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ER 1 1 EN 4 On. 1 PR j ö 1 . 1 . Ru en 1 or LEN UHREN we 1 vr N A 1 * 1 1 Kuh FT i® ih u Rt 5 And b 2 ö R ö n Dane e 18 Ir oT 2 William Scoresby's des Juͤngern bie, Tagebuch einer Reife auf den Wallſiſchfang, verbunden mit Unterſuchungen und Entdeckungen an der Oſtkuͤſte von Grönland, im Sommer 1822. Aus dem Engliſchen überſetzt und mit Zuſaͤtzen und Anmerkungen verſehen von Friedrich Kriez, Profeſſor am Gymnaſium in Gotha. Mit neun Tafeln Abbildungen und einer Landkarte. s Hamburg, bey Friedrich Perthes. & a a or Seinem theuern Freunde Herrn Profeſſor und Bibliothekar V | dem treuen Theilnehmer ſeiner Freuden und Leiden | mit herzlicher Liebe und Hochachtung | gewidmet | vom Verfaſſer. e des Ueber ſetzer s. Die Urſchrift, von welcher hier die Ueberſetzung er⸗ ſcheint, führt den Titel: Journal of a Voyage to the Northern Whale- fishery; including Researches and Discoveries on the eastern coast of West-Greenland, made in ‚the Summer of 1822, in the ship Baffın of Liver- pool. By William nn. Junior, Comman- der. Edinburgh 1823. 8. Sie enthaͤlt zunaͤchſt die Beſchreibung einer Reiſe, die nach dem noͤrdlichen Meere zwiſchen Groͤnland und Spitzbergen auf den Wallfiſchfang gemacht wurde. Schon dieſer Gegenſtand iſt nicht ohne Intereſſe. Es iſt wohl der Muͤhe werth zu ſehen, welchen Beſchwerden, Muͤhſe— ligkeiten, Gefahren ſich die Menſchen, um eines Erwerbs willen, ausſetzen; und durch welche Anſtrengungen und Aufopferungen das erſt gewonnen wird, was wir mit aller Gemaͤchlichkeit im Schooße der Ruhe verbrauchen. Wir finden hier einen neuen Beweis, daß gerade ſolche Unternehmungen, die mit vielen Schwierigkeiten und Ge— fahren verbunden find, einen eigenen Reiz für den Men- en VI — ſchen haben; und daß ſie recht geſchickt ſind, die bewun— dernswuͤrdigen Kraͤfte deſſelben, ſeinen Muth, ſeine Un⸗ erſchrockenheit, ſeine Geſchicklichkeit ins Licht zu ſetzen. Wir ſehen hier, daß auch die oͤdeſten Gegenden der Erde nicht ohne Reize ſind, und daß ſie nicht weniger Beweiſe der Macht, Weisheit und Guͤte des Schoͤpfers darbieten, als die begluͤckteſten Theile des Erdbodens. Und wo zeigt es ſich wohl mehr, daß Gott den Menſchen zum Herrn der Erde gemacht hat, als da, wo die wildeſten Elemente ihm dienen, wo maͤchtige Wallfiſche ihm unterliegen muͤſ— ſen? Auf der andern Seite, wo zeigt ſich mehr die Ohn— macht des Menſchen und ſeine Unterwuͤrfigkeit unter die Gewalt der Natur, als da, wo wir ſehen, daß ſeine uͤberlegteſten Plane durch einen Windſtoß vereitelt, und ſeine kuͤhnſten Werke in einem Nu, durch ein paar Eis— ſchollen, zertruͤmmert werden koͤnnen? Die gegenwaͤrtige Reiſe giebt uns ein ee Bild von dem ganzen Hergang bey dem Wallfiſchfange, das durch die Individualität ein größeres Intereſſe be- kommt, als eine allgemeine Beſchreibung deſſelben gewaͤh⸗ ren koͤnnte. Der Unternehmer dieſer Reife hatte aber bey derſel— ben noch einen andern Zweck im Auge, als den merkanti— liſchen Gewinn allein. Sein Geſchaͤft fuͤhrte ihn in eine Gegend, wo neue geographiſche Entdeckungen zu machen waren; er ſuchte daher den Vortheil derer, die ihm die Leitung des Schiffes anvertraut hatten, mit dem Vor— theil der Wiſſenſchaften zu vereinigen; und ſeine Bemuͤ— | hungen blieben nicht unbelohnt. | un VII — Die Oſtkuͤſte von Groͤnland iſt in der Regel ſo ſehr von Eis umlagert und verſperrt, daß fie ſeit Jahrhunder— ten von europaͤiſchen Schiffen nicht beſucht werden konnte, und als eine wahre terra incognita anzuſehen war. Scores by war ſo gluͤcklich, ſich ihr in einer hoͤhern Breite, als man gewoͤhnlich verſucht hatte, zu naͤhern, und ſelbſt an mehreren Punkten derſelben zu landen; und er benutzte dieß nicht blos zu Unterſuchungen am Lande, ſondern auch zur geographiſchen e einer großen Strecke der Kuͤſte. Hier fand ſich, daß wohl die Lage der ganzen Kuͤſte, als die Geſtalt und Beſchaffenheit ihrer einzelnen Theile auf den bisherigen Karten ganz fehlerhaft verzeich— net und beſtimmt iſt — an manchen Stellen geht der Fehler bis auf vierzehn Laͤngengrade! Er konnte alſo feine Beobachtungen faſt als eben fo. viele neue Entdes ckungen anſehen, die nicht nur fuͤr ſeine Landsleute, und für diejenigen, welche den Wallfiſchfang in jenen Gegen- den betreiben, von großer Wichtigkeit ſind, ſondern auch als eine wahre Bereicherung der Erdkunde überhaupt be= trachtet werden koͤnnen. Er hat daher auch, als ein echt brittiſcher Seemann, das Recht eines Entdeckers fuͤr ſich geltend gemacht, und die vornehmſten Punkte der von ihm unterſuchten Kuͤſte mit beſondern Namen belegt, wozu , nach dem Beyſpiele anderer Entdecker, großentheils die Namen beruͤhmter Maͤnner und geſchaͤtzter Freunde ge— waͤhlt hat. Dabey hat er ſich jedoch nicht einzig auf ſeine Landsleute beſchraͤnkt, ſondern wir finden unter ihnen auch beruͤhmte Namen aus andern Nationen, und — VIII — — mit Vergnuͤgen ſetzen wir hinzu — auch einige deutſche Namen. Dieſe neuen Entdeckungen, von denen das nachfol⸗ gende Tagebuch genaue Rechenſchaft giebt, waren es un— ſtreitig, welche dem Verfaſſer die Erlaubniß brachten, ſein Werk dem Könige von Großbrittannien zu widmen, unter deſſen Scepter neuerlich die wichtigſten Entdeckungen im Norden von brittiſchen Unterthanen gemacht worden, und noch zu erwarten ſind. Dieſe Zueigungsſchrift iſt je— doch in der Ueberſetzung, wie ſich von ſelbſt verſteht, weggelaſſen worden. Was dem Verfaſſer noch einen beſondern Antrieb zu Unterſuchungen an der Oſtkuͤſte von Groͤnland gab, war, wie er ſelbſt geſteht, die Hoffnung, vielleicht einige Spuren von den vormaligen norwegiſchen und islaͤndiſchen Kolonieen da— ſelbſt zu finden — wodurch ſeine Entdeckungen allerdings noch um vieles merkwuͤrdiger geworden waͤren. Dieß iſt ihm nun zwar nicht geradezu gelungen — da ihm der Hauptzweck ſeiner Reiſe nicht geſtattete, in die ſuͤdlichern Gegenden der Kuͤſte vorzudringen, wo die Kolonieen gewe⸗ ſen ſeyn ſollen — indeſſen hat er doch gezeigt, daß es moͤglich waͤre, dahin zu kommen, und den Weg angege— ben, auf welchem es geſchehen koͤnnte. Es waͤre daher wohl zu wuͤnſchen, daß man jetzt noch einmal einen Ver⸗ ſuch machte, jenen alten Kolonieen nachzuforſchen, da es nicht unwahrſcheinlich iſt, daß er beſſer, als die bisherigen Verſuche dieſer Art gelingen wuͤrde, wenn man die hier gegebenen Rathſchlaͤge benutzte; und wer waͤre wohl mehr — IX —.— zum Anfuͤhrer einer ſolchen Unternehmung geeignet, als der Verfaſſer ſelbſt? Gegen die Meinung von Eggers in Betreff dieſer Kolonieen, die in der nachfolgenden Einleitung angefuͤhrt und beſtritten wird, iſt auch in den Schriften der ſkandi— nav. litteraͤr. Geſellſchaft von 1814 eine Abhandlung von Wormſkjold erſchienen, die wegen ihrer echt wiſſen— ſchaftlichen Unterſuchungen geruͤhmt wird.“) Der wiſſenſchaftliche Werth dieſer Reiſe beſchraͤnkt fi) aber nicht allein auf die geographiſchen Unterſuchun— gen und Entdeckungen, ſondern iſt auch durch eine Menge anderer, wiſſenſchaftlicher Gegenftände, namentlich, na- turhiſtoriſcher, phyſikaliſcher, aſtronomiſcher, begruͤndet. Der unterrichtete und raſtlos thaͤtige Verfaſſer ließ keine Gelegenheit zu nuͤtzlichen Unterſuchungen und Beobachtun— gen unbenutzt, und die Gegenden, in welche die Reiſe ge— macht wurde, boten ihm dieſe Gelegenheit ſehr oft dar. Ja ſogar widrige Ereigniſſe, die eine gezwungene Muße und Unthaͤtigkeit zumege brachten, und viele andere an ſeiner Stelle beunruhigt und geaͤngſtigt haͤtten, wurden von ihm bisweilen zu wiſſenſchaftlichen Beſchaͤftigungen angewandt. Man muß in der That uͤber die Mannig⸗ *) S. Bruchſtuͤcke eines Tagebuches, gehalten in Groͤnland in den Jahren 1770 bis 1778 von Hans Egede Sabye. Aus dem Daͤ⸗ niſchen überf. von G. Fries. (Hamb. 1817. 8.) S. LXX. — Dieſe Schrift enthaͤlt ſehr ſchaͤtzbare Nachrichten uͤber die gegenwaͤrtige Verfaſſung und den Zuſtand von Groͤnland, ſo wie uͤber die Lebens⸗ weiſe und Sitten der Eingevohrnen. — 88 — faltigkeit und Gruͤndlichkeit der Kenntniſſe, die der Ver— faffer bey dieſen Gelegenheiten entwickelt, erſtaunen; um ſo mehr, wenn man erwaͤgt, daß ſeine Lebensweiſe von Jugend auf ihm keine litteraͤriſche Muße geſtattete, ſon— dern ihn fruͤhzeitig in das unruhigſte Leben von der Welt, in das geſchaͤftige Seeleben fuͤhrte. Er hatte zwar da— durch Gelegenheit, gerade in ſolche Gegenden der Erde, die ſeltner beſucht werden, und reich an Merkwuͤrdigkei— ten ſind, zu kommen; aber die Schiffahrt in jenen Ge— genden gehoͤrt auch zu den muͤhevollſten, beſchwerlichſten und gefahrvollſten Unternehmungen; und es erfordert fuͤrwahr einen ſehr regſamen Geiſt und eine große Em— pfaͤnglichkeit für alles, was unſere Kenntniſſe erweitert, wenn man, bey einem Geſchaͤfte voller Beſchwerden und Gefahren, noch Luft und Geſchick zu wiſſenſchaftlichen Beobachtungen behaͤlt. Schon fruͤher hatte der Verfaſſer einen Theil ſeiner wiſſenſchaftlichen Beobachtungen in den Polarmeeren ge— ſammelt, geordnet und nebſt einer vollſtaͤndigen Ausein— anderſetzung alles deſſen, was zum Wallfiſchfang gehoͤrt, dem Publikum vor Augen gelegt in ſeinem ſchaͤtzbaren Werke: An Account of the Arctic Regions, with a history and description of the Northern Whale- fishery. By W. Scoresby jun. In two Volumes. Edinburgh. 1820. 8. Bi; — — A 4 7 x Auf dieſes beruft er ſich in der vorliegenden Reiſe bey mehrern Gelegenheiten. Es iſt daher manches aus >= XI — demſelben hier aufgenommen und eingeſchaltet worden, was zu genauerer Eroͤrterung und Erlaͤuterung wiſſen— ſchaftlicher Gegenſtaͤnde, die hier nur kurz beruͤhrt oder weniger vollſtaͤndig abgehandelt ſind, dienen koͤnnte. Dieſe eingeſchalteten Stellen ſind, um nicht jedesmal auf daſſelbe Buch zu verweiſen, durch Klammern ([ ]) von dem Texte der Urſchrift unterſchieden. Auch einige Abbildungen ſind aus gedachtem Werke entlehnt, naͤmlich: die vier Kupfertafeln der Schnee— figuren, die alles, was wir bisher in der Art ge— habt haben, an Mannigfaltigkeit, Genauigkeit und Sau— berkeit weit hinter ſich zuruͤcklaſſen, und die hier ge— nau nach den engliſchen copirt und mit gleicher Sauber— keit verfertigt ſind; ferner die Abbildungen des Wall— fiſches, des Narwals, und des grönländifchen Hayfi— ſches, die hier zwar nur in Steindruck wiedergegeben, aber ganz treu nach den Originalen gezeichnet find. - Dagegen ſind zwey Kupfertafeln der Urſchrift, welche Anſichten der Berge und einzelner Theile der groͤnlaͤndi— ſchen Kuͤſte enthalten, hier weggelaſſen, und von drey Tafeln, welche Erſcheinungen der ungewoͤhnlichen Strah— lenbrechung darſtellen, iſt nur eine, welche die merkwuͤr— digſte zu ſeyn ſchien, beybehalten worden. Ueberdieß ſind die beyden Karten der Urſchrift hier in ein Blatt vereinigt, indem die neuen Entdeckungen an der groͤn— laͤndiſchen Oſtkuͤſte, die dort ein beſonderes großes Blatt ausmachen, hier, nach einem halb ſo großen Maaß— ſtabe, der allgemeinen Karte von Groͤnland in einem * 5 Carton beygefuͤgt ſind, jedoch mit aller Genauigkeit des Originals, und ohne daß ein einziger bemerkenswerther Punkt oder Name ausgelaſſen worden waͤre. Die Urſchrift enthaͤlt einen Anhang von neun Nummern. Von dieſen ſind die drey erſten, welche die Verzeichniſſe der naturhiſtoriſchen Gegenſtaͤnde von der groͤnlaͤndiſchen Kuͤſte enthalten, und Nr. VII. das Ver— zeichniß der geographiſchen Laͤngen und Breiten, auch hier in den Anhang aufgenommen worden. Die unter Nr. VIII. des Originals befindlichen Bemerkungen von Gie— ſecke ſind hier in der Reiſebeſchreibung ſelbſt in einer An— merkung S. 324 eingeſchaltet. Die übrigen vier Num— mern, von welchen die eine Erklaͤrungen einiger Kunſt— ausdruͤcke, vornehmlich in Betreff der verſchiedenen Ar— ten des Eiſes, die andere meteorologiſche Tabellen, und die dritte und vierte Auszuͤge aus den Tagebuͤchern von ein paar andern Wallfiſchfaͤngern enthaͤlt, ſind hier weg— gelaſſen worden. Denn was die Erklaͤrungen der Kunſt— ausdruͤcke betrifft, ſo ſind ſie theils im Texte ſelbſt ſchon benutzt, theils finden ſie ſich, aus einer fruͤhern Abhand— lung von Scoresby, in Gilberts Annalen der Phyſik LXII. Bd.; die meteorologiſchen Tafeln, die mehrere Blaͤtter einnehmen, ſind zu unvollſtaͤndig, als daß ein nochmaliger Abdruck derſelben wuͤnſchenswerth ſeyn koͤnn— te; und die Auszuͤge aus den Tagebuͤchern enthalten nichts Neues, ſondern liefern nur einige Beyſpiele mehr von den Gefahren der Schiffahrt in den Polarmeeren, zumal in einer ſpaͤten Jahreszeit. Dafuͤr iſt hier unter Nr. IV. aus dem andern Werke von Scoresby eine Erläuterung ‚über Salzwaſſer-Eis und Suͤßwaſſer-Eis, und über die ſpezifiſche Schwere deſſelben gegeben. Zwar findet ſich auch hieruͤber ſchon einiges in dem erwaͤhnten Aufſatz von Gilbert, indeſſen ſchien dieſer Artikel theils in Beziehung auf einige Stellen der Reiſe nothwendig, theils kann er zur Vervollſtaͤndigung jenes Aufſatzes dienen. Was den Tert der Reiſe ſelbſt betrifft, ſo folgt die Ueberſetzung demſelben genau; nur hier und da iſt eine kleine Abkuͤrzung gemacht worden, wo der Deutlichkeit der Erzaͤhlung oder der Genauigkeit der Beſchreibung kein Eintrag dadurch geſchah; wo es aber zweckmaͤßig ſchien, etwas ganz wegzulaſſen, da iſt es in einer Anmerkung angezeigt worden. Die unter dem Tert befindlichen Anmerkungen ruͤh⸗ ren zum Theil von dem Verfaſſer, zum Theil von dem Ueberſetzer her. Zum Unterſchied ſind die erſtern mit S. oder Sc. bezeichnet. Der Ausdruck West- Greenland (Weſt-Groͤn⸗ land) auf dem Titel der Urſchrift iſt eine Benennung, womit die Wallfiſchfaͤnger das eigentliche Grönland be— zeichnen, zum Unterſchied von Spitzbergen, welches bey ihnen auch Oſt-Groͤnland heißt. Jenes wird auch wohl ſchlechtweg das Weſt-Land (the West- Land) genannt — eine Benennung, die auch in der nachfolgenden Reiſe verſchiedentlich gebraucht iſt. Da dieſe Unterſchei— — XIV — dung bey uns nicht uͤblich iſt, ſo iſt auch der Beyſatz auf dem Titel der Ueberſetzung weggelaſſen worden. Noch verdient hier angemerkt zu werden, daß, wenn im Nachfolgenden von Graden des Thermometers die Re— de iſt, jederzeit die Fahrenheitiſche Eintheilung, die in England am meiſten im Gebrauch iſt, verſtanden wer— den muͤſſe; ſo wie bey dem Barometer-Stand engli— ſche Zolle, die ſich zu den pariſer, welche auf dem feſten Lande gewoͤhnlicher ſind, wie 15: 16 verhalten. Unter Meilen (miles) ſind Seemeilen zu verſtehen, deren 60 auf einen Grad des Aequators gehen, und deren jede, nach einer runden Zahl, 6000 engliſche Fuß haͤlt. Der Verfaſſer braucht auch bisweilen den Ausdruck leagues, worunter ſonſt wohl ſolche Meilen verſtanden werden, de— ren 20 einen Grad des Aequators ausmachen. Es ſcheint aber, als haͤtte er ſie nicht ſo groß genommen, ſondern ſie eher der franzoͤſiſchen Lieue oder wohl nur unſerer Stun- de gleich geſetzt; denn er giebt in der Einleitung (S. 11.) eine Entfernung zu 60 leagues an, die Cranz, dem er gefolgt iſt, in ſeiner Hiſtorie von Groͤnland (S. 342.) nur 30 Meilen ſetzt. Die daͤniſche Meile aber, nach wel— cher Cranz wohl gerechnet hat, iſt von der deutſchen nur um ein ſehr weniges verſchieden. Ich habe daher den Ausdruck leagues entweder durch Stunden uͤberſetzt, oder, wo ich dafuͤr Meile gebraucht habe, das engliſche Wort in Klammern hinzugefuͤgt. ET Ein kleines engliſches Laͤngenmaaß, welches oft vor=_ kommt, ift ein Yard, welches drey englifche Fuß beträgt. Dieſen Ausdruck habe ich unuͤberſetzt gelaſſen. Bey Beſtimmung der geographiſchen Laͤngen wird hier, wie bey engliſchen Reiſebeſchreibungen gewoͤhnlich, von dem Meridian von Greenwich an gerechnet. In Anſehung des Tonnen-Gewichts iſt zu be— merken, daß es verſchieden beſtimmt wird, je nachdem es von verſchiedenen Dingen gebraucht wird. Bey fluͤſſigen Sachen, die man in Faͤſſern aufbewahrt, oder auch bey trockenen Waaren, die tonnenweiſe verkauft werden, macht es, nach Roͤdings Woͤrterb. der Marine, ein Ge— wicht von 200 bis 250; auch wohl von 500 bis 600 Pfund aus. Alsdann aber verſteht man unter Tonne auch eine Laſt, deren Groͤße in verſchiedenen Laͤndern ver— ſchieden beſtimmt wird. In England betraͤgt ſie 2240 Pfund. Zuletzt ſey es mir erlaubt, in Beziehung auf den Verfaſſer, das Zeugniß eines Mannes anzufuͤhren, der ſelbſt eine Reiſe mit ihm nach den Polarmeeren gemacht, und ihn in der Naͤhe zu beobachten Gelegenheit gehabt hat — des Capitain Manby. Dieſer ſagt von ihm am En⸗ de ſeiner „Reiſe nach Groͤnland“ — deren auch im Folgenden gedacht iſt: „Nie gab es einen unermüdlichern, „eifrigern Seefahrer, als den Befehlshaber des Baffin; „nie einen von groͤßerer Erfahrung in der Beſchiffung der 1 — XVI — „Eismeere; nie einen Mann von ſo vielen Talenten fuͤr „Wiſſenſchaft und neue Entdeckungen.“ Dieſes ruͤhmliche Zeugniß wird durch die vorliegende Reiſe vollkommen be— ſtaͤtigt; und was unſere Achtung fuͤr eben dieſen Mann noch erhoͤhen muß, iſt — was jeder Leſer wahrnehmen wird — der echt religioͤſe Sinn, der ihn belebt und aus allen ſeinen Handlungen hervorleuchtet, und die Frey— muͤthigkeit, mit welcher er ſeine Ueberzeugung vor der Welt bekennt. Ich glaube daher, durch die Ueberſetzung eines Werkes, das von einem ſo achtungswerthen Manne herruͤhrt, und ſo viel lehrreiches und unterhaltendes in ſich vereinigt, keine unnuͤtze Arbeit unternommen zu haben. Im October 182. F. Kries. Einleitung. Der eigentliche Zweck der Reiſe, von welcher die nachfol— genden Blaͤtter die Beſchreibung geben, war, den Wall— fifchfang an den Kuͤſten von Grönland und Spitzbergen zu betreiben. Auf Entdeckungen auszugehen war alſo eine Sache, die nur gelegentlich unternommen werden konnte; gluͤcklicherweiſe aber ließ ſie ſich mit unſerm Hauptzweck zum Theil vereinigen. Da die Wahl des Platzes, auf wel— chem der Fang verſucht werden ſollte, mir gaͤnzlich uͤber— laſſen war, fo zog ich die Kuͤſte von Grönland der von Spitzbergen vor. Dieß war ein Standort, der nicht nur eine gute Beute verſprach, ſondern auch meinen Wuͤnſchen am meiſten zuſagte, indem er mir die Hoffnung gab, an einer faſt gaͤnzlich unbekannten Kuͤſte Nachforſchungen ma— chen zu koͤnnen. Der Erfolg war auch in beyder Hinſicht gluͤcklich. Wir gewannen eine für die Jahreszeit reichliche Ladung, da der Fang damals überhaupt ziemlich ſpaͤrlich war; und es gelang uns, eine betraͤchtliche Strecke einer bisher größtentheild unbekannten Kuͤſte zu unterſuchen und aufzunehmen. 1 Die Reiſe wurde in dem Schiff Baffin, von 321 Tonnen, gemacht, das unter meiner eigenen Aufſicht im Jahr 1820, ausdruͤcklich für den Wallfiſchfang, in Liverpool gebaut worden war. Bey dem Bau deſſelben waren keine Koſten geſpart worden, und alles, was nach bewaͤhrten Grundfägen zur Feſtigkeit, Bequemlichkeit, Tuͤchtigkeit und Schnelligkeit des Schiffes beytragen koͤnnte, war mit ſo gutem Erfolg dabey in Anwendung gebracht, daß es, wie die Folge lehrte, unſern hoͤchſten Erwartungen entſprach. Da die Fiſcherey in der Baffinsbay, wegen der vielen Schiffe, die in den letzten vier oder fuͤnf Jahren dort zu Grunde gegangen ſind, inskuͤnftige wahrſcheinlich nicht ſo ſtark, als ſonſt betrieben werden wird, fo wird die Groͤn— landsfiſcherey, bey welcher noch wenig Verluſt ſtatt gefun— den hat, unſtreitig deſto mehr empor kommen. Es iſt daher zu hoffen, daß die Unterſuchungen, welche auf dieſer Reiſe an der Kuͤſte von Grönland gemacht wor: den ſind, fuͤr unſern Handel in jener Gegend von einiger Wichtigkeit ſeyn, und durch die geographiſchen und hydro— graphiſchen Belehrungen, die fie uns verſchafft haben, zum Wohl und zur Sicherheit derjenigen, die mit dieſem ſchwie— rigen Geſchaͤft zu thun haben, beytragen werden. Bisher iſt die Lage der Oſtkuͤſte von Groͤnland ſo feh— lerhaft beſtimmt geweſen, daß die Karten von dieſem Lande den Schiffer eher ins Ungluͤck fuͤhrten, als davor ſchuͤtzten. So könnte ein Schiff, das von dieſer Kuͤſte kaͤme, in der Vorausſetzung, daß die Laͤnge derſelben auf den Karten richtig angegeben waͤre, in einen Irrthum von vielleicht 12 oder 14 Graden gerathen, welches, zumal bey ſtuͤrmiſchem oder neblichtem Wetter, von den ſchlimmſten Folgen fuͤr daſſelbe ſeyn konnte. Es würde in der That ein viel gerin- gerer Irrthum, als dieſer, ſeyn, wenn ein Schiffer, mitten = 3 ehe: an der nördlichen Kuͤſte von Island, fich einbildete, auf dem geraden Wege zwiſchen Island und den Farver Inſeln zu ſeyn. Unſtreitig war es einem ſolchen Irrthum zuzu— ſchreiben, daß ein Wallfiſchfaͤnger im Jahr 1821 an der Nordſeite von Island auf den Strand lief; obwohl in die— ſem Fall das Schiff wieder flott wurde, weil die Witterung gluͤcklicherweiſe guͤnſtig war. Fuͤr den Seefahrer nach den Polargegenden werden alſo die Mittheilungen, die er in dieſem Buche erhaͤlt, von Nutzen und ſelbſt von Wichtigkeit ſeyn. Aber es giebt noch einen andern Geſichtspunkt, aus welchem ſie betrachtet, ein noch hoͤheres und allgemeines Intereſſe gewinnen. Das iſt, die Beziehung, die ſie zum Theil auf die alten norwegiſchen Kolonieen haben, welche ehedem an einer Kuͤſte, die mit der von uns unterſuchten zuſammengrenzt, gegründet worden ſind. Obgleich die Geſchichte dieſer Kolonieen im allgemeinen bekannt genug iſt, ſo ſcheint mir doch ein kurzer Abriß der vornehmſten, ſie betreffenden Thatſachen, und der verſchie— denen, zu ihrer Wiederauffindung gemachten Verſuche, als eine Einleitung zu der nachfolgenden Beſchreibung, hier nicht am unrechten Orte zu ſeyn. Vorher will ich bemerken — da die an der Kuͤſte von Groͤnland geſtifteten Kolonieen in gewiſſer Hinficht mit Is— land in Verbindung ſtehen — daß dieſe Inſel zufaͤllig durch einen ſkandinaviſchen Seeraͤuber, Namens Naddodd ), entdeckt wurde, der um das Jahr 861 durch Sturm an die Kuͤſte derſelben gerieth; daß ſie darauf von verſchiede— nen ſchwediſchen und norwegiſchen Abenteurern beſucht wurde, und daß die beyden Normaͤnner Ingolf und Leif *) Andere nennen ihn Naddok. 1 * ae, Mm um das Jahr 878 die erſte Kolonie daſelbſt gründeten. Da dieſen Leuten, die durch politiſche Bedruͤckungen veranlaßt waren nach Island auszuwandern, in wenigen Jahren eine Menge norwegiſcher Familien, aus einem aͤhnlichen Grunde, folgten, ſo wuchs die Kolonie in kurzer Zeit be— traͤchtlich an. Um die Mitte oder gegen das Ende des zehnten Jahr— hunderts wurde von einem der Koloniſten, Namens Gun— biorn, ein weitlaͤuftiges Land gegen Welten von Island entdeckt. Dieſe neue Kuͤſte wurde im Jahr 982 von einem gewiſſen Erik Rauda, einem Norweger, der wegen man— cherley Verbrechen aus feinem Vaterlande verbannt war, beſucht. Er überwinterte an der ſuͤdlichen Seite der Kuͤſte, nahe an einer Bucht, die er Eriks Sund nannte, und nachdem er beynahe drey Jahre angewandt hatte, ſie zu un— terſuchen, kehrte er nach Island zuruͤck. In der Abſicht, andere Leute anzureizen, ſich in dem neu entdeckten Lande anzuſiedeln, nannte er es Groͤnland (grünes Land), und machte eine ſehr uͤbertriebene Schilderung von dem Ausſehen und den Erzeugniſſen deſſelben. Dieß hatte die Wirkung, daß in kurzem eine Flotte von 25 Segeln aus— geruͤſtet war, die, mit Leuten von beyderley Geſchlecht und den erforderlichen Vorraͤthen verſehen, und mit dem nöthi— gen Vieh zur Gruͤndung einer Kolonie beladen, nach Groͤn— land abſegelte; aber nur 14 Schiffe langten gluͤcklich an dem Orte ihrer Beſtimmung an. Indeſſen ließ ſich die Mannſchaft von dieſen auf der Kuͤſte nieder, und da ſie bald neuen Zuwachs, ſowohl von Island als von Norwe— gen aus, erhielten, ſo bildeten ſie in wenigen Jahren eine anſehnliche Kolonie. Das Chriſtenthum wurde in Norwegen gegen das Ende des zehnten Jahrhunderts, wie man ſagt, durch zwey britti— ſche Miſſionarien, Bernhard und Guthbald, einge- führe, und von dem Könige Olaus Tryggeſon ange: nommen und eifrigft verbreitet. Leif, der Sohn des Erik Rauda, machte im Jahr 999 eine Reiſe nach Norwegen, und gab dem Könige Olaus Nachricht von der neuen Ko— lonie in Groͤnland. Darauf brachte der Koͤnig, bey ſeinem Eifer fuͤr die Ausbreitung des wahren Glaubens, gedachten Leif dahin, ſich taufen zu laſſen, und bey ſeiner Ruͤckkehr nach Grönland einen chriſtlichen Miſſionaͤr mit zu nehmen, durch deſſen Huͤlfe das Heidenthum, ſowohl in Grönland als in Island, nach und nach immer mehr verdraͤngt wurde, und die mildere Lehre des Evangeliums bald allge— meinen Eingang fand. Um dieſe Zeit ſcheinen die groͤnlaͤndiſchen Kolonieen in einem recht bluͤhenden Zuſtande geweſen zu ſeyn. Im Jahr 1121 wurden fie zu einem Bisthum erhoben, und, dem Tor: faͤus zufolge, Arnold als erſter ordentlicher Biſchof, durch den norwegiſchen Koͤnig Sigurd, zu ihnen geſchickt. Die Kolonieen erſtreckten ſich, wie Cranz und andere dafuͤr halten, von dem ſuͤdlichen Vorgebuͤrge Farewell an, fuͤnf bis ſechs Breitengrade gegen Norden, ſowohl an der oͤſtlichen als an der weſtlichen Kuͤſte, herauf. Man giebt ungefaͤhr 16 Kirchen an, die daſelbſt erbaut worden waͤren. Cranz berichtet, daß 19 Buchten (Fiorden) an der Oſtſeite bewohnt geweſen wären. Hier wären 190 Meyerhöfe oder Doͤrfer geweſen, die 12 Kirchſpiele ausmachten, und einen Biſchofsſitz und zwey Kloͤſter enthielten. Auf der weſtlichen Seite hingegen waren, wie es ſcheint, neun Buchten be— wohnt, auf welchen 90, oder nach andern, 110 Dörfer er: baut waren, welche vier Kirchſpiele ausmachten. Dieſe Nachrichten, welche ich hauptſaͤchlich aus Cran— zens belehrender und vortrefflicher „Geſchichte von — . Grönland” *) genommen habe, find der Hauptſache nach aus der islaͤndiſchen Chronik von Snorro Sturleſon, welcher um das Jahr 1215 Lagmann ) in Island war, entlehnt. Dieſe Chronik war die vornehmſte Quelle, aus welcher Thermodor Torfaͤus, ein gebohrner Islaͤnder, den Stoff zu ſeiner Groenlandia Antiqua (seu veteris Groenlandiae descriptio. Hafniae 1706. 8.) ſchoͤpfte, ei⸗ nem Werke, welchem Cranz, wie er ſagt, am meiſten ge— folgt iſt. Da alle Bemuͤhungen, welche man zur Wiederauffin— dung der oͤſtlichen Kolonieen angewandt hat, vergebens ge— weſen ſind, ſo haben manche ſich eingebildet, daß die Nieder— laſſungen blos auf der weſtlichen Seite von Cap Farewell ſtatt gefunden haͤtten. Zur Unterſtuͤtzung dieſer Meinung iſt neuerlich eine kleine Schrift von Peter von Eggers in Daͤnemark, uͤber die wahre Lage des alten Oſt— groͤnlandes erſchienenn ). Aber dort wird ungluͤcklicher Weiſe eine Sache in Betreff des Laufs und der Zeit, die man zur Reiſe von Island nach den Kolonieen nothig hat, erwähnt, deren Wahrheit der Verfaſſer nicht gehörig unter BR Der vollſtändige Titel des Buchs iſt: „David Cranz Hiſtorie von Groͤnland, enthaltend die Beſchreibung des Landes und der Ein— wohner ꝛc., insbeſondere die Geſchichte der dortigen Miſſion der evangeliſchen Bruͤder zu Neu-Herrenhut und Lichtenfels. Barby 1765. 8.” Hierzu: „Fortſetzung der Hiſtorie von Grönland ꝛc., von D. Cranz. Barby 1770. 8.“ **) Welches fo viel iſt, als Vorſteher der Geſetze. Granz bezeichnet es durch „ Nomophylax oder Canzler der Regierung.“ *) Die Schrift iſt urſpruͤnglich daͤniſch geſchrieben, und dem vierten Bande der von der koͤnigl. daͤniſchen ſtaatswirthſchaftlichen Geſell— ſchaft in Kopenhagen herausgegebenen Preisſchriften einverleibt. Die deutſche Ueberſetzung iſt unter dem oben angegebenen Titel zu Kiel 1794. 8. herausgekommen. l 8 | ſucht, und die mir fein ganzes ſinnreiches Schlußgebaͤude uͤber den Haufen zu werfen ſcheint. Einer der von Eggers angeführten Schriftſteller empfiehlt den Schiffern von Is— land gegen Suͤdweſt zu ſteuern, anſtatt den gewöhnlichen graden Weg zu halten, um das Eis zu vermeiden, und dann wieder nordweſtlich nach Grönland zu. Dieſer Weg muß offenbar den Schiffer an die oftliche Kuͤſte bringen, wenn er uͤberhaupt die Kuͤſte erreicht, wie weit er auch in jeder Rich— tung fortgegangen iſt. Und andere, ſowohl Isländer als Daͤnen, geben die Zeit, die man, um die Kolonieen zu er— reichen, noͤthig hat, ſo an, daß wenn man ſie mit der, welche man zu der Reiſe von Norwegen nach Island braucht, vergleicht, ſie nicht zur Umſchiffung des Caps Farewell hin— reicht, und Eggers ſich daher genoͤthigt ſieht, die Strome, die gegen Suͤdweſten liefen, hierzu in Anſchlag zu bringen; dieſe aber duͤrften wohl, wenn man ſie nach ihrer bekannten Geſchwindigkeit berechnet, die erforderliche ens auf keine Weiſe anbringen, Ich glaube daher, daß man noch keinen hinreichenden Grund hat, die Meinung von Torfaͤus, Cranz und andern zu verwerfen, daß die Kolonieen zu beyden Seiten des Caps Farewell — ſowohl auf der oͤſtlichen, als auf der weſtlichen Kuͤſte — vertheilt waren. Aus einem Verzeichniß der grönlaͤndiſchen Bifchofe von Torfäng und Holberg “ erhellet, daß deren 17 regel— maͤßig nach einander in die Kolonieen geſchickt worden ſind. Der letzte derſelben, Namens Andreas, ſchiffte ſich im Jahr 1408 nach ſeinem Poſten ein; er ſoll aber durch das Eis zu landen verhindert worden ſeyn; daher ſein Vor— *) Ludwig v. Holberg, Prof. der Geſchichte an der Univerfität in Kopenhagen, in der erſten Haͤlfte des vorigen Jahrhunderts (ſt. 1757) hat über die daͤniſche und norwegiſche Geſchichte geſchrieben. 4 —.