ver. ve? SE > 2 ea & RK Ir a DR Ni — 14 — Wilhelm Kobelt x 20. Februar 1840, + 26. März 1916 Mitten in der bewegten Zeit des Weltkrieges ist am 26. März 1916 in seiner zweiten Heimat Schwanheim bei Frankfurt am Main Wilhelm Kobelt ruhig und still verschieden. Zu dieser Zeit, wo Menschenleben gering geachtet werden und wo Tausende auf den Schlachtfeldern verblutet sind, müssen wir doch bei ihm länger verweilen. Es ist ein außergewöhnlicher Mensch von uns gegangen. | Am 20. Februar 1840 wurde Wilhelm Kobelt als ältester Sohn des zweiten Pfarrers des Städtchens Alsfeld in Oberhessen geboren. Gemeinsam mit seinen vier Brüdern verlebte er in seiner Vaterstadt eine ungestörte, schöne Jugend. Abseits von den großen Verkehrsstraßen wuchs so der Knabe und Jüngling in landschaftlich und landwirtschaftlich bevorzugter Gegend auf, in enger Fühlung mit der Natur. Seine frühe sich zeigende Liebe zu dieser und seine angeborenen Änlagen zum Sammeln und zur kritischen Betrachtung”der Naturgegenstände wurden von einem verständnisvollen, selbst naturwissenschaftlich interessierten Vater gepflegt und weiterentwickelt. Dieser bildete auch seine fünf Söhne in einer von ihm in Alsfeld geleiteten Privatschule aus. Als Primaner kam Wilhelm Kobelt noch im Jahre 1855 nach Gießen auf das Gymnasium. Nach bestandener Reifeprüfung bezog er auch dort 1857 die Universität, um sich dem Studium der Medizin zu widmen. Seinen naturwissenschaftlichen Neigungen blieb er aber auch während dieser Zeit stets treu. Am 13. De- zember 1862 promovierte er mit einer Arbeit über Herzdämpfung und Herzleere. Nach bestandenem Examen ließ er sich in Biedenkopf an der Lahn als praktischer Arzt nieder, während sein Vater nunmehr in dem nahen Breidenbach als Pfarrer tätig war. Im Jahre 1869 berief der Ärztliche Hilfsverein Kobelt & x DS Nas ae nach Schwanheim bei Frankfurt am Main. Diesem Ruf folgte er. Schwanheim wurde dann seine zweite Heimat, mit der er fest verwuchs und der er bis zu seinem Tode treu blieb. Seinen ärztlichen Beruf übte er in Schwanheim noch bis Ende 1880 aus, widmete sich dann aber vollständig den Wissenschaften und seinen sozialpolitischen Bestrebungen. Im Jahre 1905 wurde ihm in Anerkennung seiner Verdienste um die Wissenschaft der Professortitel verliehen. Noch während seiner letzten Zeit in Biedenkopf verheiratete sich Kobelt und fand in seiner inniggeliebten Gattin eine ver- ständnisvolle, treue Lebensgefährtin, eine seltene Frau, die in ihrem Fühlen und Denken vollkommen mit ihm übereinstimmte und ihm in seinen wissenschaftlichen Bestrebungen stets helfend zur Seite stand. Sie schuf ihm in ihrem traulichen Heim die Umgebung, der er zum ungestörten wissenschaftlichen Arbeiten bedurfte. | -Für die wissenschaftliche Laufbahn Kobelts ist wohl von ausschlaggebender Bedeutung die Verbindung mit Emil Adolf Roßmäßler in Leipzig. gewesen. Nach seiner Niederlassung in Biedenkopf hatte sich Kobelt mit erneutem Eifer auf natur- wissenschaftliche Studien geworfen. Doch er forschte nicht allein; er wollte auch in seiner Umgebung aufklärend und belehrend wirken. So gründete er bereits 1866 in Biedenkopf einen Volks- bildungsverein. Mit den Arbeiten zur Gründung dieses Vereins beschäftigt, wandte sich Kobelt an den als Naturforscher und Führer der