HANDBOUND
AT THE
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http://www.archive.org/details/wilhelmvonhumbol07humb
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I
Wilhelm von Humboldt's
gesammelte Werke.
Siebenter Hand.
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fieri in.
Verlag- von Georg Reimer. 1852.
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I ii h a 1 t*).
Seite
Ideen zu einem Versuch, die Grunzen der Wirksam- keit des Staats zu bestimmen 1 — 188
(Breslau 1851. 8. 189 S.)
I. Einleitung 1
II. Betrachtung des einzelnen Menschen, und der höchsten
Endzwekke des Daseins desselben 10
III. Uebergang zur eigentlichen Untersuchung. Eintlieilung derselben. Sorgfalt des Staats für das positive, insbe- sondre physische, Wohl der Bürger 13
IV. Sorgfalt des Staats für das negative Wohl der Bürger, für ihre Sicherheit 41
V. Sorgfalt des Staats für die Sicherheit gegen auswärtige
Feinde 45
VI. Sorgfalt des Staats für die Sicherheit der Bürger unter einander. Mittel, diesen Endzwek zu erreichen. Veran- staltungen, welche auf die Umformung des Geistes und Charakters der Bürger gerichtet sind. Oeffentliche Er- ziehung 49
VII. Religion - . . . . 59
VIII. Sittenverbesserung 82
*) Mit dem vorliegenden bände sind diese gesammelten Werke Wilhelm von Humboldt's geschlossen.
IV
Seite IX. Nähere, positive Bestimmung der Sorgfalt des Staats für
die Sicherheit, Kntwikkelung des Begriffs der Sicherheit . 98 X. Sorgfalt des Staats für die Sicherheit durch Bestimmung solcher Handlungen der Bürger, welche sich unmittelbar und geradezu nur auf den Handlenden selbst beziehen
(Polizeigeseze) 10 4
XI. Sorgfalt des Staats für die Sicherheit durch Bestimmung solcher Handlungen der Bürger, welche sicli unmittelbar und geradezu auf andre beziehen (Civilgeseze) . . . . 115
XII. Sorgfalt des Staats für die Sicherheit durch rechtliche Ent- scheidung der Streitigkeiten der Büffer 132
XIII. Sorgfalt des Staats für die Sicherheit durch Bestrafung
der Uebertretungen der Geseze des Staats (Rriminalgeseze) 137
XIV. Sorgfalt des Staats für die Sicherheit durch Bestimmung des Verhältnisses derjenigen Personen, welche nicht im Besiz der natürlichen, oder gehörig gereiften menschli- chen Kräfte sind. (Unmündige und des Verstandes Beraubte.) Allgemeine Anmerkung zu diesem und den vier vorherge- henden Abschnitten 161
XV. Verhältniss der, zur Erhaltung des Staatsgebäudes über- haupt notlrwendigen Mittel zur vorgetragenen Theorie. Schluss der theoretischen Bntwiklung 171
XVI. Anwendung der vorgetragenen Theorie auf die Wirk- lichkeit 176
Inhaltsregister 18'.t
Denkschrift über Preussens ständische Verfassung. 19S— 278
(Denkschriften des Ministers Freiherrn vom Stein über Deutsche Verfassungen. Herausgegeben von G. H. Pertz. Berlin 1848. 8. S. 96 — i%5.)
.Mémoire devant servir de refutation à celui du
Comte de Capo d'Istria 279—293
(Geschichte des zweiten Pariser Friedens für Deutschland. Aus Aktenstücken von A. F. H. Schaum an n. Göttingen 1844. 8. Tlieil II. S. HI — XII.)
Lettre à M. Abel-Hémusal. sur la nature des formes grammaticales en généra] et sur le génie de la langue chinoise en particulier 294 — 381
(Paris 18'.>7. 8. VIII1'. îr.'S.)
V
Seite
Notice sur la Grammaire Japonaise du P. Oyan-
guren 382—396
(Supplément à la grammaire Japonaise du P. Rodriguez, ou Remarques additionnelles sur quelques points du sy- stème grammatical des Japonais, tirées de la Grammaire composée en espagnol par le P. Oyanguren, et traduites par M. C. Landresse, membre de la soc. asiat.; précédées d'une notice comparative des Grammaires japonaises des PP. Rodriguez et Oyanguren. Par M. G. de Humboldt. Ouvrage publié par la société asiatique. Paris 1826. 8. S. 1 — 12.) Lettre à M. Jacquet sur les alphabets de la Po- lynésie Asiatique 3^7 — 422
(Ueber die- Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaues und ihren Eintluss auf die geistige Entwicklung des Menschengeschlechts. Berlin 1834. 4. S. 492 — 511.)
An Essay on the best means of ascertaining the
afiinities of oriental languages 423—434
(Transactions of the Royal Asiatic Society of Great Britain and Ireland. Vol. II. P.J. London 1829. 4. p. 213 — 221. Auch in einem besonderen Abdrucke aus diesem Bande. London 1828. 4. 11 S.)
Sonette. (Handschriftlich) 435—488
1. Der Zug nach oben 435
2. Die Hoffnung 436
3. Die Ewiggütige 137
4. Jugend und Alter 438
5. Die letzten Schranken 439
6. Zwiefache Ansicht 440
7. Die stillen Nächte 441
8. Die Sterne 442
9. Blumen und Sterne 443
10. Betrachtung 444
11. Höchster Lebensgewinn 445
12. Wolken, Träume, Lieder 446
13. Das Schicksal und der Mensch 447
14. Der Seele Kräfte 4 48
15. Gefiederte Sänger 449
VI
Seile
16. Ihr Bild 450
17. Licht der Liebe 451
18. Gegenliebe 452
19. Vorgefühl und Muth 453
•J0. Mannesmuth 454
21. Der Gymnast 455
•22. Bescheidenes Glück 456
23. Die Schönheit 457
24. Gedanke und Gefühl 458
25. Des Dichters Geist 450
26. Gegebenes Maal's 460
27. Zwiefache Richtung 461
28. Der Stier im Joch 462
2«J. Das Pferd 463
30. Das Verstummen 16 i
31. Das Verschwinden 465
32. Räthsel I. . . 566
33. Räthsel II 467
3i. Lea 168
35. Traumgestatten 469
36. Sehnsucht der Liebe 470
37. Thekla 471
38. Das Schweigen 472
39. Mitleid 473
40. Damokles 17 4
11. Des Herrschers Glanz 475
42. Das Diadem 476
43. Die Seelenwanderung 477
4 4. Venus 478
45. Mars 470
46. Leto 480
47. Sisyphus 481
48. Hellas 482
40. Die Römer 483
50. Die Römerin 484
5,1. Wahre Gröfse 485
.■•.'. Mach! der Liebe 486
53. abschied vom Meer 487
ii. Des Jenseits Schleier
Ideen zu einem Versuch, die (îranzen der Wirk- samkeit des Staats zu bestimmen.
Le difficile est de ne promulguer que des lois né- cessaires, de rester à jamais fidèle .:i ce principe vraiment constitutionnel de la société, de se mettre en garde contre la fureur de gouverner, la plus fu- neste maladie des gouvernemens modernes.
MIRABEAU I. AINK. sur l'éducation publique p. 6&.
Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirk- samkeit des Staats zu bestimmen.
i.
Einleitung.
W enn man die merkwürdigsten Staatsverfassungen mit einander, und mit ihnen die Meinungen der bewährtesten Philosophen und Politiker vergleicht; so wundert man sich vielleicht nicht mit Unrecht, eine Frage so wenig vollstän- dig behandelt, und so wenig genau beantwortet zu finden, welche doch zuerst die Aufmerksamkeit an sich zu ziehen scheint, die Frage nämlich: zu welchem Zweck die ganze Staatseinrichtung hinarbeiten und welche Schranken sie ih- rer Wirksamkeit setzen soll? Den verschiedenen Antheil, welcher der Nation, oder einzelnen ihrer Theile, an der Re- gierung gebührt, zu bestimmen, die mannigfaltigen Zweige der Staatsverwaltung gehörig zu vertheilen, und die nöthi- gen Vorkehrungen zu treffen, dass nicht ein Theil die Rechte des andern an sich reisse; damit allein haben sich fast alle beschäftigt, welche selbst Staaten umgeformt, oder Vor- schläge zu politischen Reformationen gemacht haben. Den- noch miisstc man, so dünkt mich, bei jeder neuen Staats- einrichtung zwei Gegenstände vor Augen haben, von wel-
VII. 1
chen beiden keiner, ohne grossen Nachtheil übersehen werden dürfte: einmal die Bestimmung des herrschenden und die- nenden Theils der Nation, und alles dessen, was zur wirk- lichen Einrichtung der Regierung gehört, dann die Bestim- mung der Gegenstande, auf welche die einmal eingerichtete Regierung ihre Thätigkeit zugleich ausbreiten und einschrän- ken muss. Dies Letztere, welches eigentlich in das Privat- leben der Bürger eingreift und das Maass ihrer freien, un- gehemmten Wirksamkeit bestimmt, ist in der That das wahre, letzte Ziel, das Erstere nur ein notwendiges Mittel , dies zu erreichen. Wenn indess dennoch der Mensch dies Er- stere mit mehr angestrengter Aufmerksamkeit verfolgt, so bewährt er dadurch den gewöhnlichen Gang seiner Thätig- keit. Nach Einem Ziele streben, und dies Ziel mit Aufwand physischer und moralischer Kraft erringen, darauf beruht das Glück des rüstigen, kraftvollen Menschen. Der Besitz, wel- cher die angestrengte Kraft der Hube übergiebl, reizt nur in der täuschenden Phantasie. Zwar existirt in der Lage des Menschen, wo die Kraft immer zur Thätigkeit gespannt ist, und die Natur um ihn her immer zur Thätigkeit reizt, Ruhe, und Besitz in diesem Verslande nur in der Idee. Allein dem einseitigen Menschen ist Ruhe auch Aufhören Einer Aeusserung, und dem Ungebildeten giebt Ein Gegen- stand nur zu wenigen Aeusserungen Stoff. Was man daher vom Ueberdruss am Besitze, besonders im Gebiete der fei- neren Empfindungen, sagt, gilt ganz und gar nicht von dem Ideale des Menschen, welches die Phantasie zu bilden ver- mag, im vollesten Sinne von dem ganz Ungebildeten, und in immer geringerem Grade, je näher immer höhere Bildung jenem Ideale führt. Wie folglich, nach dem Obigen, den Eroberer der Sieg höher freut, als das errungene Land, wie den Reformator die gefahrvolle Unruhe der Reformation höher, als der ruhige Genuss ihrer Früchte; so ist dem
Menschen überhaupt Herrschaft reizender, als Freiheit, oder wenigstens Sorge für Erhaltung der Freiheit reizender, als Genuss derselben. Freiheit ist gleichsam nur die Möglich- keil einer unbestimmt mannigfaltigen Thätigkeit; Herrschaft, Regierung überhaupt zwar eine einzelne, aber wirkliche Tbä- tigkeit. Sehnsucht nach Freiheit entsteht daher nur zu oft erst aus dem Gefühle des Mangels derselben. Uniäugbar bleibt es jedoch immer, dass die Untersuchung des Zwecks und der Schranken der Wirksamkeit des Staats eine grosse Wichtigkeit hat, und vielleicht eine grössere, als irgend eine andere politische. Dass sie allein gleichsam den letzten Zweck aller Politik betrifft, ist schon oben bemerkt worden Allein sie erlaubt auch eine leichtere und mehr ausgebrei- tete Anwendung. Eigentliche Staatsrevolutionen, andere Ein- richtungen der Regierung sind nie, ohne die Concurrenz vieler, oft sehr zufalliger Umstände möglich, und führen im- mer mannigfaltig nachtheilige Folgen mit sich. Hingegen die Glänzen der Wirksamkeit mehr ausdehnen oder ein- schränken kann jeder Regent — sei es in demokratischen, aristokratischen, oder monarchischen Staaten — still und unbemerkt, und er erreicht vielmehr seinen Endzweck nur um so sicherer, je mehr er auffallende Neuheit vermeidet. Die besten menschlichen Operationen sind diejenigen, welche die Operationen der Natur am getreuesten nachahmen. Nun aber bringt der Keim, welchen die Erde still und unbemerkt empfängt, einen reicheren und holderen Segen, als der ge- wiss nothwendige, aber immer auch mit Verderben beglei- tete Ausbruch tobender Vulkane. Auch ist keine andere Art der Reform unserm Zeitalter so angemessen, wenn sich dasselbe wirklich mit Recht eines Vorzugs an Kultur und Aufklärung rühmt. Denn die wichtige Untersuchung der Grunzen der Wirksamkeit des Staats muss — wie sich leicht voraussehen lässl — auf höhere Freiheit der Kräfte, und
1*
grössere Mannigfaltigkeit der Situationen führen. Nun aber erfordert die Möglichkeit eines höheren Grades der Freiheit immer einen gleich hohen Grad der Bildung und das ge- ringere Bedürfniss, gleichsam in einförmigen, verbundenen Massen zu handeln, eine grössere Stärke und einen mannig- faltigeren Reichthum der handelnden Individuen. Besitzt daher das gegenwärtige Zeitalter einen Vorzug an dieser Bildung, dieser Stärke und diesem Reichthum, so muss man ihm auch die Freiheit gewähren, auf welche derselbe mit Recht Anspruch macht. Ebenso sind die Mittel, durch welche die Reform zu bewirken stände, einer fortschreitenden Bil- dung, wenn wir eine solche annehmen, bei weitem ange- messener. Wenn sonst das gezückte Schwerdt der Nation die phvsische Macht des Beherrschers beschränkt, so besiegt hier Aufklärung und Kultur seine Ideen, und seinen Willen; und die umgeformte Gestalt der Dinge scheint mehr sein Werk, als das Werk der Nation zu sein. Wenn es nun schon ein schöner, seelenerhebender Anblick ist, ein Volk zu sehen, das im vollen Gefühl seiner Menschen- und Bür- gerrechte, seine Fesseln zerbricht; so muss — weil, was Neigung oder Achtung für das Gesetz wirkt, schöner und erhebender ist, als was Noth und Bedürfniss erpresst — der Anblick eines Fürsten ungleich schöner und erhebender sein, welcher selbst die Fesseln löst und Freiheit gewährt, und dies Geschäft nicht als Frucht seiner wohlthätigen Güte, sondern als Erfüllung seiner ersten, unerlässlichen Pflicht betrachtet. Zumal da die Freiheit, nach welcher eine Na- tion durch Veränderung ihrer Verfassung strebt, sich zu der Freiheit, welche der einmal eingerichtete Staat geben kann, eben so verhält, als Hoffnung zum Genuss, Anlage zur Vollendung.
Wirft man einen Blick auf die Geschichte der Staats- verfassungen ; so würde es sehr schwierig sein, in irgend
einer genau den Umfang zu zeigen, auf welchen sich ihre Wirksamkeit beschränkt, da man wohl in keiner hierin einem überdachten, auf einfachen Grundsätzen beruhenden Plane gefolgt ist. Vorzüglich hat man immer die Freiheit der Bürger aus einem zwiefachen Gesichtspunkte eingeengt, ein- mal aus dem Gesichtspunkte der Nothwendigkeit, die Ver- fassung entweder einzurichten, oder zu sichern; dann aus dem Gesichtspunkte der Nützlichkeit, für den physischen oder moralischen Zustand der Nation Sorge zu tragen. Je mehr oder weniger die Verfassung, an und für sich mit Macht versehen, andere Stützen braucht; oder je mehr oder weniger die Gesetzgeber weit ausblickten, ist man bald mehr bei dem einen, bald bei dem andern Gesichtspunkte stehen geblieben. Oft haben auch beide Rücksichten vereint ge- wirkt. In den älteren Staaten sind fast alle Einrichtungen, welche auf das Privatleben der Bürger Bezug haben, im eigentlichsten Verstände politisch. Denn da die Verfassung in ihnen wenig eigentliche Gewalt besass, so beruhte ihre Dauer vorzüglich auf dem Willen der Nation, und es musste auf mannigfaltige Mittel gedacht werden, ihren Charakter mit diesem Willen übereinstimmend zu machen. Eben dies ist noch jetzt in kleinen republikanischen Staaten der Fall, und es ist daher völlig richtig, dass — aus diesem Gesichts- punkt allein die Sache betrachtet — die Freiheit des Privat- lebens immer in eben dem Grade steigt, in welchem die öffentliche sinkt, da hingegen die Sicherheit immer mit die- ser gleichen Schritt hält. Oft aber sorgten auch die altern Gesetzgeber, und immer die alten Philosophen im eigent- lichsten Verstände für den Menschen, und da am Menschen der moralische Werth ihnen das Höchste schien, so ist z. B. Piatos Republik, nach Rousseaus äusserst wahrer Bemer- kung, mehr eine Erziehungs- als eine Staatsschrift. Ver- gleicht man hiermit die neuesten Staaten, so ist die Absicht,
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für den Bürger selbst und sein Wohl zu arbeiten, bei so vielen Gesetzen und Einrichtungen, die dem Privatleben eine oft sehr bestimmte Form geben, unverkennbar. Die gros- sere innere Festigkeit unserer Verfassungen, ihre grössere Unabhängigkeit von einer gewissen Stimmung des Charak- ters der Nation, dann der stärkere Einfluss bloss denkender Köpfe — die, ihrer Natur nach, weitere und grössere Ge- sichtspunkte zu fassen im Stande sind — eine Menge von Erfindungen, welche die gewöhnlichen Gegenstände der Thä- tiekeit der Nation besser bearbeiten oder benutzen lehren, endlich und vor Allem gewisse Religionsbegriffe, welche den Regeriten auch für das moralische und künftige Wohl der Bürger gleichsam verantwortlich machen, haben vereint dazu beigetragen, diese Veränderung hervorzubringen. Gehl man aber der Geschichte einzelner Polizei -Gesetze und Einrich- tungen nach, so findet man oft ihren Ursprung in dem bald wirklichen, bald angeblichen Bedürfniss des Staats, Abgaben von den Unterthanen aufzubringen, und insofern kehrt die Aehnlichkeit mit den älteren Staaten zurück, indem insofern diese Einrichtungen gleichfalls auf die Erhaltung der Ver- fassung abzwecken. Was aber diejenigen Einschränkungen betrifft, welche nicht sowohl den Staat, als die Individuen, die ihn ausmachen, zur Absicht haben; so ist und bleibt ein mächtiger Unterschied zwischen den älteren und neueren Staaten. Die Alten sorgten für die Kraft und Bildung des Menschen, als Menschen; die Neueren für seinen Wohlstand, seine Habe und seine Erwerbfähigkeit. Die Alten suchten Tugend, die Neueren Glückseligkeit. Daher waren die Ein- schränkungen der Freiheit in den älteren Staaten auf der einen Seile drückender und gefährlicher. Denn sie griffen geradezu an, was des Menschen eigenthüinliches Wesen aus- macht, sein inneres Dasein; und dabei zeigen alle älteren Nationen eine Einseiligkeil, welche (den Mangel an feinerer
Kultur, und an allgemeinerer Kommunikation noch abge- rechnet) grossentheils durch die last überall eingeführte ge- meinschaftliche Erziehung, und das absichtlich eingerichtete gemeinschaftliche Leben der Bürger überhaupt hervorge- bracht und genährt wurde. Aul der andern Seite erhielten und erhöheten aber auch alle diese Staatseinrichtungen bei den Allen die thätige Krall des Mensehen. Selbst der Ge- sichtspunkt, den man nie aus den Augen verlor, kraftvolle und genügsame Bürger zu bilden, gab dem Geiste und dem Charakter einen höheren Schwung. Dagegen wird zwar bei uns der Mensch selbst unmittelbar weniger beschrankt, als vielmehr die Dinge um ihn her eine einengende Form er- halten, und es scheinl daher möglich, den Kampf gegen diese äusseren Fesseln mit innerer Kraft zu beginnen. Al- lein schon die Natur der Freiheitsbeschränkungen unserer Staaten, dass ihre Absicht bei weitem mehr auf das geht, was der Mensch besitzt, als auf das, was er ist, und dass selbst in diesem Fall sie nicht ■ — wie die Alten — die phy- sische, intellektuelle und moralische Kraft nur, wenn gleich einseilig, üben, sondern vielmehr ihr bestimmende Ideen, als Gesetze, aufdringen, unterdrückt die Energie, welche gleich- sam die Quelle jeder thätigen Tugend, und die nothwendige Bedingung zu einer höheren und vielseitigeren Ausbildung ist. Wenn also bei den alleren Nationen grössere Kraft für die Einseitigkeit schadlos hielt; so wird in den neueren der Nachtheil der geringeren Kraft noch durch Einseitigkeit er- höht. Ueberhaupt ist dieser Unterschied zwischen den Allen und Neueren überall unverkennbar. Wenn in den letzteren Jahrhunderten die Schnelligkeit der gemachten Fortschritte, die Menge und Ausbreitung künstlicher Erfindungen, die Grosse der gegründeten Werke am meisten unsere Aufmerk- samkeit an sich zieht; so fesselt uns in dem Allerlhum vor Allem die Grösse, welche immer mit dem Leben Eines
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Menschen dahin ist, die Blüthe der Phantasie, die Tiefe des Geistes, die Starke des Willens, die Einheit des ganzen Wesens, welche allein dem Menschen wahren Werth giebt. Der Mensch und zwar seine Kraft und seine Bildung war es, welche jede Thätigkeit rege machte; bei uns ist es nur zu oft ein ideelles Ganze, bei dem man die Individuen bei- nah zu vergessen scheint, oder wenigstens nicht ihr inneres Wesen, sondern ihre Ruhe, ihr Wohlstand, ihre Glückselig- keit. Die Alten suchten ihre Glückseligkeit in der Tugend, die Neueren sind nur zu lange diese aus jener zu ent- wickeln bemüht gewesen1); und der selbst2), welcher die Moraliti.it in ihrer höchsten Reinheil sah und darstellte, glaubt, durch eine sehr künstliche Maschinerie seinem Ideal des Menschen die Glückseligkeit, wahrlich mehr, wie eine fremde Belohnung, als wie ein eigen errungenes Gut, zuführen zu müssen. Ich verliere kein Wort über diese Verschiedenheit. Ich schliesse nur mit einer Stelle aus Aristoteles Ethik: „Was einem Jeden, seiner Natur nach, eigenthümlich ist, „ist ihm das Beste und Süsseste. Daher auch den Menschen
') Nie ist dieser Unterschied auffallender, als wenn alte Philoso- phen von neueren beurtheilt werden. Ich führe als ein Beispiel eine Stelle Tiedemanns über eins der schönsten Stücke aus Piatos Republik an: Quanquam autem per sc sit iuètiiia grata nobis: tarnen si exercitium eins nullam omninoafferrel utilitatem, si iusto ea omnia essent patienda , quae fratres commémorant ; iniustitia iustitiac foret prae ferenda; quae enim ad feticitatem maxime puiunt nostram, sunt absque dubio aliis prueponendu. Jam corporis cruiiatus, omnium rerum inopia, fames, infamia, quaeque alia ecenire iusto fratres dixerunt, auimi iUam e iustitia manuntem toluptatem dubio proeul longe super a fit, essclt/ue adeo iniustitia iustitiac anlehithenda et in virtutum numéro collovanda. Tied em ann in argumentis dialogorum Piatonis. Ad 1. %. de repnblica. ) Kant über das höchste Gut in den Anfangsgründen der Meta- physik iler Sitten und in der Kritik der praktischen Vernunft.
„das Leben nach der Vernunft, wenn nämlich darin am „meisten der Mensch besteht, am meisten beseligt ')."
Schon mehr als Einmal ist unter den Staatsrechtsleh- ren! gestritten worden, ob der Staat allein Sicherheit, oder überhaupt das ganze physische und moralische Wohl der Nation beabsichten müsse? Sorgfalt für die Freiheit des Privatlebens hat vorzüglich auf die erslere Behauptung ge- führt; indess die natürliche Idee, dass der Staat mehr, als allein Sicherheit gewähren könne, und ein Missbrauch in der Beschränkung der Freiheit wohl möglich, aber nicht not- wendig sei, der letzteren das Wort redete. Auch ist diese unleugbar sowohl in der Theorie, als in der Ausführung die herrschende. Dies zeigen die meisten Systeme des Staats- rechts, die neueren philosophischen Gesetzbücher, und die Geschichte der Verordnungen der meisten Staaten. Acker- bau, Handwerke, Industrie aller Art, Handel, Künste und Wissenschaften selbst, alles erhält Leben und Lenkung vom Staat. Nach diesen Grundsätzen hat das Studium der Staats- wissenschaften eine veränderte Gestalt erhallen, wie Kame- ral- und Polizeivvissenschaft z. B. beweisen, nach diesen sind völlig neue Zweige der Staatsverwaltung entstanden, Kame- ral-, Manufaktur- und Finanz-Kollegia. So allgemein indess auch dieses Princip sein mag; so verdient es, dünkt mich, doch noch allerdings eine nähere Prüfung, und diese Prü *).
') To oixeiov ixacfuo t>j yvati, xquuotov xcci î]ôtarov 10$ kxaöttp' xtù TM avüQconq) Jij o xata jov vovv ßiog, fmfo fiakiOxa tovto ccvSqcottoç, ovtoç c<qcc xaï fvaai/uoveOTcrog. Aristotelis lld-ixiov Nixo{iuy. 1. X. c. 7. in fin.
*) An dieser Stelle feilten in der vom Herausgeber benutzten Originalhandschrift (in i.) sechs Bogen, welche wahrscheinlich zum Abdruck des hier folgenden Fragments in Schiller's Thalia (Jahrg. 1795, Heft 5 S. 131 — 169-, abgedr. in der vorlieg. Ausg. der gesammelten Werke Band I. S. '2 i'2 — '203) benutzt und bis
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IL Betrachtung des einzelnen Menschen, und der höch- sten Endzwecke des Daseins desselben.
Der wahre Zweck des Menschen, nicht der, welchen die wechselnde Neigung, sondern welchen die ewig unveränderliche Vernunft ihm vorschreibt — ist die höchste und proportionirlich- ste Bildung seiner Kräfte zu einem Ganzen. Zu dieser Bildung ist Freiheit die erste, und unerlässliche Bedingung. Allein ausser der Freiheit, erfordert die Entwicklung der menschlichen Kräfte noch etwas anderes, obgleich mit der Freiheit eng verbundenes, .Mannigfaltigkeit der Situationen. Auch der freieste und unab- hängigste Mensch in einförmige Lagen versetzt, bildet sich min- der aus. Zwar ist nun einestheils diese Mannigfaltigkeit allemal Folge der Freiheit, und anderntheils giebt es auch eine Art der Unterdrückung, die, statt den Menschen einzuschränken, den Din- gen um ihn her eine beliebige Gestalt giebt, so dass beide ge- uissermassen Eins und dasselbe sind. Indess ist es der Klarheit der Ideen dennoch angemessener, beide noch von einander zu trennen. Jeder Mensch vermag auf Einmal nur mit Einer Kraft zu wirken, oder vielmehr sein ganzes Wesen wird auf Einmal nur zu Einer Thätigkeit gestimmt. Daher scheint der Mensch zur Einseitigkeit bestimmt, indem er seine Energie schwächt, sobald er sich auf mehrere Gegenstände verbreitet. Allein dieser Ein- seiligkeit entgeht er, wenn er die einzelnen, oft einzeln geübten Kralle zu vereinen, den beinah schon verloschnen wie den erst künftig hell aufflammenden Funken in jetler Periode seines Le- bens zugleich mitwirken zu lassen, und statt der Gegenstände, auf die er wirkt, die Kräfte, womit er wirkt, durch Verbindung zu vervielfältigen strebt. Was hier gleichsam die Verknüpfung der Vergangenheit und der Zukunft mit der Gegenwart wirkt, das wirkt in der Gesellschaft die Verbindung mit andern. Denn auch durch alle Perioden des Lebens erreicht jeder Mensch dennoch
jetzt nicht wieder aufgefunden sind. Zunächst ist daher der Schluss der Einleitung verloren gegangen, in welcher dargelegt wurde, wie jene „Prüfung von dein einzelnen Menschen und -«•inen höchsten Bndzwecken ausgehen muss."
(Aninerk. d. Ueiausg.)
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nur Eine der Vollkommenheiten, welche gleichsam den Charakter des ganzen Menschengeschlechts bilden. Durch Verbindungen also, die aus dem Innern der Wesen entspringen, muss einer den Reichthum des andern sich eigen machen. Eine solche charakter- bildende Verbindung ist, nach der Erfahrung aller auch sogar der rohesten Nationen, z. B. die Verbindung der beiden Geschlechter. Allein wenn hier der Ausdruck, sowohl der Verschiedenheit, als der Sehnsucht nach der Vereinigung gewissermassen stärker ist: so ist beides darum nicht minder stark, nur schwerer bemerkbar, obgleich eben darum auch mächtiger wirkend, auch ohne alle Rücksicht auf jene Verschiedenheit, und unter Personen dessel- ben Geschlechts. Diese Ideen weiter verfolgt und genauer ent- wickelt, dürften vielleicht auf eine richtigere Erklärung des Phä- nomens tier Verbindungen fähren, welche bei den Alten, vorzüglich den Griechen, selbst die Gesetzgeber benutzten, und die mau oft zu unedel mit dem Namen der gewöhnlichen Liebe, und immer unrichtig mit dem Namen der blossen Freundschaft belegt hat. Der bildende Nutzen solcher Verbindungen beruht immer auf dem Grade, in welchem sich die Selbstständigkeit der Verbundenen zugleich mit der Innigkeit der Verbindung erhält. Denn wenn ohne diese Innigkeit der eine den andern nicht genug aulzufassen vermag, so ist die Selbstständigkeit nothwendig, um das Aufge- fasste gleichsam in das eigne Wesen zu verwandeln. Beides aber erfordert Kraft der Individuen, und eine Verschiedenheit, die, nicht zu gross, damit einerden andern aufzufassen vermöge, auch nicht zu klein ist, um einige Bewundrung dessen, was der andre besitzt, und den Wunsch rege zu machen, es auch in sich über- zutragen. Diese Kraft nun und diese mannigfaltige Verschieden- heit vereinen sich in der Originalität, und das also, worauf die ganze Grösse des Menschen zuletzt beruht, wonach der ein- zelne Mensch ewig ringen muss, und was der, welcher auf Men- schen wirken will, nie aus den Augen verlieren darf, ist Eigen- tümlichkeit der Kraft und der Bildung. Wie diese Eigentümlichkeit durch Freiheit des Handelns und Mannigfaltig- keit des Handelnden gewirkt wird; so bringt sie beides wiederum hervor. Selbst die leblose Natur, welche nach ewig unveränder- lichen Gesetzen einen immer gleichinässigen Schritt hält, erscheint dem eigengebildeter] Menschen eigentümlicher. Er trägt gleich- sam sich selbst in sie hinüber, und so ist es im höchsten Ver-
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stände wahr, dass jeder immer in eben dein Grade Fidle und Schönheit ausser sich wahrnimmt, in welchem er beide im eignen Busen bewahrt. Wieviel ahnlicher aber noch muss die Wirkung der Ursache da sein, wo der Mensch nicht bloss empfindet und äussere Eindrücke auffasst, sondern selbst thätig wird?
Versucht man es, diese Ideen, durch nähere Anwendungen auf den einzelnen Menschen, noch genauer zu prüfen ; so redu- cirt sich in diesem alles auf Form und Materie. Die reinste Form mit der leichtesten Hülle nennen wir Idee, die am wenigsten mit Gestalt begabte Materie, sinnliche Empfindung. Aus der Verbin- dung der Materie geht die Form hervor. Je grösser die Fülle und Mannigfaltigkeit der Materie, je erhabener die Form. Ein Götterkind ist nur die Frucht unsterblicher Eltern. Die Form v\ird wiederum gleichsam Materie einer noch schöneren Form. So wird die Blüthe zur Frucht, und aus dem Saamenkorn der Frucht entspringt der neue, von neuem blüthenreiche Stamm. Je mehr die Mannigfaltigkeit zugleich mit der Feinheit der Materie zunimmt, desto höher die Kraft. Denn desto inniger der Zu- sammenhang. Die Form scheint gleichsam in die Materie, in die Materie die Form verschmolzen; oder, um ohne Bild zu reden, je ideenreicher die Gefühle des Menschen, und je gefühlvoller seine Ideen, desto unerreichbarer seine Erhabenheit. Denn auf diesem ewigen Begatten der Form und der Materie, oder des Mannigfaltigen mit der Einheit beruht die Verschmelzung der bei- den im Menschen vereinten Naturen, und auf dieser seine Grösse. Aber «lie Stärke der Begattung hängt von der Stärke der Begat- tenden ab. Der höchste Moment des Menschen ist dieser Moment der Blüthe1). Die minder reizende, einfache Gestalt der Frucht weist gleichsam selbst auf die Schönheit der Blüthe hin, die sich durch sie entfalten soll. Auch eilt nur alles der Blüthe zu. Was zuerst dem Saamenkorn entspriesst, ist noch fern von ihrem Reiz. Der volle dicke Stengel, die breiten, aus einander fallenden Blät- ter bedürfen noch einer mehr vollendeten Bildung. Stufenweise steigt diese, wie sich das Auge am Stamme erhebt; zartere Blat- tei sehnen sich gleichsam, sich zu rereinigen, und schliessen sich enger und enger, bis der Kelch das Verlangen zu stillen scheint •).
') Blüthe, Reife. Neues deutsches Museum, 1791. Junius, 22, 3.
•) Göthe, über die Metamorphose der Pflanzen.
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Iadess ist das Geschlecht der Pflanzen nicht von dem Schicksal gesegnet. Die Blüthe fällt ab, und die Frucht bringt wieder den gleich rohen, und gleich sich verfeinernden Stamm hervor. Wenn im Menschen die Blüthe Melkt; so macht sie nur jener schönern Platz, und den Zauber der schönsten birgt unserm Auge erst die ewig unerforschbare Unendlichkeit. Was nun der Mensch von aussen empfängt, ist nur Saamenkorn. Seine energische Thätig- keit muss es, sei's auch das schönste, erst auch' zum seegenvoll- sten für ihn machen. Aber wohlthätiger ist es ihm immer in dem Grade, in welchem es kraftvoll, und eigen in sich ist. Das höchste Ideal des Zusammenexistirens menschlicher Wesen wäre mir das- jenige, in dem jedes nur aus sich selbst, und um seiner selbst willen sich entwickelte. Physische und moralische Natur würden diese Menschen schon noch an einander führen, und wie die Kämpfe des Kriegs ehrenvoller sind, als die der Arena, wie die Kämpfe erbitterter Bürger höheren Ruhm gewähren, als die ge- triebener Miethsoldaten ; so würde auch das Ringen der Kräfte dieser Menschen die höchste Energie zugleich beweisen und er- zeugen.«
Ist es nicht eben das, was uns an das Zeitalter Griechen- lands und Roms, und jedes Zeitalter allgemein an ein entfernte- res, hingeschwundenes so namenlos fesselt? Ist es nicht vorzüg- lich, dass diese Menschen härtere Kämpfe mit dem Schicksal, härtere mit Menschen zu bestehen hatten? Dass die grössere, ur- sprüngliche Kraft und Eigenthümlichkeit einander begegnete, und neue wunderbare Gestalten schuf. Jedes folgende Zeitalter — und in wieviel schnelleren Graden muss dieses Yerhältniss von jetzt an steigen? — muss den vorigen an Mannigfaltigkeit nach- stehen, an Mannigfaltigkeit der Natur — die ungeheuren Wälder sind ausgehauen, die Moräste getrocknet u. s. f. — an Mannig- faltigkeit der Menschen, durch die immer grössere Mittheilung und Vereinigung der menschlichen Werke, durch die beiden vorigen Gründe '). Dies ist eine der vorzüglichsten Ursachen, welche die Idee des Neuen, Ungewöhnlichen, Wunderbaren so viel seltner, das Staunen, Erschrecken beinahe zur Schande, und die Erfin- dung neuer, noch unbekannter Hülfsmittel, selbst nur plötzliche, unvorbereitete und dringende Entschlüsse bei weitem seltner noth-
') Eben dies bemerkt einmal Rousseau im Emil.
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wendig macht. Denn theils ist das Andringen der äusseren Um- stände gegen den Menschen, welcher mit mehr Werkzeugen, ihnen zu begegnen, versehen ist, minder gross; theils ist es nicht mehr gleich möglich, ihnen allein durch diejenigen Kräfte Widerstand zu leisten, welche die Natur jedem gieht, und die er nur zu be- nutzen braucht; theils endlich macht das ausgearbeitetem Wissen das Erfinden weniger nothwendig, und das Lernen stumpft selbst die Kraft dazu ab. Dagegen ist es unleugbar, dass, wenn die physische Mannigfaltigkeit geringer wurde, eine bei weitem rei- chere und befriedigendere intellectuelle und moralische an ihre Stelle trat, und dass Gradationen und Verschiedenheiten von iin- serm mehr verfehlten Geiste wahrgenommen, und unserm, wenn gleich nicht eben so stark gebildeten, doch reizbaren kultivirten Charakter ins praktische Leben übergetragen werden, die auch vielleicht den Weisen des Alterthums, oder doch wenigstens nur ihnen nicht unbemerkt geblieben waren. Es ist im ganzen Men- schengeschlecht, wie im einzelnen Menschen gegangen. Das Grö- bere ist abgefallen, das Feinere ist geblieben. Und so ware es ohne allen Zweifel seelenvoll, wenn das Menschengeschlecht Ein Mensch wäre, oder die Kraft eines Zeitalters ebenso als seine Bücher, oder Erfindungen auf das folgende überginge. Allein dies ist bei weitem der Fall nicht. Freilich besitzt nun auch unsere Verfeinerung eine Kraft, und die vielleicht jene gerade um den Grad ihrer Feinheit an Stärke übertrifft; aber es fragt sich, ob ni» lit die frühere Bildung durch das Gröbere immer vorangehen muss? Ueberall ist doch die Sinnlichkeit der erste Keim, wie der lebendigste Ausdruck alles Geistigen. Und wenn es auch nicht hier der Ort ist, selbst nur den Versuch dieser Erörterung zu wagen; so folgt doch gewiss "soviel aus dem Vorigen, dass man wenigstens diejenige Eigentümlichkeit und Kraft, nebst al- len Nahrungsmitteln derselben, welche wir noch besitzen, sorg- fältigst bewachen müssen.
Bewiesen halte ich demnach durch das vorige, dass die wahre Vernunft dem .Menschen keinen andern Zustand als einen solchen wünschen kann, in welchem nicht nur jeder Einzelne der ungebundensten Freiheit ge- ii i esst, sich aus sich selbst, in seiner Eigen t h um I ich- keil zu entwickeln, sondern in welchem auch die phy- sische Natur keine andre Gestalt fonMenschenhänden
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empfängt, als ihn jeder Einzelne, nach dem Maas se seines Bedürfnisses und seiner Neigung, nur be- schränkt durch die G ranzen seiner Kraft und seines Rechts, selbst u nd will kü hrlich giebt. Von diesem Grund- satz darf, meines Erachtens , die Vernunft nie mehr nachgeben, als zu seiner eignen Erhaltung selbst notliwendig ist. Er inusste daher auch jeder Politik, und besonders der Beantwortung der Frage, von der hier die Rede ist, immer zum Grunde liegen.
in.
Uebergang" zur eigentlichen Untersuchung. Eintheilung
derselben. Sorgfalt des Staats für das positive,
insbesondere physische, Wohl der Bürger.
In einer völlig allgemeinen Formel ausgedrückt, könnte man den wahren Umfang der Wirksamkeit des Staats alles dasjenige nennen, was er zum Wohl der Gesellschaft zu thun vermöchte, ohne jenen oben ausgeführten Grundsatz zu verletzen; und es würde sich unmittelbar hieraus auch die nähere Bestimmung er- geben, dass jedes Bemühen des Staats verwerflich sei, sich in die Privatangelegenheiten der Bürger überall da einzumischen, wo dieselbe nicht unmittelbaren Bezug auf die Kränkung der Rechte des einen durch den andern haben. Indess ist es doch, um die vorgelegte Frage ganz zu erschöpfen, notliwendig, die einzelnen Theile der gewöhnlichen oder möglichen Wirksamkeit der Staaten genau durchzugehen.
Der Zweck des Staats kann nämlich ein doppelter sein; er kann Glück befördern, oder nur Uebel verhindern wollen, und im letzteren Fall Uebel der Natur oder Uebel der Menschen. Schränkt er sich auf das letztere ein, so sucht er nur Sicherheit, und diese Sicherheit sei es mir erlaubt, einmal allen übrigen möglichen Zwecken, unter dem Namen des positiven Wohlstandes vereint entgegen zu setzen. Auch die Verschiedenheit der vom Staat angewendeten Mittel giebt seiner Wirksamkeit eine verschiedene Ausdehnung. Er sucht nämlich seinen Zweck entweder unmittel- bar zu erreichen, sei's durch Zwang — befehlende und verbie- tende Gesetze, Strafen — oder durch Ermunterung und Beispiel;
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oder mit allen, indem er entweder die Lage der Bürger eine demselben günstige Gestalt giebt , und sie gleichsam anders zu handeln hindert, oder endlich, indem er sogar ihre Neigung mit demselben übereinstimmend zu machen, auf ihren Kopf oder ihr Herz zu •wirken strebt. Im ersten Falle bestimmt er zunächst nur einzelne Handlungen; im zweiten schon mehr die ganze Hand- lungsweise; und im dritten endlich, Charakter und Denkungsart. Auch ist die Wirkung der Einschränkung im ersten Falle am kleinsten, im zweiten grösser, im dritten am grossesten, theils weil auf Quellen gewirkt wird, aus welchen mehrere Handlungen entspringen, theils weil die Möglichkeit der Wirkung selbst meh- rere Veranstaltungen erfordert. So verschieden indess hier gleich- sam die Zweige der Wirksamkeit des Staats scheinen, so giebt es schwerlich eine Staatseinrichtung, welche nicht zu mehreren zu- gleich gehörte, da z.B. Sicherheit und Wohlstand so sehr von einander abhängen, und was auch nur einzelne Handlungen be- stimmt, wenn es durch öftere Wiederkehr Gewohnheit hervor- bringt, auf den Charakter wirkt. Es ist daher sehr schwierig, hier eine, dem Gange der Untersuchung angemessene Eintheilung des Ganzen zu finden. Am besten wird es indess sein, zuvörderst zu prüfen, ob der Staat auch den positiven Wohlstand der Nation oder bloss ihre Sicherheit abzwecken soll, bei allen Einrichtungen nur auf das zu sehen, was sie hauptsächlich zum Gegen-, stände, oder zur Folge haben, und bei jedem beider Zwecke zu- gleich die Mittel zu prüfen, deren der Staat sich bedienen darf. Ich rede daher hier von dem ganzen Bemühen des Staats, den positiven Wohlstand der Nation zu erhöhen, von aller Sorg- falt für die Bevölkerung des Landes, den Unterhalt der Einwoh- ner, theils geradezu durch Annenanstalten, theils mittelbar durch Beförderung des Ackerbaues, der Industrie und des Handels, von allen Finanz- und Münzoperationen, Ein- und Ausfuhr- Verboten ii. s. f. (in so fern sie diesen Zweck haben), endlich allen Ver- anstaltungen zur Verhütung oder Herstellung von Beschädigungen durch die Natur, kurz von jeder Einrichtung des Staats, welche das physische Wohl der Nation zu erhalten, oder zu befördern die Absicht hat. Denn da das Moralische nicht leicht um seiner selbst willen, sondern mehr zum Behuf der Sicherheit befördert wird, so komme ich zu diesem erst in der Folge.
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Alle diese Einrichtungen nun, behaupte ich, haben nachthei- lige Folgen, und sind einer wahren, von den höchsten, aber im- mer menschlichen Gesichtspunkten ausgehenden Politik unange- messen.
1. Der Geist der Regierung herrscht in einer jeden solchen Einrichtung, und wie weise und heilsam auch dieser Geist sei, so bringt er Einförmigkeit und eine fremde Handlungsweise in der Nation hervor. Statt dass die Menschen in Gesellschalt traten, um ihre Kräfte zu schärfen, sollten sie auch dadurch an ausschliessendem Besitz und Genuss verlieren ; so erlangen sie Güter auf Kosten ihrer Kräfte. Gerade die aus der Vereini- gung Mehrerer entstehende Mannigfaltigkeit ist das höchste Gut, welches die Gesellschaft giebt, und diese Mannigfaltigkeit geht gewiss immer in dem Grade der Einmischung des Staats verlo- ren. Es sind nicht mehr eigentlich die Mitglieder einer Nation, die mit sich in Gemeinschaft leben , sondern einzelne Untertha- nen, welche mit dem Staat, d. h. dem Geiste, welcher in seiner Regierung herrscht, in Verhältniss kommen, und zwar in ein Ver- hältniss, in welchem schon die überlegene Macht des Staats das freie Spiel der Kräfte hemmt. Gleichförmige Ursachen haben gleichförmige Wirkungen. Je mehr also der Staat mitwirkt, desto ähnlicher ist nicht bloss alles Wirkende, sondern auch alles Ge- wirkte. Auch ist dies gerade die Absicht der Staaten. Sie Mol- len Wohlstand und Ruhe. Beide aber erhält man immer in eben dem Grade leicht, in welchem das Einzelne weniger mit einander streitet. Allein was der Mensch beabsichtet und beabsichten muss, ist ganz etwas anders, es ist Mannigfaltigkeit und Thätigkeit. Nur dies giebt vielseitige und kraftvolle Charaktere, und gewiss ist noch kein Mensch tief genug gesunken, um für sich selbst Wohl- stand und Glück der Grösse vorzuziehen. Wer aber für andre so raisonniret, den hat man, und nicht mit Unrecht, in Verdacht, dass er die Menschheit raisskennt, und aus Menschen Maschinen machen will.
2. Das wäre also die zweite schädliche Folge, dass diese Einrichtungen des Staats die Kraft der Nation schwächen. So wie durch die Form, welche aus der selbstthätigen Materie her- vorgeht, die Materie selbst mehr Fülle und Schönheit erhält — denn was ist sie anders, als die Verbindung dessen, was erst Ml. 2
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stritt'? eine Verbindung, zu welcher allemal die Auffindung neuer Vereini^unsspunkte, folglich gleichsam eine Menge neuer Ent- deckungen nothweudig ist, die immer in Verhältniss mit der grös- seren, vorherigen Verschiedenheit steigt — ehen so wird die Materie vernichtet durch diejenige, die man ihr von aussen giebt. Denn das Nichts unterdrückt da das Etwas. Alles im Menschen ist Organisation. Was in ihm gedeihen soll, muss in ihm gesäet werden. Alle Kraft setzt Enthusiasmus voraus, und nur wenige Dinge nähren diesen so sehr, als den Gegenstand desselbeu als ein gegenwärtiges, oder künftiges Eigenthum anzusehen. Nun aber hält der Mensch das nie so sehr für sein, was er besitzt, als was er thut, und der Arbeiter, welcher einen Garten bestellt, ist vielleicht in einem Mahreren Sinne Eigenthümer, als der müssige Schwelger, der ihn geniesst. Vielleicht scheint dies zu allgemeine Raisonnement keine Anwendung auf die Wirklichkeit zu verstatten. Vielleicht scheint es sogar, als diente vielmehr die Erweiterung vieler Wissenschaften, welche wir diesen und ähnli- chen Einrichtungen des Staats, welcher allein Versuche im Grossen anzustellen vermag, vorzüglich danken, zur Erhöhung der intel- lectuellen Kräfte und dadurch der Kultur und des Charakters überhaupt. Allein nicht jede Bereicherung durch Kenntnisse ist immittelbar auch eine Veredlung, selbst nur der intellectuelleu Kraft, und wenn eine solche wirklich dadurch veranlasst wird, so ist dies nicht sowohl bei der ganzen Nation, als nur vorzüglich bei dem Theile, welcher mit zur Regierung gehört. Ueberhaupt wird der Verstand des Menschen doch, wie jede andere seiner Kräfte, nur durch eigne Thätigkeit, eigne Erfiudsamkeit, oder eigne Benutzung fremder Erfindungen gebildet. Anordnungen des Staats aber führen immer, mehr oder minder, Zwang mit sich, und seihst, wenn dies der Fall nicht ist, so gewöhnen sie den Menschen zu sehr, mehr fremde Belehrung, fremde Leitung, fremde Hülle zu erwarten, als selbst auf Auswege zu denken. Die einzige Art beinah, auf welche der Staat die Bürger beleh- ren kann, besteht darin, dass er das, was er für das Beste er- klärt, gleichsam das Resultat seiner Untersuchungen, aufstellt, und entweder direkt durch ein Gesetz, oder indirekt durch irgend eine, die Bürger bindende Einrichtung anbefiehlt, oder durch sein ansehn und ausgesetzte Belohnungen, oder andre Ermunterungs- mitiel dazu anreizt, oder endlich es bloss durch Gründe empfiehlt;
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aber welche Methode er von allen diesen befolgen mag, so ent- fernt er sicli immer sehr weit von dem besten Wege des Leinens. Denn dieser bestellt unstreitig darin, »leichsam alle mögliche Auf- lösungen des Problems vorzulegen, um den Menschen nur vorzu- bereiten, die schicklichste selbst zu wählen, oder noch besser, diese Auflösung selbst nur aus der gehörigen Darstellung aller Hindernisse zu erfinden. Diese Lehrmethode kann der Staat bei erwachsenen Bürgern nur auf eine negative Weise, durch Freiheit, die zugleich Bindernisse entstehen lässt, und zu ihrer Hinwegräumung Starke und Geschicklichkeit giebt; auf eine po- sitive Weise aber nur bei den erst sich bildenden durch eine wirkliche Nationalerziehung befolgen. Eben so wird in der Folge der Einwurf weitläufiger geprüft werden, der hier leicht entste- hen kann, dass es nämlich bei Besorgung der Geschäfte, von welchen hier die Rede ist, mehr darauf ankomme, dass die Sache geschehe, als wie der, welcher sie verrichtet, darüber unterrichtet sei, mehr, dass der Acker wohl gebaut werde, als dass der Acker- bauer gerade der geschickteste Landwirth sei.
Noch mehr aber leidet durch eine zu ausgedehnte Sorgfalt des Staats die Energie des Handlens überhaupt, und der mora- lische Charakter. Dies bedarf kaum einer weiteren Ausführung. Wer oft und viel geleitet wird, kommt leicht dahin, den Ueber- rest seiner Selbsttätigkeit gleichsam freiwillig zu opfern. Er glaubt sich der Sorge überhoben, die er in fremden Händen sieht, und genug zu thun, wenn er ihre Leitung erwartet und ihr folgt. Damit verrücken sich seine Vorstellungen von Verdienst und Schuld. Die Idee des ersteren feuert ihn nicht an, das quälende Gefühl der letzteren ergreift ihn seltener und minder wirksam, da er die- selbe bei weitem leichter auf seine Lage, und auf den schiebt, der dieser die Form gab. Kommt nun noch dazu, dass er die Absichten des Staats nicht für völlig rein hält, dass er nicht sei- nen Vortheil allein, sondern wenigstens zugleich einen fremdarti- gen Nebenzweck beabsichtet glaubt, so leidet nicht allein die Kraft, sondern auch die Güte des moralischen Willens. Er glaubt sich nun nicht bloss von jeder Pflicht frei, welche der Staat nicht ausdrücklich auflegt, sondern sogar jeder Verbesserung seines eignen Zustandes überhoben, die er manchmal sogar, als eine neue Gelegenheit, welche der Staat benutzen möchte, fürchten
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kann. Und den Gesetzen des Staats selbst sucht er, soviel er vermag zu entgehen, und halt jedes Entwischen für Gewinn. Wenn man bedenkt, dass bei einem nicht kleinen Theil der Na- tion die Gesetze und Einrichtungen des Staats gleichsam den Umfanff der Moralität abzeichnen; so ist es ein niederschlagender Anblick, oft die heiligsten Pflichten und die willkührlichsten An- ordnungen von demselben Munde ausgesprochen, ihre Verletzung nicht selten mit gleicher Strafe belegt zu sehen. Nicht minder siebtbar ist jener nachtheilige Einiluss in dem Betragen der Bür- ger geçen einander. Wie jeder sich selbst auf die sorgende Hülfe des Staats verlässt, so und noch weit mehr übergiebt er ihr das Schicksal seines Mitbürgers. Dies aber schwächt die Theilnahme, und macht zu gegenseitiger Hülfsleistung träger. Wenigstens muss die gemeinschaftliche Hülfe da am thätigsten sein, wo das Gefühl am lebendigsten ist, dass auf ihm allein al- les beruhe, und die Erfahrung zeigt auch, dass gedrückte, gleich- sam von der Regierung verlassene Theile eines Volks immer doppelt fest unter einander verbunden sind. Wo aber der Bür- ger kälter ist gegen den Bürger, da ist es auch der Gatte gegen den Gatten, der Hausvater gegen die Familie.
Sich selbst in allem Thun und Treiben überlassen, von jeder fremden Hülfe entblüsst, die sie nicht selbst sich verschafften, würden die Menschen auch oft, mit und ohne ihre Schuld, in Verlegenheit und Unglück gerathen. Aber das Glück, zu wel- chem der Mensch bestimmt ist, ist auch kein andres, als welches seine Kraft ihm verschafft; und diese Lagen gerade sind es, welche den Verstand schärfen, und den Charakter bilden. Wo der Staat die Selbsttätigkeit durch zu specielles Einwirken ver- hindert, da — entstehen etwa solche Uebel nicht? Sie entstehen auch da, und überlassen den einmal auf fremde Kraft sich zu lehnen gewohnten Menschen nun einem weit trostloseren Schick- sal. Denn so wie Ringen und thätige Arbeit das Unglück er- leichtern, so und in zehnfach höherem Gi-ade erschwert es hoff- nungslose, vielleicht getäuschte Erwartung. Selbst den besten Fall angenommen, gleichen die Staaten, von denen ich hier rede, nur zu oft den Aerzten, welche die Krankheit nähren und den Tod entfernen. Ehe es Aerzte gab, kannte man nur Gesundheit oder Tod.
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3. Alles, womit sich der Mensch beschäftigt, wenn es gleich nur bestimmt ist, physische Bedürfnisse mittelbar oder unmittel- bar zu befriedigen, oder überhaupt äussere Zwecke zu erreichen, ist auf das genaueste mit innern Empfindungen verknüpft. Manch- mal ist auch, neben dem äusseren Endzweck, noch ein innerer, und manchmal ist sogar dieser der eigentlich beabsichtete, jener nur, nothwendig oder zufällig, damit verbunden. Je mehr Einheit der Mensch besitzt, desto freier entspringt das äussere Geschäft, das er wählt, aus seinem innern Sein; und desto häufiger und fester knüpft sich dieses an jenes da an, wo dasselbe nicht frei gewählt wurde. Daher ist der interessante Mensch in allen La- gen und allen Geschäften interessant; daher blüht er zu einer entzückenden Schönheit auf in einer Lebensweise, die mit seinem Charakter übereinstimmt.
So Hessen sich vielleicht aus allen Bauern und Handwerkern Künstler bilden, d.h. Menschen, die ihr Gewerbe um ihres Ge- werbes willen liebten, durch eigen gelenkte Kraft und eigne Er- findsamkeit verbesserten, und dadurch ihre intellectuelleu Kräfte kultivirten, ihren Charakter veredelten, ihre Genüsse erhöhten. So würde die Menschheit durch eben die Dinge geadelt, die jetzt, wie schön sie auch an sich sind, so oft dazu dienen, sie zu ent- ehren. Je mehr der Mensch in Ideen und Empfindungen zu le- ben gewohnt ist, je stärker und feiner seine intellectuelle und
moralische Kraft ist; desto mehr sucht er allein solche äussere
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Lagen zu wählen, welche zugleich dem innern Menschen mehr Stoff geben, oder denjenigen, in welche ihn das Schicksal wirft, wenigstens solche Seiten abzugewinnen. Der Gewinn, welchen der Mensch an Grösse und Schönheit einerntet, wenn er unauf- hörlich dahin strebt, dass sein inneres Dasein immer den ersten Platz behaupte, dass es immer der erste Quell, und das letzte Ziel alles Wirkens, und alles Körperliche und Aeussere nur Hülle und Werkzeug desselben sei, ist unabsehlich.
Wie sehr zeichnet sich nicht, um ein Beispiel zu wählen, in der Geschichte der Charakter aus, welchen der ungestörte Land- bau in einem Volke bildet. Die Arbeit, welche es dem Boden widmet, und die Ernte, womit derselbe es wieder belohnt, fesseln es süss an seinen Acker und seinen Heerd ; Theilnahme der se- genvollen Mühe und gemeinschaftlicher Genuss des Gewonnenen schlingen ein liebevolles Band um jede Familie, von dem selbst
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der mitarbeitende Stier nicht ganz ausgeschlossen wird. Die Frucht, die gesäet und geerntet werden muss, aber alljährlich wiederkehrt, und nur selten die Hoffnung täuscht, macht gedul- dig, vertrauend und sparsam; das unmittelbare Empfangen aus der Hand der Natur, das immer sich aufdringende Gefühl: dass, wenn gleich die Hand des Menschen den Saamen ausstreuen muss, doch nicht sie es ist, von welcher Wachsthura und Gedei- hen kommt; die ewige Abhängigkeit von günstiger und ungünsti- ger Witterung, üösst den Gemüthern bald schauderhafte, bald frohe Ahndungen höherer Wesen, wechselweis Furcht und Hoff- nung ein, und führt zu Gebet und Dank; das lebendige Bild der einfachsten Erhabenheit, der ungestörtesten Ordnung, und der mildesten Güte bildet die Seelen einfach gross, sanft, und der Sitte und dem Gesetz froh unterworfen. Immer gewohnt hervor- zubringen, nie zu zerstören, ist der Ackerbauer friedlich, und von Beleidigung und Rache fern, aber erfüllt von dem Gefühl der Ungerechtigkeit eines ungereizten Angriffs und gegen jeden Störer seines Friedens mit unerschrockenem Muth beseelt.
Allein freilich ist Freiheit die nothwendige Bedingung, ohne welche selbst das seelenvollste Geschäft keine heilsamen Wirkun- gen dieser Art hervor zu bringen vermag. Was nicht von dem Menschen selbst gewählt., worin er auch nur eingeschränkt und geleitet wird, das geht nicht in sein Wesen über, das bleibt ihm ewig fremd, das verrichtet er nicht eigentlich mit menschlicher Kraft, sondern mit mechanischer Fertigkeit. Die Alten, vorzüg- lich die Griechen, hielten jede Beschäftigung, welche zunächst die körperliche Kraft angeht, oder Erwerbung äusserer Güter, nicht innere Bildung, zur Absicht hat, für schädlich und entehrend. Hire menschenfreundlichsten Philosophen billigten daher die Skla- verei, gleichsam um durch ein ungerechtes und barbarisches Mittel einein Tlieile der Menschheit durch Aufopferung eines andern die höchste Kraft und Schönheit zu sichern. Allein den Irrthum, welcher diesem ganzen Raisonnement zum Grunde liegt, zeigen Vernunft und Erfahrung leicht. Jede Beschäftigung vermag den Menschen zu adeln , ihm eine bestimmte, seiner würdige Gestalt zu geben. Nur auf die Art, wie sie betrieben wird, kommt es an; und hier lässt sich wohl als allgemeine Regel annehmen, dass sie heilsame Wirkungen äussert, so lange sie selbst, und die darauf verwandte Energie vorzüglich die Seele füllt, minder wohl-
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thätige, oft naclitheilige hingegen, wenn man mehr auf das Re- sultat sieht, zu dem sie führt, und sie selbst nur als Mittel be- trachtet. Denu alles, was in sich selbst reizend ist, erweckt Achtung und Liebe, was nur als Mittel Nutzen verspricht, bloss Interesse; und nun wird der Mensch durch Achtung und Liebe eben so sehr geadelt, als er durch Interesse in Gefahr ist, ent- ehrt zu werden. Wenn nun der Staat eine solche positive Sorg- falt übt, als die, von der ich hier rede, so kann er seinen Ge- sichtspunkt nur auf die Resultate richten, und nun die Regeln feststellen, deren Befolgung der Vervollkommnung dieser am zuträg- lichsten ist.
Dieser beschränkte Gesichtspunkt richtet nirgends grösseren Schaden an, als wo der wahre Zweck des Menschen völlig mora- lisch, oder intellectuell ist, oder doch die Sache selbst, nicht ihre Folgen beabsichtet, und diese Folgen nur nothwendig oder zufäl- lig damit zusammenhängen. So ist es bei wissenschaftlichen Un- tersuchungen, und religiösen Meinungen, so mit allen Verbindun- gen der Menschen unter einander, und mit der natürlichsten, die für den einzelnen Menschen, wie für den Staat, die wichtigste ist, mit der Ehe.
Eine Verbindung von Personen beiderlei Geschlechts, welche sich gerade auf die Geschlechtsverschiedenheit gründet, wie wel- leicht die Ehe am richtigsten definirt werden könnte, lässt sich auf eben so mannigfaltige Weise denken, als mannigfaltige Ge- stalten die Ansicht jener Verschiedenheit, und die, aus derselben entspringenden Neigungen des Herzens und Zwecke der Vernunft anzunehmen vermögen; und bei jedem Menschen wird sein gan- zer moralischer Charakter, vorzüglich die Stärke, und die Art seiner Empfindungskraft darin sichtbar sein. Ob der Mensch mehr äussere Zwecke verfolgt, oder lieber sein innres Wesen be- schäftigt? ob sein Verstand thätiger ist oder sein Gefühl? ob er lebhaft umfasst und schnell verlässt; oder langsam eindringt und treu bewahrt? ob er losere Bande knüpft, oder sich enger an- schliesst? ob er bei der innigsten Verbindung mehr oder minder Selbstständigkeit behält? und eine unendliche Menge andrer Be- stimmungen modiiiziren anders und anders sein Verhältniss im ehelichen Leben. Wie dasselbe aber auch immer bestimmt sein mag; so ist die Wirkung davon auf sein Wesen und seine Glück- seligkeit unverkennbar, und ob der Versuch die Wirklichkeit nach
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seiner innern Stimmung zu finden oder zu bilden, glücke oder rnisslinge? davon hängt grösstenteils die höhere Vervollkomm- nung, oder die Erschlaffung seines Wesens ab. Vorzüglich stark ist dieser Einfluss bei den interessantesten Menschen, welche am zartesten und leichtesten auffassen, und am tiefsten bewahren. Zu diesen kann man mit Recht im Ganzen mehr das weibliche, als das männliche Geschlecht rechnen, und daher hängt der Cha- rakter des ersteren am meisten von der Art der Familienverhält- nisse in einer Nation ab. Von sehr vielen äusseren Beschäfti- gungen gänzlich frei; fast nur mit solchen umgeben, welche das innere Wesen beinah ungestört sich selbst überlassen; stärker durch das, was sie zu sein, als was sie zu thun vermögen; aus- drucksvoller durch die stille, als die geäusserte Emplindung; mit aller Fähigkeit des unmittelbarsten, zeichenlosesten Ausdrucks, bei dem zarteren Körperbau, dem beweglicheren Auge, der mehr er- greifenden Stimme, reicher versehen; im Verhältniss gegen andre mehr bestimmt, zu erwarten und aufzunehmen, als entgegen zu kommen; schwächer für sich, und doch nicht darum, sondern aus Bewunderung der fremden Grösse und Stärke inniger anschlies- send ; in der Verbindung unaufhörlich strebend, mit dem vereinten Wesen zu empfangen, das Empfangene in sich zu bilden, und gebildet zurück zu geben ; zugleich höher von dem Muthe beseelt, welchen Sorgfalt der Liebe, und Gefühl der Stärke einflösst, die nicht dem Widerstände aber dem Erliegen im Dulden trotzt — sind die Weiber eigentlich dem Ideale der Menschheit näher, als der Mann; und wenn es nicht unwahr ist, dass sie es selt- ner erreichen, als er, so ist es vielleicht nur, weil es überall schwerer ist, den unmittelbaren steilen Pfad, als den Umweg zu gehen. Wie sehr aber nun ein Wesen, das so reizbar, so in sich Eins ist, bei dem folglich nichts ohne Wirkung bleibt, und jede Wirkung nicht einen Theil sondern das Ganze ergreift, durch äussre Missverhältnisse gestört wird, bedarf nicht ferner erinnert zu werden. Dennoch hängt von der Ausbildung des weiblichen Charakters in der Gesellschaft so unendlich viel ab. Wenn es keine unrichtige Vorstellung ist, dass jede Gattung der Trefflich- keit sich — wenn ich so sagen darf — in einer Art der Wesen darstellt; so bewahrt der weibliche Charakter den ganzen Schatz der Sittlichkeit.
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Nach Freiheit strebt der Mann, das Weib nach Sitte, und wenn, nach diesem tief und wahr empfundenen Ausspruch des Dichters, der 3Iann sich bemüht, die äusseren Schranken zu entfernen, welche dem Wachs thurn hinderlich sind, so zieht die sorgsame Hand der Frauen die wohlthätige innere, in wel- cher allein die Fülle der Kraft sich zur Blüthe zu läutern \er- mag, und zieht sie um so feiner, als die Frauen das innre Dasein des Menschen tiefer empfinden, seine mannigfaltigen Verhältnisse feiner durchschauen, als ihnen jeder Sinn am willigsten zu Ge- bote steht, und sie des Yernünftelns überhebt, das so oft die Wahrheit \ erdunkelt.
Sollte es noch nothwendig scheinen, so würde auch die Ge- schichte diesem Raisonnement Bestätigung leihen, und die Sitt- lichkeit der Nationen mit der Achtung des weiblichen Geschlechts überall in enger Verbindung zeigen. Es erhellt demnach aus dem Vorigen, dass die "Wirkungen der Ehe eben so mannigfaltig sind, als der Charakter der Individuen; und dass es also die nachthei- ligsten Folgen haben muss, wenn der Staat eine, mit der jedes- maligen Beschaffenheit der Individuen so eng verschwisterte Ver- bindung, durch Gesetze zu bestimmen, oder durch seine Einrich- tungen, von andern Dingen, als von der blossen Neigung, abhängig zu machen versucht. Dies muss um so mehr der Fall sein, als er bei diesen Bestimmungen beinah nur auf die Folgen, auf Be- völkerung, Erziehung der Kinder u. s. f. sehen kann. Zwar lässt sich gewiss darthun, dass eben diese Dinge auf dieselben Re- sultate mit der höchsten Sorgfalt für das schönste innere Da- sein führen. Denn bei sorgfältig angestellten Versuchen, hat man die ungetrennte, dauernde Verbindung Eines Mannes mit Einer Frau der Bevölkerung am zuträglichsten gefunden, und unläugbar entspringt gleichfalls keine andre aus der wahren, natürlichen, unverstimmten Liebe. Eben so wenig führt diese ferner auf andre, als eben die Verhältnisse, welche die Sitte und das Gesetz bei uns mit sich bringen; Kindererzeugung, eigne Erziehung, Gemein- schaft des Lebens, zum Theil der Güter, Anordnung der äussern Geschäfte durch den Mann, Verwaltung des Hauswesens durch die Frau. Allein, der Fehler scheint mir darin zu liegen, dass das Gesetz befiehlt, da doch ein solches Verhältniss nur aus Neigung, nicht aus äussern Anordnungen entstehn kann, und wo Zwang oder Leitung der Neigung widersprechen, diese noch
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weniger zum rechten Wege zurückkehrt. Daher, dünkt mich, sollte der Staat nicht nur die Bande freier und weiter machen, sondern — wenn es mir erlaubt ist, liier, wo ich nicht von der Ehe überhaupt, sondern eiuem einzelnen, bei ihr sehr in die Au- gen fallenden Nachtheil einschränkender Staatseinrichtungen rede, allein nach den im Vorigen gewagten Behauptungen zu entschei- den — überhaupt von der Ehe seine ganze Wirksamkeit entfer- nen, und dieselbe vielmehr der freien AYillkühr der Individuen, und der von ihnen errichteten mannigfaltigen Vertrage, sowohl überhaupt, als in ihren Modifikationen, gänzlich überlassen. Die Besorgniss, dadurch alle Familienverhältnisse zu stören, oder viel- leicht gar ihre Entstehung überhaupt zu verhindern — so ge- gründet dieselbe auch, bei diesen oder jenen Lokalumständen, sein möchte — würde mich, in so fern ich allein auf die Natur der Menschen und Staaten im Allgemeinen achte, nicht abschrek- ken. Denn nicht selten zeigt die Erfahrung, dass gerade, was das Gesetz löst, die Sitte bindet; die Idee des äussern Zwangs ist einem, allein auf Neigung und innrer Pflicht beruhenden Ver- hältniss, wie die Ehe, völlig fremdartig; und die Folgen zwin- gender Einrichtungen entspi-echen der Absicht schlechterdings nicht*).
in dem moralischen und überhaupt praktischen Leben des Menschen, sofern er nur auch hier gleichsam die Regeln beobachtet — die sich aber vielleicht allein auf die Grund- sätze des Rechts beschränken — überall den höchsten Ge-
*) Hier endigt das im Jahrg. 1 79*2 der „Thalia" abgedruckte Frag- ment. Der weitere Inhalt des verloren gegangenen Stückes der Handschrift ergiebt sich aus der Inhaltsanzeige:
(4.) „Die Sorgfalt des Staats für das positive Wohl muss auf eine gemischte Menge gerichtet werden und schadet daher den Einzelnen durch Maassregeln, welche auf ei- nen jeden von ihnen, nur mit beträchtlichen Fehlern passen." I.").) „Die Sorgfalt des Staats für das positive Wohl der Bür- ger hindert die Entwikkelung der Individualität und Eigeuthümlichkeit des Menschen." Der zunächst folgende Text der Handschrift gehört zu diesem 5. Tlieil.
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sichtspunkt der eigenthümlichsten Ausbildung seiner selbst und anderer vor Augen hat, überall von dieser reinen Ab- sicht geleitet wird, und vorzüglich jedes andre Interesse diesem, ohne alle Beimischung sinnlicher Beweggründe er- kannten Geseze unterwirft. Allein alle Seiten, welche der Mensch zu kultiviren vermag, stehen in einer wunderbar engen Verknüpfung, und wenn schon in der intellektuellen Welt der Zusammenhang, wenn nicht inniger, doch wenig- stens deutlicher und bemerkbarer ist, als in der physischen; so ist er es noch bei weitem mehr in der moralischen. Daher müssen sich die Menschen unter einander verbinden, nicht um an Eigenthümlichkeit, aber an ausschliessendem Isolirtsein zu verlieren; die Verbindung muss nicht ein We- sen in das andre verwandeln, aber gleichsam Zugänge von einem zum andern eröfnen; was jeder für sich besizt, muss er mit dem, von andren Empfangenen vergleichen, und da- nach modificiren, nicht aber dadurch unterdrükken lassen. Denn wie in dem Reiche des Intellektuellen nie das Wahre, so streitet in dem Gebiete der Moralität nie das des Men- schen wahrhaft Würdige mit einander; und enge und man- nigfaltige Verbindungen eigenthümlicher Charaktere mit ein- ander sind daher eben so nothwendig, um zu vernichten, was nicht neben einander bestehen kann, und daher auch für sich nicht zu Grösse und Schönheit führt, als das, des- sen Dasein gegenseitig ungestört bleibt, zu erhalten, zu näh- ren, und zu neuen, noch schöneren Geburten zu befruchten. Daher scheint ununterbrochenes Streben, die innerste Eigen- thümlichkeit des andern zu fassen, sie zu benuzen, und, von der innigsten Achtung für sie, als die Eigenthümlichkeit eines freien Wesens, durchdrungen, auf sie zu wirken — ein Wirken, bei welchem jene Achtung nicht leicht ein an- dres Mittel erlauben wird, als sich selbst zu zeigen und gleichsam vor den Augen des andern mit ihm zu verglei-
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chen — der höchste Grunclsaz der Kunst des Umganges, welche vielleicht unter allen am meisten bisher noch ver- nachlässigt worden ist. Wenn aber auch diese Vernachläs- sigung leicht eine Art der Entschuldigung davon borgen kann, dass der Umgang eine Erholung, nicht eine mühevolle Arbeit sein soll, und dass leider sehr vielen Menschen kaum irgend eine interessante eigenthümliche Seite abzugewinnen ist; so sollte doch jeder zu viel Achtung für sein eignes Selbst besizen, um eine andre Erholung, als den Wechsel interessanter Beschäftigung, und noch dazu eine solche zu suchen, welche gerade seine edelsten Kräfte unthätig lässt, und zu viel Ehrfurcht für die Menschheit, um auch nur Eins ihrer Mitglieder für völlig unfähig zu erklären, benuzt, oder dutch Einwirkung" anders modiüzirt zu werden. Wenigstens aber darf derjenige diesen Gesichtspunkt nicht übersehen, welcher sich Behandlung der Menschen und Wirken auf sie zu einem eigentlichen Geschäft macht, und insofern folglich der Staat, bei positiver Sorgfalt auch nur für das, mit dem innern Dasein immer eng verknüpfte äussre und physische Wohl, nicht umhin kann, der Entwikklung der Individualität hinderlich zu werden, so ist dies ein neuer Grund eine solche Sorgfalt nie, ausser dem Fall einer absoluten Notwendig- keit, zu verstatten.
Dies möchten etwa die vorzüglichsten nachtheiligen Fol- gen sein, welche aus einer positiven Sorgfalt des Staats für den Wohlstand der Bürger entspringen, und die zwar mit gewissen Arten der Ausübung derselben vorzüglich verbun- den, aber überhaupt doch von ihr meines Frachtern nicht zu trennen sind. Ich wollte jezt nur von der Sorgfalt für das physische Wohl reden, und gewiss bin ich auch überall von diesem Gesichtspunkte ausgegangen, und habe alles genau abgesondert, was sich nur auf das moralische allein bezieht. Allein ich erinnerte gleich anfangs, dass der Gegen-
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stand selbst keine genaue Trennung erlaubt, und dies möge also zur Entschuldigung dienen, wenn sehr Vieles des im Vorigen entwickelten Raisonnements von der ganzen posi- tiven Sorgfalt überhaupt gilt. Ich habe indess bis jezt an- genommen, dass die Einrichtungen des Staats, von welchen ich hier rede, schon wirklich getroffen wären, und ich muss daher noch von einigen Hindernissen reden, welche sich eigentlich bei der Anordnung selbst zeigen.
6. Nichts wäre gewiss bei dieser so nothwendig, als die Vortheile, die man beabsichtet, gegen die Nachtheile, und vorzüglich gegen die Einschränkungen der Freiheit, wrelche immer damit verbunden sind, abzuwägen. Allein eine solche Abwägung lässt sich nur sehr schwer und ge- nau, und vollständig vielleicht schlechterdings nicht zu Stande bringen. Denn jede einschränkende Einrichtung koüidirt mit der freien und natürlichen Aeusserung der Kräfte, bringt bis ins Unendliche gehend neue Verhältnisse hervor, und so lässt sich die Menge der folgenden, welche sie nach sich zieht (selbst den gleichmässigsten Gang der Begebenheiten ange- nommen, und alle irgend wichtige unvermuthete Zufälle, die doch nie fehlen, abgerechnet) nicht voraussehen. Jeder, der sich mit der höheren Staatsverwaltung zu beschäftigen Gelegenheit hat, fühlt gewiss aus Erfahrung, wie wenig Maassregeln eigentlich eine unmittelbare, absolute, wie viele hingegen eine bloss relative, mittelbare, von andern vorher- gegangenen abhängende Notwendigkeit haben. Dadurch wird daher eine bei weitem grössere Menge von Mitteln nothwendig, und eben diese Mittel werden der Erreichung des eigentlichen Zweks entzogen. Nicht allein dass ein solcher Staat grösserer Einkünfte bedarf, sondern er erfor- dert auch künstlichere Anstalten zur Erhaltung der eigent- lichen politischen Sicherheit, die Theile hängen weniger von selbst fest zusammen, die Sorgfalt des Staats muss bei
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weitem Ihätiger sein. Daraus entspringt nun eine gleich schwierige, und leider nur zu oft vernachlässigte Berech- nung, ob die natürlichen Kräfte des Staats zu Herbeischaf- fung aller hothwendig erforderlichen Mittel hinreichend sind? und fällt diese Berechnung unrichtig aus, ist ein wahres Misverhältniss vorhanden, so müssen neue künstliche Ver- anstaltungen die Kräfte überspannen, ein Uebel, an welchem nur zu viele neuere Staaten, wenn gleich nicht allein aus dieser Ursache, kranken.
Vorzüglich ist hiebei ein Schade nicht zu übersehen, weil er den Menschen und seine Bildung so nahe betritt, nemlich dass die eigentliche Verwaltung der Staatsgeschäfte dadurch eine Verflechtung erhält, welche, um nicht Ver- wirrung zu werden, eine unglaubliche Menge detaillirter Einrichtungen bedarf und ebensoviele Personen beschäf- tigt. Von diesen haben indess doch die meisten nur mit Zeichen und Formeln der Dinge zu thun. Dadurch wer- den nun nicht bloss viele, vielleicht tiefliche Köpfe dem Denken, viele, sonst nüzlicher beschäftigte Hände der re- ellen Arbeit entzogen; sondern ihre Geisteskräfte selbst lei- den durch diese zum Theil leere, zum Theil zu einseitige Beschäftigung. Es entsteht nun ein neuer und gewöhnlicher Erwerb, Besorgung von Staatsgeschäften, und dieser macht die Diener des Staats so viel mehr von dem regierenden Theile des Staats, der sie besoldet, als eigentlich von der Nation abhängig. Welche ferneren Nachtheile aber noch hieraus erwachsen, welches Warten auf die Hülfe des .Staats, welcher Mangel der Selbstständigkeit, welche falsche Eitel- keit, welche Unthäligkeit sogar und Dürftigkeit, beweist die Erfahrung am unwidersprechlichsten. Dasselbe Uebel, aus welchem dieser Nachtheil entspringt, wird wieder von dem- selben wechselsweis hervorgebracht. Die, welche einmal die Staatsgeschälie auf diese Weise verwalten, sehen immer
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mehr und mehr von der Sache hinweg und nur auf die Form hin, bringen immerfort bei dieser, vielleicht wahre, aber nur, mil nicht hinreichender Hinsicht auf die Sache selbst, und daher oft zum Nachlheil dieser ausschlagende Verbesserungen an, und so entstehen neue Formen, neue Weitläufigkeiten, oft neue einschränkende Anordnungen, aus welchen wiederum sehr natürlich eine neue Vermehrung der Geschäftsmänner erwächst. Daher nimmt in den mei- sten Staaten von Jahrzehend zu Jahrzehend das Personale der Staatsdiener, und der Umfang der Registraturen zu, und die Freiheit der Unterthanen ab. Bei einer solchen Ver- waltung kommt freilich alles auf die genaueste Aufsicht, auf die pünktlichste und ehrlichste Besorgung an, da der Gele- genheiten, in beiden zu fehlen, so viel mehr sind. Daher sucht man insofern nicht mit Unrecht, alles durch so viel Hände als möglich gehen zu lassen, und selbst die Möglich- keit von Irrthümern oder Unlerschleifen zu entfernen. Da- durch aber werden die Geschäfte beinah völlig mechanisch, und die Menschen Maschinen; und die wahre Geschiklich- keit und Redlichkeit nehmen immer mit dem Zutrauen zu- gleich ab. Endlich werden, da die Beschäftigungen, von denen ich hier rede, eine grosse Wichtigkeit erhalten, und um konsequent zu sein, allerdings erhalten müssen, dadurch überhaupt die Gesichtspunkte des Wichtigen und Unwich- tigen, Ehrenvollen und Verächtlichen, des letzteren und der untergeordneten Endzwecke verrükt. Und da die Not- wendigkeit von Beschäftigungen dieser Art auch wiederum durch manche, leicht in die Augen fallende heilsame Folgen für ihre Nachtheile entschädigt; so halle ich mich hieb ei nicht länger auf, und gehe nunmehr zu der Iezten Betrach- tung, zu welcher alles bisher Entwikkelte, gleichsam als eine Vorbereitung, nothwendig war, zu der Verrükkung der Ge-
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Sichtspunkte überhaupt über, welche eine positive Sorgfalt des Staats veranlasst.
7. Die Menschen — um diesen Theil der Untersuchung mit einer allgemeinen, aus den höchsten Rücksichten ge- schöpften Betrachtung zu schliessen — werden um der Sa- chen, die Kräfte um der Resultate willen vernachlässigt. Ein Staat gleicht nach diesem System mehr einer aufge- häuften Menge von leblosen und lebendigen Werkzeugen der Wirksamkeit und des Genusses, als einer Menge thäti- ger und geniessender Kräfte. Bei der Vernachlässigung der Selbslthätigkeit der handelnden Wesen scheint nur auf Glük- Seligkeit und Gennss gearbeitet zu sein. Allein, wenn, da über Glükseligkeit und Genuss nur die Empfindung des Geniessenden richtig urtheilt, die Berechnung auch richtig wäre; so wäre sie dennoch immer weit von der Würde der Menschheit entfernt. Denn woher käme es sonst, dass eben dies nur Ruhe abzwekkende System auf den mensch- lich höchsten Genuss, gleichsam aus Besorgniss vor seinem Ge°enlheil, willig Verzicht thut? Der Mensch çeniesst am meisten in den Momenten, in welchen er sich in dem höch- sten Grade seiner Kraft und seiner Einheit fühlt. Freilich ist er auch dann dem höchsten Elend am nächsten. Denn auf den Moment der Spannung vermag nur eine gleiche Spannung zu folgen, und die Richtung, zum Genuss oder zum Entbehren, liegt in der Hand des unbesiegten Schik- sals. Allein wenn das Gefühl des Höchsten im Menschen nur Glück zu heissen verdient, so gewinnt auch Schmerz und Leiden eine veränderte Gestalt. Der Mensch in seinem Innern wird der Siz des Glücks und des Unglücks, und er wechselt ja nicht mit der wallenden Fluth, die ihn trägt. Jenes System führt, meiner Empfindung nach, auf ein frucht- loses Streben, dem Schmerz zu entrinnen. Wer sich wahr- haft auf Genuss versteht, erduldet den Schmerz, der doch
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den Flüchtigen ereilt, und freuet sich unaufhörlich am ru- higen Gange des Schiksals; und der Anblik der Grösse fesselt ihn süss, es mag entstehen, oder vernichtet werden. So kommt er — doch freilich nur der Schwärmer in an- dern, als seltnen Momenten — selbst zu der Empfindung, dass sogar der Moment des Gefühls der eignen Zerstörung ein Moment des Entzükkens ist.
Vielleicht werde ich beschuldigt, die hier aufgezählten Nachtheile übertrieben zu haben; allein ich musste die volle Wirkung des Einmischens des Staats — von dem hier die Rede ist — schildern, und es versteht sich von selbst, dass jene Nachtheile, nach dem Grade und nach der Art dieses Einmischens selbst, sehr verschieden sind. Ueberhaupt sei mir die Bitte erlaubt, bei allem, was diese Blätter Allge- meines enthalten, von Vergleichungen mit der Wirklichkeit gänzlich zu abstrahiren. In dieser findet man selten einen Fall voll und rein, und selbst dann sieht man nicht abge- schnitten und für sich die einzelnen Wirkungen einzelner Dinge. Dann darf man auch nicht vergessen, dass, wenn einmal schädliche Einflüsse vorhanden sind, das Verderben mit sehr beschleunigten Schritten weiter eilt. Wie grössere Kraft, mit grösserer vereint, doppelt grössere hervorbringt, so artet auch geringere mit geringerer in doppelt geringere aus. Welcher Gedanke selbst wagt es nun, die Schnellig- keit dieser Fortschritte zu begleiten? Indess auch sogar zugegeben, die Nachtheile wären minder gross; so, glaube ich, bestätigt sich die vorgetragene Theorie doch noch bei weitem mehr durch den warlich namenlosen Seegen, der aus ihrer Befolgung — wenn diese, wie freilich manches zweifeln lässt, je ganz möglich wäre — entstehen müsste. Denn die immer thätige, nie ruhende, den Dingen inwoh- nende Kraft kämpft gegen jede, ihr schädliche Einrichtung, und befördert jede, ihr heilsame; so dass es im höchsten vu. 3
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Verstände wahr ist, dass auch der angestrengteste Eifer nie so viel Böses zu wirken vermag, als immer und überall von selbst Gutes hervorgeht.
Ich könnte hier ein erfreuliches Gegenbild eines Volkes aufstellen, das in der höchsten und ungebundensten Freiheit, und in der grossesten Mannigfaltigkeit seiner eignen .und der übrigen Verhältnisse um sich her existirte; ich könnte zei- gen, wie hier, noch in eben dem Grade schönere, höhere und wunderbarere Gestalten der Mannigfaltigkeit und der Originalität erscheinen müssten, als in dem, schon so un- nennbar reizenden Alterthum, in welchem die Eigentüm- lichkeit eines minder kultivirten Volks allemal roher und gröber ist, in welchem mit der Feinheit auch allemal die Stärke, und selbst der Reichthum des Charakters wächst, und in welchem, bei der fast gränzenlosen Verbindung al- ler Nationen und Welttheile mit einander, schon die Ele- mente gleichsam zahlreicher sind; zeigen, welche Stärke hervorblühen müsste, wenn jedes Wesen sich aus sich selbst organisirte, wenn es, ewig von den schönsten Gestalten um- geben, mit uneingeschränkter und ewig durch die Freiheit ermunterter Selbsttätigkeit diese Gestalten in sich verwan- delte; wie zart und fein das innere Dasein des Menschen sich ausbilden, wie es die angelegentlichere Beschäftigung desselben werden, wie alles Physische und Aeussere in das Innere moralische und intellektuelle übergehen, und das Band, welches beide Naturen im Menschen verknüpft, an Dauer gewinnen würde, wenn nichts mehr die freie Rück- wirkung aller menschlichen Beschäftigungen auf den Geist und den Charakter störte; wie keiner dem andern gleichsam aufgeopfert würde, wie jeder seine ganze, ihm zugemessene Kraft für sich behielte, und ihn eben darum eine noch schö- nere Bereitwilligkeit begeisterte, ihr eine, für andre wohl- thätige Richtung zu geben; wie, wenn jeder in seiner Eigen-
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thümlichkeit fortschritte , mannigfaltigere und feinere Nuan- cen des schönen menschlichen Charakters entstehen, und Einseitigkeit um so seltener sein würde, als sie überhaupt immer nur eine Folge der Schwäche und Dürftigkeit ist, und als jeder, wenn nichts mehr den andern zwänge, sich ihm gleich zu machen, durch die immer fortdauernde Noth- wendigkeit der Verbindung mit andern, dringender veran- lasst werden würde, sich nach ihnen anders und anders selbst zu modificiren; wie in diesem Volke keine Kraft und keine Hand für die Erhöhung und den Genuss des Menschen- daseins verloren gienge; endlich zeigen, wie schon dadurch ebenso auch die Gesichtspunkte aller nur dahin gerichtet, und von jedem andern falschen, oder doch minder der Menschheit würdigen Endzwek abgewandt werden würden. Ich könnte dann damit schliessen, aufmerksam darauf zu machen, wie diese wohlthätige Folgen einer solchen Kon- stitution, unter einem Volke, welches es sei, ausgestreut, selbst dem freilich nie ganz tilgbaren Elende der Menschen, den Verheerungen der Natur, dem Verderben der feindseli- gen Neigungen, und den Ausschweifungen einer zu üppigen Genussesfülle, einen unendlich grossen Theil seiner Schrek- lichkeit nehmen würden. Allein ich begnüge mich, das Gegenbikl geschildert zu haben; es ist mir genug, Ideen hinzuwerfen, damit ein reiferes Lrtheil sie prüfe.
Wenn ich aus dem ganzen bisherigen Raisonnement das letzte Resultat zu ziehen versuche; so muss der erste Grundsaz dieses Theils der gegenwärtigen Untersuchung der sein:
der Staat enthalte sich aller Sorgfalt für den positiven Wohlstand der Bürger, und gehe keinen Schritt weiter, als zu ihrer Sicherstellung gegen sich selbst und gegen auswärtige Feinde nothwendig ist; zu keinem andern Endzwekke beschränke er ihre Freiheit.
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Ich müsste mich jezt zu den Mitteln wenden, durch welche eine solche Sorgfalt thätig geübt wird; allein, da ich sie selbst, meinen Grundsäzen gemäss, gänzlich misbillige, so kann ich hier von diesen Mitteln schweigen, und mich be- gnügen nur allgemein zu bemerken, dass die Mittel, wo- durch die Freiheit zum Behuf des Wohlstandes beschränkt wird, von sehr mannigfaltiger Natur sein können, direkte: Geseze, Ermunterungen, Preise; indirekte: wie dass der Landesherr selbst der beträchtlichste Eigenthümer ist, und dass er einzelnen Bürgern überwiegende Rechte, Monopo- lien u. s. f. einräumt, und dass alle, einen, obgleich dem Grade und der Art nach, sehr verschiedenen Nachtheil mit sich führen. Wenn man hier auch gegen das Erstere und Leztere keinen Einwurf erregte; so scheint es dennoch son- derbar, dem Staate wehren zu wollen, was jeder Einzelne darf, Belohnungen aussezen, unterstüzen, Eigenthümer sein. Wäre es in der Ausübung möglich, dass der Staat eben so eine zwiefache Person ausmachte, als er es in der Abstrak- tion that ; so wäre hiergegen nichts zu erinnern. Es wäre dann gerade nicht anders, als wenn eine Privatperson einen mächtigen Einfluss erhielte. Allein da, jenen Unterschied zwischen Theorie und Praxis noch abgerechnet, der Einfluss einer Privatperson durch Konkurrenz andrer, Versplitterung ihres Vermögens, selbst durch ihren Tod aufhören kann, lauter Dinge, die beim Staate nicht zutreffen; so steht noch immer der Grundsaz, dass der Staat sich in nichts mischen darf, was nicht allein die Sicherheit angeht, um so mehr entgegen, als derselbe schlechterdings nicht durch Beweise unterstiizt worden ist, welche gerade aus der Natur des Zwanges allein hergenommen gewesen wären. Auch han- delt eine Privatperson aus andern Gründen, als der Staat. Wenn z. B. ein einzelner Bürger Prämien aussetzt, die ich auch — wie es doch wohl nie ist — an sich gleich wirk-
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sam mit denen des Staats annehmen will; so thut er dies seines Vortheils halber. Sein Vortheil aber steht, wegen des ewigen Verkehrs mit allen übrigen Bürgern, und wegen der Gleichheit seiner Lage mit der ihrigen, mit dem Vor- theile oder Nachtheile anderer, folglich mit ihrem Zustande in genauem Verhältniss. Der Zwek, den er erreichen will, ist also schon gewissermaassen in der Gegenwart vorberei- tet, und wirkt folglich darum heilsam. Die Gründe des Staats hingegen sind Ideen und Grundsätze, bei welchen auch die genaueste Berechnung oft täuscht; und sind es aus der Privatlage des Staats geschöpfte Gründe, so ist diese schon an sich nur zu oft für den Wohlstand und die Sicher- heit der Bürger bedenklich, und auch der Lage der Bürger nie in eben dem Grade gleich. Wäre sie dies, nun so ist's auch in der Wirklichkeit nicht der Staat mehr, der handelt, und die Natur dieses Raisonnements selbst verbietet dann seine Anwendung.
Eben diess, und das ganze vorige Raisonnement aber gieng allein aus Gesichtspunkten aus, welche bloss die Kraft des Menschen, als solchen, und seine innere Bildung zum Gegenstand hatten. Mit Recht würde man dasselbe der Einseitigkeit beschuldigen, wenn es die Resultate, deren Da- sein so nothwendig ist, damit jene Kraft nur überhaupt wir- ken kann, ganz vernachlässigte. Es entsteht also hier noch die Frage : ob eben diese Dinge, von welchen hier die Sorg- falt des Staats entfernt wird, ohne ihn und für sich gedei- hen können? Hier wäre es nun der Ort, die einzelnen Arten der Gewerbe, x\kkerbau, Industrie, Handel und alles Uebrige, wovon ich hier zusammengenommen rede, einzeln durchzugehen, und mit Sachkenntniss aus einander zu sezen, welche Nachtheile und Vortheile Freiheit und Selbstüber- lassung ihnen gewährt. Mangel eben dieser Sachkenntniss hindert mich, eine solche Erörterung einzugehen. Auch
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halte ich dieselbe für die Sache selbst nicht mehr notwen- dig. Indess, gut und vorzüglich historisch ausgeführt, würde sie den sehr grossen Nuzen gewähren, diese Ideen mehr zu empfehlen, und zugleich die Möglichkeit einer sehr mo- dificirten Ausführung — da die einmal bestehende wirkliche Lage der Dinge schwerlich in irgend einem Staat eine un- eingeschränkte erlauben dürfte — zu beurtheilen. Ich be- gnüge mich an einigen wenigen allgemeinen Bemerkungen. Jedes Geschäft — welcher Art es auch sei — wird besser betrieben, wenn man es um seiner selbst willen, als den Folgen zu Liebe treibt. Dies liegt so sehr in der Natur des Menschen, dass gewöhnlich, was man anfangs nur des Nuzens wegen wählt, zulezt für sich Reiz gewinnt. Nun aber rührt diess bloss daher, weil dem Menschen Thätigkeit lieber ist, als Besiz, allein Thätigkeit nur, insofern sie Selbstthätigkeit ist. Gerade der rüstigste und thätigste Mensch würde am meisten einer erzwungenen Arbeit Müssiggang vorziehn. Auch wächst die Idee des Eigenthums nur mit der Idee der Freiheit, und gerade die am meisten energische Thätigkeit danken wir dem Gefühle des Eigenthums. Jede Erreichung eines grossen Endzweks erfordert Einheit der Anordnung. Das ist gewiss. Eben so auch jede Verhütung oder Abwehrung grosser Unglücksfälle, Hungersnolh, Ueber- schwemmungen u. s. f. Allein diese Einheit lässt sich auch durch Nationalanstalten, nicht bloss durch Staatsanstalten hervorbringen. Einzelnen Theilen der Nation, und ihr selbst im Ganzen muss nur Freiheit gegeben werden, sich durch Verträge zu verbinden. Es bleibt immer ein unläugbar wichtiger Unterschied zwischen einer Nationalanstalt und einer Staatseinrichtung. Jene hat nur eine mittelbare, diese eine unmittelbare Gewalt. Bei jener ist daher mehr Frei- heit im Eingehen, Trennen und Modiliciren der Verbindung. Anfangs sind höchst wahrscheinlich alle Staatsverbindungen
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nichts, als dergleichen Nationenvereine gewesen. Allein hier zeigt eben die Erfahrung die verderblichen Folgen, wenn die Absicht Sicherheit zu erhalten, und andre End- zwekke zu erreichen mit einander verbunden wird. Wer dieses Geschält besorgen soll, muss, um der Sicherheit wil- len, absolute Gewalt besizen. Diese aber dehnt er nun auch auf das Uebrige aus, und je mehr sich die Einrichtung von ihrer Entstehung entfernt, desto mehr wächst die Macht, und desto mehr verschwindet die Erinnerung des Grund- vertrags. Eine Anstalt im Staat hingegen hat nur Gewalt, insofern sie diesen Vertrag und sein Ansehen erhält. Schon dieser Grund allein könnte hinreichend scheinen. Allein dann, wenn auch der Grundvertrag genau bewahrt würde, und die Staatsverbindung im engsten Verstände eine Natio- nalverbindung wäre; so könnte dennoch der Wille der ein- zelnen Individuen sich nur durch Repräsentation erklären; und ein Repräsentant Mehrerer kann unmöglich ein so treues Organ der Meinung der einzelnen Repräsenlirten sein. Nun aber führen alle im Vorigen entwikkelte Gründe auf die Nothwendigkeit der Einwilligung jedes Einzelnen. Eben diese schliesst auch die Entscheidung nach der Stimmen- mehrheit aus, und doch liesse sich keine andere in einer solchen Staatsverbindung, welche sich auf diese, das posi- tive Wohl der Bürger betreffende Gegenstände verbreitete, denken. Den nicht Einwilligenden bliebe also nichts übrig, als aus der Gesellschaft zu treten, dadurch ihrer Gerichts- barkeit zu entgehen, und die Stimmenmehrheit nicht mehr für sich geltend zu machen. Allein dies ist beinah bis zur Unmöglichkeit erschwert, wenn aus dieser Gesellschaft ge- hen, zugleich aus dem Staate gehen heisst. Ferner ist es besser, wenn bei einzelnen Veranlassungen einzelne Verbin- dungen eingegangen, als allgemeinere für unbestimmte künf- tige Fälle geschlossen werden. Endlich entstehen auch
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Vereinigungen freier Menschen in einer Nation mit grösse- rer Schwierigkeit. Wenn nun dies auf der einen Seite auch der Erreichung der Endzwekke schadet — wogegen doch immer zu bedenken bleibt, dass allgemein, was schwerer entsteht, weil gleichsam die langgeprüfte Kraft sich in ein- ander fügt, auch eine festere Dauer gewinnt — - so ist doch gewiss überhaupt jede grössere Vereinigung minder heilsam. Je mehr der Mensch für sich wirkt, desto mehr bildet er sich. In einer grossen Vereinigung wird er zu leicht Werk- zeug. Auch sind diese Vereinigungen Schuld, dass oft das Zeichen an die Stelle der Sache tritt, welches der Bildung allemal hinderlich ist. Die todte Hieroglyphe begeistert nicht, wie die lebendige Natur. Ich erinnere hier nur, statt alles Beispiels, an Armenanstalten. Tödtet etwas Andres so sehr alles wahre Mitleid, alle hoffende aber anspruchlose Bitte, alles Vertrauen des Menschen auf Menschen? Verachtet nicht jeder den Bettler, dem es lieber wäre, ein Jahr im Hospital bequem ernährt zu werden, als, nach mancher er- duldeten Noth, nicht auf eine hinwerfende Hand, aber auf ein theilnehmendes Herz zu stossen? Ich gebe es also zu, wir hätten diese schnellen Fortschritte ohne die grossen Massen nicht gemacht, in welchen das Menschengeschlecht, wenn ich so sagen darf, in den lezten Jahrhunderten ge- wirkt hat ; allein nur die schnellen nicht. Die Frucht wäre langsamer, aber dennoch gereift. Und sollte sie nicht see- genvoller gewesen sein? Ich glaube daher von diesem Ein- wurf zurükkehren zu dürfen. Zwei andre bleiben der Folge zur Prüfung aufbewahrt, nemlich, ob auch, bei der Sorglo- sigkeit, die dem Staate hier vorgeschrieben wird, die Er- hallung der Sicherheil möglich ist? und ob nicht wenigstens die Verschaffung der Mittel, welche dem Staate nothwendig zu seiner Wirksamkeit eingeräumt werden müssen, ein viel-
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facheres Eingreifen der Räder der Staatsmaschine in die Verhältnisse der Bürger nothwendig macht?
IV.
Sorgfalt des Staats für das negative Wohl der Bürger, für ihre Sicherheit.
Wäre es mit dem Uebel, welches die Begierde der Menschen, immer über die, ihnen rechtmässig gezogenen Schranken in das Gebiet andrer einzugreifen *), und die dar- aus entspringende Zwietracht stiftet, wie mit den physischen Uebeln der Natur, und denjenigen, diesen hierin wenigstens gleichkommenden moralischen, welche durch Uebermaass des Geniessens oder Entbehrens, oder durch andere, mit den nothwendigen Bedingungen der Erhaltung nicht übereinstim- mende Handlungen auf eigne Zerstörung hinauslaufen; so wäre schlechterdings keine Staatsvereinigung nothwendig. Jenen würde der Muth, die Klugheit und Vorsicht der Men- schen, diesen die, durch Erfahrung belehrte Weisheit von selbst steuern, und wenigstens ist in beiden mit dem geho- benen Uebel immer Ein Kampf beendigt. Es ist daher keine letzte, widerspruchlose Macht nothwendig, welche doch im
') Was ich hier umschreibe, bezeichnen die Griechen mit dem einzigen Worte nXeovtÇuc, für das ich aber in keiner andern Sprache ein völlig gleichbedeutendes linde. Indess liesse sich vielleicht im Deutschen : Begierde nacli Mehr sagen; ob- gleich dies nicht zugleich die Idee der Unrechtmässigkeit an- deutet, welche in dem griechischen Ausdruck, wenn gleich nicht dem Wortsinne, aber doch (so viel mir wenigstens vorgekom- men ist) dem beständigen Gebrauch der Schriftsteller nach, liegt. Passender, obgleich, wenigstens dem Sprachgebrauche nach, wohl auch nicht von völlig gleichem Umfang, möchte noch Uebervort h eilung sein.
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eigentlichsten Verstände den Begriff des Staats ausmacht. Ganz anders aber verhalt es sich mit den Uneinigkeiten der Menschen, und sie erfordern allemal schlechterdings eine solche eben beschriebene Gewalt. Denn bei der Zwietracht entstehen Kämpfe aus Kämpfen. Die Beleidigung fordert Rache, und die Rache ist eine neue Beleidigung. Hier muss man also auf eine Rache zurükkommen, welche keine neue Rache erlaubt — und diese ist die Strafe des Staats — oder auf eine Entscheidung, welche die Partheien sich zu beruhigen nöthigt, die Entscheidung des Richters. Auch bedarf nichts so eines zwingenden Befehls und eines unbe- dingten Gehorsams, als die Unternehmungen der Menschen gegen den Menschen, man mag an die Abtreibung eines auswärtigen Feindes, oder an Erhaltung der Sicherheit im Staate selbst denken. Ohne Sicherheit vermag der Mensch weder seine Kräfte auszubilden, noch die Früchte derselben zu gemessen; denn ohne Sicherheit ist keine Freiheit. Es ist aber zugleich etwas, das der Mensch sich selbst allein nicht verschaffen kann; dies zeigen die eben mehr berühr- ten als ausgeführten Gründe, und die Erfahrung, dass unsre Staaten, die sich doch, da so viele Verträge und Bündnisse sie mit einander verknüpfen, und Furcht so oft den Aus- bruch von Thätlichkeiten hindert, gewiss in einer bei wei- tem günstigeren Lage befinden, als es erlaubt ist, sich den Menschen im Naturstande zu denken, dennoch der Sicher- heit nicht gemessen, welcher sich auch in der mittelmäs- sigslen Verfassung der gemeinste Unterthan zu erfreuen hat. Wenn ich daher in dem Vorigen die Sorgfalt des Staats darum von vielen Dingen entfernt habe, weil die Nation sich selbst diese Dinge gleich gut, und ohne die, bei der Besorgung des Staats mit einfliessenden Nachtheile, ver- schaffen kann; so muss ich dieselbe aus gleichem Grunde
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jezt auf die Sicherheit richten, als das Einzige1), welches der einzelne Mensch mit seinen Kräften allein nicht zu er- langen vermag. Ich glaube daher hier als den ersten posi- tiven — aber in der Folge noch genauer zu bestimmenden und einzuschränkenden — Grundsatz aufstellen zu können: dass die Erhaltung der Sicherheit sowohl gegen aus- wärtige Feinde, als innerliche Zwistigkeiten den Zwek des Staats ausmachen, und seine Wirksamkeit beschäf- tigen muss; da ich bisher nur negativ zu bestimmen versuchte, dass er die Gränzen seiner Sorgfalt wenigstens nicht weiter aus- dehnen dürfe.
Diese Behauptung wird auch durch die Geschichte so sehr bestätigt, dass in allen früheren Nationen die Könige nichts andres waren, als Anführer im Kriege, oder Richter im Frieden. Ich sage die Könige. Denn — wenn mir diese Abschweifung erlaubt ist — die Geschichte zeigt uns, wie sonderbar es auch scheint, gerade in der Epoche, wo dem Menschen, welcher, mit noch sehr wenigem Eigenthum ver- sehen, nur persönliche Kraft kennt und schäzt, und in die ungestörteste Ausübung derselben den höchsten Genuss sezt, das Gefühl seiner Freiheit das theuerste ist, nichts als Kö- nige und Monarchien. So alle Staatsverfassungen Asiens, so die ältesten Griechenlands, Italiens, und der freiheitlie- bendsten Stämme, der Germanischen2). Denkt man über die Gründe hiervon nach, so wird man gleichsam von der
') La sûreté et In liberté personelle sont les seules cïioses qu'un rire isolé ne puisse s'assurer par lui 7nème. .Mirabeau s. réducat, publique, p. 110.
-) Reges (nam in terris nomen imperii id primum fuit) cet. .Sallu- stius in Catilina. c. % — Kat ico/ag tutaoa no'/.ig EIXaç eßaot- ï.fvtTO. Dion. Halicarn. Antiquit. Rom. 1. 5. (Zuerst wurden alle Griechische Städte von Königen beherrscht u. s. f.)
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Wahrheit überrascht, dass gerade die Wahl einer Monarchie ein Beweis der höchsten Freiheit der Wählenden ist. Der Gedanke eines Befehlshabers entsteht, wie oben gesagt, nur durch das Gefühl der Notwendigkeit eines Anführers, oder eines Schiedsrichters. Nun ist Ein Führer oder Entscheider unstreitig das Zwekmassigste. Die Besorgniss, dass der Eine aus einem Führer und Schiedsrichter ein Herrscher werden möchte, kennt der wahrhaft freie Mann, die Mög- lichkeit selbst ahndet er nicht; er traut keinem Menschen die Macht, seine Freiheit unterjochen zu können, und keinem Freien den Willen zu, Herrscher zu sein — wie denn auch in der That der Herrschsüchtige, nicht empfänglich für die hohe Schönheit der Freiheit, die Sklaverei liebt, nur dass er nicht der Sklave sein will — und so ist, wie die Moral mit dem Laster, die Theologie mit der Kezerei, die Politik mit der Knechtschaft entstanden. Nur führen freilich unsere Monarchen nicht eine so honigsüsse Sprache, als die Könige bei Homer und Hesiodus ').
') 'OvTircc rtutjnovat Jiog xovçai usycû.oto, ravof.itvov r sGidüjöi ô'iOToeifÊiov ßuaü.rjiov, Toj f.nv £7ii ylcüaatj y).vy.tni]V /novat, eecatjv , Tov <T ene' tx OTOucaog net ueùiycc.
und Tovvcs.cc yao ßaaih]tc tywfnovtç, ovvc/.u ).uoig Bkumoutvoig ctyoqij(pi utiajoonu eoy« ztlevai Ptfiaias, (xaXaxoig nuQUKfuuivbi tnttaatv. Hesiodus in Theogonia.
(Wen der götterentsprossenen Könige Zeus des Erhabnen Töchter ehren, auf wen ihr Auge bei seiner Geburt blickt, Dem beträufeln sie mit holdem Thaue die Zunge, Ilonigsüss entströmet seineu Lippen die Rede.
und Damm herrschen verständige Könige, dass sie die Völker, Wenn ein Zwist sie spaltet, in der Versammlung zur Eintracht Sonder Mühe bewegen, mit sanften Worten sie lenkend.)
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V.
Sorgfalt des Staats für die Sicherheit gegen auswärtige Feinde *)'.
Von der Sicherheit gegen auswärtige Feinde brauchte ich — um zu meinem Vorhaben zurükzukehren — kaum ein Wort zu sagen, wenn es nicht die Klarheit der Haupt- idee vermehrte, sie auf alle einzelne Gegenstande nach und nach anzuwenden. Allein diese Anwendung wird hier um so weniger unnüz sein, als ich mich allein auf die Wirkung des Krieges auf den Charakter der Nation, und folglich auf den Gesichtspunkt beschranken werde, den ich in dieser ganzen Untersuchung, als den herrschenden, gewählt habe. Aus diesem nun die Sache betrachtet, ist mir der Krieg eine der heilsamsten Erscheinungen zur Bildung des Menschen- geschlechts, und ungern seh' ich ihn nach und nach immer mehr vom Schauplaz zurücktreten. Es ist das freilich furchtbare Extrem, wodurch jeder thätige Muth gegen Ge- fahr, Arbeit und Mühseligkeit geprüft und gestählt wird, der sich nachher in so verschiedene Nuancen im Menschenleben modifient, und welcher allein der ganzen Gestalt die Stärke und Mannigfaltigkeit giebt, ohne welche Leichtigkeit Schwäche, und Einheit Leere ist.
Man wird mir antworten, dass es, neben dem Kriege, noch andere Mittel dieser Art giebt, physische Gefahren bei mancherlei Beschäftigungen, und — wenn ich mich des Ausdrucks bedienen darf — moralische von verschiedener Gattung, welche den festen, unerschütterten Staatsmann im
*) Dieser Abschnitt war bereits in der Berlinischen Monatsschrift Jahrg. 1792. Stück I. S. 84—88 enthalten und aus derselben in diesen gesammelten Werken Till. I. S. 312 — 317 abgedruckt. Die uns jetzt vorliegende Original-Handschrift des Verfassers enthält einzelne Abweichungen, welche in diesem neuen Abdruck genau wiedergegeben sind.
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Kabinett, wie den freimüthigen Denker in seiner einsamen Zelle treffen können. Allein es ist mir unmöglich, mich von der Vorstellung loszureissen , dass, wie alles Geistige nur eine feinere Blüthe des Körperlichen, so auch dieses es ist. Nun lebt zwar der Stamm, auf dem sie hervorspriessen kann, in der Vergangenheit. Allein das Andenken der Ver- gangenheit tritt immer weiter zurück, die Zahl derer, auf welche es wirkt, vermindert sich immer in der Nation, und selbst auf diese wird die Y\ irkung schwächer. Andren, ob- schon gleich gefahrvollen Beschäftigungen, Seefahrten, dem Bergbau u. s. f. fehlt, wenn gleich mehr und minder, die Idee der Grösse und des Ruhms, die mit dem Kriege so eng verbunden ist. Und diese Idee ist in der That nicht chimärisch. Sie beruht auf einer Vorstellung von überwie- gender Macht. Den Elementen sucht man mehr zu entrin- nen, ihre Gewalt mehr auszudauern, als sie zu besiegen:
— mit Göttern
soll sich nicht messen
irgend ein Mensch;
Rettung ist nicht Sieg; was das Schicksal wohlthätig schenkt, und menschlicher Muth, oder menschliche Empfindsamkeit nur benutzt, ist nicht Frucht, oder Beweis der Obergewalt. Auch denkt jeder im Kriege, das Recht auf seiner Seite zu haben, jeder eine Beleidigung zu rächen. Nun aber achtet der natürliche Mensch, und mit einem Gefühl, das auch der kullhirteste nicht abläugnen kann, es höher, seine Ehre zu reinigen, als Bedarf fürs Leben zu sammeln. Niemand wird es mir zutrauen, den Tod eines gefalle- nen Kriegers schöner zu nennen, als den Tod eines kühnen Plinius, oder, um vielleicht nicht genug geehrte Männer zu nennen, den Tod von Robert und Pilatre du Rozier. Allein diese Beispiele sind selten, und wer weiss, ob ohne jene sie überhaupt nur wären? Auch habe ich für den Krieg gerade
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keine günstige Lage gewählt. Man nehme die Spartaner bei Thermopylä. Ich frage einen jeden, was solch ein Bei- spiel auf eine Nation wirkt? Wohl weiss ichs, eben dieser Muth, eben diese Selbstverläugnung kann sich in jeder Si- tuation des Lebens zeigen, und zeigt sich wirklich in jeder. Aber will man es dem sinnlichen Menschen verargen, wenn der lebendigste Ausdruck ihn auch am meisten hinreisst, und kann man es läugnen, dass ein Ausdruck dieser Art wenigstens in der grossesten Allgemeinheit wirkt? Und bei alle dem, was ich auch je von Uebeln hörte, welche schrecklicher wären, als der Tod; ich sah noch keinen Men- schen, der das Leben in üppiger Fülle genoss, und der — ohne Schwärmer zu sein — den Tod verachtete. Am we- nigsten aber existirten diese Menschen im Alterthum, wo man noch die Sache höher, als den Namen, die Gegenwart höher, als die Zukunft schätzte. Was ich daher hier von Kriegern sage, gilt nur von solchen, die, nicht gebildet, wie jene in Piatos Republik, die Dinge, Leben und Tod, neh- men für das, was sie sind; von Kriegern, welche, das Höchste im Auge, das Höchste aufs Spiel sezen. Alle Si- tuationen, in welchen sich die Extreme gleichsam an einan- der knüpfen, sind die interessantesten und bildendsten. Wo ist dies aber mehr der Fall, als im Kriege, wo Neigung und Pflicht, und Pflicht des Menschen und des Bürgers in un- aufhörlichem Streite zu sein scheinen, und wo dennoch — sobald nur gerechte Verteidigung die Waffen in die Hand gab — alle diese Kollisionen die vollste Auflösung finden? Schon der Gesichtspunkt, aus welchem allein ich den Krieg für heilsam und nothwendig halte, zeigt hinlänglich, wie, meiner Meinung nach, im Staate davon Gebrauch ge- macht werden müsste. Dem Geist, den er wirkt, muss Freiheit gewährt werden, sich durch alle Mitglieder der Nation zu ergiessen. Schon diess spricht gegen die stehen-
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den Armeen. Ueberdiess sind sie, und die neuere Art des Krieges überhaupt, freilich weit von dem Ideal entfernt, das für die Bildung des Menschen das nüzlichste wäre. Wenn schon überhaupt der Krieger, mit Aufopferung seiner Frei- heit, gleichsam Maschine werden muss; so muss er es noch in weit höherem Grade bei unserer Art der Kriegführung, bei welcher es soviel weniger auf die Stärke, Tapferkeit und Geschicklichkeit des Einzelnen ankommt. Wie verderb- lich muss es nun sein, wenn beträchtliche Theile der Na- tionen, nicht bloss einzelne Jahre, sondern oft ihr Leben hindurch im Frieden, nur zum Behuf des möglichen Krie- ges, in diesem maschinenmässigen Leben erhalten werden? Vielleicht ist es nirgends so sehr, als hier, der Fall, dass mit der Ausbildung der Theorie der menschlichen Un- ternehmungen, der Nuzen derselben für diejenigen sinkt, welche sich mit ihnen beschäftigen. Uniäugbar hat die Kriegskunst unter den Neueren unglaubliche Fortschritte gemacht, aber ebenso unläugbar ist der edle Charakter der Krieger seltner geworden, seine höchste Schönheit existirt nur noch in der Geschichte des Alterthums, wenigstens — wenn man diess für übertrieben halten sollte — hat der kriegerische Geist bei uns sehr oft bloss schädliche Folgen für die Nationen, da wir ihn im Alterthum so oft von so heilsamen begleitet sehen. Allein unsre stehende Armeen bringen, wenn icli so sagen darf, den Krieg mitten in den Schooss des Friedens. Kriegsmuth ist nur in Verbindung mit den schönsten friedlichen Tugenden, Kriegszucht nur in Verbindung mit dem höchsten Freiheitsgefühle ehrwürdig. Beides getrennt — und wie sehr wird eine solche Trennung durch den im Frieden bewafneten Krieger begünstigt? - artet diese sehr leicht in Sklaverei, jener in Wildheit und Zügellosigkeit aus.
