begattet haben, ihre reifen Eier unbefruchtet ab- legen; es ist mithin nichts auffallendes, dass eine jungfräuliche Königin Eier absetzt. Nur darüber muss man sich wundern, dass diese Eier, obgleich sie unbefruchtet sind, nicht unent- wickelt bleiben, ja, was noch mehr ist, dass aus solchen Eiern immer nur Drohnen, also männliche Bienen hervorgehen. Ueber die Richtigkeit dieser Erscheinung werden von den Bienenzüchtern Beobachtungen in Menge angeführt, von denen ich nur als das schlagendste Beispiel die Drohnenbrütigkeit einer flügellahmen jungfräulichen Königin hervorhebe. Jeder aufmerksame und erfahrene Bienenzüchter kennt die übeln Folgen, welche eine mit verkrüppelten Flügeln ausgeschlüpfte Bienenkönigin, die sich die Herrschaft eines Bienenstockes angeeignet, nach sich zieht. Dieselbe sieht sich verhindert, den Hochzeitsflug zu unternehmen, sie folgt aber doch dem Drange zum Eierlegen und besetzt Arbeiter-Zellen und Drohnen-Zellen ohne Unterschied mit unbefruchteten Eiern; diese kommen 70 Wahre Parthenogenesis zur Entwicklung, die aus ihnen hervorgeschlüpften Larven werden von den Arbeitern mit Nahrung versorgt, sie wachsen heran, aber sämmtlich von gleicher Grösse und gleicher Be- schaffenheit, denn es sind sämmtlich Drohnen-Larven, von denen diejenigen, welche in Arbeiterzellen heranwuchsen, in diesen nicht Platz genug finden, weshalb die Arbeiter ihre en- gen Zellen, um Raum zu schaffen, nachträglich erhöhen und auf diese Weise buckelige Waben oder Waben mit sogenannter Buckelbrut herstellen. Einen sehr interessanten Versuch stellte Berlepsch an, um die Drohnenbrütigkeit einer jungfräulichen Bienen-Königin zu bestätigen. Derselbe liess nämlich Ende September 1854, also zu einer Zeit, wo es keineDrohnen mehr gab, Königinnen erbrüten; es glückte ihm, eine solche zu überwintern, dieselbe erzeugte im folgenden Jahre am 2. März Drohnenbrut, indem sie 1500 Zellen mit Buckelbrut besetzt hatte'). Dass diese drohnenbrütige Königin wirklich Jungfrau geblieben war, er- gab die Sektion, welche Leuckart auf Veranlassung des Herm v. Berlepsch mitdieser Königin vorgenommen hatte?. Die wahre Veranlassung einer solchen Drohnenbrütigkeit oder Buckelbrütigkeit eines Bienenstockes konnte aber auch nur von einem so scharfsinnigen und mit einer so ausgezeich- neten Beobachtungsgabe ausgestatteten Bienenzüchter, wie 1) S. die Bienenzeitung. 1855. Nr. 7. pag. 76. 2) Leuckart fand den Zustand und Inhalt der Samentasche dieser Königin eben so beschaffen (s. die Bienenzeitung. 1855. pag. 128), wie ich ihn an anderen jungfräulichen Königinnen wahrgenommen hatte (s. Germar’s Zeitschrift für die Entomologie. 1843. pag. 374). Das Recep- taculum seminis enthielt in allen diesen Weibchen niemals Samenmasse mit ihren karakteristischen Spermatozoiden, sondern nur eine wasserhelle zellen- und körnerlose Flüssigkeit, welche von den beiden Anhangsdrüsen der Samenkapsel herrührt, und, wie ich vermuthe, dazu dient, den in die Samenkapsel übergeführten Samen frisch und die Spermatozoiden beweg- Iıch und somit befruchtungsfähig zu erhalten, bei der Honigbiene. 71 Dzierzon, erkannt werden, während bis dahin von anderen Bienenzüchtern das einem Bienenstocke widerfahrende unglück- liche Ereigniss der Drohnenbrütigkeit ganz anders und falsch aufgefasst wurde./ Sie legten kein Gewicht darauf, dass ein sol- cher Stock nichts als Drohnenbrut enthielt, sondern sie wun- derten sich bloss, dass ein solcher von einer flügellahmen Kö- nigin beherrschter Stock überhaupt Brut enthielt und suchten sich diese Erscheinung dadurch zu erklären, dass diese uner- wartete Brut doch nur von einer befruchteten Königin herrüh- ren könne. Da aber die Königin, von der jene Brut abstammte, als flügellahm erkannt worden war, wurde man in Bezug auf das Begattungsgeschäft irre, und nahm an, dass diese flügel- lahme bruterzeugende Königin jedenfalls befruchtet sei und dass mithin der Begattungsakt von der Bienen-Königin inner- halb des Stockes vollzogen ‚werde. Dieser Trugschluss zog natürlich eine Menge anderer Irrthümer über die Bedeutung der einzelnen Bienen-Individuen und deren Handlungen nach sich, wodurch die richtige Einsicht in das Fortpflanzungsge- schäft der Bienen immer getrübt bleiben musste. Dzierzon allein liess sich bei seinen Beobachtungen nicht vom richtigen Wege ablenken, er hielt daran fest, dass die weibliche Biene nur nach abgehaltenem Hochzeitsfluge befruchtet in ihren Stock zurückkehren könne. Dzierzon begnügte sich aber mit diesem Erfahrungssatze nicht, er gieng in seiner rationellen Weise, das Bienenleben zu erforschen, weiter; er untersuchte die eierlegenden und drohnenbrütigen Königinnen, die er nach seinen Erfahrungen für Jungfrauen halten musste, genauer; er riss ihnen die Spitze des Hinter- leibes aus, wodurch es ihm gelang, das Receptaculum seminis, welches bei einem Bienenweibchen die Grösse eines Nadel- knopfes besitzt, zu Gesicht zu bekommen. Dzierzon kannte aus Erfahrung, dass eine befruchtete normal sich verhaltende u 2 2 ur Tr 12 | Wahre Parthenogenesis Bienenkönigin eine milchweiss gefärbte Samenkapsel ent- hält, welche durch Zerdrücken die milchige Samenfeuchtig- keit fahren lässt. Derselbe wusste, dass die leere Samenkapsel einer eben ausgeschlüpften jungfräulichen Königin nicht milchweiss, sondern wasserhell gefärbt ist, und überzeugte sich, dass in jenen flügellahmen drohnenbrütigen Königinnen das Receptaculum seminis wasserhell und samenleer war, sich mit- hin wie dieSamenkapsel einer jungfräulichen Königin verhielt. Ich habe mich über diese Beobachtungen mit Dzierzon mündlich besprochen und war, da ich aus eigener mikroskopi- scher Anschauung den Zustand der Geschlechtswerkzeuge einer jungfräulichen und einer befruchteten Königin genau kannte, dadurch im Stande, aus der Beschreibung, welche mir Dzier- zon von seinen hierüber ohne Mikroskop angestellten Unter- suchungen machte, ganz sicher zu beurtheilen, dass Dzierzon vollkommen richtige Begriffe über den Unterschied des Ver- haltens der Geschlechtswerkzeuge einer befruchteten und un- befruchteten weiblichen Biene sich verschafft hatte, und sich also in dieser Beziehung nicht wohl getäuscht haben konnte!. Ich fühlte mich ausserdem um so weniger veranlasst, die Richtigkeit dieser eben berichteten Beobachtungen Dzierzon’s zu bezweifeln, da ich mich ja erinnern musste, dass die Weib- chen gewisser Psychiden, nach meinen eigenen Erfahrungen, unbefruchtete Eier legen, die sich ebenfalls entwickeln, jedoch umgekehrt statt der Männchen nichts als Weibchen liefern. Dzierzon brachte mir übrigens noch durch andere Beobach- 1) In ganz ähnlicher Weise hat auch Berlepsch in Bienenstöcken, die von einer flügellahmen und deshalb unbegattet gebliebenen Königin bewohnt waren, Drohnen - und Buckelbrütigkeit entstehen sehen. Man vergleiche (in der Bienenzeitung Nr. 7.1855. pag. 75) dasvonBerlepsch an mich gerichtete wichtige und interessante Sendschreiben, in welchem derselbe die Frage erörtert: sind die Drohneneier befruchtet ? re Wer..ng des. 66 2 a bei der Honigbiene. 73 tungen Belege für seinen Satz herbei, dass aus unbefruchteten Bieneneiern, wenn sie sich entwickeln, immer nur Drohnen hervorkommen, und dass mithin die Bienenkönigin zur Erzie- lung von Drohnen-Brut die zu legenden Eier nicht zu befruch- ten nöthighhabe. Es ereignet sich nämlich hier und da in einem Bienenstocke, wie ich schon oben (pag. 49) erwähnt habe, zumal wenn derselbe weisellos geworden ist, dass einzelne Arbeiter Eier legen. Diese Erscheinung ist jedem erfahrenen Bienen- züchter längst bekannt, ja, man hatte schon die Erfahrung ge- macht, dass aus solchen von Arbeitern abgelegten Eiern sich nur Drohnen entwickeln ', aber erst durch den aufmerksamen Be- obachter Dzierzon wissen wir, warum solche eierlegende Arbeiter immer Drohnenmütter sind, oder mit anderen Worten, warum sich aus solchen von Arbeitsbienen herrührenden Eiern, wenn sie zur Entwicklung gelangen , immer nur Drohnen aus- bilden. Es steht diese Erscheinung mit der bereits erwähnten Drohnenbrütigkeit der jungfräulichen Bienenköniginnen im nächsten Zusammenhange. Schon durch Fräulein Jurine wurde anatomisch nachgewiesen, dass die Arbeitsbienen nichts anderes sind, als weibliche Bienen, deren Geschlechtswerkzeuge verküm- mert sind”. Es lassen sich in allen Arbeitern durch sorg- fältige Zergliederung die nicht zur vollständigen Entwicklung gekommenen Eierstocksröhren darstellen, welche mit einem unausgebildet gebliebenen Eierausführungsgange zusammen- 1) Vergl. Huber: neue Beobachtungen über die Bienen. pag. 194. Selbst zu Aristoteles’ Zeiten sind dergleichen Beobachtungen schon ge- macht worden, wie aus dessen Worten hervorgeht: Dicunt indicio esse, quod fucorum foetus innascantur etiam, ubi reges absint, apum autem non innascantur. Vergl. Aristotelis de animalibus historiae Libr. V. Cap. 19. (Edit. Schneider.) 2) Vergl. die oben (pag. 4) eitirten Schriften von Huber und Ratzeburg. f D ° a 5 am a [27 ZErW Zu » % 74 Wahre Parthenogenesis hängen. Ich habe schon im Jahre 1843 nachgewiesen, dass in allen Arbeitern mit diesem unentwickelten Eierausführungs- gange ein Anhang verbunden ist, der vollständig dem Recepta- culum seminis der Königinnen entspricht. Ich konnte bei den Arbeitern an diesem Anhange den Ductus seminalis, die Capsula seminalis und die beiden Glandulae appendiculares mit ihrem gemeinschaftlichen Ausführungsgange herausfinden, jedoch befanden sich alle diese einzelnen Theile des Receptaculum se- minis in einem sehr unentwickelten Zustande. Durch welche Veranlassung in gewissen Arbeitsbienen die Eierstocksröhren, welche bei den normal gebildeten Arbeitern stets leer bleiben, sich ausnahmsweise mit Eiern füllen können, das will ich in folgendem zu erklären versuchen. Es ist unter den Bienenzüchtern bekannt, dass in plötzlich weisellos gewor- denen Bienenstöcken die Arbeiter, wenn sie sich in den Besitz einer neuen Königin setzen wollen, einige mit einem Ei oder einer jungen Larve besetzte Arbeiterzellen aus- wählen, und diese zu Königinzellen (Weisel-Wiegen) erweitern und ausbauen, und dass sie alsdann die Larven, welche aus den in diesen ehemaligen Arbeiter-Zellen bereits abgesetzt ge- wesenen Eiern hervorgeschlüpft sind, oder von ihnen bereits ausgeschlüpft in solchen Arbeiterzellen vorgefunden wurden, nicht mit dem gewöhnlichen Arbeiter-Futter gross ziehen, son- dern ihnen Königinnen-Futter reichen, wodurch sich solche Larven zu Königinnen statt zu Arbeitern entwickeln, indem ja alle von einer befruchteten Königin in Arbeitszellen abgeleg- ten Eier von einer Art, das heisst weiblich sind. Damit aber die weiblichen Geschlechtswerkzeuge einer solchen Larve zur 1) Vergl. meinen Aufsatz über dasReceptaculum seminis der Hymeno- pteren- Weibchen in Germar’s Zeitschrift für die Entomologie. Bd. IV. pag. 375. bei der Honigbiene. 75 Entwicklung gelangen, muss die Larve Königinnen-Futtererhal- ten ; sollen dagegen die weiblichen Geschlechtswerkzeuge unent- wickelt bleiben zum Vortheile der für das. Arbeiten bestimmten Organe einer Arbeitsbiene, so wird dies durch Darreichung von Arbeiter-Futter erzielt. Ich lasse es dahin gestellt sein, worin der Unterschied der Arbeiter- und Königinnen-Fütterung be- steht, denn darüber sind die Bienenzüchter bisher noch uneinig gewesen, ob die Arbeiterlarven und Königinnenlarven ein und dasselbe Futter, letztere nur in grösserer Menge erhalten oder ob das Königinnenfutter nicht bloss der Quantität nach, son- dern auch der Qualität nach von dem Arbeiterfutter verschieden sei. Aus Leuckart’s vor kurzem angestellten Untersuchun- gen! geht übrigens hervor, dass auch ein qualitativer Unter- schied zwischen den beiden Fütterungsarten besteht. Die zu Arbeitern bestimmten Larven erhalten nur in den ersten Tagen ihres Lebens den von den Arbeitern in ihren Verdauungsorga- nen zubereiteten Futterbrei, während sie in den letzten Tagen ihres Larvenlebens mit Blumenstaub und Honig gefüttert wer- den, die Königinnenlarven dagegen werden während ihres ganzen Larvenzustandes mit jenem Futterbrei versorgt. Leuckart” fand in den sechs Tage alten weiblichen Larven die ersten Spuren der inneren Genitalien; in diese Zeit fällt gerade der Wechsel des Futters bei den Arbeiterlarven, welche bis dahin ganz wie die Königinlarven mit gleichem Futterbrei ernährt werden. Auf diese Weise erklärt sich der Umstand, der von den meisten erfahrenen Bienenzüchtern beobachtet wird, dass eine weibliche Larve nicht bloss von der frühsten Zeit an die Pflege einer Königin bedarf, um sich vollkommen 1) S. dessen Seebacher Studien in der Bienenzeitung. Jahrgang 1855. pag. 209. 2) 8. ebenda. pag. 210. FE 76 Wahre Parthenogenesis geschlechtlich zu entwickeln, sondern dass selbst mehrere Tage (sechs bis sieben Tage) alte Arbeiterlarven auch noch zu Köni- ginnen erzogen werden können, nachdem ihre engen Zellen nachträglich erweitert und statt mit Arbeiterbrod (Pollen und Honig) mit dem königlichen Futterbrei reichlich versorgt wurden. Wenn es nun feststeht, dass aus jeder beliebigen von einer befruchteten Königin abstammenden Larve einer Arbeiterzelle je nach der Fütterung und Pflege eine Arbeitsbiene oder eine Königin erzogen werden kann, so mag sich wohl in einem oder dem anderen Bienenstocke der Fall ereignen, dass einer oder mehreren Arbeiter-Larven in der Nachbarschaft einer Königin- nenzelle, in welche Königinnen-Futter eingetragen wird, durch irgend eine Verwechslung oder Störung bei der regelmässigen Futtervertheilung etwas von dem Königinnen-Futter zufällt, wodurch ihre Geschlechtswerkzeuge sich mehr oder weniger entwickeln. Es kann durch diesen Einfluss die Entwicklung der weiblichen Genitalien in einer Arbeiterin normwidrig bis zur Fähigkeit, wahre Eier zu legen, gesteigert worden sein'. Solche eierlegende Arbeiterinnen bleiben aber stets unbefruch- tet, sie fühlen sıch nicht als vollkommen weibliche Bienen, und unternehmen keinen Hochzeitsflug, der ihnen auch nichts helfen würde, da an denselben die Entwicklung der Begattungs- und Befruchtungsorgane mit der Entwicklung der Eierstöcke und des Eierleiters nicht gleichen Schritt gehalten hat. Die äusse- ren Geschlechtswerkzeuge sowie das Receptaculum seminis blei- ben bei diesen eierlegenden Arbeitern verkümmert, weshalb dieselben nicht im Stande sind sich zu begatten und befruch- 1) Huber (neue Beobachtungen über die Bienen. pag. 202) hat diese Erscheinungen im Bienenstocke bereits gekannt, und in ähnlicher Weise zu erklären versucht. ae bei der Honigbiene. 77 tenden Samen in sich aufzunehmen. Sie werden also nur unbefruchtete Eier legen können, aus denen sich, wenn sie wirklich zur Entwicklung kommen, nur männliche Bienen ausbilden, gleichviel ob sie in Arbeiterzellen oder Drohnenzel- len abgelegt waren. Die Drohnen - und Buckelbrütigkeit eines weısellosen Bienenstockes hat also darin ihren Grund, dass sich eine eierlegende Arbeitsbiene in Bezug auf die Beschaffen- heit ihrer abgesetzten Eier ganz wie eine eierlegende jungfräu- liche Königin verhält, beide können nur Mütter von Drohnen werden. Weshalb die eierlegenden Arbeiter nur unbefruchtete Eier legen können, das habe ich schon in meinem oben erwähnten Sendschreiben an Herrn v. Berlepsch auseinandergesetzt', freilich war es mir bisher nicht vergönnt gewesen, eine eier- legende Arbeitsbiene zu zergliedern, so dass also noch der Hauptbeweis für die Richtigkeit meiner Ansicht über die Droh- nenbrütigkeit der Arbeitsbienen zu führen übrig geblieben war. Diesen Beweis hat Herr v. Berlepsch nachträglich geliefert, indem derselbe eine drohneneierlegende Arbeitsbiene secirt und einen kleinen Eierstock mit etwa acht ziemlich entwickelten Eiern, aber kein Receptaculum seminis gefunden ”*. Derselbe begnügte sich mit dieser von ihm angestellten Untersuchung nicht, sondern nahm, um die ungläubigen Bienenzüchter zur Anerkennung der Wahrheit geneigter zu machen, auch noch 1) Vergl. die Bienenzeitung. 1854. pag. 231. 2) Ebenda. 1555. pag. 78. Auch Huber (s. dessen neue Beobacht. pag. 192) hat solche eierlegende Arbeiter secirt, und in dem einen Indivi- duum eilf, in dem anderen vier reife Eier aufgefunden. 3) Dass Herr v. Berlepsch sich die Kunst, eine Biene zu anatomi- ren, angeeignet hat, davon habe ich mich vorigen Sommer bei meinem wei- ter unten zu erwähnenden Besuche in Seebach mit eigenen Augen zu über- zeugen Gelegenheit gehabt. 78 Wahre Parthenogenesis die Hülfe eines Entomotomen in Anspruch. Leuckart aus Giessen zergliederte in Seebach auf Berlepschs Veranlassung zwei beim Eierlegen abgefangene Arbeiter, von denen leider das eine Individuum, wieLeuckart berichtete ', nicht mehr guter- halten war, dagegen konnte derselbe an dem anderen Individuum den Geschlechtsapparat mit seinen einzelnen Theilen im Zusam- menhange herauspräpariren und auf den ersten Blick aus der Beschaffenheit desselben die eierlegende Bieneerkennen. Erfand rechts sechs links fünf Eierstocksröhren mit vereinzelten reifen Eiern. Der unpaare Eiergang war, wie Leuckart sagte, ohne Anhangsgebilde. Auch an dem zuerst erwähnten eierlegenden Arbeiter konnte Leuckart keine Samentasche nachweisen, obwohl dieses Gebilde bei Königinnen noch deutlich zu unter- scheiden ist, wenn auch die übrigen Eingeweide bereits durch Zersetzung fast völlig aufgelöst sind. Ich muss hier daran er- innern, dass das Receptaculum seminis, wie‘ich schon oben (pag. 74) erwähnt habe, den Arbeitsbienen nicht gänzlich fehlt, sondern dass es in denselben nur unentwickelt bleibt und bei genauer mikroskopischer Untersuchung als ein sehr kleiner Anhang des Eierleiters erkannt werden kann. Leuckart hat dieses Anhangsgebilde an der von ihm untersuchten eier- legenden Biene übersehen, sich aber durch spätere Untersu- chungen, wie er selbst eingesteht*, bei den Arbeitsbienen von dem Vorhandensein der rudimentären Samentasche überzeugt. Jedenfalls geht aus den Untersuchungen von Berlepsch und Leuckart hervor, dass in den von ihnen zergliederten eier- legenden Arbeitern das Receptaculum seminis nicht in derselben Entwicklung, wie bei der Bienenkönigin, vorhanden gewesen ist, da dasselbe in seinem vollkommen entwickelten Zustande 1) S. die Bienenzeitung. 1855. pag. 203. 2) S. ebenda. pag. 211. bei der Honigbiene. 79 von der Grösse eines Nadelknopfes selbst dem unbewaffneten Auge sichtbar ist und demnach der Aufmerksamkeit jener bei- den Beobachter nicht entgangen wäre. Eine andere Ursache, welche in einem Bienenstocke Drohnenbrütigkeit hervorruft, kann ebenfalls aus Dzierzon’s Theorie folgerichtig erklärt werden. Es ereignet sich nämlich in gewissen aber freilich sehr seltenen Fällen; dass befruchtete Bienenköniginnen in vorgerücktem Alter gegen Ende ihrer Lebensthätigkeit drohnenbrütig werden, nachdem sie sich bis dahin in Bezug auf Erzeugung von Drohnen, Weibchen und Arbeitern normal gezeigt hatten ; normale befruchtete Königin- nen verlieren also mit der Zeit die Fähigkeit, Arbeiter und Weibchen hervorzubringen, die von solchen alten Königinnen abgesetzte Brut lässt sich nur zu männlichen Bienen erziehen, jedenfalls aus dem nach Dzierzon’s Theorie von selbst einleuch- tenden Grunde, weil sich der Vorrath von Samen in dem Recep- taculum seminis einer befruchteten Königin allmälig erschöpft. Da eine Königin nur einmal in ihrem Leben den Hochzeitsflug unternimmt und mit dem durch einen einzigen Begattungsakt empfangenen Samen einige Jahre hintereinander viele tausende und tausende für die Arbeiterzellen bestimmte Eier befruchtet, so wird, wenn auch zur Befruchtung eines Eies nur ein oder ein paar Spermatozoiden des männlichen Samens gebraucht werden, am Ende die Samenmasse doch aufgebraucht werden und dabei die alte Königin die Fähigkeit verlieren, die nöthige Zahl befruchteter Eier zu legen *. 