Volksbildungsbewegung damals gleich gut bekannten Roßmäßler. Dieser Schritt war ausschlaggebend für ihn. Von dieser Zeit an begann Kobelt, angeregt durch Roßmäßlers Arbeiten auf dem Gebiete der Molluskenkunde und durch eine von diesem ihm zugekommene Konchyliensendung, sich in er- höhtem Maße mit den Weichtieren zu beschäftigen. Der Malako- zoologie ist er von da ab treu geblieben und hat einen großen Teil seines Schaffens und seiner Lebensenergie diesem Zweig der Wissenschaft gewidmet, den er immer weiter ausbaute und mit seinen großen Gedanken befruchtete. Nach dem bereits 1868 erfolgten Tode Roßmäßlers, den Kobelt übrigens nie persönlich kennen gelernt hat, setzte er dessen Arbeiten fort und erweiterte sie. Mit einer „Molluskenfauna von Nassau“ begann Kobelt, dehnte dann aber bald seine Untersuchungen auf die Weichtiere des gesamten europäischen Faunengebietes aus, wobei er Roß- 8*+ = me mäßlers „Iconographie der Land- und Süßwasser-Mollusken“ fortführte und in einer Weise ausdehnte, wie sie wohl Roßmäßler nicht im entferntesten geahnt haben mag. Endlich bezog Kobelt sämtliche Weichtiere in seine Beobachtungen ein. So arbeitete er auf dem Gebiete der Malakozoologie unermüdlich weiter, und es ist daher nicht verwunderlich, daß ihm von allen Seiten Material zur Bearbeitung angetragen wurde, bald sogar in dem Maße, daß trotz seiner großen Arbeitskraft und seines uner- müdlichen Fleißes er bei weitem nicht alles bewältigen konnte. Aber die viele Kleinarbeit der Systematik ließ ihn doch nie die eroßen Ziele der Wissenschaft aus dem Auge verlieren. Dabei kam ihm zu statten, daß sein Blick durch seine vielen Reisen ständig erheblich erweitert wurde. So ist Kobelt allmählich eine der ersten Autoritäten auf dem Gebiete der Molluskenkunde geworden. Am liebsten beschäftigte er sich mit der Fauna des Mittelmeergebietes. Seiner besonderen Vorliebe erfreuten sich dabei die Heliciden der Subfamilie Pentataeniinae, deren bester Kenner er wohl war. Aber auf dem ganzen Gebiete der Land- und Süßwassermollusken hat er gearbeitet und ferner wertvolle Arbeiten über marine Weichtiere geliefert. Die von Kobelt über Mollusken veröffentlichten Arbeiten sind außerordentlich zahlreich, so daß hier nur der wichtigsten gedacht werden kann. Zu nennen sind vor allem außer der bereits erwähnten Fort- führung von Roßmäßlers „Iconographie der Land- und Süß- wasser-Mollusken“ zwei weitere große Unternehmungen: die „lLconographie der europäischen Meeresconchylien“ und die zweite Auflage des Martini-Chemnitzschen „Conchylien-ÜOabinets“. Besonders letzteres Werk hat er zu einem beträchtlichen Umfange und zu einer großen Bedeutung gebracht. Zuerst arbeitete Kobelt am „Conchylien- "Cabinet* als Mitarbeiter Küsters, dann mit Weinkauff zusammen und nach dessen Tode als alleiniger Her- ausgeber. - Als selbständige Arbeit erschien das „Illustrierte Conchylienbuch“. Unter den zahlreichen Bearbeitungen Kobelts von wissenschaftlichen Molluskenausbeuten sind besonders zu nennen, die J. J. Reins aus Japan, die W. Kükenthals von den Molukken und die ©.v. Erlangers aus dem nordöstlichen Afrika mit einem Katalog aller aus Afrika bekannten Mollusken, sämtlich erschienen in den Abhandlungen der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft in Frankfurt am Main, ferner