— 8 en gänger Heinrich als der letzte Biſchof, der feinen Sitz auch wirklich erreichte, zu betrachten iſt. Die duͤrftigen Annalen der grönländifchen Kolonieen gehen hier zu Ende. Nach dem Jahr 1406 oder 1408 wurde der Handel mit Island und Norwegen, der vorher betraͤcht— lich geweſen war, unterbrochen, und, wie es ſcheint, ſpaͤter— hin keine Gemeinſchaft wieder zwiſchen Island und Groͤnland befeſtigt. Von dieſer allerdings befremdenden Unterbrechung aller Gemeinſchaft werden mancherley Urſachen angegeben. Einige ſchreiben ſie der Ausrottung der Koloniſten zu, die entweder durch die eingebornen Groͤnlaͤnder, die Skraͤllinger, oder durch eine merkwuͤrdige Peſt, den ſogenaunten ſchwar- zen Tod, die um die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts wuͤthete und ſich uͤber ganz Europa ausbreitete, geſchehen ſeyn fol. Andere glauben, daß durch die ploͤtzliche Anhaͤu— fung von Eis, das, wie es noch heutzutage gemeiniglich geſchieht, die öͤſtliche Kuͤſte und das Cap Farewell einſchloß, alle Verbindung mit dem Mutterlande abgeſchnitten und den Koloniſten ihre gewohnliche Unterſtuͤtzung entzogen wurde — welches ihren Untergang zur Folge hatte. Welche von dieſen Urſachen den Verluſt der Kolonieen fuͤr Island und Norwegen wirklich herbeygefuͤhrt oder die Verbindung aufgehoben hat, iſt eine Frage von verhältniß: maͤßig geringer Bedeutung; dagegen iſt es ein Gegenſtand vom hoͤchſten Intereſſe und groͤßter Wichtigkeit, zu unter: ſuchen, ob ſie in der That gaͤnzlich ausgerottet, oder ob ſie noch heutigestages vorhanden find, Wenn ſie noch vorhanden ſind — welches iſt ihr gegen— mwärtiger Zuſtand und ihre Lage? — wie iſt ihr geiſtiger und moraliſcher Zuſtand beſchaffen? Da ſie ehedem ein gebildetes en und vielleicht kenntnißreiches Volk waren, bis zu welchem Grade hat die Gemeinſchaft und Vermiſchung mit den einge— bornen Eskimo's ihre Sitten verwildert und ihre geiſtigen Faͤhigkeiten geſchwaͤcht? Da ſie Chriſten waren, bis zu welchem Grade hat die Macht des Beyſpiels und die Vereini⸗ gung mit einer heidniſchen Nation auf ihre Moralitaͤt gewirkt und die Segnungen des Chriſtenthums vereitelt? Das find Fragen, die für den Philoſophen überhaupt, und fuͤr den chriſtlichen Menſchenfreund insbeſondere das hoͤchſte Intereſſe haben. Aber wenn ich gleich bedauern muß, daß die nachfolgenden Unterſuchungen keine entſcheidende Antwort auf dieſe Fragen geben, ſo darf ich doch hoffen, daß ſie in Beziehung auf die Frage, ob von den alten Kolo— nieen jetzt noch etwas vorhanden iſt, nicht ohne Werth ſind. In dieſer Hinſicht wünfche ich ſehr, daß fie die Veranlaſſung ſeyn mögen, die oͤffentliche Aufmerkſamkeit ſtaͤrker auf das Schickſal jenes intereſſanten Volkes zu richten, und dieje— nigen, welche Macht dazu haben, anzureizen, die noͤthigen Unterſuchungen zu weiterer Aufklaͤrung über daſſelbe an— zuordnen. Und zwar muͤßte man die Sache nicht als einen Gegenſtand der bloßen Neugier betrachten, ſondern ſie in der Abſicht unternehmen, um jenen Menſchen die Vorrechte und Vortheile des Chriſtenthums, deren fie fo lange beraubt ges weſen ſind, wieder zuzuwenden. Daß dieſe Kolonieen zur Zeit ihrer Trennung von der uͤbrigen Welt gaͤnzlich ausgerottet geweſen ſeyn ſollten, iſt aus mancherley Gründen hoͤchſt unwahrſcheinlich. Denn was den ſchwarzen Tod“ anbetrifft, durch den ſie aufgerieben waͤren, ſo finde ich keine einzige zuverlaͤf— ſige Nachricht, daß dieſes Uebel jene Gegenden erreicht haͤtte, Cranz ſtellt es nur als eine Vermuthung auf „daß, da dieſe Peſt in den nördlichen Theilen von Europa ſehr verbreitet „35 geweſen waͤre, ſie auch nach Groͤnland, das mit Norwegen in beſtaͤndigem Handelsverkehr geſtanden haͤtte, gekommen ſeyn moͤchte. Und ihre Vertilgung durch die Skraͤllinger an— langend, ſo ſind die Beweiſe davon eben ſo wenig beſtimmt und entſcheidend. Dieſe Leute erſchienen auf der Weſtſeite unter den Koloniſten zur Zeit Alpho's, des eilften Biſchofs von Grönland, wahrſcheinlich um das Jahr 1350. Man erzaͤhlt von ihnen, daß ſie 18 Normaͤnner getoͤdtet und zwei Knaben gefangen mit ſich weggefuͤhrt haͤtten; ſonſt erwaͤhnen die Alten keines weitern Kriegs. Da nun die Skraͤllinger als ſehr feige Leute geſchildert werden, waͤhrend die Koloniſten als tapfre Männer bekannt waren; wie ſollten jene, fragt Cranz ſehr richtig, im Stande geweſen ſeyn, die tapfern Normänner, dieſe Sohne der Eroberer, in ihren ſtark be: voͤlkerten Kolonieen, von ſteilen Felſen geſchuͤtzt, zu über: waͤltigen, und fie fo gänzlich auszurotten, daß man bisher keine Spur mehr von ihnen hat auffinden Eonnen?” „Dieß halte ich, ſetzt er hinzu, fuͤr eine ungegruͤndete Meinung.” Es bleibt daher nur noch ein Grund übrig, den man gewöhnlich als die Urſache ihres Unterganges anfuͤhrt, das iſt, die Beraubung der Zufuhren durch die Anhaͤufung des Eiſes an ihren Kuͤſten. Allein wenn man auch zugiebt, daß die Kolonieen durch die ſchnelle Entſtehung einer ſolchen Eiszone gleichſam eingeſperrt wurden, ſo bleibt die Frage, ob ſie des— wegen gaͤnzlich zu Grunde gegangen ſind, doch noch zweifel— haft. Sie beruht auf der Vorausſetzung, daß ſie in jener rauhen Gegend, ohne Beyſtand aus dem Mutterlande, nicht beſtehen konnten — eine Sache ohne Beweis. Beſtehen und gedeihen doch auch die Eskimo's an eben dieſer Kuͤſte, einzig und allein durch die Huͤlfsmittel, welche ſie ſich ſelbſt verſchaffen! Es iſt indeſſen nicht blos offenbar, daß die Beweiſe fuͤr den Untergang der Kolonieen zur Zeit ihrer Trennung von > U der übrigen Welt, entſchieden mangelhaft und unzureichend find; ſondern im Gegentheil iſt es, wie Cranz erzählt, ges wiß, daß man noch lange nachher Spuren von ihnen wahr— genommen hat. So ſoll um das Jahr 1530 der Biſchof von Skalholt in Island, Amund, bey feiner Rückkehr von Nor— wegen, durch einen Sturm fo nahe an die Kuͤſte von Groͤn— land, bey Herjolfs Noß, getrieben worden ſeyn, daß er die Leute das Vieh haͤtte eintreiben ſehen. Er landete aber nicht, weil ſich gerade ein guͤnſtiger Wind erhob, der das Schiff noch in derſelben Nacht nach Island brachte. Einen andern Beweis giebt der Islaͤnder Bioͤrn von Skardſa, den Cranz hier anfuͤhrt. Dieſer erzaͤhlt, daß ein Hamburger Schiffer, Namens John Grönländer, dreimal an die gronläns diſche Kuͤſte verſchlagen worden wäre, wo er ſolche Fiſcher— huͤtten geſehen, wie man in Island hat. Er bemerkt weiter, daß ein Ruder mit einer Aufſchrift in runiſchen Schriftzuͤgen, ingleichen Stuͤcke von zerſchlagenen Booten, und im Jahr 1625 ein ganzes Boot mit Sehnen und hoͤlzer— nen Naͤgeln verbunden, in Island ans Land getrieben wor— den wären. Die neuern Nachrichten von dem Zuftande der Oſtkuͤſte von Groͤnland beruhen gaͤnzlich auf muͤndlichen Zeugniſſen. Eine Erzaͤhlung der Art wurde, wie es ſcheint, Cranzen ſelbſt von einigen Groͤnlaͤndern von der Oſtkuͤſte, die einige ihrer Verwandten in Neu-Herrenhut beſuchten, im Sommer 1752 mitgetheilt. Einer von dieſen, Namens Kojake, der 60 Meilen (leagues) aufwaͤrts an der Oſtſeite des Landes lebte, erzählte den Miſſionarien, daß er im vorigen Winter zwey Maͤnner beherbergt hätte, die ihrer Ausſage zufolge eine dreyjaͤhrige Reiſe an der oͤſtlichen Kuͤſte in einem Weiberboot unternom— men hätten. Den erſten Winter find fie unterwegs geblie— ben und das andere Jahr ſo weit gereiſet, bis ſie wegen — 12 — Eiſes nicht mehr fortkommen konnten. Im dritten Jahre ſind ſie zuruͤckgekehrt. Sie waren zu einer ſo hohen Breite gekommen, daß die Sonne im Sommer nicht ganz unterge— gangen iſt, ſondern die Spitzen der Berge um Mitternacht noch beſchienen hat. An manchen Stellen war das Eis ſo dicht am Ufer, daß ſie ihr Zelt und Boot auf einen Schlitten laden und mit Hunden uͤber das Eis fortſchaffen mußten. Sie beſchrieben die Leute an der Oſtſeite großer, als die an der Weſtſeite; fie haͤtten ſchwarzes Haar und lange Baͤrte. — Die Einwohner wären zahlreich, und die Thiere, von denen ſie ſich naͤhrten, in Menge vorhanden. — Eine ſchoͤne Bucht (Fiorde) ſollen fie geſehen haben, aber nicht hineingefahren ſeyn, aus Furcht vor den Menſchenfreſſern, die in derſelben Gegend wohnen ſollen, und vor welchen alle Gronländer ſich von Alters her fuͤrchten. Nach der Meinung dieſer Reiſen— den haͤtten jene anfangs aus Noth Menſchen gegeſſen, weil ſie einmal bey großer Hungersnoth im Winter nichts anders zu eſſen gehabt, und da es ihnen geſchmeckt, ſo haͤtten ſie ſich an dieſe unnatürliche Nahrung gewohnt.” — „ Leute von mittlerm Alter ſchlachten ſie zur Zeit der Noth nicht leicht, ſondern nur alte Leute und verlaſſene Kinder; und ſodann ſchonen fie lieber ihre Hunde wegen ihrer Brauchbar— keit, und ſchlachten dafuͤr einen unbrauchbaren Menſchen. Ihre Haͤuſer bauen ſie, wie unſre Groͤnlaͤnder, von Stein, und legen hoͤlzerne Sparren darauf. Das Holz iſt aber da ſehr rar“ — und noch mehr das Eiſen, „daher es ihnen eine große Freude verurſacht, wenn ſie in dem Holz, das die See herzutreibt, einen Nagel finden.“ Eine andere Nachricht, die einem Kaufmann in den weſtlichen Kolonieen mitgetheilt wurde, war folgende: Ein Suͤdlaͤnder, der 1757 in der Kolonie uͤberwinterte, erzaͤhlte, daß auf der Oſtſeite des Landes in einer gewiſſen Bucht Leute lebten, die alle Fruͤhjahr in betraͤchtlicher Anzahl an die Kuͤſte kaͤmen. Die Groͤnlaͤnder floͤhen alsdann vor dieſen ee 2 Menſchen, die fie als ſehr grauſam beſchrieben, in ihren Booten auf die Inſeln, wohin jene, aus Mangel an Fahr— zeugen, ihnen nicht folgen koͤnnten; jedoch ſchöſſen fie mit Pfeilen nach ihnen, die fie in Koͤchern auf dem Rücken trugen. Wenn dieſe Nachricht gegruͤndet waͤre, ſagt Cranz, ſo koͤnnte man vermuthen, daß dieſe Menſchen und die vorhin erwaͤhnten Menſchenfreſſer einerley Volk waͤren, das von den alten Normaͤnnern abſtammte, vor den Wilden ſich in die Berge gezogen haͤtte, dieſelben aus Rache uͤber ihrer Vor— fahren Vertilgung anfeindete, im Fruͤhling, da ihm die Le— bensmittel ausgiengen, beraubte, und von den Wilden aus uͤbertriebener Furcht für Menſchenfreſſer angeſehen und fabel: haft beſchrieben wuͤrde. Es iſt eigen, daß manche Nebenumſtaͤnde ſehr fuͤr die Wahrheit deſſen, was von dieſen Eskimo's erzaͤhlt wird, ſprechen. Cranz erwaͤhnt eines Geruͤchts, das ſich bis nach Norwegen verbreitet haͤtte, daß um das Jahr 1718 ein Schiff, welches von Bergen gekommen waͤre, in dem Eiſe an der Kuͤſte von Groͤnland Schiffbruch gelitten haͤtte, und daß die Mannſchaft, die ſich ans Land gerettet, von den Wilden ermordet und gierigſt gefreſſen worden wäre. „Diefe grauenvolle Sage, ſetzt er hinzu, war nicht ganz grundlos.“ Und Carl Gieſecke erzaͤhlte mir, daß die Eskimo's auf der Weſtſeite von Groͤnland noch bis auf den heutigen Tag eine große Furcht vor den Bewohnern der Oſtſeite, als vor barbariſchen Leuten, hätten, und beſorgten, fie möchten ein— mal heruͤber kommen und ſie umbringen. Was die Pfeile anbetrifft, die dieſe Leute brauchen ſollten, ſo verdient es wohl erwaͤhnt zu werden, daß einer meiner Matroſen an einer Stelle der Kuͤſte, die wir beſuchten, ein Stuͤck eines Werkzeuges der Art fand, das von Knochen und Eiſen war, und dem vordern Theil eines kleinen Wurfſpießes oder * pfeiles glich. Es ſchien mir uͤberdieß gänzlich verſchieden von den Pfeilen der eingebornen Eskimo's zu ſeyn. Zu dieſen Thatſachen, die fuͤr die gegenwaͤrtige Fort— dauer der Abkömmlinge der alten Koloniſten ſprechen, koͤn— nen noch andere von geringerm Gewicht, theils aus Cranzens Hiſtorie von Groͤnland, theils aus meinen eigenen Nachfor— ſchungen, hinzu gefuͤgt werden. Die erſtern kann man in dem angefuͤhrten Werke, im vierten Buch des erſten Bandes finden, und die letztern find in dem nachfolgenden Reife: bericht enthalten. Ein Umſtand mag indeſſen hier angefuͤhrt werden, der in der Reiſebeſchreibung ausgelaſſen iſt. Unter den vielen Dingen, welche wir an der oͤſtlichen Kuͤſte von Grönland fanden, und welche die Einwohner zuruͤckgelaſſen hatten, war auch eine Geraͤthſchaft, die den Fuchsfallen glich, welche die ruſſiſchen Jaͤger, die gelegentlich auf Spitz— bergen überwintern, zu brauchen pflegen. Sie war groͤßten— theils von Holz gemacht, und es ſchien uns glaublich, daß ſie von den Koloniſten herruͤhren moͤchte, die, da ſie ur— ſpruͤnglich von Norwegen hergekommen ſind, unſtreitig mit den Erfindungen, die in einem benachbarten Lande zum Fangen der Füchſe und anderer kleinen Thiere gebraucht wurden, bekannt waren. Ich hoffe alſo, daß aus dem, was hier geſagt iſt, hinreichend erhellen werde, daß die gaͤnz— liche Vertilgung der oͤſtlichen Kolonieen auf keine Weiſe als entſchieden anzuſehen ſey, ſondern daß es, im Gegentheil, mehr als wahrſcheinlich ſey, daß noch heut zu Tage einige Ueberrreſte derſelben vorhanden ſind. Es iſt kein Beweis, daß die Bewohner dieſer Kuͤſte lauter Eskimo's ſind, weil die Huͤtten, die ich entdeckte, ganz von der Art ſind, wie die der Eskimo's beſchrieben werden; denn bey dem gaͤnzlichen Mangel an Unterſtuͤtzung, welche den Koloniſten ſonſt von Island und Norwegen aus geleiſtet wurde, mußten ſie nothwendig die Gebraͤuche und die Le⸗ densweiſe der Eingebornen des Landes annehmen, die dem Klima am angemeſſenſten, und nach den dortigen Huͤlfsmit⸗ teln eingerichtet ſind. Zum Ruhm der gebildeten Welt muß man bemerken, daß die alten grönlaͤndiſchen Kolonieen nie ganz vergeſſen oder durchaus vernachlaͤſſigt worden find. Daͤnemark hat verſchiedene Verſuche, ſie wieder aufzufinden, gemacht; aber es iſt in der That hoͤchſt merkwuͤrdig, daß keines ſeiner in dieſer Abſicht ausgeſandten Schiffe (ein einziges vielleicht ausgenommen), die oͤſtliche Kuͤſte von Groͤnland erreicht hat. Um die Mitte des ſechzehnten Jahrhunderts wurden die erſten Unternehmungen, von welchen wir Nachricht haben, von Daͤnemark zur Aufſuchung der alten Kolonieen in Groͤn— land gemacht. Eine derſelben wurde vom König Friedrich II. im Jahr 1578 dem Magnus Heinſon ), einem zu ſei⸗ ner Zeit beruͤhmten Seemann, uͤbertragen. Dieſer bekam nach vielen Schwierigkeiten und Gefahren, die Sturm und Eis ihm verurſacht hatten, die Oſtkuͤſte von Groͤnland zu Geſicht; aber nachdem er eine Zeitlang verſucht hatte, ſich ihr zu nähern, ohne ihr merklich näher zu kommen, obgleich die Umſtaͤnde ſehr guͤnſtig waren, gerieth er plotzlich in Furcht, wandte um, und kehrte nach Daͤnemark zuruͤck. Bey ſeiner Ankunft ſchrieb er dieſes ſonderbare Ereigniß, das unſtreitig durch ſeine Furcht noch vergroͤßert wurde, magnetiſchen Felſen, die, unter dem Meere verborgen, das Schiff in ſeinem Laufe aufgehalten haͤtten, zu. Die wahre Urſache jedoch, warum er die Kuͤſte nicht erreichte, ob er gleich mit gutem Winde auf ſie zu ſegelte, lag unſtreitig, wie ich glaube, in dem truͤgeriſchen Schein ihrer Entfernung, wovon in der folgenden Erzählung mehrere Bepſpiele vors kommen. f | *) Cranz nennt ihn Magnus Henningſen. ae Um die nehmliche Zeit machte Martin Frobiſher drey Reiſen gegen Nordweſten auf Veranſtaltung der Königin Eliſabeth von England. Er entdeckte ein Land, das er Meta incognita nannte ), ferner eine Straße, die nach ihm benannt wurde, und noch verſchiedene unbedeutende Oerter; aber die Nachrichten von ſeinen Reiſen ſind ſo unbe— ſtimmt, daß man nicht deutlich daraus abnehmen kann, ob dieſe Entdeckungen an der Kuͤſte von Grönland, oder an der von Labrador gemacht worden ſind. Die Abſicht nach Gold zu ſuchen, wovon er auf der erſten Reiſe etwas gefunden haben ſoll, ſcheint ihn auf den beyden legten Reifen haupt: ſaͤchlich geleitet zu haben. Im Jahr 1605 ſchickte der Koͤnig von Dänemark, Chri— ſtian IV., drey Schiffe nach Groͤnland, unter dem Oberbefehl des Admirals Godske Lindenau, welchem er den Eng— laͤnder James Hall, einen geſchickten Seemann, beyge— ſellte ). Hall landete mit feinen Leuten an der Weſtſeite von Grönland, und, wie Cranz erzaͤhlt: „bemaͤchtigten fie ſich vier wilder Maͤnner von den Eingebornen, von denen ſie einen umbringen mußten, um den andern, die gar un— baͤndig waren, eine Furcht einzujagen. Lindenau naͤherte ſich unterdeſſen der oͤſtlichen Kuͤſte, oder vielmehr, wie Bar— row vermuthet, der Kuͤſte in der Gegend des Vorgebirges Farewell, wo er mit den Eingebornen einigen Tauſchhandel trieb, doch ohne ans Land zu gehen, und bey ſeiner Abreiſe ſich zweyer derſelben bemaͤchtigte und mit fich wegfuͤhrte. *) Nach Cranz war es eben Groͤnland, welchem er den oben ange⸗ fuͤhrten Namen gab. **) In Cranz wird anftatt J. Hall der Englaͤnder Sohn Knight genannt. Diefer war (nach Forſters Geſchichte der Entdeck. und Schifffahrt. im Norden S. 366) zwar mit Hall zugleich vom Kös nige von Daͤnemark in Dienſt genommen worden, aber ſchon das Jahr darauf in fein Vaterland zuruͤckgekehrt. „ Dieſe ſollen mit den von Hall ergriffenen keine Aehnlichkeit, weder in ihrer Sprache, noch in Kleidung und Sitten, ge⸗ habt haben. Das Jahr darauf wurden Lindenau und Hall zum zwey⸗ tenmal zu einem gleichen Zweck ausgeſchickt; aber dießmal beſuchten ſie, wie es ſcheint, nur die weſtliche Küſte von Grönland, wo ſie nichts von Wichtigkeit entdeckten. Auf einer dritten Reiſe, die Hall 1607 mit zwey Schiffen unter⸗ nahm, mußte er umkehren, als er die Hohe von Cap Fare— well erreicht hatte, weil die Mannſchaft ſich empoͤrte. Nach dieſem wurde Capitain Carſten Richardſon“) von dem Könige von Daͤnemark mit zwey Schiffen nach Grönland ausgeſchickt; er konnte aber wegen des Eiſes nicht ans Land kommen. Im Jahr 1652 wurde eine neue Fahrt in zwey Schiffen von Daͤnemark aus unter Capitain Dannell unter - nommen“ ). Dießmal bekam man die Oſtkuſte von 65 Grad 36 Min. an bis zum Cap Farewell, in verſchiedenen Zwi— ſchenraͤumen, zu Geſicht, aber ans Land war man nicht ge— kommen. Auch im naͤchſten Jahr wurde die Kuͤſte von dem— ſelben Seemann aufgeſucht, und abermals geſehen, aber nur von weitem, von Herjolfs Noß an bis zum Cap Farewell. —— 4) Forſter a. a! O. S. 537 nennt ihn Richardt und ſagt, daß er 1607 mit Hall zugleich ausgelaufen, und erſt in der Naͤhe von Groͤnland durch das Eis von ihm getrennt worden waͤre. *) v. Eggers in feiner oben angeführten Schrift nennt ihn Da- vid Danell, und fuͤhrt uͤber deſſen Reiſe folgende Schrift an: Erichsen Udtug af. ELünds Indberetning om Da: nells Söetoge, Kiöbenh, 1787: 8. Cranz nennt ihn David Nelles und ſetzt feine Reife ins Jahr 1654. 2 1 Von dieſer Zeit an ſcheint die Wiederaufſuchung der oͤſt— lichen Kolonieen von den Daͤnen, eine Reihe von Jahren hindurch, aus der Acht gelaſſen worden zu ſeyn, bis die Sache durch Hans Egede, einen Pfarrer in Vogens Gemeinde im noͤrdlichen Theile von Norwegen, aufs neue angeregt wurde. Egede erinnerte ſich geleſen zu haben, daß in Grönland ehedem chriſtliche Einwohner geweſen waͤren, von denen man jetzt nichts mehr wiſſe. Dieß erregte feine Theilnahme, und er erkundigte ſich bei einem Freunde in Bergen, der öfters auf den Wallfiſchfang gefahren war, nach dem jetzigen Zuſtande von Groͤnland. Die Belehrung, die er von dieſem erhielt, ließ ihn glauben, daß die armen Koloniſten noch vorhanden waͤren; aber er fürchtete, fie möchten, aus Mangel an Lehrern, ins Heidenthum zuruͤck— gefallen ſeyn. „Er hielt es daher für die Pflicht eines jeden Normannes, ſeine verlornen Landsleute wieder aufzuſuchen und ihnen das Evangelium zu bringen.“ Zuletzt entſchloß er ſich ſelbſt, Hand ans Werk zu legen, und nachdem er, zehn Jahre lang, mancherley Mittel verſucht hatte, ſeine Plane zur Ausfuͤhrung zu bringen, erhielt er endlich die nothwen— digſte Unterſtützung, und das muͤhevolle und gefährliche Amt eines Miſſionaͤrs unter den Grönlaͤndern. Er ſchiffte ſich zu dieſem ſchweren Dienſt den 2. May“) 1721 ein, und landete, nach mancherlei Gefahren, im Bals— Revier an der weſtlichen Kuͤſte den 3. July. Hier ließ er ſich, mit einigen wenigen Perſonen, die ihn begleiteten, nieder, und bildete ſo eine kleine Kolonie in dieſer rauhen Gegend. Die Schwierigkeiten, mit denen er dabey zu kaͤmpfen, und die Entbehrungen, die er zu ertragen hatte, konnten nur von einem Mann, wie Egede, ausgehalten werden, der ſich dem Geſchaͤfte, zu welchem er ſich von der Vorſehung fuͤr be— rufen hielt, mit unbeſieglichem Eiſer widmete. *) In Cranz wird der 12. May angegeben. 1 Im Jahr 1733 langten drey von den maͤhriſchen Brü: dern, als Miſſionaͤre, bey der Kolonie an. Dieſen uͤberließ Egede, drey Jahre nachher, das ſchwierige Geſchäft, welches er ſo lange, faſt allein, gefuͤhrt hatte, und kehrte mit einem Theil feiner Familie nach Danemark zuruͤck. Die Kolonie, die in der Folge zu einer Menge von Riederlaffungen an— wuchs, hat ſich theils durch die Unterſtuͤtzung der daͤniſchen Regierung, theils durch Huͤlfe von Handelsgeſellſchaften bis auf den heutigen Tag erhalten; und die muthvollen und un— ermuͤdlichen maͤhriſchen Bruͤder, unter denen auch der be— ruͤhmte Cranz war, haben nicht aufgehört, ihre Arbeiten unter den Eskimo's mit immer gleichem Eifer fortzuſetzen. Egede und andere Miffionäre haben zu verſchiedenen Zeiten Verſuche gemacht, die verlornen Kolonieen wieder aufzufinden; aber ob man gleich noch Ruinen von Kirchen und andern Gebaͤuden auf der Weſtſeite von Cap Farewell entdeckte, fo wurde doch oſtwaͤrts von dem Cap nichts aus— gefuͤhrt. Eine von den Ruinen einer Kirche, die Egede zwiſchen dem 60ſten und 61ſten Grade der Breite antraf, war im Innern 50 Fuß lang und 20 breit, und die Mauern 6 Fuß dick. Außer den Bemuͤhungen der Miſſionaͤre, die verlornen Kolonieen wieder aufzufinden, haben auch die gronländifchen Handelsgeſellſchaften in Daͤnemark und Norwegen verſchie— dene Verſuche zu demſelben Zwecke gemacht, aber ohne Erfolg. Indeſſen iſt noch eine Unternehmung dieſer Art zu er— waͤhnen übrig. Der Capitain Loͤwenoͤrn und der Lieute— nant Egede wurden im Jahr 1786 von Kopenhagen in dieſer Abſicht ausgeſchickt. Dieſe machten verſchiedene Ver— ſuche, die Kuͤſte zu erreichen, um den 65ſten Grad der Breite; aber es gelang ihnen wegen des Eiſes nicht, der— ſelben näher zu kommen, als etwa auf 50 Meilen. Löwenörn 2 * kehrte noch denſelben Sommer nach Dänemark zurück, and Egede ging nach Island, um ſein Schiff wieder auszubeſſern. Der Letztre machte darauf im Auguſt noch einen zweyten Ver— ſuch, wobey er ſich dem Lande bis auf 10 Meilen naͤherte, und gieng dann wieder nach Island, um daſelbſt zu uͤber— wintern. Im naͤchſten Jahr verſuchte er abermals mit zwey kleinen Schiffen, von welchen das eine vom Lieutenant Rothe gefuͤhrt wurde, an die Oſtkuͤſte von Groͤnland zu gelangen; aber dießmal war er noch weniger gluͤcklich, als das Jahr zuvor, indem er dem Lande nicht bis auf 30 Meilen nahe kam. | - Eine fo große Anzahl fehlgeſchlagener Unternehmungen, wodurch auch nicht das geringſte von dem, was man beab— ſichtigte, erreicht wurde, war hinreichend, um die Luſt zu neuen Verſuchen der Art zu benehmen, von denen weder der Seemann fuͤr ſeine Anſtrengungen, noch die Regierung fuͤr ihre Aufopferungen, ſich einen Erfolg zu verſprechen hatten. Demohnerachtet wird die nachfolgende Erzählung meiner Reiſe beweiſen, daß die Kuͤſte jetzt nicht ganz unzugaͤnglich iſt, ſondern im Gegentheil, daß ſie bey hinreichenden Mitteln und unter gewiſſen Umſtaͤnden, wohl jährlich beſucht wer— den könnte. Wenn fie vom noͤrdlichen Polarkreiſe bis zum Cap Farewell in der That durch Schranken von undurch— dringlichem Eis abgeſchloſſen wäre — woran ich ſehr' zweifle — fo müßte man feinen Lauf zwiſchen dem 6oſten und 75ffen Grade nehmen, wo man gewiß hier und da, und oft an vielen Stellen, wie es mir ſcheint, die Kuͤſte jeden Sommer erreichen koͤnnte. Und iſt der Schiffer einmal in das Waſſer zwiſchen dem Eiſe und dem Lande gedrungen, ſo wird er, denke ich, keine große Schwierigkeit haben, irgend einen von den Plaͤtzen der alten Kolonieen, ſelbſt bis zum Cap Fare⸗ well hinunter, zu erreichen. Tage beu ch. Erſtes Kapitel. Fahrt von Liverpool bis an den Ort des Wallfiſchfangs. Das Schiff Baffin von Liverpool, unter meinem Befehl, wurde zum drittenmal fuͤr den Wallfiſchfang ausgeruͤſtet im Fruͤhling 1822. Den 18. Maͤrz war die Mannſchaft, die aus 50 Mann beſtehen ſollte, vollzaͤhlig, und wurde von dem Hafenauf— ſeher gemuſtert, wie es die Geſetze bey Schiffen, die zum Wallfiſchfang beſtimmt ſind, erfordern. Den 22. legten wir bis an das Zollhaus aus, wurden aber durch ſtarken Weſt— wind, der einige Tage anhielt, verhindert, in See zu gehen. | Erſt Mittwochs — den 27. — wurde das Wetter beſſer und der Wind guͤnſtiger; wir gaben daher das Zeichen zur Abfahrt, obwohl es noch zweifelhaft war, ob wir wuͤrden die offene See erreichen können oder nicht. Mit vieler Muͤhe gelang es uns auch nur, uns vermittelſt der Ebbe und eines WSW. Windes aus dem Felſencanal herauszuarbeiten. Es lagen damals nahe an 500 Schiffe an den verſchiedenen BEN. TRIER Ankerplaͤtzen daſelbſt, die durch den widrigen Wind zuruͤck— gehalten wurden, aber kaum eines oder das andere verſuchte es, mit uns in See zu gehen. — Der Lootſe verließ uns um 6 Uhr Abends. Die Nacht darauf und den folgenden Tag hatten wir zwar mit heftigen Windſtoͤßen zu kaͤmpfen, die uns jedoch nicht hinderten, unſere Reiſe fortzuſetzen. Den 29. Morgens wurde das Wetter ziemlich gut, aber den Abend erhob ſich ein ſtarker Wind aus SW., mit heftigen Regenguͤſſen begleitet, der uns, in Verbindung mit der Ebbe, fo gewaltſam gegen die nördliche Kuͤſte des Canals trieb, die aus Felſen, hervorſpringenden Klippen und klei— nen Inſeln beſteht, daß unſere Lage ſehr bedenklich wurde. Und doch hatten wir keine andere Wahl, als mit eingereff— ten Segeln vorwaͤrts zu gehen. Kein Leuchtthurm warnte uns vor den uns drohenden Gefahren, und die gaͤnzliche Finſterniß der Nacht verhinderte, ſie zeitig genug zu ent— decken, um ihnen auszubeugen — Grund genug zu Angſt und Sorge! Dieſe beaͤngſtigenden Gefuͤhle wurden durch den ſchnellen Wechſel und den grellen Abſtich unſrer gegenwaͤrtigen Lage mit der, in welcher wir uns nur ein paar Tage zuvor befunden hatten, noch erhöht: dort, um— geben von allen Annehmlichkeiten des Lebens — im Schooße einer geliebten Familie — mitten in dem Kreiſe treuer und aufgeweckter Freunde — und theilnehmend an allen ver— nuͤnftigen und erfreulichen Genuͤſſen, die das Leben ange: nehm und ſchaͤtzenswerth machen koͤnnen; hier, der ganzen Heftigkeit des Sturms blosgeſtellt, von einer ängſtlichen Uns gewiſſenheit gequaͤlt, durch das Dunkel der Nacht verwirrt, mit den Schrecken des Schiffbruchs bedroht! Gegen Anbruch des Tages drehte ſich der Wind gegen W. und NRW., und befreite uns von der Gefahr, an die nördliche Kuͤſte geworfen zu werden. Um 8 Uhr ſprang er vollig nach Norden um und blies furchtbar. Sobald ſich das Wetter fo weit aufklaͤrte, daß wir das Land erkennen Fon: ten, giengen wir wieder in den Canal zuruck, und kamen um 5 Uhr Nachmittag bey Loch Rpan in ſeichtem Waſſer gluͤcklich vor Anker. ö Sonntag, den 31. Maͤrz, hielten wir Gottesdienſt an Bord, Vor- und Nachmittag, nach den Gebraͤuchen der engliſchen Kirche; auch Abends wurden die gewoͤhnlichen religiofen Uebungen, die im Leſen der Bibel, im Singen und Beten beſtehen, mit den Schiffsjungen gehalten, wobey auch mehrere von den Offizieren und Matroſen zugegen waren. Ich hatte Gelegenheit, alle Bibeln, die mir von der Liver— pooler Bibelgeſellſchaft anvertraut waren, um ſie unter mei— ner Mannſchaft fuͤr den halben Preis zu verkaufen, zwoͤlfe an der Zahl, nebſt etlichen neuen Teſtamenten, die von der— ſelben Geſellſchaft herruͤhrten, abzuſetzen. Da der Wind fortfuhr, uns entgegen zu ſeyn, ſo muß— ten wir die ganze Woche auf unſerm Ankerplatz verweilen. Loch Ryan iſt ein ſichrer und bequemer Zufluchtsort fuͤr Schiffe, die nach Weſten oder Norden hin wollen, und der Zugang iſt ſo leicht, daß man ſelten einen Lootſen noͤthig hat, um hinein zu kommen. Die Tiefe des Grundes aͤndert ſich regelmäßig, fo daß auch Fremde mit günfliger Fluch oder Ebbe ohne beſondre Gefahr ein-oder auslaufen koͤnnen, le: diglich durch das Senkbley geleitet. Die Landleute und Fiſcher, welche die Kuͤſte von Loch Ryan bewohnen, ſind ein harmloſes, nichts weniger als zu— dringliches Vöͤlkchen. Wenn fie nicht aufgefordert werden, kommen ſie ſelten an Bord der Schiffe; und laͤßt man ſich mit ihnen in Handel ein, ſo ſind ſie nicht laͤſtig, noch begehr— lich. Ihre vornehmſten Beſchaͤftigungen find Fiſcherey, Au— ſterfang und etwas Ackerbau. Taͤglich ſahen wir eine Menge von Booten mit dem Auſterfang beſchaͤftigt. Die Auſtern, „ MM — welche fie fangen, find meiſtens von einer kleinen Art, und werden das Hundert für 8 Pence D verkauft. Wahrend der Muße, die der Aufenthalt in Loch Ryan uns verſchaffte, befchäftigte ich mich, eine einſtweilige Bor: richtung zu Stande zu bringen, wodurch den Fehlern in dem Gange der Chronometer, welche aus dem Einfluß des Erd— magnetismus auf die ſtaͤhlernen Theile dieſer Werkzeuge ent ſtehen, abgeholfen werden koͤnnte. Dieſer Einfluß iſt bey Chronometern, in welchen die Unruhe zufaͤnig etwas magne⸗ tiſch geworden iſt (und es wird ſchwerlich einen geben, bey welchem dieß nicht mehr oder weniger der Fall ſeyn ſollte), beträchtlich, und wahrſcheinlich die Haupturſache von dem verſchiedenen Gange derſetben auf dem Lande und zur See. Die Art, wie dieſe ſtoͤrende Urſache einwirkt, iſt im allge⸗ meinen bekannt genug. Iſt die Unruhe magnetiſch, ſo iſt klar, daß, wenn der Chronometer eine ſolche Lage hat, daß der Nordpol derſelben gegen Norden gekehrt iſt, der Gang des Inſtruments beſchleunigt, und wenn er gegen Suͤden gekehrt iſt, verzoͤgert werden muß — eben ſo, wie die Schwin⸗ gungen einer Magnetnadel in der Naͤhe eines andern Magnets vermehrt oder vermindert werden, je nachdem die freund: fchaftlichen oder feindſchaftlichen Pole beyder gegen einander gerichtet ſind. Die Aenderungen in dem Gange eines Chro— nometers, die aus dieſer Urſache entſtehen, find ſehr ver⸗ ſchieden, weil ſie nicht nur von der Staͤrke der magnetiſchen Kraft der Unruhe, ſondern auch ſehr weſentlich von der Stel— lung des Inſtruments, waͤhrend ſein Gang auf dem Lande beſtimmt wird, abhängen. Es kann ſich treffen, daß der Gang deſſelben gerade in einer ſolchen Stellung beobachtet wird, wo die magnetiſchen Pole der Unruhe in den magneti⸗ ſchen Meridian, oder nahe dabey fallen; alsdann wird der Feh⸗ ler ein Maximum werden, weil die Stellung des Inſtruments *) Ungefähr fo viel als 5 Fute Groſchen. zur See, wegen der verſchiedenen Richtung des Schiffes, fo vielfach abwechſelt, daß daraus eine mittlere Einwirkung des Erdmagnetismus und ein mittlerer Gang entſteht. Alle Chronometer ſollten daher, wenn fie am Lande geprüft wer— den, wenigſtens in vier verſchiedenen Stellungen beobachtet werden, namlich fo, daß die Stunde 12 nach den vier Cardi— nalpunkten des Horizontes zu liegen kommt. Dadurch wuͤrde man offenbar einen mittlern Gang erhalten — was den Werth des Inſtruments ſehr erhoͤhen wuͤrde, indem es die beſte Aus— gleichung, fuͤr den Fall einer Aenderung in ſeinem Gange, an die Hand giebt). Mit Beyhuͤlfe des Herrn Davies von Liverpool habe ich eine Menge von Verſuchen über die Veränderung in dem Gange der Chronometer nach ihrer verſchiedenen Stellung gemacht. Zwölf oder vierzehn Chronometer, zum Theil aus London, meiſtens aber aus Liverpooler Werkſtaͤtten, wurden beynahe zwey Monate lang in Unterſuchung genommen, und die Stellung eines jeden woͤchentlich ungefähr einmal geaͤn— dert. Etwa die Haͤlfte derſelben zeigte bey jeder veraͤnder— ten Stellung auch eine merkliche Aenderung des Ganges. Den Gang beſtimmte Hr. Davies mit Huͤlfe eines Paſſagen⸗ Inſtruments von Troughton, oder, bey Mangel an Sonnen— ſchein, vermittelſt zweyer guten Pendeluhren. Bey einem Taſchen-Chronometer von Allen und Caith— neß war der Gang in zwey Stellungen (naͤmlich, wenn die 12 *) Unterſuchungen uͤber den Einfluß des Magnetismus auf den Gang der Chronometer — von Georg Harvey finden ſich in „the Edinb. philos. Journ. Jan. 1824.