1) Nach einer von Dzierzon mir gemachten Mittheilung kann eine Königin durch eine einmalige normal von statten gegangene Begattung fünf Jahre lang die Fähigkeit erlangen, befruchtete Eier zu legen. 2) Ich lasse hierüber den erfahrenen Bienenzüchter v. Berlepsch sprechen, wie er es in der Bienenzeitung (Jahrg. 1555. pag. 78) mit fol- genden Worten gethan hat: ‚‚Es ist Thatsache, dass Königinnen, wenn 80 Wahre Parthenogenesis Aus den bisher mitgetheilten Hergängen wird es einleuch- ten, wie eine unbefruchtet gebliebene Königin, oder eine alte Königin oder eierlegende Arbeiter auf ein Bienenvolk nach- theilig einwirken müssen ; sie bringen in einem Bienenstocke immer Unordnung hervor, indem sie nur träge Drohnen erzeu- gen und den Verlust an Arbeitern, dem jeder Bienenstock aus- gesetzt ist, durch Erzeugung neuer Arbeiter nicht ersetzen können. Dagegen wird ein Bienenvolk, das sich des Besitzes einer lebenskräftigen befruchteten Königin erfreut, wohl ge- deihen, indem von derselben die Drohnen, die Arbeiter, sowie die zur Absetzung junger Schwärme nöthigen Königinnen zur rechten Zeit und im gehörigen Zahlenverhältnisse erzeugt wer- den, wozu die Arbeiter die nöthigen Drohnenzellen , Arbeiter- zellen und Königinzellen beschaffen und herrichten. Die Dzierzon’sche Lehre schliesst ausserdem noch die Annahme mit ein, dass jede normal beschaffene und befruchtete Königin zugleich auch die Fähigkeit besitzen muss, nach Willkür bald männliche bald weibliche Eier zu legen, das heisst, willkürlich beim Eierlegen ein Ei unbefruchtet zu lassen oder befruchtet abzu- setzen. ihre Fruchtbarkeit auf die Neige geht, mehr oder weniger Drohneneier in Arbeiterzellen zwischen weibliche Eier legen, ja sogar bei höchst frucht- baren Königinnen kommt es gar nicht selten vor, dass einzelne Drohnen aus Arbeiterzellen mitten zwischen Arbeiterinnen auslaufen. Wie ist diess ohne die Dzierzon’sche Hypothese erklärbar, da doch auch hier die Köni- ginnen offenbar keine männlichen, sondern weibliche Eier legen wollen. An die Dzierzon’sche Hypothese mich lehnend, conjecturire ich, dass bei Königinnen, wo die Fruchtbarkeit bereits im Erlöschen ist, nicht jedes Ei mehr befruchtet werden kann, weil das Receptaculum nicht mehr gehörig mit Sperma gefüllt ist, bei Königinnen aber, die noch in der Vollkraft ihrer Fruchtbarkeit sich befinden, mag hin und wieder ein Ei, das befruchtet werden soll, unbefruchtet vorübergleiten, mag ein Spermatozoon sich nicht anhängen oder wieder verloren gehen, ehe es sich durch die Mikropyle in den Dotter bohren kann.‘* bei der Honigbiene. 81 Auf die Frage, wie eine Königin wissen könne, wann sie ein männliches oder weibliches Ei zu legen habe, wird zu ant- worten sein, dass der Instinkt es einer Königin sagen wird, und zwar in dem Augenblicke, während dessen sie ihren Hinterleib in eine weite Drohnenzelle, oder in eine enge Arbei- terzelle zum Eierlegen hineinschiebt. _ Den Unterschied der weiteren und engeren Zellen wird eine normale Königin gewiss mit ihrem Hinterleibe herausfühlen, und sie wird durch dieses Gefühl wissen, dass sie in einer engen Zelle das abzusetzende Ei befruchten müsse, während sie in einer weiten Zelle das Ei unbefruchtet abzulegen habe. Auch durch die eigenthümliche Beschaffenheit einer unvollendeten Weiselwiege wird eine nor- male Königin instinktmässig zum Befruchten des hier einzu- setzenden Eies aufgefordert werden. Hiermit hätte Dzierzon eine Erscheinung erklärt, welche man im Bienenstocke von jeher als ein wunderbares Räthsel angestaunt hat, nämlich jene Fähigkeit der normal beschaffenen Königinnen, die Droh- nen-, Arbeiter- und Königinnen-Zellen der Waben, welche an jedem Bienenstocke in anderer Zahl und Anordnung ange- bracht sind, mit den richtigen Eiern zu besetzen. Freilich wäre noch übrig, aus der Organisation und Anordnung der einzelnen Abschnitte der weiblichen Geschlechtswerkzeuge nachzuweisen, dass wirklich durch die Anwesenheit von be- stimmten willkürlichen Muskeln es einer befruchteten Königin möglich sei, den Samen nach Willkür in dem Receptaculum seminis zurückzuhalten oder aus demselben zu entleeren. Aus meinen früheren oben (pag. 5) angeführten Untersuchungen, welche ich an befruchteten Insektenweibchen angestellt habe, geht hervor, dass durch die Begattung der Insekten nicht die Eierstöcke befruchtet werden, sondern nur das Receptaculum seminis mit Samen gefüllt wird, und dass erst während des Eierlegens in dem Augenblicke, während das zu legende v. Siebold, Nachweis u. s. w. 6 — 33 Wahre Parthenogenesis Ei im Eierleiter an der Einmündungsstelle des Recep- taculum seminis vorbeischlüpft, die Befruchtung desselben erfolgt. Ich berufe mich hierbei auf diejenigen Insekten-Weib- chen, welche nach vollzogener Begattung ihre Männchen ım _ Herbste überleben, mit nur unvollständig entwickelten Ovarien überwintern und erst im folgenden Frühjahre, nachdem sich ihre Ovarien mit reifen Eiern gefüllt, befruchtete und ent- wicklungsfähige Eier legen'. Solche Weibchen bewahren also den bei der Begattung empfangenen männlichen Samen in ihren Samentaschen auf, erhalten denselben frisch, wahrschein- lich mit Hülfe des Sekrets der Anhangsdrüsen der Oapsula se- minalis, und entleeren denselben willkürlich nach Bedürfniss bei dem Legeakte. Zu diesem Zwecke sind in der That beson- dere willkürliche Muskeln vorhanden, welche ich bei vielen Käfer-Weibchen in der äusseren Umgebung der Samenkapsel beobachtet habe*). Auch in der nächsten Umgebung des Recep- taculum seminis der weiblichen Bienen sah ich willkürliche Muskeln, ohne jedoch mit Sicherheit angeben zu können, wel- chen bestimmten Funktionen sie zu dienen haben. Die Mög- lichkeit einer willkürlichen Samenentleerung aus der Samen- tasche befruchteter Insekten-Weibchen wäre hiernach wenig- stens nicht abzuläugnen, zumal da das willkürliche Absetzen von männlichen und weiblichen Eiern bei einer Bienenkönigin sich aus der geschlechtlichen Beschaffenheit der von ihr aus- gegangenen Brut nachweisen lässt. Nachdem ich Herrn 1) Vergl. hierüber meine an überwinterten befruchteten Wespen- und Schnacken-Weibchen angestellten Beobachtungen in Wiegmann’s Ar- chiv für Naturgeschichte. Jahrg. 1839. Bd.I. pag. 107 und in Germar’s Zeitschrift für die Entomologie. Bd. II. 1840. pag. 443. 2) S. meine Untersuchungen über die Spermatozoen in den befruch- teten Insekten-Weibchen in Müller’s Archiv. 1837. pag. 398. Taf. XX. - Fig. 1 und 2g und pag. 423. a T bei der Honigbiene. 83 v. Berlepsch auf die Anwesenheit von willkürlichen Muskeln am Receptaculum seminis aufmerksam gemacht, sprach sich derselbe hierüber in folgender Weise aus'!: ‚,‚Wahrscheinlich hat die Königin die Fähigkeit, die Mündung des Receptaculi nach Belieben, vielleicht durch Zusammenziehung der gesamm- ten Blasenhaut, zu schliessen, oder auch das ganze Receptacu- lum von der Röhre des Eileiters, in welchen es mündet, seit- wärts abzubewegen, etwas zurückzuziehen, damit diejenigen Eier, welche sie in männliche Zellen absetzen will, unberührt vom Sperma vorbeigleiten können.‘‘ Es lässt sich die Fähigkeit einer befruchteten Königin, nach Willkür männliche oder weibliche Eier zu legen, noch aus folgendem Versuche erweisen. Man kann nämlich in einem Dzierzon-Stocke eine befruchtete Königin bis zu einem gewis- sen Grade zwingen, männliche oder weibliche Eier zu legen. Die Einrichtung des Dzierzon-Stockes erlaubt es, in demselben die Beschaffenheit der von den Arbeitern angefertigten Waben genau zu revidiren; bereiten die Arbeiter eines mit einer nor- malen Königin ausgestatteten Stockes zu viele Drohnenzellen, die man vielleicht nicht haben will, oder bedarf der Stock mehr Arbeiter, so kann man die Drohnenwaben, deren Zellen die Königin in nächster Zeit mit männlichen Eiern, das heisst, mit unbefruchteten Eiern besetzt haben würde, herausnehmen und statt derselben Waben mit leeren Arbeiterzellen einhängen, die Königin wird auch diese Waben mit Eiern besetzen und zwar der Beschaffenheit der Zellen entsprechend mitweiblichen, das heisst, mit befruchteten Eiern, aus denen die Arbeiter ihres gleichen erziehen können. Im Sommer kann man die Königin volkt@&cher Stöcke veranlassen, Drohneneier abzusetzen, wenn man mitten in den Stock eine leere Drohnenwabe einhängt. % 1) S. Bienenzeitung. Jahrg. 1855. Nr. 7. pag. 77. 6* 84 Wahre Parthenogenesis Hieraus ergiebt es sich, dass der verständige Bienenzüchter es durch die Wahl der einzuhängenden Waben in der Hand hat, nach welcher Richtung er die Thätigkeit dieses oder jenes Bie- nenvolkes hinlenken will und dass derselbe die Desorganisation und Demoralisation eines Bienenstockes zum Theil durch pas- sende Nachhülfe verhüten kann. Ehe ich mich nun zu dem streng wissenschaftlichen Beweise wende, welcher mir noch zu liefern übrig ist, um der von Dzierzon eigentlich nur als Hypothese hingestellten Ansicht über die Zeugung der Bienen Geltung zu verschaffen und zu einer Theorie zu erheben, damit sie in der Fortpflanzungsgeschichte der Thiere den ihr gebüh- renden Platz einnehmen könne, will ich hier noch einige mehr empirische Beweismittel anführen, durch welche allein schon die Richtigkeit der Dzierzon’schen "Theorie schlagend darge- than wäre, wenn nicht die Wichtigkeit derselben noch ein- dringlichere Thatsachen zu ihrer Feststellung erforderte. Ich darf es nicht unerwähnt lassen, dass Dzierzon, nachdem er durch Aufstellung seiner neuen Theorie eine Menge Gegner ins Feld gerufen und nachdem ihm von den verschie- densten Seiten alle möglichen erdenklichen Einwendungen gegen die Richtigkeit seiner Theorie gemacht wurden, selbst die vollständige Haltbarkeit seiner 'Theorie zu bezweifeln an- fängt. Trotzdem, dass Dzierzon in jüngster Zeit sich über gewisse Punkte seiner Theorie eigenthümlich rückhaltend und vorsichtig ausspricht', halten nichtsdestoweniger andere viel- erfahrene Bienenzüchter an dieser Theorie fest, da ihnen, nach- dem sie sich einmal mit derselben vollkommen vertraut gemacht haben, über jedes noch so unerwartete und fremdartig schei- nende Freigniss in einem Bienenstocke mit Hülfe dieser Theorie augenblicklich das Verständniss aufgeht. Ba 1) S. dessen Bienenfreund aus Schlesien. Nr. $. 1554. pag. 64. bei der Honigbiene. s5 Vor allen ist hier Herr v. Berlepsch zu nennen, der es sich zur besonderen Aufgabe gestellt hat, die Dzierzon’sche Theorie nach allen Richtungen hin mit seinem Reichthum von Bienenstöcken zu prüfen. Sein auf das sorgfältigste gepflegter und in der musterhaftesten Ordnung gehaltener Bienenstand bietet aber auch ganz einzig in seiner Art durch Einrichtung, Anordnung und Masse des Materials die beste und sicherste Gelegenheit, dergleichen durch Dzierzon hervorgerufene auf das Bienenleben sich beziehende Fragen zu prüfen und zu be- antworten. Von Berlepsch wurden folgende höchst interessante Versuche und Beobachtungen angestellt, welche Dzierzon selbst, nachdem er an seiner eigenen Theorie Zweifler geworden zu sein scheint, wieder bekehren müssen. Berlepsch fieng im Mai 1854 eine alte fruchtbare Kö- nigin ab', und sperrte sie in einen kleinen Weiselkäfig, um sie später nach Herstellung einer neuen Bienenkolonie dieser einzuverleiben. Sie befand sich im normalen Zustande und hatte bis dahin die erforderlichen Drohnen und Arbeiter erzeugt. Berlepsch meldet von dieser Königin wörtlich folgendes: „Als ich das in einem Falz laufende Kläppchen (des Weisel- käfigs) zuschieben wollte, quetschte ich die Königin am Ende des Hinterleibes so bedeutend, dass sie den ganzen Hinterleib, wie eine gestochene Biene, zusammenzog und, nachschleppen liess. Ich hielt sie anfänglich für verloren, gab sie jedoch, als sie nach einer Stunde noch lebte, und wieder gestreckt und ruhig dasass, ihrem Volke zurück. Sie legte nach wie vor Tau- sende von Eiern, aber aus allen entwickelten sich vonnunanDrohnen. Hätte ich diese Königin nur sogleich, 1) Vergl. das von Berlepsch an mich gerichtete Sendschreiben in der Bienenzeitung. Jahrg. 1855. Nr. 7. pag. 78. ne s6 Wahre Parthenogenesis als ich ihre Drohnenbrütigkeit gewahr wurde, secirt, dann hätte ich wenigstens gesehen, ob das (Samen-) Bläschen über- haupt noch vorhanden und normal gefüllt gewesen wäre. Ich verschob jedoch die Sektion, und als ich sie endlich vornehmen wollte, war die Königin weg. Diesen gewiss höchst merkwür- digen, für die Dzierzon’sche Hypothese des Unbefruchtetseins aller männlichen Eier laut sprechenden Vorfall theilte ich frü- her privatim dem Präsidenten Busch mit und bat um dessen Ansicht, weil ich damals, wo ich noch nicht gewiss wusste, dass das Bläschen das Receptaculum seminis und der weisse Schleim (Inhalt desselben) das Sperma virile ist, mir keine be- stimmte Ansicht bilden konnte. Busch war aber auch rath- los, mein (Diener) Günther hingegen meinte, vielleicht sei das Receptaculum zerdrückt und vernichtet worden. Diess halte ich jedoch für höchst unwahrscheinlich, da ein Zerdrücken des regelmässig sehr festen Receptaculi zwischen den so wei- chen es umgebenden 'Theilen des Leibes der Königin, ohne dieser selbst schnell den Tod zu bereiten, nicht wohl möglich sein dürfte. Ich glaube daher, dass nur Organe, die beim Schliessen und Oeffnen der Mündung oder beim Zurückziehen und Vorbringen des Receptaculi thätig sein mögen, gelähmt, gesteift etc. wurden.‘‘ Wenn ich mich gutachtlich über diesen interessanten Fall aussprechen soll, so vermuthe ich, dass durch jene Quetschung des Hinterleibes das mit Samen gefüllte Receptaculum seminis der Königin an seiner Einmündungsstelle von dem Eierleiter abgerissen wurde, wodurch die auf diese Weise verletzte Köni- gin nicht mehr im Stande war, ihre Eier bei dem Legen zu befruchten und also nur unbefruchtete, mithin männliche Eier legen konnte. a Ueber einen den Dzierzon’schen Haupt - Lehrsatz bestäti- genden Versuch, welchen Berlepsch in Folge des Studiums 5 bei der Honigbiene. 87 von Joh. Müller’s Physiologie des Menschen angestellt, theilte derselbe folgendes mit': ‚, Jetzt erst erhielt ich völlige Ueberzeugung von der Existenz der Spermatozoen, und als ich im gedachten Werke (Bd. II. pag. 636) las, dass hehe und niedere Temperatur die Bewegung der Sper- matozoen aufhören lassen, dachte ich: nun ist dir Dzierzon’s Fall? ganz erklärlich, und wenn es wahr ist, dass bei Apis mellifica die männlichen Eier sich spontan regel- mässig zu Männchen entwickeln, in weibliche aber nur duich die Befruchtung der Spermatozoen umgewandelt werden, so muss jede normal fruchtbare Königin von dem Momente an aufhören , weibliche Eier zu legen, wo es gelänge, die Sper- matozoen, ohne das Mutterthier selbst zu tödten, unbeweglich zu machen (zu tödten). Ich nahm daher Ende Juni 1854 drei sehr fruchtbare Königinnen, sperrte jede in einen Weiselkäfig, gieng nach Mühlhausen und stellte die Käfige in den Eiskeller eines mir befreundeten Gastwirths. Dort liess ich sie etwa 36 Stunden stehen. Die Königinnen waren natürlich völlig er- starrt, förmlich weiss beduftet, und als ich mit ihnen nach Seebach zurückkam, exponirte ich sie der eben aufgehenden Sonne. Lange regte sich keine; endlich gegen sieben Uhr be- merkte ich an einer Bewegungen der Füsse. Ich brachte ihr mittelst eines feinen Hölzchens etwas Honig an den Rüssel und nach noch 10 — 12 Minuten war sie ins Leben zurückge- kehrt. Die beiden anderen hingegen blieben todt. Diess war für mich sehr auffällig, da selbst Arbeitsbienen, deren Vitalität doch sehr bedeutend schwächer als die der Königinnen ist, u ——— 1) S. desselben Sendschreiben a. a. OÖ. pag. 90. 2) Berlepsch bezieht sich hier auf den von Dzierzon mitgetheil- ten Fall (Bienenzeitung. 1854. pag. 252. 2.), dass eine längere Zeit erstarrt gewesene Königin, nachdem sie durch Wärme wieder belebt worden, nur noch männliche Eier gelegt habe, während sie früher auch weibliche gelegt. en ss Wahre Parthenogenesis ° % nach so kurzer Erstarrung in der Regel wieder aufleben, und ich kann den Grund nur darin finden, dass die Temperatur des Eiskellers zu niedrig war und dass deshalb die Königinnen usehr vom - Froste durchdrungen wurden, wenn nicht viel- icht ‚auch der Umstand mit zum Tode gewirkt hat, dass die öniginnen zu sehr eierschwanger waren und deshalb weniger als sonst äusserlich störende Einwirkungen auf ihren Körper ertragen konnten. Die Wiederbelebte gab ich ihrem Volke zu- rück. Sie legte nach wie vor Tausende von Eiern in kleine Zellen, aber aus allen entwickelten sich nur Männ- chen. Als ich später das Sperma untersuchte, fand ich es we- niger consistent, in’s Gelbliche spielend.“ Offenbar geht aus diesem höchst interessanten Versuch hervor, dass dıe männlichen Eier der Biene keiner Befruch- tung bedürfen ; die Spermatozoiden, welche diese einer so stren- gen Kälte ausgesetzt gewesene Königin in ihrer Samentasche enthielt, waren jedenfalls erstarrt und nach dem Aufthauen _ nicht wieder beweglich geworden, so dass also diese Königm nur unbefruchtete Eier legen musste, denn wenn sie auchden Inhalt ihres Receptaculum seminis bei dem Belegen der Arbei- terzellen mit Eiern über diese entleerte, um sie zu befruchten, werden die starren Spermatozoiden wirkungslos geblieben sein. Einen dritten empirischen Beweis, durch welchen der Hauptsatz aus der Dzierzon’schen Zeugungstheorie der Bienen eine Stütze findet, liefern die Erscheinungen, welche sich an den Bastarderzeugungen der Bienen beobachten lassen. Auf Bastardbildungen der Bienen ist man erst in neuester Zeit auf- merksam geworden, seitdem durch Dzierzon und Ber- lepsch die italienische Bienenrace in Deutschland eingeführt worden ist. Die sogenannten italienischen Bienen bilden keine besondere Species, sondern müssen nur als Varietät der Apis mellifica betrachtet werden. Diese italienischen Bienen unter- ei ” bei der Honigbiene. 89 * scheiden sich auf den ersten Blick durch ihre ledergelbe Fär- bung des Hinterleibs von den einfarbigen schwarzbraunen deutschen Bienen. Bei den Weibchen und Arbeitern der ita- lienischen Bienenrace erscheint das erste, zweite und dritte Hinterleibssegment rostgelb (colore rufo -ferrugineo) gefärbt und schwarz gerandet, dieser schwarze Rand ist am ersten Segmente sehr schmal, am zweiten breiter und am dritten Segmente am breitesten. Die italienischen Drohnen haben die Mitte des Hinterrandes des zweiten, dritten, vierten und oft auch des fünften Hinterleibssegmentes breit rostgelb gefärbt, wodurch das schwarzbraune Abdomen dieser Drohnen auf dem Rücken wie mit drei bis vier rostbraunen Querbinden besetzt erscheint, von denen die erste Binde die breiteste ist. Die deutschen Drohnen besitzen dagegen nur ganz schmal rostgelb gerandete Hinterleibssegmente!. Nach Aussage von Dzierzon 1) Diese Varietät der Apis mellifica ist schon ausserordentlich lange in Italien und überhaupt in Südeuropa einheimisch, denn bereits Virgil und noch früher Aristoteles erwähnen bei ihren Beschreibungen des Bienenhaushaltes diese rostgelben Bienen. Immer müssen aber auch ein- farbige dunkle Bienen zwischen den rostgelb- gefleckten oder bunten Bie- nen vorgekommen sein, da beide Autoren auch von schwarzen Bienen re- den. In Aristotelis de animalibus historiae Lib. V. Cap. 18. 2. heisst es: Regum autem genera duo; praestantior rufus: alter niger et varius magis. Ferner Lib. V. Cap. 19. 