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Bei diesem Tadel der stehenden Armeen sei mir die Er- innerung erlaubt, dass ich hier nicht weiter von ihnen rede als mein gegenwärtiger Gesichtspunkt erfordert. Ihren gros- sen, unbestrittenen Nuzen — wodurch sie dem Zuge das Gleichgewicht halten, mit dem sonst ihre Fehler sie, wie jedes irdische Wesen, unaufhaltbar zum Untergange dahin- reissen würden — zu verkennen, sei fern von mir. Sie sind ein Theil des Ganzen, welches nicht Plane eitler menschlicher Vernunft, sondern die sichre Hand des Schik- sals gebildet hat. Wie sie in alles Andre, unsrem Zeit- alter Eigenthümliche, eingreifen, wie sie mit diesem die Schuld und das Verdienst des Guten und Bösen theilen, das uns auszeichnen mag, müsste das Gemälde schildern, welches uns, treffend und vollständig gezeichnet, die Vor- welt an die Seite zu stellen wagte.
Auch müsste ich sehr unglüklich in Auseinandersezung meiner Ideen gewesen sein, wenn man glauben könnte, der Staat sollte, meiner Meinung nach, von Zeit zu Zeit Krieg erregen. Er gebe Freiheit und dieselbe Freiheit geniesse ein benachbarter Staat. Die Menschen sind in jedem Zeit- alter Menschen, und verlieren nie ihre ursprünglichen Lei- denschaften. Es wird Krieg von selbst entstehen; und ent- steht er nicht, nun so ist man wenigstens gewiss, dass der Friede weder durch Gewalt erzwungen, noch durch künst- liche Lähmung hervorgebracht ist; und dann wird der Friede den Nationen freilich ein eben so wohlthätigeres Geschenk sein, wie der friedliche Pflüger ein holderes Bild ist, als der blutige Krieger. Und gewiss ist es, denkt man sich ein Fortschreiten der ganzen Menschheit von Generation zu Generation; so müssteh die folgenden Zeitalter immer die friedlicheren sein. Aber dann ist der Friede aus den inne- ren Kräften der Wesen hervorgegangen, dann sind die Men- schen, und zwar die freien Menschen friedlich geworden. vu. 4
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jezt — das beweist Ein Jahr Europäischer Geschichte — gemessen wir die Früchte des Friedens, aber nicht die der Friedlichkeit. Die menschlichen Kräfte, unaufhörlich nach einer gleichsam unendlichen Wirksamkeit strebend, wenn sie einander begegnen, vereinen oder bekämpfen sich. Welche Gestalt der Kampf annehme, ob die des Krieges, oder des Wetteifers, oder welche sonst man nüanciren möge? hängt vorzüglich von ihrer Verfeinerung ab.
Soll ich jezt auch aus diesem Raisonnement einen zu meinem Endziel dienenden Grundsaz ziehen;
so muss der Staat den Krieg auf keinerlei Weise be- fördern, allein auch ebensowenig, wenn die Notwen- digkeit ihn fordert, gewaltsam verhindern ; dem Einflüsse desselben auf Geist und Charakter sich durch die ganze Nation zu ergiessen völlige Freiheit verstatten; und vor- züglich sich aller positiven Einrichtungen enthalten, die Nation zum Kriege zu bilden, oder ihnen, wenn sie denn, wie z. B. Waffenübungen der Bürger, schlechter- dings nothwendig sind, eine solche Richtung geben, dass sie derselben nicht bloss die Tapferkeit, Fertigkeit und Subordination eines Soldaten beibringen, sondern den Geist wahrer Krieger, oder vielmehr edler Bürger einhauchen, welche für ihr Vaterland zu fechten immer bereit sind.
VI.
Sorgfalt des Staats für die Sicherheit der Bürger unter einander. Mittel, diesen Endzwek zu erreichen. Veranstaltungen, welche auf die Umformung des Geistes und Charakters der Bürger gerichtet sind. Oeffent- liche Erziehung. Eine tiefere und ausführlichere Prüfung erfordert die Sorgfalt des Staats für die innere Sicherheit der Bürger un-
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ter einander, zu der ich mich jezt wende. Denn es scheint mir nicht hinlänglich, demselben bloss allgemein die Erhal- tung derselben zur Pflicht zu machen, sondern ich halte es vielmehr für nothwendig, die besondren Grunzen dabei zu bestimmen, oder wenn diess allgemein nicht möglich sein sollte, wenigstens die Gründe dieser Unmöglichkeit ausein- anderzusezen, und die Merkmale anzugeben, an welchen sie in gegebenen Fällen zu erkennen sein möchten. Schon eine sehr mangelhafte Erfahrung lehrt, dass diese Sorgfalt mehr oder minder weit ausgreifen kann, ihren Endzwek zu er- reichen. Sie kann sich begnügen, begangene Unordnun- gen wieder herzustellen, und zu bestrafen. Sie kann schon ihre Begehung überhaupt zu verhüten suchen, und sie kann endlich zu diesem Endzwek den Bürgern, ihrem Charakter und ihrem Geist, eine Wendung zu ertheilen bemüht sein, die hierauf abzwekt. Auch gleichsam die Extension ist verschiedener Grade fähig. Es können bloss Beleidigungen der Rechte der Bürger, und unmittelbaren Rechte des Staats untersucht und gerügt werden; oder man kann, indem man den Bürger als ein Wesen ansieht, das dem Staate die An- wendung seiner Kräfte schuldig ist, und also durch Zerstö- rung oder Schwächung dieser Kräfte ihn gleichsam seines Eigenthums beraubt, auch auf Handlungen ein wachsames Auge haben, deren Folgen sich nur auf den Handelnden selbst erstrekken. Alles diess fasse ich hier auf einmal zu- sammen, und rede daher allgemein von allen Einrichtungen des Staats, welche in der Absicht der Beförderung der öffent- lichen Sicherheit geschehen. Zugleich werden sich hier von selbst alle diejenigen darstellen, die, sollten sie auch nicht überall, oder nicht bloss auf Sicherheit abzwekken, das moralische Wohl der Bürger angehen, da, wie ich schon oben bemerkt, die Natur der Sache selbst keine genaue Trennung erlaubt, und diese Einrichtungen doch gewöhnlich
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die Sicherheit und Ruhe des Staats vorzüglich beabsichten. Ich werde dabei demjenigen Gange getreu bleiben, den ich bisher gewählt habe. Ich habe nemlich zuerst die grosseste mögliche Wirksamkeit des Staats angenommen, und nun nach und nach zu prüfen versucht, was davon abgeschnitten werden müsse. Jezt ist mir nur die Sorge für die Sicher- heit übrig geblieben. Bei dieser muss nun aber wiederum auf gleiche Weise verfahren werden, und ich werde daher dieselbe zuerst in ihrer grossesten Ausdehnung betrachten, um durch allmähliche Einschränkungen auf diejenigen Grund- saze zu kommen, welche mir die richtigen scheinen. Sollte dieser Gang vielleicht für zu langsam und weitläufig ge- halten werden; so gebe ich gern zu, dass ein dogmatischer Vortrag gerade die entgegengesezte Methode erfordern würde. Allein bei einem bloss untersuchenden, wie der ge- genwärtige, ist man wenigstens gewiss, den ganzen Umfang des Gegenstandes umspannt, nichts übersehen, und die Grund- säze gerade in der Folge entwikkelt zu haben, in welcher sie wirklich aus einander herfliessen.
Man *) hat, vorzüglich seit einiger Zeit, so sehr auf die Verhütung gesezwidriger Handlungen und auf Anwendung moralischer Mittel im Staate gedrungen. Ich, so oft ich dergleichen oder ähnliche Aufforderungen höre, freue mich, gesteh1 ich, dass eine solche freiheitbeschränkende Anwen- dung bei uns immer weniger gemacht, und, bei der Lage fast aller Staaten, immer weniger möglich wird.
Man beruft sich auf Griechenland und Rom, aber eine genauere Kenntniss ihrer Verfassungen würde bald zeigen, wie unpassend diese Vergleichungen sind. Jene Staaten
*) Von hier an war dieser Abschnitt bereits in der Berlin. Mo- natsschr. Jahrg. 1792 Stück 12, S. 597 — 606 enthalten und ist daraus in diesen „gesammelten Werken" Bd. I. S. 336— 342 ab- gedrockt (Anmerk. d. Herausgeb.)
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waren Republiken, ihre Anstalten dieser Art waren Slüzen der freien Verfassung, welche die Bürger mit einem Enthu- siasmus erfüllte, welcher den nachtheiligen Einfluss der Ein- schränkung der Privatfreiheit minder fühlen, und die Energie des Charakters minder schädlich werden liess. Dann ge- nossen sie auch übrigens einer grösseren Freiheit, als wir, und was sie aufopferten, opferten sie einer andern Thätig- keit, dem Antheil an der Regierung, auf. In unsern, meisten- theils monarchischen Staaten ist das alles ganz anders. Was die Alten von moralischen Mitteln anwenden mochten, Na- tionalerziehung, Religion, Sittengeseze, alles würde bei uns minder fruchten, und einen grösseren Schaden bringen. Dann war auch das Meiste, was man jezt so oft für Wir- kung der Klugheit des Gesezgebers hält, bloss schon wirk- liche, nur vielleicht wankende, und daher der Sanktion des Gesezes bedürfende Volkssitte. Die Uebereinstimmung der Einrichtungen des Lykurgus mit der Lebensart der meisten unkultivirten Nationen hat schon Ferguson meisterhaft ge- zeigt, und da höhere Kultur die Nation verfeinerte, erhielt sich auch in der That nicht mehr, als der Schatten jener Einrichtungen. Endlich steht, dünkt mich, das Menschen- geschlecht jezt auf einer Stufe der Kultur, von welcher es sich nur durch Ausbildung der Individuen höher empor- schwingen kann; und daher sind alle Einrichtungen, welche diese Ausbildung hindern, und die Menschen mehr in Mas- sen zusammendrängen, jezt schädlicher als ehmals.
Schon diesen wenigen Bemerkungen zufolge erscheint, um zuerst von demjenigen moralischen Mittel zu reden, was am weitesten gleichsam ausgreift, Öffentliche, d. i. vom Staat angeordnete oder geleitete Erziehung wenigstens von vielen Seiten bedenklich. Nach dem ganzen vorigen Raisonnement kommt schlechterdings Alles auf die Ausbildung des Men- schen in der höchsten Mannigfaltigkeit an; öffentliche Erzie-
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hung aber muss, selbst wenn sie diesen Fehler vermeiden, wenn sie sich bloss darauf einschränken wollte, Erzieher an- zustellen und zu unterhalten, immer eine bestimmte Form begünstigen. Es treten daher alle die Nachtheile bei der- selben ein, welche der erste Theil dieser Untersuchung hin- länglich dargestellt hat, und ich brauche nur noch hinzuzu- fügen, dass jede Einschränkung verderblicher wird, wenn sie sich auf den moralischen Menschen bezieht, und dass, wenn irgend etwas Wirksamkeit auf das einzelne Individuum fordert, diess gerade die Erziehung ist, welche das einzelne Individuum bilden soll. Es ist unläugbar, dass gerade dar- aus sehr heilsame Folgen entspringen, dass der Mensch in der Gestalt, welche ihm seine Lage und die Umstände ge- geben haben, im Staate selbst thätig wird, und nun durch den Streit — wenn ich so sagen darf — der ihm vom Staat angewiesenen Lage, und der von ihm selbst gewählten, zum Theil er anders geformt wird, zum Theil die Verfassung des Staats selbst, Aenderungen erleidet, wie denn dergleichen, obgleich freilich auf einmal fast unbemerkbare Aenderungen, nach den Modifikationen des Nationalcharakters, bei allen Staaten unverkennbar sind. Diess aber hört wenigstens im- mer in dem Grade auf, in welchem der Bürger von seiner Kindheit an schon zum Bürger gebildet wird. Gewiss ist es wohlthätig, wenn die Verhältnisse des Menschen und des Bürgers soviel als möglich zusammenfallen; aber es bleibt diess doch nur alsdann, wenn das des Bürgers so wenig eigenthümliche Eigenschaften fordert, dass sich die natürliche Gestalt des Menschen, ohne etwas aufzuopfern, erhalten kann — gleichsam das Ziel, wohin alle Ideen, die ich in dieser Untersuchung zu entwikkeln wage, allein hinstreben. Ganz und gar aber hört es auf, heilsam zu sein, wenn der Mensch dem Bürger geopfert wird. Denn wenn gleich als- dann die nachtheiligen Folgen des Mis Verhältnisses hinweg-
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lallen; so verliert auch der Mensch dasjenige, welches er gerade durch die Vereinigung in einen Staat zu sichern be- müht war. Daher müssle, meiner Meinung zufolge, die freieste, so wenig als möglich schon auf die bürgerlichen Verhältnisse gerichtete Bildung des Menschen überall vor- angehen. Der so gebildete Mensch müsste dann in den Staat treten, und die Verfassung des Staats sich gleichsam an ihm prüfen. Nur bei einem solchen Kampfe würde ich wahre Verbesserung der Verfassung durch die Nation mit Gewissheit hoffen, und nur bei einem solchen schädlichen Einfluss der bürgerlichen Einrichtung auf den Menschen nicht besorgen. Denn selbst wenn die leztere sehr fehler- haft wäre, liesse sich denken, wie gerade durch ihre einen- genden Fesseln die widerstrebende, oder, troz derselben, sich in ihrer Grösse erhaltende Energie des Menschen ge- wänne. Aber diess könnte nur sein, wenn dieselbe vorher sich in ihrer Freiheit entwikkelt hätte. Denn welch ein un- gewöhnlicher Grad gehörte dazu, sich auch da, wo jene Fesseln von der ersten Jugend an drükten, noch zu erhe- ben und zu erhalten? Jede öffentliche Erziehung aber, da immer der Geist der Regierung in ihr herrscht, giebt dem Menschen eine gewisse bürgerliche Form.
Wo nun eine solche Form an sich bestimmt und in sich, wenn gleich einseitig, doch schön ist, wie wir es in den al- ten Staaten, und vielleicht noch jezt in mancher Republik finden, da ist nicht allein die Ausführung leichter, sondern auch die Sache selbst minder schädlich. Allein in unsren monarchischen Verfassungen existirt — und gewiss zum nicht geringen Glük für die Bildung des Menschen — eine solche bestimmte Form ganz und gar nicht. Es gehört of- fenbar zu ihren, obgleich auch von manchen Nachtheilen begleiteten Vorzügen, dass, da doch die Staatsverbindung immer nur als ein Mittel anzusehen ist, nicht soviel Kräfte
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der Individuen auf diess Mittel verwandt zu werden brauchen, als in Republiken. Sobald der Unterthan den Gesezen ge- horcht, und sich und die seinigen im Wohlstande und einer nicht schädlichen Thaligkeit erhalt, kümmert den Staat die genauere Art seiner Existenz nicht. Hier hätte daher die öffentliche Erziehung, die, schon als solche, sei es auch un- vermerkt, den Bürger oder Unterthan, nicht den Menschen, wie die Privaterziehung, vor Augen hat, nicht Eine bestimmte Tugend oder Art zu sein zum Zwek; sie suchte vielmehr gleichsam ein Gleichgewicht aller, da nichts so sehr, als ge- rade diess, die Ruhe hervorbringt und erhält, welche eben diese Staaten am eifrigsten beabsichten. Ein solches Stre- ben aber gewinnt, wie ich schon bei einer andern Gelegen- heit zu zeigen versucht habe, entweder keinen Fortgang, oder führt auf Mangel an Energie; da hingegen die Verfol- gung einzelner Seiten, welche der Privaterziehung eigen ist, durch das Leben in verschiedenen Verhältnissen und Ver- bindungen jenes Gleichgewicht sichrer und ohne Aufopferung der Energie hervorbringt.
Will man aber der öffentlichen Erziehung alle positive Beförderung dieser oder jener Art der Ausbildung untersa- gen, will man es ihr zur Pflicht machen, bloss die eigene Entwikkelung der Kräfte zu begünstigen; so ist diess einmal an sich nicht ausführbar, da was Einheit der Anordnung hat, auch allemal eine gewisse Einförmigkeit der Wirkung her- vorbringt, und dann ist auch unter dieser Voraussezung der Nuzen einer öffentlichen Erziehung nicht abzusehen. Denn ist es bloss die Absicht zu verhindern, dass Kinder nicht ganz unerzogen bleiben; so ist es ja leichter und minder schäd- lich, nachlässigen Eltern Vormünder zu sezen, oder dürftige zu unterstüzen. Ferner erreicht auch die öffentliche Erzie- hung nicht einmal die Absicht, welche sie sich vorsezt, nemlich die Umformung der Sitten nach dem Muster, wel-
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ches der Staat für das ihm angemessenste hält. So wich- tig und auf das ganze Leben einwirkend auch der Einfluss der Erziehung sein mag; so sind doch noch immer wichti- ger die Umstände, welche den Menschen durch das ganze Leben begleiten. Wo also nicht alles zusammenstimmt, da vermag diese Erziehung allein nicht durchzudringen. Ueber- haupt soll die Erziehung nur, ohne Rüksicht auf bestimmte, den Menschen zu ertheilende bürgerliche Formen, Menschen bilden; so bedarf es des Staats nicht. Unter freien Men- schen gewinnen alle Gewerbe bessren Fortgang; blühen alle Künste schöner auf; erweitern sich alle Wissenschaften. Unter ihnen sind auch alle Familienbande enger, die Eltern eifriger bestrebt für ihre Kinder zu sorgen, und, bei höhe- rem Wohlstande, auch vermögender, ihrem Wunsche hierin zu folgen. Bei freien Menschen entsteht Nacheiferung, und es bilden sich bessere Erzieher wo ihr Schiksal von dem Erfolg ihrer Arbeiten, als wo es von der Beförderung ab- hängt, die sie vom Staate zu erwarten haben. Es wird da- her weder an sorgfältiger Familienerziehung, noch an An- stalten so nüzlicher und notwendiger gemeinschaftlicher Erziehung fehlen '). Soll aber öffentliche Erziehung dem Menschen eine bestimmte Form ertheilen, so ist, was man auch sagen möge, zur Verhütung der Uebertretung der Ge- seze, zur Befestigung der Sicherheit so gut als nichts ge- than. Denn Tugend und Laster hängen nicht an dieser oder jener Art des Menschen zu sein, sind nicht mit dieser oder jener Charakterseite nothwendig verbunden; sondern es kommt in Rüksicht auf sie weit mehr auf die Harmonie
') Dans une société bien ordonnée, nu contraire, tout invite les hom- mes à cultiver leurs moyens naturels: sans quon s'en mâle, V édu- cation sera bonne; elle sera même d'autant meilleure, quon aura plus laissé h faire a Vindustrie des maîtres et a V émulation des élèves. Mirabeau s. l'éducat. publ. p. 12.
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oder Disharmonie der verschiedenen Charakterzüge, auf das Verhältniss der Kraft zu der Summe der Neigungen u. s. f. an. Jede bestimmte Charakterbildung ist daher eigener Aus- schweifungen fähig, und artet in dieselben aus. Hat daher eine ganze Nation ausschliesslich vorzüglich eine gewisse erhalten, so fehlt es an aller entgegenstrebenden Kraft, und mithin an allem Gleichgewicht. Vielleicht liegt sogar hierin auch ein Grund der häufigen Veränderungen der Verfassung der alten Staaten. Jede Verfassung wirkte so sehr auf den Nationalcharakter, dieser, bestimmt gebildet, artete aus, und brachte eine neue hervor. Endlich wirkt öffentliche Erzie- hung, wenn man ihr völlige Erreichung ihrer Absicht zu- gestehen will, zu viel. Um die in einem Staat nothwendige Sicherheit zu erhalten, ist Umformung der Sitten selbst nicht nothwendig. Allein die Gründe, womit ich diese Be- hauptung zu unterstüzen gedenke, bewahre ich der Folge auf, da sie auf das ganze Bestreben des Staats, auf die Sit- ten zu wirken, Bezug haben, und mir noch vorher von einem Paar einzelner, zu demselben gehöriger Mittel zu re- den übrig bleibt. Oeffentliche Erziehung scheint mir daher ganz ausserhalb der Schranken zu liegen, in welchen der Staat seine Wirksamkeit halten muss ').
') Ainsi c'est peut-être un problème de savoir si les le ii isla leurs français doivent s'occuper de V éducation publique, autrement que pour en protéger les progrès, et si la constitution la plus favo- rable au développement du in ni humain et les lois les plus propres à mettre chacun à sa place, ne sont ]>as la seule éducation que le peuple doive attendre d'eux. 1. c. p. 11. — D'après cela, les principes rigoureux sembleraient exiger que l'Assemblée Nationale ne s'occupât de l'éducation que pour l'enle- ver à des pouvoirs .OU à des corps qui peuvent en dépraver l'in- fluence. 1. c. i>. 12.
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VII. Religion. Ausser der eigentlichen Erziehung der Jugend giebt es noch ein anderes Mitlei auf den Charakter und die Sitten der Nation zu wirken, durch welches der Staat gleichsam den erwachsenen, reif gewordenen Menschen erzieht, sein ganzes Leben hindurch seine Handlungsweise und Denkungs- art begleitet, und derselben diese oder jene Richtung zu er- theilen, oder sie wenigstens vor diesem oder jenem Abwege zu bewahren versucht — die Religion. Alle Staaten, soviel uns die Geschichte aufzeigt, haben sich dieses Mittels, obgleich in sehr verschiedener Absicht, und in verschiedenem Maasse bedient. Bei den Alten war die Religion mit der Staats- verfassung innigst verbunden, eigentlich politische Slüze oder Triebfeder derselben, und es gilt daher davon alles das, was ich im Vorigen über ähnliche Einrichtungen der Alten bemerkt habe. Als die christliche Religion, statt der ehemaligen Parlikulargoltheiten der Nationen, eine allgemeine Gottheit aller Menschen lehrte, dadurch eine der gefährlich- sten Mauern umstürzte, welche die verschiedenen Stämme des Menschengeschlechts von einander absonderten, und da- mit den wahren Grund aller wahren Menschentugend, Men- schenentwikkelung und Menschenvereinigung legte, ohne welche Aufklärung, und Kenntnisse und Wissenschaften selbst noch sehr viel länger, wenn nicht immer, ein selte- nes Eigenthum einiger Wenigen geblieben wären; wurde das Band zwischen der Verfassung des Staats und der Re- ligion lokkerer. Als aber nachher der Einbruch barbarischer Völker die Aufklärung verscheuchte, Misverstand eben jener Religion einen blinden und intoleranten Eifer Proselyten zu machen eingab, und die politische Gestalt der Staaten zu- gleich so verändert war, dass man, statt der Bürger, nur
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Unterthanen, und nicht sowohl des Staats, als des Regenten fand, wurde Sorgfalt für die Erhaltung und Ausbreitung der Religion aus eigener Gewissenhaftigkeit der Fürsten geübt, welche dieselbe ihnen von der Gottheit selbst anvertraut glaubten. In neueren Zeiten ist zwar diess Vorurtheil selte- ner geworden, allein der Gesichtspunkt der innerlichen Si- cherheit und der Sittlichkeit — als ihrer festesten Schuz- wehr — hat die Beförderung der Religion durch Geseze und Staatseinrichtungen nicht minder dringend empfohlen. Diess, glaube ich, wären etwa die Hauptepochen in der Re- ligionsgeschichte der Staaten, ob ich gleich nicht läugnen will, dass jede der angeführten Rüksichten, und vorzüglich die lezte überall mitwirken mochte, indess freilich Eine die vorzüglichste war. Bei dem Bemühen, durch Religionsideen auf die Sitten zu wirken, muss man die Beförderung einer bestimmten Religion von der Beförderung der Religiosität überhaupt unterscheiden. Jene ist unstreitig drükkender und verderblicher, als diese. Allein überhaupt ist nur diese nicht leicht, ohne jene, möglich. Denn wenn der Staat einmal Moralität und Religiosität unzertrennbar vereint glaubt, und es für möglich und erlaubt hält, durch diess Mittel zu wirken; so ist es kaum möglich, dass er nicht, bei der ver- schiedenen Angemessenheit verschiedener Religionsmeinun- gen zu der wahren oder angenommenen Ideen nach geform- ten Moralität eine vorzugsweise vor der andern in Schuz nehme. Selbst wenn er diess gänzlich vermeidet und gleich- sam als Beschüzer und Vertheidiger aller Religionspartheien auftritt; so muss er doch, da er nur nach den äussren Handlungen zu urtheilen vermag, die Meinungen dieser Par- theien mit Unterdrükkung der möglichen abweichenden Mei- nungen Einzelner begünstigen; und wenigstens interessirt er sich auf alle Fälle insofern für Eine Meinung, als er den aufs Leben einwirkenden Glauben an eine Gottheit all-
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gemein zum herrschenden zu machen sucht. Hiezu kommt nun noch üher diess alles, dass, bei der Zweideutigkeit aller Ausdrükke, bei der Menge der Ideen, welche sich Einem Wort nur zu oft unterschieben lassen, der Staat selbst dem Ausdruk Religiosität eine bestimmte Bedeutung unterlegen müsste, wenn er sich desselben irgend, als einer Richtschnur, bedienen wollte. So ist daher, meines Erachtens, schlech- terdings keine Einmischung des Staats in Religionssachen möglich, welche sich nicht, nur mehr oder minder, die Be- günstigung gewisser bestimmter Meinungen zu Schulden kommen liesse, und folglich nicht die Gründe gegen sich gelten lassen müsste, welche von einer solchen Begünstigung hergenommen sind. Eben so wenig halte ich eine Art dieses Einmischens möglich, welche nicht wenigstens gewisser- maassen eine Leitung, eine Hemmung der Freiheit der In- dividuen mit sich führte. Denn wie verschieden auch sehr natürlich der Einfluss von eigentlichem Zwange, blosser Aufforderung, und endlich blosser Verschaffung leichterer Gelegenheit zu Beschäftigung mit Religionsideen ist; so ist doch selbst in dieser lezteren, wie im Vorigen bei mehre- ren ähnlichen Einrichtungen ausführlicher zu zeigen versucht worden ist, immer ein gewisses, die Freiheit einengendes Uebergewicht der Vorstellungsart des Staats. Diese Be- merkungen habe ich vorausschikken zu müssen geglaubt, um bei der folgenden Untersuchung dem Einwurfe zu begegnen, dass dieselbe nicht von der Sorgfalt für die Beförderung der Religion überhaupt, sondern nur von einzelnen Gattungen derselben rede, und um dieselbe nicht durch eine ängstliche Durchgehung der einzelnen möglichen Fälle zu sehr zerstük- keln zu dürfen.
Alle Religion — und zwar rede ich hier von Religion, insofern sie sich auf Sittlichkeit und Glükseligkeit bezieht, und folglich in Gefühl übergegangen ist, nicht insofern die
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Vernunft irgend eine Religionswahrheit wirklich erkennt, oder zu erkennen meint, da Einsicht der Wahrheit unabhän- gig ist von allen Einflüssen des Wollens oder Begehrens, oder insofern Offenbarung irgend eine bekräftigt, da auch der historische Glaube dergleichen Einflüssen nicht unter- worfen sein darf — alle Religion, sage ich, beruht auf einem Bedürfniss der Seele. Wir hoffen, wir ahnden, weil wir wünschen. Da, wo noch alle Spur geistiger Kultur fehlt, ist auch das Bedürfniss bloss sinnlich. Furcht und Hofnung bei Naturbegebenheiten, welche die Einbildungskraft in selbst- thätige Wesen verwandelt, machen den Inbegriff der ganzen Religion aus. Wo geistige Kultur anfängt, genügt diess nicht mehr. Die Seele sehnt sich dann nach dem Anschauen einer Vollkommenheit, von der ein Funke in ihr glimmt, von der sie aber ein weit höheres Maass ausser sich alin- det. Diess Anschauen geht in Bewunderung, und wenn der Mensch sich ein Verhältniss zu jenem Wesen hinzudenkt, in Liebe über, aus welcher Begierde des A ehnlich Werdens, der Vereinigung entspringt. Diess findet sich auch bei den- jenigen Völkern, welche noch auf den niedrigsten Stufen der Bildung stehen. Denn daraus entspringt es, wenn selbst bei den rohesten Völkern die Ersten der Nation sich von den Göttern abzustammen, zu ihnen zurükzukehren wähnen. Nur verschieden ist die Vorstellung der Gottheit nach der Verschiedenheit der Vorstellung von Vollkommenheit, die in jedem Zeitalter und unter jeder Nation herrscht. Die Göt- ter der ältesten Griechen und Römer, und die Götter unse- rer entferntesten Vorfahren waren Ideale körperlicher Macht undStäike. Als die Idee des sinnlich Schönen entstand und verfeinert ward, erhob man die personificirte sinnliche Schön- heit auf den Thron der Gottheit, und so entstand die Reli- gion, welche man Religion der Kunst nennen könnte. Als man sich von dem Sinnlichen zum rein Geistigen, von dem
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Schönen zum Guten und Wahren erhob, wurde der Inbegriff aller intellektuellen und moralischen Vollkommenheit Ge- genstand der Anbetung, und die Religion ein Eigenthum der Philosophie. Vielleicht könnte nach diesem Maassstabe der Werth der verschiedenen Religionen gegen einander abge- wogen werden, wenn Religionen nach Nationen oder Par- iheien, nicht nach einzelnen Individuen verschieden wären. Allein so ist Religion ganz subjektiv, beruht allein auf der Eigenthümlichkeit der Vorstellungsart jedes Menschen.
Wenn die Idee einer Gottheit die Frucht wahrer geisti- ger Bildung ist; so wirkt sie schön und wohlthätig auf die innere Vollkommenheit zurük. Alle Dinge erscheinen uns in veränderter Gestalt, wenn sie Geschöpfe planvoller Ab- sicht, als wenn sie ein Werk eines vernunfllosen Zufalls sind. Die Ideen von Weisheit, Ordnung, Absicht, die uns zu unsrem Handien und selbst zur Erhöhung unsrer intel- lektuellen Kräfte so nothwendig sind, fassen festere Wurzel in unserer Seele, wenn wir sie überall entdekken. Das End- liche wird gleichsam unendlich, das Hinfällige bleibend, das Wandelbare stät, das Verschlungene einfach, wenn wir uns Eine ordnende Ursach an der Spize der Dinge, und eine endlose Dauer der geistigen Substanzen denken. Unser Forschen nach Wahrheit, unser Streben nach Vollkommen- heit gewinnt mehr Festigkeit und Sicherheit, wenn es ein Wesen für uns giebt, das der Quell aller Wahrheit, der In- begriff aller Vollkommenheit ist. Widrige Schiksale wer- den der Seele weniger fühlbar, da Zuversicht und Hofnung sich an sie knüpft. Das Gefühl, alles, was man besizt, aus der Hand der Liebe zu empfangen, erhöht zugleich die Glük- seligkeit und die moralische Güte. Durch Dankbarkeit bei der genossenen, durch hinlehnendes Vertrauen bei der er- sehnten Freude geht die Seele aus sich heraus, brütet nicht immer, in sich verschlossen, über den eignen Empfindungen
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Planen, Besorgnissen, Hofnungen. Wenn sie das erhebende Gefühl entbehrt, sich allein alles zu danken; so geniesst sie das entzükkende, in der Liebe eines andern Wesens zu le- ben, ein Gefühl, worin die eigne Vollkommenheit sich mit der Vollkommenheit jenes Wesens gattet. Sie wird gestimmt, andren zu sein, was andre ihr sind; will nicht, dass andre ebenso alles aus sich selbst nehmen sollen, als sie nichts von andern empfängt. Ich habe hier nur die Hauptmomente dieser Untersuchung berührt. Tiefer in den Gegenstand ein- zugehn, würde, nach Garves meisterhafter Ausführung, un- nüz und vermessen sein.
So mitwirkend aber auf der einen Seite religiöse Ideen bei der moralischen Vervollkommnung sind; so wenig sind sie doch auf der andern Seite unzertrennlich damit ver- bunden. Die blosse Idee geistiger Vollkommenheit ist gross und füllend und erhebend genug, um nicht mehr einer an- dern Hülle oder Gestalt zu bedürfen. Und doch liegt jeder Religion eine Personificirung, eine Art der Versinnlichung zum Grunde, ein Anthropomorphismus in höherem oder ge- ringerem Grade. Jene Idee der Vollkommenheit wird auch demjenigen unaufhörlich vorschweben, der nicht gewohnt ist, die Summe alles moralisch Guten in Ein Ideal zusam- menzufassen, und sich in Verhältniss zu diesem Wesen zu denken; sie wird ihm Antrieb zur Thätigkeit, Stoff aller Glükseligkeit sein. Fest durch die Erfahrung überzeugt, dass seinem Geiste Fortschreiten in höherer moralischer Starke möglich ist, wird er mit muthigem Eifer nach dem Ziele streben, das er sich stekt. Der Gedanke der Mög- lichkeit der Vernichtung seines Daseins wird ihn nicht schrek- ken, sobald seine täuschende Einbildungskraft nicht mehr im Nichtsein das Nichtsein noch fühlt. Seine unabänderliche Abhängigkeit von äusseren Schiksalen drükt ihn nicht; gleichgültiger gegen äusseres Geniessen und Entbehren, bükt
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er nur auf das rein Intellektuelle und Moralische hin, und Schiksal vermag etwas über das Innre seiner Seele. Sein Geist fühlt sich durch Selbstgenügsamkeit unabhängig, durch die Fülle seiner Ideen, und das Bewusstsein seiner innern Stärke über den Wandel der Dinge gehoben. Wenn er nun in seine Vergangenheit zurükgeht, Schritt vor Schritt aufsucht, wie er jedes Ereigniss bald auf diese, bald auf jene Weise benuzte, wie er nach und nach zu dem ward, was er jezt ist, wenn er so Ursach und Wir- kung, ZwTek und Mittel, alles in sich vereint sieht, und dann, voll des edelsten Stolzes, dessen endliche Wesen fähig sind, ausruft:
Hast du nicht alles selbst vollendet Heilig glühend Herz?
wie müssen da in ihm alle die Ideen von Alleinsein, von Hülflosigkeit, von Mangel an Schuz und Trost und Beistand verschwinden, die man gewöhnlich da glaubt, wo eine per- sönliche, ordnende, vernünftige Ursach der Kette des End- lichen fehlt? Dieses Selbstgefühl, dieses in und durch sich Sein wird ihn auch nicht hart und unempfindlich gegen andre Wesen machen, sein Herz nicht der theilnehmenden Liebe und jeder wohlwollenden Neigung verschliessen. Eben diese Idee der Vollkommenheit, die warlich nicht bloss kalte Idee des Verstandes ist, sondern warmes Gefühl des Her- zens sein kann, auf die sich seine ganze Wirksamkeit be- zieht, trägt sein Dasein in das Dasein andrer über. Es liegt ja in ihnen gleiche Fähigkeit zu grösserer Vollkommenheit, diese Vollkommenheit kann er hervorbringen oder erhöhen. Er ist noch nicht ganz von dem höchsten Ideale aller Mora- lität durchdrungen, solange er noch sich oder andre einzeln zu betrachten vermag, solange nicht alle geistige Wesen in der Summe der in ihnen einzeln zerstreut liegenden Voll- kommenheit in seiner Vorstellung zusammenfliessen. Viel- vii. 5
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leicht ist seine Vereinigung mit den übrigen , ihm gleichar- tigen Wesen noch inniger, seine Theilnahme an ihrem Schik- sale noch wärmer, je mehr sein und ihr Schiksal, seiner Vorstellung nach, allein von ihm und von ihnen abhängt.
Sezt man vielleicht, und nicht mit Unrecht, dieser Schil- derung den Einwurf entgegen, dass sie, um Realität zu er- hallen, eine ausserordentliche, nicht bloss gewöhnliche Stärke des Geistes und des Charakters erfordert ; so darf man wie- derum nicht vergessen, dass diess in gleichem Grade da der Fall ist, wo religiöse Gefühle ein wahrhaft schönes, von Kälte und Schwärmerei gleich fernes Dasein hervorbringen sollen. Auch würde dieser Einwurf überhaupt nur passend sein, wenn ich die Beförderung der zulezt geschilderten Stimmung vorzugsweise empfohlen hätte. Allein so geht meine Absicht schlechterdings allein dahin, zu zeigen, dass die Moralilät, auch bei der höchsten Konsequenz des Men- schen, schlechterdings nicht von der Religion abhängig, oder überhaupt nothwendig mit ihr verbunden ist, und dadurch auch an meinem Theile zu der Entfernung auch des min- desten Schattens von Intoleranz, und der Beförderung der- jenigen Achtung beizutragen, welche den Menschen immer für die Denkungs- und Empfmdungsweise des Menschen er- füllen sollte. Um diese Vorstellungsart noch mehr zu recht- fertigen, könnte ich jezt auf der andern Seite auch den nachtheiligen Einfluss schildern, welches die religiöseste Stimmung, wie die am meisten entgegengesezte, fähig ist. Allein es ist gehässig, bei so wenig angenehmen Gemählden zu verweilen, und die Geschichte schon stellt ihrer zur Ge- nüge auf. Vielleicht führt es auch sogar eine grössere Evi- denz mit sich, auf die Natur der Moralität selbst, und auf die genaue Verbindung, nicht bloss der Religiosität, sondern auch der Religionssysteme der Menschen mit ihren Empfin- dungssyslemen einen flüchtigen Blik zu werfen.
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Nun ist weder dasjenige, was die Moral als Pflicht vor- schreibt, noch dasjenige, was ihren Gesezen gleichsam die Sanktion giebt, was ihnen Interesse für den Willen leiht, von Religionsideen abhängig. Ich führe hier nicht an, dass eine solche Abhängigkeit sogar der Reinheit des moralischen Wil- lens Abbruch thun würde. Man könnte vielleicht diesem Grundsaz in einem, aus der Erfahrung geschöpften, und auf die Erfahrung anzuwendenden Raisonnement, wie das gegen- wärtige, die hinlängliche Gültigkeit absprechen. Allein die Beschaffenheiten einer Handlung, welche dieselbe zur Pflicht machen, entspringen theils aus der Natur der menschlichen Seele, theils aus der näheren Anwendung auf die Verhält- nisse der Menschen gegen einander; und wenn dieselben auch unläugbar in einem ganz vorzüglichen Grade durch religiöse Gefühle empfohlen werden, so ist diess weder das einzige, noch auch bei weitem ein auf alle Charaktere an- wendbares Mittel. Vielmehr beruht die Wirksamkeit der Religion schlechterdings auf der individuellen Beschaffenheit der Menschen, und ist im strengsten Verstände subjektiv. Der kalte, bloss nachdenkende Mensch, in dem die Erkennt- niss nie in EmpGndung übergeht, dem es genug ist, das Verhältniss der Dinge und Handlungen einzusehen, um sei- nen Willen darnach zu bestimmen, bedarf keines Religions- grundes, um tugendhaft zu handeln, und, soviel es seinem Charakter nach möglich ist, tugendhaft zu sein. Ganz an- ders ist es hingegen, wo die Fähigkeit zu empfinden sehr stark ist, wo jeder Gedanke leicht Gefühl wird. Allein auch hier sind die Nuancen unendlich verschieden. Wo die Seele einen starken Hang fühlt, aus sich hinaus in andre überzu- gehen, an andre sich anzuschliessen, da werden Religions- ideen wirksame Triebfedern sein. Dagegen giebt es Cha- raktere, in welchen eine so innige Konsequenz aller Ideen und Empfindungen herrscht, die eine so grosse Tiefe der
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Erkenntniss und des Gefühls besizen, dass daraus eine Stärke und Selbstständigkeit hervorgeht, welche das Hingeben des oanzen Seins an ein fremdes Wesen, das Vertrauen auf fremde Kraft, wodurch sich der Einfluss der Religion so vorzüglich äussert, weder fordert noch erlaubt. Selbst die Lagen, welche erfordert werden, um auf Religionsideen zu- rükzukommen, sind nach Verschiedenheit der Charaktere verschieden. Bei dem einen ist jede starke Rührung — Freude oder Kummer — bei dem andren nur das frohe Gefühl aus dem Genuss entspringender Dankbarkeit dazu hinreichend. Die lezteren Charaktere verdienen vielleicht nicht die wenigste Schäzung. Sie sind auf der einen Seite stark genug, um im Unglük nicht fremde Hülfe zu suchen, und haben auf der andren zu viel Sinn für das Gefühl ge- liebt zu werden, um nicht an die Idee des Genusses gern die Idee eines liebevollen Gebers zu knüpfen. Oft hat auch die Sehnsucht nach religiösen Ideen noch einen edleren, rei- neren, wenn ich so sagen darf, mehr intellektuellen Quell. Was der Mensch irgend um sich her erblikt, vermag er allein durch die Vermittlung seiner Organe aufzufassen; nir- gends offenbart sich ihm unmittelbar das reine Wesen der Dinge; gerade das, was am heftigsten seine Liebe erregt, am unwiderstehlichsten sein ganzes Inneres ergreift, ist mit dem dichtesten Schleier umhüllt; sein ganzes Leben hindurch ist seine Thätigkeit Bestreben, den Schleier zu durchdrin- gen, seine Wollust Ahnden der Wahrheit in dem Räthsel des Zeichens, Hoffen der unvermittelten Anschauung in an- deren Perioden seines Daseins. Wo nun, in wundervoller und schöner Harmonie, nach der unvermittelten Anschauung des wirklichen Daseins der Geist rastlos forscht, und das Herz sehnsuchtsvoll verlangt, wo der Tiefe der Denkkraft nicht die Dürftigkeit des Begriffs, und der Wärme des Ge- fühls nicht das Schattenbild der Sinne und der Phantasie
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genügt; da folgt der GJaube unaufhaltbar dem eigenthüm- lichen Triebe der Vernunft, jeden Begriff, bis zur Hinweg- räumung aller Schranken, bis zum Ideal zu erweitern, und heftet sich fest an ein Wesen, das alle andre Wesen um- schliesst, und rein und ohne Vermittlung existirt, anschaut und schaft. Allein oft beschränkt auch eine genügsamere Be- scheidenheit den Glauben innerhalb des Gebiets der Erfah- rung; oft vergnügt sich zwar das Gefühl gern an dem der Vernunft so eignen Ideal, findet aber einen wollustvolleren Reiz in dem Bestreben, eingeschränkt auf die Welt, für die ihm Empfänglichkeit gewährt ist, die sinnliche und unsinn- liche Natur enger zu verweben, dem Zeichen einen reiche- ren Sinn, und der Wahrheit ein versländlicheres, ideenfrucht- bareres Zeichen zu leihen ; und oft wird so der Mensch für das Entbehren jener trunkenen Begeisterung hoffender Er- wartung, indem er seinem Blik in unendliche Fernen zu schweifen verbietet, durch das ihn immer begleitende Be- wusstsein des Gelingens seines Bestrebens entschädigt. Sein minder kühner Gang ist doch sichrer; der Begriff des Ver- standes, an den er sich festhält, bei minderem Reichthum, doch klarer; die sinnliche Anschauung, wenn gleich weni- ger der Wahrheit treu, doch für ihn tauglicher, zur Erfah- rung verbunden zu werden. Nichts bewundert der Geist des Menschen überhaupt so willig und mit so voller Ein- stimmung seines Gefühls, als weisheitsvolle Ordnung in einer zahllosen Menge mannigfaltiger, vielleicht sogar mit einander streitender Individuen. Indess ist diese Bewunderung einigen noch in einem bei weitem vorzüglicheren Grade eigen, und diese verfolgen daher vor allem gern die Vorstellungsart, nach welcher Ein Wesen die Welt schuf und ordnete, und mit sorgender Weisheit erhält. Allein andern ist gleichsam die Kraft des Individuums heiliger, andre fesselt diese mehr, als die Allgemeinheit der Anordnung, und es stellt sich ihnen
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daher öfter und natürlicher der, wenn ich so sagen darf, entgegen °esezte Weg dar, der neinlich, auf welchen das Wesen der Individuen selbst, indem es sich in sich entwic- kelt, und durch Einwirkung gegenseitig modifient, sich selbst zu der Harmonie stimmt, in welcher allein der Geist, wie das Herz des Menschen, zu ruhen vermag. Ich bin weit entfernt zu wähnen, mit diesen wenigen Schilderungen die Mannigfaltigkeit des Stoffs, dessen Reichthum jeder Klassi- fikation widerstrebt, erschöpft zu haben. Ich habe nur an ihnen, wie an Beispielen zeigen wollen, dass die wahre Re- ligiosität, so wie auch jedes wahre Religionssystem, im höchsten Verstände aus dem innersten Zusammenhange der Empfindungsweise des Menschen entspringt. Unabhängig von der Empfindung und der Verschiedenheit des Charakters ist nun zwar das, was in den Religionsideen rein Intellektuelles liegt, die Begriffe von Absicht, Ordnung, Zwekmässigkeit, Vollkommenheit. Allein einmal ist hier nicht sowohl von diesen Begriffen an sich, als von ihrem Einfluss auf die Menschen die Rede, welcher leztere unstreitig keines weges eine gleiche Unabhängigkeit behauptet; und dann sind auch diese der Religion nicht abschliessend eigen. Die Idee von Vollkommenheit wird zuerst aus der lebendigen Natur ge- schöpft, dann auf die leblose übergetragen, endlich nach und nach, bis zu dem Allvollkommenen hinauf von allen Schran- ken enlblösst. Nun aber bleiben lebendige und leblose Na- tur dieselben, und ist es nicht möglich, die ersten Schritte zu thun, und doch vordem lezten stehen zu bleiben? Wenn nun alle Religiosität so gänzlich auf den mnnnigfaltigen Mo- difikationen des Charakters und vorzüglich des Gefühls be- ruht; so muss auch ihr Einfluss auf die Sittlichkeit ganz und gar nicht von der Materie gleichsam des Inhalts der ange- nommenen Säze, sondern von der Form des Annehmens, der Ueberzeugung, des Glaubens abhängig sein. Diese Be-
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merkung-, die mir gleich in der Folge von grossem Nuzen sein wird, hoffe ich durch das Bisherige hinlänglich gerecht- fertigt zu haben. Was ich vielleicht allein hier noch fürch- o
ten darf, ist der Vorwurf, in allem, was ich sagte, nur den sehr von der Natur und den Umständen begünstigten, in- teressanten, und eben darum seltenen Menschen vor Augen gehabt zu haben. Allein die Folge wird, hoffe ich, zeigen, dass ich den freilich grösseren Haufen keineswegs übersehe, und es scheint mir unedel, überall da, wo es der Mensch ist, welcher die Untersuchung beschäftigt, nicht aus den höchsten Gesichtspunkten auszugehen.
Kehre ich jezt — nach diesem allgemeinen, auf die Re- ligion und ihren Einfluss im Leben geworfenen Blik — auf die Frage zurük, ob der Staat durch die Religion auf die Sitten der Bürger wirken darf oder nicht? so ist es gewiss, dass die Mittel, welche der Gesezgeber zum Behuf der mo- ralischen Bildung anwendet, immer in dem Grade nüzlich und zwekmässig sii.d, in welchem sie die innere Enlwikke- lung der Fähigkeiten und Neigungen begünstigen. Denn alle Bildung hat ihren Ursprung allein in dem Innern der Seele, und kann durch äussere Veranstaltungen nur veranlasst, nie hervorgebracht werden. Dass nun die Religion, welche ganz auf Ideen, Empfindungen und innrer Ueberzeugung beruht, ein solches Mittel sei, ist unläugbar. Wir bilden den Künstler, indem wir sein Auge an den Meisterwerken der Kunst üben, seine Einbildungskraft mit den schönen Gestalten der Pro- dukte des Alterthums nähren. Ebenso muss der sittliche Mensch gebildet werden durch das Anschauen hoher mora- lischer Vollkommenheit, im Leben durch Umgang, und durch zwekmässiges Studium der Geschichte, endlich durch das Anschouen der höchsten, idealischen Vollkommenheit im Bilde der Gottheit. Aber diese leztere Ansicht ist, wie ich im Vorigen gezeigt zu haben glaube, nicht für jedes Auge ge-
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macht, oder um ohne Bild zu reden, diese Vorsteliungsart ist nicht jedem Charakter angemessen. Wäre sie es aber auch; so ist sie doch nur da wirksam, wo sie aus dem Zu- sammenhange aller Ideen und Empfindungen entspringt, wo sie mehr von selbst aus dem Innern der Seele hervorgeht, als von aussen in dieselbe gelegt wird. Wegräumung der Hindernisse, mit Religionsideen vertraut zu werden, und Be- günstigung des freien Untersuchungsgeistes sind folglich die einzigen Mittel, deren der Gesezgeber sich bedienen darf; geht er weiter, sucht er die Religiosität direkt zu befördern, oder zu leiten, oder nimmt er gar gewisse bestimmte Ideen in Schuz, fordert er, statt wahrer Ueberzeugung, Glauben auf Autorität; so hindert er das Aufstreben des Geistes, die Entwiklung der Seelenkräfte; so bringt er vielleicht durch Gewinnung der Einbildungskraft, durch augenblikliche Rüh- rungen Gesezmässigkeit der Handlungen seiner Bürger, aber nie wahre Tugend hervor. Denn wahre Tugend ist unab- hängig von aller, und unverträglich mit befohlener, und auf Autorität geglaubter Religion.
Wenn jedoch gewisse Religionsgrundsäze auch nur ge- sezmässige Handlungen hervorbringen, ist diess nicht genug, um den Staat zu berechtigen, sie, auch auf Kosten der all- gemeinen Denkfreiheit, zu verbreiten? Die Absicht des Staats wird erreicht, wenn seine Geseze streng befolgt wer- den; und der Gesezgeber hat seiner Pflicht ein Genüge ge- than, wenn er weise Geseze giebt, und ihre Beobachtung von seinen Bürgern zu erhalten weiss. Ueberdiess passt je- ner aufgestellte Begriff von Tugend nur auf einige wenige Klassen der Mitglieder eines Staats, nur auf die, welche ihre äussere Lage in den Stand sezt, einen grossen Theil ihrer Zeit und ihrer Kräfte dem Geschäfte ihrer inneren Bildung zu weihen. Die Sorgfalt des Staats muss sich auf die gros-
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sere Anzahl erstrekken, und diese ist jenes höheren Grades der Moralität unfähig.
Ich erwähne hier nicht mehr die Saze, welche ich in dem Anfange dieses Aufsazes zu entwikkeln versucht habe, und die in der That den Grund dieser Einwürfe umstossen, die Säze nemlich, dass die Staatseinrichtung an sich nicht Zwek, sondern nur Mittel zur Bildung des Menschen ist, und dass es daher dem Gesezgeber nicht genügen kann, seinen Aussprüchen Autorität zu verschaffen, wenn nicht zu- gleich die Mittel, wodurch diese Autorität bewirkt wird, gut, oder doch unschädlich sind. Es ist aber auch unrichtig, dass dem Staate allein die Handlungen seiner Bürger und ihre Gesezmässigkeit wichtig sei. Ein Staat ist eine so zusammengesezte und verwikkelte Maschine, dass Geseze, die immer nur einfach, allgemein, und von geringer Anzahl sein müssen, unmöglich allein darin hinreichen können. Das Meiste bleibt immer den freiwilligen einstimmigen Bemühun- gen der Bürger zu thun übrig. Man braucht nur den Wohl- stand kultivirter und aufgeklärter Nationen mit der Dürftig- keit roher und ungebildeter Völker zu vergleichen, um von diesem Saze überzeugt zu werden. Daher sind auch die Bemühungen aller, die sich je mit Staatseinrichtungen be- schäftigt haben, immer dahin gegangen, das Wohl des Staats zum eignen Interesse des Bürgers zu machen, und den Staat in eine Maschine zu verwandeln, die durch die innere Kraft ihrer Triebfedern in Gang erhalten würde, und nicht un- aufhörlich neuer äusserer Einwirkungen bedürfte. Wenn die neueren Staaten sich eines Vorzugs vor den alten rühmen dürfen ; so ist es vorzüglich weil sie diesen Grundsaz mehr realisirten. Selbst dass sie sich der Religion, als eines Bil- dungsmittels bedienen, ist ein Beweis davon. Doch auch die Religion, insofern nemlich durch gewisse bestimmte Säze nur gute Handlungen hervorgebracht, oder durch positive
Leitung überhaupt auf die Sitten gewirkt werden soll, wie es hier der Fall ist, ist ein fremdes, von aussen einwirken- des Mittel. Daher muss es immer des Gesezgebers leztes, aber — wie ihn wahre Kenntniss des Menschen bald lehren wird — nur durch Gewährung der höchsten Freiheit erreich- bares Ziel bleiben, die Bildung der Bürger bis dahin zu er- höhen, dass sie alle Triebfedern zur Beförderung des Zweks des Staats allein in der Idee des Nuzens finden, welchen ihnen die Slaatseinrichtung zu Erreichung ihrer individuellen Absichten gewährt. Zu dieser Einsicht aber ist Aufklärung und hohe Geistesbildung noth wendig, welche da nicht em- porkommen können, wo der freie Untersuchungsgeist durch Geseze beschränkt wird.
Nur dass man sich überzeugt hält, ohne bestimmte, ge- glaubte Religionssäze oder wenigstens ohne Aufsicht des Staats auf die Religion der Bürger, können auch äussere Ruhe und Sittlichkeit nicht bestehen, ohne sie sei es der bürgerlichen Gewalt unmöglich, das Ansehen der Geseze zu erhalten, macht, dass man jenen Betrachtungen kein Ge- hör giebt. Und doch bedurfte der Einfluss, den Religions- säze, die auf diese Weise angenommen werden und über- haupt jede, durch Veranstaltungen des Staats beförderte Re- ligiosität haben soll, wohl erst einer strengeren und genaueren Prüfuno;. Bei dem roheren Theile des Volks rechnet man von allen Religionswahrheiten am meisten auf die Ideen künfti- ger Belohnungen und Bestrafungen. Diese mindern den Hang zu unsittlichen Handlungen nicht, befördern nicht die Neigung zum Guten, verbessern also den Charakter nicht, sie wirken bloss auf die Einbildungskraft, haben folglich, wie Bilder der Phantasie überhaupt, Einfluss auf die Art zu handeln, ihr Einfluss wird aber auch durch alles das ver- mindert, und aufgehoben, was die Lebhaftigkeit der Einbil- dungskraft schwächt. Nimmt man nun hinzu, dass diese Er-
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Wartungen so entfernt, und darum, selbst nach den Vorstel- lungen der Gläubigsten, so ungewiss sind, dass die Ideen von nachheriger Reue, künftiger Besserung, gehofter Ver- zeihung, welche durch gewisse Religionsbegriffe so sehr be- günstigt werden — ihnen einen grossen Theil ihrer Wirk- samkeit wiederum nehmen; so ist es unbegreiflich, wie diese Ideen mehr wirken sollten, als die Vorstellung bürgerlicher Strafen, die nah, bei guten Polizeianstalten gewiss, und we- der durch Reue, noch nachfolgende Besserung abwendbar sind, wenn man nur von Kindheit an die Bürger ebenso mit diesen, als mit jenen Folgen sittlicher und unsittlicher Hand- lungen bekannt machte. Unläugbar wirken freilich auch we- niger aufgeklarte Religionsbegriffe bei einem grossen Theile des Volks auf eine edlere Art. Der Gedanke, Gegenstand der Fürsorge eines allweisen und vollkommenen Wesens zu sein, giebt ihnen mehr Würde, die Zuversicht einer endlosen Dauer führt sie auf höhere Gesichtspunkte, bringt mehr Ab- sicht und Plan in ihre Handlungen, das Gefühl der liebevol- len Güte der Gottheit giebt ihrer Seele eine ähnliche Stim- mung, kurz die Religion flösst ihnen Sinn für die Schönheit der Tugend ein. Allein wo die Religion diese Wirkungen haben soll, da muss sie schon in den Zusammenhang der Ideen und Empfindungen ganz übergegangen sein , welches nicht leicht möglich ist , wenn der freie Untersuchungsgeist gehemmt, und alles auf den Glauben zurükgeführt wird; da muss auch schon Sinn für bessere Gefühle vorhanden sein; da entspringt sie mehr aus einem, nur noch unent- wikkelten Hange zur Sittlichkeit, auf den sie hernach nur wieder zurükwirkt. Und überhaupt wird ja niemand den Einfluss der Religion auf die Sittlichkeit ganz abläugnen wollen; es fragt sich nur immer, ob er von einigen be- stimmten Religionssäzen abhängt? und dann ob er so ent- schieden ist, dass Moralilät und Religion darum in unzer-
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trennlicher Verbindung mit einander stehen? Beide Fragen müssen, glaube ich, verneint werden. Die Tugend stimmt so sehr mit den ursprünglichen Neigungen des Menschen überein, die Gefühle der Liebe, der Verträglichkeil, der Ge- rechtigkeit haben so etwas Süsses, die der uneigennüzigen Thätigkeit, der Aufopferung für andre so etwas Erhebendes, die Verhältnisse, welche daraus im häuslichen und gesell- schaftlichen Leben überhaupt entspringen, sind so beglük- kend, dass es weit weniger nothwendig ist, neue Triebfedern zu tugendhaften Handlungen hervorzusuchen, als nur denen, welche schon von selbst in der Seele liegen, freiere und ungehindertere Wirksamkeit zu verschaffen.
Wollte man aber auch weiter gehen, wollte man neue Beförderungsmittel hinzufügen ; so dürfte man doch nie ein- seitig vergessen, ihren IN uzen gegen ihren Schaden abzu- wägen. Wie vielfach aber der Schade eingeschränkter Denkfreiheit ist, bedarf wohl, nachdem es so oft gesagt, und wieder gesagt ist, keiner weitläufigen Auseinandersezung mehr; und ebenso enthält der Anfang dieses Aufsazes schon alles, was ich über den Nachtheil jeder positiven Beförde- rung der Religiosität durch den Staat zu sagen für noth- wendia; halte. Erstrekte sich dieser Schade bloss auf die Resultate der Untersuchungen, brächte er bloss Unvollstän- digkeit oder Unrichtigkeit* in unsrer wissenschaftlichen Er- kenntniss hervor; so möchte es vielleicht einigen Schein haben, wenn man den Nuzen, den man von dem Charak- ter davon erwartet — auch erwarten darf? — dagegen ab- wägen wollte. Allein so ist der Nachtheil bei weitem be- trächtlicher. Der Nuzen freier Untersuchung dehnt sich auf unsre ganze Art, nicht bloss zu denken, sondern zu handien aus. In einem Manne, der gewohnt ist, Wahrheit und Irr- thum, ohne Rüksicht auf äussere Verhältnisse für sich und gegen andre zu beurtheilen, und von andren beurtheilt zu
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hören, sind alle Principien des Handlens durchdachter, kon- sequenter, aus höheren Gesichtspunkten hergenommen, als in dem, dessen Untersuchungen unaufhörlich von Umständen geleitet werden, die nicht in der Untersuchung selbst liegen. Untersuchung und Ueberzeugung, die aus der Untersuchung entspringt, ist Selbsttätigkeit; Glaube Vertrauen auf fremde Kraft, fremde intellektuelle oder moralische Vollkommenheit. Daher entsteht in dem untersuchenden Denker mehr Selbst- ständigkeit, mehr Festigkeit; in dem vertrauenden Gläubigen mehr Schwäche, mehr Unthätigkeit. Es ist wahr, dass der Glaube, wo er ganz herrscht, und jeden Zweifel erstikt, sogar einen noch unüberwindlicheren Muth, eine noch aus- dauerndere Stärke hervorbringt; die Geschichte aller Schwär- mer lehrt es. Allein diese Stärke ist nur da wünschens- werth, wo es auf einen äussren bestimmten Erfolg an- kommt, zu welchem bloss maschinenmässiges Wirken erfor- dert wird; nicht da, wo man eignes Beschliessen, durchdachte, auf Gründen der Vernunft beruhende Handlungen, oder gar innere Vollkommenheit erwartet. Denn diese Stärke selbst beruht nur auf der Unterdrükkung aller eignen Thätigkeit der Vernunft. Zweifel sind nur dem quälend, welcher glaubt, nie dem, welcher bloss der eignen Untersuchung folgt. Denn überhaupt sind diesem die Resultate weit weniger wichtig, als jenem. Er ist sich, während der Untersuchung, der Thätigkeit, der Stärke seiner Seele bewusst, er fühlt, dass seine wahre Vollkommenheit, seine Glükseliiikeit eioent- lieh auf dieser Stärke beruht; statt dass Zweifel an den Säzen, die er bisher für wahr hielt, ihn drükken sollten, freut es ihn, dass seine Denkkraft so viel gewonnen hat, Irrthümer einzusehen, die ihm vorher verborgen blieben. Der Glaube hingegen kann nur Interesse an dem Resultat selbst finden, denn für ihn liegt in der erkannten Wahrheit nichts mehr. Zweifel, die seine Vernunft erregt, peinigen
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ihn. Denn sie sind nicht, wie in dem selbstdenkenden Kopfe, neue Mittel zur Wahrheit zu gelangen; sie nehmen ihm bloss die Gewissheit, ohne ihm ein Mittel anzuzeigen, dieselbe auf eine andre Weise wieder zu erhalten. Diese Betrachtung, weiter verfolgt, führt auf die Bemerkung, dass es überhaupt nicht gut ist, einzelnen Resultaten eine so grosse Wichtig- keit beizumessen, zu glauben, dass entweder so viele andere Wahrheiten, oder so viele äussere oder innere nüzliche Folgen von ihnen abhiingen. Es wird dadurch zu leicht ein Stillsland in der Untersuchung hervorgebracht, und so arbeiten manchmal die freiesten und aufgeklärtesten Behaup- tungen gerade gegen den Grund, ohne den sie selbst nie halten emporkommen können. So wichtig ist Geistesfreiheit, so schädlich jede Einschränkung derselben. Auf der andren Seite hingegen fehlt es dem Staate nicht an Mitteln, die Ge- seze aufrecht zu erhalten, und Verbrechen zu verhüten. Man verslopfe, soviel es möglich ist, diejenigen Quellen un- sittlicher Handlungen, welche sich in der Staatseinrichtung selbst finden, man schärfe die Aufsicht der Polizei auf be- gangene Verbrechen, man strafe auf eine zwekmässige Weise, und man wird seines Zweks nicht verfehlen. Und vergisst man denn, dass die Geistesfreiheit selbst, und die Aufklärung, die nur unter ihrem Schuze gedeiht, das wirk- samste aller Beförderungsmittel der Sicherheit ist? Wenn alle übrige nur den Ausbrüchen wehren, so wirkt sie auf Neigungen und Gesinnungen; wenn alle übrige nur eine Uebereinstimmung äussrer Handlungen hervorbringen, so schaft sie eine innere Harmonie des Willens und des Be- strebens. Wann wird man aber auch endlich aufhören, die äusseren Folgen der Handlungen höher zu achten, als die innere geislige Stimmung, aus welcher sie fliessen? wann wird der Mann aufslehen, der für die Gesezgebung ist, was Rousseau der Erziehung war, der den Gesichtspunkt von
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den äussren physischen Erfolgen hinweg auf die innere Bil- dung des Menschen zurükzieht?
Man glaube auch nicht, dass jene Geistesfreiheit und Aufklarung nur für einige Wenige des Volks sei, dass für den grösseren Theil desselben, dessen Geschäftigkeit freilich durch die Sorge für die physischen Bedürfnisse des Lebens erschöpft wird, sie unnüz bleibe, oder gar nachtheilig werde, dass man auf ihn nur durch Verbreitung bestimmter Säze, durch Einschränkung der Denkfreiheit wirken könne. Es liegt schon an sich etwas die Menschheit Herabwürdigendes in dem Gedanken, irgend einem Menschen das Recht abzu- sprechen, ein Mensch zu sein. Keiner steht auf einer so niedrigen Stufe der Kultur, dass er zu Erreichung einer höheren unfähig wäre; und sollten auch die aufgeklärteren religiösen und philosophischen Ideen auf einen grossen Theil der Bürger nicht unmittelbar übergehen können, sollte man dieser Klasse von Menschen, um sich an ihre Ideen anzu- schmiegen, die Wahrheit in einem andern Kleide vortragen müssen, als man sonst wählen würde, sollte man genöthigt sein, mehr zu ihrer Einbildungskraft und zu ihrem Herzen, als zu ihrer kalten Vernunft zu reden; so verbreitet sich doch die Erweiterung, welche alle wissenschaftliche Erkennt- niss durch Freiheit und Aufklärung erhält, auch bis auf sie herunter, so dehnen sich doch die wohlthäligen Folgen der freien, uneingeschränkten Untersuchung auf den Geist und den Charakter der ganzen Nation bis in ihre geringsten In- dividua hin aus.
Um diesem Raisonnement, weil es sich grossen llieils nur auf den Fall bezieht, wenn der Staat gewisse Religions- säze zu verbreiten bemüht ist, eine grössere Allgemeinheit zu geben, muss ich noch an den, im Vorigen entwikelten Saz erinnern, dass aller Einlluss der Religion auf die Sitt- lichkeit weit mehr — wenn nicht allein — von der Form
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abhängt, in welcher gleichsam die Religion im Menschen existirt, als von dem Inhalte der Säze, welche sie ihm hei- lio- macht. Nun aber wirkt jede Veranstaltung des Staats, wie ich gleichfalls im Vorigen zu zeigen versucht habe, nur mehr oder minder, auf diesen Inhalt, indess der Zugang zu jener Form — wenn ich mich dieses Ausdruks ferner bedienen darf — ihm so gut als gänzlich verschlossen ist. Wie Religion in einem Menschen von selbst entstehe? wie er sie aufnehme? diess hängt gänzlich von seiner ganzen Art zu sein, zu denken und zu empfinden ab. Auch nun ange- nommen, der Staat wäre im Stande, diese auf eine, seinen Absichten bequeme Weise umzuformen — wovon doch die Unmöglichkeit wohl unläugbar ist — so wäre ich in der Rechtfertigung der, in dem ganzen bisherigen Vortrage auf- gestellten Behauptungen sehr unglüklich gewesen, wenn ich hier noch alle die Gründe wiederholen müsste, welche es dem Staate überall verbieten, sich des Menschen, mit Ueber- sehung der individuellen Zwekke desselben, eigenmächtig zu seinen Absichten zu bedienen. Dass auch hier nicht absolute Nolhwendigkeit eintritt, welche allein vielleicht eine Ausnahme zu rechtfertigen vermöchte, zeigt die Unabhängigkeit der Mo- ralität von der Religion, die ich darzuthun versucht habe, und werden diejenigen Gründe noch in ein helleres Licht stellen, durch die ich bald zu zeigen gedenke, dass die Er- haltung der innerlichen Sicherheit in einem Staate keines- wegs es erfordert, den Sitten überhaupt eine eigne be- stimmte Richtung zu geben. Wenn aber irgend etwas in den Seelen der Bürger einen fruchtbaren Boden für die Re- ligion zu bereiten vermag, wenn irgend etwas die fest auf- genommene und in das Gedanken- wie in das Empfindungs- system übergegangene Religion wohl thä tig auf die Sittlich- keit zurükwirken lässt; so ist es die Freiheit, welche doch immer, wie wenig es auch sei, durch eine positive Sorgfalt
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des Staats leidet. Denn je mannigfaltiger und eigentüm- licher der Mensch sich ausbildet, je höher sein Gefühl sich emporschwingt; deslo leichter lichtet sich auch sein Blik von dem engen, wechselnden Kreise, der ihn umgiebt, auf das hin, dessen Unendlichkeit und Einheit den Grund jener Schranken und jenes Wechsels enthält, er mag nun ein sol- ches Wesen zu finden oder nicht zu finden vermeinen. Je freier ferner der Mensch ist, desto selbstständiger wird er in sich, und desto wohlwollender gegen andere. Nun aber führt nichts so der Gottheit zu, als wohlwollende Liebe; und macht nichts so das Entbehren der Gottheit der Sitt- lichkeit unschädlich, als Selbstständigkeit, die Kraft, die sich in sich genügt, und sich auf sich beschränkt. Je höher endlich das Gefühl der Kraft in dem Menschen, je unge- hemmter jede Aeusserung derselben; desto williger sucht er ein inneres Band, das ihn leite und führe, und so bleibt er der Sittlichkeit hold, es mag nun diess Band ihm Ehrfurcht und Liebe der Gottheit, oder Belohnung des eignen Selbst- gefühls sein. Der Unterschied scheint mir demnach der: der in Religionssachen völlig sich selbst gelassene Bürger wird nach seinem individuellen Charakter religiöse Gefühle in sein Inneres verweben, oder nicht; aber in jedem Fall wird sein Ideensystem konsequenter, seine Empfindung tie- fer, in seinem Wesen mehr Einheit sein, und so wird ihn Sittlichkeit und Gehorsam gegen die Geseze mehr auszeich- nen. Der durch mancherlei Anordnungen beschränkte hin- gegen wird — troz derselben — eben so verschiedne Reli- gionsideen aufnehmen, oder nicht; allein in jedem Fall wird er weniger Konsequenz der Ideen, weniger Innigkeit des Gefühls, weniger Einheit des Wesens besizen, und so wird er die Sittlichkeit minder ehren, und dem Gesez öfter aus- weichen wollen.
Ohne also weitere Gründe hinzuzufügen, glaube ich vu. f>
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demnach den auch an sich nicht neuen Saz aufstellen zu dürfen, dass alles, was die Religion betrifl, ausserhalb der Granzcn der Wirksamkeit des Staats liegt, und dass die Pre- diger, wie der ganze Gottesdienst überhaupt, eine, ohne alle besondere Aufsicht des Staats zu lassende Einrichtung der Gemeinen sein müssten.
VIII. Sittenverbesserung *).
Das lezte Mittel, dessen sich die Staaten zu bedienen pflegen, um eine, ihrem Endzwek der Beförderung der Si- cherheit angemessene Umformung der Sitten zu bewirken, sind einzelne Geseze und Verordnungen. Da aber diess ein Weg ist, auf welchem Sittlichkeit und Tugend nicht unmit- telbar befördert werden kann; so müssen sich einzelne Ein- richtungen dieser Art natürlich darauf beschranken, einzelne Handlungen der Bürger zu verbieten, oder zu bestimmen, die theils an sich, jedoch ohne fremde Rechte zu kränken, unsittlich sind, theils leicht zur Unsittlichkeit führen. Dahin gehören vorzüglich alle Luxus einschränkende Geseze. Denn nichts ist unstreitig eine so reiche und gewöhnliche Quelle un- sittlicher, selbst gesezwidriger Handlungen, als das zu grosse Uebergewicht der Sinnlichkeit in der Seele, oder das Mis- verhältniss der Neigungen und Begierden überhaupt gegen die Kräfte der Befriedigung, welche die äussere Lage dar- bietet. Wenn Enthaltsamkeit und Massigkeit die Menschen mit den ihnen angewiesenen Kreisen zufrieden maebt; so
*) Dieser Abschnitt war bereits in der Berliner Monatsschrift Jahrg. 1792, Stück 11. S. 419 — 44 enthalten und ist daraus in diesen „gesammelten Werken" Bd. I. S. 318 — 35 abgedrukt, vergl. S. 45 Anm.
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suchen sie minder, dieselben auf eine, die Rechte andrer beleidigende, oder wenigstens ihre eigne Zufriedenheit und Glükseligkeit störende Weise zu verlassen. Es scheint da- her dem wahren Endzwek des Staats angemessen, die Sinn- lichkeit — aus welcher eigentlich alle Kollisionen unter den Menschen entspringen, da das, worin geistige Gefühle über- wiegend sind, immer und überall harmonisch mit einander bestehen kann — in den gehörigen Schranken zu halten; und, weil diess freilich das leichteste Mittel hierzu scheint, so viel als möglich zu unterdrükken. Bleibe ich indess den bisher behaupteten Grundsäzen gelreu, immer erst an dem wahren Interesse des Menschen die Mittel zu prüfen, deren der Staat sich bedienen darf; so wird es no th wendig sein, mehr dem Einfluss der Sinnlichkeil auf das Leben, die Bil- dung, die Thätigkeit und die Glükseligkeit des Menschen, soviel es zu dem gegenwärtigen Endzwekke dient, zu un- tersuchen — eine Untersuchung, welche, indem sie den thätigen und geniessenden Menschen überhaupt in seinem Innern zu schildern versucht, zugleich anschaulicher dar- stellen wird, wie schädlich oder wohllhalig demselben über- haupt Einschränkung und Freiheit ist. Erst wenn diess ge- schehen isl, dürfte sich die Befugniss des Staats, auf die " Sitten der Bürger positiv zu wirken, in der höchsten All- gemeinheit beuitheilen, und damit dieser Theil der Aullösung der vorgelegten Frage beschliessen lassen.
Die sinnlichen Empfindungen, Neigungen und Leiden- schaften sind es, welche sich zuerst und in den heftigsten AeusseRingen im Menschen zeigen. Wo sie, ehe noch Kul- tur sie verfeinert, oder der Energie der Seele eine andre Richtung gegeben hat, schweigen; da ist auch alle Kraft erstorben, und es kann nie etwas Gutes und Grosses ge- deihen. Sie sind es gleichsam, welche wenigstens zuerst der Seele eine belebende Wärme einhauchen, zuerst zu einer
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eigenen Thätigkeit anspornen. Sie bringen Leben und Stre- bekraft in dieselbe, unbefriedigt machen sie thätig, zur An- legung von Planen erfindsam, mulhig zur Ausübung; be- friedigt befördern sie ein leichtes, ungehindertes Ideenspiel. Ueberhaupt bringen sie alle Vorstellungen in grössere und mannigfaltigere Bewegung, zeigen neue Ansichten, führen auf neue, vorher unbemerkt gebliebene Seiten; ungerechnet, wie die verschiedne Art ihrer Befriedigung auf den Körper und die Organisation, und diese wieder auf eine Weise, die uns freilich nur in den Resultaten sichtbar wird, auf die Seele zurükwirkt.
Indess ist ihr Einfluss in der Intension, wie in der Art des Wirkens verschieden. Diess beruht theils auf ihrer Starke oder Schwache, theils aber auch — wenn ich mich so ausdrükken darf — auf ihrer Verwandtschaft mit dem Unsinnlichen, auf der grösseren oder minderen Leichtigkeit, sie von thierischen Genüssen zu menschlichen Freuden zu erheben. So leiht das Auge der Materie seiner Empfindung die für uns so genussreiche und ideenfruchtbare Form der Gestalt, so das Ohr die der verhältnissmassigen Zeilfolge der Töne. Ueber die verschiedene Natur dieser Empfindun- gen und die Art ihrer Wirkung liesse sich vielleicht viel Schönes und manches Neue sagen, wozu aber schon hier nicht einmal der Ort ist. Nur Eine Bemerkung über ihren verschiedenen Nuzen zur Bildung der Seele. Das Auge, wenn ich so sagen darf, liefert dem Verslande einen mehr vorbereiteten Stoff. Das Innere des Menschen wird uns gleichsam mit seiner, und der übrigen, immer in unserer Phantasie auf ihn bezogenen Dinge Gestalt, bestimmt, und in einem einzelnen Zustande, gegeben. Das Ohr, bloss als Sinn betrachtet, und insofern es nicht Worte aufnimmt, ge- währt eine bei weitem geringere Bestimmtheit. Darum räumt auch Kant den bildenden Künsten den Vorzug vor
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der Musik ein. Allein er bemerkt sehr richtig, dass diess auch zum Maassstabe die Kultur vorausseht, welche die Künste dem Gemüih verschaffen, und ich möchte hinzu- sezen, welche sie ihm unmittelbar verschaffen. Es fragt sich indess, ob diess der richtige Maassstab sei? Meiner Idee nach, ist Energie die erste und einzige Tugend des Menschen. Was seine Energie erhöht, ist mehr werth, als was ihm nur Stoff zur Energie an die Hand giebt. Wie nun aber der Mensch auf Einmal nur Eine Sache empfin- det, so wirkt auch das am meisten, was nur Eine Sache zugleich ihm darstellt; und wie in einer Reihe auf einander folgenden Empfindungen jede einen, durch alle vorige ge- wirkten, und auf alle folgende wirkenden Grad hat, das, in welchem die einzelnen Bestandteile in einem ähnlichen Ver- hältnisse stehen. Diess alles aber ist der Eall der Musik. Ferner ist der Musik bloss diese Zeitfolge eigen; nur diese ist in ihr bestimmt. Die Reihe, welche sie darstellt, nöthigt sehr wenig zu einer bestimmten Empfindung. Es ist gleich- sam ein Thema, dem man unendlich viele Texte unterlegen kann. Was ihr also die Seele des Hörenden — insofern derselbe nur überhaupt und gleichsam der Gattung nach, in einer verwandten Stimmung ist — wirklich unterlegt, entspringt völlig frei und ungebunden aus ihrer eignen Fülle, und so umfasst sie es unstreitig wärmer, als was ihr gege- ben wird, und was oft mehr beschäftigt, wahrgenommen, als empfunden zu werden. Andre Eigenthümlichkeiten und Vor- züge der Musik, z. B. dass sie, da sie aus natürlichen Ge- genständen Töne hervorlokt, der Natur weit näher bleibt, als Mahlerei, Plastik und Dichtkunst, übergehe ich hier, da es mir nicht darauf ankommt, eigentlich sie und ihre Natur zu prüfen, sondern ich sie nur als ein Beispiel brauche, um an ihr die verschiedene Natur der sinnlichen Empfindungen deutlicher darzustellen. Die eben geschilderte Art zu wir-
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ken, ist nun nicht der iMusik allein eigen. Kant bemerkt eben sie als möglich bei einer wechselnden Farbenmischung, und in noch höherem Grade ist sie es bei dem, was wir durch das Gefühl empfinden. Selbst bei dem Geschmak ist sie unverkennbar. Auch im Geschmak ist ein Steigen des Wohlgefallens, das sich gleichsam nach einer Auflösung sehnt , und nach der gefundenen Auflösung in schwächeren Vibrationen nach und nach verschwindet. Am dunkelsten dürfte diess bei dem Geruch sein. Wie nun im empfinden- den iMenschen der Gang der Empfindung, ihr Grad, ihr wechselndes Steigen und Fallen, ihre — wenn ich mich so ausdrükken darf — reine und volle Harmonie eigentlich das anziehendste, und anziehender ist, als der Stoff selbst, inso- fern man nemlich vergisst, dass die Natur des Stoffes vor- züglich den Grad, und noch mehr die Harmonie jenes Gan- ges bestimmt; und wie der empfindende Mensch — gleich- sam das Bild des blüthetreibenden Frühlings — gerade das interessanteste Schauspiel ist, so sucht auch der Mensch gleichsam diess Bild seiner Empfindung, mehr als irgend etwas andres, in allen schönen Künsten. So macht die Mahlerei, selbst die Plastik es sich eigen. Das Auge der Guido Konischen Madonna hält sich gleichsam nicht in den Schranken eines flüchtigen Augenbliks. Die angespannte Muskel des Borghesischen Fechters verkündet den Stoss, den er zu vollführen bereit ist. Lud in noch höherem Grade benuzt diess die Dichtkunst. Ohne hier eigentlich von dem Hange der schönen Künste reden zu wollen, sei es mir er- laubt, nur noch Folgendes hinzuzusezen, um meine Idee deutlich zu machen. Die schönen Künste bringen eine dop- pelle Wirkung hervor, welche man immer bei jeder vereint, aber auch bei jeder in sehr verschiedener Mischung antritt; sie geben unmittelbar Ideen, oder regen die Empfindung auf, stimmen den Ton der Seele, oder, wenn der Ausdruk nicht
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zu gekünstelt scheint, bereichern oder erhöhen mehr ihre Kraft. Je mehr nun die eine Wirkung- die andre zu Hülfe nimmt, desto mehr schwächt sie ihren eignen Eindruk. Die Dichtkunst vereinigt am ineisten und vollständigsten beide, und darum ist dieselbe auf der einen Seile die vollkom- menste aller schönen Künste, aber auf der andren Seite auch die schwächste. Indem sie den Gegenstand weniger lebhaft darstellt, als die Mahlerei und die Plastik, spricht sie die Empfindung weniger eindringend an, als der Gesang und die Musik. Allein freilich vergisst man diesen Mangel leicht, da sie — jene vorhin bemerkte Vielseitigkeit noch abge- rechnet — dem innren, wahren Menschen gleichsam am nächsten tritt, den Gedanken, wie die Empfindung, mit der leichtesten Hülle bekleidet. — Die energisch wirkenden sinn- lichen Empfindungen — denn nur um diese zu erläutern, rede ich hier von Künsten — wirken wiederum verschie- den, theils je nachdem ihr Gang wirklich das abgemessenste Verhältniss hat, theils je nachdem die Bestandteile selbst, gleichsam die Materie, die Seule stärker ergreifen. So wirkt die gleich richtige und schöne Menschenstimme mehr als ein todtes Instrument. Nun aber ist uns nie etwas näher, als das eigne körperliche Gefühl. Wo also dieses selbst mit im Spiele ist, da ist die Wirkung am höchsten. Aber wie immer die unverhältnissmässige Stärke der Materie gleichsam die zarte Form unterdrükt; so geschieht es auch hier oft, und es muss also zwischen beiden ein richtiges Verhältniss sein. Das Gleichgewicht bei einem .unrichtigen Verhältniss kann hergestellt werden durch Erhöhung der Kraft des einen , oder Schwächung der Stärke des andren. Allein es ist immer falsch, durch Schwächung zu bilden, oder die Stärke müsste denn nicht natürlich, sondern er- künstelt sein. Wo sie aber das nicht, da schränke man sie nie ein. Es ist besser, dass sie sich zerstöre, als dass sie
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langsam hinsterbe. Doch genug hievon. Ich hoffe meine Idee hinlänglich erläutert zu haben, obgleich ich gern die Verlegenheil gestehe, in der ich mich bei dieser Unter- suchung belinde, da auf der einen Seite das Interesse des Gegenstandes, und die Unmöglichkeit, nur die nöthigen Re- sultate aus andren Schritten — da ich keine kenne, welche gerade aus meinem gegenwärtigen Gesichtspunkt ausgienge — zu entlehnen, mich einlud, mich weiter auszudehnen; und auf der andern Seite die Betrachtung, dass diese Ideen nicht eigentlich für sich, sondern nur als Lelmsäze, hierhergehö- ren, mich immer in die gehörigen Schranken zurükwies. Die gleiche Entschuldigung muss ich, auch bei dem nun Folgenden, nicht zu vergessen bitten.
Ich habe bis jezt — obgleich eine völlige Trennung nie möglich ist — von der sinnlichen Empfindung nur als sinn- licher Empfindung zu reden versucht. Aber Sinnlichkeit und Lnsinnlichkeit verknüpft ein geheimnissvolles Band, und wenn es unsreni x\uge versagt ist, dieses Band zu sehen, so ahndet es unser Gefühl. Dieser zwiefachen Natur der sicht- baren und unsichtbaren Welt, dem angebohrnen Sehnen nach dieser, und dem Gefühl der gleichsam süssen Unentbehrlich- keit jener, danken wir alle, wahrhaft aus dem Wesen des Menschen entsprungene, konsequente philosophische Systeme, so wie eben daraus auch die sinnlosesten Schwärmereien entstehen. Ewiges Streben, beide dergestalt zu vereinen, dass jede so wenig als möglich der andren raube, schien mir immer das wahre Ziel des menschlichen Weisen. Un- verkennbar ist überall diess ästhetische Gefühl, mit dem uns die Sinnlichkeit Hülle des Geisligen, und das Geistige be- lebendes Princip der Sinnenwell ist. Das ewige Studium dieser Physiognomik der Natur bildet den eigentlichen Men- schen. Denn nichts ist von so ausgebreiteter Wirkung auf den ganzen Charakter, als der Ausdruk des Unsinnlichen im
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Sinnlichen, des Erhabenen, des Einfachen, des Schönen in allen Werken der Natur und Produkten der Kunst, die uns umgeben. Und hier zeigt sich zugleich wieder der Unter- schied der energisch wirkenden, und der übrigen sinnlichen Empfindungen. Wenn das lezte Streben alles unsres mensch- lichsten Bemühens nur auf das Entdekken, Nähren und Er- schaffen des einzig warhalt Exislirenden, obgleich in seiner Urgestalt ewig Unsichtbaren, in uns und andren gerichtet ist, wenn es allein das ist, dessen Ahndung uns jedes sei- ner Symbole so theuer und heilig macht ; so treten wir ihm einen Schritt näher, wenn wir das Bild seiner ewig regen Energie anschauen. Wir reden gleichsam mit ihm in schwe- rer und oft unverstandner, aber auch oft mit der gewissesten Wahrheitsahndung überraschender Sprache, indess die Ge- stalt — wieder, wenn ich so sagen darf, das Bild jener Energie — weiter von der Wahrheit entfernt ist. Auf die- sem Boden, wenn nicht allein, doch vorzüglich, blüht auch das Schöne, und noch weit mehr das Erhabene auf, das die Menschen der Gottheit gleichsam noch näher bringt. Die Nothwendigkeit eines reinen, von allen Zwekken ent- fernten Wohlgefallens an einem Gegenstände, ohne Begriff, bewährt ihm gleichsam seine Abstammung von dem Un- sichtbaren, und seine Verwandtschaft damit; und das Gefühl seiner Unangemessenheit zu dem überschwenglichen Gegen- stande verbindet, auf die menschlich göttlichste Weise, un- endliche Grösse mit hingebender Demulh. Ohne das Schöne, fehlte dem Menschen die Liebe der Dinge um ihrer selbst willen; ohne das Erhabene, der Gehorsam, welcher jede Belohnung verschmäht, und niedrige Furcht nicht kennt. Das Studium des Schönen gewährt Geschmak, des Erhab- nen — wenn es auch hiefür ein Studium giebt, und nicht Gefühl und Darstellung des Erhabenen allein Frucht des Genies ist — richtig abgewägte Grösse. Der Geschmak
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allein aber, dein allemal Grösse zum Grunde liegen muss, weil nur das Grosse des Maasses, und nur das Gewaltige der Haltung bedarf, vereint alle Töne des vollgeslimmten Wesens in eine reizende Harmonie. Er bringt in alle unsre auch bloss geistigen Empfindungen und Neigungen, so et- was Gemässigtes, Gehaltnes, auf Einen Punkt hin Gerichte- tes. Wo er fehlt, da ist die sinnliche Begierde roh und un- çebàndigt, da haben selbst wissenschaftliche Untersuchungen vielleicht Scharfsinn und Tiefsinn, aber nicht Feinheit, nicht Politur, nicht Fruchtbarkeit in der Anwendung. Ueberhaupt sind ohne ihn die Tiefen des Geistes, wie die Schaze des Wissens todt und unfruchtbar, ohne ihn der Adel und die Stärke des moralischen Willens selbst rauh und ohne er- wärmende Segenskraft.
Forschen und Schaffen — darum drehen und darauf beziehen sich wenigstens, wenn gleich mittelbarer oder un- mittelbarer, alle Beschäftigungen des Menschen. Das For- schen, wenn es die Gründe der Dinge, oder die Schranken der Vernunft erreichen soll, sezfc ausser der Tiefe, einen mannigfaltigen Reichlhum und eine innige Erwärmung des Geistes, eine Anstrengung der vereinten menschlichen Kräfte voraus. Nur der bloss analytische Philosoph kann vielleicht durch die einfachen Operationen der, nicht bloss ruhigen, sondern auch kalten Vernunft seinen Endzwek erreichen. Allein um das Band zu entdekken, welches synthetische Säze verknüpft, ist eigentliche Tiefe und ein Geist erforder- lich, welcher allen seinen Kräften gleiche Stärke zu ver- schaffen gewusst hat. So wird Kants — man kann wohl mit Wahrheit sagen — nie übertroflener Tiefsinn noch oft in der Moral und Acsthelik der Schwärmerei beschuldigt werden, wie er es schon wurde, und — wenn mir das Ge- ständniss erlaubt ist — wenn mir selbst einige, obgleich seltne Stellen (ich führe hier, als ein Beispiel, die Deutung
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der Reoenboçenfarben in der Kritik der Urtheilskrnft an) darauf hinzuführen scheinen; so klage ich allein den Man- gel der Tiefe meiner intellektuellen Kräfte an. Könnte ich diese Ideen hier weiter verfolgen, so würde ich auf die ge- wiss äusserst, schwierige, aber auch ebenso interessante Un- tersuchung slossen: welcher Unterschied eigentlich zwischen der Geistesbildung des Metaphvsikers und des Dichters ist? und wenn nicht vielleicht eine vollständige, wiederholte Prüfung die Resultate meines bisherigen Nachdenkens hier- über wiederum umstiesse, so würde ich diesen Unterschied bloss darauf einschränken, dass der Philosoph sich allein mit Perceptionen, der Dichter hingegen mit Sensationen be- schäftigt, beide aber übrigens desselben Maasses und der- selben Bildung der Geisteskräfte bedürfen. Allein diess würde mich zu weit von meinem gegenwärtigen Endzwek entfernen, und ich hoffe selbst durch die wenigen, im Vo- rigen angeführten Gründe, hinlänglich bescheinigt zu haben, dass, auch um den ruhigsten Denker zu bilden, Genuss der Sinne und der Phantasie oft um die Seele gespielt haben muss. Gehen wir aber gar von transcendentalen Untersu- chungen zu psychologischen über, wird der Mensch, wie er erscheint, unser Studium, wie wird da nicht der das gestal- tenreiche Geschlecht am tiefsten erforschen, und am wahr- sten und lebendigsten darstellen, dessen eigner Empfindung selbst die wenigsten dieser Gestalten fremd sind?
Daher erscheint der also gebildete Mensch in seiner höchsten Schönheit, wenn er ins praktische Leben tritt, wenn er, was er in sich aufgenommen hat, zu neuen Schö- pfungen in und ausser sich fruchtbar macht. Die Analogie zwischen den Gesezen der plastischenNalur, und denen des gei- sti°;en Schaltens ist schon mit einem warlich unendlich »enie- vollen Blikke beobachtet, und mit treffenden Bemerkuncen
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bewährt worden '). Doch vielleicht wäre eine noch anzie- hendere Ausführung möglich gewesen; statt der Untersu- chung unerforschbarer Geseze der Bildung des Keims, hätte die Psychologie vielleicht eine reichere Belehrung erhalten, wenn das geistige Schaffen gleichsam als eine feinere Blüthe des körperlichen Erzeugens näher gezeigt worden wäre. Um auch in dem moralischen Leben von demjenigen zuerst zu reden, was am meisten blosses Werk der kalten Vernunft scheint; so macht es die Idee des Erhabenen allein möglich, dem unbedingt gebietenden Geseze zwar allerdings, durch das Medium des Gefühls, auf eine menschliche, und doch, durch den völligen Mangel der Rüksicht auf Glükseligkeit oder Unglük, auf eine göttlich uneigennüzige Weise zu ge- horchen. Das Gefühl der Unangemessenheit der menschli- chen Kräfte zum moralischen Gesez, das tiefe Bewusstsein, dass der Tugendhafteste nur der ist, welcher am innigsten empfindet, wie unerreichbar hoch das Gesez über ihn erha- ben ist, erzeugt die Achtung — eine Empfindung, welche nicht mehr körperliche Hülle zu umgeben scheint, als no- ting ist, sterbliche Augen nicht durch den reinen Glanz zu verblenden. Wenn nun das moralische Gesez jeden Men- schen, als einen Zwek in sich zu betrachten nöthigt, so ver- eint sich mit ihm das Schönheitsgefühl, das gern jedem Staube Leben einhaucht, um, auch in ihm, an einer eignen Existenz sich zu freuen, und das um so viel voller und schöner den Menschen aufnimmt und umfasst, als es, unab- hängig vom Begriff, nicht auf die kleine Anzahl der Merk- male beschränkt ist, welche der Begriff, und noch dazu nur abgeschnitten und einzeln, allein zu umfassen vermag. Die Beimischung des Schönheitsgefühls scheint der Reinheit des moralischen Willens Abbruch zu llmn, und sie könnte es
') F. v. Dalbcrg vom Bilden und Erfinden.
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allerdings, und würde es auch in der That, wenn diess Ge- fühl eigentlich dem Menschen Antrieh zur Moralitüt sein sollte. Allein es soll hloss die Pflicht auf sich haben, gleich- sam mannigfaltigere Anwendungen für das moralische Gc- sez aufzufinden, welche dem kalten und darum hier allemal unfeinen Verstände entgehen würden, und das Recht ge- messen, dem Menschen — dem es nicht verwehrt ist, die mit der Tugend so ens- verschwisterte Glükseliekeit zu em- pfangen, sondern nur mit der Tugend gleichsam um diese Glükseligkeit zu handien — die süssesten Gefühle zu ge- währen. Je mehr ich überhaupt über diesen Gegenstand nachdenken m;ig, desto weniger scheint mir der Unterschied, den ich eben bemerkte, bloss subtil, und vielleicht schwär- merisch zu sein. Wie strebend der Mensch nach Genuss ist, wie sehr er sich Tugend und Glükseligkeit ewig, auch unter den ungünstigsten Umständen, vereint denken möchte; so ist doch auch seine Seele für die Grösse des moralischen Gesezes empfänglich. Sie kann sich der Gewalt nicht er- wehren, mit welcher diese Grösse sie zu handeln nöthigt, und, nur von diesem Gefühle durchdrungen, handelt sie schon darum ohne Rüksicht auf Genuss, weil sie nie das volle Bewusstsein verliert, dass die Vorstellung jedes Un- glüks ihr kein andres Betragen abnöthigen würde. Aber diese Stärke gewinnt die Seele freilich nur auf einem, dem ähnlichen Wege, von welchem ich im Vorigen rede; nur durch mächtigen inneren Drang und mannigfaltigen äussren Streit. Alle Stärke — gleichsam die Materie — stammt aus der Sinnlichkeit, und, wie weit entfernt von dem Stamme, ist sie doch noch immer, wenn ich so sagen darf, auf ihm ruhend. Wer nun seine Kräfte unaufhörlich zu erhöhen, und durch häufigen Genuss zu verjüngen sucht, wer die Stärke seines Charakters oft braucht, seine Unabhängigkeit von der Sinnlichkeit zu behaupten, wer so diese Unabhän-
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gigkeit mit der höchsten Reizbarkeit zu vereinen bemüht ist, wessen gerader und liefer Sinn der Wahrheit unermüdet nachforscht, wessen richtiges und feines Schünheitsgefühl keine reizende Gestalt unbemerkt lässt, wessen Drang, das ausser sich Empfundene in sich aufzunehmen und das in sich Aufgenommene zu neuen Geburten zu befruchten, jede Schönheit in seine Individualität zu verwandeln, und, mit jeder sein ganzes Wesen gattend, neue Schönheit zu erzeu- gen strebt; der kann das befriedigende Bewusstsein nähren, auf dem richtigen Wege zu sein, dem Ideale sich zu nahen, das selbst die kühnste Phantasie der Menschheit vorzuzeich- nen wagt.
Ich habe durch diess, an und für sich politischen Un- tersuchungen ziemlich fremdartige, allein in der von mit- gewählten Folge der Ideen nothwendige Gemählde zu zei- gen versucht, wie die Sinnlichkeit, mit ihren heilsamen Fol- gen, durch das ganze Leben, und alle Beschäftigungen des Menschen verflochten isl. Ihr dadurch Freiheit und Achtung zu erwerben, war meine Absicht. \ ergessen darf ich indess nicht, dass gerade die Sinnlichkeit auch die Ouelle einer grossen Menge physischer und moralischer Ucbel ist. Selbst moralisch nur dann heilsam, wenn sie in richtigem Verhält- niss mit der Uebung der geistigen Kräfte steht, erhält sie so leicht ein schädliches Uebergewicht. Dann wird mensch- liche Freude thierischer Genuss, der Geschmak verschwin- det, oder erhält unnatürliche Richtungen. Bei diesem lez- teren Ausdruk kann ich mich jedoch nicht enthalten, vor- züglich in Hinsicht auf gewisse einseilige Beurlheilungen, noch zu bemerken, dass nicht unnatürlich heissen muss, was nicht gerade diesen oder jenen Zwek der Natur erfüllt, sondern was den allgemeinen Endzwek derselben mit dem Menschen vereitelt. Dieser aber ist, dass sein Wesen sich zu immer höherer Vollkommenheil bilde, und daher vorzüg-
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lieh, dass seine denkende und empiindende Kraft, beide in verhältnissmässigen Graden der Stärke, sich unzertrennlich vereine. Es kann aber ferner ein Misverhältniss entstehen, zwischen der Art, wie der Mensch seine Kriifle ausbildet, und überhaupt in Thätigkeit seat, und zwischen den IMitteln des Wirkens und Geniessens, die seine Lage ihm darbietet, und diess Misverhältniss ist eine neue Quelle von Uebeln. Nach den im Vorigen ausgeführten Grundsäzen aber ist es dem Staat nicht erlaubt, mit positiven Endzwekken auf die Lage der Bürger zu wirken. Diese Lage erhält daher nicht eine so bestimmte und erzwungene Form, und ihre grössere Freiheit, wie dass sie in eben dieser Freiheit selbst gröss- lentheils von der Denkungs- und Handlungsart der Bürger ihre Richtung erhält, vermindert schon jenes Misverhältniss. Dennoch könnte indess die, immer übrig bleibende, warlich nicht unbedeutende Gefahr die Vorstellung der Notwendig- keit erregen, der Siltenverderbniss durch Geseze und Staats- einrichtungen entgegenzukommen.
Allein, wären dergleichen Geseze und Einrichtungen auch wirksam, so würde nur mit dem Grade ihrer Wirksam- keit auch ihre Schädlichkeit steigen. Ein Staat, in welchem die Bürger durch solche Mittel genöthigf oder bewogen würden, auch den besten Gesezcn zu folgen, könnte ein ru- higer, friedliebender, wohlhabender Staat sein; allein er würde mir immer ein Haufe ernährter Sklaven, nicht eine Vereinigung freier, nur, wo sie die Gränze des Rechts über- treten, gebundener Menschen scheinen. Bloss gewisse Hand- lungen, Gesinnungen hervorzubringen, giebt es freilich sehr viele Wege. Keiner von allen aber führt zur wahren, mo- ralischen Vollkommenheit. Sinnliche Antriebe zur Begehung gewisser Handlungen, oder Notwendigkeit sie zu unterlas- sen, bringen Gewohnheit hervor; durch die Gewohnheit wird das Vergnügen, das anfangs nur mit jenen Antrieben ver-
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bunden war, auf die Handlung selbst übergetragen, oder die Neigung, welche anfangs nur vor der Nothwendigkeit schwieg, gänzlich erstikt ; so wird der Mensch zu tugend- haften Handlungen, gewissermaassen auch zu tugendhaften Gesinnungen geleitet. Allein die Kraft seiner Seele wird dadurch nicht erhöht; weder seine Ideen über seine Be- stimmung und seinen YVerlh erhalten dadurch mehr Auf- klärung, noch sein Wille mehr Kraft, die herrschende Nei- gung zu besiegen; an wahrer, eigentlicher Vollkommenheil gewinnt er folglich nichts. Wer also Menschen bilden, nicht zu äussern Zwekken ziehen will, wird sich dieser Mittel nie bedienen. Denn abgerechnet, dass Zwang und Leitung nie Tugend hervorbringen; so schwächen sie auch noch im- mer die Kraft. Was sind aber Sitten, ohne moralische Stärke und Tugend? Und wie gross auch das Uebel des Sitten verderbnisses sein mag, es crmangelt selbst der heil- samen Folgen nicht. Durch die Extreme müssen die Men- schen zu der Weisheit und Tugend mittlerem Pfad gelan- gen. Extreme müssen, gleich grossen, in die Ferne leuch- tenden Massen, weit wirken. Um den feinsten Adern des Körpers Blut zu verschaffen, muss eine beträchtliche Menge in den grossen vorhanden sein. Hier die Ordnung der Na- tur stören wollen, heisst moralisches Uebel anrichten, um physisches zu verhüten.
Es ist aber auch, meines Erachlens, unrichtig, dass die Gefahr des Sittenverderbnisscs so gross und dringend sei; und so manches auch schon zu Bestätigung dieser Behaup- tung im Vorigen gesagt worden ist, so mögen doch noch folgende Bemerkungen dazu dienen, sie ausführlicher zu be- weisen :
1. Der Mensch ist an sich mehr zu wohlthätigen, als eigcnniizigen Handlungen geneigt. Diess zeigt sogar die Geschichte der Wilden. Die häuslichen Tugenden haben so
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etwas Freundliches, 'die öffentlichen des Bürgers so etwas Grosses und Hinreissendes, dass auch der bloss unverdorbene Mensch ihrem Reiz selten widersteht.
2. Die Freiheit erhöht die Kraft, und führt, wie immer die grössere Stärke, allemal eine Art der Liberalität mit sich. Zwang erstikt die Kraft, und führt zu allen eigennü- zigen Wünschen, und allen niedrigen Kunstgriffen der Schwäche. Zwang hindert vielleicht manche Vergehung, raubt aber selbst den gesezmässigen Handlungen von ihrer Schönheit. Freiheit veranlasst vielleicht manche Vergehung, «riebt aber selbst dem Laster eine minder unedle Gestalt.
3. Der sich selbst überlassene Mensch kommt schwe- rer auf richtige Grundsäze, allein sie zeigen sich unaustilg- bar in seiner Handlungsweise. Der absichtlich geleitete em- pfängt sie leichter, aber sie weichen, auch sogar seiner, doch geschwächten Energie.
4. Alle Staatseinrichtungen, indem sie ein mannigfal- tiges und sehr verschiedenes Interesse in eine Einheit brin- gen sollen, verursachen vielerlei Kollisionen. Aus den Kol- lisionen entstehen Misverhältnisse zwischen dem Verlangen und dem Vermögen der Menschen; und aus diesen Verge- hungen. Je müssiger also — wenn ich so sagen darf — der Staat, desto geringer die Anzahl dieser. Wäre es, vor- züglich in gegebenen Fällen möglich, genau die Uebel aufzu- zählen, welche Polizeieinrichtungen veranlassen, und welche sie verhüten, die Zahl der ersteren würde allemal grösser sein.
5. Wieviel strenge Aufsuchung der wirklich begange- nen Verbrechen, gerechte und wohl abgemessene, aber un- erlassliche Strafe, folglich seltne Straflosigkeit vermag, ist praktisch noch nie hinreichend versucht worden.
Ich glaube nunmehr für meine Absicht hinlänglich ce- zeigt zu haben, wie bedenklich jedes Bemühen des Staats ist, irgend einer — nur nicht unmittelbar fremdes Recht vu. * 7
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kränkenden Ausschweifung der Sitten entgegen, oder gar zuvorzukommen, wie wenig davon insbesondere heilsame Fol- gen auf die Sittlichkeit selbst zu erwarten sind, und wie ein solches Wirken auf den Charakter der Nation, selbst zur Erhaltung der Sicherheit, nicht nothwendig ist. Nimmt man nun noch hinzu die im Anfange dieses Aufsazes ent- wikkelten Gründe, welche jede auf positive Zwekke gerich- tete Wirksamkeit des Staats misbilligen, und die hier um so mehr gelten, als gerade der moralische Mensch jede Ein- schränkung am tiefsten fühlt; und vergisst man nicht, dass, wenn irgend eine Art der Bildung der Freiheit ihre höchste Schönheit dankt, diess gerade die Bildung der Sitten und des Charakters ist; so dürfte die Richtigkeit des folgenden Grundsazes keinem weiteren Zweifel unterworfen sein, des Grundsazes nemlich:
dass der Staat sich schlechterdings alles Bestrebens, di- rekt oder indirekt auf die Sitten und den Charakter der Nation anders zu wirken, als insofern diess als eine natürliche, von selbst entstehende Folge seiner übrigen schlechterdings nothwendigen Maassregeln unvermeidlich ist, gänzlich enthalten müsse, und dass alles, was diese Absicht befördern kann, vorzüglich alle besondre Auf- sicht auf Erziehung, lieligionsanstalten, Luxusgeseze u. s. f. schlechterdings ausserhalb der Schranken seiner Wirksamkeit liege.
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Nähere, positive Bestimmung der Sorgfalt des Staats
für die Sicherheit. Entwikkelung des Begriffs der
Sicherheit.
Nachdem ich jezt die wichtigsten und schwierigsten
Theile der gegenwärtigen Untersuchung geendigt habe, und
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ich mich nun der völligen Auflösung der vorgelegten Frage nähere, ist es nothwendig, wiederum einmal einen Buk zu- rük auf das, bis hieher, entwikkelte Ganze zu werfen. Zuerst ist die Sorgfalt des Staats von allen denjenigen Gegenstän- den entfernt worden, welche nicht zur Sicherheit der Bür- ger, der auswärtigen sowohl als der innerlichen, gehören. Dann ist eben diese Sicherheit, als der eigentliche Gegen- stand der Wirksamkeit des Staats dargestellt, und endlich das Princip festgesezt worden, dass, um dieselbe zu befördern und zu erhalten, nicht auf die Sitten und den Charakter der Nation selbst zu wirken, diesem eine bestimmte Richtung zu geben, oder zu nehmen, versucht werden dürfe. Gewis- sermaassen könnte daher die Frage: in welchen Schranken der Staat seine Wirksamkeit halten müsse? schon vollstän- dig beantwortet scheinen, indem diese Wirksamkeit auf die Erhaltung der Sicherheit, und in Absicht der Mittel hiezu noch genauer auf diejenigen eingeschränkt ist, welche sich nicht damit befassen, die Nation zu den Endzwekken des Staats gleichsam bilden, oder vielmehr ziehen zu wollen. Denn wenn diese Bestimmung gleich nur negativ ist; so zeigt sich doch das, was, nach geschehener Absonderung, übrig bleibt, von selbst deutlich genug. Der Staat wird nemlich allein sich auf Handlungen, welche unmittelbar und geradezu in fremdes Recht eingreifen, ausbreiten, nur das streitige Recht entscheiden, das verlezte wieder herstellen, und die Verlezer bestrafen dürfen. Allein der Begriff der Sicherheit, zu dessen näherer Bestimmung bis jezt nichts andres gesagt ist, als dass von der Sicherheit vor auswärti- gen Feinden, und vor Beeinträchtigungen der Mitbürger selbst die Rede sei, ist zu weit, und vielumfassend, um nicht einer genaueren Auseinandersezung zu bedürfen. Denn so verschieden auf der einen Seite die Nuancen von dem bloss Ueberzeugung beabsichtenden Rath zur zudringlichen Em-
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pfehlung, und von da zum nöthigenden Zwange, und eben so verschieden und vielfach die Grade der Unbilligkeit oder Ungerechtigkeit von der, innerhalb der Schranken des eig- nen Rechts ausgeübten, aber dem andren möglicherweise schädlichen Handlung, bis zu der, gleichfalls sich nicht aus jenen Schranken entfernenden, aber den andren im Genuss seines Eigenthums sehr leicht, oder immer störenden, und von da bis zu einem wirklichen Eingriff in fremdes Eigen- thum sind; ebenso verschieden ist auch der Umfang des Begriffs der Sicherheit, indem man darunter Sicherheit vor einem solchen, oder solchen Grade des Zwanges, oder einer so nah, oder so fern das Recht krankenden Handlung ver- stehen kann. Gerade aber dieser Umfang: ist von überaus grosser Wichtigkeit, und wird er zu weit ausgedehnt, oder zu eng eingeschränkt; so sind wiederum, wenn gleich unter andern Namen, alle Gränzen vermischt. Ohne eine genaue Bestimmung jenes Umfangs also ist an eine Berichtigung dieser Gränzen nicht zu denken. Dann müssen auch die Mittel, deren sich der Staat bedienen darf, oder nicht, noch bei weitem genauer auseinandergesezt und geprüft werden. Denn wenn gleich ein auf die wirkliche Umformung der Sitten gerichtetes Bemühen des Staats, nach dem Vorigen, nicht rathsam scheint; so ist hier doch noch für die Wirk- samkeit des Staats ein viel zu unbestimmter Spielraum ge- lassen, und z. B. die Frage noch sehr wenig erörtert, wie weit die einschränkenden Geseze des Staats sich von der, unmittelbar das Recht andrer beleidigenden Handlung ent- fernen? inwiefern derselbe wirkliche Verbrechen durch Ver- stopfung ihrer Quellen, nicht in dem Charakter der Bürger, aber in den Gelegenheiten der Ausübung verhüten darf? Wie sehr aber, und mit wie grossem Nachtheile hierin zu weit gegangen werden kann, ist schon daraus klar, dass ge- rade Sorgfalt für die Freiheit mehrere gute Köpfe vermocht
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hat, den Staat für das Wohl der Bürger überhaupt verant- wortlich zu machen, indem sie glaubten, dass dieser allge- meinere Gesichtspunkt die ungehemmte Thäligkeit der Kräfte befördern würde. Diese Betrachtungen nöthigen mich da- lier zu dem Gestiindniss, bis hieher mehr grosse, und in der That ziemlich sichtbar ausserhalb der Schranken der Wirk- samkeit des Staats liegende Stükke abgesondert, als die ge- naueren Grunzen, und gerade da, wo sie zweifelhaft und streitig scheinen konnten, bestimmt zu haben. Diess bleibt mir jezt zu thun übrig, und sollte es mir auch selbst nicht völlig gelingen, so glaube ich doch wenigstens dahin streben zu müssen, die Gründe dieses Mislingens so deutlich und vollständig als möglich, darzustellen. Auf jeden Fall aber hoffe ich, mich nun sehr kurz fassen zu können, da alle Grundsäze, deren ich zu dieser Arbeit bedarf, schon im Vo- rigen — wenigstens so viel es meine Kräfte erlaubten — erörtert und bewiesen worden sind.
Sicher nenne ich die Bürger in einem Staat, wenn sie in der Ausübung der ihnen zustehenden Rechte, dieselben mögen nun ihre Person, oder ihr Eigenthum betreffen, nicht durch fremde Eingriffe gestört werden; Sicherheit folglich — wenn der Ausdruk nicht zu kurz, und vielleicht dadurch undeutlich scheint, Gewissheit der (fesezmässigen Freiheit. Diese Sicherheit wird nun nicht durch alle diejenigen Hand- lungen gestört, welche den Menschen an irgend einer Thä- tigkeit, seiner Kräfte, oder irgend einem Genuss seines Ver- mögens hindern, sondern nur durch solche, welche diess widerrechtlich thun. Diese Bestimmung, so wie die obige Definition, ist nicht willkührlich von mir hinzugefügt, oder gewählt worden. Beide fliessen unmittelbar aus dem oben entwikkelten Raisonnement. Nur wenn man dem Ausdrukke der Sicherheit diese Bedeutung unterlegt, kann jenes An- wendung finden. Denn nur wirkliche Verlezungen des
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Rechts bedürfen einer andern Macht, als die ist, welche je- des Individuum besizt; nur was diese Verlezungen verhin- dert, bringt der wahren Menschenbildung reinen Gewinn, indess jedes andre Bemühen des Staats ihr gleichsam Hin- dernisse in den Weg legt; nur das endlich fliesst aus dem untrüglichen Princip der iSothwendigkeit, da alles andre bloss auf den unsichren Grund einer, nach täuschenden Wahrschein- lichkeiten berechneten JNüzlichkeit gebaut ist.
Diejenigen, deren Sicherheit erhalten werden muss, sind auf der einen Seite alle Bürger, in völliger Gleichheit, auf der andern der Staat selbst. Die Sicherheit des Staats selbst hat ein Objekt von grösserem oder geringerem Umfange, je weiter man seine Rechte ausdehnt, oder je enger man sie beschränkt, und daher hängt hier die Bestimmung von der Bestimmung des Zweks derselben ab. Wie ich nun diese hier bis jezt versucht habe, dürfte er für nichts andres Si- cherheit fordern können, als für die Gewalt, welche ihm eingeräumt, und das Vermögen, welches ihm zugestanden worden. Hingegen Handlungen in Hinsicht auf diese Si- cherheit einschränken, wodurch ein Bürger, ohne eigentliches Recht zu kränken — und folglich vorausgesezt, dass er nicht in einem besondern persönlichen, oder temporellen Verhält- nisse mit dem Staat stehe, wie z. B. zur Zeit eines Krie- ges — sich oder sein Eigenthum ihm entzieht, könnte er nicht. Denn die Staatsvereinigung ist bloss ein untergeord- netes Mittel, welchem der wahre Zwek, der Mensch, nicht aufgeopfert werden darf, es müsste denn der Fall einer sol- chen Koliision eintreten, dass, wenn auch der Einzelne nicht verbunden wäre, sich zum Opfer zu geben, doch die Menge das Recht hätte, ihn als Opfer zu nehmen. Ueberdiess aber darf, den entwikkelten Grundsäzen nach, der Staat nicht für das Wohl der Bürger sorgen, und um ihre Sicherheit
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zu erhalten, kann das nicht nothwendig sein, was gerade die Freiheit und mithin auch die Sicherheit aufhebt.