“ Sie ſind mit kuͤnſtlichen Magneten, in verſchiedenen Stellungen gegen den Chronometer, angeſtellt, und haben gleichfalls den Zweck, den Einfluß des Erd⸗ magnetismus auf dieſe Foftbaren, aber empfindlichen Werkzeuge zu beurtheilen. gegen NO. oder SW. fand), ſehr gleichförmig; drehte man ihn aber ſo, daß die 12 gegen SO. zu ſtehen kam, ſo ent— ſtand eine Aenderung von 1,5 in feinem Gange. Bey ei: nem andern Chronometer von Hatton zeigte ſich in zwey ent— gegengeſetzten Stellungen ein Unterſchied von ungefaͤhr 1“. Bey einem eintaͤgigen Chronometer“) von Litherland und Davies konnte man in drey [verfchiedenen Stellungen, naͤm— lich die 12 gegen N., S. und O. gerichtet, keine Verſchie— denheit wahrnehmen; wurde er aber gegen W. gedreht, ſo trat eine Aenderung von 1“ taͤglich ein. Bey einem andern Chronometer von demſelben Kuͤnſtler war in den beyden Stellungen gegen NW. und SO., dem erſten Verſuch zus folge, ein Unterſchied von 2,3 täglich, und nach dem zweyten Verſuch, von 1,1. Bey einem achttaͤgigen Chro— nometer von Margetts hatte eine Veraͤnderung in der Stel— lung auch einen merklichen Einfluß auf den Gang deſſelben. Aber der auffallendſte Unterſchied zeigte ſich bey einem acht— taͤgigen Chronometer von Litherland und Davies. Blieb dieſer in einerley Stellung, ſo war ſein Gang ſehr ſchoͤn; drehte man ihn aber von NO. nach SW.., fo gieng er taͤg— lich um 4,/4 zu langſam. Brachte man ihn darauf in ſeine vorige Stellung zuruͤck, ſo beſchleunigte ſich ſein Gang wieder, und ſogar noch mehr als vorher. Dieſer Verſuch wurde mehreremal wiederholt, und jedesmal zeigte ſich eine Aenderung von 4,4 bis 9,5 täglich; und immer Verzoͤge- rung, wenn er von NO. nach SW. gekehrt wurde, und Be— ſchleunigung, bey umgekehrter Wendung. In den Stellun— gen von SO. und NW. fand zwar auch einiger Unterſchied ſtatt, aber kein ſehr betraͤchtlicher. Da die Verſuche mit dem letztern Inſtrument bey weitem die entſcheidendſten waren, ſo war ich neugierig, die Unruhe *) D. i. deſſen Gang nur einen Tag dauert, und der daher alle Tage aufgezogen werden muß. er deſſelben zu unterſuchen — ein Wunſch, dem Hr. Davies ſehr bereitwillig entgegen kam. Es fand ſich, daß ſie ſtark magnetiſch war; indem fie auf eine kleine Nadel in einer Entfernung von mehr als einem Zoll ſehr kraͤftig wirkte. Wir unterſuchten auch die Unruhe eines andern Chronome— ters aus derſelben Werkſtatt, deſſen Gang in allen Stellun— gen ſehr gleichformig war, und hatten die Befriedigung zu ſehen, daß ſie gaͤnzlich frey vom Magnetismus war. Obgleich bey den meiſten Chronometern mit einer Aen— derung ihrer Stellung auch eine Aenderung ihres Ganges verbunden iſt, ſo verdient es doch bemerkt zu werden, daß bey einer noch ſo ſorgfaͤltigen Wiederholung deſſelben Ver— ſuchs nicht immer dieſelbe Aenderung des Ganges erfolgt. In manchen Faͤllen waren die Veraͤnderungen ſehr abwei— chend von einander. 8 Ein Mittel, dieſer Quelle von Fehlern bey Chronometern, die nicht allzugroß ſind, vorzubeugen, koͤnnte man, glaube ich, dadurch erlangen, daß man ſie immer in derſelben Stel— lung zu erhalten ſuchte, und zwar vermittelſt einer Magnet— del. In dieſer Abſicht legte ich einen Chronometer in ein leichtes Gehaͤuſe von Kartenpapier, ſtellte dieſes auf ein klei— nes Kreuz von duͤnnem Meſſing, das auf einem langen Stift in einer Kompaßbuͤchſe ruhte, und an die Arme des Kreuzes hieng ich eine in der Mitte durchbrochene rhomboidaliſche Kompaßnadel auf. Ich fand, daß dieſe Nadel, obgleich nur von gewoͤhnlicher Große, doch vollkommen im Stande war, mit einem Gewicht von einem bis anderthalb Pfund hin und her zu ſchwingen, und mit großer Leichtigkeit, wenn ſie mit einem Taſchenchronometer von geboriger Groͤße beſchwert war. Durch ſie wird alſo der Chronometer unveraͤndert in derſelben Stellung erhalten, und da er zugleich in doppelten Ringen hängt, fo ſchuͤtzt ihn dieß gegen den uͤbeln Einfluß des Schwankens des Schiffes auf dem Meere. Die Magnet— — 28 — nadel hieng 5 bis 6 Zoll unter dem Chronometer, ſo daß ſie keine größere Wirkung als der Erdmagnetismus auf denſel⸗ ben haben konnte, und da die ihrige der des Erdkoͤrpers ge— rade entgegen war, fo diente fie mehr den Einfluß des letz⸗ tern aufzuheben, als ihn zu verſtaͤrken. So viel man aus Verſuchen in ſtillem Waſſer urtheilen konnte, entſprach dieſe Vorrichtung ihrem Endzweck vollkommen. Sonntag den 7. April. — Da innerhalb ſechs Meilen von unſerm Ankerplatz keine Kirche war, fo ſchickte ich des Mor: gens ein Boot nach dem Dorfe, um die Leute einzuladen, die Luſt hätten, unſerm Gottesdienſt am Bord beyzuwohnen. Sogleich kamen gegen funfzig Perſonen vom Lande, und die Capitains von zwey Schiffen, die in unſerer Naͤhe lagen, nebſt einem Theil ihrer Mannſchaft zu uns. Das gute Wet— ter geſtattete, den Gottesdienſt auf dem Verdeck zu halten. Den Tag darauf lichteten wir mit Tagesanbruch die Anz ker, und gelangten ohne beſondere Schwierigkeit durch den Nord⸗Canal in das atlantiſche Meer. Bis zum 11. Mittags hatten wir die Inſel Kilda paſſirt. An dieſem Tage gab uns ein Azimuth, das wir von der Sonne nahmen, die Abwei— chung der Magnetnadel nur 23 anſtatt 32 Grad. Dieſer Unterſchied, der ſich auf 9 Grad belief, war alſo die Ab— lenkung, die durch den Einfluß des Schiffes bey einem Laufe gegen NRO. hervorgebracht wurde — in der That eine ungewöhnliche Größe! | Da das Schiff ſich jetzt im offenen Meere befand, fo wurde die Mannfchaft in drey „Wachen“ getheilt, von denen jede eine gleiche Anzahl Harpunirer, Steuerleute u. ſ. w. enthielt. Dieſe Einrichtung, die ſich bey der ſtarken Beman— nung eines Groͤnland-Schiffes leicht machen laͤßt, geſtattet einem jeden Mann, außerordentliche Faͤlle abgerechnet, 16 Stunden Ruhe binnen 24 Stunden. Dieß iſt eine große — . U r. 3 Erleichterung für die Leute bey kaltem Wetter, und eine Art von Entſchaͤdigung fuͤr die außerordentlichen Anſtrengungen, zu welchen fie bisweilen genöthigt find. Zu gleicher Zeit wurde zu einem jeden unſrer ſieben Wallfiſch-Boote ein Verein von 6 oder 7 Mann gebildet, der dafuͤr zu ſorgen hatte, daß die Boote voͤllig in Bereitſchaft fuͤr den Fang ge— ſetzt wuͤrden und alles in Ordnung waͤre, wenn ſie gebraucht werden ſollten. Den 13. kamen wir weſtlich bey den Faroͤer Inſeln, in nicht großer Entfernung, vorbey; aber wegen des neblichten Vetters konnten wir fie nicht ſehen. Zu meiner großen Verwunderung meldete man mir am 14. fruͤhe, daß ein Stuͤck Eis vorbey getrieben waͤre; und bald darauf, daß man einige Stroͤme von kleinern Eis— ſtuͤcken“) ſehen Eonnte, welches uns veranlaßte, umzulegen, und uns gegen Suͤden zu wenden. Bey dieſer Gelegenheit war der Einfluß des Eiſes auf die Entſtehung des Nebels recht augenſcheinlich. Wir hatten zwar ſchon einen oder zwey Tage vorher neblichtes Wetter gehabt; aber ſo wie wir dem Eiſe naͤher kamen, wurde der Nebel immer dichter und dichter, bis er die gewöhnliche Dunkelheit und den eigentli— chen Charakter der Polar- Nebel erlangte. Ich habe nie vor: her in dieſen Gegenden Eis geſehen, da wir uns hier etwa 150 Meilen öſtlich von Island, und nur in einer Breite von 64 30“ befanden. Es mußte durch anhaltende ſtarke Stürme von NW. hieher gebracht worden ſeyn. Der Einfluß deſſel— ben auf das Klima von Island, das damals ganz von Eis 0 „ Brash streams. Scoresby erklärt brash- ice durch Eis, das kleiner waͤre als Treibeis, und aus rundlichen Klumpen und Bruchſtuͤcken, die durch das Zuſammenſtoßen größerer Eismaſſen ers zeugt wuͤrden, beſtaͤnde. Man koͤnnte es als die Truͤmmern anderer Arten von Eis betrachten. „ * umſchloſſen zu ſeyn ſchien, muß ſehr unangenehm und nach theilig fuͤr ſeine Bewohner geweſen ſeyn. Gewoͤhnlich ent— fernt ſich ſonſt das Eis im Sommer weit von der Kuͤſte; aber dieſesmal iſt wahrſcheinlich der noͤrdliche Theil der Inſel waͤhrend der letzten 18 Monate nicht frey davon geworden. Denn gegen Ende des Auguſts 1821, zu einer Zeit, wo ſich das Eis am weiteſten vom Ufer entfernt haben ſollte, fand ich das Vorgebirge Langaneß noch auf große Strecken von ſchwerem Treibeis eingeſchloſſen, das, wie es ſcheint, die Kuͤſte den ganzen Sommer nicht verlaſſen hat. Dabey war der hoͤchſte Stand des Thermometers, während ich aus einer Breite von 71 bis zu 67 Grad herab kam, 38, und in der Nähe der Kuͤſte war er um Mittag nur 35° und fruͤhmorgens 320. Man kann denken, daß ein ſolcher Grad der Kaͤlte im hohen Sommer ſehr uͤbel auf das Pflanzenreich wirken, und daher auch dem Vieh ſehr nachtheilig ſeyn muß, da der Er: trag an Futter fuͤr daſſelbe in dieſen Gegenden immer nur ſpaͤrlich iſt. Gleichwohl war in dem Innern der Inſel, wie man aus den daͤniſchen Tagebuͤchern ſieht, der Sommer von 1821 gerade ungewohnlich warm. Den 15. bey Tagesanbruch trafen wir auf Eis, zwiſchen welchem wir eine Zeitlang fortgiengen; aber wir wurden bald in unſerm weitern Laufe gegen Oſten durch eine zuſam— menhaͤngende Maſſe von dichtem Eis aufgehalten. Nachdem wir einige Stunden gegen Süden geſteuert hatten, in der Hoffnung das Eis zu umfahren, ſo fand ich, daß es ſich noch weiter gegen den Wind hinzog, ſo weit nur das Auge vom Mars aus unterſcheiden konnte ). Da es mir aber doch ein *) Das Mars iſt daſſelbe, was ſonſt auch der Maſtkorb genannt wird; doch iſt jener Ausdruck (nach Roͤdings Woͤrterbuch der Marine) gebraͤuchlicher als dieſer. Es beſteht in einer Art von Geruͤſte an den Maſten, das theils zur Befeſtigung der verſchiedenen Theile der— ſelben, theils zu einem erhoͤheten Standort dient. 5 bloßer Streifen von Eis zu ſeyn ſchien, der ſuͤdwaͤrts in das Meer hinaus ragte und an manchen Stellen nicht ſehr breit waͤre, ſo beſchloß ich zu verſuchen, ob wir einen Weg durch— brechen konnten. Wir fuhren alſo gegen einen der ſchmal— ſten Theile deſſelben, und ob es gleich recht feſt und dicht war, und durch das wogende Meer ſehr in Bewegung geſetzt wurde, ſo gelang es uns doch, in Zeit von einer Stunde hindurch zu kommen. Es ließen ſich einige Seehunde auf losgerißnen Eisſtuͤcken ſehen; aber ihre Anzahl war nicht groß genug, um uns zu verleiten, uns um ihrentwillen bey gutem Winde aufzuhalten. Wir ſteuerten nach O gen S. und waren bald frey vom Eiſe; gegen Abend hielten wir uns gegen ORO. Das Wer: ter war den ganzen Tag ſchön und heiter, bis auf einen leichten Nebel in der Naͤhe des Horizontes, der von der Kaͤlte des Eiſes herruͤhrte. Unſre Breite zu Mittag war 64° 41’ und die Abweichung der Magnetnadel 30° weſtlich, während das Schiff gegen O. ſtand. Eine oder zwey Stunden vor Mitternacht hatten wir ein ſehr glaͤnzendes Nordlicht. Es fieng in Norden an, und breitete ſich in einem Bogen noch uͤber das Zenith gegen S. aus. Im Zenith bildete ſich eine Art von Krone, die hoͤchſt glaͤnzend war, und aus welcher unzaͤhlige Strahlen vom ſchoͤnſten Licht, mit erſtaunender Geſchwindigkeit, hervorſchoſſen. Der Schein war dem Voll— mond an Staͤrke gleich; und mannigfache Farben, beſon— ders blau, gruͤn und blaßroth konnte man, nach dem Be— richt meiner Offiziere, deutlich unterſcheiden. Seine aus— nehmende Klarheit, und die Lebhaftigkeit des flammenden Schimmers machten, daß es nicht ſehr hoch zu ſeyn ſchien; und wenn die Strahlen gegen das Schiff zu fuhren, ſo ſah es faſt aus, als ob ſie die Spitzen der Maſten ſelbſt erreichten. Zwiſchen den Parallelkreiſen vom 62ſten oder 63ſten bis zum 70ſten Grade iſt das Nordlicht, im Fruͤhjahr und Herbſt, = m ww eine ſehr gewöhnliche Erſcheinung. Nie aber habe ich dieſes merkwuͤrdige Meteor, auf meinen vielen Reiſen nach ’ den Polargegenden, ſchoͤner geſehen, als am 3. April 1820. Der Abend war fihön und heiter, und der Wind weſtlich. Die Erſcheinung fieng zuerſt in N. an, und brei⸗ tete ſich allmählig in einem leuchtenden Bogen, über das Zenith hinaus, faſt bis gegen den ſüdlichen Horizont aus. Darauf erſchien plotzlich ein dunkleres Licht, das ſich über den ganzen Himmel auf der oͤſtlichen Seite des magnetiſchen Meridians verbreitete, während auf der weſtlichen Seite nur wenige einzelne Flecken zu ſehen waren. Der oſtliche Theil des Nordlichts überhaupt war mehr grau und dunkel, und zeigte wenig Bewegung; aber in dem Bogen, der durch das Zenith ging, ſah man ein ungewöhnliches Spiel des Lichts und einen beſtaͤndigen Wechſel der Geſtalt. Bisweilen zeigte ſich ein leuchtender Rand gegen Weſten, und an man— chen Stellen deſſelben das Licht in dem glaͤnzendſten Feuer. Die Strahlen giengen etwas ſchief gegen die Richtung des Bogens; übrigens aber einander parallel, und meiſtens in der Richtung des magnetiſchen Meridians. Bald dehnten ſie ſich ſeitwaͤrts gegen den Wind aus; bald wieder in entgegen— geſetzter Richtung. Jetzt ſchoſſen ſie eine Menge leuchtender Spitzen vorwärts; dann ſanken fie in Dunkelheit zuruͤck, oder zerſtreueten ſich in einen anſcheinend bloßen Dunſt. Die Farben waren gelblich-weiß und graulich-weiß. Alle Sterne bis zur vierten Große konnte man, ſelbſt bey dem lebhafteſten Glanz des Meteors, durchſehen. Der große Baͤr war einmal in ein ſo ausgezeichnetes Lichtfeld einge— ſchloſſen, daß man haͤtte glauben können, ein Wappen vor ſich zu ſehen, worin das Thier ſich ſtolz erhebt, ſeine zot— tigen Beine ſchuͤttelt, und mit Verachtung auf die weniger ausgezeichneten Sternbilder um ſich her hinblickt. Die Ple— jaden waren durch den Schein des Nordlichts fat verdun— kelt; obgleich die Venus und alle großern Sterne in gehoͤri— gem Glanze erſchienen. Ich habe niemals bemerkt, daß das G 5 Strahlenſchießen des Nordlichts mit irgend einem Geraͤuſch verbunden geweſen waͤre; freylich verhindert das Brauſen, das durch das Anſchlagen der Wellen und durch das Flattern der Segel bey ruhigem Wetter hervorgebracht wird, daß man einen ſchwachen Schall hoͤren kann. [ Das Nordlicht, das in England nicht ſehr oft zu ſehen iſt, fängt in der Breite der ſhetländiſchen und Farder Inſeln an ſehr gemein zu werden. In Island und andern Gegen— den um den Polarkreis kommen fie im Winter faſt in jeder hellen Nacht vor. Im Sommer konnen fie dort, wegen der Helligkeit der Naͤchte, ſelten geſehen werden. — In man— chen Fällen folgte, nach meiner Erfahrung, ſtuͤrmiſches Wetter auf ein glaͤnzendes Nordlicht; und einmal einer der ſchrecklichſten Stuͤrme, welchem ich je ausgeſetzt geweſen bin; in andern Faͤllen war das Wetter ſchoͤn, oder veraͤn— derlich. Ein verſtaͤndiger alter Mann, ein Lootſe von Ler— wick, der mir ſeine Erfahrungen uͤber den Zuſammenhang der Witterung mit dem Nordlicht mittheilte, behauptete, daß, wenn es in NRW., in der Naͤhe des Horizontes, erſcheint, ohne ſeine Strahlen gegen das Zenith zu verbreiten, es ſtillen Froſt anzeigt. Iſt es aber glaͤnzend und breitet ſich gegen SW. aus, ſo kann man Wind erwarten; und dehnt es ſich gegen SO. aus, Regen oder Schnee und Regen vermiſcht. Wenn es ſich dagegen in betraͤchtlicher Hohe uͤber dem Horizont fe: hen laͤßt, ein rothes oder kupferfarbiges Anſehen hat, und ſeine Strahlen bis in das Zenith hinauf ſchießt, ſo bedeutet es heftigen Sturm. Die erſte und letzte dieſer Angaben ſtimmt mit der allge: meinen Erfahrung uͤberein; aber uͤber die Richtigkeit der mittlern kann ich nicht urtheilen, da ich keine Gelegenheit zu Beobachtungen daruͤber gehabt habe. Auch habe ich nie Ee— legenheit gehabt, die geringſte Unruhe der Magnetnadel, oder irgend eine Art von elektriſcher Erſcheinung in der un⸗ 2 2 . tern Atmoſphaͤre waͤhrend eines Nordlichtes zu beobachten. Dieß ſind Gegenſtaͤnde, uͤber die ich noch in der Folge Unter— ſuchungen anzuſtellen hoffe ).] Waͤhrend einiger Tage nach dem Nordlicht war das Wetter ungewöhnlich ſchöͤn. Wir hatten mäßigen Wind und ofters Windſtille. Das Meer war in einem Strich von 50 Meilen olivengruͤn und auffallend truͤbe; aber am 17. April Nachmittags aͤnderte es ſeine Farbe in ein durchſichtiges Blau. Das gruͤne Anſehen des Seewaſſers in dieſen Brei— ten, rührt, wie ich ſchon früher bemerkt habe, von einer unzaͤhligen Menge kleiner Schleimthierchen von gelblicher Farbe her, die darin enthalten ſind. Eine Berechnung uͤber die Anzahl derſelben in einem Raum von zwey Quadratmei— len und 250 Faden Tiefe, gab die ungeheure Summe von 23% 888,000“ 000,000. [Das Waſſer des großen Oceans iſt bekanntlich eben ſo durchſichtig und farbenlos, wie das der reinſten Quellen; *) Wir haben neuerlich eine Menge ſchaͤtzenswerther Beobachtungen über das Nordlicht erhalten, vornehmlich durch die Reifen des Capi⸗ tain Parry, und des Capitain Franklin. Aus der Reiſebe— ſchreibung des letztern hat Gilbert im 74ſten und 75ſten Bande ſeiner Annalen die Beobachtungen zweyer Reiſegefaͤhrten deſſelben vollſtaͤndig mitgetheilt. Es erhellet daraus, daß die Erſcheinung, wenigſtens oͤfters, nicht in ſo hohen Regionen vor ſich geht, als man wohl ſonſt geglaubt hat. Indeſſen iſt der eigenthuͤmliche Cha⸗ rakter derſelben noch immer nicht ſehr dadurch aufgeklaͤrt worden, indem die Beobachter ſich meiſtens auf das aͤußere Anſehen der Er— ſcheinung beſchraͤnken, und Beobachtungen mit ſubtilen, zumal metallenen Inſtrumenten, in fo kalten Winternachten große Schwie— rigkeiten haben. Auch waͤre ſehr zu wuͤnſchen, daß, da die meiſten Beobachtungen aus nordamerikaniſchen Gegenden herruͤhren, wir auch von der andern Seite der Erdkugel, aus Sibirien, aͤhnliche Beobachtungen erhalten moͤchten. und nur-in beträchtlichen Tiefen geſehen, erſcheint es unter einer beſtimmten und unveraͤnderlichen Farbe. Dieſe Farbe iſt gewöhnlich ultramarin-blau, und von dem Blau des Himmels nur durch einen dunklern Anſtrich verſchieden. Es ſcheint, daß da, wo dieſe Farbe ſich zeigt, die Lichtſtrahlen von dem Waſſer verſchluckt werden, ohne den Meeresgrund zu erreichen, und nur die blauen Strahlen zuruͤckgehen. Wo aber die Tiefe nicht ſehr groß iſt, da wird die Farbe des Waſſers durch die Beſchaffenheit des Bodens veraͤndert. So giebt z. B. ein feiner weißer Sand, an ſehr ſeichten Stellen, dem Paſſer eine gruͤnlich-graue, oder eine apfelgruͤne Farbe, die deſto dunkler wird, je mehr die Tiefe zunimmt, oder die Staͤrke des Lichts abnimmt; gelber Sand, in maͤßigen Tie— fen, macht eine dunkelgruͤne; dunkler Sand eine ſchwaͤrzlich— gruͤne; Felſengrund eine braͤunliche oder ſchwaͤrzliche; und lockerer Sand oder Schlamm, an Stellen, wo Ebbe und Fluth ſtroͤmt, eine grauliche Farbe. Von ſolchen Einwir— kungen des Meeresbodens muß man unſtreitig die Benennun— gen des weißen, des ſchwarzen, des rothen Meeres herleiten. In der Nähe der Muͤndungen großer Ströme hat das Meer oft eine braͤunliche Farbe, die von dem beyge— miſchten Schlamm und andern vegetabiliſchen und minerali— ſchen Stoffen, die vom Lande in's Meer gefuͤhrt werden, herruͤhrt. Aber mitten im Meere und in tiefem Waſſer iſt die Hauptfarbe blau oder gruͤnlich-blau. Ueberdieß verdient bemerkt zu werden, daß bey Erſcheinung einer Farbe des Meeres öfters eine Taͤuſchung ſtatt findet, die von der Sonne oder der Farbe der Wolken herruͤhrt. Die wahre Farbe deſ— ſelben kann man nur wahrnehmen, wenn man das Waſſer gerade herunterwaͤrts durch eine lange Roͤhre, die bis nahe an die Oberflaͤche reicht, betrachtet; dadurch werden die Seitenſtrahlen, die vornehmlich die Taͤuſchung bewirken, zuruͤckgehalten, und man erlangt eine deutliche Anſicht von dem Innern des Meeres. Der Kaſten, wodurch das Steuer— ruder geht, kann fuͤglich dazu gebraucht werden. Blickt 3 man aber nur gegen die Oberfläche des Waſſers, von einem freyen Standpunkt aus, ſo wird man finden, daß das An— ſehen des Meeres ſich überall mit jeder Aenderung in dem Zuſtande der Atmoſphaͤre aͤndert. Die Oberflaͤche nimmt gewiſſermaßen Antheil an der Farbe der Wolken; es kann daher geſchehen, daß, wenn der Himmel im Ganzen hell iſt, eine kleine Wolke, die die Strahlen der Sonne in einem kleinen Bezirk auffaͤngt, einen dunkelblauen oder ſchwaͤrzli— chen Schatten auf das Waſſer wirft, der ihm bisweilen das Anſehen einer Untiefe oder einer Klippe giebt, und dem Schif: fer ein unnoͤthiges Schrecken verurſacht. Wenn alſo von der Farbe des Meerwaſſers die Rede iſt, ſo hat man ſich nicht dieſen veraͤnderlichen Schein der Oberflache zu denken, ſondern das Anſehen einer Waſſermaſſe im Innern, wie es durch eine lothrechte Rohre erſcheint. Dieſes erleidet durch eine Aenderung am Himmel keine andere Veraͤnderung, als daß es heller oder dunkler ausſieht, ohne die Farbe ſelbſt zu verändern. Man wird daher, bey dieſer Art zu beobachten, immer dieſelben Farben erkennen, bey Sturm wie bey Wind— ſtille, bey ſchoͤnem oder haͤßlichem, heiterm oder wolkichtem, trocknem oder regnichtem Wetter. Die Farbe des groͤnländiſchen Meeres ) wech— ſelt vom Ultramarin-Blau bis zum Olivengruͤn; und von der reinſten Durchſichtigkeit bis zur gänzlichen Undurchſich— tigkeit. Dieſes Ausſehen iſt nicht voruͤbergehend, ſondern bleibend; indem es nicht von dem Zuſtand der Witterung, ſondern von der Beſchaffenheit des Waſſers ſelbſt abhängt. ) Zufolge eines Paragraphen in der öffentlichen Verordnung über den Wallfiſchfang, faͤngt, wie Scoresby erinnert, das grönländifche Meer mit dem Parallelkreis von 59° 307 N. B. an und erſtreckt ſich ſo weit gegen den Pol, als es befahren werden kann. Die Wallfiſchfaͤnger aber verſtehen darunter gewoͤhnlich nur das Meer zwiſchen Spitzbergen und Groͤnland. * Schon Hudſon, als er im Jahr 1607 dieſe Gegenden be: ſuchte, bemerkte dieſelben Veraͤnderungen in der Farbe des Meerwaſſers, und er machte die Beobachtung, daß da, wo Eis war, das Meer blau wäre, hingegen grün, wo es offen war. Dieſer Umſtand war jedoch nur zufaͤllig. Capitain Phipps ſcheint nicht ein ſolches gruͤnes Waſſer angetroffen zu haben“). Dagegen kommt es in betraͤchtlicher Menge zwiſchen den Parallelkreiſen von 74 und 80 Grad vor, wo es vielleicht den meiſten Theil von der Oberfläche des groͤnlaͤn⸗ diſchen Meeres ausmacht. Es iſt Aenderungen in ſeiner Lage unterworfen, die von der Wirkung der Stroͤmungen abhaͤngen; aber es erneuert ſich immer, in gewiſſen Gegen— den, von Jahr zu Jahr. Oft bildet es lange Streifen oder Stroͤme, die von N. nach S., oder von NO. nach SW. gehen, aber in ſehr verſchiedener Ausdehnung; bisweilen habe ich es in einer Laͤnge von zwey bis drey Breitengraden, und in einer Breite von einigen wenigen Meilen bis zu 10 oder 15 Stunden geſehen. Man trifft es in hohen Breiten ſehr haͤufig um den Meridian von London herum. Im Jahr 1817 fand ich das Meer von einer blauen Farbe und Durch: ſichtig, in der ganzen Stricke vom 12ten Grad der Laͤnge bis zu 0» 12“ unter dem Parallel von 74 und 755. Dann wurde es gruͤn und weniger durchſichtig. Die Farbe war beynahe grasgruͤn, mit einer Schattirung von ſchwarz. Bisweilen iſt der Uebergang vom Grün ins Blau ſtufenweiſe, und man findet in einem Zwiſchenraum von drey bis vier Meilen alle Zwiſchenfarben; einandermal aber iſt er ſo ploͤtz— lich, daß man die Scheidelinie wie den Strich eines ſtroͤ— menden Waſſers ſehen kann; und die Eigenſchaften beyder Arten von Waſſer zeigen ſich dem Anſehen nach fo verſchie— *) Dieſer hat bekanntlich im Jahr 1773 eine Reiſe nach dem Nordpol unternommen, wobey er jedoch nicht hoͤher, als zwiſchen 80 und 81° gekommen iſt. Die Beſchreibung davon iſt London 1774. 4. erſchienen. al. den, wie das Waſſer eines großen ſchlammigen Stroms bey ſeinem erſten Eintritt in das Meer. Im Jahr 1817 traf ich auf ſolche ſchmale Streifen von verſchieden gefaͤrbtem Waſ— fer, daß wir in Zeit von 10 Minuten durch blaßgruͤn, oli— vengruͤn und blau kamen. Die Nahrung der Wallfiſche findet ſich hauptſaͤchlich in dem gruͤngefaͤrbten Waſſer; dieſes liefert daher auch mehr Wall: fiſche, als irgend ein anderes Waſſer, und wird deshalb be— ſtaͤndig von den Wallfiſchfaͤngern aufgeſucht. Ueberdieß koͤnnen auch die Fiſche leichter darin gefangen werden, als in dem blauen Waſſer, weil es durch ſeine Undurchſichtigkeit verhindert, daß der Wallſiſch die Annaͤherung ſeiner Feinde gewahr wird. Da man in dieſer Art von Waſſer nichts beſonderes wahrnimmt, das hinreichend waͤre, ihm dieſe merkwuͤrdige Farbe zu ertheilen, ſo glaubte ich anfangs, daß man die Ur— ſache davon in der Beſchaffenheit des Bodens ſuchen muͤßte. Ich bemerkte aber, daß das Waſſer ſo wenig Durchſichtigkeit hatte, daß man lange und ſchmale Stuͤcken Eis, zwey oder drey Faden unter Waſſer, kaum oder bisweilen gar nicht er— kennen konnte, und daß das in ſolchem Waſſer ſchwimmende Eis oft an den Raͤndern mit einem orangegelben Streifen bezeichnet war; daraus ſchloß ich, daß dieß von irgend einer gelben Subſtanz herruͤhren muͤßte, die im Waſſer ſchwebte, und daß durch die Verbindung dieſer Farbe mit dem natuͤr— lichen Blau des Seewaſſers das gyuͤne Ausſehen des letztern hervorgebracht wuͤrde. ' Um die Beſchaffenheit der faͤrbenden Subſtanz näher zu unterſuchen, nahm ich eine Parthie Schnee von einem Stuͤck Eis, das von der See beſpuͤlt war, und worauf ſich eine Menge jener Subſtanz abgeſetzt hatte. Etwas von dieſem Schnee, in einem Weinglaſe geſchmolzen, zeigte ſich ganz 1 truͤbe; und es fand ſich, daß das Waſſer eine große Menge halbdurchſichtiger ſphaͤriſcher Korperchen, nebſt andern, die. kleinen Stuͤcken von feinem Haar glichen, enthielt. Als ich dieſe Stoffe mit einem zuſammengeſetzten Mikroſkop unter— ſuchte, konnte ich folgende Beobachtungen machen: Die halbdurchſichtigen Kuͤgelchen zeigten ſich als kleine Thierchen von der Art der Meduſen. Sie waren von zz bis Ds eines Zolles im Durchmeſſer. Die Oberflache war mit 12 deutlichen Flecken oder kleinen Gruppen von Flecken von einer braͤunlichen Farbe bezeichnet; dieſe Flecken waren paar— weiſe geordnet, indem abwechſelnd 4 oder 16 Paare eine Gruppe bildeten. Der Korper war durchſichtig. Wurde das Waſſer, das ſolche Thierchen enthielt, erhitzt, ſo verbrei— tete es einen ſtarken Geruch, gewiſſermaßen dem Geruch von Auſtern, die auf heiße Kohlen gelegt werden, aͤhnlich, aber noch viel angreifender. Die fafrigen oder haaraͤhnlichen Koͤrperchen ließen ſich beſſer unterſuchen, da ſie von einer dunklern Farbe waren. Sie waren in der Laͤnge verſchieden, von einem Punkt bis zu 20 Zoll; und bey ſtarker Vergroͤßerung zeigten fie ſich von einer netten Geſtalt, wie Halsbaͤnder. Bey den laͤngſten Arten derſelben war die Zahl der perlartigen Gliederungen ungefaͤhr dreyßig; folglich der Durchmeſſer derſelben etwa 356 Zoll. Einige dieſer Körperchen ſchienen ihr Anſehen zu veraͤndern; ob es aber wirklich lebende Geſchoͤpfe waren, ei— ner willkuͤhrlichen Bewegung faͤhig, konnte ich nicht mit Ge⸗ wißheit erkennen. An einem der größten beobachtete ich ei— nige zarte Geitenfibern. Sie beſaßen die Eigenſchaft, das Licht zu zerlegen, und zeigten bisweilen alle Farben des Re— genbogens ſehr deutlich. Die Größe der Gliederungen ſchien bey allen gleich zu ſeyn, und der Unterſchied in der Laͤnge nur von der verſchiedenen Anzahl der Gliederungen herzu— ruͤhren. Die ganze Subſtanz hatte eine große Aehnlichkeit a A mit den Fuͤhlhoͤrnern der Krabben, wovon ſie vielleicht Bruch: ſtuͤcke waren, da die Krabbenarten in dem groͤnlaͤndiſchen Meere in großer Menge vorhanden ſind. Die Anzahl der kleinen Meduſen in dem olivengruͤnen Seewaſſer war unglaublich groß. Man konnte annehmen, daß eines dieſer Thierchen von dem andern etwa um 2 Zoll abſtand. Hiernach kamen auf einen Cubikzoll Waſſer 64, und auf einen Cubikfuß 110,592 derſelben; woraus die un⸗ geheure Menge in groͤßern Raͤumen ſich leicht ſchaͤtzen laͤßt.] Unſere Breite am 17. April war 65° 58' und die Laͤnge 3⁰ 53“ weſtlich. An dieſem Tage gieng eine Menge Treibholz bey unſerm Schiff voruͤber; bisweilen zwey oder drey Stuͤcke zugleich. Wir zogen zwey Baͤume herauf; der eine war über 30 Fuß lang, vollkommen gerade, und ſehr paſſend zu einem Kluͤver-Baum “). Dieſer große Vorrath von Treib- holz kommt unſtreitig aus den großen Stroͤmen Sibiriens her, die ihn in das Eismeer fuͤhren, von wo er durch die weſtliche Stroͤmung, die an dieſer Kuͤſte herrſcht, in das groͤnlaͤndiſche Meer zerſtreut wird. Alles Treibholz, welches ich unterſucht habe, war von Nadelholz; manches darunter von geringem Durchmeſſer, das Wachsthum von Jahrhun— derten; Birken aber hat man, ſo viel ich erfahren habe, auch angetroffen. Es iſt nicht ungewöhnlich, daß man Baͤume, mitten in großen Eisſchollen, gerade aufgerichtet findet — ein Umſtand, der ſehr zu Gunſten der Meinung ſpricht, daß ſolche Schollen ſich am Ufer gebildet haben. Im Sommer 1821 traf ich verſchiedene Stuͤcke von Bauholz an, die eine ſolche Stellung hatten. Eines von dieſen, das wir umhie— ben (denn es war ſo feſt in das Eis eingeſenkt, daß wir es *) Hierunter verſteht man die Stange, womit das Bugſpriet verlaͤn⸗ gert wird, und die hauptſaͤchlich dazu dient, das Kluͤverſegel (d. i. das vorderſte dreyeckige Segel) auszuſetzen. nicht anders wegbringen konnten) war wegen feiner dichten und feinen Textur bemerkenswerth. Es war ein Stuͤck eines Fichtenſtammes, 12 Fuß lang; und ob es gleich nicht mehr als 67 Zoll im Durchmeſſer hatte, ſo konnte man doch aus der Menge ſeiner Ringel an einem Querſchnitte leicht wahr— nehmen, daß es uͤber 200 Jahre gebraucht hatte, um dieſe Staͤrke zu erreichen. Dieſe außerordentliche Langſamkeit des Wachsthums ſchien zu beweiſen, daß es das Produkt einer hohen Breite ſeyn mußte. Vieles Treibholz, das ich in der Naͤhe von Spitzbergen geſehen habe, hatte noch die Wurzeln. Manche ſchienen durch reißende Gewaͤſſer von ihrem Stand— ort geriſſen, andere, an denen man noch die Spuren des Feuers, unweit der Wurzeln, ſah, durch dieſes Element fortgebracht zu ſeyn. Den 18. trafen wir, in einer Breite von 66° 49’ und 3° weſtlicher Länge, wieder auf Eis. Da ich überlegte, daß die Jahreszeit für den Seehundsfang, der gemeiniglich gegen das Ende des Maͤrz oder zu Anfange Aprils am vortheilhaf— teſten iſt, ſchon zu weit vorgeruͤckt war, ſo wuͤnſchte ich, je eher je lieber in eine hoͤhere Breite zu gelangen; ich wandte mich deßhalb vom Eiſe weg und ſteuerte gegen RO gen N. Den folgenden Tag zu Mittag fand ich, da wir die Nacht ein gutes Stuͤck vorwaͤrts gekommen waren, unſere Breite 68° 45° und die Laͤnge nach dem Chronometer 08“ weſtlich. Die magnetifche Abweichung zeigte ſich nur 14° weſtlich, bey einem Lauf nach NO gen O. indeß die wahre Abweichung ungefaͤhr 22 Grad betragen mußte. Dieſer Un— terſchied von 8 Graden ruͤhrte alſo von der beſondern Einwir— kung des Schiffes auf den Kompaß her. Da ich noch nicht unterſucht hatte, wie weit jetzt die Ablenkung der Magnetna— del durch das Schiff, bey den verſchiedenen Richtungen deſ— ſelben gieng, ſo befanden wir uns in nicht geringer Ungewiß— heit, ſo oft eine Aenderung in dem Laufe des Schiffes noͤthig 0 — N war. Der Baffin, der eine eiſerne Ruderpinne und ſonſt ſtarkes Eiſenwerk am Steuerruder hat, bringt eine außer— ordentliche Ablenkung in den Kompaſſen zuwege. Auf der er— ſten Reiſe in demſelben (1820) zeigte ſich dieß noch mehr, und war nicht wenig gefaͤhrlich fuͤr uns, bevor es entdeckt wurde. Es brachte, bey einem Lauf gegen NO gen O., ei— nen Fehler von einem Grade in der Breite in dem Wege ei— nes einzigen Tages hervor; indem die Ablenkung in dieſer Richtung 22 Grad betrug. Dadurch, daß ich einen kleinen Taſchen-Kompaß auf dem Verdeck uͤberall umher fuͤhrte, entdeckte ich, daß die Ablenkung vornehmlich von dem Rauch⸗ fang des Ofens in der Kajuͤte herruͤhrte, der unvorſichtiger— weiſe von Eiſenblech gemacht war, und folglich, nach den Unterſuchungen von Barlow, eine eben ſo ſtarke Anzie— hungskraft hatte, als ein ſolider Cylinder von gleichem Durchmeſſer D. Als ich dieſen Rauchfang wegſchaffen ließ, wurde die Ablenkung, ob er gleich acht Fuß von dem Stande orte des Kompaſſes entfernt war, um mehr als zwey Drit⸗ theile vermindert. | Wir ſahen heute eine Menge kleiner Wallfiſche vom Ge: ſchlecht der Delphinen, von welchen manche dem Schiffe folgten und ſich bis auf Piſtolenſchußweite demſelben naͤ⸗ herten. Auch waren Seemöven (Larus rissa) in großer Menge um uns her. An vielen Stellen war die Oberflaͤche des Waſſers mit breiten glaͤnzenden Streifen bezeichnet, die von einer oͤligten Materie herzuruͤhren ſchienen, welche ent— weder von den Delphinen ſelbſt, oder von den Fiſchen, die ihnen zur Nahrung dienten, herkommen mochte. Sonntags den 21. April hatten wir einen heftigen Sturm von NO. und RR O., der uns gerade entgegen kam. Da wir Von den Unterſuchungen Barlow's, auf welche hier hingedeutet wird, ſ. Gilberts Ann. d. Phyſ. 1823. 