1. In genere apum praestantissima quae parva, rotunda, varia: alterum genus est oblongum et vespae (anthrenae) simile : tertium furem vocant: niger is, alvo lata. Quartus fucus, omnium maximus, sine aculeo, ignavus. Bekannt sind die Verse Virgil’s, mit welchen derselbe (Georgicon Libr. IV. 91) die bunten Bienen in Vergleich zu den schwarzen für edler erklärte: 4 Alter erit maculis auro squalentibus ardens: Nam duo sunt genera: hic melior, insignis et ore, f 2 clarus squamis; ille horridus alter Desidia, latamque trahens inglorius alvum. Ut binae regum facies, ita corpora plebis. Namque aliae turpes horrent: ceu pulvere ab alto Quum venit, et sicco terram spuit ore viator, 90 Wahre Parthenogenesis “ und Berlepsch, welche sich um die Zucht und Verbreitung der italienischen Bienen in Deutschland ganz besonders ver- Aridus; elucent aliae, et fulgore coruscant, Ardentes auro et paribus lita corpora guttis. Haec potior suboles. Auch die Mittheilungen, welche Varro und Columella über Bienen- zucht gemacht haben, sprechen dafür, dass in Italien die goldfarbigen oder bunten Bienen und die einfarbigen schwarzbraunen Bienen neben- einander vorkommen. Man vergleiche Seriptorum rei rusticae veterum la- tinorum (edit. Schneider) Tom. 1. pag. 316. VarronisLib. III. Cap. 16. Ut quidam dicunt, tria genera cum sint ducum in apibus, niger, ruber, varius, ut Menecrates scribit duo, niger, et varius: qui ita, melior; ut expediat mellario, cum duo sint eadem alvo, interficere nigrum, quem seit cum altero rege esse seditiosum, et corrumpere alyum, quod fuget, aut cum multitudine fugetur. De reliquis apibus optima est parva, varia, ro- tunda. Columella (Lib. IX. Cap. III. ebenda. Tom. II. P. I. pag. 437) bezieht sich bei der Beschreibung der Bienen auf die Angaben des Aristo- teles und Virgil, und sagtvon den Königinnen (Cap. X. ebenda. p. 453): Sunt autem hi reges majores paulo et oblongi magis quam caeterae apes, rectioribus cruribus, sed minus amplis pinnis, pulchri coloris et nitidi, levesque ac sine pilo, sine spiculo, nisi quis forte pleniorem quasi capil- _ lum, quem in ventre gerunt, aculeum putet, quo et ipso tamen ad nocen- dum non utuntur. Quidam etiam infusci atque hirsuti reperiuntur, quo- rum pro habitu damnabis ingenium. Also schon von den Römern wurden die bunten und goldgelben Bienen mehr geschätzt wie die einfarbige schwarzbraune Bienenrace. Dass diese rostgelbe Varietät der Honigbiene noch gegenwärtig in Italien sehr verbreitet lebt, geht aus der Beschrei- bung hervor, welche Spinola (Insectorum Liguriae species novae aut rariores. Tom. I. 1806. pag. 35) von einer in Piemont einheimischen Ho- nigbiene gegeben hat. Diese von Spinola mit dem Namen Aprs ligustica belegte Biene stimmt nach der Beschreibung ganz mit der aus Italien bei uns seit Kurzem eingeführten rostgelben Biene überein. Zwei bei Bellin- zona und Sesto Calende am Lago maggiore eingefangene Individuen der Apis ligustica, welche ich hier mit einigen in Seebach gezogenen italieni- schen Bienen ächter Race habe vergleichen können, kann ich nicht als besondere Art, sondern nur als eine rostgelbe Varietät der Apis mellifica anerkennen, deren einfarbige dunkle Form, nach Spinola’s eigener Aus- sage (a. a. O. pag. 133) in Piemont ebenfalls, aber selten vorkömmt,, Die von Della Rocca (Trait& complet sur les abeilles. 1790. Tom. II. pag. 112) erwähnten morgenroth-farbigen und angeblich aus Holland oder Flandern in Frankreich eingeführten Bienen mögen derselben italienischen Varietät angehören. Auch die.von Latreille (in den Annales du Mu- .. EM u bei der Honigbiene. 91 dient gemacht haben', sollen diese goldgelben Bienen nicht bloss schöner, sondern auch fleissiger und sanftmüthiger als die deutschen sein. Diese letzteren Eigenschaften sind nun seum d’histoire naturelle. Tom. V. 1804. pag. 171) unter dem Namen Apıs fascrata beschriebene ägyptische Honigbiene ist wohl nichts anderes als jene südliche rostgelbe Varietät der Apis mellifica, zumal da La- treille selbst eingesteht, dass diese ägyptische Hausbiene mit einer bei Genua eingefangenen Honigbienen-Art genau übereinstimme. 1) Herr v. Baldenstein in Graubündten hat das Verdienst (s. die Bienenzeitung. 1848. pag. 26), zuerst auf die italienische Biene als ein für Experimente geeignetes Objekt aufmerksam gemacht zu haben. Der- selbe hatte sich einen italienischen Bienenstock über die Gebirge tragen lassen, um sich den Farbenunterschied, der zwischen den rostgelben ita- lienischen Bienen und den einfarbigen dunkeln schweizer oder deutschen Bienen stattfindet, bei seinen Forschungen zu Nutzen zu machen. Er nahm in dem darauffolgenden Jahre wahr, dass seine italienischen Bienen im Mutterstocke ausarteten, indem ein Theil der neuen Brut ganz italie- nisch, ein anderer Theil dagegen mehr oder weniger aussahen wie die schweizerischen Bienen. Baldenstein schloss aus dieser Erscheinung ganz richtig, dass die jungen italienischen Mutterbienen sich mit einem schweizerischen Bienen - Männchen und zwar ausserhalb des Stockes be- © gattet haben mussten; diese Bastarderzeugung wäre nicht erfolgt, wenn sich die jungen italienischen Königinnen im Mutterstocke, wo sie genug ächte italienische Drohnen angetroffen, begattet hätten. Baldenstein meldet ferner (in der Bienenzeitung. 1851. pag. 81), dass jene italienische Mutterbiene, als er sie erhalten, bereits 4 Jahre alt gewesen und bei ihm noch 3 Jahre, also im Ganzen 7 Jahre gelebt und stets ächt italienische Bienen erzeugt habe, wodurch bewiesen sei, dass diese Königin seit der ersten Begattung keiner neuen Begattung bedurft habe. — Durch diese interessanten Beobachtungen Baldenstein’s (s. auch die Bienenzei- tung. 1853. pag. 11) angeregt, verschaffte sich Dzierzon im Februar 1853 von der Frau A.dele v. Prollius, einer eifrigen Bienenfreundin, aus Mira bei Venedig einen Bienenstock ächt italienischer Race (s. die Bienenzeitung. 1552. pag. 204 und 1853. pag. 40), durch welchen Stock - „von Carlsmarkt (in Schlesien) aus die übrigen deutschen Bienenzüchter mit italienischen Bienen versorgt werden konnten, durch deren Beobach- tung für die Wissenschaft so wichtige Resultate entsprossen sind. Ueber die verschiedenen Berichte der Zucht italienischer Bienen vergleiche man die Jahrgänge 1854 und 1855 der Bienenzeitung, ferner den Aufsatz in der Bienenzeitung 1856. pag. 1, in welchem Dzierzon die Frage erörtert: Ist die italienische Bienenart erfahrungsmässig für die Praxis von dersel- 92 Wahre Parthenogenesis auch die Veranlassung, weshalb die italienischen Bienen bei uns so beliebt geworden und eine so grosse Nachfrage nach italienischen Bienen in der neuesten Zeit erhoben wird, so dass Berlepsch sich genöthigt sah, folgendes öffentlich zu erklä- ren!: „Soll die wälsche, gutmüthigere, fleissi- gere und so schönfarbige Race gereinigt und ste- reotypirt, vielleicht auch veredelt werden, so müssen Dzierzon und ich wenigstens einen Som- mer hindurch Ruhe haben.“ Es ist eine bekannte Sache, dass durch Kreuzung von verschiedenen Racen einer Thierspecies Bastardformen erzeugt werden, welche gewisse Charaktere der beiden verschiedenen Racen - Individuen, welche zur Erzeugung solcher Ravenba- starde benutzt wurden, auf mannichfaltige Weise in sich verei- ° nigen. Es lag der Gedanke nahe, dass bei den Bienen die Er- zielung solcher Racen-Bastarde mit ganz eigenthümlichen Mo- difikationen verbunden sein müsse. Wenn sich die Dzierzon’- sche Theorie als richtig bewährte, durfte man im voraus erwar- ten, dass durch die Begattung einer einfarbigen schwarzbrau- nen deutschen und einer rothbraunen italienischen Biene die Vermischung beider Racen sich nur in den weiblichen und Arbeiter-Bastarden aussprechen würde, nicht aber in den Droh- nen, welche aus unbefruchteten Eiern hervorgehend rein deutsch oder rein italienisch bleiben müssen, je nachdem die zur Bastarderzeugung ausgewählte Königin der deutschen oder italienischen Race angehörte. In der That wurden diese Er- wartungen der Bienenzüchter nicht getäuscht. Freilich ereig- neten sich bei diesen Kreuzungen der Racen mancherlei merk- ben Bedeutsamkeit, wie für die Theorie ? und vor allem lese man die wichtigen Mittheilungen über die italische Biene von Berlepsch “ (ebenda. 1856. pag. 3). 1) S. die Bienenzeitung. 1856. pag. 6. ae bei der\Honigbiene. 93 würdige Erscheinungen, wie sie auch bei der Kreuzung unse- rer grösseren Hausthiere wider Erwarten vorkommen und ebenfalls noch unerklärt bleiben mussten. Nach Berlepsch’s Beobachtungen! erzeugen 1) manche italische Bienen-Mütter unterallen Umständen, d.h. gleichviel ob sie von einer italischen oder deutschen Drohne befruchtet wurden, theils schwarze, theils bunte Bienen; 2) manche italische Mutter erzeugt nur bunte Bienen, wenn sie von einer italiıschen Drohne befruchtet wird, aber bunte und schwarze gemischt, wenn die Befruch- tung durch eine deutsche Drohne geschieht; 3) manche itali- sche Mutter erzeugt unter allen Umständen, d. h. gleichviel ob sie von einer italischen oder deutschen Drohne befruchtet wird, wenigstens nach einiger Zeit, nur bunte Bienen. Solche ächte italienische Bienen-Königinnen, fügt noch Berlepsch hinzu, erzeugen von italienischen Drohnen befruchtet von An- fang an italienische Bienen, bringen dagegen von deutschen Drohnen befruchtet anfänglich theils längere, theils kürzere Zeit auch deutsche Bienen hervor. Ich muss es hier betonen, dass sich diese Angaben des Herrn von Berlepsch nur auf die Erzeugung von Arbeits- bienen und weiblichen Bienen bezieht, aber keineswegs auf Drohnen. Derselbe suchte sich diese auf zweijährige Beobach- tungen beruhenden überraschenden und sonderbaren That- sachen auf folgende Weise zu erklären. Derselbe beruft sich auf die Anwesenheit der mit der Samentasche innig zusammen- hangenden Glandula appendicularis, welcher ich bereits im Jahre 1837 die Bedeutung zugeschrieben habe *, mit ihrem Se- 1) S. die Bienenzeitung. Jahrgang 156. pag. 5. 2) Vergl. meine Abhandlung über die Spermatozoen in den befruch- teten Insekten-Weibchen (Müller’s Archiv. 1837. pag. 398. Hier habe ich von der Glandula appendicularis gesagt: ‚‚Es dient dieses Organ viel- leicht dazu, eine gewisse Feuchtigkeit abzusondern, die sich in die Sa- 94 Wahre Parthenogenesis kret die Monate lang in der Capsula seminalis verweilende Sa- menmasse frisch zu erhalten. Berlepsch, auf dieser Ansicht fussend, meinte nun, dass der fortwährend eindringende müt- terliche Liquor der Anhangsdrüse nach und nach die Sperma- tozoen dermaassen durchdringt, dass die väterlichen Körperele- mente derselben von den mütterlichen überwältiget werden. Ist die Bienenmutter rein italienischen Blutes, so müssen, so- bald die von einer deutschen Drohne herrührenden Spermato- zoen gehörig durchdrungen sind, lauter bunte Bienen aus ihren befruchteten Eiern hervorgehen, wogegen, wenn die Mutter nicht ganz rein italienisch ist, stets auch schwarze Bienen blei- ben werden. Diese Conjectur, die ich vor der Hand nur als solche hier anführe, ohne etwas dafür oder dagegen einzuwen- den, sucht Berlepsch noch durch das Benehmen einer deut- schen Königin zu unterstützen, welche, von einer italischen Drohne befruchtet, im vorigen Jahre unter den schwarzen auch bunte, heuer aber nur schwarze Bienen erzeugte. Bei allen diesen Beobachtungen, bei welchen es sich um die Fortpflanzung und Vermehrung der italienischen Bienen- Race handelte, fiel immer, wenn auch Kreuzungen zwischen den deutschen und italienischen Bienen vorkamen, die Zucht der Drohnen rein italienisch oder rein deutsch aus, je nachdem die der Kreuzung unterworfene Königin der italienischen oder deutschen Race angehörte. Um sich aber über diese Erschei- nung Gewissheit zu verschaffen, wird man bei den deshalb an- zustellenden Beobachtungen mit der grössten Vorsicht zu Werke gehen müssen. Es werden die Beobachtungen nur mit ganz ächten Racen-Individuen angestellt werden müssen, welche nicht immer so leicht und sicher zu beschaffen sein menkapsel ergiesst, und die hier längere Zeit verweilenden Spermatozoen lebend erhält.‘“ Man vergleiche auch Germar’s Zeitschrift für Entomo- logie. 1843. pag. 368. a bei der Honigbiene, i 95 werden, seitdem die Zucht der italienischen Bienenschwärme neben den deutschen Bienenständen in bereits sehr ausgebrei- teter Weise bei uns betrieben wird. Wie schwer es sein dürfte, eine ganz ächte und rein erhaltene Königin zu dergleichen Versuchen ausfindig zu machen, das lehren die vorhin ange- führten, von Berlepsch beobachteten Vermischungen der beiden in Rede stehenden Bienen-Racen. Ich kann deshalb kein so grosses Gewicht auf eine Beobachtung legen, welche Dzierzon aneiner italienischen Königin angestellt, und welche diesen vorsichtigen Bienenzüchter an seiner eigenen Theorie, wie ich schon oben pag. 84. 85 angedeutet habe, irre gemacht hat. Es kann durch diesen vereinzelten Fall, wobei doch wohl ein oder der andere Umstand unbeachtet geblieben sein mochte, nichtein Satz umgestossen werden, dessen Richtigkeit durch eine Menge anderer Beobachtungen auf so eclatante Weise bestä- tigt worden ist. Wie Dzierzon durch solch’ einen störenden Zwischenfall betroffen wurde, geht aus seiner eigenen Mitthei- lung hervor, welche ich hier wörtlich mittheilen will, um zu zeigen, dass Dzierzon nicht zu demeniven"geört ;*felche «ieh vOh einer sogen Meinung, mö sie Irrig sein oder richtig$ datithı gar keine Grüne KR En: VEN | na SUEANT Worte lauten, Wie folgt': „Nicht minder dürften auch fortgesetzte Beobachtungen der Bastardstöcke geeignet sein, den Schleier immer mehr zu lüften, das Dunkel zu durchdringen und die geheimnissvolle Wahrheit endlich an den Tag zu bringen. Bedarf das Droh- nenei der Befruchtung nicht, so müssen italienische Mütter stets italienische Drohnen, deutsche Mütter stets deutsche Drohnen erzeugen, auch wenn sie von Drohnen der andern 1) S. den Bienenfreund aus Schlesien. Nr. 8. 1854. pag. 63. u 96 Wahre Parthenogenesis Race befruchtet worden sind. Der schlesische Bienenfreund besitzt Bastardstöcke beiderlei Art und liess es an Beobach- tungen nicht fehlen, soweit die beschränkte Zeit es ihm ge- stattete, begegnete aber neuen unlösbaren Räthseln. Die ita- lienischen Bastardmütter haben durchgängig die Vermuthung vollkommen bestätigt und die schönsten italienischen Drohnen hervorgebracht, einer fast noch schönere als die ächten Stöcke, als der Mutterstock selbst. Von zwei deutschen Bastardstöcken wies der eine ebenfalls nur gewöhnliche schwarze Drohnen auf, ebenso der andere, aber unvermuthet zeigten sich unter diesen einige wenige, die wie von Gold strahlten und so gelb waren, wie nicht eine einzige selbst in den ächt italienischen Stöcken. Zwar wäre es möglich, dass auch hier unter den Arbeitsbienen, von denen ein Theil die Farbe der einheimi- schen, der andere Theil die Farbe der italienischen hat, gerade eine schöne Italienerin einige Eier gelegt hätte, aus denen die wenigen gelben Drohnen hervorgegangen wären. Indessen ist der schlesische Bienenfreund nicht sonderlich geneigt, die Er- scheihung auf diese Weise zu erklären, um sich dem Verdachte nicht auszusetzen , ‚ass nur Vorliebe für seine Hypothöse ihn®- zu er Eilkilngstise* die Zuflucht nehmex liesss ‚da in der That das Eierlegen der Arbeitsbienen beim ee ee einer Königin zu den seltensten Ausnahmen gehört. Kann vielleicht, wenn auch das samengefüllte Bläschen dem Ei den Lebenskeim zu der Drohne nicht einpflanzt, doch ein gewisser Anhauch davon auf die Art und Farbe bestimmend wirken ?‘‘ Dzierzon hat gewiss Unrecht, wenn er um dieser einen Beobachtung willen, die ihn stört, und um sie zu erklären, die längst überwundene Hypothese von der Wirkung einer Aura seminalis wieder zu Hülfe ruft. Herr v. Berlepsch hat sich *die Mühe gegeben, diesen von Dzierzon mitgetheilten Fall, welcher gegen Dzierzon’s Theorie sprechen soll, zu entkräf- a bei der Honigbiene. 97 ten. Derselbe wendet ganz richtig ein', dass Dzierzon in vorliegendem Falle nicht festgestellt habe, dass jene paar Gold- drohnen auch wirklich von der Königin herrührten und nicht von einer recht schönen italienischen eierlegenden Arbeiterin (da die Hälfte der Arbeitsbienen jenes Stockes aus diesen be- stand); denn wenn auch das Vorhandensein einer eierlegenden Arbeiterin neben einer Königin zu den allerseltensten Fällen gehört, so kommen doch erwiesenermaassen solche Ausnahmen vor. Ferner hebt Berlepsch mit Grund hervor, dass Dzier- zon seiner Sache nicht einmal völlig gewiss gewesen sei, ob jene Königin, in deren Stocke er die auffallend gelben Droh- nen bemerkte, von Geburt aus ächt deutscher Race, oder schon aus Bastardbrut entstanden war. Dzierzon fügt seinem mit- getheilten Falle selbst die Mahnung mit hinzu, dass bei der- gleichen Beobachtungen grosse Vorsicht nöthig sei, um sich vor Fehlschlüssen zu bewahren, indem man bei solchen Gele- genheiten die volle Gewissheit haben müsse, dass die Königin von Geburt«der rechten Race angehört, denn ist sie selbst schon aus Bastardbrut entstanden, kann sie auch unmöglich reine Drohnen erzeugen, sondern sie erzeugt halb italienische und halb deutsche Drohnen. — Ich hielt übrigens diese in Dzierzon durch seine eigenen Beobachtungen an seiner Theorie rege gewordenen Zweifel für Grund genug, mich noch einmal von Herrn v. Berlepsch, der in der Zucht der italienischen Bienen seit zwei Jahren vielfache Erfahrungen gewonnen hatte, über das Thatsächliche bei den zwischen ita- lienischen und deutschen Bienen sich ereignenden Bastardbil- dungen unterrichten zu lassen. Derselbe beantwortete unterm 2. März d. J. meine deshalb an ıhn gestellten Fragen in fol- gender Weise. Zunächst berief sich derselbe auf seine bereits I) Vergl. die Bienenzeitung. Jahrg. 1555. pag. 79. 2) S. den Bienenfreund aus Schlesien a. a. O. pag. 64. v. Siebold, Nachweis u. s. w. 7 Se 98 Wahre Parthenogenesis in der Bienenzeitung' ausgesprochenen Erfahrungen, dort sagt derselbe: ‚‚Alle Königinnen, die äusserlich schön gelb sind, erzeugen, auch wenn sie theils italische, theils deutsche Arbeiterinnen hervorbringen, nur italische Drohnen. Eine deutsche Mutter, die von einer italischen Drohne befruch- tet war, erzeugte deutsche und italische Arbeiterinnen, aber nur deutsche Drohnen. Wohmgegen die Mutter nicht schön gelb ist, wo sie Bruchtheile schwarzen Blutes in sich hat, da kommen auch die Drohnen gemischt hervor, mag die Mutter von einem deutschen oder italischen Männchen be- fruchtet sein. Ganz natürlich, weil die Männchen nur der Mutter folgen.‘“ Hierzu fügte Herr v. Berlepsch noch fol- genden Commentar brieflich bei. ‚, Eine italische von einer deutschen Drohne oder eine deutsche von einer italischen Drohne befruchtete Königin bringt ganz constant (mir kam nur erst eine einzige Ausnahme vor) dreierleifarbige Weibchen (Arbeiterinnen, Königinnen) hervor; a) ächt italische, d. h. so gelbe und so geringelte, wie die weiblich®Descendenz von italischen Königinnen ist, die auch von italischen Droh- nen befruchtet wurde; 5) ächt deutsche und e) Misch- linge. Bei mancher Mutter prävalirt die italische, bei man- cher die deutsche Descendenz, stets aber sind die Mischlinge, die der Farbe nach die Mitte zwischen deutsch und italisch halten, in der Minorität, und zwar in der stärksten Minorität, denn bei manchen Stöcken sieht man nur selten einen Misch- ling, bei manchen gar keinen. Da nun die Königinnen nur anders, resp. weiter entwickelte Arbeiterinnen sind, so findet beı ihnen dasselbe Verhältniss statt und bei Bastardmüttern hängt die Farbe der königlichen Descendenz von dem Ei ab. Hätte das Ei eine ächt italische Arbeiterin gegeben, so giebt ee " 1) Vergl. Jahrgang 1856. pag. 6. . bei der Honigbiene. 