Gestört wird die Sicherheit entweder durch Handlungen, welche an und für sich in fremdes Recht eingreifen, oder durch solche, von deren Folgen nur diess zu besorgen ist. Beide Gattungen der Handlungen muss der Staat jedoch mit Modi- fikationen, welche gleich der Gegenstand der Untersuchung sein werden, verbieten, zu verhindern suchen; wenn sie ge- schehen sind, durch rechtlich bewirkten Ersaz des angerich- teten Schadens, soviel es möglich ist, unschädlich, und, durch Bestrafung, für die Zukunft seltner zu machen be- müht sein. Hieraus entspringen Polizei -Civil- und Krimi- nalgeseze, um den gewöhnlichen Ausdrükken treu zu blei- ben. Hiezu kommt aber noch ein andrer Gegenstand, wel- cher, seiner eigenthümlichen Natur nach, eine völlig eigne Behandlung verdient. Es giebt nemlich eine Klasse der Bürger, auf welche die im Vorigen entwikkelten Grundsaze, da sie doch immer den Menschen in seinen gewöhnlichen Kräften voraussezen, nur mit manchen Verschiedenheiten passen, ich meine diejenigen, welche noch nicht das Alter der Reife erlangt haben, oder welche Verrüktheit oder Blöd- sinn des Gebrauchs ihrer menschlichen Kräfte beraubt. Für die Sicherheit dieser muss der Staat gleichfalls Sorge tra- gen, und ihre Lage kann, wie sich schon voraussehen lässt, leicht eine eigne Behandlung erfordern. Es muss also noch zulezt das Verhältniss betrachtet werden, in welchem der Staat — wie man sich auszudrükken pflegt — als Ober- Vormund, zu allen Unmündigen unter den Bürgern steht. So glaube ich — da ich von der Sicherheit gegen auswär- tige Feinde wohl, nach dem im Vorigen Gesagten, nichts mehr hinzuzusezen brauche — die Aussenlinien aller Gegen- stände gezeichnet zu haben, auf welche der Staat seine Auf- merksamkeit richten muss. Weit entfernt nun in alle, hier
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genannte, so weitläuftige und schwierige Materien irgend tief eindringen zu wollen, werde ich mich begnügen, bei einer jeden, so kurz als möglich, die höchsten Grundsäze, insofern sie die gegenwärtige Untersuchung angehen, zu entwikkeln. Erst wenn diess geschehen ist, wird auch nur der Versuch vollendet heissen können, die vorgelegte Frage gänzlich zu erschöpfen, und die Wirksamkeit des Staats von allen Seiten her mit den gehörigen Glänzen zu um- schliessen.
X.
Sorgfalt des Staats für die Sicherheit durch Bestim- mung solcher Handlungen der Bürger, welche sich unmittelbar und geradezu nur auf den Handlenden selbst beziehen. (Polizeigeseze.)
Um — wie es jezt geschehen muss — dem Menschen durch alle die mannigfaltigen Verhältnisse des Lebens zu folgen, wird es gut sein, bei demjenigen zuerst anzufangen, welches unter allen das einfachste ist, bei dem Falle nem- lich, wo der Mensch, wenn gleich in Verbindung mit an- dern lebend, doch völlig innerhalb der Schranken seines Eigenthums bleibt, und nichts vornimmt, was sich unmittel- bar und geradezu auf andre bezieht. Von diesem Fall han- deln die meisten der sogenannten Polizeigeseze. Denn so schwankend auch dieser Ausdruk ist; so ist dennoch wohl die wichtigste und allgemeinste Bedeutung die, dass diese Geseze, ohne selbst Handlungen zu betreffen, wodurch frem- des Recht unmittelbar gekränkt wird, nur von Mitteln re- den, dergleichen Kränkungen vorzubeugen; sie mögen nun entweder solche Handlungen beschränken, deren Folgen
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selbst dem fremden Rechte leicht gefährlich werden kön- nen, oder solche, welche gewöhnlich zu Uebertretungen der Geseze führen, oder endlich dasjenige bestimmen, was zur Erhaltung oder Ausübung der Gewalt des Staats selbst not- wendig ist. Dass auch diejenigen Verordnungen, welche nicht die Sicherheit, sondern das Wohl der Bürger zum Zwek haben, ganz vorzüglich diesen Namen erhalten, über- gehe ich hier, weil es nicht zu meiner Absicht dient. Den im Vorigen feslgesezten Principien zufolge, darf nun der Staat hier, in diesem einfachen Verhältnisse des Menschen nichts weiter verbieten, als was mit Grund Beeinträchtigung seiner eignen Rechte, oder der Rechte der Bürger besorgen lässt. Und zwar muss in Absicht der Rechte des Staats hier dasjenige angewandt werden, was von dem Sinne dieses Aus- druks so eben allgemein erinnert worden ist. Nirgends also, wo der v ortheil oder der Schade nur den Eigenthümer allein tiifl, darf der Staat sich Einschränkungen durch Prohibitiv-Ge- seze erlauben. Allein es ist auch, zur Rechtfertigung solcher Einschränkungen nicht genug, dass irgend eine Handlung einem andren bloss Abbruch thue; sie muss auch sein Recht schmä- lern. Diese zweite Bestimmung erfordert also eine weitere Erklärung. Schmälerung des Rechts nemlich ist nur über- all da, wo jemandem, ohne seine Einwilligung, oder gegen dieselbe, ein Theil seines Eigenthums, oder seiner persön- lichen Freiheit entzogen wird. Wo hingegen keine solche Entziehung geschieht, wo nicht der eine gleichsam in den Kreis des Rechts des andren eingreift, da ist, welcher Nach- theil auch für ihn entstehen möchte, keine Schmälerung der Befugnisse. Ebensowenig ist diese da, wo selbst der Nach- theil nicht eher entsteht, als bis der, welcher ihn leidet, auch seinerseits thätig wird, die Handlung — um mich so auszudrucken — auffasst, oder wenigstens, der Wirkung der- selben nicht wie er könnte entgegenarbeitet.
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Die Anwendungen dieser Bestimmungen ist von selbst klar ; ich erinnere nur hier an ein Paar merkwürdige Bei- spiele. Es fallt nemlich, diesen Grundsäzen nach, schlech- terdings alles weg, was man von Aergerniss erregenden Handlungen in Absicht auf Religion und Sitten besonders sagt. Wer Dinge äussert, oder Handlungen vornimmt, welche das Gewissen und die Sittlichkeit des andren belei- digen, mag allerdings unmoralisch handeln, allein, so fern er sich keine Zudringlicbkeit zu Schulden kommen lässt, krankt er kein Recht. Es bleibt dem andern unbenommen, sich von ihm zu entfernen, oder macht die Lage diess un- möglich, so trägt er die unvermeidliche Unbequemlichkeit der Verbindung mit ungleichen Charakteren, und darf nicht vergessen, dass vielleicht auch jener durch den Anblik von Seiten gestört wird, die ihm eigenthüinlich sind, da, auf wessen Seite sich das Recht befinde? immer nur da wich- tig ist, wo es nicht an einem Rechte zu entscheiden fehlt. Selbst der doch gewiss weit schlimmere Fall, wenn der An- blik dieser oder jener Handlung, das Anhören dieses oder jenen Raisonnements die Tugend oder die Vernunft und den gesunden Verstand andrer verführte, würde keine Einschrän- kung der Freiheit erlauben. Wer so handelte, oder sprach, beleidigte dadurch an sich niemandes Recht, und es stand dem andren frei, dem üblen Eindruk bei sich selbst Stärke des Willens, oder Gründe der Vernunft enlgegenzusezen. Daher denn auch, wie gross sehr oft das hieraus entsprin- gende Uebel sein mag, wiederum auf der andren Seite nie der gute Erfolg ausbleibt, dass in diesem Fall die Stärke des Charakters, in dem vorigen die Toleranz und die \ iel- seitigkeit der Ansicht geprüft wird, und g'ewinnt. Ich brauche hier wohl nicht zu erinnern, dass ich an diesen Fällen hier nichts weiter betrachte, als ob sie die Sicherheit der Bür- ger stören? Denn ihr Verhältniss zur Sittlichkeit der Na-
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lion, und was dem Staat in dieser Hinsicht erlaubt sein kann, oder nicht? habe ich schon im Vorigen auseinander- zusezen versucht.
Da es indess mehrere Dinge giebt, deren Beurtheilung positive, nicht jedem eigne Kenntnisse erfordert, und wo daher die Sicherheit gestört werden kann, wenn jemand vorsiizlicher oder unbesonnener Weise die Unwissenheit nn- drer zu seinem Vortheile benuzt; so muss es den Bürgern frei stehen, in diesen Fällen den Staat gleichsam um Rath zu fragen. Vorzüglich auffallende Beispiele hievon geben theils wegen der Häufigkeit des Bedürfnisses, theils wegen der Schwierigkeit der Beurtheilung und endlich wegen der Grösse des zu besorgenden Nachtheils, Aerzle, und zum Dienst der Partheien bestimmte Rechtsgelehrte ab. Um nun in diesen Fällen dem Wunsche der Nation zuvorzukom- men, ist es nicht bloss rathsam, sondern sogar nolh wendig, dass der Staat diejenigen, welche sich zu solchen Geschäf- ten bestimmen — insofern sie sich einer Prüfung unterwer- fen wollen — prüfe, und, wenn die Prüfung gut ausfällt, mit einem Zeichen der Geschiklichkeit versehe, und nun den Bürgern bekannt mache, dass sie ihr Vertrauen nur den- jenigen gewiss schenken können, welche auf diese Weise bewährt gefunden worden sind. Weiter aber dürfte er auch nie gehen, nie weder denen, welche entweder die Prüfung ausgeschlagen, oder in derselben unterlegen, die Uebung ihres Geschäfts, noch der Nation den Gebrauch derselben untersagen. Dann dürfte er dergleichen Veranstaltungen auch auf keine andre Geschäfte ausdehnen, als auf solche, wo einmal nicht auf das Innere, sondern nur auf das Aeus- sere des Menschen gewirkt werden soll, wo dieser folglich nicht selbst mitwirkend, sondern nur folgsam und leidend zu sein braucht, und wo es demnach nur auf die Wahrheit oder Falschheit der Resultate ankommt; und wo zweitens
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die ßeurlheilung Kenntnisse voraussezt, die ein ganz abge- sondertes Gebiet für sieb ausmachen, nicht durch Uebung des Verstandes, und der praktischen Urlheilskraft erworben weiden, und deren Seltenheit selbst das Rathfragen er- schwert. Handelt der Staat gegen die leztere Bestim- mung, so geräth er in Gefahr, die Nation trage, unthatig, immer vertrauend auf fremde Kenntniss und fremden Wil- len zu machen, da gerade der Mangel sicherer, bestimmter Hülfe sowohl zur Bereicherung der eigenen Erfahrung und Kenntniss mehr anspornt, als auch die Bürger unter einan- der enger und mannigfaltiger verbindet, indem sie mehr einer von dem Rathe des andren abhängig sind. Bleibt er der ersteren Bestimmung nicht getreu; so entspringen, neben dem eben erwähnten, noch alle, im Anfange dieses Aufsazes weiter ausgeführte Nachtheile. Schlechterdings müssle daher eine solche Veranstaltung wegfallen, um auch hier wiederum ein merkwürdiges Beispiel zu wählen, bei Religionslehrern. Denn was sollte der Staat bei ihnen prüfen? Bestimmte Saze — davon hängt, wie oben genauer gezeigt ist, die Re- ligion nicht ab; das Maass der intellektuellen Kräfte über- haupt — allein bei dem Religionslehrer, welcher bestimmt ist, Dinge vorzutragen, die in so genauem Zusammenhange mit der Individualität seiner Zuhörer stehen, kommt es bei- nah einzig auf das Verhällniss seines Verstandes, zu dem Verstände dieser an, und so wird schon dadurch die Beur- Iheilung unmöglich; die Rechtschaffenheit und den Charak- ter — allein dafür giebt es keine andere Prüfung, als ge- rade eine solche, zu welcher die Lage des Staats sehr un- bequem ist, Erkundigung nach den Umständen, dem bis- herigen Betragen des Menschen u. s. f. Endlich müssle überhaupt, auch in den oben von mir selbst gebilligten Fäl- len, eine Veranstaltung dieser Art doch nur immer da ge- macht werden, wo der nicht zweifelhafte Wille der Nation
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sie forderte. Denn an sich ist sie unter freien, durch Frei- heit selbst kultivirten Menschen, nicht einmal nothwendig, und immer könnte sie doch manchem Misbrauch unterwor- fen sein. Da es mir überhaupt hier nicht um Ausführung einzelner Gegenstande, sondern nur um Bestimmung der Grundsäze zu thun ist, so will ich noch einmal kurz den Gesichtspunkt angeben, aus welchem allein ich einer solchen Einrichtung erwähnte. Der Staat soll nemlich auf keine Weise für das positive Wohl der Bürger sorgen, daher auch nicht für ihr Leben und ihre Gesundheit — es müssten denn Handlungen andrer ihnen Gefahr drohen — aber wohl für ihre Sicherheit. Und nur, insofern die Sicherheit selbst lei- den kann, indem Betrügerei die Unwissenheit benuzt, könnte eine solche Aufsicht innerhalb der Griinzen der Wirksam- keit des Staats liegen. Indess muss doch bei einem Be- trüge dieser Art der Betrogene immer zur Ueberzeugung überredet werden, und da das Ineinanderfliessen der ver- schiednen Nuancen hiebei schon eine allgemeine Regel beinah unmöglich macht, auch gerade die, durch die Frei- heit übriggelassne Möglichkeit des Betrugs die Menschen zu grösserer Vorsicht und Klugheit schärft; so halte ich es für besser und den Principien gemässer, in der, von be- stimmten Anwendungen fernen Theorie, Prohibitivgeseze nur auf diejenigen Fälle auszudehnen, wo ohne, oder gar gegen den Willen des andern gehandelt wird. Das vorige Rai- sonnement wird jedoch immer dazu dienen, zu zeigen, wie auch andre Fälle — wenn die Nothwendigkeit es erfor- derte — in Gemässheit der aufgestellten Grundsäze behan- delt werden müssten ').
') Es könnte scheinen, als gehörten die hier angeführten Fälle nicht zu dem gegenwärtigen, sondern mehr zu dem folgenden Abschnitt, da sie Handlungen betreffen, welche sich geradezu
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Wenn bis jezt die Beschaffenheit der Folgen einer Handlung auseinandergesezt ist, welche dieselbe der Aufsicht des Staats unterwirft; so fragt sich noch, ob jede Handlung eingeschränkt werden darf, bei welcher nur die Möglichkeit einer solchen Folge vorauszusehen ist, oder nur solche, mit welcher dieselbe nothwendig verbunden ist? In dem eiste- ren Fall geriethe die Freiheit, in dem lezteren die Sicher- heit in Gefahr zu leiden. Es ist daher freilich soviel er- sichtlich, dass ein Mittelweg getroffen werden muss. Diesen indess allgemein zu zeichnen halte ich für unmöglich. Frei- lich müsste die Berathschlagung über einen Fall dieser Art, durch die Betrachtung des Schadens, der Wahrscheinlich- keit des Erfolgs, und der Einschränkung der Freiheit im Fall eines gegebenen Gesezes zugleich geleitet werden. Allein keins dieser Stükke erlaubt eigentlich ein allgemei- nes Maass; vorzüglich täuschen immer Wahrscheinlichkeils- berechnungen. Die Theorie kann daher nicht mehr, als jene Momente der Ueberlegung, angeben. In der Anwen- dung müsste man, glaube ich, allein auf die specielle Lage sehen, nicht aber sowohl auf die allgemeine Natur der Fälle, und nur, wenn Erfahrung der Vergangenheit und Betrach- tung der Gegenwart eine Einschränkung nothwendig machte, dieselbe verfügen. Das Naturrecht, wenn man es auf das Zusammenleben mehrerer Menschen anwendet, scheidet die Gränzlinie scharf ab. Es misbilligt alle Handlungen, bei welchen der eine mit setner Schuld in den Kreis des an-
auf den andren beziehen. Aber ick sprach auch hier nicht von dem Fall, wenn z. B. ein Arzt einen Kranken wirklich be- handelt, ein Rechtsgelehrter einen Prozess wirklich übernimmt, sondern von dem, wenn jemand diese Art zu leben und sich zu ernähren wählt. Ich fragte mich ob der Staat eine solche Wald beschränken darf, und diese blosse Wahl bezieht sich noch geradezu auf niemand.
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dem eingreift, alle folglich, wo der Schade entweder aus einem eigentlichen Versehen entsteht, oder, wo derselbe immer, oder doch in einem solchen Grade der Wahrschein- lichkeit mit der Handlung verbunden ist, dass der Handlende ihn entweder einsieht, oder wenigstens nicht, ohne dass es ihm zugerechnet werden müsste, übersehn kann. Ueberall, wo sonst Schaden entsteht, ist es Zufall, den der Handlende zu ersezen nicht verbunden ist. Eine weitere Ausdehnung liesse sich nur aus einem stillschweigenden Vertrage der Zusammenlebenden, und also schon wiederum aus etwas Positivem, herleiten. Allein hiebei auch im Staate stehen zu bleiben, könnte mit Recht bedenklich scheinen, vorzüg- lich wenn man die Wichtigkeit des zu besorgenden Scha- dens, und die Möglichkeit bedenkt, die Einschränkung der Freiheit der Bürger nur wenig nachtheilig zu machen. Auch lässt sich das Recht des Staats hiezu nicht bestreiten, da er nicht bloss insofern für die Sicherheit sorgen soll, dass er, bei geschehenen Kränkungen des Rechts zur Ent- schädigung zwinge, sondern auch so, dass er Beeinträchti- gungen verhindre. Auch kann ein Dritter, der einen Aus- spruch thun soll, nur nach äussren Kennzeichen entscheiden. Unmöglich darf daher der Staat dabei stehen bleiben, ab- zuwarten, ob die Bürger es nicht werden an der gehörigen Vorsicht bei gefährlichen Handlungen mangeln lassen, noch kann er sich allein darauf verlassen, ob sie die Wahrschein- lichkeit des Schadens voraussehen; er muss vielmehr — wo wirklich die Lage die Besorgniss dringend macht — die an sich unschädliche Handlung selbst einschränken.
Vielleicht liesse sich demnach der folgende Grundsaz aufstellen:
um für die Sicherheit der Bürger Sorge zu tragen, muss der Staat diejenigen, sich unmittelbar allein auf den Handlenden beziehenden Handlungen verbieten,
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oder einschränken, deren Folgen die Rechte andrer kränken, d. i. ohne oder gegen die Einwilligung dersel- ben ihre Freiheit oder ihren Besiz schmälern, oder von denen diess wahrscheinlich zu besorgen ist, eine Wahr- scheinlichkeit, bei welcher allemal auf die Grösse des zu besorgenden Schadens und die Wichtigkeit der durch ein Prohibitivgesez entstehenden Freiheitseinschränkung zugleich Rüksicht genommen werden muss. Jede wei- tere, oder aus andren Gesichtspunkten gemachte Be- schränkung der Privatfreiheit aber, liegt ausserhalb der Gränzen der Wirksamkeit des Staats. Da, meinen hier entwikkelten Ideen nach, der einzige Grund solcher Einschränkungen die Rechte andrer sind; so müsslen dieselben natürlich sogleich wegfallen, als dieser Grund aufhörte, und sobald also z. B. da bei den meisten Polizeiveranstaltungen die Gefahr sich nur auf den Umfang der Gemeinheit, des Dorfs, der Stadt erstrekt, eine solche Gemeinheit ihre Aufhebung ausdrüklich und einstimmig ver- langte. Der Staat müsste alsdann zurüktreten, und sich begnügen, die, mit vorsäzlicher, oder schuldbarer Kränkung der Rechte vorgefallenen Beschädigungen zu bestrafen. Denn diess allein, die Hemmung der Uneinigkeilen der Bür- ger unter einander, ist das wahre und eigentliche Interesse des Staats, an dessen Beförderung ihn nie der Wille ein- zelner Bürger, wären es auch die Beleidigten selbst, hin- dern darf. Denkt man sich aufgeklärte, von ihrem wahren Vortheil unterrichtete, und daher gegenseitig wohlwollende Menschen in enger Verbindung mit einander; so werden leicht von selbst freiwillige, auf ihre Sicherheit abzwekkende Verträge unter ihnen entstehen, Verträge z. ß. dass diess oder jenes gefahrvolle Geschäft nur an bestimmten Orten, oder zu gewissen Zeiten, betrieben werden, oder auch ganz unterbleiben soll. Verträge dieser Art sind Verordnungen
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des Slaats bei weitem vorzuziehen. Denn, da diejenigen selbst sie schliessen, welche den Vortheil und Schaden da- von unmittelbar, und eben so, wie das Bedürfniss dazu, selbst fühlen, so entstehen sie erstlich gewiss nicht leicht anders, als wenn sie wirklich nothwendig sind; freiwillig eingegangen werden sie ferner besser und strenger befolgt; als Folgen der Selbstthätigkeit, schaden sie endlich, selbst bei beträchtlicher Einschränkung der Freiheit, dennoch dem Charakter minder, und vielmehr, wie sie nur bei einem ge- wissen Maasse der Aufklärung und des Wohlwollens ent- stehen, so tragen sie wiederum dazu bei, beide zu erhöhen. Das wahre Bestreben des Staats muss daher dahin gerich- tet sein, die Menschen durch Freiheit dahin zu führen, dass leichter Gemeinheiten entstehen, deren Wirksamkeit in die- sen und vielfältigen ähnlichen Fällen an die Stelle des Staats treten könne.
Ich habe hier gar keiner Geseze erwähnt, welche den Bürgern positive Pflichten, diess, oder jenes für den Staat, oder für einander aufzuopfern, oder zu thun, auflegten, der- gleichen es doch bei uns überall giebt. Allein die Anwen dung der Kräfte abgerechnet, welche jeder Bürger dem Staate, wo es erfordert wird, schuldig ist, und von der ich in der Folge noch Gelegenheit haben werde zu reden, halte ich es auch nicht für gut, wenn der Staat einen Bürger zwingt, zum Besten des andern irgend etwas gegen seinen Willen zu thun, möchte er auch auf die vollständigste Weise dafür entschädigt werden. Denn da jede Sache, und jedes Geschäft, der unendlichen Verschiedenheit der menschlichen Launen und Neigungen nach, jedem einen so unübersehbar verschiedenen Nuzen gewähren, und da dieser Nuzen auf gleich mannigfaltige Weise interessant, wichtig, und unent- behrlich sein kann; so führt die Entscheidung, welches Gut vu. 8
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des einen welchem des andren vorzuziehen sei? — selbst wenn auch nicht die Schwierigkeit gänzlich davon zurük- schrekt — immer etwas Hartes, über die Empfindung und Individualität des andren Absprechendes mit sich. Aus eben diesem Grunde ist auch, da eigentlich nur das Gleichartige, eines die Stelle des andren ersezen kann, wahre Entschädi- gung oft ganz unmöglich, und fast nie allgemein bestimmbar. Zu diesen Nachlheilen auch der besten Geseze dieser Art, kommt nun noch die Leichtigkeit des möglichen Misbrauchs. Auf der andren Seite macht die Sicherheit — welche doch allein dem Staat die Glänzen richtig vorschreibt, innerhalb welcher er seine Wirksamkeit halten muss — \ eranstallun- gen dieser Art überhaupt nicht nothwendig, da freilich jeder Fall, wo diess sich findet, eine Ausnahme sein muss; auch werden die Menschen wohlwollender gegen einander, und zu gegenseitiger Hülfsleistung bereitwilliger, je weniger sich ihre Eigenliebe und ihr Freiheilssinn durch ein eigentliches Zwangsrecht des andren gekränkt fühlt; und selbst, wenn die Laune und der völlig grundlose Eigensinn eines Men- schen ein gutes Lnternehmen hindert, so ist diese Erschei- nung nicht gleich von der Art, dass die Macht des Staats sich ins Mittel schlagen muss. Sprengt sie doch nicht in der physischen Natur jeden Fels, der dem Wanderer in dem Wege steht! Hindernisse beleben die Energie, und schärfen die Klugheit; nur diejenigen, welche die Ungerech- tigkeiten der Menschen hervorbringen, hemmen ohne zu nüzen; ein solches aber ist jener Eigensinn nicht, der zwar durch Geseze für den einzelnen Fall çebeiuït, aber nur durch Freiheit gebessert werden kann. Diese hier nur kurz zu- sammengenommenen Gründe sind, dünkt mich, stark genug, um bloss der ehernen NoIhtvendUfkeit zu weichen, und der Staat muss sich daher begnügen, die, schon ausser der po- sitiven Verbindung exislirenden Rechte der Menschen, ihrem
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eignen Untergänge die Freiheit oder das Eigenthuni des andren aufzuopfern, zu schüzen.
Endlich entstehen eine nicht unheträchtliche Menge von Polizeigesezen aus solchen Handlungen, welche innerhalb der Gränzen des eignen aber nicht alleinigen, sondern ge- meinschaftlichen Rechts vorgenommen werden. Bei diesen sind Freiheitsbeschränkungen natürlich bei weitem minder bedenklich, da in dem gemeinschaftlichen Eigenthum jeder Miteigentümer ein Recht zu widersprechen hat. Solch ein gemeinschaftliches Eigenthum sind z. B. Wege, Flüsse, die mehrere Besizungen berühren, Pläze und Strassen in Städ- ten u. s. f.
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Sorgfalt des Staats für die Sicherheit durch Bestim- mung1 solcher Handlungen der Bürger, welche sich unmittelbar und geradezu auf andre beziehen. (Civilgeseze. )
Verwikkelter, allein für die gegenwärtige Untersuchung mit weniger Schwierigkeit verbunden, ist der Fall solcher Handlungen, welche sich unmittelbar und geradezu auf andre beziehen. Denn wo durch dieselben Rechte gekränkt wer- den, da muss der Staat natürlich sie hemmen, und die Hand- lenden zum Ersaze des zugefügten Schadens zwingen. Sie kranken aber, nach den im Vorigen gerechtfertigten Bestim- mungen, das Recht nur dann, wenn sie dem andren gegen, oder ohne seine Einwilligung etwas von seiner Freiheit, oder seinem Vermögen entziehn. Wenn jemand von dem andren beleidigt worden ist, hat er ein Recht auf Ersaz, allein, da er in der Gesellschaft seine Privalrache dem Staat
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übertragen hat, auf nichts weiter, als auf diesen. Der Be- leidiger ist daher dem Beleidigten auch nur zur Erstattung des Entzognen, oder, wo diess nicht möglich ist, zur Ent- schädigung verbunden, und muss dafür mit seinem Vermö- gen, und seinen Kräften, insofern er durch diese zu erwer- ben vermögend ist, einstehn. Beraubung der Freiheit, die z. B. bei uns bei unvermögenden Schuldnern eintritt, kann nur als ein untergeordnetes Mittel, um nicht Gefahr zu lau- fen, mit der Person des Verpflichteten, seinen künftigen Er- werb zu verlieren, stattfinden. Nun darf der Staat zwar dem Beleidigten kein rechtmässiges Mittel zur Entschädigung versagen, allein er muss auch verhüten, dass nicht Rach- sucht sich dieses Vorwands gegen den Beleidiger bediene. Er muss diess um so mehr, als im aussergesellschaftlichen Zustande diese dem Beleidigten, wenn derselbe die Glän- zen des Rechts überschritte, Widerstand leisten würde, und hingegen hier die unwiderstehliche Macht des Staats ihn trift, und als allgemeine Bestimmungen, die immer da not- wendig sind, wo ein Dritter entscheiden soll, dergleichen Vorwände immer eher begünstigen. Die Versicherung der Person der Schuldner z. B. dürfte daher leicht noch mehr Ausnahmen erfordern, als die meisten Geseze davon ver- statten.
Handlungen, die mit gegenseitiger Einwilligung vor- genommen werden, sind völlig denjenigen gleich, welche Ein Mensch für sich, ohne unmittelbare Beziehung auf andre ausübt, und ich könnte daher bei ihnen nur dasjenige wie- derholen, was ich im Vorigen von diesen gesagt habe. In- dess giebt es dennoch unter ihnen Eine Gattung, welche völlig eigne Bestimmungen nothwendig macht, diejenigen nemlich, die nicht gleich und auf Einmal vollendet werden, sondern sich auf die Folge erslrekken. Von dieser Art sind alle Willenserklärungen, aus welchen vollkommene Pflichten
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der Erklärenden entspringen, sie mögen einseitig oder gegen- seitig geschehen. Sie übertragen einen Theil des Eigen- thums \on dem einen auf den andren, und die Sicherheit wird gestört, wenn der Uebertragende durch Nicht Erfüllung des Versprechens das Uebertragene wiederum zurükzuneh- men sucht. Es ist daher eine der wichtigsten Pflichten des Staats Willenserklärungen aufrecht zu erhalten. Allein der Zwang, welchen jede Willenserklärung auflegt, ist nur dann gerecht und heilsam, wenn einmal bloss der Erklärende da- durch eingeschränkt wird, und zweitens dieser, wenigstens mit gehöriger Fähigkeit der Ueberlegung — überhaupt und in dem Moment der Erklärung — und mit freier BeSchliessung handelte. Ueberall, wo diess nicht der Fall ist, ist der Zwang ehen so ungerecht als schädlich. Auch ist auf der einen Seite die Ueberlegung für die Zukunft nur immer auf eine sehr unvollkommene Weise möglich; und auf der andren sind manche Verbindlichkeilen von der Art, dass sie der Freiheit Fesseln anlegen, welche der ganzen Ausbildung des Menschen hinderlich sind. Es entsteht also die zweite Verbindlichkeit des Staats, rechtswidrigen Willenserklärungen den Beistand der Geseze zu versagen, und auch alle, nur mit der Sicherheit des Eigenthums vereinbare Vorkehrungen zu treffen, um zu verhindern, dass nicht die Unüberlegtheit Eines Moments dem Menschen Fesseln anlege, welche seine ganze Ausbildung hemmen oder zurükhalten. Was zur Gültig- keit eines Vertrags, oder einer Willenserklärung überhaupt erfordert wird, sezen die Theorien des Rechts gehörig aus- einander. Nur in Absicht des Gegenstandes derselben, bleibt mir hier zu erinnern übrig, dass der Staat, dem, den vorhin entwikkelten Grundsäzen gemäss, schlechterdings bloss die Erhaltung der Sicherheit obliegt, keine andern Gegenstände ausnehmen darf, als diejenigen, welche entweder schon die allgemeinen Begriffe des Rechts selbst ausnehmen, oder deren
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Ausnahme gleichfalls durch die Sorge für die Sicherheit ge- rechtfertigt wird. Als hieher gehörig aber zeichnen sich vorzüglich nur folgende Falle aus: 1. wo der Versprechende kein Zwangsrecht übertragen kann, ohne sich selbst bloss zu einem Mittel der Absichten des andren herabzuwürdigen, wie z. B. jeder auf Sklaverei hinauslaufende Vertrag wäre; 2. wo der Versprechende selbst über die Leistung des Ver- sprochenen, der Natur desselben nach, keine Gewalt hat, wie z. B. bei Gegenständen der Empfindung, und des Glau- bens der Fall ist; 3. wo das Versprechen, entweder an sich, oder in seinen Folgen den Rechten andrer entweder wirklich entgegen, oder doch gefährlich ist, wTobei alle, bei Gelegenheit der Handlungen einzelner Menschen enlwikkelte Grundsäze eintreten. Der Unterschied zwischen diesen Fällen ist nun der, dass in dem ersten und zweiten der Staat bloss das Zwrangsrecht der Geseze versagen muss, übrigens aber weder Willenserklärungen dieser Art, noch auch ihre Aus- übung, insofern diese nur mit gegenseitiger Bewilligung ge- schieht, hindern darf, da er hingegen in dem zulezt aufge- führten auch die blosse Willenserklärung an sich untersagen kann, und muss.
Wo aber gegen die Rechtmässigkeit eines Vertrags oder einer Willenserklärung kein Einwand zu machen ist; da kann der Staat dennoch, um den Zwang zu erleichtern, welchen selbst der freie Wille der Menschen sich unter einander auf- legt, indem er die Trennung der, durch den Vertrag ein- gegangenen Verbindung minder erschwert, verhindern, dass nicht der zu einer Zeit gefasste Entschluss auf einen zu grossen Theil des Lebens hinaus, die Willkühr beschränke. Wo ein Verting bloss auf Uebertragung von Sachen, ohne weiteres persönliches Verhältniss, abzwekt, halte ich eine solche Veranstaltung nicht ralhsam. Denn einmal sind die- selben weit seltener von der Art, dass sie auf ein dauerndes
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Verhältniss der Kontrahenten führen; dann stören auch, bei ihnen vorgenommene Einschränkungen die Sicherheit der Geschäfte auf eine hei weitem schädlichere Weise; und endlich ist es von manchen Seiten, und vorzüglich zur Ausbildung der Beurtheilungskraft, und zur Beförderung der Festigkeit des Charakters gut, dass das einmal gegebene Wort unwider- ruflich binde, so dass man diesen Zwang nie, ohne eine wahre Notwendigkeit, erleichtern muss, welche bei der Ueb ertragung von Sachen, wodurch zwar diese oder jene Ausübung der menschlichen Thätigkeit gehemmt, aber die Energie selbst nicht leicht geschwächt werden kann, nicht eintritt. Bei Verträgen hingegen, welche persönliche Lei- stungen zur Pflicht machen, oder gar eigentliche persönliche Verhältnisse hervorbringen, ist es bei weitem anders. Der Zwang ist bei ihnen den edelsten Kräften des Menschen nachtheilig, und da das Gelingen der Geschäfte selbst, die durch sie bewirkt werden, obgleich mehr oder minder, von der fortdauernden Einwilligung der Pariheien abhängt; so ist auch bei ihnen eine Einschränkung dieser Art minder schädlich. Wo daher durch den Vertrag ein solches per- sönliches Verhältniss entsteht, das nicht bloss einzelne Hand- lungen fordert, sondern im eigentlichsten Sinn die Person und die ganze Lebensweise betritt, wo dasjenige, was ge- leistet, oder dasjenige, dem entsagt wird, in dem genauesten Zusammenhange mit inneren Empfindungen steht, da muss die Trennung zu jeder Zeit, und ohne Anführung aller Gründe erlaubt sein. So bei der Ehe. Wo das Verhältniss zwar weniger eng ist, indess gleichfalls die persönliche Freiheit eng beschränkt, da, glaube ich, müsste der Staat eine Zeit festsezen, deren Länge auf der einen Seite nach der Wichtig- keit der Beschränkung, auf der andren nach der Natur des Geschäfts zu bestimmen wäre, binnen welcher zwar keiner beider Theile einseitig abgehen dürfte, nach Verlauf welcher
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aber der Vertrag ohne Erneuerung, kein Zwangsrecht nach sich ziehen könnte, selbst dann nicht, wenn die Partheien, bei Eingehung des Vertrags, diesem Geseze entsagt hätten. Denn wenn es gleich scheint, als sei eine solche Anord- nung eine blosse Wohlthat des Gesezes, und dürfte sie, ebensowenig als irgend eine andre, jemandem aufgedrungen werden; so wird ja niemandem hierdurch die Befugniss genommen auch , das ganze Leben hindurch dauernde Verhältnisse einzugehen, sondern bloss dem einen das Recht, den andren da zu zwingen, wo der Zwang den höchsten Zwekken desselben hinderlich sein würde. Ja es ist um so weniger eine blosse Wohlthat, als die hier genannten Fälle, und vorzüglich der der Ehe (sobald nemlich die freie Willkühr nicht mehr das Verhältniss begleitet) nur dem Grade nach von denjenigen verschie- den sind, worin der eine sich zu einem blossen Mittel der Absicht des andren macht, oder vielmehr von dem an- dren dazu gemacht wird; und die Befugniss hier die Gränz- linie zu bestimmen zwischen dem, ungerechter, und gerechter Weise aus dem Vertrag entstehenden Zwangsrecht, kann dem Staat, d. i. dem gemeinsamen Willen der Gesellschaft, nicht bestritten werden, da ob die, aus einem Vertrage ent- stehende Beschränkung den, welcher seine Willensmeinung geändert hat, wirklich nur zu einem Mittel des andren macht? völlig genau, und der Wahrheit angemessen zu entschei- den, nur in jeglichem speciellen Fall möglich sein würde. Endlich kann es auch nicht eine Wohlthat aufdringen heissen, wenn man die Befugniss aufhebt, ihr im Voraus zu entsagen.
Die ersten Grundsäze des Hechts lehren von selbst, und es ist auch im Vorigen schon ausdrüklich erwähnt worden, dass niemand gültigerweise über etwas andres einen Ver- trag schliessen, oder überhaupt seinen Willen erklären kann,
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als über das, was wirklich sein Eigenthum ist, seine Hand- lungen, oder seinen Besiz. Es ist auch gewiss, dass der wichtigste Theil der Sorgfalt des Staats für die Sicherheit der Bürger, insofern Verträge oder Willenserklärungen auf dieselbe Einfluss haben, darin besteht, über die Ausübung dieses Sazes zu wachen. Dennoch finden sich noch ganze Gattungen der Geschäfte, bei welchen man seine Anwendung gänzlich vermisst. So alle Dispositionen von Todes wegen, auf welche Art sie geschehen mögen, ob direkt, oder in- direkt, nur bei Gelegenheit eines andren Vertrags, ob in einem Vertrage, Testamente, oder, irgend einer andren Dis- position, welcher Art sie sei. Alles Recht kann sich un- mittelbar nur immer auf die Person beziehn; auf Sachen ist es nicht anders denkbar, als insofern die Sachen durch Handlungen mit der Person verknüpft sind. Mit dem Auf- hören der Person fällt daher auch diess Recht weg. Der Mensch darf daher zwar, bei seinem Leben mit seinen Sachen nach Gefallen schalten, sie ganz oder zum Theil, ihre Substanz, oder ihre Benuzung, oder ihren Besiz ver- äussern, auch seine Handlungen, seine Disposition über sein Vermögen, wie er es gut findet, im Voraus beschränken. Keinesweges aber steht ihm die Befugniss zu, auf eine, für andre verbindliche Weise zu bestimmen, wie es mit seinem Vermögen nach seinem Tode gehalten werden, oder wie der künftige Besizer desselben handien oder nicht handien solle? Ich verweile nicht bei den Einwürfen, welche sich gegen diese Säze erheben lassen. Die Gründe und Gegen- gründe sind schon hinlänglich in der bekannten Streitfrage über die Gültigkeit der Testamente nach dem Naturrecht auseinandergesezt worden, und der Gesichtspunkt des Rechts ist hier überhaupt minder wichtig, da freilich der ganzen Gesellschaft die Befugniss nicht bestritten weiden kann, lezt- willigen Erklärungen die, ihnen sonst mangelnde Gültigkeit
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positiv beizulegen. Allein wenigstens in der Ausdehnung, welche ihnen die meisten unsrer Gesezgebungen beilegen, nach dem System unsres gemeinen Rechts, in welchem sich hier die Spizfindigkeit Römischer Rechtsgelehrten, mit der, eigentlich auf die Trennung aller Gesellschaft hinauslaufenden Herrschsucht des Lehnwesens vereint, hemmen sie die Frei- heit, deren die Ausbildung des Menschen nothwendig bedarf, und streiten gegen alle,, in diesem ganzen Aufsaz entwickelte Grundsäze. Denn sie sind das vorzüglichste Mittel, wodurch eine Generation der andren Geseze vorschreibt, wodurch Misbräuche und Vorurtheile, die sonst nicht leicht die Gründe überleben würden, welche ihr Entstehen unvermeidlich, oder ihr Dasein unentbehrlich machen, von Jahrhunderten zu Jahrhunderlen forterben, wodurch endlich, statt dass die Menschen den Dingen die Gestalt geben sollten, diese die Menschen selbst ihrem Joche unterwerfen. Auch lenken sie am meisten den Gesichtspunkt der Menschen von der wah- ren Kraft und ihrer Ausbildung ab, und auf den aussren Hcsiz, und das Vermögen hin, da diess nun einmal das Einzige ist, wodurch dem Willen noch nach dem Tode Ge- horsam erzwungen werden kann. Endlich dient die Freiheit leztwilliger Verordnungen sehr oft und meistentheils gerade den unedleren Leidenschaften des Menschen, dem Stolze, der Herrschsucht, der Eitelkeit u. s. f. so wie überhaupt viel häufiger nur die minder Weisen und minder Guten davon Gebrauch machen, da der Weisere sich in Acht nimmt, etwas für eine Zeit zu verordnen, deren individuelle Um- stände seiner Kurzsichtigkeit verborgen sind, und der Bessere sich freut, auf keine Gelegenheit zu slossen, wo er den Willen andrer einschränken muss, statt dieselben noch be- gierig hervorzusuchen. Nicht selten mag sogar das Ge- heimniss und die Sicherheit vor dem Urtheil der Mitwelt Dispositionen begünstigen, die sonst die Schaam unterdrükt
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hatte. Diese Gründe zeigen, wie es mir scheint hinlänglich die Notwendigkeit, wenigstens gegen die Gefahr zu sichern, welche die testamentarischen Dispositionen der Freiheit der Bürger drohen.
Was soll aber, wenn der Staat die Befugniss gänzlich aufhebt, Verordnungen zu machen, welche sich auf den Fall des Todes beziehen — wie denn die Strenge der Grundsäze diess allerdings erfordert — an ihre Stelle treten? Da Ruhe und Ordnung allen erlaubte Besiznehmung unmöglich machen, unstreitig nichts andres als eine vom Staat festgesezte In- testaterbfolge. Allein dem Staate einen so mächtigen posi- tiven Einfluss, als er durch diese Erbfolge, bei gänzlicher Abschaffung der eignen Willenserklärungen der Erblasser, erhielte, einzuräumen, verbieten auf der andren Seile manche der im Vorigen entwikkelten Grundsäze. Schon mehr als einmal ist der genaue Zusammenhang der Geseze der In- tcstatsuccession mit den politischen Verfassungen der Staa- ten bemerkt worden, und leicht liesse sich dieses Mittel auch zu andren Zwekken gebrauchen. Ueberhaupt ist im Ganzen der mannigfaltige und wechselnde Wille der ein- zelnen Menschen dem einförmigen und unveränderlichen des Staats vorzuziehen. Auch scheint es, welcher Nachtheile man immer mit Recht die Testamente beschuldigen mag, dennoch hart, dem Menschen die unschuldige Freude des Gedankens zu rauben, diesem oder jenem mit seinem Ver- mögen noch nach seinem Tode wohllhätig zu werden; und wenn grosse Begünstigung derselben der Sorgfalt für das Vermögen eine zu grosse Wichtigkeit giebt, so führt auch gänzliche Aufhebung vielleicht wiederum zu dem entgegen- gesezten Uebel. Dazu entsteht durch die Freiheit der Men- schen, ihr Vermögen willkührlich zu hinterlassen, ein neues Band unter ihnen, das zwar oft sehr gemisbraucht, allein auch oft heilsam benuzt werden kann. Und die ganze Ab-
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sieht der hier vorgetragenen Ideen Hesse sich ja vielleicht nicht unrichtig darin sezen, dass sie alle Fesseln in der Ge- sellschaft zu zerbrechen, aber auch dieselbe mit so viel Banden, als möglich, unter einander zu verschlingen bemüht sind. Der Isolirte vermag sich eben so wenig zu bilden, als der Gefesselte. Endlich ist der Unterschied so klein, ob jemand in dem Moment seines Todes sein Vermögen wirk- lich verschenkt, oder durch ein Testament hinterlässt, da er doch zu dem Ersteren ein unbezweifeltes und unentreiss- bares Recht hat,
Der Widerspruch, in welchen die hier aufgeführten Gründe und Gegengründe zu verwikkeln schienen, löst sich, dünkt mich, durch die Betrachtung, dass eine leztwillige Verordnung zweierlei Bestimmungen enthalten kann, 1. wer unmittelbar der nächste Besizer des Nachlasses sein? 2. wie er damit schalten, wem er ihn wiederum hinterlassen, und wie es überhaupt in der Folge damit gehalten werden soll? und dass alle vorhin erwähnte Nachlheile nur von den lezteren, alle Vortheile hingegen allein von den ersteren gel- ten. Denn haben die Geseze nur, wie sie allerdings müssen, durch gehörige Bestimmung eines Pflichttheils Sorge ge- tragen, dass kein Erblasser eine wahre Lnbilli°keit oder Ungerechtigkeit begehen kann, so scheint mir von der bloss wohlwollenden Meinung, jemanden noch nach seinem Tode zu beschenken, keine sonderliche Gefahr zu befürchten zu sein. Auch werden die Giundsäze, nach welchen die Men- schen hierin verfahren werden, zu Einer Zeit gewiss immer ziemlich dieselben sein, und die grössere Häufigkeit oder Seltenheit der Testamente wird dem Gesezgeber selbst zu- gleich zu einem Kennzeichen dienen, ob die von ihm einge- führte Inleslal-Erbfolge noch passend ist, oder nicht? Dürfte es daher vielleicht nicht rathsam sein, nach der zwiefachen Natur dieses Gegenstandes, auch die Maassregeln des Staats
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in Betreff seiner zu theilen? auf der einen Seile zwar jedem zu gestatten, die Einschränkung in Absicht des Pflichltheils ausgenommen, zu bestimmen, wer sein Vermögen nach seinem Tode besizen solle? aber ihm auf der andren zu verbieten, gleichfalls auf irgend eine nur denkbare Weise zu verordnen, wie derselbe übrigens damit schalten, oder walten solle? Leicht könnte nun zwar das, was der Staat erlaubte, als ein Mittel gemisbraucht werden, auch das zu thun, was er untersagte. Allein diesem müsste die Gesez- gebung durch einzelne und genaue Bestimmungen zuvorzu- kommen bemüht sein. Als solche Bestimmungen liessen sich z. B. da die Ausführung dieser Materie nicht hieher gehört, folgende vorschlagen, dass der Erbe durch keine Bedingung bezeichnet werden dürfte, die er, nach dem Tode des Erblassers, vollbringen müsste, um wirklich Erbe zu sein; dass der Erblasser immer nur den nächsten Besizer seines Vermögens, nie aber einen folgenden ernennen, und dadurch die Freiheit des früheren beschränken dürfte; dass er zwar mehrere Erben ernennen könnte, aber diess geradezu thun müsste; eine Sache zwar dem Umfange, nie aber den Rechten nach z. B. Substanz und Niessbrauch, theilen dürfte u. s. f. Denn hieraus, wie auch aus der hiermit noch verbundnen Idee, dass der Erbe den Erblasser vorstellt — die sich, wenn ich mich nicht sehr irre, wie so vieles andre, in der Folge für uns noch äusserst wichtig Gewordene, auf eine Formalität der Römer, und also auf die mangelhafte Einrichtung der Gerichtsverfassung eines erst sich bildenden Volkes gründet — entspringen mannigfaltige Unbequemlich- keilen, und Freiheitsbeschränkungen. Allen diesen aber wird es möglich sein zu entgehen, wenn man den Saz nicht aus den Augen verliert, dass dem Erblasser nichts weiter ver- staltet sein darf, als aufs Höchste seinen Erben zu nennen; dass der Staat, wenn diess güllig geschehen ist, diesen
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Erben zum Besize verhelfen, aber jeder weitergehenden Willenserklärung des Erblassers seine Unterstüzung ver- sagen muss.
Für den Fall, wo keine Eibesernennung von dem Erb- lasser geschehen ist, muss der Staat eine Intestaterbfolge anordnen. Allein die Ausführung der Säze, welche dieser, so wie der Bestimmung des Pflichttheils zum Grunde liegen müssen, gehört nicht zu meiner gegenwärtigen Absicht, und ich kann mich mit der Bemerkung begnügen, dass der Staat auch hier nicht positive Endzwekke, z. B. Aufrechthaltung des Glanzes und des Wohlstandes der Familien, oder in dem entgegengesezten Extreme Versplilterung des Vermö- gens durch Vervielfachung der Theilnehmer, oder gar reich- lichere Unterstüzung des grösseren Bedürfnisses, vor Augen haben darf; sondern allein den Begriffen des Rechts folgen muss, die sich hier vielleicht bloss auf den Begriff des ehe- maligen Miteiffenthums bei dem Leben des Erblassers be- schränken, und so das erste Recht der Familie, das fernere der Gemeine u. s. w. einräumen l).
Sehr nah verwandt mit der Erbschaftsmaterie ist die Frage, inwiefern Verträge unter Lebendigen auf die Erben übergehen müssen? Die Antwort muss sich aus dem fest- gestellten Grundsaz ergeben. Dieser aber war folgender: der Mensch darf bei seinem Leben seine Handlungen be- schränken und sein Vermögen veräussern, wie er will, auf die Zeit seines Todes aber weder die Handlungen dessen bestimmen wollen, der alsdann sein Vermögen besizt, noch
) Sehr vieles in dem vorigen Raisonnement habe icli ans Mirabeans Rede über eben diesen Gegenstand entlehnt; und ich würde noch mehr davon haben bennzen können, wenn nicht Mirabeau einen, der gegenwärtigen Absicht völlig fremden, politischen Ge- sichtspunkt verfolgt hätte. S. Collection complette des travaux de Mr. Mirabeau Vaine h VAssembléc nationale. T. V. p. 498 — 524.
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auch hierüber eine Anordnung- irgend einer Gattung (man müsste denn die blosse Ernennung eines Erben billigen) treffen. Es müssen daher alle diejenigen Verbindlichkeiten auf den Erben übergehn, und gegen ihn erfüllt werden, welcbe wirklich die Uebertragimg eines Theils des Eigen- tums in sich schliessen, folglich das Vermögen des Erb- lassers entweder verringert oder vergrössert haben; hingegen keine von denjenigen, welche entweder in Handlungen des Erblassers bestanden, oder sich nur auf die Person desselben bezogen. Selbst aber mit diesen Einschränkungen bleibt die Möglichkeit, seine Nachkommenschaft durch Verträge, die zur Zeit des Lebens geschlossen sind, in bindende Ver- hältnisse zu verwikkeln, noch immer zu gross. Denn man kann ebensogut Rechte, als Stükke seines Vermögens ver- äussern, eine solche Veräusserung muss nothwendig für die Erben, die in keine andre Lage treten können, als in welcher der Erblasser selbst war, verbindlich sein, und nun führt der getheilte Besiz mehrerer Rechte auf Eine und die nemliche Sache allemal zwingende persönliche Verhältnisse mit sich. Es dürfte daher wohl, wenn nicht nothwendig, doch aufs mindeste sehr ralhsam sein, wenn der Staat ent- weder untersagte, Verträge dieser Art anders als auf die Lebenszeit zu machen, oder wenigstens die Mittel erleich- lerte, eine wirkliche Trennung des Eigenthums da zu be- wirken, wo ein solches Verhältniss einmal entstanden wäre. Die genauere Ausführung einer solchen Anordnung gehört wiederum nicht hieher, und das um so weniger, als, wie es mir scheint, dieselbe nicht sowohl durch Feststellung allgemeiner Grundsäze, als durch einzelne, auf bestimmte Verträge gerichtete Geseze zu machen sein würde.
Je weniger der Mensch anders zu handeln vermocht wird, als sein Wille verlangt, oder seine Kraft ihm erlaubt, desto günstiger ist seine Lage im Staat. Wenn ich in Bezug
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auf diese Wahrheit — um welche allein sich eigentlich alle in diesem Aufsaze vorgetragene Ideen drehen, das Feld «un- serer Civiljurisprudenz übersehe; so zeigt sich mir neben andren, minder erheblichen Gegenständen, noch ein äusserst wichtiger, die Gesellschaft nemlich, welche man, im Gegen- saze der physischen Menschen, moralische Personen zu nennen pflegt. Da sie immer eine, von der Zahl der Mit- glieder, welche sie ausmachen, unabhängige Einheit ent- halten, welche sich, mit nur unbeträchtlichen Veränderungen, durch eine lange Reihe von Jahren hindurch erhält; so bringen sie aufs mindeste alle die Nachtheile hervor, welche im Vorigen als Folgen leztwilliger Verordnungen dargestellt worden sind. Denn wenn gleich ein sehr grosser Theil ihrer Schädlichkeit bei uns, aus einer, nicht nothwendig mit ihrer Natur verbundnen Einrichtung — den ausschliesslichen Privilegien nemlich, welche ihnen bald der Staat ausdrük- lich, bald die Gewohnheit stillschweigend ertheilt, und durch welche sie oft wahre politische Corps werden — entsteht; so führen sie doch auch an sich noch immer eine beträcht- liche Menge von' Unbequemlichkeiten mit sich. Diese aber entstellen allemal nur dann, wenn die Verfassung derselben entweder alle Mitglieder, gegen ihren Willen, zu dieser oder jener Anwendung der gemeinschaftlichen Mittel zwingt, oder doch dem Willen der kleineren Zahl, durch Not- wendigkeit der Uebereinstimmung aller, erlaubt, den der grösseren zu fesseln. Uebrigens sind Gesellschaften und Vereinigungen, weit entfernt an sich schädliche Folgen her- vorzubringen, gerade eins der sichersten und zwekmässig- sten Mittel, die Ausbildung des Menschen zu befördern und zu beschleunigen. Das Vorzüglichste, was man hiebei vom Staat zu erwarten hätte, dürfte daher nur die Anordnung sein, dass jede moralische Person oder Gesellschaft für nichts weiter, als für die Vereinigung der jedesmaligen Mitglieder
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anzusehen sei, und daher nichts diese hindern könne, über die Verwendung der gemeinschaftlichen Kräfte und Mittel durch Stimmenmehrheit nach Gefallen zu beschliessen. Nur muss man sich wohl in Acht nehmen für diese Mitglieder bloss diejenigen anzusehen, auf welchen wirklich die Gesell- schaft beruht, nicht aber diejenigen, welcher sich diese nur etwa als Werkzeuge bedienen — eine Verwechslung, welche nicht selten, und vorzüglich, bei Beurtheilung der Rechte der Geistlichkeit, gemacht worden ist.
Aus diesem bisherigen Raisonnement nun rechtfertigen sich, glaube ich, folgende Grundsäze.
Da, wo der Mensch nicht bloss innerhalb des Kreises seiner Kräfte und seines Eigenthums bleibt, sondern Handlungen vornimmt, welche sich unmittelbar auf den andren beziehen, legt die Sorgfalt für die Sicherheit dem Staat folgende Pflichten auf.
1. Bei denjenigen Handlungen, welche ohne, oder gegen den Willen des andren vorgenommen werden, muss er verbieten, dass dadurch der andre in dem Ge- nuss seiner Kräfte, oder dem Besiz seines Eigenthums gekränkt werde; im Fall der Uebertretung, den Belei- diger zwingen, den angerichteten Schaden zu ersezen, aber den Beleidigten verhindern, unter diesem Vor- wande, oder ausserdem eine Privatrache an demselben zu üben.
2. Diejenigen Handlungen, welche mit freier Bewilli- gung des andern geschehen, muss er in eben denjeni- gen, aber keinen engern Schranken halten, als welche den Handlungen einzelner Menschen im Vorigen vor- geschrieben sind. (S. S. 111. 112).
3. Wenn unter den eben erwähnten Handlungen solche sind, aus welchen Rechte und Verbindlichkeiten für die Folge unter den Partheien entstehen (einseitige
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und gegenseitige Willenserklärungen, Vertrüge u. s. f.), so muss der Staat das, aus denselben entspringende Zwangsrecht zwar überall da schüzen, wo dasselbe in dem Zustande der Fähigkeit gehöriger Ueberlegung, in Absicht eines, der Disposition des Uebertragenden un- terworfenen Gegenstandes, und mit freier Beschliessung übertragen wurde; hingegen niemals da,, wo es entwe- der den Handlenden selbst an einem dieser Stükke fehlt, oder wo ein Dritter, gegen, oder ohne seine Einwilli- gung widerrechtlich beschränkt werden würde.
4. Selbst bei »ülticen Verträgen muss er, wenn aus denselben solche persönliche Verbindlichkeiten, oder vielmehr ein solches persönliches Verhältniss entspringt, welches die Freiheit sehr eng beschränkt, die Trennung, auch gegen den Willen Eines Theils immer in dem Grade der Schädlichkeit der Beschränkung für die in- nere Ausbildung erleichtern; und daher da, wo die Lei- stung der, aus dem Verhältniss entspringenden Pflich- ten mit inneren Empfindungen genau verschwistert ist, dieselbe unbestimmt und immer, da hingegen, wo, bei zwar enger Beschränkung, doch gerade diess nicht der Fall ist, nach einer, zugleich nach der Wichtigkeit der Beschränkung und der Natur des Geschäfts zu bestim- menden Zeit erlauben.
5. Wenn jemand über sein Vermögen auf den Fall seines Todes disponiren will ; so dürfte es zwar rath- sam sein, die Ernennung des nächsten Erben, ohne Hinzufügung irgend einer, die Fähigkeit desselben, mit dem Vermögen nach Gefallen zu schalten, einschrän- kenden Bedingung, zu gestatten ; hingegen
6. ist es nothwendig alle weitere Disposition dieser Art gänzlich zu untersagen ; und zugleich eine Intestat- Erbfolge und einen bestimmten Pflichttheil festzusezen.
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7. Wenn gleich unter Lebendigen geschlossene Ver- träge insofern auf die Erben übergehn und gegen die Erben erfüllt werden müssen, als sie dem hinterlasse- nen Vermögen eine andre Gestalt geben; so darf doch der Staat nicht nur keine weitere Ausdehnung dieses Sazes gestalten, sondern es wäre auch allerdings ralh- sam, wenn derselbe einzelne Vertrage, welche ein en- ges und beschrankendes Verhältniss unter den Partheien hervorbringen (wie z.B. die Theilung der Rechte auf Eine Sache zwischen Mehreren) entweder nur auf die Lebenszeit zu schliessen erlaubte, oder doch dem Er- ben des einen oder andren Theils die Trennung erleich- terte. Denn wenn gleich hier nicht dieselben Gründe, als im Vorigen bei persönlichen Verhältnissen eintreten ; so ist auch die Einwilligung der Erben minder frei, und die Dauer des Verhältnisses sogar unbestimmt lang.
Wäre mir die Aufstellung dieser Grundsäze völlig mei- ner Absicht nach, gelungen: so müssten dieselben allen den- jenigen Fällen die höchste Richtschnur vorschreiben, in wel- chen die Civil-Gesezgebung für die Erhaltung der Sicherheit zu sorgen hat. So habe ich auch z. B. der moralischen Personen in denselben nicht erwähnt, da, je nachdem eine solche Gesellschaft durch einen lezten Willen, oder einen Vertrag entsteht, sie nach den, von diesen redenden Grund- säzen zu beurtheilen ist. Freilich aber verbietet mir schon der Reichthum der in der Civil-Gesezgebung enthaltenen Fälle, mir mit dem Gelingen dieses Vorsazes zu schmeicheln.
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XII.
Sorgfalt des Staats für die Sicherheit durch rechtliche Entscheidung der Streitigkeiten der Bürger.
Dasjenige, worauf die Sicherheit der Bürger in der Ge- sellschaft vorzüglich beruht, ist die Uebertragung aller eigen- mächtigen Verfolgung des Rechts an den Staat. Aus dieser Uebertragung entspringt aber auch für diesen die Pflicht, den Bürgern nunmehr zu leisten, was sie selbst sich nicht mehr verschaffen dürfen, und folglich das Recht, wenn es unter ihnen streitig ist, zu entscheiden, und den, auf dessen Seite es sich findet, in dem Besize desselben zu schüzen. Hiebei tritt der Staat allein, und ohne alles eigne Interesse in die Stelle der Bürger. Denn die Sicherheit wird hier nur dann wirklich verlezt, wenn derjenige, welcher Unrecht leidet, oder zu leiden vermeint, diess nicht geduldig ertra- gen will, nicht aber dann, wenn er entweder einwilligt, oder doch Gründe hat, sein Recht nicht verfolgen zu wollen. Ja selbst wenn Unwissenheit oder Trägheit Vernachlässigung des eignen Rechtes veranlasste, dürfte der Staat sich nicht von selbst darin mischen. Er hat seinen Pflichten Genüge geleistet, sobald er nur nicht durch verwikkelte, dunkle, oder nicht gehörig bekannt gemachte Geseze zu dergleichen Irrthümern Gelegenheit giebt. Eben diese Gründe gelten nun auch von allen Mitteln, deren der Staat sich zur Aus- mittelung des Rechts da bedient, wo es wirklich verfolgt wird. Er darf darin nemlich niemals auch nur einen Schritt weiter zu gehen wagen, als ihn der Wille der Partheien führt. Der erste Grundsaz jeder Prozessordnung müsste daher noth wendig der sein, niemals die Wahrheit an sich und schlechterdings, sondern nur immer insofern aufzusu- chen, als diejenige Parlhei es fordert, welche deren Aufsu- chung überhaupt zu verlangen berechtigt ist. Allein auch
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hier treten noch neue Schranken ein. Der Staat darf nem- lich nicht jedem Verlangen der Partheien willfahren, son- dern nur demjenigen, welches zur Aufklärung des streitigen Rechtes dienen kann, und auf die Anwendung solcher Mittel gerichtet ist, welche, auch ausser der Staatsverbindung, der Mensch gegen den Menschen, und zwar in dem Falle ge- brauchen kann, in welchem bloss ein Recht zwischen ihnen streitig ist, in welchem aber der andre ihm entweder über- haupt nicht, oder wenigstens nicht erwiesenermaassen etwas entzogen hat. Die hinzukommende Gewalt des Staats darf nicht mehr thun, als nur die Anwendung dieser Mittel si- chern, und ihre Wirksamkeit unterstüzen. Hieraus entsteht der Unterschied zwischen dem Civil und Kriminalverfahren, dass in jenem das äusserste Mittel zur Erforschung der Wahrheit der Eid ist, in diesem aber der Staat einer grös- seren Freiheit geniesst. Da der Richter bei der Ausmitte- lung des streitigen Rechts gleichsam zwischen beiden Thei- len steht, so ist es seine Pflicht zu verhindern, dass keiner derselben durch die Schuld des andern in der Erreichung seiner Absicht entweder ganz gestört, oder doch hingehalten werde; und so entsteht der zweite gleich nothwendige Grund- saz, das Verfahren der Partheien, während des Prozesses, unter specieller Aufsicht zu haben, und zu verhindern, dass es, statt sich dem gemeinschaftlichen Endzwek zu nähern, sich vielmehr davon entferne. Die höchste und genaueste Befolgung jedes dieser beiden Grundsäze würde, dünkt mich, die beste Prozessordnung hervorbringen. Denn übersieht man den lezteren, so ist der Chikane der Partheien, und der Nachlässigkeit und den eigensüchtigen Absichten der Sachwalter zuviel Spielraum gelassen; so werden die Pro- zesse verwikkelt, langwierig, kostspielig; und die Entschei- dungen dennoch schief, und der Sache, wie der Meinung der Pariheien, oft unangemessen. Ja diese Nachtheile tragen
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sogar zur grösseren Häufigkeit rechtlicher Streitigkeilen und zur Nahrung der Prozesssucht bei. Entfernt man sich hin- gegen von dem ersteren Grundsaz: so wird das Verfahren- inquisitorisch, der Richter erhalt eine zu grosse GeAvalt, und mischt sich in die geringsten Privatangelegenheiten der Bür- ger. Von beiden Extremen finden sich Beispiele in der Wirklichkeit, und die Erfahrung bestätigt, dass, wenn das zulezt geschilderte die Freiheit zu eng und widerrechtlich beschränkt, das zuerst aufgestellte der Sicherheit des Eigen- thums nachtheilig ist.
Der Richter braucht zur Untersuchung und Erforschung der Wahrheit Kennzeichen derselben, Beweismittel. Daher giebt die Betrachtung, dass das Recht nicht anders wirk- same Gültigkeit erhalt, als wenn es, im Fall es bestritten würde, eines Beweises vor dem Richter fähig ist, einen neuen Gesichtspunkt für die Gesezgebung an die Hand. Es entsteht nemlich hieraus die Nothwendigkeit neuer einschrän- kender Geseze, nemlich solcher, welche den verhandelten Geschäften solche Kennzeichen beizugeben gebieten, an wel- chen künftig ihre Wirklichkeit oder Gültigkeit zu erkennen sei. Die Nothwendigkeit von Gesezen dieser Art fällt alle- mal in eben dem Grade, in welchem die Vollkommenheit der Gerichtsverfassung steigt; ist aber am grossesten da, wo diese am mangelhaftesten ist, und daher der meisten äusseren Zeichen zum Beweise bedarf. Daher findet man die meisten Formalitäten bei den unkultivirtesten Völkern. Stufenweise erforderte die Vindikation eines Akkers, bei den Römern, erst die Gegenwart der Partheien auf dem Akker selbst, dann das Bringen einer Erdscholle desselben ins Ge- richt, in der Folge feierliche Worte, und endlich auch diese nicht mehr. Ueberall, vorzüglich aber bei minder kultivir- len Nationen hat folglich die Gerichtsverfassung einen sehr wichtigen Einfluss auf die Gesezgebung gehabt, der sich
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sehr oft bei weitem nicht auf blosse Formalitäten beschränkt. Ich erinnere hier, statt eines Beispiels, an die Römische Lehre von Pakten und Kontrakten, die wie wenig sie auch bisher noch aufgeklart ist, schwerlich aus einem andern Ge- sichtspunkt angesehen werden darf. Diesen Einfluss in ver- schiedenen Gesezgebungen verschiedener Zeitalter und Na- tionen zu erforschen, dürfte nicht bloss aus vielen andren Gründen, aber auch vorzüglich in der Hinsicht nüzlich sein, um daraus zu beurtheilen, welche solcher Geseze wohl all- gemein nothwendig, welche nur in Lokalverhältnissen ge- gründet sein möchten? Denn alle Einschränkungen dieser Art aufzuheben, dürfte — auch die Möglichkeit angenommen — schwerlich rathsam sein. Denn einmal wird die Mög- lichkeit von Betrügereien, z. B. von Unterschiebung falscher Dokumente u. s. f. zu wenig erschwert; dann werden die Prozesse vervielfältigt, oder, da diess vielleicht an sich noch kein Uebel scheint, die Gelegenheiten durch erregte unnüze Streitigkeiten die Ruhe andrer zu stören zu mannigfaltig. Nun aber ist gerade die Streitsucht, welche sich durch Pro- zesse äussert, diejenige, welche — den Schaden noch ab- gerechnet, den sie dem Vermögen, der Zeit, und der Ge- müthsruhe der Bürger zufügt — auch auf den Charakter den nachtheiligsten Einfluss hat, und gerade durch gar keine nüzliche Folgen für diese Nachtheile entschädigt. Der Schade der Förmlichkeiten hingegen ist die Erschwerung der Ge- schäfte, und die Einschränkung der Freiheit, die in jedem Verhältniss bedenklich ist. Das Gesez muss daher auch hier einen Mittelweg einschlagen, Förmlichkeiten nie aus einem andern Gesichtspunkte anordnen, als um die Gültigkeit der Geschäfte zu sichern, und Betrügereien zu verhindern, oder den Beweis zu erleichtern; selbst in dieser Absicht diesel- ben nur da fordern, wo sie den individuellen Umständen nach nothwendig sind, wo ohne sie jene Betrügereien zu
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leicht zu besorgen, und dieser Beweis zu schwer zu führen sein würde; zu denselben nur solche Regeln vorschreiben, deren Befolgung mit nicht grossen Schwierigkeiten verbun- den ist; und dieselben von allen denjenigen Fallen gänzlich entfernen, in welchen die Besorgung der Geschäfte durch sie nicht bloss schwieriger, sondern so gut als unmöglich werden würde.
Gehörige Rüksicht auf Sicherheit und Freiheit zugleich, scheint daher auf folgende Grundsäze zu führen:
1. Eine der vorzüglichsten Pflichten des Staats ist die Untersuchung und Entscheidung der rechtlichen Streitigkeiten der Bürger. Derselbe tritt dabei an die Stelle der Partheien, und der eigentliche Zwek seiner Dazwischenkunft besteht aliein darin, auf der einen Seile gegen ungerechte Forderungen zu beschüzen, auf der andren gerechten denjenigen Nachdruk zu geben, wel- chen sie von den Bürgern selbst nur auf eine die öf- fentliche Ruhe störende Weise erhalten könnten. Er muss daher während der Untersuchung des streitigen Rechts dem Willen der Partheien, insofern derselbe nur in dem Rechte gegründet ist, folgen, aber jede, sich widerrechtlicher Mittel gegen die andere zu bedienen, verhindern.
2. Die Entscheidung des streitigen Rechts durch den Richter kann nur durch bestimmte, gesezlich angeord- nete Kennzeichen der Wahrheit geschehen. Hieraus entspringt die Nothwendigkeit einer neuen Gattung der Geseze, derjenigen nemlich, welche den rechtlichen Ge- schäften gewisse bestimmte Charaktere beizulegen ver- ordnen. Bei der Abfassung dieser nun muss der Ge- sezgeber einmal immer allein von dem Gesichtspunkt geleitet werden, die Authenticität der rechtlichen Ge- schäfte gehörig zu sichern, und den Beweis im Prozesse
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nicht zu sehr zu erschweren; ferner aber unaufhörlich die Vermeidung des entgegengesezten Extrems, der zu grossen Erschwerung der Geschäfte, vor Augen haben, und endlich nie da eine Anordnung treffen wollen, wo dieselbe den Lauf der Geschäfte so gut, als gänzlich hemmen würde.
XIII.
Sorgfalt des Staats für die Sicherheit durch Bestrafung
der Uebertretungen der Geseze des Staats.
(Kriminalgeseze.)
Das lezte, und vielleicht wichtigste Mittel, für die Si- cherheit der Bürger Sorge zu tragen, ist die Bestrafung der Uebertretung der Geseze des Staats. Ich muss daher noch auf diesen Gegenstand die im Vorigen entwikkelten Grund- säze anwenden. Die erste Frage nun, welche hiebei ent- steht, ist die: welche Handlungen der Staat mit Strafen be- legen, gleichsam als Verbrechen aufstellen kann? Die Ant- wort ist nach dem Vorigen leicht. Denn da der Staat keinen andern Endzwek, als die Sicherheit der Bürger, ver- folgen darf; so darf er auch keine andre Handlungen ein- schränken, als welche diesem Endzwek entgegenlaufen. Diese aber verdienen auch insgesammt angemessene Bestrafung. Denn nicht bloss, dass ihr Schade, da sie gerade das stören, was dem Menschen zum Genuss, wie zur Ausbildung seiner Kräfte das unentbehrlichste ist, zu wichtig ist, um ihnen nicht durch jedes zwekmässige und erlaubte Mittel entgegen- zuarbeiten; so muss auch, schon den ersten Rechtsgrund- säzen nach, jeder sich gefallen lassen, dass die Strafe eben so weit gleichsam in den Kreis seines Rechts eingreife, als sein Verbrechen in den des fremden eingedrungen ist. Hin- gegen Handlungen , welche sich allein auf den Handlenden
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beziehen, oder mit Einwilligung dessen geschehen, den sie treffen, zu bestrafen, verbieten eben die Grundsäze, welche dieselben nicht einmal einzuschränken erlauben; und es dürfte daher nicht nur keins der sogenannten fleischlichen Verbre- chen (die Nothzucht ausgenommen), sie möchten Aergerniss geben oder nicht, unternommener Selbstmord u. s. f. be- straft werden , sondern sogar die Ermordung eines andern mit Bewilligung desselben müsste ungestraft bleiben, wenn nicht in diesem lezteren Falle die zu leichte Möglichkeit eines gefahrlichen Misbrauchs ein Strafgesez nothwendig machte. Ausser denjenigen Gesezen, welche unmittelbare Kränkungen der Rechte anderer untersagen, giebt es noch andre verschiedener Gattung, deren theils schon im Vorigen gedacht ist, theils noch erwähnt werden wird. Da jedoch, bei dem, dem Staat allgemein vorgeschriebenen Endzwek, auch diese, nur mittelbar, zur Erreichung jener Absicht hin- streben; so kann auch bei diesen Bestrafung des Staats ein- treten, insofern nicht schon ihre Uebertretung allein unmit- telbar eine solche mit sich führt, wie z. B. die Uebertretung des Verbots der Fideikommisse die Ungültigkeit der ge- machten Verfügung. Es ist diess auch um so nothwendiger, als es sonst hier gänzlich an einem Zwangsmittel fehlen würde, dem Geseze Gehorsam zu verschaffen.
Von dem Gegenstande der Bestrafung wende ich mich zu der Strafe selbst. Das Maass dieser auch nur in sehr weiten Glänzen vorzuschreiben, nur zu bestimmen, über welchen Grad hinaus dieselbe nie steigen dürfe, halte ich in einem allgemeinen, schlechterdings auf gar keine Lokalver- hältnisse bezogenen Raisonnement für unmöglich. Die Stra- fen müssen Uebel sein, welche die Verbrecher zurükschrek- ken. IN un aber sind die Grade, wie die Verschiedenheilen des physischen und moralischen Gefühls, nach der Verschie- denheit der Erdstriche und Zeitalter, unendlich verschieden
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und wechselnd. Was daher in einem gegebenen Falle mit Recht Grausamkeit heisst, das kann in einem andren die Notwendigkeit selbst erheischen. Nur soviel ist gewiss, dass die Vollkommenheit der Strafen immer — versteht sich jedoch bei gleicher Wirksamkeit — mit dem Grade ihrer Gelindigkeit wachst. Denn nicht bloss , dass gelinde Stra- fen schon an sich geringere Uebel sind; so leiten sie auch den Menschen auf die, seiner am meisten würdige Weise, von Verbrechen ab. Denn je minder sie physisch schmerzhaft und schreklich sind, desto mehr sind sie es moralisch; da hingegen grosses körperliches Leiden bei dem Leidenden selbst das Gefühl der Schande, bei dem Zuschauer das der Mißbilligung vermindert. Daher kommt es denn auch, dass gelinde Strafen in der That viel öfter angewendet werden können, als der erste Anblik zu erlauben scheint; indem sie auf der andren Seite ein ersezendes moralisches Gegenge- wicht erhalten. Ueberhaupt hängt die Wirksamkeit der Strafen ganz und gar von dem Eindruk ab, welchen diesel- ben auf das Gemüth der Verbrecher machen, und beinah liesse sich behaupten, dass in einer Reihe gehörig abgestuf- ter Stufen es einerlei sei, bei welcher Stufe man gleichsam, als bei der höchsten, stehen bleibe, da die Wirkung einer Strafe in der That nicht sowohl von ihrer Natur an sich, als von dem Plaze abhängt, den sie in der Stufenleiter der Strafen überhaupt einnimmt, und man leicht das für die höchste Strafe erkennt, was der Staat dafür erklärt. Ich sage beinah, denn völlig würde die Behauptung nur freilich dann richtig sein, wenn die Strafen des Staats die einzigen Uebel wären, welche dem Bürger drohten. Da diess hin- gegen der Fall nicht ist, vielmehr oft sehr reelle Uebel ihn gerade zu Verbrechen veranlassen; so muss freilich das Maass der höchsten Strafe, und so der Strafen überhaupt, welche diesen Uehelü entgegenwirken sollen, auch mit Riik-
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sieht auf sie bestimmt werden. Nun aber wird der Bürger da, wo er einer so grossen Freiheit geniesst, als diese Blat- ter ihm zu sichern bemüht sind, auch in einem grösseren Wohlstande leben; seine Seele wird heiterer, seine Phanta- sie lieblicher sein, und die Strafe wird, ohne an Wirksam- keit zu verlieren, an Strenge nachlassen können. So wahr ist es, dass alles Gute und Beglükkende in wundervoller Harmonie steht, und dass es nur nothwendig ist, Eins herbei- zuführen, um sich des Segens alles Uebrigen zu erfreuen. Was sich daher in dieser Materie allgemein bestimmen la'sst, ist, dünkt mich, allein dass die höchste Strafe die, den Lo- kalverhältnissen nach, möglichst gelinde sein muss.
Nur Eine Gattung der Strafen müsste, glaube ich, gänz- lich ausgeschlossen werden, die Ehrlosigkeit, Infamie. Denn die Ehre eines Menschen, die gute Meinung seiner Mitbür- ger von ihm, ist keinesweges etwas, das der Staat in seiner Gewalt hat. Auf jeden Fall reduzirt sich daher diese Strafe allein darauf, dass der Staat dem Verbrecher die Merkmale seiner Achtung und seines Vertrauens entziehn, und andern gestatten kann diess gleichfalls ungestraft zu thun. So we- nig ihm nun auch die Befugniss abgesprochen werden darf, sich dieses Rechts, wo er es für nothwendig hält, zu bedie- nen, und so sehr sogar seine Pflicht es erfordern kann; so halte ich dennoch eine allgemeine Erklärung, dass er es thun wolle, keinesweges für rathsam. Denn einmal sezt dieselbe eine gewisse Konsequenz im Unrechthandlen bei dem Bestraften voraus, die sich doch in der That in der Erfahrung wenigstens nur selten findet; dann ist sie auch, selbst bei der gelindesten Art der Abfassung, selbst wenn sie bloss als eine Erklärung des gerechten Mislrauens des Staats ausgedrukt wird, immer zu unbestimmt, um nicht an sich manchem Misbrauch Kaum zu geben, und um nicht wenigstens oft, schon der Konsequenz, der (irundsäze wegen.
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mehr Fälle unter sich zu begreifen, als der Sache selbst wegen noting wäre. Denn die Gattungen des Vertrauens, welches man zu einem Menschen fassen kann, sind, der Verschiedenheit der Fälle nach, so unendlich mannigfaltig, dass ich kaum unter allen Verbrechen ein Einziges weiss, welches den Verbrecher zu allen auf Einmal unfähig; machte. Dazu führt indess doch immer ein allgemeiner Ausdruk, und der Mensch, bei dem man sich sonst nur, bei dahin passen- den Gelegenheiten, erinnern würde, dass er diess oder jenes Gesez übertreten habe, trägt nun überall ein Zeichen der Unwürdigkeit mit sich herum. Wie hart aber diese Strafe sei, sagt das, gewiss keinem Menschen fremde Gefühl, dass, ohne das Vertrauen seiner Mitmenschen, das Leben selbst wünschenswerth zu sein aufhört. Mehrere Schwierigkeiten zeigen sich nun noch bei der näheren Anwendung dieser Strafe. Mistrauen gegen die Rechtschaffenheit muss eigent- lich überall da die Folge sein, wo sich Mangel derselben gezeigt hat. Auf wie viele Fälle aber alsdann diese Strafe ausgedehnt werde, sieht man von selbst. Nicht minder gross ist die Schwierigkeit bei der Frage: wie lange die Strafe dauern solle? Unstreitig wird jeder Billigdenkende sie nur auf eine gewisse Zeit hin erstrekken wollen. Aber wird der Richter bewirken können, dass der, so lange mit dem Mistrauen seiner Mitbürger Beladene, nach Verlauf ei- nes bestimmten Tages, auf einmal ihr Vertrauen wieder ge- winne? Endlich ist es den, in diesem ganzen Aufsaz vor- getragenen Grundsäzen nicht gemäss, dass der Staat der Meinung der Bürger, auch nur auf irgend eine Art, eine gewisse Richtung geben wolle. Meines Erachtens wäre es daher rathsamer, dass der Staat sich allein in den Gränzen der Pflicht hielte, welche ihm allerdings obliegt, die Bürger gegen verdächtige Personen zu sichern, und dass er daher überall, wo diess nothwendig sein kann, z. B. bei Besezung
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von Stellen, Gültigkeit der Zeugen, Fähigkeit der Vormün- der u. s. f. durch ausdrükkliche Geseze verordnete, dass, wer diess oder jenes Verbrechen begangen, diese oder jene Strafe erlitten hätte, davon ausgeschlossen sein solle ; übrigens aber sich aller weiteren , allgemeinen Erklärung des Mistrauens, oder gar des Verlustes der Ehre gänzlich enthielte. Alsdann wäre es auch sehr leicht, eine Zeit zu bestimmen, nach Verlauf welcher ein solcher Einwand nicht mehr gültig sein solle. Dass es übrigens dem Staat immer erlaubt bleibe, durch beschimpfende Strafen auf das Ehrgefühl zu wirken, bedarf von selbst keiner Erinnerung. Ebensowenig brauche ich noch zu wiederholen, dass schlechterdings keine Strafe geduldet werden muss, die sich über die Person des Ver- brechers hinaus, auf seine Kinder, oder Verwandte erstrekt. Gerechtigkeit und Billigkeit sprechen mit gleich starken Stimmen gegen sie; und selbst die Vorsichtigkeit, mit wel- cher sich, bei Gelegenheit einer solchen Strafe, das, übri- gens gewiss in jeder Rüksicht vortrefliche Preussische Ge- sezbuch ausdrukt, vermag nicht, die, in der Sache selbst allemal liegende Härte zu mindern *).
Wenn das absolute Maass der Strafen keine allgemeine Bestimmung erlaubt; so ist dieselbe hingegen um so not- wendiger bei dem relativen. Es muss nemlich festgesezt werden, was es eigentlich ist, wonach sich der Grad der, auf verschiedne Verbrechen gesezten Strafen bestimmen muss? Den im Vorigen entwikkelten Grundsäzen nach, kann diess, dünkt mich, nichts andres sein, als der Grad der Nicht- Achtung des fremden Rechts in dem Verbrechen, ein Grad, welcher, da hier nicht von der Anwendung eines Strafgesezes auf einen einzelnen Verbrecher, sondern von allgemeiner Bestimmung der Strafe überhaupt die Rede ist,
') Thl. 2. Tit. 20. §. 05.
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nach der Natur des Rechts beurtheilt werden muss, welches das Verbrechen kränkt. Zwar scheint die natürlichste Be- stimmung der Grad der Leichtigkeit oder Schwierigkeit zu sein, das Verbrechen zu verhindern, so dass die Grösse der Strafe sich nach der Quantität der Gründe richten müsste, welche zu dem Verbrechen trieben, oder davon zurükhiel- len. Allein wird dieser Grundsaz richtig verstanden; so ist er mit dem eben aufgestellten einerlei. Denn in einem wohlgeordneten Staate, wo nicht in der Verfassung selbst liegende Umstände zu Verbrechen veranlassen, kann es kei- nen andern eigentlichen Grund zu Verbrechen geben, als eben jene Nicht-Achtung des fremden Rechts, welcher sich nur die zu Verbrechen reizenden Antriebe, Neigungen, Lei- denschaften u. s. f. bedienen. Versteht man aber jenen Saz anders, meint man, es müssten den Verbrechen immer in dem Grade grosse Strafen entgegengesezt werden, in wel- chem gerade Lokal- oder Zeitverhältnisse sie häufiger ma- chen, oder gar, ihrer Natur nach (wie es bei so manchen Polizeiverbrechen der Fall ist) moralische Gründe sich ihnen weniger eindringend widersezen; so ist dieser Maassstab un- gerecht und schädlich zugleich. Er ist ungerecht. Denn so richtig es wenigstens insofern ist, Verhinderung der Be- leidigungen für die Zukunft als den Zwek aller Strafen an- zunehmen, als keine Strafe je aus einem andern Zweke ver- fügt werden darf; so entspringt doch die Verbindlichkeit des Beleidigten, die Strafe zu dulden, eigentlich daraus, dass jeder sich gefallen lassen muss, seine Rechte von dem An- dern in so weit verlezt zu sehen, als er selbst die Rechte desselben gekränkt hat. Darauf beruht nicht bloss diese Verbindlichkeit ausser der Staatsverbindung, sondern auch in derselben. Denn die Herleitung derselben aus einem gegenseitigen Vertrag ist nicht nur unnüz, sondern hat auch die Schwierigkeit, dass z.B. die, manchmal und unter ge-
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wissen Lokalumständen offenbar nothwendige Todesstrafe bei derselben schwerlich gerechtfertigt werden kann, und dass jeder Verbrecher sich von der Strafe befreien könnte, wenn er, bevor er sie litte, sich von dem gesellschaftlichen Vertrage lossagte, wie z. B. in den alten Freistaaten die freiwillige Verbannung war, die jedoch, wenn mich mein Gedächtniss nicht trügt, nur bei Staats-, nicht bei Privat- Verbrechen geduldet ward. Dem Beleidiger selbst ist daher gar keine Rüksicht auf die Wirksamkeit der Strafe erlaubt; und wäre es auch noch so gewiss, dass der Beleidigte keine zweite Beleidigung von ihm zu fürchten hätte, so müsste er, dessen ungeachtet, die Rechtmässigkeit der Strafe anerken- nen. Allein auf der andern Seite folgt auch aus eben die- sem Grundsaz, dass er sich auch jeder, die Quantität seines Verbrechens überschreitenden Strafe rechtmässig widersezen kann, wie gewiss es auch sein möchte, dass nur diese Strafe, und schlechterdings keine gelindere völlig wirksam sein würde. Zwischen dem inneren Gefühle des Rechts, und dem Genuss des äusseren Glüks ist, wenigstens in der Idee des Menschen, ein unläugbarer Zusammenhang, und es ver- mag nicht bestritten zu werden, dass er sich durch das Er- stere zu dem Lezteren berechtigt glaubt. Ob diese seine Erwartung in Absicht des Glüks gegründet ist, welches ihm das Schiksal gewährt, oder versagt? — eine allerdings zwei- felhaftere Frage — darf hier nicht erörtert werden. Allein in Absicht desjenigen, welches andre ihm willkührlich geben oder entziehen können, muss seine Befugniss zu derselben nothwendig anerkannt werden; da hingegen jener Grundsaz sie, wenigstens der That nach, abzuläugnen scheint. Es ist aber auch ferner jener Maassstab, sogar für die Sicherheit selbst, nachtheilig. Denn wenn er gleich diesem oder jenem einzelnen Geseze vielleicht Gehorsam erzwingen kann; so verwirrt er gerade das, was die festeste Stüze der Sicherheit
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der Bürger in einem Staate ist, das Gefühl der Moralität, indem er einen Streit zwischen der Behandlung, welche der Verbrecher erfährt, und der eignen Empfindung seiner Schuld veranlasst. Dem fremden Rechte Achtung zu verschaffen, ist das einzige sichre und unfehlbare Mittel, Verbrechen zu verhüten; und diese Absicht erreicht man nie, sobald nicht jeder, welcher fremdes Recht angreift, gerade in eben dem Maasse in der Ausübung des seinigen gehemmt wird, die Ungleichheit möge nun im Mehr oder im Weniger bestehen. Denn nur eine solche Gleichheit bewahrt die Harmonie zwi- schen der inneren moralischen Ausbildung des Menschen, und dem Gedeihen der Veranstaltungen des Staats, ohne welche auch die künstlichste Gesezgebung allemal ihres Endzweks verfehlen wird. Wie sehr aber nun die Errei- chung aller übrigen Endzwekke des Menschen, bei Befolgung des oben erwähnten Maassstabes, leiden würde, wie sehr dieselbe gegen alle, in diesem Aufsaze vorgetragene Grund- säze streitet; bedarf nicht mehr einer weiteren Ausführung. Die Gleichheit zwischen Verbrechen und Strafe, welche die eben entwikkelten Ideen fordern, kann wiederum nicht abso- lut bestimmt, es kann nicht allgemein gesagt werden, dieses oder jenes Verbrechen verdient nur eine solche oder solche Strafe. Nur bei einer Reihe, dem Grade nach verschiede- ner Verbrechen kann die Beobachtung dieser Gleichheit vor- geschrieben werden, indem nun die, für diese Verbrechen bestimmten Strafen in gleichen Graden abgestuft werden müssen. Wenn daher, nach' dem \origen, die Bestimmung des absoluten Maasses der Strafen, z. B. der höchsten Strafe sich nach derjenigen Quantität des zugefügten Uebels rich- ten muss, welche erfordert wird, um das Verbrechen für die Zukunft zu verhüten; so muss das relative Maass der übrigen, wenn jene, oder überhaupt Eine einmal festgesezt ist, nach dem Grade bestimmt werden, um welchen die vu. 10
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Verbrechen, für die sie bestimmt sind, grösser oder kleiner, als dasjenige sind, welches jene zuerst verhängte Strafe ver- hüten soll. Die härteren Strafen müssten daher diejenigen Verbrechen treffen, welche wirklich in den Kreis des frem- den Rechts eingreifen; gelindere die Uebertretung derjeni- gen Geseze, welche jenes nur zu verhindern bestimmt sind, wie wichtig und nothwendig diese Geseze auch an sich sein möchten. Dadurch wird denn zugleich die Idee bei den Bür- gern vermieden, dass sie \ om Staat eine willkührliche, nicht gehörig motivirte Behandlung erführen — ein Vorurtheil, welches sehr leicht entsteht, wenn harte Strafen auf Hand- lungen gesezt sind, die entweder wirklich nur einen entfern- ten Einfluss auf die Sicherheit haben, oder deren Zusam- menhang damit doch weniger leicht einzusehen ist. Unter jenen erstgenannten Verbrechen aber müssten diejenigen am härtesten bestraft werden, welche unmittelbar und geradezu die Rechte des Staats selbst angreifen, da, wer die Rechte des Staats nicht achtet, auch die seiner Mitbürger nicht zu ehren vermag, deren Sicherheit allein von jenen abhängig ist. Wenn auf diese Weise Verbrechen und Strafe allgemein von dem Geseze bestimmt sind, so muss nun diess gege- bene Strafgesez auf einzelne Verbrechen angewendet werden. Bei dieser Anwendung sagen schon die Grundsäze des Rechts von selbst, dass die Strafe nur nach dem Grade des Vor- sazes oder der Schuld den Verbrecher treffen kann, mit welchem er die Handlung begieng. Wenn aber der oben aufgestellte Grundsaz, dass nemlich immer die Nicht Ach- tung des fremden Rechts, und nur diese bestraft werden darf, völlig genau befolgt werden soll; so darf derselbe, auch bei der Bestrafung einzelner Verbrechen, nicht ver- nachlässigt werden. Bei jedem verübten Verbrechen muss daher der Richter bemüht sein, so viel möglich, die Absicht des Verbrechers genau zu erforschen, und durch das Gesez
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in- den Stand gesezt werden, die allgemeine Strafe noch nach dem individuellen Grade, in welchem er das Recht, welches er beleidigte, ausser Augen sezte, zu modificiren.
Das Verfahren gegen den Verbrecher, wahrend der Untersuchung findet gleichfalls sowohl in den allgemeinen Grundsäzen des Rechts, als in dem Vorigen seine bestimm- ten Vorschriften. Der Richter muss nemlich alle rechtmäs- sige Mittel anwenden, die Wahrheit zu erforschen, darf sich hingegen keines erlauben, das ausserhalb der Schranken des Rechts liegt. Er muss daher vor allen Dingen den bloss verdächtigen Bürger von dem überführten Verbrecher sorg- fältig unterscheiden, und nie den erstem, wie den lezteren, behandeln; überhaupt aber nie, auch den überwiesenen Ver- brecher in dem Genuss seiner Menschen- und Bürgerrechte kränken, da er die ersteren erst mit dem Leben, die lezte- ren erst durch eine gesezmässige richterliche Ausschliessung aus der Staatsverbindung verlieren kann. Die Anwendung von Mitteln, welche einen eigentlichen Betrug enthalten, dürfte daher ebenso unerlaubt sein, als die Folter, Denn wenn man dieselbe gleich vielleicht dadurch entschuldigen kann, dass der Verdächtige, oder wenigstens der Verbrecher selbst durch seine eignen Handlungen dazu berechtiget; so sind sie dennoch der Würde des Staats, welchen der Rich- ter vorstellt, allemal unangemessen; und wie heilsame Fol- gen ein ofnes und gerades Betragen, auch gegen Verbre- cher, auf den Charakter der Nation haben würde, ist nicht nur an sich, sondern auch aus der Erfahrung derjenigen Staaten klar, welche sich, wie z. B. England, hierin einer edlen Gesezgebung erfreuen.
Zulezt muss ich, bei Gelegenheit des Kriminalrechts, noch eine Frage zu prüfen versuchen, welche vorzüglich durch die Bemühungen der neueren Gesezgebung wichtig geworden ist, die Frage nemlich, inwiefern der Staat befugt,
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oder verpflichtet ist, Verbrechen, noch ehe dieselben began- gen werden, zuvorzukommen? Schwerlich wird irgend ein anderes Unternehmen von gleich menschenfreundlichen Ab- sichten geleitet, und die Achtung, womit dasselbe jeden em- pfindenden Menschen nothwendig erfüllt, droht daher der Unparteilichkeit der Untersuchung Gefahr. Dennoch halte ich, ich lhugne es nicht, eine solche Untersuchung für über- aus nothwendig, da, wenn man die unendliche Mannigfaltig- keit der Seelenstimmungen erwägt, aus welchen derVorsaz zu Verbrechen entstehen kann, diesen Vorsaz zu verhindern unmöglich, und nicht allein diess, sondern selbst, nur der Ausübung zuvorzukommen, für die Freiheit bedenklich scheint. Da ich im Vorigen (S. S. 104 — 112) das Recht des Staats, die Handlungen der einzelnen Menschen einzuschränken zu be- stimmen versucht habe; so könnte es scheinen, als hätte ich dadurch schon zugleich die gegenwärtige Frage beantwor- tet. Allein wenn ich dort festsezte, dass der Staat diejeni- gen Handlungen einschränken müsse, deren Folgen den Rechten andrer leicht gefährlich werden können; so verstand ich darunter — wie auch die Gründe leicht zeigen, womit ich diese Behauptung zu unterstüzen bemüht war — solche Folgen, die allein und an sich aus der Handlung fliessen, und nur etwa durch grössere Vorsicht des Handlenden hät- ten vermieden werden können. Wenn hingegen von Ver- hütung von Verbrechen die Rede ist; so spricht man na- türlich nur von Beschränkung solcher Handlungen, aus wel- chen leicht eine zweite, nemlich die Begehung des Verbrechens, entspringt. Der wichtige Unterschied liegt daher hier schon darin, dass die Seele des Handlenden hier thätig, durch ei- nen neuen Entschluss, mitwirken muss; da sie hingegen dort entweder gar keinen, oder doch nur, durch Verabsäumung der Thätigkeit, einen negativen Einfluss haben konnte. Diess allein wird, hoffe ich, hinreichen, die Glänzen deutlich zu
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zeigen. Alle Verhütung von Verbrechen nun muss von den Ursachen der Verbrechen ausgehen. Diese so mannigfalti- gen Ursachen aber Hessen sich, in einer allgemeinen Formel, vielleicht durch das, nicht durch Gründe der Vernunft ge- hörig in Schranken gehaltene Gefühl des Misverhältnisses ausdrukken, welches zwischen den Neigungen des Handlen- den und der Quantität der rechtmässigen Mittel obwaltet, die in seiner Gewalt stehn. Bei diesem Misverhältniss las- sen sich wenigstens im Allgemeinen, obgleich die Bestim- mung im Einzelnen viel Schwierigkeit finden würde, zwei Fälle von einander absondern, einmal wenn dasselbe aus einem wahren Uebermaasse der Neigungen, dann wenn es aus dem, auch für ein gewöhnliches Maass, zu geringen Vorralh von Mitteln entspringt. Beide Fälle muss noch ausserdem Mangel an Stärke der Gründe der Vernunft und des moralischen Gefühls, gleichsam als dasjenige begleiten, welches jenes Misverhältniss nicht verhindert, in gesezwidrige Handlungen auszubrechen. Jedes Bemühen des Staats, Ver- brechen durch Unterdrükkung ihrer Ursachen in dem Ver- brecher verhüten zu wollen, wird daher, nach der Verschie- denheit der beiden erwähnten Fälle, entweder dahin gerichtet sein müssen, solche Lagen der Bürger, welche leicht zu Verbrechen nöthigen können, zu verändern und zu verbes- sern, oder solche Neigungen, welche zu Uebertretungen der Geseze zu führen pflegen, zu beschränken, oder endlich den Gründen der Vernunft und dem moralischen Gefühl eine wirksamere Stärke zu verschaffen. Einen andren Weg, Ver- brechen zu verhüten giebt es endlich noch ausserdem durch gesezliche Verminderung der Gelegenheiten, welche die wirk- liche Ausübung derselben erleichtern, oder gar den Ausbruch gesezwidriger Neigungen begünstigen. Keine dieser ver- schiedenen Arten darf von der gegenwärtigen Prüfung aus- geschlossen werden.
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Die erste derselben, welche allein auf Verbesserung zu Verbrechen nöthigender Lagen gerichtet ist, scheint unter allen die wenigsten Nachtheile mit sich zu führen. Es ist an sich so wohlthätig, den Reichthum der Mittel der Kraft, wie des Genusses, zu erhöhen; die freie Wirksamkeit des Menschen wird dadurch nicht unmittelbar beschränkt; und wenn freilich unläugbar auch hier alle Folgen anerkannt werden müssen, die ich, im Anfange dieses Aufsazes, als Wirkungen der Sorgfalt des Staats für das physische Wohl der Bürger darstellte, so treten sie doch hier, da eine solche Sorgfalt hier nur auf so wenige Personen ausgedehnt wird, nur in sehr geringem Grade ein. Allein immer finden die- selben doch wirklich Statt; gerade der Kampf der inneren Moralitat mit der äusseren Lage wird aufgehoben, und mit ihm seine heilsame Wirkung auf die Festigkeit des Charak- ters des Handlenden, und auf das gegenseitig sich unter- stüzende Wohlwollen der Bürger überhaupt; und eben, dass diese Sorgfalt nur einzelne Personen treffen muss, macht ein Bekümmern des Staats um die individuelle Lage der Bürger nothwendig — lauter Nachtheile, welche nur die Ueberzeugung vergessen machen könnte, dass die Sicherheit des Staats, ohne eine solche Einrichtung, leiden würde. Aber gerade diese Notwendigkeit kann, dünkt mich, mit Recht bezweifelt werden. In einem Staate, dessen Verfas- sung den Bürger nicht selbst in dringende Lagen versezt, welcher denselben vielmehr eine solche Freiheit sichert, als diese Blätter zu empfehlen versuchen, ist es kaum möglich, dass Lagen der beschriebenen Art überhaupt entstehen, und nicht in der freiwilligen Hülfsleistung der Bürger selbst, ohne Hinzukommen des Staats, Heilmittel finden sollten; der Grund müsste denn in dem Betragen des Menschen selbst liegen. In diesem Falle aber ist es nicht gut, dass der Staat ins Mittel trete, und die Reihe der Begebenheiten
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störe, welche der natürliche Lauf der Dinge aus den Hand- lungen desselben entspringen lässt. Immer werden auch wenigstens diese Lagen nur so selten eintreffen, dass es überhaupt einer eignen Dazwischenkunft des Staats nicht bedürfen wird, und dass nicht die Vortheile derselben von den Nachtheilen überwogen werden sollten, die es, nach Allem im Vorigen Gesagten, nicht mehr nothwendig ist, einzeln auseinanderzusezen.
Gerade entgegengesezt verhalten sich die Gründe, welche für und wider die zweite Art des Bemühens, Verbrechen zu verhindern streiten, wider diejenige nemlich, welche auf die Neigungen und Leidenschaften der Menschen selbst zu wir- ken strebt. Denn auf der einen Seite scheint die Notwen- digkeit grösser, da, bei minder gebundner Freiheil der Ge- nuss üppiger ausschweift, und die Begierden sich ein weiteres Ziel stekken, wogegen die, freilich, mit der grösseren eignen Freiheit, immer wachsende Achtung auch des fremden Rechts dennoch vielleicht nicht hinlänglich wirkt. Auf der andern aber vermehrt sich auch der Nachtheil in eben dem Grade, in welchem die moralische Natur jede Fessel schwerer em- pfindet, als die physische. Die Gründe, aus welchen ein, auf die Verbesserung der Sitten der Bürger gerichtetes Be- mühen des Staats weder nothwendig, noch rathsam ist, habe ich im Vorigen zu entwikkeln versucht. Eben diese nun treten in ihrem ganzen Umfange, und nur mit dem Unter- schiede auch hier ein, dass der Staat hier nicht die Sitten überhaupt umformen, sondern nur auf das, der Befolgung der Geseze Gefahr drohende Betragen Einzelner wirken will. Allein gerade durch diesen Unterschied wachst die Summe der Nachtheile. Denn dieses Bemühen muss schon eben darum, weil es nicht allgemein wirkt, seinen Endzwek min- der erreichen, so dass daher nicht einmal das einseitige Gute, das es abzwekt, für den Schaden entschädigt, den es an-
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richtet; und dann sezt es nicht bloss ein Bekümmern des Staats um die Privathandlungen einzelner Individuen, son- dern auch eine Macht voraus, darauf zu wirken, welche durch die Personen noch bedenklicher wird, denen dieselbe anvertraut werden muss. Es muss nemlich alsdann entwe- der eigen dazu bestellten Leuten, oder den schon vorhan- denen Dienern des Staats eine Aufsicht über das Betragen, und die daraus entspringende Lage entweder aller Bürger, oder der ihnen untergebenen, übertragen werden. Dadurch aber wird eine neue und drükkendere Herrschaft eingeführt, als beinah irgend eine andere sein könnte; indiskreter Neu- gier, einseitiger Intoleranz, selbst der Heuchelei und Ver- stellung Raum gegeben. Man beschuldige mich hier nicht, nur Misbräuche geschildert zu haben. Die Misbräuche sind hier mit der Sache unzertrennlich verbunden; und ich wage es zu behaupten, dass selbst, wenn die Geseze die besten und menschenfreundlichsten wären, wenn sie den Aufsehern bloss Erkundigungen auf gesezmässigen Wegen, und den Gebrauch von allem Zwang entfernter Rathschläge und Er- mahnungen erlaubten, und diesen Gesezen die strengste Folge geleistet würde, dennoch eine solche Einrichtung unniiz und schädlich zugleich wäre. Jeder Bürger muss ungestört hand- ien können, wie er will, solange er nicht das Gesez über- schreitet; jeder muss die Befugniss haben, gegen jeden an- dern, und selbst gegen alle Wahrscheinlichkeit, wie ein Dritter dieselbe beurtheilen kann, zu behaupten: wie sehr ich mich der Gefahr, die Geseze zu übertreten, auch nähere, so werde ich dennoch nicht unterliegen. Wird er in dieser Freiheit gekränkt, so verlezt man sein Recht, und schadet der Ausbildung seiner Fähigkeiten, der Entwikkelung seiner Individualität. Denn die Gestalten, deren die Moralität und die Gesezmässigkeit fähig ist, sind unendlich verschieden und mannigfaltig; und wenn ein Driller entscheidel, dieses oder
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jenes Betragen muss auf gesezwidrige Handlungen führen, so folgt er seiner Ansicht, welche, wie richtig sie auch in ihm sein möge, immer nur Eine ist. Selbst aber angenom- men, er irre sich nicht, der Erfolg sogar bestätige sein Ur- theil, und der andre, dem Zwange gehorchend, oder dem Rath, ohne innere Ueberzeugung, folgend, übertrete das Gesez diessmal nicht, das er sonst übertreten haben würde; so ist es doch für den Uebertreter selbst besser, er empfinde einmal den Schaden der Strafe, und erhalte die reine Lehre der Erfahrung, als dass er zwar diesem einen Nachtheil entgehe, aber für seine Ideen keine Berichtigung, für sein moralisches Gefühl keine Uebung empfange; doch besser für die Gesellschaft, Eine Gesezesübertretung mehr störe die Ruhe, aber die nachfolgende Strafe diene zu Belehrung und Warnung, als dass zwar die Ruhe diessmal nicht leide, aber darum das, worauf alle Ruhe und Sicherheit der Bürger sich gründet, die Achtung des fremden Rechts, weder an sich wirklich grösser sei, noch auch jezt vermehrt und befördert werde. Ueberhaupt aber wird eine solche Einrichtung nicht leicht einmal die erwähnte Wirkung haben. Wie alle, nicht geradezu auf den innern Quell aller Handlungen gehende Mittel, wird nun durch sie eine andre Richtung der, den Gesezen entgegenstrebenden Begierden, und gerade doppelt schädliche Verheimlichung entstehen. Ich habe hierbei immer vorausgesezt, dass die zu dem Geschäft, wovon hier die Rede ist, bestimmten Personen keine Ueberzeugung hervor- bringen, sondern allein durch fremdartige Gründe wirken. Es kann scheinen, als wäre ich zu dieser Voraussezung nicht berechtigt. Allein dass es heilsam ist, durch wirkendes Bei- spiel und überzeugenden Rath auf seine Mitbürger und ihre Moralität Einfluss zu haben, ist zu sehr in die Augen leuch- tend, als dass es erst ausdrüklich wiederholt werden dürfte. Gegen keinen der Fälle also , wo jene Einrichtung diess
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hervorbringt, kann das vorige Raisonnement gerichtet sein. Nur, scheint es mir, ist eine gesezüche Vorschrift hiezu nicht bloss ein undienliches, sondern sogar entgegenarbeiten- des Mittel. Einmal sind schon Geseze nicht der Ort, Tugen- den zu empfehlen, sondern nur erzvvingbare Pflichten vorzu- schreiben, und nicht selten wird nur die Tugend, die jeder Mensch nur freiwillig auszuüben sich freut, dadurch verlie- ren. Dann ist jede Bitte eines Gesezes, und jeder Rath, den ein Vorgesezter kraft desselben giebt, ein Befehl, dem die Menschen zwar in der Theorie nicht gehorchen müssen, aber in der Wirklichkeit immer gehorchen. Endlich muss man hiezu noch soviele »Umstände rechnen, welche die Menschen nöthigen, und soviele Neigungen, welche sie be- wegen können, einem solchen Rathe, auch gänzlich gegen ihre Ueberzeugung, zu folgen. Von dieser Art pflegt ge- wöhnlich der Einfluss zu sein, welchen der Staat auf dieje- nigen hat, die der Verwaltung seiner Geschäfte vorgesezt sind, und durch den er zugleich auf die übrigen Bürger zu wirken strebt. Da diese Personen durch besondre Verträge mit ihm verbunden sind; so ist es freilich unläugbar, dass er auch mehrere Rechte gegen sie, als gegen die übrigen Bürger, ausüben kann. Allein wenn er den Grundsäzen der höchsten gesezmässigen Freiheit getreu bleibt; so wird er nicht mehr von ihnen zu fordern versuchen, als die Erfül- lung der Bürgerpflichten im Allgemeinen, und derjenigen besondren, welche ihr besondres Amt nothwendig macht. Denn offenbar übt er einen zu mächtigen positiven Einfluss auf die Bürger überhaupt aus, wenn er von jenen, vermöge ihres besondren Verhältnisses, etwas zu erhalten sucht, was er den Bürgern geradezu nicht aufzulegen berechtigt ist. Ohne dass er wirkliche positive Schritte thut, kommen ihm hierin schon von selbst nur zuviel die Leidenschaften der Menschen zuvor, und das Bemühen, nur diesen, hieraus von
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selbst entspringenden Nachtheil zu verhüten, wird seinen Eifer und seinen Scharfsinn schon hinlänglich beschäftigen.
Eine nähere Veranlassung Verbrechen durch Unterdrü- kung der in dem Charakter liegenden Ursachen derselben zu verhüten, hat der Staat bei denjenigen, welche durch wirkliche Uebertretungen der Geseze gerechte Besorgniss für die Zukunft erwekken. Daher haben auch die denkend- sten neueren Gesezgeber versucht, die Strafen zugleich zu Besserungsmitteln zu machen. Gewiss ist es nun, dass nicht bloss von der Strafe der Verbrecher schlechterdings alles entfernt werden muss, was irgend der Moralität derselben nachtheilig sein könnte ; sondern dass ihnen auch jedes Mit- tel, das nur übrigens nicht dem Endzwek der Strafe zuwi- der ist, freistehen muss, ihre Ideen zu berichtigen und ihre Gefühle zu verbessern. Allein auch dem Verbrecher darf die Belehrung nicht aufgedrungen werden; und wenn die- selbe schon eben dadurch Nuzen und Wirksamkeit verliert; so läuft ein solches Aufdringen auch den Rechten des Ver- brechers entgegen, der nie zu etwas mehr verbunden sein kann, als die gesezmässige Strafe zu leiden.
Ein völlig specieller Fall ist noch der, wo der Ange- schuldigte zwar zu viel Gründe gegen sich hat, um nicht einen starken Verdacht auf sich zu laden, aber nicht genug, um verurtheilt zu werden. (Absolutio ab instantia.) Ihm alsdann die völlige Freiheit unbescholtener Bürger zu ver- statten, macht die Sorgfalt für die Sicherheit bedenklich, und eine fortdauernde Aufsicht auf sein künftiges Betragen ist daher allerdings notliwendig. Indess eben die Gründe, welche jedes positive Bemühen des Staats bedenklich ma- chen, und überhaupt anrathen, an die Stelle seiner Thätig- keit lieber, wo es geschehen kann, die Thätigkeit einzelner Bürger zu sezen, geben auch hier der freiwillig übernom- menen Aufsicht der Bürger vor einer Aufsicht des Staats
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den Vorzug; und es dürfte daher besser sein, verdächtige Personen dieser Art sichere Bürgen stellen zu lassen, als sie einer unmittelbaren Aufsicht des Staats zu übergeben, die nur, in Ermanglung der Bürgschaft, eintreten müsste. Beispiele solcher Bürgschaften giebt auch, zwar nicht in diesem, aber in ahnlichen Fällen, die Englische Gesezgebung. Die lezte Art, Verbrechen zu verhüten, ist diejenige, welche, ohne auf ihre Ursachen wirken zu wollen, nur ihre wirkliche Begehung zu verhindern bemüht ist. Diese ist der Freiheit am wenigsten nachtheilig, da sie am wenigsten einen positiven Einfluss auf die Bürger hervorbringt. Indess lässt auch sie mehr oder minder weite Schranken zu. Der Staat kann sich nemlich begnügen, die strengste Wachsam- keit auf jedes gesezwidrige Vorhaben auszuüben, um das- selbe, vor seiner Ausführung zu verhindern; oder er kann weiter gehen, und solche, an sich schädliche Handlungen untersagen, bei welchen leicht Verbrechen entweder nur ausgeführt, oder auch beschlossen zu werden pflegen. Diess Leztere greift abermals in die Freiheit der Bürger ein; zeigt ein Mistrauen des Staats gegen sie, das nicht bloss auf ih- ren Charakter, sondern auch für den Zwek selbst, der be- absichtet wird, nachtheilige Folgen hat; und ist aus eben den Gründen nicht rathsam, welche mir die vorhin erwähn- ten Arten, Verbrechen zu verhüten, zu misbilligen schienen. Alles, was der Staat thun darf, und mit Erfolg für seinen Endzwek, und ohne Nachtheil für die Freiheit der Bürger, thun kann, beschränkt sich daher auf das Erstere, auf die strengste Aufsicht auf jede, entweder wirklich schon began- gene, oder erst beschlossene Uebertretung der Geseze; und da diess nur uneigentlich den Verbrechen zuvorkommen ge- nannt werden kann; so glaube ich behaupten zu dürfen, dass ein solches Zuvorkommen gänzlich ausserhalb der Schranken «1er Wirksamkeit des Staats liegt. Desto emsiger
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aber muss derselbe darauf bedacht sein, kein begangenes Verbrechen unentdekt, kein entdektes unbestraft, ja nur ge- linder bestraft zu lassen, als das Gesez es verlangt. Denn die durch eine ununterbrochene Erfahrung bestätigte Ueber- zeugung der Bürger, dass es ihnen nicht möglich ist, in fremdes Recht einzugreifen, ohne eine, gerade verhältniss- mässige Schmälerung des eignen zu erdulden, scheint mir zugleich die einzige Schuzmauer der Sicherheit der Bürger, und das einzige untrügliche Mittel, unverlezliche Achtung des fremden Rechts zu begründen. Zugleich ist dieses Mit- tel die einzige Art, auf eine des Menschen würdige Weise auf den Charakter desselben zu wirken, da man den Men- schen nicht zu Handlungen unmittelbar zwingen oder leiten, sondern allein durch die Folgen ziehen muss, welche, der Natur der Dinge nach, aus seinem Betragen fhessen müssen. Statt aller zusammengesezteren und künstlicheren Mittel, Verbrechen zu verhüten, würde ich daher nie etwas andres, als gute und durchdachte Geseze, in ihrem absoluten Maasse den Lokalumständen, in ihrem relativen dem Grade der Im- moralität der Verbrechen genau angemessene Strafen, mög- lichst sorgfältige Aufsuchung jeder vorgefallenen Uebertre- tung der Geseze, und Hinwegräumung aller Möglichkeit auch nur der Milderung der richterlich bestimmten Strafe vor- schlagen. Wirkt diess freilich sehr einfache Mittel, wie ich nicht läugnen will, langsam; so wirkt es dagegen auch un- fehlbar, ohne Nachtheil für die Freiheit, und mit heilsamem Einfluss auf den Charakter der Bürger. Ich brauche mich nun nicht länger bei den Folgen der hier aufgestellten Säze zu verweilen, wie z. B. bei der schon öfter bemerkten Wahr- heit, dass das Begnadigungs- selbst das Milderungsrecht des Landesherrn gänzlich aufhören müsste. Sie lassen sich von selbst ohne Mühe daraus herleiten. Die näheren Veranstal- tungen, welche der Staat treffen muss, um begangene Ver-
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brechen zu entdekken, oder erst beschlossenen zuvorzukom- men, hängen fast ganz von individuellen Umstanden specia- ler Lagen ab. Allgemein kann hier nur bestimmt werden, dass derselbe auch hier seine Rechte nicht überschreiten, und also keine, der Freiheit und der häuslichen Sicherheit der Bürger überhaupt entgegenlaufende Maassregeln ergrei- fen darf. Hingegen kann er für öffentliche Orte, wo am leichtesten Frevel verübt werden, eigene Aufseher bestellen; Fiskale anordnen, welche, vermöge ihres Amts, gegen ver- dächtige Personen verfahren; und endlich alle Bürger durch Geseze verpflichten, ihm in diesem Geschäfte behülflich zu sein, und nicht bloss beschlossene, und noch nicht began- gene Verbrechen, sondern auch schon verübte, und ihre Thäter anzuzeigen. Nur muss er diess Leztere, um nicht auf den Charakter der Bürger nachtheilig zu wirken, immer nur als Pflicht fordern, nicht durch Belohnungen, oder Vor- theile dazu anreizen; und selbst von dieser Pflicht diejeni- gen entbinden, welche derselben kein Genüge leisten könn- ten, ohne die engsten Bande dadurch zu zerreissen.