1. St. 88 durch das Fallen des Barometers vor demſelben gewarnt worden waren, fo hatten wir ſchon die Nacht zuvor die no— thigen Vorkehrungen getroffen, und waren voͤllig auf ihn geruͤſtet. Den 22. maͤßigte ſich der Wind bey Sonnenaufgang und ſprang nach SW. um; aber da die See noch fortfuhr ſehr hoch zu gehen, ſo hatten wir wenig Vortheil davon. Den 23. kurz vor Sonnenuntergang zeigte ſich eine Wet— tergalle von ausnehmendem Glanze. Es ſchien mir, daß alle Regenbogenfarben ſich zwey- oder dreymal darin wieder— holten, und ſich dicht an den Hauptbogen, welches der aͤu— ßerſte war, anfchloffen. Eine doppelte Reihe von Farben konnte man zuverlaͤſſig ſehen, und da die Erſcheinung am glaͤnzendſten war, konvte man deutlich drey oder vier concen— triſche Bogen von gelber Farbe erkennen; und ich glaubte auch eben ſo viele Bogen der uͤbrigen Farben zu unterſchei— den; aber das Gelbe war nur mehr hervorſtechend. Die in— nern Bogen, die der Reihe nach an Deutlichkeit immer mehr abnahmen, hatten faſt das Anſehen von dem Saͤulengange einer Kirche, in einem transparenten Gemaͤlde, der ſich in das Dunkel einer fernen Perſpective verliert. Sie giengen nicht hoͤher, als bis auf 4 oder 5 Grad, und ſchienen ſich von dem Rand einer Wolke von anfcheinend geringer Größe und Dichtigkeit im Horizont zu erheben ). Eine Wettergalle wird von den Schiffern gemeiniglich fuͤr einen Vorboten ei— nes Sturms angeſehen. SI *) Die Beobachtung einer Wettergalle am Horizont, in welcher die Regenbogenfarben ſich mehrfach zeigten, iſt merkwuͤrdig, da man ſonſt gewoͤhnlich glaubt, daß die Regenbogen nur an ihrem obern Theile vielfach erſchienen. Der folgende Tag war ſtuͤrmiſch; der Wind oͤſtlich. Unſre Breite zu Mittag war 71° 56“, und die Laͤnge, die der Chronometer um 5 Uhr 58“ Nachmittags gab, Se 9’ off: lich; die Schiffsrechnung gab 6° 25“. Dieſer Unterſchied von 1 44“ iſt nicht auffallend, wenn man erwägt, daß die Ablenkung, obgleich offenbar betraͤchtlich, doch unbekannt, und die Richtung, in welcher fie — 0 (Null) war, von der auf den vorigen Reiſen, wahrſcheinlich verſchieden war. Den 25. beobachtete ich die Breite 75° 5’, und den Mor: gen darauf trafen wir fruͤh auf Eis. Wir ſetzten indeß unſern Lauf gegen N. fort, unter lockerm Eis, bis wir ganz davon umgeben waren. Da ich es fuͤr Eis von Spitzbergen hielt D dergleichen ſich an der weſtlichen Kuͤſte dieſer Inſel auch im Fruͤhling und ſelbſt in der waͤrmern Jahreszeit zu finden pflegt — fo wandte ich mich gegen NW., wodurch wir bald vom Eiſe frey und in den Stand geſetzt wurden, wieder nord— waͤrts zu ſteuern. Schon zwey oder drey Naͤchte zuvor hatten wir keine gaͤnzliche Dunkelheit, ſondern nur ein ſchwaches Daͤmme— rungslicht gehabt. Jetzt waren wir bis in die Gegend des be— ſtaͤndigen Tages gekommen, wo die Sonne Monate lang um den nördlichen Weltpol herumlaͤuft, ohne "” unter dem Ho—⸗ rizont zu verbergen. Da wir jetzt die Breite erreicht hatten, wo ein Fang zu erwarten war, ſo wurden zwey Boote aus dem Zwiſchendeck (d. i. dem Raume zwiſchen zwey Verdecken), wo ſie bis— her der Sicherheit wegen aufbewahrt geweſen waren, heraus— genommen, und die Zuruͤſtungen zum Fang angefangen. Die Zahl unſerer Boote war ſieben. In jedes derſelben legten wir ſechs zuſammengewickelte Wallfiſch- Leinen, jede zu 120 Faden, welches auf ein Boot mehr als eine Laͤnge von drey Vierteln einer engliſchen Meile machte. Sie wurden auch mit dem übrigen zum Wallfiſchfang erforderli— chen Geraͤthe, als: Harpunen, Lanzen, Rudern, Aexten, Flaggen“) u. ſ. w. verſehen. Den 27. ſetzten wir unſere Fahrt gegen N. fort, je doch mit einiger Vorſicht, da das Wetter neblicht war, und wir zum Theil in Eis geriethen. Um Mittag entdeckten wir in einer Entfernung von vier oder fuͤnf Meilen Land, und indem wir laͤngs dem feſten Eiſe, gegen NO., fuhren, paſ— ſirten wir den Nachmittag um 5 Uhr den SOften Grad der Breite, in einer Entfernung von etwa 10 Meilen vom Vor— gebirge Hakluyt — eine Hoͤhe, die wir erreichten, ohne eini— gen Froſt zu erfahren. Hier ſahen wir eine Menge Wall— roſſe auf dem Eiſe umher liegen. Zweyen derſelben kamen wir mit dem Schiffe nahe genug, um darauf zu ſchießen; das eine wurde auch getroffen, aber nicht tödtlich, und ent— kam daher mit ſammt ſeinen Gefaͤhrten. [Das Wallroß — Trichecus Rosmarus — von den Wallfiſchfaͤngern Seepferd genannt — ſteht durch ſeine ſonderbare Geſtalt gleichſam in der Mitte zwiſchen den Land— und Waſſer-Saͤugethieren; indem es in manchen Stuͤcken dem Ochſen, in andern dem Wallfiſch ähnlich iſt. Es er: reicht die Groͤße eines Ochſen. Seine beyden Hauzaͤhne ha— ben äußerlich eine Länge von 10 bis 20 Zoll (manche Natur: forſcher ſagen 3 Fuß), und gehen aus der obern Kinnlade niederwaͤrts und ſchließen den vordern Theil der untern Kinnlade zwiſchen ſich ein. Sie ſind einwaͤrts gebogen. Ihre volle Laͤnge, wenn ſie aus dem Schaͤdel herausgenom— men ſind, iſt gemeiniglich 15 bis 20 Zoll, bisweilen beynahe 30; und ihr Gewicht 5 bis 10 Pfund ein jeder, und darüber, *) Die Flagge, die ein Boot aufſteckt, dient zu einem Signal, wenn der Fiſch getroffen iſt. rn Da das Wallroß ein langſames und unbehuͤlfliches Thier auf dem Lande iſt, ſo ſind ſeine Hauer ihm ſowohl zur Verthei— digung gegen den Eisbaͤren, als ſeinen plumpen Koͤrper auf das Eis zu erheben, nothwendig. Das Wallroß, wie es an den Kuͤſten von Spitzbergen gefunden wird, erreicht eine Laͤnge von 12 bis 15 Fuß, und hat 8 bis 10 Fuß im Umfange. Der Kopf iſt kurz, klein und vorn flach; der flache Theil des Geſichts iſt mit ſtarken Borſten beſetzt. Die Naſenloͤcher ſind an der obern Seite der Schnauze, und es blaͤſt oder athmet durch ſie, wie der Wallfiſch. Die Vordertatzen, die eine Art von Hand, mit einer Schwimmhaut verſehen, bilden, liegen zwey Sieben— tel der ganzen Laͤnge des Thieres von der Schnauze. Sie find 2 bis 25 Fuß lang, und wenn fie ausgebreitet find, 15 bis 18 Zoll breit. Die Hinterfuͤße, die eine Art von Schwanz: floſſe bilden, ſtrecken ſich hinterwaͤrts gerade aus. Sie ſind nicht zuſammengewachſen, wie manche Zoologen behaupten, ſondern von einander abgeſondert. Die Laͤnge derſelben be— trägt 2 bis 27 Fuß; die Breite eines jeden, wenn er ganz ausgeſpannt iſt, 24 bis 3 Fuß. Eine jede Zehe hat am Ende einen kleinen Nagel. Die Haut des Wallroſſes iſt ungefaͤhr einen Zoll dick, und mit einem kurzen gelblich-braunen Haar bedeckt. Die inwendige Seite der Tatzen iſt, bey alten Thieren, mit einem rauhen, hornartigen Ueberzug, einen Viertelszoll dick, ver: ſehen, der wahrſcheinlich von einer Verhaͤrtung der Haut durch das beſtaͤndige Herumklimmen auf dem Eiſe und an den Felſen herruͤhrt. Unter der Haut iſt eine dünne Lage von Fett. Zu mans chen Jahreszeiten ſoll der Ertrag davon betraͤchtlich ſeyn; aber ich habe nie eines gefunden, das mehr als 20 oder 30 Gallonen Oel gegeben haͤtte. Den Kopf ausgenommen, iſt a die Geſtalt des Wallroſſes der des Seehundes aͤhnlich. In ſeinem Magen habe ich Krabben, Krebſe und die wie en von jungen Seehunden gefunden. Von weitem geſehen, iſt die Vorderſeite des Kopfes bey jungen Wallroſſen, die noch keine Hauzaͤhne haben, dem menſchlichen Geſichte nicht unaͤhnlich; und da das Thier die Gewohnheit hat, den Kopf aus dem Waſſer emporzuheben, um nach Schiffen oder andern vorbeykommenden Gegenſtaͤn— den zu ſehen, fo iſt es gar nicht unwahrſcheinlich, daß es zu manchen Geſchichten von Meerjungfern Anlaß gegeben hat. Ich habe ſelbſt ein Wallroß in einer ſolchen Stellung und unter ſolchen Umſtaͤnden geſehen, daß nur eine kleine Span— nung der Einbildungskraft dazu gehoͤrte, um es für ein menſchliches Weſen zu halten; fo taͤuſchend war der An— ſchein, daß der Schiffs-Wundarzt mir wirklich meldete, er haͤtte einen Mann mit ſeinem Kopf ſo eben uͤber das Waſſer hervorkommen ſehen. Seehunde zeigen ſich auch auf dieſe Art, und ihr Kopf iſt, in einiger Entfernung, einem menſchlichen Kopfe nicht unaͤhnlich; indeſſen iſt die Aehnlichkeit bey dieſen nicht ſo auffallend, wie bey dem Wallroß. Das Wallroß iſt ein unerſchrockenes Thier. Auf ein Boot, das ſich ihm naͤhert, hat es keine Acht, als etwa aus Neugier. Bisweilen wird es, wenn es im Waſſer iſt, von einer Harpune getroffen. Geht der Wurf fehl, ſo bietet es oft Gelegenheit zu einem zweyten Wurf dar. Der Fang ei— nes Wallroſſes aber im Waſſer kann nicht immer ohne Ge— fahr ausgeführt werden; denn da fie gewohnlich in Heerden gehen, ſo zieht ein Angriff auf ein einziges, alle andern zur Vertheidigung deſſelben herbey. In ſolchen Faͤllen verſam— meln ſie ſich oft rund um das Boot, von welchem der An— griff geſchah, durchbohren ſeine Planken mit ihren Hauzaͤh— nen, und heben ſich bisweilen, wenn man ihnen gleich noch ſo nachdruͤcklich widerſteht, bis auf den Dollbord (die oberſte Planke auf dem Rande des Bootes), und drohen das Boot umzuwerfen. Die beſte Vertheidigung bey ſolcher Gefahr iſt Seeſand, den man den wuͤthenden Thieren in die Augen wirft, wodurch fie genothigt werden, ſich zu entfernen. Auf dem Lande laſſen ſie ſich am beſten mit langen, ſcharf zuge— ſpitzten Meſſern toͤdten. Die Hanzähne des Wallroſſes, die hart, weiß und fo dicht wie Elfenbein find, werden von Zahnaͤrzten wohl zu fal— ſchen Zaͤhnen gebraucht. Die Haut wird als Ueberzug bey den Segelſtangen und den Tauen der Schiffe gebraucht, da— mit dieſe nicht durch Reiben beſchaͤdigt werden. Wird ſie in Riemen geſchnitten und zu Stricken geflochten, ſo dient ſie vortrefflich zu Radſeilen, indem ſie viel dauerhafter iſt, als Hanf. In aͤltern Zeiten ſind die Taue auf den Schiffen, wenigſtens in den nördlichen Ländern, meiſtens, wie es ſcheint, von dieſem Material gemacht worden. Durch das Gerben laͤßt ſie ſich in weiches, lockeres Leder verwan— deln, das uͤber einen Zoll dick, jedoch auf keine Weiſe ſo nüßlich und dauerhaft, als die rohe Haut iſt. Schon aus dem neunten Jahrhundert haben wir Nach— richt, daß man das Wallroß in Menge an der weſtlichen Kuͤſte von Norwegen gefangen hat. Jetzt kommt es viel⸗ leicht in groͤßerer Menge, bisweilen in Heerden von mehrern Hunderten, an den Kuͤſten von Spitzbergen und den benach- barten Inſeln vor. Es wird auch häufig auf dem Eiſe an: getroffen, aber es entfernt ſich ſelten weit vom Lande. Ehe der Wallfiſchfang bey Spitzbergen aufkam, war der Fang der Wallroſſe ein nicht unwichtiger Gegenſtand des brittiſchen Handels. Heutzutage aber haben dieſe Thiere vor den Englaͤndern meiſtens Ruhe; ihre ſchlimmſten Feinde dagegen ſind die Ruſſen, die auf Spitzbergen uͤberwintern und eine große Menge derſelben erlegen. Die Wallfiſch⸗ ö eb = fänger nehmen felten ein halbes Dutzend auf einer Reife mit; wiewohl mein Vater vergangenes Jahr, an der Kuͤſte von Spitzbergen, in der Magdalenen-Bay, auf 130 derfel: ben fieng ).] | Am Abend, als der Wind vom Lande herkam, hellte ſich der Himmel ſogleich auf und enthuͤllte uns eine große Strecke der noͤrdlichen Kuͤſte von Spitzbergen. Dieſe Kuͤſte iſt ein viel niedrigeres Land, als die weſtliche, und gleich— foͤrmiger mit Schnee bedeckt, indem man nur wenige Felſen oder hervorragende Spitzen von bloßem Lande ſieht. Die weſtliche Küſte hingegen zeigt eine Reihe von abwechſelnd ſchwarzen und weißen Streifen. Die erſtern, die durch die Ruͤcken nackter Felſen gebildet werden, ſtechen gegen das glaͤnzende Weiß des Schnee's wunderbar ab, und laufen oft von der Spitze bis an den Fuß des Berges gerade her— unter; noch oͤfterer aber verlieren ſie ſich unter eine Schnee— oder Eisdecke, fo wie fie ſich dem Rande des Waſſers naͤ— hern; die letztern, die aus Schnee oder Eis beſtehen, fuͤllen alle Schluchten, Vertiefungen, Spalten und Thaͤler aus, und werfen das Sonnenlicht in einer ſolchen Staͤrke zuruͤck, daß dieſe ſchneebekleideten Flaͤchen das Anſehen und den Glanz des Vollmondes darſtellen. Dieſe Felſen und Eis— maſſen, die ſich auf eine eigene Weiſe ſteil aus dem Meere erheben und in einem erhabenen Stil errichtet ſind, machen durch ihre Beleuchtung und den grellen Abſtich gegen einan— der, den Anblick von Spitzbergen in hohem Grade auffal— lend, anziehend und fürwahr majeſtaͤtiſch. *) Mein Vater erlegte einmal ein Wallroß mit einer Lanze, nachdem er vergebens mit einer Buͤchſe darauf geſchoſſen hatte; als er dar— auf den Kopf, den eine Kugel getroffen hatte, unterſuchte, fand er, daß ſie bis auf den Schaͤdel gedrungen war und ſich hier ganz platt geſchlagen hatte. S. 4 — 50 — Als wir nordwaͤrts von Cloven-Cliff, dem nordweſtli— chen Theil von Spitzbergen, fuhren, erſchien uns die ganze noͤrdliche Kuͤſte, durch die ſtarke und ungleiche Brechung der Lichtſtrahlen in der Luft, in einer veränderten Geſtalt. Die Klippen erhoben ſich zu einer ungewoͤhnlichen Hoͤhe, und zeigten ſich wie eine Reihe ſchoͤner Baſaltſaͤulen, in lothrech— ter Stellung, oder doch beynahe ſo; und wenn ſie, bey dem Wogen der Luft, ſich langſam hin und her zu bewegen ſchie— nen, behielten ſie ihren Parallelismus gegen einander bey, und den Biegungen der einen entſprachen die der andern auf eine regelmaͤßige Weiſe. Das Eis an dieſer Kuͤſte war eine Art von Treibeis, das aus unregelmäßigen Maſſen von verſchiedener Hohe und Dicke beſtand, dicht in einander geklemmt, oder viel— leicht im Innern zuſammengefroren zu ſehr ausgedehnten Stuͤcken. Dieſe Bruſtwehr von Eis, welche die Kuͤſte ein- ſchloß, verhinderte uns, an das Land zu gehen. Auf der ganzen Fahrt von Liverpool bis hieher war uns, in Beziehung auf das Thierreich, nichts Neues vorge— kommen. Z3Zweytes Kapitel. Annaͤherung gegen den Pol bis auf neun und einen halben Grad. — Heftige Kaͤlte. — Anfang des Wall— fiſchfangs. — Einſchließung des Schiffes durchs Eis. — Neue Verſuche uͤber den Magnetismus. Wir fuhren fort, uns dem Pole zu nähern, indem das Meer gegen NW. und W. von Eiſe frey war, bis den 28. (Sonntag) Morgens um 1 Uhr, wo wir, in einer Breite von 80° 30’, in unſerm Laufe durch das Polar-Eis aufge: halten wurden, das eine zuſammenhaͤngende undurchdring— liche Maſſe zu bilden ſchien, die ſich, ſo weit das Auge nur reichen konnte, gegen RW. und SO. erſtreckte. Hier blieben wir alfo den größten Theil des Tages, indem wir ab und zu fuhren oder beylegten, in der Abſicht, nach gefeyertem Gottesdienſt, oſtwaͤrts weiter zu gehen, und längs der noͤrd— lichen Seite von Spitzbergen nach Wallfiſchen zu ſuchen; aber eine unguͤnſtige Veraͤnderung des Windes hinderte uns, dieſen Plan auszufuͤhren. Den Nachmittag trat Windſtille ein. Es fieng an zu ſchneyen und das Barometer fiel auf 29,4. Da ich einen Sturm erwartete, fo ſuchten wir uns von dem Eiſe ſuͤdwaͤrts zu entfernen; aber der Sturm kam uns uͤber den Hals, ehe wir die hohe See recht gewinnen konnten, und nothigte uns, nur das dicht zuſammengereffte Topſegel zu fuͤhren. Da der Wind gerade nach dem Eiſe zu blies, und die See anſieng ſehr hoch zu gehen, fo war unfre Lage in der That bedenklich; indeſſen erreichte die Heftigkeit des Windes nicht den Grad, den ich beſorgt hatte, und den der Ungeſtuͤm des Meeres befuͤrchten ließ; wir konnten uns daher noch in hinreichender Entfernung vom Eiſe halten, in— dem wir uns gegen NW. wandten. 4 * Den nächiten Morgen war der Wind gemäßigt, und es fieng ſehr ſtark an zu ſchneyen. Dieſe Umſtaͤnde, verbunden mit dem niedrigen Barometerſtand und der hohen See, deu— teten auf eine Erneuerung des Sturmes von einer andern Seite, und machten, daß wir nicht mehrere Segel aufſpann— ten. Es war ein Gluͤck, daß wir es nicht thaten, denn um 8 Uhr des Morgens ſprang der Wind nach N. um, und blies jetzt viel heftiger als zuvor. Dieſe ploͤtzliche Veränderung des Windes brachte die auffallendſte Veraͤnderung der Tem: peratur zuwege, die ich je erfahren habe. Um 8 Uhr, kurz zuvor ehe der Wind umſetzte, ſtand das Thermometer auf 390 und das Verdeck war mit naffem Schnee bedeckt. In dem Augenblick, da der Nordwind ſich erhob, fieng es an zu frieren — der erſte Froſt auf dieſer Reiſe — und in weniger als zwei Stunden war das Thermometer bis auf 14° herab: geſunken — alſo um 18 Grad gefallen. Um 8 Uhr Abends ſtand es auf 6° — folglich eine Veraͤnderung der Tempera— tur von 26° binnen 12 Stunden — und um Mitternacht war es W unter Null, d. i. um 34° in 16 Stunden gefallen. Eine fo plötzliche und außerordentliche Zunahme der Kaͤlte mußte nothwendig große Beſchwerden hervorbringen, zumal da ſie von einem ſo heftigen Winde begleitet war. Indeſſen da wir uns oſtwaͤrts gehalten hatten, bis wir unter dem Schutze des auf der Nordſeite befindlichen Eiſes in ebe— nes Waſſer gekommen waren, ſo konnten wir ein tuͤchtiges Feuer unterhalten, und die Kajuͤte zumachen, fo daß wir we— nig von der Kaͤlte litten, ſo lange wir unten waren. Waͤre die See unruhig geweſen, ſo haͤtten wir der Luft freien Zu— gang geſtatten muͤſſen, um den Rauch zu verhuͤten, vor dem man es ſonſt in der Kajuͤte nicht haͤtte aushalten können. Die beſondern Kleidungsſtuͤcke, womit die Matroſen ſich ges gen die Kaͤlte verſehen hatten, wurden jetzt hervorgeſucht, wobey mancherley, zum Theil abenteuerliche, Aufzuͤge zum Vorſchein kamen. Die Höhe der Sonne um Mittag gab die Breite 80° 317; die Länge war zu derſelben Zeit 80 öftlich. Um 1 Uhr Nachmittag legten wir an der Seite des im Norden befindlichen Eiſes um, und fuhren den uͤbrigen Theil des Tages laͤngs dem Rande deſſelben hin, der ſich ziemlich ge— rade gegen WRW. hin zog. Der Froſtdampf (ein Dampf, der bey ſtrenger Kaͤlte von dem Meere aufſteigt) war ſo dick, daß wir von dem Eiſe nichts als den aͤußerſten Rand ſehen konnten. Dieſe Art von Nebel, die den hoͤhern Breiten ei— gen iſt, ſcheint aus einer ähnlichen Urſache zu entſtehen, aks die iſt, welche die ſichtbare Verdunſtung des Waſſers hervor— bringt, ſobald es betraͤchtlich uͤber die Temperatur der Luft erhitzt wird. Das Meer iſt bey einem ſolchen Froſtdampf gemeiniglich um 20 bis 30° waͤrmer als die Luft; es entſteht daher eine betraͤchtliche Verdunſtung, und der Dunſt verdich— tet ſich und gefriert in dem Augenblick, wo er ſich erhebt; bey der außerordentlichen Kleinheit ſeiner Theilchen wird er dann leicht durch den Wind in den untern Schichten der At— moſphaͤre verbreitet, und bringt in ihr die verdruͤßliche Duͤ— ſterheit und Undurchſichtigkeit hervor. Der dickſte Froſt— dampf wird nur bey heftigem Winde wahrgenommen, und er nimmt zu (bey gleicher Temperatur und Feuchtigkeit der Luft), wenn die Unruhe der See zunimmt; hingegen wenn die Luft ruhig iſt, nimmt er bis auf eine niedrige und dünne Dunſt⸗ ſchicht ab. Es könnte zweifelhaft ſeyn, ob das Gefrieren des Schaums und der umhergeſpritzten Waſſertheilchen der Wo: gen, oder die Verdunſtung des Seewaſſers die Urſache die— fer Erſcheinung wäre. Folgender Verſuch ſcheint mir jedoch zu beweiſen, daß es das letztre iſt. Ich ſtellte ein großes flaches Gefaͤß mit Waſſer ſo in die freye Luft, daß es vor dem Winde geſchuͤtzt war, und das zu einer Zeit, wo der Froſtdampf beſonders flarf war, indem das Thermometer auf Null ſtand. Hier beobachtete ich, daß das Waſſer, ob⸗ gleich vollig ruhig und unbewegt, bald einen duͤnnen Dampf, dem Froſtdampf aͤhnlich, auszuſtoßen anfieng; und dieſes dauerte fo lange, bis die Oberflaͤche mit Eis bedeckt war. [Der Froſtdampf (frost-rime or frost- smoke) beſteht aus einem dichten gefrornen Dampf, der ſich wahrſcheinlich aus dem Meere oder irgend einer großen Waſſerflaͤche er— hebt, und bey ſtarkem Winde und unruhiger See bis zu ei— ner Hohe von SO bis 100 Fuß aufſteigt; bey ſchwachem Winde und ebener See aber ſich dicht an der Oberfläche haͤlt. Die Theilchen, aus denen er beſteht, ſind ſo klein, wie Staub, und ſetzen ſich an das Tauwerk der Schiffe und faſt an al⸗ les an, wogegen fie vom Winde getrieben werden, und bils- den einen Ueberzug von einem Zoll dick und darüber. Sie haͤn— gen ſich auch an einander ſelbſt an, bis die Windſeite der Taue von ihnen bedeckt iſt; dann erſcheinen ſie in langen Nadeln, gewiſſermaßen von einer prismatiſchen oder pyrami— daliſchen Geſtalt, mit den Spitzen gegen den Wind gekehrt. Der Froſtdampf haͤngt ſich gern an die Kleider und an die Haare an; und weil die letztern dadurch wie gepudert oder wie eingeſeift ausſehen, ſo nennen die Matroſen ihn in ihrer launigten Sprache den Balbier. Faͤllt er von den Tauen herunter, wenn das Schiff etwa gedreht wird, ſo bedeckt er das Verdeck auf eine beträchtliche Dicke; und tritt man als⸗ dann darauf, ſo giebt es einen ſcharfen Ton, wie wenn man kleine Glasſtuͤckchen zerdruͤckt. Bringt man es auf einen Haufen zuſammen, ſo ſieht es wie klarer Schnee aus, und wird es geſchmolzen, ſo giebt es ein reines Waſſer. Der Froſtdampf erſcheint bisweilen bey einer Tempera⸗ tur von 20 oder 22 Grad, gewöhnlich aber ſieht man ihn nicht eher, als bis die Kaͤlte auf 14 Grad ſteigt. Wenn die Luft hell und anſcheinend trocken iſt, fo kommt er bey einer hoͤ⸗ hern Temperatur zum Vorſchein, als wenn ſie truͤbe und feucht iſt. Ueberhaupt findet er am meiſten ſtatt, wenn die kuft von Wolken frey iſt. Daher geſchieht es wohl, daß, während die untern Schichten der Atmoſphaͤre durch ihn fo undurchſichtig werden, daß man die Gegenſtaͤnde auf 100 Fuß weit nicht mehr ſehen kann, man vom Mars aus, wo der Beobachter uͤber den Nebel erhaben iſt, Schiffe in einer Entfernung von 5 bis 6 Meilen, und ein hohes Land auf 10 bis 15 Stunden weit erkennen kann] ). Alle Harpunirer, ſieben an der Zahl, wurden von mir zu Tiſch eingeladen. Ich pflege dieß immer zu thun, wenn wir auf dem Platz des Wallfiſchfanges angelangt ſind, um den Leuten die Anweiſung und die Vorſichtsmaßregeln zu er⸗ theilen, die mir zu einem glücklichen Erfolg unſers Geſchaͤfts nöthig ſcheinen. Bey dieſer Gelegenheit ermahne ich fie zur Thaͤtigkeit, Beharrlichkeit und Eintracht unter einander; dann zu einer wohlwollenden Bereitwilligkeit, andern Schif: fen von allen Nationen Beyſtand zu leiſten, wenn ſie unſers Beyſtandes beduͤrfen und es ohne offenbaren Nachtheil fuͤr unſer eigenes Wohl geſchehen kann; überhaupt zu einem freundlichen Betragen gegen andere, die wir als unſere Mit— bewerber antreffen möchten; und gebe ihnen zugleich mans cherley Regeln, die ihr Verhalten in ſchwierigen oder gefährz lichen Faͤllen beſtimmen koͤnnen. Den 30ſten April, um Mitternacht, trafen wir auf ein Vorgebirge von Eis, welches uns der Froſtdampf zu ſehen verhindert hatte, wir legten daher bey und fuhren die Nacht hindurch ab und zu. Gegen Mittag legte ſich der Wind, und der Froſtdampf verduͤnnte ſich. Zu gleicher Zeit brach die Sonne durch die Wolken, und brachte eine bewundernswuͤr⸗ *) Der hier beſchriebene Froſtdampf hat einige Aehnlichkeit mit un⸗ ſerm Duft, der auch bey ſtrenger Kaͤlte entſteht, und ſich beſon— ders auf den Bergen, wo es in der Regel kaͤlter iſt, in ſolcher Menge, als ein Reif, an die Baͤume anhaͤngt, daß ſtarke Aeſte, und bisweilen wohl Baumſtaͤmme ſelbſt, von der Laſt zerbrechen. . dige Veränderung in der Temperatur hervor. Um 2 Uhr des Morgens war das Thermometer 3 oder 4° unter Null; um 8 Uhr war es + 6° und um 10 Uhr ungefähr 14° im Schatten. Im Sonnenſchein aber und an einem geſchuͤtzten Orte hatte man ordentlich das Gefuͤhl von Waͤrme; und die ſchwarz angeſtrichenen Planken an der Seite des Schiffes, auf welche die Sonne ſchien, waren auf 90 bis 100 Grad er— hitzt, ſo daß das Pech an demſelben fluͤſſig wurde. Waͤhrend es alſo auf der einen Seite ungewöhnlich warm war, herrſchte auf der entgegengeſetzten Seite eine heftige Kaͤlte. Die Breite zu Mittag wurde 80» 19“ beobachtet, die Laͤnge durch Rech⸗ nung 3° öſtlich gefunden. Sobald die Zerſtreuung des Froſtdampfes uns die Lage des Eiſes zu beobachten geſtattete, konnten wir unſern Lauf gegen Weſten fortſetzen, indem wir laͤngs dem Eiſe zwiſchen NNW. und W. hinfuhren. Der Abend war ſchoͤn, die See ruhig und fieng an zu frieren. Der 1ſte May wird gewoͤhnlich von den Matroſen eines Schiffes, das auf den groͤnlaͤndiſchen Wallfiſchfang ausgeht, auf eine feſtliche Weiſe begangen, indem ſie das Tauwerk mit Baͤndern zieren, allerhand komiſche Taͤnze auffuͤhren, und andere Ergoͤtzlichkeiten vornehmen, auf aͤhnliche Art, wie ſie es auf andern Schiffen zu thun pflegen, wenn die Linie paſ— ſirt wird. Bey dieſer Gelegenheit zeigen ſie oft große Ge— wandtheit und Staͤrke, ihre harmloſe Fröhlichkeit aͤußert ſich auf mancherley Weiſe, wie es die Umſtaͤnde einer ſolchen Fahrt geſtatten, und nicht ſelten bringen ſie Dinge, die einen originellen, dieſer Klaſſe von Leuten eigenthuͤmlichen, Witz beurkunden, zum Vorſchein. Da ich eben keinen befondern Geſchmack an Schauſpielen dieſer Art habe, fo kam ich, fo lange die Schiffsgeſellſchaft mit den Anſtalten zu dem Feſte, \ — 57 — und der Ausführung ihrer verſchiedenen Rollen bey demſel— ben beſchaͤftigt war, nicht auf das Verdeck. Um indeſſen ein Beyſpiel dieſer Feyerlichkeit zu geben und den Geſchmack der Matroſen in dramatiſchen Darſtellungen dieſer Art zu zeigen, will ich die Beſchreibung eines erſten May-Morgens, wo es beſonders luſtig hergieng, aus meinem Tagebuche von 1820 herſetzen. Die Anſtalten fiengen damit an, daß, auf das Anſchla⸗ gen von acht Glocken um Mitternacht, ein Kranz, der mit Baͤndern mannigfaltig geziert war, in dem Tauwerk aufge— hängt wurde, und darüber eine Figur, die den Neptun vor— ſtellte, nebſt den Sinnbildern der Fiſcherey. Dieß mußte durch denjenigen von der Schiffs-Mannſchaft geſchehen, der zuletzt verheyrathet worden war. Darauf ließ ſich ein anderer Matroſe, in der abenteuerlichſten und ſeltſamſten Verklei⸗ dung, ſehen, der das Schiff begruͤßte, und befahl, daß die große Raa abgebraßt, und ein Tau für fein Boot gegeben werden ſollte; und unmittelbar darauf ſtieg eine naͤrriſche Geſtalt, die den Neptun vorſtellte, nebſt feiner Gemahlin, einem Balbier und feinem Ober-Steuermann, über die Backen des Schiffes auf das Verdeck herauf. Jedermann wurde jetzt befehligt, vor dieſem angeblichen Meeresherrſcher zu erſcheinen; und ſo wie einer vor ihm vorbey gieng, wurde er von dem Balbier mit einigen ſchwarzen und weißen Stri— chen auf dem Geſicht bezeichnet. Darauf giengen Ihro See— Majeſtaͤt hinunter, und begaben ſich in eine Abtheilung, die auf dem Zwiſchendeck zu dieſem Zweck ausdruͤcklich abge: ſchnitten war, und befahlen, daß alle, welche das groͤnlaͤndi⸗ ſche Meer noch nicht befahren haͤtten, ſich vor Ihr ſtellen ſoll— ten. Sie wurden einer nach dem andern Ihr vorgeſtellt, und jedem wurden mancherley drollige Fragen vorgelegt, worauf er ſich der etwas derben Operation des Balbirens unterwerfen mußte. So wie ein ſolcher Neuling eintrat, wurde er mit ſeemaͤnniſcher Höflichkeit von ſeiner Majeſtaͤt empfangen, deren feyerliches Weſen und deren Artigkeits-Bezeigungen mit Ihrem laͤcherlichen Anzug und Ihren hoͤchſt linkiſchen Buͤcklingen und Bewegungen in dem grelleſten Gegenſatz ſtanden, und den Zuſchauern zum groͤßten Kurzweil dienten. Neptun war eine große auffallende Figur; auf ſeinem Ruͤk— ken hatte er einen gewaltigen Hoͤcker, und ſeine geſchwolle— nen, dick umwundenen Beine wetteiferten im Durchmeſſer mit dem Leibe. Seine Kleidung beſtand in einem Matroſen-An— zug, wozu noch ein Mantel und eine ungeheure Peruͤcke kam, an der ein Kehrbeſen den Zopf vorſtellte. Sein Gehuͤlfe, deſ— fen Geſchaͤft es war, die Operation des Balbiers zu verrich— ten, war in einen reinlichen Anzug von weißem Nanking — jedoch nicht ohne einige zweckdienliche Verzierungen — ge— kleidet, der gegen den Aufzug, in welchem Ihro Majeſtaͤt er: ſchien, wunderlich abſtach. Sein Seifenwaſſer war eine Mi— ſchung von Ruß, Schmeer, Theer und anderm Schmutz, der eigens hierzu zuſammengekratzt worden war; ein Theerpinſel war das Werkzeug, womit es eingerieben wurde, und ein Stuͤck von einem eiſernen Reif diente ſtaͤtt des Balbiermef: ſers. Wenn das Einſeifen anfieng, that Neptun mancher— ley Fragen an den Mann, der ſich unter den Haͤnden des Balbiers befand, uͤber ſeine Beſchaͤftigung, ſeinen Stand, ſein Vaterland; und wenn der arme Teufel ſich beygehen ließ, darauf zu antworten, ſo fuhr ihm der Theerpinſel ſo— gleich in den Mund, und fuͤllte ihn mit ſeinem ſaftigen In— halte an. War derjenige, welcher balbirt wurde, ein bra— ver, ordentlicher Menſch von guter Aufführung, fo geſchah die Operation, wenn gleich immer nicht auf die feinſte Art, doch ohne ihm wehe zu thun; hingegen ſolche, die ſich an maßten, geſchickte Seeleute zu ſeyn, ohne doch die Sache recht zu kennen, und deren Charakter uͤberdieß nicht viel taugte, dieſe wurden ohne Schonung bearbeitet. Zwey, die man dem Neptun als heuchleriſche Leute vorſtellte, wurden ſogar verurtheilt, zwey- oder dreymal balbirt zu werden, und zwar aus dem Grunde, weil ein Heuchler ein doppeltes Geſicht u we hätte, man müßte alfo recht tief und derb ſchaben, damit das falſche Geſicht weg, und das wahre zum Vorſchein kaͤme. Als das Balbiren beendigt und jedermann für frey erflärt war, begann ein zweyter Act, der in einer Maskerade be⸗ ſtand, wobey die ziemlich plump ausgedruckten Charaktere, die nicht ſehr mannigfaltig waten, im Ganzen doch nicht uͤbel dargeſtellt wurden. Die Anweſenheit einer weiblichen Maske, der Gemahlin des Neptuns, gab zu manchen derden Scherzen, luſtigen Streichen und Kämpfen Veranlaſſung. Als auch dieſer Aufzug vorbey war, wurde die Mannſchaft aufs Verdeck beordert und gemuſtert. Darauf ließen ſie ihre Geſchicklichkeit in körperlichen Bewegungen ſehen. Ein erfahrener Zeremonien⸗Meiſter machte den Anfang in aller⸗ hand Klettern und Springen, und die übrigen folgten nach, wobey mancher tuͤchtig auf das Verdeck hinplumpte, und ſei⸗ ner dicken Kleidung nöthig hatte, um ſich zu ſchüͤtzen. Bey dieſer Art von Spiel bringt die Begierde, ſich ſehen zu laſſen und die Nacheiferung bisweilen ungewöhnliche Anſtrengun⸗ gen hervor. So geſchah es bey einer ſolchen Gelegenheit, daß vor wenigen Jahren auf einem Schiffe, das an dem Eiſe in ruhigem Waſſer vor Anker lag, der Anfuͤhrer auf die aͤußere Leiſte des Schiffes ſprang, und unter dem Ausruf „mir nach“ ſich ins Meer ſtuͤrzte, worin ihm viele ſeiner Kameraden folgten, von denen mehrere nicht einmal ſchwim⸗ men konnten. Glücklicherweiſe gelang es allen, mit Beyhuͤlfe der Steuerleute, das Eis zu erklettern, und ſo lief dieſer ge⸗ fährliche Verſuch, zu dem die fröhliche Stimmung ſie ver⸗ leitet hatte, noch ohne Schaden ab. Auf dieſe Art von Uebungen folgte ein plumper, aber raſcher und kraͤftiger Tanz, wozu die Muſik mit allen Keſſeln und Bratpfannen, die nur im Schiffe gefunden werden konn⸗ ten, gemacht wurde. Das Ganze endigte dann mit einem ordnungsmaͤßigen Geſange, in den die ganze Mannſchaft einſtimmte; worauf fie nach einem dreymaligen Hurrah aus⸗ 5 einander giengen, um — auf die Aufforderung des Ober— bootsmannes — die großen Braſſen zu ſpliſſen.