die Bearbeitung der vonK. Semper auf den Philippinen gesammelten ee Deckelschnecken als Separatheft von dessen großem Reisewerk. Zu nennen ist auch die Fortführung der Arbeiten des 1903 ver- storbenen Otto Franz v. Moellendorff über die Mollusken- fauna der Philippinen an Hand von dessen hervorragender Sammlung. Zahlreich sind die einzelnen von Kobelt heraus- gegebenen systematischen Kataloge über verschiedene Schnecken- familien und Faunengebiete, die teils als Vorarbeiten für größere Veröffentlichungen gedacht waren, teils einzeln veröffentlicht wurden, weil die Untersuchungen nicht zustande kamen, für die sie vorgesehen waren. Auf die Ausbreitung der Molluskenkunde war Kobelt stets bedacht. ° Bereits bei der Naturforscherversammlung in Frankfurt a. M. im Jahre 1867 war Kobelt mit David F.Heynemann, dem bekannten Nacktschneckenforscher, in Beziehung getreten. Im Jahre darauf unternahmen beide gemeinsam die Gründung der „Deutschen Malakozoologischen Gesellschaft“. Seit dieser Gründung hat dann Kobelt bis zu seinem Tode das „Nachrichts- blatt der Deutschen Malakozoologischen Gesellschaft“ heraus- gegeben. Daneben redigierte er vom Jahre 1874 ab auch die „Jahrbücher der Deutschen Malakozoologischen Gesellschaft“. Da jedoch allmählich in Deutschland das Interesse der Zoologie an der Systematik geringer wurde, mußten die „Jahrbücher“ 1886 ihr Erscheinen einstellen. Ferner gab Kobelt von 1879 bis 1885 den „Jahresbericht über die Molluskensystematik“ für die Zoologische Station in Neapel heraus und führte darauf vom Jahre 1886 ab den Bericht für das Archiv für Naturgeschichte fort. Es ist nicht verwunderlich, daß Kobelt, der bereits von Jugend auf sich mit dem Sammeln von Naturgegenständen be- schäftigte, schon während seiner Zeit in Biedenkopf begann, sich eine Molluskensammlung anzulegen. Es fordern ja auch die leicht aufzubewahrenden, selbst für das Auge des Laien ansprechenden Schneckenschalen geradezu dazu heraus. Durch einen ausge- dehnten Tauschverkehr in den ersten Jahren und durch das viele ihm zur Bearbeitung anvertraute Material, von dem er stets eine Serie für seine Sammlung erhielt, wuchs diese rasch heran. Allmählich ist sie zu einer der bedeutendsten bestehenden Molluskensammlungen geworden, die vor allem ihren hohen Wert in den vielen Typen von Kobelts Arten und den zahlreichen Cotypen anderer Autoren besitzt. Von besonderem Wert sind auch die vielen Ausbeuten, die Kobelt stets von seinen Reisen Se im Süden mitbrachte. Diese waren immer in erster Linie malakozoologischen Forschungen gewidmet, besonders den Heli- ciden der Subfamilie Pentataeniinae, wenn auch der unmittelbare Anlaß zu einem Aufenthalt in mildem Klima in den Jahren 1872 auf 1873 und 1902 ein Erholungsbedürfnis seiner Frau bzw. seiner selbst war. Aber ein so großer Naturliebhaber wie Kobelt brachte von seinen Reisen doch auch außerdem eine große Anzahl von Gegenständen aus anderen Gebieten der Naturwissenschaften mit und machte Mengen von bedeutsamen naturwissenschaftlichen und geographischen Beobachtungen. Wie anregend sind auch die Berichte seiner Reisen, die ihn gemeinsam mit seiner Gattin nach Italien, Spanien und Nordafrika führten! Die Beschäftigung mit den Mollusken hatte Kobelt schon zeitig darauf gebracht, sich über die