Endlich muss ich noch, ehe ich diese Materie beschliesse, bemerken, dass alle Kriminalgeseze, sowohl diejenigen, welche die Strafen, als diejenigen, welche das Verfahren bestimmen, allen Bürgern, ohne Unterschied, vollständig bekannt ge- macht werden müssen. Zwar hat man verschiedentlich das Gegentheil behauptet, und sich des Grundes bedient, dass dem Bürger nicht die Wahl gelassen werden müsse, mit dem Uebel der Strafe gleichsam den Vortheil der gesez- widrigen Handlung zu erkaufen. Allein — die Möglichkeit einer fortdauernden Verheimlichung auch einmal angenom- men — so unmoralisch auch eine solche Abwägung in dem Menschen selbst wäre, der sie vornähme; so darf der Staat, und überhaupt ein Mensch dem andren, dieselbe doch nicht verwehren. Es ist im Vorigen, wie ich hoffe, hinlänglich
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gezeigt worden, dass kein Mensch dem andren mehr Uebel, als Strafe, zufügen darf, als er selbst durch das Verbrechen gelitten hat. Ohne gesezliche Bestimmung müsste also der Verbrecher soviel erwarten , als er ohngefähr seinem Ver- brechen gleichachtete; und da nun diese Schäzung bei meh- reren Menschen zu verschieden ausfallen würde, so ist sehr natürlich, dass man ein festes Maass durch das Gesez be- stimme, und dass also zwar nicht die Verbindlichkeit, Strafe zu leiden, aber doch die, bei Zufügung der Strafe, nicht willkührlich alle Glänzen zu überschreiten, durch einen Ver- trag begründet sei. Noch ungerechter aber wird eine solche Verheimlichung bei dem Verfahren zur Aufsuchung der Ver- brechen. Da könnte sie unstreitig zu nichts andrem dienen, als Furcht vor solchen Mitteln zu erregen, die der Staat selbst nicht anwenden zu dürfen glaubt, und nie muss der Staat durch eine Furcht wirken wollen, welche nichts andres unterhalten kann, als Unwissenheit der Bürger über ihre Rechte, oder Mistrauen gegen seine Achtung derselben. Ich ziehe nunmehr aus dem bisher vorgetragenen Rai- sonnement folgende höchste Grundsäze jedes Kriminalrechts überhaupt :
1. Eins der vorzüglichsten Mittel zur Erhaltung der Sicherheit ist die Bestrafung der Uebertreter der Geseze des Staats. Der Staat darf jede Handlung mit einer Strafe belegen, welche die Rechte der Bürger krankt, und insofern er selbst allein aus diesem Gesichtspunkt Geseze anordnet, jede, wodurch eines seiner Geseze übertreten wird.
2. Die härteste Strafe darf keine andre, als die nach den individuellen Zeit- und Ortverhältnissen möglichst gelinde sein. Nach dieser müssen alle übrige, gerade in dem Verhältniss bestimmt sein, in welchem die Ver- brechen, gegen welche sie gerichtet sind, Nicht Achtung
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des fremden Rechts bei dem Verbrecher voraussezen. So muss daher die härteste Strafe denjenigen treffen, welcher das wichtigste Recht des Staats selbst, eine minder harte denjenigen, welcher nur ein gleich wich- tiges Recht eines einzelnen Bürgers gekränkt, eine noch gelindere endlich denjenigen, welcher bloss ein Gesez übertreten hatte, dessen Absicht es war, eine solche, bloss mögliche Kränkung zu verhindern.
3. Jedes Strafgesez kann nur auf denjenigen ange- wendet werden, welcher dasselbe mit Vorsaz, oder mit Schuld übertrat, und nur in dem Grade, in welchem er dadurch Nicht Achtung des fremden Rechts bewies.
4. Bei der Untersuchung begangener Verbrechen darf der Staat zwar jedes dem Endzwek angemessene Mittel anwenden; hingegen keines, das den bloss verdächtigen Bürger schon als Verbrecher behandelte, noch ein sol- ches, das die Rechte des Menschen und des Bürgers, welche der Staat, auch in dem Verbrecher, ehren muss, verlezte, oder das den Staat einer unmoralischen Hand- lung schuldig machen würde.
5. Eigene Veranstaltungen, noch nicht begangene Verbrechen zu verhüten, darf sich der Staat nicht an- ders erlauben, als insofern dieselben die unmittelbare Begehung derselben verhindern. Alle übrige aber, sie möeren nun den Ursachen zu Verbrechen entgegenar- beiten, oder an sich unschädliche, aber leicht zu Ver- brechen führende Handlungen verhüten wollen, liegen ausserhalb der Glänzen seiner Wirksamkeit. Wenn zwischen diesem, und dem, bei Gelegenheit der Hand- lungen des einzelnen Menschen S. 111. 112. aufgestellten Grundsaz ein Widerspruch zu sein scheint, so muss man nicht vergessen, dass dort von solchen Handlungen die Hede war, deren Folgen an sich fremde Rechte kränken
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können, hier hingegen von solchen, aus welchen, um diese Wirkung hervorzubringen, erst eine zweite Hand- lung entstehen muss. Verheimlichung der Schwanger- schaft also, um diess an einem Beispiel deutlich zu machen, dürfte nicht aus dem Grunde verboten werden, den Kindermord zu verhüten (man müsste denn die- selbe schon als ein Zeichen des Vorsazes zu demselben ansehen), wohl aber als eine Handlung, welche an sich, und ohnediess, dem Leben und der Gesundheit des Kindes gefährlich sein kann.
XIV.
Sorgfalt des Staats für die Sicherheit durch Bestim- mung des Verhältnisses derjenigen Personen, welche nicht im Besiz der natürlichen, oder gehörig gereiften menschlichen Kräfte sind. (Unmündige und des Ver- standes Beraubte.) Allgemeine Anmerkung zu diesem und den vier vorhergehenden Abschnitten.
Alle Grundsäze, die ich bis hieher aufzustellen versucht habe, sezen Menschen voraus, die im völligen Gebrauch ihrer gereiften Verstandeskräfte sind. Denn alle gründen sich allein darauf, dass dem selbstdenkenden und selbstthä- tigen Menschen nie die Fähigkeit geraubt werden darf, sich, nach gehöriger Prüfung aller Momente der Ueberlegung, willkührlich zu bestimmen. Sie können tlaher auf solche Personen keine Anwendung finden, welche entweder, wie Verrükte, oder gänzlich Blödsinnige, ihrer Vernunft so gut, als gänzlich beraubt sind; oder bei welchen dieselbe noch nicht einmal diejenige Reife erlangt hat, welche von der Reife des Körpers selbst abhängt. Denn so unbestimmt, vu. 1 1
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und, genau gesprochen, unrichtig auch dieser lezlere Maass- stab sein mag; so ist er doch der einzige, welcher allge- mein und hei der Beurtheilung des Dritten gültig sein kann. Alle diese Personen nun bedürfen einer im eigentlichsten Verstände positiven Sorgfalt für ihr physisches und morali- sches Wohl, und die bloss negative Erhaltung der Sicher- heit kann bei denselben nicht hinreichen. Allein diese Sorg- falt ist — um bei den Kindern, als der grossesten und wichtigsten Klasse dieser Personen anzufangen — schon vermöge der Grundsäze des Hechts ein Eigenthum bestimm- ter Personen, der Eltern. Ihre Pflicht ist es, die Kinder, welche sie erzeugt haben, bis zur vollkommenen Reife zu erziehen, und aus dieser Pflicht allein entspringen alle Rechte derselben, als nothwendige Bedingungen der Ausübung von jener. Die Kinder behalten daher alle ihre ursprünglichen Rechte, auf ihr Leben, ihre Gesundheit, ihr Vermögen, wenn sie schon dergleichen besizen, und selbst ihre Freiheit darf nicht weiter beschränkt werden, als die Eltern diess theils zu ihrer eignen Bildung, theils zur Erhaltung des nun neu entstehenden Familienverhältnisses für nothwendig erachten, und als sich diese Einschränkung nur auf die Zeit bezieht, welche zu ihrer Ausbildung, erfordert wird. Zwang, zu Handlungen, welche über diese Zeit hinaus, und vielleicht aufs ganze Leben hin ihre unmittelbaren Folgen erstrekken, dürfen sich daher Kinder niemals gefallen lassen. Daher niemals z. B. Zwang zu Heirathen, oder zu Erwählung ei- ner bestimmten Lebensart. Mit der Zeit der Reife muss die elterliche Gewalt natürlich ganz und gar aufhören. All- gemein bestehen daher die Pflichten der Eltern darin die Kinder, theils durch persönliche Sorgfalt für ihr physisches und moralisches Wohl, theils durch Versorgung mit den nothwendigen Mitteln in den Stand zu sezen, eine eigne Lebensweise, nach ihrer, jedoch durch ihre individuelle Lage
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beschränkten Wahl anzufangen; und die Pflichten der Kin- der dagegen darin, alles dasjenige zu thun, was notwen- dig ist, damit die Eltern jener Pflicht ein Geniige zu leisten vermögen. Alles nähere Detail, die Aufzählung dessen, was diese Pflichten nun bestimmt in sich enthalten können und müssen, übergehe ich hier gänzlich. Es gehört in eine ei- gentliche Theorie der Gesezgebung, und würde auch nicht einmal ganz in dieser Plaz finden können, da es grossen- theils von individuellen Umständen specieller Lagen abhängt. Dem Staat liegt es nun ob, für die Sicherheit der Hechte der Kinder «reuen die Eltern Sorge zu tragen, und er muss daher zuerst ein gesezmässiges Alter der Reife be- stimmen. Diess muss nun natürlich nicht nur nach der Verschiedenheit des Klimas und selbst des Zeitalters ver- schieden sein, sondern auch individuelle Lagen, je nachdem nemlich mehr oder minder Reife der Beurtheilimgskraft in denselben erfordert wird, können mit Recht darauf Einfluss haben. Hiernächst muss er verhindern, dass die väterliche Gewalt nicht über ihre Glänzen hinausschreite, und darf daher dieselbe mit seiner genauesten Aufsicht nicht verlas- sen. Jedoch muss diese Aufsicht niemals positiv den Eltern eine bestimmte Bildung und Erziehung der Kinder vor- schreiben wollen, sondern nur immer negativ dahin gerich- tet sein, Eltern und Kinder gegenseitig in den, ihnen vom Gesez bestimmten Schranken zu erhalten. Daher scheint es auch weder gerecht, noch rathsam, fortdauernde Rechen- schaft von den Eltern zu fordern; man muss ihnen zutrauen, dass sie eine Pflicht nicht verabsäumen werden, welche ih- rem Herzen so nah liegt; und erst solche Fälle, wo ent- weder schon wirkliche Verlezungen dieser Pflicht geschehen, oder sehr nah bevorstehen, können den Staat, sich in dies*e Familienverhältnisse zu mischen berechtigen.
II*
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Nach dem Tode der Eltern bestimmen die Grundsiize des natürlichen Rechts minder klar, an wen die Sorgfalt der noch übrigen Erziehung fallen soll. Der Staat muss daher genau festsezen, wer von den Verwandten die Vormund- schaft übernehmen, oder, wenn von diesen keiner dazu im Stande ist, wie einer der übrigen Bürger dazu gewählt wer- den soll. Ebenso muss er die notwendigen Eigenschaften der Fähigkeit der Vormünder bestimmen. Da die Vormün- der die Pflichten der Eltern übernehmen, so treten sie auch in alle Rechte derselben; da sie aber auf jeden Fall in ei- nem minder engen Verhältniss zu ihren Pflegbefohlenen stehen, so können sie nicht auf ein gleiches Vertrauen An- spruch machen, und der Staat muss daher seine Aufsicht auf sie verdoppeln. Bei ihnen dürfte daher auch ununter- brochene Rechenschaftsablegung eintreten müssen. Je we- niger positiven Einfluss der Staat auch nur mittelbar ausübt, desto mehr bleibt er den, im Vorigen entwikkelten Grund- säzen getreu. Er muss daher die Wahl eines Vormunds durch die sterbenden Eltern selbst, oder durch die zurük- bleibenden Verwandten, oder durch die Gemeine, zu welcher die Pflegbefohlnen gehören, soviel erleichtern, als nur immer die Sorgfalt für die Sicherheit dieser erlaubt. Ueberhaupt scheint es rathsam, alle eigentlich specielle hier eintretende Aufsicht den Gemeinheiten zu übertragen; ihre Maassregeln werden immer nicht nur der individuellen Lage der Pfleg- befohlnen angemessener, sondern auch mannigfaltiger, min- der einförmig sein, und für die Sicherheit der Pflegbefohl- nen ist dennoch hinlänglich gesorgt, sobald die Ober-Aufsicht in den Händen des Staats selbst bleibt.
Ausser diesen Einrichtungen muss der Staat sich nicht bloss begnügen, Unmündige, gleich andren Bürgern, gegen fremde Angriffe zu beschüzen, sondern er muss hierin auch noch weiter gehen. Es war nemlich oben festgesezt worden,
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dass jeder über seine eignen Handlungen und sein Vermö- gen nach Gefallen freiwillig beschliessen kann. Eine solche Freiheit könnte Personen, deren Beurtheilungskraft noch nicht das gehörige Alter gereift hat, in mehr als Einer Hinsicht gefährlich werden. Diese Gefahren nun abzuwenden ist zwar das Geschäft der Eltern, oder Vormünder, welche das Recht haben, die Handlungen derselben zu leiten. Allein der Staat muss ihnen, und den Unmündigen selbst hierin zu Hülfe kommen, und diejenigen ihrer Handlungen für un- gültig erklären, deren Folgen ihnen schädlich sein würden. Er muss dadurch verhindern, dass nicht eigennüzige Absich- ten andrer sie täuschen, oder ihren Entschluss überraschen. Wo diess geschieht, muss er nicht nur zu Ersezung des Schadens anhalten, sondern auch die Thäter bestrafen; und so können aus diesem Gesichtspunkt Handlungen strafbar werden, welche sonst ausserhalb des Wirkungskreises des Gesezes liegen würden. Ich führe hier als ein Beispiel den unehelichen Beischlaf an, den, diesen Grundsäzen zufolge, der Staat an dem Thäter bestrafen müsste, wenn er mit einer unmündigen Person begangen würde. Da aber die menschlichen Handlungen einen sehr mannigfaltig verschied- nen Grad der Beurtheilungskraft erfordern, und die Reife der leztern gleichsam nach und nach zunimmt; so ist es gut, zum Behuf der Gültigkeit dieser verschiedenen Hand- lungen gleichfalls verschiedene Epochen und Stufen der Un- mündigkeit zu bestimmen.
Was hier von Unmündigen gesagt worden ist, findet auch auf Verrükle und Blödsinnige Anwendung. Der Un- terschied besteht nur darin, dass sie nicht einer Erziehung und Bildung (man müsste denn die Bemühungen, sie zu heilen, mit diesem Namen belegen), sondern nur der Sorg- falt und Aufsicht bedürfen; dass bei ihnen noch vorzüglich der Schaden verhütet werden muss, den sie andren zufügen
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könnten; und dass sie gewöhnlich in einem Zustande sind, in welchem sie weder ihrer persönlichen Kräfte, noch ihres Vermögens geniessen können, wobei jedoch nicht vergessen werden muss, dass, da eine Rükkehr der Vernunft bei ih- nen immer noch möglich ist, ihnen nur die temporelle Aus- übung ihrer Rechte, nicht aber diese Rechte selbst genom- men werden können. Diess noch weiter auszuführen, erlaubt meine gegenwärtige Absicht nicht, und ich kann daher diese ganze Materie mit folgenden allgemeinen Giundsäzen be- schliessen.
1. Diejenigen Personen, welche entweder überhaupt nicht den Gebrauch ihrer Verstandeskräfte besizen, oder das dazu nothwendige Alter noch nicht erreicht haben, bedürfen einer besondren Sorgfalt für ihr physisches, intellektuelles und moralisches Wohl. Personen dieser Art sind Unmündige und des Verstandes Beraubte. Zuerst von jenen, dann von diesen.
2. In Absicht der Unmündigen muss der Staat die Dauer der Unmündigkeit festsezen. Er muss dieselbe, da sie ohne sehr wesentlichen Nachtheil weder zu kurz, noch zu lang sein darf, nach den individuellen Umstän- den der Lage der Nation bestimmen, wobei ihm die vollendete Ausbildung des Körpers zum ohngefähren Kennzeichen dienen kann. Rathsam ist es, mehrere Epochen anzuordnen , und gradweise die Freiheit der Unmündigen zu erweitern, und die Aufsicht auf sie zu verringern.
3. Der Staat muss darauf wachen dass die Ellern ihre Pflichten gegen ihre Kinder — nemlich dieselben, so gut es ihre Lage erlaubt, in den Stand zu sezen, nach erreichter Mündigkeit, eine eigne Lebensweise zu wählen und anzufangen — und die Kinder ihre Pflich- len iiegen ihre Ellern, — nemlich alles dasjenige zu
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Ihun, was zur Ausübung jener Pflicht von Seiten der Eltern nothvvendig ist — genau erfüllen; keiner aber die Rechte überschreite, welche ihm die Erfüllung jener Pflichten einräumt. Seine Aufsicht muss jedoch allein hierauf beschränkt sein; und jedes Bemühen, hiebei ei- nen positiven Endzwek zu erreichen , z. B. diese oder jene Art der Ausbildung der Kräfte bei den Kindern zu begünstigen, liegt ausserhalb der Schranken seiner Wirk- samkeit.
4. Im Fall des Todes der Eltern sind Vormünder nothvvendig. Der Staat muss daher die Art bestimmen, wie diese bestellt werden sollen, so wie die Eigenschaf- ten, welche sie nothwendig besizen müssen. Er wird aber gut thun, soviel als möglich die Wahl derselben durch die Eltern selbst, vor ihrem Tode, oder die übrig- bleibenden Verwandten, oder die Gemeine zu befördern. Das Betragen der Vormünder erfordert eine noch ge- nauere und doppelt wachsame Aufsicht.
5. Um die Sicherheit der Unmündigen zu befördern, und zu verhindern, dass man sich nicht ihrer Unerfah- renheit oder Unbesonnenheit zu ihrem Nachtheil be- diene, muss der Staat diejenigen ihrer, allein für sich vorgenommenen Handlungen, deren Folgen ihnen schäd- lich werden könnten, für ungültig erklären, und dieje- nigen, welche sie zu ihrem Vortheil auf diese Weise benuzen, bestrafen.
6. Alles was hier von Unmündigen gesagt worden, gilt auch von solchen, die ihres Verstandes beraubt sind; nur mit den Unterschieden, welche die Natur der Sache selbst zeigt. Auch darf niemand eher als ein solcher angesehen werden, ehe er nicht, nach einer, unter Aufsicht des Richters, durch Aerzte vorgenom- menen Prüfung, förmlich dafür erklärt ist; und das
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Uebel selbst muss immer, als möglicherweise wieder
vorübergehend, betrachtet werden. Ich bin jezt alle Gegenstände durchgegangen, auf welche der Staat seine Geschäftigkeit ausdehnen muss; ich habe bei jedem die höchsten Principien aufzustellen versucht. Findet man diesen Versuch zu mangelhaft, sucht man viele, in der Gesezgebung wichtige Materien vergebens in demselben; so darf man nicht vergessen, dass es nicht meine Absicht war, eine Theorie der Gesezgebung aufzustellen — ein Werk, dem weder meine Kräfte noch meine Kenntnisse gewachsen sind — sondern allein den Gesichtspunkt herauszuheben, inwiefern die Gesezgebung in ihren verschiedenen Zweigen die Wirksamkeit des Staats ausdehnen dürfe, oder einschrän- ken müsse? Denn wie sich die Gesezgebung nach ihren Gegenständen abiheilen lässt, eben so kann dieselbe auch nach ihren Quellen eingetheilt werden, und vielleicht ist diese Eintheilung, vorzüglich für den Gesezgeber selbst, noch fruchtbarer. Dergleichen Quellen, oder — um mich zugleich eigentlicher und richtiger auszudrukken — Hauptgesichts- punkte, aus welchen sich die Nothwendigkeit von Gesezen zeigt, giebt es, wie mich dünkt, nur drei. Die Gesezgebung im Allgemeinen soll die Handlungen der Bürger, und ihre nothwcndigen Folgen bestimmen. Der erste Gesichtspunkt ist daher die Natur dieser Handlungen selbst, und diejeni- gen ihrer Folgen, welche allein aus den Grundsäzen des Rechts entspringen. Der zweite Gesichtspunkt ist der be- sondre Zwek des Staats, die Gränzen, in welchen er seine Wirksamkeit zu beschränken, oder der Umfang, auf welchen er dieselbe auszudehnen beschliesst. Der dritte Gesichts- punkt endlich entspringt aus den Mitteln , welcher er not- wendig bedarf, um das ganze Staatsgebäude selbst zu er- halten, um es nur möglich zu machen, seinen Zwek überhaupt zu erreichen. Jedes nur denkbare Gesez muss einem dieser
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Gesichtspunkte vorzüglich eigen sein; allein keines dürfte, ohne die Vereinigung aller, gegeben werden, und gerade diese Einseitigkeit der Ansicht macht einen sehr wesentli- chen Fehler mancher Geseze aus. Aus jener dreifachen Ansicht entspringen nun auch drei vorzüglich nothwendige Vorarbeiten zu jeder Gesezgebung: 1. eine vollständige all- gemeine Theorie des Rechts. 2. Eine vollständige Entwik- kelung des Zweks, den der Staat sich vorsezen sollte, oder, welches im Grunde dasselbe ist, eine genaue Bestimmung der Grenzen, in welchen er seine Wirksamkeit halten muss ; oder eine Darstellung des besondern Zweks, welchen diese oder jene Staatsgesellschaft sich wirklich vorsezt. 3. Eine Theorie der, zur Existenz eines Staats nothwendigen Mittel, und da diese Mittel theils Mittel der innern Festigkeit, theils Mittel der Möglichkeit der Wirksamkeit sind, eine Theorie der Politik und der Finanzwissenschaften; oder wiederum eine Darstellung des einmal gewählten politischen und Fi- nanzsystems. Bei dieser Uebersichl, welche mannigfaltige Unterabtheilungen zulässt, bemerke ich nur noch, dass bloss das erste der genannten Stükke ewig und, wie die Natur des Menschen im Ganzen selbst, unveränderlich ist; die an- dern aber mannigfaltige Modifikationen erlauben. Werden indess diese Modifikationen nicht nach völlig allgemeinen, von allen zugleich hergenommenen Rüksichten, sondern nach andren zufälligeren Umständen gemacht, ist z. B. in einem Staat ein festes politisches System, sind unabänderliche Fi- nanz-Einrichtungen, so geräth das zweite der genannten Stükke in ein sehr grosses Gedränge, und sehr oft leidet sogar hie- durch das erste. Den Grund sehr vieler Staatsgebrechen würde man gewiss in diesen und ähnlichen Kollisionen finden. So, hoffe ich, wird die Absicht hinlänglich bestimmt sein, welche ich mir bei der versuchten Aufstellung der obigen Principien der Gesezgebung vorsezle. Allein, auch
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unter diesen Einschränkungen , bin ich sehr weit entfernt, mir irgend mit dem Gelingen dieser Absicht zu schmeicheln. Vielleicht leidet die Richtigkeit der aufgestellten Grundsäze im Ganzen weniger Einwürfe, aber an der nothwendigen Vollständigkeit, an der genauen Bestimmung mangelt es ih- nen gewiss. Auch um die höchsten Principien festzusezen, und gerade vorzüglich zu diesem Zwek, ist es noth wendig in das genaueste Detail einzugehen. Diess aber war mir hier, meiner Absicht nach, nicht erlaubt, und wenn ich gleich nach allen meinen Kräften strebte, es in mir, gleichsam als Vorarbeit zu dem Wenigen zu thun, das ich hinschrieb; so gelingt doch ein solches Bemühen niemals in gleichem Grade. Ich bescheide mich daher gern, mehr die Fächer, die noch ausgefüllt werden müssten, gezeigt, als das Ganze selbst hinlänglich entwikkelt zu haben. Indess wird doch, hoffe ich, das Gesagte immer hinreichend sein, meine eigentliche Absicht bei diesem ganzen Aufsaz noch deutlicher gemacht zu haben, die Absicht nemlich, dass der wichtigste Gesichts- punkt des Staats immer die Entwikkelung der Kräfte der einzelnen Bürger in ihrer Individualität sein muss, dass er daher nie etwas andres zu einem Gegenstand seiner Wirk- samkeit machen darf, als das, was sie allein nicht selbst sich zu verschaffen vermögen, die Beförderung der Sicherheil, und dass diess das einzige wahre und untrügliche Mittel ist, scheinbar widersprechende Dinge , den Zwek des Staats im Ganzen, und die Summe aller Zwekke der einzelnen Bürger durch ein festes, und dauerndes Band freundlich mit einan- der zu verknüpfen.
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XV.
Verhältniss der, zur Erhaltung des Staatsgebäudes über- haupt nolhwendigen Mittel zur vorgetragenen Theorie. Schluss der theoretischen Entwiklung.
Da ich jezt vollendet habe, was mir, bei der Ueber- sicht meines ganzen Plans im Vorigen (S. S. 98 — 104.) nur allein noch übrig zu bleiben schien; so habe ich nunmehr die vorliegende Frage in aller der Vollständigkeit und Ge- nauigkeit beantwortet, welche mir meine Kräfte erlaubten. Ich könnte daher hier schliessen, wenn ich nicht noch eines Gegenstandes erwähnen miisste, welcher auf das bisher Vor- getragene einen sehr wichtigen Einfluss haben kann, nemlich der Mittel, welche nicht nur die Wirksamkeit des Staats selbst möglich machen, sondern ihm sogar seine Existenz sichern müssen.
Auch um den eingeschränktesten Zwek zu erfüllen, muss der Staat hinlängliche Einkünfte haben. Schon meine Unwissenheit in allem, was Finanzen heisst, verbietet mir hier ein langes Raisonnement. Auch ist. dasselbe, dem von mir gewählten Plane nach, nicht nothwendig. Denn ich habe gleich anfangs bemerkt, dass ich hier nicht von dem Falle rede, wo der Zwek des Staats nach der Quantität der Mit- tel der Wirksamkeit, welche derselbe in Händen hat, son- dern wo diese nach jenem bestimmt wird. (S. S. 15. 16.) Nur des Zusammenhangs willen muss ich bemerken, dass auch bei Finanzeinrichtungen jene Rüksicht des Zweks der Menschen im Staate, und der daher entspringenden Be- schränkung seines Zweks nicht aus den Augen gelassen wer- den darf. Auch der flüchtigste Blik auf die Verwebung so vieler Polizei- und Finanzeinrichtungen lehrt diess hinläng- lich. Meines Erachtens giebt es für den Staat nur dreierlei Arten der Einkünfte: 1. die Einkünfte aus vorbehallenem,
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oder an sich gebrachtem Eigenthum; 2. aus direkten, und 3. aus indirekten Abgaben. Alles Eigenthum des Staats führt Nachtheile mit sich. Schon oben (S. S. 35 — 37) habe ich von dem Uebergewichte geredet, welches der Staat, als Staat, allemal hat; und ist er Eigenthümer, so muss er in viele Privatverhältnisse nothwendig eingehen. Da also, wo das Bedürfniss, um welches allein man eine Staatseinrich- tung wünscht, gar keinen Einfluss hat, wirkt die Macht mit, welche nur in Hinsicht dieses Bedürfnisses eingeräumt wurde. Gleichfalls mit Nachtheilen verknüpft sind die indirekten Abgaben. Die Erfahrung lehrt, wie vielfache Einrichtungen ihre Anordnung und ihre Hebung voraussezt, welche das vorige Raisonnement unstreitig nicht billigen kann. Es blei- ben also nur die direkten übrig. Unter den möglichen Sy- stemen direkter Abgaben ist das physiokratische unstreitig das einfachste. Allein — ein Einwurf, der auch schon öfter gemacht worden ist — eines der natürlichsten Produkte ist in demselben aufzuzählen vergessen worden, die Kraft des Menschen, welche, da sie in ihren Wirkungen, ihren Arbei- ten, bei unsren Einrichtungen mit zur Waare wird, gleich- falls der Abgabe unterworfen sein muss. Wenn man das System direkter Abgaben, auf welches ich hier zurükkomme, nicht mit Unrecht das schlechteste, und unschiklichste aller Finanzsysteme nennt; so muss man indess auch nicht ver- gessen, dass der Staat, welchem so enge Glänzen der Wirk- samkeit gesezt sind , keiner grossen Einkünfte bedarf, und dass der Staat, der so gar kein eignes, von dem der Bür- ger getheiltes Interesse hat, der Hülfe einer freien d. i. nach der Erfahrung aller Zeitalter, wohlhabenden Nation gewisser versichert sein kann.
So wie die Einrichtung der Finanzen der Befolgung der im Vorigen aufgestellten Grundsäze Hindernisse in den Weg legen kann; ebenso, und vielleicht noch mehr, ist diess der
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Fall bei der inneren politischen Verfassung. Es muss nem- lich ein Mittel vorhanden sein, welches den beherrschenden und den beherrschten Theil der Nation mit einander ver- bindet, welches dem ersteren den Besiz der ihm anvertrau- ten Macht und dem lezteren den Genuss der ihm übri°ee- lassenen Freiheit sichert. Diesen Zwek hat man in ver- schiedenen Staaten auf verschiedene Weise zu erreichen versucht; bald durch Verstärkung der gleichsam physischen Gewalt der Regierung — welches indess freilich für die Freiheit gefährlich ist — bald durch die Gegeneinanderstel- lung mehrerer einander entgegengesezter Mächte, bald durch Verbreitung eines, der Konstitution günstigen, Geistes unter der Nation. Diess leztere Mittel, wie schöne Gestalten es auch, vorzüglich im Alterthum, hervorgebracht hat, wird der Ausbildung der Bürger in ihrer Individualität leicht nachtheilig, bringt nicht selten Einseitigkeit hervor, und ist daher am wenigsten in dem, hier aufgestellten Systeme rath- sam. Vielmehr müsste, diesem zufolge, eine politische Ver- fassung gewählt werden, welche so wenig, als möglich, einen positiven speciellen Einfluss auf den Charakter der Bürger hätte, und nichts andres, als die höchste Achtung des fremden Rechts, verbunden mit der enthusiastischen Liebe der eigenen Freiheit, in ihnen hervorbrächte. Welche der denkbaren Verfassungen diess nun sein möchte? ver- suche ich hier nicht zu prüfen. Diese Prüfung gehört offen- bar allein in eine Theorie der eigentlichen Politik. Ich be- gnüge mich nur an folgenden kurzen Bemerkungen, welche wenigstens die Möglichkeit einer solchen Verfassung deutli- cher zeigen. Das System, das ich vorgetragen habe, ver- stärkt und vervielfacht das Privatinteresse der Bürger, und es scheint daher, dass eben dadurch das öffentliche ge- schwächt werde. Allein es verbindet auch dieses so genau mit jenem, dass dasselbe vielmehr nur auf jenes, und zwar,
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wie es jeder Bürger — da doch jeder sicher und frei sein will — anerkennt, gegründet ist. So dürfte also doch, gerade hei diesem System, die Liebe der Konstitution am besten erhalten werden, die man sonst oft durch sehr künst- liche Mittel vergebens hervorzubringen strebt. Dann trifl auch hier ein, dass der Staat, der weniger wirken soll, auch eine geringere Macht, und die geringere Macht eine gerin- gere Wehr braucht. Endlich versteht sich noch von selbst, dass, so wie überhaupt manchmal Kraft oder Genuss den Resultaten aufgeopfert werden müssen, um beide vor einem grösseren Verlust zu bewahren, eben diess auch hier immer angewendet werden müssle.
So hätte ich denn jezt die vorgelegte Frage, nach dem Maasse meiner gegenwärtigen Kräfte, vollständig beantwor- tet, die Wirksamkeit des Staats von allen Seiten her mit den Glänzen umschlossen, welche mir zugleich erspriesslich und nothwendig schienen. Ich habe indess dabei nur den Gesichtspunkt des Besten gewählt; der des Rechts könnte noch neben demselben nicht uninteressant scheinen. Allein wo eine Staatsgesellschaft wirklich einen gewissen Zwek, sichere Gränzen der \\ irksamkeit freiwillig bestimmt hat; da sind natürlich dieser Zwek und diese Gränzen — sobald sie nur von der Art sind, dass ihre Bestimmung in der Macht der Bestimmenden lag — rechtmässig. Wo eine solche ausdrükliche Bestimmung nicht geschehen ist, da muss der Staat natürlich seine Wirksamkeit auf diejenigen Gränzen zurükzubringen suchen, welche die reine Theorie vorschreibt, aber sich auch von den Hindernissen leiten lassen, deren Uebersehung nur einen grösseren Nachtheil zur Folge haben würde. Die Nation kann also mit Recht die Befolgung je- ner Theorie immer so weit, aber nie weiter erfordern, als diese Hindernisse dieselbe nicht unmöglich machen. Diese Hindernisse nun habe ich im Vorigen nicht erwähnt; ich
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habe mich bis hieher begnügt, die reine Theorie zu ent- wikkeln. Ueberhaupt habe ich versucht, die vorteilhafteste Lage für den Menschen im Staat aufzusuchen. Diese schien mir nun darin zu bestehen, dass die mannigfaltigste Indivi- dualität, die originellste Selbstständigkeit mit der gleichfalls mannigfaltigsten und innigsten Vereinigung mehrerer Men- schen neben einander aufgestellt würde — ein Problem, welches nur die höchste Freiheit zu lösen vermag. Die Möglichkeit einer Staatseinrichtung, welche diesem Endzwek so wenig, als möglich, Schranken sezte, darzuthun, war ei- gentlich die Absicht dieser Bogen, und ist schon seit län- gerer Zeit der Gegenstand alles meines Nachdenkens ge- wesen. Ich bin zufrieden, wenn ich bewiesen habe, dass dieser Grundsaz wenigstens bei allen Staatseinrichtungen dem Gesezgeber, als Ideal, vorschweben sollte.
Eine grosse Erläuterung könnten diese Ideen durch die Geschichte und Statistik — beide auf diesen Endzwek ge- richtet — erhalten. Ueberhaupt hat mir oft die Statistik einer Reform zu bedürfen geschienen. Statt blosse Data der Grösse, der Zahl der Einwohner, des Reichthums, der In- dustrie eines Staats, aus welchen sein eigentlicher Zustand nie ganz und mit Sicherheit zu beurtheilen ist, an die Hand zu geben; sollte sie, von der natürlichen Beschaffenheit des Landes und seiner Bewohner ausgehend, das Maass und die Art ihrer thätigen, leidenden, und geniessenden Kräfte, und nun schrittweise die Modifikationen zu schildern suchen, welche diese Kräfte theils durch die Verbindung der Nation unter sich, theils durch die Einrichtung des Staats erhalten. Denn die Staatsverfassung und der Nationalverein sollten, wie eng sie auch in einander verwebt sein mögen, nie mit einander verwechselt werden. Wenn die Staatsverfassung den Bürgern, seis durch Uebermacht und Gewalt, oder Ge- wohnheit und Gesez, ein bestimmtes Verhältniss anweist;
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so giebt es ausserdem noch ein andres, freiwillig von ihnen gewähltes, unendlich mannigfaltiges, und oft wechselndes. Und diess leztere, das freie Wirken der Nation unter ein- ander, ist es eigentlich, welches alle Güter bewahrt, deren Sehnsucht die Menschen in eine Gesellschaft führt. Die ei- gentliche Staatsverfassung ist diesem, als ihrem Zwekke, untergeordnet, und wird immer nur, als ein nothwendiges Mittel, und, da sie allemal mit Einschränkungen der Freiheit verbunden ist, als ein nothwendiges Uebel gewählt. Die nachtheiligen Folgen zu zeigen, welche die Verwechselung der freien Wirksamkeit der Nation mit der erzwungenen der Staatsverfassung dem Genuss, den Kräften, und dem Cha- rakter der Menschen bringt, ist daher auch eine Nebenabsicht dieser Blätter gewesen.
XVI.
Anwendung der vorgetragenen Theorie auf die
Wirklichkeit.
Jede Entwikkelung von Wahrheiten, welche sich auf den Menschen, und insbesondre auf den handlenden Menschen beziehen, führt auf den Wunsch, dasjenige, was die Theorie als richtig bewährt, auch in der Wirklichkeit ausgeführt zu sehen. Dieser Wunsch ist der Natur des Menschen, dem so selten der still wohlthätige Seegen blosser Ideen genügt, angemessen und seine Lebhaftigkeit wächst mit der wohl- wollenden Theilnahme an dem Glük der Gesellschaft. Allein wie natürlich derselbe auch an sich, und wie edel in seinen Quellen er sein mag, so hat er doch nicht selten schädliche Folgen hervorgebracht, und oft sogar schädlichere, als die kältere Gleichgültigkeit oder — da auch gerade aus dem Gegentheil dieselbe Wirkung entstehn kann — die glühende Wärme, welche, minder bekümmert um die Wirklichkeit,
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sich nur an der reinen Schönheit der Ideen ergözt. Denn das Wahre, sobald es — wäre es auch nur in Einem Men- schen — tief eindringende Wurzeln fasst, verbreitet immer, nur langsamer und geräuschloser, heilsame Folgen auf das wirkliche Leben; da hingegen das, was unmittelbar auf das- selbe übergetragen wird, nicht selten, bei der Uebertragung selbst, seine Gestalt verändert, und nicht einmal auf die Ideen zurükwirkt. Daher giebt es auch Ideen, welche der Weise nie nur auszuführen versuchen würde. Ja für die schönste, gereifteste Frucht des Geistes ist die Wirklichkeit nie, in keinem Zeitalter, reif genug; das Ideal muss der Seele des Bildners jeder Art nur immer, als unerreichbares Muster vorschweben. Diese Gründe empfehlen demnach auch bei der am mindesten bezweifelten, konsequentesten Theorie mehr als gewöhnliche Vorsicht in der Anwendung derselben; und um so mehr bewegen sie mich noch, ehe ich diese ganze Arbeit beschliesse, so vollständig, aber zu- gleich so kurz, als mir meine Kräfte erlauben, zu prüfen, inwiefern die im Vorigen theoretisch entwikkelten Grundsäze in die Wirklichkeit übergetragen werden könnten? Diese Prüfung wird zugleich dazu dienen, mich vor der Beschul- digung zu bewahren, als wollte ich durch das Vorige un- mittelbar der Wirklichkeit Regeln vorschreiben, oder auch nur dasjenige misbilligen, was demselben etwa in ihr wider- spricht — eine Anmaassung, von der ich sogar dann entfernt sein würde, wenn ich auch alles, was ich vorgetragen habe, als völlig richtig und gänzlich zweifellos anerkennte.
Bei jeglicher Umformung der Gegenwart muss auf den bisherigen Zustand ein neuer folgen. Nun aber bringt jede Lage, in welcher sich die Menschen befinden, jeder Gegen- stand, der sie umgiebt, eine bestimmte, feste Form in ihrem Innren hervor. Diese Form vermag nicht in jede andre selbst- gewählte überzugehen, und man verfehlt zugleich seines End- vii. 12
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zvveks und tödtet die Kraft, wenn man ihr eine unpassende aufdringt. Wenn man die wichtigsten Revolutionen der Geschichte übersieht, so entdekt man, ohne Mühe, dass die meisten derselben aus den periodischen Revolutionen des menschlichen Geistes entstanden sind. Noch mehr wird man in dieser Ansicht bestätigt, wenn man die Kräfte überschlägt, welche eigentlich alle Veränderungen auf dem Erdkreis be- wirken, und unter diesen die menschlichen — da die der physischen Natur wegen ihres gleichmässigen , ewig einför- mig wiederkehrenden Ganges in dieser Rüksicht weniger wichtig, und die der vernunftlosen Geschöpfe in eben der- selben an sich unbedeutend sind — in dem Besize des Hauptantheils erblikt. Die menschliche Kraft vermag sich in Einer Periode nur auf Eine Weise zu äussern, aber diese Weise unendlich mannigfaltig zu modificiren; sie zeigt daher in jedem Moment eine Einseitigkeit, die aber in einer Folge von Perioden das Bild einer wunderbaren Vielseitigkeit ge- währt. Jeder vorhergehende Zustand derselben ist entweder die volle Ursach des folgenden, oder doch wenigstens die beschränkende, dass die äussern, andringenden Umstände nur gerade diesen hervorbringen können. Eben dieser vorher- gehende Zustand und die Modifikation, welche er erhält, bestimmt daher auch, wie die neue Lage der Umstände auf den Menschen wirken soll, und die Macht dieser Bestim- mung ist so gross, dass diese Umstände selbst oft eine ganz andre Gestalt dadurch erhalten. Daher^ rührt es, dass alles, was auf der Erde geschieht, gut und heilsam genannt wer- den kann, weil die innere Kraft des Menschen es ist, welche sich alles, wie seine Natur auch sein möge, bemeistert, und diese innere Kraft in keiner ihrer Aeusserungen, da doch jede ihr von irgend einer Seite mehr Stärke oder mehr Bil- dung verschaft, je anders als — nur in verschiedenen Gra- den — wohlthätig wirken kann. Daher ferner, dass sich
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vielleicht die ganze Geschichte des menschlichen Geschlechts bloss als eine natürliche Folge der Revolutionen der mensch- lichen Kraft darstellen liesse; welches nicht nur überhaupt vielleicht die lehrreichste Bearbeitung der Geschichte sein dürfte, sondern auch jeden, auf Menschen zu wirken Be- mühten belehren würde, welchen Weg er die menschliche Kraft mit Fortgang zu führen versuchen, und welchen er niemals derselben zumuthen müsste? Wie daher diese innre Kraft des Menschen durch ihre Achtung erregende Würde die vorzüglichste Rüksicht verdient; eben so nöthigt sie auch diese Rüksicht durch die Gewalt ab, mit welcher sie sich alle übrigen Dinge unterwirft.
Wer demnach die schwere Arbeit versuchen will, einen neuen Zustand der Dinge in den bisherigen kunstvoll zu verweben, der wird vor allem sie nie aus den Augen ver- lieren dürfen. Zuerst muss er daher die volle Wirkung der Gegenwart auf die Gemüther abwarten; wollte er hier zer- schneiden, so könnte er zwar vielleicht die äussere Gestalt der Dinge, aber nie die innere Stimmung der Menschen umschaffen, und diese würde wiederum sich in alles Neue übertragen, was man gewaltsam ihr aufgedrungen hätte. Auch glaube man nicht, dass je voller man die Gegenwart wirken lässt, desto abgeneigter der Mensch gegen einen an- dern folgenden Zustand werde. Gerade in der Geschichte des Menschen sind die Extreme am nächsten mit einander verknüpft; und jeder äussre Zustand, wenn man ihn unge- stört fortwirken lässt, arbeitet, statt sich zu befestigen, an seinem Untergange. Diess zeigt nicht nur die Erfahrung aller Zeitalter, sondern es ist auch der Natur des Menschen gemäss, sowohl des thätigen, welcher nie länger bei einem Gegenstand verweilt, als seine Energie Stoff daran findet, und also gerade dann am leichtesten übergeht, wenn er sich am ungestörtesten damit beschäftigt hat, als auch des lei-
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denden, in welchem zwar die Dauer des Druks die Kraft abstumpft, aber auch den Druk um so härter fühlen lässt. Ohne nun aber die gegenwärtige Gestalt der Dinge anzu- tasten, ist es möglich, auf den Geist und den Charakter der Menschen zu wirken, möglich diesem eine Richtung zu ge- ben, welche jener Gestalt nicht mehr angemessen ist; und gerade das ist es, was der Weise zu thun versuchen wird. Nur auf diesem Wege ist es möglich, den neuen Plan gerade so in der Wirklichkeit auszuführen, als man ihn sich in der Idee dachte; auf jedem andren wird er, den Schaden noch abgerechnet, den man allemal anrichtet, wenn man den na- türlichen Gang der menschlichen Entwikklung stört, durch das, was noch von dem vorhergehenden in der Wirklichkeit, oder in den Köpfen der Menschen übrig ist, modifient, ver- ändert, entstellt. Ist aber diess Hinderniss aus dem Wege geräumt, kann der neu beschlossene Zustand der Dinge, des vorhergehenden und der, durch denselben bewirkten Lage der Gegenwart ungeachtet, seine volle Wirkung äus- sern ; so darf auch nichts mehr der Ausführung der Reform im Wege stehn. Die allgemeinsten Grundsäze der Theorie aller Reformen dürften daher vielleicht folgende sein:
1. man trage Grundsäze der reinen Theorie allemal alsdann, aber nie eher in die Wirklichkeit über, als bis diese in ihrem ganzen Umfange dieselben nicht mehr hindert, diejenigen Folgen zu äussern, welche sie, ohne alle fremde Beimischung, immer hervorbringen würden.
2. Um den Uebergang von dem gegenwärtigen Zu- stande zum neu beschlossenen zu bewirken, lasse man, soviel möglich, jede Reform von den Ideen und den Köpfen der Menschen ausgehen.
Bei den, im Vorigen aufgestellten, bloss theoretischen Grundsäzen war ich zwar überall von der Natur des Men- schen ausgegangen, auch hatte ich in demselben kein ausser-
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ordentliches, sondern nur das gewöhnliche Maass der Kräfte vorausgesezt; allein immer hatte ich ihn mir doch bloss in der ihm nothwendig eigenthümlichen Gestalt, und noch durch kein bestimmtes Verhältniss auf diese oder jene Weise ge- bildet, gedacht. Nirgends aber existirt der Mensch so, überall haben ihm schon die Umstände, in welchen er lebt, eine positive, nur mehr oder minder abweichende Form gegeben. Wo also ein Staat die Gränzen seiner Wirksamkeit, nach den Grundsäzen einer richtigen Theorie, auszudehnen oder einzuschränken bemüht ist, da muss er auf diese Form eine vorzügliche Rüksicht nehmen. Das Misverhällniss zwischen der Theorie und der Wirklichkeit in diesem Punkte der Staatsverwaltung wird nun zwar, wie sich leicht voraus- sehen lässt, überall in einem Mangel an Freiheit bestehen, und so kann es scheinen, als wäre die Befreiung von Fes- seln in jeglichem Zeitpunkt möglich, und in jeglichem wohl- thätig. Allein wie wahr auch diese Behauptung an sich ist, so darf man nicht vergessen, dass, was als Fessel von der einen Seite die Kraft hemmt, auch von der andren Stoff wird, ihre Thätigkeit zu beschäftigen. Schon in dem An- fange dieses Aufsazes habe ich bemerkt, dass der Mensch mehr zur Herrschaft, als zur Freiheit geneigt ist, und ein Gebäude der Herrschaft freut nicht bloss den Herrscher, der es aufführt und erhält, sondern selbst die dienenden Theile erhebt der Gedanke, Glieder Eines Ganzen zu sein, welches sich über die Kräfte und die Dauer einzelner Generationen hinauserstrekt. Wo daher diese Ansicht noch herrschend ist, da muss die Energie hinschwinden, und Schlaffheit und Unthätigkeit entstehen, wenn man den Menschen zwingen will, nur in sich und für sich, nur in dem Räume, den seine einzelnen Kräfte umspannen, nur für die Dauer, die er durchlebt, zu wirken. Zwar wirkt er allein auf diese Weise auf den unbeschränktesten Raum, für die unvergänglichste
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Dauer; allein er wirkt auch nicht so unmittelbar, er streut mehr sich selbst entwikkelnden Saamen aus, als er Gebäude aufrichtet, welche geradezu Spuren seiner Hand aufweisen, und es ist ein höherer Grad von Kultur nothwendig, sich mehr an der Thätigkeit zu erfreuen, welche nur Kräfte schalt, und ihnen selbst die Erzeugung der Resultate über- lässt, als an derjenigen, welche unmittelbar diese selbst auf- stellt. Dieser Grad der Kultur ist die wahre Reife der Freiheit. Allein diese Reife findet sich nirgends in ihrer Vollendung, und wird in dieser — meiner Ueberzeugung nach — auch dem sinnlichen, so gern aus sich herausge- henden Menschen ewig fremd bleiben.
Was würde also der Staatsmann zu thun haben, der eine solche Umänderung unternehmen wollte? Einmal in jedem Schritt, den er neu, nicht in Gefolge der einmaligen Lage der Dinge thäte, der reinen Theorie streng folgen, es müsste denn ein Umstand in der Gegenwart liegen, welcher, wenn man sie ihr aufpfropfen wollte, sie verändern, ihre Folgen ganz oder zum Theil vernichten würde. Zweitens alle Freiheitsbeschränkungen, die einmal in der Gegenwart gegründet wären, so lange ruhig bestehen lassen, bis die Menschen durch untrügliche Kennzeichen zu erkennen geben, dass sie dieselben als einengende Fesseln ansehen, dass sie ihren Druk fühlen, und also in diesem Slükke zur Freiheit reif sind; dann aber dieselben ungesäumt entfernen. Endlich die Reife zur Freiheit durch jegliches Mittel befördern. Diess Leztere ist unstreitig das Wichtigste, und zugleich in die- sem System das Einfachste. Denn durch nichts wird diese Reife zur Freiheit in gleichem Grade befördert, als durch Freiheit selbst. Diese Behauptung dürften zwar diejenigen nicht anerkennen, welche sich so oft gerade dieses Mangels der Reife, als eines Vorwandes bedient haben, die Unter- drükkung fortdauern zu lassen. Allein sie folgt, dünkt mich,
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unvvidersprechlich aus der Natur des Menschen selbst. Man- gel an Reife zur Freiheit kann nur aus Mangel intellektuel- ler und moralischer Kräfte entspringen ; diesem Mangel wird allein durch Erhöhung derselben entgegengearbeitet; diese Erhöhung aber fordert Uebung, und die Uebung Selbstthä- tigkeit erwekkende Freiheit. Nur freilich heisst es nicht Frei- heit geben, wenn man Fesseln löst, welche der noch nicht, als solche, fühlt, welcher sie tragt. Von keinem Menschen der Welt aber, wie verwahrlost er auch durch die Natur, wie herabgewürdigt durch seine Lage sei, ist diess mit al- len Fesseln der Fall, die ihn drükken. Man löse also nach und nach gerade in eben der Folge, wie das Gefühl der Freiheit erwacht, und mit jedem neuen Schritt wird man den Fortschritt beschleunigen. Grosse Schwierigkeiten kön- nen noch die Kennzeichen dieses Erwachens erregen. Allein diese Schwierigkeiten liegen nicht sowohl in der Theorie, als in der Ausführung", die freilich nie specielle Regeln er- laubt, sondern, wie überall, so auch hier, allein das Werk des Genies ist. In der Theorie würde ich mir diese freilich sehr schwierig verwikkelte Sache auf folgende Art deutlich zu machen suchen.
Der Gesezgeber müsste zwei Dinge unausbleiblich vor Augen haben: 1. die reine Theorie, bis in das genauste De- tail ausgesponnen; 2. den Zustand der individuellen Wirk- lichkeit, die er umzuschaffen bestimmt wäre. Die Theorie müsste er nicht nur in allen ihren Theilen auf das genaueste und vollständigste übersehen, sondern er müsste auch die nothwendigen Folgen jedes einzelnen Grundsazes in ihrem ganzen Umfange, in ihrer mannigfaltigen Verwebung, und in ihrer gegenseitigen Abhängigkeit einer von der andren, wenn nicht alle Grundsäze auf einmal realisirt werden könn- ten, vor Augen haben. Eben so müsste er — und diess Geschäft wäre freilich unendlich schwieriger — sich von
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dem Zustande der Wirklichkeit unterrichten, von allen Ban- den, welche der Staat den Bürgern, und welche sie sich selbst, gegen die reinen Grundsäze der Theorie, unter dem Schuze des Staats, auflegen, und von allen Folgen derselben. Beide Gemähide müsste er nun mit einander vergleichen, und der Zeitpunkt, einen Grundsaz der Theorie in die Wirk- lichkeit überzutragen, wäre da, wenn in der Vergleichung sich fände, dass, auch nach der Uebertragung, der Grundsaz unverändert bleiben, und noch eben die Folgen hervorbrin- gen würde, welche das erste Gemähide darstellte; oder, wenn diess nicht ganz der Fall wäre, sich doch voraussehen liesse, dass diesem Mangel alsdann, wenn die Wirklichkeit der Theorie noch mehr genähert wäre, abgeholfen werden würde. Denn diess lezte Ziel, diese gänzliche Näherung müsste den Blik des Gesezgebers unablässig an sich ziehen. Diese gleichsam bildliche Vorstellung kann sonderbar, und vielleicht noch mehr, als das, scheinen, man kann sa- gen, dass diese Gemähide nicht einmal treu erhalten, viel weniger noch die Vergleichung genau angestellt werden könne. Alle diese Einwürfe sind gegründet, allein sie ver- lieren sehr vieles von ihrer Stärke, wenn man bedenkt, dass die Theorie immer nur Freiheit verlangt, die Wirklichkeit, inso- fern sie von ihr abweicht, immer nur Zwang zeigt, die Ur- sach, warum man nicht Freiheit gegen Zwang eintauscht, immer nur Unmöglichkeit sein, und diese Unmöglichkeit hier, der Natur der Sache nach, nur in Einem von folgenden beiden Stükken liegen kann, entweder dass die Menschen, oder dass die Lage noch nicht für die Freiheit empfänglich ist, dass also dieselbe — welches aus beiden Gründen ent- springen kann — Resultate zerstört, ohne welche nicht nur keine Freiheit, sondern auch nicht einmal Existenz gedacht werden kann, oder dass sie — eine allein der ersteren Ur- sach eigenthümliche Folge — die heilsamen Wirkungen
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nicht hervorbringt, welche sie sonst immer begleiten. Bei- des aber lässt sich doch nicht anders beurtheilen, als wenn man beides, den gegenwärtigen und den veränderten Zu- stand, in seinem ganzen Umfang, sich vorstellt, und seine Gestalt und Folgen sorgfältig mit einander vergleicht. Die Schwierigkeit sinkt auch noch mehr, wenn man erwägt, dass der Staat selbst nicht eher umzuändern im Stande ist, bis sich ihm gleichsam die Anzeigen dazu in den Bürgern selbst darbieten, Fesseln nicht eher zu entfernen, bis ihre Last drükkend wird, dass er daher überhaupt gleichsam nur Zu- schauer zu sein, und wenn der Fall, eine Freiheitsbeschrän- kung aufzuheben, eintritt, nur die Möglichkeit oder Unmög- lichkeit zu berechnen, und sich daher nur durch die Noth- wendigkeit bestimmen zu lassen braucht. Zulezt brauche ich wohl nicht erst zu bemerken, dass hier nur von dem Falle die Rede war, wo dem Staate eine Umänderung über- haupt nicht nur physisch, sondern auch moralisch möglich ist', wo also die Grundsäze des Rechts nicht entgegenstehen. Nur darf bei dieser lezteren Bestimmung nicht vergessen werden, dass das natürliche und allgemeine Recht die ein- zige Grundlage alles übrigen positiven ist, und dass daher auf dieses allemal zurükgegangen werden muss, dass folg- lich, um einen Rechtssaz anzuführen, welcher gleichsam der Quell aller übrigen ist, niemand, jemals und auf irgend eine Weise ein Recht erlangen kann, mit den Kräften, oder dem Vermögen eines andren, ohne oder gegen dessen Einwilli- gung zu schalten.
Unter dieser Voraussezung also wage ich es, den fol- genden Grundsaz aufzustellen:
Der Staat muss, in Absicht der Gränzen seiner Wirk- samkeit, den wirklichen Zustand der Dinge der richti- gen und wahren Theorie insoweit nähern, als ihm die Möglichkeit diess erlaubt, und ihn nicht Gründe wahrer
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Notwendigkeit daran hindern. Die Möglichkeit aber beruht darauf, dass die Menschen empfänglich genug für die Freiheit sind, welche die Theorie allemal lehrt, dass diese die heilsamen Folgen äussern kann, welche sie an sich, ohne entgegenstehende Hindernisse, immer begleiten; die entgegenarbeitende Nothwendigkeit dar- auf, dass die, auf einmal gewährte Freiheit nicht Re- sultate zerstöre, ohne welche nicht nur jeder fernere Fortschritt, sondern die Existenz selbst in Gefahr ge- räth. Beides muss immer aus der sorgfältig angestell- ten Vergleichung der gegenwärtigen und der veränder- ten Lage und ihrer beiderseitigen Folgen beurtheilt werden.
Dieser Grundsaz ist ganz und gar aus der Anwendung des oben, in Absicht aller Reformen, aufgestellten (S. 180) auf diesen speciellen Fall entstanden. Denn sowohl, wenn es noch an Empfänglichkeit für die Freiheit fehlt, als wenn die nothwendieen erwähnten Resultate durch dieselbe leiden
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würden, hindert die Wirklichkeit die Grundsäze der reinen Theorie, diejenigen Folgen zu äussern, welche sie, ohne alle fremde Beimischung, immer hervorbringen würden. Ich seze auch jezt nichts mehr zur weiteren Ausführung des aufge- stellten Grundsazes hinzu. Zwar könnte ich mögliche La- gen der Wirklichkeit klassificiren, und an ihnen die Anwen- dung desselben zeigen. Allein ich würde dadurch meinen eignen Principien zuwiderhandlen. Ich habe nemlich gesagt, dass jede solche Anwendung die Uebersicht des Ganzen und aller seiner Theile im genauesten Zusammenhange erfordert, und ein solches Ganze lässt sich durch blosse Hypothesen nicht aufstellen.
Verbinde ich mit dieser Regel für das praktische Be- nehmen des Staats die Geseze, welche die, im Vorigen ent- wikkelte Theorie ihm auflegte ; so darf derselbe seine Thä-
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tigkeit immer nur durch die Nothwendigkeit bestimmen las- sen. Denn die Theorie erlaubt ihm allein Sorgfalt für die Sicherheit, weil die Erreichung dieses Zweks allein dem einzelnen Menschen unmöglich, und daher diese Sorgfalt al- lein nothwendig ist; und die Regel des praktischen Beneh- mens bindet ihn streng an die Theorie, insofern nicht die Gegenwart ihn nöthigt, davon abzugehn. So ist es also das Princip der Not/uvendigkeit , zu welchem alle, in diesem ganzen Aufsaz vorgetragene Ideen, wie zu ihrem lezten Ziele, hinstreben. In der reinen Theorie bestimmt allein die Eigenthümlichkeit des natürlichen Menschen die Gränzen dieser Nothwendigkeit; in der Ausführung kommt die Indi- vidualitat des wirklichen hinzu. Dieses Princip der Noth- wendigkeit müsste, wie es mir scheint, jedem praktischen, auf den Menschen gerichteten Bemühen die höchste Regel vorschreiben. Denn es ist das Einzige, welches auf sichre, zweifellose Resultate führt. Das Nüzliche, was ihm entge- gengesezt werden kann, erlaubt keine reine und gewisse Beurtheilung. Es erfordert Berechnungen der Wahrschein- lichkeit, welche noch abgerechnet, dass sie, ihrer Natur nach, nicht fehlerfrei sein können, Gefahr laufen, durch die gering- sten unvorhergesehenen Umstände vereitelt zu werden; da hingegen das Nothwendige sich selbst dem Gefühl mit Macht aufdringt, und was die Nothwendigkeit befiehlt immer nicht nur nüzlich, sondern sogar unentbehrlich ist. Dann macht das Nüzliche, da die Grade des Nüzlichen gleichsam unend- lich sind, immer neue und neue Veranstaltungen erforder- lich, da hingegen die Beschränkung auf das, was die Noth- wendigkeit erheischt, indem sie der eigenen Kraft einen grösseren Spielraum lässt, selbst das Bedürfniss dieser ver- ringert. Endlich führt Sorgfalt für das Nüzliche meisten- theils zu positiven, für das Nothwendige meistenteils zu negativen Veranstaltungen, da — bei der Stärke der selbst-
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thätigen Kraft des Menschen — Nothwendigkeit nicht leicht anders, als zur Befreiung von irgend einer einengenden Fes- sel eintritt. Aus allen diesen Gründen — welchen eine aus- führlichere Analyse noch manchen andern beigesellen könnte — ist kein andres Princip mit der Ehrfurcht für die Indivi- dualität selbstthätiger Wesen, und der, aus dieser Ehrfurcht entspringenden Sorgfalt für die Freiheit so vereinbar, als eben dieses. Endlich ist es das einzige untrügliche Mittel den Gesezen Macht und Ansehen zu verschaffen, sie allein aus diesem Princip entstehen zu lassen. Man hat vielerlei Wege x orgeschlagen, zu diesem Endzwek zu gelangen ; man hat vorzüglich, als das sicherste Mittel, die Bürger von der Güte und der Nüzlichkeit der Geseze überzeugen wollen. Allein auch diese Güte und Nüzlichkeit in einem bestimm- ten Falle zugegeben; so überzeugt man sich von der Nüz- lichkeit einer Einrichtung nur immer mit Mühe; verschiedene Ansichten bringen verschiedene Meinungen hierüber hervor; und die Neigung selbst arbeitet der Ueberzeugung entgegen, da jeder, wie gern er auch das selbslerkannte Nüzliche er- greift, sich doch immer gegen das, ihm aufgedrungene sträubt. Unter das Joch der Nothwendigkeit hingegen beugt jeder wil- lig den Nakken. Wo nun schon einmal eine verwikkelte Lage vorhanden ist, da ist die Einsicht selbst des Noth wendigen schwieriger; aber gerade mit der Befolgung dieses Princips wird die Lage immer einfacher und diese Einsicht immer leichter.
Ich bin jezt das Feld durchlaufen, das ich mir, bei dem Anfange dieses Aüfsazes, abstekte. Ich habe mich dabei von der tiefsten Achtung für die innere Würde des Menschen und die Freiheit beseelt gefühlt, welche allein dieser Würde angemessen ist. Möchten die Ideen, die ich vortrug, und der Ausdruk, den ich ihnen lieh, dieser Empfindung nicht unwerth sein!
Inhalt.
J. Seite
Einleitung 1 — 9
Bestimmung des Gegenstandes der Untersuchung. — Sel- tene Bearbeitung und Wichtigkeit desselben. — Histori- rischen Buk auf die Gränzen, welche die Staaten ihrer Wirksamkeit wirklich gesezt haben. — Unterschied der alten und neueren Staaten. — Zwek der Staatsverbindung überhaupt. — Streitfrage, ob derselbe allein in der Sorg- falt für die Sicherheit, oder für das Wohl der Nation über- haupt bestehen soll? — Gesezgeber und Schriftsteller be- haupten das Leztere. — Dennoch ist eine fernere Prüfung dieser Behauptung nothwendig. — Diese Prüfung muss von dem einzelnen Menschen und seinen höchsten Endzwekken ausgehen.
IL
Betrachtung des einzelnen Menschen, und der
höchsten Endzwekke des Daseins desselben. . 10 — 15
Der höchste und lezte Zwek jedes Menschen ist die höchste und proportionirlichste Ausbildung seiner Kräfte in ihrer individuellen Eigenthümlichkeit. — Die nothwendigen Be- dingungen der Erreichung desselben : Freiheit des Hand- lens, und Mannigfaltigkeit der Situationen. — Nähere An- wendung dieser Säze auf das innere Leben des Menschen. — Bestätigung derselben aus der Geschichte. — Höch- ster Grundsaz für die ganze gegenwärtige Untersuchung, auf welchen diese Betrachtungen führen.
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III. Seite
Uebergang zur eigentlichen Untersuchung. Ein- theilung derselben. Sorgfalt des Staats für das positive, insbesondre physische, Wohl der Bürger. 15 — 41
Umfang dieses Abschnitts. — Die Sorgfalt des Staats für das positive Wohl der Bürger ist schädlich. Denn sie — bringt Einförmigkeit hervor; — schwächt die Kraft; — stört und verhindert die Rükwirkung der äusseren, auch bloss körperlichen Beschäftigungen , und der äussren Verhältnisse überhaupt auf den Geist und den Charakter der Menschen ; — muss auf eine gemischte Menge ge- richtet werden, und schadet daher den Einzelnen durch Maassregeln, welche auf einen jeden von ihnen, nur mit beträchtlichen Fehlern passen: — hindert die Entwikke- lung der Individualität und Eigenthümlichkeit des Menschen ; — erschwert die Staatsverwaltung selbst, vervielfältigt die dazu erforderlichen Mittel, und wird dadurch eine QuelJe ueuer mannigfaltiger Nachtheile; — verrükt endlich die richtigen und natürlichen Gesichtspunkte der Menschen, bei den wichtigsten Gegenständen. — Rechtfertigung ge- gen den Einwurf der Uebertreibung der geschilderten Nach- theile. — Vortheile des, dem eben bestrittenen entgegen- gesezten Systems. — Höchster, aus diesem Abschnitt ge- zogener Grundsaz. — Mittel einer auf das positive Wohl der Bürger gerichteten Sorgfall des Staats. — Schädlich- keit derselben. — Unterschied der Fälle, wenn etwas vom Staat, als Staat, und wenn dasselbe von einzelnen Bürgern gethan wird. — Prüfung des Einwurfs : ob eine Sorgfalt des Staats für das positive Wohl nicht nothwendig ist, weil es vielleicht nicht möglich ist, ohne sie, dieselben äussren Zwekke zu erreichen, dieselben nolhwendigen Re- sultate zu erhallen? — Beweis dieser Möglichkeit, — vor- züglich durch freiwillige gemeinschaftliche Veranstaltungen der Bürger. — Vorzug dieser Veranstaltungen vor den Veranstaltungen des Staats.
IV.
Sorgfalt des Staats für das negative Wohl der Bürger, für ihre Sicherheit 41 — 44
Diese Sorgfalt ist nothwendig, — macht den eigentlichen Endzwek des Staats aus. — Höchster, aus diesem Ab- schnitt gezogener Grundsaz. — Bestätigung desselben durch die Geschichte.
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V. Seite
Sorgfalt des Staats für die Sicherheit gegen aus- wärtige Feinde 45 — 49
Bei dieser Betrachtung gewählter Gesichtspunkt. — Ein- fluss des Kriegs überhaupt auf den Geist und den Cha- rakter der Nation. — Damit angestellte Vergleichung des Zustandes desselben, und aller sich auf ihn beziehenden Einrichtungen bei uns. — Mannigfaltige Nachtheile dieses Zustandes für die innere Bildung des Menschen. — Höch- ster, aus dieser Vergleichung geschöpfter Grundsaz.
VI.
Sorgfalt des Staats für die Sicherheit der Bürger unter einander. Mittel, diesen Endzwek zu er- reichen. Veranstaltungen, welche auf die Um- formung des Geistes und Charakters der Bür- ger gerichtet sind. Oeffentliche Erziehung. . 49 — 58
Möglicher Umfang der Mittel, diese Sicherheit zu befördern. — Moralische Mittel. — Oeffentliche Erziehung. — Ist nachtheilig, vorzüglich weil sie die Mannigfaltigkeit der Ausbildung hindert; — unniiz, weil es in einer Nation, die einer gehörigen Freiheit geniesst, an guter Privater- ziehung nicht fehlen wird; — wirkt zu viel, weil die Sorgfalt für die Sicherheit nicht gänzliche Umformung der Sitten nothwendig macht; — liegt daher ausser den Gränzen der Wirksamkeit des Staats.
VII. Religion 59 — 82
Historischer Blik auf die Art, wie die Staaten sich der Be- ligion bedient haben. — Jedes Einmischen des Staats in die Beligion führt Begünstigung gewisser Meinungen, mit Ausschliessung andrer, und einen Grad der Leitung der Bürger mit sich. — Allgemeine Betrachtungen über den Einfluss der Beligion auf den Geist und den Charakter des Menschen. — Beligion und Moralität sind nicht un- zertrennlich mit einander verbunden. Denn — der Ur- sprung aller Beligionen ist gänzlich subjektiv; — Beligio- sität und der gänzliche Mangel derselben können gleich wohlthätige Folgen für die Moralität hervorbringen; — die Grundsäze der Moral sind von der Beligion völlig unab- hängig; ■ — und die Wirksamkeit aller Beligion beruht al- lein auf der individuellen Beschaffenheit des Menschen ; —
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80 dass dasjenige, was allein auf die Moralität wirkt, nicht Seite
der Inhalt gleichsam der Religionssysleme ist, sondern die Form des inneru Annehmens derselben. — Anwendung dieser Betrachtungen auf die gegenwärtige Untersuchung, und Prüfung der Frage : ob der Staat sich der Religion, als eines Wirkungsmiltels bedienen müsse? — Alle Be- förderung der Religion durch den Staat bringt aufs Höchste gesezmässige Handlungen hervor. — Dieser Erfolg aber darf dem Staate nicht genügen, welcher die Bürger dem Geseze folgsam, nicht bloss ihre Handlungen mit demsel- ben übereinstimmend machen soll. — Derselbe ist auch an sich ungewiss, sogar unwahrscheinlich, und wenigstens durch andre Mittel besser erreichbar, als durch jenes. — Jenes Mittel führt überdiess so überwiegende Nachtheile mit sich, dass schon diese den Gebrauch desselben gänz- lich verbieten. — Gelegentliche Beantwortung eines hiebei möglichen, von dem Mangel an Kultur mehrerer Volks- klassen hergenommenen Einwurfs. — Endlich, was die Sache aus den höchsten und allgemeinsten Gesichtspunk- ten entscheidet, ist dem Staat gerade zu dem Einzigen, was wahrhaft auf die Moralität wirkt, zu der Form des innern Annehmens von Religionsbegriffen, der Zugang gänz- lich verschlossen. — Daher liegt alles, was die Religion betrift, ausserhalb der Gränzen der Wirksamkeit des Staats.
VIII. Sittenverbesserung 82 — 98
Mögliche Mittel zu derselben. — Sie reducirt sich vor- züglich auf Beschränkung der Sinnlichkeit. — Allgemeine Betrachtungen über den Einfluss der Sinnlichkeit auf den Menschen. — Einfluss der sinnlichen Empfindungen, die- selben an sich und allein, als solche, betrachtet. — Ver- schiedenheit dieses Einflusses, nach ihrer eignen verschied- uen Natur, vorzüglich Verschiedenheit des Einflusses der energiscti wirkenden, und der übrigen sinnlichen Empfin- dungen. — Verbindung des Sinnlichen mit dem Unsinnli- chen durch das Schöne und Erhabene. — Einfluss der Sinnlichkeit auf die forschenden, intellektuellen, — auf die schaffenden, moralischen Kräfte des Menschen. — Nachtheile und Gefahren der Sinnlichkeit. — Anwendung dieser Betrachtungen auf die gegenwärtige Untersuchung, und Prüfung der Frage: ob der Staat positiv auf die Sit- ten zu wirken versuchen dürfe? — Jeder solcher Ver- such wirkt nur auf die äussren Handlungen — und bringt mannigfaltige und wichtige Nachtheilo hervor. * — Sogar
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»las Sillonverderbniss selbst, dein er entgegen steuert, er- Seite
mangelt nicht aller heilsamen Kolgen — und macht we- nigstens die Anwendung eines, die Sitten überhaupt um- formenden Mütels nicht nothwendig. — Ein solches Mittel liegt daher ausserhalb der Grunzen der Wirksamkeit des Slaats. — Höchster aus diesem, und den beiden vorher- gehenden Abschnitten gezogener Gruudsaz.
IX.
Nähere positive Bestimmung der Sorgfalt des Staats für die Sicherheit. Entwikkelung des Begriffs der Sicherheit 98-104
Rükblik auf den Gang der ganzen Untersuchung. — Auf- zahlung des noch Mangelnden. — Bestimmung des Be- griffs der Sicherheit. — Definition. — Rechte, für deren Sieherheil gesorgt werden muss. — Rechte der einzelnen Bürger. — Rechte des Staats. — Handlungen, welche die Sicherheit stören. — Einlheilung des noch übrigen Theils der Untersuchung.
X.
Sorgfalt des Staats für die Sicherheit durch Be- stimmung solcher Handlungen der Bürger, welche sich unmittelbar und geradezu nur auf den Handlenden selbst beziehen. (Polizeigeseze.) . 104 — 115
Leber den Ausdruk Polizeigeseze. — Der einzige Grund, welcher den Staat lrter zu Beschränkungen berechtigt, ist, wenn die Folgen solcher Handlungen die Rechte andrer schmälern. — Beschaffenheit der Folgen, welche eine solche Schmalerung enthalten. — Erläuterung durch das Beispiel Aergerniss erregender Handlungen. — Vorsichts- regeln für den Staat für den Fall solcher Handlungen, deren Folgen dadurch den Rechten andrer gefährlich wer- den können, weil ein seltner Grad der Beurtheilungskraft und der Kenntnisse erfordert wird , um der Gefahr zu entgehen. — Welche Nähe der Verbindung jener Folgen mit der Handlung selbst nothwendig ist, um Beschränkun- gen zu begründen? — Höchster aus dem Vorigen gezo- gener Grundsaz. — Ausnahmen desselben. — Vortheile, wenn die Bürger freiwillig durch Verträge bewirken, was der Staat sonst durch Geseze bewirken muss. - Prüfung der Frage : ob der Staat zu positiven Handlungen zwingen kann? — Verneinung, weil — ein solcher Zwang schäd-
vn. 13
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lieh, — zur Erhallung der Sicherheit nicht nothwendig Seile
ist. — Ausnahmen des Nothrechts. — Handlungen, welche
auf gemeinschaftlichem Figenthum geschehen , oder ,
dasselbe beireffen.
XI.
Sorgfalt des Staats für die Sicherheit durch Be- stimmung solcher Handlungen der Bürger, welche sich unmittelbar und geradezu auf andre be- ziehen. (Civilgeseze.) 115 — 131
Handlungen, welche die Rechte andrer kränken. — Pflicht des Slaals, — dem Beleidigten zur Entschädigung zu ver- helfen, — und den Beleidiger vor der Rache jenes zu schüzen. — Handlungen mit gegenseitiger Einwilligung. — Willenserklärungen. — Doppelte Pflicht des Staals in Rük- sicht auf sie, — einmal die gülligen aufrecht zu erhallen, — zweitens den rechtswidrigen den Schuz der Geseze zu versagen, und zu verhüten, duss die Menschen sich, auch durch gültige, nicht zu drükkende Fesseln anlegen. — Galligkeit der Willenserklärungen. — Erleichterung der Trennung güllig geschlossener Verlräge, als eine Folge der zweiten eben erwähnlen Pflicht des Slaals: — allein bei Verträgen, welche die Person betreffen : — mit verschie- denen Modifikationen, nach der eigenlhümlichen Natur der Verlräge. — Disposilionen von Todeswegen. — Gültigkeit derselben nach allgemeinen Grundsäzen des Rechts? — Nachlheile derselben. • — Gefahren einer blossen Intestat- erbfolge, und Vorlheile der Privatdispositionen. — Miitel- weg, welcher diese Vorlheile zu erhallen, und jene Nach- lheile zu entfernen versucht. — Intestaterbfolge. — Be- stimmung des Pflichllheils. — Inwiefern müssen Verträge unter Lebendigen auf die Erben übergehen? — Nur in- sofern, als das hinlerlassene Vermögen dadurch eine andre Gestalt erhatten hat. — Vorsichlsregeln für den Staal, hier freiheitsbeschränkende Verhältnisse zu verhindern. — Mo- ralische Personen. — Ihre Nachlheile. — Grund dersel- ben. — Werden gehoben, wenn man jede moralische Per- son bloss als eine Vereinigung der jedesmaligen Mitglieder ansieht. — Höchste, aus diesem Abschnitt gezogene Grundsäze.
XII. Sorgfalt des Staats für die Sicherheit durch recht-
liehe Entscheidung der Streitigkeiten der Bürger. 132*- 137 Der Staat Irin hier bloss an die Stelle der Partheieo. —
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Eruier, hieraus entspringender Grundsaz der Prozessord- Seite
nung. — Der Staat muss die Rechte beider Partheien gegen einander beschiizen. — Daraus entspringender zweiter Grundsaz der Prozessordnung. Nachtheile der Vernach- lässigung dieser Grundsäze. — Notwendigkeit neuer Ge- seze zum Behuf der Möglichkeit der richterlichen Entschei- dung. — Güte der Gerichtsverfassung , das Moment, von welchem diese Notwendigkeit vorzüglich abhängt. — Vor theile und Nachtheile solcher Geseze. — Aus denselben entspringenden Regeln der Gesezgebung. Höchste aus diesem Abschnitt gezogene Grundsäze.
XIII.
Sorgfalt des Staats für die Sicherheit durch Be- strafung- der Uebertrelungen der Geseze des Staats. (Kriminalgeseze.) 137—161
Handlungen, welche der Staat bestrafen muss. — Strafen. Alaass derselben; absolutes: Höchste Gelindigkeit beider gehörigen Wirksamkeit. - Schädlichkeit der Strafe der Ehrlosigkeit. Ungerechtigkeit der Strafen, welche sich, über den Verbrecher hinaus, auf andre Personen erstrek- ken. Relatives Maass der Strafen. Grad der Nicht
Achtung des fremden Rechts. — Widerlegung des Grund- sazes, welcher zu diesem Maassstab die Häufigkeit der Verbrechen, und die Menge der, zu ihnen reizenden An- triebe annimmt: Ungerechtigkeit, Schädlichkeit des- selben. - Allgemeine Stufenfolge der Verbrechen in Ab- sicht der Harte ihrer Strafen» Anwendung der Strafgeseze auf wirkliche Verbrechen. Verfahren gegen die Verbre- cher, während der Untersuchung. Prüfung der Frage : inwiefern der Staat Verbrechen verhüten darf.' — Unter- schied zwischen der Beantwortung dieser Krage, und der Bestimmung, sich nur auf den Handlenden selbst bezie- hende Handlungen im Vorigen. Abriss der verschied- nen, möglichen Arten, Verbrechen zu verhüten, nach den allgemeinen Ursachen der Verbrechen:. Die erste die- ser Arten, welche dem Mangel an Mitteln abhilft, der leicht zu Verbrechen führt, ist schädlich und unnüz. — Noch schädlicher und daher gleichfalls nicht ralhsam ist die zweite, welche auf Entfernung der, im Charakter liegen- den Ursachen zu Verbrechen gerichtet ist. — Anwendung dieser Art auf wirkliche Verbrecher. Resserung derselben. - Behandlung der ab instantia absolvirlen. - Lezte Art, Verbrechen zu verhüten; Entfernung der Gelegenheiten
13*
196
ihrer Begehung. ■ — Einschränkung derselben auf die blosse Seile
Verhütung der Ausführung schon beschlossener Verbre- chen. — Was dagegen au die Stelle jener gemisbilligten Mittel treten muss, um Verbrechen zu verhüten? — Die strengste Aufsicht auf begangene Verbrechen, und Selten- heit der Straflosigkeit. — Schädlichkeit des Begnadigungs- uml Milderungsrechls. — Veranstaltungen zur Entdekkung von Verbrechen. — Notwendigkeit der Publicist aller Kriminalgeseze, ohne Unterschied. — Höchste, aus die- sem Abschnitt gezogene Grundsäze.
XIV.
Sorgfalt des Staats für die Sicherheit durch Be- stimmung des Verhältnisses derjenigen Perso- nen, welche nicht im Besiz der natürlichen, oder gehörig gereiften menschlichen Kräfte sind. (Un- mündige und des Verstandes Beraubte.) Allge- meine Anmerkung zu diesem und den vier vor- hergehenden Abschnitten 161 — 170
Unterschied der hier genannten Personen und der übrigen Bürger. — Notwendigkeit einer Sorgfall für ihr positives Wohl. — Unmündige. — Gegenseitige Pflichten der El- tern und Kinder. — Pllichten des Staats. — Bestimmung des Alters der Mündigkeit; — Aufsicht auf die Erfüllung jener Pflichten. — Vormundschaft, nach dem Tode der Eltern. — Pflichten des Staats in Büksicht auf dieselbe. — Vortheile, die speciellere Ausübung dieser Pflichten, wo möglich, den Gemeinheiten zu übertragen. — Veran- staltungen, die Unmündigen gegen Eingriffe in ihre hechle zu schüzen. — Des Verstandes Beraubte. — Unterschiede zwischen ihnen und den Unmündigen. — Höchste, aus diesem Abschnitt gezogene Grundsäze. - — Gesichtspunkt bei diesem und den vier vorhergehenden Abschnitten. — Bestimmung des Verhältnisses der gegenwartigen Arbeit zur Theorie der Gesezgebung überhaupt. — Aufzahlung der Hauptgesichlspunkte, aus welchen alle Geseze flie.-M'ii müssen. -- Hieraus entspringende, zu jeder Gesezgebung: nothwendige Vorarbeiten.
XV.
Verhältniss der, zur Erhaltung des Staatsgebäudes überhaupt nothwendigen Mittel zur vorgetrage-
197
neu Theorie. Schluss der theoretischen Ent- Seite
wiklung 171—176
Finanzeiarichtungen. — Innere politische Verfassung. Betrachtung der vorgetragenen Theorie aus dem Gesichts- punkt des Rechts. - Hauptgesichtspunkt bei dieser gan- zen Theorie. Inwiefern Geschichte und Statistik der- selben zu Hülfe kommen könnten? — Trennung des Verhältnisses der Bürger zum Staat, und der Verhältnisse derselben unter einander. — Notwendigkeit dieser Trennung.
XVI. Anwendung der vorgetragenen Tlieorie auf die
Wirklichkeit 176—188
Verhältniss theoretischer Wahrheiten überhaupt zur Aus- führung. Dabei notiiw endige Votsicht. Bai jeder Beform muss der neue Zustand mit dem vorhergehenden verknüpft werden. — Diess gelingt am besten, wenn man die Reform bei den Ideen der Mensehen anfängt. . Daraus hertliessende Grundsäze aller Reformen. An- wendung derselben auf die gegenwärtige Untersuchung. Vorzüglichste Eigentümlichkeiten' des aufgestellten S>- Mem>. Zu besorgende Gefahren bei der Ausführung des- selben. Hieraus entspringende nothwendige successive Schritte bei derselben — Uöchsler dabei zu befolgende! Grundsaz. — Verbindung dieses Grutldsaze's mit den Haupt- grunds-äzen der vorgetragenen Theorie. — Aus dieser Ver- bindung tliessendes Princip der Notwendigkeit. - Vorzüge desselben. Schluss.
Denkschrift üher Prcussenis ständische Verfassung.
An den Staatsminister von Stein.
Prankfurt, den 4. Febrüefr 1819.
JJie mir mitgetheilten Papiere enthalten so verschiedent-
Jiche Autsätze, dass es gleich schwer seyn würde, sich über alle zu verbreiten, oder einen einzelnen zu genauerer Prü- fung herauszuheben, so sehr auch, besonders einige durch ihre innere Trefflichkeit, und die Gediegenheit der Gedan- ken einladen. Da es indess hier doch nur darauf ankommt, die Uebereinstimmung mit den in den sämmtlichen Vor- schlägen enthaltenen leitenden Ideen anzudeuten, oder die etwanigen Zweifel dagegen auseinander zu setzen ; so wird es am besten seyn, alle Hauptpunkte, die bei Einrichtung landständischer Verfassungen in den Preussischen Staaten vorkommen können, kurz durchzugehen , und sich von der Art. wie man sie behandelt zu sehen wünschen Würde, Rechenschaft zu geben. Auf diesem Wege wird man zu- gleich auf in jenen Papieren nicht berührte Punkte stossen, und dadurch Gelegenheit zu neuen mündlichen oder schrill- liehen Erörterungen finden.
199
§.2. Dieser Methode zufolge wird daher hier
1) von dem Zwecke und dem Geschäftskreise der land- ständischen Behörden (dies Wort in seiner weitesten Bedeutung genommen),
2) von ihrer Bildung und Wirksamkeit,
3) von dem Gange, wie sie stufenweise in Thäligkeit ge- bracht werden müssten,
nach einander geredet werden.
I.
Zweck und Geschäftskreis der landständischen
Behörden überhaupt.
§3.
Als die Hauptzwecke der Einrichtung einer landständi- schen V ei Tassung werden in den anliegenden Papieren sehr richtig folgende angegeben:
1) der objektive, dass die Verwaltung von Seiten der Regierung, dadurch:
a) gediegner — mehr aus genauerer Kenntniss der ei- genthümlichen Lage, als aus abstrakter Theorie her- vorgehend —
b) s tätiger, — weniger von einem Systeme zu einem andern abspringend —
c) einfacher und minder kostspielig — durch Abgeben
mehrer Zweiçre an die Ortsbehörden —
o
d) endlich gerechter und regelmässiger gemacht wird — durch festeres Binden an verabredete Normen und Verhütung einzelner Eingriffe.
2) Der subjektive, dass der Bürger durch die Theilnahme an der Gesetzgebung, Beaufsichtigung und Verwal- tung mehr Bürgersinn und mehr Bürgergeschick er-
200
halt, dadurch für sich selbst sittlicher wird, und seinem Gewerbe und individuellen Leben, indem er beide näher an das Wohl seiner Mitbürger knüpft, eine höhere Geltung giebt. Man kann zu diesen beiden Zwecken noch den dritten, nicht unwichtigen hinzusetzen:
3) dass der Beschwerdeführung jedes Einzelnen ein mehr geeigneter Weg, als jetzt vorhanden ist, geöffnet, und die öffentliche Meinung in den Stand gesetzt, und ge- nöthigt wird, sich mit mehr Ernst und Wahrheit über die Interessen des Landes, und die Schritte der Re- gierung auszusprechen.
ad 1.
Wenn man sich die landständische \ erfassung als einen Antagonismus, und die Landslände als eine Opposition denkt, was wenigstens eine sehr natürliche Vorstellungsart ist, so kann sie bei uns, als keine gegen Eingriffe der Krone gel- ten, die, wie lange Erfahrung zeigt, so wenig zu befürchten sind, dass darum keine solche Verfassung nothwendig wäre, allein gar sehr gegen
a) unstäte und unzweckmiissige Organisation, und dem ähnliches Verfahren der obersten \ erwaltungsbehör- den, und
b) gegen das Ansichreissen und Umsichgreifen der Staats- behörden überhaupt, was unter andern auch den Nach- theil hat, dass, besonders bei dem gesunkenen An- sehen des Adels, nur der Beamte etwas zu gelten scheint, und daher jeder sich dieser Klasse zudrängl.
§.5. Da eine inkonsequente Verwaltung sich einer Stände- versammhmg gegenüber nicht halten kann, so werden die obersten Verwaltungsbehörden durch dieselbe genölhigt und
201
gewöhnt, nach festen und beim Wechsel der Personen doch bleibenden, und nur mit vieler Vorsicht zu ändernden Prin- zipien zu handeln, und dies ist die einzige innere, so wie strenge Verantwortlichkeit die einzige äussere Bürgschaft für die Güte eines Ministeriums, Die Verantwortlichkeil aber wächst auf eine doppelte Weise, einmal gegen die Landstände, und dann gegen den König, der in den Land- ständen, zu seiner eignen Hülfe und Leitung, einen strengen und sachkundigen Beurtheiler seiner Minister erhält. End- lich legen die zögernden Formen der Verfassung; der Lust zu neuen Gesetzen und Einrichtungen, die, ohne eine solche, leicht in blosse Einfälle ausarten, wohl thä tige Fesseln an; und so gewinnt auf mehr als eine Weise durch landstän- dische Einrichtungen die Stätigkeit, die ein Haupterforderniss edles Regierens ist, und auf die es dabei weit mehr, als auf Scharfsinn und Genialität ankommt.
Es kann aber auch die Ständeversammlung selbst ein Element unberufener Neuerungen werden, und es folgt da- her aus dem Gesagten, dass es ein Hauptaugenmerk sein muss, dies zu verhindern. Dies geschieht, wie die Folge zeigen wird, indem man den Wirkungskreis dieser Versamm- lung genau abgrenzt, und indem man sie nicht, wie es in Frankreich üblich ist, unmittelbar auf die Basis der ganzen Volksmasse gründet, sondern sich von der Verwaltung der einfachsten Bürgervereine durch Mittelglieder zur Berathung über das Ganze erheben lässt.
§.7.
Die Sicherung, welche das Volk durch eine Verfassung erhält, ist eine doppelte, die aus der Existenz und der Wirk- samkeit der Landstände mittelbar hervorgehende, und die- jenige, welche als Theil der Constitution, unmittelbar mit ihr ausgesprochen wird.
202
§.S. Die letzte muss nothwendig umfassen :
1) die individuelle, persönliche .Sicherheit, nur nach dem Gesetze behandelt zu werden;
2) die des Eigenthums;
3) die Freiheit des Gewissens; 1) der Presse.
Man kann behaupten, dass, mit wenigen, seltenen, und vielleicht in sich noch gewissennassen zu entschuldigenden Ausnahmen, die drei ersten im Preussischen Staat, der That nach, wirklich vorhanden sind. Allein sie sind nicht ausge- sprochen, und dies, die Form, ist hier gleich wesentlich, als die Sache, nicht blos für den unmittelbaren Zweck, sondern auch, und hauptsachlich für die Rüekwürkung auf den Cha- rakter des Volks, welchem man, damit es dem Gesetz un- verbrüchlich, und aus Grundsalz gehorche, auch das aus dem Gesetz entspringende Recht als unverbrüchlichen Grund- satz darstellen muss.
Von der Pressfreiheil wird im dritten Abschnitt näher die Hede sein.
§l 9.
\ iele Verfassungen setzen noch .Sicherung der Maats- diener, ihre .Stellen nur durch Urtheil und Recht zu verlie- ren, hinzu. Diese müssle aber wohl nur auf Justizbeamte beschränkt sein, und so gehört sie zur Sicherung der Per- son und des Eigenthums. Die Ausdehnung auf alle Stellen hat schon den Nachtheil , dass sie dieselben als Pfründen anzusehen gewöhnt, ist auch bei einigen vorzügliches Ta- lent erfordernden, wobei der Staat sich jedoch manchmal in Personen irren kann, durchaus ananwendbar. Indess ver- dient es Untersuchung, ob nicht diese sichernde Bestimmung noch auf einige andere Stellen, als die der Gerechtigkeits- pflege ausgedehnt werden müsste? Die Englische Verlas-
203
sung kennt schlechterdings nichts dem Aehnliches. Vielmehr wechseln die meisten angesehenen Stellen gewöhnlich mit dem Ministerium zugleich, was aber dort wieder auf Ver- hältnisse gegründet ist, die hei uns nicht statt finden.
§• 10.
Die Vereinfachung des Regierens ist ein Hauptzweck. Sie besteht aber gar nicht blos in dem eigentlichen Abge- ben von bestimmten Verwaltungszweigen. Denn sobald es andere, als Staatsbehörden in wirklich lebendiger Thätigkeit giebt, so sind sie (wenn man sie auch nicht anordnend machte) von selbst beaufsichtigend und vorschlagend, und ersparen daher der Staatsbehörde einen Theil dieser Wirk- samkeit. Allein, wenn dies der Fall sein soll, müssen sie nicht blos nach oben hin, und im Gegensatz, sondern vor- züglich um sich her, und nach unten hin, und in Verbin- dung mit der Staatsbehörde beaufsichtigen und vorschlagen; und wenn nicht einige unter ihnen zugleich verwallend sind, wird ihr Beaufsichtigen und Vorschlagen nie recht praktisch aus dem Bedürfniss und der würklichen Lage der Dinge hervorgehen, und der sich so natürlich einstellende Kitzel zu beaufsichtigen und vorzuschlafen, nie gehörig; sein Gegen- gewicht in genauer Sachkenntniss, und richtigem Gefühl der Schwierigkeiten des Regierens linden. Alles das führt aber auch wieder dahin, dass die allgemeine Standeversammlung auf sich immer von unten an verengenden Stufen anderer
o
ähnlicher Institute aufsteigen, und dass ihr belebendes Prin- zip nicht Lust zum Mitregieren des Ganzen, sondern achter, auf Entbehrlichmachung vielen Regierens durch zweckmäs- siges Ordnen der einzelnen Verhältnisse gerichteter Gemein- sinn sein muss — die einzige wahre Grundlage des innern Wohls jedes Staats.
204
ad 1. SV 11.
Bei diesem Zweck muss man gleich einen jetzt sehr gewöhnlichen Missverstand aus dem Wege räumen. Man hört, und liest noch mein-, jetzt sehr oft Klagen darüber, dass das \ olk nicht genug Anlheil an Gegenständen äusse- rer und innerer Politik nimmt, und Wünsche, dass dies In- teresse niöüe geweckt, befeuert und erhalten werden. Man kann aber dreist behaupten, dass, wenn dies Interesse, wie es leider gewöhnlich vorhanden ist oder gewünscht wird, so allgemein und ohne feste praktische Grundlage, gleich- sam in der Luft schwebt, sehr wenig an demselben gelegen ist, ja es noch auf die Umstände ankommt, ob es nicht geradezu schädlich genannt werden muss? Denn es führt nur zu oft von gelingender, mehr beschränkter Thätigkeil zu unglücklichen Versuchen in höheren .Sphären. Wie dieser Antheil gewöhnlich ausgedrückt wird, fehlt ihm die not- wendigste Bedingung, die nemlich, dass er beim Nächsten, dass er da anfange, wo unmittelbares Berühren der \ er- hältnisse wirkliche Einsicht und gelingendes Einwirken mög- lich macht; ein Punkt, von dem an er sich hernach, solern er nur nicht nothwendige Stufen überspringen will, zum Höchsten und Allgemeinsten erheben kann.
s\ 12.
Das Leben im Staat hat drei Gattungen, oder wenn man will, Stufen, der Thätigkeit und Theilnahme am Gan- zen: das passive Fügen in die eingeführte Ordnung, was jeder Bewohner, selbst Schutzverwandter oder Fremder thun muss; die Theilnahme an der Gründung und Erhaltung der Ordnung aus dem allgemeinen Beruf, als thäliges Mitglied der Slaatsgemeinschall, was das eigentliche Geschäft des Staatsbürgers ist; die Theilnahme aus besonderm Beruf, als Staatsdiener.
205
t I--
Gerade die mittlere Stufe ist seit einer langen Reihe von Jahren, namentlich recht in dem Preußischen Staat, obgleich nicht vielleicht in der Mehrzahl seiner Provinzen, verlassen worden; aus Ehrgeiz und Eitelkeit hat man sich zur höhern gedrängt, aus Trägheit, Sinnlichkeit und Egois- mus ist man zur niedrigem zurückgegangen. Es war da- durch eine hüchst verderbliche Gleich°ültiokeit £,e°en die Art und das Verfahren der Regierung, und mit ihr, da doch gewisse Regierungsmassregeln für Person und Eigenthum nicht gleichgültig waren, zugleich Streben, sich durch unge- setzmässige Mittel von der Folge der Gesetze auszunehmen, entstanden; und jene, wenn auch oft missverstandene Klage ist an sich so gegründet, dass jeder vaterlandsliebende Mann sie nothwendig theilen muss. Zugleich — und dies ist na- türliche Folge, zum Theil aber, indem es aus andern Ursa- chen entstand, auch, wieder Grund jener Gleichgültigkeit — waren die Bande lockerer geworden, durch welche der Bür- ger, ausser dem allgemeinen \ erbande, Mitglied kleinerer Genossenschaften ist.
Als nun durch die Französische Revolution, und die sieb aus ihr entwickelnden Begebenheiten die Gemüther plötzlich, aus mehr oder minder lauteren Beweggründen zur politischen Thätigkeit aufgeschüttelt wurden, so flogen sie, mit L'ebcrspringung alier Mittelglieder, der unmittelbaren Theilnahme an den höchsten und allgemeinsten Reaierimos- massregeln zu, und daraus entstand und entstehet noch, was man laut missbiiligen, von sich abwenden, und, wo man kann, niederdrücken muss.
§• 14. Es ist daher nichts gleich nothwendig. als das Interesse stufenweise an die im Staate vorhandenen einzelnen kleinen Bürgergemeinheiten zu knüpfen, es dafür zu erwecken, und
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0
dem schon überhaupt an Staatsbegebenheilen vorhandenen diese Richtung zu geben.
§• 15.
Dass Sinn und Wesen der bei uns einzuführenden Ver- fassung die hier geschilderten, und keine andere seyn müs- sen, wird auch durch die Erwägung der Gründe klar, die zur Einführung selbst veranlassen und bewegen. Niemand kann leugnen, dass dieselbe, wie gelinde und allmählig sie auch vorgenommen werden möge, doch eine fast gänzliche Umänderung der jetzt bestehenden Verwaltung der Monar- chie hervorbringt. Zu einer solchen Umänderung muss nicht blos ein wichtiger Grund vorhanden sein, sondern man kann mit Recht dazu einen solchen fordern, der Notwendigkeit einschliessl, die überhaupt ein weil sicherer Leiter bei Staats- operationen ist, als das blos nützlich Erachtete. Dass mit jeder Einführung einer ständischen Verfassung eine Entäus- serung eines Theils der Königlichen Rechte verbunden ist, lässt sich nicht ableugnen ; es lässt sich auch nicht behaup- ten, dass dies nur durch Unterdrückung der ehemaligen Stände unrechtmässig erworbne Rechte seyen; denn einige Provinzen befinden sich offenbar gegenwärtig in gar keinem Rechtsbesilz von Ständen, und es ist einleuchtend, dass alle jetzt, dem Wort und der Thal nach, einen consequenteren und vollständigeren Einfluss auf die Angelegenheiten der Nation bekommen werden, als sie ehemals besassen. Eine solche Entänsserung kann man nun nicht ansehen, als der Regierung durch das Volk abgedrungen, was eine faktisch unrichtige und in sich ungeziemende Idee seyn würde; noch als durch den Zeitgeist unabweisbar gefordert, was eine verderbliche und im Grunde sinnlose Phrase ist, da man doch nur dem vernünftigen Zeilgeiste folgen könnte
207
und man alsdann lieber die ihn selbst leitenden Vernunft- gründe an die Stelle dieses unbestimmten Wortes setzt; noch als ein der Nation zum Lohn ihrer vaterländischen Anstrengungen gemachtes Geschenk, da eine dergestalt mo- tivirle Verwilligung dieser Art den Pflichten des Königs entgegenliefe, und die Nation Recht haben könnte, ein so gefährliches Geschenk abzulehnen; noch als eine Erklärung, dass die Nation nun zur Vertretung ihrer eignen Rechte mündig geworden sey, da die Mündigkeit zu ständischen Verfassungen leicht ehemals grösser als jetzt gewesen seyn möchte, weil wenigstens gewiss in vielen Orten ein kräfti- gerer und thätijrerer Gemeinsinn herrschte; noch endlich ein gemachtes Versprechen, wenn sich dies nicht auf noch jetzt fortdauernde, und also für sich selbst redende Gründe stützte. Durch nichts von Allem diesem kann weder von dem Kö- nig, noch seinen Ministern, noch selbst von dem Volke die Einführung einer ständischen Verfassung motivirt werden, sondern bloss durch die innere Ueberzeugung, dass eine solche dahin führen wird, dem Staate in der erhöhten sitt- lichen Kraft der Nation, und ihrem belebten und zweck- mässig geleiteten Antheil an ihren Angelegenheiten, eine grössere Stütze und dadurch eine sichrere Bürgschaft seiner Erhaltung nach aussen und seiner innern fortschreitenden Entwicklung zu verschaffen. Dieses Motiv wird entschei- dend, wenn sich zeigen lässt, dass ständische Einrichtungen zu diesem Zweck unumgänglich nothwendig sind, wie denn dieses in der That hervorgeht aus der Notwendigkeit, un- ter den verschiedenen Provinzen, ohne Vernichtung ihrer Eigentümlichkeiten, Einheit und festen Zusammenhang zu schaffen, aus der Gefahr, den Staat bei Unglücksfällen, die immer wiederkehren können, gewissermassen blos der Ver- teidigung durch physische Mittel zu überlassen, ohne auf die moralischen, auf schon an regelmässiges Zusammen-
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wirken mit der Regierung gewöhnte Kraft des Volks, die von dem blossen guten Willen noch sehr wesentlich ver- schieden ist, rechnen zu können, endlich nus der immer an- schaulicher werdenden Gewissheit, dass das blosse Regieren durch den Staat, da es Geschulte aus Geschälten erzeugt, sich mit der Zeit in sich selbst zerstören, in den Mitteln immer unbestreitbarer, in seinen Formen immer hohler, in seiner Beziehung auf die Wirklichkeit, die eigentlichen Be- dürfnisse und Gesinnungen des Volkes, minder entsprechend werden muss.
§. IG. Hiernach ist nun aber auch die Einrichtung selbst zu machen. Es muss nicht einseitig bezweckt werden, Stünde, als Gegengewicht gegen die Regierung, und diese letztere wieder, als den Einfluss jener beschränkend zu bilden, und so ein Gleichgewicht von Gewalten herauszubringen, was oft vielmehr in ein unsichres und schädliches Schwanken ausartet; sondern die gesetzgebende, beaufsichtigende, und gewissermassen auch die verwallende Thäligkeit der Regie- rung muss dergestalt zwischen Behörden des Staats und Behörden des Volks, von ihnen selbst, in seinen verschie- denen politischen Abtheilungen und aus seiner Mitte gewählt, vertheilt sevn, dass beide, immer unter der Oberaufsicht der Regierung, aber mit fest gesonderten Rechten, sich in allen Abstufungen ihres Ansehens zusammenwirkend begegnen, dass von jeder Seite zum höchsten Punkt der Berathung über die allgemeinen Angelegenheiten des Staats nur also gesichtete, einander schon näher getretene, aus dem Leben der Nation selbst gewonnene, und mithin wahrhaft praktische Vorschläge gebracht werden. Es kommt nicht blos auf die Einrichtung von Wahlversammlungen und bcrathenden Kam- mern, es kommt auf die ganze politische Organisation des Volks selbst an.
209
§.17. Dem natürlichen Gange der Dinge nach, wird bei Stän- den das Prinzip der Erhaltung, bei der Regierung das Be- streben der Verbesserung vorwaltend sein, da es immer schwer hält, dass das sich kreuzende Interesse der Einzelnen über eine Veränderung zum Schluss komme, und rein theo- retische Grundsätze bei Staatsbeamten mehr Eingang finden. Wenn sich in neueren Zeiten oft das Gegentheil gezeigt hat, und die gewaltsamsten Neuerungen gerade von der Volks- behörde ausgegangen sind, so hat dies nur daran gelegen, dass entweder sehr grosse Missbräuche, die laut um Abhülfe schrien, vorhanden waren, oder dass die Volksbehörden nicht so gewählt und so gestellt waren, dass das eigentliche bür- gerliche Interesse der verschiedenen Gemeinheiten der Staats- bewohner in ihnen ihr wahrhaftes Organ fand. Stände, auf die oben gezeigte Weise eingerichtet, können nicht anders, als erhaltend wirken, es müsste denn die nothwendige Hin- wegräumung wahrer Missbräuche anfangs einiges Schwan- ken verursachen. Erhaltung aber muss immer der erste und hauptsächlichste Zweck aller politischen Massregeln bleiben.
§• 18-
Es ist eine alte und weise Maxime, dass neue Massre- geln und Einrichtungen im Staate an schon vorhandene ge- knüpft werden müssen damit sie, als heimisch und vaterlän- disch, im Boden Wurzel fassen können.
§.19.
Nun zeigt sich zwischen den vor der Französischen Re- volution in den meisten Europäischen Staaten bestandenen Verfassungen, und den neuerlich gebildeten ein merkwürdi- ger Unterschied. Die ersten, die man mit grösserer oder geringerer Beimischung von Lehnsinstituten, ständische nen- nen kann, waren aus mehreren, ehemals fast selbstsländig vu. 14
210
gewesenen kleinen politischen Ganzen zusammengesetzt, die sich bald mit Aufopferung gewisser Rechte, an grössere Ganze freiwillig angeschlossen hatten, theils mit Beibehal- tung c,e wisser Rechte, zusammengegossen worden waren. Die neuesten hatten im Grunde (ausser der äussern Form der Englischen, da das innere Wesen derselben nachzuahmen unmöglich ist) die Amerikanische, die gar nichts Altes vor- fand, und die Französische, die alles Alte zertrümmerte, zum Muster.
§. 20.
Dieser Typus darf, wenn man den ßürgersinn wahrhaft beleben und erwecken will, nicht angewendet werden, und er ist in Deutschland nicht erforderlich, da noch viel Altes erhalten ist, was nicht umgestossen zu werden braucht, selbst nicht ohne zugleich viel tüchtigen, sittlichen Sinn zu vernichten, umgestossen werden kann. Was gerade davon beibehalten werden soll, muss in jedem einzelnen Falle be- stimmt werden. Allein so viel lässt sich überhaupt mit Si- cherheit angeben, dass der Sinn jener Verfassungen im All- gemeinen nicht bloss erhalten, sondern recht eigentlich wiederhergestellt werden muss, nemlich dass das Ganze der politischen Organisation aus gleichmassig organisirten Thei- len zusammengesetzt werde, indem man nur dabei die allen Missbrauche vermindert, und verhindert, dass diese Theile sich unrechtmässiger Weise Gewalt anthun , dass sie mit einander in Widerstreit stehen, oder wenigstens zu scharf abgegrenzt sind um in ein Ganzes zusammen zu schmelzen, der persönlichen Kraft freie Entwickelung zu gewähren und die Verfügung über das Eigenthum nicht zu sehr zu er- schweren.
Mit einem solchen Anschliessen an das Alte nun stimmt die im Vorigen von der zu errichtenden Verfassung aufge- stellte Idee überein.
211
§.21.
Der Geschäftskreis der ständischen Behörden im Allge- meinen (denn der jeder einzelnen richtet sich natürlich nach der Ausdehnung ihrer besondern Thätigkeit) begreift, dem ausgeführten allgemeinen Zwecke nach, Folgendes unter sich:
1) Die Uebernehmung solcher Geschäfte, die, als Ange- , legenheiten der einzelnen politischen Theile der Na- tion, nicht eigentlich zum Ressort der Regierung ge- hören, sondern nur unter ihrer Oberaufsicht stehen müssen.
Welche Grenzen diese verwaltende Thätigkeit haben muss, kommt weiter unten vor.
2) Die Verbindlichkeit, der Regierung, wo sie dazu auf- gefordert werden, Rath zu ertheilen, und die Befug- niss auch unaufgefordert Vorschläge zu machen.
Leber die Schranken der letzteren wird auch erst in der Folge geredet werden können.
3) Die Ertheilung oder Verweigerung ihrer Zustimmung.
4) Das Recht der Beschwerdeführung.
§.22. Der dritte Punkt erfordert offenbar die sors-fältisste Er- wägung und Bestimmung, da es bei ihm eigentlich darauf ankommt, wie viel der Landesherr von seinem, sonst allein ausgeübten Rechte nachgeben, oder mit andern Worten, um wieviel weniger die Verfassung rein monarchisch sein soll.
Verweigerung der ständischen Zustimmung.
§. 23. Eine verfassungsmässige Monarchie kann man nur die- jenige nennen, welche geschriebene Verfassungsgesetze hat. Ohne solche ist es überhaupt sehr schwer, nur den Betriff einer Monarchie festzuhalten.
14*
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gewesenen kleinen politischen Ganzen zusammengesetzt, die sich bald mit Aufopferung gewisser Rechte, an grössere Ganze freiwillig angeschlossen hatten, theils mit Beibehal- tung gewisser Rechte, zusammengegossen worden waren. Die neuesten hatten im Grunde (ausser der äussern Form der Englischen, da das innere Wesen derselben nachzuahmen unmöglich ist) die Amerikanische, die gar nichts Altes vor- fand, und die Französische, die alles Alte zertrümmerte, zum Muster.
§. 20.
Dieser Typus darf, wenn man den Bürgersinn wahrhaft beleben und erwecken will, nicht angewendet werden, und er ist in Deutschland nicht erforderlich, da noch viel Altes erhalten ist, was nicht umgestossen zu werden braucht, selbst nicht ohne zugleich viel tüchtigen, sittlichen Sinn zu vernichten, umgestossen werden kann. Was gerade davon beibehalten werden soll, muss in jedem einzelnen Falle be- stimmt werden. Allein so viel lässt sich überhaupt mit Si- cherheit angeben, dass der Sinn jener Verfassungen im All- gemeinen nicht bloss erhalten, sondern recht eigentlich wiederhergestellt werden muss, nemlich dass das Ganze der politischen Organisation aus gleichmassig organisirten Thei- len zusammengesetzt werde, indem man nur dabei die alten Missbräuche vermindert, und verhindert, dass diese Theile sich unrechtmässiger Weise Gewalt anthun , dass sie mit einander in Widerstreit stehen, oder wenigstens zu scharf abgegrenzt sind um in ein Ganzes zusammen zu schmelzen, der persönlichen Kraft freie Entwickelung zu gewähren und die Verfügung über das Eigenthum nicht zu sehr zu er- schweren.
Mit einem solchen Anschliessen an das Alte nun stimmt die im Vorigen von der zu errichtenden Verfassung aufge- stellte Idee überein.
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§.21. Der Geschäftskreis der ständischen Behörden im Allge- meinen (denn der jeder einzelnen richtet sich natürlich nach der Ausdehnung ihrer hesondern Thätigkeit) begreift, dem ausgeführten allgemeinen Zwecke nach, Folgendes unter sich:
1) Die Uebernehmung solcher Geschäfte, die, als Ange- . legenheiten der einzelnen politischen Theile der Na- tion, nicht eigentlich zum Ressort der Regierung ge- hören, sondern nur unter ihrer Oberaufsicht stehen müssen.
Welche Grenzen diese verwaltende Thätigkeit haben muss, kommt weiter unten vor.
2) Die Verbindlichkeit, der Regierung, wo sie dazu auf- gefordert werden, Rath zu ertheilen, und die Befug- niss auch unaufgefordert Vorschläge zu machen.
Ueber die Schranken der letzteren wird auch erst in der Folge geredet werden können.
3) Die Erlheilung oder Verweigerung ihrer Zustimmung.
4) Das Recht der Beschwerdeführung.
§. 22. Der dritte Punkt erfordert offenbar die sorgfältigste Er- wägung und Bestimmung, da es bei ihm eigentlich darauf ankommt, wie viel der Landesherr von seinem, sonst allein ausgeübten Rechte nachgeben, oder mit andern Worten, um wieviel weniger die Verfassung rein monarchisch sein soll.
Verweigerung der ständischen Zustimmung.
§.23. Eine verfassungsmässige Monarchie kann man nur die- jenige nennen, welche geschriebene Verfassungsgesetze hat. Ohne solche ist es überhaupt sehr schwer, nur den Begriff einer Monarchie festzuhalten.
14*
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§. 24. Der erste Schritt weiter ist es, wenn es ausser dem König und seinen Behörden, Behörden der Nation giebt, welche das Recht haben, nach gesetzmässiger Berathschla- gung, auszusprechen, dass eine Massregel der Verfassung widerspricht. Die Beobachtung der Verfassung unterliegt alsdann dem Urtheil der Nation; es sei nun, dass der Aus- spruch ihrer Behörde die verfassungswidrige Massregel, auch wenn der Landesherr darauf bestände, unverbindlich für die Nation mache, und mithin der Landesherr nicht einseitig die Verfassung abändern und aufheben könne; oder nicht.
In beiden Fällen aber ist alsdann die Autorität der Na- tionalbehörde nur auf Verletzungen der Verfassung beschränkt. Was innerhalb der Verfassung geschehen kann, liegt ausser- halb ihres Wirkungskreises.
§25. Der zweite Schritt ist, dass die ständischen Behörden auch solche Massregeln, welche innerhalb der verfassungs~ massigen Befugniss liegen, vorher zu beurtheilen haben, ohne dass jedoch der Landesherr an ihre Bestimmung ge- bunden ist. In diesem Falle stehen die Landstände, als blosse Räthe, den Ministern zur Seite.
§.26. Der dritte Schritt weiter ist, dass die volksvertretenden Behörden solche Massregeln durch ihre Missbilligung kraft- los machen können, der Regent an ihre Zustimmung ge- bunden ist, und ihm dagegen nur das Recht ihrer Auflösung, mit Verbindlichkeit, in gewisser Zeit neue zusammen zu be- rufen, zusteht.
§.27. Dies Recht der Entscheidung lässt in sich wiederum viele Grade der Ausdehnung zu, je nachdem es auf alle oder einige, und in diesem Fall auf mehr, oder weniger Regie-
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rungsmassregeln beschränkt ist, und je nachdem die Erklä- rung der Missbilligung mehr oder weniger Förmlichkeiten unterliegt.
Wie sehr sich aber hierin auch der Regent beschränken möchte, so bleibt die Verfassung immer noch wirklich mo- narchisch; sie geht erst in eigentliche Republik über, wenn dem Regenten das Recht der Auflösung genommen ist, und ihm mithin, auch in ihren Personen, von ihm unabhängige politische Körper gegenüberstehen.
§.28.
Im Preussischen Staate bestehet, in Absicht einzelner Provinzen, sogar der dritte Grad verfassungsmässiger Mo- narchie; in Absicht des ganzen Staats kein einziger.