“ 9) Wir hatten des Morgens SWWind; aber noch den Vormittag fprang er nach NW., und darauf nach NO. um. Das aͤußerſte der Temperatur war auf dem Verdeck 8 und-3 Grad, aber das Thermometer am Mars ſtand um 2 Uhr Nachmittag auf Null. Um Mittag befanden wir uns, der Beobachtung zufolge, in 80° 23“ der Breite; und um 5 Uhr Nachmittag berechnete ich, daß wir bis auf 80» 34 vorge: rückt — alſo nur 566 Meilen vom Pole entfernt waren. Weiter vorwaͤrts zu dringen, wuͤrde bey dem Gefrieren der See um uns her, und der immer wachſenden Menge von Eis gegen Norden, in einer fo frühen Jahreszeit, unklug ge— weſen ſeyn, zumal da noch kein einziger Wallfiſch ſich hatte ſehen laſſen, der uns dazu haͤtte Luſt machen koͤnnen. Wir waren jetzt wahrſcheinlich nur wenige Meilen von der aͤußer— ſten nördlichen Grenze, bis zu welcher das gronländifche Meer befahren werden kann; und der Baffin befand ſich unſtreitig in einer hoͤhern Breite, als irgend ein anderes Schiff zu der— ſelben Zeit. Es war daher bey mir kein Zweifel, daß, da ich gerade auf dem Hackebord (im Hintertheil des Schiffes) ſtand, als das Schiff vor dem Winde gedreht wurde, ich in dieſem Augenblick dem Pole näher wäre, als irgend ein an— derer Menſch auf der Erde. Von hier aus erſtreckte ſich das Eis in zuſammenhaͤngender Maſſe auf der noͤrdlichen Seite gegen SO. und OSdO. und auf der weſtlichen gegen SW., ſo daß wir faſt in der Spitze des Winkels waren, den dieſe ungeheueren Eisklumpen mit einander bildeten. *) Die großen Braſſen find ſtarke Taue, die zur Regierung der Segel dienen; fie ſpliſſen, heißt die Enden zweyer ſolcher Taue zu⸗ ſammendrehen. Es ſcheint eine muͤhſame Arbeit zu ſeyn, und das Obige ſoll alſo wohl fo viel heißen, als, das ganze Spiel endigte damit, daß die Leute — wieder an ihre Arbeit giengen. — 61 — Wir fuhren jetzt laͤngs dem Rande des weſtlichen Eiſes gegen SW. Ströme von Treibeis ließen ſich oſtwaͤrts fe: hen, und um 8 Uhr des Morgens war die See um uns her voll von losgeriſſenen Stuͤcken Eis. Wir ſahen hier eine betrachtliche Anzahl von Narwals, von denen mehrere ein ſchoͤnes Horn hatten. Da die Luft gerade ſehr ruhig war, ſo ſchickte ich ein Boot aus, um Jagd auf ſie zu machen; aber ſie waren ſo ſcheu und flink, daß ſie uns alle entwiſchten. Da der Narwal oft der Vorläufer des Wallfiſches iſt, und die gruͤne Farbe der See und die Beſchaffenheit des Eiſes gleichfalls Wallfiſche hier zu finden hoffen ließen, ſo kreuzten wir den ganzen Tag, bey friſchem Winde, zwiſchen dem Eiſe umher, um nach dieſen Thieren, deren Fang der große Zweck unſerer Reiſe war, zu ſuchen. Unſere Bemuͤhungen waren, den ganzen Tag und die Nacht hindurch, bey einer beſchwer— lichen Fahrt, ohne Erfolg; aber den andern Morgen entdeck— ten wir den erſten Wallfiſch. Das Wetter war freilich nichts weniger als ſchoͤn, indem ein ziemlicher Wind blies und, bey hoher See, ein dicker Schnee fiel, doch konnten wir nicht wi— derſtehen ihn zu verfolgen. Es wurden zwey Boote abge— ſchickt, welche die Verfolgung drey Stunden lang fontſetzten, alsdann aber, da die Beute entſchluͤpft war, zuruͤckgerufen wurden. Die beyden folgenden Tage ſetzten wir unſern Kreuzzug fort, und kamen den Aten May bis zu der Breite von 780 26“ herab. Hier trafen wir auf ein Schiff — den Volunteer von Whitby, das erſte, was wir ſeit unſrer Entfernung von der irländifchen Kuͤſte ſahen — und erfuhren von ihm, daß es mit dem groͤßten Theil der groͤnlaͤndiſchen Flotte in ſuͤdli⸗ chern Breiten vergebens nach Wallfiſchen geſucht haͤtte. Wir wandten uns daher wieder nordwaͤrts, und kamen den Gten bis zum 79° 31“, wo wir viel Eis antrafen. Gegen Abend wurde ein kleiner Wallfiſch, und den Morgen darauf ein groͤßerer in der Nähe des Schiffes erblickt. Da ſprang alles — 62 — Re ſogleich auf das Verdeck, voll von Begierde, Jagd darauf zu machen; ehe aber noch die andern herbey kommen konn— ten, hatte ihn das Boot, das zuerſt abgeſchickt war, ſchon erreicht, und ihm eine Harpune beygebracht. So eifrig waren die Leute dießmal bey ihrem Geſchaͤft, daß auf das gewöhnliche Geſchrey „getroffen“ V ſchon alle in ihren Booten ſaßen, und dieſe in wenigen Augenblicken abfuhren. Der Wallfſiſch tauchte unter und blieb ungefähr eine halbe Stunde aus; als er wieder an die Oberflaͤche kam, wurde er mit einer ſolchen Hitze angegriffen, daß ihn ſogleich drey Harpunen trafen, und nach einer kurzen, aber kraͤftigen An— wendung der Lanzen, wurde das ungeheure Thier, ſo maͤch— tig es von Natur iſt, uͤberwaͤltigt, und gluͤcklich erbeutet. Nachdem das Schiff am Eiſe befeſtigt war, damit es nicht von ſeinem Standort weggetrieben wuͤrde, wurde der Speck des Wallfiſches abgeloft, das Fiſchbein und die Kinn— laden abgemacht, und der übrige Korper zuruͤckgelaſſen. *) Im engl. „a Fall“ was dieſes eigentlich ſagen will, erhellt aus der Erlaͤuterung, die Scoresby in ſeinem andern Werke daruͤber giebt: „In dem Augenblick, ſagt er, wo der verwundete Wallfiſch unter das Waſſer geht, wird in dem Boote, aus dem die Harpune geworfen iſt, auf einem Stock eine Flagge aufgeſteckt; auf dieſes Zeichen machen die, welche im Schiffe auf der Wache ſind, Laͤrm, und indem ſie auf das Verdeck ſtampfen, rufen fie zuwiederholten malen aus „a Fall.“ (Dieſes Wort ſoll von dem hollaͤndiſchen val herkommen, das ſo viel als ſpringen, fallen bedeutete und das Benehmen der Matro— ſen, wenn ſie mit ihren Booten in groͤßter Eile fortwollen, bezeich— nen ſollte). So wie dieſes Wort erſchallt, ſtuͤrzt alles aufs Ver— deck, wer noch ſchlaͤft, ſpringt aus dem Bette heraus, rennt mit den zuſammengebundenen Kleidern in der Hand herbey, und draͤngt ſich in die Boote. Wäre auch die Temperatur auf Null, und man hoͤrt „a fall“ fo find alle den Augenblick da, wenn auch nur im Hemde, Unterhoſen und Struͤmpfen, oder ſonſtigem Nachtanzuge. Gemeiniglich wiſſen ſie ſich anzuziehen, wenigſtens zum Theil, Diefe Arbeit dauerte, da es der erſte Fang war, gegen ſechs Stunden, ſtatt daß ſie ſonſt in drey oder vier Stunden beendigt wird. Der Fiſch hatte ungefaͤhr 45 Fuß in der Laͤnge; das laͤngſte Fiſchbein maß 9 Fuß 6 Zoll; und der Ertrag an Oel wurde auf 13 Tonnen geſchaͤtzt. Wir waren kaum fertig, als wir bemerkten, daß das Eis, bey einem heftigen Nordwinde, ſich ſo ſchleunig um uns her zuſammendraͤngte, daß wir fo ſchnell als möglich aus ihm herauszukommen ſuchen mußten. Die Segel wur— den augenblicklich losgemacht, und das Schiff in Gang ge— ſetzt, und nach einer ſehr ſchwierigen Fahrt von fuͤnf Stun— den, unter gefährlichen Eisſtuͤcken, gelang es uns, in ziem⸗ lich freyes Waſſer zu kommen. Eine halbe Stunde nach— her erhob ſich plotzlich ein heftiger Windſtoß von NO., wo: bey das Thermometer faſt augenblicklich von 26 auf 12 Grad fiel. Der folgende Tag war windig, mit heftiger Kaͤlte und dickem Froſtdampf. Vom Capitain Johnſtone, der mich waͤhrend die Boote ausgeſetzt werden; bisweilen aber fahren ſie ab, ſo wie ſie aus den Betten gekommen ſind, und rudern nach dem Feſt⸗Boot (engl. Fast- boat, d. i. dem Boote, das den Wallfiſch gleichſam am Seil hat), und haben erſt lange nachher Zeit, ſich an: zuziehen. Der Lärm, der bey dem Ausruf „a fall“ in einem Schiffe entſteht, macht auf ſchlafende Perſonen, die dieß nicht ken⸗ nen, einen ganz beſondern Eindruck. Oft wird es fuͤr das Zeichen eines Ungluͤcks gehalten; oder man glaubt, wie es wirklich einem meiner Landsleute begegnet iſt, die Leute waͤren alle naͤrriſch. Schlimmer gieng es einem andern, der durch den ungewoͤhnlichen Laͤrm aufgeſchreckt, auf das Verdeck laͤuft, und da er ſieht, daß die Leute im Hemde nach den Booten rennen, ſich einbildet, das Schiff waͤre im Begriff zu ſinken. Er bemuͤht ſich daher auch in ein Boot zu kommen, aber da alle beſetzt find, wird er überall zuruͤck⸗ geſtoßen. Außer ſich vor Angſt faͤngt er an zu ſchreyen: „Was ſoll ich machen? — will mich niemand einnehmen?“ * beſuchte, hoͤrte ich, daß weder er, noch einer der andern Wallfiſchfaͤnger, die er geſehen hatte, einen Fang gemacht hätte; er hatte ſogar bis jetzt nur einen einzigen Wallfiſch geſehen. Den Iten May nahm der Wind, der von NO. blies, wieder zu, und es wurde heftig kalt. Das Thermometer auf dem Verdeck war nie höher als 2° und fiel bisweilen bis — 50; am Topp des Maſtes war es den ganzen Tag un— ter Null. Die groͤßte Kaͤlte, die ich hier beobachtete, war — 80; und dieß iſt das hoͤchſte, was ich auf zwanzig Reiſen auf den Wallfiſchfang beobachtet habe. Der Froſtdampf machte eine dichte Nebelſchicht von 50 bis 60 Fuß hoch, fo daß man von dem Verdeck nicht über 150 Pards weit ſehen konnte; waͤhrend man vom Mars aus, wo der Be— obachter Aber den Nebel erhaben war, einen freyen Blick in die Ferne, auf eine Meile und daruͤber, hatte. Durch dieſen Nebel wurde die Fahrt zwiſchen dem dichten Treib— eife aͤußerſt gefährlich, und erforderte meine perfonliche Gegenwart und Wachſamkeit auf dem Mars, wo die Tem: peratur von 3 bis 8 Grad unter Null war, mehrere Stun— den nach einander. Dieſe ſtrenge Kaͤlte wurde durch den heftigen Wind, von dem ſie begleitet war, in hohem Grade durchdringend und empfindlich. Es iſt kein Zweifel, daß fie für die Empfindung peinlicher war, als eine Kälte von — 30 bis — 40 Grad bey ſtiller Luft geweſen ſeyn wuͤrde. Ob wir gleich ebenes Waſſer hatten, und die Thuͤr vor der Kajuͤtstreppe beſtaͤndig zugehalten wurde, ſo war es doch in der Kajüte unangenehmer, als auf dem Verdeck. Waſ— ſer, das auf den Tiſch gegoſſen war, obgleich nur drey Fuß von einem heißen Windofen, wurde zu Eis; gewaſche— nes Linnen wurde ſo ſteif, daß es rauſchte; und Handſchuhe, die gerade vor dem Feuer hiengen, um trocken zu werden, waͤhrend der Roſt voll gluͤhender Kohlen lag, und nur 30 Zoll davon entfernt, waren zum Theil gefroren; ſogar gutes Ale, das in einem Krug an den Fuß des Ofens geſtellt war, — 338 — fieng an zu gefrieren. Kam man mit der feuchten Hand in freyer Luft an irgend etwas metallenes, ſo blieb ſie daran hängen; und brachte man die Zunge an daſſelbe, fo hieng ſie gleich ſo feſt daran, daß man ſie nicht losbringen konnte, ohne ein Stuͤckchen Haut mit abzureißen. Manche von den Matroſen hatten viel an Froſtuͤbeln zu leiden. Dem Kuͤper erfror die Naſe, und er mußte ſich einer ſehr nachdruͤcklichen Reibung mit Schnee unterwerfen; und der Oberbootsmann verlor beynahe beyde Ohren. Um 7 Uhr Abends bis gegen 9 Uhr waren zwey, nicht ſcharf begrenzte, Nebenſonnen zu ſehen. Ein farbiger Bogen lief ein Stuͤck um die Sonne herum, in einem Ab— ſtand von etwa 23 Graden. Zu beyden Seiten der Sonne zeigten ſich, in gleicher Hoͤhe mit ihr, die Nebenſonnen, gleich— ſam als Endpunkte von dem horizontalen Durchmeſſer des farbigen Bogens. Bisweilen geſchah es, daß kleine Wolken, aus denen ein Staubregen von klarem Schnee, vielleicht mit kleinen Eisnadeln vermiſcht, herabfiel, vor der Sonne vor— uͤbergiengen; fiel dann der Bogen auf die Oberflaͤche der Wolken, oder in den Schnee-Schauer, ſo war er hell und ſogar glaͤnzend; aber gegen den hellen Himmel, nach dem Zenith hin, war er kaum zu erkennen. Die Farben waren nicht ſehr beſtimmt, doch zeigte ſich das Gelb an der aͤußern Seite, und die dunklern Farben nach der innern Seite des Kreiſes. Die Nebenſonnen erſchienen nicht kreisförmig, ſon— dern von unten heraufwaͤrts in die Laͤnge gezogen. In der That ſah es ſo aus, als ob ſie einen Theil des Bogens ſelbſt bildeten, der an dieſer Stelle nur glaͤnzender erleuchtet war, als im Uebrigen; und von dieſem glaͤnzendern Theile war der mittlere Streifen wiederum am glaͤnzendſten. Der Froſt— dampf war damals ſo dick, daß die Erſcheinung vom Ver— deck aus faſt nicht zu ſehen war. ) Ä *) Nach dieſer Beſchreibung erſchienen die Nebenſonnen in jener Ge— gend ungefaͤhr eben fo, wie fie ſich bey uns zu zeigen pflegen. Merk: 5 5 ur Da der Wind die ganze Nacht heftig wehte, und die Luft durch Froſtdampf ſehr dick war, ſo bedurfte es einer ununterbrochenen Wachſamkeit, und einer beſtaͤndigen Um— ſtellung der Segel, um das Schiff frey vom Eis zu erhal— ten, das es in großen Maſſen von allen Seiten umgab. Al— les Eis war in Bewegung, und ſeine Lage gegen uns aͤnderte ſich jeden Augenblick, und drohete uns immer neue Gefahr. Da der Froſtdampf den naͤchſten Morgen etwas abge— nommen hatte, ſo ſah ich, daß eine große Maſſe von Treibeis von Norden herabgekommen war, die uns in ein Waſſerbe— haͤltuniß einzuſchließen drohte, das kaum eine Meile im Durch: meſſer, und keinen ſichtbaren Ausgang hatte. Zwey andere Schiffe, die uns Geſellſchaft leiſteten, befanden ſich in derſel— ben Lage. Es war offenbar, daß, wenn wir nicht ſchleunig entwiſchten, wir zwiſchen dem Eiſe feſtſitzen wuͤrden. Ich gab daher auf die Bewegungen des Eiſes genau Achtung, und alle Haͤnde mußten in Bereitſchaft ſeyn, um die Stel— lung der Segel, von der die Rettung des Schiffes, unter dem Beyſtande Gottes, abhieng, auf das ſchnellſte auszuführen. Gegen 11 Uhr Vormittags entdeckte ich gluͤcklicherweiſe einen kleinen Durchgang, und ſogleich ſchluͤpften wir hindurch; aber das Eis ſchloß ſich ſo ſchnell wieder zu, und die Hin— derniſſe wuchſen jeden Augenblick fo ſehr, daß wir genothigt waren, gleich darauf in neue Schranken von Eis zu dringen, * wuͤrdig iſt, daß Scoresby dieſe Erſcheinung nur ſelten ſah. Er ſagt in ſeinem andern Werke, er erinnerte ſich nicht, ſie auf ſeinen vielen Reiſen mehr als dreymal geſehen zu haben; und die Be— ſchreibungen, die er dort davon giebt, ſind nur kurz und unvollſtaͤn⸗ dig. Das einemal bemerkte er, waͤre die Erſcheinung — auf welche noch ein Hof um den Mond und ein Nordlicht folgte — der Vorlaͤu— fer eines furchtbaren Sturmes geweſen. — Capitain Parry hat die Erſcheinung der Nebenſonnen haͤufiger, und bisweilen mit viel— fach verſchlungenen Kreiſen, zu ſehen Gelegenheit gehabt. e und uns mit Gewalt einen Weg hindurch zu brechen; und nach einem zwey- oder dreyſtuͤndigen Stoßen oder Bohren, mit Huͤlfe aller Segel, gelang es uns endlich, in etwas freye— res Waſſer zu kommen. Wir fuhren fort, gegen Oſten zu ſtenern, indem wir bisweilen lavirten, bis 6 Uhr Abends, als wir auf eine huͤbſche Oeffnung des Eiſes trafen, wo wir beylegten. Waͤhrend wir beſchaͤftigt waren, aus dem Orte, wo wir von dem Eiſe eingeſperrt waren, heraus zu kommen, mußte ich mehrere Stunden auf dem Mars bleiben. Das einemal blieb ich ungefaͤhr vier Stunden dort, waͤhrend die Temperatur drey Grad unter Null war. Die Leitung und Lenkung des Schiffes an dieſem Tage war von der ſchwierigſten Art, wie fie den Wallfiſchfaͤngern nur vorkommen kann, und wobey eine Menge von Schiffen jaͤhrlich zu Schaden kommen. Die meiſten Stuͤcke des Treib— eiſes, zwiſchen denen wir uns mit Gewalt einen Durchgang eröffnen mußten, hatten wenigſtens ein zwanzigmal groͤßeres Gewicht, als das Schiff, und waren ſo feſt wie Marmor. Ein heftiger Stoß gegen manche derſelben duͤrfte verderblich fuͤr uns geweſen ſeyn. Aber die Schwierigkeiten und Ge— faͤhrlichkeiten einer ſolchen Lage, welche die Anwendung der hoͤchſten nautiſchen Kunſt und Geſchicklichkeit erfordern, ſind auch im Stande, demjenigen, welchem die Leitung des Schif— fes unter ſolchen Umſtänden anvertraut iſt, einen Grad von Genuß und Befriedigung zu gewaͤhren, von welchem ſolche Schiffer, die nur die gewöhnlichen Arbeiten kennen, ſich ſchwerlich eine richtige Vorſtellung machen koͤnnen. Die gewöhnliche Leitung eines Schiffes, bey heftigem Winde, und großer Schnelligkeit, giebt zu geſchickten und zierlichen Entwickelungen Anlaß; die aber auf keine Weiſe mit der Schifffahrt in einem Meere voll fluthenden Eiſes verglichen werden konnen, wo aͤhnliche Entwickelungen ſehr häufig und immer anders noͤthig ſind; wo Wendungen gemacht werden muͤſſen, welche die aͤußerſte Grenze des Moͤglichen beruͤhren; 3 „ und wo manches Wageſtuͤck ausgeführt werden muß, bey dem ein Mißgriff am Steuer, oder eine falſche Berechnung der Kraͤfte des Schiffes, unabwendbar ins Verderben fuͤhrt. Da das Wetter am Ilten milde wurde, ſetzten wir un: ſern Lauf gegen Oſten und gegen Norden fort — bald in offnem Waſſer, bald zwiſchen Treibeis — um Wallfiſche auf: zuſuchen; aber umſonſt. Unſere Breite war 79° 58°. Den folgenden Tag, einen Sonntag, wurden die Nachſuchungen eingeſtellt, um den Gottesdienſt abzuwarten. Das Schiff, John von Greenock, gefuͤhrt von meinem Schwager Jackſon, geſellte ſich zu uns. Mehrere andere Schiffe, die einige Tage bey uns geweſen waren, wandten ſich gegen Suͤden. Den 13ten May. Gleich nach dem Schluſſe der Sonntagsfeyer legten wir bey, refften die Mars-Segel, und zogen alle unnoͤthigen Segel ein, um den Speck von dem am Tten gefangenen Wallfiſch in Faͤſſer zu packen. Dieß iſt das beſchwerlichſte und unangenehmſte Geſchaͤft, das mit dem Wallfiſchfang verbunden iſt; da der Speck von allen fleiſchigten Theilen und der Haut gereinigt, und in ſo kleine Stuͤcke zerſchnitten werden muß, daß er Stuͤck für Stuͤck durch das Spundloch in das Faß gebracht werden kann. Es iſt auch unangenehm wegen der Schluͤpfrigkeit, die dadurch auf dem Verdeck entſteht, und die Urſache iſt, daß man ſich kaum aufrecht erhalten kann, wenn das Schiff in Bewegung iſt. Dagegen hat es mit den ſchaͤdlichen Ausfluͤſſen, die, wie man gemeiniglich glaubt, von dem Speck aufſteigen, nichts auf ſich, weil das Fett, vor eingetretener Faͤulniß, uͤber— haupt nichts widriges hat; und ſelbſt wenn es anfaͤngt in Faͤulniß uͤberzugehen, wird man, ſo lange das Schiff in See iſt, von dem Geruch nicht belaͤſtigt; erſt nach der Ankunft im Hafen kann derſelbe, wenn die Ladung nicht verpackt iſt, beſchwerlich werden. ah, Da wir uns jetzt in der Nähe des nördlichen Eiſes de: fanden, und keine Wallfiſche gewahr wurden, die uns haͤtten verleiten koͤnnen, länger zu bleiben, nahmen wir, ſobald das Geſchaͤft des, Abmachens“ *) beendigt war, unfern Weg gegen Suͤden. Wir fuhren laͤngs dem Eiſe, das ſich auf der Weſtſeite ununterbrochen gegen Suͤden zog, nach einer Ge— gend hin, wo wir aus dem dunkeln Schein am Himmel offe— nes Waſſer vermuthen konnten ). Nach einer Fahrt von vier oder fuͤnf Stunden bekamen wir das Waſſer zu Geſicht, und da wir auch ſahen, daß es moglich wäre, in daſſelbe zu kommen, obgleich die Verbindung ſehr enge und ſchwierig war, ſo machten wir gleich den Verſuch; und dieſer gelang, bey der Tuͤchtigkeit des Schiffes zu außerordentlichen Wen— dungen, fo gut, daß wir nicht an ein einziges Stuͤck Eis ſtie— ßen. Der John, der dicht hinter uns folgte, war nicht ſo gluͤcklich, indem ein Theil des Kanals ſich ſchloß, ehe er ihn erreichte, und ihn uͤber eine Stunde aufhielt. Da der Wind von SO. kam, ſo trieb er das lockere Eis ſo ſchnell gegen die feſte Hauptmaſſe, daß, wie wir erwarteten, unſer Rückz zug ſogleich abgeſchnitten war. Wir befanden uns gleichſam in einem Waſſerbehaͤlter, der durch einen Wall von undurch— dringlichem Eiſe vollkommen eingeſchloſſen war; indeſſen *) Im engl. „making - off“ ein Kunſtausdruck, womit dieſes Ge: ſchaͤft des Einpackens des Speckes, nachdem er vorher geſaͤubert und zerſchnitten iſt, bezeichnet wird. ** Es iſt merkwürdig, daß ſich ein entferntes Waſſer durch ein gewiſſes Anſehen des Himmels (a dark shade in the sky, ſagt Scor.) eben ſo zu erkennen giebt, wie entferntes Eis durch den ſogenannten Eisblink. Auch iſt begreiflich, daß, da das Waſſer einen großen Theil der auffallenden Lichtſtrahlen verſchluckt, nicht ſo viel Licht von demſelben in die Luft und gegen den Himmel zuruͤck geworfen werden kann, als von dem Eiſe oder Schnee. Dieſelbe Beobachtung iſt auch ſchon von Parry gemacht worden, und in feiner Reiſebe⸗ ſchreibung wird dieſes dunkle Anſehen des Himmels mit einem eig— nen Ausdruck „a Water - sky“ genannt. Bu, 8 hatten wir eine Strecke von ungefähr funfzehn Meilen gegen NW. freye Schifffahrt. Ungluͤcklicherweiſe aber aͤnderte ſich die gruͤne Farbe des Meeres, ſo wie wir durch die Schran— ken des Eiſes hindurch kamen, und innerhalb derſelben war das Waſſer von einem durchſichtigen Blau. Dieſer Umſtand gab uns wenig Hoffnung zu einem gluͤcklichen Fang, und ſchlug unſern Muth ſehr nieder. Den naͤchſten Tag fuhren wir laͤngs der Eisgrenze un— ſers Waſſerbehaͤlters, und fanden, daß ſie auf der NWSeite von großen zuſammenhaͤngenden Eismaſſen, die wahrſchein— lich in undurchdringliche Eisfelder uͤbergiengen, gebildet wurde. Den Nachmittag ließen ſich zwey Wallfiſche blicken, die durch die Boote beyder Schiffe verfolgt wurden, aber ver— gebens. Den 15ten May. Die See, die ſchon den Abend zuvor zu gefrieren angefangen hatte, wurde jetzt, ſo weit das Auge reichen konnte, mit Eis bedeckt, deſſen Feſtigkeit ſo ſchnell wuchs, daß vor Mitternacht beyde Schiffe feſt ſa— ßen. Zum Ungluͤck fieng das Meer an, in eine wogende Be— wegung zu gerathen, wodurch das Eis um uns her, obgleich die Bewegung dem Auge kaum bemerklich war, in hundert Stuͤcke zerbrochen, und gegen einander getrieben wurde, ſo daß bis zum 17ten die Eisfelder, die vorher zehn bis zwölf Meilen von einander abgeſondert waren, faſt zur Beruͤhrung kamen und kein Tropfen Waſſer vom Mars aus geſehen werden konnte. Das neue Eis wurde an manchen Stellen zwolffach über einander geſchoben, und es entſtand ein bes trächtlicher Druck gegen das Schiff. Den folgenden Tag trat keine Aenderung ein, ausge— nommen, daß hier und da, in einiger Entfernung von uns, eine Waſſerader durchbrach. Das Eis unmittelbar um uns her war dicht, feſt und beweglos. Manche Eisklumpen rag: ten wenigſtens zwanzig Fuß hoch empor, und die Dicke des Eiſes an der Seite des Schiffes war im allgemeinen zwanzig bis dreißig Fuß. Manche von dieſen Eisbloöcken ſchienen ganz neuerlich entſtanden zu ſeyn, und einige wenige, von einer nicht unbedeutenden Große, waren keine Meile von der Stelle, wo der Baffin lag, aufgethuͤrmt. Unſere Breite war 79° 30“. Obgleich eine Reiſe in dem gronländifchen Meere viel— leicht eine von den ſchwierigſten Unternehmungen zur See iſt, die das Gemuͤth des Befehlshabers des Schiffes ſehr ſel— ten frey von Angſt und Sorgen ſeyn laͤßt; ſo giebt es doch auch hier, wie bey allen andern Arten der Seereiſen, gele— gentlich Zwiſchenzeiten der Muße, wenn naͤmlich die Leitung des Schiffes gerade nicht die Aufmerkſamkeit des Capitains erfordert, oder wenn, wegen Windſtille, widriger Winde, oder anderer Hinderniſſe die Verfolgung des Hauptzwecks der Reiſe gehemmt iſt. Der unbewegliche Zuſtand, in wel— chem ſich der Baffin damals befand, ſo verdruͤßlich und aͤngſtlich er an ſich war, war gerade von der Art, um jede Bemuͤhung oder Anſtrengung zu unſerer Befreyung völlig. unnuͤtz zu machen; aber dieſer gaͤnzliche Stillſtand der ge— wöhnlichen Verrichtungen gab uns Zeit und Gelegenheit zu wiſſenſchaftlichen Unterſuchungen. Schon ſeit einiger Zeit hatte ich bey ſolchen Gelegenheiten, wo ich durch die Leitung des Schiffes nicht beſchaͤftigt war, mein Augenmerk darauf gerichtet, Verſuche uͤber die Magnetiſirung des Stahls an— zuſtellen, ſo daß ſich davon eine vortheilhafte Anwendung bey der Schifffahrt machen ließe. Eine Nachricht von eini— gen Verſuchen dieſer Art habe ich bereits dem Publikum vor— gelegt ); aber die Anwendung des Hauptverſuches auf die ) Man ſehe: „Beſchreibung eines Magnetimeters“ in den Edin— burg. Transactions Vol. IX., S. 243. und „Verſuche und Be: Be Verfertigung ſtarker und wirkſamer Magnete wurde erſt auf dieſer Reiſe gemacht. Dieſer Hauptverſuch beſteht in der Erregung der magne— tiſchen Kraft durch Erſchuͤtterung. Zu dieſem Zweck muß man weichen Stahl nehmen, welcher faͤhig iſt, die in ihm entwickelte magnetiſche Kraft eine Zeitlang zu behalten; und nicht Eiſen, in welchem ſie ſehr ſchnell wieder verſchwindet, oder harten Stahl, in welchem ſie nur mit großer Schwierig— keit hervorgebracht werden kann. Der Anfang des Verfah— rens beſteht darin, daß man auf das Ende eines eiſernen oder ſtaͤhlernen Stampfers oder Schuͤreiſens, oder eines an— dern Stabes von betraͤchtlicher Große, während man ihn in lothrechter Stellung, oder noch beſſer, in der Richtung einer magnetiſchen Neigungsnadel haͤlt, einige tuͤchtige Schlaͤge mit einem Hammer thut. Dieß wird den Stab ſchon merk— lich magnetiſch machen. Darauf bringt man einen Stab von weichem Stahl an die Spitze des Stampfers, und ſchlaͤgt mit dem Hammer auf das obere Ende, waͤhrend der Stam— pfer und der Stahl lothrecht, oder in der Richtung der Nei: gungsnadel gehalten werden; dadurch erlangt der Stahl ſo— gleich eine beträchtliche anziehende Kraft, indem das obere Ende ein Suͤdpol, und das untere ein Nordpol wird N). Ein cylindriſcher Stab von weichem Stahl, 61 Zoll — lang, & Zoll im Durchmeſſer, und 592 Gran am Gewicht, obachtungen uͤber die Entwickelung der magnetiſchen Eigenſchaften in Stahl und Eiſen durch Erſchuͤtterung“. Phil. Transact. for 1822. Sc. — Eine Beſchreibung des Magnetimeters findet ſich auch in the Edinb. Philos. Journ. No. XVII. und hieraus in Gil⸗ berts Annal. d. Phyſ. LXVIII. Bd. 3. St. *) Scoresby, als ein Seemann, drückt ſich hier, wie billig, in der ge⸗ woͤhnlichen Sprache aus, indem er durch den magnetifchen Suͤdpol den nach Suͤden gekehrten, und unter Nordpol den nach Norden ge— kehrten Pol der Magnetnadel verſteht. erhielt durch dieſe Behandlung, in einem Augenblick, durch einen einzigen Schlag mit einem Hammer, der 12 Unzen wog, eine Kraft um 40 Gran zu heben; und nach zehn Schlaͤgen, zum Theil mit einem etwas groͤßern Hammer, hob er einen Nagel von 188 Gran. Aber eine noch viel auffallendere Wir— kung erfolgte bey der Anwendung von Stahl-Draht. Ein Stuͤck einer Stricknadel, 3 Zoll lang und 28 Gran am Ge— wicht, das vor dem Verſuch durchaus von allem Magnetis— mus frey befunden wurde, erlangte durch wiederholte Schlaͤ— ge mit einem Hammer, indem es lothrecht auf das obere En— de einer Feuerzange gehalten wurde, eine ſolche Kraft, daß es einen Nagel von 54 Gran — alſo beynahe noch einmal ſo viel als ſein eigenes Gewicht — trug. Dieſe Staͤrke des Magnetismus muß man großtentheil der Mitwirkung der Feuerzange oder des Eiſenſtabes zuſchreiben, deſſen Polari— tät die Entwickelung des Magnetismus in dem Stahl ſehr befördert; denn