Verbreitung der Tierwelt Gedanken zu machen. So kam er ganz allmählich auf zoogeo- graphische Probleme. Die Zoogeographie hat ihn dann im Laufe der Jahre immer mehr gefesselt und immer größeren Einfluß auf seine Arbeiten gewonnen. Er hat gezeigt, wie die Verbreitung der Weichtiere vielleicht mehr als die der meisten anderen Tierklassen dazu geeignet ist, zoogeographische Fragen zu lösen. Doch beschränkte sich Kobelt dabei keineswegs auf die Mollusken. Alle Tierklassen und auch die Pflanzen fanden bei ihm Berück- sichtigung. Nur einem Manne wie Kobelt mit seinem weiten Wissen und seinen umfangreichen früheren systematischen Studien war es möglich, Arbeiten wie seine „Studien zur Zoogeographie“ (1897 bis 1898) und seine „Verbreitung der Tierwelt“ (1902 bis 1903) zu schreiben, die eine erstaunliche Beherrschung der Materie bezeugen. In seinen letzten Jahren war einer seiner Lieblings- gedanken die Erforschung. des Zusammenhanges der diluvialen Stromsysteme und die Herausbildung der heutigen Flußläufe mit Hilfe der geographischen Verbreitung der Flußmuscheln (Untiontdae und verwandte Familien). Mit dem Eifer eines Jünglings ging er an die Arbeit, die schon bald schöne Ergebnisse zeitigte. So zeigte er, daß der „alte Vater Rhein“ in seiner jetzigen Zu- sammensetzung Deutschlands jüngster Fluß ist. Da die Aus- arbeitung dieser großzügig angelegten Gedanken die Arbeitskraft eines einzelnen weit überstieg, so suchte er für seine Pläne in weiteren Kreisen zu werben und anzuregen. Mit großer Freude begrüßte er dann stets jeden Fortschritt und jede neue Unter- suchung auf diesem Gebiet. — . 119. — Mit der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft ist Kobelt schon frühzeitig in Verbindung getreten. Bereits 1869 wurde er zum korrespondierenden Mitglied ernannt. Ununter- brochen war er um das Wohl der Gesellschaft bemüht uud stellte sein reiches Können und Wissen in ihren Dienst. Am meisten hat ihm die Sektion der Mollusken zu verdanken, deren langjähriger Sektionär er war (außerdem war er Sektionär für Säugetiere). Durch Kobelt wurde eigentlich der Grundstock zu der jetzt umfang- reichen Molluskensammlung gelegt, indem es durch seine Be- mühungen gelang, die wichtige Molluskensammlung Ernst Adolf Roßmäßlers für das Museum zu erwerben. Rastlos arbeitete nun Kobelt daran, diese Sammlung nach der Verschmelzung mit der alten Sammlung des Museums zu erweitern und zu er- gänzen. Schon zu seinen Lebzeiten hat er außer seiner wert- vollen, reichhaltigen fachwissenschaftlichen Bibliothek seine außer- ordentlich umfangreichen eigenen Sammlungen°dem Museum zur Verfügung gestellt und dessen Sammlung einverleibt. Als nach dem leider allzufrüh erfolgten Tode Otto Franz v. Moellen- dorffs (1903) Gefahr bestand, daß dessen kostbare Mollusken- sammlung Frankfurt verloren ging, stellte Kobelt in selbstloser Weise seiffe eigenen Mittel zur Verfügung, um der Gesellschaft die wertvolle Sammlung zu sichern, bis die notwendige Summe zum Kauf zusammen war. Nachdem 1909 auch noch die Sammlung Oskar Boettgers der Sammlung des Senckenbergischen Museums einverleibt werden konnte, gehört diese zu den größten und wertvollsten der Welt. Ein besonderer Wert der Sammlung besteht in den vielen in ihr enthaltenen Typen und Cotypen, sowie in den vielen