99 es auch eine ächt italische Königin etc. ete. Die Männchen richten sich der Farbe nach ausnahmlos nach der Mutter ‚und ich habe im letzten Sommer trotz der sorgfältigsten Auf- merksamkeit und der genauesten Prüfungen bei Bastardmüt- tern auch nicht ein Männchen entdecken können, das nach dem Vater geartet gewesen wäre. ‘“ Nach solchen gewichtigen, von der Beobachtung einer grossen Anzahl Bienen-Bastarderzeugungen entnommenen Er- fahrungssätzen darf es also fest stehen, dass nach der Dzier- zon’schen Theorie die Bienen reiner Race von der Fähigkeit ausgeschlossen bleiben, Bastard-Drohnen hervorzubringen. Trotz der bisher auf praktischem Wege gemachten Ver- suche, durch welche die Dzierzon’sche Theorie die Berechti- gung erhält, sich als richtig zu behaupten, kann die Forderung nicht zurückgewiesen werden, dass mittelst direkter. Versuche die Ueberzeugung erlangt werden müsse: die Drohneneier bedürfen zu ihrer Entwicklung keiner Befruch- tung, während dieselben Eier, um weibliche oder Arbeits-Bıenen zu liefern, befruchtet sein müs- sen, denn nur nach solchen streng wissenschaftlichen Bewei- sen erlangt diese neue Theorie eine feste und sichere Basis. Nachdem in den letzten Jahren die Fischerzeugung durch künstliche Befruchtung der Fischeier mit so glücklichen Er- folgen betrieben worden war, lag der Gedanke nahe, ob es nicht möglich sei, mittelst künstlicher Befruchtung der Bie- neneier die Richtigkeit der Dzierzon’schen Theorie unabweis- bar festzustellen. Allein dieses Beweismittel musste von vorn herein als unausführbar sogleich wieder aufgegeben werden, denn wer irgend die Bieneneier einer näheren Untersuchung unterworfen hat, würde sogleich eingesehen haben, dass sich diese. Eier wegen ihrer ungemeinen Zartheit zu dergleichen Versuchen ganz und gar nicht eignen. Es wäre gar keine gi 100 Wahre Parthenogenesis Möglichkeit, reife Eier unverletzt aus den Eierstöcken einer Königin herauszuschaffen , um dieselben entweder unbefruch- tet oder künstlich befruchtet in Zellen zur Pflege der Bienen überzutragen; ebensowenig würden diese zarten Eier die Be- rührung mit einem auch noch so feinen und von männlichem Bienen-Samen durchfeuchteten Pinsel, wie es die künstliche Befruchtung erfordert hätte, ohne Verletzung vertragen haben. Leuckart machte den Vorschlag', Eier, welche bereits als Drohneneier in Drohnenzellen abgesetzt sind, noch nachträg- lich künstlich zu befruchten, um auf diese Weise die Frage zu entscheiden, ob es gelingt, durch künstliche Befruchtung solche Eier zu Arbeitern oder Königinnen zu entwickeln. Derselbe machte aber zugleich auch auf die Schwierigkeiten aufmerk- sam, die sich dem Gelingen dieser Versuche entgegenstellen. Mit Recht hob Leuckart hervor, dass nur ganz frische und eben abgesetzte Drohneneier zur künstlichen Befruchtung be- nutzt werden dürften, denn sobald der dünne Eiweissüberzug, mit welchem die Insekteneier gelegt werden, vertrocknet, was gewiss sehr schnell an den gelegten Eiern geschieht, kann der zur künstlichen Befruchtung verwendete Samen nicht mehr durch die Poren der Eischale in das Innere des Eies eindrin- gen, wodurch allein, wie weiter unten gezeigt werden wird, der Befruchtungsakt der Insekteneier vollendet wird. Bei der Wichtigkeit des Zweckes, der durch diese, wenn auch sehr schwierig auszuführenden Versuche erzielt würde, pflichte ich dem Wunsche Leuckart’s vollkommen bei, dass derglei- chen Experimente von recht vielen Seiten her unternommen würden, vielleicht wäre doch einer oder der andere Experimen- tator so glücklich, durch verschiedene günstig zusammenwir- kende Zufälligkeiten das zu erreichen, was die Dzierzon’sche t) Vergl. die Bienenzeitung. 1855. pag. 206. u bei der Honigbiene. 101 Theorie als Resultat im voraus erwarten muss. Aus dem eben Mitgetheilten geht hervor, dass die künstliche Befruchtung der Bieneneier bis jetzt nicht zu Gunsten der Dzierzon’schen Theorie verwendet werden konnte. Ganz andere Hoffnungen erwachten in dieser Beziehung, als man mit der Anwesenheit und Bedeutung der Mikropyle der Insekteneier bekannt wurde. Seitdem Leuckart und Meissner durch eigenthümliche Oeffnungen der Eischalen die Spermatozoiden in das Innere der Insekteneier haben ein- dringen sehen ', musste man sich im Voraus sagen, dass dieser 1) Es wird mir erlaubt sein, in Bezug auf die Entdeckung dieser für die Befruchtungsgeschichte der Thiereier höchst wichtige und interessante Erscheinung die beiden Namen : Leuckart und Meissner zu nennen, denn nach den brieflichen Mittheilungen, die ich von Meissner über diese Entdeckung in Händen habe, muss ich glauben, dass beide Natur- forscher unabhängig von einander und vielleicht gleichzeitig ihre Unter- suchungen und Entdeckungen an den Insekten-Eiern gemacht haben. In einem Briefe vom 8. Juli 1854, der vor mir liegt, schreibt mir Meiss- ner aus Göttingen: ‚‚Ich habe meine Beobachtungen über die Befruch- tung fortgesetzt, und zwar bei Insekten. Das Resultat ist kurz folgendes: bei Dipteren,, Lepidopteren und Coleopteren haben die Eier alle an einer bestimmten Stelle sowohl im Chorion als in der Dotterhaut eine Mikro- pyle, und die Spermatozoen dringen aus dem Receptaculum seminis beim Durchgang der Eier durch die Scheide in die Mikropyle ein. Bei den Krebsen ist es im Allgemeinen ebenso. Ich bin immerfort noch mit Un- tersuchungen beschäftigt. Bei Musca vomitoria traf ich die noch lebenden Spermatozoen in Masse halb im Dotter, halb aus der Mikropyle heraus- ragend. Ich bin schon mit der Ausarbeitung des bis jetzt Gefundenen be- schäftigt, Zeichnungen sind fertig und in den nächsten Tagen denke ich Ihnen den Aufsatz zu schicken, auf welchen ich soeben durch eine Nach- schrift zu meinem letzten Aufsatze hingewiesen habe, als eine Fortsetzung desselben ‘“ (s. die Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. Band VI. pag. 263). Diese Beobachtungen Meissner’s wurden in dem 2. Hefte der Zeitschr. f. wiss. Zool. Band VI. (ausgegeben den 14. Sept. 1854) pag. 272 abgedruckt. Am 17. August 1854 las in der Sitzung der Berliner Akademie der Wissenschaften Herr Joh. Müller eine briefliche Mitthei- lung von Prof. Leuckart in Giessen vom 12. Aug. desselben Jahres über die Mikropyle der Insekteneier (s. den Bericht über die zur Bekannt- machung geeigneten Verhandlungen der Akademie der Wiss. zu Berlin 102 Wahre Parthenogenesis Eu Vorgang, wenn sich Dzierzon’s Theorie als richtig bewährt, nur bei denjenigen Bieneneiern, welche zur Entwicklung von Weibchen oder Arbeiterinnen bestimmt sind, sich beobachten lassen werde, und dass bei den unbefruchtet bleibenden Eiern, aus denen sich Drohnen entwickeln, keine Spermatozoiden durch die Mikropyle eindringen werden, während an allen diesen Eiern der Mikropyl-Apparat in ganz gleicher Ent- wicklung vorhanden sein muss, da ja alle Eier ursprünglich von einer und derselben Art und Beschaffenheit sind. h Diejenigen Bieneneier, welche eine Befruchtung zu erlei- den haben, werden in dem Augenblicke befruchtet, so wie sie innerhalb des Eierleiters (Scheide) an der Einmündungsstelle des Ductus seminalis der Samentasche vorbeischlüpfen. Es werden in diesem Momente, so darf man wohl annehmen, aus dem Ausführungsgange der Samentasche einige Spermatozoiden hervorgedrängt, welche auf diese Weise mittelst ihrer Beweg- lichkeit Gelegenheit finden, durch den Mikropyl- Apparat in das Innere des Eies einzudringen. Dass an der eben genann- ten Stelle in der Scheide der Befruchtungsakt des Insekten-- Eies wirklich stattfindet, das habe ich bereits im Jahre 1837 behauptet und durch eine Beobachtung bestätigt gefunden, aus dem Jahre 1854. pag. 494). Dieser Bericht wird in einzelnen Monats- heften ausgegeben, von welchen mir das Augustheft, als ich, von einer zwei- monatlichen Ferienreise nach München zurückgekehrt, mein Sendschrei- ben an Hm. Baron von Berlepsch am 12. Octob. 1854 niederschrieb, noch nicht zu Gesicht gekommen. Ich war also damals, als ich in diesem Sendschreiben Meissner’s Beobachtungen über die Mikropyle der In- sekteneier nur allein erwähnte (s. die Bienenzeitung. 1854. pag. 230), noch nicht mit den Untersuchungen bekannt, welche Leuckart, wie er selbst gesteht, fast gleichzeitig auf demselben Gebiete der Entomotomie angestellt hatte, Nach dieser Erklärung, glaube ich, hat Leuckart nicht mehr Grund, mir vorzuwerfen, dass ich seine Untersuchungen igno- rirt hätte (s. die Bienenzeitung. 1855. pag. 129 und Leuckart’s Auf- satz über die Mikropyle und den feinern Bau der Schalenhaut bei den In- sekteneiern in Müller’s Archiv. 1855. pag. 245). s om bei der Honigbiene. 103 die ich an Musca vomitoria angestellt habe!. Bei Musca vo- mitoria nämlich und ihren verwandten Arten, welche ihr Lege- geschäft noch nicht beendigt hatten oder vielleicht dabei gestört waren und nicht sogleich wieder einen passenden Ort zum Ab- setzen der Eier gefunden hatten, unterschieden sich die in dem Eierleiter und den Eierstocks-Tuben befindlichen Eier auf fol- gende höchst interessante Weise. Dasjenige Ei, welches zwi- sehen der Vulva und der Einmündung des Receptaculum seminis steckte, hatte sich bereits zu entwickeln angefangen und ent- hielt einen Embryo, während das oberhalb der Einmündung des Samenganges in dem Eierleiter befindliche Ei, welches dem vorhergehenden vollkommen an Grösse glich, so wenig, als die übrigen in den Trompeten enthaltenen Eier, eine Spur einer bereits begonnenen Entwicklung des Embryo verrieth. Das Receptaculum seminis enthielt in solchen Fliegen - Weib- chen immer bewegliche Spermatozoiden. Damals begnügte man sich zur Erklärung des Befruchtungsherganges mit der Annahme, dass die Berührung der Spermatozoiden ausreiche, das Ei zur Entwicklung anzuregen ; in neuerer Zeit hat man diese Contacttheorie fallen lassen müssen, nachdem man das Vordringen der Spermatozoiden bis in das Innere der Eier mit Augen hat verfolgen können. Es wird jetzt der Hergang der Befruchtung noch bestimmter in folgender Weise aufgefasst werden müssen: nicht bloss durch unmittelbaren Contact des Samens mit dem Ei wird die Befruchtung und Entwicklungs- fähigkeit des letzteren bewirkt, sondern es müssen sogar- die elementaren Bestandtheile des Samens, die beweglichen Sa- menfäden, in das Innere des Eies hineinschlüpfen, höchst wahrscheinlich, um hier zunächst zu zerfallen, sich aufzulösen und alsdann sich mit den elementaren Bestandtheilen des Eies 1) Vergl. Müller’s Archiv. 1837. pag. 424, 104 Wahre Parthenogenesis zu vermischen. Zu diesem Behufe besitzen die Insekteneier einen Mikropyl-Apparat, das heisst: an dem einen Eipole ein- fache oder mehrere kleine Löcher, durch welche die Sperma- tozoiden in das Innere bis zu dem Dotter des Eies gelangen müssen, um so den Befruchtungsakt zu vollenden. Leuckart war der erste, welcher sich die Aufgabe ge- stellt hatte, durch direkte Beobachtung sich zu überzeugen, welchen Modificationen das Eindringen der Spermatozoiden durch den Mikropyl-Apparat der Bieneneier nach Dzierzon’s Theorie unterworfen sein würde. Derselbe hatte sich zu die- sem Zwecke Ende Mai vorigen Jahres nach Seebach begeben, um zu seinen Beobachtungen in reichlichster Auswahl die nö- thigen Untersuchungs-Objekte benutzen zu können. Eine bessere Gelegenheit zu solchen Untersuchungen konnte ihm auch nirgend anderswo geboten werden, als in der nächsten Nähe des grossärtigen Bienenstandes zu Seebach, wobei aber auch noch die aufopfernde Freigebigkeit in Anschlag zu brin- gen ist, mit der Herr v. Berlepsch seinen Bienenreichthum solchen physiologisch-anatomischen Untersuchungen zur Ver- fügung stellte. Leuckart’s Vorhaben war bereits von Berlepsch in der Bienenzeitung verkündigt worden ', ich war daher ausser- ordentlich gespannt, welche Resultate Leuckart von diesen Seebacher Studien mit nach Hause bringen würde. Dieselben wurden von Leuckart vor kurzem in der eben genannten Bienenzeitung bekannt gemacht, aus welcher? ich das wich- tigste jener Resultate hier mittheilen werde. Ein Hauptaugenmerk musste Leuckart natürlich zu- nächst auf den Mikropyl-Apparat der Bienieneier richten, von 1) S. Jahrgang 1855. pag. 82. 2. 2) Ebenda. 1855. Nr. 17 u. 18. (herausgegeben am 30. Sept.) pag. 99. Seebacher Studien. bei der Honigbiene. 105 welchem derselbe folgende Beschreibung lieferte!. ‚,‚Wie an den Eiern der meisten Insekten, unterscheidet man auch an dem der Bienen zwei Häute, eine innere, sogenannte Dotter- haut, und eine äussere, die Eischale oder das Chorion. Beide Häute sind äusserst dünn und zart, auch die äussere, die sonst (namentlich bei solchen Eiern, die frei abgesetzt werden) eine beträchtliche Dicke und Festigkeit hat; die Dotterhaut ist structurlos, während das Chorion bis auf das hintere (untere) abgeplattete Ende des Eies, das zur Befestigung dient, mit einem zarten sechseckigen Leistenwerke, wie mit einem Ge- flechte, übersponnen ist. Der Mikropyl- Apparat liegt am vor- dern oder obern Pole des Eies, der bei dem Ablegen zuletzt geboren wird (und später das Kopfende der jungen Larve ent- hält). An dieser Stelle sieht man da, wo die Leisten des Cho- riongeflechtes zusammenlaufen, eine kleine fächerförmige Figur (von etwa 7/„ Mm.) mit ungefähr zwölf Strahlen. Die Strah- len, die den Fächer zusammensetzen, bilden den optischen Ausdruck für ebensoviele Mikropylkanäle, die unter der Ober- fläche des Chorions hinlaufen. An den untern divergirenden Enden sind diese Kanäle nach aussen geöffnet, während sie mit dem entgegengesetzten Ende in den innern Eiraum ein- münden. Die Bildung ist genau dieselbe, wie bei einer Anzahl anderer Hymenopteren (Müller’s Archiv. 1855. pag. 236. Taf. XI. Fig. 12. 13), nur mit dem Unterschiede, dass die Mikropylkanäle hier ganz ausserordentlich dünn und zart sind, so dass man sich kaum mit Bestimmtheit von ihrer wahren Natur überzeugen kann und auf den ersten Blick fast geneigt sein möchte, die Strahlen für Leisten zu halten, wie sie auch an den übrigen Stellen des Chorions vorkommen. Die Kanäle dürften kaum mehr als ';,00 Mm. im Durchmesser halten, frei- 1) S. ebenda. pag. 204. 2. nn 106 Wahre Parthenogenesis lich immer noch genügend, um einen Samenfaden hindurchzu- lassen. Während des letzten Aufenthalts in den Ovarien erhält das Bienenei auch noch einen äussern Ueberzug von eiweiss- artiger Beschaffenheit, der freilich in der vorderen (oberen) Hälfte nur verschwindend dünn ist, sich aber nach hinten zu allmälig verdickt und am abgeplatteten hinteren (unteren) Pole zu einer ganz ansehnlichen Entwicklung gelangt. Diese Ei- weisslage dient zur Befestigung des Eies an der Wand der Zelle.“ Obwohl ich mit dieser Leuckart’schen Auffassung des _ Mikropyl-Apparates des Bieneneies nicht ganz einverstanden bin, und namentlich die erwähnten Mikropylkanäle für etwas anderes halten muss, so würde mich eine ausführliche Kritik dieser Darstellung Leuckart’s doch zu weit führen, daher ich mir dieselbe für einen anderen Ort aufspare und mich des Ausdrucks Mikropyl-Apparat bedienen will, ohne damit ganz denselben Begriff zu verbinden, wie ihn Leuckart ge- nommen wissen will. Von dem dünnen Eiweissüberzug der Bieneneier dürfte, wie Leuckart ganz richtig bemerkt hat', die Möglichkeit des Gelingens der oben erwähnten (pag. 100) künstlichen Befruchtung abhängen, denn sobald diese Eiweiss- lage getrocknet ist, was gewiss schon innerhalb weniger Minu- ten nach dem Absetzen der Eier in den Wachszellen geschehen sein wird, werden die Oeffnungen des Mikropyl-Apparats da- durch verklebt, so dass die Samenfäden am Eindringen in das Innere der Eier verhindert werden. Wichtig ist ferner die Angabe Leuckart’s?, dass es unmöglich ist, aus der äussern Beschaffenheit des Bieneneies auf das Geschlecht der Biene, die sich in demselben entwickelt, einen Schluss zu thun, was ich vollkommen bestätigen kann. 1) S. Seebacher Studien a. a. O. pag. 206. 1. 2) Ebenda. pag. 204. 1. bei der Honigbiene. 107 Leuckart hoffte nun! ‚‚mit Hülfe des Mikroskops die Anwesenheit oder das Fehlen der Samenfäden auf dem Mikro- pyl-Apparate frischgelegter Drohneneier constatiren und dar- aus aufdie Befruchtung oder Nichtbefruchtung derselben einen Schluss ziehen zu können ,‘“ da derselbe wusste, ‚,dass es in vielen Fällen eben nicht schwer ist, bei frisch gelegten Eiern die Samenfäden einzeln oder in Strängen, und mitunter sogar in sehr ansehnlichen, in der die Mikropyle bedeckenden Ei- weissschicht aufzufinden und selbst den Akt des Einschlüpfens durch die Mikropyle zu belauschen.‘“. Leider wurden diese Hoffnungen nicht erfüllt, denn Leuckart musste gestehen, dass das, was er beobachtete, zur völligen Entscheidung der Frage nicht ausreichend ist und nur insofern einigen Werth. hat, als die Dzierzon’sche Hypothese dadurch nicht geradezu widerlegt wird. Leuckart macht in Bezug auf das Misslingen seiner Absicht folgendes geltend ?. ‚, Die Biene gehört zu denjenigen Insekten, die bei der Befruchtung nur äusserst wenige Samen- fäden, vielleicht in vielen Fällen nur einen einzigen, auf ihre Eier absetzen. So wichtig und bedeutungsvoll dieser Umstand nun auch für die praktische Bienenzucht ist — nur durch ihn wird es möglich, dass die Königin trotz ihrer immensen Fruchtbarkeit Jahre lang Eier legt, ohne den Inhalt ihrer Sa- mentasche zü erschöpfen — so ungünstig und wenig willkom- men ist derselbe begreiflicher Weise für den Physiologen, der diese Fäden aufsucht. Dazu kommt noch weiter, dass die Sa- menfäden bei unsern Eiern nicht erst, wie sonst so häufig bei den Insekten, eine dieke Eiweissschicht zu durchdringen haben, bevor sie das Chorion erreichen, sondern fast unmittelbar auf 1) Ebenda. pag. 205. 1. 2) S. ebenda pag. 205. 1, 108 Wahre Parthenogenesis den Mikropyl-Apparat abgesetzt werden und somit denn auch in kürzester Frist durch die Kanäle des Mikropyl- Apparats hindurchdringen. Bedenkt man nun noch ferner die Schwie- rigkeiten endlich, die sich durch die grosse Elasticität und die zarte Beschaffenheit des Chorions der mikroskopischen Prä- paration des Bieneneies in den Weg stellen, so wird man wohl kaum den Beobachter anklagen können, wenn er hier zu kei- nem befriedigenden Resultate gekommen ist. Ich gestehe offen, dass die Untersuchung des Bieneneies unter allen den zahl- reichen Untersuchungen dieser Art, die ich seit zwei Sommern vorgenommen habe, die allerschwierigste gewesen ist.“* Ein unglücklicher Zufall wollte es, dass Leuckart ın Seebach keine Gelegenheit fand, ganz frisch abgesetzte Bienen- eier untersuchen zu können, und dass Herr v. Berlepsch damals, als Leuckart bei ıhm diese Untersuchungen vor- nahm, auf keine Weise eine Königin zum Eierabsetzen bringen konnte. Als Resultat dieser Seebacher Studien konnte daher Leuckart dem Redakteur der Bienenzeitung nur folgendes melden: ‚„‚„Aber Sie wollen wissen, wohin denn meine Unter- suchungen überhaupt geführt haben? So erfahren Sie denn, dass ich nur zwei Mal einige unzweifelhafte Samenfäden auf der Mikropyle der Bieneneier antraf, das eine Mal einen ein- zigen Faden, das andere Mal deren mehrere, vier oder fünf. (Und doch habe ich mehr als ein halbes Hundert Bieneneier auf das Sorgfältigste untersucht!) Beide Male waren es Arbei- tereier, auf denen ich die Samenfäden vorfand. Bei Drohnen- eiern habe ich niemals einen Samenfaden unterscheiden kön- nen, obgleich ich vielleicht mehr Drohneneier, als Arbeitereier untersuchte und darunter solche, die höchstens eine Viertel- stunde vorher gelegt waren. Sie sehen, das Resultat ist zwei- felhaft. Allerdings scheint es, als wenn dasselbe mehr für, als gegen Dzierzon spräche; aber ich muss nochmals wiederho- E“ bei der Honigbiene. 109 len, dass dieser Schein möglicher Weise ein trügerischer ist. Es sollte mich, ım Interesse der Wissenschaft, unendlich freuen, wenn andere Beobachter in dieser Hinsicht glücklicher wären, als ich es gewesen bin.“ Ich kann hier zur Freude Leuckart’s mittheilen, dass ich wirklich glücklicher gewesen bin als er und dass ich das gesehen habe, was seinen Augen zu erblicken nicht gelungen ist. ‚, Bevor nicht ““ —— (so schliesst Leuckart seine diesen Gegenstand betreffenden Mittheilungen ') — ‚‚sei es nun durch das Experiment, sei es durch direkte Beobachtung, der strikte Beweis geliefert ist, dass es allein die Eier der weiblichen Bie- nen sind, die befruchtet werden, bleibt die Frage nach der Causalität des Geschlechts bei den Bienen eine offene. Mag man immerhin aus theoretischen und andern Gründen für oder gegen Dzierzon auftreten, immerhin auch das Material für die Beantwortung dieser Frage auf indirektem Wege vergrös- sern — die Entscheidung derselben wird dadurch unmöglich herbeigeführt.