§.29.
Der erste Grad enthält ein blosses Minimum des stän- dischen Rechts, und es würde höchst unpolitisch seyn, Stände zu berufen, um ihnen so wenig einzuräumen.
§.30.
Es wird also nur auf die Beurtheilung des zweiten und dritten und auf die Frage ankommen, ob die Stände (hier dies Wort ganz allgemein, ohne Unterscheidung der provin- ziellen oder allgemeinen genommen) sollen eine blosse be- rathende, oder eine entscheidende Stimme haben? und ob sie im letzten Fall diese sollen bloss durch die Erklärung, dass die vorgelegte Massregel verfassungswidrig ist, motivi- ren dürfen, oder nicht?
§.31.
Die Stände bloss zu berathenden Behörden zu machen, nimmt dem Institute zu viel von seiner Würde und seinem Ernst. Es lässt sich zwar dafür sagen, dass die Regierung, ohne sich die Hände ganz zu binden, doch die Gründe der Stände hören, aber hernach diese Gründe selbst wieder ih- rer Beurtheilung unterwerfen will. Allein sie erscheint
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ängstlich, indem sie dies" ausspricht, und gewinnt eigentlich sehr wenig, da sie immer sehr grosses Bedenken tragen wird, eine offenkundiger Weise gemissbilligte Massregel dennoch vorzunehmen. Die Fälle, in denen sie sich hierzu bewogen fühlte, und nicht irgend ein andres, weniger auf- fallendes Mittel zu finden wüsste, werden so selten seyn, dass sie wohl eben so gut und ohne gleich grossen Nach- theil, zur Auflösung der dermaligen Versammlung schreiten könnte.
§. 32. Das Recht der Entscheidung bloss auf verfassungswi- drige Massregeln zu beschränken, liesse sich allerdings wohl denken, obgleich die Regierung nicht die Möglichkeit zuge- stehen kann, dass sie je solche vorschlagen werde. Man könnte der Bestimmung aber immer die Form einer Ver- wahrung von Seiten der Stände geben. Es würde dann vorzüglich darauf ankommen, welche Ausdehnung die zur Verfassung gehörenden Gesetze erhielten? Von Steuern liesse sich in diesem Falle höchstens auf die Grundsteuer ein ständischer Einfluss denken. Denn ausser diesen dürfte sich schwerlich weder ein Steuersatz, noch eine Besteue- rungsart finden, die eine gesetzliche, für alle mögliche Fälle auf alle Zeiten hin gültige Festsetzung erlaubte. Die be- sondre Natur der Grundsteuer macht es aber in der That möglich, und vielleicht sogar ralhsam, ein für alle Mal über gewisse Punkte in Rücksicht auf dieselbe übereinzukommen, z. B. dass sie nur nach einer gewissen Reihe von Jahren, und unter gewissen Modalitäten umgeändert, oder einen ge- wissen Satz nicht übersteigen solle. Diese Beschränkung des ständischen Rechts würde aber einen Nachtheil haben, der höchst verderblich auf den Geist der ganzen Berathung, und des Instituts selbst zurückwirken könnte. Die Stünde würden nehmlich durch diese Einrichtung veranlasst weiden
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wenn nicht durch sophistische, wenigstens doch durch spitz- findige Gründe, sehr entfernt liegende Beziehungen der ge- machten Vorschlüge mit Verfassungsgesetzen aufzusuchen, um Verletzungen derselben darin anzutreffen, und dadurch den schlimmsten Geist, den Stände haben können, einen Sachwaltergeist annehmen.
§.33.
Das Natürlichste, Einfachste und Zweckmässigste scheint daher immer, den Ständen ein wirkliches, auf die Angemes- senheit der ihnen gemachten Vorschläge selbst gegründetes Entscheidungsrecht zuzugestehen, und dieses auch auf alle eigentlichen und allgemeinen Gesetze, so wie auf jede Ver- änderung in der allgemeinen Besteurung auszudehnen; zu- gleich aber, um der Regierung gehörige Freiheit und Si- cherheit für die Ausführung ihrer Zwecke zu lassen, den Begriff der Gesetze und die Art der Steuerbewilligung genau zu bestimmen, und die Form der auszusprechenden Miss- billigung zu erschweren.
§.34.
Der Berathung der Stände müssen alle Gesetze vorge- legt werden, welche den Rechtszustand aller Bürger, oder einzelner Classen derselben wesentlich und dauernd be- zwecken. Dagegen sind nicht als Gesetze, welche der Be- rathung der Stände unterliegen, zu betrachten, alle, wenn auch allgemeine Vorschriften, welche unmittelbar zur Aus- übung der Verwaltungspflichten der Regierung gehören, wie z. B. die Vorschrift, dass jeder, der eine Erziehungsanstalt anlegen will, sich einer Prüfung unterwerfen muss, dass Blatterkranke von der Gemeinschaft mit Andern abgesondert gehalten werden müssen, und noch weniger solche, welche sich auf Personen, die freiwillig mit der Regierung einen Vertrag eingegangen sind, wie Staatsbeamte in ihren Dienst- verhältnissen, beziehen.
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§. 35.
Immer aber bleibt in den Bestimmungen der Grenze zwischen demjenigen, was blosser Befehl der Regierung ist, in dem sie, um gehörig verwalten zu können, unabhängig seyn muss, und dem eigentlichen, die Zustimmung der Stande erfordernden Gesetze etwas Schwieriges, vorzüglich in der Anwendung auf einzelne Falle, das sich durch eine allge- meine Definition kaum wird heben lassen. So z. B. war es ehemals Katholiken verboten, sich unmittelbar mit Gesuchen nach Rom zu wenden. Hütte dieser Fall ständische Zu- stimmung erfordert? Auf der einen Seite fliesst aus dem unleugbaren Rechte der Regierung, die \ erhältnisse ihrer Unterthanen zu fremden Autoritäten zu beaufsichtigen, die Befugniss die Form dieser Aufsicht festzustellen. Auf der andern ist es ein, die Gewissensrechte wesentlich verändern- der Umstand, wenn jedes solches Gesuch erst der weltli- chen, nicht katholischen Behörde vorgelegt werden soll. Demnach scheint hier das Recht der Regierung, allein zu entscheiden, stärker.
§.36.
Da die Vorschläge bei der ständischen Berathung von der Regierung kommen müssen, so fällt die Unterlassung der Vorlegung eines Gesetzentwurfs von selbst in die Ka- tegorie der Beschwerden der Stände, und die einseitig ent- schiedene Angelegenheit kommt daher auf diese Weise doch zur Berathung in der Versammlung, und zur Verantwor- tung der Regierung.
Steuer -Be willigung.
§.37. In Absicht der Steuern dürfte die Methode, dass die- selben von einer Epoche zur andern immer neu bewilligt werden müssen, nicht einzuführen seyn. Fs macht die Re-
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gierung zu abhängig, kann gefahrliche Stockungen hervor- bringen, und giebt den Standen ein Mittel in die Hand, die Regierung unter dem Vorwande der Finanzen, allein in der That aus ganz andern Gründen, aufzuhalten und zu necken. Diese Taktik aber, und die Art des Krieges, in welchem, statt offen und ernstlich gemeinschaftlich des Landes Wohl- farth zu berathen, Regierung und Stände sich wechselseitig etwas abzugewinnen suchen, muss man möglichst verhüten.
§.38. Es scheint vollkommen genug, wenn
1) jede Massregel, welche den jedesmaligen Zustand der Steuern, oder des Aktiv- oder Passiv -Vermögens des Staats (wie Veräusserungen und Darlehen) verändert, den Ständen zur Abgebung ihrer entscheidenden Stimme vorgelegt wird;
2) bei der ersten Zusammenberufung, die Regierung die Einnahmen und Ausgaben des Staats, und den Zu- stand seiner Schulden den Ständen bekannt macht, damit sie, sowohl hierüber, als über die Natur und Vertheilung der Abgaben ihre Bemerkungen machen, und die Regierung hierauf ihre Erklärung abgeben, oder Vorschläge zu Veränderungen darauf gründen kann;
3) dasselbe bei jeder neuen Zusammenkunft der Stände wiederholt wird, damit dieselben sich überzeugen, dass die Staatshaushaltung nach den von ihnen genehmig- ten oder doch gehörig vor ihnen gerechtfertigten Grund- sätzen fortgeführt worden sei.
§.39. In Absicht der Form der auszusprechenden Missbilli- gung eines Gesetzvorschlages könnte bestimmt werden, dass, um die Zustimmung zu demselben zu bewirken, die abso- lute Mehrheit der Stimmen genügen sollte, dahingegen, um die Nichtannahme zu begründen, 2/3 der Stimmen sich gegen
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den Vorschlag vereinigen müssen. In der That ist die ab- solute Mehrheit von zu vielen zufälligen Umstünden abhan- gig, als dass sie bei einer so wichtigen Angelegenheit, wie die erklärte Missbilligung eines Gesetzvorschlages von Sei- ten der Stände ist, für entscheidend angesehen werden könnte. Bei der Zustimmung ist es hingegen offenbar anders, indem ein Gesetz, über welches die Regierung mit der Mehrheit der Deputirten übereinkommt, schon ohne darauf zu sehen, wie gross oder wie klein diese Mehrheit ist, ein grösseres Gewicht bei der öffentlichen Meinung haben muss.
§.40. Wollte man den Ständen ganz und gar keine andre, als eine berathende Stimme beilegen, so würde es besser seyn, nur bei Provinzialständen stehen zu bleiben und nie- mals allgemeine zu versammeln. Zwar würde auch dies in ein Labyrinth von Schwierigkeiten führen; allein über Ent- schlüsse, die man doch auszuführen e;esonnen ist, alleemein auszusprechende Missbilligung gleichsam hervorrufen zu wol- len, kann unmöglich zweckmässig genannt werden. Dass dagegen Provinzialstände über allgemeine Gesetze keine ent- scheidenden Stimmen abgeben können, rührt unmittelbar aus ihrer Natur und ihrer Stellung her.
Recht der Beschwerdeführung.
§.41. Auch dies Recht lässt verschiedne Grade zu. 1 >ie Stände können:
1) bloss die Mängel der Verwaltung anzeigen, und auf deren Abhülfe antragen;
2) oder den Landesherrn ersuchen, diejenigen Minister zu entfernen, welchen die Fehler der Verwaltung zur Last gelegt werden;
-Î) oder endlich die Minister in Anklagestand setzen
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§. 42.
Der erste Grad ist unbedenklicli und versteht sich von selbst. Der zweite wäre in jeder Art gefährlich und ver- derblich. Das Ministerium kann nur collecliv, und als ein unzertrennlicher Körper den Ständen gegenüberstehen, und es muss strenge darauf gehalten werden., dass die Stände nie aus diesem Standpunkte hinausgehen. Ob die Stände das Recht der Anklage ausüben, und die Minister daher ganz eigentlich in Verantwortlichkeit gegen sie gesetzt werden sollen, ist eine Frage, die der Landesherr selbst allein ent- scheiden muss. Gegen die Sache ist nichts zu sagen, sie ist vielmehr unläugbar heilsam. Allein diese Befugniss stellt die Stände, die auch einen vom Regenten beschützten Mi- nister angreifen können, in eine gewissermassen imponirende Lage gegen ihn. Auf alle Fälle kann ihnen das Recht nicht bestritten werden, da, wo sie solchen Dienstvergehungen einzelner Staatsbeamten auf die Spur kommen, welche ein peinliches Verfahren zulassen, dieselben namentlich der Re- gierung anzuzeigen, und nach einem durch die Mehrheit ge- nommenen Beschluss, auf ordnungsmässige Untersuchung der Vergehungen anzutragen.
Dies Letztere würde das Einzige sein, was unter allen Umständen die Provinzialstände thun könnten. Das Recht in Anklagestand zu versetzen, könnten sie nie üben, da es nur gegen den geübt werden kann, der unter einem unver- letzlichen Obern steht, welcher nie zur Verantwortung ge- zogen werden kann. Jede andre untergeordnete Behörde kann, da sie ja auf Befehl gehandelt haben könnte, nur bei ihrem Obern belangt werden.
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IL
Bildung und Wirksamkeit der landständischen Behörden.
§43. Drei Arten vom Volke bestellte Behörden scheinen, ih- rer Wirksamkeit, und der Art ihrer Einsetzung nach, noth- wendig genau unterschieden werden zu müssen:
1) Vorsteher von Landgemeinen, Städten und Kreisen,
2) Provinzial-
3) Allgemeine Stände.
§44.
Die Vorsteher ländlicher und städtischer Gemeinen kön- nen bloss verwalten, was im Wesentlichen in der Besorgung der Privatangelegenheiten ihrer Gemeine besteht.
Die allgemeinen Stände können mit der Verwaltung gar nichts, sondern allein mit der Berathung über Gesetz- und Geldvorschläge zu thun haben.
Die Provinzialstände verbinden die beiden Attributionen, indem sie einestheils die Privatangelegenheiten ihrer Provinz besorgen, anderntheils in Berathung über Provinzial- und allgemeine Gesetze eingehen.
§.45.
Die Wahl der Mitglieder dieser dreifachen Behörden muss vom Volke, nicht die der einen von der andern aus- gehen. Hiervon wird weiter unten ausführlich gehandelt werden.
§46.
Eigene Amtsbehörden, welche der Grundzüge betitelte Aufsatz verlangt, würden wohl überflüssig seyn, allein Kreis- Vorsteher sind nothwcndig, weil sonst die Kluft zwischen den Gemeinen und den Provinzial-Ständcn zu gross ist.
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Kreisstände scheinen die Verhältnisse unnützer Weise zu vervielfältigen. An der Berathung über Gesetze könnten sie, als solche, dennoch keinen Antheil nehmen, sondern müssten sich bloss auf die Besorgung der Kreisangelegen- heiten beschränken. Sie würden daher immer nur zur er- sten Art der Behörden gehören. Kommen gemeinschaftliche Angelegenheiten eines Kreises vor, die zu partikular sind, um vor die Pro vinzialstände gebracht zu werden; so hindert nichts, dass die Vorsteher der Kreisgemeinen durch Dele- girte aus ihrer Mitte zu einer solchen Berathung zusammen- treten. Man könnte zwar auch Kreisstände wählen und diese sich hernach zu Provinzial-Ständen vereinigen lassen. Allein dabei wäre immer zu getheiltes Interesse, und zu partikuläre Ansicht zu besorgen.
§.47.
Wenn die Provinzial-Stände die Besorgung der Ange- legenheiten ihrer Provinz mit dem eigentlich ständischen Geschäft, Beaufsichtigung und Berathung, verbinden sollen, so müssen sie zu jener einen beständigen und von ihnen sichtbar getrennten Ausschuss haben, zu welchem sie in ih- rer Gesammtheit sich wieder, wie die berathende und be- aufsichtigende Behörde zur bloss verwaltenden verhalten. Sie müssen beschliessen, er ausführen. Der Ausschuss ge- hört alsdann, als solcher, zur ersten Gattung ständischer Behörden, und es fällt nun die von Hr. von Vincke gegen das Verwalten ständischer Behörden überhaupt gemachte Einwendung weg, dass die von den Staatsbehörden unab- hängigen Stände, so wie sie verwalten, von diesen Staats- behörden beaufsichtigt werden müssen. Denn diese aller- dings nothwendige Aufsicht würde nunmehr nur über den Ausschuss, nicht über die Versammlung selbst ausgeübt. Es kann auch nur so Vermischung der Geschäfte vermieden werden.
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§.48. Dass die allgemeinen Stünde nicht verwalten können, ist natürlich, weil es keine Privatangelegenheiten des gan- zen Staats geben kann, wohl aber Angelegenheiten eines Theils, die gegen die des Ganzen, besondre sind. Die Ver- waltung der Angelegenheiten des Ganzen kann, wenn nicht alle Begriffe vermischt werden sollen, nur in den Händen der Regierung ruhen. Selbst wo diese einzelne Zweige da- von delegiren wollte, müsste es immer bei ihr stehen, sie wieder zu jeder Zeit zurückzunehmen. Dagegen können die allgemeinen Stände wohl bei der Verwaltung da, wo es die Natur des Gegenstandes erlaubt, verwahrend eintreten, und so scheint es gut, Delegirte der Stände den für das Schuldenwesen des Staats eingesetzten Behörden beizuordnen.
Untergeordnete ständische Verwaltungs- Behörden.
§.49. Die Gegenstände, welche der Verwaltung ständischer Behörden übergeben werden können, sind in einem der an- liegenden Aufsätze schon sehr vollständig angegeben. Der allgemeinen Natur der Gegenstände nach lassen sich haupt- sächlich folgende drei unterscheiden:
1) Angelegenheiten, welche ganz eigentlich Privatsache der Gemeine, Stadt oder Provinz sind, und wobei der Staat nur Oberaufsicht oder Obervormundschaft ausübt, wie
die Verwaltung des Vermögens, und alles was dahin
einschlägt; einen grossen Theil derjenigen Polizei, die Schaden ab- zuwenden bestimmt ist; einige der möglicherweise vorkommenden, gemeinnützi- gen Einrichtungen, wie Anlegung von Chausseen auf Kosten der Provinz u. s. f.
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Bei dieser Klasse von Geschäften muss der Staat den Behörden die Besorgung ganz überlassen, und sich begnü- gen, bloss, wo es nöthig ist, negativ mitzuwirken.
2) Angelegenheiten, die einen Charakter an sich tragen, der sie mehr zur Sache des ganzen Staats macht, wie Kir- chen und Schulen, Armen-, Straf-, Kranken-Anstalten.
Hier muss der Staat auch positiv hinzutreten; es muss gänzlich von ihm abhängen, wie viel oder wenig er die Be- sorgung hier aus den Händen geben will; und es muss nur nach der Ortsbeschaffenheit modifizirte Verwaltungsmaxime seyn, die ständischen Behörden hierfür so viel, als nur im- mer möglich, zu interessiren.
3) Angelegenheiten, welche die Regierung, ohne dass sie an sich diese oder jene Provinz besonders angehen, den Ständen mit ihrer Bewilligung aufträgt, wie z. B. die Anle- gung grosser Communications- Chausseen gegen Gestattung der darauf zu legenden Abgabe, oder gegen Herschiessung der Kosten selbst aus den Staatseinkünften.
§.50.
Insofern die Provinzialversammlung, worunter hier im- mer die eines Ober-Präsidial-Bezirks verstanden wird, ihre eigene Verwaltung beaufsichtigend, nicht Gesetzvorschläge berathend wirkt, können Gegenstände vorkommen, welche nicht alle in ihr vereinigte Präsidialbezirke, sondern nur Ei- nen betreffen. Alsdann können die Deputirten von diesem allein zusammentreten, und dies kann gleichfalls geschehen, ohne dass gerade die ganze Versammlung zur nemlichen Zeit vereinigt ist Dies setzt aber voraus, dass der Aus- schluss dieser letztern, zu verhältnissmässiger Anzahl, von Mitgliedern der einzelnen Präsidialbezirke zusammengesetzt sei, damit sich dieser Ausschuss eben so, wie die Versamm- lung selbst theilen, und auch eben so allein handeln könne.
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§.51.
Auf diese Weise scheint es am besten möglich, den Widerspruch zu vereinigen, dass für die Verwaltung Präsi- dialbezirks-Versammlungen, für den Antheil an der Gesetz- gebung Ober-Präsidialbezirks- Versammlungen angemessener scheinen. Wird die Einrichtung so getroffen, so kann man sagen, entweder, dass die Präsidialbezirksversammlungen sich zu einer Ober-Präsidialbezirksversammlung vereinigen, oder diese sich in jene theilt, und die Unterscheidung bei- der Fälle ist keine theoretische Spitzfindigkeit, da es allemal praktische Folgen hat, ob man die Sache von unten herauf, oder von oben hinunter anfängt. Das Erstere scheint zweck- mässiger.
§.52.
Bei den ad 2 und 3 genannten Gegenständen wird bis- weilen von der Regierung beabsichtigt, Ausgaben von sich ab, auf die Gemeinen und Provinzen zu wälzen. Dies hat aber nur alsdann Nutzen, wenn die Ausgabe auf diese Weise in sich verringert wird, weil Gemeine, oder Provinz wohl- feiler zum Ziele kommen. Sonst ist es ein, bloss die Üeber- sicht der Abgaben und Volkslasten erschwerendes Blendwerk.
§. 53.
Alle Verwaltung der ständischen Behörden muss unter Aufsicht des Staats geschehen. Allein diese muss nicht in Bevormundung bei jedem Schritte des Geschäfts, sondern in Einführung strenger Verantwortlichkeit bestehen. Sind diese Behörden dem beständigen Berichterfordern, Vor- schreiben und Verweisen der Regierung ausgesetzt, so will niemand, der sich ein wenig fühlt, mit dem Geschäfte zu thun haben, und der Geist und Sinn der Einrichtung geht verloren. Da es minder untergeordnete Stufen solcher Be- hörden giebt, so kann die Regierung sich an die höchste halten, und ihr Geschäft dadurch sehr vereinfachen. Da es
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auch jedem Einwohner freisteht, bei der höhern Behörde über die untere Beschwerde anzubringen, und diese Be- schwerden immer mehr werden angebracht werden, je mehr der Gemeinsinn erwachen wird, da jetzt viele lieber Unrecht geschehen lassen, als sich die Mühe geben, es zu rügen, so wird die Controlle, wie die Verwaltung, mehr von dem Bürger selbst geübt, und das Geschäft der Regierung ent- behrlicher werden.
§.54.
Die Aufsicht des Staats auf jede dieser Iandstiindischen Behörden wird natürlich, nach ihren verschiedenen Abstu- fungen, durch die ihr gegenüberstehende Abstufung der Re- gierungsbehörden ausgeübt. Der Landralh berücksichtigt die Kreisbezirke, die Regierung den Ausschuss der Provin- zialversaminlung, insofern er ihrem Präsidialbezirk angehört, das Oberpräsidium diesen Ausschuss in seinem Ganzen.
§. 55.
Die Landräthe wurden ehemals in den östlichen Preus- sischen Provinzen mehr als Behörden angesehen, welche ihren Kreis, der sie selbst wählte, bei der Regierung ver- treten sollten, als wie solche, die ganz und ausschliessend ihre Beamten waren. Sie hatten daher fast keine Besol- dung, und mussten im Kreise angesessen seyn. Das letz- tere hat in den westlichen Provinzen ganz aufgehört, und alle Landräthe werden jetzt bloss als Delegirte der Regie- rungen angesehen, mit Arbeiten überhäuft u. s. f. Es ver- dient Ueberlegung, ob nicht die landständische und Rcgie- rungskreisbehörde, zu meiner Vereinfachung, dergestalt in der Person des Landralhs vereinigt werden könnte, dass derselbe hauptsächlich von dem Kreis, wenn auch unter Mitwirkung der Regierung durch Auswahl aus mehreren Vorgeschlagenen, gewählt würde, zugleich aber die Ge schäfte der Regierung besorgte. Der Nachtheil dabei aber vir. 15
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dürfte vermuthlich der seyn, dass beide, Regierung und Land, darin zu wenig eine ihnen angehörige Behörde fän- den. Da aber, wo die Landrälhe noch mehr in ihrer ehe- maligen Kategorie fortdauern, liesse sich, um das Neue dem Alten anzupassen, hierüber doch vielleicht wegsehen. Sonst müsste, nach dem neuen Plan, der Landrath bloss eine Staatsbehörde seyn, und ihm die ständische des Kreises respektive zu- und untergeordnet werden. In diesem Falle würde es weniger eine nothwendige Bedingung, als eine nützliche Regierungsmaxime seyn, dass er allemal auch in dem Kreise angesessen seyn müsste.
§.56.
Die erste und nothwendige Grundlage der ganzen land- sländischen Verfassung ist daher die Einrichtung der Ge- meinen, der ländlichen und städtischen. Ueber diese enthält, vorzüglich im Aligemeinen, und ohne auf die speziellen Un- terschiede beider einzugehen, der Aufsatz, welcher von Nas- sau, den 10. October 1S15 dalirt ist, alle Hauptgrundsätze. Vorzüglich ist die dort allgemein aufgestellte Formel richtig, erschöpfend, und klar und bestimmt gefasst. Eben so ist auch das über die Gemeincglieder, ihre Vorsteher, die Ein- setzung und den Geschäftskreis derselben Gesagte.
§.57.
Wenn es jedoch heisst, dass die Gemeineglieder nicht bloss Eingesessene, sondern auch Angesessene seyn müssen; so scheint dies in Absicht der städtischen Gemeinen doch eine Modifikation erleiden zu müssen, wenn man nicht dem Besitz eines Grundstücks einen, der Natur des städtischen Gewerbes unangemessenen Werth beilegen will. Es scheint hier zuerst auf das Gewerbe anzukommen. Ist es im eigent- lichsten Verstände eine Ackerstadt, oder ist sie es wenig- stens zugleich, so ist für diejenigen, welche nichts anderes, als Ackerbau, treiben, auch nolhwendig, dass sie angesessen
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sind, da hier das Gewerbe unmittelbar an der Scholle klebt. Allein bei den übrigen, nicht auf so fixen Verhältnissen be- ruhenden Gewerben, müssen andere Normen eintreten.
§: 58.
Es ist in den Randanmerkungen zu den Gruiitfzügen sehr richtig bemerkt, dass es überhaupt gut, und tief ein- wirkend auf alle städtische Verfassungen seyn wird, diesel- ben nicht nach dem blossen Wohnen in diesem oder jenem Quartier, sondern nach Corporationen zu bestimmen. Glie- der der Gemeinde wären nur die Glieder von Corporatio- nen, und keine andere. Diese Corporationen müssen eine vernünftige Gewerbefreiheit nicht aufheben, sie dürften über- haupt nicht mit den Zünften verwechselt werden. Dies Letztere würde auf jede Weise unstatthaft seyn. Die Cor- porationen sollen ein politisches Mittel seyn, die städtische Gemeine in Classen von Individuen abzutheilen, welche sich in ihrer Handthierung und den Resultaten derselben in ähn- lichen Verhältnissen befinden. Diese Abtheihmg soll zum Behuf der Besorgung des städtischen Interesses und nach dem Grundsatz geschehen, dass Theilnahme an einem klei- nen, bestimmt ahgeschiednen Körper den Bürgersinn und die Moralität mehr, als einzelnes Handeln in einer grossem Masse vermehrt. Die Zünlte sollen die Güte und Ehrlich- keit des Gewerbes sichern und bekunden. Aus diesem ganz verschiednen Zweck folgen natürlich auch verschiedne Grund- sätze über die Regeln der Zusammensetzung dieser beiden Arten von Genossenschaften, und die Zulassung zu densel- ben. In die Zünfte muss man, wenn man nicht die Freiheit der Gewerbe vernichten will, jeden, der hinreichende Ge- schicklichkeit, den nölhigen Vorschüsse und einen nicht of- fenbar anstössigen Charakter besitzt, aufnehmen; zur Zulas- sung zu den Bürger-Corporationen kann dies natürlich nicht genügen. Eben so müssen die Zünfte sich in sehr viele
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Zweige theilen, weil der Eintheilungsgrund die Verschie- denheit der Gewerbe ist; bei den Bürger- Corporationen wiire dagegen die einfachste Eintheilung die beste.
§.59.
Die natürlichste scheint die in diejenigen, welche Land- bau, Handwerke und Handel treiben. In grossen Städten dürfte es zweckmässig seyn, die letztern wieder nach dem Unterschied des Details- und Grosshandels abzusondern. Ob Fabrikanten in so hinreichender Anzahl vorhanden sind, dass sie eine eigene Corporation bilden müssen, oder ob man sie den Kaufleuten anschliessen kann? lässt sich nur nach den Ortsverhältnissen beurtheilen. In Einer Corporation ausser jener, müsste man alle übrigen Bürger vereinigen.
Der Grundzüge betitelte Aufsatz fügt den obengenann- ten Classen nur noch Gelehrte und Künstler hinzu, und über- geht also viele Individuen, die nichts von dem allem sind. Ueberhaupt aber hüte man sich ja, die Gelehrten unmittel- bar, als solche, als politische Classe handeln zu lassen.
§.60.
Der Adel, wie zahlreich er auch in einer Stadt seyn möchte, müsste darin keine besondere Classe bilden wollen. Wo er etwas ihm Eigenthümliches geltend machen will, muss er, als Landbesitzer und Landbewohner, erscheinen. In der Stadt gehört er in die allgemeine gemischte Klasse.
§.61.
Die Genossenschaft in der Corporation müsste abhän- gen von dem Vermögen oder erweislichen Erwerb , dem unbescholtenen Ruf, der Herkunft aus dem Orte, oder einem von dem Zeitpunkte der gemachten Erklärung, dass man zu ihr gehören wolle, an, ununterbrochenen fortgesetzten Aufent- halte. In wiefern Erwerbung eines Grundstücks die letzte Bedingung erleichtern könnte, wäre eine besonders zu er- wägende Frage.
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§.62.
Eine solche Unterscheidung der Corporationen lässt sich nur in Städten von beträchtlicher Grösse denken. In den meisten würde der Fall eintreten, dass eine oder die andere zu wenig zahlreiche Classe der andern beitreten müsste. Allein die Bedingungen der vollen Bürgerrechte würden im- mer, wenn auch, wie in blossen Ackerstädten, nur Eine Klasse vorhanden wäre, dieselben seyn, welche den Beitritt des Individuums zu der ihm eigenen Corporation erfordern würde. In dem von Vinckeschen Aufsatz ist als eine be- deutende Schwierigkeit erwähnt, dass bei dem jetzigen Ver- fall der Städte, viele sich nicht mehr von ländlichen Ge- meinen unterscheiden. Sollte indess hierin ein grosses Hin- derniss liegen? Die Gemeineordnung lässt sich leicht so einrichten, dass sie in diesen Fällen auf beide passt, und einige Eigenthümlichkeit bewahren auch die kleinsten Städte schon dadurch, dass sie gewöhnlich andere Rechte und an- dere Gattungen des Gemeineeigenthums, auch in der Regel mehr desselben, als das platte Land haben, woraus denn natürlich auch Unterschiede in der Verwaltung nöthig werden.
§.63.
Im Preussischen ist in der Städteordnung eine Gemeine- einrichlung vorhanden, die jetzt nur isolirt dasteht.
§.64.
So richtig auch die in dem oben erwähnten Aufsatze aufgestellte Formel über die Gemeineeinrichtungen ist, so wird ihre Anwendung doch in mehreren alt Preussischen Provinzen grosse Schwierigkeit finden, in welchen die Ritter- gutsbesitzer jetzt allein die Obrigkeit ausmachen, und die Gemeine bloss gehorcht, und wo auch das Rittergut ungleich mehr Acker, und mit ganz andern Rechten, als irgend ein andres Mitglied der Gemeine besitzt. Den Rittergutsbe- sitzern diese obrigkeitliche Befugniss zu nehmen, scheint
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weder billig noch zweckmässig. Dagegen die Gemeine ganz davon auszuschliessen, eben so wenig rathsam.
§• 65. Vielleicht liesse sich hierin dadurch ein Mittelweg; ein- schlagen, dass
1) für alles dasjenige, was besonderes und abgeschlos- senes Interesse und Eigenthum der Gemeine, ausser dem Rittergutsbesitzer ist, diese einem aus ihrer Mitte die Be- sorgung und Verwaltung übertrüge. In sehr vielen und den meisten Fällen dürfte aber sehr wenig oder nichts von die- ser Art vorhanden seyn.
2) die Gemeine bei Ernennung eines Schulzen durch den Hiltergutsbesitzer ein Widerspruchsrecht ausüben könnte, über das, wenn man sich in einem Falle nicht einigen könnte, der Landrath entschiede.
3) dass, wo es das Verhältniss nur immer erlaubte, der Rittergutsbesitzer mehr als die beaufsichtigende Behörde be- handelt würde, und als in einem ähnlichen Falle zur Ge- meine stehend, wie der Landrath zu dem Kreise.
§. (30. Noch schwieriger wird die Entscheidung da, wo das gutsherrliche Verhältniss ehemals bestand, aber durch da- zwischen getretene fremde Herrschaft aufgehoben worden ist. Soll man es wieder herstellen, oder nicht? In einigen Orten ernennt jetzt der Landrath den Schulzen, in andern die Gutsherrschaft, in andern ist das Verhältniss schwan- kend. Doch nennt ihn (von Berlin aus) diesseits der We- ser, die Gemeine nirgends. Im Allgemeinen lässt sich wohl sagen, dass die Ernennung durch den Landrath immer un- statthaft scheint. Sie hat zwar jetzt zum Grunde, dass der Landrath den Schulzen als die Unterbehörde ansieht, deren er sich bedienen muss. Allein in der neuen Verfassung" würde ein grosser Theil der Wirksamkeit des Landraths an
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die Kreisbehörde übergehen, und dann würde es vielleicht rathsam seyn, dieser zwar kein Ernennungs- aber ein Be- stätigungsrecht der Schulzen zu ertheilen. Der Landrath, als die beaufsichtigende Behörde, dürfte nur dasjenige haben, die Entfernung eines untüchtig Befundenen zu verlangen.
§.67.
Wo sich aber das Verhällniss dergestalt verändert hätte, dass die Ackervertheilung gar nicht mehr wesentlich die- selbe wäre, auch die Einwohner, ausser dem Rittergutsbe- sitzer, nicht mehr bloss aus selbst ihren Acker bauenden Personen bestände, da ist Ernennung durch die Gemeinde der Herstellung der alten gutsherrlichen Rechte bei weitem vorzuziehen. Denn sie ist immer die vollkommenere und bessere Form, die nur nicht da eingeführt werden muss, wo, weil seit lange die entgegengesetzte besteht, sie ungerecht und selbst kaum natürlich seyn würde.
§.68.
Hierher gehört auch die ganze Frage von den gesetz- lichen Schranken, die der Veräusserung, Vererbung und Vertheilung bäuerlicher Grundstücke zu setzen sind. Die Aufhebung, da, wo sie bestehen, wäre auf jeden Fall un- zweckmässig. Ihre Herstellung, wenn sie aufgehoben wären, würde im eigentlichen Verstände der Gegenstand der Bera- thung der Provinzialversammlungen da seyn, wo der Fall vorkäme. Der Staat hat offenbar bei der Wiederherstellung Interesse, und erhält sich von allem Vorwurf gewaltsamer Rückwirkung frei, wenn er der Meinung der Mehrheit in der Provinz selbst folgt.
§. 69.
Ein wichtiger Punkt ist noch der, dass alle Verwaltung des Communalinteresses, so viel es nur immer möglich ist, unentgeldlich geschehen muss. Dies ist nicht allein noth- wendig, um Aufwand zu vermeiden, sondern ganz Vorzug-
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lieh, um den Geist der Einrichtung in seiner Reinheit zu erhalten. Nur die allerniedrigsten Bedienten, wie Boten u. s. w. müssen für ihre Zeit entschädigt werden. Sonst würde sich die unentgeltiche Verwaltung wohl durch gehörig ein- geleiteten Wechsel der Last durchführen lassen. Bloss bei verwickelten Verwaltungszweigen sehr grosser Communen könnte und müsste vielleicht eine Ausnahme stattfinden.
Provinzialstände.
§. 70. Bei den Provinzialständen kommt ihre Zusammensez- zung und ihr Wirkungskreis (in so fern derselbe, wovon schon im Vorigen geredet worden, nicht verwaltend ist) in Betrachtung. Die erste kann und muss in verschiedenen Provinzen verschieden seyn; der letztere in allen derselbe, da sonst eine Provinz Vorrechte vor der andern hätte.
§.71. Der letzte Punkt wird, bis es allgemeine Stände giebt, in Absicht Sachsens und Schwedisch-Pommerns Schwierig- keiten haben. Beide Distrikte haben das Recht, keine an- dern Steuern, als mit ihrer Zustimmung, anzuerkennen, und die Regierung kann es, vorzüglich bei Pommern nicht zu- rückweisen. Bewilligung allgemeiner Steuern aber ist mit der Existenz blosser Provinzialversammlungen nicht verträg- lich. Es würde daher nichts übrig bleiben, als den Ein- spruch dieser Distrikte in der Zwischenzeit möglichst gut zu beseitigen.
§.72. Bei der Zusammensetzung kommen hauptsächlich, wenn man das Detail übergeht, folgende Fragen vor:
1) soll die Bildung dieser Versammlungen bloss nach der Zahl der Einwohner, oder nach den Ständen dersel- ben geschehen?
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2) soll im letztern Falle der Adel einen eigenen Stand ausmachen, und -wie?
3) soll in demselben Fall die Versammlung nur eine, oder soll sie in zwei oder mehr Kammern getheilt seyn, und auf welche Weise?
Ad i.
§• 73.
Dass die Bildung nach Standen geschehe, ist eine noth- wendige Folge des ganzen hier aufgestellten Systems. Wenn der Zweck standischer Einrichtungen seyn soll: Erweckung und Erhaltung richtig geleiteten Interesses an den Angele- genheiten des Ganzen, vermittelst gehörig bestimmten Zu- sammenwirkens mit der Regierung und Begränzens ihrer Gewalt, so muss die Bildung der Stande derselben Richtung folgen, welche dies Interesse von unten auf nimmt. Diese ist aber offenbar die nach Gemeinheiten, Genossenschaften und Ständen. Die Gründung volkvertretender Versamm- lungen nach blos numerischen Verhaltnissen setzt offenbar eine völlige Vernichtung alles Unterschieds der einzelnen Genossenschaften voraus, und würde, wo ein solcher noch vorhanden wäre, ihn nach und nach zerstören.
§■ 74.
Dem allgemeinen Begriffe des Volks nach, giebt es aber in einer Nation sehr viele Stände und fast eben so viele als Beschäftigungen. Es fragt sich daher, nach was für Krite- rien zu bestimmen ist, welche unter diesen Ständen poli- tische Stände ausmachen sollen? Bei Beantwortung von Fragen dieser Art würde es ganz unzweckmässig seyn, weit in theoretischen Betrachtungen herum zu schweifen. Sieht man sich aber in der Wirklichkeit um, und blickt man auf dasjenige zurück, was Provinzialständen zur Basis dienen soll, so giebt es unläugbar zwei abgesonderte Stände, die
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man nicht übergehen und nicht vermischen kann : den Land- bauer und den Städter.
§■ 75.
Forscht man alsdann hierbei mehr nach allgemeinen Gründen, so findet man, dass zwischen diesen beiden Klas- sen der wahrhaft politische wichtige Unterschied die Art ist, wie der Boden des Staats bewohnt wird, und dass Alles auf diesem physischen Unterschiede beruht, aus welchem nach- her die moralischen, rechtlichen und politischen herfliessen. In der That würde , wenn es einen selbstständigen Distrikt gäbe, in welchem Landbauer, Handwerker und Kaufleute alle nur in Dörfern zerstreut wohnten, man Unrecht haben, nach Verschiedenheit dieser Gewerbe, diejenigen, weiche sonst gewöhnlich städtisch genannte treiben, von den übri- gen abzusondern. Man würde vielmehr nur Eine Art der Stände, Eine Art der Gemeinheiten annehmen müssen. Nur so wie die Bürger eines Staates zusammenwohnen, wie sie, als Nachbarn einen von andern abgesonderten Bezirk ausmachen, wie sie als Theilhaber an diesem Eigenthum, Rechte und Pflichten besitzen, nur nach diesen festen, un- veränderlichen, räumlichen Verhältnissen können sie das un- mittelbare partielle Interesse in ein allgemeines vereinigen; denn nur nach denselben Verhältnissen ist gemeinschaftliche Verteidigung, Zusammentreten in einen grossen Staat, Zer- spaltung in kleinere möglich, in welchem Allem das wahre und eigentliche Wesen der bürgerlichen Gesellschaft besteht.
§.76.
Sieht man ferner auf den Unterschied zwischen dem platten Lande und den Städten, so kommt er gewissermas- sen auf die grosse allgemeine Eintheilung in Sache und Per- son zurück. Der Landbau vereinzelt und heftet an die Erd- scholle; alles übrige Gewerbe, weil es der nahen Berührung der Menschen bedarf, drängt zusammen und vereinigt. Zu-
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gleich hat auf den Unterschied die Leichtigkeit und Schwie- rigkeit der Verteidigung gewirkt. So lange die Städte noch ihre eigentliche Bedeutung hatten, waren sie hei allen Nationen und durch alle Perioden der Geschichte hindurch, Orte des Verkehrs und Orte der Wehr;, der Unterschied in verschiedenen Zeiten und Ländern war bloss immer der, dass sie bald das Letzte aus dem Eisten und bald das Erste aus dem Letzten wurden.
§.77. Es ist daher schon an sich, auch noch ausser den je- doch auch sehr wahr geschilderten moralischen Nachtheilen, richtig in einem der anliegenden Aufsätze bemerkt, dass Pfarrer keinen besondern politischen Stand ausmachen soll- ten. Ueberhaupt nur die Geistlichkeit so anzusehen, hat schon sein eigenes Bedenken. Von dem doppelten Gesichts- punkte, den die ehemaligen Verfassungen dabei hatten, ist bei uns nur noch der eine übrig geblieben, dass man eine so wichtige Sache, als ständische Versammlungen sind, nicht von dem Ansehen und dem Ehrwürdigen der Religion ent- blösst lassen will. Deswegen, und damit es nicht dem Zu- fall überlassen bleibt, ob die Häupter der Geistlichkeit, die einen so grossen Einfluss auf eine der wichtigsten Klassen der Gesellschaft ausüben, durch Wahl in die ständische Ver- sammlung treten, ist es immer nothwendig, diese als ge- setzlich darin einzuführen; allein dies ist auch hinlänglich. Der andere Grund, welcher ehemals vorhanden, und poli- tisch wichtig war, ist mit der veränderten Verfassung der Geistlichkeit mehr oder weniger verschwunden. Ehemals nemlich erschien die Geistlichkeit auf Landlagen, als Be- sitzerin einer eignen Art des Grundeiffenlhums, das eewis- sermassen ewig, wohl des Zuwachses, aber nicht der Ver- minderung fähig war. Sie schlössen sich insofern an den Erbadel an, und beide stellten sich, als wegen der forllau-
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fenden Dauer ihrer eigentümlichen Verhältnisse verwandte Klassen den Städten und dem platten Lande gegenüber.
§. 78.
Jetzt kann die Berufung von Pfarrgeistlichen in land- stiindische Versammlungen kaum einen andern Zweck ha- ben, als eine Anzahl von Abgeordneten zu erhalten, von denen die Regierung geringeren Widerspruch zu erwarten hat, die sie gewissermassen als ihre Beamten ansehen kann, ohne sich den Schein zu geben, von diesen ausdrücklich eine gewisse Anzahl in die Versammlung aufzunehmen.
In protestantischen Staaten mit gemischter Geistlichkeit dürfte indess dieses Mittel weniger zuverlässig seyn.
§. 79.
Wollte man die Einwendung machen, dass auf diese Weise die Rechte der Geistlichkeit nicht gehörig vertreten wären, so beriefe man sich auf einen offenbar falschen Grund- salz. Denn nach eben diesem Räsonnement müssten auch die Rechte der Handwerksvereinigungen, der Kaufmannschaft nicht als Theile einzelner Städte, wie oben gesagt ist, son- dern als Stände durch den ganzen Staat, der Gelehrten be- sonders vertreten werden, wie denn in den ephemeren Versuchen von Verfassungen in den letzten Jahrzehnden alle diese Erscheinungen da gewesen sind, und sich selbst gerichtet haben.
§.80.
Von den Universitäten, die keine bedeutenden liegenden Gründe haben, kann nur gelten, was von den Häuptern der Geistlichkeit gesagt worden ist, und ihre Theilnahme ist offenbar noch weniger wichtig, da sie keinen gleich grossen unmittelbaren politischen Einfluss besitzen. Es ist aber eine Huldigung die man der Wissenschaft, und dem wohllhäligen Einfluss stehender, für sie gebildeter Körper bezeugt, und in sofern gewiss beizubehalten. Denn die Wissenschaften
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und die Nationalbildung würden offenbar verlieren, wenn die Universitäten aufhörten, wirkliche und gewissermassen selbstständige bürgerliche Institute auszumachen.
§.81. Mit liegenden Gütern versehene Universitäten, wie Greifs- walde, und eben solche katholische oder protestantische Stif- ter und Kapitel treten noch in ein andres Verhältnisse Es ist kein Grund abzusehen, warum sie nicht eben so gut zu den Ständen gehören sollten, als es der Fall der Individuen seyn würde, die ihre Güter käuflich an sich brächten.
ad 2.
§. S2.
Dass der Adel fortbestehen, und, als Grundeigenthü- mer, an den Landständen Theil nehmen muss, bedarf nicht erst bemerkt zu werden.
Dass er nur als Grundeigentümer unter denselben er- scheinen kann, ist sehr richtig in den anliegenden Papieren aufgestellt.
Es kommt also nur darauf an, ob und wie er politisch einen eigenen abgesonderten Stand (noch ohne die Frage der zwei Kammern) ausmachen soll?
* S3.
Der eigene Aufsatz über den Adel unter den anliefen- den Papieren lässt, so geistvoll er ist, und so viel Treffli- ches er enthält, dennoch zu wünschen übrig, dass er zu einem bestimmteren und deutlicher ausgesprochnen Resul- tate führen möchte. Es erregt auch eine Ungewissheit über die eigentlich darin aufgestellte Meinung, dass immer nur in dem Aufsatz von erblichem Landstandsrecht gesprochen wird, da es, wie es in der Baierischen Verfassung der Fall ist, und des Beifalls werth scheint, auch auf Wahl beruhende adliche Landstandschaft geben kann.
238
§.84.
Den Adel bloss in Rücksicht auf den Beirag der Ein- künfte seiner liegenden Gründe mit allen übrigen Landei- genthümern in den Wahlen zu den ständischen Versamm- lungen zu vermischen, hiesse in der That ihn seines ganzen politischen Charakters entblössen, es wäre eben so viel, als ihn aufzuheben, oder wie es sehr gut in dem Aufsatze heisst, zu einem Gaukelspiele der Eitelkeit herabwürdigen. Er muss also allerdings eine Corporation bilden, aber diese Corporation darf auch keine andere Beziehung auf politische Rechte, als in Hinsicht der Landstandschaft haben. Dabei bleibt ihr indessen allerdings unbenommen, für sich, als eine moralische Person, Stiftungen und ähnliche Einrichtungen zu machen.
§.85.
Diese Corporation hat das Recht, zu den ständischen Versammlungen zu wählen, und gewählt zu werden. Allein dies Recht ist bedingt durch die Forderung, dass, um das eine oder andere auszuüben, der Adliche mit liegenden Gründen in der Provinz angesessen seyn muss. In denje- nigen Provinzen, wo mit den Rittergütern noch Patrimonial- gerichte, oder andere besondere Rechte verbunden sind, müsste man auch fordern, dass er ein solches Gut besässe, und in den übrigen müsste die Grösse des Guts nach dem Steuerquanlum, oder sonst bestimmt seyn, damit nicht ein winziger Besitz, bloss um Landstandschaft zu erlangen, er- worben werde.
§.86.
Von denjenigen Adlichen, die nicht durch Wahl, sondern erblich in den ständischen Versammlungen erscheinen wol- len, muss nothwendig gefordert werden, dass sie ein Fidei- kommiss von einer gewissen Höhe errichten, damit die Dauer des Besitzes bei der Dauer des Geschlechts gesichert wird.
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§.87. Auf diese Weise ist die adliche Landstandschaft zugleich persönlich und dinglich. Kein Unadlicher, wenn er auch ein adliches Gut kaufte, könnte sie mit, und vermöge der Corporation des Adels erlangen, und der nicht begüterte Adel sie eben so wenig ausüben.
§.,88.
Darum müssle aber dem Ankaufe adlicher Güter durch Bürgerliche kein Hinderniss in den Weg gelegt werden. Die adliche Corporation könnte allerdings in einer Provinz zu Zeiten sehr abnehmen. Allein theils wäre dies doch wohl nur vorübergehend, theils ist der Adel gerade ein In- stitut, das nicht gleichsam mit Gewalt, sondern nur in sofern unterhalten und gestützt werden muss, als die Sitte und sein eieenes Wesen es hält. Hat der Gesetzoeber richtio- ee- fühlt, dass es dem Zustande und der Stimmung der Nation angemessen sey, den Adel als eine politische Corporation beizubehalten, so wird der Adel selbst sich nicht schwächen wollen, und seine Güter zusammen zu halten streben. Der Einzelne wird sich schämen, der Ehre, den angestammten Sitz zu bewahren, einen Geldvortheil vorzuziehen, und wo ein Nothfall eintritt, wird der übrige Adel des Kreises hin- zuzutreten geneigt seyn und die Erhaltung des Guts, oder den Uebergang an eine andre adliche Familie befördern. Geschieht dies nicht, oder vielmehr geschieht das Gegen- theil häufig, so ist es ein sicheres Zeichen, dass der Adel den Sinn seines Instituts verloren hat, und dann würde man sich vergebens schmeicheln, ihn durch Zwangsmittel, die ausserdem schädlich sind, festbannen zu wollen. Der Staat thut genug, ihm durch die hergestellte politische Bedeutung einen neuen Antrieb zu verleihen.
240
§.89. Man kann zwar hiergegen noch einwenden, dass in kei- ner Verfassung man eine so wichtige Sache, als das Ver- hältniss des Adels zu den übrigen Landeigentümern ist, dem Zufall überlassen darf. Allein man muss bedenken, dass, da auch nach jenem Aufsatze, der Adel doch kein von den übrigen Ständen geschiednes Interesse haben, und keine nutzbaren Vorzüge gemessen soll, der ihn belebende eigen- tümliche Geist nur auf festem Halten am Lande durch mehr dauernden Grundbesitz, und auf dem edlen Ehrgeiz, sich durch Consequent und Gediegenheit seiner Meinung auszuzeichnen, beruhen kann. Dieses rein sittliche Resultat steigt und fällt aber mit dem den Adel an sich beseelenden Sinn, von dem eben bemerkt worden ist, dass Gesetze ihn nicht festhalten können, wenn ihn die Sitte fahren lässt.
§.90. Der Eintritt in die Corporation wird doch am Ende nur von dem durch den Staat ertheilten Adel, verbunden mit dem Besitze oder Erwerbe eines solchen Guts, als die Corporation fordert, abhängen können. Was jener Aufsatz darüber sagt, dass Adeln eigentlich nur die Ailclsfäliicfhcli ertheilen heisst, ist zwar an sich sehr scharfsinnig, und stellt in historischer Beziehung einen brauchbaren Unterschied auf, allein es würde nur dann vollkommen wahr genannt wer- den können, wenn der Eintritt in die Corporation, als das wahre Critérium des Adels, entweder von Ahnenprobe oder von der Einwilligung der Mitglieder abhinge. Allein das letztere verwirft der Aufsatz mit Recht, obgleich ein ande- rer d. d. Frankfurt, 27. März 1818 es zulässt, und die er- stere fordert er nicht unbedingt. Er legt am Ende auch den Eintritt wieder in die Hände des Landesherrn, indem er sagt:
„thäliges Glied der adlichen Genossenschaft ist also,
wer erblicher Provinzial-Landstand."
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Allein dies bestimmt erstlich nur, wie man ihäiiges, nicht wie man Glied überhaupt seyn soll, und dann spricht es nur von der Herrenbank. Wo der Adel in einer ständischen Versammlung durch Wahl sitzt, hat der Landesherr nichts zu bestimmen. Die Corporation wählt, und nur ein zu ihr Gehörender kann gewählt werden.
§.91. Adeln wird also immer heissen müssen: dem Neuge- adelten und seinen Abkömmlingen das Recht verleihen, zu der adlichen Corporation sogleich zu gehören, als er oder einer von ihnen die gesetzlich zur Ausübung adlich ständi- scher Rechte vorgeschriebenen Bedingungen erfüllt.
§.92. Dies nemlich, insofern die Corporation eine politische ist. Wo sie Privatverträge unter sich macht, können blos die allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen eintreten, und da muss sie in so weit, aber auch nicht weiter, gesetzge- bend seyn können, als dies Corporationen überhaupt ver- stattet ist. Da aber die erste Bedeutung der Corporation immer die politische ist, so wird dieselbe, wenn sie Privat- Bestimmungen machen will, nicht eigentlich, als Corporation, sondern nur als Verbindung dieser und dieser Geschlechter für sich und ihre Nachkommen handeln können. Wenn z. B. sechs Geschlechter den Adel eines Kreises ausmachen, so würden zwar diese unter ihrem Namen eine Stiftung errichten können, welche nur Personen mit so und so viel Ahnen zuliesse; sie würden aber diese Stiftung nicht errich- ten können , als die adliche Corporation des bestimmten Kreises, weil ihnen der Staat nicht erlauben kann, den Wil- len der zu dieser politischen Corporation neu Hinzutreten- den durch ihren Willen zu binden. Es würde hierdurch unleugbar aus der Corporation eine Kaste werden, was auch der Aufsatz nicht will. Der Neuhinzutretende würde die vu. 16
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von ihr vorgeschriebenen Bedingungen eingehen müssen, oder sie würde, wenn sie ihn auch nicht von der Ausübung der landständischen Rechte verdrängen könnte, doch den Namen der Corporation, der ihr nur, mit Einschluss seiner, zukäme, für sich allein, ohne ihn, an sich reissen.
§.93.
Ahnenprobe kann der Staat nur erlaubend zulassen, und nur bei Privatinstituten. Verbot der Vermischung durch Ehe ist eines der ersten Kriterien einer Kaste, und man rettet sich nur durch Worte, wenn man sagt, dass es kein Verbot ist, dass derjenige, der eine die Ahnenprobe vernich- tende Ehe macht, nur seine Kinder von einer Corporation in eine andere, sogar mit der Möglichkeit zu jener zurück- zukehren, versetzt. Es ist auch nicht mit den wahren Be- griffen der Sittlichkeit, und dem Begriffe der Ehe zu ver- einigen, dass Ehen andere Hindernisse finden sollen, als die in den Willen der sich verheirathenden Personen, und de- rer, von welchen sie unmittelbar abhängen, liegen, noch andere Reizmittel, als die gegenseitige Neigung und indivi- duelle Convenienz.
§.94.
In den einzelnen Resultaten stimmt das hier über den Adel Gesagte meistenlheils mit dem Aufsatze überein. Allein im Ganzen bleibt eine nicht unwichtige Nuance des Unter- schiedes. Der Aufsatz will eigentlich, dass der Staat posi- tiv dem Adel zu Hülfe komme, ihn gewissermassen, als einen Halberstorbenen, ins Leben zurückführe. Hier dage- gen ist die Ansicht aufgestellt, dass der Staat ihm nur Freiheit, und gesetzlichen Antrieb geben soll, durch seine eigene Krall ins Leben zurückzukehren. Von jenem Stand- punkte ausgehend, würde man z.B. den Adel, wo er an Zahl zu sehr abgenommen hätte, durch neue Ertheilungen zu vermehren suchen müssen; wie es auch in dem Aufsatz
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dd. Frankfurt 27. März 1818 vorgeschlagen ist; von diesem aus würde so etwas nicht Statt finden dürfen, sondern der Staat müsste bei Erhebungen in den Adelstand nur Beloh- nung des Verdienstes, oder solche Fälle im Auge haben, wo, bei Uebertragung eines Amts, oder erworbnem grossen Güterbesitz, verbunden mit persönlichen Vorzügen, der Man- gel des Adels ein gewisses Missverhältniss in die Lage des Individuums bringt.
§.95. Die hier aufgestellte Ansicht gründet sich darauf, dass man ein Institut, was nur historisch, nicht nach Begriffen, erklärt und hergeleitet werden kann, nur so lange und nur in so lern erhalten muss, als es selbst Lebenskraft besitzt. Dass es sich aber mit dem Adel wirklich so verhält, ist offenbar. Es ist unmöglich, ohne Rückblick auf die Ge- schichte, eine Definition von ihm zu geben. Der Aufsatz nennt als seine Grundlagen:
1) bedeutenden erblich zusammengehaltnen Grundbesitz — dies gilt aber nur von dem hohen, und in dem Majorate vorhanden sind;
2) Erhaltung und Sicherung der Geschlechter — allein diese für sich genommen, bestand namentlich bei den Bauern in gewisser Art, da sie ihre Besitzungen und ihren Wohnort nicht verändern konnten, oder nicht veranlasst waren, es zu thun; es bestand bei den städtischen Patriziern, endlich bei mehreren bürgerlichen Familien, die eben so gut ihr Ge- schlecht aus alter Zeit herzählen können;
3) sittliche Würde, Berechtigung des Bestehenden im Leben und Verfassung — ob dies wirklich Kriterium des Adels sey (seit den letzten 50 Jahren lässt es sich wohl schwerlich beweisen) hängt aber davon ab, ob der Geist und Sinn des Instituts noch lebendig sind, was kein Gesetz be- wirken kann.
16*
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Der Begriff des Adels ist allein ein politischer Begriff, und lässt sich nur an dem politischen Charakter festhalten. Nun ist aber der politische Charakter des deutschen Adels — vorzügliche Theilnahme an der Landesvertheidigung, und Bildung des Herrenstandes gegen den mehr oder weniger hörigen Landmann — grösstenteils untergegangen. Der Gesetzgeber, der dem Adel eine neue politische Haltung geben soll, kann ihn daher nur nach demjenigen nehmen und festhallen, was er von dem ehemaligen politischen Cha- rakter moralisch wirklich in sich erhalten hat.
§.96.
Ausser der Landstandschaft scheint es besser, alle sonst in einigen Provinzen noch mit dem Besitze der Rittergüter verknüpfte Rechte, wie z. B. Patrimonialgerichtsbarkeit, an dem Gute selbst kleben, und mit ihm auf jeden, auch nicht adlichen Besitzer übergehen zu lassen.
§.97.
In Baiern ist dies anders. Der Erwerb durch einen Nichtadlichen suspendirt nicht blos die Ausübung dieser Rechte, sondern dieselben erlöschen dadurch gänzlich. Diese Rechte werden daher nur, als solche, behandelt, die man nach und nach vernichten will. Diese Einrichtung hat doch aber unlaugbar die doppelte Unbequemlichkeit, dass sie diese Vorzüge (die bei uns bisher Nichladliche eben so gut aus- geübt haben) zu wirklich persönlichen, und dadurch unbil- ligeren des Adels macht, und dass das einzelne und allmäh- lige Aufhören derselben sogar in der Ausführung viele Schwierigkeiten hervorbringen muss. Sie führt, wie auch der Fall seyn soll, fast natürlich dahin, dass solche bürger- liche Erwerber von adlichen Gütern wieder geadelt werden, was der Ertheilung des Adels eine ganz schiefe Richtung giebt. Wenn gar auch das auf solchen Gütern ruhende Recht der adlichen Landstandschaft nicht wieder erwacht,
245
wenn das Gut abermals in Besitz eines Adlichen kommt, so würde damit auch die adliche Landstandschaft selbst einem allmähligen Aussterben ausgesetzt seyn.
§. 98.
Ein sehr schwieriger und schlimmer Punkt ist die, in einigen unsrer Provinzen noch bestehende Steuerfreiheit des Adels. Ihre Fortdauer scheint unmöglich. Dagegen ist die Auflegung einer Grundsteuer Verringerung des Werths des Guts, und gewiss ist es höchst nachtheilig, im Augenblicke der Einführung der Verfassung eine Klasse der Einwohner zu erbittern, oder nieder zu schlagen.
§. 99. "
Vielleicht wäre es ein Ausgleichungsmittel, wenn man, indem man den Adel unverzüglich besteuerte, ihm von Sei- ten des Staats ein dem Steuerbetrag gleichkommendes Ca- pital (allenfalls durch Domänenhypothek) versicherte, welches aber erst in so viel Jahren, und zinslos, bezahlt würde, als nöthig wäre, aus der jährlichen Steuer das Capital zu bil- den. Im Grunde bliebe der Adel dadurch auf so lanee steuerfrei, und der Staat sammelte die von ihm bezahlte Steuer für ihn zu einem Capital, das ihn wegen des Grund- verlustes entschädigte. Er aber gewöhnte sich, von dem jetzigen Augenblicke an, an die Zahlung einer Steuer, und erschiene, was sehr wichtig ist, auf einem gleichen Fuss mit allen übrigen Staatsbürgern.
§. 100.
Herr von Wangenheim will den Adel besteuern, allein als eine nothwendige Mittelklasse zwischen Landesherrn und Volk, nach einer geringeren Quote, als die andern Grund- eigenthümer. Dies aber würde keinen Theil befriedigen, und der politische Grund der geringeren Besteuerung ist zu theoretisch und allgemein, um die Gemülher versöhnen zu können.
246
§. 101.
Wer es mit dem Adel wohlmeint, kann nicht rathen, ihm irgend ein nutzbares, Geld bringendes Vorrecht zn las- sen. Dagegen hat der Staat allerdings die dringendsten Gründe, der Verringerung des Werthes seiner Güter, aus welcher sein Ruin entstehen kann, vorzubeugen. Ein ande- res Mittel, diese Verringerung wenigstens sanfter zu machen, wäre, die Steuerquote, die er zur allgemeinen Gleichstellung tragen müsste, ihm stufenweise von etwa 5 zu 5 Jahren, so dass die Gleichheit erst nach 20 erreicht würde, aufzulegen.
§. 102.
Bei dem Antheile aller übrigen Grundeigenthümer (aus- ser dem Adel, und den Städtern) an den ständischen Ein- richtungen würde man wohl schwerlich dieselbe Organisation in allen Provinzen machen können. Wenigstens wenn bloss der Steuersatz denselben bestimmen sollte, könnte dieser nicht derselbe seyn. Wenn man die verschiednen Fälle des Grundbesitzers im Allgemeinen durchgeht, so findet man:
1) adliche Besitzer von Rittergütern, in den Provinzen nemlich, wo noch jetzt ein gesetzlicher Begriff mit diesem Worte verbunden werden kann, was eigentlich nur von Berlin aus diesseits der Elbe der Fall ist; vielleicht auch im Herzogthume Westphalen;
2) nicht adliche Besitzer von Rittergütern;
3) Besitzer von Grundstücken, die nicht Rittergüter sind, allein eine solche Ausdehnung und solche Verhältnisse haben, dass sie nicht hauptsächlich vom Eigenthümer selbst bearbeitet werden;
4) eigentliche Bauern, das sind solche, die ihren Acker in der Regel und hauptsächlich selbst bestellen, und seit kürzerer oder längerer Zeit aus einem Verbände wirklicher Hörigkeit herausgetreten sind.
247
* 103.
In Absicht der dritten Classe herrscht zwischen den Preussischen Provinzen wohl der bedeutendste Unterschied, der daher, da er unstreitig auch die Cultumüancen unter den verschiedenen Classen angiebt, sorgfältig beachtet wer- den müsste.
§. 104.
Wo diese Classe ansehnlich ist und den Rittergutsbe- sitzern näher steht, als den Bauern, wird es keine Schwie- rigkeiten haben, die Individuen ad 2. (denn man kann dies nicht eigentlich eine Classe nennen) mit ihr zu vereinigen.
Sonst wird es nothwendig seyn, diese dennoch mit der adlichen Corporation für das landständische Geschält zu ver- binden, versteht sich immer nur da, wo von Wahl, nicht wo von Erbrecht in der Heirenbank die Rede ist. Denn es würde nicht gerecht seyn, diese Individuen, bloss wegen des mangelnden Adels, von aller Theilnahme an der Ver- fassung auszuschliessen, und nicht rathsam, sie mit den Bauern zusammen zu werfen, wo sie einen, ihnen gar nicht gebührenden unverhältnissmässigen Einfluss gewönnen. Es versteht sich aber immer, dass diese Individuen nicht zu- gleich ein städtisches Gewerbe treiben dürften, ohne von dem Anlheil an der Verfassung (den sie alsdann auf dem Lande hatten) ausgeschlossen zu werden.
§. 105.
Sehr nachtheilig würde es seyn, es der vierten Classe gewissermassen unmöglich zu machen, zu der Verfassung mitzuwirken. Wenn sie nicht die aufgeklärtere ist, ist sie eine schlicht vernünftige, am Lande und dem Bestehenden hängende, und gutgesinnte. Sie von der dritten bestimmt abzusondern, könnte nur da angehen, wo diese, wie vielleicht in einigen Provinzen der Fall ist, sich durch eigene gesetz- liche Bestimmungen, die mit ihnen verbunden sind, in einen
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bestimmten Begriff fassen lassen. Sonst kann man nur die beiden, oder drei letzten Classen verbinden, und nach dem Steuersatze den Antheil an der Verfassung festsetzen. Allein alsdann dürfte der Steuersatz ja nicht zu hoch seyn. Das Nachtheilige eines zu hohen zeigt sich bei der Baierischen Verfassung. Statt der vielen Postmeister wäre es wohl bes- ser, wahre, wenn auch etwas weniger bemittelte Bauern zu haben. Bei der Baierischen Verfassung scheint freilich die Absicht hierbei, wie bei der Geistlichkeit, dahin zu gehen, viele Mitglieder in der Versammlung zu finden, die wahr- scheinlich mit der Regierung stimmen.
ad 3. §. 106.
Der Punkt der Vereinigung der Provinzial- Stande in Einer Versammlung, oder ihre Theilung in mehrere Kam- mern scheint noch eine genauere Erörterung zu erfordern, als er in den anliegenden Aufsätzen gefunden hat.
Zuerst entsteht die Frage: nach welchem Grundsatz? und zu welchem Zweck soll die Theilung angenommen werden?
§. 107.
Man kann entweder bloss die Absicht haben, die Be- rathung ruhiger, einfacher, besonnener zu machen, und darum diejenigen zusammenbringen, welche ein am meisten gleiches Interesse haben, und die auch ihr tägliches Leben sich näher bringt; und dann ist nichts dagegen zu sagen, dass der Adel, die nicht adlichen Grundeigenthümer und die Städte drei verschiedne Kammern bilden. In diesem Sinne scheint die Sache in dem Aufsatz vom 27. März genommen, aber dann wird es schwer seyn, eine Art zu bestimmen, wie die Verschiedenheit der Meinungen unter diesen drei Kammern wird vereinigt oder entschieden werden können. Städte und plattes Land dann aber zusammenzuziehen, imd
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nur zwei Kammern zu haben, würde alsdann unpassend seyn, und die natürliche Lage der Dinge verändern. Diese Theilung wäre nur eine der verschiedenen möglichen Arten gemeinschaftlicher Berathung.
§. 108.
Ganz anders ist es, wenn eine Ständeversammlung in dem Sinne in zwei Kammern getheilt ist, in dem die eine als Ober- die andere als Unterhaus der andern zur Seite steht, jede das Verwerfungsrecht eines Vorschlages besitzt, und nur beide zusammen die Zustimmung geben können.
Auf diese Weise kann es nur zwei, nicht drei Kammern geben, und die beiden müssen durch einen wahren und we- sentlichen Eintheilungsgrund geschieden seyn, der darin liegt, dass die Landstandschaft in der einen erblich, in der andern auf Wahl beruhend ist, dass zu jener bloss Grundeigenthum, und wieder nur bedeutend ausgedehntes, und wenigstens zum Theil nothwendig erbliches, das ist fideicommissarisches Eigenthum den Zutritt giebt.
§. 109.
Eine solche Theilung der Kammern ist, strenge genom- men, in den Provinzial- Ständen nicht leicht, oder nicht überall möglich. Denn es ist kaum vorauszusetzen, dass in einer Provinz sich so viel Erbstände befinden, dass sie allein eine hinlänglich zahlreiche Kammer bilden könnten. Wäre dies indess der Fall, so würde auch kein Grund seyn, die adlichen Wahldeputirten dieser Kammer zuzugesellen, son- dern sie fänden, wie in den allgemeinen Ständen, natürlich ihren Platz in der zweiten Kammer mit den übrigen Grund- eigenthümern und Ständen.
§.110.
Auf gewisse Weise bedarf der Staat bei Provinzial- Ständen, eben sowohl als bei allgemeinen, einer doppelten Kammer. Denn für Provinzialgesetze sind Provinzial-Stände
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gerade dasselbe, als allgemeine, und er kann das Schicksal seiner Vorschläge nicht der Berathung in Einer Kammer, die überdies leicht tumultuarisch ist, anvertrauen. Bedenkt man aber wieder, dass eigentliche Provinzialgesetze, wie in der Folge gezeigt werden wird, an sich ziemlich bedenklich sind, und nicht häufig vorkommen werden, so verliert die- ser Grund viel an seinem Gewicht, und es scheint keine so wesentliche Sache, ob die Provinzial-Stände eine oder zwei Kammern bilden, wenn man auch nicht mit Herrn v. Vincke ganz gegen das Letztere seyn will. Das hier zunächst Fol- gende ist daher mehr zur Beurtheilung der anliegenden Aufsätze und für den Fall gesagt, dass man doch die an- scheinende Weitläufigkeit zweier Kammern nicht scheute.
§.111.
In dem mehrerwähnten Aufsatz werden den Erbständen in der höheren Kammer alle und nur adliche Wahldeputirte beigeordnet. Allein diese Bildung einer Kammer, welche das Verwerfungsrecht gegen die andere hat, aus blossen Adlichen, die doch nur zum kleinsten Theil Erbstände sind, scheint den Adel zu sehr von den andern Staatsbürgern ab- zusondern, bietet keinen wahren Eintheilungsgrund der bei- den Kammern dar, da dieser unmöglich in der adlichen Qua- lität allein liegen kann, und ist der Analogie der allgemeinen Stände, wo die YVahldeputirten des Adels nicht in der obe- ren Kammer sitzen, zuwider.
§. 112.
Die Herrenbank der Provinzialstände muss daher, wenn sie einmal nicht bloss aus wahren Erbständen (erblich und persönlich Berechtigten) bestehen kann, auf eine andere Weise zusammengesetzt werden. Um dies den Grundsätzen, auf welche die Theilung der Kammern in den allgemeinen Ständen beruht, so nahe kommend, als möglich, zu machen, muss daraus zuerst aller Geldreichthum ausgeschlossen und
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nur Grundeigenthum aufgenommen werden, vom Grund- eigentum aber auch nur dasjenige, was sich entweder durch nothwendige Erblichkeit oder durch seine Grösse auszeich- net. Sonach würde die Herrenbank bestehen:
1) aus den eigentlichen Erbstünden und der hohen Geist- lichkeit,
2) aus denjenigen Grundbesitzern, welche fideicommissa- rische Güter von einer zu bestimmenden Grösse hatten,
3) aus denjenigen, die einen Steuersatz bezahlen, welcher, nach Verschiedenheit der Provinz, da die obere Kam- mer nicht zahlreich seyn muss, den doppelten oder dreifachen der Abgeordneten in der untern Kammer ausmacht.
Bei den beiden letzten Classen wäre die Qualität des Adels gleichgültig, und die adlichen Wahldeputirlen von ge- ringerem Steuersatz nähmen in der untern Kammer ihren Platz.
Der Adel verliert nicht das Mindeste hierbei, sondern gewinnt vielmehr. Denn sobald er nur das Vorrecht be- hält, eine eigne Wahlcorporation zu bilden, und daher sicher ist, eine bestimmte Anzahl Glieder aus seiner Mitte unter den Ständen zu haben, und in der Person und der Abstim- mung dieser sich als einen politisch wohlthätigen Körper erweisen zu können, ist es vielmehr sein Vortheil, wenn seine Abgeordneten bei allen Theilen der gemeinschaftlichen Berathung gegenwärtig sind.
§. 113.
Es ist in der Badenschen Verfassung nicht zu loben, dass der Adel von der zweiten Kammer ganz ausgeschlos- sen ist. War die erste zahlreich genug, ohne die Abgeord- neten des Adels, so hätte man besser gethan, diese in die zweite Kammer zu setzen. War dies nicht, so konnte man sie nach dem Vermögen vertheilen.
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§• 114. Nach Herrn von Vincke sollen alle adliche Gutsbesitzer für geborne Mitglieder der Landstande erklärt werden. Den- noch fordert er zugleich auch ein zu bestimmendes Grund- einkommen, obschon ein geringes. Dies giebt dem Adel, scheint es, was er eigentlich nicht besitzen soll, und nimmt ihm wieder, was ihm zukommt. Bloss darum, weil man adlich und nicht ganz arm ist (ohne andre Kriterien wahrer Erbstande), geborner Landstand, und über alle Wahl hinweg- gesetzt zu seyn, ist ein wahres und zu grosses Vorrecht. Dagegen wenn man auch adlich, auch angesessen, allein nicht dem eigentlich adlichen Steuersatz gemäss begütert ist, auch gar kein adliches Corporationsrecht, weder als Wählender, noch Gewählter auszuüben, sondern mit den Nichtadlichen zu wählen, und wenn es sonst angeht, ge- wählt zu werden, nimmt dem Adel zu viel, und räumt dem blossen Reichthum unter dem Adel zu viel ein. Nach dem hier aufgestellten System kann jeder angesessene Adliche unter seines Gleichen zur Wahl mitwirken, und übt also ein volles Corporationsrecht aus. Erst ob er gewählt wer- den kann? hängt von der Grösse des Grundbesitzes ab. Hält man es in den allgemeinen Ständen für gut, dass der Adel auch in der zweiten Kammer Sitz hat, so ist nicht ab- zusehen, warum dasselbe nicht bei den Provinzial-Ständen gut seyn soll. Auf jene Stände-Versammlung aber hat Hr. v. Vincke gar keine Rücksicht genommen. Denn es ist offenbar, dass in keiner beider Kammern der allgemeinen Stände alle adliche Gutsbesitzer von so kleinem Einkommen Platz finden können. Nun bleibt nichts übrig, als hier das Einkommen zu vergrössern, und alle übrige Adlichen ganz von der allgemeinen Versammlung auszuschliessen. Dadurch verliert aber der Adel sehr bedeutend, da eine grosse Menge
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Adlicher alsdann weder passiv noch activ an der allgemei- nen Versammlung Theil nehmen.
§. 115.
Diese Abtheiluns: in zwei Kammern müsste überall da stattfinden, wo die Provinzial-Stände der Regierung gegen- übertreten; daher bei Berathung über Gesetzentwürfe, bei Vorschlagen eigener, und bei Beschwerdeführung. Nur was beide Kammern billigten, könnte als Beschluss der Provin- zial-Stände angesehen werden.
§.116.
Wo die Provinzial-Stände verwaltend und über ihre Verwaltung berathend handeln, und also nur im Verhältniss zu sich selbst sind, wäre die Deliberation in einer Versamm- lung viel besser, und da doch nur ein Ausschuss hierzu seyn kann, fast nothwendig. Auch werden dies meist nur Versammlungen der Präsidialbezirke, also minder zahlreiche, seyn. Dieses Wirken der Provinzial-Stände, bald in verei- nigter, bald in getrennter Form, hätte auch das Gute, dass es die Mitglieder nahe brächte, ohne sie mit einander zu vermischen. Es bedarf indess kaum bemerkt zu werden, dass, sobald besondere Angelegenheiten einer Corporation, wie z. B. der städtischen vorkommen, die Versammlung sich auch nach Corporationen trennen könnte.
§• 117. Man muss sich darauf gefasst machen, dass es von man- chen Seiten her Widerspruch erregen wird, wenn man dem Adel jenseits des Rheines wieder politische Geltung giebt. Baiern hat es, wenn es auch in seinen überrheinischen Di- strikten noch Adel geben sollte, in denselben schon dadurch nicht gethan, dass wo der Adel politisch auftreten soll, er allemal grundherrliche Rechte besitzen muss, die dort nicht sind, und die man sich auch sehr hüthen müsste, wieder einzuführen. Wenn, wie es scheint, in Absicht der Anzahl
und der Besitzungen des Adels ein grosser Unterschied zwischen den ehemaligen Provinzen Cleve, Jülich, Berg und Marck und den übrigen ist, so könnte man wohl darauf kommen, diese lieber mit Westphalen in landständischer Ver- fassung zu verbinden, als mit dem Herzogthum Niederrhein, oder in diesem Präsidialbezirksversammlungen vorzuziehen. Allein es ist sehr zu bezweifeln, dass die Stimmung so allgemein gegen den Adel in jenen Provinzen sey. Wenn sie es aber seyn sollte, so muss man dieselbe auf eine sanfte Weise zurückzuführen suchen. So lange der Rhein auf der einen Seite ehemalige deutsche Institute von bloss neufran- zösischen auf der andern scheidet, ist an ein volles Aneig- nen der jenseitigen Provinzen nie zu denken. Sie werden sich, da nichts so grosse Macht, als politische Institutionen, hat, nothwendig zu dem hinneigen, was ihnen mehr ähnlich ist. Auf die hier angegebene Weise kann die Wiederbele- bung des Adels keine gegründete Beschwerden erregen. Er hat schlechterdings keine Vorrechte, er nimmt seinen Platz überall bei den andern Grundeigenthümern. Weiter aber dürfte man auch, wenigstens in den obern Rheinprovinzen, gewiss nicht gehen, und ja nicht durch absichtliches Adeln das Ansehen haben, geflissentlich den Adel wiederherstellen zu wollen. Zeit und Gewohnheit haben dort mächtig ge- wirkt; man würde wirklich die Gemüther entfernen, und die Regierung würde den Schein gewinnen, ihnen gewaltsam entgegen wirken zu wollen. Die bürgerlichen Vorrechte des Adels müssen auch diesseits des Rheins nach und nach aufhören, den Adel selbst aber, als politische Corporation, muss man jenseits mit Vorsicht wieder erwecken. Nur so kann sich Alles ausgleichen und der Begriff organisch ge- bildeler Stände an die Stelle einer, nach vorhergegangner allgemeiner Nivellirung, auf blossen Zahl- und Vermögens- verhältnissen beruhender Volksrepräsentalion treten. Bei
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dem Allem aber scheint es immer viel ausgemachter, dass man in den Rheinprovinzen mit dem Adel nicht weiter, als dass man nur so weit gehen könne, und es kommt dabei immer noch auf genaue Kenntniss aller Distrikte an. Dass aber der Nieder- und Oberrhein in den Stünden nicht ge- trennt würde, dürfte, wenn jener noch mehr den ehemaligen Verhältnissen treu geblieben seyn sollte, gerade zu gehöri- ger Mischung der Meinungen und Gesinnungen erspriess- lich seyn.
§. us.
Der Geschiiftskreis der Provinzial- Stände, insofern sie nicht verwalteten, würde sich ausdehnen
1) auf Zustimmung zu Provinzialgesetzen und Bewilligung provinzieller Steuern;
2) auf Berathung über allgemeine Gesetze und Steuern aus dem Standpunkte der besondern Verhältnisse der Provinz;
3) auf eigene Vorschläge zu Gesetzen und Einrichtungen;
4) auf Beschwerdeführungen.
§.119. Der erste Punkt ist zwar durch sich selbst klar. Allein er macht doch eine eigene verwahrende Bemerkung noth- wendig. Da es allen Grundsätzen zuwider laufen würde, dass die Regierung allein mit Einer Provinz ein Gesetz zu Stande brächte, welches auf irgend eine Weise auch auf eine an- dere, oder den ganzen Staat einen hemmenden, oder bela- stenden Einlluss haben könnte, so muss der Begriff des provinziellen Gesetzes im allerengsten Sinne in diesem Falle genommen, oder wenn der direkte Einlluss eines solchen Vorschlages sich auf eine andere Provinz mit erstreckte, auch diese um ihre Zustimmung befragt werden. Da aber in dem jetzigen Zustande der bürgerlichen Gesellschaft ei- gentlich kein Gesetz, welches eine ganze Provinz betrifft,
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für den Staat und die allgemeine Gesetzgebung gleichgültig seyn kann, so dürfte es wohl nothwendig seyn, bei jeder allgemeinen Ständeversammlung die in der Zwischenzeit ihrer Zusammenkünfte beliebten Provinzialgesetze vorzutra- gen, und bestätigen zu lassen, ohne dass die Nothwendig- keit dieser Bestätigung jedoch hindern dürfte, solche Gesetze schon vorher provisorisch in Ausübung zu bringen. Erhö- ben sich Stimmen gegen eines, oder das andre, so müsste erst durch beide Kammern die Frage entschieden werden, ob der ganze Staat wirklich ein so nahes Interesse bei der Massregel habe, um einen Einspruch zu begründen. Würde dies bejaht, so müsste das Provinzialgesetz, Avie jedes andere allgemeine, einer neuen Berathung unterworfen werden.
§. 120.
Bei dem zweiten Punkte muss die Beurtheilung, ob die Provinzial- Stände, und welche befragt werden sollen? der Reffierune; anheim°estellt bleiben. Hierbei kann die Stimme der Provinzial-Stände nur berathend seyn, und es muss je- des Abschweifen von dem schlicht provinziellen Standpunkt sorgfältig vermieden werden. Versäumt die Regierung da, wo sie es hätte thun sollen, die Provinzial-Stände zu Rathe zu ziehen, so steht es immer in der allgemeinen Versamm- lung, wo jeder Gesetzentwurf vorkommen muss, den Ab- geordneten der betreffenden Provinz frei, selbst ihre, auf ihren Standpunkt berechneten Erinnerungen zu machen, auch in Anregung zu bringen, den ganzen Entwurf erst an die Provinzialversammlung zurück zu verweisen.
§. 121.
In Absicht des dritten Punkts muss immer der Grund- satz festgehalten werden, dass die Provinzial-Stände so we- nig, als die allgemeinen, jemals die Initiative der Berathung nehmen können. Sie können daher nie die Regierung ge- wissermassen nöthigen, über einen Vorschlag in Diskussion
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einzugehen, und ihre Vorschläge seihst müssen nur im All- gemeinen, mehr um den Gegenstand anzuzeigen, als um ihn auszuführen, gemacht werden. Die anzubringenden Vor- schläge werden am Ende der Sitzung mit den Beschwerden in einen und denselben Beschluss gel'asst, und es hängt von der Regierung ab, ob sie auf dieselben in der nächsten Sitzung eingehen will, oder nicht. Dagegen müssen die Be- schwerden allemal und einzeln erledigt werden.
§ 122.
Es ist in den anliegenden Aufsätzen eines landesherrli- chen Commissarii hei der Versammlung erwähnt. Wenn es einen solchen geben soll, so würde es nicht gut seyn, dass er zwar bei der Berathung, nicht aber der Abstimmung zu- gegen seyn könnte. Es verräth dies schon einiges Miss- trauen, und sobald es eine Zeit gäbe, wo der Commissarius nicht zugegen seyn dürfte, so würde es nicht fehlen, dass, unter dem Vorwand der blossen Abstimmung, auch gespro- chen würde, und dies würde kleinliche Neckereien und Hän- del herbeiführen.
§, 123.
Sollte, und kann es aber füglich einen landesherrlichen Commissarius, insofern dies Eine bei allen Sitzungen immer gegenwärtige Person seyn soll, bei den Versammlungen geben? Ihn den Vorsitz führen, oder die Polizei in der Versammlung machen zu lassen, dürfte dieser, die ihren Präsidenten in der untern Kammer selbst wählen und ihn die Ordnung erhalten lassen muss, zu viel vergeben.
Es scheint daher besser, den obersten Personen der Provinzialbehörde, den Oberpräsidenten, Präsidenten und den Direktoren das Recht zu ertheilen, wenn und so oft sie wollen, in den Versammlungen zu seyn, nicht aber um sich, wo sie nicht Gesetzentwürfe vorschlagen, oder vertheidigen, in die Beratschlagungen zu mischen, sondern nur um voll- vii. 17
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ständige Kenntniss von denselben zu nehmen. Es würde ihnen natürlich verstallet seyn, wo sie, wenn von Vorschlä- gen oder Beschwerdefühl ungen die Rede wäre, faclische Aufklärungen geben könnten, dies unaufgefordert zu thun; allein auf keine Weise müsslen sie die Berathung lenken oder gar zurecht weisen wollen. Dagegen müsste der Ober- präsident, oder wenn man es für gut hielte, einem eignen Commissarius dies Geschält zu übertragen, alles dasjenige bei den Provinzial- Ständen thun, was bei der allgemeinen Sache des Landesherrn ist, öffnen und schliessen, und auch mit dem Rechte die Versammlung zu suspendiren versehen seyn, wenn er den Fall eingetreten glaubte, dass der Lan- desherr sie auflösen müsste. Auf diese Weise wäre ihm der Präsident der Versammlung indirekt für die Erhaltung der Ordnung und des Auslandes verantwortlich.
§• 121. Die Zusammenberufung der Provinzial-Stände kann na- türlich nicht anders, als vom Landesherrn ausgehen, allein es würde nothwendig seyn, zu bestimmen, dass sie alle zwei Jahre versammelt werden müssten.
Allgemeine Stände ver Sammlung.
§. 125.
Ueber die allgemeine Ständeversammlung wird hier, wo nur die höchsten Grundsätze berührt werden sollen, kaum noch etwas zu sagen seyn, was nicht schon bei den Provinzial-Ständen erwähnt worden wäre.
§. 126.
Die obere Kammer kann bei den allgemeinen Ständen allein aus persönlich zur Landstandschaft berechtigten Per- sonen bestehen, nicht aus gewählten. Es treten in sie na- türlich die Königlichen Prinzen, nach diesen die Mediatisir- ten, die Schlesischen Standesherrn, und von dem übrigen
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Adel diejenigen, weiche das bedeutendste Grundeigenthum besitzen, wozu es wohl nöthig seyn würde, einen gewissen Satz zu bestimmen; nach diesen die Häupter der katholi- schen und protestantischen Geistlichkeit. Ob der Landes- herr nach seinem Gutfinden, auch Personen, die gar kein oder kein grosses Grundvermögen besitzen, zu Erbständen für ihr ganzes Geschlecht, oder zu Mitgliedern der obern Kammer für ihre Lebenszeit soll ernennen können, ist eine nicht unwichtige Frag'e. Eigentlich wird das wahre Wesen der obern Kammer dadurch unzweckmässig alterirt, es würde aber dem Landesherrn zu sehr die Hände binden, nicht das Recht dazu zu besitzen. Es wird also gut seyn, es in die Verfassung aufzunehmen, aliein Staatsmaxime bleiben müs- sen, nicht häufig von diesem Rechte Gebrauch zu machen. Ist dies Recht bei den allgemeinen Ständen vorhanden, muss es auch bei den Provinzialständen seine Anwendung finden können. Mit der eigentlichen Erbstandschaft müsste wohl, wie schon oben bemerkt worden, nothwendig die Verbind- lichkeit verknüpft werden, einen Theil des Grundvermögens, dessen Maximum und Minimum bestimmt werden müsste, als Majorat zu vineuliren. Wer sich dazu nicht verstehen wollte, könnte nicht Erbstand seyn.
§, 127. Die zweite Kammer würde zusammengesetzt, wie die- selbe in den Provinzialversammlungen, und sie bestände daher aus Adiichen, Abgeordneten der übrigen Landeigen- thümer, und der Städte. Es dürfte aber wohl rathsam seyn, zur Wahl zu Abgeordneten in den allgemeinen Ständen ei- nen höheren Steuersalz zu bestimmen, als zur Wahl zu den Provinzialständen. Denn sonst würde dieser Satz entweder für die allgemeine zu niedrig, oder für die andere zu hoch werden. Es ist auch eher möglich aus dem Kreise be-
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schränktet' Verhältnisse die Angelegenheiten der Provinz, als die des ganzen Landes mit Richtigkeit zu beurtheilen.
§. 128.
Die Abgeordneten der Universitäten könnten nur in die zweite Kammer eintreten, schon aus dem Grunde, weil es natürlich ist, diese Abgeordneten durch Wahl bestimmen zu lassen, und Wahlstände in der obern Kammer nicht Platz linden können.
§. 129.
Es ist im Vorigen die periodische Bewilligung der Steuern für nicht rathsam erklärt worden. Dagegen müsste den allgemeinen Ständen, bei ihrer jedesmaligen Zusammen- berul'ung, die Lage des Staatshaushalts, und des Schulden- wesens genau vorgelegt werden. Den Ständen müsste frei stehen, Bemerkungen über mögliche Ersparungen zu ma- chen, und wie sich von selbst versteht, Beschwerden über vorkommende Unregelmässigkeiten zu führen, und die Mi- nister müssten gehalten seyn, hierauf augenblicklich zu ant- worten. So lange indess von keiner neuen Steuer und kei- ner Veräusserung und Anleihen die Rede wäre, müsste es immer bei der Regierung stehen, die vorgeschlagene Anord- nung zu machen oder nicht, da den Ständen keine Einmi- schung in die Verwaltung gestattet werden kann.
§. 130.
Die Minister müssen das Recht haben, in beiden Kam- mern jedesmal zu erscheinen, und allen Verhandlungen bei- zuwohnen. Zur Vertheidigung von Gesetzentwürfen können ihnen Rälhe zugeordnet werden.
§. 131.
Die allgemeinen Stände müssten wenigstens alle vier Jabre zusammenberufen werden, und es würde gut seyn, um den Zusammenhang zwischen ihnen und den Provinzial- ständen zu erhalten, die letzteren allemal unmittelbar vor,
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oft auch unmittelbar nach jenen zu versammeln, je nachdem die Vorbereitung der Berathungen der allgemeinen Ver- sammlung, oder die Ausführung ihrer Beschlüsse es er- forderte.
§. 132. Die Zulassung von Zuhörern in den standischen Ver- sammlungen hat allerdings Unbequemlichkeiten, und es muss in jeder Art vermieden werden, dass sie dieselben nicht in eine Art von .Schauspiel verwandelt. Auf der andern Seite ertödtet die ausdrückliche Versagung dieser Art der Oeffent- lichkeit den Geist, und es ist auch unleugbar, dass es, vor- züglich für junge Männer, die sich selbst dein Geschäftsleben widmen, überaus nützlich ist, ein anschauliches Bild ordent- lich und gründlich geführter ständischer Berathungen vor sich zu haben. Es würde daher, um den Missbrauch zu verhüten, hinlänglich seyn, die Zahl der Zuhörer zu be- schränken, Frauen ganz auszuschliessen, und durch die Ab- geordneten selbst dahin wirken zu lassen, dass der Zutritt zur Versammlung nicht aus Neugierde , oder Parteisucht, sondern nur aus wahrem Anlheil am öffentlichen Geschäfts- leben gesucht würde.
Wähle n.
§. 133.
Es ist schon im Vorigen als Grundsatz aufgestellt wor- den, dass die Wahlen zu den drei verschiedenen Stufen ständischer Autoritäten, den Verwaltungsbehörden, den Pro- vinzial- und den allgemeinen Standen, sämmtlich unmittelbar vom Volke ausgehen müssen.
Herr von Vincke lässt die Behörden und Provinzial- stände vom Volke wählen, allein die Abgeordneten zu den allgemeinen Ständen sollen durch die Provinzialstände (ohne dass gesagt ist, ob auch aus ihrer Mitte oder nicht) gewählt
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werden. Einer der übrigen Aufsätze bestimmt, dass die Volkswahlen gleich angeben sollen, welche unter den Ab- geordneten zu den Provinzialständen es auch für die allge- meinen seyn sollen. Beide Meinungen gehen von der hier vorgetragenen ab, haben aber eine sehr merkwürdige Nuance. Herr von Vincke kann so verslanden werden, dass die Pro- vinzialstande nur die Wahlenden sind; nach dem andern Aufsatze sind sie die Gewählten. Die hier aufgestellte Mei- nung erfordert daher eine ausführlichere Rechtfertigung, und es wird nur vorläufig bemerkt, dass Herrn von Vincke's Meinung die annehmbarere scheint, obgleich sie, eigentlich ganz gegen sein sonstiges System, eine Wahl durch Zwi- schenstufen aufstellt. Denn was wären die Provinzialslände anders, als ein Collegium von Wahlen? Gewiss nicht zu billigen wäre es, wenn die Provinzialslände gar aus ihrer Mille wählen sollten, und also Wähler und Gewählte zu- gleich wären. Die Majorität in ihnen und somit ihr ganzer individueller Amtsgeist und Amtscharakter gingen alsdann unmittelbar in die allgemeine Versammlung über. Aufs Höchste dürfte man nicht zu untersagen brauchen, dass die \\ ahler in der Nation auch Mitglieder der Provinzialstände m allgemeinen Abgeordneten machten.
§• 134. Die drei genannten Körper einen aus dem anderen her- vorgehen zu lassen, würde Einseitigkeit zur Folge haben, und die Geschiedenheit des Corporationsgeistes hervorbrin- gen, der um so schädlicher seyn müsste, als hier nicht von Volkscorporationen, sondern von Aintscorporationen die Rede wäre. Deputirte, die zugleich Mitglieder der Provinzialver- sammlungen sind, werden zu leicht bloss Organe dieser Ver- sammlungen, anstatt rein ihre eigene Meinung, oder die öf- fentliche ihrer Provinz auszusprechen, da es nicht fehlen kann, dass eine Versammlung nach einiger Zeit einen ge-
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wissen Charakter und gewisse Maximen annimmt. Dieser Nachtheil scheint den Vortheil aufzuwiegen, den es sonst allerdings hätte, in der allgemeinen Versammlung bloss Män- ner zu finden, die schon an den ßerathungen in ihrer Pro= vinz thätigen Antheil genommen haben.
Die Regierung würde sich auch umsonst einbilden, vor Widerspruch oder neuernden Vorschlügen dadurch sichrer zu seyn. Amtskörper widerstehen, wie man an den Parla- menten in Frankreich gesehen hat, mit dem Eigensinn von Individuen, nur verstärkt durch die Mehrzahl. Der Munizi- palgeist würde in die Provinzialstände, der dieser in die all- gemeinen übergehen, und da er in den verschiedenen Pro- vinzen nicht derselbe seyn kann, so würden in den allge- meinen Ständen schroff geschiedene Massen starr neben einander dastehen. Dagegen wird die vernünftige Stimme der Nation viel deutlicher zu erkennen seyn, wenn in der allgemeinen Versammlung Männer zusammentreten, die zwar mit Allem, was in der Provinzialversammlung vorgenommen worden ist, vertraut sind, aber nicht selbst Theil daran ge- nommen haben, und wenn nur an die allgemeine Versamm- lung zugleich, wie in vielen Gelegenheiten der Fall seyn muss, das amtliche Gutachten der Provinzialversammlung gelangt. Wenn diese, wie sich voraussehen lässt, sich mehr hinneigt, der Advokat der Provinz zu seyn, so werden die unmittelbar aus dieser in die allgemeine Versammlung tre- tenden Mitglieder sich um so freier glauben, als die amt- liche Verwahrung der Provinzialrechte vorhanden ist. Auch halten Individuen nie so einseitig zusammen, wenn sie bloss aus derselben Landschaft gewählt, als wenn sie schon als Collegen in demselben Geschäfte verbunden gewesen sind. Auf diese Weise wird die allgemeine Berathung ein Cor- rectiv für die Provinzialstände, und für die Provinzialabge- ordneten in jener seyn, wenn einer dieser beiden Theile das
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Provinzialinteresse zu warm oder zu nachlassig vevtheidigen sollte. Das Volk in den Provinzen wird selbst ihm lästig fallende Gesetze mit versöhnterem Gemüth aufnehmen, da der Fall doch selten seyn wird, dass der allgemeine ße- schluss zugleich ganz gegen das Gutachten der Provinzial- versammlung, und gegen die Abstimmung der Mehrheit der î'rovinzialabgeordneten ausgefallen wäre. In den Provinzial- ständen selbst endlich könnte die Möglichkeit, welche die Minorität für sich hätte, doch, indem sie wieder die Bera- thung in der allgemeinen Versammlung theilte, noch den ■Sieg davon zu tragen, einen sehr schädlichen Partheigeist, Rechthaberei und Eifersucht bewirken.
§. 135.
.Man muss sich überhaupt nicht verhehlen, dass der grosseste und gegründetste Vorwurf, welcher dem hier auf- gestellten Systeme gemacht werden kann, der ist, dass er die Nation zu sehr in verschiedene '1 heile spaltet. Man muss daher kein Mittel versäumen, um diese Spaltung, so wie sie von gewissen, und den wichtigsten Seiten offenbar heilsam und wohlthätig ist, nicht von andern nachtheilig werden zu lassen.
§. 136.
Die ganze Frage, ob es überhaupt Provinzialslände ge- ben soll? ist in diesen Blättern mehr als schon entschieden betrachtet, dann erst erörtert worden. Dies hat den natür- lichen Grund gehabt, dass hierüber der Wille der Regierung ausgesprochen, und vielmehr die Existenz der allgemeinen Versammlung problematisch scheint.
Es ist nicht zu läugnen , dass, wenn man schon die grosse Verschiedenheit der einzelnen Provinzen der Preussi- schen Monarchie als eine Schwierigkeit für die ständische Verlassung ansieht, die wahre und geflissentliche Ausbildung dieser Verschiedenheil in jeder Provinz diesen Uebelstand
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zu vermehren scheint. Allein die Einheit eines Staats be- ruht nicht gerade auf der Einerleiheit der bürgerlichen und politischen Verhältnisse in allen seinen Theilen, sondern nur auf der Gleichheit des Antheils aller an der Verfassung, und auf der festbegründeten Ueberzeugung, dass die eigenthüm- lichen, und daher jedem gewohnten und werthen Einrich- tungen nur in so ferne sicheren und gefahrlosen Bestand linden, als man zusammen unverbrüchlich am Ganzen hängt. Zerschlagen eines grossen Landes in lauter winzige Theile, deren jeder mit gar keiner Art von Selbstständigkeit auftre- ten kann, erleichtert offenbar den Despotismus; es bleibt aber dem Zufall und der Stärke der Parteien überlassen, ob derselbe wird von der Regierung, oder von der Volks- vertretung ausgeübt werden. Es ist nicht zu läugnen, dass Sieyes, der Urheber dieser Maassregel in Frankreich, da- durch mit sehr richtigem Blicke, die Revolution organisirt, und auf gewisse Weise perpetuirlich gemacht hat. In Eng- land haben die einzelnen Grafschaften einen ganz anderen inneren bürgerlichen Verband, als die Französischen Depar- tements, und ein ganz anderes Gebietsverhältniss zum Gan- zen. Die Eintheilungen der ständischen Verfassung müssen auch nothwendig den Eintheilungen der Verwaltung folgen. Daher würde auch die in dem Schlosser'schen Aufsatze über die Grmidzüge angedeutete Maassregel nicht zweckmässig seyn, nemlich die, die ständischen Verfassungen nach der Einheit und Verschiedenheit zu theilen, welche zwischen den Landesgebieten in Rechts- und Sittenverhältnissen ist, so viel es sonst für sich hätte, und mit diesen Verfassungen die Eintheilungen der Verwaltung zu zerschneiden. Macht eine Provinz ein Mal einen Verwaltungsbezirk, so besitzt dieser Bezirk auch ein gemeinsames landschaftliches Inter- esse, gemeinsame Angelegenheiten, hat gemeinsame Be- schwerden gegen die Regierung zu führen. Es muss also
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auch eine landständische Behörde der Provinz geben. Nun könnte man zwar diese abschliessend auf die Besorgung ihrer inneren Angelegenheiten, und übrigens nur auf Be- schwerdefiihrung gegen die Regierung beschränken. Aber diese Beschränkung würde nie verhindern, dass sie nicht, bei Gelegenheit und unter dem Vorwande der Beschwerde wenigstens, weiter ginge; es würde grosse Missstimmung erregen, dass sie sich in so engen Schranken gehalten fühlte, und die Regierung würde selbst weiter gehen müssen, oder sich ihres Raths bei rein provinziellen Einrichtungen berau- ben. Zugleich ginge der ungeheure Nachtheil hervor, dass dann die allgemeine Versammlung auch ganz provinzielle Gesetze beständig in ihre Beralhung ziehen müsste, ohne die nothwendige Kenntniss der besonderen Verhältnisse zu besitzen. Nichts aber befördert (die Ungerechtigkeit für die- jenigen abgerechnet, welche ein solcher Beschluss trifft) so sehr die Ausartung einer vernünftigen und gründlichen Dis- kussion in leeres Geschwäz und hohle Theorie.
§. 137.
Provinzialstände sind daher, wenn man auch ihr jetziges Bestehen, wie man doch nicht kann, gänzlich hintansetzen wollte, in der Preussischen Monarchie durchaus nothwendig. verhindern die Gefahr, nicht einer, ohnehin nicht zu besor- genden Revolution, aber eines abgeschmakten Hin- und Her- schwatzens von Seilen der allgemeinen, und werden die Berathungen dieser erst recht heilsam und wohlthätig machen.
§. 138.
Der zweite Grundsatz bei den Wahlen wäre, dass jeder Stand nur Personen aus seiner Mitte, und jede Distrikte- Wahlversammlung nur in dem Kreise zu dem sie gehörte, eingesessene Personen wählen könnte. Es ist ein notwen- diges Erforderniss, dass der Wählende den zu Wählenden aus der Nähe, und nicht bloss durch den Ruf und von
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Hörensagen kenne. Es ist auch heilsam, dass die Provin- zialversammlung sowohl, als die allgemeine, so viel als mög- lich, aus allen Theilen der Monarchie Mitglieder erhalte, und endlich sind als standische Deputirte vorzüglich solche Per- sonen wichtig und wohlthätig, welche genau mit allen prak- tischen Verhältnissen bekannt sind.
Herr von Vincke ist dagegen, dass die Wahlen nach Standen geschehen. Er will die Wahlversammlungen üherall, wie es scheint, aus der ganzen qualilizirlen Bevölkerung zusammensetzen. Ich sehe aber den Grund nicht ein. Jeder wird lieber und besser wählen, wenn er in seinem gewöhn- ten Kreise bleibt, als sich in der Menge verliert. Verwicke- lung ist nicht zu fürchten. Sie wäre es nur dann, wenn man die Stande und Korporationen vervielfältigte. Allein hier hat man bloss Adel, Grundeigentlüimer und Städter aufgestellt, und nur in wenigen grossen Städten theilten sich die einzelnen Korporationen, und dort auch sie nur in sehr einfache Massen. Diese städtischen Korporationen müssen auch nicht in ihrer Wahl auf sich selbst beschränkt seyn, sondern eine qualifizirle, aber sonst beliebige, Person aus der Stadt oder bei kleinen aus dem Distrikt überhaupt wüh- len können. Insofern hier die Wähl auf den Stand beschränkt ist, werden unter Ständen nur die drei grossen Abtheilun- gen: Landmann, Städter und Adel verstanden. Wo die Ein- wohner einer Stadt zu wenig zahlreich sind, um eine eigene Wahlversammlung auszumachen, versteht es sich ohnehin, dass sie, selbst auch als Wählende, sich mit dem platten Lande des Distrikts vereinigen müssen.
§. 139.
Der dritte Grundsatz endlich ist, dass die Wahlen, ohne Mittelstufen geschehen müssen. Dies ist in Herrn von Vincke's Aufsätze sehr gut auseinander gesetzt. In der That liegt etwas durchaus Unnatürliches darin, die Wählenden erst
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wieder Wähler wählen zu lassen. Das Erste ist doch, wenn man gute Wahlen fordert, dass man sich in den Sinn der Wählenden versetzt, und sich fragt, was diese sich hei der Wahl denken sollen? Nun kann auch ein beschränkter Kopf gewissermassen beurtheilen, ob Cajus oder Titius vernünftig handeln und sprechen wird. Er hat ihn doch im Privat- leben und in den örtlichen Verhältnissen handeln sehen und sprechen hören, er kennt seinen Charakter, seine Verbindun- gen, sein persönliches Interesse. Dagegen zu beurtheilen, ob Cajus oder Titius eine vernünftige oder unvernünftige Wahl machen wird? ist genau genommen, auch dem Klüg- sten und Umsichtigsten unmöglich, und auf alle Fälle un- gleich schwieriger. Denn es setzt, wenn es nur mit einiger Vernunft gemacht werden soll, die 2fache Ueberlegung vor- aus, einmal auf welche Person wohl die Wahl von Cajus und Titius, nach der Art ihrer Verbindungen, Meinungen, Interessen fallen wird? und zweitens ob diese Personen nützliche Deputirte seyn werden?
§. 140. Dies muss jedem auf den ersten Anblick einleuchten. Die Vertheidiger der Zwischenstufen bei Wahlen haben da- her auch nur gewöhnlich zwei Gründe: zu zahlreiche Wahl- \ ersammlungen zu vermeiden, und von Seiten der Regierung zu versuchen, die Wahlen nach ihren Absichten zu leiten, was bei einer kleinen Anzahl von Wählern leichter erscheint. Das Leiten der Wahlen durch die Regierung, wenn es einen andern Zweck hat, als wahre Intriguen der Beamten zu ver- hindern, durch welche die Wählenden irregeführt werden, ist überhaupt eine missliche Sache, deren sich eine starke und billige Regierung besser enthält. Auch mit der grosse- sten Vorsicht unternommen, bringt es leicht ganz andere, als die beabsichtigten Resultate hervor, und so wie es ein nothwendiges Uebel da seyn mag, wo einmal Parteigeist
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entschieden herrscht, so befördert es denselben unausbleib- lich. Dass die Wahlversammlungen allzu zahlreich seyn sollten, wird nicht überall eintreten, da es vom Steuersatz und mithin vom Wohlstande der Provinzen abhängt. Wo die Zahl der zu wählenden Abgeordneten für die Zahl der Wähler, um sie noch füglich in Eine und dieselbe Versamm- lung zu vereinigen, zu klein wäre, was bei den Abgeordne- ten für die allgemeinen Stände leicht der Fall seyn dürfte, da könnte man eine doppelte Anzahl wählen und hernach das Loos entscheiden lassen, wer von den Gewählten Ab- geordneter oder Suppléant seyn sollte. Auf diese Weise könnte zwar der Zufall die Ausübung des Wahlrechts eines Distrikts fruchtlos machen, aber die Bewohner desselben selbst würden vermuthlich dies einem so mittelbaren Wahl- recht, als das Volk beim System der Zwischenstufen aus- übt, vorziehen. Dass Suppléants gewählt werden, ist, um die Wahlen nicht zu unregelmässigen Zeiten nöthig zu ma- chen, an sich rathsam. Wenn es ihrer aber geben soll, so hätte die erwähnte Einrichtung auch den Vorzug, dass, da man nicht vorher wüsste, wer Suppléant, wer Abgeordneter seyn würde? die Wahl beider mit grösserem Ernst geschähe, was, so wie bestimmt zum Suppleiren gewählt wird, leicht mangeln kann. Die Unbequemlichkeiten bei selbst sehr zahl- reichen Versammlungen zu vermeiden, giebt es übrigens ein sehr einfaches Mittel. Man eröffne Register, man lade jeden Wähler ein, seine Stimme einzuschreiben, so ist keine Ver- sammlung, kein Tumult, die Wähler kommen nach einander, ihre grosse Anzahl macht nur das Geschäft länger. So ist es eigentlich in England. Die wahren Wähler kommen und gehen; die bleibenden, die Redner, die bei uns billig weg- fallen, Zuhörenden sind ganz andere und nicht mitwählende Personen. Alle tumultuarische Auftritte kommen grösstentheils von diesen, welche von den Bewerbern angehetzt werden, her.
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§1 141.
Da die Wähler, als Zwischenstufe, aus einer Klasse mit höherem Steuersätze genommen zu werden pflegen, so wird dies noch gewöhnlich, als ein Vorzug dieses Systems ange- führt. A her es wäre dann viel besser, die Scheinwahl des in erster Stufe wählenden Volkes aufzuheben, und den Steuersatz der \\ ähler zweiter Stufe zum Wahlerforderniss überhaupt zu machen. Da aber dieser wieder zu hoch seyn dürfte, so wird es am besten seyn, ihn zwischen demjenigen zu nehmen, den man beiden Stufen anweisen würde.
§. 142.
Der Aufsatz des Herrn von Vincke fordert eine höhere Slimmqualifikation zur Wahl der Abgeordneten zu den Land- ständen, als zur Wahl der Gemeinevertreter; und gewiss mit Recht. Nicht jeder Bauer, welcher seinen Schulzen mitzuwählen das Recht hat, kann an Wahlen zu Landstän- den Theil nehmen. Ob man einen solchen Unterschied aber auch in den Wahlen zu Provinzial- und zu allgemeinen Ständen zulassen könnte? ist zweifelhaft. An sich wäre es nicht unnatürlich. Es gehört eine Lage dazu, die weitern Umblick gestattet, um diejenigen aufzufinden, welche das Wohl des Staats, als die, welche das Wohl der Provinz be- rathen sollen. In der Provinz kennt ziemlich jeder jedes genauer. Indess könnte ein solcher Unterschied doch eine Eifersucht und einen Neid zwischen den beiden Klassen der Landstände erregen, die vermieden werden müssen.
§. 1 1;}.
Die Erneuerung der ständischen Versammlung auf ein- mal scheint der theil weisen Erneuerung vorzuziehen. Jede Amiskorporation nimmt leicht mit der Zeit die Wendung, einseitige Maximen und ihre Gemächlichkeit den Rücksich- ten des allgemeinen Wohls beizumischen. Bei der theilwei- sen Erneuerung kann nun die kleinere hinzutretende Masse
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nicht leicht die grössere aus ihrem Schwerpunkte wirklich verrücken. Sie folgt ihr daher, oder schüttelt und rüttelt sie bloss, woraus unnützes Spalten und Streiten entsteht.
§. 111.
Ob aber die Wahlen für die Provinzial- und allgemei- nen Stande auf ein Mal oder zu verschiedenen Epochen ge- schehen sollen? ist eine andre Frage. Das erste Mal ware das Erstere kaum möglich. Denn man wird die Provinzial- Stände vor den allgemeinen in Thätigkeit setzen, und es würde unzweckmässig seyn, Abgeordnete lange vor der Zeit zu wählen, wo sie sich zu versammeln bestimmt sind. Ueber- haupt aber scheinen verschiedene Epochen besser. Wenn die Wahlen nur alle 7 bis 8 Jahre vorkommen, so erschei- nen sie wie ausserordentliche Energie des Volks, wie man sie denn mit wiederkehrenden Fiebern verglichen hat. Es ist daher besser, ihnen durch öftere Wiederholung den Cha- rakter gewöhnlicher, bürgerlicher Akte zu geben. Darum dürfte aber die Dauer der Funktion der Abgeordneten nicht abgekürzt werden, sondern würde sehr angemessen auf 7 bis 8 Jahre gestellt. Denn dies hat nicht die Absicht, die Wahlen seltener zu machen, sondern nur die, dass die Ab- geordneten sich besser in ihr Geschäft hinein arbeiten und dasselbe nicht eben verlassen sollen, wenn sie anfangen, dessen am meisten mächtig zu seyn.
§. 145.
Dass die ehemaligen Abgeordneten, ohne alle Beschrän- kung, aufs Neue wählbar sind, versteht sich von selbst.
§. 146.
Den Wahlen dürfte keine Oeffentlichkeit gegeben wer- den. Das Wahlgeschäft hängt zu nahe mit Persönlichkeiten zusammen, als dass es eine andere ertragen könnte, als die, dass die Bewerber natürlich vorher bekannt wären, und dass ihre Brauchbarkeit oder Untüchtigkeit, da sie sich selbst auf
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die Bühne stellen, natürlich dem öffentlichen Urtheil ausge- setzt blieben. In England würde zwar allerdings die Unab- hängigkeit der Wahlen, ohne die Gegenwart des nicht wäh- lenden Volks, sehr grosse Gefahr laufen. Allein dies leidet auf uns gar keine Anwendung. Es entspringt nur daher, dass dort einmal zwei bestimmte Parteien, die ministerielle und die Opposition, gegen einander überstehen, und sich um so dreister bekämpfen, weil sie wissen, dass sie weder die Absicht, noch die Macht haben, einander eigentlich zu ver- nichten. Da nun das Ministerium doch über sehr grosse Streitmittel gebieten kann, so muss, um das Gleichgewicht herzustellen, Alles aufgeboten werden, was die öffentliche Meinung repräsentiren und ihr Stärke verleihen kann.
III.
Stufen weiser Gang, die landständische Verfassung
in Thätigkeit zu bringen.
% 147. Es ist hier von einem doppelten Gange die Rede, von dem der wirklichen aber allmähligen Einführung, und von dem der diese Einführung einleitenden obersten Behörde.
1. §. 148. Den Gang der Einführung bestimmt alles bisher Ent- wickelte von selbst.
Eine Städteordnung ist vorhanden.
Nun müsste eine Gemeineordnung für das platte Land
folgen ; dann müssten die Kreisbehörden gebildet werden; darauf die Provinzial-Stände zusammentreten; endlich den Schlussstein die allgemeinen ausmachen.
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§. 149. Es wäre durchaus nichl nolhwendig die Provinzial- Stände durch die ganze Monarchie auf einmal in Wirksam- keit zu setzen. Man müsste nach überall hin zugleich ein- leitend arbeilen, allein wenn das Gebäude an einer Stelle eher zu Stande kommt, als an einer andern, brauchte man auf diese nicht zu warten. Die Rheinprovinzen und West- phalen würden am meisten für die Beschleunigung zu be- rücksichtigen seyn, weil jetzt keine Stände dort vorhanden sind, und doch in einem Theile die Erinnerung an ehema- lige, und in einem andern ein unbestimmtes Stieben darnach lebhaft ist.
'i 150.