Originalexemplaren, die Kobelt und andere in zahlreichen Arbeiten abgebildet und beschrieben haben. Und all das verdankt die Gesellschaft in erster Linie Wilhelm Kobelt, dessen Name genannt werden wird, solange es eine Geschichte der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft gibt. Diese benutzte im Dezember 1912 auch gern die Gelegenheit, um anläßlich seines 50 jährigen Doktorjubiläums ihn, der gleichzeitig 25 Jahre arbeitendes Mitglied der Gesellschaft war, zum außer- ordentlichen Ehrenmitglied zu ernennen — die höchste Würde, die die Gesellschaft zu vergeben hat! Noch seine letzte Arbeit galt der Gesellschaft, indem er mit der Niederschrift ihrer 100- jährigen Geschichte beschäftigt war. Die ersten fünf Jahrzehnte konnte er noch fertigstellen, da nahm ihm der Tod die Feder —.,‚120..— aus der Hand. Mit Kobelt ist einer der letzten, großen Veteranen der alten Senckenbergischen Gesellschaft dahingegangen, nachdem einige Monate vorher sein gleichaltriger Freund Lukasv.Heyc in en verschieden war. Doch nicht nur Wissenschaftler war Kobelt. Als Sozial- politiker hatte er ebenfalls einen großen Namen. Schon früh hatte er es als Pflicht der gebildeten Kreise erkannt, sich öffentlich in den Dienst der Gemeinde zu stellen. Seine berufliche Tätig- keit als Arzt hatte ihn mit den wirtschaftlich schwachen Volks- kreisen in Verbindung gebracht. Durch sein gutes Herz und seine hohen Ideale, die ihn von jedem Menschen nur das beste denken ließen, war er nicht allein dem Volk ein ärztlicher Be- rater: er suchte auch sonst zu helfen und zu fördern, wo er . konnte. Sozial und geistig sollte das Volk gehoben werden. Mag er auch vielen als politisch zu weit links stehend erschienen sein; ihn leitete nur seine Liebe zum Volk, dem er nur Gutes zutraute. Politiker aller Parteischattierungen arbeiteten gern mit ihm zusammen und hörten gern seinen wohlgemeinten Rat. Sie alle erkannten den reinen, wahren Idealismus Kobelts an, der frei von jedem Eigennutz war. Kobelt war auch stets bemüht, die Früchte %einer Er- kenntnis und sein allgemeines Wissen in weitere Kreise zu tragen. Durch Vorträge, Besprechungen mit den in Betracht kommenden Persönlichkeiten und durch zahlreiche Veröffentlichungen . auf sozialpolitischem Gebiete suchte er diesem Ziele näherzukommen. Er war Mitbegründer und Ehrenvorsitzender des Rhein-Mainischen Verbandes für Volksbildung, in dessen Dienst er die schon früher von ihm gegründeten „Gemeinnützigen Blätter für Hessen und Nassau“ stellte. Zu seinem 70. Geburtstage gab der .Rhein- Mainische Verband für Volksbildung dann auch eine Sammlung von kleineren sozialpolitischen Aufsätzen Kobelts unter dem Titel „Heimatkunde und Heimatarbeit“*) heraus. Aus diesem umfangreichen Bande ist zu ersehen, wie emsig Kobeltin dieser Hinsicht tätig war. Jedoch nicht bloß theoretisch wirkte Kobelt; er brachte seine Gedanken auch praktisch zur Ausführung. 1: zeigt sich vor allem in seiner zweiten Heimat Schwanheim, obwohl sich seine sozialpolitische Tätigkeit durchaus nicht darauf allein be- schränkte. Er ist dort in des Wortes wahrster Bedeutung ein *) 44. Bericht der S. N. G. 1913 8. 