‘“ Ich habe in der That durch direkte Beobach- tung denjenigen Beweis liefern können, der zur Feststellung der Dzierzon’schen Theorie von der Wissenschaft als allein gültig verlangt werden musste. In wieweit ich mich zu dieser "Behauptung berechtigt fühlen darf, das wird man aus den fol- genden Mittheilungen entnehmen können. Obwohl ich wusste, dass Leuckart die vorhin erwähn- ten Seebacher Studien vornehmen wollte, so hatte auch ich mir seit lange vorgenommen, ähnliche Untersuchungen im In- teresse der Wissenschaft anzustellen ; ohne zu wissen, dass Leuckart seine Seebacher Studien bereits ausgeführt, und ohne die Resultate zu kennen, die derselbe dabei gewonnen, begab ich mich Mitte August vorigen Jahres ebenfalls nach 1) Ebenda. pag. 206. 2. u 110 Wahre Parthenogenesis Seebach, weil ich mir sagen konnte, dass nur mit Hülfe eines so reichlichen Materials, wie es mir dort bei der anerkannten Zuvorkommenheit des Herrn v. Berlepsch zu Gebote stehen würde, dergleichen Untersuchungen unternommen werden könnten; freilich gab ich der Hoffnung, meine Absicht zu er- reichen, nur wenig Raum, da die Jahreszeit für dergleichen Untersuchungen schon zu weit vorgerückt war. Ich wurde am 21. August auch von dem Herın v. Berlepsch mit der we- nig Muth einflössenden Versicherung empfangen, dass ich wohl schwerlich das nöthige Material, wie ich es zu meinen Unter- suchungen bedürfte, jetzt noch im Spätsommer bei ihm antref- fen würde, und deshalb wenig Aussicht hätte, die mir gestellte Aufgabe zu lösen, zumal da Leuckart zu Pfingsten, also ın einer günstigeren Jahreszeit, hier gewesen, aber unverrichteter Sache wieder abgereist sei und ihm das Geständniss gemacht habe, dass die Fragen in Bezug auf die Dzierzon’sche Theorie mit dem Mikroskope wegen der zu grossen Schwierigkeiten, welche bei den deshalb anzustellenden Untersuchungen zu überwinden seien, nicht gelöst werden könnten. Nichts desto- weniger liess ich mich nicht abhalten, an diese Untersuchun- gen zu gehen. Ueber das Bienen-Material, was sich mir in Seebach dar- bot, war ich aber wirklich erstaunt, denn es übertrafen die Massen der Bienenkolonien sowohl wie die zweckmässigen und zu den Beobachtungen jeder Art günstigen Einrichtungen der- selben alle meine Erwartungen. Ich fand einhundert und vier zur Ueberwinterung bestimmte von Honig und Bienen strotzende Dzierzon-Stöcke vor, und zwar auf verschiedene Weise an acht Stellen innerhalb eines geräumigen Obstgartens vertheilt, von denen mich der schon oft in der Bienenzeitung besprochene acht und zwanzig Stöcke enthaltende Pavillon ganz besonders über- raschte. Die Entfernung dieser acht Bieneustände unterein- _ A bei der Honigbiene. 111 ander betrug nirgends über 40 Fuss rhnl. Unter diesen Stöcken befanden sich neun ächt italienische Bienenkolonien, deren Zahl viel grösser hätte sein können, wenn nicht, wie Herr v. Berlepsch versicherte, im Laufe des Sommers siebzig italie- nische Mütter von ıhm an andere Bienenzüchter abgegeben und die Stöcke durch die verschiedenen wissenschaftlichen Ex- perimente überhaupt sehr beeinträchtigt worden wären '. Was Herrn v. Berlepsch bei seiner Bienenzucht noch ganz be- sonders zu Statten kam, das ist die Unterstützung seines Ge- hülfen Günther, der mit trefflichen Anlagen begabt von Berlepsch selbst in der Bienenzucht unterrichtet wurde und sich in ausgezeichneter Weise bewährt hat*. Ich machte mich sogleich an die Arbeit und untersuchte eine grosse Anzahl weiblicher Eier, die mir der grosse Bienen- stand des Herın v. Berlepsch zu jener Zeit noch in Menge lieferte. Es kam mir zunächst darauf an, mich mit der Orga- nisation der Bieneneier recht bekannt zu machen, um nachher bei dem Aufsuchen der Spermatozoiden keinen Täuschungen und Irrungen ausgesetzt zu sein. Erst nachdem ich die Be- 1) Welche Vortheile durch Fleiss, Aufmerksamkeit und hauptsächlich durch das Verständniss des Sienenlebens mit Hülfe von Dzierzon-Stöcken bei der Bienenzucht erreicht werden können, das wird man aus der Praxis ersehen, mit welcher Herr v. Berlepsch noch dazu in einer honigarmen Gegend, wie von ihm selbst Seebach bezeichnet wird, seine Bienenstöcke behandelt (s. die Bienenzeitung. 1855. pag. 3). Nach Berlepsch’s Versicherung würde ihm jeder einzelne seiner Stöcke jährlich 30 Pfund Honig und 1°/, Pfund Wachs abgeben können, wodurch ihm aus sämmt- lichen 104 Stöcken 3120 Pfund Honig und 130 Pfund Wachs im Werth von gut 400 Thlr. erwachsen könnte. 2) Dieser ausgezeichnete Gehülfe, der, wie ich mich selbst überzeugte, nach der Versicherung seines Herrn dem Huber’schen Diener Fran- cois Burnens (s. Fr. Huber: neue Beobachtungen über die Biene. Dresden. 1793. pag. III) an die Seite gestellt werden kann, hat leider vor der Hand Seebach verlassen müssen, um seine Soldaten -Dienstjahre zu überstehen. 112 Wahre Parthenogenesis schaffenheit der Eihüllen, des Mikropyl-Apparates und des Dotters genau kennen gelernt und mich in dem Präpariren der Bieneneier geübt hatte, richtete ich mein Augenmerk auf die Spermatozoiden, durch deren Vorhandensein oder Fehlen die Hauptentscheidung gegeben werden sollte. Vor allem war die genaueste Bekanntschaft mit den einzelnen Leisten des aus unregelmässigen Sechsecken zusammengesetzten Leisten- gerüstes der Eischale sowie mit den zufällig bei der Untersu- chung entstandenen Falten der homogenen Dotterhaut nöthig, um diese Dinge nicht mit unbeweglich gewordenen Spermato- zoiden zu verwechseln. Nachdem ich mich auf diese Weise mit der Untersuchung der Bieneneier gehörig vertraut gemacht hatte, liess ich mir am 22. August früh 10 Uhr eine Wabe mit weiblichen Eiern herbeibringen, die höchstens vor einer Stunde abgesetzt waren. Ich konnte im voraus erwarten, dass an diesen Eiern die Sper- matozoiden äusserlich nicht mehr wahrzunehmen seien, ich richtete daher meine volle Aufmerksamkeit auf den Inhalt die- ser Eier, und hoffte die durch den Mikropyl- Apparat bereits eingedrungenen Samenfäden im Innern der Eier aufzufinden. Ich überzeugte mich bald, dass es keine Möglichkeit sei, die zarten Samenfäden zwischen der körnig-blasigen Dottermasse herauszufinden; das zu suchende linienförmige Objekt war zu subtil, um zwischen den vielen sıch durcheinander kreuzenden CGonturlinien der Dotterbläschen sicher entdeckt werden zu können. Nach verschiedenen vergeblichen Bemühungen, das Innere des Bieneneies dem forschenden Blicke zugänglich zu machen, kam ich zuletzt auf den Gedanken, einen Kunstgriff anzuwenden, den ich durch Uebung bald erlernt hatte und der mir erlaubte, wenigstens einen Theil des inneren Raumes der Bieneneier mit grosser Klarheit und Ungestörtheit zu über- blicken. Ich zerdrückte nämlich ein Bienenei mit einem sehr £ " ui bei der Honigbiene. 113 dünnen Deckgläschen ganz sanft und zugleich so, dass das- selbe an seinem unteren, «lem Mikropyl-Apparate entgegen- gesetzten Pole langsam zerriss und der Dotter an dieser Stelle allmälig hervorfloss, wodurch an dem oberen Pole innerhalb des Mikropyl- Apparates ein heller leerer Raum zwischen den Ei- hüllen und dem nach unten zurückweichenden Dotter entstand. Auf diesen leeren Raum, den ich während des Ausfliessens des Dotters unter dem Mikroskope langsam entstehen sah, richtete ich ganz besonders meine Aufmerksamkeit. Das Herstellen eines solchen Eipräparates gelang natürlich nicht immer, denn zuweilen floss der Dotter aus den unten aufgerissenen Eihüllen hervor, ohne dass sich oben jener leere Raum herstellte, der Dotter blieb auch dort oben verbreitet und erlaubte kein siche- res Urtheil über Vorhandensein oder Abwesenheit von Samen- fäden. Ein Versehen bei dem Zerdrücken des Eies, ein etwas zu starker Druck auf dasselbe oder vielleicht auch eine eigen- thümliche, weniger zähe Beschaffenheit des Dotters veranlasste wahrscheinlich den Dotterinhalt, nach allen Richtungen hin dem Drucke auszuweichen und daher auch nach oben gegen den Mikropyl- Apparat anzudrängen. Ich untersuchte aus der oben erwähnten Wabe zehn Eier, von denen es mir gelungen war, sie unverletzt aus ıhren Zellen auf einen Objektträger überzutragen, was bei der Zart- heit dieser Eier immer seine Schwierigkeiten hatte. Das Resul- tat ihrer mikroskopischen Untersuchung war folgendes. Das erste weibliche Ei liess nichts auffallendes erkennen. In dem Inneren des zweiten Eies bemerkte ich zu meiner grössten Freude drei deutliche, aber unbewegliche Samenfäden inner- halb des leeren Raumes, der am oberen Pole des Eies durch den am unteren Pole ausfliessenden Dotter entstanden war. In einem dritten Eie sah ich nach gleichem Zurückweichen des Dotters in dem oberen leer gewordenen Raume des Eies v. Siebold, Nachweis u. s. w. 8 ’ 114 Wahre Parthenogenesis einen einzigen unbeweglichen Samenfaden. In einem vierten Eie beobachtete ich an derselben ®telle wieder drei unbeweg- liche Spermatozoiden. Ein fünftes Ei in gleicher Weise prä- parirt liess keinen Samenfaden erkennen. Ein sechstes und siebentes Ei war bei dem Präpariren wahrscheinlich zu stark gequetscht worden, der erforderliche leere Raum liess sich im Innern des Eies am oberen Pole desselben nicht herstellen, weshalb ich diese Präparate zur weiteren Untersuchung für untauglich hielt. In einem achten und neunten glücklich prä- parirten Ei sah ich wieder einen einzigen unbeweglichen Samen- faden in dem oberen leeren Raume der Eihöhle. Bei dem zehnten Eie missglückte mir die Präparation gänzlich. Dieselbe Wabe mit weiblichen Eiern wurde, nachdem sie in einem Zim- mer sorgfältig aufbewahrt worden war, am 23. August früh 8 Uhr zur Fortsetzung dieser Untersuchungen benutzt. Ein eilftes Ei verdarb während des Präparirens, ein zwölftes Ei ebenfalls. Ein dreizehntes Ei verhielt sich höchst interessant. Nachdem nämlıch dasselbe zwei und zwanzig Stunden ausser- halb des Bienenstockes sich befunden hatte und auf die oben beschriebene Weise glücklich präparirt war, zeigte es zwei Spermatozoiden in dem hellen leeren Raume zwischen den Ei- häuten und dem nach dem Zerdrücken des Eies zurückgewiche- nen Dotter. Der eine Samenfaden machte sehr leb- hafte schlängelnde Bewegungen, der zweite Samenfa- den war starr, hieng aber am anderen Samenfaden fest und wurde so durch dessen Bewegungen mitbewegt. Um acht Uhr 30 Minuten wurden diese Bewegungen von mir zuerst gesehen und auch von Herrn v. Berlepsch und Günther nebst zwei an- deren Zeugen beobachtet. Nach drei Minuten war der Samen- faden noch beweglich. Es wurde das Präparat hierauf zurück- gestellt, und erst nach 15 Minuten wieder unter dem Mikro- skope betrachtet. Die Bewegungen des ersten Samenfaden bei der Honigbiene. 115 hatten jetzt auch aufgehört, aber beide Spermatozoiden waren, obgleich unbeweglich, noch schr deutlich an derselben Stelle zu unterscheiden. Ein vierzehntes Ei lieferte kein Resultat, da die Präparation desselben missglückte. In einem fünfzehnten Eie waren vier deutliche aber unbewegliche Spermatozoiden in dem bei dem Präpariren leer gewordenen Raume zwischen den Eihüllen und dem zurückgewichenen Dotter zu entdecken ge- wesen. An demselben Tage wurde noch aus einem anderen Bie- nenstocke eine Wabe mit weiblichen Eiern herbeigeholt, wel- che gleichfalls höchstens zwölf Stunden alt sein konnten. Die mit diesen Eiern fortgesetzten Untersuchungen ergaben folgen- des Resultat. Ein sechzehntes Ei, dessen Präparation gut aus- gefallen war, liess keinen Samenfaden im Innern erkennen. An einem siebzehnten Eie missglückte die Präparation. Ein achtzehntes Ei enthielt an der schon oft erwähnten Stelle drei Samenfäden, von denen der eine beweglich war. Bei dem neunzehnten und zwanzigsten Ei war das Präparat miss- glückt. Das einundzwanzigste Ei enthielt zwei unbewegliche Samenfäden, ebenso das zweiundzwanzigste Ei. In dem drei- undzwanzigsten Eie dagegen konnte ich vier unbewegliche Samenfäden unterscheiden. An dem vier- und fünfundzwan- zigsten Eie war die Präparation verunglückt. Das sechs- und siebenundzwanzigste Ei zeigte mir wieder einen unbeweglichen Samenfaden, und das achtundzwanzigste Ei deren zwei. Die nächstfolgenden vier untersuchten Eier liessen sämmtlich nur einen einzigen unbeweglichen Samenfaden erkennen. Die Un- tersuchung des dreiundllreissigsten Eies war wieder missglückt. Das vier- und fünfunddreissigste Ei liess drei unbewegliche Spermatozoiden erkennen, das sechsunddreissigste von - mir untersuchte Ei enthielt einen beweglichen und drei un- bewegliche Samenfäden. In dem sieben - und achtunddreissig- g* 116 Wahre Parthenogenesis sten Eie konnte ich nur einen bewegungslosen Samenfaden wahrnehmen, in dem neununddreissigsten, vierzigsten und einundvierzigsten Eie dagegen war ich im Stande zwei starre Spermatozoiden herauszufinden. Das zweiundvierzigste Ei war bei der Präparation zur Untersuchung untauglich gewor- den. Am 23. August wurde ausserdem noch eine dritte mit weiblichen Eiern besetzte Wabe zur Untersuchung benutzt, deren Eier so eben erst abgesetzt waren. Es zeigten sich diese Eier aber nicht so günstig bei der von mir angewendeten und oben beschriebenen Untersuchungsmethode, weil der Dotter von der Dotterhaut nach dem Zersprengen der Eihüllen nicht so leicht abrücken wollte; da, wo es mir gelang, jenen leeren Raum zwischen Eihüllen und Dotter in diesen Eiern herzustel- len, war es mir häufig möglich, Spermatozoiden im Innern dieser Eier zu entdecken. Ich will, um die Leser nicht zu ermüden, nur noch einen Theil dieser Untersuchungen der Reihe nach aufzählen. Das dreiundvierzigste Ei liess äusser- lich einen auf dem Mikropyl-Apparat unbeweglich aufsitzenden Samenfaden erkennen. Das vier- und fünfundvierzigste Ei lie- ferte wegen Misslingens der Präparation kein Resultat. Erst am Morgen früh 7 Uhr den 24. August, nachdem diese gelegten Eier 15 Stunden alt geworden waren, wurde mit ihrer Unter- suchung fortgefahren. Das sechsundvierzigste Ei enthielt meh- rere verschlungene aber unbewegliche Spermatozoiden. In dem siebenundvierzigsten Eie konnte ich einen unbeweglichen Samenfaden auffinden ; am achtundvierzigsten Eie verunglückte das Präparat, an dem neunundvierzigsten und fünfzigsten von mir untersuchten Ei musste ıch es zweifelhaft lassen, ob das Objekt, welches man für einen Samenfaden nehmen konnte, auch wirklich ein solcher war. Das einundfünfzigste Ei, ebenso das zweiundfünfzigste Ei liess, nachdem sich der Dotter von dem Mikropyl-Apparat nach unten durch den Einriss der Ei- bei der Honigbiene. 117 schale zurückgezogen hatte, einen unbeweglichen Samenfaden oben in dem leeren Raume des Eies deutlich unterscheiden. Fasse ich diese eben aufgeführten Beobachtungen zusam- men, so liefern sie bei der Schwierigkeit der Untersuchung im Ganzen ein sehr günstiges Resultat, da auch ich mich über- zeugt habe, dass diese Untersuchungen des Bieneneies, wie Leuckart sehr richtig behauptet hat', von allen ähnlichen Untersuchungen zu den allerschwierigsten gehören. Unter den 52 von mir mit grösster Sorgfalt und Gewissenhaftig- keit revidirten weiblichen Bieneneiern lieferten 30 ein posi- tives Resultat, das heisst, ıch konnte in 30 Eiern die An- wesenheit von Samenfäden constatiren, an denen sich in drei Eiern sogar noch Bewegungen wahrnehmen liessen. Von den übrigen 22 Eiern waren 12 bei dem Präpariren verunglückt. Ich hebe hierbei noch besonders hervor, dass die Beobachtungen mit positivem und negativem Resultate ganz unregelmässig aber in sehr kurzen Zwischenräumen abwechselnd aufeinander folgten, was wahrscheinlich nur von dem günstigen oder un- günstigen Erfolge meines Präparirens der zur Beobachtung verwendeten Eier abhängig war. Wollte man die Frage auf- werfen, warum Leuckart nicht so glücklich gewesen war, das zu sehen, was mir zu sehen gelungen ist, so kann ich nichts anderes darauf antworten, als dass wohl die verschiedene Me- thode, die wir beide bei unseren Untersuchungen befolgten, bei Leuckart die Schuld des Misslingens trug. Berlepsch theilte mir nämlich mit, dass Leuckart nicht, wie ich, den Inhalt der Eier durch vorsichtiges Zusammendrücken des Bie- neneies untersucht, sondern sich nur darauf beschränkt habe, die Bieneneier im ganz unverletzten Zustande von aussen einer Untersuchung zu unterwerfen. 1) S. dessen Seebacher Studien in der Bienenzeitung 1855. pag. 2052, 118 Wahre Parthenogenesis Gewiss verdanke ich allein meiner Untersuchungsmethode die glücklichen Resultate dieser mit einem vortrefflichen Kellner’schen Mikroskope angestellten Beobachtungen. Das von mir jedesmal vorgenommene vorsichtige Zersprengen der Eihäute musste sich als eine höchst wichtige Manipulation be- währen, denn offenbar wurde es dadurch allein möglich die zarten in die Eihöhle eingedrungenen und von der Dottermasse verhüllten Samenfäden zu isoliren, indem sie nach dem Ein- dringen in das Innere der Eier wahrscheinlich am Mikropyl- Apparat noch einige Zeit mit ihrem Schwanzende festhängen und nach dem Zersprengen der Eihäute bei dem Austreten der Dottermasse in dem oberen leeren Theile der Eihöhle isolirt zurückbleiben. Vor allem musste mir aber auch daran liegen, auch männ- liche Eier (Drohnen-Eier) in ganz ähnlicher Weise untersuchen zu können, und wirklich verschaffte mir Herr v. Berlepsch hierzu Gelegenheit, obgleich mir derselbe - anfangs wenig Hoffnung gemacht hatte, dergleichen Drohneneier, wenn auch nur in geringer Zahl zu erhalten. Es war wirklich ein Kunststück, in so später Jahreszeit noch Drohneneier habhaft zu werden; wie es mein scharfsinniger und erfahrener Bienen- freund gleichsam erzwungen hat, eine Bienen-Königin zum Legen von männlichen Eiern zu bewegen, wird der Leser aus dem Folgenden entnehmen können. Herr v. Berlepsch besass ın Nr. 79 seiner Bienenstöcke eine Königin, von der er wusste, dass sie dem "Tode nahe war, weil ihre Bienen schon seit Ende Juni immer Weiselwiegen erbauten und die Königin solche mit Eiern belegte, durch wel- che ihr Abgang ersetzt werden konnte. Berlepsch hatte jedoch diese Wiegen nicht zum Ausschlüpfen kommen lassen, und so lebte diese Altmutter noch, als ich ın Seebach ankam und nach Drohneneiern fragte. Jene Königin hatte noch bis a bei der Honigbiene. 