das hoͤchſte, das ich erhalten konnte, wenn ich den größern Stahl: Stab mit dem Hammer ſchlug, waͤh— rend er lothrecht auf Stein, Zinn, Meſſing und dergl. — an- ſtatt auf Eiſen — gehalten wurde, war nur eine Ziehkraft von 65 Gran *). *) William Gilbert (deſſen Werk de magnete magneticisque corxporibus et de magno magnete, tellure, physiologia no- va. zu London 1600 in Fol. erſchienen iſt) war der erſte, welcher die magnetiſchen Erſcheinungen auf eine wiſſenſchaftliche Weiſe uns terſuchte, und der, unter andern ſchaͤtzbaren Entdeckungen, fand, daß Eiſen, im magnetiſchen Meridian gehaͤmmert, einen geringen Grad von Polaritaͤt erlangte, und daß, wenn ein Stuͤck Eiſen bis zum Gluͤhen erhitzt und in der Richtung des magnetiſchen Meridians ges ſtreckt wird, es hinlaͤnglich magnetiſch wird, um ſich ſelbſt von Nor— den nach Suͤden zu richten, wenn man es durch ein Stuͤck Kork ſteckt und ſorgfaͤltig im Gleichgewicht auf Waſſer zum Schwimmen bringt. Dieß iſt der einzige Verſuch, den ich kenne, der einige Aehn— lichkeit mit dem oben beſchriebenen hat; aber ich kannte ihn damals noch nicht, als ich auf den meinigen gerieth. Auch iſt die Wirkung, — 74 — Da man alſo durch ein ſo einfaches Verfahren einen Ma— gnetismus von betraͤchtlicher Staͤrke hervorbringen kann, ſo erhaͤlt man dadurch ein Mittel, ſich kuͤnſtliche Magnete ohne Beyhuͤlfe irgend eines magnetiſchen Koͤrpers zu verſchaffen, und Nadeln in einem Augenblick eine Polaritaͤt zu ertheilen, wodurch ſie zu Kompaſſen tauglich werden. Dieſe Anwen— dung meiner Entdeckung verdient wohl, wie ich glaube, daß ich ſo umſtaͤndlich von einer Nebenſache ſpreche, da ſie fuͤr Seefahrer von Wichtigkeit iſt. Es fehlt nicht an Beyſpieien, daß Schiffe durch den Blitz um den Gebrauch ihrer Kompaſſe gekommen find ). Durch mein Verfahren wird der Schif— die durch Gilberts Verfahren hervorgebracht wird, nur unbedeutend, in Vergleich mit derjenigen, welche das meinige gewaͤhrt. S. ) In den Philos. Transact. XI. Bd. S. 647. iſt eine Nachricht von einem Schiffe, das unter dem Parallel der Bermudas-Inſeln von einem Blitz getroffen wurde, wodurch es ſeinen Vordermaſt ver— lor, und an den Segeln und dem Tauwerk beſchaͤdigt wurde; uͤber— dieß war die Polaritaͤt des Kompaſſes ſo gaͤnzlich umgekehrt, daß der Nordpol nach Suͤden ſtand. Die Schiffer, welche die Veraͤnderung nicht erkannten, wurden dadurch verleitet, ruͤckwaͤrts zu ſteuern, in— dem ſie glaubten, daß der Wind ſich gedreht haͤtte; und ſie wurden ihren Irrthum nicht eher inne, als bis ſie einem andern Schiffe be— gegneten, das fie zurechtwies. Ein anderer Vorfall, der dieſem ähnlich iſt und ſich den 9. Ja⸗ nuar 1748 oder 49 ereignete, wird gleichfalls in den Philos. Transact. erzaͤhlt. Das Schiff Dover wurde auf ſeinem Wege von Neuyork nach London, während eines heftigen Sturms, unter 47° so N. Br, und 22° 15° weſtl. Länge, vom Blitz getroffen. Der Kapitain und der groͤßte Theil der Mannſchaft waren, als der Schlag geſchah, eine Zeitlang außer Stande ſich auf den Beinen zu erhalten, und fo geblendet, daß fie nicht ſehen konnten — der Hauptmaſt war beynahe durchbrochen, das obere und untere Deck und das lebendige Werk (d. i. der Theil des Schiffes, welcher ſich im Waſſer befindet) waren zum Erſticken erhitzt, die Kammern, Schotten und eines der groͤßten Winkelkniee der Deckbalken waren aufgeſprengt oder herun— tergeworfen; und unter andern merkwuͤrdigen Erſcheinungen fand ee, fer in einem ſolchen Fall in den Stand geſetzt, die Polarität derſelben in wenigen Secunden wieder herzuſtellen. Und wenn ein Schiff untergeht, oder durch den Blitz, oder auf an— dere Art in Brand geraͤth, und die Mannſchaft genbthigt iſt, ſich ſchleunigſt in die Boote zu retten, ohne Zeit zu haben, ei— nen Kompaß mitzunehmen (ein Fall, der hundertmal vor— kommt), ſo iſt daſſelbe Verfahren hinreichend, der Klinge ei— nes Federmeſſers, oder dem Blatt einer Scheere, oder ſelbſt einem Nagel, fo viel Polaritaͤt zu geben, daß fie, an einem Faden aufgehängt, ihnen den Weg bey ihrer gefährlichen Fahrt zeigen koͤnnen. Da ich begierig war, mein Verfahren zur Verfertigung ſtarker kuͤnſtlicher Magnete anzuwenden, ließ ich mir ſechs Stäbe von weichem Stahl, und andere, die hinlaͤnglich ge: haͤrtet und zu einem großen zuſammengeſetzten Magnet taug— lich waren, verfertigen. Die Staͤbe von weichem Stahl wa— ren beynahe acht Zoll lang, einen halben Zoll breit, und ein Sechstel eines Zolles dick. Die Stäbe zu dem zuſammenge— ſetzten Magnet, ſieben an der Zahl und in Geſtalt der Huf— eiſen, waren jeder zwey Schuh lang, ehe ſie gekruͤmmt wur— den, und nach der Kruͤmmung hielt jeder Schenkel von der Biegung bis ans Ende eilf Zoll, die Breite betrug einen Zoll, und die Dicke drey Achtel. Dieſe Staͤbe waren durch drey Stifte verbunden, die durch das Ganze durchgiengen, und in den letzten Stab eingeſchraubt waren; auch konnte jede Anzahl derſelben zu einem Magnet vereinigt werden, ver— mittelſt anderer Stifte, die durch ſie hindurch geſteckt und mit einer Schraubenmutter angezogen wurden. Außer die— ſen Staͤben verſchaffte ich mir auch Unterlagen oder ſoge— nannte Anker von weichem Eiſen, die ſo eingerichtet waren, daß ſie zur Verbindung der Pole jedes einzelnen Magnets ſich, daß der Magnetismus aller Kompaſſe (viere an der Zahl) zer— ſtoͤrt, oder ihre Polaritaͤt umgekehrt war. S. dienten, und eine andere folche Unterlage, welche die Pole aller verbinden ſollte, wenn ſie zu einem Magnet vereinigt waͤren. Mit dieſem Apparat verfuhr ich, um ihm die magne— tiſche Kraft zu ertheilen, auf folgende Art. Ich nahm einen großen Stab von weichem Stahl, den ich für beſſer als ein Schuͤreiſen oder eine Feuerzange hielt, und ſchlug eine oder zwey Minuten lang mit einem Hammer darauf, waͤhrend ich ihn in lothrechter Stellung auf einen großen Stab von weichem Eiſen, der in derſelben Stellung war, hielt. Dadurch bekam der ſtaͤhlerne Stab ſchon einen beträchtlichen Magnetismus. Auf das obere Ende von dies ſem ſtellte ich darauf einen jeden der ſechs kleinern Staͤbe von weichem Stahl, einen nach dem andern, und haͤmmerte ihn ſo lange, bis er keinen Zuwachs von Anziehungskraft mehr erhielt. Alsdann legte ich zwey von dieſen parallel neben einander auf ein Bret, mit den freundfchaftlichen Po— len nach einerley Seite gekehrt, und verband ſie durch Unter— lagen an beyden Enden zu einem Parallelogramm. In die— ſer Lage rieb ich ſie, nach der ſchon von Canton angegebenen Methode “, vermittelſt der vier andern Stäbe; wodurch ihr Magnetismus ſehr verſtaͤrkt wurde. Dieſe vier andern wurden nach dieſem, paarweiſe, auf eine ähnliche Art behan— delt, und die bereits verſtaͤrkten gebraucht, um die andern zu verſtaͤrken; wobey jedes Jaar der Reihe nach mit einem andern vertauſcht wurde, bis alle Staͤbe bis zur Sättigung magnetiſirt waren. Jedes Paar derſelben zeigte jetzt eine Anziehungskraft von 23 Pfund. Das naͤchſte Geſchaͤft war, die hufeifenformigen Stäbe, die zu dem zuſammengeſetzten Magnet beſtimmt waren, mit *) Philos. Transact. XLVII. p. 31. Sc. — Man findet dieſe Me⸗ thode unter andern auch in Cavallo's theor. und prakt. Abh. vom Magnet. Aus d. engl. uͤberſ. Leipz. 1788. 8. S. 141. ff. beſchrieben. N dieſen bereits magnetiſirten Staͤben zu ſtreichen. Zu dieſem Ende wurden die ſechs Staͤbe in zwey Magnete vereinigt, indem je drey Staͤbe zuſammen gebunden wurden, und zwar mit den gleichnamigen Polen an einander. Dieſe zwey Ma— gnete wurden darauf an dem einen Ende mit den entgegenge— ſetzten Polen in Verbindung gebracht und zuſammengebun— den, waͤhrend die andern Enden etwa um ein Drittel eines Zolls von einander entfernt blieben, ſo daß das Ganze einen zuſammengeſetzten Magnet bildete. An dem offenen Ende wurde auch beſtaͤndig eine Unterlage vorgelegt, wenn der Magnet nicht gebraucht wurde, um zu verhuͤten, daß er et— was von feiner Kraft verliere. Einer von den hufeiſenfoͤr— migen Staͤben wurde jetzt, mit einer Unterlage an ſeinen Po— len, auf ein Bret in eine eigens dazu ausgeſchnittene Vertie— fung gelegt, damit er waͤhrend des Streichens ſich nicht ver— ruͤcken möchte. Alsdann wurde der zuſammengebundene Magnet mit ſeinem offenen Ende gerade auf die Mitte deſ— ſelben aufrecht geſtellt, und dagegen gedruͤckt, und ſo mit dem Nordpole voran von der Mitte bis an das eine Ende des Hufeiſens gefuͤhrt, welches der Suͤdpol werden ſollte; von hier wurde wieder zuruͤckgeſtrichen, mit dem Suͤdpol vor— an, um das ganze Hufeiſen herum, bis an das andere Ende, welches der Nordpol werden ſollte. Wenn der hufeiſenfoͤrmige Stab auf dieſe Art zwey oder dreymal von einem Ende zum andern, auf beyden Seiten, geſtrichen war — wobey der Nord- und Suͤdpol des ſtreichenden Magnets immer gegen den Suͤd- und Nordpol des geſtrichenen gerichtet ſeyn muß— te — ſo wurde der Magnet zuletzt, waͤhrend er an dem ei— nen Ende des andern ſtand, ſeitwaͤrts abgezogen. Hierdurch erlangte der geſtrichene Stab ſchon eine Kraft, um ein Ge: wicht von einigen Unzen, das an die Unterlage gehaͤngt wur— de, zu tragen. Auf dieſe Weiſe wurden alle Hufeifenftäbe der Reihe nach behandelt. Nach dieſem wurden fuͤnf der Hufeiſenſtaͤbe zu einem Magnet verbunden, und dieſe an— ſtatt des aus weichem Stahl zuſammengeſetzten Magnets ans gewandt, um die magnetiſche Kraft des ſechsten und ſieben— ten Hufeiſenſtabes zu verſtaͤrken, die dadurch faͤhig wurden, ein jeder mehr als zwey Pfund zu tragen. Darauf wurden dieſe mit zwey andern in dem zuſammengeſetzten Magnet vertauſcht, und dieſe auf gleiche Art behandelt. An die Stelle von dieſen wurden dann wieder zwey andere vorge— nommen; und endlich der noch uͤbrige und einer der beyden zuerſt geſtrichenen; und alle einem gleichen Verfahren un: terworfen. Dadurch erhielt ich, wenn alle ſieben Staͤbe verbunden wurden, einen Magnet, der zehn Pfund tragen konnte. Mit dieſen verſtaͤrkten Staͤben wurde eine neue Reihe von Bearbeitungen angefangen, und je zwey der Rei— he nach durch die fuͤnf uͤbrigen, auf eben die Art wie vorher, geſtrichen. Dadurch erlangten fuͤnf Staͤbe zuſammen eine Kraft, um 15 Pfund zu tragen; und nachdem ſie zum drit— tenmal auf ähnliche Weiſe behandelt worden waren, zogen ſie 18 Pfund. Durch eine vierte Reihe aͤhnlicher Verſuche aber wurde nur eine geringe Vermehrung zuwege gebracht, und daher ein weiteres Verfahren eingeſtellt. Die ganze Bearbeitung, von Anfange bis zu Ende, dauerte uͤber vier Stunden. Allein, da ich jeden Stab auf jeder Seite zwolf: mal ſtrich, anſtatt daß es, wie ich nachher gefunden habe, hinreichend geweſen waͤre, ihn ein-oder zweymal zu ſtreichen; und manche andere Vorrichtungen, die nicht noͤthig waren, einen guten Theil von Zeit und Muͤhe wegnahmen, ſo zweifle ich nicht, daß die ganze Arbeit, wenn man von Null-Magne— tismus anfaͤngt, und bey einer Kraft von zwanzig bis drey— ßig Pfund aufhoͤrt, in Zeit von zwey Stunden oder noch weniger beendigt werden Eonne, Da Staͤbe von Stahl nicht unmittelbar bey dem Be— ſtreichen die volle Kraft erlangen, deren ſie faͤhig ſind, ſo wurde, da der Magnet fertig war, eine Unterlage an ſeine Pole gebracht, und er bey Seite gelegt, in der Abſicht, feine Kraft bey einer andern Gelegenheit noch zu verſtaͤr— ken *). Sonntag, den 19. May. Den Abend zuvor ließ die Preſſung gegen das Schiff ein wenig nach, aber da gleich darauf ein ſtarkes Wogen des Meeres entſtand, gieng das Eis wieder zuſammen, und blieb dieſen ganzen Tag geſchloſ— ſen. Der John, obgleich ſo feſt wie wir im Eiſe eingeſchloſ— ſen, kam doch in den beyden vorhergehenden Tagen beynahe zwey Meilen weiter von uns. Vielleicht giebt es keine Art von Beſchaͤftigung in der Welt, bey welcher ein feſtes Vertrauen auf die Vorſehung *) Man kennt jetzt mehrere Methoden, kuͤnſtliche Magnete zu verferti— gen, die alle in einigen Stuͤcken mit einander uͤbereinſtimmen, in andern von einander abweichen. Auch die oben beſchriebene ſtimmt mit den bereits bekannten in mehreren Stuͤcken uͤberein. Eigen— thuͤmlich aber ſcheint mir bey ihr der Gebrauch des lothrecht ſtehen— den groͤßern Eiſenſtabes zu ſeyn, welchem durch Haͤmmern ein, wenn auch nur ſchwacher Magnetismus, ertheilt wird, und welcher dann zur Unterlage fuͤr kleinere Staͤbe von weichem Stahle dient, die gleichfalls durch Haͤmmern magnetiſirt, und durch wechſelſeitiges Beſtreichen erſt tüchtig gemacht werden, in dem Stabe von hartem Stahl, als dem eigentlichen, kuͤnſtlichen Magnete, einen nicht unbe— traͤchtlichen Magnetismus zu erwecken. Dann iſt es gewiß ein be: ſonderer Vorzug dieſer Methode, daß ſie ohne Beyhuͤlfe irgend eines andern Magnets, die erforderlichen Huͤlfsmittel ſelbſt bereitet, alles gleichſam aus ſich ſelbſt herleitet, und in ihren Zuruͤſtungen Zweck und Mittel zugleich hervorbringt. Sie unterſcheidet ſich dadurch ſehr von der neuerlich bekannt gemachten Methode des Hrn. Prof, Steinhaͤuſer (S. Schweiggers Jahrb. der Chem. und Phyf. III Bd. S. 31. ff.), nach der man ſich zwar ſehr ſtarke Magnete verſchaffen kann, jedoch nur mit Huͤlfe von andern Magneten, deren jeder 100 Pfund und daruͤber traͤgt, dergleichen doch nicht jedem zu Gebote ſtehen, und deren Verfertigung nicht gelehrt wird. m und ein unerſchuͤtterlicher Glaube an eine göttliche Lenkung unſerer Schickſale von einem fo großen Werth iſt, als bey dem Befchäfte der Seefahrer und vorzüglich der Wallfiſch— faͤnger. Dieſe ſind beſtaͤndigen Gefahren der verſchiedenſten Art ausgeſetzt, denen ſie großentheils freywillig entgegen gehen muͤſſen; und der Erfolg ihrer Anſtrengungen haͤngt von einer Menge von Umſtaͤnden ab, von denen viele ſich gar nicht berechnen laſſen. Die Aengſtlichkeit und Bekuͤm— merniß, die hieraus entſteht, wird um vieles vermindert, und oft ganz aufgehoben, wenn wir überzeugt von der beſtaͤndi— gen Obhut der göttlichen Vorſehung, ihr vertrauen, und die Sicherheit unſers Lebens, wie den Erfolg unſrer Bemühun— gen, ihr anheim ſtellen. Montag Morgens um halb 5 Uhr wurde ich durch das Reiben des Eiſes gegen die Seiten des Schiffes geweckt; auf mein Befragen, woher das kaͤme, wurde mir geſagt, daß das Eis in Bewegung waͤre, und ſich ſchon in verſchiedenen Richtungen um uns her zertheilt haͤtte. Den Augenblick ſprang ich auf, und da ich ſahe, daß es moͤglich war, etwas weiter vorwaͤrts zu kommen, befahl ich, daß alles Hand an— legen ſollte, um das Ruder eiligſt wieder einzuſetzen, das aus Vorſicht hereingenommen war, als das Eis zuſammengieng. Nachdem dies geſchehen war, benutzten wir ein guͤnſtiges Luͤftchen, durch das es uns, mit Beyhuͤlfe von werpen, bug— ſiren ) und durchbrechen des Eiſes mit den Booten, gelang, mitten zwiſchen den zuſammengedraͤngten und ſchweren Eis— ſchollen, die ſich unſerer Befreyung entgegenſtellten, vorzu— dringen, obwohl nur ſehr langſam. Manche von dieſen Eis— ſchollen waren 150 bis 200 Ellen breit, und 20 bis 50 Fuß dick. Und da ſie an vielen Stellen dicht aneinander ſtießen, fo mußten wir fie durch die Gewalt unſers Gang: *) Werpen heißt ein Schiff mit Huͤlfe des Wurfankers weiter bringen; bugſiren, es durch Boote an Tauen fortziehen. A ſpills oder Bratſpills ) und anderer Huͤlfsmittel aus eins ander bringen. Bey andern von nicht geringerer Größe fand ſich bisweilen ein enger Canal, ſo breit als das Schiff, der uns zwar einen leichtern, aber gefaͤhrlichern Durchweg ge: ſtattete. Es würde langweilig ſeyn, von allen einzelnen Ver⸗ richtungen dieſes Tages Nachricht zu geben; es mag daher gnuͤgen, zu bemerken, daß, nachdem wir ſechszehn Stunden nach einander, faſt ohne Unterbrechung, die angeſtrengteſte Arbeit und ſorgfaͤltigſte Leitung angewandt hatten — wobey das Schiff bisweilen zu den ungewöhnlichſten Wendungen gebracht werden, und durch fo enge und ſchwierige Canaͤle, als für ein Schiff von der Größe des Baffin nur irgend mög lich war, gehen mußte — wir ſo gluͤcklich waren, weit uͤber unſere Erwartung, ein freyes und offenes Waſſer, ohne ir: gend einen Unfall oder eine Beſchaͤdigung, zu erreichen. Dieſe Befreyung erregte die froheſten Empfindungen in uns. Den Morgen hielt uns noch eine Maſſe von Eis, die von dem Mars aus kaum zu uͤberſehen war, aufs engſte einge— ſchloſſen, und den Abend befanden wir uns in völliger Freyheit. N Der John war zuruͤckgeblieben, vermuthlich weil das Eis in ſeiner Naͤhe nicht eben ſo, wie um den Baffin herum, aus einander gewichen war; doch ſahen wir ihn noch vor Nachts weſtwaͤrts gegen eine offene Stelle hin werpen, und merklich vorruͤcken. Da aber dieſe Richtung der unfrigen gerade entgegengeſetzt war, ſo kamen wir bald ſoweit aus einander, daß wir, durch eine große Maſſe von Eis geſchie⸗ den, uns unvermeidlich trennen mußten. *) Das Gangſpill ift eine ſtarke Winde, die zum Lichten des Ankers, zum Bugſiren und andern Arbeiten dient. Das Bratſpill iſt eine lange, vorne auf den Schiffen befindliche Welle, vermittelſt welcher das Ankertau aufgewunden wird. Drittes Kapitel, Fahrt nach einem füdlichern Standort. — Schneefi— guren. — Einfahrt in die große Maſſe des weſtli— chen Eiſes und Vordringen bis zur Anſicht der oͤſtli— chen Kuͤſte von Groͤnland. — Zwey Wallfiſche gefangen. Da wir wenig Aufmunterung gehabt hatten, in dieſem Parallel noch laͤnger nach Wallfiſchen zu ſuchen, ſo beſchloß ich nach einem ſuͤdlichern Platz zu gehen, da in den Gegen— den vom 77ſten Grade der Breite und weiter hinunter in den letzten drey oder vier Jahren der beſte Fang gemacht worden war. Ich berechnete, daß die Zeit, in welcher eigent— lich der Fang anfaͤngt, ſchon ſo nahe war, daß es unklug wäre, länger an einem fo wenig ergiebigen Platze zu verwei— len. Vor dem Jahr 1818 bis wenigſtens auf ein Viertel— jahrhundert zuruͤck wurde der Wallſiſchfang allgemein zwi⸗ ſchen den Parallelen des 76ſten und SOften Grades betrieben; und der 79ſte Grad beſonders gewaͤhrte den am meiſten be— harrlichen Fiſchern, in einer Entfernung von dreyßig bis vierzig Meilen von der Kuͤſte von Spitzbergen, viele Jahre nach einander, eine reichliche Erndte. Nach dem Jahre 1814 aber wurde die Fiſcherey in dieſen hohen Breiten aͤußerſt mißlich; die Wallfiſchfaͤnger fiengen daher an, ihre Nachfor— ſchungen weiter gegen Suͤden zu machen, doch ohne ſich tief in das Eis hinein zu wagen, oder laͤnger als bis in die Mitte oder bis zu Ende des Julius darin zu verweilen; indem es eine herrſchende Meinung war, daß es nicht blos unnütz, ſondern auch aͤußerſt gefaͤhrlich waͤre, nach dieſer Zeit in das Eis verwickelt zu werden. Gegen das Ende der Fangzeit, im Jahr 1817, drang ich unter dem 74ſten Grad der Breite noch auf 100 Meilen in das Eis gegen Weſten vor, aber ohne Wallfiſche anzutreffen; und das Jahr darauf kamen zwey Schiffe bis in die Nähe der öſtlichen Küfte von Grönland, und machten einen guten Fang. Im Jahr 1820 erlangte ich eine volle Ladung, vornehmlich in jener Gegend, vom 74ſten bis hinunter zum 71ſten Grade; auch verſchiedene andere Schiffe machten einen gluͤcklichen Fang mitten unter demſelben Eiſe, und im Angeſicht des „Weſt-Landes“ (Groͤnlands). Das folgende Jahr hinderte uns ein großes und dichtes Eisfeld, der Kuͤſte von Grönland näher zu kom⸗ men, als daß wir ſie eben erblickten, und der Fang ſchlug uͤberhaupt fehl; nur wenige Schiffe, die eine guͤnſtigere Oeff— nung gefunden hatten, waren durch die Eis-Schranken hin— durchgekommen und hatten eine ertraͤgliche Ladung erhalten. Dieſe „füdliche Fiſcherey“, ohne deren Entdek— kung die Grönlands-Fahrten unſtreitig fo wenig einträglich geworden waͤren, daß ſie haͤtten ganz aufgegeben werden muͤſſen, iſt noch in ihrer Kindheit, und gewährt nur eben fo viel Ertrag, als noͤthig iſt, um das Unternehmen zu recht— fertigen. Es iſt noch nicht gewiß, ob der Platz an der oͤſtli⸗ chen Kuͤſte von Grönland immer zugänglich iſt, oder ob die neuerlich bemerkte Trennung des Eiſes in der Naͤhe derſel— ben nur eine zufällige und gelegentlich entſtandene Erſchei— nung iſt. Ehedem, bis etwa auf die letzten vier oder fuͤnf Jahre, war es die allgemeine Meinung der Schiffer, daß die: ſes Land, wegen des dichten und gefaͤhrlichen Eiſes, von welchem es eingeſchloſſen waͤre, unzugaͤnglich ſey; indem man von keinem Schiffe wußte, das ihm nahe genug gekom— men waͤre, um es nur zu erblicken; außer von ſolchen, die im Eiſe eingeſchloſſen, unwillkuͤhrlich von demſelben fortge— fuͤhrt worden waren. Und da man Beyſpiele genug, ſowohl von der furchtbaren Zerſtoͤrung, welche die Schiffe in dem groͤnlaͤndiſchen Eiſe erlitten, als von den ſchrecklichen Unfaͤl⸗ len, welche die Schiffer an jener Kuͤſte erfahren hatten, 6 * — kannte, ſo betrachteten die Wallfiſchfaͤnger eine Fahrt in dieſe Gegend immer als eine hoͤchſt gefaͤhrliche und ſehr ge— wagte Unternehmung. Jetzt hingegen haben dieſe Beſorg— niſſe faſt ganz aufgehört, und man hat mehr Vertrauen, daß nicht nur die Kuͤſte jaͤhrlich zugaͤnglich ſeyn duͤrfte, ſondern auch die Wallfiſche, die ſich aus den nordlichern Gegenden zuruͤckziehen, ihre Zuflucht regelmäßig dorthin nehmen. Ob dieſes Vertrauen aber gegruͤndet iſt, muß erſt eine mehrjaͤh— rige Erfahrung lehren. Den 21. May. Mit einem friſchen Nordwind und bey ſchoͤnem Wetter giengen wir, laͤngs dem weſtlichen Rande des Eiſes, mit allen Segeln gegen Suͤdweſt, wo wir offenes Waſſer hatten. Um Mittag war unfere Breite 77° 427]; die Laͤnge 2° oͤſtlich. Den folgenden Morgen ließ der Wind nach und drehte ſich gegen Weſten; wir legten daher um, um mit dem Eiſe fortzugehen. Um 10 Uhr kamen wir an den Rand einer un— durchdringlichen Maſſe von ſchwerem Treibeis, und ſahen eine Menge Narwals, von denen einer, ein ſehr kleiner, er— legt wurde. Er war von einer viel dunklern Farbe, als ein ausgewachſener, und viel weniger gefleckt, und nicht fo hübſch. Obgleich männlichen Geſchlechts, hatte er doch kein Horn; dieß war noch nicht durch die Haut durchgebrochen. Zu derſelben Zeit fiengen wir einen Eisblock auf, und wan— den ihn an Bord hinauf, der zwiſchen zwey und drey Ton— nen wog „, und wegen feiner Reinheit und Durchſichtigkeit merkwuͤrdig war. Eine kleine Linſe von dieſem Eiſe, nur obenhin gearbeitet, wirkte wie ein Brennglas und entzuͤndete brennbare Sachen, vermittelſt der Sonnenſtrahlen, ſehr *) Eine Tonne betraͤgt ein Gewicht von 200 bis 250 Pfund. s gut *). Die Beobachtung gab uns heute unſere Breite 76° 24' ; den naͤchſten Mittag 75° 43“. Da wir uns jetzt unter dem Parallelkreiſe befanden, wo ich mir vorgenommen hatte, aufs neue nach Wallfiſchen zu ſuchen, ſo machten wir uns in das Eis, das hier aus einzel— nen Strömen von Treibeis beſtand, und giengen gegen Nord— weſt oder Weſt, bis gegen Abend, wo eine dichtere Maſſe von Eis, durch welche jedoch noch durchzukommen war, ſich uns entgegenſtellte. Waͤhrend der Nacht ſahen wir zwey Wallfiſche, und den Tag darauf (den 24. May), nachdem wir alle Muͤhe ange— wandt hatten, weſtwaͤrts zu kommen, bald durch Bugſiren bey ſchwachem Winde, oder gänzlicher Windſtille, bald durch Huͤlfe der Segel bey friſcherm Winde, kamen wir an zwey dichten und furchtbaren Waͤnden von Eis vorbey und ge— langten in ein geraͤumiges offenes Waſſer, deſſen Anſehen viel verſprach. Hier ſahen wir auch bald noch zwey oder *) Man hat ſchon oͤfterer den Verſuch gemacht, ſowohl Brennſpiegel, als Brennlinſen von Eis zu verfertigen, mit gutem Erfolg. Unter andern erwaͤhnt Andreas Gaͤrtner in ſeiner kleinen Schrift uͤber die von ihm erfundenen hoͤlzernen und vergoldeten paraboli— ſchen Brennſpiegel (Dresden, 1715. 4.) ausdruͤcklich, daß er para⸗ boliſche Spiegel von Eis gemacht, und mit denſelben bey der groͤß— ten Kaͤlte durch die Sonnenſtrahlen Feuer angezuͤndet haͤtte. Und Scores by erzählt, daß er auf einer feiner fruͤhern Reifen aus ei⸗ nem reinen Stuͤck Eis eine Linſe, von nicht einmal ſehr regelmaͤßiger Geſtalt, verfertigt und mit derſelben Schießpulver losgebrannt, Holz entzuͤndet, Bley geſchmolzen, die Pfeifen der Matroſen angeſteckt haͤtte und dergl. mehr. Das letztere haͤtte ſeine Leute ſo ergoͤtzt und in Verwunderung geſetzt, daß alle mit ihren Pfeifen herbeygekom⸗ men waͤren, um das Vergnuͤgen zu haben, eine Pfeife zu rauchen, die auf eine fo außerordentliche Art angezuͤndet wäre, (Account of che arct. Reg, I. S. 232.) drey Wallfiſche; aber fie entgiengen alle unſern Verfol⸗ gungen. Den 25. May. Der Wind gieng faſt um den ganzen Kompaß herum, und Regenſchauer wechſelten mit dickem Nebel. Endlich ſetzte ſich der Wind in Suͤden feſt und blies furchtbar heftig, ſo daß das Eis ſogleich anfieng, ſich um uns her zu ſchließen. Der Kluͤverbaum gieng auf den erſten Windſtoß verloren, und ſelbſt die Maſten ſchienen in Gefahr. Die Marsſegel wurden daher enge eingerefft, und wir ſuchten einen Winkel zu finden, wo das Schiff ausge— beſſert werden koͤnnte; aber wir wurden von einem Zu— fluchtsort zum andern getrieben durch das Eis, das ſich um uns her anhaͤufte, bis wir kaum noch Platz hatten, uns zu drehen. Die Heftigkeit des Sturmes hinderte, das Schiff auf die gewohnliche Weiſe zu verteuen “*); und es war nicht moglich, es länger mit Sicherheit in Gang zu erhalten. Glück: licherweiſe entdeckte ich ein kleines Feld von neuentſtandenem Eiſe, das an der Wetterſeite einer großen Eismaſſe lag. Dahin gelang es uns das Schiff zu treiben, obwohl es zwi— ſchen zwey großen und gefaͤhrlichen Eisſtuͤcken durchkam, die wenig mehr als die Schiffslaͤnge aus einander lagen. Das neue Eis zerbrach unter dem Drucke des Schiffes, und ver— huͤtete einen heftigen Stoß gegen die ſchweren Eismaſſen. Sogleich nahmen wir die Segel ein, und hielten uns durch Eishacken an einem großen Eisblock feſt, gerade in dem Au— genblicke, als der Widerſtand des neuen Eiſes aufhörte, und das Schiff anfieng, ruͤckwaͤrts zu gehen. Jetzt wurden an zwey oder drey der groͤßten Eisſtuͤcke Taue durch Eisanker n) d. i. durch einen oder mehrere Anker an das Eis zu befeſtigen. ) Der Eisanker iſt ein großer eiſerner Hacken, beynahe von der Ge: ſtalt des Buchſtaben 8. Das eine Ende deſſelben wird in eine Vertiefung, die in das Eis gemacht wird, gebracht, und an das andere wird ein Tau gebunden, um das Schiff zu halten. S. eee, befeſtigt, wodurch das Schiff waͤhrend des Sturmes in Si— cherheit kam. 8 Sonntag Morgens, den 26. Map, folgte auf den Sturm eine Windſtille. Da das Schiff ſich mitten zwiſchen gro— ßen Eisklumpen befand, ſo brachten wir es durch Werpen in eine bequemere Lage, und befeſtigten es wieder am Eiſe; worauf wir unſern gewohnlichen Gottesdienſt hielten. Ein großer Wallfiſch kam nahe bey uns zum Vorſchein, und ließ ſich dreymal an derſelben Stelle ſehen; aber da es Sonntag war, wurde nicht Jagd auf ihn gemacht. Waͤhrend der drey folgenden Tage war das Wetter insgemein neblig, mit ſüdlichen oder sſtlichen Winden, die das Eis in ſolcher Menge um uns her trieben, daß wir das Schiff nicht in Gang erhalten konnten. Verſchiedene Wallfiſche ließen ſich ſehen, und wir hoͤrten ihr Blaſen; aber alle unſere Bemühungen ſie zu fangen, waren bey dem dichten Eiſe und dem undurchſichtigen Nebel fruchtlos. Da die Temperatur der Luft nahe am Gefrierpunkt war, ſo hieng ſich der Nebel an das Tauwerk in einem dicken Ueberzug von durchſichtigem Eiſe an. Bey jeder Bewe— gung an den Tauen fiel dieſer in großen ſpitzigen Stuͤcken, mehrere Pfund ſchwer, herab, und verurſachte einen Regen, bey dem es gefaͤhrlich war, in die Hoͤhe zu blicken. Den 30ſten hatten wir einen ziemlich ſtarken Wind aus Suͤdweſt, und es fiel ein betraͤchtlicher Schnee. Um 4 Uhr des Morgens wurde mir gemeldet, daß das Schiff nahe daran waͤre, vom Eiſe eingeſchloſſen zu werden. Da ich aber gerade an einem heftigen Katarrh und boͤſem Halſe litt, und uͤberdieß ein reißendes Zahnweh hatte, fo war es mir unmöglich herauszugehen. Gegen Mittag ſtand ich auf und fand das Schiff mitten in einer ungeheuern Maſſe von ſchwerem Treibeis feſt ſitzen. Unzaͤhlige Bloͤcke ragten u auf allen Seiten in die Höhe, manche bis auf 30 oder 40 Fuß, und zeigten, auf eine auffallende Weiſe, die außeror⸗ dentlichen Wirkungen eines zufaͤlligen Aneinanderſtoßens oder Druͤckens. Den Tag darauf ſprang der Wind nach Norden um, und blies mit vieler Heftigkeit. Die Wirkung davon war bald ſichtbar, das Eis fieng an auseinander zu gehen und ſich nach allen Seiten hin zu trennen. Den iſten Juny des Morgens hatte der Druck des Ei: ſes hinlänglich nachgelaſſen, daß wir uns wieder in Bewe— gung ſetzen konnten. Ein Strich von freyem Waſſer, der ſich weit gegen Oſten hinzog, zeigte ſich nicht weit von uns unter dem Winde; wir drangen daher durch das dazwiſchen liegen— de Eis hinein, ohne irgend ein Segel loszumachen, außer gelegentlich das Fockſegel; und wir ſuchten den Stoßen, de: nen das Schiff bey einem friſchen Winde ausgeſetzt war, dadurch vorzubeugen, daß wir ein Stück Eis von einigen Faden im Durchmeſſer, vermittelſt des Dreghackens /, bin: terdrein zogen. Nach einer muͤhſamen und mißlichen Fahrt von einigen Meilen, kamen wir in offenes Waſſer, das in einer Entfernung von mehrern Meilen von SW. bis gegen N. von größern und kleinern Eisfeldern begrenzt war. In— dem wir gegen Norden fuhren, kamen wir an den Rand ei- nes Eisfeldes von 8 bis 10 Meilen im Durchmeſſer, in deſ— fen Naͤhe wir drey oder vier große Wallfiſche erblickten. Dieſe entgiengen alle unſern Harpunen; ein anderer aber, der letzte, der waͤhrend des Tages zum Vorſchein kam, wurde getroffen. Er blieb ungefähr vierzig Minuten unter Waſſer, ohne ein einzigesmal hervorzukommen; dann aber kam er mitten zwiſchen den Booten zum Vorſchein, und war ſehr bald abgethan. Sogleich ſchritt man auch dazu, den Speck und das Fiſchbein auszunehmen — was in ungefaͤhr vier Stun— *) Eine Art Anker, die dazu dient, um ein verlornes Ankertau oder ſonſt etwas vom Grunde des Meeres heraufzuholen. 