Dass man bei Provinzial- Ständen stehen bleiben, oder die allgemeinen auch nur sehr langsam auf sie könne folgen lassen, dürfte schwer durchzuführen seyn. Man kann nicht sagen, dass eine Monarchie eine ständische Verfassung hat, wenn es nur in den Provinzen Stände giebt. Die unaus- bleibliche Folge davon ist alsdann, dass die allgemeinen Slaatsmassregeln ohne allen Einfluss ständischer Verfassung fortgehen, oder, was noch schlimmer ist, durch blosse Pro- vinzialverfassungen eine schiefe und schädliche erhalten. Zu- gleich würde, da es an einem Mittelpunkt fehlte , eine ent- schiedene Trennung der Provinzen erfolgen. \ ermuthlich würde aber noch eine ganz andere und noch weit verderb- lichere Erscheinung hervortreten, wenn man auch in den Provinzen nur ahndete, dass die Regierung es mit einer all- gemeinen Versammlung nicht ernsthaft meinte. Die Pro- vinzial- Versammlungen würden nemlich versuchen, sich an die Stelle der Centralversammlung zu setzen. Unter dem Vor wände der Beurtheilung eines Gesetzentwurfes aus dem vu. 18
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Standpunkte des provinziellen Interesses, und bei Gelegen- heit der Beschwerden würden sie ganz allgemeine Einwen- dungen und Vorschlüge an die Stellen solcher setzen, die nur ihre besondere Verhältnisse betrafen; sie würden ferner öffentlich . oder geheim mit einander in Verbindung treten ; und die Regierung würde in Neckereien hierüber, in poli- zeiliche Massregeln und in Entgegenwirken, das alles oute Streben vereitelte, verwickelt werden. Nur wenn beide in Beziehung auf einander gebildet werden, und in dem glei- chen Geiste in Wirksamkeit treten , ist von ihnen Heil zu erwarten. Im entgegengesetzten Falle hat die Regierung nur Ein und höchst trauriges, bei uns selbst kaum mögli- ches Mittel, nemlich das, die verschiedenen Provinzen als eben so viel verschiedene Staaten zu behandeln, wie Oester- reich thut. Höchstens liesse sich von Preussischer Seite dies mit den westlichen und östlichen Provinzen versuchen, hiesse aber immer die Kraft und Einheit der Monarchie un- wiederbringlich schwächen und stören.
§. 151.
Dagegen ist es selbst nothwendig, dass die Provinzial- verfassungen um einige Zeit der allgemeinen vorangehen. Die Nation muss sich erst einen anschaulichen Begriff von einem so geeigneten Geschäft erwerben, und viele Dinge müssen erst in den Provinzen vorbereitet werden, um als allgemeine Gesetz-Entwürfe an die allgemeine Versammlung gebracht werden zu können. Inzwischen gewinnt auch die Verwaltung Zeit in einer festeren Lage den Ständen gegen- überzustehen.
§. 152. Innerhalb zwei Jahren, nach Vollendung der Provinzial-
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Verfassung, aber müsste die allgemeine Versammlung aufs Höchste auf jeden Fall zusammenberufen werden, und indess müsste Alles den festen Willen beurkunden, sie in Wirksam- keit zu setzen. Gewännen die ständischen Einrichtungen einen glücklichen Gang, so müssten im Jahre 1820, höch- stens 1821, die ständischen Versammlungen in allen Pro- vinzen gebildet seyn, und im Jahre 1822, höchstens 1823, die allgemeine Zusammenberufung auf sie folgen. Kann man noch mehr beschleunigen, so ist es gewiss besser, aber die- ser Zeitraum scheint, wenn er gut angewendet wird, voll- kommen hinlänglich, jede Art von Uebereilung zu verhindern.
§. 153.
Zugleich mit der Einrichtung der Provinzial- Stände würde es no Inwendig seyn, alle zur Verfassung gehörende organische Gesetze, besonders in so fern sie die Person, das Eigenthum, und den ungestörten Lauf der Gerechtigkeit sichern, zu ertheilen, so dass an der ganzen Verfassung nur die Zusammenberufung der allgemeinen Ständeversammlung fehlte. Auch die Pressfreiheit müsste alsdann ihre Bestim- mung erhalten. Vorher, und ehe in den ständischen Ver- sammlungen der öffentlichen Meinung ein geeigneter Weg sich zu äussern gegeben ist, so dass die Stimme des angrei- fenden Schriftstellers nicht die allein hörbare bleibt, liegt in dem Bemühen, Pressfreiheit zu gründen, immer etwas Stei- fes und Unzusammenhängendes. Allein auch bis dahin muss man vernünftige Oeffenllichkeit auf jede Weise befördern ; auch dürfte es in dieser Zwischenzeit wohl ralhsani seyn, einzel- nen Schriftstellern völlige Censurlosigkeit zu gestatten, um sie nach und nach zu gewöhnen, sich von selbst in gehörige Schranken zu halten.
18*
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§. 154.
Bei dem Gange der leitenden Behörde hat man vor- züglich drei Regeln streng zu beobachten:
1) nicht mit ganzen Entwürfen, sondern mit Aufstellung von Grundsätzen, und Vorzeichnung des Plans im Ganzen anzufangen, und so vom Allgemeinen zum ßesondern durch allmählige Weiterbestimmung des vorher unbestimmt Ge- lassenen vorzuschreiten.
Auf diese Weise kann selbst über die wichtigsten Fra- gen Unschlüssigkeit und Ungewissheit vermindert werden, indem der einmal festgestellte Grundsatz von selbst die Dis- kussion in das gehörige Geleis einleitet, aus dem sie nicht ferner weichen kann;
2) ja die Einmischung individueller Meinungen, Vorlie- ben und Systeme dadurch zu verhindern, dass man nicht Einem oder mehreren einzelnen Köpfen einen zu grossen Einfluss auf die Arbeit verstattet, sondern sie mehr aus den Ansichten vieler Einsichtsvollen hervorgehen lässt.
Dabei muss aber natürlich Ein Individuum den Gang der Diskussion in seinen Händen haben, bei jedem Schritte die Richtung und Länge des Weges zum Ziel überschlagen, und dafür einstehen, dass man sich nicht auf fruchtlosen Umwegen verirre oder Inconsequenzen und Widersprüche begehe;
3) nichts von allem demjenigen, was örtlich faktische Verhältnisse betrifft, definitiv festzusetzen, ohne diejenigen darüber gehört zu haben, die von diesen Verhältnissen einen nicht bloss aus Büchern und Acten, sondern aus dem Leben geschöpften Begriff besitzen.
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Es ist nichts so furchtbar, als das Niederschlagen des örtlich vielleicht sehr heilsam, oder wenigstens sehr harm- los, und dadurch die Gemüther in der nöthigen Ruhe erhal- tend Bestehenden durch Aussprüche aus dem Mittelpunkt. Nichts bringt die Provinzen mit Recht so sehr auf, nichts macht alle Einrichtungen so hohl und leer, und vervielfacht zugleich so das Uebel, das es stiftet, weil nichts so leicht ist, als ohne Sachkenntniss nach allgemeinen Ideen zu regieren.
§. 155.
Hiernach wäre nun der natürliche Gang folgender: commissarische Berathung nach Vorschlagen der für dies Geschäft gesetzten Behörde;
Prüfung der Resultate derselben , wo sie einzelne Provinzen betreffen, durch die Provinzialbehörden mit Zuziehung sachkundiger, und mit den einzelnen Ver- hältnissen bekannter Männer; darauf Berathung im Staatsrath.
§. 156.
Da aber die gesammte Verfassung aus vielen einzelnen Stücken besteht, so müsste auch, nur immer mit gehöriger Nachweisung des Zusammenhanges, die Berathung getrennt seyn, und selbst die Einführung einzeln und nach und nach geschehen, wodurch Zeit gewonnen würde, ohne dass man, wenn der Plan ordentlich angelegt wäre, Gefahr liefe, das schon in die Wirklichkeit Uebergegangene wieder verändern zu müssen.
§. 157.
Um der Erfahrung ihr Recht und der fortschreitenden Entwickelung der Institute aus sich selbst Spielraum zu las-
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sen, miisste man nicht bei den einzelnen Bestimmungen in grosses Detail eingehen, auch manches gewissermassen Gleich- gültige nicht fest, als Gesetz, sondern nur als einen der Ab- änderung unterworfenen reglementarischen Theil hinstellen. Dies ist in Herrn v. Vinckes Aufsatz sehr richtig bemerkt, obgleich die Fassung; dieser Stelle auf der andern Seite be- sorgen lässt, dass dort der ersten Organisation zu wenig Bestimmtheit und Festigkeit gelassen ist. Dies könnte noch schädlicher, als der entgegengesetzte Fehler wirken. Das Wesentliche und Charakteristische an der Form muss fest
und unwiederruflich dastehen.
Humboldt.
Mémoire devant servir de réfutation à celui du Comte de Capo d'Istria.*)
Mémoire confidentiel.
JLia situation des Puissances alliées vis-à-vis de la France, ou du gouvernement français, est trop compliquée pour qu'il ne soit pas très essentiel de la déiinir avec une grande pré- cision; d'un côté, elle a été évidemment différente aux diffé- rentes époques, qu'on ne saurait se dispenser de distinguer dans le cours des événemens depuis l'évasion de Napoléon de l'ile d'Elbe; d'un autre côté, nous ne sommes point encore parvenus au point où la France et le Goacerncmenf français pourraient être regardés comme des termes synonymes.
Lorsque les Puissances publièrent leur déclaration du 13 Mars, le Gouvernement légitime subsistait encore en France, et n'était attaqué que par une poignée d'hommes ou sem- blait du moins ne l'être qu'ainsi. Car la vérité est que cette poignée d'hommes n'eût jamais renversé le trône sans l'in- différence avec laquelle au moins une très grande partie de
*) Memoire de M. le Comte de Capo d'Istria. Etat des négociations actuelles entre les Puissances alliées et la France. Le 28 juillet 1815. Abgedruckt in A. F. H. Schaumann Geschichte des zwei- ten Pariser Friedens für Deutschland. Göttingen 1844. TheilII. Actenstücke S. Ill — XII.
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la nation attendait, les uns avec satisfaction, les autres sans neine, ni regret, Tissue de la révolution qui se préparait C'est alors que les Puissances furent vraiment les alliés de Louis XVIII. La déclaration promet au Roi de France et à la nation française (qu'on croyait réunie à lui) des secours et cela seulement dans le cas que les secours seraient de- mandés. Elle suppose un gouvernement indépendant en France et en respecte l'autorité.
Le traité du 25 Mars est encore conçu dans le même sens. L'article 8. exprime le but de soutenir la France contre Napoléon, et il y est question de la réquisition des forces des Puissances par Louis XVIII. Mais en même tems, il y est aussi parlé des secours que le Roi apportera à l'objet du traité, ce qui détermine suffisamment ce que suppose l'application de cette stipulation. Du reste ce traité porte évidemment le caractère de former une ligue Européenne pour la sûreté de l'Europe contre un état de choses en France qui pourrait la menacer. C'est là son but essentiel; Fart. 1. ne parle que de celui-là et ce traité se distingue déjà par là très-fort de la déclaration du 13 Mais. S. M. T. Chr. n'est point accedée à cette alliance, en signant un traité formel; on s'est borné à demander et à accepter une note d'adhésion de la part de son ministre.
Au moment de la ratification de ce traité, les circon- stances étaient devenues différentes. Le Gouvernement bri- tannique déclara positivement, et toutes les autres Puissances accédèrent à cette déclaration, qu'il ne prenait pas l'enga- gement de poursuivre la guerre dans l'intention d'imposer un Gouvernement à la France. Les malheurs si glorieuse- ment réparés à présent, avaient éloigné le Roi légitime de son Royaume; on distingua officiellement le Gouvernement et la France; on regarda, comme possible, que le Gouver- nement ne rentrât pas dans ses droits. L'alliance prit alors
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le caractère bien prononce'; et entièrement décidé, d'une ligue dirigée contre I'd France pour la propre sûreté des Puis- sances.
Les armées se mirent en marche, Napoléon commença la guerre, la journée du IS Juin la termina, et les Alliés entrèrent à Paris. 11 faudrait renverser toutes les idées et changer arbitrairement la valeur des termes pour nier que la France n'était alors l'ennemie des Alliés, et que la partie subjuguée devint leur conquête.
Le Roi Louis XVIII. ne s'y trouvait point, il avait con- servé certainement tous ses droits, toujours inproscriptibles; les droits étaient reconnus par les Puissances, mais de fait, il n'exerçait aucune autorité et n'avait en rien contribue au succès. Les engagemens des Alliés envers lui, étaient, ainsi que le prouvent la teneur et la ratification du traité du 25 Mars, pour le moins coordonnées à d'autres considéra- tions, et ne leur imposaient pas des obligations absolues. La France d'un autre côté aurait en vain voulu rejeter tous les torts sur Napoléon, elle les avait, ce qui est le seul point de vue pratique, tellement partagés, qu'elle avait rendu im- possible aux Alliés de séparer la nation de l'Usurpateur. Ce- lui-ci ne s'était point replacé sur le trône, seulement entouré de baïonnettes et inspirant la terreur, mais avait constitué un Gouvernement, assemblé des Chambres, introduit des formes qu'il aurait été impossible d'introduire, si la volonté d'une très-grande partie de la nation n'y avait concouru directe- ment ou indirectement. Quoiqu'on dise, le parti opposé, ce qui se fit dans les trois mois de son usurpation, ne fut pas seulement l'ouvrage de la force. On ne peut pas même dire qu'il exerça beaucoup d'actes de rigueur. Il opposa aux Alliés, non pas une poignée de partisans de sa cause, mais une armée de près de 200,000 hommes pris à peu près sur toute la surface de la France et cette armée se battit avec
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courage et persévérance. Il n'y a guères de Français qui doutent que si la bataille du 18 Juin lui avait été favorable, il n'eût pu attirer possiblement de nouveaux renforts à son armée, prolonger la guerre, faire, si les Alliés le lui avaient permis, une paix et régner, comme il régna avant 1813.
Immédiatement après la prise de Paris par les Alliés, le Roi revint, se replaça sur son trône et les Puissances al- liées commencèrent à négocier. C'est alors que l'état des choses, tel qu'il avait été avant la crise, commença à se rétablir, mais néanmoins avec deux immenses différences.
1. Les Puissances alliées ont fait une terrible ex- périence et de grands sacrifices; elles ont vu que le Gouvernement Royal en France a pu succomber à l'en- treprise la plus téméraire et la plus avanturée; nue ni l'idée de sa légitimité, ni la conviction de sa modéra- tion et de sa douceur } ni l'influence qu'il a exercée sur la France pendant près d'une année, n'ont pu empêcher la nation de s'armer sous les ordres de Na- poléon contre l'Europe ; et que, sans une bravoure aussi signalée des armées et des lalens aussi rares des Géné- raux, contre qui le premier choc était dirigé, l'Europe aurait facilement été plongée dans une guerre aussi longue que désastreuse. Elles sont autorisées, par conséquent, et même obligées envers leurs sujets, d'user de toutes les précautions nécessaires pour éviter qu'un pareil désastre ne se renouvelle, et leurs relations avec le Gouvernement replacé sur le trône doivent évidemment être modifiées par ce premier et plus important de tous leurs devoirs. Leur alliance ayant été dès son principe, et étant devenue ensuite une ligue défensive de l'Europe contre l'attitude menaçante des affaires en France, elle doit conserver ce caractère, et elles doivent subordon- ner à ce but toute autre considération. Si ces réflexions
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engagent à penser à des garanties, les sacrifices exigent des garanties.
2. Quoique le roi soit revenu et que toute la France, à peu d'exception près, ait arboré le signe extérieur de la soumission à son pouvoir, il n'est encore guère pos- sible de regarder le Roi et la France comme un et le même pouvoir. L'autorité Royale n'est encore ni assurée ni consolidée et l'on se met dans une contradiction évi- dente, si pour l'affermir, on veut épargner des condi- tions pénibles à la France et qu'on affaiblit par là, ce qui, dans le moment actuel est encore son véritable soutien, la supériorité des armées étrangères. La nation s'étant mise dans une attitude entièrement hostile envers les Puissances alliées, elles ne peuvent la regarder comme étant devenue, tout-à-coup, entièrement amie. Elles ne peuvent se dispenser de la crainte, qu'ainsi que les ménagemens dont on a usé à la paix de Paris, auraient sans un concours heureux de circonstances et ont, en effet, servi Bonaparte, ceux dont on userait maintenant, ne retour- nent au profit d'une partie de la nation qui s'opposerait de nouveau aux Bourbons. Les relations des Alliés avec le Roi sont donc encore modifiées par la considération que la durée de l'autorité Royale et la soumission de la nation, dépendent elles-mêmes des mesures qu'ils vont prendre.
Si, d'après cet aperçu, purement historique, l'on demande ce que les Alliés ont le droit de faire vis-à-vis de la France et de son Gouvernement et ce qu'ils auraient tort de se per- mettre, la question détient facile à résoudre dès qu'elle est placée d'une manière convenable.
La sûreté de l'Europe ayant été la cause de la guerre et le but de l'alliance, elle doit aussi être la base de la pa- cification et les Alliés ont le droit incontestable de tout exi- ger de la France et de son Gouvernement ce qu'ils jugent
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courage et perseverance. Il n'y a guères de Français qui doutent que si la bataille du IS Juin lui avait été favorable, il n'eut pu attirer possiblement de nouveaux renforts à son armée, prolonger la guerre, faire, si les Alliés le lui avaient permis, une paix et régner, comme il régna avant 1813.
Immédiatement après la prise de Paris par les Alliés, le Roi revint, se replaça sur son trône et les Puissances al- liées commencèrent à négocier. C'est alors que l'état des choses, tel qu'il avait été avant la crise, commença à se rétablir, mais néanmoins avec deux immenses différences.
1. Les Puissances alliées ont fait une terrible ex- périence et de grands sacrifices; elles ont vu que le Gouvernement Royal en France a pu succomber à l'en- treprise la plus téméraire et la plus avanturée; que ni l'idée de sa légitimité, ni la conviction de sa modéra- tion et de sa douceur, ni l'influence qu'il a exercée sur la France pendant près d'une année, n'ont pu empêcher la nation de s'armer sous les ordres de Na- poléon contre l'Europe ; et que, sans une bravoure aussi signalée des armées et des lalens aussi rares des Géné- raux, contre qui le premier choc était dirigé, l'Europe aurait facilement été plongée dans une guerre aussi longue que désastreuse. Elles sont autorisées, par conséquent, et même obligées envers leurs sujets, d'user de toutes les précautions nécessaires pour éviter qu'un pareil désastre ne se renouvelle, et leurs relations avec le Gouvernement replacé sur le trône doivent évidemment être modifiées par ce premier et plus important de tous leurs devoirs. Leur alliance ayant été dès son principe, et étant devenue ensuite une ligue défensive de l'Europe contre l'attitude menaçante des affaires en France, elle doit conserver ce caractère, et elles doivent subordon- ner à ce but toute autre considération. Si ces réflexions
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engagent à penser à des garanties, les sacrifices exigent des garanties.
2. Quoique le roi soit revenu et que toute la France, à peu d'exception près, ait arboré le signe extérieur de la soumission à son pouvoir, il n'est encore guère pos- sible de regarder le Roi et la France comme un et le même pouvoir. L'autorité Royale n'est encore ni assurée ni consolidée et l'on se met dans une contradiction évi- dente, si pour l'affermir, on veut épargner des condi- tions pénibles à la France et qu'on affaiblit par là, ce qui, dans le moment actuel est encore son véritable soutien, la supériorité des armées étrangères. La nation s'étant mise dans une attitude entièrement hostile envers les Puissances alliées, elles ne peuv ent la regarder comme étant devenue, tout-à-coup, entièrement amie. Elles ne peuvent se dispenser de la crainte, qu'ainsi que les ménagemens dont on a usé à la paix de Paris, auraient sans un concours heureux de circonstances et ont, en effet, servi Bonaparte, ceux dont on userait maintenant, ne retour- nent au profit d'une partie de la nation qui s'opposerait de nouveau aux Bourbons. Les relations des Alliés avec le Roi sont donc encore modifiées par la considération que la durée de l'autorité Royale et la soumission de la nation, dépendent elles-mêmes des mesures qu'ils vont prendre.
Si, d'après cet aperçu, purement historique, l'on demande ce que les Alliés ont le droit de faire vis-à-vis de la France et de son Gouvernement et ce qu'ils auraient tort de se per- mettre, la question détient facile à résoudre dès qu'elle est platée d'une manière convenable.
La sûreté de l'Europe ayant été la cause de la guerre et le but de l'alliance, elle doit aussi être la base de la pa- cification et les Alliés ont le droit incontestable de tout exi- ger de la France et de son Gouvernement ce qu'ils jugent
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nécessaire pour cette sûreté. Ni le Roi, ni Ja nation ne sau- raient contester ce droit. La nation n'en a aucun à réclamer sans le roi; elle a souffert de paraître identifiée avec Napo- léon et a été vaincue avec lui; le Roi a été placé par les malheurs qui l'ont frappé hors de la ligue où il n'avait de- mandé rjue l'assistance des Alliés, et ceux-ci .avant du com- mencer et terminer à eux seuls ce qu'ils avaient entrepris, il leur appartient aussi à eux seuls de juger ce qui sera nécessaire pour leur épargner à la suite les mêmes sacrifices.
On prétend que le droit des Puissances alliées ne s'étend pas jusqu'à porter atteinte à l'intégrité de la France, puisque les Puissances alliées, n'ayant pas considéré, en prenant les armes contre Napoléon et ses adherens, la France comme pays ennemi, elles ne peuvent point maintenant y exercer un droit de conquête. Mais ce raisonnement qui semble déjà pécher par là qu'il n'a nullement égard aux (lifférens ca- ractères que l'alliance des Puissances a dû prendre, ne pa- rait vrai que d'un côté tout au plus.
Il est très certain que la guerre actuelle n'a point du, et ne doit jamais être une guerre de conquête; les Puissances agiraient entièrement contre leurs intentions et contre leurs principes, si elles voulaient s'aggrandir aux dépens de la France, uniquement pour profiter de ses malheurs. Mais malgré cela, la conquête existe de fait , et si la mesure de resserrer les limites de la France, était reconnue comme la plus convenable pour atteindre le but principal de leur alliance, il est incontestable qu'elles ont le plein droit de l'exécution.
Ni le traité du 25 Mars, ni la note d'adhésion remise par le Plénipotentiaire de France, ni les déclarations du 13 Mars et du 12 Mai, ne renferment une promesse directe et expli- cite des Puissances de ne pas toucher à l'intégrité de la France. On s'est borné uniquement à proclamer le maintien
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de la paix de Paris, et si l'on examine bien attentivement les termes de l'art. 1. du traité qui est le fond de toutes les déclarations postérieures, on verra, qu'il renferme beaucoup plus un engagement mutuel des Alliés de ne point soulïrii que la paix de Paris soit altérée contre eux, qu'un engage- ment de leur part, vis-à-vis de la France de n'v rien chan- ger. Si l'article avait eu ce dernier sens, la restriction ajou- tée à sa ralilication en aurait entièrement changé la nature. Mais quand même on voudrait l'interpréter ainsi, il est tou- jours indubitable que la conduite de la France qui, au lieu de se servir de l'assistance des Puissances pour se débar- rasser de Napoléon, prit les armes contre elles, leur a donné le plein droit de ne plus penser qu'à leur propre sûreté.
Rien n'est, en générai, aussi singulier que le raisonne- ment que, puisque Napoléon est pris, la guerre est terminée, et que les Alliés n'ont plus rien à demander à la France. La guerre ne sera terminée, que lorsque les Puissances alliées auront obtenu les garanties et les indemnités qu'elles ont droit de réclamer; et les Puissances demandent aussi, après l'éloignement de Napoléon, avec raison à la France des gages qu'une nouvelle tentative ne les force à prendre de nouveau les armes. Si les Puissances, en disant quelles ne faisaient la guerre que contre Bonaparte et ses adherens, ont séparé la nation de lui, la nation pour réclamer cette déclaration en sa faveur, aurait dû s'en séparer réellement, ne pas rester passive et même combattre pour l'usurpateur, mais, au con- traire, contribuer à s'en débarrasser.
Le mémoire qui a fait naître ces réflexions établit une grande différence entre une cession territoriale et l'impo- sition d'une contribution, même suivie d'une occupation de Provinces. Mais cette différence subsiste-t-elle bien sous le rapport du droit? N'est-ce pas aussi user d'un droit de con- quête que d'imposer de pareilles contributions? Tout droit
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de conquête n'est-il pas, d'après une saine théorie du droit des gens, limité par la nécessite de garanties et d'indemnités?
Si Ton peut exiger une indemnité, ne peut-on pas la fixer, ou en territoire, ou en argent? Et peut-on dire qu'une contribution considérable pourrait être légitimement fournie par la France, comme moyen de concilier la conservation de son intégrité territoriale avec ce qu'elle doit à la sûreté générale , lorsque l'on soutient que les Alliés n'ont aucun droit à porter atteinte à cette intégrité? Comment la France doit-elle faire des sacrifices pour conserver ce qu'on n'a pas le droit d'attaquer? #
La question du droit étant établie, il s'agit de détermi- ner quelles sont les garanties et les indemnités qu'on devra exiger de la France? et quelles mesures il convient de prendre pour ne pas s'exposer à de nouveaux dangers de sa part?
Tout le monde est d'accord qu'il y a deux moyens pour atteindre ce but, l'un de rétablir et d'amener la tranquillité en France, enfinissant, comme l'on s'exprime, la révolution, l'autre, de faire, par diff'érens modes d'une manière temporaire ou per- manente, une autre répartition de forces entre la France et les Etats ses voisins, pour empêcher qu'elle ne puisse em- piéter sur leurs droits.
Rien n'est certainement aussi salutaire et aussi néces- saire que de tacher de tranquilliser la France, d'y neutrali- ser les passions, et de rattacher tous les intérêts à la con- servation de l'autorité légitime. Mais comme une saine po- litique doit toujours s'en tenir de préférence à ce qu'il est entièrement dans son pouvoir de faire, cette tâche doit être subordonnée à l'autre de l'établissement d'une proportion re- lative de forces adoptées aux circonstances et rien de ce qui est vraiment essentiel sous ce dernier point de vue ne doit être abandonné dans le premier. L'esprit public et la vo- lonté nationale, là où il en existe une, se composent de tant
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d'élémens divers qu'il est extrêmement difficile d'éviter même des erreurs assez grossières en les jugeant en détail, et plus encore en voulant y exercer une influence directe: celle des Puissances étrangères blesse naturellement la fierté nationale et le droit même de s'y immiscer est bien plus douteux que celui de pourvoir entièrement à leur propre sûreté. Les Al- liés ont rendu au Gouvernement toute l'assistance qui dépen- dait d'eux, en faisant disparaître son plus cruel ennemi, et en dissipant et désarmant les autres; il doit le maintenir à présent par lui-même; mais il est toujours beaucoup trop douteux, s'il pourra conserver son autorité et son indépen- dance pour qu'il puisse encore de longtems offrir à l'Europe une garantie suffisante pour qu'on puisse se relâcher sur d'autres mesures de précaution et de sûreté. La révolution française a été la suite de la faiblesse du Gouvernement; elle ne pourra être terminée que par un Gouvernement fort, mais à la fois juste et légitime. Il sera difficile par consé- quence de la voir finir, tandis que des Puissances étrangères exercent la tutèle sur la France. Cette tutèle pourra tout au plus empêcher les crises, autant qu'elle dure. Les tenta- tives de rendre le Gouvernement agréable à la nation, de le mettre à même de se faire des mérites auprès d'elle ne se- ront jamais d'un grand effet. La partie de la nation qui sait apprécier ce mérite, n'est pas celle qui s'agite, et celle qui est habituée à ne pas rester tranquille, ne peut être com- primée que par la force de l'autorité. Le maintien du Gou- vernement dans sa véritable indépendance sera donc long- tems un sujet de doute très-fondé et tout système de paci- fication actuelle dans lequel la sûreté générale sera rendue dépendante de là, ou qui exigera seulement qu'on porte là- dessus un jugement sûr et précis entraînera de grands in- convéniens après lui et pourra être nommé erroné. Mais, il n'en est pas moins vrai que, tout en réglant ce qu'exige
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leur sûreté, Ja conservation du Gouvernement Royal doit être constamment une des premières sollicitudes des Puissances alliées.
Une autre répartition des forces respectives, reste, en conséquence, le seul moyen qui puisse vraiment mettre l'Eu- rope à l'abri de nouveaux dangers, et parmi les différentes méthodes qu'on pourrait adapter, soit pour affaiblir la France, soit pour renforcer ses voisins, la plus simple, la plus con- séquente et la plus conforme au système général des Puis- sances alliées, paraîtrait celle de procurer aux Etats voisins de la France une frontière assurée, en leur donnant, comme moyens de défense, les places fortes dont la France depuis quelle les possède, s'est servie comme point d'aggression.
L'aggrandissement qui résulterait de là pour les Etats, serait trop peu considérable pour exiger un nouveau travail sur rétablissement de l'équilibre en Europe, et un change- ment essentiel du recès du congrès de Vienne. Il est donc l'esprit de cet acte que l'indépendance des Pays-bas et de l'Allemagne ne puissent éprouver d'atteinte et c'est là ce qui résulterait de cette mesure. La Belgique acquerrait plu- sieurs points importants, l'Allemagne s'étendrait du côté du haut Rhin, ce qui serait d'autant moins nuisible que les trai- tés conclus à Vienne laissent toujours ouvert un arrange- ment entre l'Autriche et la Bavière qui ne peut se réaliser qu'aux dépens de quelques uns des petits Princes de l'Alle- magne, et qui serait prodigieusement facilité par quelque acquisition de ce coté. La Prusse gagnerait assez en voyant ses voisins ainsi renforcés, pour pouvoir se borner à quelque peu d'objets tendant uniquement au but de compléter son propre système de défense.
Ce n'est pas depuis Napoléon ou depuis la révolution seulement que la France a fait des tentatives pour envahir l'Allemagne et la Belgique. Elles les a toujours renouvelées
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de tems en tems, et les places qu'on lui ôterait à présent ont servi de bases à ses opérations militaires. L'Allemagne, de son côté, est un état essentiellement pacifique. La tran- quillité de l'Europe ne peut, en conséquence, que gagner par le changement de frontière. — Les cours d'Allemagne doivent, d'ailleurs, attacher un intérêt particulier à revendi- quer au moins une partie de ce qui lui a été injustement arraché.
Tous les autres moyens d'affaiblir la France que le mémoire en question comprend sous le nom générai de garanties réelles, quoique ce mot (pour observer ceci en passant) ne soit pas proprement l'opposé des garanties mo- rales qui sans doute, peuvent être très-réelles aussi, sont ou impossibles ou même injustes, comme celui de priver la France de tout le matériel de son état militaire, et d'en dé- truire les sources, ou tellement compliqués, que leur emploi même ferait naître de nouveaux inconvéniens. Ce reproche semble pouvoir être fait surtout à celui dont l'exécution est proposée définitivement dans le mémoire.
Après avoir exclu par une loi de l'Europe Napoléon Bonaparte et sa famille du trône de France, ce qui semble- rait donner trop d'importance à un homme qu'on envoit à St. Hélène et à des individus qui n'ont jamais occupé au- cun rang que par lui, et après avoir remis en vigueur la partie défensive du traité de Chaumont, les Puissances al- liées doivent prendre et conserver une position militaire en France dans le double but de faire acquitter une forte con- tribution et de voir si l'état intérieur de la France se con- solide; et cette contribution doit être employée par les Puis- sances voisines de la France à renforcer leurs frontières par de nouvelles places qu'elles devront construire.
La première objection qu'on peut faire à ce plan, est, qu'au lieu qu'on pourrait tranquillement abandonner le^soin vu. 19
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de leur propre défense et celui du maintien du repos de celle partie de l'Europe aux Etats voisins de la France, si l'on renforçait leurs frontières par les points aggressifs de ce Royaume, il établit une surveillance prolongée des Puis- sances alliées sur le repos extérieur et intérieur de la France, occasionne des cahtonnemens et des marches des troupes et remet le retour d'un véritable étal de paix à un nombre presque indéterminé d'années. Car comment l'échéance des termes fixés pour le payement des conlributions coincidera- t-il précisément avec le terme où l'état intérieur de la France pourra se passer d'une pareille surveillance? Et à quels symptômes assez certains ce dernier pourra-t-il être reconnu? Car la supposition que le Roi de France parvienne à refor- mer la monarchie française, de manière à ce que les intérêts de toutes les parties se confondent en un seul intérêt, et qu'il en résulte une garantie morale de la fin de toute ré- volution en France, dont parle le mémoire, ne se réalisera guères, et il faudra, comme dans toutes les choses humaines se contenter d'un état tout au plus approchant de celui-ci.
En exigeant que la contribution soit employée à la con- struction des places fortes, on confond les idées de garan- ties et d'indemnité et établit une inégalité évidente entre les Alliés, puisque les états voisins de la France sont seuls grevés de cette charge. Serait-ce en général le moyen de conserver la paix que d'opposer des forteresses à des for- teresses et ne serait-il pas plus simple, de donner celles qui forment, d'après l'aveu du mémoire même, une immense et menaçante ligne, à ceux qui en sont menacés, et dont les dispositions paisibles ne laissent pas de doute, en abandon- nant plutôt à la France le soin d'en construire de nouvelles? Elle garderait, d'ailleurs, toujours ces places davantage vers l'intérieur du Royaume.
La seconde considération est pour la France et l'auto-
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rilé Royale, elle même. La cession de places et de terri- toire est un sort auquel tous les états sont sujets, c'est une plaie douloureuse, mais qui se cicatrise et s'oublie. Mais il n'y a rien de si humiliant, surtout pour une nation que le mémoire en question nomme, non sans fondement, ivre d'or- gueil et d'amour propre, que la présence prolongée de troupes étrangères dans les provinces. Quelque précis que soient les réglemens et quelque stricte que soit leur execution, il naît toujours, dans ces cas, des différences qui ne laisseraient au Gouvernement que le choix entre une condescendance qui blesserait la fierté nationale ou le danger de se brouiller avec les Puissances alliées. Il est inévitable aussi que la province occupée souffre considérablement et que cela mécontente extrêmement les habitans. Ces plaintes se renouvellent chaque jour, elles tourneront infailliblement toutes contre le Gou- vernement; on lui imputera non seulement d'avoir acheté, par cet arrangement, son retour en France, mais encore d'être l'aine de la prolongation de cet état pour se servir des forces étrangères pour son maintien et il deviendra infiniment plus impopulaire par celte mesure, que par celle d'une cession, qui étant la suite immédiate de la guerre, pourrait encore être imputée à Bonaparte.
Une troisième objection, et peut-être la plus importante de toutes, est que le remède proposé n'offre aucunement une véritable garantie. Il a, au contraire, le défaut de ne point assez renforcer les états voisins de la France, de ne point ôter à la nation française les principaux moyens d'aggres- sion et de l'inciter et de l'exaspérer au dernier point. On objecterait en vain que la France après avoir dû payer de fortes sommes ne pourrait se procurer le matériel nécessaire pour faire la guerre. La Prusse a montré à quoi porte au contraire un pareil traitement et ce que peut un état, même lorsqu'il semble dénué de tous les moyens. Priver la France
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de celles de ses forteresses qui menacent ses voisins est la seule garantie solide qu'on puisse obtenir. Sans elle, ni le Gouvernement ni l'Europe, ne serait à l'abri d'une nouvelle explosion, lorsque le moment de l'évacuation arrivera, qui pourra, devra arriver un jour, puisqu'une occupation perma- nente de troupes étrangères, quoique le mémoire la nomme aussi parmi les garanties réelles, offre à peine une idée pra- tique et les états voisins de la France n'auront pour lors d'autre avantage que leurs places fortes nouvellement con- struites, tandis que la France aura conservé les siennes et fera la guerre avec toute l'énergie que donne la fierté na- tionale humiliée et la pauvreté causée par le payement des contributions.
Le passage du mémoire relatif à la garantie à offrir à la France dans le cas de l'occupation n'est pas assez clair pour qu'on puisse entièrement en juger. Mais il est très-dou- teux, si la circonstance seule que ce ne seraient pas les troupes qui pourraient le plus convenablement occuper une position militaire en France, qui en occuperaient une partie, rassurerait entièrement la nation sur la restitution du terri- toire occupé. 11 serait difficile, d'ailleurs, que les Puissances alliées habituées à suivre constamment un système d'égalité parfaite, voulussent y renoncer dans un cas aussi important.
Conformément à ces considérations, une cession territo- riale qui, en se portant surtout sur les places fortes, ne ten- drait qu'à renforcer les frontières des Pays-bas, de l'Alle- magne et de la Suisse, comme garantie, et une contribution, comme indemnité paraferaient mieux remplir les vues des Puissances alliées et le but de leur alliance ; placer plus con- venablement le Roi dans l'attitude de pouvoir reprendre d'une manière indépendante les rênes du Gouvernement, éviter davantage l'irritation de la nation qui naîtra nécessairement de la présence prolongée des troupes étrangères et de foui
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contact trop rapproché avec les Alliés dans les premières années et mettre, si, malgré cela, on en venait à une nou- velle guerre avec la France, les Etats qui l'a voisinent, en état de faire une résistance suffisante, sans s'épuiser par des efforts excessifs.
Quant à la marche à tenir actuellement, il est incon- testable que celle que prescrit le mémoire:
De se concerter sans délai sur les garanties et in- demnités, de négocier avec le Gouvernement fran- çais et
de faire un traité avec la France et les Alliés, est d'une extrême urgence, et qu'elle est en même tems la seule qu'il soit possible de suivre.
Lettre à M. Abel-Rémusat, sur la nature des formes
grammaticales en général, et sur le génie de la
langue chinoise en particulier.
Avertissement.
.Lia lettre que nous publions doit sa naissance à une discussion qui s'est élevée entre M. G. de Humboldt et un Professeur de Paris. La question souvent agitée, de la nature et de l'importance réelle des formes grammaticales, s'est renouvelée depuis que deux langues célèbres de l'Asie, remarquables, l'une par la perfection de son système, l'autre par la pauvreté apparente qui la caractérise, ont commencé à être étudiées avec plus de soin et de succès. Le samscrit et le chinois offraient des faits nouveaux qu'il devenait indispensable d'examiner, et les progrès de la philologie Orientale devaient tourner au profit de la grammaire générale et de la mé- taphysique du langage. Divers mémoires lus par M. G. de Hum- boldt à l'Académie de Berlin, annonçaient par leur titre seul que ce savant célèbre avait abordé un sujet éminemment philosophique, et la communication qu'il en fit obligeamment à quelques hommes de lettres français, leur en donna l'idée la plus avantageuse. Cepen- dant, le chinois semblait, sous quelques rapports, faire exception aux principes de l'auteur, et on appela son attention sur ce sin- gulier phénomène d'un peuple qui, depuis quatre mille ans, pos- sède une littérature florissante, sans formes grammaticales.
Comparée sous ce rapport au samscrit, au grec, à l'allemand, et aux autres idiomes pour lesquels M. G. de Humboldt annonçait
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uue juste prédilection, la langue chinoise offrait des particularités qu'il n'était plus permis de négliger. Accoutumé à surmonter des difficultés bien autrement graves, cette étude n'a été qu'un jeu pour le savant académicien, et il y a bientôt acquis assez d'habi- leté pour y porter une nouvelle lumière. Ainsi qu'on l'avait prévu, plusieurs questions curieuses acquirent à ses yeux plus d'impor- tance, et comme il continuait de communiquer ses idées à la per- sonne qui en suivait le progrès avec le plus d'intérêt, il a été conduit à les résumer, en leur donnant à la fois un meilleur ordre et île plus grands développemens, dans une lettre plus étendue que toutes celles qui avaient précédé. C'est cette lettre que nous livrons à l'impression, persuadés que notre savant correspondant ne nous saura pas mauvais gré de faire jouir le public d'un écrit qu'il ne lui avait pas destiné, mais qui contient trop d'idées neuves et de réflexions profondes, pour ne pas mériter de voir le jour.
Les théories de l'auteur touchent aux parties les plus sub- tiles de la grammaire générale, et les applications qu'il en fait tombent sur un idiome dont la connaissance est encore trop peu répandue en Europe: c'est annoncer assez qu'il peut y rester quelques points à discuter et à éclaircir. Plusieurs sujets de doutes avaient été proposés dans la correspondance dont on a parlé, et l'on a cru utile d'indiquer ici ceux qui ne paraissaient pas avoir été levés complètement. C'est l'objet des notes ou observations qu'on a placées à la fin de la lettre de M. G. de Humboldt. Une personne moins dévouée que ce savant aux intérêts de la vérité aurait pu désapprouver ce genre d'additions. Pour lui, nous avons la confiance qu'il y verra un hommage rendu à son caractère, et une preuve de gratitude pour l'honneur qu'il a fait à l'éditeur en lui adressant le résultat de ses réflexions. Si les faits nouveaux qu'on lui propose et les considérations qu'on se plaît à lui sou- mettre provoquaient de sa part quelque travail ultérieur, ce serait au public instruit à nous savoir gré des éclaircfeseniens qui auraient encore été obtenus sur un sujet si digne d'occuper les hommes qui ont consacré leurs méditations à l'histoire du développement et des progrès de l'intelligence.
A.-R.
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Lettre sur la nature des formes grammaticales en géné- ral, et sur le génie de la langue chinoise en particulier.
Monsieur!
Je me suis occupé du chinois, ainsi que vous avez bien voulu nie le conseiller, et la facilite admirable que vous avez portée dans cette étude par votre Grammaire et par l'édi- tion du Tc/ioùng-yoûny , a secondé mes efforts. J'ai com- paré attentivement les textes chinois renfermés dans ces deux ouvrages, avec la traduction que vous en donnez, et j'ai tâché de me rendre compte, par ce moyen, de la nature particulière de la langue chinoise. Etant parvenu à fixer jus- qu'à un certain point mes idées à ce sujet, je vais vous* les soumettre, monsieur, et je prends la liberté de vous prier de vouloir bien les examiner et les rectifier. Je ne puis avoir qu'une connaissance bien imparfaite encore de la langue chi- noise, et il est dangereux de hasarder un jugement sur le génie et le caractère d'une langue sans en avoir fait une étude approfondie. J'ai donc grand besoin d'être guidé par vos bontés dans une carrière neuve et difficile.
La première impression que laisse la lecture d'une phrase chinoise, tend à persuader que cette langue s'éloigne de presque toutes celles que l'on connaît; mais, en fait de langues, il faut se garder d'assertions générales. Il serait dif- ficile de dire que la langue chinoise différât entièrement de toutes les autres. Je m'arrêterai d'abord, pour avoir un point fixe de comparaison, surtout aux langues classiques; j'aurai principalement en vue ces dernières, lorsque je parlerai du chinois en opposition avec les autres langues. J'examinerai plus tard s'il y en a réellement qui se rapprochent plus ou moins de cet idiome.
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Je crois pouvoir réduire la différence qui existe entre la langue chinoise et les autres langues au seul point fon- damental que, pour indiquer la liaison des mots dans ses phrases, elle ne fait point usage des catégories grammati- cales, et ne fonde point sa grammaire sur la classification des mots (1), mais fixe d'une autre manière les rapports des élémens du langage dans l'enchaînement de la pensée. Les grammaires des autres langues ont une partie étymologique et une partie syntactique; la grammaire chinoise ne connaît que cette dernière.
De là découlent les lois et les particularités de la phra- séologie chinoise, et dès qu'on se place sur le terrain des catégories grammaticales, on altère le caractère original des phrases chinoises.
Vous trouverez peut-être, monsieur, ces assertions trop étendues et trop positives, ou vous supposerez que j'ai voulu dire simplement que la langue chinoise néglige d'attacher aux mots les marques des catégories grammaticales, et ne poursuit pas cette classification jusqu'à ses dernières rami- fications. J'avoue cependant que la langue chinoise me semble moins négliger que dédaigner de marquer les catégories gram- maticales, et se placer, autant que la nature du langage le comporte, sur un terrain entièrement différent. Mais je sens que ceci exige des développemens d'idées et des preuves de fait; et je vais vous soumettre, monsieur, ce qui, dans mes réflexions générales sur les langues, et dans mes études chi- noises, m'a conduit à ce que je viens d'avancer.
Je nomme catégories grammaticales les formes assignées aux mots par la grammaire, c'est-à-dire les parties d'oraison et les autres formes qui s'y rapportent. Ce sont des classes de mots qui emportent avec elles certaines qualifications grammaticales, que l'on reconnaît, soit par des marques inhé- rentes aux mots mêmes, soit par la place que les mots oc-
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cupent, soit enOn par la liaison de la phrase. Aucune langue peut-être ne distingue, ni ne marque toutes ces formes ; mais on peut dire qu'une langue les emploie pour indiquer la liai- son des mots, si elle fait de cette classification la base de sa grammaire, si du moins les formes ou catégories princi- pales sont reconnaissables, indépendamment du sens du con- texte, et si la nature de la langue porte l'esprit de ceux qui la parlent, à assigner chaque mot à une de ces classes, même là, où ce mot n'en porte point les marques distinclives.
La classification des mots, d'après les catégories gram- maticales, tire son origine d'une double source: de la nature de l'expression affectée à la pensée par le langage, et de l'analogie qui règne entre ce dernier et le monde réel.
Comme on exprime, en parlant, les idées par des mots qui se succèdent, il doit exister un ordre déterminé dans la combinaison de ces élémens, pour qu'ils puissent former l'en- semble de l'idée exprimée, et cet ordre doit être le même dans l'esprit de celui qui parle et de celui qui écoute, pour que l'intelligence soit mutuelle entr'eux. C'est là la base de toute grammaire. Cet ordre établit nécessairement des rap- ports entre les mots d'une phrase, d'une part, et de l'autre, entre ces mots et l'ensemble de l'idée; ces rapports, consi- dères dans leur généralité, et abstraction faite des idées par- ticulières auxquelles ils s'attachent, nous donnent les catégories grammaticales. C'est donc par l'analyse de la pensée convertie en paroles, qu'on parvient à déduire les formes grammaticales des mots. Riais cette analyse ne fait que développer ce qui se trouve déjà originairement dans l'esprit de l'homme doué de la faculté du langage; parler d'après ces formes, et s'élever à leur connaissance par la réflexion sont deux choses en- tièrement différentes, car l'homme ne comprendrait ni lui- même, m les autres, si ces formes ne se trouvaient comme
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archétypes dans son esprit, ou, pour me servir d'une expres- sion plus rigoureusement exacte, si sa faculté de parler n'était soumise, comme par une espèce d'instinct naturel, aux lois que ces formes imposent.
Les catégories grammaticales se trouvent en relation intime avec l'unité de la proposition, car elles sont les ex- posans des rapports des mots à celte unité, et si elles sont conçues avec précision et clarté, elles en marquent mieux cette unité et la rendent plus sensible. Les rapports des mots doivent se multiplier, et varier à proportion de la lon- gueur et de la complication des phrases, et il en résulte naturellement que le besoin de poursuivre la distinction des catégories ou formes grammaticales, jusque dans leurs der- nières ramifications, naît surtout de la tendance à former des périodes longues et compliquées. Là où des phrases entre- coupées dépassent rarement les limites de la proposition simple, l'intelligence n'exige pas qu'on se représente exactement les formes grammaticales des mots, ou qu'on en porte la di- stinction jusqu'au point où chacune de ces formes paraît dans toute son individualité. Il suffît pour lors très-souvent de savoir que tel mot est le sujet de la proposition, sans qu'on ait besoin de se rendre compte exactement s'il est substantif ou infinitif, qu'un autre mot en détermine un troi- sième, sans qu'on doive se décider à le considérer comme participe ou comme adjectif.
On voit par là qu'il est possible de parler et d'être com- pris, sans s'assujétir à marquer ou même à distinguer exacte- ment les formes grammaticales des mots. Ces formes ne s'en trouvent pas moins dans l'esprit de celui qui en use ainsi; il n'en suit pas moins les lois, mais il exprime sa pensée, en se bornant à une application générale de ces lois. Il ne sent pas le besoin de les spécifier, et les formes grammati- cales des mots n'étant point spécifiées par tout ce qui distingue
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chacune d'elles, ne peuvent pas proprement agir sur son esprit, ni diriger principalement son langage. Mais avant que de poursuivre ce point extrêmement important pour toute recherche sur la langue chinoise, je vais passer à l'analogie qui existe entre le langage et le monde réel, analogie qui donne également lieu à classer les mots sous diverses caté- gories purement grammaticales.
Les mots se placent naturellement dans les catégories auxquelles appartiennent les objets qu'ils représentent. C'est ainsi qu'il existe dans toute langue des mots de signification substantive, adjective et verbale, et les idées de ces trois formes grammaticales naissent très-naturellement de ces mêmes mots. Mais ceux-ci peuvent aussi être adaptés à une autre catégorie: celui dont l'idée est substantive, peut être trans- formé en verbe, ou vice versa. Il y a en outre des mots dont la signification idéale ne trouve point la même analo- gie dans le monde réel, et ces mots peuvent aussi être clas- sifies à l'instar des autres. Il existe donc dans chaque langue deux espèces de mots : l'une se compose de mots à qui leur signification, l'objet qu'ils représentent (substance, action ou qualité) assigne une catégorie grammaticale; l'autre est for- mée de mois qui, n'étant point dans le même cas, peuvent être pris dans plus d'une catégorie, selon le point de vue sous lequel on les envisage. La manière dont une langue traite ces derniers, est une chose de la plus grande impor- tance. Si elle les place également dans ces catégories et leur en donne la forme, ces mots acquièrent véritablement une valeur grammaticale; ils deviennent réellement des substan- tifs ou des verbes; car ces rapports entr'eux n'existent qu'en idée; ils n'ont été aperçus que par une manière particulière de considérer le langage, et c'est par cette même raison qu'ils seront à son usage. Si au contraire les catégories de res mots restent vagues et indéterminées, ceux même dont
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la signification annoncerait la catégorie, n'ont plus de valeur grammaticale ; ce ne sont pas des verbes ou des substantifs, mais simplement des expressions d'idées verbales ou sub- stantives. Car les rapports de verbes et de substantifs ne leur ont point été assignés ni par le langage, ni pour le lan- gage, dans lequel on peut former beaucoup de phrases sans leur secours. Dans les phrases même où ils entrent, ils n'a- gissent pas toujours grammaticalement dans la qualité qu'an- nonce leur signification. L'expression d'une idée verbale ne forme pas nécessairement, ainsi que c'est le caractère distinctif du verbe, la liaison entre le sujet et l'attribut de là propo- sition. L'expression d'une idée substantive peut s'attacher au régime, de la même manière que le ferait grammaticalement le verbe, quoique le substantif passe à l'infinitif, dès que, sans l'intermédiaire d'une préposition, il prend un complé- ment direct.
On ne peut donc parvenir, par cette voie, aux catégo- ries grammaticales, que lorsqu'une nation possède une ten- dance à regarder la langue qu'elle parle, comme un monde à part, mais analogue au monde réel; à voir dans chaque mot un individu, et à ne pas souffrir qu'il y en ait un seul qu'on ne puisse assigner à une classe quelconque. Cette tendance naîtra surtout du travail de l'imagination, appliquée au langage, et, dans les langues qui se distinguent par une grammaire riche et variée, ce travail paraît avoir développé l'instinct intellectuel dont j'ai parlé plus haut.
Dans les langues qui ne distinguent qu'imparfaitement les catégories grammaticales, ou dans lesquelles cette di- stinction semble disparaître entièrement, il faut néanmoins que les mots enchaînés dans la phrase aient une valeur gram- maticale, outre leur valeur matérielle ou lexicologique; mais celte valeur n'est pas reconnaissable dans le mot pris isolé- ment, ou du moins, ne l'est pas indépendamment de sa signi-
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lication: elle résulte ou de cette dernière, si l'objet que le mot représente ne peut appartenir qu'à une catégorie seule- ment, ou de l'habitude d'assigner à une catégorie, un mot qui, selon sa signification, pourrait appartenir à plusieurs, ou de l'emploi qui y est affecté dans la phrase, et dans ce cas, elle dépend de l'arrangement des mots, fixé comme règle grammaticale, ou, enfin, du sens du contexte; car ce sont là, il me semble, les différentes manières dont la valeur gram- maticale peut s'annoncer dans les langues.
Dans une même langue, les mêmes idées grammaticales occupent celui qui parle et celui qui écoute; ou plutôt, les mêmes lois grammaticales les dirigent l'un et l'autre. Si ce dernier est étranger, et qu'il parle une langue d'une structure différente et y porte ses propres idées, si la grammaire qui lui est habituelle est plus parfaite, il exige, à chaque mot de la langue étrangère, une précision égale dans l'expression de la valeur grammaticale, et il n'y a aucun doute que, dans chaque phrase d'une langue quelconque, chaque mot (si on lui applique ce système) ne puisse être ramené à une catégorie grammaticale, la seule à laquelle il puisse appar- tenir, si l'on pèse exactement le sens et la liaison des idées exprimées. Car la grammaire, bien plus que toute autre par- tie de la langue, existe essentiellement dans l'esprit, auquel elle offre la manière de lier les mots pour exprimer et con- cevoir des idées, et tous ceux qui s'occupent d'une langue étrangère y arrivent, s'il m'est permis de me servir de cette image, avec des cases toutes préparées pour y ranger les élémens qu'elle leur présente. La grammaire qu'on trouve dans une langue par ce genre d'interprétation, n'est donc pas toujours celle qui y existe réellement. La véritable gram- maire d'une langue s'y présente d'une manière reconnais- sable à des marques inhérentes aux mets, ou à des termes grammaticaux, ou à la position fixée d'après des lois con-
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stantes, ou enfin elle existe, sous-entendue, dans l'esprit de ceux qui la parlent, mais se manifestant par la coupe et la tournure des phrases.
En parlant ici des diverses manières d'exprimer la va- leur grammaticale des mots, j'ai surtout eu en vue les de- grés de précision que les nations portent dans cette expres- sion. Le degré le plus élevé se trouve dans la distinction des catégories grammaticales, qu'on poursuit jusqu'à leurs dernières ramifications; et comme l'homme parvient à cette distinction, d'un côté en analysant la pensée énoncée en pa- roles, et de l'autre, en traitant et en maniant, pour ainsi dire, d'une manière particulière la langue qui en est l'organe; nous touchons ici à ce qu'il y a de plus intime et de plus profond dans la nature des langues, au rapport primitif qui existe entre la pensée et le langage.
Tout jugement de l'esprit est une comparaison de deux idées dont on prononce la convenance ou la disconvenance. Tout jugement peut en conséquence être réduit à une équa- tion mathématique. C'est cette forme première de la pensée que les langues revêtent de celle qui leur appartient, en unissant les deux idées d'une manière synthétique, c'est-à- dire en y ajoutant l'idée de l'existence. Elles se servent pour cet effet du verbe fléchi, qui est la réalisation de l'idée ver- bale, et qui ne se trouve que dans la pensée parvenue au comble de la précision et de la clarté que comporte le lan- gage. C'est par là que le verbe devient le centre de la grammaire de toutes les langues.
Si l'on examine l'opération que l'homme, souvent sans s'en apercevoir, fait en parlant, on y voit une prosopopéc continuelle. Dans chaque phrase un être idéal (le mot qui constitue le sujet de la proposition) est mis en action ou représenté en état de passivité. L'action intérieure par la- quelle on forme un jugement, est rapportée à l'objet sur
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lequel on prononce. Au lieu de dire: Je trouve les idées de l'être suprême et de Véternité identiques, l'homme pose ce jugement au dehors de lui et dit: L'être suprême est éternel. C'est là, si j'ose me servir de cette expression, la partie imaginative des langues. Elle doit nécessairement exister dans chacune d'elles, puisqu'elle tient à l'organisation intellectuelle de l'homme et à la nature du langage; mais les développemens qu'elle reçoit, le point qu'atteint sa cul- ture, dépendent du génie particulier des nations. Elle est à son comble dans les langues classiques: la langue chinoise n'en adopte que ce qui est absolument indispensable pour parler et être compris.
Les nations peuvent ainsi, en formant les langues, suivre deux routes absolument différentes: s'attacher strictement aux rapports des idées, en tant qu'idées; s'en tenir avec sobriété à ce qu'exige indispensablement renonciation claire et précise de ces mêmes idées; prendre aussi peu que possible de ce qui ap- partient à la nature particulière de la langue, comme organe et instrument de la pensée; ou cultiver surtout la langue, comme instrument, s'attacher à sa manière de représenter la pensée, l'assimiler, comme un monde idéal, au monde réel sous tous les rapports qui peuvent y être appliqués.
La distinction des genres des mots, propre aux langues classiques, mais négligée par un grand nombre d'autres idiomes, offre un exemple frappant de ce que je viens d'avancer. Elle appartient entièrement à la partie imaginative des langues. L'examen de la pensée et de ses rapports intellectuels ne saurait y conduire ; regardée de ce point de vue, elle serait même rangée facilement parmi les imperfections des langues, comme peu philosophique, superflue et déplacée. Mais dès que l'imagination jeune et active d'une nation vivifie tous les mots, assimile entièrement la langue au monde réel, en achève la prosopopée, en faisant de chaque période un tableau
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où l'arrangement des parties et les nuances appartiennent plus à l'expression de la pensée qu'à la pensée même, alors les mots doivent avoir des genres , comme les êtres vivans appartiennent à un sexe. Il en résulte ensuite des avantages techniques, dans l'arrangement des phrases; mais pour les apprécier et en sentir le hesoin , il faut qu'une nation soit frappée surtout de ce que la langue ajoute à la pensée, en la transformant en parole.
Je crois avoir suffisamment développé jusqu'ici l'origine de la distinction des formes grammaticales dans les langues. Je ne les regarde point comme le fruit des progrès qu'une nation fait dans l'analyse de la pensée, mais plutôt comme un résultat de la manière dont une nation considère et traite sa langue. J'ajouterai seulement une observation: dès qu'une nation poursuit cette route, le système se complète, puisque l'idée d'une de ces catégories conduit naturellement à l'autre; et il faut avouer que tant que le système est défectueux, l'idée même d'une seule de ces catégories n'a jamais toute la précision dont elle est susceptible.
Il serait impossible de parler sans être dirigé par un sentiment vague des formes grammaticales des mots. Mais je crois avoir démontré aussi qu'il est possible, en ne faisant entrer qu'un nombre bien limité de rapports dans une phrase, de s'arrêter au point où la distinction exacte des catégories grammaticales n'est point nécessaire; qu'on peut renoncer entièrement au système de classer chaque mot dans une de ces catégories, et de lui en attacher la marque; qu'on peut s'éloigner dans la formation des phrases, aussi peu que pos- sible, de la forme des équations mathématiques. Il suit éga- lement de ce qui a été dit plus haut, qu'aucune des caté- gories grammaticales ne peut être conçue dans toute sa précision par celui qui n'est pas habitué à en former, et à en appliquer le système complet, vu. 20
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Les Chinois, qui sont dans ce cas, s'énoncent souvent cîe manière à laisser indéterminée la catégorie grammaticale à laquelle il faut assigner un mot employé ; mais ils ne sont pas forcés non plus d'ajouter à la pensée, là où elle n'en a que faire, l'idée précise que telle ou telle forme grammati- cale entraîne après elle. On peut, en Chinois, employer le verbe sans y exprimer le tems qui, dans renonciation des idées générales, est toujours un accessoire déplacé; on n'a pas besoin de mettre le verbe ou à l'actif ou au passif, on peut comprendre les d<eux modifications dans un même mot. Les langues classiques ne pouvant que très-rarement s'énon- cer ainsi dune manière indéfinie, doivent avoir recours à d'autres moyens pour rendre à l'idée la généralité qu'elles ont été obligées de circonscrire en employant une forme précise.
Il est digne de remarque que deux langues américaines, les langues maya et bvioi, ont deux manières d'exprimer le verbe: l'une marque le tems auquel l'action est assignée, l'autre énonce purement et simplement la liaison de l'attri- but avec le sujet. Cela est d'autant plus frappant, que ces deux langues attachent aussi, au présent, dans leur véritable conjugaison, un affixe particulier. Ces rapprochemens peuvent, ce me semble, servir à prouver que, lorsqu'on trouve de pareilles particularités dans les langues, il ne faut point les attribuer à un esprit éminemment philosophique dans leurs inventeurs. Toutes les nations dont les langues n'ont pas adopté la fixité des formes grammaticales, ajoutent, là où le sens l'exige, des adverbes de tems au verbe, et négligent de le faire dans d'autres cas; et ce n'est que cette méthode qui se régularise dans diverses langues de différentes ma- nières. Mais il n'en reste pas moins vrai, que l'esprit philo- sophique, lorsqu'il s'est développé dans la suite des tems, peut tirer un parti fort utile de ces particularités en appa- rence insignifiantes.
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En n'adoptant point le système de la distinction des catégories grammaticales des mots, on est dans la nécessité de se servir d'une autre méthode pour taire connaître la liaison grammaticale des idées: c'est ce que j'ai indiqué au commencement de cette lettre, et ce que je tenterai de dé- velopper à présent. J'arriverai plus facilement au but que je me propose, en appliquant directement, dès à présent, mon raisonnement à la langue chinoise, et en passant ainsi à ces preuves de fait dont j'ai parlé plus haut.
J'ai pris la liberté, monsieur, de fixer votre attention sur la liaison étroite qui existe entre l'unité de la proposi- tion énoncée et les formes grammaticales. Dans nos langues, nous reconnaissons cette unité au verbe fléchi, quelquefois sous-entendu, mais le plus souvent exprimé grammaticale- ment. Autant il y a de verbes fléchis, autant il y a de pro- positions.
La langue chinoise emploie tous les mots dans l'état où ils indiquent l'idée qu'ils expriment, abstraction faite de tout rapport grammatical. Tous les mots chinois, quoique enchaînés dans une phrase, sont in statu absolut o, et res- semblent par-là aux radicaux de la langue samscrite.
La langue chinoise ne connaît donc, à parler gramma- ticalement, point de verbe fléchi; elle n'a pas proprement de verbes, mais seulement des expressions d'idées verbales, et ces dernières paraissent sous la forme d'infinitifs, c'est-à- dire, sous la plus vague de celles que nous connaissons. On peut dire, à la vérité, que l'expression d'une idée verbale, précédée d'un substantif ou d'un pronom, équivaut en chi- nois au verbe fléchi , aussi bien que les mots they like en anglais. Il n'y a aucun doute qu'on ne puisse, dans quelques- unes de nos langues modernes, surtout en anglais, former des phrases même assez longues, lesquelles seraient entière- ment chinoises, puisqu'aucun mot n'y porterait l'exposant
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d'un rapport grammatical; mais la différence est néanmoins grande et sensible. Le mot likè est placé, aussi grammati- calement, à l'actif et au présent, puisqu'il manque des marques du passif et des autres teins: il s'annonce donc comme verbe; celui qui le prononce sait que dans d'autres cas ce verbe marque aussi la personne dont il est question. Un Anglais est habitué, en général, à combiner les élémens de la phrase d'après leurs formes grammaticales, puisqu'il existe, dans sa langue, des marques distinctives de ces formes, de véritables exposans des rapports grammaticaux, et c'est là le point important. Dans un idiome où l'absence de ces exposans forme la règle, l'esprit ne saurait être porté à y suppléer, comme dans celui où cette absence est comptée parmi les exceptions.
Ce qu'on nomme verbe, en Chinois, n'est pas ce qui est désigné par le terme grammatical de verbe fléchi et c'est en quoi la matière des mots diffère de leur forme, s'il est permis de parler ainsi. Prononcer un verbe comme liaison de la proposition, et comme devant indiquer un rapport gram- matical, c'est appliquer réellement l'attribut au sujet, c'est poser (par l'acte intellectuel qui constitue le langage) le sujet comme existant ou agissant d'une manière déterminée. Or, si une nation est frappée de ce rapport grammatical au point de vouloir l'exprimer, elle attachera à l'idée verbale quelque chose qui la désignera comme existence ou action réelle; elle exprimera, avec l'idée matérielle, au moins quelques- unes des circonstances qui accompagnent toute existence ou action, le tems, le sujet, l'objet, l'activité ou la passivité. C'est ainsi que, dans un grand nombre de langues sans flexions, par exemple dans la langue copte, dans la plupart des langues américaines, et dans d'autres encore, le verbe fléchi porte avec lui un pronom abrégé en guise d'affixe, soit constamment, soit du moins dans le cas où le sujet
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n'est pas exprimé; c'est ainsi qu'en mexicain le verbe est même accompagné du pronom qui représente son complé- ment, ou de ce complément lui-même, qui lui est incorporé. On voit de cette manière, à la forme même du verbe, s'il est neutre ou transitif. Le verbe, dans toutes ces langues, s'annonce comme une véritable partie d'oraison, comme une forme grammaticale; il désigne, outre la valeur qu'il a dans le lexique, ce qui caractérise l'existence et l'action réelle, il prouve par là qu'il n'a pas été regardé comme l'idée vague d'une manière d'exister ou d'agir, mais comme posé réellement dans la phrase en un état déterminé d'existence ou d'action. En chinois, toutes ces modifications lui manquent, il n'exprime que l'idée; son sujet, son complément, s'il en a, forment des mots séparés; le tems, pour la plupart, n'est pas marqué ou l'est, non comme un accessoire indispensable du verbe, mais comme appartenant à l'expression de l'idée de la phrase. Le prétendu verbe chinois, si l'on veut lui assigner une forme grammaticale, sans lui prêter ce qu'il n'annonce ni ne possède, est à l'infinitif, c'est-à-dire dans un état mitoyen entre le verbe et le substantif. Le lecteur reste entièrement en doute, si ce verbe forme, comme verbe fléchi, la liaison entre le sujet et l'attribut, ou s'il faut le regarder comme l'attribut, et sous-entendre le verbe substantif. Plus on se pénètre du caractère des phrases chinoises, plus on incline à cette dernière opinion. A peine même a-t-on besoin de sous-en- tendre ce verbe; on peut regarder souvent la proposition, à l'instar d'une équation mathématique, simplement comme renonciation de la convenance on de la disconvenance du sujet avec l'attribut.
Il es vrai qu'il existe une autre circonstance qui fait aussi reconnaître le verbe dans la construction chinoise. Le chinois range les mots des phrases dans un ordre déterminé, et la distinction fondamentale sur laquelle repose cet ordre, con-
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siste en ce que les mots qui en déterminent d'autres, précèdent ces derniers, tandis que les mots sur lesquels d'autres se dirigent comme sur leur objet, suivent ceux dont ils dépendent. Or, il est dans la nature des verbes , en tant qu'ils expriment l'idée d'une action, d'avoir un objet sur lequel ils se dirigent, tandis qu'il est de la nature des noms, comme désignant des choses (qualités ou substances), d'être déterminés, dans l'éten- due qu'on veut leur assigner. On reconnaît donc en chinois les noms à cette circonstance, qu'ils sont précédés par leurs determinatus, et les verbes, à cette autre, qu'ils sont suivis par leur régime; et dans un grand nombre de phrases chi- noises on passe du mot déterminant au mot déterminé, jus- qu'au point où cet ordre devient inverse en conduisant du mot qui régit à celui qui est régi, ou, ce qui revient au même, du mot déterminant au mot déterminé. Le mot qui occupe cette place, l'ait les fonctions du verbe en chinois, et constitue l'unité de la proposition. C'est ainsi que toéï l) et isai 2) peuvent grammaticalement être regardés comme les liens de l'attribut au sujet.
Mais on chercherait en vain dans cette méthode d'in- diquer la liaison des mots, la véritable idée du verbe fléchi. La circonstance qui consiste à placer le complément après l'idée verbale, est aussi commune à l'infinitif et au participe. Le substantif même pourrait être construit ainsi, si la plu- part des langues n'avaient la coutume d'employer dans ces cas l'intermédiaire d'une préposition. D'un autre côté, le verbe chinois est bien souvent aussi déterminé par des mots qui le précèdent. Il n'y a rien là qui caractérise rigoureu- sement sa qualité grammaticale.
L'unité même de la phrase n'est pas complètement con- stituée par ces différens arrangemens des mots, et l'on reste souvent en doute si l'on doit regarder une série de mots ') Tchoûng yoùng, i>. 3'i, I, 1. ) lb. p, 67, XX, '2.
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comme formant une ou deux propositions. Dans Ja phrase que je viens de citer ') , ne pourrait-on pas regarder aussi pou comme terminant une proposition, et traduire regimen ordinanan est, ess t at hi, etc.? Dans la phrase ta ko tao rien indique-t-il qu'il faille la traduire en deux propositions, calde ploravit, dixit, ou dans une, calde jdorando dixit (2)? Le simple sujet d'une proposition semble même quelquefois être énoncé isolément, et non lié immédiatement à ce qu'on nomme verbe; il est placé là comme pour être pris lui seul en considération. On le trouve souvent séparé du reste de la phrase par un signe de ponctuation, et même le verbe auquel il se l'apporte peut encore être accompagné d'un pro- nom qui le représente. Tout cela me semble prouver que les Chinois ne rangent pas leurs mots d'après des formes grammaticales qui assigneraient des limites fixes aux diffé- rentes propositions, mais qu'ils profèrent chaque mot, comme pour le livrer d'abord isolément à la réflexion, en entrecou- pant continuellement leurs phrases, et en ne liant les mots que là où l'idée l'exige absolument. Ils indiquent des pauses movennant certaines particules finales; mais ces particules manquent souvent là où il y a des pauses très-marquées. Si je ne me trompe dans cette manière d'envisager la con- struction chinoise, ce doute que j'exprimais, si les phrases ci-dessus citées forment une ou deux propositions, ne doit pas s'élever dans l'esprit d'un Chinois.
Ne croiriez-vous pas aussi, monsieur, que notre méthode de ranger toujours les mots rigoureusement sous les caté- gories grammaticales, nous force souvent à regarder comme une même proposition, des phrases chinoises qui en renfer- ment deux ou plusieurs? Ne devrait-on pas traduire, par exemple, la phrase citée dans votre Grammaire 2) d'après le
') Tchoung-yoùng, XX, %. ) §. 159, p. 67, no 159.
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génie de la langue chinoise. Il dispose de l'empire {utitur, par l'analogie de l'exemple du no 252); il en pourvoit V homme? La particule } peut presque toujours se traduire ainsi; et sô l3 que, d'après nos idées, nous regardons comme une conjonction, forme, à ce qu'il me semble, une proposi- tion incidente, qui se place souvent immédiatement après le sujet l).
Les prépositions qui marquent le terme d'une action dont vous parlez, monsieur, aux Nos 84—91 de votre Gram- maire) renferment, presque sans aucune exception, originai- rement, une idée verbale. Cela n'indiquerait-il pas clairement la marche de la construction chinoise? On exprime une idée verbale, et la proposition, d'après nos idées, est terminée là; on ajoute, immédiatement après, une autre idée verbale (ex- primant généralement un mouvement, une direction, et pas- sant insensiblement en préposition), et on la fait suivre de son complément, c'est-ù-dire qu'on commence une seconde proposition après avoir terminé la première. Quelquefois cet ordre est renversé. Le verbe qui tient lieu de préposition, précède avec son complément, et est suivi de celui dont, comme préposition, il est le régime2). Mais la construction reste toujours, même dans ce cas, grammaticalement la même (3).
Les idées de substantif et de verbe se mêlent et se con- fondent nécessairement dans les phrases chinoises; la même particule sert à séparer, comme signe du génitif, un sub- stantif d'un autre, et comme particule relative, le sujet du verbe. On voit par cette circonstance seule que la langue n'adopte pas la méthode de nos formes grammaticales. Dès qu'on abandonne la rigueur des idées grammaticales, le verbe,
') Tchoùng-yoûng, p. Ci, XIX, 4. •) Gr. 299.
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surtout à l'infinitif, peut être pris comme substantif, et il y a des langues qui, pour indiquer les personnes, y attachent les pronoms possessifs, comme les pronoms substantifs; notre manger est à peu près la même idée que nous mangeons. En chinois, des adjectifs et même des substantifs ') changent d'accent, lorsqu'ils passent au sens verbal, et d'après M. Mor- rison (vol. I, Part. I, p. 6), les mots usités à la fois comme noms et verbes, ont, lorsqu'ils servent de verbes, ordinaire- ment l'accent appelé lihiu (4). La prononciation anglaise2) établit une distinction semblable pour les mots de deux syl- labes, employés à la fois comme substantifs et comme verbes. Mais en chinois ce changement de prononciation ne décide rien sur le sens grammatical. Le mot ne devient pas propre- ment un verbe, mais prend seulement la signification ver- bale (5).
Je ne puis, à cette occasion, me dispenser de vous adres- ser, monsieur, une question sur les mots tchoùng-goùng. Vous le traduisez par milieu invariable, medium const ans. Mais regardez-vous le rapport grammatical de ces deux mots comme étant le même que, par exemple, celui de lai /i/6? J'avoue qu'il me paraît différent. Comme adjectif, yoùng devrait précéder tc/ioung. Il me semble qu'en appliquant nos idées, goùng est un infinitif qui est précédé en guise d'adverbe par le mot qui le détermine, medio constare. Vous le tra- duisez aussi comme verbe, t. p. 35, II, 2: parvi homines medio constant (6).
Cet exemple ne prouverait-il pas de nouveau qu'il ne faut guère, en chinois, élever la question des formes gram- maticales? Ce que les mots tchoûng-yoùng expriment avec précision et clarté, c'est l'idée de perse cerer (d'avoir pour
') Gr. 55.
J) Walker's Pronouncing dictionary, 16 éd., j>. 71, §. 492.
Il
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maire, nu-un«* «• w
rement, n'indiquerait
la inarcli« mois«' .' < >n e\
verbale, i propofton, daj.i
on ajoute, nnuu dial \i une attire idée
primant g un mouvement, une directu ^^
sant insi préposition), el on la fait
>on complement. . , :i , tnmence une ^
proposition terminé la première. nuelmu
ordre est ren ■ verbe <jui tient lieu «le prépo
précède avec dément, et est suivi de celui
comme prépoail régime*). Mais la constructs
reste toujom dans ce cas, grammaticalement
même (3).
Les idées de subantif et de verbe se mêlent et se con- fondent nécessairemeu dans les phrases chinoises; la même particule sert à sq.an, comme signe du génitif, un sub- stantif d'un autre, et )mme particule relative, le sujet du verbe. On voit par cte circonstance seule que M ' n'adopte pas la métho« de nos formes gramjj qu'on abandonne la rL :ur des idées gramma«
*) Tchoûng-yoûng, p. 6«IX, 4. 2) Gr. 299.
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«Uli hi«
surtout à l'infinitif, peut -v a des langues qui, poor a les pronoms possess; manger est à peu En chinois, des adjectifs <; d'accent, lorsqu'ils passent rison (vol. I, Parti, p noms et verbes, ont, i ment l'accent appelé hhiu établit une distinction seml labes, employés à la fois c Mais en chinois ce ch rien sur le sens gramma ti> ment un verbe, mais
cule, même lors- , pourraient faci- rlicule s'emploie tion de génitif. M, le verbe sub- Bbut3) hvei tchi ■rase ordinaire nt la place du Itantif la pre- nons d'article pronom re- ment explé-
bale (5).
Je ne puis, à cette oci , me<\j ser, monsieur, une quel ir le$ Ul
Vous le traduisez par mil' tcutiabl Mais regardez-vous le ra| comme étant le même qu J'avoue qu'il me parait i devrait précéder tc/ioùng. idées, yoùng est un infiniti par le mot qui le déternn duisez aussi comme verb medio constant (6).
Cet exen^1 faut o'-'
;rammatic4 4 • exemple, nt. Coiuii^ e semble est précède * ledio co n si ut p. 35, il, 2
, 16 éd., p. 71,
le verbe, me chose ou si mou e un sub-
verbe, et diffèrent nt quel-
lorsque la parti-
comme assages, mmaire, (0 homi- W , on
-young,
XII, 2.
k.10 192.
■
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coutume) dans ce qui est appelé le milieu. Mais s'il faut attribuer à cette idée la forme du verbe fléchi, ou de l'inii- nitif, ou d'un substantif verbal, ou d'un autre substantif-, s'il faut traduire persévérant , perseverare _, persévérât io ou persévérant ia: c'est là ce qui reste indécis, et ce que le génie et le caractère de la langue chinoise n'engagent point à demander. Tout ce qu'on peut dire grammaticalement, c'est que l'idée plus étendue de yoâng est circonscrite par l'idée de tchoûng. La phrase siaô jin tclii tchoûng- young renferme simplement les idées vulgaire et persévérer dans le milieu; elle indique, par la particule tchî, que ce sont deux idées qu'on a séparées l'une de l'autre, pour pouvoir les comparer dans leurs différens rapports. Leur convenance, la qualité affirmative de la proposition, résultent de l'absence dune négation. Voilà à quoi la langue se borne; elle ne détermine rien sur la forme précise de l'expression de la phrase, si l'on doit regarder yoùng, ainsi que vous l'avez fait, comme verbe fléchi, ou s'il faut suppléer après tchi le verbe substantif, ou enfin un autre verbe, ainsi que vous l'observez, monsieur, dans votre note sur la même phrase, dans un autre passage.
Les mots ia Id tao } ci -dessus cités, fournissent une autre preuve bien frappante que la langue chinoise, en in- diquant la liaison des idées, ne précise pas pour cela la forme de l'expression, qui pourtant rejaillit nécessairement sur l'idée même. Ces mots désignent les trois idées magnum, plorare, diccre, et annoncent que de grandes lamentations ont accompagné ou précédé le parler de quelqu'un. Mais ils laissent indécis, autant que je puis voir, si le deuxième mot doit être pris comme substantif, ou comme verbe; si les deux premiers forment une proposition à eux seuls, ou se rattachent au troisième; si, dans ce cas, ils renferment, comme participe accompagné d'un adverbe, le sujet du
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troisième, ou si, en forme de gérondif, ils en expriment seulement une modification de manière que le sujet du verbe reste sous-entendu (/)? Il faut avouer que toutes ces nuances sont assez indifférentes, et qu'il suffit pour le sens du pas- sage que l'individu dont il y est question, ait pleuré et parlé, et qu'il ne soit pas expressément marqué d'intervalle entre ces deux actions. En traduisant cette phrase en latin, on peut la rendre de quatre différentes manières: Valde ploravit, dixit;
- - plorans - -
- - plorando - - cum magno ploraUi -
Chacune de ces quatre phrases représente l'objet d'une ma- nière différente, et attache une nuance particulière à l'idée; un bon écrivain ne les emploierait pas indifféremment (S). Il faut, en traduisant, en choisir une, et nuancer l'expression plus qu'elle ne l'est dans le texte chinois, et plus que l'idée seule ne l'exigerait.
On pourrait faire ici l'objection que de semblables phrases ne se présentent à l'esprit d'un Chinois que sous une des tonnes possibles qu'elles semblent admettre, et que l'usage de la langue donne le tact nécessaire pour saisir cette forme précise. Mais il est toujours de fait que les mots chinois ne renferment aucune marque qui force ou qui autorise à les prendre plutôt sous cette forme que sous une des autres formes indiquées, et l'on peut poser en principe que, dès qu'un rapport grammatical frappe vivement l'esprit d'une na- tion, ce rapport trouve une expression quelconque dans la langue que parle cette même nation. Ce que l'homme con- çoit avec vivacité et clarté dans la pensée, il l'exprime in- failliblement dans son langage. On peut également retourner ce principe, et dire: si un rapport grammatical ne trouve pas d'expression dans une langue, il ne frappe pas vivement la
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nation qui la parle, et n'en est pas senti avec clarté et pré- cision. Car toute l'opération da langage consiste à donner du corps à la pensée; à en arrêter le vague par l'impres- sion fixe que laissent les sons articulés; à forcer l'esprit de dérouler l'ensemble de la pensée dans des paroles qui se succèdent. Tout ce que, dans l'esprit, on veut élever à la clarté et la précision que les langues répandent sur les idées, doit, par cette raison, y être marqué, ou y trouver au moins en quelque façon, un signe qui le représente.
Les deux moyens ({lie la langue chinoise emploie pour indiquer la liaison des mots, ses particules et la position des mots, ne me semblent pas non plus avoir pour but de mar- quer les formes grammaticales, mais de guider d'une autre manière dans l'intelligence de la tournure des phrases.
Je commence, pour prouver la première partie de cette assertion, par l'examen de la particule qui semble s'appro- cher le plus de ce que, dans nos langues, nous nommons suffixe ou flexion. La particule tc/ii paraît, dans un grand nombre de phrases, être un simple exposant du génitif, et équivaloir par là aux prépositions de, of, von, des langues française, anglaise et allemande. Mais lorsqu'on considère que cette même particule, là où elle fait les fonctions de particule relative (en unissant, par exemple, le sujet de la proposition au verbe), devient l'exposant du nominatif, et que là où elle suit le verbe l) comme son complément, elle se trouve à l'accusatif (9); on voit bien que ce n'est pas dans le sens adopté dans d'autres langues qu'on lui donne Je nom d'exposant du génitif, et qu'elle ne peut point être mise sur la même ligne avec les prépositions ci-dessus citées. C'est aussi là précisément l'idée que vous en donnez, mon- sieur, au No 82 de votre Grammaire.
') Gr. no 134.
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Le génitif peut se passer de cette particule, même lors- que deux génitifs, dépendant l'un de lautre, pourraient faci- lement prêter à l'amphibologie1), et la particule s'emploie dans beaucoup de cas où il n'est pas question de génitif. Elle unit le sujet de la proposition au verbe, le verbe sub- stantif2) et d'autres neutres ou passifs à l'attribut 3) 'ivei ichl ichoung (10), ce qui est l'inverse de la phrase ordinaire tchi 'ivei; le substantif à l'adjectif, en prenant la place du verbe substantif4); ou l'adjectif5), ou le substantif la pré- cède; elle forme des adjectifs6); fait les fonctions d'article déterminatif ou partitif7); devient synonyme du pronom re- latif8); mais ne peut jamais être nommée purement exple- tive y).
Je la trouve aussi entre la négation mou et le verbe, et désirerais bien apprendre, monsieur, si la même chose peut avoir lieu avec d'autres particules négatives, ou si mon fait exception, puisqu'il faut le regarder10) comme un sub- stantif sujet du verbe (11)?
J'ai déjà remarqué que le nominatif, sujet du verbe, et le génitif, quelque singulier que cela paraisse, ne diffèrent pas tellement dans leurs fonctions, qu'ils ne puissent quel- quefois se confondre. Cela peut arriver en chinois, lorsque la construction et la signification du mot qui suit la parti- cule le/il permet de le prendre comme verbe ou comme substantif. Je citerais comme exemples de tels passages, ceux qui sont allégués au no 119 et 87 de votre grammaire, monsieur. On pourrait traduire le premier non cupio homi- num adf/ere (additionem) ad me, et dans le second, on
') Gr. 346, ex. 2. ') Ib. no 137, ex. 2. 3) Tchoûng-yoûng,
p. 32, I, 4. *) Gr. no 315. •'■) Tchoimg-yoùng, p. 47, XII, 2. 6) Gr. no 19j. ') Ib. no 190. 8) Ib. no 192.
') Ib. p. 80, no I. in) Ib. no 271.
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pourrait regarder la phrase du commencement comme pla- cée au génitif, et changer vocal ur en nomen. En grec, où l'infinitif se transforme sans difficulté en substantif, ces deux traductions ne rencontreraient guère d'obstacle. La même chose est encore plus évidente, lorsque tchi sert à lier le substantif avec l'adjectif; si ce dernier précède, il peut être pris comme placé au génitif du pluriel1). (Studio nains deb'tlium marcidorum sum, id est homo.) Si le substantif commence la phrase, l'adjectif doit être pris dans le sens substantif, et th'tan il tchi ta, pris en lui-même, se traduit tout aussi coelam terraque magna2), que coell ferraequc magtùiado. Le contexte du passage entier décide seul entre ces deux manières de rendre la phrase.
La raison de ce que j'avance ici est claire: les deux cas où le génitif est placé avant le mot duquel il dépend, et où le nominatif précède le verbe, ont cela de commun, que le premier des deux mots détermine l'idée du second; leur différence ne consiste que dans la forme grammaticale qu'on donne à ce dernier. Une langue qui, ainsi que la chi- noise, n'a point égard aux formes grammaticales, mais qui borne sa grammaire à bien distinguer l'idée déterminante de l'idée déterminée, peut donc facilement traiter ces deux cas de la même manière.
La véritable fonction de la particule tchi est celle que vous lui attribuez, monsieur3), d'éviter une amphibologie, en marquant mieux le rapport qui existe entre les mots qu'elle réunit.
Si la définition de cette particule devait encore être rendue plus précise, j'y ajouterais qu'elle doit fixer l'atten- tion de celui qui écoule, sur les mots qui la précèdent, en
') Gr. 3)5. ') Tchoung-yoùng, ]>. 47, XII, '2.
') Gr. p. 80, no 1.
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signe que ces mots, pris à part, doivent être mis en rapport avec ce qui suit. En moine lems que la particule tclû réu- nit, elle sépare aussi, à ce qu'il me semble, et pourrait en- core nommée separative. Car, si je ne me trompe, son effet, lorsqu'elle marque le génitif, est aussi d'empêcher qu'on ne regarde les substantifs qui se suivent, comme placés dans le même cas en opposition, et lorsqu'elle désigne le sujet du verbe, d'empêcher qu'on ne prenne ce sujet pour une ex- pression purement modificative ou un adverbe. L'idée prend là où tchi est employé, une direction différente, mais inti- mement liée à celle qu'on a suivie jusque là.
Si l'on remonte à l'origine de ichi, je vois par ce que vous en dites, monsieur, que ce mot signifie bourgeon, qu'il a le sens verbal de passer d'un lieu dans un attire, et qu'il est employé comme adjectif ou pronom démonstratif1).
Le premier de ces trois emplois répond entièrement à l'idée du génitif; le deuxième donne à la particule un sens plus étendu; mais il n'y a, ce me semble, que le troisième au moyen duquel on puisse expliquer toutes les différentes manières de s'en servir.
Lorsque tchi sert de complément au verbe, son sens pronominal est évident -). Dans le premier exemple du No 223 de votre Grammaire , monsieur, ce complément semble se trouver devant le verbe. Mais il me semble que Ichi, dans ce passage, doit être pris au contraire comme sujet de la proposition. Trois determinant's se suivent immé- diatement, et le complément du verbe doit être sous-entendu. Cela, ceci, cela même, je le disais. Tchi est encore pronom dans cette phrase, où il forme à lui seul le sujet du verbe3). Dans les cas où il unit, comme génitif, le terme antécédent et le terme conséquent, où il se place entre le verbe et son
') Gr. 189. *) Ib. no. 134. 3) Ib. 491 1
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sujet, el surtout où il fait les fonctions d'article, je l'explique de la même manière. On énonce un objet; pour y fixer davantage l'attention, on y ajoule cela! et ayant placé ce mot comme une pierre d'attente, on continue à exprimer l'idée qui doit s'y lier. La particule indique ainsi quels sont les mots qui, ayant été séparés sous un certain rapport, doivent être liés ensemble sous un autre; Mais elle ne dé- termine point le genre de cette liaison, ou ne la détermine pas, au moins, d'après les idées que nous avons des formes grammaticales.
Si Ichi n'était pas proprement un pronom; il serait dif- ficile de concevoir comment il pourrait se prendre pour Ichc qui en est évidemment un '). En comparant ces deux déter- minatifs ensemble, la nature démonstrative du premier, et la nature conjonctive ou relative du second devient évidente. Là où le but du pronom est simplement de rappeler un objet déjà énoncé, on peut également bien employer le dé- monstratif {vet er es, ht) et le relatif, en y sous-entendant le verbe substantif {veteres qui sunt). Mais lorsque le pronom est le complément d'un verbe, sans être suivi d'une autre idée qui en dépende, le démonstratif seul est à sa place, et c'est là précisément que Ichi est employé exclusivement. Par celte même raison Ichi a un sens restrictif2). Tchè em- brasse tout Tétendiie de l'idée, ichi la détermine davantage.
Dans le style moderne La liaison grammaticale des idées paraît être la même, quoiqu'exprimée avec un mot différent. Celui qui y désigne le génitif, 1i, se prend aussi pour le pronom relatif, mais il ne sert pas de complément au verbe, et porte par là moins évidemment le caractère pronominal. Vous ne dites pas précisément, monsieur, dans votre gram- maire, si ti se place aussi, ainsi que tchi, entre Je sujet de
') Gr. no* 192, 145. 3) Gr. J 93, 195.
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la proposition et le verbe (12). Mais dans la phrase ngô eu Iny lày ti tching hào, mon enfant, ion arrivée est à pro- pos, et agréable, je le trouve employé exactement comme tchî, dans l'exemple (pie vous citez au No 315 de votre grammaire.
Si j'ai réussi à me rendre compte exactement des dif- férentes acceptions de tclil, on pourrait les réduire aux trois suivantes:
1. Le sens verbal de passer. C'est peut-être à cause de cette acception que tchî signifie pour, à l'égard de1). Dans deux autres exemples 2) ce sens paraît résulter du contexte, et la particule semble conserver son emploi gram- matical ordinaire.
2. Le sens d'un pronom démonstratif, lorsque tchî est complément, ou bien seul sujet du verbe.
3. Cette même signification pronominale, mais employée de manière que tchî devient vraiment une particule, un mot vide, ou grammatical.
Si ensuite, et c'est là pourquoi j'ai cru devoir entrer dans cet examen détaillé, on se demande à quelle classe de mots grammaticaux appartient tchî, il ne faut point, selon mon opinion, le ranger parmi ceux qui sont les exposans des catégories grammaticales des mots, mais parmi ceux qui marquent, dans la construction, le passage d'une idée à une autre. On pourrait peut-être distinguer ces deux classes par les noms de mots grammaticaux étymologiques et syn- tactiques.
La particule yè est de la même classe que tchî; elle marque également la suspension, tient lieu du verbe sub- stantif, ou peut être regardée, ainsi que vous l'avez repré- senté, monsieur, dans votre dissertation sur la nature mono-
') Ib. 187. *) Ih. 123, 162.
vu. 21
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syllabique du chinois1), comme un affixe du nominatif, qui renforce le pronom relatif.
J'oserais dire, monsieur, que dans le mémoire que je viens de citer, vous semblez assimiler la grammaire chinoise beaucoup plus à celle des autres langues que vous ne le faites, à ce qu'il me semble au moins, dans vos Elémens (13). Dans ces derniers, vous ne suivez cette méthode qu'autant que le but d'enseigner le chinois et de le mettre, pour cet effet, en rapport avec les idées grammaticales des lecteurs, le rend absolument nécessaire. Votre Grammaire est réelle- ment, ainsi que la nature de la langue l'exige, plutôt un traité de syntaxe chinoise, soumis à la division que nous suppo- sons dans toute grammaire d'une langue quelconque, et l'excellent résumé de la phraséologie, comparé au corps de l'ouvrage, met tout lecteur un peu exercé à juger du génie particulier des langues parfaitement sur la voie et en état de ne pas pouvoir se méprendre sur celui de la langue chi- noise. Je crois avoir puisé l'idée de l'absence des formes grammaticales en chinois, dans l'étude approfondie de vos Elémens, et pour cela même, je ne crains presque pas, mon- sieur, de rencontrer en vous un adversaire de cette opinion.
Les particules finales, pour revenir à mon sujet, appar- tiennent entièrement à la partie de la grammaire qui déter- mine la forme des phrases.
Les prépositions ne peuvent pas, comme dans d'autres langues, être prises pour des exposans des cas des mots, puisque les mots qui dépendent d'elles ne souffrent aucune altération, qu'elles gardent elles-mêmes la construction que leur assigne leur signification primitive, et que le seul chan- gement qu'elles éprouvent en passant à l'état de préposi- tions, est la généralisation de l'idée primitive.
') Fundgruben des Orients, III, 283.
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On peut dire la même chose des marques des tems dans les verbes. Elles désignent beaucoup plutôt des idées, à l'instar de tout autre mot plein, qu'elles n'indiquent gram- maticalement le rapport du tems. Elles ont tellement loin de faire partie du verbe, que vous observez, monsieur, que, même dans le style moderne, leur emploi est peu fréquent *). On n'y découvre pas même une tendance à s'amalgamer avec le verbe (14), car il y en a qui peuvent à volonté le précé- der ou le suivre, et d'autres qui peuvent en être séparées par d'autres mots. Elles accompagnent le verbe également, et sans altérer le moins du monde leur forme, là où il est verbe fléchi, et là où il se trouve à l'infinitif. Le passage cité No 370 de votre grammaire en fournit un exemple frap- pant, qui prouve aussi en général que les phrases chinoises ont un sens clairement et précisément exprimé, dès qu'on se borne à examiner de quelle manière une idée est déter- minée par l'autre, mais qu'on est livré à l'incertitude sur la forme de l'expression, dès qu'on veut ranger les mots selon les idées des catégories grammaticales. La seconde propo- sition de ce passage est déterminée par le mot cht qui ter- mine la première, et celui-ci l'est à son tour par ceux qui le précèdent et qui expriment une action. Rien ne saurait être plus clair et plus précis. Mais faut-il regarder l'expres- sion de cette action comme celle d'un fait; femme tu as préparé, y joindre, après une pause, l'idée du tems rappor- tée à ce fait? ou faut-il prendre cht pour une conjonction, et en faire régir le verbe, comme verbe fléchi? ou ce verbe est-il à l'infinitif, et précède-t-il comme le génitif du géron- dif le substantif cht, de manière que le pronom personnel devienne possessif? Voilà les questions auxquelles on cherche en vain la réponse dans la phrase, et qu'un Chinois, selon
') Gr. no 351.
21*
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mon opinion, ne serait pas même porté à élever. Ce qui est encore remarquable, c'est qu'il y est question du prétérit d'une action future, mais que le futur n'y est nullement ex- primé. Si celui qui parle avait voulu dire que, lorsque la dame dont il y est question, eut achevé de tout préparer, il lui eût renouvelé ses remercimens, il me semble qu'il aurait pu lui adresser les mêmes paroles (15).
Il me parait résulter de ce que je viens de dire, que, sous le rapport des mots vides, la langue chinoise diffère aussi des autres langues. Ces dernières suppléent par ces mots au manque de flexions; dans plusieurs, les mots vides tendent visiblement à faire partie des mots pleins auxquels ils appartiennent, à s'amalgamer avec eux, à devenir flexions. Il y a même bien peu de ces langues qui n'offrissent un ou plusieurs exemples de flexions véritables ou apparentes. Les mots vides des Chinois n'ont point pour but d'indiquer les catégories grammaticales, mais ils indiquent le passage d'une partie de la pensée à l'autre, et s'adaptent, si l'on veut ab- solument les regarder du point de vue de ces catégories, à plusieurs d'entr'elles. Au reste, beaucoup de ces mots vides conservent encore si évidemment leur acception primitive, qu'on les comprend souvent mieux en les regardant comme des mots pleins, ainsi que j'ai taché de le faire voir de h Vous traduisez, monsieur, l et yeou l) par adhibere et pro- venire, dans un passage où ces deux particules sont précé- dées de so, qui forme leur complément. Une construction semblable, mais plus remarquable encore, à ce qu'il me pa- raît, se trouve dans le Tchoûny-yoûng2); i est précédé, dans ce passage , de so , et suivi de sieoà chin. Il a donc deux complémens, l'un dans son sens verbal, l'autre dans son emploi comme particule. On peut cependant le regarder
*) Gr. no 146. ') P. 72; XX, 11.
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aussi comme verbe par rapport à ce dernier; car on pour- rait traduire coynoscit (seit id) quo (per quod) Iraelamus to instaurare vel colère corpus.
Ce que je viens de dire des mots grammaticaux de la langue chinoise, qu'ils n'indiquent pas proprement les formes grammaticales des mots, peut également, à ce qu'il me semble, se dire de l'emploi que cette langue fait de la position des mots. En fixant par les lois grammaticales l'ordre des mots, on marque les parties constitutives de la pensée; mais dé- nuée d'autres secours, la position seule est hors d'état de les marquer toutes. Elle laisse du vague là où des mots de différentes catégories grammaticales pourraient former une de ces parties. Aussi les langues joignent-elles pour la plu- part l'emploi de la position à celui des flexions ou de mots grammaticaux. Cela arrive même dans des idiomes qui n'ont point atteint un haut degré de perfection, comme dans le péruvien, qui assujétit la position des mots à des lois très- rigoureuses. Vous observez, monsieur, la même chose de la langue des Tartares Mandchous, qui possède aussi des formes grammaticales. Le chinois manquant de flexions, et usant très -imparfaitement de mots grammaticaux, s'en remet le plus souvent à la position seule pour l'intelligence de ses phrases.
Sans flexions, ou sans quelque chose qui en tienne lieu, on manque souvent du point fixe qu'il faut avoir pour ap- pliquer les règles de la position. On peut dire avec certi- tude que le sujet précède le verbe, et que le complément le suit ; mais la position seule ne fournit aucun moyen pour reconnaître le verbe, ce premier chaînon auquel on doit rat- tacher les autres. Les règles grammaticales ne suffisant pas dans ce cas, il ne reste d'autre moyen que de recourir à la signification des mots et au sens du contexte.
Sans ce moyen la position seule des mots est rarement
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un guide sur pour l'intelligence des livres chinois. Le verbe, par exemple, est précédé du mot qui en forme le sujet, mais il peut aussi l'être d'un adverbe et d'expressions modifica- tives. Dans le deuxième exemple du No 177 de votre Gram- maire, monsieur, on ignore, avant que de connaître la signi- fication du mot, si hou appartient encore au sujet du verbe, ou s'il accompagne ce dernier comme adverbe. Les phrases
thsin thsin (Tchoùng-yoûny, p. 68, XX, 5.)
hhl 'we'i (Tchoûny-yoùny3 p. 75, XX, 14.)
ihkm-hia houe hià (Tchoûny-yoûny, 72, XX, 11.)
ta tchhin (Tchoûny-yoâny, ibid, 12.)
jeoà youàn jin (ibid.) sont toutes ou sujets ou complémens d'un verbe. Mais elles diffèrent toutes dans leurs rapports grammaticaux, et quoi- que ces rapports y fixent l'ordre des mots, ils n'y sont re- connaissables qu'à la signification et au sens du contexte. Les mots placés à la tête de ces phrases appartiennent à des catégories grammaticales différentes, que les règles de la position, qui les traitent toutes de la même manière, n'ont pas le moyen dïndiquer.
Si l'on considère attentivement la phraséologie chinoise dont vous avez donné, monsieur, dans votre Grammaire, un résumé à la fois lumineux et concis, la position des mots ne marque point proprement les formes grammaticales des mots, mais se borne à indiquer quel est le mot de la phrase qui en détermine un autre. Cette détermination est consi- dérée sous deux points de vue, sous celui de la restriction de l'idée d'une plus grande étendue à une plus petite, et sous celui de la direction d'une idée sur une autre, comme sur son objet. De là dérivent les deux grandes lois de la construction chinoise auxquelles, à parler rigoureusement, se réduit toute la grammaire de la langue.
Dans toutes les langues, une partie de la grammaire est
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explicite, marquée par des signes ou par des règles gram maticales, et une autre sous-entendue, est supposée conçue sans ce secours.
Dans la langue chinoise, la grammaire explicite est dans un rapport infiniment petit, comparativement à la grammaire sous-entendue.
Dans toutes les langues, le sens du contexte doit plus ou moins venir à l'appui de la grammaire.
Dans la langue chinoise, Je sens du contexte est la base de l'intelligence, et la construction grammaticale doit sou- vent en être déduite. Le verbe même n'est reconnaissable qu'à son sens verbal. La méthode usitée dans les langues classiques, de faire précéder du travail grammatical et de l'examen de la construction, la recherche des mots dans le dictionnaire, n'est jamais applicable à la langue chinoise. C'est toujours par la signification des mots qu'il faut y com- mencer.
Mais dès que cette signification est bien établie, les phrases chinoises ne prêtent plus à l'amphibologie. Même, d'après le peu d'étude que j'ai fait jusqu'ici du chinois, je vois avec combien de justesse vous avez rectifié, monsieur, dans votre analyse beaucoup trop flatteuse d'un de mes mé- moires académiques, un jugement précipité que j'y avais porté sur cette langue; mais il est sûr que, plus que dans tout autre, le secours le plus essentiel pour l'intelligence se trouve dans J es dictionnaires, tant pour fixer l'usage des mois qui peuvent avoir une acception verbale et substantive à la fois, que, surtout, pour les phrases habituelles sur lesquelles je reviendrai bientôt.
La grammaire chinoise a pu adopter cette forme, puis- que la coupe des phrases chinoises n'en exige pas une plus rigoureuse ni plus variée, et la coupe des phrases est restée telle, parce qu'une grammaire, aussi simple en admettrait
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difficilement une différente. Ces deux choses se trouvent toujours dans les langues en un rapport réciproque.
Presque toutes les phrases chinoises sont très-courtes, et même celles qui, à en juger par les traductions, paraissent longues et compliquées, se coupent facilement en plusieurs phrases très-courtes et très-simples, et cette manière de les envisager paraît la plus conforme au génie de la langue.
On peut rarement se borner à prendre les mots des phrases chinoises dans le sens seulement où on les emploie isolément; il faut le plus souvent y rattacher en même tems les modifications qui naissent de la combinaison de ce sens avec l'idée qui a précédé.
C'est là surtout ce qui arrive dans l'emploie des parti- cules. ECU, par exemple, n'est presque jamais une particule purement copulative; mais pour savoir si elle veut dire et tarnen *) ou et ideo 2), il faut consulter la phrase qui la pré- cède. Le rapport, ou opposé, ou conforme, dans lequel se trouvent les deux idées que eûl lie ensemble, se rattache à la signification de la particule. C'est d'après ce même principe que dans deux propositions, dépendantes l'une de l'autre, les conjonctions qui indiquent leur dépendance sont les plus souvent supprimées3). La phrase chinoise perd de son originalité, si on essaie de les rétablir. Toutes les fois que l'on comparera des traductions de passage chinois au texte, on trouvera qu'on a toujours eu soin d'y lier les idées et les propositions que la langue chinoise se contente de placer isolément. Les termes chinois reçoivent précisément un plus grand poids par cet isolement, et on est forcé de s'y arrêter davantage pour en saisir tous les rapports. La
0 Gr. no 224. J) lb. 178, 226; Tchoîmg-yofing, p. 35, II. 2,
p. 60, XVIII, 2, p. 107, XXXI, 2. 3) lb. 167, Tchoûng-
yoûng, v. 63, XVIII, 3.
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langue chinoise abandonne au lecteur le soin de suppléer un grand nombre d'idées intermédiaires, et impose par là un travail plus considérable à l'esprit. Chaque mot paraît, dans une phrase chinoise, placé là pour qu'on le pèse, et qu'on le considère sous tous ses différens rapports avant que de passer au suivant. Comme la liaison des idées naît de ces rapports, ce travail purement méditatif supplée à une partie de la grammaire. On peut supposer que, dans le lan- gage vulgaire, l'habitude et l'emploi de phrases une fois usi- tées, rendent le même service. Vous dites, monsieur, dans vos Recherches sur les langues tari ares ') qu'il y a en chinois une foule prodigieuse de phrases tellement consa- crées par l'usage, et si bien restreintes dans leur significa- tion, qu'on doit les entendre et qu'on les prend en effet tou- jours dans le sens qui leur a été affecté par convention, et non dans celui qu'elles auraient si on les traduisait littéra- lement. Il ne faut en général pas oublier que notre manière d'examiner et de traiter les langues est en quelque façon l'inverse de celle dont on les forme et même dont on les parle. Quelqu'imparfait que puisse être le commencement des langues, l'homme parle dès le principe. Lorsque la langue est formée, il aurait souvent encore bien de la peine à ana- lyser ses phrases, et il les prend le plus souvent dans leur ensemble, et moins ceux qui parlent, même chez nous, ont l'esprit cultivé, plus ils possèdent de ces phrases toutes faites, moins ils osent les briser et en transposer les élémens.
Les indications de la liaison des idées sont quelquefois négligées en chinois, au point qu'un mot est avancé tout seul uniquement pour en tirer une induction dans une phrase suivante. Dans le passage du Tchoûng-yoûng2) hiun Iseu chi tchouny, sapiens, et semper medio, l'idée du sage est
') Pag. 124. 2) Pag. 35, II, 2.
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placée isolément, puisqu'elle renferme en elle toute la phrase suivante comme une suite nécessaire.
La langue chinoise n'offre jamais de ces phrases longues et compliquées, régies par des mots placés à une grande distance de ceux qui en dépendent (16); elle présente au contraire toujours un objet isolé et indépendant; elle n'at- tache à cet objet aucune marque qui autorise à l'attente de ce qui va suivre: elle place, après cet objet, d'une manière également isolée, ou une pareille marque, ou un deuxième objet, et compose insensiblement, de cette manière, des phrases entières.
Si j'ai réussi à me former une idée juste de la langue chinoise, on peut, pour juger de cette langue, partir des faits suivans:
1. La langue chinoise ne marque jamais ni la catégorie grammaticale à laquelle les mots appartiennent, ni leur va- leur grammaticale en général. Les signes des idées, dans la prononciation et dans l'écriture, restent les mêmes, quelle que soit cette valeur.
Le changement d'accent des noms qui peuvent passer à l'état de verbe, et quelques composés, nommément ceux que la terminaison tseà fait reconnaître au premier coup- d'oeil comme substantifs, font seuls exception à cette règle générale (17).
2. La langue chinoise n'attache point les mots vides aux mots ple'ms, de manière qu'on puisse, en enlevant de la phrase un mot plein avec son mot vide, reconnaître tou- jours avec précision, à l'aide du dernier, la catégorie gram- maticale du premier.
Thian tchl peut être nominatif et génitif (18).
3. La valeur grammaticale n'est donc reconnaissable qu'à la composition même de la phrase.
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4. Elle ne l'est même alors que lorsqu'on connaît la signification d'un ou de plusieurs mots de la proposition.
5. La langue chinoise, dans sa manière d'indiquer la valeur grammaticale, n'adopte point le système des catégo- ries grammaticales, ne les spécifie point dans leurs nuances les plus fines, et ne les détermine même qu'autant que le langage le rend absolument nécessaire.
On pourrait, d'après cette description, confondre la langue chinoise avec ces langues imparfaites de nations qui n'ont jamais atteint un grand développement dans leurs facultés intellectuelles, ou chez lesquelles ce développement n'a pas agi, puissamment sur la langue; mais ce serait, selon mon opinion une erreur extrêmement grave.
La langue chinoise diffère de toutes ces langues impar- faites, par la conséquence et la régularité avec lesquelles elle fait valoir le système qu'elle a adopté, tandis que les langues des peuples barbares dont je viens de parler ou s'arrêtent à moitié chemin, ou manquent le but qu'elles se proposent. Toutes ces langues pèchent à la fois par l'ab- sence et par la redondance inutile des formes grammaticales. C'est, au contraire, par la netteté et la pureté qu'elle met dans l'application de son système grammatical, que la langue chinoise se place absolument à l'égal et au rang des langues classiques, c'est-à-dire, des plus parfaites parmi celles que nous connaissons, mais avec un système non pas seulement différent, mais opposé, autant que la nature générale des langues le permet.
Si l'on regarde ces langues du point de vue d'où nous partons ici, on en trouvera de trois genres différens.
La langue chinoise renonce à la distinction précise et minutieuse des catégories grammaticales, range les mots des phrases d'après l'ordre moins restreint de la détermination
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des idées, et donne aux périodes une structure à laquelle ce système est applicable.
La langue samscrite, les langues qui ont une affinité évidente avec elle, et peut-être d'autres encore sur lesquelles je ne voudrais rien préjuger ici, établissent la distinction des catégories grammaticales comme base unique de leur gram- maire, poursuivent cette distinction jusque dans leurs der- nières ramifications, et s'abandonnent, dans la formation de leurs phrases, à tout l'essor que ce guide sûr et fidèle leur permet de prendre.
La langue grecque, surtout, jouit de cet avantage; car je crois en effet que le latin même et le samscrit lui sont inférieurs dans celte phraséologie exacte, riche et belle à la fois, qui s'insinue dans tous les replis de la pensée, et en exprime toutes les nuances.
Il reste après cela un certain nombre de langues qui tendent, pour ainsi dire, à avoir de véritables formes gram- maticales, et n'atteignent pas ce but; qui distinguent les ca- tégories grammaticales, mais n'en marquent qu'imparfaitement les rapports; dont par conséquent la structure grammaticale est défectueuse, sous ce point de vue, ou vicieuse, ou l'un et l'autre à la fois. Il existe cependant, entre ces langues elles-mêmes, une différence très-marquée, puisqu'elles se rap- prochent plus ou moins de celles qui ont des formes gram- maticales accomplies. Ces dernières admettent également des différences, de sorte qu'il serait impossible de tirer une ligne de démarcation fixe et stable entre elles et les langues dont je parle à présent. Ce n'est souvent que ce plus ou ce moins qui peut décider du jugement qu'on doit en porter. Vos sa- vantes recherches sur les langues tartares, monsieur, ren- ferment les observations les plus judicieuses sur la compa- raison des langues mandchoue, mongole, turque, ouigoure, avec le chinois : vous énoncez même l'opinion que ces langues
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sont inférieures au chinois. Je partage entièrement cette opinion; j'avoue néanmoins que les points de vue desquels on peut regarder ce qu'on nomme perfection et imperfection, supériorité et infériorité d'une langue, sont si différens, que si l'on n'énonce précisément celui qu'on saisit, cesjugemens sont bien incertains. Vous fixez, monsieur, votre attention dans vos recherches, principalement sur la clarté et la pré- cision de l'expression; mon raisonnement m'a conduit ici à examiner jusqu'à quel point la distinction des catégories grammaticales a été adoptée et perfectionnée.
Si l'on essaie de remonter à l'origine de ces différences des langues, il est bien difficile de s'en faire une idée juste et précise.
Les rapports grammaticaux existent dans l'esprit des hommes, quelle que soit la mesure de leurs facultés intel- lectuelles, ou, ce qui est plus exact, l'homme en parlant suit, par son instinct intellectuel, les lois générales de l'expres- sion de la pensée par la parole. Mais est-ce de là seul qu'on peut dériver l'expression de ces rapports dans la langue parlée? La supposition d'une convention expresse serait sans doute chimérique. Mais l'origine du langage en général est si mystérieuse, il est d'une telle impossibilité d'expliquer d'une manière mécanique ce fait, que les hommes parlent et se comprennent mutuellement; il existe dans chaque peuplade une correspondance si naturelle dans la méthode suivie pour assigner des paroles aux idées, que je n'oserais regarder comme une chose impossible que les rapports grammaticaux aient aussi été marqués d'emblée dans le langage primitif.
Il est très-important de fonder les recherches de ce genre, autant que possible, sur des faits positifs, et l'examen de plusieurs langues conduit à une observation qui peut servir à expliquer l'origine des formes qui expriment les rapports grammaticaux.
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On remarque qu'il est naturel à l'homme, et surtout à l'homme dont l'esprit est encore peu développé, d'ajouter en parlant, à l'idée principale, une foule d'idées accessoires, exprimant des rapports de tems, de lieux, de personnes, de circonstances, sans faire attention si ces idées sont précisé- ment nécessaires là où on les place. Il l'est encore de ne pas être avare de paroles, mais de répéter ce qui a déjà été dit, et d'interposer des sons qui expriment moins une idée qu'ils ne marquent un mouvement de l'ame. Or c'est de ces idées accessoires, devenues compagnes habituelles des idées principales, et généralisées par l'instinct intellectuel et le développement progressif de l'esprit, et des sons qui y répondent, que les exposans des rapports grammaticaux semblent être provenus dans beaucoup de langues. En exa- minant les langues américaines, nous observons que certains rapports (par exemple, ceux du nombre et du genre) ne sont exprimés que là où le sens l'exige, mais qu'un grand nombre d'autres rapports sont reproduits là où on s'en passerait fa- cilement. La structure infiniment artificielle des verbes de la langue Delaware vient principalement de cette dernière circonstance. Il faut encore attribuer à cette habitude celle de plusieurs langues américaines, de ne jamais séparer les substantifs d'un pronom possessif, dût-il même être indéfini. De cette cause et d'une autre habitude, plus naturelle cepen- dant, de lier toujours des pronoms au verbe comme sujets et comme objets, dérive la transformation des pronoms iso- lés en affixes, et cette grande classification des derniers en affixes nominaux et verbaux, classification qui forme si bien la grammaire de plusieurs langues que le même mot devient substantif ou verbe selon l'affixe qui l'accompagne. Ce même passage de mots exprimant des idées accessoires, à l'état d'exposans de rapports grammaticaux, se retrouve plus ou moins clairement, dans les langues basque et copte, dans
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celles des îles de la mer du Sud et des peuplades tartares, comme vos recherches me le semblent prouver, et indubi- tablement dans toutes les langues qui manquent entièrement de flexions, ou dans lesquelles au moins le système des flexions est incomplet ou vicieux.
Ce que je viens d'exposer pourrait être l'histoire de la formation de toutes les langues, et toutes pourraient suivre la même méthode pour marquer les rapports grammaticaux. Voyons donc d'où peuvent venir les deux exceptions que nous rencontrons dans la langue chinoise, et dans les langues qui possèdent un système complet d'exposans pour les rap- ports grammaticaux.
Ces dernières peuvent, d'après ce que je viens de dire sur l'origine du langage en général, être redevables de leur structure à leur formation primitive. Mais si l'on n'embrasse point ce système (et je suis persuadé qu'une analyse per- fectionnée de leurs formes grammaticales, surtout du chan- gement qu'y subissent les voyelles et l'intérieur des mots, jettera du jour sur ce point important), il n'est pas impos- sible d'expliquer, jusqu'à un certain point, l'origine de leur grammaire, en leur assignant la même marche qu'aux langues moins avantageusement organisées. Car s'il existe un con- cours heureux du penchant des nations avec l'instinct qui forme les langues, si à cette disposition favorable se joint le genre d'imagination d'ont j'ai parlé plus haut, et qui as- simile les élémens du langage aux objets du monde réel, l'opération à laquelle leur grammaire doit son origine, aura un succès complet. La généralisation des rapports de cir- constances particulières ne laissera rien h désirer; tous ceux que distingue une analyse complète de la paroie, trouveront leurs exposans; on n'en marquera point de superflus, et ces exposans seront tellement inhérens aux mots qu'aucun mot, enchaîné dans une phrase, ne frappera l'esprit que dans une
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valeur grammaticale donnée. Car on doit toujours, en com- parant les langues sous le point de vue des formes gram- maticales, avoir égard à la double question de savoir si une langue est parvenue à ce qu'on peut qualifier de véritable forme grammaticale (question que j'ai tâché de traiter dans un mémoire particulier), et quel est le système que ces formes présentent sous le rapport de leur nombre, de l'exacti- tude de leur classification et de leur régularité, Cette der- nière question peut s'agiter aussi à l'égard des langues qui ne sont point parvenues à créer de véritables formes gram- maticales: c'est celle qui m'occupe de préférence dans cet exposé.