119 kurz zuvor Drohneneier gelegt, auch diese Drohnenbrut hatte Berlepsch als zwecklos vertilgt. Endlich hatten es die Arbei- terinnen satt und setzten keine Wiegen mehr an. Berlepsch bezweckte nämlich in diesem Fallezu erfahren, wielange man das Leben einer Bienenkönigin durch Kunst verlängern könnte. Als ich in Seebach eintraf, legte diese Königin noch einzelne Eier. Günther erhielt am 21. August den Auftrag, noch am Abend den Bienenstock Nr. 79 stark mit flüssigem Honig zu füttern, am folgenden Abend den 22. August wurden diesem Stocke zwei Waben mit bedeckelter Bienenbrut, und zwischen beiden eine leere Drohnenwabe eingehängt. Am Morgen darauf den 23. August fanden sich 27 Drohneneier in dieser Drohnenwabe und etwa 60 Bieneneier in noch offenen Zellen der Bienenbrut- Waben vor. Berlepsch hatte sich vorher genau überzeugt, dass in den noch offenen Zellen der beiden fremden Bienenbrut- Waben beim Einhängen in den Versuchsstock auch nicht ein Ei vorhanden war. Ich untersuchte diese 27 Drohneneier, welche ohngefähr zwölf Stunden alt sein konnten und in ihrem Aussehen und in ihrer Organisation mit den weiblichen Eiern vollständig über- einstimmten, mit derselben Vorsicht und nach derselben Me- thode, wie ich die weiblichen Bieneneier behandelt hatte, und fand auch bei keinem einzigen Eie weder äusser- lich noch innerlich einen Samenfaden. Ich muss noch hinzufügen, dass nur das siebente, dreizehnte und drei- undzwanzigste dieser Eier bei dem Präpariren verunglückt waren. Bei allen übrigen dieser Drohneneier rückte der Dotter nach dem Bersten der Eihäute langsam und vollständig von dem oberen Pole der Eihüllen ab, es entstand im Innern dieser Eier der erwünschte leere und klare Raum zwischen Mikropyl- Apparat und dem zurückweichenden Dotter, so dass, wenn Samenfäden in diesen Eiern vorhanden gewesen wären, diesel- ne 120 Wahre Parthenogenesis ben meinem forschenden und neugierigen Blicke gewiss nicht entgangen wären. Um über dieses merkwürdige negative Re- sultat ganz beruhigt sein zu können und um demselben die volle Bedeutung zu verschaffen, wurden von derselben Königin, welche diese Drohneneier geliefert hatte, auch mehrere weib- liche Eier zur Vergleichung untersucht, denn man konnte ja den Einwand machen, dass diese Königin überhaupt nur taube Eier gelegt hätte, weil sie als altersschwach und dem Tode nahe keine Spermatozoiden mehr im Receptaculum seminis gehabt hätte. Aber siehe da, viele dieser Eier enthielten Sa- menfäden; es waren dievon mir schon oben erwähnten 27 Eier, nämlich das sechszehnte bis zweiundvierzigste Ei. Diesem die Richtigkeit der Dzierzon’schen Theorie durch direkte Beobachtungen darlegenden Resultate meiner Seebacher Untersuchungen füge ich noch hinzu,dass mirH. v.Berlepsch vor kurzem brieflich mittheilte, jene Königin habe auch später nach meiner Abreise von Seebach noch weibliche Eier gelegt, aus denen sich Arbeiterinnen entwickelten , sie selbst aber sei . erst am 19. September gestorben. Wahre Parthenogenesis bei dem Seiden-Spinner. Nachdem ich das mit so höchst auffallenden Erscheinungen verbundene Vorhandensein einer wahren Parthenogenesis bei den Bienen nachgewiesen habe, kehre ich noch einmal zu den Schmetterlingen zurück, um mich zu dem Bombyz Mori zu wenden, über welchen mir immer wieder bald hier bald dort Notizen zu Ohren kamen, die den Seiden-Spinner als einen Schmetterling bezeichneten, welcher zuweilen sine concubitu entwicklungsfähige Eier legte. Die älteren hierauf bezüglichen Behauptungen erschienen mir anfangs ebenso unbegründet, wie die übrigen (pag. 15) von mir beleuchteten Fälle von Par- thenogenesis der Schmetterlinge. Ai bei dem Seiden-Spinner. 121 Wie wenig man auch früher an eine solche Parthenogene- sis der Seidenspinner glauben wollte, geht aus einem Briefe hervor, den Constans de Castellet, General-Inspektor der Seidenspinnereien im Königreich Sardinien schrieb', ın welchem derselbe berichtet, dass von ıhm eilf eben aus dem Cocon hervorgekrochene weibliche Seidenspinner beobachtet wurden, welche im jungfräulichen Zustande Eier abgelegt, aus denen Raupen und Cocons erzogen werden konnten. Castel- let, welcher das nicht erwartet hatte, und sicher sein wollte, sich nicht getäuscht zu haben, wiederholte den Versuch, sperrte die weiblichen Cocons in verschiedenen Zimmern ab, und überzeugte sich von dem Gedeihen der Seidenraupen, wel- che er nachher aus der von diesen Schmetterlingen abgesetzten jungfräulichen Brut erhalten hatte. Derselbe stattete darüber an Reaum.ur einen Bericht ab, der ihm aber kurz antwortete: ex nihilo nihil fit, und die Richtigkeit der Thatsache bezwei- felte. Castellet sah sich durch eine solche Antwort eines so ausgezeichneten Naturforschers veranlasst, die Sache noch ein- mal genauer zu untersuchen und glaubte der Sache endlich auf den Grund gekommen zu sein, indem er in seiner Seidenzucht gesehen haben wollte, dass Seidenraupen, die schon ganz nahe daran waren, sich einzuspinnen, sich begattet hätten. Er wollte nämlich bemerkt haben, dass sich einige Raupen schneller, andere langsamer einen Augenblick mit dem Hinterende des Leibes vereinigt hätten. Was von dieser beobachteten Vereini- gung zu halten, wird jeder sich selbst sagen können, der ın Betreff der Fortpflanzungsorgane die anatomische Beschaffen- heit einer ausgewachsenen Raupe kennt. 1) Vergl. den erwähnten Brief: sulle uova de vermi da seta fecondate senza l’accoppiamento delle farfalle in den Opuscoli Scelti sulle scienze et sulle arti. Tom. 18. 1795. pag. 242. u 122 Ww ahre Parthenogenesıs Eine hierher gehörende spätere Notiz ist die Behauptung Herold’s, nach welcher! von den Eiermengen eines unbe- fruchteten Seidenspinner-Weibchens, während die meisten der- selben unverändert bleiben, hin und wieder einige Eier ganz oder theilweise dieselben Veränderungen eingehen sollen, wel- che an den durch wahre Begattung befruchteten Eiern wahr- genommen werden. Herold unterscheidet sogar bei seiner Darstellung der Entwicklung des Seidenspinnereies entwickelte Fötus aus befruchteten und unbefruchteten Eiern, von welchen die ersteren ausschlüpfen, während die letzteren stets in der Eischale zurückbleiben und absterben®. Obwohl Herold nieht näher angegeben hat, durch welche getroffene Vorsichts- massregeln derselbe zu der sicheren Ueberzeugung gelangt ist, dass jene aus unbefruchteten Eiern hervorgegangene Brut wirk- lich von jungfräulichen Seidenspinner-Weibchen herrührten, so blickte ich auf obige Behauptung Herold’s doch mit we- niger Misstrauen als auf die früher besprochenen aus der Fort- pflanzungsgeschichte der Schmetterlinge entnommenen Bei- spiele angeblicher Parthenogenesis, denn bei den sehr trägen und nicht im Freien umherschwärmenden Seidenspinnern konnte sich weit weniger eine heimliche und unbeachtet blei- bende Begattung ereignen. | | Es ist auffallend, dass diese von Herold zur Sprache gebrachte spontane Entwicklung des Embryo in unbefruchteten Liern, welche Beobachtung an den so vielfach verbreiteten Seidenspinnern doch leicht wiederholt werden konnte, der Aufmerksamkeit der Physiologen bisher entgangen ist. Herold war der erste, welcher eine sehr genaue und aus- 1) S. Herold: Disqnisitiones de animalium vertebris carentium in ovo formatione. Fasc. Il. 1838. Tab. VII. | 2) Ebenda. Tab. VII. Fig. 31. ai bei dem Seiden-Spinner. 123 führliche Beschreibung derjenigen Veränderungen lieferte, die in bestimmter Reihefolge an verschiedenen unbefruchtet sich entwickelnden Seidenspinner-Eiern mit der Lupe wahrgenom- men werden können. Herold beschrieb zunächst auf der sechsten Tafel seiner Disquisitiones' die aufeinander folgenden Veränderungen, welche die nach einer fruchtbaren Begattung entwicklungsfähig gewordenen Seidenspinner-Eier in Ansehung ihres Umrisses, ihrer Farbe und ihres Inhaltes sogleich nach dem Ablegen bis zu demjenigen Zustande erleiden, in welchem sie den ganzen Winter hindurch mehr oder weniger unverän- dert verharren. Derselbe hebt noch besonders hervor, dass das unter der Eischale zum Vorschein kommende farbige Netz, wel- ches einen bestimmten Farbenwechsel durchläuft und von wel- chem die Farbenveränderungen des ganzen Eies abhängen, zwar im Allgemeinen ein sicheres Merkmal stattgefundener Befruch- tung,aber insbesondere das sichersteKennzeichen wirklicherEnt- wicklungsfähigkeit der Eier sei. Herold bildet zugleich einen Em- bryo ab?,wieer in einem befruchteten Seidenspinner-Ei, nachdem dasselbe innerhalb .der ersten 8 bis 10 Tage nach demAblegen seine Farbenveränderung geschlossen,sich mitten imWinter vorfindet. Auf der siebenten Tafel stellt Herold die aufeinander folgen- den Veränderungen dar, ‚‚welche unter der ganzen Anzahl von Eiern, die das Weibchen des Seidenspinners für sich, ohne Begattung mit dem Männchen ablegt, manche nichts desto- weniger in verschiedenem Grade mit der Entwicklungskraft begabte Eier fast ebenso, wie durch Zuthun des Männchens wirklich fruchtbar gemachte, in Ansehung des Umrisses, der Färbung und des Inhaltes in den ersten Wochen nach der Ab- 1) Disquisitiones de animalium vertebris carentium in ovo formatione. Fasc. Il. 1838.» 2) Ebenda. Tab. VI. Fig. 15. We 124 Wahre Parthenogenesis legung bis dahin erleiden, wo sie den ganzen Winter hindurch mehr oder weniger unverändert bleiben.‘‘“ Derselbe konnte verschiedene Grade der Entwicklungsfähigkeit unbefruchteter Eier unterscheiden, welche sich durch unendliche Verschieden- heiten in der Disposition, Anzahl, Gestalt und Farbenstärke der farbigen Eitheile zu erkennen gaben. Bei einigen dieser unbefruchteten Eier hatte die Entwicklungsfähigkeit einen so hohen Grad erreicht, dass Herold im Stande war, aus eıl- nem solchen Eie mitten im Winter einen Fötus hervorzu- ziehen‘. Nach Herold’s ferneren Angaben wurden aber nicht in allen entwicklungsfähigen unbefruchteten Eiern, welche er ım Winter untersuchte, Embryone gefunden, auch hatte derselbe niemals Räupchen aus unbefruchteten Eiern hervorkriechen sehen, da sie alle vorher schon zu leben aufge- hört hatten. Uebrigens kannte schon Malpıighi den Unterschied zwischen befruchteten und unbefruchteten Seidenspinner-Eiern. Dieser ausgezeichnete Naturforscher wusste längst, was von einer späteren physiologischen Schule unbeachtet gelassen war, dass nämlich durch die Begattung nicht die Eierstöcke be- fruchtet würden, sondern dass nach einer Begattung jedes ein- zelne fertige Ei für sich befruchtet werde. Es geht dies deut- lich aus seinen mitgetheilten Untersuchungen hervor. Mal- pighi sah”, dass die aus den Ovarien eines befruchteten Sei- denspinners herausgenommenen schwefelgelben Eier sich ganz wie unbefruchtete Eier verhielten, während ein Ei, das er ın der Scheide dieses Schmetterlings vorgefunden, sich nach ei- niger Zeit violett färbte, sich demnach als befruchtet auswies. Malpighi leitete diese Wirkung von dem Inhalte der Bursa 1: A..a:0: Tab. VIE Pig..19. - 2) Marc. Malpighii dissertatio de Bombyce. Londini. 1669. pag. 82... = bei dem Seiden-Spinner. 123 copulatrix ab, deren Bedeutung und Einmündung in die Scheide er kannte'. Seinem Forscherblicke war allerdings auch das Receptaculum seminis nicht entgangen , indessen hatte er des- sen Bedeutung nicht erfasst”. Auch Pallas® sprach sich schon über die Farbenveränderungen aus, welche die befruch- teten Eier des Seidenspinners und anderer Schmetterlinge, nachdem sie gelegt worden sind, erleiden. Derselbe bemerkte, dass die Eier von Paprlio Iris, welche er einem befruchteten Weibchen aus dem Leibe geschnitten, ihre grasgrüne Farbe nicht änderten, während die gelegten Eier eines solchen be- fruchteten Schmetterlings sich gelbgrün färbten, und zog daraus den richtigen Schluss, dass die Befruchtung dieser Bier erst bei dem Durchgange durch die Mutterscheide ge- schehe. Gerade in der Zeit, als ich mit der Parthenogenesis der Psychiden vertraut geworden war, wurde ich von verschiedenen Seiten her auf die bei Bombyx Mori vorkommende Partheno- genesis in einer Weise hingewiesen, dass ich nicht umhin konnte, die hierbei zur Sprache gebrachten Erscheinungen näher zu prüfen. | Den Hauptanstoss hierzu gab folgendevon Ph. deFilippi im Jahre 1851 gemachte Mittheilung *: Je me bornerai & citer un cas singulier, qui m’a &te raconte tout dernierement par un celebre entomologiste anglais, M. John Curtis, a son pas- sage par Turin, d’une chrysalide isolde de Bombyx polyphemus qu’il avait recue d’Amerique, et de laquelle naquit une femelle 1) Ebenda. pag. 81. Tab. XII. Fig. 1. K, I,M. 2) Ebenda. pag. 80. Tab. XII. Fig. 1. E,F,G,H. 3) S. dessen Anmerkungen über einige Besonderheiten an Insekten in dem Stralsunder Magazin. Bd. I. St. 3. 1768. pag. 210. 4) S. Annales des sciences naturelles. Zoologie. Tom. V. 1851, pag. 297. u 126 Wahre Parthenogenesis dont tous les oeufs se developperent. Je crois que la me&me chose a lieu quelquefois dans les femelles de Bomdbyx Mori, quoique tout A fait separees des mäles. Diese Notiz rief mir verschiedene andere Mittheilungen über die Möglichkeit einer Parthenogenesis bei Bombyx Mori ins Gedächtniss, auf welche ich jetzt, nachdem Filippi, der mir als ein durch und durch besonnener Physiolog bekannt ist, als Zeuge für die Richtigkeit dieser Behauptung aufgetre- ten war, ein um so grösseres Gewicht legen musste. Ich erinnerte mich einer Mittheilung von Mögling': dass der weibliche Schmetterling von Bombyx Mori 350 — 480 Eier lege, welche entwicklungsfähig sein könnten, wenn gleich das Weibchen von keinem Männchen befruchtet sei”. Offenbar gehört auch jene Beobachtung Boursier’s hieher, von wel- cher vor einigen Jahren in den Comptes rendus berichtet wurde?, dass ein weiblicher Seidenspinner, der sich mit einem Männchen nicht begattet hatte, von Boursier bald dem Sonnenlicht bald dem Schatten ausgesetzt worden sei, wobei der Schmetterling viele Eier gelegt habe, von denen diejenigen, welche im Sonnenschein gelegt worden seien, Räupchen ge- liefert hätten. Indem wohl niemand in vorliegendem Falle, wie Boursier es gethan hat, ‚die Befruchtung der Eier von dem Einflusse des Sonnenlichts und der Sonnenwärme ableiten wird, so wird man sich doch nicht enthalten können, in dieser Erscheinung eine Parthenogenesis zu erblicken. Ich wendete mich an Filippi selbst, um von ihm ein weiteres über die 1) S. dessen Schrift über die Seidenzucht. 1847. pag. 89. 2) Mögling berief sich hierbei auf die Notices sur les &ducations des vers & soie faites en 1840 par M. Robinet, welche mir bis jetzt noch nicht zu Gesicht gekommen sind. 3) Vergl. Comptes rendus. Nr. 12. 1847 oder Notizen von Schleiden u. Froriep. Bd. V. 1848..pag. 20. « ® ir bei dem Seiden-Spinner. 127 Fortpflanzung der Seidenspinner sine concubituzu erfahren, da derselbe in einem Lande lebt, in welchem der Seidenbau sehr aus- gebreitet betrieben wird, und ersterer gewiss leicht Erfahrungen über den fraglichen Gegenstand hatsammeln können. Filippi schrieb mir unterm 29. Mai 1852 folgendes: ‚‚Quant aux oeufs de Bombyx Mori eclos sans fecondation prealable voilä ce que je pourrais ajouter. C’est en 1850 que j’ai eu occasion d’observer une .chose pareille avec des vers a soie de la variete dite parmi nous des Zrevoltini (c’est a dire qui peuvent 6tre dleves trois fois dans lannee.). Aussi Mr. Griseri, qui Soccupe beaucoup de P’education des vers a soie, a trouv& que plusieurs oeufs de- poses par des femelles vierges se developpent. Plusieurs cul- tivateurs de vers a sole m’ont assures la m&me chose,‘‘ Diese verschiedenen Nachrichten über Bombyz Mori zu- sammengehalten mit jener von Curtis an einem vereinzelten amerikanischen Spinner gemachten Beobachtung, bei welcher wohl keine Täuschung sich eingeschlichen haben konnte, so wie eine von Johnston berichtete Beobachtung, nach wel- cher aus den Eiern, die einem vor zwei Tagen getödteten Smerinthus ocellatus aus dem Leibe also unbefruchtet wegge- nommen waren, Räupchen sich entwickelten ', alle diese Mit- theilungen bestärkten mich, die Existenz einer Parthenogene- sis auch bei Bombyx Mori anzunehmen, obwohl ich dieselbe mit Ausnahme einzelner Psychiden bei den Schmetterlingen ge- läugnet habe. Man wird mich deshalb nicht einer Inconsequenz zeihen wollen, denn die früher von mir (pag. 15) aufgeführten 1) Vergl. the Zoologist. 1548. pag. 2269. s. auch Schleiden’s und Froriep’s Notizen. 1819. Bd. VIII. pag. 170. Ich setze voraus, dass in vorliegendem Falle die Eier aus den Eierstöcken und nicht aus dem Eier- leiter genommen wurden, weil sonst nach einer etwa vorausgegangenen Begattung solche Eier vom Receptaculum seminis aus befruchtet sein konnten. = — u 128 Wahre Parthenogenesis Beispiele, welche der Parthenogenesis der Schmetterlinge das Wort reden sollten, können einmal als zuverlässige Beweise aus den oben geltend gemachten Gründen nicht zugelassen werden. Um mir eigene Erfahrungen über die Parthenogenesis bei Bombyx Mori zu verschaffen , setzte ich mich in Breslau und München mit verschiedenen Seidenzüchtern in Verbindung, von diesen erhielt ich ebenfalls die ernste Versicherung, dass sich nicht selten aus den von unbefruchteten Seidenspinner- Weibchen abgelegten Eiern Räupchen entwickelten. Durch die Gefälligkeit des Fabrikanten Herrn Steiner in Breslau wurde mir eine umfangreiche Seidenspinner-Zucht zur Disposition ge- stellt, mit deren Hülfe ich mich über verschiedene interessante Vorgänge bei dem Eierlegen und der Entwicklung der Seiden- raupe unterrichten konnte. Zuerst verschaffte ich mir im Som- mer 1852 eine gehörige Menge Seiden-Cocons männlichen und weiblichen Geschlechts. Nach ihrem Ausschlüpfen er- laubte ich mehreren Pärchen sich zu begatten, während ich eine andere Anzahl von Seidenspinner-Weibchen, die ich schon als solche im Puppenzustande erkannt hatte, streng sonderte undüberwachte. Sowohl die befruchteten Seidenspinner-Weib- chen als auch die unbefruchtet gebliebenen, deren ich sieben zur Beobachtung ausgewählt hatte, legten eine grosse Menge Eier ab, die ich sämmtlich einer sehr genauen Beaufsichtigung unterwarf. Fast sämmtliche von den befruchteten Seidenspin- nern abgelegten Eier veränderten sich nach einigen Tagen in der bekannten Weise, indem sich ihre schwefelgelbe Farbe nach und nach in dunkelgelb, dann in orange, dann roth, violettund zuletzt in blaugrau oder schiefergrau umwandelte, was oft schon am dritten Tage nach dem Legen geschehen war. Die Eier blie- ben dabei prall und erhielten auf ihrer Mitte die ebenfalls bekann- te flache Vertiefung. In dieser blaugrauen Färbung als Zeichen ihrer Lebensfähigkeit überwinterte ich diese Eier, welche mir r bei dem Seiden-Spinner. 129 im nächsten Frühjahre eine grosse Zahl Räupchen lieferte. Ich muss hier bemerken, dass der vorhin erwähnte Farben- wechsel der Seidenspinner-Eier nicht von einer bereits begin- nenden Entwicklung des Embryo herrührt, sondern nur Folge einer eigenthümlichen Veränderung des Dotters ist, welcher durch die farblose mattdurchsichtige Eischale anfangs mit schwefelgelber Farbe und nachher mit den verschiedenen Farbenveränderungen hindurchschimmert. Einzelne wenige von den befruchteten Seidenspinner-Weibchen abgelegte Eier haben ihre schwefelgelbe Farbe behalten und sind zuletzt ver- schrumpft. Diese haben gewiss ihre Lebensfähigkeit eingebüsst, weil durch irgend einen Zufall das Eindringen von Samenfäden in die Mikropyle gehindert und so die Befruchtung dieser Eier nicht erreicht wurde. Auf die von jenen sieben jungfräulichen Seidenspinnern erhaltenen Eier richtete ich von Anfang an ein besonderes Au- genmerk, da ich sehr neugierig war, ob sich nicht bei einzelnen dieser Eier wenigstens eine Parthenogenesis beobachten liess. Ich war daher sehr überrascht, als ich an einer weit grösseren Anzahl dieser Eier, wie ich kaum gehofft hatte, ganz denselben bekannten Farbenwechsel wahrnahm, welcher bei den befruch- teten Eiern bald nach dem Ablegen derselben eintritt, aber bei diesen unbefruchteten Eiern um vieles langsamer und später erfolgte. Von einigen dieser jungfräulichen Seidenspinner hatte ich 30 bis 40, von anderen etwa nur 10—-20 Eier erhalten, deren Farbe sich im Vergleich zu den übrigen gelb gebliebenen und nach und nach ganz verschrumpften Eiern allmälıg verän- derte. Aber auch dieser Farbenwechsel gieng nicht ganz con- stant in derselben Weise vor sich wie bei den befruchteten Eiern. Nur wenige unbefruchtete Eier machten den ganzen Farbenwechsel bis zum schiefergrau durch, die meisten blieben auf früheren Stufen des Farbenwechsels stehen, und färbten v. Siebold, Nachweis u. s. w. 9 a 130 Wahre Parthenogenesis sich nur röthlich oder violett, und verschrumpften zuletzt auch wie die hellgelben unbefruchteten Eier, jedoch um ein paar Monate später als diese. Leider hatte ich nicht das Glück, aus den schiefergrau gewordenen und prall gebliebenen unbefruch- teten Eiern, welche ich mit Sorgfalt den Winter über aufbewahrt hatte, Räupchen zu erhalten, denn auch sie verschrumpften und vertrockneten gänzlich, als das darauf folgende Frühjahr herangekommen war. Aehnliches widerfuhr mir mit einer gros- sen Anzahl schiefergrauer und praller Eier, welche ganz das Ansehen von befruchteten Eiern besassen und mir von Herrn Steiner unter der Versicherung übergeben worden waren, dass sie von jungfräulichen Seidenspinnern gelegt worden seien. Ich fand diese Eier nach mehreren Monaten gänzlich ver- schrumpft, ohne dass ich auch nur ein einziges Räupchen daraus erhalten hatte. Im Jahre 1854 wurde mir vom Seminarlehrer Herrn Schmid zu Eichstädt, der sich seit achtzehn Jahren mit Seidenraupen-Zucht beschäftigt, eine Quantität blaugrauer pral- ler Seidenspinner-Eier mitgetheilt, welche nach seiner Ver- sicherung von jungfräulichen Spinnern abstammten. Aus allen diesen Eiern entwickelten sich in der That Räupchen. Es lag mir viel daran, aus diesen Raupen die Schmetterlinge zu ziehen, um zuerfahren , ob vielleicht ähnlich wie bei den Psychiden oder wie bei den Bienen aus allen diesen unbefruchteten und zur Entwicklung gekommenen Eiern nur ein einziges Geschlecht, entweder nur Weibchen oder nur Männchen zum Vorschein kommen würden. Obwohl ich kein bestimmtes Motivangeben konnte, durch welches ich veranlasst worden wäre, die Entwicklung von männlichen Schmetterlingen aus unbefruchteten Seidenspinner- Eiern im voraus zu erwarten, so muss ich doch gestehen, dass ich, wenn auch ohne bestimmten Grund, die Erwartung hegte, bei dem Seiden-Spinner. 