93 —97. lo vr Volkswohltäter geworden. Was verdankt ihm Schwanheim nicht alles! Trotz zeitweiliger Anfeindung von Seiten, die ihn nicht verstanden, hat er sich doch durchgesetzt. Zum Wohle des Dorfes! Die Schwanheimer Landwirte verdanken ihm manche praktische Anregung in Bezug auf neue Kulturmethoden und auf Einführung neuer landwirtschaftlicher Maschinen. Die frühe Anwendung des künstlicken Düngers in Schwanheim geschah auf Kobelts Rat. Auf ihn ist auch der hohe Stand der Zucht von Tafelobst in Schwanheim zurückzuführen, der dem Züchter hohen Verdienst abwirft. Die Errichtung einer Kleinbahn nach Frank- furt am Main, der sog. Waldbahn, und später die Verwirklichung des Plans einer Brücke über den Main, sind zum großen Teil seiner kräftigen Förderung zu verdanken. Um kranke und er- holungsbedürftige Einwohner Schwanheims sich in der kräftigen Luft des nahen Waldes stärken zu lassen, errichtete er dort eine Walderholungstätte. Noch wenige Jahre vor seinem Tode gründete er in Schwanheim ein Heimatmuseum und trug darin mit großem Eifer alles zusammen, was für das Dorf und seine Umgebung von Bedeutung und Interesse war. Seine Verdienste um Schwan- heim wurden auch von seinen Bewohnern gewürdigt und er in dankbarer Anerkennung zum Ehrenbürger ernannt. So lebte Kobelt in seinem Landhause in Schwanheim mit seiner Gattin abseits von dem Hasten und Drängen der nahen Großstadt Frankfurt a. M. in enger Fühlung mit der Natur, be- sonders dem von ihm so sehr geliebten Schwanheimer Wald. Diesem, den wohl keiner so gut kannte wie er, hat er in den Berichten der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft durch seine Monographie des Waldes ein unvergängliches Denkmal gesetzt**). Mit welchem Vergnügen und welchem Eifer führte er alle, die Verständnis für die Natur hatten, durch den Wald, und wie anregend wußte er auf alles Interessante aufmerksam zu machen! Obwohl Kobelt außerhalb der Stadt wohnte und nur ungern in ihr Getriebe sich mengte, so war er doch in steter Fühlung mit ihr und stand vor allem mit ihrem wissenschaftlichen Leben in steter Verbindung. Aber auch draußen in seinem Hause war er nicht einsam. Durch eine lange vielseitige Tätigkeit als Wissenschaftler ””) W. Kobelt „Der Schwanheimer Wald“. Mit 1 Karte u.59 Ab- bildungen. 43. Bericht der S. N. G. 1912 S. 72—96, S. 156—188 u. S. 255—286 und 44. Bericht 1913 S. 236—265. und Sozialpolitiker wie auf seinen Reisen hatte er zahlreiche Ver- bindungen angeknüpt. Wieviel interessante, bedeutende Menschen sind nicht in seinem Hause ein- und ausgegangen. Wissenschaftler, Politiker und Menschen aller Richtungen haben hier verkehrt. Ich erinnere nur an Gustav Freytag, der ja auch malakozoologisch informiert war und mit dem Kobelt his zu dessen Tode freund- schaftliche Beziehungen unterhielt. Aber haupsächtlich waren es doch engere und weitere Fachgenossen, die das gastliche Heim in Schwanheim aufsuchten und dort mannigfaltige Anregung emp- fingen. Wieviel Pläne gemeinsamer Arbeit sind nicht in diesem Hause geschmiedet worden! Vieles wurde verwirklicht. Vieles aber auch unterblieb oder kam nicht zur Vollendung; denn Kobelt hat so manchen, auch viel jüngeren Fachgenossen ins Grab sinken sehen. Ein Lieblingsplan von ihm war seit jeher die Veröffent- lichung eines modernen Werkesähnlich der alten „Histoire naturelle des Animaux sans vertebres“ von Lamarck und Deshayes, das die ganze Systematik der Weichtiere