Qu'une nation atteigne un haut degré de perfection dans sa langue, cela dépend du don de la parole dont elle est douée. De même que les talens pour différens objets sont diversement dévolus aux individus, le génie des langues me paraît aussi partagé entre les nations. La force de l'instinct intellectuel qui pousse l'homme à parler, l'esprit et l'imagi- nation portés vers la forme et la couleur que la parole donne à la pensée, une ouie délicate, un organe heureux et peut- être bien d'autres circonstances encore, forment ces prodiges de langues, qui, pour une longue série de siècles, deviennent les types des idées les plus déliées et les plus sublimes. En combinant le génie inné à l'homme pour les langues, avec les circonstances qui entourent naturellement l'état primitif de la société, on peut, je ne dis pas expliquer en détail, mais entrevoir l'origine des langues les plus parfaites; c'est là, monsieur, le terrain sur lequel je voudrais me tenir. Je ne crois pas qu'il faille supposer chez les nations auxquelles on est redevable de ces langues admirables, des facultés plus qu'humaines, ou admettre qu'elles n'ont point suivi la marche progressive à laquelle les nations sont assujéties; mais je suis pénétré de la conviction qu'il ne faut pas méconnaître cette
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force vraiment divine que recèlent les facultés humaines, ce génie créateur des nations, surtout dans l'état primitif où toutes les idées et même les facultés de Tame empruntent une force plus vive de la nouveauté des impressions, où l'homme peut pressentir des combinaisons auxquelles il ne serait jamais arrivé par la marche lente et progressive de l'expérience. Ce génie créateur peut franchir les limites qui semblent prescrites au reste des mortels, et s'il est impos- sible de retracer sa marche, sa présence vivifiante n'en est pas moins manifeste. Plutôt que de renoncer, dans l'expli- cation de l'origine des langues, à l'influence de cette cause puissante et première, et de leur assigner à toutes une marche uniforme et mécanique qui les traînerait pas à pas depuis le commencement le plus grossier jusqu'à leur perfectionne- ment, j'embrasserais l'opinion de ceux qui rapportent l'ori- gine des langues à une révélation immédiate de la divinité. Us reconnaissent au moins l'étincelle divine qui luit à travers tous les idiomes, même les plus imparfaits et les moins cultivés.
En posant ainsi comme premier principe dans les re- cherches sur les langues, qu'il faut renoncer à vouloir tout expliquer, et qu'il faut se borner souvent à n'indiquer que les faits, je ne partage nullement l'opinion que toutes les flexions aient été dans leur origine des affixes détachés. Je conviens qu'il est, ainsi que vous l'avez énoncé, monsieur, assez naturel de supposer cette transformation ; je crois même qu'elle a eu lieu dans un très-grand nombre de cas ; mais il est bien certainement arrivé aussi que l'homme a senti qu'un rapport grammatical s'exprimerait d'une manière plus décisive par un changement du mot même. Il serait plus que hasardé de poser ainsi des bornes au génie créateur des langues. Ce qui fait qu'on méconnaît quelquefois la vérité dans ces matières, c'est qu'on apprécie rarement la force vu. 22
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qu'exerce le plus simple sou articulé sur l'esprit par la seule circonstance qu'il s'annonce comme le signe d'une idée. Comment, sans cela, se ferait-il que les différences les plus fines de voyelles se conservassent, sans altération, durant des siècles entiers ? Dans un passage de mon ouvrage sur les peuples ibériens, j'ai dirigé l'attention sur cette ténacité avec laquelle les nations s'attachent aux plus légères nuances de prononciation. Comment, sans cela, des différences très-es- sentielles d'idées se lieraient-elles au seul changement d'une voyelle, ainsi que vous en citez, monsieur, un exemple infi- niment remarquable dans la langue Manchoue ')?
Avant que de tenter une explication du système de la langue chinoise, je dois encore développer davantage l'idée que je me forme de sa véritable nature. J'ai parlé presque exclusivement jusqu'ici des qualités qu'elle ne possède pas; mais cette langue étonne par le phénomène singulier qui consiste en ce que, simplement en renonçant à un avantage commun à toutes les autres, par cette privation seule, elle en acquiert un qui ne se trouve dans aucune. En dédaignant, autant que la na- ture du langage le permet (car je crois pouvoir insister sur la justesse de cette expression), les couleurs et les nuances que l'expression ajoute à la pensée, elle fait ressortir les idées, et son art consiste à les ranger immédiatement l'une à côté de l'autre, de manière que leurs conformités et leurs oppositions ne sont pas seulement senties et aperçues, comme dans toutes les autres langues, mais qu'elles frappent l'esprit avec une force nouvelle, et le poussent à poursuivre et à se rendre présens leurs rapports mutuels. Il naît de là un plaisir évidemment indépendant du fond même du raisonne- ment, et qu'on peut nommer purement intellectuel, puisqu'il ne tient qu'à la forme et à l'ordonnance des idées; et si
') Rech. Tart., j>. Ill et lia.
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l'on analyse les causes tie ce sentiment, il provient surtout de la manière rapide et isolée dont les mots, tous expressifs d'une idée entière, sont rapprochés l'un de l'autre, et de la hardiesse avec laquelle tout ce qui ne leur sert que de liai- son, en a été enlevé.
Voilà du moins ce que j'éprouve en me pénétrant d'un texte chinois. Etant parvenu à en saisir l'originalité, j'ai cru voir que, dans aucune autre langue peut-être, les traductions ne rendent si peu la force et la tournure particulière de l'ori- ginal. Et partant, n'est-ce pas principalement ce que l'indi- vidualité de l'homme ajoute à la pensée, c'est-à-dire, le style dans les langues et dans les ouvrages, qui nous fait éprou- ver cette satisfaction que procure la lecture des auteurs an- ciens et modernes? L'idée nue, dépourvue de tout ce qu'elle lient de l'expression, offre tout au plus une instruction aride. Les ouvrages les plus remarquables, analysés de cette ma- nière, donneraient un résultat bien peu satisfaisant. C'est la manière de rendre et de présenter les idées, d'exciter l'esprit à la méditation, de remuer Tarne, de lui faire découvrir des routes nouvelles pour la pensée et le sentiment, qui trans- met, non pas seulement les doctrines, mais la force intel- lectuelle même qui les a produites, d'âge en age, et jusqu'à une postérité reculée. Ce que, dans l'art d'écrire (intimement lié à la nature de la langue dans laquelle il s'exerce), l'ex- pression prête à l'idée, ne peut point en être détaché sans qu'on l'altère sensiblement; la pensée n'est la même que dans la forme sous laquelle elle a été conçue par son auteur. C'est par là que l'étude de différentes langues devient pré- cieuse, et c'est lorsqu'on se place dans ce point de vue, que les langues cessent d'être regardées comme une variété em- barrassante de sons et de formes.
Je ne me dissimule guère ce qu'on a coutume d'attri- buer au plaisir de la difficulté vaincue; mais la difficulté
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qu'offrent les textes chinois dont je parle ici, entourés de nombreux secours, n'est pas bien grande; ceux qui ne se refusent point à d'autres études dans lesquelles la difficulté vaincue n'offre que des épines, ne peuvent guère se mé- prendre ainsi.
Comme la langue chinoise renonce à tant de moyens par lesquels les autres langues varient et enrichissent l'ex- pression, on pourrait croire que ce qu'on nomme style dans ces dernières, lui devrait manquer entièrement. Mais le style très-marqué, qui dans les ouvrages chinois doit être attribué à la langue elle même, vient, à ce qu'il me semble, du con- tact immédiat des idées, du rapport tout-à-fait nouveau qui naît entre l'idée et l'expression par l'absence presque totale de signes grammaticaux, et de l'art facilité par la phraséo- logie chinoise, de ranger les mots de manière à faire res- sortir de la construction même les relations réciproques des idées. C'est dans ce dernier point que la force et la justesse de l'impression sur le lecteur, dépend du talent et du goût de l'auteur qui peut aussi, comme les styles antique et mo- derne le prouvent, renforcer l'impression qui naît de l'absence des signes grammaticaux, en usant plus ou moins sobrement de ces signes.
Je distingue la langue chinoise des langues vulgairement appelées imparfaites, par l'esprit conséquent et la régularité, et des langues classiques, par la nature opposée de son sy- stème grammatical. Les langues classiques assimilent leurs mots aux objets réels, les douent des qualités de ces der- niers, font entrer dans l'expression des idées, toutes les re- lations qui naissent de ces rapports des mots dans la phrase, et ajoutent à l'idée par ce moyen des modifications qui ne sont pas toujours absolument requises par le fond essentiel de la pensée qui doit être énoncée. La langue chinoise n'entre pas dans cette méthode de faire, des mots, des êtres dont
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la nature particulière réagit sur ces idées; elle s'en tient purement et nettement au fond essentiel de la pensée, et prend, pour la revêtir de paroles, aussi peu que possible de la nature particulière du langage.
11 faudra donc, pour approfondir pleinement la matière que nous traitons ici, déterminer ce qui dans l'ame répond à cette opération par laquelle les langues, en liant les mots d'après les rapports qu'elles leur ont assignés, ajoutent à la pensée des nuances qui naissent uniquement de leur forme grammaticale.
Je répondrais à cette question, que la faculté de Tarne à laquelle cette opération appartient, est précisément celle qui inspire ce travail aux créateurs des langues; c'est l'ima- gination, non pas l'imagination en général, mais l'espèce par- ticulière de cette faculté qui revêt les idées de sons pour les placer au dehors de l'homme, pour les faire revenir à son oreille proférées comme paroles, par la bouche d'êtres organisés ainsi que lui, et pour les faire agir ensuite de nou- veau en lui-même comme des idées fixées par le langage. Les langues à formes grammaticales complètes, ainsi qu'elles doivent leur origine à l'action vive et puissante de cette faculté, réagissent fortement sur elle, tandis que la langue chinoise se trouve pour l'un et l'autre de ces procèdes, dans un cas diamétralement opposé.
Mais l'influence que les langues exercent sur l'esprit par une structure grammaticale riche et variée, s'étend bien au- delà de ce que je viens d'exposer. Ces formes grammati- cales, si insignifiantes en apparence, en fournissant le moyen d'étendre et d'entrelacer les phrases selon le besoin de la pensée, livrent cette dernière à un plus grand essor, lui per- mettent et la sollicitent d'exprimer jusqu'aux moindres nuances, et jusqu'aux liaisons les plus subtiles. Comme les idées forment dans la tête de chaque individu un tissu non interrompu,
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elles trouvent dans l'heureuse organisation de ces langues le même ensemble, la même continuité, l'expression de ces passages presque insensibles qu'elles rencontrent en elles- mêmes. La perfection grammaticale qu'offrent les langues classiques, est à la fois un moyen de donner à la pensée plus d'étendue, plus de finesse et plus de couleur, et une manière de la rendre avec plus d'exactitude et de fidélité, par des traits plus prononcés et plus délicatement expressifs, en y ajoutant une symétrie de formes et une harmonie de sons analogues aux idées énoncées et aux mouvemens de l'âme qui les accompagnent. Sous tous ces rapports, une grammaire imparfaite et qui ne met pas pleinement à profit toutes les ressources des langues, seconde moins bien ou entrave l'activité et l'essor libre de la pensée.
D'un autre côté, l'homme peut, en combinant et en énon- çant ses idées, se livrer avec plus d'abandon ou avec plus de réserve à l'imagination qui forme les langues. Quoiqu'il ne puisse penser sans le secours de la parole , il discerne cependant très-bien la pensée détachée des liens, et libre des prestiges du langage, de celle qui y est assujétie. Il n'a de la première qu'une sensation vague, mais qui en prouve néanmoins l'existence; comment d'ailleurs se plaindrait-il si souvent de l'insuffisance du langage, si les idées et les sen- timens ne dépassaient pas, pour ainsi dire, la parole? Com- ment nous verrions-nous, parfois même en écrivant dans notre propre langue, dans l'embarras de trouver des expres- sions qui n'altèrent en rien le sens que nous voulons leur donner? Il n'y a aucun doute: la pensée, libre des liens de la parole, nous paraît plus entière et plus pure. Aussi, dès qu'il s'agit d'idées plus profondes ou de sentimens plus in- times, donnons-nous toujours aux paroles une signification qui déborde, pour ainsi dire, leur acception commune, un sens ou plus étendu ou autrement tourné, et le talent de
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parler et d'écrire consiste alors à l'aire sentir ce qui ne se trouve pas immédiatement dans les mots. C'est un point essentiel dans l'explication philosophique de la formation des langues et de leur action sur l'esprit des nations, que la pa- role dans l'intérieur de la pensée est toujours soumise à un nouveau travail, et dépouillée de ce qu'une fois isolée de l'homme, elle a de roide et de circonscrit.
Je ne me suis point arrêté ici sur cette divergence de la pensée et de la parole, pour en faire une application im- médiate au chinois, et pour attribuer chimériquement la structure particulière de cette langue à une tendance de cette nation, à s'affranchir des liens et des prestiges du langage. Mon but a été uniquement de montrer que l'homme ne cesse jamais de faire une distinction entre la pensée et la parole, et que, si la double activité qui le porte vers l'une et vers l'autre n'est point égale, l'une se ramine à mesure que l'autre se rallentit.
Ce qui manque à la langue chinoise se trouve tout en- tier du côté de l'imagination formative des langues, mais réagit ensuite sur l'action de la pensée elle même; en re- vanche la langue chinoise gagne par sa manière simple, hardie et concise de présenter les idées. L'effet qu'elle pro- duit ne vient pas des idées seules, ainsi présentées, mais surtout de la manière dont elle agit sur l'esprit par son sy- stème grammatical. En lui imposant un travail méditatif beaucoup plus grand qu'aucune autre langue n'en exige de lui, en l'isolant sur les rapports des idées, en le privant presque de tout secours à peu près machinal, en fondant la construction presqu'exclusivement sur la suite des idées ran- gées selon leur qualité determinative, elle réveille et entre- tient en lui l'activité qui se porte vers la pensée isolée, et l'éloigné de tout ce qui pourrait en varier et en embellir l'expression. Cet avantage ne s'étend cependant pas unique-
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ment sur le maniement des idées philosophiques ; le style hardi et laconique du chinois anime aussi singulièrement les récits et les descriptions, et donne de la force à l'expression du sentiment. Quel beau morceau, par exemple, que celui qu'exprime le livre de Vers, à l'occasion de la lour de P'tnlcUigence1).
Je conviens que ces passages nous étonnent et nous frappent davantage par le contraste qu'ils forment avec nos langues et nos constructions; mais il n'en reste pas moins vrai qu'en se livrant à l'impression qu'ils produisent, on peut se faire une idée de la direction que cette langue étonnante donne à l'esprit, et dont elle a du nécessairement tirer elle- même son origine.
C'est donc par le contraste qu'il y a entr'elle et les langues classiques, que la langue chinoise acquiert un avan- tage étranger à ces langues à formes grammaticales com- plètes. Elles peuvent à la vérité, et l'allemand me semble surtout avoir cette facilité, y atteindre dans quelques locu- tions et jusqu'à un certain degré (19), mais les idées ne se présentent jamais dans un tel isolement, leurs rapports lo- giques ne s'aperçoivent pas d'une manière aussi tranchée, aussi pure et aussi nette à travers une construction dont le principe est de tout lier, et dans une phraséologie où les mots, purement comme tels, jouent un rôle considérable.
Malgré cet avantage, la langue chinoise me semble, sans aucun doute très-inférieure, comme organe de la pensée, aux langues qui sont parvenues à donner un certain degré de perfection à un système qui est opposé au sien.
Ceci résulte déjà de ce qui vient d'être indiqué. S'il est impossible de nier que ce ne soit que de la parole que la pensée tient sa précision et sa clarté, il faut aussi convenir
') Voyez Tcho&iig-yoûng, p. '.M.
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que eel effet n'esl complet qu'autant (pie tout ce qui mo- difie l'idée, trouve une expression analogue dans la langue parlée. C'est là une vérité évidente, et un principe fonda- mental (20).
On dira que la langue chinoise ne s'oppose pas à ce principe ; que tout y est exprimé, même tout ce qui regarde les rapports grammaticaux, et je suis loin de le nier. La langue chinoise a certainement une grammaire fixe et régu- lière, et les règles de cette grammaire déterminent, à ne pas pouvoir s'y méprendre, la liaison des mots dans l'en- chaînement des phrases.
Mais la différence est qu'à bien peu d'exceptions près, elle n'attache pas, aux modifications grammaticales, des sons, en guise de signe, mais qu'elle abandonne au lecteur le soin de les déduire de la position des mots, de leur signification et même du sens du contexte, et qu'elle ne façonne pas les mots pour l'emploi qu'ils ont dans la phrase. Cela est im- portant en soi-même, mais plus encore par la raison que cela rétrécit la phraséologie chinoise, la force à entrecouper ses périodes, et empêche l'essor libre de la pensée dans ces longs enchainemens de propositions à travers lesquelles les formes grammaticales seules peuvent servir de guides.
Plus l'idée est rendue individuelle, et plus elle se pré- sente sous des faces différentes à toutes les facultés de l'homme, plus elle remue, agite et inspire l'ame; de même plus il existe de vie et d'agitation dans l'ame, et plus le concours de toutes les facultés se réunit dans son activité, plus elle tend à rendre l'idée individuelle. Or l'avantage à cet égard est entièrement du côté des langues qui regardent l'expres- sion comme un tableau de la pensée dans lequel tout est continu et fermement lié ensemble, et où cette continuité est imprimée aux mots mêmes, qui répandent la vie sur ces derniers en les diversifiant dans leurs formes selon leurs
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fonctions; et qui permettent à celui qui écoute, de suivie, toujours à l'aide des sons prononcés, l'enchaînement des pensées, sans l'obliger à interrompre ce travail pour remplir les lacunes que laissent les paroles. Il se répand par là plus de vie et d'activité dans Fame; toutes les facultés agissent avec plus de concert, et si le style chinois nous en impose par des effets qui frappent, les langues d'un système gram- matical opposé nous étonnent par une perfection que nous reconnaissons comme étant celle à laquelle le langage doit réellement viser.
J'ai observé plus haut que la forme particulière dans la- quelle la langue chinoise circonscrit ses phrases, est la seule compatible avec une absence presque totale de formes gram- maticales. C'est sur cette liaison étroite entre la phraséolo- gie et le système grammatical qu'il est indispensable, selon moi, de fixer l'attention pour ne pas donner contre un des deux écueils, qui consisteraient ou à prêter, par manière d'interprétation, à la langue chinoise des formes grammati- cales qu'elle n'a point, ou à supposer ce qui est impossible par la nature même du langage. Ce n'est qu'en se bornant à des phrases toutes simples et courtes, en s'arrêtant à tout moment, comme pour prendre haleine, en n'avançant jamais un mot duquel d'autres très-éloignés doivent dépendre, qu'on peut se passer à ce point de formes grammaticales dans une langue (21). Dès qu'on tenterait d'étendre et de compliquer les phrases, on serait forcé à déterminer par des signes quel- conques les différentes fonctions des mots, et l'on ne pour- rait plus abandonner l'emploi de ces signes, ainsi que le fait le chinois, au tact et au goût des auteurs. J'ai taché de prouver plus haut que les formes grammaticales tiennent surtout à la coupe et à l'unité des propositions. Or il existe un point où la simple distinction du sujet, de l'attribut et de leur liaison, ne suffit plus pour se rendre compte de l'en-
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chaînement des mots, où il faut spécifier ces catégories, en- core purement logiques, par des catégories proprement gram- maticales, c'est-à-dire puisées dans la nature de la langue, et c'est, si j'ose le dire, sur cette limite étroite où se tient la langue chinoise. Elle la dépasse à la vérité et l'art de sa grammaire consiste à lui en fournir les moyens sans sortir de son système, mais l'étendue et la tournure qu'elle donne aux périodes est toujours renfermée dans la mesure de ses moyens. Il est clair d'après cela qu'elle s'arrête à un point où il est donné aux langues de continuer leur marche pro- gressive, et c'est par là ainsi qu'elle reste, selon ma con- viction la plus intime, au-dessous des langues à formes gram- maticales complètes.
11 faut ajouter à ce que je viens de développer som- mairement, que la langue chinoise est dans une impossibilité absolue d'atteindre aux avantages particuliers des langues à formes grammaticales plus parfaites, tandis que celles-ci qui dirigent la construction par des formes grammaticales, peuvent, si le sujet l'exige, en user plus sobrement, supprimer sou- vent les liaisons des idées, employer les formes les plus vagues, et non pas égaler, mais au moins suivre à une cer- taine dislance le laconisme et la hardiesse de la diction chi- noise. II dépend toujours d'un emploi sage et judicieux des moyens d'expression dont ces langues sont abondamment pourvues, de faire en sorte que la diction ne diminue point la force, ni n'altère la pureté des idées. Sous ce point de vue, il est vrai, l'avantage reste entièrement du côté du chi- nois. Dans les autres langues, c'est la simplicité et la har- diesse de telle expression, de tel tour de phrase; dans les ouvrages chinois, c'est la simplicité et la hardiesse de la langue elle-même qui agit sur l'esprit. Mais cet avantage est acheté aux dépens d'autres avantages plus imporlans et plus essentiels.
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L'absence des formes grammaticales rappelle le parler des enfans, qui placent ordinairement les paroles sans les lier suffisamment entr'elles. On suppose une enfance aux nations, comme aux individus et rien ne serait d'abord plus naturel que de dire que la langue chinoise s'est arrêtée à cette époque du développement général des langues.
Il y a certainement un fond de vérité dans cette asser- tion, mais à d'autres égards je la crois fausse, et peu propre à expliquer le phénomène singulier de la langue chinoise.
Je dois observer en premier lieu que l'enfance des na- tions, queiqu'usage qu'on fasse de cette expression, est, à mon avis, toujours un terme impropre. L'idée de l'enfance renferme celle de la relation à un point fixe, donné par l'or- ganisation même de l'être à qui on l'attribue, au point de sa maturité. Or il existe peut-être, et pour mon particulier j'en suis entièrement persuadé, dans les développemens pro- gressifs des nations, un point qu'elles ne dépassent pas, et à compter duquel leur marche devient plutôt rétrograde, mais ce point ne peut pas être nommé un point de maturité. Une nation ne peut pas être regardée comme adulte , et par la même raison elle ne peut être considérée comme enfant; car la maturité suppose nécessairement un individu, et ne peut s'appliquer à un être collectif, quelque grande que soit l'influence réciproque que les individus appartenant à cet être collectif, exercent l'un sur l'autre. La maturité tient aussi toujours au physique, et l'on peut dire qu'une nation, quoique des causes physiques influent sur l'affinité de ceux qui la composent, ne forme un ensemble que dans un sens moral et intellectuel. Le développement de la faculté de parler est entièrement lié au physique de l'homme, et tous les enfans, à moins qu'une organisation anomale ne s'y op- pose, apprennent à parler à peu près au même âge, et avec le même degré de perfection. Cette faculté s'augmente et
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s'étend sans doute dans l'homme adulte avec le cercle de ses idées et suivant les circonstances; mais cet accroisse- ment, dépendant sous beaucoup de rapports du hasard, est entièrement différent du premier développement de la parole, qui arrive nécessairement et par la nature même des forces intellectuelles. Les nations peuvent se trouver à différentes époques des progrès de leurs langues par rapport à cet ac- croissement, mais jamais par rapport au développement pri- mitif. Une nation ne peut jamais, pas même pendant Tage d'une seule génération, conserver ce qu'on nomme le parler enfantin* Or ce qu'on veut appliquer à la langue chinoise tient précisément à ce parler, et au premier développement du langage.
Je crois donc pouvoir inférer de là que les inductions tirées de la manière de parler des enfans ne sont d'aucune force dans un raisonnement quelconque sur la nature et le caractère particulier des langues.
Il serait peut-être plus naturel de parler d'une enfance des langues mêmes, quoique l'emploi de ce terme exigeât aussi beaucoup de circonspection. On trouve (et ce résultat m'a frappé dans le cours de mes recherches appliquées aux changemens d'une même langue, pendant un certain nombre de siècles), que, quelque grands que soient ces changemens sous beaucoup de rapports, le véritable système grammati- cal et lexicographique de la langue, sa structure en grand, restent les mêmes, et que là où ce système devient diffé- rent, comme au passage de la langue latine aux langues romanes, on doit placer l'origine d'une nouvelle langue. Il paraît donc y avoir dans les langues une époque à laquelle elles arrivent à une forme qu'elles ne changent plus essen- tiellement. Ce serait là leur véritable point de maturité; mais pour parler de leur enfance, il faudrait encore savoir si elles atteignent cette forme insensiblement, ou si leur
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premier jet n'est pas plutôt cette forme même? Voilà sur quoi, d'après l'état actuel «le nos connaissances, j'hésiterais à me prononcer. Mais, supposez aussi qu'on pût attribuer aux langues un état d'enfance, il faudrait toujours examiner par des moyens autres que des inductions tirées du parler réel des enfans parmi nous, ce qui caractérise les langues dans cet état primitif.
Ce qui rend tous les raisonnemens de ce genre si peu concluans et ce qui m'en détourne entièrement, c'est que ni l'histoire des nations ni celle des langues, ne nous con- duit jamais à cet état du genre humain; il reste hypothé- tique, et la seule méthode saine, dans toute recherche sur les langues, me semble être celle qui s'éloigne, aussi peu que possible, des faits. Je vais tacher de l'appliquer à l'exa- men de l'origine du chinois; mais je vous avoue ingénue- ment, monsieur, que tout ce qu'on a dit jusqu'ici à ce sujet, et ce que j'en dirai moi-même ici, ne me satisfait nullement encore. Bien loin de m'imaginer que je puisse retracer l'ori- gine de celte langue extraordinaire, je devrai me borner à 1'énumération de quelques-unes des causes qui peuvent avoir contribué à la former telle que nous la trouvons.
Vous avez établi, monsieur, dans votre dissertation sur la nature monosyllabique du chinois, deux faits que je re- garde comme fondamentaux dans cette matière, 1. que la langue chinoise doit son origine à une peuplade à laquelle rien n'autorise à supposer un degré de culture plus per- fectionné que l'état primitif de la société ne le présente or- dinairement; 2. que des langues, regardées comme très-an- ciennes et même des langues de peuples de moeurs grossières et incultes, loin de ressembler au chinois dans leur gram- maire, sont au contraire hérissées de difficultés et de distinctions grammaticales.
Vous faites celte dernière observation, monsieur, au
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sujet de la langue laponne. J'ai trouvé la même chose dans la langue basque, dans les langues américaines et dans celles de la mer Pacifique.
11 faut cependant convenir que, sous quelques rapports, toutes ces langues o firent aussi de grands points de ressem- blance avec le chinois. Le genre des mots n'est ordinairement pas marqué; le pluriel Test souvent de la même manière qu'en chinois. La coutume singulière d'ajouter, aux nombres, des mots différens suivant l'espèce des choses nombrées, y est à peu près générale; les exposans grammaticaux sont souvent supprimés de manière que les mots se trouvent placés sans liaison grammaticale, tout comme en chinois. Il ne faut pas oublier non plus que nous ne connaissons toutes ces langues que par l'intermédiaire d'ouvrages faits par des hommes accoutumés à un système grammat cal très -rigou- reux, et qu'il se peut très-bien qu'ils représentent l'emploi de ces moyens grammaticaux comme constant et indispen- sable, tandis que les nationaux n'en font peut-être usage, comme les Chinois, que là où l'intelligence le rend absolu- ment nécessaire. Il faut enfin se tenir en garde contre l'ap- parence grammaticale qu'une langue peut prendre quelque- fois sous la main de celui qui en compose la grammaire; car il est bien aisé de représenter comme affixe et comme flexion, ce qui, considéré dans son véritable jour, se réduit en effet à toute autre chose.
Je craindrais donc d'avancer trop, en disant positivement que, même parmi les langues que je viens de nommer, il n'en existe aucune qui n'offre un système grammatical très- analogue à celui de la grammaire chinoise. Tout ce que je puis assurer, c'est que je n'en ai pas trouvé jusqu'ici. Les analogies qu'on rencontre réellement entre ces langues et le chinois, et j'en ai indiqué quelques-unes, appartiennent à peu près à toutes les langues primitives en général, et ont laissé
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des traces même dans les langues à formes grammaticales parfaites. Ne forme-t-on pas, dans la langue samscrite, un prétérit par le moyen du mot sma, qui n'est pas même de- venu un affîxe, et en grec un conjonctif par l'indicatif du verbe et la particule av2 Les langues que j'ai désignées sous le nom d'imparfaites, se trouvant placés entre le chinois et les autres langues, elles doivent nécessairement conserver une certaine analogie avec ces deux classes; mais ce qui décide la question de la différence du chinois et de ces langues, c'est que la structure et l'organisation du chinois en diffère généralement, et jusque dans son principe même. J'ai parlé plus haut de l'habitude des nations d'attacher, sou- vent en se répétant, des idées accessoires à l'idée principale, et j'ai émis l'opinion que c'est de cette habitude surtout que dérivent un grand nombre de formes grammaticales. Or, la langue chinoise offre bien peu de traces de cette habitude.
J'ai lu, il y a quelques années, à 1 académie de Berlin, un mémoire qui n'a pas été imprimé, dans lequel j'ai com- paré la plupart des langues américaines entre elles, sous l'unique rapport de la manière dont elles expriment le verbe, comme liaison du sujet avec l'attribut dans la proposition, et je les ai rangées, sous ce point de vue, en différentes classes. Comme cette circonstance prouve jusqu'il quel point une langue possède des formes grammaticales, ou du moins est près d'en posséder, elle décide de la grammaire entière d'une langue. Or, parmi toutes celles que j'ai examinées dans ce travail, il n'y en a aucune qui soit semblable à la langue chinoise.
Presque toutes ces langues, pour alléguer une autre circonstance également importante, ont des pronoms affixes à côté de pronoms isolés. Cette distinction prouve que les premiers accompagnent habituellement les noms et le verbe; car si ces affixes ne sont que les pronoms abrégés, cela
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même montre qu'on en fait un usage extrêmement fréquent, et si ce sont des pronoms différens, on voit par là que ceux qui parlent, regardent l'idée pronominale d'un autre point de vue, lorsqu'elle est placée isolément, et lorsqu'elle est jointe au verbe ou au substantif. Le chinois n'offre que le pronom isolé, qui ne change ni de son ni de caractère en se joignant à d'autres mots. La langue chinoise possède, à la vérité, aussi des mots grammaticaux qu'elle qualifie de mots vides, mais qui n'ont pas pour but de déterminer pré- cisément la nature du mot qu'ils accompagnent, et qui peuvent si souvent être omis, qu'il est évident que dans la pensée même, ils ne se joignent pas régulièrement à ceux avant ou après lesquels on les trouve, et c'est seulement sur un emploi constant et régulier que peut se fonder la dénomination de forme grammaticale. J'avoue que par cette raison et par d'autres encore, je ne crois pas qu'on doive donner aux par- ticules chinoises le nom d'affîxes, quoique j'énonce avec une grande hésitation, une opinion qui est contraire à celle que vous avez émise à ce sujet, monsieur, dans votre disserta- tion latine.
Il y a, à la vérité, encore une réflexion à faire sur la comparaison du chinois avec les langues américaines en par- ticulier. Bien des raisons portent à croire que les nations sauvages des deux Amériques ne sont que des races dégra- dées, ou d'après une expression heureuse de mon frère, des débris échappés à un naufrage commun. La Relation hi- storique du voyage de mon frère, si riche en notices sur les langues américaines et en idées profondes sur les langues en général, renferme une foule d'indices qui conduisent tous à cette supposition. Si donc ces langues se sont éloignées par un grand nombre de changemens de leur premier état, s'il faut les regarder comme des idiomes corrompus, estro- piés, mélangés et altérés de toutes les manières, la différence vu. 23
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qui les sépare des Chinois ne prouverait rien contre l'opi- nion qui ferait de la grammaire chinoise, pour ainsi dire» la grammaire primitive du genre humain. J'avoue, néan- moins, que ce raisonnement même ne me semble guère con- cluant. Celles des langues américaines que nous connaissons le plus parfaitement, possèdent une grande régularité et bien peu d'anomalies dans leur structure; leur grammaire, au moins, n'offre pas de traces visibles de mélange, ce qui peut très-bien s'expliquer, malgré les vicissitudes auxquelles les peuplades paraissent avoir été exposées. Le chinois diffère tout autant des autres langues peu cultivées, que de celles de la mer du sud et de tout l'hémisphère occidental. Or, les nations qui parlent ces langues auraient-elles toutes été sous l'empire des mêmes circonstances que les Américains? et par quel accident bizarre la nation chinoise aurait- elle conservé à elle seule une prétendue pureté primitive? J'a- voue que, bien loin de croire que la grammaire chinoise forme, pour ainsi dire, le type du langage humain, déve- loppé dans le sein d'une nation abandonnée à elle-même, je Ja range au contraire parmi les exceptions. Je suis, néan- moins, bien loin de nier que la circonstance qui fait que les Chinois, depuis que nous les connaissons, n'ont pas subi de grandes révolutions par des migrations de peuples avec les- quels ils auraient été forcés de s'amalgamer, puisse et doive avoir influé sur la structure de leur langage.
La langue chinoise manquant de flexions, doit avoir commencé comme toutes les autres langues qui se trouvent dans le même cas, et dans lesquelles des mots, exprimant originairement des idées accessoires, sont devenus les expo- sans de formes grammaticales. Cela est même prouvé, en quelque sorte, par les analogies qui se trouvent entre elles et les langues qu'on nomme barbares; mais pourquoi, en ayant les moyens comme les autres, n'a-t-elle pas poursuivi
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de même? Pourquoi n'a-t-elle pas changé insensiblement ses mois grammaticaux en affixes, pour faire enfin de ces af- fixes des flexions? Si Ton considère d'un côté l'analogie du chinois avec des langues grossières, de l'autre sa nature en- tièrement différente et à plusieurs égards égale à celle des langues les plus parfaites, on croit voir qu'il y a eu une cause quelconque qui l'a détourné de la marche routinière des langues, pour s'en former une nouvelle. Quelle a été cette cause? comment un pareil changement a-t-il pu avoir lieu? Voilà ce qui est difficile, sinon impossible, à expliquer.
L'écriture chinoise exprime, par un seul signe, chaque mot simple et chaque partie intégrante des mots composés; elle convient parfaitement, par-là même, au système gram- matical de la langue. Cette dernière présente, en conséquence avec son principe, un triple isolement, celui des idées, des mots, et des caractères. Je suis entièrement de votre opi- nion, monsieur, et je pense que les savans qui se sont presque laissé entraîner à oublier que le chinois est une langue par- lée, ont tellement exagéré l'influence de l'écriture chinoise, qu'ils ont, pour ainsi dire, mis l'écriture à la place de la langue. Le Chinois a certainement existé avant qu'on ne l'ait écrit, et on n'a écrit que comme on a parlé. L'écriture chi- noise n'aurait d'ailleurs présenté aucune difficulté à l'emploi de préfixes et de suffixes, elle serait devenue, par cet em- ploi, syllabique, dans un plus grand nombre de cas qu'elle ne l'est à présent. Des changemens, même dans l'intérieur d'une syllabe, auraient pu s'indiquer par le moyen de signes analogues à ceux qu'on emploie pour marquer les change- mens de tons.
Mais il n'en est pas moins vrai, pourtant, que cette écri- ture a dû influer considérablement, et doit influer encore sur l'esprit, et par-là également sur la langue des Chinois. L'i- magination jouant un si grand rôle dans tout ce qui tient
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au langage, le genre d'écriture qu'adopte une nation, n'est jamais indifférent. Les caractères forment une image de plus, de laquelle se revêtent les idées, et cette image s'amalgame avec l'idée même, chez ceux qui font un usage fréquent de ces caractères. Dans récriture alphabétique, cette influence est plutôt négative. L'image de signes qui ne disent rien par eux-mêmes, ou ne se présente guère, ou ramène au son, qui est la véritable langue. Mais les caractères chinois doivent souvent et puissamment contribuer à faire sentir les rapports des idées et à affaiblir l'impression des sons La multiplicité des sons homophones invite nécessairement les personnes lettrées à se représenter toujours en même tems la langue écrite, libre des embarras qu'ils doivent causer. L'étymolo- gie qui fait découvrir l'affinité des idées dans les langues, est naturellement double en chinois, et repose en même tems sur les caractères et sur les mots; mais elle n'est bien évi- dente et manifeste que dans les premiers. Il me semble qu'on s'est encore bien peu occupé de celle des mots; mais je conçois que les recherches à faire dans ce but, doivent être infiniment difficiles , à cause' de la simplicité des mots qui se refusent à l'analyse. Les caractères, au contraire, sont presque tous composés; les parties qui les constituent sautent aux yeux, et leur composition a été faite suivant les idées de leurs inventeurs, idées dont on a eu soin, dans un grand nombre de cas, de conserver la mémoire. Cette composition des caractères entre même dans les beautés du style, ainsi que vous l'observez, monsieur, dans vos Elémens '). Je crois pouvoir supposer, d'après ces données, qu'en parlant et même en pensant, les caractères de l'écriture sont très-souvent pré- sens à ceux qui, parmi les Chinois, savent lire et écrire; et s'il en est ainsi, on refuserait en vain à l'écriture chinoise
') Pag. 81.
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une très-grande influence, même sur la langue parlée. Cette influence doit consister, en général, à détourner l'attention des sons et des rapports qui existent entre eux et les idées; et comme Ton ne met point à la place du son l'image d'un objet réel (comme dans les hiéroglyphes), mais un signe conventionnel, choisi à cause de sa relation avec l'idée l'esprit doit se tourner entièrement vers l'idée. Or, c'est là précisément ce que fait la grammaire chinoise en diminuant, par l'absence des affixes et des flexions, le nombre des sons dans le discours, et en faisant trouver à l'esprit, presque dans chaque mot, une idée capable de l'occuper à elle seule. Ceux qui s'étonnent que les Chinois n'adoptent point récri- ture alphabétique, ne font attention qu'aux inconvéniens et aux embarras auxquels l'écriture chinoise expose; mais ils semblent ignorer que l'écriture en Chine est réellement une partie de la langue, et qu'elle est intimement liée à la ma- nière dont les Chinois, en partant de leur point de vue, doivent regarder le langage en général. Il est, selon l'idée que je m'en forme, à peu près impossible que cette révolu- lion s'opère jamais.
Si la littérature d'une nation ne devance pas l'adoption de l'écriture, elle l'accompagne d'ordinaire immédiatement, et il est plus probable encore que tel a été le cas en Chine, puisque le genre d'écriture qu'on y a adopté, prouve par lui-même un travail qu'on peut nommer, en quelque façon, philosophique. Cette circonstance, jointe aux rapports que les caractères chinois invitent à chercher entre leur compo- sition et les idées qu'ils expriment, et à la conformité de cette écriture avec le système grammatical de la langue, semblerait expliquer comment la langue chinoise aurait pu, sans qu'on y trouve des traces d'un état intermédiaire, pas- ser du point où elle a du contracter les analogies qu'elle offre avec des langues très-imparfaites, à une forme qui se
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prête au plus haut développement des facultés intellectuelles- Car le phénomène quelle présente consiste, en effet, à avoir changé une imperfection en vertu.
Mais je douterais néanmoins qu'on pût trouver la cause du système particulier de la langue chinoise dans cette in- fluence de son écriture sur la langue. Quoique l'art d'écrire remonte en Chine, ainsi que vous le dites, monsieur, dans votre analyse de l'ouvrage de M. Klaproth sur l'inscription de Yu, à plus de quarante siècles, il doit cependant néces- sairement s'être écoulé un certain espace de tems où le chinois était parlé sans être écrit. Même lorsqu'il le fut, la première écriture paraît avoir été hiéroglyphique, et en con- séquence d'une nature différente de celle d'aujourd'hui. 11 faut donc nécessairement que dès lors le caractère de la langue ait pris une certaine forme. Si cette forme était ana- logue à celle de la plupart des langues, si les Chinois étaient portés à entremêler leurs phrases de signes uniquement de- stinés à marquer les rapports des idées, si, sans leur écri- ture, leur langue avait du se développer à l'instar des autres langues, je ne crois pas que ses caractères, formant des groupes d'idées, l'eussent arrêtée dans cette marche. C'est au contraire l'écriture qui aurait été adaptée à cette direction de l'esprit national, et nous avons vu qu'elle en possède les moyens. Mais si, comme je le crois très-positivement, la langue avait déjà cette forme avant l'écriture; et si la na- tion, dès lors avare de sons, en faisait le plus sobre usage possible, en plaçant les mots, signes des idées, sans liaison, l'un à côté de l'autre, le phénomène qui nous occupe exis- tait déjà avant l'écriture, et demande une autre explication. Tout ce que l'écriture a pu faire est, à mon avis, de con- firmer l'esprit national dans la pente vers ce genre d'expres- sion des idées, et voilà ce qu'elle me parait avoir fait, et faire encore à un très-haut degré.
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Je serais plutôt porté à chercher une des causes prin- cipales de la structure particulière de la langue chinoise dans sa partie phonétique. Vous avez, on ne peut pas mieux, prouvé, monsieur, que c'est entièrement à tort qu'on nomme cette langue monosyllabique. J'avoue que cette division des langues d'après le nombre des syllabes de leurs mots, ne m'a jamais paru ni juste, ni conforme à une saine philoso- phie. Toutes les langues ont probablement été monosylla- biques dans leur principe, puisqu'il n'y a guère de motif pour désigner, tant que les mots simples suffisent au besoin, un seul objet par plus d'une syllabe; mais il paraît plus certain encore qu'aucune langue ne se trouve plus à pré- sent dans ce cas, et s'il y en avait une réellement, cela ne serait qu'accidentel, et ne prouverait rien pour sa nature particulière. Il est néanmoins de fait que la qualité mono- syllabique des mots forme la règle dans la langue chinoise, et je ne me souviens pas d'avoir trouvé nulle part, si les Chinois en prononçant un mot polysyllabique comprennent ses différentes syllabes sous un même accent ou non; car l'unité du mot est constituée par l'accent. Sans cette règle constante la répartition de plusieurs syllabes dans un même ou dans différens mots serait arbitraire; ce ne serait plus qu'une affaire d'orthographe que de compter un substantif et son affixe pour deux mots, ou de le comprendre sous un seul. Mais quoique l'accent réunisse indubitablement les syl- labes pour en former le mot, l'utilité de cette règle devient à peu près nulle dans les langues dont l'accentuation est entièrement ignorée comme celle du samscrit, ou du moins imparfaitement connue. Il est quelquefois difficile aussi de juger de l'accent, puisque le même mot peut avoir un ac- cent secondaire à coté de l'accent principal, et qu'il faut distinguer exactement ces différens accens. Il n'en est cepen- dant pas moins indispensable detacher de fixer ce qui, dans
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une langue, est compris dans un même mot, ou séparé en plusieurs, et souvent cette recherche est au moins facilitée par d'autres circonstances qu'il serait trop long d'énumérer ici. Mais ce qui, dans le système phonétique chinois, me paraît plus remarquable que l'abondance des monosyllabes, c'est le nombre restreint des mots en général. Ce n'est pas que les autres langues eussent peut-être un plus grand nombre de syllabes vraiment primitives, mais c'est que les Chinois n'ont pas diversifié, mêlé et composé ces syllabes suffisamment pour se mettre par là en possession d'une grande richesse ou variété de sons (22).
C'est en quoi les nations me semblent différer essen- tiellement, et cette disposition naturelle à des sons mono- tones ou variés, pauvres ou riches, plus ou moins harmo- nieux, est de la plus grande influence sur la nature des langues. Elle tient à l'organisation physique et aux facultés sensitives; elle décide des propriétés des langues, conjointe- ment avec ce qui, dans les facultés supérieures de Fame, répond à la partie du langage liée aux idées. La pauvreté des Chinois, en fait de sons, jointe à l'aridité et à la séche- resse qu'on leur reproche, peuvent avoir produit dans leur langue, comme imperfection, ce qu'un talent heureux de manier méthodiquement les idées, peut avoir changé après en avantage. Mais une telle pauvreté de sons une fois sup- posée, le système presque monosyllabique une fois arrêté, l'esprit chinois a du être affermi dans l'une et dans l'autre, par la nature particulière de l'écriture, qui, à ce que je crois avoir prouvé, est devenue inhérente à la langue même. Comme elle offre un moyen d'en multiplier les signes sans multiplier les sons, elle doit dans l'état actuel de la civili- sation chinoise, et depuis le tems où elle est devenue très- généralement répandue, entrer pour beaucoup dans l'expres- sion des idées.
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La richesse et la variété des sons dans les langues, tient très-certainement à l'organisation physique et aux dis- positions intellectuelles des nations, mais elle résulte peut- être encore davantage du contact et de l'amalgame de di- verses peuplades entr'elles. L'affluence de cette matière première des langues s'explique beaucoup plus naturellement par un concours de causes accidentelles, parmi lesquelles les migrations et les réunions de différentes peuplades sont les plus efficaces, que par les progrès de l'esprit inventeur des nations. L'exemple des Chinois eux-mêmes prouve qu'un peuple accommode plutôt, par toute sorte d'artifices ingénieux, un petit nombre de mots à ses besoins, qu'il ne pense à l'augmenter et à l'étendre. L'isolement des nations n'est donc jamais salutaire aux langues. Il empêche évidemment la ré- union d'une grande masse* de mots, de locutions et de formes, qui est absolument nécessaire pour que l'heureuse disposi- tion d'une des peuplades qui la possèdent, puisse insensible- ment en former une langue vaste, riche et variée. L'ordre systématique, l'expression significative et heureuse des idées, la convenance des formes grammaticales avec le besoin du discours, et tout ce qui est organisation et structure, vient sans doute des dispositions intellectuelles des nations ; mais la matière, la masse des sons et des mots, soumise à leur travail, est due au concours de ces causes, qui unissent et séparent, mêlent et isolent les nations, causes qui certaine- ment sont dirigées par des lois générales, mais que nous nommons fortuites, pareeque nous en ignorons l'ordre et l'en- chaînement. Comme aussi l'état de nos connaissances ne nous permet jamais de remonter à l'origine première des langues, nous ne parvenons tout au plus qu'à l'époque où les langues se transforment et se recomposent d'idiomes et de dialectes, qui ont existé long-lems avant elles.
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La langue chinoise n'est pas exempte de mots étran- gers, elle en renferme même, d'après vos recherches, mon- sieur, un nombre assez considérable '). Mais l'histoire de la Chine prouve que le développement social de la nation, depuis que nous la connaissons, n'a guère été altéré par de grandes révolutions extérieures, par des incursions d'au- tres nations, venues pour s'établir dans son sein, ou par un mélange quelconque, qui eut pu avoir une influence marquée sur sa langue. Il n'est guère probable non plus qu'une pa- reille influence ait pu venir des nations barbares qui habi- taient le pays du tems de l'arrivée des premières colonies chinoises. Si ces colonies, ainsi qu'on l'avance, ne se com- posaient guère que d'environ cent familles '), si elles se sont conservées pendant une longue suite de siècles sans altéra- tion notable de leurs moeurs, de leurs usages et de leur idiome, si enfin l'écriture date de l'origine même de la mo- narchie, dont ces colons furent les fondateurs, ces faits histo- riques réunis serviraient sans doute à expliquer le nombre limité des signes de la langue parlée de la Chine, et même l'absence de ces sons accessoires, qui forment les affixes et les flexions des autres langues.
Mais si l'on parvient ainsi à jeter quelque jour sur l'o- rigine de ce qu'on peut nommer les imperfections de la langue chinoise, on n'en reste pas moins embarrassé de rendre compte de l'empreinte philosophique, de l'esprit mé- ditatif, qui se manifeste évidemment dans la structure en- tière de cette langue extraordinaire. On comprend en quelque façon par quelles raisons elle n'a pas atteint les avantages que nous rencontrons, plus ou moins, dans presque toutes les autres langues; mais on conçoit beaucoup moins com-
') Fundgruben des Orients. Th. 3. S. 285, no 6. ) Tableaux bist, de l'Asie, par M. Klaprotli, p. 30.
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ment elle a réussi à gagner des perfections, qui n'appar- tiennent qu'à elle seule. Il est vrai, cependant, que l'anti- quité de l'écriture, et même de la littérature, en Chine, éclaircit en quelque façon cette question. Car quoique la structure grammaticale de la langue ait très-certainement devancé de beaucoup et la littérature et l'écriture, ce qui forme le fond essentiel de cette structure aurait pu appar- tenir à une nation grossière et peu civilisée, et la teinte philosophique que nous y voyons maintenant, a pu y être ajoutée par des hommes supérieurs. Cet avantage ne re- pose pas sur de nouvelles formes d'expression, dont on eût enrichi la langue (ce qui aurait exigé le concours de la nation entière), mais consiste beaucoup plus dans un usage à la fois judicieux et hardi des moyens quelle possédait déjà, ce qui s'explique facilement, si l'on se rappelle que la plus grande partie de la grammaire chinoise est sous- entendue.
Vous vous serez aperçu, monsieur, que j'ai fondé tout ce que j'ai osé avancer sur la langue chinoise, uniquement sur le style antique, sans faire une mention particulière du style moderne. 11 ne me paraît pas non plus que ce der- nier diffère du premier de manière à pouvoir altérer un rai- sonnement fondé sur l'analyse du langage et de la littéra- ture vraiment classiques de la Chine.
Il est vrai qu'un passage l) de vos Recherches sur les langues t art ares, monsieur, pourrait au premier abord en donner une idée différente. Mais en l'examinant avec plus d'attention, et en étudiant vos Elemens, on s'aperçoit qu'on comprendrait bien mal le sens de ce passage, si l'on pre- nait le style moderne, pour ainsi dire, pour une autre langue, ou même pour une transformation très-essentielle de la
') Pag. 11 y.
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langue primitive. En commentant à parler du style mo- derne dans votre grammaire, vous posez pour base que le caractère propre de la langue chinoise est le même dans les deux styles, et si je compare, chapitre par chapitre, ce que vous dites des deux styles, je trouve que la structure grammaticale est la même dans l'un et dans l'autre. Le style moderne ne désigne pas plus clairement que l'antique, la véritable forme du verbe lléchi ; il n'a pas non plus d'af- iixes, ni de flexions; il fait usage de la même particule 1i, pour la construction du verbe et du substantif; il fait rare- ment usage des exposans des tems et des modes des ver- bes; il supprime moins fréquemment, mais très-souvent en- core, les autres liaisons grammaticales; et la plus grande différence qu'il offre avec le style antique, consiste dans le grand nombre de mots composés, qui pourtant ne sont pas entièrement étrangers non plus à ce dernier. Il se distingue, ainsi que vous le dites, monsieur, par une grande clarté et facilité, et c'est là proprement en quoi il a ap- porté un changement utile à l'ancienne langue; mais il atteint cet avantage en se tenant dans les mêmes limites qu'elle. Aussi dans le style moderne, la langue chinoise possède pas proprement des formes grammaticales, ou du moins ne fonde point sa grammaire sur ces distinctions; elle n'attribue point aux mots les signes des catégories aux- quelles ils appartiennent dans l'enchaînement du discours, mais dans tous ces points, et sous tous ces rapports, elle s'éloigne des autres langues que nous connaissons. Voilà au moins l'idée que j'ai pu m'en former, d'après les phrases citées dans vos Element, monsieur, et d'après quelques pa- ges d'un roman, dont je liens la copie et la traduction de la bonté de M. Schulz.
Je termine ici ma lettre monsieur, dans la juste crainte de vous avoir fatigué par la longueur de mes réflexions.
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Mais le phénomène que présente la langue chinoise est trop remarquable, il est trop important pour l'étude de la gram- maire comparative des langues de l'examiner avec soin, pour que je n'aie pas dû désirer de donner à mes idées tous les développemens dont je les ai crues susceptibles. Je regar- derais non seulement comme une marque infiniment pré- cieuse de votre bienveillance amicale, monsieur, mais comme un véritable service rendu à la science, que vous voulussiez bien me dire, si l'idée que je me suis formée de la langue chinoise est juste, ou si une étude approfondie de cette langue fournit des données qui conduisent à d'autres résul- tats. J'ose appeler également votre attention sur les idées générales dans lesquelles j'ai dû entrer. Le jugement que vous en porterez sera du plus grand poids pour moi, et je ne vous dissimule point que je vous les soumets avec d'au- tant plus d'hésitation que dans la marche que je me suis proposé de tenir, en appuyant mon raisonnement toujours sur des faits, il est facile de se laisser entraîner à modeler ses idées générales d'après la langue qu'on vient d'analyser, et de s'exposer au danger de former un nouveau système, si l'on en venait à l'examen d'une nouvelle langue.
Veuillez, monsieur, agréer l'assurance de ma considé- ration la plus sentie et la plus distinguée.
A Berlin, ce 7 mars 1826.
Guillaume de Humboldt.
t
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Observations sur quelques passages de la lettre précédente. Par M. A.-R.
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(1) Cette première assertion est incontestable, si l'on veut bien admettre qu'un terme chinois est toujours susceptible du sens substantif, déterminatif (adjectif) et verbal, et peut même quelque- fois devenir un simple exposant de rapport: voilà l'observation dans toute sa généralité. Cela n'empêche pas qu'il n'y ait un très- grand nombre de mots dont l'usage a fixé invariablement la signi- fication grammaticale, et qui ne peuvent en être tirés que par une opération particulière. Cela seul prouverait que les Chinois ont dans l'esprit une idée juste des catégories grammaticales; mais ce fait sera, à ce qu'on espère, mis hors de doute un peu plus loin.
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(2) Ce serait peut-être un peu trop presser les choses que de vouloir ainsi considérer isolément les membres de phrases dont la succession et l'apposition marquent suffisamment, selon le génie de la langue, la liaison et la dépendance. On ne saurait opposer en ce moment à l'auteur ni la ponctuation, ni les explications tra- ditionnelles des commentateurs qui se sont constamment attachés à marquer la distinction et l'enchaînement des périodes. Il est en droit de ne compter pour rien, dans la question qui l'occupe ici, ces moyens accessoires. Son objet n'est pas de traiter des causes qui peuvent jeter accidentellement de l'obscurité dans les livres, mais de celles qui rendraient l'obscurité inhérente à la langue même. Or, ce qui la prévient dans les exemples qu'il cite, c'est l'unité évidente des propositions, où un nombre indéfini de verbes peuvent s'accumuler sans autre effet que de devenir modificatifs les uns des autres, tant qu'aucun sujet nouveau ne se trouve in- terposé, et qu'aucun des procédés convenus ne vient marquer une coupe ou une déviation du sens direct. On doit donc, de toute nécessité, traduire: Regimen ord'inatim (per ordinem) exstul, etc. Valait plorando dixit, etc. Il faudrait faire violence à la phrase pour la subdiviser autrement.
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(3) On pent répéter ici ce qui a déjà été énoncé plus haut. L'apposition produit sur les phrases l'effet qu'elle produirait sur les mots. Celle qui se trouve placée dans la dépendance d'une autre phrase, perd, par cela seul, sa qualité de proposition isolée. Le verhe qu'elle renferme, cesse d'exprimer une idée verbale pro- prement dite, et devient une expression modificative du verbe de la proposition principale. S'il est suivi d'un complément, il peut le conserver sans marquer autre chose qu'un mode particulier de l'action du verbe principal exercée sur ce complément. Si cette opération se répète fréquemment sur le même verbe, l'esprit s'ac- coutume à ses résultats, et peut en venir à dépouiller habituelle- ment ce verbe de son sens primitif, pour n'y plus voir qu'un terme accessoire, un véritable exposant de rapports. C'est par ce pro- cédé que se sont formées certaines prépositions chinoises, comme yi (ci-dessus, p. 311. 12.), qui dans la phrase citée ne signifie vrai- ment pas, il se sert, il dispose, mais doit être traduit par les pré- positions per ou ex, comme annonçant le moyen, l'instrument, et ayant pour complément la chose employée, le nom même de ce moyen ou de cet instrument.
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(4) Cette règle a été donnée pour la première fois dans l'Essai sur la langue et la littérature chinoises. (Paris 1811, p. 44). Mais il serait peu exact de dire, avec M. Morrison, que le ton hhin marque de préférence le sens verbal. Le changement de ton indique une modification quelconque du sens primitif, au passage du sens substantif au sens verbal, ou vice versa. On peut s'en assurer en comparant les exemples qui eu ont été cités dans l'ou- vrage en question, pag. 46, 106 et pi. IVe.
Ibid.
(5) S'il faut admettre, comme distinction fondamentale, la nuance délicate qui est marquée en cet endroit, entre un verbe et un mot ayant une signification verbale, il paraîtrait superflu d'en presser les conséquences, et de les appliquer à un idiome où les verbes les mieux caractérisés par leur sens, peuvent toujours, au moyen d'un simple artifice de construction et sans aucune modi- fication intrinsèque, passer à l'état de nom d'action. Sans doute
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le mot wâng, roi, une l'ois doué, par un changement d'accent (wâng) du sens verbal de gouverner, peut encore être construit à la manière des substantifs, dans le sens de gouvernement, et pris comme sujet d'un autre verbe, ou comme complément. Mais il se passe alors quelque chose de tout-à-fait semblable à ce qui a lieu dans nos langues, et même dans les langues classiques, quand nous disons le boire, le manger, mentiri, To, zov, T<î> Ityeii', tivui, etc.
Ibid.
(6) La traduction des deux mots Tchoung-young, par immu- tabile medium, est véritablement fautive et contraire aux iègles de l'analogie grammaticale. La meilleure manière de les rendre serait de mettre: In medio constantia, ou m medio constare. Mais on n'a pas osé transporter une pareille phrase sur le titre d'un livre célèbre, et l'on a cru devoir adopter celle que les mission- naires avaient introduite depuis deux cents ans. L'observation de l'auteur n'en est pas moins judicieuse et tout-à-fait fondée.
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(7) Toutes ces incertitudes peuvent effectivement se présen- ter au sujet d'une phrase que l'on considère isolément, et ab- straction faite de tout rapport avec ce qui précède, et ce qui suit, si cette phrase est incomplète, s'il y manque quelqu'un des termes qui doivent former une proposition simple ou complexe. Mais quelle est la langue où cet inconvénient ne se présente jamais? J'avoue qu'il peut se rencontrer en Chinois, plus fréquemment qu'en tout autre idiome, et la seule chose que je puis assurer, c'est que dans toute phrase régulière, on trouvera, dans l'ordre où on les énonce ici, le sujet précédé de son attribut, le verbe précédé de son terme modificateur (adverbe) le complément pré- cédé de son attribut, etc.
Ibid.
(8) Sans doute un bon écrivain, maître de disposer d'une langue où de pareilles nuances peuvent être observées, ne les emploiera pas indifféremment; mais la question est si ces nuances sont nécessaires, et si ce qu'elles ajoutent à l'expression est vé- ritablement inhérent à la pensée. L'auteur avoue qu'elles lui semblent assez indifférentes, et que, dans l'exemple cite, il suffit
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de savoir que l'individu dont il est question a pleuré et parle, sans qu'il y ait d'intervalle expressément marqué entre ces deux actions. Je crois qu'une des meilleures manières d'apprécier le degré d'utilité de ces sortes de distinctions est d'examiner ce qui arrive quand on fait passer un texte écrit avec soin d'une langue qui les possède dans un idiome qui en est privé. Le traducteur le plus consciencieux, répondrait-il de s'astreindre à rendre con- stamment un gérondif par une forme impersonnelle, uu participe par un adjectif verbal, un adverbe par une expression modifica- tive; et s'il réussissait à se renfermer scrupuleusement dans un cercle si étroit, résulterait-il de ce tour de force quelque avan- tage réel pour la fidélité de sa version? Serait-il impossible d'en rédiger une qui fût exacte dans une langue où ces sortes de mo- difications se confondent; en anglais, par exemple, où la même forme du verbe désigne le nom d'agent et le nom d'action? Si ces observations ont quelque fondement, il est permis d'en induire que le chinois qui n'a guère qu'un moyen unique de marquer la dépendance où sont certaines actions l'une à l'égard de l'autre, peut, à quelques égards, paraître inférieur aux idiomes qui offrent plusieurs procédés pour exprimer cette dépendance, mais que la supériorité de ceux-ci se réduit peut-être en réalité à une variété plus grande de tours qui permet d'éviter la monotonie et la lan- gueur résultant de la répétition indéfinie des mêmes constructions. Je serais, je l'avoue, un peu tenté d'étendre le même jugement à d'autres propriétés qui contribuent à former la richesse des langues classiques ; mais une proposition aussi hardi exigerait des déve- loppeinens que je dois m'abstenir de présenter ici.
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(9) Nous aurons occasion de remarquer plus tard (Voy. note 18), que les divers emplois qu'on peut faire d'une même particule ou d'une même terminaison, pour indiquer des rapports différens, ne prouvent pas nécessairement que cette particule ou cette terminaison soit prise en un sens vague ou indéterminé dans chacun de ces emplois. On pourrait supposer que des mots, of- frant entre eux quelque analogie, avaient été primitivement assi- gnés à ces rapports, et qu'on les aurait ensuite pris les uns pour les autres, en les rendant par des lettres. La confusion dont on vu. 24
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se plaint serait, dans ce cas, un effet de l'écriture, et, pour ainsi dire, une affaire d'orthographe. Et pour éclaircirceci par un exemple tiré du sujet même qui nous occupe, on a dû, dans un ouvrage élémentaire, présenter comme autant de valeurs du signe écrit que uous examinons, les sens de rejeton, passer d'un lieu dans m autre, et les qualités d'exposans des rapports du génitif et de l'ac- cusatif. Tel est l'état des choses depuis qu'on écrit le chinois en caractères chinois. Mais ainsi que l'observe fort judicieusement l'auteur, le langage doit être plus ancien que l'écriture, et qui nous répond qu'antérieurement à l'invention de celle-ci, il n'y eut pas, pour ces quatre valeurs, quatre mots aussi différens entre eux que le seraient ceux-ci: tchi, dji, tchii, tshi, lesquels n'au- raient trouvé dans l'écriture figurative qu'une seule représentation appartenant par sa figure même à l'idée de rejeton. On ne sau- rait assurer que les choses se soient réellement passées de cette manière, à l'égard des particules chinoises, quoiqu'il soit certain qu'en d'autres cas, des mots différens ont été rendus par un même signe, ou des caractères variés, affectés à une seule pro- nonciation. Ce dernier fait paraît évident, lorsqu'on compare les formes diversifiées de l'adjectif démonstratif tseu, thseu, sse, ou de la particule négative mo, mou, pou, fe, feou, etc.
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(10) La phrase 'weï tchi tchoung offre la construction primi- tive, et tchi s'y prend pour représenter le complément du verbe actif, vocant illud medium. Quant à tcfti weï, on ne saurait dire que ce soit la forme ordinaire; mais ainsi que cela a été indiqué dans la grammaire, tchi y tient la place de tche, et sert à définir ou à arrêter le sujet de la proposition, ou bien il est déplacé et mis avant son complément tchi 'weï pour 'weï tchi. Pour abréger, dans un ouvrage purement pratique, on a appelé ce mot explétif, tout en reconnaissant que rien n'est plus rare dans les langues que les mots purement explétifs. Il y aurait encore une autre ma- nière d'analyser cette construction, et ce serait de dire: pou pian tchi, non deflcxi, 'weï, uppellatio (est), tchoung, medium; thian ming tchi, coeli mandati, 'wèi, uppellatio (est) sing, natura. Cette analyse est bien simple et ramène tchi à la fonction d'exposant de rapport entre deux substantifs: je la crois conforme à la con- struction primitive de ces sortes de phrases; mais je me trompe
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fort si c'est celle qui se présente actuellement à l'esprit d'un Chi- nois qui réfléchit sur sa langue.
Ibid.
(11) Tchi ne prend place à la suite de mou qu'à raison de la qualité de substantif sujet, attribuée à ce dernier mot: nullus, non ullus , et il doit alors se rapporter à l'une des analyses qui ont été proposées ci -dessus et dans la Grammaire chinoise, § 190, 191.
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(12) Il y a une différence assez marquée entre la phrase moderne ni lai ti, etc., et la phrase du style littéraire: hio seng sài hieou tchi fou; et cette différence consiste surtout dans la présence du verbe lai qui aura nécessité l'emploi de ti dans la première; lai ti est un participe, venu, ou un abstrait, être venu; ni lai ti, ton être venu, ou ta venue. Il est douteux que ti pût trouver place entre le verbe et le sujet, si celui-ci n'était pas susceptible d'une interpretation analogue, et ne renfermait aucun verbe.
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(13) Je me suis, dans les deux ouvrages qu'indique ici l'au- teur, proposé des objets absolument différens. Je voulais, par mes Elémens, rendre l'étude pratique de la langue et de l'écriture chinoise aussi facile que cela était possible, et je me suis attaché à y présenter un tableau fidèle de ce que l'une et l'autre offrent de particulier. Dans la dissertation, je cherchais à établir qu'une partie des différences qu'on observe entre les phrases chinoises et celles des autres idiomes, tient à l'emploi d'une écriture d'une nature toute spéciale, et je m'attachais à considérer la langue chi- noise comme si elle n'eût jamais été écrite, ou qu'elle l'eût été alphabétiquement. Je pensais (et je suis disposé à conserver cette opinion) que les particules et les désinences ou affixes, ne sont, au fond et dans leur nature intime, qu'une seule et même chose, et que si les erases qui ont permis de rapprocher en latin ou en grec les terminaisons du thème des noms et des verbes, n'avaient pas été impossibles en chinois, on y verrait des mots déclinés et
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conjugués comme partout ailleurs. Je faisais voir, enfin, que la prétendue nature monosyllabique, communément attribuée à la langue chinoise, tenait à l'usage d'affecter un caractère particulier à chaque syllabe, usage qui n'avait pas permis de ramener à l'u- nité les parties d'un même mot qui concouraient à l'expression d'un sens unique; de sorte qu'on écrivait et on prononçait en chi- nois jin-kiaï-tchi, et en latin hominum, quoique ce fût essentiel- lement et radicalement la même chose, et qu'il eût été possible d'écrire d'un côté jinkiaïtchi , et de l'autre hom-in-um, sans rien changer à la nature des idées. Je montrais l'état des choses dans un de mes ouvrages, et je combattais dans l'autre un préjugé, ou une notion qui ne me paraissait pas exacte. Voilà la cause de la divergence observée par le savant auteur. Les personnes qui considéreraient le langage indépendamment de l'écriture qui y a été attachée, seraient naturellement conduites à le rapprocher des nôtres, et c'est une des causes de la facilité qu'ont trouvée quel- ques auteurs, comme le P. Varo et M. Morrison, à faire cadrer l'exposition des règles de la langue chinoise avec les formes et les divisions d'un rudiment latin ou d'une grammaire anglaise. Le point de vue où ils s'étaient placés n'est pas, je crois, le plus con- venable pour apprécier les propriétés de l'idiome qu'ils enseignaient, mais il peut avoir son avantage quand il est question de consta- ter la ressemblance que ce même idiome doit infailliblement offrir sous d'autres rapports, avec les divers moyens de communication que les hommes se sont créés dans le reste de l'univers.
Page 323. (14) Je crois avoir suffisamment fait voir (note 13) la véri- table cause qui a maintenu l'isolement du thème et des particules dans les noms et les verbes. Supposez qu'il y eût eu , dans la langue parlée, quelque tendance à confondre le radical tchang (chanter) avec le signe du prétérit \iao , et à faire de ces deux mots par contraction tchangUao, tchangyao, tchanniao, ou tout autre composé, le pinceau du lettré serait toujours venu désunir ce que la prononciation du paysan aurait rapproché, en écrivant séparément tchang, liao. Qu'on fasse bien attention à cette cir- constance; elle donne la clef de la plupart des singularités qu'on observe dans la construction des phrases chinoises.
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Pagk 324.
(15) Il s'agit ici d'un idiotisme ou d'une construction parti- culière, dont l'analyse ne saurait donner une explication tout-à- fait satisfaisante. C'est par une convention particulière que chi (teins), ainsi placé à la fin d'un membre de phrase, signifie au tems où, quùm, avec la notion du futur, plutôt que depuis le teins oh, ex quo, avec l'idée du prétérit. Il y aurait pour ce dernier sens une autre construction dont l'absence suffit pour indiquer le tems auquel doit se rapporter l'action du verbe principal. Cela convenu, le futur relatif est aussi bien exprimé que possible, puis- que le verbe de la proposition secondaire est affecté du signe du passé: Au tems (futur) où vous avez eu fini de préparer, pour dire au tems où (lorsque) vous aurez préparé.
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(16) Le style antique comporte peu de complication dans le système pliraséologique: cela peut tenir en partie aux causes que l'on indique ici, en partie à d'autres circonstances qu'il serait trop long de rechercher. Mais il y a des périodes très-longues dans le style littéraire et dans celui de la conversation. A la vérité, c'est ordinairement par la division, l'énumération, la gradation ou d'autres formes semblables que le sens y est soutenu jusqu'à la fin. Toutefois, il serait aisé d'en citer aussi où des membres de phrase assez étendus sont placés dans la dépendance d'un seul mot. Aux exemples qu'on peut voir dans la grammaire, §370,346 et ailleurs, je joindrai celui-ci où l'on trouve un participe ou une phrase conjonctive de dix-huit mots tous caractérisés par la finale ti, ainsi qu'on le voit par la transcription suivante:
Houng li khio, naï (lao-ye kian meng thsao hian houng li ching Midi, yi chi hao hing yao Tchang lang tso) ti.
„Cette chanson sur les poiriers à fleurs rouges est celle que mon Seigneur, ayant vu dans le pavillon des songes de verdure des poiriers rouges en pleine fleur, a, dans son admiration, fait faire au moment même par le jeune M. Tchang."
Les mots entre parenthèses sont dans la dépendance de ti eu chinois, comme ceux qui sont soulignés en français, dans la dépendance de que.
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Ibid.
(17) Cette dernière classe renferme seule la presque totalité des substantifs de la langue parlée ou du style familier. Je ne sais d'ailleurs pourquoi on voudrait en séparer cette autre classe si nombreuse dans les deux styles, des substantifs qui, sans por- ter avec eux aucune forme qui les caractérise, n'en ont pas pour cela un sens substantif moins arrêté, et n'en éveillent pas moins dans l'esprit des idées de substances. Jin, mou, chouï, chan, linf sont des substantifs en chinois, au même titre que leurs équiva- lens français, homme, arbre, eau, montagne, forêt.
Ibid.
(18) Une équivoque du même genre se trouve dans les langues classiques: il suffit de citer Rosae, Domini, Templum, Fructus, Dies, etc. Voy. ci-dessus la note 9.
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(19) Le grec, le samscrit, l'allemand, l'anglais offrent des constructions tout-à-fait analogues à celles qui abondent en chi- nois, c'est-à-dire où les mots sont rapprochés l'un de l'autre sans aucune marque de rapport, et où le sens jaillit de ce rapproche- ment et se détermine d'après la place que les termes occupent: c'est ce que, dans toutes les langues, on nomme mots composés. Le caractère de ces mots exige même que les élémens qui les constituent perdent les signes grammaticaux qu'ils pourraient avoir, et viennent, à l'état de radical, se grouper entre eux. On ne voit pas que la netteté du sens souffre de cette suppression, et les expressions qui en résultent sont, de toutes, celles qui ont le plus d'énergie et de vivacité. Horseman, Pferdeknecht, mnaç^oç, Asouamedha signifient d'une manière aussi positive que les phrases les plus explicatives le pourraient faire, un homme qui monte un cheval, un valet qui soigne des chevaux, un officier qui commande des chevaux (des cavaliers), un sacrifice où Von immole un cheval. Les rapports varient à l'infini, et l'esprit les supplée sans diffi- culté, sans embarras, sans hésitation. Que Ton généralise ce prin- cipe , et l'on aura assuré aux langues classiques un des princi- paux avantages du système chinois.
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Page 345. (20) Si cette propositiou était admise sans distinction comme une vérité évidente et un principe fondamental, il semble que toute discussion ultérieure deviendrait superflue; car il u'y a pas, il faut bien l'avouer, d'idiome où il arrive plus fréquemment qu'en chinois, que ce qui modifie l'idée manque d'expression dans la langue parlée. Si c'est de la prononciation seule que la pensée tient sa précision et sa clarté, le langage chinois doit le plus sou- vent produire d'une manière incomplète l'effet qu'on en attend, et par conséquent cet idiome devra être placé fort au-dessous des autres, non pas seulement sous le rapport de cette perfection qu'on admire dans les autres langues, considérées comme produits de l'intelligence humaine, mais sous le rapport bien autrement important du degré d'exactitude auquel on peut parvenir en s'en servant: ce sera un instrument grossier dont on ne pourra attendre qu'une action imparfaite. Mais comme il me paraît démontré par les faits que les Chinois s'entendent, non pas seulement en gros et d'une manière générale, .sur les objets ordinaires de la vie, mais sur les nuances les plus délicates et les modifications les plus subtiles de la pensée, je pense que la perfection de l'instru- ment peut se déduire de l'usage même auquel on l'applique; seulement il faut chercher cette perfection dans des propriétés un peu différentes de celles où nous sommes accoutumés à la placer. Je crois en effet qu'il y a deux manières de concevoir les conditions qui la déterminent. Ceux qui ont été plus frappés des ressources que les langues classiques ouvrent a l'intelligence, posent, avec l'auteur, le problème dont on cherche la solution dans un système grammatical, en ces termes: Exprimer complètement la pensée avec toutes ses particularités, en assignant, dans le lan- gage et dans l'écriture, des formes spéciales aux différentes circon- stances de tems, de lieu, de personne, ainsi qu'aux rapports vuriés qui peuvent exister entre les élémens divers qui constituent la phrase. Une personne habituée aux procédés rapides et expéditifs des Chinois, serait peut-être tentée d'y substituer l'énoncé suivant: Éveiller, dans Vesprit de celui qui écoute ou qui lit, Vidée corn- plète, telle qu'elle a été conçue par celui qui parle ou qui écrit, avec tout ce que Vun et Vautre ont besoin de connaître des cir- constances de tems, ifo lieu et de personne. Que le problème réduit à ces termes trouve sa solution dans le système chinois, c'est je
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crois, ce qui ne saurait être mis en doute, et les développemeus dans lesquels l'auteur entre immédiatement prouvent que personne n'a, mieux que lui, saisi les distinctions que je viens de rappeler.
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(21) On a déjà vu (note 16) que les auteurs de la moyenne antiquité avaient dérogé aux formes éminemment simples et re- streintes de la phraséologie primitive, et qu'on pouvait trouver chez les écrivains postérieurs des périodes très-étendues, formées de membres de phrases bien enchaînés entre eux, soit par des conjonctions, soit par ces marques d'induction auxquelles l'usage a donné une valeur analogue, soit enfin par la simple apposition qui est le moyen le plus ordinairement employé pour suppléer aux unes et aux autres. Je tombe par hasard sur ces deux phrases au commencement d'une préface des Quatre livres Moraux:
Tai hio tchi chou, kou tchi, taï hio so yi kiao jin tchi fa ye; Kaï tseu thian hiang seng min, Tse ht mon pou i» tchi Yi jin yi li tchi tchi sing yi. Jan khi khi tchi tchi pin, Hoe pou neng tsi;
Chi yi pou neng kiaï yeou yi tchi khi sing tchi, so yeou eu\ thsiouan tchi ye.
Yi yeou thsoung min g joui tchi neng thsin khi sing tche, Tchhou iu khi kian,
Tse thian pi ming tchi, yi 'weï yi tchao tchi kiun sse, Sse tchi tchi eul kiuo tchi yi fou khi sing. „Le livre de la grande science est la règle par laquelle les anciens enseignaient aux hommes cette science (véritablement) grande;
Car depuis que le ciel a donné l'existence aux peuples d'ici bas,
De ce tems même, il ne leur avait pas refusé le naturel qui comporte la charité, la justice, la politesse et la prudence;
Or, comme cette force imprimée à la substance de leurs esprits, Quelques-uns ne pouvaient en tirer avantage, C'est pour cela que tous n'ont pas été en état de savoir par quel moyen ils pouvaient compléter ce qui était dans leur propre nature.
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Il y en a eu aussi d'autres, intelligens, éclairés, habiles, pleins de perspicacité, capables d'atteindre au fond de leur naturel,
Que, étant sortis des rangs (du vulgaire),
Le ciel n'a pas manqué de les désigner pour, en étant les maîtres et les princes de la multitude,
Faire en sorte qu'ils la gouvernassent et lui enseignassent à recouvrer sa nature."
Ce ne sont pas des phrases françaises que j'ai prétendu écrire; j'ai voulu, au contraire, faire sentir, par une traduction toute lit- térale, quels étaient, dans l'original, l'ordre et l'enchaînement des propositions. Ces sortes de phrases sont très-communes dans le style littéraire, qui est essentiellement soutenu, périodique et sy- métrique. Il y en a de beaucoup plus longues encore dans les livres de philosophie; mais à la Chine, comme chez nous, c'est dans les ouvrages de discussion, qu'on trouve plus habituellement employées les formes de dialectique et d'argumentation, que le goût littéraire, plutôt que la nature de la langue, repousse dans les sujets ordinaires.
J'ai mis en romain, dans la transcription précédente, ceux des mots chinois qui servent à marquer la succession et les rap- ports des idées. Le nombre en pourra paraître peu considérable; mais il serait encore plus borné, que la dépendance des diverses parties de la phrase, les unes à l'égard des autres, n'en serait pas moins réelle, moins facilement sentie des lecteurs. Ceci ré- clame encore une courte explication.
Deux propositions peuvent être placées à la suite l'une de l'autre sans conjonction; on s'attache, en les traduisant, à en faire sentir la liaison, à montrer la dépendance de la première à l'égard de la seconde. En faisant cette opération, s'écarte-t-on , se rap- proche-t-on du sens de l'écrivain qu'on interprète? Si, comme paraît l'avoir pensé le savant auteur auquel nous soumettons nos doutes, l'unité de la phrase n'est pas complètement constituée par l'arrangement des membres qui la composent; si une proposition complète n'est au fond qu'une succession de propositions vérita- blement isolées dans l'esprit de l'écrivain chinois ; si, enfin, celui- ci n'a pas, dans son idiome, le moyen de déterminer le sens gram- matical dans lequel il en emploie les mots, nous commettons, sous le rapport de la grammaire, une véritable infidélité, toutes les fois que nous exprimons des liaisons qu'il a sous-entendues, que
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nous ajoutons des conjonctions qu'il a supprimées, que nous rat- tachons les diverses parties du raisonnement par la marque de rapports auxquels peut-être il n'a jamais pensé. Je ne crois pas qu'il en soit ainsi, et voici quelques-unes des raisons qui fondent mon opinion à cet égard.
Les Chinois n'ont pas une idée bien précise et bien complète de ce que nous nommons parties de l'oraison, catégories gramma- ticales; toutefois, on ne doit pas porter trop loin l'idée qu'on se forme de leur ignorance ou de leur indifférence dans cette ma- tière. Il est impossible, ainsi que l'a très-bien remarqué M. G. de Humboldt, de parler ou d'écrire sans être dirigé par un sen- timent vague des formes grammaticales des mots, mais il est tout aussi difficile d'écrire sur un sujet quelconque sans arrêter sa pensée sur la valeur grammaticale des mots qu'on emploie. 11 est surtout impossible de traiter certains sujets, de philosopher, de discourir sur la morale, la métaphysique, l'ontologie, sans avoir des notions assez bien définies des termes abstraits, des qualifi- catifs, des noms d'agent, d'action, etc. Bien plus: nous nous cro- yons quelquefois libres d'analyser de deux ou trois manières dif- férentes une même phrase, de déplacer l'idée verbale, de suppo- ser telle ou telle ellipse, d'imaginer tel ou tel rapport: or, je suis persuadé que, dans tous ces cas, la liberté que nous prenons tient à notre ignorance, et que le plus souvent un Chinois instruit ne verrait qu'une seule bonne manière d'analyser ces phrases qui nous paraissent si indéterminées. Ils poussent la précision tout aussi loin que nous, quoiqu'ils aient moins d'occasions de s'ex- pliquer à ce sujet. Ils ont cultivé la pratique et non la théorie, l'art et non pas la science. Ils ont une grammaire, mais non pas de grammairiens. Voilà, je crois, toute la différence.
Ces mots, auxquels ils se plaisent à laisser une si grande la- titude de signification grammaticale, ont quelquefois besoin d'être définis. Dans ce cas, les commentateurs, leurs lexicographes ne manquent pas de les définir. Ils savent bien dire alors si le mot reste mort, ou devient vivant, selon la dénomination ingénieuse qu'ils ont affectée au verbe. Ta signifie verberure, verberatio. S'ils veulent determiner ce mot comme verbe, ils y ajouteront un pro- nom pour complément: ta tchi, verbcrare eum. S'il est nécessaire de reformer le nom d'action dans son acception bien déterminée, une nouvelle particule remplit cet office: ta tchi ich«, littéralement
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le frapper. Hab ne signifie que bon; hdo ne veut dire que aimer. L'un est un adjectif, l'autre ne saurait s'entendre que comme verbe. Beaucoup de mots changent ainsi d'intonation en passant d'une catégorie grammaticale à une autre; ceux qui leur font éprouver ces changemens ont sans doute la conscience de la mo- dification qu'ils apportent à l'idée.
Il y a des occasions où il est tout-à-fait nécessaire d'appuyer sur ces distinctions: c'est quand on explique le texte d'un auteur classique, le sens de ces livres où tout, pour les philosophes de la Chine, est doctrinal et, pour ainsi dire, sacramentel. Depuis vingt siècles, des milliers de commentateurs se sont occupés de ce genre d'exégèse. Pour y réussir, il ne saurait leur être indif- férent de prendre un mot comme verbe ou comme substantif, dans un sens indéfini ou individuel, ni de lire deux ou trois proposi- tions isolément, ou dans le sens qui résulte de leur rapproche- ment; ils ont besoin d'une grande précision sur tous ces points, et ils y arrivent par des définitions toutes grammaticales, et qui montrent plus de sagacité dans ces matières qu'on n'est tenté de leur en accorder. Il est même bien remarquable qu'ayant à discu- ter tant de passages susceptibles d'interprétations différentes, leurs dissentimens ne portent presque jamais sur des points de gram- maire, qui seraient pourtant si propres à exercer leur subtilité, si les phrases chinoises avaient, sous ce rapport, le degré de vague que nous croyons y apercevoir.
On a eu à plusieurs époques la preuve de la constance des commentateurs chinois dans leurs traditions grammaticales, et tout récemment l'expérience a été répétée à l'occasion de l'entreprise qui a consisté à rédiger en mandchou des versions littérales des classiques et des historiens chinois. Les écrivains qui ont com- posé ces traductions savaient également bien le chinois et le mandchou; ils connaissaient toutes les finesses des deux langues, et, comme la dernière a des tems et des modes pour les verbes, de nombreux signes de rapports pour les noms, des conjonctions et des prépositions dont il ne leur était pas permis de négliger l'emploi, il leur a fallu, à chaque phrase chinoise, prendre parti sur la valeur grammaticale des mots, sur le rapport et l'enchaî- nement des idées. Cette partie de leur travail s'est exécutée avec méthode et régularité, et les décisions qu'ils ont rendues implici- tement sur tous ces points, généralement conformes aux traditions
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des meilleurs commentateurs, portent un caractère de maturité et de précision très-remarquable. On voit que l'emploi des formes grammaticales dans ces versions n'a rien changé au sens des ori- ginaux, et que par conséquent la manière d'entendre ceux-ci était précédemment bien arrêtée et fondée sur l'emploi méthodique et régulier de procédés, qui suppléaient aux formes proprement dites, et qui ne les laissaient nullement regretter.
J'ai tracé ces considérations à la hâte, et je sens qu'elles auraient besoin d'être traitées d'une manière moins superficielle. Telles qu'elles sont, elles pourront jeter quelque jour sur une question d'un haut intérêt. Le savant illustre auquel nous aimons à les soumettre y trouvera peut-être matière à de nouvelles ré- flexions; car c'est un fait curieux que la conservation d'un système entier d'interprétations grammaticales chez un peuple qui n'aurait aucune notion de grammaire. Mon principal objet, en le rappe- lant, a été de faire voir qu'il n'y avait rien d'arbitraire dans la manière dont on supplée, en traduisant du chinois, à l'omission des signes de rapports, ou dont on lie ensemble les différentes parties des phrases. Cette démonstration peut aussi être néces- saire pour constater l'authenticité de certaines règles que j'ai dé- duites de l'étude des auteurs, et notamment de celle qui est l'objet des §§ 166 et 167 de mes Élémens.
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(22) L'auteur touche ici à l'un des effets les plus curieux de l'influence que la nature particulière des caractères chinois a exer- cée sur la constitution de la langue. Il n'y a presque pas lieu de douter que, si les efforts des écrivains de la Chine pour enrichir et perfectionner leur idiome eussent été secondés par l'emploi d'une écriture alphabétique, le nombre des mots ne se fût accru dans la même proportion que les signes écrits. Mais l'impossibi- lité d'exprimer de nouvelles combinaisons de sons, et la nécessité de chercher toujours dans le même cercle de syllabes déjà usitées, les noms qu'on voulait donner à des objets nouveaux, ont à ja- mais fixé le langage dans l'état où il était parvenu lors de l'in- vention des caractères. Il est probable même qu'au lieu d'acqué- rir des sous, la langue parlée en a plutôt perdu; car beaucoup de nuances délicates ont dû s'effacer, une lois qu'elles ont été réduites, dans la langue écrite, à une expression commune approxi-
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uiative. On pourrait penser que les mots toile, cent, prince et cypres, offraient primitivement quelque différence propre à les faire discer- ner dans la prononciation; mais une fois que ces mots ont été écrits avec un même signe de son (pe), associé à des images va- riées, le souvenir de ces différences a dû s'altérer et finir par se perdre. Je regarde l'invention des caractères hing-ching (figuratifs du son) comme une des causes qui ont maintenu le langage dans un état de véritable pauvreté, en même teins qu'elle a enrichi l'écriture de tant de signes remarquables par leur construction ré- gulière et méthodique. Le chinois a acquis par là, au prix de l'harmonie et de la variété des sons, l'avantage d'une écriture admirablement appropriée à l'expression des idées et à la classi- fication des êtres naturels.
Au reste, les vues proposées par M. G. de Humboldt au sujet de l'influence de l'écriture chinoise su* le système grammatical, montrent assez quelles lumières il aurait infailliblement jetées sur une question importante, proposée au concours pour le prix fondé par M. de Volney, s'il lui eût été possible de s'en occuper. Les effets de l'écriture alphabétique peuvent être étudiés dans un grand nombre d'idiomes; mais peu de personnes possèdent des matériaux assez nombreux pour la recherche de ceux qui s'ob- servent dans les langues sans écriture, et quant aux modifications produites par l'usage des caractères représentatifs, l'importance en sera surtout appréciée par les personnes qui apporteront à l'étude du chinois et du japonais, la sagacité persévérante et la judicieuse subtilité qui distinguent la lettre qu'on vient de lire.
Notice sur la Grammaire Japonaise du P. Oyanguren.
Aie P. Oyanguren, Biscay en de nation, ainsi que l'indique son nom, est l'auteur de cette grammaire imprimée à Mexico l'an 1738. Il paraît s'être retiré au Mexique, après avoir été missionnaire apostolique dans le royaume de Cochinchine, gardien de deux couvens aux îles Philippines, et professeur de langue tagala *). Sa grammaire, écrite en espagnol, porte le titre suivant:
Arte de la lenyua Japona, dividido en quatro libros segun el arte de Nebr'uca, con algunas voces proprias de la escritura, y otras de los Unguages de Ximo y del Cami, y con algunas perif rases y figuras: a mayor honra y gloria de Dios y de la immaculada concepcion de Nra. Sra. Patrona con este titulo del Japon, y para con mayor facilidad divulgar Nra, Sta. Fè Ca-
') Le P. Oyanguren, qui prend, en tête de cet ouvrage, le titre de Ministro en el idioma Tagahxj, a encore composé une gram- maire de cette langue; c'est du moins ce qu'indiquent plusieurs passages de sa grammaire japonaise, entr'autres celui où, en faisant observer l'analogie qui existe entre le tagalais et le ja- ponais, quant aux locutions ligurées, il dit, qu'il a parlé des ligures en usage dans la langue tagala, en el tagalismo eluci- dado, et il y renvoie le lecteur. Nous ignorons si cet ouvrage a été imprimé. (C. L.)
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Iholica en aquellos Reynos dilatados, compuesfo por el Hermano Pr. Fr. Melchor Oyanguren de Santa Ines, Religioso descalzo de Nro. S. P. San Francisco, ex tnissionero, etc., etc* Impresso en Mexico por Joseph Bernardo de Hogal. Anno de 1738. (200 pages in 4°.) Quoique les grammaires des PP. Alvarez, Rodriguez et Collado aient été publiées long-tems avant celle du P. Oyanguren, il paraît qu'elles étaient déjà très rares au com- mencement du dernier siècle; car les approbations qui pré- cèdent la grammaire du P. Oyanguren, parlent de la diffi- culté de trouver des livres propres à donner une connaissance suffisante de la langue du Japon. Le P. Oyanguren, lui- même, dit dans sa courte préface, qu'il a composé sa gram- maire d'après les écrits d'auteurs japonais, et l'on ne voit pas même qu'il ait consulté le travail du P. Rodriguez, dont il s'éloigne en plusieurs points importans.
Je dois l'exemplaire que je possède de la grammaire du P. Oyanguren à la bonté de mon frère, qui l'a rapporté du Mexique, ainsi que les grammaires et les dictionnaires d'un grand nombre de langues américaines. Comme M. Lan- dresse, dans la traduction de celle du P. Rodriguez, dont il a enrichi la littérature orientale, ne fait aucune mention de cette grammaire du P. Oyanguren, il m'a paru utile d'en donner une courte notice, en m'étendant seulement sur ce qui pourrait servir à faire connoître Ja méthode de l'auteur, et conduire à quelques observations générales sur la langue japonaise.
Le P. Oyanguren se dispense entièrement d'expliquer le système de l'écriture japonaise qu'il qualifie d'artifice du démon, ayant pour objet d'augmenter les peines des ministres du saint Evangile. Il suit, comme le titre l'indique, un sy- stème conforme à celui de la grammaire latine. Ce défaut est commun à tous les auteurs espagnols et portugais qui
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ont composé des grammaires d'idiomes asiatiques et améri- cains. Il faut toujours distinguer soigneusement les formes grammaticales, telles qu'elles se trouvent réellement dans la langue, de l'expression qui leur est donnée par l'auteur. Tout cet étalage de modes, de gérondifs, de supins et de parti- cipes, que l'on trouve dans les grammaires des PP. Rodri- guez et Oyanguren, disparaîtrait devant une méthode adaptée au vrai génie de la langue.
En comparant attentivement ces deux ouvrages ensemble, il est évident que celui de l'auteur portugais est plus com- plet et plus exact, mais l'autre fournit des éclaircissemens utiles, lorsqu'on a fait l'étude du premier. Il y a aussi plu- sieurs cas où ces deux grammaires diffèrent l'une de l'autre, et où une connaissance plus intime de la langue pourrait seule mettre en état de décider de quel côté se trouve l'erreur.
L'usage de rattacher l'adjectif au verbe a surtout fixé mon attention dans la grammaire japonaise (§ 11, 55, 71, etc.). Il y a des langues américaines où l'on considère également l'adjectif comme lié d'une manière indissoluble au verbe élre, et cette manière de voir semble naturelle à des nations en- core peu accoutumées aux idées abstraites. L'abstraction pouvant seule conduire l'esprit à se représenter l'adjectif comme existant par lui-même, il est naturel de se le figurer toujours comme étant attaché à tel ou tel objet. Il n'est réellement rien en lui-même, il n'est que l'objet constitué de telle ou telle manière. Le P. Rodriguez explique très- bien, sous ce rapport, les verbes adjectifs et les différentes manières de s'en servir; le P. Oyanguren n'a point aussi bien pénétré l'esprit et la nature de la langue. Il regarde la forme du présent de ces verbes comme leur forme primi- tive, et leurs radicaux comme des adverbes; et lorsqu'il parle de leur conjugaison, il dit que le présent de l'indicatif est leur forme primitive même, à laquelle il faut ajouter, par la
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pensée, le verbe substantif. Il méconnaît par Jà Ja nature vraiment verbale de leurs désinences. D'un autre côté, il établit, ce que le P. Rodriguez ne fait guère (§71 bis), la place différente que peuvent occuper ces verbes adjectifs, après ou avant le substantif. Ce dernier cas n'admet que le présent de l'indicatif, et le reste de la conjugaison ne peut servir que pour former une phrase où le substantif est placé le premier. C'est ainsi que ces deux auteurs se suppléent l'un l'autre sur ce point essentiel de la grammaire japonaise: car si Ton considère attentivement ces verbes adjectifs, on les trouvera produits sous quatre formes différentes: 1° comme radicaux; 2° dans le présent de l'indicatif; 3° dans ee même présent, mais privés de leur voyelle finale, c'est-à-dire en état de contraction, ou altérés par une permutation de lettres; 4° conjugués par tous les tems et modes du verbe japonais.
Les radicaux des verbes adjectifs sont de véritables adjectifs, tels que nous les trouvons dans d'autres langues. Tako, si.ro, fonko veulent véritablement dire haut, blanc, profond: car, joint au verbe substantif aron, fouko signifie: il est blanc; et ainsi des autres.
La définition que le P. Rodriguez (§28 bis) donne des radicaux en général, manque, à ce qu'il me parait, de clarté et de précision. Cet auteur dit qu'ils ne signifient rien par eux-mêmes; ce qu'il a probablement voulu dire, c'est seule- ment que, puisqu'ils n'indiquent ni mode, ni tems, ni per- sonne, il est impossible de leur assigner une signification précise dans la phrase: car si on les considère comme des mots isolés, ils ont incontestablement une signification réelle et constante. Au lieu d'être, comme le dit le P. Rodriguez, des verbes simples, ils ne sont pas du tout des verbes, mais le thème ou radical dont on les forme.
Le P. Oyangurcn ne s'étend pas assez sur les radicaux des verbes, mais il paraît en avoir mieux saisi la nature. vu. 2ô
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Les mots primitifs ( las vocès primeras) de beaucoup de verbes sout, dit-il, comme des racines et des noms (son como ratées u nombres) y et cette définition me semble par- faitement juste. Les radicaux japonais ne ressemblent point aux radicaux samskrits; ce- sont les mots pris isolément, lel que le dictionnaire pourrait les donner, et renfermant l'idée entière du verbe, mais manquant des inflexions de la con- jugaison. Il serait intéressant de savoir si ces radicaux sont aussi dénués de toute autre forme grammaticale, ou si leurs désinences indiquent leur destination verbale, et s'il est per- mis d'appliquer les inflexions de la conjugaison à tout sub- stantif qui en est susceptible, pour en former des verbes, à l'instar des verbes nominaux du samskrit. Le P. Rodriguez donne bien les désinences des radicaux, mais plusieurs de ces désinences appartiennent également à des noms substan- tifs, tels que ame, lami, fito midzou et beaucoup d'autres. Ce qui cependant paraît sûr, c'est qu'aucun radical ne se termine par une consonne, et qu'il y a des substantifs qui ont cette désinence, quoique le nombre en soit très-limité.
Pour en revenir aux radicaux des verbes adjectifs, ce qui constitue leur nature vraiment verbale, c'est que (§58 n°l), placés dans des phrases qui se suivent, ils prennent le tems et le mode du verbe suivant, ainsi^que le font tous les autres radicaux.
11 y a deux manières différentes de se servir de l'ad- jectif. On l'attache, par l'entremise d'un verbe à son sub- stantif, et il devient alors le dernier membre d'une proposi- tion simple (praedicatitw); la montagne esi haute; ou bien on le considère comme étant déjà lié au substantif, et ne formant avec lui qu'une seule et même partie de la propo- sition, une haute montagne s'aperçoit de loin. Les verbes adjectifs s'emploient très-naturellement dans le premier de ces cas. Ils abrègent la phrase et permettent de faire habi-
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tuellement ce qui, dans d'autres langues, n'a lieu qu'à l'égard de certains mots, savoir: d'exprimer l'adjectif et le verbe substantif (praedicalnm et copula) par un seul mot. Toutes les langues possèdent de ces verbes adjectifs, comme briller pour être brillant. Il est naturel que, dans ce cas, le verbe adjectif puisse être conjugué par tous les modes et tous les tems.
Mais lorsque 1 idée de l'adjectif est intimement liée au substantif, l'intervention du verbe est contre l'ordre naturel des idées, et fait deux propositions d'une seule. C'est pour- quoi le P. Rodriguez nomme (§ 11) ces phrases des phrases relatives. Mais cette explication me semble être prise de nos idées grammaticales, et non pas de celles des nations qui les premières ont formé les langues. Talcai gama, elle est élevée la montagne1), nous paraît une expression incohé- rente et peu naturelle; mais pour un peuple nouveau et pour ainsi dire naissant, c'est au contraire la plus naturelle de toutes. L'homme est d'abord frappé de la qualité de l'objet qu'il voit, et il s'écrie: c'est haut! et il ajoute après, pour s'expliquer, la montagne. On voit par-là pourquoi, dans ce cas, le verbe adjectif est toujours au présent de l'indicatif (§71 bis). Il est même certain que toutes les phrases de cette nature en renferment proprement deux réunies en une seule, puisque la réflexion que la montagne est haute a du précéder l'expression: la haute montagne.
Etant une fois accoutumé à faire précéder l'adjectif sous la forme de verbe, on fait naturellement la même chose en
') Voyez une construction analogue dans le chinois, Élêmens de la Grammaire chinoise, §302-303, p. 113. La clé tie beaucoup d'anomalies qui s'observent dans le système de la grammaire japonaise, se trouve dans la manière dont on a ajouté des signes grammaticaux aux vocables indéterminés de la langue chinoise.
(A-R.)
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liant l'adjectif et le substantif dans un même mol. Takayama est évidemment la même chose que taliai y am a, et ce chan- gement est purement euphonique. Nous ne voyons dans ce mot que l'idée de haute montagne, et nous le regardons comme appartenant à la classe des mots composés qu'on nomme en samskrit, harmadharaya. Mais les Japonais y attachent encore l'idée d'être, ou du moins il faut qu'ils l'y aient attachée au tems de la formation de leur langue.
Il aurait été sans doute plus conséquent d'employer, dans ces deux cas, le radical taho , qui exprime purement l'idée de hauteur; mais la manière de se représenter l'adjectil comme étant attaché au substantif, dont j'ai parlé plus haut, a sans doute fait préférer la forme du verbe. Ces diverses manières de se figurer les formes grammaticales constituent une des principales différences des langues entr'elles.
Le radical s'emploie, au contraire, d'une manière très- naturelle, lorsque l'adjectif se rapporte, comme adverbe, à un verbe. La répétition des inflexions verbales serait, dans ce cas, d'autant plus inutile que, lorsque deux verbes se suivent, le premier semble toujours rester à la forme radicale.
Le verbe japonais parait être, en grande partie, la com- binaison du radical avec le verbe substantif, ou avec un verbe auxiliaire qui en tient lieu; car outre que les radicaux (§28) peuvent être conjugués avec le verbe substantif arou, les inflexions verbales onrou, ronron, ri, rebu, ha, ri, keri et d'autres, renferment évidemment un verbe auxiliaire. 0 même est, selon le P. Rodriguez (p. 65), une contraction à'orou. Je n'oserais cependant porter un jugement décisif sur d'autres inflexions, nommément sur celles de la seconde conjugaison et sur celles des verbes adjectifs.
Mais très-souvent le verbe substantif et l'idée verbale, en tant qu'elle dépend de la forme grammaticale, sont simple- ment sous entendus. Motome-ta est un véritable nom, celui
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qui a acquis; et il ne semble meine pas différer essentielle- ment de moiomeie , qui n'est jamais employé que comme nom, c'est donc seulement le sens que lui attache celui qui parle, qui fait voir s'il doit être pris comme nom verbal ou comme une des personnes du parfait. Le parfait du verbe substantif joint au participe ne supplée pas même à ce dé- faut; car il n'est lui-même autre chose qu'un nom, at -1a pour ar-ta d'arou. Moiomeie -ut ta avec le pronom de la première personne signifie donc, traduit littéralement, je ce- lui qui a acquis celui qui a été, et pour savoir que l'on doit dire j'acquis, il faut ajouter en pensée ce qui constitue proprement l'idée verbale, en changeant les participes ou noms verbaux en leur verbe fléchi. 11 en est de même de mot orne -y o, motome-yo-liasi , motomc-ba, motome-nou, motome-nan-da, mot otne-nan-de-atta et d'autres inflexions qui, littéralement, veulent dire, acquérir -très, acquérir-très plût à Dieu, acquérir -si, acquérir-non, celui qui a acquis- non-celui qui a été, et non pas proprement acquiers, plût à Dieu que j'acquière, si j'acquiers, je n'acquiers pas, je n'acquis point, je n'avais point acquis.
Les verbes japonais portent moins que ceux des autres langues le caractère verbal, par la circonstance que leurs inflexions ne varient jamais, quant aux personnes (gram, de Rodr., §26); car ce qui caractérise surtout le verbe, c'est qu'il doit toujours y avoir une personne qui y soit affectée, tandis que les noms ne se rapportent aux personnes que dans certains cas, ou sous certaines suppositions. La langue copte et plusieurs langues américaines font entrer le pronom dans la composition des noms et du verbe, et il devient ainsi l'ame et le centre de la construction grammaticale de ces langues. Il n'en est pas de même en japonais; le pronom reste isolé, et s'ajoute simplement aux noms et aux verbes, ce qui le rend étranger à la formation de ces derniers.
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La place que les pronoms doivent occuper devant les personnes du verbe mérite encore une attention particulière. Le P.Rodriguez n'en parle point, et les exclut de ses thèmes de conjugaison. Le P. Oyanguren (p. 59, 77) en donne des exemples '), et il ajoute à la plupart de ces pronoms la par- ticule no. Les pronoms du pluriel ivagaraica, sonata do- tnoiva et nan dut si en sont seuls privés, et soregasi prend après lui la particule ga. Or, no et ga sont les particules du génitif, et servent à former les pronoms possessifs: so- nata-no motomourou, soregasi- ga moiomourou veulent donc littéralement dire ton, mon acquérir èlre, et le verbe est ainsi entièrement traité comme un nom substantif. Le japonais n'est pas la première langue dans laquelle j'ai cru trouver ce singulier phénomène.
Je n'oserais cependant encore rien affirmer à cet égard ; car, d'après le P. Oyanguren (p. 13), no est aussi une des particules du nominatif, el no el ga se rapportent également aux distinctions de rangs qui jouent un si grand rôle dans
') Indicatif. — présent.
Singulier. Pluriel.
Wagano a gourou, Wagurawa agourou ,
J'offre. Nous offrons.
Sonatano agourou, Sonata dumowa agourou,
Tu offres. Vous offrez.
Arcno agourou, Arerano agourou,
Il offre. Ils offrent.
INDICATIF PRÉSENT POUR LA SECONDE CONJUGAISON.
Sorcgasiga yomou, je lis. Soresamano yomou, votre seigneurie lit. Nandalsi yomou, vous (pluriel) lisez. prétérit. Wagano goda atta, j'eus lu.
Sonata domowo goda atta, vous lûtes (pluriel): Arcno yoda gozatta, il eût Lu. fi TUR. Sonatano yomo, tu liras.
11'agurawa yomozou, nous lirons.
Arerano yomozourou, ils liront. (C. L.)
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la langue du Japon. Il laut avouer que nos deux grammai- riens donnent des idées bien peu claires et bien peu pré- cises sur ce point important.
Les verbes qui servent d'auxiliaires à la conjugaison (iron, haro, soro sont évidemment les mêmes mots que les pronoms démonstratifs arou, sore, hare. Doit-on les prendre pour des pronoms qui sont devenus verbes substantifs., ou pour des verbes dont on a formé des pronoms? Je penche- rais pour cette dernière opinion. Le P. Oyanguren dit po- sitivement ({lie arott (dont gozarou est sans doute un com- posé) signilie aller, venir, cire, tenir (p. 80). 11 est donc probable que le pronom arou (quidam 3 Rodriguez, p. 82) est un nom verbal, ou plutôt que la langue emploie ce mot tantôt comme verbe (être), tantôt comme un pronom (celui qui est, un être existant).
On doit regretter que ce chapitre, dans lequel nos deux grammairiens traitent du pronom, soit précisément un des plus imparfaits et des plus embrouillés1). Ware est assigné« à la première personne par Rodriguez, et à la deuxième par Oyanguren; luaya à la deuxième par Rodriguez, étala première par Oyanguren; konata à la deuxième parles deux grammairiens, et en même lems à la troisième par Rodri- guez, et à la première par Oyanguren.
J'ai peine à croire qu'une pareille confusion puisse réelle- ment exister dans une langue quelconque. *Si malgré cela,
') Suivant K od ri g liez, Oyanguren et Collado, ivttre s'emploie à la première comme à la seconde personne; Collado ne lait aucune mention de waga; mais il s'accorde avec les deux autres au- teurs, en admettant Isonaia comme pronom de la première, de la seconde et de la troisième personne; seulement le sens de ce mot comme pronom de la première personne, est, dit-il, en quelque soite distributif; pour ma part, quant h moi, pour ce qiti me regarde: sonafà est le mot qui lui correspond, à la deuxième personne, pour toi, pour <c qui te regarde. (C.JL.Il.
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les deux auteurs avaient raison, la cause de celte confusion apparente pourrait se trouver dans les distinctions que l'éti- quette établit entre les pronoms japonais. Il semble positif que la plupart marquent une certaine nuance de rang ; or, cela supposé, il peut très-bien se faire qu'un pronom qui, sous le rapport d'inférieur à supérieur, sert à la première personne, devienne, sous le rapport de supérieur à inférieur, pronom de la deuxième.
En examinant avec soin cette singularité de la langue, il m'est venu une idée dont j'abandonne le jugement à ceux qui pourront acquérir une connaissance plus étendue du ja- ponais.
Il se pourrait que tous les pronoms japonais, quand même ils seraient assignés d'une manière fixe et stable a une des trois personnes, fussent proprement des pronoms de la troisième, et que l'usage seul eut introduit, d'après leur signification matérielle, leur emploi à la première et à la deuxième, tel que b/iavan, en samskrit, qui sert à la deuxième personne, quoiqu'il soit proprement un pronom de la troisième, ou plutôt, dans son origine, un adjectif formé par l'alfixe vatou (Bibliotbèque indienne de M. de Schlegel, vol. II, p. 11, 12), et tel que vous en français, qui s'emploie au singulier, quoiqu'il soit proprement un pronom du pluriel. De même qu'on adresse a un autre le titre de votre grandeur, on peut se qualifier soi-même de mon humilité; de même qu'on dit ego indignus feci, on peut, en voulant se désigner soi- même, dire indignus fecit. Si ces qualifications sont une fois établies parmi les personnes d'un rang différent, ces idées s'amalgameront et se confondront tellement avec les idées primitives des pronoms, que ce qui était originairement un substantif ou un adjectif, par lequel on désignait un inférieur ou un supérieur, deviendra un pronom de la première ou de la deuxième personne.
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II faudrait, pour se convaincre de la justesse de cette assertion, connaître l'étymologie des pronoms japonais, et les sources dans lescpjelles seules il m'est permis de puiser, sont insuffisantes pour un pareil examen. Mais gouso, pronom de la première personne pour les bonzes (ego indignus, Rodri- guez, p. 81), paraît être le même mot que gou, ignorant, (Rodriguez, Index, verbo, g ou nin). Sonata, qui est regardé comme un des pronoms de la deuxième personne, et konala, dont j'ai parlé plus haut, sont aussi des adverbes de lieu (Rodriguez p. 79, §72; Oyanguren, p. 22, 23) qui répondent à Tinterrogatif donata. Ils veulent donc dire, comme pronoms, celui qui est ici ou là, et pourraient servir pour toutes les trois personnes, selon le rapport dans lequel se trouve celui qui les emploie '). Ce fait m'a paru très-précieux, puisqu'il semble prouver que cette confusion des deux premières per- sonnes avec la troisième vient d'une source plus générale que des idées conventionnelles de rang et d'étiquette, et qu'il tient à la nature même de l'intelligence humaine.
L'habitude des enfans de parler d'eux - mêmes à la troisième personne prouve que l'idée du moi est difficile à saisir. Celle du toi semble plus facile, quoiqu'elle ne le soit guère; car, prise dans son sens rigoureux, elle sépare un être de tous les autres, pour le mettre en opposition avec celui qui parle; elle renferme ainsi l'idée du moi. L'idée abstraite du pronom, c'est-à-dire de la personne dénuée de toute autre qualité, a dû, en général, exiger une réflexion plus profonde. C'est pourquoi on a voulu soutenir que parmi les parties du discours, le pronom a été le dernier à se dé- velopper. Mais si on exprime la chose de cette manière, les faits lui sont contraires. Un grand nombre de langues de véritables sauvages donnent aux pronoms des développemens
') Voyez la note page 391,
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même étrangers aux langues civilisées, et toute leur orga- nisation grammaticale repose sur le pronom.
Il semble prouvé par la que l'homme place, par un in- stinct naturel, les idées du moi et du toi là où 1 expression de la pensée l'exige, sans s'élever encore pour cela à leur sens rigoureux et abstrait. Mais il se pourrait que dans beau- coup de langues, même peut-être dans toutes, les pronoms de la première et de la deuxième personne aient été, dans leur origine, des pronoms de la troisième, ou plutôt des sub- stantifs ou des adjectifs, désignant d'une manière quelconque la personne qui parle, mais n'exprimant point directement le rapport opposé de celui qui parle et de celui à qui on adresse la parole; c'est ce qui constitue proprement la dif- férence du moi et du loi.
Dans la langue malaise, tous les pronoms de la pre- mière personne, à l'exception du seul ahou , dont la signi- fication paraît s'être perdue, sont des substantifs désignant différens degrés d'humilité. Marsden, dans sa Grammaire ma- laise, observe (p. 44) que ces pronoms devraient proprement être considérés comme étant de la troisième personne, et il ajoute fort judicieusement: „C'est ainsi que les parties du discours prennent la place lune de l'autre, et de même que les pronoms sont qualifiés de substituts de noms, des noms deviennent, dans ce cas, des substituts de pronoms." Le ma- lais', comme le japonais, ne connaît qu'une seule inflexion du verbe pour toutes les personnes du singulier et du pluriel. Si je saisis bien le sens du § 5, et surtout du n° 122 de l'excellente Grammaire chinoise de M. Abel-Rémusal, les pronoms simples de la première personne, usités ancienne- ment en Chine, ont l'ail place insensiblement aux formules d'humilité établies par l'étiquette. Les véritables pronoms auraient donc été les premiers, et la fausseté de L'assertion du développement tardif des pronoms serait encore prouvée
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par ce fail. Mais il se pourrait également aussi que ces pre- miers pronoms eussent été de véritables substantifs1), et que leur signification primitive s'étant perdue avec le tems, on s'en fut servi comme de pronoms, qu'on eût trouvé bon plus tard de remplacer par des formules d'humilité. Les mêmes phénomènes se reproduisent dans toutes les langues, et tandis que les mots et les formes grammaticales restent matériellement les mêmes, l'esprit humain avance, et leur
') C'est en chinois plus que dans tout autre idiome, c'est dans une écriture où se sont conservés tant de vestiges des notions qui ont été attachées aux mots, qu'on devait espérer de trou- ver quelque idée précise de la valeur primitive des pronoms. Les recherches étymologiques qu'on a faites à ce sujet sont loin d'avoir en un résultat positif. Sous le rapport de la pro- nonciation, il paraît qu'il y eut d'abord, dans cet idiome, moins de variétés qu'on n'en observe aujourd'hui; plusieurs termes qui ont à différentes époques reçu, dans l'écriture, des signes variés, rentrent évidemment les uns dans les autres; tels sont 'o, 'oî«, iu, iu, pour la première personne, ni, îii, cul, jou, pour la seconde. Il faudrait savoir quel est le caractère dont on s'est servi d'abord pour peindre l'idée attachée à ces mots; mais c'est de quoi les livres ne nous instruisent pas. Un des plus curieux est le caractère fseii (soi-même); il représente l'haleine qui s'échappe à-la-fois du nez et de la bouche. On s'est servi de ce signe primitif, en y répétant encore une fois l'image de bouche, pour indiquer qu'on parle de soi-même: mais c'est un signe moderne et dépourvu d'autorité. On explique quelques- uns des caractères assignés aux pronoms, en y faisant remar- quer une louche, des vapeurs, une main. L'un des signes de la seconde personne représente, dit-on, du souffle qui s\!carle, apparemment en se dirigeant vers celui à qui l'on parle. Le caractère le plus usité pour le pronom de la première est, dit- on, formé d'une main qui tient une lance. Mais sans parler de l'incertitude et de l'insufiisance de ces explications, il faut avouer que la plupart des signes de cette espèce, même les plus anciens et ceux qui se trouvent dans le Chou-King, sont abso- lument rebelles à l'analyse, ou n'offrent que des indicateurs de sons, et par conséquent la peinture des mots de la langue par- lée, dès-Iora adoptés pour rappeler les idées de personnalité.
(A.-K.)