131 es würden jene aus unbefruchteten Eiern hervorgeschlüpften Seidenräupchen nur männliche Spinner liefern. Ich könnte zu meiner Rechtfertigung allenfalls jene auffallende und bereits (pag. 25) erwähnte Notiz von Carlier anführen, welche Lacordaire in folgender Weise mitgetheilt hat!: Cet obser- vateur a obtenu, sans accouplement, trois generations du Zipa- ris dispar, dont la derniere ne donna que des mäles, ce qui mit naturellement fin a experience. Obgleich diese kurze Notiz, wie schon früher von mir bemerkt wurde , keinen Beweis ent- hält, dass die darin mitgetheilte Beobachtung auch mit der nöthigen Sorgfalt und Genauigkeit angestellt worden, so erhält dieselbe jetzt, nachdem Dzierzon’s Theorie sich als richtig bewährt hat,ein besonderes Gewicht. Ich regte schon im Jahre 1852 bei Dzierzon selbst den Gedanken an, ob nicht die Eigenschaft gewisser Seidenspinner-Weibchen, unbefruchtet entwicklungsfähige Eier zu legen, dazu dienen könnte, durch genaue Versuche und Experimente seiner Theorie über die Fort- pflanzung der Bienen Vorschub zu leisten. Dzierzon empfahl in Folge dessen den Seidenzüchtern dergleichen Versuche. Es wurde hierauf in dieser Beziehung von verschiedenen Seiten mit Seidenspinnern experimentirt, bis jetzt sind aber die darü- ber abgegebenen Berichte noch unvollständig®?. Eine in diesen Berichten enthaltene Notiz von Dr. Kipp, der von einem in einer Schachtel ausgekrochenen und verschlossen gehaltenen Pappelschwärmer (Sphinz Populi) eine Menge Eier und aus allen diesen Eiern Räupchen erhalten hatte, spricht gegen Dzierzon’s Theorie, da aus diesen Räupchen sowohl männ- liche als weibliche Schmetterlinge erzogen wurden *. Ich selbst 1) Vergl. Lacordaire: Introduction a. a. OÖ. Tom. II. pag. 383. 2) 8. die Bienenzeitung. Jahrg. 1853. pag. 103. 3) Ebenda. Jahrg. 1853. pag. 144 und 175. Jahrg. 1855. pag. 26. 4) Ebenda. Jahrg. 1853. pag. 1752. 9* 132 Wahre Parthenogenesis gab mir mit der Erziehung jener Räupchen, welche ich aus den von Herrn Schmid mir abgegebenen unbefruchteten Seiden- spinner-Eiern erhalten hatte, die grösste Mühe und brachte von 15 gross gezogenen Raupen 12 Individuen zur Verpuppung. Schon die verschiedenen Formen der Cocons liessen mich erra- then, dass verschiedene Geschlechter daraus ausschlüpfen wür- den und wirklich krochen später sieben männliche und fünf weibliche Schmetterlinge aus diesen 12 Gespinnsten hervor. Um mich zu überzeugen, ob diese durch Parthenogenesis er- zeugten Spinner auch wirklich vollkommen geschlechtsreif und fortpflanzungsfähig waren, störte ich sie nicht in der Begattung, die sie alsbald nach dem Ausschlüpfen vornahmen. Die Weib- chen setzten nach vollzogener Begattung eine Menge Eıer ab, welche sich als lebensfähig auswiesen und im Jahre darauf eben so viele Räupchen lieferten. Der Seminarlehrer Schmid, der mir von seinem Vorrathe unbefruchteter und lebensfähiger Sei- denspinner-Eier mitgetheilt hatte, stellte gleichzeitig ähnliche Versuche mit den übrigen zurückbehaltenen Eiern an, und er- hielt, wie ich, dieselben Resultate. Dass Schmid seine Expe- rimente mit aller Sorgfalt und mit der nöthigen Vorsicht vor- genommen, geht aus dem Berichte hervor, den mir derselbe darüber abstattete, und aus welchem ich folgendes als bemer- kenswerth hervorhebe. Schmid nahm im Jahre 1853 vierund- zwanzig Seidenspinner beim Auskriechen aus dem Cocon so- gleich in Empfang, um sie sicher im jungfräulichen Zustande zu erhalten; sie wurden abgesondert und sahen sich gegen den 2. bis 4. Tag hin genöthigt, unbefruchtet ihre Eier abzulegen. Sie thaten dies zögernd und in sehr unregelmässigen Absätzen. Einige Hundert dieser anfangs schwefelgelb gefärbten Eier nah- men nach und nach die bekannte schiefergraue Färbung an, und glichen sowohl in dieser Farbe wie in ihrem übrigen Aus- sehen ganz den Eiern befruchteter Seidenspinner. Da sie sich Je 4 bei dem Seiden-Spinner. 133 hiernach als lebensfähig zu erkennen gaben, wurden sie von Schmid den Winter über sorgfältig aufbewahrt und im Früh- Jahre 1854, nachdem die Maulbeerhecken zugrünen angefangen, aus dem Winterlokale hervorgeholt, um sie in einem passend erwärmten Raume zur völligen Entwicklung vorzubereiten. Das Auskriechen der Räupchen erfolgte alsbald aus 274 von 24 jung- fräulichen Seidenspinnern abgelegten unbefruchteten Eiern ; in 270 andern unbefruchteten Eiern derselben Seidenspinner waren die Räupchen noch vor dem Auskriechen abgestorben. Was die Zahl der lebensfähigen Eier betrifft, welche Schmid von 24un- befruchteten Seidenspinnern erhalten, so bemerkte derselbe, dass keiner dieser unbefruchteten Schmetterlinge lauter lebensfähige _ Eier legte, sondern dass von einem und demselben Individuum hintereinander unregelmässig wechselnd bald lebensfähige, bald nicht lebensfähige Eier gelegt wurden, indem nach 4 oder 10 oder 15 lebensfähigen Eiern gleich wieder ebensoviele oder mehr oder weniger Eier ohne Lebensfähigkeit gezählt werden konn- ten; zuweilen wurden ganze Haufen von Eiern gelegt, unter denen nur1, 2, 3 oder 4 lebensfähige Eier zu bemerken waren. Auch Schmid hatte, wie ich, die Erfahrung gemacht, dass nicht alle von befruchteten Seidenspinner- Weibchen abgesetzten Eier ohne Ausnahme lebensfähig sind, sondern dass in seltenen Fällen auch einzelne wenige Eier lebensunfähig (unbefruchtet) unter den übrigen lebensfähigen (befruchteten) Eiern vorkom- men. Mehrere von den oben erwähnten 24 jungfräulichen Sei- denspinner-Weibchen legten aber auch lauter lebensunfähige Eier. Von den 274 aus unbefruchteten Eiern erhaltenen Seiden- räupchen konnte Schmid wegen der im Frühjahre 1854 statt gehabten höchst ungünstigen Temperatur-Verhältnisse nur 15 am Leben erhalten; mit den aus befruchteten Eiern gewonne- nen Seidenräupchen gieng es ihm in demselben Frühjahre nicht besser. Von jenen 15 Seidenraupen wurden nur 12 zum Ein- u 134 Wahre Parthenogenesis spinnen gebracht, welche’11 Schmetterlinge lieferten, unter denen sich sieben Männchen und vier Weibchen befanden. Schmid liess drei von diesen weiblichen Schmetterlingen un- befruchtet Eier legen, aber alle von diesen drei jungfräulichen Seidenspinner- Weibchen abgesetzten Eier blieben hellgelb und schrumpften bald ein, waren mithin nicht lebensfähig gewesen. Das vierte dieser Weibchen paarte sich mit einem der sieben Männchen, die aus unbefruchteten Eiern gezogen waren; die nach dem Begattungsakte von diesem Weibchen gelegten Eier waren sämmtlich bis auf 16 lebensfähig und lieferten im Jahre 1855 sehr schöne Raupen. Von den sechs anderen männlichen . Seidenspinnern wurden zwei zur Begattung mit anderen ge- wöhnlichen Seidenspinner- Weibchen benutzt, auch diese letz- teren legten durchgehends nur lebensfähige Eier, aus denen gleichfalls ganz schöne Raupen hervorgiengen. Im Jahre 1854 wählte Schmid abermals 24 weibliche Seidenraupen-Cocons aus, welche alle einzeln separirt und streng beaufsichtigt wur- den. Es schlüpften 23 Weibchen und 1 Männchen daraus her- vor, letzteres wurde sogleich nach seinem Auskriechen entfernt. Die 23 Weibchen legten in ihren einsamen Zellen mehr oder weniger unregelmässig ihre Eier ab, unter denen sich nur 21 lebensfähige Eier befanden, welche zusammen von vier dieser Schmetterlinge gelegt waren, alle übrigen Eier waren grössten- theils hellgelb geblieben oder waren rothbraun geworden und dann eingeschrumpft. Leider misslang im Jahre darauf, 1855, die Zucht der Raupen aus diesen 21 Eiern; es hatten sich näm- lich in denselben die 21 Räupchen vollkommen entwickelt, ihr Auskriechen musste aber wegen Mangel an Futter zurückge- halten werden, wobei sıe innerhalb der Eischale abstarben. Im Jahre 1855 wählte Schmid S weibliche Coconsaus, welche wie die früheren mit gleicher Sorgfalt und Aengstlichkeit abgeson- dert und überwacht wurden. Sie lieferten 8 weibliche Schmet- er # % ö bei dem Seiden-Spinner. 135 terlinge, von denen 7 Individuen ihren ganzen Eiervorrath im Jungfräulichen Zustande ablegten, während das achte Weibchen trotz aller Anstrengung auch nicht ein einziges Ei absetzen konnte. Schmid sendete mir die ganze Eiererndte dieser Schmetterlinge auf sieben Papierstreifen, es mögen ohngefähr 3600 Eier sein; jeder der sieben Papierstreifen enthielt ohnge- fähr 512 Eier, welche jene Schmetterlinge beim Legen ange- klebt hatten. Auf dem ersten Papierstreifen waren sämmtliche ° Eier noch prall und mit der mittleren flachen Vertiefung ver- sehen, 40 davon hatten ihre hellgelbe Farbe bewahrt, fünf hat- ten eine schiefergraue Farbe angenommen, alle übrigen erschie- nen rothbräunlich gefärbt. Der zweite Papierstreifen trug 18 hellgelbe und sieben schiefergraue Eier, alle übrigen waren rothbräunlich gefärbt. Sämmtliche Eier erschienen prall und in ihrer Mitte flach vertieft, acht rothbräunliche Eier zeigten sich vollständig verschrumpft. Auf dem dritten Papierstreifen befand sich nur ein einziges hellgelbes Ei, alle übrigen hatten eine rothbräunliche Farbe angenommen. Keines dieser Eier war vertrocknet und eingeschrumpft, aber die mittlere Vertie- fung war bei sehr vielen auffallend stark eingesunken, so dass sich annehmen lässt, dass diese Eier demnächst dem Austrock- nen verfallen werden. Der vierte Papierstreifen enthielt nur vier schiefergraue Eier, alle übrigen Eier desselben besassen eine rothbräunliche Farbe, nur eilf davon waren ganz ver- schrumpft, andere mehr oder weniger dem Austrocknen nahe. Auf dem fünften Papierstreifen konnte ich 30 hellgelbe pralle Eier zählen, alle übrigen zeigten sich rothbräunlich gefärbt, nur von diesen waren einzelne vertrocknet; auf dem sechsten Papierstreifen befanden sich nur 4 hellgelbe pralle Eier, alle übrigen waren rothbräunlich gefärbt, unter denen nur einzelne wenige statt der mittleren Vertiefung eine gänzliche Austrock- nung erlitten hatten. Der siebente Papierstreifen besass nur 136 Wahre Parthenogenesis bei dem Seiden-Spinner. rothbräunlich gefärbte Eier, von denen 14 bereits gänzlich verschrumpft waren, viele andere aber nach der tief eingefalle- nen mittleren Vertiefung zu schliessen auf dem Wege des Aus- trocknens sich befanden. Ob sich aus den oben erwähnten 16 schiefergrauen unbefruchteten Eiern, welche dem Anscheine nach noch lebensfähig sind, wirklich Räupchen entwickeln werden, muss die Zeit lehren. Wenn diese Versuche und Experimente bis jetzt noch kein bestimmtes Resultat geliefert haben, so hat dies wohl darin seinen Grund, dass dieselben nicht oft genug hintereinander wiederholt worden sind, jedenfalls ist die Parthenogenesis bei Bombyx Mori jetzt fest gestellt, dennoch verdient aber in die- ser Beziehung die Fortpflanzungsgeschichte des Seidenspinners weiter verfolgt zu werden, da gerade dieses Objekt so viele pas- sende und bequeme Anhaltspunkte zu Beobachtungen und Versuchen bietet. Schlussbemerkungen. Die Parthenogenesis, wie sie von mir bei Psyche Helix, Solenobia clathrella und lichenella, bei Bombyx Mori und Apis mellifica nachgewiesen worden ist, kömmt jedenfalls verbreiteter in der Insektenwelt vor, als es diese bisher aufge- fundenen wenigen Beispiele erwarten lassen. Es tritt diese Parthenogenesis gewiss nach bestimmten Gesetzen auf, die unserer Aufmerksamkeit bis jetzt noch gänzlich entgangen sind. Es werden in der Natur durch die Parthenogenesis wahrschein- lich bestimmte Zwecke erreicht, die wir nur dann erst begreifen können, wenn wir das Leben und Treiben der Insekten über- haupt genauer, als es bisher geschehen ist, werden kennen ge- lernt haben. Welche wichtige Bedeutung die Parthenogenesis bei den Bienen hat, wird man wohl jetzt schon einsehen, denn ohne Parthenogenesis könnte der ganze complicirte Bienenhaus- halt, wie er von der Natur vorgeschrieben ist, gar nicht bestehen. Es ist daher jetzt Aufgabe der Entomologen, nach weiteren Beispielen von Parthenogenesis in der Insektenwelt zu forschen. Bereits sind Andeutungen genug da, wie und wo dieser merk- würdigen Fortpflanzungsweise der Insekten nachzuspüren ist. Aus gewissen Bemerkungen, welche man in verschiedenen en- tomologischen Schriften zerstreut findet, geht hervor, dass hier und dort ungeahnet die Parthenogenesis ihr Wesen treibt und durch sie die Fortpflanzungsgeschichte mancher Insekten in räthselhaftes Dunkel gehüllt wird. Hierher gehört unter anderen die Mittheilung des Leon Dufour, dass er von Diplolepis gallae tinetoriae niemals ein Pe 138 Schlussbemerkungen. Männchen erhalten habe'. Von der Gattung Cynips sind 28 Arten bekannt, welche nach Hartig’s Angabe sämmtlich mannlos sind?*. Hartig hat neun bis zehn tausend Individuen der Cynips divisa und drei bis vier tausend Individuen der Cynips folii gemustert und kein einziges Männchen darunter gefunden. Cynips folii sammelte Hartig sogar seit acht Jah- ren ein und hat von dieser Gallwespe nie etwas anderes als Weibchen erhalten, dabei sah derselbe diese weiblichen Cyni- piden nach ihrem Auskommen aus den Gallen sogleich wieder zum Ablegen der Eier schreiten. Die unter gewissen niederen Orustaceen vorkommende Fort- pflanzung, welche man auf @Generationswechsel und Ammenbil- dung zurückzuführen versucht hat, dürfte sich bei näherer Un- tersuchung gleichfalls als wahre Parthenogenesis herausstellen. Bekanntlich bietet unter den Phyllopoden die Gattung Apus auch nur Weibchen dar; zwar hat Zaddach bei Apus canecri- Jformis männliche Individuen nachweisen wollen®, indessen habe ich‘diese Angabe wegen Mangel eines sicheren Beweises 1) Vergl. Leon Dufour: Recherches anatomiques et physiologi- ques sur les Orthopteres, les Hymenopteres et les Neuropteres, in den Me£moires presentes par divers savants a l’Acad&mie roy. des sciences de V’Institut de France. Tom. VIl. 1541. pag. 527. Hier heisst es: C’est un fait fort singulier, mais bien positif, que, sur plus de deux cents individus du Diplolepis gallae tinctoriae, n&s dans mon laboratoire de galles renfer- mees dans des bocaux, je n’ai rencontr& que des femelles. Malgre toute mon ardeur a rechercher des mäles, dont la dissection m’ interessait au supr&eme degre, je n’ai jamais pu en rencontrer un seul. Ce qui stimulait encore davantage mon desir extr&me d’etudier ce dernier sexe, c’est que les nombreuses femelles soumises a mon scalpel &taient dans un &tatavance de fecondation, quoique je proc&dasse A leur vivisection immediatement apres leur sortie de la galle. 2) S. Hartig: Zweiter Nachtrag zur Naturgeschichte der Gallwes- pen, in Germar’s Zeitschrift für die Entomologie. Bd. IV. 1843. pag. 397. 3) Vergl. Zaddach: de Apodis cancriformis anatome. 1841. pag.53. Schlussbemerkungen. 139 in Zweifel gezogen'. Von dem Phyllopoden Zimnadia Gigas ist bis jetzt ebenfallsnoch kein Männchen aufgefunden worden. Auch bei Daphnia scheinen nicht Ammen, sondern weibliche Individuen durch Parthenogenesis das Fortpflanzungsgeschäft zu unterhalten, denn Lievin, welcher Daphnien-Weibchen, aus der Begattung entnommene und andere selbstständig gebä- ‚rende mit einander verglichen hat, konnte zwischen beiden Arten nicht den mindesten Unterschied wahrnehmen. Von Polyphemus Oculus kennt man bis jetzt auch nur weibliche Individuen *. Unter den Mollusken kommen ebenfalls Erscheinungen vor, welche auf die Möglichkeit einer Parthenogenesis hinwei- sen, so konnte unter anderen Vogt an den unbefruchtet ge- legten Eiern einer weiblichen Frrola die beginnende Entwick- lung, nämlich eine bis zu einem gewissen Grade fortschreitende Dotter-Durchfurchung beobachten°. Aus diesen Andeutungen geht hervor, dass die Fortpflan- zung vermittelst Parthenogenesis durch meine Untersuchungen 1) S. mein Lehrbuch der vergleichenden Anatomie der wirbellosen Thiere. 1848. pag. 495. Anm. 8. 2) S. Brongniart: M&moire sur le Limnadia, in den M&moires du Museum d’histoire naturelle. Tom. VI. 1820. pag. 89. ‚Il reste un point tres-curieux A £claircir dans l’histoire de ces anımaux, c’est leur mode de generation ; il est en effet fort remarquable que sur pres de mille individus que nous avons vus A Fontainebleau, tous portoient des oeufs soit sur le dos, soit dans le corps.“‘ 3) 8. Li@vin: Die Branchiopoden der Danziger Gegend, in den neuesten Schriften der naturforschenden Gesellschaft in Danzig. Bd. IV. Heft 2. 1848. pag. 26. 4) Vergl. Jurine: Histoire des Monocles qui se trouvent aux envi- rons de Gen£ve. 1820. pag. 146. ‚‚Quoique je ne doute pas qu’iln’ y ait des mäles dans cette espece comme dans les pr&c&dentes, je dois annoncer que dans le petit nombre d’individus, que j’ai trouvös, ou &leves, je n’en al reconnu aucun.‘‘ 5) 8. dessen Bilder aus dem Thierleben. 1852. pag. 217. 140 Schlussbemerkungen. lange nicht erschöpfend genug erforscht ist und noch manchen Beitrag wird erhalten können. Schon jetzt lässt es sich aber aussprechen, dass der bisher allgemein gültige Satz der Be- fruchtungstheorie, die Entwicklung der Eier könne nur unter dem Einflusse des männlichen Samens vor sich gehen, durch die Parthenogenesis einen unerwarteten Stoss erlitten hat. Man hat sich zwar zu helfen und den alten wichtigen Satz der Be- fruchtungstheorie dadurch zu halten gesucht, indem man an- nahm, eine einmalige Befruchtung könne in manchen Fällen auf mehrere Generationen hindurch wirken, alleın viel ist mit diesem neuen Satze nicht gewonnen, da sich damit manche bei der Parthenogenesis auftretende Erscheinung gar nicht erklären lässt. Auf der anderen Seite dürfte es gewagt erscheinen, der Parthenogenesis, ehe sie in grösserem Umfange und nach allen Richtungen hin durchforscht ist, jetzt schon eine bestimmte Stelle in der Fortpflanzungsgeschichte der Thiere anzuweisen. Victor Carus hat es versucht, die Parthenogenesis mit der Brutpflege (Neomelie) in Verbindung zu bringen, und den Satz aufgestellt': die weibliche Form muss befruchtet werden und zwar von der männlichen Form, zu der Entwicklung der letz- teren aber? bedarf es keiner abermaligen Befruchtung, der männliche Keim entwickelt sich nach Art einer Knospe oder, Amme. Es lässt sich indessen dieser Satz nicht auf alle von mir aufgeführten Fälle der Parthenogenesis anwenden, er passt eigentlich nur auf die Bienen, in den übrigen Fällen kommen aus den unbefruchteten Keimen nur Weibchen zur Entwicklung und bei Bombyx Mori in unbestimmten Zahlen-Verhältnissen Weibchen und Männchen zugleich. 1) S. Vietor Carus: System der thierischen Morphologie. 1853. pag. 280. 2) Ebenda pag. 57. Schlussbemerkungen. 