umfassen sollte. Noch vor Übernahme der Herausgabe der zweiten Auflage des Martini- Chemnitzschen „Uonchylien-Cabinets“ hatte Kobelt mit Wein- kauff einen entsprechenden Plan entworfen. Aber es kamen nur einige Einzelkataloge als Vorarbeiten heraus, die wenig Absatz fanden. Nach dem Tode Weinkauffs kam der mit Arbeiten überhäufte Kobelt nicht mehr dazu, der Angelegen- heit näher zu treten. Ferner hatte er z. B.mit MelchiorNeumayr eine großangelegte, gemeinsame Erforschung der Mollusken des Mittelländischen Meeres vom Tertiär bis zur Gegenwart geplant. Kaum aber war die Arbeit über die ersten Anfänge hinausge- kommen, da fand sie durch den frühen Tod Neumayrs bereits ihr Ende. Der herbste Verlust für Kobelt war in dieser Hinsicht 1903 der Tod Otto Franz v.Moellendorffs, der mitten heraus aus ihren gemeinsamen Arbeiten genommen wurde. Vieles hat Kobelt ja dann allein weitergeführt. Aber so mancher Plan war damit doch unwiderruflich dahin, so vor allem der Gedanke einer großangelegten Zoogeograpie der Philippinen, die aber nur der mit Erfolg ausführen kann, der das Land aus eigner An- schauung kennt und die daher nach v. Moellendorffs Tode unterbleiben mußte. Uns jüngeren aber werden stets die schönen, anregenden Donnerstagnachmittage in Erinnerung bleiben, wo wir uns bei Kobelt zu wissenschaftlicher Aussprache einfanden. So war — 1253 — Kobelt von den Veteranen der alten Senckenbergischen Ge- sellschaft der einzige, der einen größeren Stab von jüngeren Fachgenossen um sich hatte. Dies war vor allem seiner großen Duldsamkeit zuzuschreiben, die gern die Ergebnisse anderer an- erkannte. So war es vor allem, als allmählich in der Mollusken- kunde die moderne anatomische Richtung aufkam, die ihre Systematik nicht allein auf die Gehäuse aufbaute. Kobelt arbeitete selbst nicht mehr anatomisch; er erkannte aber die Ergebnisse immer gern an und freute sich stets ehrlich über jeden Erfolg dieses jungen Zweiges der Weichtierkunde Kobelts Duldsamkeit ging sogar soweit, daß selbst die groben Anfeindungen und Verleumdungen Bourguignats („Lettres malacologiques a M.M. Brusina d’ Agram et Kobelt de Francfort“) ihn nicht rührten, ja selbst nicht einmal zu einer Entgegnung veranlaßten. Es ist zu begreifen, daß bei dieser Friedfertigkeit und Herzensgüte der Ausbruch des Weltkrieges für Kobelt ein schweres Schicksal war. Die Erfüllung so mancher seiner Pläne und Gedanken hat er auf weite Zeit hinausgeschoben. Dazu - erhielt er, der keine Nachkommen hinterließ, noch die traurige Nachricht, daß der einzige Neffe seines Namens und Stammhalter der Familie als junger, hoffnungsfreudiger Student auf dem Felde der Ehre geblieben war. Doch den Glauben an seine Ideale verlor Kobelt nicht: es müssen ja wieder bessere, schönere Zeiten kommen! Ruhig und ohne schwere Kämpfe ist er nach kurzer Krankheit gestorben. So hat Wilhelm Kobelt gelebt, ein emsig forschender Wissenschaftler, ein tätiger Sozialpolitiker, vielen ein Führer _ und treuer Freund, jung mit der Jugend. Dies alles gemeinsam aber kann nur ein großer, aufrichtiger Mensch sein, der gleich- zeitig auf der Höhe der Wissenschaft und der Menschlichkeit steht. Er wird nicht vergessen werden! Caesar R. Boettger f Yen n KR, 2 ö Au $ ET, or Gay IR FE PAMPHLET BINDER Syracuse, N. Y. Stockton, Calif.