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attribue, par un effet de ses progrès, un sens plus général, plus exact et plus abstrait; ils prennent une nature diffé- rente, en semblant rester les mêmes.
Si, en effet, tous les pronoms japonais étaient de la troisième personne, le verbe n'aurait besoin que d'une seule personne, et motomourou, par exemple, serait, dans le sens rigoureux de la grammaire, l'inflexion de la troisième per- sonne, dans laquelle l'usage aurait établi de comprendre aussi la première et la deuxième, d'après la signification des adjectifs ou des substantifs servant de pronoms. Cela s'ac- corderait parfaitement avec ce que j'ai avancé plus haut, que les inflexions du verbe japonais ne sont que le radical modifié suivant les tems et les modes, et joint à un pronom possessif.
Le verbe prendrait dans celte supposition la nature du nom, ou plutôt le nom servirait de verbe. Cette facilité d'as- signer à une partie du discours les fonctions d'une autre fait naître bien des réflexions sur la grammaire en général. Elle prouve, ce me semble, que les notions grammaticales résident bien plutôt dans l'esprit de celui qui parle, que dans ce qu'on peut appeler le matériel du langage; or, pour ap- prendre à connaître le mécanisme des langues, il faut bien se pénétrer de l'importance de cette distinction.
Lettre h Mr. Jaquet sur les alphabets de la Polynésie Asiatique*).
«J e commence, Monsieur, par vous envoyer une copie exacte des paragraphes où les PP. Gaspar de S. Augustin et Do- mingo Ezguerra, dans leurs grammaires tagala et bîsuya, parlent des alphabets de ces langues. Vous verrez par-là que vous avez eu parfaitement raison de supposer que ces deux dialectes et Vylog se servent du même alphabet ') ; car quoi- que l'alphabet bisay offre quelques variétés plus considéra- bles que les deux autres, l'identité n'en est pas moins évi- dente. Vous trouverez aussi, Monsieur, dans les deux al- phabets que j'ai l'honneur de vous transmettre, le v de corazon de Totanes et toutes les dix-sept lettres dont se compose l'alphabet des Philippines.
Vous attribuez l'expression de bay bay In aux gram-
*) Mr. Jacquet hat die Güte gehabt, diesen Brief im neunten Bande des Nouveau Journal Asiatique abdrucken zulassen. Er erscheint hier durch einige spätere Zusätze vermehrt, und durch Stellen des Aufsalzes des Hrn. Jacquet erläutert, welcher die Veran- lassung zu demselben gab.
') Jacquet. Notice sur l'alphabet Yloc ou Ylog mm Nouv. Journ. Asiat. T. 8. p. 3— lit.
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mairiens espagnols '), et cela m'a paru Irès-probable. Je vois cependant par le dictionnaire du P. Domingo de los Santos, que ces grammairiens ne reconnaissent pas ce mot pour le leur; il paraît appartenir aux indigènes, et l'étymologie qu'on en donne est assez curieuse. Bay bay in est un substantif formé du verbe baybay (épeler, nommer une lettre après l'autre). Le même verbe signifie aussi, marcher sur la côte de la mer et naviguer près de la côte sans vouloir s'expo- ser aux dangers de la haute mer; c'est de cette métaphore que de los Santos dérive le mot, dans le sens d'épeler. J'ose aussi croire que la lettre b serait plutôt nommée b a que bay. De los Santos dit expressément que les indigènes nomment les consonnes ainsi: baba, caca, dara, y a y a, etc.
Je suis entièrement d'accord avec vous, Monsieur, sur l'alphabet des Bugis2). Les consonnes sont à peu près les mêmes que dans l'alphabet tagala; mais la manière d'écrire les voyelles en diffère beaucoup, non pas pour la forme
') La réunion de ces dix-sept lettres est nommée dans les diction- naires Tagala, baybayin (et A.B. C. Tayitlo). Il est facile de s'apercevoir que ce mot est de nouvelle formation et qu'il a été imaginé par les Espagnols, quand ils se sont occupés de donner des formes régulières à la grammaire et à la lexico- graphie de cette langue. Le mot baybay in est composé d'une formative finale et de baybay qui me paraît être le vocable de la lettre B (ainsi que les langues de l'Inde, le Tayala pos- sède une formule pour citer chaque lettre grammaticalejnent ; cette formule est le redoublement de la lettre même: caca, h aha, nana, (.', H, N). La consonne B, les voyelles mises en dehors comme dans Tordre alphabétique des langues indiennes, se trouve être la première de Tordre alphabétique européen introduit par les Espagnols et combiné avec les restes du ^ — ^|" sanskrit: c'est du nom de cette première lettre qu'on a nommé l'ensemble de toutes les autres: baybayin signifie donc proprement alphabet (Jacquet. /. c. ;>. 7. K.) ) Jacquet. /. c. p. 10 — 12.
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seulement, mais pour le principe même de la méthode. C'est précisément ce point principal dont il est impossible de se former une idée juste d'aptes Raffles. L'alphabet bugis manque de signes pour les voyelles initiales à l'exception de l'a: mais le fait est que cet a, outre sa fonction de voyelle, est en même temps un fulcrum pour toutes les autres voyelles, un signe qui, de même que toute autre consonne, leur sert pour ainsi dire de corps. Vous aurez peut-être déjà observé, Monsieur, en consultant la grammaire de Low, que la même chose a lieu dans le thai. Dans la dernière série des con- sonnes thaï, se trouve un a dont Low donne l'explication suivante: a, which is rather a vowel than a consonant, and is placed frequently in a word as a sort of pivot, on which llie vowel points arc arranged. It forms, as it were, the body of each of the simple vowels. C'est ainsi qu'on place en javanais un h devant chaque voyelle ini- tiale, mais sans le prononcer; et c'est encore ainsi que les mots malais commençant par i et u sont précédés tantôt d'un i, tantôt d'un ».
M. Thomsen, missionnaire danois, a commencé à im- primer à Sincapore, en types fort élégans, un vocabulaire anglais-bugis, où l'écriture indigène est placée à côté de la transcription anglaise. Le manque de fonds nécessaires a fait abandonner l'entreprise; mais je tiens de l'obligeance de M. Neumann la première feuille de ce vocabulaire, qu'il a rap- portée de son interessant voyage à Canton '): l'analyse de deux cents mots, qu'elle renferme, m'a fourni ce que je viens de dire sur l'emploi de l'a bugis: noouvae (low iva-
') Ich habe später dieses Wörterbuch vollständig erhalten; es führt den Titel: A vocabulary of the English, Bugis, and Malay languages, containing about 2000 words. Singapore. 1833. Sn. Es sind ihm ein Alphabet und einige Bemerkungen über die Aussprache vor- ausgeschickt, und der erste Bogen erscheint verändert.
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1er) y est écrit tia-o pur -a avec le point de Yott -va-e-a ; makounr aï (femme), ma-ha avec ou-ra-a avec le point de 1% Vous voyez par ces exemples, Monsieur, que la dif- ficulté que ces alphabets (qui considèrent les voyelles me- diales comme de simples appendices de consonnes) éprouvent d'écrire deux voyelles de suite, est levée par le moyen de cet «. Le dévanagari , qui , parce que la langue sanscrite ne permet jamais à deux voyelles de se suivre, immédiatement dans le même mot, a destiné les voyelles indépendantes à être exclusivement employées au commencement des mots, s'est mis par-là dans l'impossibilité d'écrire le mot bugis ouvae (eau). Je trouve dans un seul mot le redoublement d'une voyelle mediale, lele)ia3 écrit c-e-la-na: ce n'est là qu'une abréviation; on répète la voyelle, on néglige d'en faire autant pour la consonne, et le lecteur ne peut pas être induit en erreur; comme une consonne ne peut être accom- pagnée que d'une seule voyelle, il reconnaît de suite qu'il faut en reproduire le son.
Ce qui m'a frappé dans ce vocabulaire, c'est de trou- ver transcrit en anglais par o, le signe que Raffles rend par eng i). Cet o, que je nommerai nasal, diffère à la vérité dans l'impression anglaise, de l'autre qui répond à Yo bugis placé à la droite de la consonne, en ce que ce dernier est plus grêle et que l'autre est plus arrondi; mais cette différence typographique, très-peu sensible en elle même, ne nous ap- prend rien sur la différence du son ou de l'emploi des deux
') Mars de n giebt in seinen miscellaneous works {Plattet. nach S. 16.) auch eine Abbildung des Bugis- Alphabets $ er nennt das Zeichen rTg und spricht es in der Verbindung mit einem C'onsonauten arfg aus. Das vollständige Kugis-Itörterbuch giebt ihm ilie Aussprache des ö in Königsberg, und setzt hinzu: it is 6, ön and brig, according to its place in the word, or the letter which follows it. li'.s wird darin auch immer 0 bezeichnet.
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signes bugis. Je crois m'ètre assuré que Yo noté au-dessus de la consonne a en effet un son nasal, tandis que le signe placé à la droite de la consonne ne s'emploie que là où le son de l'o est pur et clair. C'est le mot sopoulo, dix, qui m'a mis sur la voie de cette distinction: il s'écrit sa avec l'o nasal -pa avec ou-la-o pur; il renferme donc les deux o. Or, sopoulo est \e s a n pùuo tagala (Totanes, n°. 359), et Yo nasal bugis répond ainsi exactement au son nasal du mot tagala. L'o nasal est souvent suivi, dans la prononciation, du son nasal ft g; mais ce son n'en forme pas une partie nécessaire. Il se détache dans la prononciation, et Yo reste nasal dans l'écriture : oulong, lune, a avec ou-la avec l'o nasal; oulo te pou , pleine lune, a avec ou- la avec Yo nasal -e-ia-pa avec ou. L'o nasal se trouve aussi dans des mots qui ne se terminent pas par le son hg; oloe, air, a avec l'o nasal-/« avec l'o nasal -e-a: il est même suivi de con- sonnes autres que ft g ; aloft, bois, a-la avec l'o nasal; tan- dis que cette consonne nasale peut être précédée par un o pur, 1 andjofig „ ia-dja-o pur. Il résulte de tout cela que l'o nasal est un anousvar a , qui peut encore être renforcé par la consonne nasale.
L'uniformité avec laquelle les différens alphabets dont j'ai parlé placent IV et Vi à la gauche de sa consonne et en sens contraire de la direction de l'écriture, est très-sin- gulière: l'alphabet javanais assigne la même place à Ye.
Les quatre lettres composées ng k aß mp a ,nr a , nicha , manquent dans mon vocabulaire1); et ce qui est plus sin-
') Hr. Jacquet hat schon (Nouv. Journ. Asiat. T. 8. p. 11. Anm. J.) bemerkt, dafs diese zusammengesetzten Buchstaben auch in einer andren von Raffles gegebenen Abbildung eines Bugis-Alphabets fehlen, welches, nach Raffles, sich in einer alten Handschrift fin- det. Auffallend bleibt es, dass , obgleich das Rugis -Wörterbuch nie sich eines dieser zusammengesetzten Ruchstaben bedient , sie
vu. 26
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gulier encore, c'est qu'au cas échéant, la première des deux consonnes réunies n'est pas exprimée dans l'écriture bugis: elle n'est donc point regardée, ainsi qu'on devait le croire d'après Raffles, comme initiale, mais comme terminant la syllabe précédente; exemple: lempok (inondation), e -la- pa avec l'o nasal; onromalino (endroit retiré), a-o pur -ra-o pur -ma-la avec i-na-o pur. Je ne trouve pas d'exemple des syllabes ngha et nicha 1).
dennoch in dem vor demselben gegebenen Alphabete aufgeführt sind, merkwürdigerweise nher in der Aussprache der Nasal fehlt; denn für ifgkak (das Wörterbuch fügt allen diesen zusammen- gesetzten Buchstaben in der Benennung ak, den einfachen aber nur a bei) wird die Aussprache k, für mpak nur |>, für nrak mmt r, für nchak nur ch angegeben. Ma rs de ns oben erwähn- tes Alphabet enthält ebenfalls die vier zusammen gesetzt en Buch- staben. ') In den ferneren Bogen des Bugis-if'örterbuches finde ich nun al- lerdings dafür Beispiele: gara ifgkatfg, Spinne, geschrieben ga-ra ka, gonching, Scheere, geschrieben g a- reines o-ch a ni if i {ich schreibe hier c h , was ich im Französischen Texte tch bezeichne). — Ja ich fimle auch noch andre zusammengesetzte C'onsonantenlaute, als die vier oben era ahnten: rfgga, S, B. in gerfggo tedoifg, Käfer, geschrieben e-ga-ga- reines o-e- ta-da- reines o; mba, in gu in bang, Wasserkrug, geschrie- ben g & mit u-ba, sumbu, Docht, geschrieben saniif u-ba mit u ; nta, in lantera, Laterne, geschrieben la-e-ta-ra; nda, in Iandak, Igel, geschrieben La- da; tandak, Sieh, ta -da; nja (ich verstehe unter j den Englischen Laut dieses Buchsta- ben), in injili, Evangelium, geschrieben a mit i-ja mit i-la mit i, junjuifgi, auf dem Kopfe tragen, ja mit u-ja mit u- nga mit i. Hierdurch erweitert sich auf einmal der Gesichts- kreis, und wird man in den Stand gesetzt, diese Eigenthümlich- keit des Bugis- Alphabets klar zu übersehen. Es wird nämlich deutlich, dass die Bugis-Sprache, wie die ihr verwandten Malayi- schen Sprachen, die eigentlich Malagische, die Javanische u. «., alle Zusammensetzungen des Nasallauts mit don dumpfen und tönenden Consonanten der vier ersten Classen (von einer Zu- sammensetzung des Nasals mit s finde ich kein Beispiel, und scheint das Bugis diese Verbindung mit den verwandten Sprachen nicht zu thcilen), wozu woefi die Verknüpfung desselben mit dem
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Vous supposez, Monsieur, que le r initial est remplacé Hans la langue tagala par Y y '); vous m'excuserez si je ne
Halb vocal ra kommt {cine Verbindung mit la finde ich nicht, und die mit dem y a wird durch einen eignen, einfachen Consonanten, ivie in den verwandten Sprachen, ausgedrückt) , in ihrem Laut- systeme hesitzt, dass sie aber den Nasal nicht schreibt, sondern es dem Leser überlässt, ihn, wo er in der Aussprache vorkommt, vor dem geschriebenen zweiten Consonanten, nach Maassgabe seines Organs (n , n~g oder in), zu ergänzen. Dennoch hat die Schrift, idkI, wie ich glaube in spaterer Zeit, für die Verbindung des Nasals mit den dumpfen Consonanten , merkwürdigerweise aber nicht mit dem dentalen, und mit dem Ilalbvocal ra ei- gene Zeichen gebildet, welche aber nicht viel im Gebrauche zu sein scheinen. Für die spätere Einführung dieser vier Consonan- tenzeichen spricht auch in der That ihre complicirtere Gestalt; und man kann wohl sicher behaupten, dass das Zeichen für ngka (durch blosse Umkehrung) von dem für n~ga, und durch blossen Zusatz einer Linie das für mpa von pa, das für nra von ra abgeleitet sind, wogegen nur das Zeichen für nclia keine Analo- gie darbietet. Daraus, dass man für die Verbindung des Nasen- lauts mit dem dumpfen dentalen und mit allen vier tönenden Consonanten lein Zeichen besass, geht deutlich genug hervor, wie man sich nun auch der wirklich vorhandenen vier Zeichen beim Schreiben entschlagen konnte. ') Le tagala est comme plusieurs dialectes de la Tartarie septen- trionale, privé de IV initial: mais il paraît le remplacer parle y, que ne possède pas YUgi, ces deux lettres se permutent souvent dans les langues de l'Inde ultérieure. (Jacquet. Notice sur l'alphabet Yloc. Nouv. Journ. Asiat. T. 8. p. 11. Anm. 2.) — Es sei mir erlaubt, hier noch zu bemerken, dass dem Bugis-Al- phabel das y nicht fehlt ; es findet sich in dem zweiten von Raffles gegebenen Alphabete, in dem in Marsdens miscellaneous works und dem des Bugis-lVbrterbuches, und kommt auch in dem letz- ten öfter vor, z.B. apeyan~gi, werfen, geschrieben a-e-pa-
ya-nga mit \, ekayah, Geschichte (das Arabische âùl £-" T>),
e-a-ka-ya, yatu, er, sie, es, ya-ta mit u. Im Anfange des IVortes spricht es das Wörterbuch auch ïya aus, z.B. in dem letztgenannten Pronomen mit puna, ïyatu puna, sein, ihr, und bezeichnet diese Aussprache manchmal durch den Vocal i über dem ya, z.B. in ïyak, ich, welches einfach durch diese Verbindung dargestellt wird, ïyapega, welcher, geschrieben y a mit i-e-pa-ga.
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puis partager celte opinion. Les deux: lettres y et r, il est vrai, se permutent souvent dans ces dialectes; le pronom tagala sii/a, il, est indubitablement le s'ira javanais ou plu- tôt kawi: mais le r initial est remplacé par le d; on dit raton et daton, roi, had aie an et ha rat on, palais. Les indigènes des Philippines confondent sans cesse le d et le r; mais de los Santos donne pour règle que le d doit être placé au commencement et le r dans le milieu des mots. Cette règle paraît constante pour le tagala; mais elle est aussi observée dans d'autres dialectes: le dan a a (lac) malais est le ran on (eau) de Madagascar et le da no ou lano de l'île de Magindanaô. L'y entre aussi dans ces per- mutations, mais moins régulièrement, et dans la langue ta- gala, autant que je sache, jamais comme initiale. Un des exemples les plus frappans est le suivant. Ouir: dinyiy en tagala, rinyue Madagascar, ronyo Nouvelle-Zélande, roo Tahiti, ongo tonga; oreille: tayiny a tagala, tdinya malais, talinhe, tadigny Madagascar, tarinya Nou- velle-Zélande, taria Tahiti.
Vous avez expliqué d'une manière fort ingénieuse, Mon- sieur, comment on a pu se méprendre sur la direction des signes de l'écriture tagala, et vous avez réfuté en même temps l'opinion de quelques missionnaires espagnols sur l'o- rigine de cet alphabet. Cette opinion est certainement erro- née: je ne voudrais cependant pas nier toute influence de l'écriture arabe sur les alphabets de l'archipel indien. Vous observerez, Monsieur, que, dans le §11, page 152, le P. Gaspar de S. Augustin écrit les mots y ab y et yabe en caractères tagalas, de droite à gauche. Ce n'est là peut-être qu'une méprise du P. Gaspar. Mais ne pourrait-on pas sup- poser aussi que les indigènes, ou pour flatter leurs nouveaux maîtres, ou pour leur faciliter la lecture de leur écriture, l'ont en certaines occasions assimilée en ce point à l'arabe?
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Je soumettrai même à votre décision, Monsieur, une autre conjecture plus hasardée, mais plus importante. Vous té- moignez avec raison votre étonnement de ce que l'alphabet bugis n'ait adopté que la première des voyelles initiales de l'alphabet tagala, et de ce que ces deux alphabets, d'ailleurs si conformes, diffèrent l'un de l'autre dans un point aussi essentiel. J'avoue ingénuement que cette différence ne me parait pas avoir dû toujours exister. 11 est très-naturel de supposer que les Bugis ont eu, de même que les Tagalas, les trois voyelles initiales, mais que, voyant l'écriture malaie faire souvent servir ïa de signe introductif de voyelle ini- tiale (Gramm, mal. de Marsden, page 19), ils ont inventé une méthode analogue et ont laissé tomber en désuétude leurs deux autres voyelles initiales. Je conviens que le cas n'est pas tout-à-fait le même , puisque le 3 et le c? arabes font en même temps les fonctions de voyelles et de consonnes, et que leur qualité de voyelles longues entre aussi en con- sidération; mais ces nuances ont pu être négligées. Il est très-remarquable encore que des trois alphabets sumatrans, le bai la ait les trois voyelles initiales, tandis que le red- jang et le lampoumj ont ïa seulement. Cette diversité est explicable dans mon hypothèse, puisque le hasard a pu faire que L'écriture arabe ait exercé une plus grande influence sur différens points de l'archipel. Mais hors de cette hypo- thèse, elle reste inconcevable dans les alphabets dont le principe est évidemment le même. Marsden ne dit pas, au reste, de quelle manière les Redjangs et les Lampoungs écrivent ïi et ïo initiaux; mais j'aime à croire qu'ils usent de la même méthode que les Bugis.
J'ai cru ne devoir pas m'éloigner de la supposition que le signe en question est vraiment un a, un signe de voyelle. S'il était permis de 1 -évoquer ce fait en doute, contre le té- moignage des auteurs, toute difliculté serait levée par-là:
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le prétendu a n'aurait rien de commun avec les voyelles sanscrites et tagalas; il serait le signe d'une aspiration mu- niment faible, un k, un v ou un y, et pourrait, comme une consonne, s'unir à toutes les voyelles.
L'erreur dans laquelle seraient tombés les auteurs à qui nous devons ces alphabets, serait facile à expliquer. Comme, dans ces langues, toute consonne, lorsqu'elle est indépendante, se prononce liée à un a, ceux qui entendaient proférer un a avec une aspiration très-faible, pouvaient re- garder ce son comme celui d'une voyelle. Ce qui me con- firme dans cette opinion, c'est que mon vocabulaire bugis ne fournit aucun signe pour le h '), et que l'a thaï est rangé parmi les consonnes. Le prétendu a bugis ressemble moins à l'a qu'au h tagala, et l'a redjang n'a aucune ressemblance avec le véritable a batta, tandis qu'à la position près, il a la même forme que le pseudo-a lampoung. Mais ce qui me paraît presque décider la question, c'est que les signes de l'a et du v bugis sont absolument les mêmes, à l'exception d'un point ajouté au premier: les lettres h, v, y de ces al- phabets peuvent êtres des consonnes plus prononcées2). Si donc, Monsieur, vous ne trouvez pas trop hardi de nommer h le signe que Low, Marsden et Raffles, d'après le té- moignages des indigènes, nomment a, j'abandonne l'hypothèse de l'influence arabe sur ce point, en m'en tenant simplement à la supposition que ces peuplades, d'après leur prononcia-
') Auch in ihn späteren Bogen kommt es nicht vor, und dennoch er- scheint ein besonderer Buchstabe ha in dem Alphabete , welches dem Wörterbuche beigegehen ist, sowie in Ruffles erstem und in Marsden's Alphabete; in einem Falle, wo man am ersten ein ivirkliches ha cm finden vermuthen soUtc , dem oben an ye führten
Arabischen Worte Kjl*-~t.J>? fehlt es.
') Auch das Zeichen für y ist von dem für \\ abgeleitet, indem zwei Punkte, wie bei a einer, durtuiter gesetzt sind.
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lion, ont admis dans leurs alphabets les signes des voyelles initiales, ou adopté à leur place un signe d'aspiration infini- ment faible, (jui, sans presque rien ajouter au son des voyelles dans la prononciation, peut néanmoins leur servir de con- sonne dans l'écriture. La consone h qui précède toute voyelle initiale des mots javanais, est entièrement dans ce cas, et ressemble en cela au spirit us lents que nous ne faisons pas entendre non plus en prononçant les mots grecs.
Je ne puis cependant pas quitter cette question sans faire encore mention de l'alphabet barman. Il possède dix voyelles initiales et autant de mediales; et cependant il use de cette même méthode de lier à la première les signes médiaux de tousles autres, en écrivant aou pour ou. Ca- rey (Gramm, barm, page 17, n°. 72.) prescrit cette manière d'exprimer les voyelles initiales en les liant à un a muet, comme règle générale pour la formation des monosyllabes. Judson, dans la préface de son dictionnaire barman (page 12), s'exprime plus généralement. The symbol (la forme mediale) of any vowel, dit-il, may be combined with a (initial) in which case the compound has ihe power of the vowel which the symbol represents y thus ai is equivalent to i. Aucun de ces grammairiens ne dit à quel usage sont réser- vés les signes des autres voyelles initiales. Il faut cependant que l'usage en ait réglé l'emploi. Mais le nombre de mots où on les conserve est si peu considérable, que l'article de l'rt occupe 12 pages dans le dictionnaire, tandis que ceux des autres neuf voyelles en remplissent huit; encore y a-t-il beaucoup de mots palis dans ces derniers. Lorsqu'on réflé- chit sur cette circonstance et qu'on y ajoute cette autre, que la méthode de se servir de l'a comme d'une consonne est consacrée particulièrement aux monosyllabes, on est tenté de croire (pie l'alphabet barman se servait anciennement de la même méthode que l'alphabet des Bugis, celle de coin-
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biner les voyelles mediales avec L'a inilial, et que l'usage des autres voyelles initiales n'a été introduit que postérieu- rement.
Je ne me souviens pas d'avoir rencontré la particula- rité dont nous parlons ici, dans aucun des alphabets dérivés du dévanagari et usités dans l'Inde même, à l'exception na- turellement des cas où, comme dans la langue hindoustanie, on emploie l'alphabet arabe.
Il y a cependant, dans la langue telinga, un cas où 1'« lié à une voyelle reste muet et conserve à la voyelle sa prononciation ordinaire; mais c'est pour la convertir de voyelle brève en voyelle longue. Campbell dit, en parlant de ces cas dans sa Teloogoo Grammar (page 10, n°. 23): In such cases, ihc symbol of the long vowel a is to be considered as lengthening the short vowel i, rather than as representing the long vowel a.
Au reste, je ne cite ces cas que parce qu'ils sont au- tant d'exemples, que Ma est chargé d'une fonction étrangère à son emploi primitif. La solution la plus simple du pro- blème qui nous occupe ici, est sans doute de supposer que les peuples de ces îles, ayant à leur disposition des voyelles mediales et initiales, ont trouvé plus simple de se passer de ces dernières, et d'accoler les premières (lorsqu'elles n'étaient point précédées de consonnes) à Va, qui, inhérent de sa na- ture aux consonnes, était la seule parmi les voyelles dont il n'existât pas de forme mediale. Le procédé n'en est pas moins étrange, et c'est pour cela que j'ai essayé de trouver une circonstance qui ait pu le faire adopter.
Les Tagalas trouvaient d'ailleurs, dans leur langue même, une raison particulière pour marquer bien fortement leurs trois voyelles, comme initiales de syllabes dans l'inté- rieur des mots. La langue tagala a deux accens, dont l'un prescrit de détacher entièrement la vovelle de la dernière
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syllabe d'un mot, de la consonne qui la précède immédiate- ment (hacienda que la sylaba postrera no sea hernia de la consonanie que la prefiere, sino que suene independente de ella; Gramm, da P. Gaspas de S. Augustin, page 154, n°.3). Il laut donc lire pat-ir, big -ai, dag -y, tab -a, et non pas pu-tir, etc. Comme, dans ce cas, la voix glisse lé- gèrement sur la première syllabe, on a coutume de noter cet accent par les lettres p. c. (penulUtnâ correplâ); l'ac- cent opposé, noté p. p. (penult itnà producta) , appuie sut- la pénultième et laisse tomber la finale. Il est de la plus grande importance de ne pas confondre ces deux accens; car un grand nombre de mots changent entièrement de si- gnification, selon l'accent qu'on leur donne. C'est donc à cet usage que les Tagalas réservaient spécialement leurs voyelles initiales. Ils les employaient aussi au milieu des mots, là où il importait de renvoyer une consonne à une syllabe précé- dente et de commencer la suivante par une voyelle. C'est ce qui résulte clairement de l'extrait de grammaire que je joins à cette lettre, et le P. Caspar observe très-judicieuse- ment que c'était là un grand avantage de l'écriture indigène sur la nôtre.
Soûlai et sour at sont sans aucun doute des mots arabes; Marsden l'observe expressément de sour ai: on peut y ajouter le serrât des Javanais et le soratse de Madagascar. Veuillez encore remarquer la conformité gram- maticale de ces quatre langues, qui forment de ces mots manounoulat , tnenyo urat , ny errat 3 manor at s , en changeant toutes le ä en un son nasal. Il m'a été fort agréable d'apprendre qu'il existe dans la langue tagala une expression indigène pour l'idée d'écrire. Je ne connaissais pas le mot titic, qui ne se trouve pas dans le dictionnaire de de los Santos. Mais y aurait-il assez d'analogie entre t otitis et titic pour dériver l'un de l'autre? Ce dernier
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ne serait-il pas plutôt le iiilk malais, qiri veut dire goutte, mais aussi tache (idée qui n'est pas sans rapport à l'écri- ture)? Quant à t a all s, qui est le tvhi de la langue tonga, j'ai toujours cru le retrouver dans le tonlis tagala, pointe, aiguiser: on trace ordinairement les lettres avec un in- strument pointu.
Nous venons de voir que les langues malaies font su- bir aux mots arabes les changement de lettres de leurs grammaires; la même chose a lieu pour les mots sanscrits qui passent dans le kawi: buukii devient mamoukii; sabda, parole, devient masabda, dire, et sinabda , ce qui a été dit.
On est naturellement porté à regarder l'alphabet indien comme le prototype de tous les alphabets des îles du Grand Océan. Ces peuplades pouvaient, comme vous le dites, Mon- sieur, l'adapter chacune à la nature de sa langue et à son orthophonie. Cette opinion a été néanmoins contestée : quel- ques auteurs regardent comme très-probable que les diffé- rens alphabets ont été inventés indépendamment l'un de l'autre chez les différentes nations. Je ne puis partager cette opinion. Je ne nie point la possibilité de l'invention simul- tanée de plusieurs alphabets; mais ceux dont nous parlons ici sont trop évidemment formés, sans parler même de la ressemblance matérielle des caractères, d'après le même sy- stème, pour ne pas être rapportés à une source commune. Il n'existe pas de données historiques qui puissent nous gui- der dans ces recherches; mais il me semble que nous de- vons les diriger dans une voie différente, mettre un moment de coté tout ce qui est tradition ou conjecture historique, et examiner les rapports intérieurs qui existent entre ces alphabets, voir si nous pouvons trouver les chaînons qui conduisent de l'un à l'autre: car il semble naturel de sup-
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poser aussi, dans le perfectionnement des alphabets, des progrès successifs.
Les alphabets dont nous parlons ici ont cela de com- mun, qu'ils tracent les syllabes par des groupes de signes, dans lesquels la seule lettre initiale à laquelle on ajoute les autres comme accessoires est regardée comme constitutive. Ces alphabets, lorsqu'ils sont complets, se composent ainsi: 1°. de la série des consonnes et des voyelles initiales; 2°. de la série des voyelles proférés par les consonnes initiales; 3°. des consonnes qui se lient à d'autres consonnes sans voyelles intermédiaires; 4°. de quelques signes de consonnes, qui, en terminant la syllabe, se lient étroitement à sa voyelle, tels que le replia, Va no us vara, le vis arg a. Si les consonnes finales des mots ne passaient pas ordinairement, dans récriture de ces langues, aux lettres initiales des mots suivans, il faudrait encore ajouter à cette dernière classe toutes les consonnes pourvues d'un vir am a. Ces alphabets se distinguent entièrement des syllabaires japonais: les syl- labes n'y sont pas considérées comme indivisibles; on en reconnaît les divers élémens; mais cette écriture est pour- tant syllabique, parce qu'elle ne détache pas toujours ces élémens l'un de l'autre, et parce qu'elle règle sa méthode de tracer les sons, d'après la valeur qu'ils ont dans la for- mation des syllabes, tandis qu'une écriture vraiment alpha- bétique isole tous les sons et les traite d'une manière égale.
Dans ce système commun, nous apercevons deux classes d'alphabets très-différens: les uns, tels que le dévanagari et le javanais, possèdent toute l'étendue des signes que je viens d'exposer; les autres, tels que le tagala, le bugis, et à ce qu'il paraît les sumatrans, se bornent aux deux premières classes de ces signes. Si l'on examine de plus près cette
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différence, on trouve qu'elle consiste en ce que les derniers de ces alphabets ne peuvent point détacher la consonne de sa voyelle, et que les premiers sont en possession de moyens pour réussir dans cette opération. Les alphabets tagala et bugis »expriment en effet aucune consonne finale d'une syl- labe; ils laissent au lecteur le soin de les deviner. La seule adoption du lîrama aurait levé cette difficulté, et l'on est étonné de voir que ces peuples l'aient exclu de leurs alpha- bets. Mais je crois que nous nous représentons mal la ques- tion, en transportant nos idées d'aujourd'hui et de notre pro- nonciation à des époques où les langues étaient encore à se former, et à des idiomes tout-à-fait différens. Si l'inven- tion et le perfectionnement d'un alphabet exercent une in- fluence quelconque sur la langue dont il rend les sons, c'est certainement celle de contribuer au perfectionnement de l'ar- ticulation, c'est-à-dire, de l'habitude des organes de la voix de séparer bien distinctement tous les élémens de la pro- nonciation. Si les nations, pour être capables de faire usage d'un alphabet, doivent déjà posséder cette disposition à un certain degré, elle augmente par cette invention, et l'écri- ture et la prononciation se perfectionnent mutuellement.
Le premier pas était fait par l'invention des lettres ini- tiales de syllabes, des voyelles qui en forment une à elles seules et les consonnes accompagnées de leurs voyelles. Les langues dont nous parlons ici forment presque tous leurs mots de syllabes simples se terminant en voyelles; on pou- vait donc, jusqu'à un certain degré, se passer des moyens de marquer aussi les consonnes finales: dans les 200 mots que renferme la première feuille du vocabulaire bugis, je ne trouve de consonnes finales que m, n, k, h, ng, les deux premières dans l'intérieur des mots seulement, m de- vant fi j n devant r; h et h ne paraissent qu'à la fin des
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mots, mais ng occupe les deux places et est employé plus souvent que les autres ').
Il n'était cependant pas si aisé d'aller plus loin. On ne pouvait écrire la terminaison des syllabes composées qu'en faisant une double opération. Après avoir privé la consonne finale de sa voyelle inhérente, par laquelle elle aurait formé une nouvelle syllabe, il fallait encore, pour en isoler en- tièrement le son, la détacher de la voyelle qui la précédait immédiatement; car le son de la consonne et celui de la voyelle se confondaient. Il faut observer en effet que les peuples qui se servaient d'alphabets semblables à ceux des Bugis et des Tagalas. ne croyaient pas représenter leurs
') Die mir später zugekommenen übrigen Roijen des Bugis-Wörter- buchs liefern noch als am Kurie der IVörfer vorkommend die Consonant en m, n, t, s, über nur in einigen als ausländisch zu betrachtenden Wörtern, und zwar nur in folgenden: Natu pu- lam, Marmor (das Malagische bätu püälam), äpiun, Opium
{Malagisch apyün oder afyün, vom Arabischen ^j^S\s, das
Griechische otiiov), intan, Diamant (ebenso im Malagischett) sapu chat, malen (das Mala gisclie Verbum säpü, jegen, über- tünchen, und das Subslantivum chap, Siegel, welches, wie Mars- rien in seiner Grammatik S. J13, der, dialektischen Verwandlung eines Anfangs-^ in t, z.B. tükul statt pükul, schlagen, und umgekehrt eines F.nd-t in p, kTlap für kïlat, Blitz, erwähnt, wahrscheinlich in einigen Gegenden chat lautet; denn die bei- gesetzte Malagische Paraphrase giebt sapu chat ebenso für den Malagischen , wie für den Bugis-Ausilruck), angaris, Englisch (pawale angaris, Kreide), im Malagischen inggris. Man kann daher von diesen Consunnnten ganz absehen, und behält allein die drei oben genannten , h, k und n~g, als beständig am linde der JFörtcr wiederkehrende. Merkwürdig ist noch eine Ein- zelheit} ich finde nämlich paak, Meissel , nur durch rien einzi- gen Buchstaben p a ausgedrückt; man hat es also nicht für vöthig erachtet , für den Enrilaut ak den Buchstaben a zu gebrauchen, welches ein neuer flewcis ist, wie sorglos man mit dem M'ort- schlasse umging; denn eigentlich würde man diese Schreibung [iak Sit lesen haben.
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syllabes d'une manière incomplète : ils ne voyaient pas, comme nous, dans les signes de leurs voyelles finales, un i ou un ou seulement, mais, selon les circonstances, aussi un lie, un Ing, etc.; ils ne concevaient pas même la possibilité de décomposer encore des sons déjà si simples. Le viramu privait bien la consonne de sa voyelle inhérente; mais l'o- pération de détacher la consonne de la voyelle qui la pré- cédait, était plus difficile: car la voyelle qui s'exhale, pour ainsi dire, en consonne, rend naturellement un son plus ob- scur et moins distinct que la consonne qui commence la syllabe; de même la voyelle qui est coupée par une con- sonne finale, se trouve arrêtée dans sa formation. Il résulte des deux cas que la voyelle et la consonne des terminai- sons de mots se modifient mutuellement.
L'écriture barmane offre un exemple très-curieux de ces modifications; j'observe que cette particularité se trouve dans les monosyllabes, qui constituent le fond primitif de cette langue. Les consonnes, lorsqu'elles viennent à terminer un mot, reçoivent dans presque tous les cas une autre va- leur, et altèrent même celle de la voyelle qui les précède. Le monosyllabe écrit kak, est prononcé kef9 un p final devient t, un m final n, etc. (Carey, p. 19; Judson, p. 1)1). On se demande naturellement d'où il vient que l'écriture ne suive pas ici la prononciation : si l'on prononce constam- ment ty d'où sait-on que ce / est proprement un le ou un p? L'étymologie du monosyllabe renferme, très-probable- ment, la réponse à ces questions. Les racines se terminant en une consonne bien prononcée, peuvent être et sont vrai- semblablement, pour la plupart, des mots composés; la com- binaison des syllabes japonaises, par exemple, offre des cas où de deux syllabes ainsi réunies, la dernière perd sa voyelle. De fa-tsou vient fat (Gramm, japonaise de Rodriguez, pu- bliée par M. Landresse, p. 27). Or il ne serait pas étonnant
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qu'une consonne qui, comme initiale, se prononçait k, chan- geât de valeur en devenant finale. Quoi qu'il en soit, celle divergence de récriture et de la prononciation des mono- syllabes barmans ne permet pas de méconnaître qu'il existe encore dans la langue une lutte qu'il serait important de faire cesser, entre les deux grands moyens de représenter la pensée.
Les voyelles se terminent souvent aussi, et surtout dans les langues dont nous parlons ici, en des sons qui ne s'an- noncent pas comme des consonnes très-prononcées, mais seulement comme des aspirations ou des sons nasaux qu'il serait difficile ou même impossible de réduire en articula- tions. Le sanscrit même ;i du encore accorder une place dans son alphabet à deux caractères, le vis tir g a et 1'«- non soar a, qu'on ne peut considérer comme de véritables lettres, sous le rapport de la clarté et de la précision de leur son. M. Bopp a en effet prouvé, dans son excellente grammaire sanscrite, que Van ou s tara , bien qu'il ne fasse souvent que remplacer les autres lettres nasales, possède aussi un son à lui, qui n'est représenté par aucune autre lettre.
Il restait donc, sous tous les rapports, beaucoup de chemin à faire pour arriver de l'alphabet tagala au déva- nagari.
D'après ce que je viens d'exposer, il me semble évident qu'il existe, dans les deux classes d'alphabets désignées ici, une tendance progressive au perfectionnement de l'écriture. Je ne prétends cependant pas soutenir, sur ces données seules, que telle ait été réellement la marche historique de ce perfectionnement, et bien moins encore que l'alphabet tagala ait nécessairement dû servir d'échelon pour s'élever au dévanagari: je me borne, pour le moment, simplement à prouver, par la nature même de ces alphabets, qu'ils sont réellement du même genre, mais que le dévanagari com-
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])lète le travail que le tagala et ceux qui lui ressemblent laissent imparfait.
Comme le système de ces alphabets moins parfaits est renfermé, pour ainsi dire, dans le système plus étendu du dévanagari, on peut supposer que les Tagalas n'ont pris de cet alphabet venu à leur connaissance que ce qu'il fallait à leur langue, beaucoup plus simple et moins riche dans son système phonétique. L'alphabet tagala serait, d'après cela, le dévaganari en raccourci. Mais c'est celte supposition sur- tout que je voudrais combattre; elle me semble être dénuée de toute probabilité. Quelque simple que soit l'alphabet ta- gala, il est complet dans son système; et dès qu'on lui ac- corde le principe sur lequel il est calqué, de ne noter les syllabes composées que par leurs voyelles seulement, il ne s'y trouve rien de superflu ni de défectueux. Il aurait été vraiment difficile d'abstraire aussi méthodiquement du déva- nagari un système qu'il renferme en effet, mais qui ne forme que la moitié de sa tendance vers l'écriture alphabétique. Les syllabes des mots tagalas sont pourtant assez souvent terminées par des consonnes suffisamment prononcées; l'in- convénient de ne pas les noter se fait considérablement sen- tir, comme nous le voyons par le témoignage des mission- naires espagnols: pourquoi donc aurait-on repoussé l'adoption du vir am a, moyen si simple et si facile à adaptera toute écriture? La langue barmane est, sous le rapport de la for- mation des mots, pour le moins tout aussi simple que la langue tagala; elle a cependant adopté, même dans la partie qui lui est entièrement propre, tous les moyens de marquer les sons que le dévaganari lui offrait. Le même cas existe chez les Javanais et les Telougous: l'alphabet ta- moul est moins nombreux en signes, mais fait également usage du vir am a et de la réunion des consonnes par ce moyen. Pourquoi, si le dévanagari, dans l'état où nous le
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connaissons à présent, avait donné origine à leurs alphabets, les Tagalas, les Bugis et les ou ma trans n'auraient-ils pas fait de même? On peut dire que les Hindous avaient des établissemens moins fixes dans ces pays; mais cette circon- stance, qui n'est même pas exacte pour Sumatra, change peu à l'état de la question: car il est beaucoup moins croya- ble qu'on ait pu à la hâte adapter l'alphabet hindou aux langues indigènes, d'une manière à la fois aussi méthodique et aussi incomplète.
Mais ce qui tranche la question, c'est qu'un examen plus réfléchi du dévanagari lui-même prouve qu'il1 a existé avant lui peut-être plus d'un alphabet dressé sur le même système, mais moins parfait que lui. Le dévanagari est vi- siblement sorti d'un système syllabique d'alphabets; il n'est pas une invention, mais seulement un perfectionnement du système. Le dévanagari ne se distingue d'une écriture vrai- ment alphabétique que par des choses qu'avec raison l'on peut nommer accessoires. Traiter Va bref de voyelle inhé- rente aux consonnes, se servir par cette raison du virama, placer Yi bref avant sa consonne, combiner les signes des consonnes au lieu de les écrire l'une après l'autre, voilà les seules différences entre lui et l'alphabet grec ou toute autre écriture alphabétique. L'isolement des syllabes dans les ma- nuscrits est plutôt une habitude purement calligraphique. Les inventeurs du dévanagari avaient certainement, aussi bien que nous, le principe de l'écriture alphabétique; ils avaient franchi la grande difficulté qui arrête le progrès de la prononciation à l'écriture; ils savaient détacher en tout sens les voyelles des consonnes, ils leur assignaient leurs li- mites et les marquaient avec précision. S'ils n'avaient eu aucun alphabet déjà existant sous les yeux, s'ils avaient dû travailler tout à neuf, ils auraient très-probablement formé une écriture alphabétique; car pourquoi, sachant parfaite- vii. 27
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ment bien détacher les voyelles des consonnes et leur as- signer leurs valeurs d'après leurs différentes positions, au- raient-ils, par exemple, renfermé une voyelle dans une con- sonne, pour l'en détacher un moment après par un signe inventé pour cet usage? Mais ils ont visiblement pris à tâche de perfectionner une écriture syllabique au point qu'elle rendît tous les services d'une écriture alphabétique; car voilà ce qu'on peut dire de l'admirable arrangement du dévanagari.
Je ne crois pas que l'écriture alphabétique ait du être nécessairement précédée de l'écriture syllabique; une telle supposition me paraît trop systématique: mais toute la struc- ture du dévanagari me semble prouver qu'il n'a pas été fait d'un jet. Tout y est explicable, dès qu'on suppose qu'on a voulu rendre plus parfait un système déjà existant, remplir ses lacunes, corriger ses défauts; sans cette supposition, il est inconcevable comment, connaissant si bien la nature des sons, étant habitué à les faire passer par toute la série de leurs modifications, sachant parfaitement balancer et contre- balancer leurs valeurs dans la formation des mots , on ait voulu se traîner encore dans la route des écritures sylla- biques, tandis que l'écriture alphabétique est évidemment la seule véritable solution du grand problème de peindre la parole aux yeux. Je crois donc que l'alphabet tagala, avec tous ceux qui sont basés sur le même système, appartient à une classe d'alphabets antérieurs au dévanagari, ou du moins qu'il n'en est pas tiré. On pourrait plutôt croire ces alphabets des îles entièrement étrangers à l'alphabet du con- tinent de l'Inde (et, dans ce cas, ils pourraient même lui être postérieurs), si la ressemblance des caractères ne s'op- posait pas à une pareille supposition.
Je trouve avec vous, Monsieur, l'alphabet tagala très- remarquable, puisqu'il offre précisément la moitié du travail qu'il fallait faire pour se former une écriture capable de re-
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présenter la prononciation toute entière. Il appartient à la même classe que le dévanagari; je n'oserais décider si, pour cela, cet alphabet est d'origine indienne. De plus profondes recherches prouveront peut-être que la partie fondamentale du sanscrit a de fréquentes affinités avec les langues à l'est de l'Inde et avec celles des îles; les Hindous auraient donc bien pu avoir des alphabets d'une nation de ces contrées devant les yeux. Ce qui me parait certain, c'est que les al- phabets syllabiques, ceux surtout du genre de l'alphabet ta- gala, ont des rapports fort intimes avec la structure des langues monosyllabiques de ces contrées, et avec le passage de cet état des langues à un autre plus compliqué. Autant que chaque syllabe forme un mot à elle seule, les syllabes sont simples, mais variées dans les modifications et les ac- cens des voyelles; on note alors facilement l'articulation principale, et l'on néglige impunément le reste: mais si des nations viennent à réunir plusieurs syllabes dans le même mot, et qu'elles visent à donner à chaque mot l'unité d'un ensemble, en quoi repose principalement l'artifice gramma- tical des langues dans le sens le plus étendu, il arrive des compositions, des contractions, des intercalations. Alors naît la tendance vers l'écriture alphabétique: car on sent, en voulant tracer les mots, la nécessité d'aller aux premiers élémens, pour avoir la liberté de les réunir entièrement à volonté. Le dévanagari et le système grammatical que nous admirons dans le sanscrit, datent probablement à-peu-près de la même époque; une langue tellement organisée suppo- sait une nation à laquelle le dernier perfectionnement et même l'invention de l'alphabet ne pouvaient pas rester long- temps étrangers. Le tagala était évidemment resté en arrière avec son alphabet beaucoup trop borné pour la structure grammaticale de la langue.
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Rien, au reste, n'empêcherait aussi que les habitans des Philippines fussent redevables de leurs alphabets aux Hin- dous. L'influence de l'Inde sur l'archipel qui l'avoisine, a été exercée de manières et à des époques fort différentes; et l'on reconnaît ces époques, en quelque façon, au genre et à la coupe des mots que les langues de ces contrées ont adoptés du sanscrit. Les communications avec les Philippines m'ont paru, d'après ces considérations, être très-anciennes: le difficile est seulement de trouver une époque où l'on pourrait attribuer à l'Inde un alphabet aussi incomplet. Le sanscrit n'a certainement jamais pu être écrit par son moyen. Il est donc peut-être plus juste de dire que ces alphabets sont d'origine inconnue, que leur prototype doit être d'une haute antiquité, qu'il a servi de base au dévanagari lui- même ; mais que c'est toujours de l'Inde que l'alphabet in- dien a obtenu tous les perfectionnemens de son système. Le dévanagari lui-même a éprouvé des changemens; mais si je nomme cet alphabet, je parle seulement de sa consti- tution, et plus particulièrement du principe qui tend en lui à réunir, dans l'écriture syllabique, tous les avantages de l'écriture alphabétique.
Votre interprétation du passage de Diodore me semble très-juste, Monsieur, et elle a le mérite de prouver combien ce passage est remarquable. Je n'hésite pas à avancer que c'est le seul, dans tous les auteurs grecs et romains, où une propriété très-particulière d'une langue étrangère ait été saisie avec autant de justesse. Le principe fondamental des alphabets syllabiques de l'Asie orientale y est exposé claire- ment ; mais personne ne l'y avait découvert avant vous ').
•) Diodore de Sicile a donné dans le IIe livre de son histoire universelle un extrait des voyages d'iainboule dans les iles de
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Je prends avec vous, Monsieur, les yQct(.if.iata pour les groupes syllabiques, et les xaçaxTrJQaç pour les consonnes; non pas que Diodore les ait reconnues comme telles, mais parce que, dans ces alphabets, les consonnes seules s'an- noncent par leurs formes comme de véritables lettres. Je crois donc que Diodore parle d'abord du nombre des signes de tout le syllabaire, et qu'il passe de là à celui des con- sonnes et des voyelles. Ce sont ces nombres seuls que je
l'Océan: neol âè rrjg y.cnk tov 'ilxsavov (VQs9eîat]s vr\Gov xutcc ti]V (xtanußolnv etc. Ce Grec qui traversait l'Arabie pour se rendre au Pays des Aromates, ini Tt)v àocouuTOCf-ôqov, fut enlevé par des brigands, traîné en Ethiopie, et de là déporté, comme l'exigeait une superstition nationale, dans une île au- strale située au milieu de l'Océan: ce ne fut qu'après une longue traversée qu'Iamboule aborda à cette île mystérieuse; tovtovç âè 7j/.tvaarTc<ç néXayoç fiiya y.cà ynuc.aUtrTC'.g iv /nrjoi tsttccçjGi. TTnoçtvfyOrjVai T>j 7iooar}[«v9-£io)j 1'rjOoj, orooyyvlrj uéV vnccoyovatj rw ayr\uaji, rfjv âè TifnifctiQOv tyovai] orccâicoi' cog ntVTc.y.iayi- lîcor. Ejitk cf rjOav aurai vrjoot Tzccoun/.rjGiat pèv toÏç p.eyé&€0it av^iteiQov â' à).).T]lwv âitGTi]y.vïai , 7tc1cjcci âè roig ctvroïg 'é')eoi xcù vôfioiç yotofttjca. Contraint de sortir de l'île, Iamboule at- teignit les côtes de linde après quatre mois de navigation: n).tvöcu nXsïov ï) tùtuqkç (névrs) prjvccg' l/.ntaùv âè xarà ri]V 'Ivâtzrjv sic aiiuovç y.cà rsvaycôâeiç lônovç etc. Iamboule, rendu à sa patrie par le roi de Polibot hra (Palibothra), écrivit une relation de ses voyages. 0 âè ""IccußovXog ovzog ravrâ je ùvcc- yocuftjç rjit'wat, y.al ntol rwv xcacc z>)v 'Ivâtxrjv ovx oliya Guv- eïc'tÇcno Tiôv ùyvoovfÀtvoiv nctoà toTç cû.loig. (Jacquet, De la re- lation et de l'alphabet indien d'Iamboule. Nouv. Journ. Asiat. T. 8. p. 20.) — Die Stelle Diodor^s über das Alphabet dieser Insel lautet so : rodu/Âccai ts ccvrovg yorjottett, xccxcc fxèv n)v âv- va/uiv Twv arjucavôvicov, eïxooi xcù oxtco iov c<qi9iu6v xcacc âè rovg yciQcty.TrJQciç, èmâ' cbv ixaoxov TtTQccycùç )utTC(G/)ilLccciîÇeG9ai. FQcufovoi âè tovç atiyovg ovx tig to nXc'cyiov txnlvovxtg, coontQ ijfltlg, c\l'/" aviod-SV xc'aco xcixctynâciovxtg tig onOov. (I. c. p. 23.24.) Man lese die geistreiche Kritik selbst nach, welcher Hr. Jacquet diese letzte Stelle Diodor's , so wie seine ganze Erzählung von der Reise des lambulos, unterwirft. (I.e. p. 20— 30.)
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crois erronés dans le texte de Diodore, et encore ne le sont-ils que pour leur valeur: les rapports dans lesquels ils se trouvent, sont parfaitement justes; car le nombre des signes du syllabaire est le plus considérable, et égal au pro- duit de celui des consonnes multipliées par les voyelles. Il ne me paraît pas nécessaire de faire entrer les varg as dans le passage; c'est en quoi seulement je voudrais, Monsieur, différer de votre opinion.
Tegel, ce 10 décembre 1831.
G. de Humboldt.
An Essay on the best Means of ascertaining the
Affinities of Oriental Languages, by Baron
William Humboldt, For. M. R. A. S.
Contained in a Letter addressed to Sir Alexander Johnston, Knt., V. P.R.A.S.
Read June 14, 18.28.
Sir:
J. have the honour to return you Sir James Mackintosh's interesting memoir. It possesses (like every thing which co- mes from the pen of that gifted and ingenious writer) the highest interest; and the ideas, which are so luminously de- veloped in it, have the more merit, if we consider, that, at the period when this memoir was published, philosophical notions on the study and nature of languages were rarer and more novel than they are at present.
I would, in the first place, observe, that the Royal Asiatic Society could not direct its efforts to a point more impor- tant, and more intimately connected with the national glory, than that of endeavouring to throw further light on the re- lations which subsist among the different Indian dialects. Since we cannot doubt, that this part of Asia was the cradle of the arts and sciences at an extremely remote period, it
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would be highly interesting to ascertain with greater tainlv whether (he Sanscrit be a primitive idiom beloi to those countries, or whether, on the contrary, as most the learned are at present inclined to believe, it wai inti duced as a foreign language into India; and if so, the* try, whence it originated, would naturally follow in the cou of inquiry. It is equally curious to determine, whether primitive languages of India arc to be traced over the ln< archipelago in dialects differing little from each other, whether we are to assign their origin to these islands 01 i the continent. Mr. Ellis's paper on the Malayalam langu with which you were so good as to furnish me, cont. assertions on the affinity of the Tamul language to the idii of Java, which it would be ver) important to verify. It must he confessed that these problems are exti difficult to solve; and it is probable, that we shall i arrive at results which are quite certain : we should, ho ver, carry these researches .is far as possible, and the culty of the undertaking ought not to deter, but rathei induce us to select the most solid and certain means ot suring success. This is more particularly the point to \ I wish to direct your attention, since you have been pie; to ask my opinion respecting the methods proposed bj James Mackintosh, it would assuredly have been ver\ sirable to execute his plan, at the period when it formed; we should then by this time have had more comj information regarding the languages of India; and shoid perhaps have been in the possession of dialects, of existence of which we are now ignorant. There do however, some works, such as .^ir James calls for. N mention printed books, I have myself seen in the librai the East-India Company a MS. collection of Sanscrit \\ compared in great numbers with those of the other
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would be highly interesting to ascertain with greater cer- tainly whether the Sanscrit be a primitive idiom belonging to those countries, or whether, on the contrary, as most of the learned are at present inclined to believe, it was intro- duced as a foreign language into India; and if so, the coun- try, whence it originated, would naturally follow in the course of inquiry. It is equally curious to determine, whether the primitive languages of India are to be traced over the Indian archipelago in dialects differing little from each other, and whether we are to assign their origin to these islands or to the continent. Mr. Ellis's paper on the Malayalam language, with which you were so good as to furnish me, contains assertions on the affinity of the Tamul language to the idioms of Java, which it would be very important to verify.
It must be confessed that these problems are extremely difficult to solve; and it is probable, that we shall never arrive at results which are quite certain : we should, howe- ver, carry these researches as far as possible, and the diffi- culty of the undertaking ought not to deter, but rather to induce us to select the most solid and certain means of in- suring success. This is more particularly the point to which I wish to direct your attention, since you have been pleased to ask my opinion respecting the methods proposed by Sir James Mackintosh. It would assuredly have been very de- sirable to execute his plan, at the period when it was formed; we should then by this time have had more complete information regarding the languages of India; and should perhaps have been in the possession of dialects, of the existence of which we are now ignorant. There do exist, however, some works, such as Sir James calls for. Not to mention printed books, I have myself seen in the library of the East-India Company a MS. collection of Sanscrit words, compared in great numbers with those of the other Ian-
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guages of India, made under the direction of Mr. Colebrooke. (1) Some distinguished authors , as for instance Mr. Campbell, in his Telugu Dictionary, have been at pains to mark, from what foreign idiom such words are derived, as are not pro- per to the language of which they form a part; and if these works do not embrace all the Indian idioms, they have, on the other hand, the advantage of comprehending entire lan- guages, or at least of not being confined to a limited num- ber of expressions. In the present state of our knowledge of the languages of India, which is very different from that of 1806, and possessing, as we now do, grammars and dictionaries of most of these idioms, I should not advise our confining ourselves to a plan which can only give a very imperfect idea of each of them. We can, and ought to go farther at the present day. I confess that I am extremely averse to the system which proceeds on the supposition, that we can judge of the affinity of languages merely by a cer- tain number of ideas expressed in the different languages which we wish to compare. I beg you will not suppose, however, that I am insensible to the value and utility of these comparisons: on the contrary, when they are well executed, I appreciate all their importance; but I can never deem them sufficient to answer the end for which they have been undertaken; they certainly form a part of the data to be taken into account in deciding on the affinity of lan- guages: but we should never be guided by them alone, if we wish to arrive at a solid, complete, and certain conclu- sion. If we would make ourselves acquainted with the re- lation which subsists between two languages, we ought to possess a thorough and profound knowledge of each of them. This is a principle dictated alike by common sense, and by that precision acquired by the habit of scientific research. I do not mean to say, that, if we are unable to attain
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a profound knowledge of each idiom, we should on this ac- count entirely suspend our judgment: I only insist on it that we should not prescribe to ourselves arbitrary limits, and imagine that we are forming our judgment on a firm basis, while it is in reality insufficient.
The method of comparing a certain number of words of one existing language with those of several others, has always the two-fold inconvenience of neglecting entirely the grammatical relations, as if the grammar was not as essen- tial a part of the language as the words ; and of taking from the language which we wish to examine, isolated words, se- lected, not according to their affinities and natural etymo- logy, but according to the ideas which they express. Sir James Mackintosh very justly observes, that the affinity of two languages is much better proved, when whole families of words resemble each other, than when this is the case with single words only. But how shall we recognize fami- lies of words in foreign languages, if we only select from them two or three hundred isolated terms? There undoub- tedly subsists among words of the same language an ana- logy of meanings and forms of combination easy to be per- ceived. It is from this analogy, considered in its whole extent, and compared with the analogy of the words of another language, that we discover the affinity of two idioms, as far as it is recognizable in their vocabularies. It is in this man- ner alone, that we recognize the roots, and the methods by which each language forms its derivatives. The comparison of two languages requires, that we should examine, whether and in what degree the roots and derivative terms are common to both. It is not, then, by terms expressive of general ideas: such as sun, moon, man, woman, etc., that we must commence the comparison of two languages, but by their entire dictionary critically explained. The simple
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comparison of a certain number of words, by reducing the • examination of languages too much to a mere mechanical labour, often leads us to omit examining sufficiently the words which form the subjects of our comparison; and to avoid this defect, we are forced to enter deeply into all the mi- nutiae of grammar, separating the words from their gram- matical affixes, and comparing only what is really essential to the expression of the idea which they represent. The words, of which we seek a translation in different languages, often cannot be rendered except by a compound term. Thus the sun in some languages is called the father, the author, the star, etc., of day. It is evident, that, in these cases, we no longer compare the same words, but words altogether different. To conclude: it is impossible to form a correct judgment on the resemblance of sounds, without having care- fully studied the system of sounds of each of the languages which we would compare. There occur often between dif- ferent languages, and still more frequently between different dialects, regular transformations of letters, by which we can discover the identity of words, that at first view seem to have but a very slight resemblance in sound. On the other hand, a great resemblance of sound in two words will so- metimes prove nothing, or leave the judgment in great un- certainty, if it be not supported by a train of analogies for the permutation of the same letters. What I have remarked, proves, as I think, that even if we confine ourselves to the comparison of a certain number of words in different lan- guages, it is still necessary to enter more deeply into their structure, and to apply ourselves to the study of their gram- mar. But further, I am quite convinced, that it is only by an accurate examination of the grammar of languages that we can pronounce a decisive judgment on their true affi- nities.
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Languages are the true images of the modes in which nations think and combine their ideas. The manner of this combination, represented by the grammar , is altogether as essential and characteristic as are the sounds applied to ob- jects, that is to say, the words. The form of language being quite inherent in the intellectual faculties of nations, it is very natural, that one generation should transmit theirs to that which follows it; while words, being simple signs of ideas, may be adopted by races altogether distinct. If I attach great importance, however, under this view, to the grammar of a language; I do not refer to the system of grammar in general, but to grammatical forms, considered with respect to their system and their sounds taken con- jointly.
If two languages, such for instance as the Sanscrit and the Ureek, exhibit grammatical forms, which are identical in arrangement and have a close analogy in their sounds, we have an incontestable proof that these two languages belong to the same family.
If, on the contrary, two languages do contain a great number of words in common, but have no grammatical iden- tity, their affinity becomes a matter of great doubt; and if their grammars have, like those of the Basque and the La- tin, an essentially different character, these two languages certainly do not belong to the same family. The words of the one have been merely transplanted into the other, which has nevertheless retained its primitive forms.
If I assert that, in order to prove the affinity of lan- guages, we should pay attention to the employment of gram- matical forms and to their sounds taken together; it is, be- cause I would affirm that they must be considered not only in the abstract but in the concrete. Some examples will render this clearer.
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Several American languages have two plural forms in the first person, an exclusive and an inclusive form, accord- ing as we would include or exclude the person addressed. It has been thought that this peculiarity belonged exclusively to the American languages; but it is also found in the Man- tchu, the Tamul, and in all the dialects of the South Sea Islands. All these languages have indeed this grammatical form in common; but it is only in the abstract. Eacli of them expresses it by a different sound: the identity of this form, therefore, does not furnish any proof of the affinity of these languages.
On the other hand, the Sanscrit infinitive, or rather the affixes rj and rj, as in slçJehIÏT, „desirous of vanquishing," correspond as grammatical forms with the Latin supines; and there is at the same time a perfect identity of sound in these forms in the two languages, as the Latin supines terminate invariably in turn and tu. The striking conformity of the Sanscrit auxiliary verb to that of the Greek and Li- thuanian languages has been ingeniously developed by Pro- fessor Bopp. The Sanscrit cf<^, the Greek oldct, and the Gothic vaitj are evidently of the same origin. In all these three words there is a conformity both of sound and signi- fication; but further: all the three verbal forms have these two peculiarities in common, that, though preterites, they are used in a present sense, and that in all three the short radical vowel, which is retained in the plural, is changed to a long vowel in the singular. The Lithuanian weizdmV, I know, and the Sanscrit c?j%[, shew clearly at first view, that this word is not only the same in the two languages (as bos and beef in Latin and English), but that the two languages have, in the termination mi, modelled these words on the same grammatical form; for they not only mark the
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persons of the verb by inflexions added to the end of the root, but the affix of the first person singular is in both cases the syllable mi.
There is then in the examples adduced a conformity in grammatical use, and at the same time hi sound; and it is impossible to deny, thai the languages, which possess these forms, must be of the same family.
The difference between the real affinity of languages, which presumes a filiation, as it were, among the nations who speak them, and that degree of relation, which is pu- rely historical, and only indicates temporary and accidental connexions among nations, is, in my opinion, of the greatest importance. Now it appears to me impossible, ever to ascer- tain that difference merely by the examination of words; especially, if we examine but a small number of them.
It is perhaps too much to assert, that words pass from age to age and from nation to nation; that they arise also from connexions (which, though secret, are common to ail men) between sounds and objects, and that they thus esta- blish a certain identity between all languages: while the manner of casting and arranging these words, that is to say the grammar, constitutes the particular differences of dialects. This assertion, I repeat, is perhaps too bold, when expressed in this general way; yet I am strongly inclined to con- sider it correct, provided the expression grammar be not taken vaguely, but with a due regard to the sounds of gram- matical forms. But whatever opinion may be entertained with respect to this manner of considering the difference of languages, it appears to me at all events demonstrated :
First, that all research into the affinity of languages, which does not enter quite as much into the examination of the grammatical system as into that of words, is faulty and imperfect; and,
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Secondly, that the proofs of the real affinity of lan- guages, that is to say the question, whether two languages belong to the same family, ought to be principally deduced from the grammatical system, and can be deduced from that alone; since the identity of words only proves a resemblance such, as may be purely historical and accidental.
Sir James Mackintosh rejects the examination of gram- mar, for this reason, that languages, which are evidently of the same stock, have very different grammars. But we must not be misled by this phenomenon, although it is in itself quite true. The grammatical form of languages depends, on the one hand, it is true, upon the nature of these languages; but it also depends, on the other hand, upon the changes which they experience in the course of ages, and in con- sequence of historical revolutions. Out of these changes it has arisen, that languages of the same family have a diffe- rent grammatical system, and that languages really distinct resemble each other in some degree. But the slightest exa- mination will suffice to shew the real relations which sub- sist between those languages, especially if, by following the plan above laid down, we proceed to the examination of forms which are alike identical in their uses and in their sounds. It is thus that we discover without difficulty, that the English language is of Germanic origin, and that the Persian belongs to the Sanscrit family of languages, notwithstanding the very great difference which exists between the gram- mars of these idioms.
It is generally believed, that the affinity of two lan- guages is undeniably proved, if words, that are applied to objects, which must have been known to the natives ever since their existence, exhibit a great degree of resemblance; and to a certain extent this is correct. But, notwithstanding this, such a method of judging of the affinity of languages
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seems to me by no means infallible. It often happens, that even the objects of our earliest perceptions, or of the first necessity, are represented by words taken from foreign lan- guages, and which belong to a different class. If we only examine the list furnished by Sir James Mackintosh, we shall find there such words as people, countenance, touch, voice, labour, force, power, marriage, spirit, circle, tem- pest, autumn, time, mountain, valley, air, vapour, herb, verdure, and others of the same kind. Now all these words being evidently derived from the Latin, as it was trans- formed after the fall of the Roman empire, we ought, judging from these words, rather to assign to the English an origin similar to that of the Roman languages than to that of the German.
If, what I have here advanced, be well founded, it ap- pears to me easy to point out the system, which the Royal Asiatic Society would do well to pursue, in order to com- plete our knowledge of the Indian languages, and to resolve the grand problem which they present to the minds of phi- lologists, who endeavour to discover the origin and Ihe filia- tion of languages.
It would be proper to commence by examining the country geographically, taking a review of every part of India, in order to know exactly, in what parts we are still in want of sufficient materials to determine the nature of their idioms. Where deficiencies are discovered, efforts should be used for their supply, by encouraging those persons who are already employed on those languages, or may intend studying them, to form grammars and dictionaries, and to publish the principal works existing in these languages, for which every facility should be afforded them. If materials to a certain extent were thus collected, we should unques- tionably not want men who would be able to deduce from
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them conclusions from which to prepare a critical view of the affinity of the Indian languages , and to determine, as far as the data which we might possess would admit, the manner in which the Sanscrit and other languages of India and its islands have reciprocally acted upon each other. I assume that the learned of the Continent would take their share in this work, M. E. Burnouf, of Paris, having already commenced a series of papers on the subject in the Nou- veau Journal Asiatique.
There exists in England a vast quantity of manuscript materials relating to these languages. Dr. B. Babington, for instance, possesses alphabets altogether unknown in Europe up to the present time. In England, also, the great advan- tage is possessed of being able to direct works upon these languages to be undertaken in India itself, and to guide such labours by plans sent from this country. In India these are living languages, and literary men of the very nations in which they are spoken, may be employed in the researches we wish to forward. No other nation possesses so valuable an advanlage. It is important to profit by it. The deficien- cies in our knowledge are numerous and evident. We pos- sess scarcely any thing upon the Malayalim; and are in want of a printed dictionary of the Tamul. But while we keep this object strictly in view, and work upon a fixed plan, we shall insensibly fill up these vacancies. It is cer- tainly difficult to find men who both can and will engage in a work like this, but they are undoubtedly to be found. Thus Dr. Babington has mentioned Mr. Whish to me, as being profoundly acquainted with the Malayalim, and as being already employed in making it belter known in Europe. Solid labours upon languages are, in their nature, slow. In an enterprize so vast as thai of examining to the utmost possible extent each of the numerous languages of India, vu. 28
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progress can only be made insensibly and step by step. But learned societies afford this advantage, that the same labour can be continued through a long series of years; and com- plete and perfect works upon two or three idioms are cer- tainly preferable to notions, more or less superficial, upon all the dialects of India, hastily put forth for the purpose of coming at once to a general conclusion.
These, Sir, are my ideas upon the subject, upon which you wished to have my opinion. It is only in compliance with your request, that I have ventured to lay them before you; for I am well aware how much belter able the distin- guished members of the Royal Asiatic Society are to form a judgment of, and give an opinion upon, this matter than I am.
I request you, Sir, to accept the assurance of my highest
respect.
(Signed) de Humboldt. London, June 10, 1828.
NOTE (p. 425).
(1) The work to which allusion is made by Baron William de Humboldt, in the passage where I am named, was undertaken by me in furtherance of the views developed by Sir James Mackintosh. I thought that a more copious comparative vocabulary than he had proposed, would be practically useful; and would be instructive in more points of view than lie had contemplated. Accordingly, at my instance, a Sanscrit vocabulary and a Persian one were printed with blank half pages, and distributed among gentlemen, whose situations were considered to aü'ord the opportunity of having the blank column filled up, by competent persons, with a vocabulary of a provincial language. Vocabularies of the same vernacular tongue by a Pandit and a Munshi would serve to correct mutually and complete the information sought from them. Very few answers, however, were re- ceived : indeed scarcely any, except from Dr. Buchanan Hamilton. The compilation, to which Baron de Humboldt refers, comprises as many as I succeeded in collecting. H. T. C.
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Sonette.
Der Zug nach oben.
Ich tauchte oft mich wohl in Weltgeschäfte, Erprobt an ihnen ernsthaft meine Kräfte, Versuchte wagend, wie mein Loos mir fiele, Und führte manche zum erwünschten Ziele.
Doch nie dem Wahn ich Anderer nachäffte, Als wenn des Menschen Heil sich daran hefte; In stiller Nacht, in Ahend-Dämmrungs Kühle Senkt ich mich tief in höhere Gefühle.
Wie dem, der schwebend in die Lüfte steiget Auf leichtem Ball, die Erde plötzlich sinket, So Höhe, ladend uns von oben, winket,
Wo mehr sicli nichts von dieser Erde zeiget.
Und dieser Höhe zu den Elug zu lenken
Muss von der Welt zur Brust den Sinn man senken.
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2.
Die Hoffnung.
Kommst Du lierai) zu dieser Ruhestätte, Geliebte Hoffnung, oder schwebst nach oben, Auf süssem Glaubensfittig, leichtgehoben Auf von dem irdisch ew'gen Scblummerbette ?
Denn heller Ahndungen verschlungne Kette, Aus Himmelsduft und Erdenstorf gewoben, Strahlt, wenn der Tod den Riegel vorgeschoben, Liebt nieder, das aus Erdendunkel rette.
Doch nicht von oben, noch nach oben gehet Dein Pfad; Du wohnest in den stillen Sphären Des Busens, die dem Menschen Schwung gewähren,
Dass er durch sich am Firmamente stehet. Die Kräfte, die von Götterursprung zeugen, Mit eignen Flügeln auf zum Aether steigen.
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3.
Die E wis g ütige.
Wenn ich der Ewiggütigen gedenke, Die mich begleitet süss hat durch das Lehen, Jch in die schönste Wirklichkeit mich senke, Die Menschen je auf Erden hat umgeben,
Und scheinbar nur in Wirklichkeit ich lenke Den Blick; es ist ein himmelhoch Erheben. An Himmelsthaue ich entzückt mich tränke, Wenn ich des Bildes Klarheit kann erstreben.
Mit ihm durchschleiche ich des Alters Tage, Und Seligkeit die Seele reich mir füllet; Mein Thun ist längstverklung'ne VorzeitSSage ,
Doch mein Gennss in ew'gem Strome quillet. Denn wie mit unsichtbaren Geisterhänden Fühl' ich mir ihn sie ewig gütig senden.
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4.
Jugend und Alter.
Der Jugend Bilder sind die süssen Träume, In die am liebsten ich mich sinnend senke, An ihrem Glänze ich mein Alter tränke, Und schweif hinaus in Sonnenlichte Räume.
Der Jugend ziemt das Wort: ich überschäume, Und des Genusses Becher voll mir schenke; Das Alter fordert, dass Vernunft es lenke, Ihm ziemt das Wort: ich massig bin und säume.
Doch wie die Sonne glänzet nocli und scheinet, Wenn auch verschwunden ist die Kraft der Strahlen, Und Schein und Wesen dient zwei Hemisphären;
So ist's dem Alter süsses Lustgewähren, Wenn sich im Wiederschein die Bilder malen, Worin sich Gegenwart und Vorzeit einet.
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Die letzten Schranken.
Von kleinein Hügel man zu grössrem steiget, Um frei in weite Ferne auszublicken. Doch höh'ren Berges langgeclehnter Rücken Sich, weite Aussicht hemmend, immer zeiget.
Und jede Stufe neue Sehnsucht zeuget, Man träumt von nie geahndetem Entzücken; Da plötzlich Gipfel ihre Schatten schicken, Wo jeder Laut lebend'gen Wesens schweiget.
Die bleiben dann vom Wand'rer unerstiegen, Er sieht, er muss ein Ziel dem Suchen stecken, Und auf den letzterreichteu Höh'n verweilen.
So auch des Lebens Stufenalter eilen;
Erst wächst das Licht, dann sieht man Nacht sich strecken,
Und zweifelt, ob sie Funken überfliegen.
440
6.
Zwiefache Ansicht.
1.
Ich lebe schon im Geist in den Genüssen, Die diese Stunden bald mir jetzt bereiten; Mein Wolkenhimmel plötzlich ist zerrissen, Mich Tags nun Sonnenschein, Nachts Sterne leiten. 2
Mir blühet Glück in ruhigem Gewissen, Sieg ist mir sicher in des Busens Streiten; Ich scheue nicht das schicksalernste Müssen, Wenn treu vereinet Geist und Herz arbeiten.
I. 2. Wir seh'n am Hügel dort die Sonne sinken Und Luna's silberheller Scheibe weichen.
1. Mir ist der Abend neuen Tags Zuwinken.
2. Ich seh in ihm des vorigen Erbleichen.
1. 2.
So wir im vorwärts und im rückwärts Schauen Uns gleiches Glück aus andrem Stoffe hauen.
441
7.
Die stillen Nächte.
Warum ich so die stillen Nàchte liebe'? Kann recht ich nur der eignen Brust vertrauen; Was da des Geistes Augen lebend schauen, Zum Gott nach machte, wenn es ewig bliebe.
Am Tag' ich nur so meine Flüchten übe, Wie Wandrers Schritte Nebel wohl umgrauen; Die Thränen, die den Wimpern mir entthauen, Zur Nacht mich ziehen mit geheimem Triebe.
Nicht von der Wirklichkeit Gesetz gehalten, Der Zeiten hingeschwundene Gestalten Im Traume süss vertraulich wiederkehren,
Und lieblich flüsternd da die Seele lehren,
Dass aller Wonnen süsseste gemessen
Heiss' jedem Eindruck lest die Sinne schliessen.
442
8.
Die Sterne.
Ein grosser Dichter sagt, class man die Sterne Begehre nicht, sicli ihres Lichts nur freue: Sah er denn sehnend nie in jene Ferne Nach Welten wo das Sein sich ihm erneue'?
Wohl hängt das Aug' am Sternen-Glanze gerne, Doch nicht, dass er die tiefe Nacht zerstreue, Dass tief die Brust in sie zu tauchen lerne, Wenn nicht ihr Glück mehr giebt die heitre Blaue.
Wenn, was das Herz geliebt, die Erde decket, Ihr Dunkel nur die Lust des Busens wecket. Man lieht die fernen Sterne hier auf Erden,
Dass durch des Grabes Nacht sie Leiter werden; Wenn Glück und Lust hat für das Herz geendet, Den Blick ihr nahes Sonnenflammen blendet.
443
9.
Blumen und Sterne.
Die Blumen, die in einem Jahre spriessen, Und welkend in demselben auch vergehen, Uns lehren, wenn wir sinnig auf sie sehen, Dass wir auch hier des Daseins Kreis beschliessen.
Doch anders uns die nächt'gen Sterne grüssen: Wir uns in ewigen Geleisen drehen, Und ewig könnt mit uns auch ihr bestehen, Da Geist und Licht in eins zusaminenfliessen.
Sind nun die Körner, die als Saamen keimen, Noch eins mit den vergang'nen Mutterblüthen? Kann die Gestirne in des Aethers Räumen
Ihr Schicksal vor dem Untergang behüten? Sind sie, wie Weltenblüthen weit zerstreuet, Nicht auch doch der Vergänglichkeit geweihet ?
444
10.
Betrachtung.
Auf Marmor bah' ich sicher euch gegründet, Dass euch der Stand vor jedem Unfall wahre, Ihr Bilder, die durch lange Lebensjahre Mir Labt die Brust mit süsser Lust entzündet.
Den Genius ihr jener Zeit verkündet, Die, dass sie keinen Ruhm der Nachwelt spare, Und Grössres Helios nichts als sie erfahre, Mit Erdendasein Himmlisches verbindet.
Stumm sass ich oft vor euch, und stumm verlassen Nun vverd ich euch, wenn mich das Grab empfanget. An Phöbus Strahlen eure Schönheit hanget,
Der Mensch in Grabesnacht kann sie nicht fassen, Die ird'schen Sinne sind von ihm gewichen Den himmlischen ist euer Reiz verbuchen.
445
11.
H ö cli s ter Lebensgewinn.
Wo Friedrich Barbarossas Reuter zogen, Zog ich in meines Glückes Jugendfagen, Doch dacht' ich wenig jener dunklen Sagen, Die längst hinweggespült der Zeiten Wogen.
Mir vom Geschick war Schün'res zugewogen, Ich dürft' im Busen himmlisch Wesen tragen^ Und fühlen Herz an Herz in Liehe schlagen; Nur diesem Ziel zu meine Schritte flogen.
Aus jenen sehnsuchtsvollen Jugendwegen Ist mir erblüht des ganzen Lehens Segen In allen Wandels lieblichen Gestalten;
Denn von der Jungfrau üppig holder Blüthe Sah' bis zum Tod im herrlichen Gemüthe [eil jede Schönheit göttlich sich entfalten.
446
12.
Wolken, Träume, Lieder.
Sahst je Du, wie im blauen Hiraraelsraiime Ein klein Gewölk kaum sichtbar erst entstehet, Doch bald mit grösseren zusammengehet, Und fort drauf zieht in lockrem Flockenschaume'?
Unstete Bilder auch ia irrem Traume Die Phantasie zusammen seltsam wehet, Wenn sich der Kreis der goldnen Sterne drehet, Aufgeht und untersinkt am Erdensaume.
Wie Wolken und wie Träume sind die Lieder, Die hold entblühn der Hören heitren Stunden, Allein an sinniges Gesetz gebunden,
An Rhythuiusfesseln steigend auf und nieder, Gedanken her vom hohen Himmel lenkend, Und in die Tiefe sie des Busens senkend.
447
13.
Das Schicksal und der Mensch.
Die Knospe, wenn sie ihre Zeit erreichet, Und ihres Lebensmorgens Dämmrung grauet, Bricht auf, und der Natur sich anvertrauet, Ol) Sonne scheinet, oder Wind rauh streichet,
Sie der Notwendigkeit des Schicksals weichet, Das vorwärts treibt, und niemals rückwärts schauet, Und achtlos seine Riesenplane hauet, Oh Blüthe welkt, und Menschenglück erbleichet.
Denn auch den Menschen fasst sein unstät Treiben,
Er inuss hinaus ins öde, dürre Leben,
Muss wider Willen kämpfen, dulden, streben,
Darf nicht im Schoosse süsser Ruhe bleiben. Allein der Mensch begegnet ihm mit Stärke, Und schreitet doch zu selbstyewähltem Werke.
448
14.
Der Seele Kräfte.
Der Seele Kräfte frei vom Körper streben, Und tragen in sich abgesondert Leben, Wenn nur in ihrer tief empfundnen Stille Wohnt Jester, unerschütterlicher Wille.
Vor keinem Ungemach sie dann eibeben, Vielmehr sie Krankheit noch und Leiden heben, Da nicht mehr hindert der Begierde Fülle, Dass der Gedanke rein dem Geist entquille.
Der Mensch fühlt dann ein ungewohntes Wogen
Im reich bewegt aufsteigenden Gemüthe,
Lud pliiicket der Empfindung Walirheitsblüthe,
Nicht mehr von trübem Sinnenschein betrogen; Und bis des Lehens letzter Pulsschlag stocket, Der Phantasie er süssen Klang entlocket.
449
15.
Gefiederte Sänger.
Die Yögel trillern ihre muntern Lieder, Dass weithin Feld und Wald davon erklinget; Wie in die Lütte hoch ihr Flug sich schwinget, Tönt noch melodischer ihr Singen nieder.
Denn eng verknüpft sind Stimme und Gefieder; Kein Thier, das frei nicht durch die Lüfte dringet, Des Liedes Weihe dar dem Himmel bringet, Einförm'ger Ruf nur schallet von ihm wieder.
Doch auch der Vögel glückliche Geschlechte
Geniessen des Gesanges heiige Rechte
Nur, wenn der Liebe Trieb sie süss begeistert.
Wenn diese Augenblicke sind verschwunden, Die von der Thierheit Fesseln sie entbunden, Dann dumpfe Stummheit ihrer sich bemeistert.
vu. 29
450
16.
Ihr Bild.
Uuas dunkle Haar den Schleier leicht geschlagen, Dein tiefes Auge aus dem Bilde blicket. Wenn auch nicht jeder Zug Dich nah uns rücket, Sieht man Dich lebend doch in jenen Tagen,
Wo Roma's Wunder offen vor Dir lagen, Wo Du das Höchste sinnvoll still gepflücket, Und an des Südens Himmel Dicli erquicket, Um Rückkehr zu dem rauhen Nord zu wagen.
Denn Liebe zu Hesperiens Zauberblüthe Verdrängte nicht in Dir aus dem Gemüthe Zum Vaterland die sichre, ewge Treue;
Dein stiller Sinn genügsam in ihm lebte, Und Grosses um Dich her geräuschlos wellte Zu Erdenheiterkeit und Himnielsweihe.
451
17.
Licht der Liebe.
In Einem Punkte sich zusammendränget Mein Lehen, uie in seiner höchsten Bliithe; Ans ihm entsprang dem strebenden Gemüfhe, Woran es sehnend Ins zum Grabe hanget.
Und his dahin es, dunkel eingeenget,
Sein Wollen zu entziffern bang sich mühte:
Da kam mir ihre sonnenmilde Güte,
Wie Thau der Flur, die Sirius Glut versenget.
Wenn mir nun Strahlen höhrer Klarheit glänzten, Sie nur von ihres Schimmers Lichte stammten; Denn mit den Glorien, die sie umflammten,
Die Stirn mir ihre Hände huldreich kränzten; Was zartren Ursprungs sich in mir verkündet, Hat ihrer Liebe Inbrunst erst entzündet.
29'
452
18.
Gegenliebe.
Die Liebe nährt sich wohl von Gegenliebe, Doch wächst auch, wenn ihr diese Nahrung fehlet ; Sie nicht Erreichbares, nicht Glück sich wählet, Stammt, seihst sich unbewusst, aus dunklem Triebe.
Wenn ihr auch nichts, als ihre Sehnsucht bliebe, Sie nie die reichvergossnen Thränen zählet, Mit süsser Lust ist doch ihr Schinerz vermählet. Wie Luna's Schimmer blickt durch Wolken trübe.
Nur Wenigen des Busens Stärke quillet, Des Liebesgliickes Sonnenschein zu tragen, Und diesen immer Gegenliebe blühet,
Denn Himinelsglut an Himmelsglut erglühet; Die meisten nur gedeihn im Morgentagen, Von trübendem Gewölke bald umhüllet.
453
19.
Vorgefühl und Mu th.
Der Mensch sieht wohl sicli seinen Himmel schwärzen, Trägt in sich Vorgefühl unseiger Schmerzen, Weiss deutlich anzugeben Tag und Stunde, Die schlagen weiden ihm die bittre Wunde.
Allein mit ruhigem und festem Herzen, Als könnt' er auch mit Wehgeschicke scherzen, Begegnet er der unheilschwangren Kunde, Anordnend selbst mit unerschrocknem Munde.
Er weiss, dass, führt es auch durch Sehmerzgefilcle,
Das Schicksal dennoch ist von tiefer Milde,
Und wenn auch Grausamkeit und Härte schalten,
Weiss er den Muth des Busens zu erhalten, Des Lebens Tage nicht nach Freuden zählet, Allein den Sinn mit Stärke waffnend stählet.
454
20.
M annesmut h.
Das Schicksal wohl den Menschen löst und bindet, Doch wessen Busen Mannesinuth empfindet, Zur Reife seine Frucht entschlossen bringet, Eh' ihn zu überraschen ihm gelinget.
Was aus der Zukunft für ihn los sich windet,
Ihm leise Ahndung innerlich verkündet,
Er kennt, was ihm den Grund der Brust durchdringet,
Und weiss, wie Faden sich in Faden schlinget.
Dann fasset ihn ein mächtiges Verlangen,
Die Knoten zu zerhaun, die sonst ihn bänden ;
Er greifet ein mit unverzagten Händen,
Und giebt die Richtung, statt sie zu empfangen. Denn wie des Schicksals Keim der Brust entspriesset, So auch die reife Frucht er in sie schliesset.
455
21.
Der Gymnast.
Ich liebe nicht die buntgemischte Menge, Die mich umstellt in wogendem Gedränge, Ihr lauter Beifall giebt mir keine Freude, Und ihrem Blick ich zu begegnen meide.
Allein die Glieder ich, gestaltend, zwange, Sie rollend bald, bald dehnend in die Länge; Denn ich von des Berufes Pflicht nicht scheide, Und noch mein Leid mit Heiterkeit umkleide.
Wenn dann, nach der bestaudnen Abendschwüle, Ich mich in stiller Kammer ruhig fühle, Erfreu' ich mich am treu geübten Willen.
Doch würdig ist nur, was aus ihm entspringet,
Was sonst die Brust mit Lust und Schmerz durchdringet,
Sind süss und eigen nur Empfindungsgrillen.
456
22.
Bescheidenes Glück.
Nur schlicht gekämmt ich trage meine Haare, Und auf den Scheitel sie zusammen binde, Und ausser meinem dunklen Flechtenpaare, Gefallen nicht an andrem Schmucke finde.
So meiner Jugend bald verschwundne Jahre In emsgem Fleisse ab ich willig winde, Und wenn ich Unmuth je in mir gewahre, Scheit' ich mich hart, und acht' es mir für Sünde.
Man kann die Sorge aus dem Sinn sich schlagen, Als leichte Last auch saure Bürde tragen, Und aus verborgen unerkannten Freuden
Sich einen Kranz geliebter Blüthen flechten, Der sanft umschmiegt des Busens bittres Leiden, Und nicht erlaubt, mit dem Geschick zu rechten.
457
23.
Die Schönheit.
Die Schönheit ist der Menschheit höchste Blüthe; Wenn sie, wie Hauch, nur die Gestalt umschwebet, Gediegen sie hervor doch sinnig strebet Aus dein von ihr durchstrahleten Gemüthe.
Verein von Geiste, Reinheit, Seelengüte
Ein irdisch reich beglückend Dasein webet,
Doch wo die Allgewalt der Schönheit lebet,
Ist's, als wenn Strahl dem Himmel selbst entsprühte.
Sie fasst in Eine Knospe fest zusammen, Worin sich Erd' und Himmel hold umschlingen, Und sendet ihre ätherreinen Flammen,
Dass in die tiefste Brust sie lodernd dringen, Und sie, befreit von dumpfem Erdenmühen, Zu freiem Aufschwung kräftigend, durchglühen.
458
24.
Gedanke und Gefühl.
Wie Wasser rieseln aus der Erde Schlünden, So die Gedanken tief der Brust entquillen, Und dann das lange Menschen-Leben füllen, Bis sie in mächtgen Thaten Ausgang finden.
Wie innerlich Vulkane sich entzünden, Braust der Gefühle Glühen, schwer zu stillen, Bis sie, gehändiget durch starken Willen, Sich durch der Pflichten Gleise lnühvoll winden.
Denn das, was Mensch und Erde in sich schliessen, Doch her von einerlei Natur nur stammet. Der Woge, die krystallrein hoch sich bäumet,
Das Funkeln des Gedankenlichts entschäumet, Wie Feuer lodernd das Gefühl aufflammet, Und beide aus vom Staub den Himmel grüssen.
459
Des Dichters Geist.
Wenn heitre Bläue ganz den Himmel decket, Kein leichtes Wölkchen sich hochschwimmend zeiget, Dann Flock' auf Flocke, wie aus nichts, aufsteiget, Zusammenfliesst, und bald weit hin sich strecket;
So Dichters Geist jungfräulich unbeflecket Ist, eh' Begeistrung sich zu ihm neiget, In Worte der Gedanke sich verzweiget, Und die Bewunderung der Hörer wecket.
Allein der Dichter seiger schwelgt entzücket In der noch ungescliiediien Biklerfülle, Eh' losgerissen eines er erblicket,
Umdämmert von des Lautes Nebelhülle.
Denn was aus ihm emporspriesst, nie ihm gniiget,
Ein schwacher Abglanz dess, was in ihm lieget.
460
26.
Gegebenes Maafs.
Das .Meer nicht immer bleibt in gleichem Stande, Doch kann gegebnes Maafs nicht überschweifen. Scheint noch so stark die Welle auszngreifen, Sie kehrt zurück vor nichts in ebnen Sande.
So halten auch uns unsichtbare Bande
Des Schicksals Wechsel und der Kräfte Reifen;
Nur wenig übers Maafs hinüber streifen
Kann man, der Becher füllt sich nor zum Rande.
Denn in der Götter unbesiegbar'n Händen
Das Richtscheit ruhet und des Wagens Schaale;
Und was bestimmt wird hoch im Göttersaale,
Muss hier der Mensch, woll' er auch nicht, vollenden. Mag in den Styx ihn gleich die Mutter tauchen, Die grosse Seele muss Achill verhauchen.
461
27.
Zwiefache Richtung.
Was immer auch im Menschen spriesst und blühet, Zwei Richtungen zugleich entgegenstrebet, Wie sich der Zweig frei in die Luft erhebet, Die Wurzel an die Nacht des Bodens ziehet.
Doch nicht, was in dem Menschen luftig glühet, In seiner reinsten Geistigkeit auch lebet, Was tief sich in den Schofs der Brust verwebet Aus seiner Nacht zum Himmel Funken sprühet.
Er kann nicht hindern dies zwiefache Spriessen Zu Weltgetiimmel und zu Sinnenlulle, Und in die farblos dichtgewebte Hülle,
Wo der Gedanke liebt sich einzuschliessen ; Nur wehren muss er, dass der Wurzel Stille Nicht störe üpp'ges in die Zweige Schiessen.
462
28.
Der Stier im Joch.
Gezwungen Tag um Tag zum sauren Frühnen, Der Stier den Pflug, ins Joch gespannet, ziehet, Und ihm kein andres Schicksal jemals blühet, Als unter harter Arbeitslast zu stöhnen.
Dem Stachel muss die Seiten er gewöhnen, Geduldig unter ihm er mehr sich mühet; Wie auch im starken Nacken Sträuhen glühet, Muss er sich doch mit seinem Loos versöhnen.
^ ie um sein Ackerstück der Himmel lieget, L inwölbend stets im gleichen Kreis die Erde, Ist er gefangen in denselben Schranken.
W ie Epheuzweige dürren Stamm umranken,
Rankt sich sein Lehen um des Diensts Beschwerde,
Bis Müh und Alter ihn der Grube füget.
463
29.
Das Pferd.
Das Ross des Schlachtgetümmels Schaaren zieret, Und tlieilet die Gefahr im edlen Streite, Es streckt im Lauf die sclilankgedehnte Seite, Der Boden dröhnt, wenn ihn sein Huf berühret.
Ein Lehen es, gefangen, knechtisch führet, Verwehrt ist, his es wird des Todes Beute, Ihm, dass sein Wille seine Schritte leite, Und niemals es der Fesseln Zwang verlieret.
Doch sich zum Stolze hat es umgeschaffen Den Zaum, an dem es herrisch wird gelenket, Die Knechtschaft in sein Wesen tief gesenket.
So freut es sich, die Glieder anzustraffen ;
Der Stier gieht sträubend nach dem starkern .Zwange,
Das Ross umgliinzt er, dass es schöner prange.
464
30.
Das Verstummen.
Wenn theures Haupt wird durch den Tod entführet, Was da das Herz mit tiefrein Schmerze rühret, Dass nicht die Stimme mehr das Ohr entzücket? Das Auge die Gestalt nicht mehr erblicket?
Der Sehnsucht Glut die Stimme heftger schüret, Und nie der Ton dem Ohre sich verlieret. Ist er, verstummt, auch lange ihm entrücket, Erinn'rung aus dem Grab herauf ihn schicket.
Er ist der Seele eigentliches Lehen, Und wieder in der Seele Tiefen dringet, Und was geheimnissvoller Schleier decket,
Zu neuem, wonnevollen Dasein wecket.
O macht' in stiller Nacht er, leis beschwinget,
Her mir von unsichtbarer Lipp' auch beben.
465
31.
Das Verschwinden.
Doch sehnsuchtsvoll nach dem geliebten Bilde Das Herz sucht wieder dann in andren Stunden, Und glaubt zu heilen seine tiefen Wunden, Kehrt' es nur einmal in des Lichts Gefilde.
Der seelenvollen Züge Engelsmilde
Liefs sonst von jedem Leid es gleich gesunden ;
Nun ist auf ewig sie dahin geschwunden,
Dient ihm nicht mehr zum sichren Lebensschilde.
Wenn auch die Lippen waren fest geschlossen, Drang doch der Blick mit süsser Himmelswonne Tief in die Brust, und wie von Frühlingssonne
Sich seine Strahlen über sie ergossen. Denn in der sprachlosen Gefühle Schwünge Von selbst verstummete beschämt die Zunge.
vu. 30
466
32.
R ä t h s e 1.
I.
Zum Tempel führen luftge Säulenhallen,
Und am Altare fromm geschworne Treue
Und Fleifs, dess sich der Wuchs der Saaten freue,
Fern lassen mich nach Hellas Trümmern wallen.
Vom Norden her mir Lockungstöne schallen, Nach Asiens Gluten drangt mich Pilgerreue, Und dass sich meiner Tage Lenz erneue, Mir Pflug und Ring zum Lebensloose fallen.
Dann weit von den gewohnten Menschentritten Thron' ich in bunt vermischter Völkermenge Im Eiland, das die Phantasie erstritten.
Doch bald entzogen wieder dem Gedränge, Wird mir, was ich genossen und gelitten, Zum Traum in schroffer Felsen Thaiesenge.
467
33.
il
Wie Kastor sicli und Polydeukes gleichen,
Wenn durch die Himmel, Ross an Ross, sie sprengen,
Wo sich der Sterngebilde goklne Zeichen
Wie Winterabendhimmel glänzend drängen;
So wenn die Sterne vor der Sonne bleichen, In heiteren und sauren Lebensgängen Nicht von einander unsre Mütter weichen, Begleitend wechselsweis sich mit Gesängen.
Denn diesen süssen Zwillingsmelodieen Sah leuchtend uns derselbe Tag entglühen, Wie Funken nächtlich von den Sternen sprühen.
Ein Räthsel ist dem Hörer vorgeleget, Und nach der Losung er vergebens fraget, Da, der nicht ist mehr, sie verborgen traget.
30'
466
32.
R ä t h s e 1.
I.
Zum Tempel führen luftge Säulenhallen,
Und am Altare fromm geschworne Treue
Und Fleifs, dess sich der Wuchs der Saaten freue,
Fern lassen mich nach Hellas Trümmern wallen.
Vom Norden her mir Lockungstöne schallen, Nach Asiens Gluten drängt mich Pilgerreue, Und dass sich meiner Tage Lenz erneue, Mir Pflug und Ring zum Lebensloose fallen.
Dann weit von den gewohnten Menschentritten Thron' ich in bunt vermischter Völkermenge Im Eiland, das die Phantasie erstritten.
Doch bald entzogen wieder dem Gedränge, Wird mir, was ich genossen und gelitten, Zum Traum in schroffer Felsen Thaiesenge.
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33.
il
Wie Kastor sicli und Polydeukes gleichen,
Wenn durch die Himmel, Ross an Ross, sie sprengen,
Wo sich der Sterngebilde goldne Zeichen
Wie Winterabendhimmel glänzend drangen;
So wenn die Sterne vor der Sonne bleichen, In heiteren und sauren Lebensgängen Nicht von einander unsre Mütter weichen, Begleitend wechselsweis sich mit Gesängen.
Denn diesen süssen Zwillingsmelodieen Sah leuchtend uns derselbe Tag entglühen, Wie Funken nächtlich von den Sternen sprühen.
Ein Räthsel ist dem Hörer vorgeleget, Und nach der Losung er vergebens fraget, Da, der nicht ist mehr, sie verborgen traget.
30'
468
34.
Dir war der Sturm der Leidenschaften lieber, Als Wehmuthsschweigen tief im stillen Herzen, Dein Wesen trieb dich in ihr kochend Fieber, Und sandte dir verzehrend ihre Schmerzen.
Allein die Leidenschaft, die trüb' und trüber Kann auch des Busens reinen Himmel schwarzen, Doch läuternd geht ins ganze Dasein über, Wie Glut die Schlacke löst von edlen Erzen,
Sie war dir fremd; bald stürmend, bald beklommen, Bist nie zum Seeleneinklans du gekommen, Der die erhabensten der Frauen schmücket.
Viel konntest denkend, fühlend du erringen, Doch nie dich auf zu ihrer Grösse schwingen, Nie hat dich ihre Götterruh' erquicket.
469
35.
Der Traum.
Man klagt, dass reizerfüllte Traumgestalten Sich beim Erwachen lassen fest niclit halten, Dass sie den Sinnen wesenlos entfliehen, Wie Nebelstreifen durchs Gebirge ziehen.
Allein sie haften in des Herzens Falten, Und die Empfindung lässt sie nicht erkalten 5 Auch in dem Reich der Phantasie sie glühen, Und leuchtend der Erinn'rung Funken sprühen.
Als Kind sah ich ein lieblich Haupt mir nicken, Aus hoffem Fenster huldreich auf mich blicken. War es das Bild, das ewig mit mir lebet,
Hat es im Traum mir ahndend vorgeschwebet, Wie sich der Sonne Strahlenscheibe zeiget, Eh' selbst durch Morgenthor empor sie steiget?
470
36.
Sehnsucht der Liebe.
Die Nacht des Todes aus vom Körper gehet, Wenn, der ihn hält als Wohnung der Gedanken, Der Einklang, nicht harmonisch mehr bestehet, Und jeder Urstoff tritt aus seinen Schranken.
Die Seele, wenn ihr Himmels Hauch gleich wehet, Und wenn sie, ohne irclisch schwaches Wanken, Sehnsüchtig nach dem ew'gen Licht sich drehet, Will still doch den Gefährten treu umranken,
Der sie des Lebens Laufbahn hat geführet, Und ihrer Kräfte Glühen oft geschüret. *
Doch nun, was soll die Einsame umfassen?
Sie kann der Liebe Sehnsucht nur vertrauen, Und auf die tiefgefühlte Wahrheit bauen, Dass sich verwandte Geister nicht verlassen.
471
37.
T h e k 1 a.
Nicht Dolche durch die zarte Brust ihr drangen, Nicht Becher, giftgefüllt, hat sie geleeret, Ihr Leben hat nicht langsam Gram verzehret, Kühn ist sie dem Geliebten nachgegangen.
Wenn alle Kräfte, sehnend, Tod verlangen, Das höchste Leben aus sich Tod gebaret, Und die Natur zu sprengen dann nicht wehret Des Lebens Fessel durch der Seele Bangen.
Sie will noch einmal liebend den umarmen, An dem nicht mehr kann ihre Brust erwarmen, Und sterben dann im letzten langen Kusse,
Das Schicksal seiner treuen Schaaren theilen, Wohin er ging, an gleicher Stätte weilen, Sei's in Vernichtung, sei's im Vollgenusse.
472
38.
Das Schweigen.
In Kloster lebt' ich viele lange Jahre, Wo nie den Lippen dürft ein Wort entfliehen, In sich man Schmerz und Freude musste ziehen, Dass man dem Ohre lästgen Laut erspare.
Da bleichten mir der Scheitel Silberhaare, Doch tiefes Denken, reifer Sinn gediehen; Darum in heitrer Lust und Tages-Mühen Ich tiefes Schweigen gern auch jetzt bewahre.
Die Sterne ja gehn ihre goldnen Bahnen, Auch schweigend in des Aethers stillen Wegen, Und uns das Innerste der Brust doch regen,
Weil sie an überirdisch Licht uns mahnen. Im tiefsten Senken, wie im höchsten Schwünge Des Geist's fühlt fremd dem Busen sich die Zunge.
473
39.
Mitleid.
Medea stehet hoch im Drachenwagen,
Und raubt aus Gattenhass der Kinder Leben,
Die Mutferanne unnatürlich streben,
Die Wunde in das tiefe Herz zu schlagen.
Johannes Haupt sieht man die Jungfrau tragen, Und ihre Glieder nicht vor Schauder beben; Des Greises Blicke Tod und Nacht umschweben, In ihren glänzt frohsinniges Behagen.
In Stein sind diese Bilder ausgehauen, Und Menschen freuen sich sie anzuschauen; Was ist's, das hin zu Gräuelthaten ziehet?
Das Mitleid ist es, das das Herz durchglühet,
Und im gespensterartig finstern Grauen
Noch sanft wie Blume süsser Wehmuth blühet.
474
40.
D a m o k 1 e s.
Das Schwert am Faden überm Haupte hänget Des Gasts am iipp'gen Tische des Tyrannen, Dass aus der Brust er nicht die Furcht kann bannen In der Gefahr, die sich dem Blick aufdränget.
Mir grössre Bangigkeit den Busen enget, Von der mit Müh' ich kaum mich kann ermannen; Des Schicksals Mächte Wolke mir ersannen, Mit Blitzen schwanger, deren Strahl versenget.
Die Wolke nicht am hohen Himmel schwebet, Ihn furcht' ich nicht, wie er auch dunkel scheine; Die glühnde Wolke in mir seihst ich meine.
Was ihr entschiesset, kann ich nicht besiegen,
Und unter ihm verdorrt bleibt öde liegen,
Was frisch nach That sonst und Gedanken strebet.
475
41.
Des Herrschers Glanz.
Des Herrschers Glanz, wie Sonnenstrahl, nie bleichet, Er sich ergeht in Marmor-Säulengängen, Nie über seinem Haupte Wolken hängen, Der zartste Duft vor seinem Hauche weichet.
Der Grösse Gipfel hat er voll erreichet. Die Völker des Pallastes Thor umdrängen, Die Riesentreppen ihre Züge engen, Und schimmerlos kein Augenblick verstreichet.
Er weiss nicht, wie sich Glück und Unglück gatten, Er kennet keines Dinges Erdenschatten. Wie, denen überm Haupt die Sonne stehet,
Nach keiner Seite können Schatten schlagen,
Giebt es nicht Nacht für ihn, noch dämmernd Tagen,
Yon wandellosem Licht umhüllt, er gehet.
476
42.
Das Diadem.
0, dieses Band die Schläfe mir versenget! Mich von des Todes Macht es zwar enthindet, Doch mich ins Lehen fahl' ich eingeenget, Aus dem mein Fuss mehr keinen Ausgang findet.
"Wie sich der Anblick offner See verlänget, Wo Hoffnung fern gelegner Küste schwindet, Mich in der Tage Fluth einförmig zwänget Unsterblichkeit, die "Wechsel nie verkündet.
Die Sterne lieblich wohl am Himmel blinken, Doch müssen ladend sie hernieder winken, Die Brust umsonst nach ihnen nicht verlangen,
Sonst hält das Licht mehr, als das Grab, gefangen. Denn, wenn der Erde Schoofs versöhnend kühlet, Das Leben oft mit Schmerz die Brust durchwühlet.
477
43.
Die Seelenwanderung.
Als Papagei sitz ich beglückt im Zimmer Suminda's, die mein Herz im Stillen liebet, Und meiner Federn reicher Farbenscliimmer Dem süssen Mädchen Augenweide giebet.
Ein Jüngling war ich, doch erhöret nimmer Von der, die gegen Menschen Härte übet, Da sie nicht achtete mein Klaggewimmer, Sank ich ins Grab, in Liebe tief hetrübet.
Jetzt mich: ich liebe Dich! sie sagen lehret
Zwar weiss ich, dass sie nicht für mich es meinet,
Doch süss der Ton von ihr mir wiederkehret,
Und wonniglich so mich mit ihr vereinet. Darf ich in meiner Liebe heissem Brennen Ich liebe Dich! doch ewig ihr bekennen.
478
44.
Venus.
Aus Schaum bist, Venus, du hervorgegangen, Der auf des Meeres lichter Welle sprühet: So unentwickeltem Gefühl erblühet Der Liehe zart aufkeimendes Verlangen,
Der Busen fühlet plötzlich sich gefangen, Doch weiss zu nennen nicht, was an ihn ziehet, Denn der Gedanke und die Sprache fliehet, Wenn dieser innern Stimme Töne klangen.
Erst in des ruhigen Besitzes Stunden Wenn das Gefühl hat klar sich losgewunden Versunken nicht mehr in dem wachen Traume,
Entfaltet es sich gleich des Himmels Räume, Und aus der Nacht, in die es sich verloren, Hebt sich ein Götterbild wie neu gehören.
479
45.
Mars.
Ich liebe kein olympisches Gebilde So sehr als, ruh'ger Kriegsgott, deine Züge. Du trägst die Spur der grofserkämpften Siege Nur in erhabner Stille Göttermilde.
Du gern durchwandelst Paphos Lustgefilde; Doch sind sie dir nicht eitler Träume Wiege, Und gegen Amors flatterhafte Lüge Dient dir der Ernst der Stirn zum sichern Schilde.
Als Griechengeist sich in geweihter Stunde Auf tieferforschter Wahrheit festem Grunde Mit kühnem Fluge hatt' emporgeschwungen,
Wo Grösse steht mit Reiz in treuem Bunde
Und Menschlichkeit von Gottheit wird durchdrungen,
War edlem Meissel dieses Bild gelungen.
480
46.
L e t o.
Orion die Titania will bezwingen, Gereizt von ilirer Schönheit Strahlenfülle, Doch fern ihn hält gebieterisch ilir Wille, Und ihm ins Herz der Kinder Pfeile dringen.
Denn Artemis und Phübus Blitze schwingen Sich frei hin durch die wüste Aetlierstille, Und keiner Wolkendecke finstre Hülle Hemmt je ihr fernhertreffendes Vollbringen.
So zwiefach Leto's grosses Herz sich freuet, Dass sie der Frevler nicht in Schmach gebettet, Und sie der Kinder Wachsamkeit gerettet,
Die Schutz der hohen Göttermutter leihet. Den Armen hatte Liebe irrgeführet, Doch Mitleid keiner Göttin Busen rühret.
481
47.
S i s y ]) h u s.
Den Stein zu wälzen, der entdonnernd weichet, Verdammt ist Sisyphus vom Qnalgeschicke; Doch in des Sturzes freulos arger Tücke Der Ruhm des Menschen jenem Marmor gleichet.
Wenn nicht die Starke his zum Grab ausreichet, Zu ringen, dass man steigend ihn erhlicke, Wenn Schwache bleibt im Leben, oder Lücke, Der Sternenkran/ der Heldenstirn erbleichet.
Denn in des Geists ätherischen Gefilden
Erhalten ist ein ewig neues Bilden,
Und kein Besitz ein ruhend liegen Lassen:
Was in die Luft nicht eitel soll zerstieben, Muss rasche Thatkraft immer neu erfassen, Von hebender Begeistrung angetrieben.
vu, 31
482
4S.
Hollas.
Zwei Dinge Hellas Phantasie- Gestalten
So tiefen Reiz für alle Zeiten geben :
Der Charitinnen ewig zartes Walten
Und Nemesis' nach strengem Maafse Streben.
In feinen Linien sie die Grunzen halten, In denen hin und wieder schwankt das Leben. Die Menschen bänd'gen der Natur Gewalten, Und edle Scheu macht Götterbrust auch beben.
Am Indus und am Ganges sieht man schwellen Der Rede Macht, wie ihrer Strömung Wellen, Aus grauem Alterthum hervor sich giessen,
Aus Dichterbildern Weisheits-Sprüche spriessen; Allein des Herzens Sehnsucht tief nur stillet Der Thau, der Griechenlippen sanft entquillet.
483
49.
Die R ö m e r.
Dass sich der Menschheit Schicksal wölbend baue,
Gesell äffen ward des Römervolkes Sitte,
Dass pfeilerähnlich stehend in der Mitte,
W ie Ja nus, es nach vorn und rückwärts schaue.
Ein Fels, an dem des Meeres Wuth sich staue, Wich es dem Trotz nie, selten flehnder Bitte, Lind vorwärts schritt mit nie gehemmtem Schritte, Nicht achtend, dass den Fuss ihm Blut umthaue.
Der Kunst und Dichtung schöpferischen Funken Nicht zeugte seine Brust, begeistrungtrunkeu, Die Hari'en-Töne seiner Dichter hallten
Nur nach den vollem, die von Hellas schallten. Nur auf des Völker -Thrones ehrnen Stufen Zu herrschen einzig, fühlt es sich berufen.
484
50.
Die R ö m e r i n.
Das Römermädchen fliclit zum Knauf die Haare, Und steckt mit langer Nadel sie zusammen, Den Sitten treu, die von den Vätern stammen Durch langgedehnte Reihe grauer Jahre.
• Der Jüngling fest die Treue ihr bewahre; Wenn ihre Augen erst in Thränen schwammen, Entlodern ihrer innren Gluten Flammen, Dass sie ihm nicht der Nadel Wunde spare.
Denn Liebe nahe ist dem Tod verbunden, Da sich in sie das ganze Dasein schlinget. Wenn sie das vollste Glück der Brust gegeben,
Was soll dem Glücklichen das schaah: Leben? Wenn sie zur kühnsten Höhe still sich schwinget, Ist unter ihr die Erde schon verschwunden.
485
51.
W a h r e G 1 ö f s e.
Wer nie die Trockenheit des Lebens fliehet, Phantastisch nicht mit luftgen Bildern spielet, Die aus sich seihst er sinnig wehend ziehet, Der doch des Menschen Dasein hall) nur fühlet.
Ihm nicht der Gluten zarter Funken sprühet,
Der lodernd Sehnsucht weckt und Sehnsucht kühlet;
Er mit den Lasten sich des Lehens mühet,
Lïnd in dem harten Stoff der Dinge wühlet.
Doch kann er bieder, wahr, gerecht, gediegen, Durch jede Tugendühung mächtig, siegen. Bewundernd ihn der Ruhm der .Menue nennet;
Wer tiefer schaut, \on Grol'sem Gröl'sres trennet. So wärest du, den ich geehrt mit Schweigen, Doch \or dem nie mein Geist sich konnte beugen.
486
52.
Macht der Liebe.
Der Mensch wohl sinnt und regt sich in Gedanken, Und setzet seinem Forschen keine Schranken; Bis an des Weltalls Grenze möcht' er dringen, Und tausend Dinge vor die Seele bringen.
Doch wenn er Liehe fühlt die Brust umranken, Auf einmal alle tausend Dinge schwanken, Er fühlt nur Eins, kann nur nach Einem ringen, Nur das geliebte Bild im Geist umschlingen.
Und diese dicht verschlossne Blüten - Fülle, Die nichts entfaltet aus der zarten Hülle, Das Höchste ist, v\as Menschensein erstrebet;
'S on dem, was des Gemüthes heiige Stille Da in geheimer Ahndung tief durchhebet, Der Mensch his zu des Grabes Rande leitet.
487
53.
Abschied vom Meer.
Auf ewig: lebe wohl! ich dir nun sage, Geliebtes Meer, du rollst die stolzen Wellen Fort aus den ewig unversiegbarn Quellen, Ich weit von dir beschliesse meine Tage.
Das Schicksal wäget mit gerechter Wage; Ich sähe Liebe meinen Pfad erhellen, Ich fühl' Erinnrung meinen Busen schwellen, Und fern ist meinen Lippen jede Klage.
Ein Tag, der sich in ewger Klarheit dehnet, Kein tief empfindend Herz mit Lust erfüllet, Es nach der Stille auch der Nacht sich sehnet,
Und freudig sich in ihre Schleier hüllet. Das JMeer sich meinem Blicke jetzt entwindet, Bald auch in Dunkel ihm die Erde schwindet.
488
54.
Des Jenseits Schleier.
Wenn sanft der Klage wehmutsvolle Leier Ertönet an geliebter Todtenfeier, Man auf der unsichtbaren Gränze schwebet, Wo in den Tod hinab das Leben bebet.
Man sucht zu lüften den geheimen Schleier, Der dicht umhüllet, was dem Herzen theuer; Doch undurchdringlich wie er ist gewebet. Durchblickt ihn keiner der, noch athmend. lebet.
Nie kann vom Leben aus den Tod man schauen, Man fühlet wohl es stufenweis verschwinden, Doch mit dem Tod reisst der Besinnung Faden.
Wird aus vom Tod ins Leben Dammrung grauen, Wird rückwärts sich der Blick erkennend finden, Wenn ihn die Tlminen der Verlassnen laden?
Druck von Georg Reimer in Berlin.
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