141 Bei Psyche Helix, Solenobia clathrella und lichenella wer- den im Gegensatze zu den Bienen die Weibchen nach voraus- gegangener Begattung wahrscheinlich solche befruchtete Eier ablegen, aus denen nur männliche Individuen zur Entwick- lung kommen. ; Daher mag es kommen, dass man von gewissen Insekten hier und dort im Freien die männlichen und weiblichen Indi- viduen für sich getrennt beisammen findet. Hiermit steht die Bemerkung von Zinke! vollkommen in Einklang, dass meh- rere Sackträger während ihres Raupen - und Puppenzustandes nur in getrennten Geschlechtern vorkommen, und dass man da, wo man das eine Geschlecht findet, das andere vergeblich sucht. Auch eine briefliche mir gemachte Mittheilung von Heyden dürfte hierdurch ihre Erklärung finden; derselbe beobachtete nämlich bei der Gattung Coceus, dass die Männ- chen von den Weibchen getrennt und gesellig leben, bis sie völlig entwickelt sind. Die männlichen Individuen führen bei Psyche Helix als Larven vielleicht eine ganz andere Lebensweise, und konnten sich deshalb bisher der Aufmerksamkeit derjenigen Entomologen entziehen, welche dieRaupen der Männchen von Psyche Helix nur als Sackträger mit gewundenem Gehäuse zu finden hofften. Für diese von mir nur als Vermuthung ausgesprochenen Be- hauptungen dürfte sich ein Beleg in einer Beobachtung finden, diedurchL&eon Dufour gemacht wurde. Derselbe erzog näm- lich aus einer gewissen Galle immer nur weibliche Individuen des Hymenopteron Stomoctea, war aber sehr erstaunt, als er aus der Puppe einer Tenthredo nichts als männliche Individuen desselben Hymenopteron erhielt”. 1) Vergl.Germar’s Magazin der Entomologie. Jahrg. 1. 1813. pag.31. 2) Vergl. Leon Dufour: Recherches a. a. O. pag. 528. Derselbe fügt zu der Beobachtung, von Diplolepis gallae tinctoriae nur Weibchen 142 Schlussbemerkungen. Aus diesen fragmentarischen Mittheilungen wird man ein- sehen, welches weite Feld zur Erforschung der von höchst eigen- thümlichen Erscheinungen begleiteten Parthenogenesis noch offen steht; auf keinen Fall wird sich aber dieser in so vieles Dunkel gehüllte Theil der Fortpflanzungsgeschichte der Thiere leicht und schnell aufhellen lassen, denn wasz. B. Psyche Helix betrifft, so muss sich der wissbegierige und nach den Männchen dieses Schmetterlings suchende Entomologe mit Geduld aus- rüsten, um hier zum Ziele zu gelangen, denn wenn hier, wie es wahrscheinlich ist, mehrere Generationen hindurch die Par- thenogenesis ihre Hand im Spiele hat, so würde man, da sich von diesem Schmetterlinge, dessen Männchen seit den letzten sieben Jahren vergeblich gesucht wurden, jährlich nur eine einzige Generation entwickelt, noch einige Jahre zu warten haben, bis endlich einmal eine männliche Generation zum Vor- schein kömmt und das mit diesem Schmetterlinge verwebte Räthsel enthüllt. erhalten zu haben, folgende interessante Bemerkung hinzu: ‚‚J’engage les entomologistes a nous faire connaitre lemäle decette espece, la plus grande de nos contre£es. Il serait bien curieux de constater si les oeufs qui ne pro- duisent que des mäles sont tous pondus dans une espece de galle, et ceux des femelles dans une autre. Je puis citer a ’appui de cette question un fait digne de remarque. En juin 1833 j’obtins, des galles de laserophylavre canine, produites par l’eulophus verbaset, un petit Hymenoptere du groupe des Cynipsaires, appartenant a un genre nouveau, que ses mandibules pec- tinees m’ont fait appeler provisoirement Stomoctea. Il en naquit au moins une cinquantaine d’individus, mais tous, sans exception, femelles. Enjuin 1834, je ne fus peu surpris de voir Eclore d’une chrysalide de Tenthredo, placee dans un verre clos, une quarantaine d’individus de la m&me espece de Stomoctea, tous du sexe masculin. Que n’avons-nous pas A apprendre encore sur les Hyme£nopteres gallicoles et pupivores, soit quant & la d£ter- mination des especes, soit quant a leur genre de vie et aux merveilles de leur organisation viscerale.‘‘ Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 10, op Erklärung der Abbildungen. Raupen-Sack der Psyche Heli Sieb. von der Seite ge- sehen. Natürliche Grösse. b. Oeffnung, welche eine ausgeschlüpfte C’haleis zurückgelassen hat. Derselbe Sack mit der Raupe, a. Oeffnung, welche die Raupe bei dem Weiterbauen des Sackes jedesmal an die- ser Stelle zurücklässt. Derselbe Sack von oben gesehen, a. wie in der vorigen Figur. Ausgewachsene Raupe der Psyche Helix. Natürliche Grösse. Weibliche Puppe der Psyche Helix. Natürliche Grösse. Sack mit Raupe der Psyche Helix. ee a. wie in Fig. 2. Raupe der Psyche Heliv. Vergrössert. Madenförmiges Weibchen der Psyche Helix. Natürliche Grösse. ; Dasselbe vergrössert. Bei durchfallendem Lichte erschei- nen die Harngefässe unter dem Mikroskope nicht wie bei auffallendem Lichte weissgelb, sondern schwarz. c. Kopf- ende, d. Ein durch die Hautbedeckung hindurchschim- merndes Stück der Harngefässe. 11, 12. Drei Figuren aus Reaumur’s M&moires etc. Tom. III. Pl. 15. Fig. 20—22 copirt, vergrösserte Säcke der Psyche Helix, welche Bazin in der Nähe der Hermi- tage d’Estampes an Sandsteinen gefunden. Chaleis nigra Kol. aus Psyche Helix. Natürliche Grösse. 144 Erklärung der Abbildungen. Fig. 14. Dasselbe Insekt vergrössert. Fig. 15. Raupen-Sack der Psyche Planorbis Sieb. von oben ge- sehen. Natürl. Grösse. a. Stelle, an welcher die Wand- ungen des Sackes fehlen, wie in Fig. 2. Fig. 16. Derselbe Sack von der Seite. Fig. 17. Derselbe Sack von unten gesehen. a. wie in Fig. 15. Fig. 18, 19. Sack der Helicopsyche Shuttleworthi Br. Natürliche Grösse. Fig. 20. Derselbe Sack von oben gesehen, vergrössert. Fig. 21. Derselbe von der Seite gesehen, vergrössert. Fig. 22. Derselbe von unten gesehen, vergrössert. Fig. 23, 24. Valvata arenifera, vergrössert und nach Lea copirt. Nachträgliche Bemerkung. Bei meiner jüngsten Anwe- senheit in Zürich sah ich in Bremi’s Sammlung auch die Gehäuse einer dritten grösseren Art von Helicopsyche, welche Bremi von Shuttleworth erhalten und Helicopsyche colombiensis genannt hat. Es stammen diese Gehäuse aus Puerto-Cabello; sie haben einen Querdurchmesser von 1°/,, Lin. und eine Höhe von 1%, Lin. rhl. und sind aus verhältnissmässig sehr groben rostbraunen Stein- chen angefertigt. In Bezug auf Helicopsyche Shuttleworthi ver- sicherte mich Bremi, dass die Gehäuse dieser Phryganide jetzt auch am Genfer See gefunden worden seien. Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig. ÄArsmann de. Hasenschiöer se. NOVELLA LETTERA pi CARLO DE SIEBOLD SULLA PARTENOGENESI DEL BOMBIX MORI Lw. all’Ingegnere signor ANTONIO CGURO L’ importanza della lettera dell’ illustre Siebold, pervenuta alla Pre- sidenza della Societü dopo T uscita della 2* dispensa del Bullettino, e la considerazione che la lettera stessa portata a conoscenza di tutti immedia- tamente, potrebbe mettere alcuno sulla via di ripetere le osservaziomi Coi - bivoltini dell’ anno, hanno persuaso i Compilatori a procurarne la stampa immediatamente ed a divulgarla. — I Compilatori medesimi e la Presidenza della Societü ringraziando frattanto Villustre autore, confidano ch’egli vorr& onorare la nostra raccolta, comunicando anco il seguito de’ swoi lavori. Onorevolissimo Signore, Dopoch& l’anno scorso, in data 15 marzo 1873, Ella mi di- _ moströ la compiacenza straordinaria di spedirmi, dietro mio de- siderio, alcuni campioni di seme bivoltino da Lei con molta pena procuratosi da parecchi importatori di cartoni giapponesi, colla dichiarazione che « dovrebbe esser tutto bivoltino e originario giapponese », da quanto Le venne assicurato, stimo mio dovere di darle oggi una relazione piü dettagliata, come continuazione 2ı/a '?N } BE, (nee | della mia prima lettera (1), intorno agli ulteriori favorevoli suc- cessi ottenuti, riservandomi di comunicare piü diffusamente altrove i risultati delle mie indagini sulla partenogenesi del Bomdbyx Mori dopo il compimento totale de’miei esperimenti. Ottenuti ch’io ebbi, da una grandissima quantitä di uova fe- condate della prima generazione di bivoltini, moltissimi bachi, i quali perö diedero farfalle solo al prineipio di ottobre, la maggior parte delle femmine di questa seconda generazione venne da me sotto severo riscontro costretta a deporre uova non fecondate; al quale scopo io tenni pronto per ogni singola farfalla femmina e vergine un foglietto di carta. In tal guisa potei far svernare molte centinaja di cartoline coperte di uova non fecondate. In mol- tissime di queste cartoline io osservai che in un buon numero delle uova non fecondate si manifestarono i noti cambiamenti di colore, precisamente come si notano nelle uova fecondate, colla sola dif- ferenza che questo processo di cambiamento di colore avvenne piü lento e piü irregolare che nelle uova fecondate. Il noto cambiamento di colore in grigio, il quale nelle uova fecondate si puö scorgere prima dell’inverno, non mancö nemmeno in moltissime delle uova non fecondate, denotando in ogni modo Y’incipiente sviluppo d’un embrione; il che si appalesö chiara- mente con ciö, che sopra una cartolina coperta dill9 uova non fe- condate, delle quali giä alla fine d’ottobre avevano ingrigiato 96, il 13 novembre 53 di queste uova grigie ebbero fornito altrettanti bacolini. Per una svista io avea dimenticato di levare questa cartolina ‚da una stanza riscaldata, per il che quei 53 bacolini, sotto l’influenza del calore artificiale, erano stati adescati ad uscire dall’uovo, trovando contemporaneamente la loro morte di fame. Allorch& verso la fine di aprile del corrente anno incomin- ciarono a sbocciar qua i bottoni dei gelsi all’aperto, mi lasciai indurre a levare dal loro quartiere d’inverno le mie cartoline coperte di uova non fecondate, e ad esporle ad un moderato ca- Vedi la prima lettera in questo Bullettino. Ann. V. 1874. Trimestre IV (1873), pag. 271. .—3— .lore di stanza. Conseguenza di questo influsso calorifico fu, che il 7 e 10 maggio uscivano su due cartoline dai loro guscii primi. bacolini partenogenetici. Questo sbucare di bacolini da me aspet- tati colla maggiore ansietä aumentö sulle due cartoline di giorno in giorno, di maniera che il 17 maggio io potei contare gia 164 di tali bacolini sbucati sull’una cartolina e 38 sull’altra, e cosi accettare in educazione in tutto 202 bacolini partenogenetici. Come & ben naturale io impiegai la maggior premura e sol- lecitudine per questi a me si cari allievi, allorche verso ia metä di maggio subentrö pur troppo un cambiamento di tempo con- giunto a forti brine notturne, le quali distrussero tutti i giovani getti dei gelsi in tutta l’estensione dei contorni di Monaco, di modo che io fui costretto a mantenere la vita dei miei ancor tene- rissimi bacolini con foglie di lattuga. La conservazione di questi preziosi allievi mediante il mentovato surrogato non mi riusci che in parte: giornalmente andava io trovando con mio sommo di- spiacere fra i miei bacolini alcuni morti, cosi che, se questo in- suffiiciente metodo di mantenimento fosse durato piu a lungo, certamente tutta la generazione partenogenetica sarebbe a poco a poco totalmente perita. Ad ovviare questa perdita, per me cosi dolorosa, telegrafai a Lindau al Lago di Costanza, per sa- pere se in quel clima piü dolce i gelsi fossero stati preservati dalle brine. Saputo che ebbi, a mia consolazione, che i gelsi di cola non avevano sofferto, misi nella saccoccia del mio pastrano una scatoletta, nella quale avea posto l’intiera compagnia dei bacolini ancor piccolissimi, e con essa mi portai col vapore a Lin- dau, ove durante la settimana di Pentecoste potei dedicarmi senza disturbo alla cura dei miei bacolini partenogenetici. Giunto a Lindau il 25 maggio mi trovai in grado di poter somministrare ai bacolini, ridotti omai al numero di 180, il loro pasto naturale, e bentosto ebbi la gioja di vedere come loro piacessero le giovani foglie di gelso. Con questo nutrimento nor- male essi crebbero prestissimo con piccole perdite, e cosi io potei il 30 maggio ritornare con 116 bachi rinforzati a Monaco, dove an je frattanto i gelsi si erano riavuti ed aveano ottenuti novelli getti, in guisa che ivi pure potei continuare col nutrimento di foglia di gelso. Il 7 giugno molti di essi si trovarono, dopo superata la quarta muta, neli’ultimo stadio di larva, e 1’11 dello stesso mese incominciö in parecchi l’inclinazione al filare; d’allora in poi col pasto sostanzioso, ch’io poteva somministrare in abbondanza ai bachi ognor bramosi di nutrimento, la filatura si aumentö di modo, che il 24 potei numerare 91 baco filante o giä rinchiuso nel bozzolo. j Far! a. Es Una questione essenziale, che gia da bel prineipio di queste indagini mi si era affacciata, e la cui soluzione io m’ attendeva con grande premura, era quella: a che genere fossero per apparte- nere le farfalle, che si formerebbero da questa generazione parte- nogenetica. Egli € ben vero che gia osservatori precedenti (1) aveano riconosciuto nelle farfalle del Bombix Mori ottenute per via di partenogenesi, che non erano esclusivamente di genere maschile o femminile, cosi che io avrei potuto stare tranquillo ; ma mi turbava precisamente questa circostanza, che colle mie osservazioni di fenomeni partenogenetici fatte finora avea conse- guita la persuasione, che nei differenti ordini di Insetti e di Crostacei il genere negl’individui partenogenetici si differenzia secondo una legge determinata in maschile o femminile. Negli Imenotteri cioe, come Apidi, Vespidi, Tentredinidi sviluppansi sempre dai germi genitali giä esistenti nei primissimi stadj vitali delle larve solamente testicoli, mentre che nei Lepidotteri e nei Crostacei dai medesimi germi genitali, da principio non ancora differenziati, vanno formandosi a poco a poco ed esclusivamente ovari, ove le suddette larve provengano da uova non fecondate. Per conseguenza anche nel Bombis Mori ogni uovo rimasto infecondato, ove avesse a svilupparsi, dovrebbe fornire una far- falla femmina, il che perö, come io ho gia mentovato, non $i (1) Vedi i miei trattati: Beiträge zur Parthenogenesis der Arthropoden, 1871, pag. 232. — Wahre Parthenogenesis bei Schmetterlingen und Bienen, 1856, pag. 133. — 5 — pote finora osservare, e di che io pure mi sono gia persuaso con tutta sicurezza. Giä da bel principio io utilizzai tutti quei bachi della mia generazione partenogenetica, che erano malaticei e minacciavano di morire, a sottoporli ancor vivi ad una sezione ed analisi microscopica, allluopo di procacciarmi un prospetto dello sviluppo e cambiamento delle due specie di germi genitali durante l’intiera vita larvale del Bombi& Mori; nel che fare io sezionai ed esaminai insieme di continuo, in confronto dei bachi di pari etä d’una generazione di filugelli provenienti da uova fecondate. E qui devo notare che mediante queste indagini microscopiche mi sono convinto che una sicura fissazione del futuro genere di un filügello durante lo stadio di bruco sia possibile allora soltanto che il baco ha superato la terza muta. In tal guisa mi riusci fino ad ogei di poter constatare con tutta precisione che di1S bachi partenogenetici, da me sottomessi ad un accurato esame microsco- pico, 5 appertenevano al genere maschile e gli altri 13 al genere femminile (1). A conclusione di questa mia lettera voglio ancora aggiungere, che nel percorrere le esperienze fatte e comunicate sullo stesso oggetto da Barthelemy (2) io mi sono convinto coi miei occhi della giustezza della maggior parte dei fenomeni osservati da lui nei processi dello sviluppo partenogenetico dei Bormbiw Mori, una sola osservazione che il Sig. Barthelemy dice di aver fatto, io non la posso confermare, che cio& quelle farfalle vergini che pro- vengono da generazioni estive forniscono prole partenogenetica e@ (1) Quast’ osservazione da me fatta concorda perfettamente colle esperienze di Bar- thölemy, il quale in un articolo intitolato: Etudes et considerations generales sur la par- thenogeneses (confr. Annales des sciences naturelles. Zoologie. Vol. XII, 1859, pag. 311). si esprime intorno alle farfalle che si sviluppano da uova non fecondate del Bombyx Mori in questa guisa: « Quant aux individus qui en resultent, ils peuvent £tre indifie- remment de l'un ou de l’autre sexe, contrairement & ce qui se passe chez les Abeilles, oü les vierges ne produisent que mäles. Je n’ai m&me jamais constate une superiorite notable d’un des sexes sur l’autre. » (2) Confr. Barthölemy: luogo eitato pag. 311. « J’ai pu ainsi me convaincre que la parthenogenese existe pour le Bombyx Mori ec. ». —6 — Er EN precisamente ancora nello stesso anno, e che al’ incontro uova non fecondate che hanno svernato non producono prole n& da ge- nerazioni estive ne, da generazioni antunnali (1). Dalle osserva- zioni da me fatte e sopra comunicate intorno a quest’ ultima cir- costanza, Ella puö vedere che io ho ottenuto con fortuna parti- colare una prole partenogenetica dalle generazioni autunnali di quei bivoltini, coi quali per via della benigna di Lei mediazione ho potuto fare degli esperimenti. E qui devo ancora far osservare che onde persuadersi del- l’esistenza di prole partenogenetica non & sempre necessario di attendere l’uscita di bacolini da uova non fecondate: siccome le uova non fecondate de’Bombi® Mori, nelle quali si sviluppe- ranno bacolini, hanno da passare per lo stesso processo di cam- biamento di colore fino al grigio-plumbeo che le uova fecon- date, si puö esser sicuri che nelle uova non fecondate, subito che assumono il colore grigio-plumbeo, € gia molto avanzato lo sviluppo partenogenetico del contenuto dell’uovo e che in allora, rompendo i gusci delle uova, si puö levarne il giovine bacolino in perfetta formazione. Del resto secondo le mie esperienze moltissimi bacolini partenogenetici del Bombyx Mori non arrivano ad uscire dall’uovo, ma muojono, rasgiunto che hanno l’ultimo stadio di sviluppo, nell’interno dell’uovo, senza aver potuto romperne il gu- scio. Da che cosa sia prodotta questa morte prematura dei ba- colini non mi & finora del tutto chiaro. Di questo solo ho potuto pur troppo persuadermi nei molti sperimenti da me fatti e l’anno scorso e nel corrente sulla parte- nogenesi del Bombix Mori, che la maggior parte delle uova non fecondate divenute grigie sulle mie cartoline non ha corrisposto alle mie speranze, poiche i bacolini non sono usciti da queste uova, trovando ” .‚rö io in quasi tutte queste uova grigio-plumebee dei (1) Conf. Barthelemy: luogo citato, pag. 313, ove dice: « Enfin la generation d’au- tomne du Bombyx Mori, sur laquelle je me suis efforce dans ces dernires annees d’at- tirer l’attention, ne donne jamais d’oeufs parthenogenesiques ». 3 J RE 1% D . Zu 7 N | bacolini completamente formati ma morti. Probabilmente il sum- mentovato cambiamento di tempo, a cui furono esposte nel pas- sato maggio le mie uova, dalle quali io mi aspettavva prole par- tenogenetica, ha ucciso di freddo i bacolini preparati ad uscire dal guscio. \ Comunque sia, tale frequentissima interruzione dello sbucare di bacolini partenogenetici deve essere stato il motivo, pel quale molti osservatori furono indotti in errore, pensando di dover conchiu- dere solamente dalla seguita nascita dei bacolini la esistenza della partenogenesi, e dalla mancanza di questa nascita di baco- lini l’assenza della partogenosi. Per lo stesso motivo Ella pure, stimatissimo Signore, credette di aver ottenuto risultati negativi, allorche nelle di lei prove esaminö il Bombi& Mori partenogen- ticamente. | Temendo che questa lettera abbia colla sua lunghezza stan- . cato gia di troppo la di Lei pazienza, finirö assicurandola di tutta la mia stima ec. Monaco, li 26 giugno 1874. CARLO DE SIEBOLD. VI. 1C0, ENTOMOLOGI Estratto dal BULLETTINO Fi, L, { i Hin) ul) Hi j ER Ir MEZIRDN AR AI N D IE ALL Ra Bi IIRURI N a N ra Ki DA) 1 LIBRI LINE TH TH b 7 um PN t j IL N j uh Rt Ih un Btıı 4 a hi: ‚Ka NN u A UIRHAILN u" En | UrIR EN! HA Ha DERIT “h KEIN | N, MR \ Du) TEREN a Au h7 ut ul An a N ii u N ih ah | AND, | N Ku {) ARNO IV DW D I) Au IA Mr Ihr, tie i \ AFTER D, 1 ” 15 D vn ÜN N il De BIN ni I a bon Di N An (I NN # IB UK, uw En y Pak Aal} [72 er DEN ee PEN > ez ES ae ee 2 2,