1 den beendigt war. Zu eben der Zeit ſahen wir noch ein an— deres Schiff, die Altona von Altona, das gleichfalls einen Fang machte. Sonntags, den 2. Juny. Den Nachmittag und Abend wurden mehrere Wallfiſche geſehen; und die Altona hatte alle ihre Boote zur Verfolgung ausgeſchickt. Unſere Harpunirer waren fo außer ſich, fo viele Fiſche zu ſehen, ohne Jagd auf ſie machen zu koͤnnen, daß ich ihnen befehlen mußte, vom Mars herunter zu gehen, und das Schiff weg— zubringen, Sobald der Sonntag vorüber war, näherten wir uns wieder einem Eisfelde, wo wir Wallfiſche geſehen hatten, und hatten bald die Befriedigung, alle Boote auszuſchicken, um Jagd zu machen. In einer Bucht, die durch zwey oder drey unter einem Winkel an einander ſtoßende Eisfelder ges bildet wurden, ließen ſich außerordentlich viele „Fiſche“ ſe— hen. Sie waren in Trupps von einem halben Dutzend und daruͤber zuſammen, ſpielten gelegentlich und belebten durch ihr ofteres Erſcheinen dieſe ſonſt oͤde und todte Gegend. Es kam ein dicker Nebel, bald nachdem die Boote abgegangen waren, der einige derſelben zwey bis drey Stunden lang un— ſerer Beobachtung entzog. Darauf hellte ſich die Luft theil— weiſe auf und wir entdeckten eines der Boote mit einer we— henden Flagge, zum Zeichen, daß es „fell“ wäre . In⸗ deſſen war die Lage ſo, daß ſie nicht viel Hoffnung gab, in— dem gerade an jener Stelle das Eis ſehr uneben, und voll von Löchern war, die dem Wallfiſche hinreichende Oeffnun— gen zum „Blaſen“ geſtatteten, und ihn unfern Beobachtungen und unſern Angriffen entzogen. Ich rief daher drey von den ſieben Booten zurück, und ſchickte fie, auf andere Wallſiſche „) Die Erklärung dieſes Schiffer⸗Ausdruckes beym Wallfiſchfang ſ. oben S. 63. id — Jagd zu machen, deren wir noch viele um uns her blafen ſehen konnten. Eines von dieſen Booten kam bald darauf mitten in einen Trupp von ſieben oder acht der groͤßten Art. Sie lagen auf der Oberflaͤche, auffallend nahe beyſammen und durcheinander; aber da die Luft ganz ſtill und ruhig war, wurden ſie alle durch das Geraͤuſch der Ruder und des her— annahenden Bootes aufgeſchreckt, und waͤhrend der Harpu— nirer, ganz außer ſich, erſt nach dieſem, dann nach jenem ſeine Wurf: Waffe richtete, war der ganze Haufe entwiſcht. Sie waren ſo nahe, daß das Waſſer durch den Schlag ihres Schwanzes in Regenſchauern juͤber das Boot hinſpritzte, und die See auf ein paar hundert Fuß umher voll von Stroͤmun— gen und kleinen Wirbeln war. | Ich ließ jetzt das Schiff in eine tiefe Eisbucht bringen, wo das „Feſt-Boot“ lag, um die Arbeiten der Harpunirer zu leiten, und nach dem getroffenen Fiſch zu ſehen. Aller meiner Bemuͤhungen ungeachtet konnte ich ihn nicht entdek— ken; und eben ſo fruchtlos waren die Nachſuchungen mei— ner Leute, die ich nach verſchiedenen Seiten auf das Eis ausſchickte. Nachdem er eine uͤber anderthalb Meilen lange Leine von dem Boote, aus dem er verwundet war, nach ſich gezogen, und beynahe zwoͤlf Stunden lang fuͤr ſeine Freyheit ſich gewehrt hatte, ließ die Harpune endlich los und der Fiſch entkam uns; ob aber lebend oder todt, koͤnnen wir nicht ſagen. Als wir jetzt verſuchten, aus der Bucht wieder herauszu— kommen, in welche wir, um den Wallfiſch zu verfolgen, hin— eingegangen waren, erhob ſich ploͤtzlich ein Wind aus SO., der das Eis ſo ſchnell gegen uns trieb, daß, ehe wir hinaus waren, zwey kleinere Eisfelder zuſammen ſtießen, und uns den Ruͤckzug abſchnitten. Und da dieſe Eismaſſen ſich mit einer Geſchwindigkeit von mehr als einer Meile in einer Stunde uns naͤherten, ſo konnten wir nicht ohne Schwierig— keit eine offene Stelle von etwa einer Viertelmeile im Durch: meſſer erreichen, ohne von dem Eiſe gequetſcht zu werden. Hier legten wir das Schiff an einer großen Eisſcholle, die mit einem groͤßern Eisfelde zuſammenhieng, vor Anker, da wo die wenigſte Gefahr zu ſeyn ſchien, im Fall wir noch ein— mol durch eine Quetſchung des Eiſes bedroht wuͤrden. Wir waren noch nicht lange an dieſem Standorte, als zwey Walls fiſche in unſerer Naͤhe zum Vorſchein kamen, von welchen der eine durch eine Harpune getroffen wurde. Er lief nur vier Leinen (480 Faden) aus, und kam dann, glücklicher: weiſe für uns, in der Mitte des kleinen See's, in welchem unſere Boote vertheilt waren, empor; ſogleich trafen ihn noch drey Harpunen; und in Zeit von anderthalb Stunden, von dem erſten Angriff an gerechnet, erlag er unſern Strei— chen. Er gewaͤhrte einen guten Fang: das Fiſchbein war 10 Fuß 3 Zoll lang, und der Ertrag an Oel wurde auf 14 oder 15 Tonnen geſchaͤtzt. Den folgenden Tag (den 4. Juny) noͤthigte uns die Bez wegung des Eiſes, uns noch weiter gegen Weſten zuruͤckzuzie— hen, wo wir wieder eine offene Stelle fanden, in der wir bis zum 7ten von einer Mauer von undurchdringlichem Eiſe eingeſperrt waren. Hier ſahen wir in den erſten Tagen einige Wallfiſche, aber in den letzten 48 Stunden ließ ſich keiner ſehen. Eine große Menge von Narwals ſpielten oft um uns herum, bis— weilen in Haufen von 15 oder 20 zuſammen. Manche von dieſen Trupps beſtanden blos aus maͤnnlichen Thieren, von denen jedes ein langes Horn (oder Zahn) hatte, das aus dem Vorderkopfe hervorragte. Sie ſchienen ſehr luſtig zu ſeyn, hoben ihr Horn oft in die Hoͤhe, und kreuzten es ges genſeitig, als ob fie mit einander fechten wollten. Bey die⸗ ſem Kurzweil ließen fie oͤfters einen ungewöhnlichen Laut hoͤren, der dem Golkern des Waſſers im Schlunde glich, e und auch wahrſcheinlich davon herruͤhrte, weil er nur dann entſtand, wenn ſie ihr Horn mit dem Vorderkopf und Mun— de, außerhalb dem Waſſer, in die Höhe richteten. Mehrere von ihnen folgten dem Schiffe, und ſchienen, bey dem Ans blick eines ſo ungewöhnlichen Körpers, durch eine Art von Neugier herbeygezogen. Da das Waſſer vollkommen durch— ſichtig war, ſo konnte man ſehen, wie ſie bis zum Kiel her— abgiengen, und eine lange Zeit am Ruder ſpielten, alsdann ſich etwas entfernten, und um Athem zu holen empor ka— men. Sie blieſen das Waſſer mit großer Kraft in die Höhe. Wenn ſie an die Oberflaͤche kamen, ſo bemerkte ich, daß ſie jederzeit zuerſt anftengen auszuathmen; und wenn fie unter das Waſſer giengen, ſo geſchah es allezeit mit angefuͤllten Lungen. Ihr Athmen glich einem Herausſtoßen von Dampf oder Luft; nach jedem Athemzuge folgte eine Pauſe von viel— leicht zwey oder drey Sekunden; und wenn dieß acht- oder zehnmal wiederholt war, ſo tauchte das Thier gemeiniglich unter; bisweilen aber blieb es noch einige Minuten nachher auf der Oberflaͤche, ohne merklich zu athmen, oder ſich zu bewegen. Eine Beobachtung am Sten Juny gab uns unſere Breite 74° 18“. Hieraus ſcheint es, daß wir mit dem Eiſe beynahe 100 Meilen ſuͤdwaͤrts, und waͤhrſcheinlich faſt eben fo weit weſtwaͤrts fortgetrieben worden ſind, und zwar in einer Zeit von nicht mehr als zwoͤlf Tagen. Unſer Lauf war in dieſer Zeit mehr gegen Norden, als anders wohin gerichtet ge— weſen. Am Gten des Morgens war alles Tauwerk an dem Schif—⸗ fe mit doppelten Franſen von Schneekryſtallen dick beſetzt, die ſich in der Nacht aus dem Nebel gebildet hatten, der bey dem wiederholten Umlegen des Schiffes durch den Wind an die entgegengeſetzten Seiten der Taue gefuͤhrt worden war. Dieſe Franſen waren vom ſchoͤnſten Weiß, und die Spitzen oder 1 Nadeln, woraus fle beſtanden, liefen vorn ſpitzig zu und breiteten ſich ſtrahlenfoͤrmig aus. Daher wurde jedes Seil oder jede andere Subſtanz, die auf ihrer Oberflaͤche zarte Fibern hatte, an welche ſich die gefrornen Theilchen anhaͤn— gen konnten, der Mittelpunkt oder die Achſe eines cylin- driſchen Eis-Zeolithen. Die Winkel, welche die verſchie— denen Strahlen mit einander machten, waren, nach Ver— ſchiedenheit der Wurzeln, aus welchen fie entfprangen, ver— ſchieden, und gemeiniglich ſehr ſpitz. Unſtreitig war der hervorſtechende Winkel ſolcher Kryſtalle, die aus derſelben Wurzel hervorgiengen, 60 Grad; aber da die Nadeln auf ſehr verſchiedenen von einander unabhaͤngigen Grundflaͤchen ſtanden, fo waren fie mehr einander beynahe parallel. Je— de Franſe war aus einer Kette ſehr ſchoͤner Roſetten von Eisnadeln gebildet; und jede Nadel in der Roſette ſaß an dem gemeinſchaftlichen Mittelpunkte feſt. Jede Nadel be— ſtand wieder aus einem ganzen Buͤndel feiner Spitzen, die fo geordnet waren, daß fie zuſammen einen kegelfoͤrmigen oder ſpitzig zulaufenden Strahl bildeten. Die laͤngſten Na— deln waren ungefähr drey Viertel Zoll lang. Betrachtete man die Spitzen durch ein ſtaͤrkes Vergroͤßerungsglas, fo erſchienen ſie wie eine Kette von vielſeitig geſchliffenen Kryſtallkuͤgelchen. Der Nebel, welcher dieſe ſchoͤne Erſcheinung hervor— brachte, kam in Zuͤgen von verſchiedener Dichtigkeit. Die Theilchen waren ſo klein, daß ſie dem Auge ganz unſicht— bar waren. Die Temperatur der Luft war waͤhrend dieſes Niederſchlags 26 bis 28 Grad; das Barometer ſtand auf 29,60 Zoll; der Wind war ſchwach und veraͤnderlich. Bey einer andern Gelegenheit, wo ſich aͤhnliche Franſen bilde: ten, waren Schauer von Schnee, der wahrſcheinlich aus eben ſolchen Prismen oder Nadeln beſtand, als ſich dies— mal an das Tauwerk angeſetzt hatten, mit dem Nebel ver— miſcht, oder wechſelten mit ihm ab. Und ehe dieſer Nebel ER) eintrat, hatten wir beſtaͤndig aͤhnliche Schnee: Schauer, die eine gleiche Wirkung auf die Atmoſphaͤre hatten, und dieſel— be Art von Wolken hervorbrachten, als aus dem Nebel, der die Franſen bildete, entſtanden. Wir können daher wohl mit Grund ſchließen, daß die Bildung des prismatiſchen oder nadelfoͤrmigen Schnee's ein allmaͤhliger Prozeß, und demjenigen aͤhnlich iſt, durch wel— chen die Franſen an den Schiffstauen gebildet werden; und daß Schneekryſtalle überhaupt nicht durch eine plötzliche Kry— ſtalliſation, ſondern nach und nach durch eine fortdauernde Anziehung von Waſſertheilchen aus der Luft entſtehen, die, vermöge eines uns noch unbekannten Naturgeſetzes, faͤhig iſt, eine endloſe Mannigfaltigkeit regelmaͤßiger Geſtalten hervorzubringen. Es iſt wahrſcheinlich, daß die erſten zwey oder drey Dunſttheilchen, die ſich bey der Beruͤhrung ver— dichten, der Kern eines Kryſtalls werden, von welchem die neu herzutretenden Theilchen ſo angezogen werden, daß ſie ſich nach einer beſtimmten Ordnung anſetzen; und daß eine Art von Gleichgewicht unter den in ſechs verſchiedenen Punk— ten wirkenden Anziehungskraͤften ſtatt findet, vermoͤge deſſen ſich an keiner Seite mehr Theilchen anſetzen, als an der an— dern — wodurch eben die Regelmaͤßigkeit der Figur her— vorgebracht wird. Wenn alſo der Kern durch neu hinzukom— mende Theilchen auf einer Seite einen Zuwachs erhaͤlt, fo erlangt, wie ich mir vorſtelle, die anziehende Kraft in den fuͤnf uͤbrigen Punkten ein Uebergewicht, wodurch andere Theilchen beſtimmt werden, ſich hier anzuſetzen, und dieß ſo lange, bis durch einen gleichen Zuwachs in allen anziehenden Punkten ein Gleichgewicht der Kraͤfte hervorgebracht iſt. Ein Geſetz dieſer Art, ſollte ich denken, müßte hier ſtatt finden, ſonſt wuͤrde die Bildung regelmaͤßiger Kryſtalle durchaus unerklaͤrlich ſeyn; und noch mehr die Bildung ſolcher Kry— ſtalle, aus denen der groͤßte Theil des Schnees, der in den Polar⸗Gegenden bey hartem Froſt fallt, beſteht, an welchen gr 95 — naͤmlich jeder Strahl, Winkel und Seite gleich und aͤhn⸗ lich ſind. Es ſcheint, daß ſowohl die allgemeine Form der Theile, aus welchen die Schnee-Franſen und der Reif ſich bilden, als auch der allgemeine Charakter der Schneekryſtalle einige Verbindung mit der Temperatur der Luft, zur Zeit ihrer Entſtehung, habe. Was die letztern anbetrifft, ſo habe ich meine Beobachtungen daruͤber an einem andern Orte um— ſtaͤndlich mitgetheilt ). Aehnliche Beobachtungen habe ich uͤber die Eiskryſtallen, die ſich beym Reif oder Froſtdampf an das Tauwerk anſetzen, gemacht. Bey einer Kaͤlte von 10 Grad Fahrenh. glichen die Kryſtallen der Franſen einer ſchoͤnen Feder; und man konnte an ihnen auf das beſtimm— teſte Schaft, Fahne und Rippen unterſcheiden. Bey einer geringern Kälte, von etwa 22 oder 23 Grad, beflanden die Kryſtallen aus einem Einſatz eckigter Becher und ſahen wie Blumen aus, einer gewiſſen Art der Heide nicht unaͤhnlich. Bey 26 oder 28 Grad kamen Roſetten, wie im obigen Fall, zum Vorſchein; und bey einer Temperatur von 30 oder 32 Grad iſt der eiſigte Niederſchlag aus der Luft gemeiniglich unkryſtalliniſch und bildet blos einen durchſichtigen Ueberzug. [Der Schnee iſt eine in den Polar-Gegenden ſo haͤu— fige Erſcheinung, daß man dreiſt behaupten kann, daß in den Monaten April, May und Junius an neun Tagen unter *) Account of the Arctic Regions ete. Vol. I. S. 425. ff. Die daſelbſt gegebenen Erlaͤuterungen ſind, nebſt den dazu gehoͤrigen ſehr lehrreichen Abbildungen, hier aufgenommen worden. Mit den letztern vergleiche man die in Musschenbroek's Introduct. ad Philosoph. natural. oder in feinen Elementis Physicae befind⸗ lichen Abbildungen — die denen unfers Verf. an Vollſtaͤndigkeit bey weitem nicht gleich kommen, aber doch auch einiges eigenthuͤmliche haben. BE zehen, mehr oder weniger Schnee füllt. Bey Suͤdwinden, in der Naͤhe des Eiſes, oder wenn eine feuchte, von der See herkommende, Luft ſich mit einem kalten Winde vom Eiſe her vermiſcht, pflegt es in der Regel am ſtaͤrkſten zu ſchneyen. In dieſem Fall iſt die Menge des herabfallenden Schnees bisweilen ſo groß, daß er in Zeit von einer Stunde zwey oder drey Zoll hoch liegt. Der ſtaͤrkſte Niederfall geht auch oft einem ploͤtzlichen Sturm voraus. Die Geſtalt der Schneetheilchen bietet eine endloſe Man— nigfaltigkeit dar. Iſt die Temperatur der Luft nur um eis nen oder zwey Grade vom Gefrierpunkt entfernt, und es fällt viel Schnee, fo beſteht er meiſtens in unregelmäßigen Flocken, wie man fie auch in England gewöhnlich ſieht; big: weilen zeigt er fich in kleinen Körnern, oder in großern, un: ebenen, weißen Kluͤmpchen; in andern Faͤllen beſteht er aus weißen Nadeln oder Flocken, die aus grobern Nadeln zuſam— mengeſetzt find, oder aus ſternformigen Kryſtallen von einer rohern Geſtalt, aus ſichtbaren Kornern gebildet. Bey ſtren— gem Froſt hingegen, wenn auch der Himmel vollkommen klar zu ſeyn ſcheint, ſieht man immer kleine Schnee-Blaͤtt⸗ chen, von der regelmaͤßigſten und ſchoͤnſten Geſtalt, in der Luft ſchweben und in den Sonnenſtrahlen funkeln; und der Schnee, welcher alsdann faͤllt, iſt von dem zierlichſten Ges webe und Anſehen. Schnee von einer roͤthlichen oder braͤunlichen Farbe wird nicht ſelten angetroffen. Der braͤunliche Anſtrich, wenn er ſich beym Schnee an der Kuͤſte findet, ruͤhrt von einem er— digen Stoffe her, der durch das Waſſer, entweder bey ein— tretendem Thauwetter, oder beym Regen, von den Bergen herabgeſchwemmt wird; die roͤthliche Farbe wird ihm, fo viel ich beobachtet habe, durch den Koth der Vogel ertheilt; obwohl ſie in dem von dem Capitain Roß in der Baffinsbay beob— achteten Fall von vegetabiliſcher Beſchaffenheit geweſen zu ſeyn ſcheint. Die blaufüßige Move (alca alle), die ſich von Krabben naͤhrt, wird in manchen Gegenden des nördlichen Eismeeres in unermeßlicher Anzahl gefunden. Dieſe Vö— gel nehmen oft ihre Zuflucht auf das Eis, und verunreinigen dann den Schnee mit ihrem röoͤthlichen Koth. Martens ſah in Spitzbergen rothen Schnee, von dem er glaubte, daß er durch das von den Felſen herabfließende Regenwaſſer ge— färbt worden waͤre . Die ausnehmende Schoͤnheit und endloſe Mannigfaltig⸗ keit mikroſkopiſcher Gegenſtände, welche das Thierreich und das Pflanzenreich enthalten, wird vielleicht vollkommen auf— gewogen, wo nicht uͤbertroffen, durch die mannigfaltigen und zierlichen Formen, welche die Natur in den Schneekryſtallen ausgedruͤckt hat. Die vonehmſte Geſtaltung derſelben iſt die ſternformige, und ſechszackige oder ſechsſeitige; obwohl man faſt jede Art von Form, die nur bey Winkeln von 60 und 120 Graden moglich iſt, bey aufmerkſamer Beobachtung, in wenigen Jahren wird entdecken können. Man kann dieſe verſchiedenen Geſtalten, wie ich glaube, auf fünf Haupt-Arten oder Klaſſen zuruͤckfuͤhren: 1. duͤnne Blattchen; 2. ein flacher oder kugliger Kern mit aͤſtigen Zak— *) Rother Schnee findet ſich auf den Alpen an vielen Orten beſtaͤndig. Er bildet aber gewoͤhnlich nur eine 2 bis 3 Zoll dicke Schicht auf gewoͤhnlichem, weißem Schnee, und iſt nicht roth aus der Luft ges fallen, ſondern erſt hinterher gefaͤrbt worden. Der faͤrbende Stoff iſt theils eiſenhaltig, theils von harziger Beſchaffenheit, und ſcheint von Flechten oder Mooſen herzuruͤhren. (S. Gilberts Annal. d. Phyſ. LXIV. Bd.) Chladni führt in feinem Buche „über Feuer⸗Meteore“ auch Beyſpiele von rothem Schnee an, der mit dieſer Farbe herabgefallen war, und hält den faͤrbenden Stoff in dieſen Faͤllen fuͤr kosmiſchen Urſprungs. Beyſpiele von rothem Regen find häufiger. Ein Beyſpiel eines blutrothen Hagels fuͤhrt v. Humboldt in ſeiner Abhandlung uͤber die Schneegrenze auf der Erdkugel an. 7 ee ken in verſchiedenen Ebenen; 3. feine Spieße oder ſechs⸗ ſeitige Prismen; 4. ſechsſeitige Pyramiden; 5. Spieße, des ren eines Ende oder beyde in dem Mittelpunkt eines duͤnnen Blaͤttchens ſtecken. | 1. Kryſtalle in Form dünner Blattchen. Die Mannigfaltigkeit der Geſtalten, die zu dieſer Klaſſe gehören, iſt faſt unendlich. Sie kommen bey allen Temperaturen, und in größter Menge vor. Meiſtens ſind die Blaͤttchen ſehr dünn, durchſichtig, und von einem ausnehmend zarten Bau. Es laſſen ſich hier fuͤglich mehrere Unterabtheilungen machen. a. Sternförmige Figuren — ſechs Strahlen, die unter gleichen Winkeln aus einem Mittelpunkte gehen, und zu beyden Seiten mit feinen parallelen Spitzen verſehen ſind — die Strahlen ſowohl als die Spitzen alle in derſelben Ebene. Dieſe Figur (Taf. II. Figur 1.) wird am meiſten angetroffen; fie wechſelt aber in der Große — von der klein— ſten Ausdehnung bis auf ein Drittel Zoll im Durchmeſſer. Sie kommt in größtem Ueberfluß vor, wenn die Temperatur ſich dem Gefrierpunkt naͤhert. b. Regelmäßige Sechsecke. Dieſe kommen ſo⸗ wohl bey mäßiger Temperatur, als bey der größten Kälte vor; aber ſie werden zarter und duͤnner und nehmen an Größe ab, wenn die Kaͤlte zunimmt. Manche beſtehen in einem einfachen durchſichtigen Blattchen (Taf. II. Fig. 23.); andere find innerhalb des Umfangs durch weiße Linien artig verziert, die wiederum kleinere Sechsecke oder andere regelmaͤßige Figuren, in unendlicher Mannigfaltigkeit, bilden (Taf. III. Fig. 25, 27, 28, 30. Taf. IV. Fig. 49. u. a. m.). Die Größe dieſer Art geht von dem kleinſten ſicht⸗ baren Scheibchen bis auf ungefähr ein Zehntel Zoll im Durch⸗ meſſer. c. Zuſammenſetzungen von ſechsſeitigen Fi- guren. Dieſe ſchöne Form geſtattet die größte Mannigfal⸗ 5 00 tigkeit. Sie kommt vorzüglich bey niedriger Temperatur und in ſehr verſchiedener Große vor. Fig. 2, 9, 10, 14, 17 auf Taf. II., ingleichen Fig. 29, 34, 37, 39. auf Taf. III. u. a. m. geben Beyſpiele dieſer Art. d. Verbindungen von ſechsſeitigen Figu⸗ ren mit Strahlen oder Zacken und hervorſte— henden Winkeln. Dieſe Art iſt vielleicht die umfaſſend⸗ fie, und liefert einige der ſchöͤnſten Formen. Fig. 7. Taf. II. ſtellt eine zierliche Zuſammenſetzung dieſer Art dar; nicht we— niger Fig. 50, 55, 58, 59, 60 u. a. Taf. IV. nebſt allen an⸗ dern, die außer der Zahl mit dem Buchſtaben s bezeichnet ſind, welche ich nur einmal zu beobachten Gelegenheit gehabt habe. Die parallelen Striche in dieſen Figuren ſind nicht als Schattirungen zu betrachten, ſondern kommen wirklich ſo in den Schneekryſtallen vor, mit dem Unterſchiede, daß die Linien, die in der Abbildung fehwarz erſcheinen, in den Originalen alle weiß ſind. Fig. 56, 63, 64 und 93 waren undurchſichtige Kryſtallen, und nicht fo dunn als die andern. Die letztre von dieſen ſowohl als Fig. 94, die jede zwölf Spitzen haben, ſcheinen zufaͤllige Abarten zu ſeyn, die ver— muthlich durch eine ſehr genaue und zuſammenpaſſende Ver— bindung zweyer aͤhnlichen Kryſtalle entſtanden ſind. 2. Ein flacher oder kugliger Kern mit äſti— gen Zacken in verſchiedenen Ebenen. Da dieſe Gattung ſich nicht gut durch eine Zeichnung darſtellen laͤßt, ſo iſt in den beygefuͤgten Tafeln keine Abbildung von ihr ge— geben. Sie begreift zwey oder drey verſchiedene Arten. a. Solche, die aus einem duͤnnen Kryſtalle von einer der oben beſchriebenen Arten beſtehen, von deſſen Grundflaͤchen und Seitenflächen ſich kleine Spitzen erheben, aͤhnlich den Geitenäfichen in der 1ſten Fig. der II. Taf. Dieſe Spitzen erheben ſich entweder von einer, oder von beyden Grund- 7 * a, flaͤchen, oder ſowohl von den Grundflaͤchen als von den Sei— tenflaͤchen, und ſind gegen die Ebene, auf welcher ſie ſtehen, immer unter dem gewohnlichen Winkel von 60 Graden ges neigt. Der Durchmeſſer dieſer Figuren geht bisweilen über einen Viertelzoll. Sie kommen am haͤufigſten bey einer Tem⸗ peratur von 20 bis 25 Grad zum Vorſchein. b. Figuren mit einem kugeligen Kern, von welchem Strahlen in allen Richtungen ausgehen. Bey der erſtern Art iſt der Kern ein durchſichtiger Kryſtall; bey dieſer beſteht er in einem kleinen, rauhen, weißen Koͤrperchen. Die Spiz—⸗ zen oder Strahlen ſind in beyden Arten einander aͤhnlich. Der Durchmeſſer erreicht bey dieſer ſelten einen Viertelzoll. Die Geſtalt iſt igelartig. Dieſe Art von Schneefiguren faͤllt, wenn der Grad der Kaͤlte dem Gefrierpunkt nahe iſt, und bisweilen bey etwas niedrigern Temperaturen. 3. Feine Spitzen oder ſechsſeitige Prismen. Dieſe find bisweilen ſehr zart und kryſtallartig; in andern Fällen weiß und rauh. Die feinſten Arten, die einem weißen Haar gleichen, das in Stuͤcke, nicht uͤber einen Viertelzoll lang, zerſchnitten iſt, ſind ſo klein und zart, daß es nicht leicht iſt, ihre Geſtalt genau zu beſtimmen; und die groͤßern ſind fibernartig oder prismatiſch geſtaltet. Manche von dieſen ſind wohl einen Drittelzoll lang. Dieſe Art ſieht man nur, wenn die Temperatur dem Gefrierpunkt nahe iſt. Bey einer Temperatur von ungefaͤhr 28 Grad kommen die feinern Ar— ten, und bey 32 Grad die groͤbern vor. Die letztern Arten ſind bey Nebel-Zuͤgen ſehr gemein, und ſcheinen durch Zu— ſammenfuͤgung der gefrornen Nebel-Theilchen zu entſtehen, und ihren Urſprung in den niedern Gegenden der Atmoſphaͤ— re zu haben. 4. Sechsſeitige Pyramiden. Dieſe Art der Schueefiguren habe ich nur ein einziges mal geſehen. Eine 10 Abart derſelben, die wahrſcheinlich in einer dreyſeitigen Pp— ramide beſtand, iſt mir vorgekommen; ob aber die Grund— fläche derſelben ein Dreyeck, oder ein Sechseck — der 96ſten Fig. auf der V. Taf. aͤhnlich — war, iſt zweifelhaft. Dieſe Pyramiden waren ungefaͤhr ein Dreyßigſtel eines Zollles hoch, und fielen mit mehrern andern ſeltſamen Figuren, bey einem friſchen Nordwind, in ſehr großer Menge. Auf der III. Taf. Fig. 44. und 47. ſind ſie abgebildet. 5. Spieße oder Prismen, deren eines oder beyde Enden in der Mitte eines dünnen Blätt⸗ chens ſtecken. Dieſes iſt die ſonderbarſte Art, welche ich je geſehen habe, und ſie iſt mir nur zweymal vorgekommen. Sie gleicht zweyen Raͤdern, die durch eine Achſe verbunden ſind. Die Raͤder beſtehen aus einem ſechsſeitigen oder an— dern dünnen Kryſtall, und die Achſe aus einem duͤnnen Pris— ma. Fig. 43, 45, 46 und 48. Taf. III. ſtellen dieſe Schnee-Geſtalten dar. Fig. 46. enthält nur ein Blattchen und ein Prisma, und Fig. 45. drey Blattchen und zwey Prismen. Die Länge des letztern war etwa ein Sechstel ei— nes Zolles; die der andern Art war von einem Dreyßigſtel bis zu einem Zehntel. Einige dieſer ungewohnlichen Figu— ren kamen mit der zuletzt beſchriebenen Art zugleich vor. Von dieſen Arten fiel beſonders einmal eine große Menge, vier oder fuͤnf Zoll hoch, auf das Verdeck des Schiffes, in welchem ich mich befand, und zwar in Zeit von wenigen Stunden. Die Temperatur war, als dieſe Art von Schnee fiel, das einemal 22, und das anderemal 20 Grad. Die beygefuͤgten vier Kupfertafeln (Taf. II., III., IV. und V. venthalten 96 verſchiedene Abbildungen von Schneefigu— ren, in einer Vergrößerung vom dreyßigfachen bis ungefähr zum vierhundertfachen. Der lateinifche Buchſtabe bey einer jeden derſelben dient zur „Bezeichnung der Figuren“ und bezieht ſich auf die zweyte Spalte der nachfolgenden Tabelle, — 4 — aus welcher man den Zuſtand der Atmoſphaͤre und das Wet⸗ ter zu der Zeit, wo jede Art der Figuren beobachtet wurde, erſehen kann. Der Bruch neben dem lateiniſchen Buchſtab zeigt den Durchmeſſer der natuͤrlichen Schneefigur in Theis len eines Zolles an. Die größte Schneefigur, die ich beob— achtet habe, war von einem Drittelzoll Durchmeſſer; die kleinſte von einem Fuͤnfunddreyßigſtel. Alle Figuren wa— ren vollſtaͤndig. Haͤufig trifft man unvollſtaͤndige oder un⸗ regelmäßige Exemplare; indem bey dem einen zwey oder drey Spitzen fehlen, bey dem andern die Spitzen von un⸗ gleicher Größe und Geſtalt find. Aber bey hohen Graden der Kälte beſteht der groͤßte Theil der herabfallenden Schnee— kryſtallen unſtreitig in regelmaͤßigen geometriſchen Figuren. Dieſes beſtaͤndige Streben nach Gleichheit der Form und Größe in den ſechs Strahlen der ffernformigen Figuren; die geometriſche Genauigkeit der verſchiedenen Seiten der Sechs— ecke; die Zierlichkeit und Regelmaͤßigkeit der innern Linien bey den zuſammengeſetztern Figuren, nebſt der ſchicklichen Anordnung jeder Art von Neben-Aeſten, und die allgemeine Vollendung der regelmaͤßigen Geſtalt — machen einen der anziehendſten Theile der Kryſtallographie aus!. 103 Tafel uͤber den Zuſtand der Atmoſphaͤre in Beziehung auf die Schneefiguren. Datum. 1809. April 15. 1% 25, May 1. ee — — — — 3 . — 11. — 15. — 30. Jun. 16. 1810, April 12, 14, — — May 16. 1816. April 29. 1817. May 2. 8 VFC Fig. Winde. Richtung. 2 f Stärke. NNO frisch NNO ONO. NNO gelinde NO ſtark NNO friſch NO beyn. ſtark NNO friſch O heftig NO. N ziemlich ſtark beynahe wilndftill ONO heftig NNO friſch © beyn. ſtark NO beyn. heftig N lebhaft NN maͤßig N beyn. friſch SO friſch Allgemeine Bemerkungen. ( reichlicher Schnee. deßgleichen. reichlicher Schnee. einzelne Kryſtallen. zarte Kryſtallen in der Luft ſchwebend. reichlicher Schnee. deßgleichen. in betraͤchtlicher Menge. leichte Schnee-Schauer. in großer Menge. anhaltend, doch leicht. kurze Schnee⸗Schauer. anhaltend, aber mäßig. in betraͤchtlicher Menge. kurze Schauer; zarte Kryſtallen. deßgleichen. —— Schauer von zarten vollkommenen Kryſtallen. in Menge. 0 Den 7. Junp erfchien der Eisblink am Horizont, mit fo genauen Umriſſen, daß er uns eine vollſtaͤndige Karte von allem Eiſe und dem darin vorhandenen offenen Waſſer, auf zwanzig bis dreyßig Meilen rund umher, darſtellte. Die Zuruͤckwerfung der Lichtſtrahlen war ſo ſtark und ſo genau, daß ich fuͤglich die Geſtalt und muthmaßliche Große aller größern und kleinern Eisfelder innerhalb dieſer Grenze bes ſtimmen, und dichtes oder lockeres Treibeis an dem dunk— lern und weniger gelben Schein unterſcheiden konnte; waͤh— rend jede Wafferader und jeder See durch ein tiefes Blau oder einen ſchwarz- blauen Fleck mitten in dem Eisblink be— zeichnet war, wodurch ich in den Stand geſetzt wurde, zu er— kennen, wo das meiſte Waſſer waͤre, und was fuͤr Hinder— niſſe ich dort antreffen wuͤrde Y. Hierdurch allein entdeckte ich eine große Oeffnung unmittelbar gegen Nordweſten von dem See, auf welchem wir ſo lange gefahren waren, nebſt einer andern beträchtlichen Waſſerflaͤche in derſelben Rich— tung, in größerer Entfernung, die von Eisſchollen von einer ungeheuern Größe eingeſchloſſen zu ſeyn ſchien. Dieß ver- anlaͤßte mich, das Eis in dieſer Gegend ganz in der Nähe zu unterſuchen, und es fand ſich, daß es an eben der Stelle, die durch den Eisblink als die ſchmaleſte bezeichnet war, ge— rade anfteng, fo weit aus einander zu gehen, daß eine Durchs fahrt gegen Nordweſten moglich war. Wir kamen dadurch in das erſte offene Waſſer oder in den See, der von dichtem Eis begrenzt war; indeſſen entdeckten wir auch hier, nach einem Aufenthalt von einigen Stunden, einen engen zweifel— *) Ein Eisfeld, ſagt der Verf. in feinem Bud, über die Polar -Gex genden, bringt den helleſten Eisblink, mit einem Anſtrich von Gelb, hervor; Treibeis von großer Ausdehnung giebt ſich durch ein rei— neres Weiß; und neu entſtandenes Eis durch ein grauliches Licht zu erkennen. Auch Land, welches mit Schnee bedeckt iſt, verurſacht einen Eisblink, der jedoch gelber erſcheint, als der von Eisfel⸗ dern. ee haften Canal, der uns endlich in die große Wafferflaͤche fuͤhrte, die uns durch den Eisblink angezeigt war. Mir fuhren mitten durch dieſes offene Waſſer durch ges gen Nordweſten — eine Strecke von 9 oder 10 Meilen. Hier trafen wir wieder auf Eis, in welchem wir keinen Ausweg entdecken konnten, indem ſich ein dicker Nebel niederließ; wir legten daher fuͤr die Nacht bey. Gegen Weſten war uns der Weg, wie wir ſehen konnten, durch ein praͤchtiges Eisfeld verſperrt, das aus einem einzigen Stuͤck Eis von beynahe zwanzig Meilen im Durchmeſſer beſtand. Dieſe ungeheure Eismaſſe war, unter der Mitwirkung ſuͤdweſtli— cher Winde, die Urſache von dem offenen Waſſer, in wel— chem wir uns jetzt befanden; indem die Winde die kleinern und leichtern Eisſtuͤcke von dem oͤſtlichen Rande derſelben mweggerrieben hatten. Auf dieſe Art entſtehen, da wo das Eis Raum genug hat ſich zu bewegen, große Waſſerflaͤchen faſt immer auf der unterhalb dem Winde liegenden Seite großer Eisfelder; und dieſe Waſſerflaͤchen ſind bisweilen ſo groß, daß man ſie von der Spitze des Maſtbaumes nicht uͤberſehen kann. f Die Nacht vom Tten auf den 8ten war ſtuͤrmiſch, mit Schnee und Nebel; gegen 4 Uhr Nachmittags aber legte ſich der Wind, und der Himmel wurde vollig heiter. Darauf entdeckte man Land, das ſich von Nord gen Oſten (nach dem Kompaß) nach NW. erſtreckte, und deſſen naͤchſter Theil un— gefaͤhr funfzig Meilen entfernt zu ſeyn ſchien. Es war die öftliche Kuͤſte von Grönland, dieſelbe Kuͤſte, auf welcher ehedem, weiter gegen Suͤden herab, die islaͤndiſchen Kolo— nieen angelegt worden waren. Ich blickte nach ihr mit gro— ßem Intereſſe, und ſchmeichelte mir mit der Hoffnung, daß ich, noch vor dem Schluß der Fangzeit, im Stande ſeyn wuͤrde, auf irgend einer der mahleriſchen Anhoͤhen zu landen, die noch kein europäiſcher Fuß zuvor betreten hatte. Da * noch nie ein Schiff, wie ich glauben konnte, ſo fruͤh im Som— mer dieſer Küfte fo nahe gekommen war, fo durfte ich hoffen, daß es nicht ſchwer ſeyn wurde, meine Wünfche in Erfuͤl— lung zu bringen; und da der Hauptzweck meiner Reiſe ſich gluͤcklicherweiſe mit Unterſuchungen in dieſer unbekannten Gegend vereinigen ließ, ſo beſchloß ich, ſogleich gegen die Kuͤſte, fo weit als möglich, vorzudringen. Da wir uns im 74 Gr. 6 Min. nördlicher Breite befans den, ſo hielt ich das ſuͤdlichſte Land, das wir ſehen konnten, für Hudſons Hold-With-Hope; und das noͤrdlichſte, welches eine Inſel zu ſeyn ſchien, für das öſtliche Vorgebirge von Gale Hamke's Bay, das, den Karten zufolge, im Jahr 1654 entdeckt worden iſt. Bey unſerm Verſuche gegen RW. vorzudringen, wur— den wir bald von einer undurchdringlichen Mauer von Eis— ſtuͤcken, die dicht in einander gekeilt waren, aufgehalten. Eine einzige offene Waſſerflache ſah man zwar nach dieſer Seite hin, aber man konnte nicht hineinkommen. Wir wa— ren daher genothigt zu warten, bis irgend eine Veränderung in dem Eiſe vorgehen, und uns einen Durchgang oͤffnen wuͤrde. Da es den Abend windſtille war, ſo nahm ich ein Boot, um die Stellen, wo das Eis zuſammenſtieß, genauer zu unterſuchen, damit ich wahrnehmen moͤchte, wenn das Gegeneinanderdruͤcken anfangen wuͤrde nachzulaſſen — wel— ches oft bey Windſtillen geſchieht — und dieß zur Erreichung meiner Abſicht benutzen könnte. Indeſſen konnten wir keine zu unſern Zwecken hinreichende Aenderung entdecken. Bey dieſer Unterſuchung wurde ich durch die große Aehnlichkeit, die manche von den ungeheuern Eisbloͤcken, an denen wir voruͤber ruderten, mit Werken der Kunſt hatten, uͤberraſcht. Eine dieſer Eismaſſen glich einer koloſſalen menſchlichen Figur, in der Stellung des Theſeus in der El— Em & gin'ſchen Sammlung ). Der Umriß des Kopfes war in der That auffallend; das Auge, die Stirn, der Mund, mit eis: nem Knebelbart verſehen, waren deutlich ausgedruͤckt. Sol— che Aehnlichkeiten in den Geſtalten der unendlich mannigfal— tigen Eismaſſen in den Polarmeeren, ſind gar nicht ſelten. In manchen Faͤllen freylich bedarf es der Huͤlfe einer frucht— baren Einbildungskraft, um einen rohen Eisklumpen in eine gewiſſe Geſtalt zu bringen; in andern Faͤllen aber iſt die Aehnlichkeit ſo auffallend und charakteriſtiſch, daß auch ein weniger aufmerkſamer Zuſchauer ſie nicht verkennen kann. Auf meiner letzten Reiſe habe ich auf zwanzig verſchiedene Gegenſtaͤnde dieſer Art abgezeichnet, die zuſammen eine an— ziehende und ungewöhnliche Gruppe bilden. Unter dieſen wa— ren zwey Stucke, die vortreffliche Abbildungen des Eisbären darſtellten, von welchen das eine ein Fußgeſtell von etwa dreyßig Fuß Höhe hatte — ferner verſchiedene antike Ti— ſche — ein Tiſch, mit breiten Franſen von tropfſteinartigem Eis umgeben — Köpfe von Löwen und andern Thieren — zwey oder drey Buͤſten und andere Stuͤcke von ganz erträg: licher Bildhauerarbeit — auch eine Art von Säͤulengang von doriſchen Saͤulen mit Kapitälen, Reifen und andern Verzierungen, nebſt einem Theil des Schaffts, der auf ei— nem Fußgeſtell von Eis ruhte, das wegen ſeiner Verſenkung ins Meer nicht ganz zu ſehen war. Dergleichen wunderbare Formen kommen am häufigſten im Treibeiſe vor, das an den Raͤndern des feſten Polareiſes ſich hin bewegt, und vorzüglich in denjenigen Maſſen deſſel⸗ ben, in welchen ungeheure Bloͤcke und Klumpen durch den gewaltſamen Druck, den fie gegen einander ausüben, auf *) Die berühmte Sammlung antiker Statuen und anderer Denkmaͤler der Kunſt, die Lord Elgin in Griechenland mit vieler Muͤhe und großen Koſten zuſammen gebracht hat, und die nachher ins Britti⸗ Ihe Muſeum gekommen iſt. 5 beſondere Grundlagen erhoben werden. Hier werden ſie dann, bey ſtarken Winden und hohen Wellen, vom Seewaſ— ſer beſpuͤlt, das immerfort an ihnen nagt, und reibt und waͤſcht; und dadurch gewinnen fie ofterd nach und nach eine Geſtalt, die fie der Aufmerkſamkeit werth macht. Die ge: wöhnlichſte Form dieſer ſcheinbaren Kunſtwerke iſt die eines Tiſches. In dieſen iſt der Fuß oft vollkommen cylindrifch und lothrecht, und der obere Theil genau wagerecht. Die Art ihrer Entſtehung iſt nicht ſchwer zu begreifen. Durch das Waſſer wird das Eis, wenn das Meer etwas bewegt, aber nicht unruhig iſt, dicht an der Oberflaͤche weggewaſchen, und der obere Theil deſſelben gleichſam unterminirt — wo— durch ſich nach und nach eine Tiſchplatte bildet. Bey den gelegentlichen Umdrehungen des Eiſes, denen die kleinern Stuͤcke beſtaͤndig unterworfen find, wird es von allen Sei— ten abgerieben, und ſo entſteht allmaͤhlich ein Fuß von cy— lindriſcher Form. Auf eine aͤhnliche Weiſe werden, wie ich glaube, die oben erwaͤhnten doriſchen Saͤulen hervorge— bracht. Was aber die andern Arten von Figuren anbetrifft, fo laßt ſich ihre Entſtehung nur vom Zufall ableiten, der bey der unendlichen Mannigfaltigkeit von Geſtalten, die er in dem Polareiſe erzeugt, auch einige von regelmäßigerer Art hervorbringt. Ueberdieß verdient bemerkt zu werden, daß nur ſehr wenige dieſer merkwuͤrdigern Eisgebilde ihr charak— teriſtiſches Anſehen in allen Stellungen, die man gegen ſie annimmt, behaupten; die meiſten haben vielleicht nur, aus einem einzigen Standpunkt betrachtet, etwas ausgezeichnetes. Auch hangt die Aehnlichkeit größtentheils von den Umriſſen ab, indem das von der Oberflache zuruͤckſtrahlende Licht, bey der glänzenden Weiße der Eismaſſen, manche Mängel zudeckt und das Auge verhindert, die Ungleichheiten wahrzunehmen *). 4 *) Aehnliche Bemerkungen, wie die obigen, wird man auch in des Capitain Manby's „Reiſe nach Grönland im Jahr 1821“ (wo— von eine deutſche Ueberſezung, don Michaelis, Leipzig 1833. er⸗ 2 << Am 9. Juny fand noch keine Aenderung in der Lage des Eiſes ſtatt. Das Wetter war ſehr ſchoͤn, der Himmel wol— kenleer, und die Sonne ſchien ſo glaͤnzend und ſo warm, daß es recht erheiternd war; gleichwohl ſtand das Thermo— meter im Schatten nicht hoͤher als 36 Grad. Viertes Kapitel. Erſte Aufnahme der Oſtkuͤſte von Grönland. — Ent: deckung verſchiedener Buchten und einiger Inſeln. — Großer Fehler in den bisherigen Karten. — Erlegung eines Baͤren. — Einiges von der Naturgeſchichte dieſes Thieres. — Merkwuͤrdige Strahlenbrechung in der Luft. Montag, den 10. Juny. Heute wehte der Wind mit maͤ⸗ ßiger Staͤrke, nach und nach aus allen Strichen des Kom— paſſes. Da ſich das Eis um uns her ſo zuſammen gezogen hatte, daß wir wie in einem Teich eingeſchloſſen waren, und es unmoglich war, herauszukommen oder eine Strecke weiter ſchienen iſt) finden. Indeſſen muß ich zu ſeiner, wie zu meiner, Rechtfertigung erinnern, daß, wenn wir hierin, wie in manchen andern Beobachtungen, zuſammen treffen, dieß zwar zum Theil ſei⸗ nen Grund in den vielfältigen Unterredungen, die ich mit dieſem eins ſichtsvollen Freunde auf der Reiſe, auf welcher er mich begleitete, gehalten habe; noch mehr aber in der Beſchaffenheit der Gegenſtaͤnde ſelbſt hat; und daß keiner die Beobachtungen des andern als ſein Eigenthum in Anſpruch nehmen wird. S. — 110 — zu fahren, ſo beſchaͤftigte ich mich mit Unterſuchungen über die Ablenkung, welche der Baffin in der Magnetnadel her— vorbrachte. Man hat mancherley Methoden zur Auflöſung dieſer wichtigen Aufgabe angegeben; aber die meiſten derſelben, wo nicht alle, ſind mit beſchwerlichen Rechnungen oder an— dern Schwierigkeiten verbunden. Es ſchien mir indeſſen, daß man am Topp der Maſten wohl einen Ort finden könnte, der frey von örtlicher Anziehung wäre, und an welchem ſich Beobachtungen uͤber den wahren Stand der Magnetnadel machen ließen, durch deren Vergleichung mit dem jedesma— ligen Stande des Steuer-Kompaſſes man die Ablenkung deſſelben auf einmal beſtimmen könnte. Das Kraͤhenneſt des Baffin, das an der Spitze der großen Bramſtenge ) befe— ſtigt iſt, iſt gerade ein ſolcher Ort. Dieſes iſt ohne das ge— ringſte Eiſen zuſammengeſetzt, und innerhalb einer Strecke von funfzehn Fuß von demſelben befand ſich nichts von die— ſem Metall; und das, was ſich hier davon vorfand, war ein kleines Stuͤck am großen Maſt, gerade unter dem Kräs henneſt, und folglich in einer Lage, wo es nicht wahrſchein— lich war, daß es einigen Einfluß auf eine Magnetnadel, die gerade uͤber ihm ſtaͤnde, haben konnte. Ich nahm alſo an, daß eine Magnetnadel, die hier aufgeſtellt wuͤrde, keine Ab— lenkung durch das Schiff erlitte. Iſt dieß der Fall, ſo brauchte man, um den Einfluß des Baffin auf den Kompaß bey irgend einer Stellung des Schiffes zu beſtimmen, nur die Richtung des Schiffes nach dem Kompaß in der Spitze des Maſtes mit derjenigen, welche der Kompaß im Nacht— *) Die Benennung des oberſten Theils des großen oder mittlern Mas ſtes; — unter dem Kraͤhenneſt wird ein kleiner, oben offener Bes halter von cylindriſcher Form verſtanden, der dem, welcher darin Wache Hält, einigen Schutz gegen die Witterung gewährt; es findet ſich aber nicht auf allen Schiffen. =: — Haufe angab, zu vergleichen. Der Unterfchied beyder Angas ben war die Ablenkung durch das Schiff in dieſer Stellung deſſelben. Allein um die Größe der Ablenkung in jedem Strich des Kompaſſes zu beſtimmen, verfuhr ich auf folgende Weiſe. Der Steuer-Kompaß wurde aus dem Nachthauſe weggenommen, und an feine Stelle ein Azimuthal-Kompaß *) geſetzt; ein anderer Azimuthal-Kompaß, nach Kater's Er— findung, den ich von dem Board of Longitude erhalten hat— te, wurde ſtatt des kleinen Kompaſſes, welchen ich gewöhn— lich in einer Buͤchſe, an der Bramſtenge befeſtigt, mitzuneh⸗ men pflege, angewandt. Mit dieſen Werkzeugen ließen ſich die Beobachtungen genauer, als mit den gewoͤhnlichen Kom— paſſen machen. Nachdem ich mich vorlaͤufig verſichert hatte, daß der große Maſt und der Fockmaſt des Baffin lothrecht ſtaͤnden, oder wenigſtens parallel wären, fo beobachtete ich an dem Kompaß in dem Kraͤhenneſt die Richtung, in welcher das Schiff lag, indem ich blos die Lage der Braͤmſtenge des Fockmaſtes nahm, und bemerkte zugleich genau die Richtung, welche der Kompaß im Nachthauſe angab, die von dem Steuermann und von dem Wundarzt abgeleſen wurde. Dar— auf wurde das Schiff nach und nach in jeden Strich des Kompaſſes geſtellt, ſo weit herum, als es der Wind geſtat— tete, und ich fuhr fort, die jedesmalige Lage des Fockmaſtes zu beobachten, und mit der Richtung des Schiffes, wie ſie durch den Kompaß im Nachthauſe beſtimmt wurde, zu ver— gleichen. Auf dieſe Art erhielt ich die Ablenkung in zwanzig Punkten von zwey und dreyßigen. Gluͤcklicherweiſe drehte ſich der Wind waͤhrend dieſer Verſuche, ſo daß auch die *) Ein Azimuthal-Kompaß iſt ein Kompaß, der mit einem Dioptern— Lineal und eingetheiltem Rande verſehen iſt, um Winkel nehmen zu koͤnnen. Man hat ſie von verſchiedener Einrichtung. Die von Kater iſt beſchrieben in den Philos. Transact. for 1819, und eine Verbeſſerung derſelben in Parry's Journal of a voyage for the discovery of a Northwestpassage etc. Lond. 1821. 4. 5 noch ubrigen zwölf Punkte beſtimmt werden konnten. Bey vielen Stellungen wurden zwey, drey, auch mehrere Beob— achtungen gemacht, und das Mittel daraus gezogen. Die Ergebniſſe ſämmtlicher Beobachtungen wurden in eine Ta— belle geordnet ). Um die Genauigkeit der Winkelmeſſungen an der Spitze des Maſtes zu pruͤfen, und mich zu uͤberzeugen, daß dort wirklich keine örtliche Einwirkung auf die Magnetnadel, in keiner Stellung des Schiffes, ſtatt fand, nahm ich eine Reihe von Azimuths, waͤhrend das Schiff nach verſchiedenen Sei— ten umgelegt wurde; und eben ſo beobachtete ich die beſtaͤn— dige Lage der Sonne gegen die Magnetnadel, wenn das Schiff nach und nach durch zwoͤlf Punkte des Kompaſſes ge: dreht wurde; — dieſe Beobachtungen ſtimmten, wenn man das allmaͤhlige Fortruͤcken der Sonne in Anſchlag brachte, bis auf die etwanigen Fehler der Beobachtung, gut zufammen. Dieſe Uebereinſtimmung war mir ein hinreichender Beweis von der Genauigkeit, mit welcher ſich die Richtung des Schif— fes durch den Kompaß an der großen Bramſtenge beſtimmen ließ. | Da die Ablenkung des Kompaſſes im Baffin ſo betraͤcht— lich war, ſo waren dieſe Beobachtungen von der größten Wichtigkeit fuͤr uns. Ein einziges Beyſpiel wird dieſes er— laͤutern. Geſetzt, der Baffin ſegelte mit einem guten Winde *) Dieſe Tabelle, die für die Reiſenden im Baffin von großer Wich— tigkeit war, und fuͤr den Seemann uͤberhaupt einen Werth hat, iſt hier weggelaſſen worden. Indeſſen verdient doch daraus angemerkt zu werden, daß die groͤßte Ablenkung, die bey der Stellung des Schiffes gegen SSW. nach dem Kompaß ſtatt fand, uͤber 17 Grad betrug; bey der entgegengeſetzten Stellung aber gegen NNO. nur et— was über 8 Grad, nach der entgegengeſetzten Seite; wahrend bey den meiſten Schiffen, wie Scoresby bemerkt, die Ablenkung nach bepden Seiten beynahe gleich groß iſt. ee hundert Meilen (leagues) gegen SSW. nach dem Kompaß (wenn die magnetiſche Abweichung 42 weſtlich iſt), und dann wieder 100 Meilen zurück gegen NNO., ſo iſt offen: bar, daß, wenn keine Ablenkung, oder andere Störung ſtatt fände, er genau auf den Punkt zuruͤckkommen muͤßte, von wel- chem er ausgegangen war; allein in Folge der Ablenkung wuͤrde feine wirkliche Lage 123 Meilen (miles) oſtwaͤrts, und 55 nord: waͤrts von dem Orte ſeyn, von welchem er ausgieng; oder, wenn er 200 Meilen gegen SSW. nach dem Kompaß ſegelte, (ein Strich, welcher bey der Heimreiſe von Groͤnland oft gehalten wird), fo würde der Fehler in der Schiffsrechnung 86,4 Meilen zu weit ſuͤdlich, und 160,8 Meilen zu weit weſtlich ſeyn! Das heißt, das Schiff wuͤrde ſich 189 Meilen weiter gegen O. und N. (oder in der wahren Richtung von O. 279 N.) befinden, als die Rechnung ohne die Verbeſſerung der Ablen— kung gegeben hätte. Ein ſolcher Irrthum könnte, wenn er unbekannt oder unberuͤckſichtigt bliebe, offenbar von den traurigſten Folgen ſeyn. Daſſelbe Verfahren, will ich noch bemerken, das ich bey dem Baffin anwandte, um die Ablenkung deſſelben zu beſtimmen, kann leicht bey jedem andern Schiff angewandt werden, wenn es in einem Fluß, einer Bucht, in den Do— cken, oder ſonſt wo, wo ebenes Waſſer iſt, liegt. Alles, was man noch noͤthig haͤtte, um den Mangel eines Kraͤhen— neſtes zu erſetzen, waͤre, daß man mitten an der großen Bramſtenge ein einſtweiliges Geruͤſte errichtete, bey welchem man keine Ablenkung zu befuͤrchten haͤtte. Hier könnten dann die erforderlichen Beobachtungen in den verſchiedenen Stellungen des Schiffes leicht gemacht werden. Wenn je— doch ein ſehr entfernter, gut beſtimmter Gegenſtand von der Stelle, wo der Steuerkompaß ſteht, zu ſehen waͤre, ſo wuͤrde vielleicht eine bloße Reihe von Beobachtungen uͤber die Lage deſſelben gegen die Richtung des Kompaſſes, waͤh— rend das Schiff nach und nach in alle Striche des Kompaſſes 2 m geſtellt würde, die einfachſte unter allen Methoden ſeyn, die Ablenkung zu erhalten. Indeſſen mochte es nur wenige Falle geben, in denen die verſchiedene Lage eines ſolchen Gegenſtan— des durch den Kompaß im Nachthauſe genau gemeſſen mer: den könnte, wegen der Schwierigkeit, ja der Unmoͤglichkeit, die Dioptern zu gebrauchen, ſo lange der Kompaß unter Verdeck ſteht; wollte man aber den Kompaß hierzu herausſtellen, ſo iſt zu beſorgen, daß, wenn er auch nur einen oder zwey Fuß von ſeinem Standort entfernt wird, die Ablenkung ſich aͤndert. Bey den Beobachtungen über die Ablenkung des Baf— fins nahm ich zugleich die noͤthigen Höhen und Azimuths der Sonne, um die Abweichung der Magnetnadel zu beſtimmen, und ich fand dieſe, nach einem Mittel aus zwey Reihen von Beobachtungen, 42° 8“ wweſtlich. Die Breite war zu eben dieſer Zeit 73 54“, und die Lange, nach dem Chronometer, (deſſen Gang durch nachfolgende Beobachtungen berichtigt wurde), 16° 39' weſtlich. Ich nahm auch eine Reihe von Winkeln der vornehmſten Spitzen, Berge und Buchten der grönlaͤndiſchen Kuͤſte, von welcher wir ein betraͤchtliches Stuͤck vor uns hatten, in der Abſicht, dieſe unbekannte Ge— gend aufzunehmen, wenn ſich dazu bey dieſer Reiſe Gele— genheit finden ſollte. Das Wetter war an dieſem geſchaͤftsvollen Tage zu meinen verſchiedenen Beobachtungen und Meſſungen ſehr guͤnſtig. Den Abend war es windſtille, die Sonne glaͤnzte und es zeigten ſich ſehr artige Erſcheinungen der Luftſpiege— lung. Eisblöcke hatten das Anſehen von Schloffern, Obe— lisken und Thurmſpitzen, und das Land erſchien in unge— wöhnlichen Umriſſen. An manchen Stellen war das ent— fernte Eis fo unregelmäßig geſtaltet, und erſchien fo zackig, daß es einem Walde von nackten Baͤumen glich; an andern ſah es einer weitlaͤuftigen Stadt, mit vielen Kirchen, Schloͤſ— 5 fern und öffentlichen Gebäuden nicht unaͤhnlich ). Das Land war dem Einfluß dieſer ſonderbaren Luftſpiegelung gleichfalls unterworfen. Plumpe Felſenmaſſen und Bergſpitzen wurden zu einer außerordentlichen Hohe ausgedehnt, in ſonderbare Geſtalten verdreht, und ſchienen oft von dem übrigen Lande abgeriſſen, und frey in der Luft zu ſchweben. Der Hori— zont, der vom Eiſe begrenzt war, welches ziemlich gleichför— mig und zuſammenhaͤngend haͤtte erſcheinen muͤſſen, zeigte fi) an mehrern Stellen wellenformig und unterbrochen. Wir wurden zwey Schiffe anſichtig — die erſten ſeit vielen Tagen — aber ſie konnten ſich nicht mit uns vereini— gen, wegen des dichten Eiſes ruud um uns her. Fruͤh am Morgen des 11. Juny ließ der Druck der Eis— ſchollen gegen einander, während einer gaͤnzlichen Windſtille, nach. Sobald ſie ſoweit aus einander waren, daß es Platz für ein Schiff gab, fiengen wir an, uns gegen NW. hin zu arbeiten, und als wir den Rand des oben erwaͤhnten großen Eisfeldes erreicht hatten, wurde die ganze Mannſchaft dar— auf gelandet, die das Schiff an einem Tau zwey oder drey Meilen fortziehen mußte, bis wir im Stande waren, bey einem friſchen Luͤftchen, das ſich erhob, die Segel zu ſpan— nen. Um Uhr Vormittags erreichten wir ein großes offe— nes Waſſer, das durch mancherley enge und ſchwierige Ca— näle mit andern offenen Stellen gegen NW. zuſammenhieng. Allen dieſen giengen wir nach bis an die aͤußerſte Grenze, wo das Eis ſich als eine feſte und undurchdringliche Maſſe zeigte, in der man kaum vom Maſtbaum ein Fleckchen freyes Waſſer entdecken konnte. Hier wurde alſo unſere Annaͤhe— rung gegen das Land gehemmt. *) S. Tafel J. oT 146 I Am Abend beobachtete ich unfere Fänge, nach dem Chro— nometer 17° 39“ weſtlich, und die Breite 73° 43“. Dieſe Lage, verglichen mit den Beobachtungen des vorigen Tages, gab mir eine Standlinie, aus deren Endpunkten ich Durch: ſchnittspunkte erhielt, die mich in den Stand ſetzten, von den ausgezeichnetſten Theilen der Kuͤſte eine Karte zu ent— werfen. Mittwoch den 12. Juny. Heute blies der Wind aus verſchiedenen Gegenden, am meiſten aber aus SO. Seit beynahe vier Tagen oder 96 Stunden war das Wetter heiter, und der Himmel faſt beſtaͤndig wolkenleer geweſen, fo daß die Sonne, faſt bey vier vollen Umlaͤufen am Him—⸗ mel, nicht einen Augenblick verhuͤllt worden war. Die Zu— ruͤckwerfung der Strahlen vom Eiſe verſtaͤrkte das Licht der— ſelben noch beträchtlich und machte es oft den Augen ſchmerz— haft und nachtheilig. Da das Land jetzt nur zehn oder funfzehn Stunden von uns entfernt, und glücklicherweife durch Strahlenbrechung weniger entſtellt, als gewoͤhnlich, war, ſo erhielt ich einen guten Abriß deſſelben, und noch eine Reihe von Beobachtun— gen über die Lage der vornehmſten Punkte. Da es unmöoͤg— lich war, weiter gegen Weſten vorzudringen, noch übers haupt nach irgend einer Seite hin weiter zu kommen, indem uns auch der Ruͤckzug durch das Eis abgeſchnitten war, ſo dienten dieſe Beſchaͤftigungen, das Gemuͤth aufzuheitern, und die Stunden einer langweiligen Einſperrung und Un— kthaͤtigkeit auf eine angenehme Art auszufuͤllen. In der Nacht ſahen wir einen Wallfiſch, den erſten, der ſich ſeit einer Woche in unſrer Naͤhe hatte blicken laſſen. Er zeigte ſich aber nur einmal und verſchwand wieder. Die beyden folgenden Tage fuhren wir fort, in dem 57 Waſſerbehaͤlter, in welchem wir eingefchloffen waren, von einem Ende zum andern zu kreuzen, und faſt in jede Spalte gegen NW., die dem Schiffe nur den Eingang geſtattete, einzudringen; aber es war nicht moͤglich, nach meinem Plane, vorwaͤrts zu kommen, da das Eis in ſeinem geſchloſ— ſenen Zuſtande beharrte. Unſere groͤßte Annaͤherung gegen die Kuͤſte war etwa bis auf zehn Stunden. Das Eis zwi— ſchen uns und dem Lande beftand aus einer ſchweren Maſſe von groͤßern und kleinern Eisfeldern, die ſo dicht zuſam— mengetrieben waren, daß man ſelten ein bischen Waſſer dazwiſchen ſehen konnte. In der That war das Eis nach allen Richtungen hin ſo ſehr zuſammen gedraͤngt, daß wir weder vor= noch ruͤckwaͤrts kommen konnten. Kleine Veraͤn⸗ derungen fanden jedoch in dem uns zunaͤchſt umgebenden Eiſe ſtatt, indem bald einige von den Stuͤcken, zwiſchen wels chen wir lagen, mit ziemlicher Gewalt gegen einander ſtie— ßen, andere ſich wieder trennten. Dieß noͤthigte uns beſtaͤn— dig auf unſrer Hut zu ſeyn, um den Stoßen des Eiſes aus— zuweichen, die unſtreitig dem Schiff und uns ſelbſt den Uns tergang gebracht hätten. Das Eis daſelbſt war nicht von der gewöhnlichen Art, ſondern maſſiver und rauher, als ich es je geſehen habe. Eisfelder von unbegrenzter Ausdeh— nung, mit ungeheueren Bloͤcken am Rande, die ein Beweis der furchtbaren Quetſchungen, die unlaͤngſt hier ſtatt gefun— den hatten, waren — gewaͤhrten einen eben ſo erhabenen, als Schrecken erregenden Anblick. Die Bloͤcke an den aͤu— ßern Raͤndern beſtanden aus Maſſen von zwanzig, dreyßig und ſelbſt vierzig Fuß Höhe; und auf vielen Schollen lagen eine Menge von Blöcken von zwanzig Fuß Hoͤhe und dar— über. Es war unmoͤglich, dieſe aufgethürmten Eismaſſen zu betrachten, ohne an die ungeheure Gewalt zu denken, die erforderlich war, dieſe Klippen von vielen tauſend Tonnen ſchwer aufzurichten, und Eisſchollen von zwanzig bis dreißig Fuß Dicke zu zerbrechen und zu zerſtuͤckeln, um das Material zu ſolchen rieſenhaften Bauten zu erhalten. - re —- Bey diefer Beſchaffenheit des Eiſes, die uns viele Ge: fahr und keinen Ausweg zeigte, verbunden mit dem gleich— falls unangenehmen Umſtande, daß ſich faſt gar keine Wall— fiſche ſehen ließen, erforderte es die Klugheit, zu verſuchen, aus unſerer Lage fo ſchnell als moglich herauszukommen, und eine vortheilhaftere Stellung zu gewinnen. Und dieß war um ſo wichtiger, da das Eis, das ſeit drey Wochen, ehe wir auf unſern jetzigen Standort gekommen waren, täg— lich im Durchſchnitt ſieben oder acht Meilen gegen SW. ge— trieben hatte, jetzt aufgehört hatte ſich zu bewegen; indem ſeit zwey oder drey Tagen keine Aenderung in unſrer Breite ſtatt gefunden hatte. Da es alſo ſchien, daß irgend eine Stockung in der Bewegung des Eiſes entſtanden war, ſo mußte man befürchten, daß es, anſtatt weiter aus einander zu gehen, durch das von Norden herabkommende Eis, wo möglich noch ſtaͤrker zuſammengedraͤngt werden mochte. Gluͤcklicherweiſe war die Zeit bey dieſen fruchtloſen Be— muͤhungen das Land zu erreichen, nicht ganz fuͤr uns ver— loren. Da das Wetter faſt ununterbrochen heiter und ſchoͤn war, ſo konnten wir die Kuͤſte, eine Strecke von neunzig Meilen weit, beſtaͤndig ſehen; und ob wir gleich von einem Theil derſelben ziemlich weit entfernt waren, ſo ragte ſie doch ſo hoch hervor, daß ſie auch in einer noch einmal ſo großen Entfernung ſichtbar geweſen ſeyn wuͤrde; und ich hatte da— her gute Gelegenheit, einen ganz ertraͤglichen Entwurf von allen hervorragenden Theilen derſelben zu erhalten. Bey der Ausfuͤhrung dieſer Arbeit hatte ich bereits fuͤnf oder ſechs Standpunkte aſtronomiſch beſtimmt, und mehr als funfzig Winkel gemeſſen. Die Richtung der Küfte im allgemeinen, von Gale Ham: ke's Bay in 75° der Breite, bis Bonte-koe-Inſel und Hold— with⸗Hope, in 73 30“, it SSW. Sie iſt faſt durchgehends bergig, ſchroff und nackt. Ihr allgemeiner Charakter iſt = 90 — dem von Spitzbergen nicht unähnlich; aber die Menge des Schnee's ſcheint im Ganzen auf ihr geringer. Ihre gewoͤhn— liche Höhe ſchaͤtzte ich auf 3000 Fuß; eine Höhe, die fie wahrſcheinlich innerhalb einer oder zwey Meilen vom Meere erreicht. Auf den bisherigen Karten von dieſer Kuͤſte ſind nur drey oder vier Punkte bezeichnet, naͤmlich: Gale Ham— ke's-Bay und Land an dem einen Ende, und Bonte— koe⸗Inſel und Hudſon's Hold-with-Hope an dem andern. Auch findet man noch Broer Ruy's Land; aber ich fuͤrchte, dieß iſt einerley mit Hold-with-Hope. Man kann dieſe Plaͤtze nur nach der Breite, unter welcher fie verzeichnet find, unterſcheiden; denn die Laͤngen entfer⸗ nen ſich ſehr weit von der Wahrheit, und ihre gegenſeitige Lage iſt nicht genau. Von Gale-Hamke's-Bay bis Bonte⸗ koe-Inſel ſind keine Vorgebirge, noch Buchten angegeben; wahrend doch die Küſte viele hervorſtechende Spitzen und tiefe Einbuchten enthält. Da es nun gebräuchlich iſt, in ſolchen Faͤllen den merkwürdigſten Vorgebirgen, Buchten und Inſeln Namen zu geben, ſo hielt ich mich hier, nach dem Beyſpiele anderer Seefahrer, auch fuͤr berechtigt dazu; zumal da meine Aufnahme dieſer Kuͤſte gewiß die erſte iſt, die je verſucht worden iſt, und viele meiner Beobachtungen als urſpruͤngliche Entdeckungen zu betrachten ſeyn duͤrften. Die Namen, die ich ertheilte, leitete ich zum Theil von ge— wiſſen Eigenthümlichkeiten des Landes her; noch haͤufiger aber gab mir das Andenken geſchaͤtzter Freunde, welchen ich dadurch meine Achtung auf eine dauernde Weiſe zu bezeugen wünſchte, die Beranlaffung dazu. Das nördlichſte Land, welches wir ſahen, fiel, wie ich ſchon vorhin bemerkt habe, der Breite nach, mit dem zu— ſammen, was man gewohnlich Gale-Hamke's-Land nennt, das im Jahr 1654 von einem hollaͤndiſchen Wallfifch- — 10 — fänger dieſes Namens, deſſen Schiff Orangeboven hieß, entdeckt ſeyn ſoll; und eine Bucht, die ſich gegen NW. zieht, und unmittelbar daran ſtoͤßt, ſcheint ihrem Anſehen und ihrer Lage nach, einerley mit Gale-Hamke's⸗Bay zu ſeyn. Die öftlihe Spitze dieſer Bucht liegt ungefähr in 74 59“ der Breite und in 189 50“ weſtlicher Laͤnge — was von der Laͤnge, welche fie auf den beſten Karten hat, ungefähr um ſieben Grade, und von derjenigen, die ihr auf den Karten, welche für die Wallfiſchfaͤnger herausgekommen find, gege— ben iſt, um 820 Laͤngenmeilen “), oder beynahe um 14 Grade verſchieden iſt. Ein wenig ſuͤdweſtlich von Gale-Hamke's-Bay iſt eine andere Bucht, welcher ich den Namen Kater's Bay gab, und ein großes hervorſtehendes Stuͤck Land, das einige Meilen ſuͤdlich von dieſer Bay liegt, nannte ich Wolla⸗ ſton's Vorland — um zweyen Mitgliedern der Laͤngen— Commiſſton meine Hochachtung zu bezeugen. Eine Oeff⸗ nung etwas weiter ſuͤdlich, wurde zu Ehren des Sekretaͤrs der Laͤngen-Commiſſion Moung's Bay genannt. Wol⸗ laſton's Vorland wird vermuthlich eine Inſel von etwa vier Stunden in der Länge ſeyn. Es iſt auffallend ſchwarz und bergig; und gerade damals war es weniger mit Schnee be— deckt, als irgend ein Theil der angrenzenden Kuͤſte. An die— ſes ſtößt ein anderes Stuͤck hohes Land von einem etwas ver: ſchiedenen Charakter; und dann kommt wieder eine betraͤcht— liche Einbucht, in 74° 5“ der Breite, in welcher wir kein Miles of longitude“ — durch dieſen Beyſatz will Scores by unſtreitig bemerklich machen, daß nicht gewöhnliche Seemeilen, de⸗ ren 60 auf einen Grad des Aequators oder auf einen Meridiangrad gehen, gemeint ſind, ſondern ſolche, deren 60 einen Laͤngengrad des obigen Parallelkreiſes ausmachen. Ein ſolcher Grad betraͤgt etwa 155 der gewöhnlichen Seemeilen; obige 820 Laͤngenmeilen machen daher ungefähr 212 Seemeilen oder 53 geographiſche Meilen aus, en = Land gegen RW. wahrnehmen konnten, fo lange wir dort verweilten. Dieſe wurde Herrn Walter Scott zu Ehren Scott's Einbucht (Scott's Inlet) genannt. Unmittel⸗ bar an dieſer Bucht liegt auf der Suͤdſeite ein großes, mah— leriſches Vorland, das mit dem Namen von Everard Ho me belegt wurde. Außer den jetzt erwaͤhnten Plaͤtzen wurden noch andere Vorgebirge und Buchten zu Ehren folgender achtungswerther Maͤnner mit beſondern Namen bezeichnet, naͤmlich: Tho— mas Brisbane, Dr. Brinkley, Obriſt Beaufoy, Dr. Holland, J. F. W. Herſchel, und meine Schwaͤ— ger John Arundel, Capitain Jackſon und John Clark — welche man insgeſammt auf dem nördlichen Theil der beygefuͤgten Karte angegeben findet. Das ſuͤdlichſte Land, das wir bis jetzt geſehen hatten, und das etwa drey oder vier Stunden S gen O. von Ho: me's Vorland lag, wurde für VBonte-koe-Inſel genom— men, eine Stelle, die auf einigen Karten angegeben iſt, ob— wohl nicht innerhalb funfzehn Meilen von derſelben Breite. Es iſt ein hohes, ſteiles Land und von vorzuͤglich dunkelm Anſehen. Seine Länge fand ich 20° 40° weſtlich, anſtatt 7° 5“ weſtlich, wie ſie auf den Karten fuͤr die Wallfiſchfaͤnger angegeben iſt. Ungefaͤhr einen halben Grad in der Laͤnge weſtlich von Bonte = foe = Änfel iſt ein bemerkenswerthes Vorgebirge, welches wahrſcheinlich daſſelbe iſt, das Heinrich Hudſon im Jahr 1607 entdeckt und mit dem Namen Hold-with-Hope bezeichnet hat. Von hier an zieht ſich das Land mehr nach Weſten hin. Wahrend ich mit der Aufnahme dieſer Kuͤſte beſchaͤftigt war, traf es ſich gluͤcklicherweiſe, daß der Mond in eine zu u Laͤngenbeſtimmungen ſchickliche Entfernung von der Sonne zu ſtehen kam. Dieſer Umſtand war fuͤr mich von großer Wichtigkeit, und wurde augenblicklich benutzt, um den Gang meines Chronometers zu berichtigen; da es uͤberhaupt ſehr mißlich waͤre, ſich auf den Gang eines einzigen Werkzeuges der Art zu verlaſſen. Das Wetter war hierzu ungemein guͤnſtig, fo daß ich die Abſtaͤnde mit der großten Schärfe nehmen konnte. Aus ſechs Diſtanzen- und Höhen-Reihen erhielt ich im Mittel die Ränge von 17° 54’ 30“ weſtlich für den Ort des Schiffes am 14. Juny, und fand den Fehler des Chronometers beynahe vier Minuten in Zeit“). Dieſe befriedigenden Laͤngen-Beobachtungen (die durch viele nachherige Proben geſichert wurden), ſetzten mich in den Stand, die Groͤße der außerordentlichen Strahlenbre— chung der Atmoſphaͤre in den Polar-Meeren, in einem be— ſondern Fall, genau zu beſtimmen, welche, ohne ſolche Be: weiſe, kaum glaublich ſcheinen würde, Die eben beſchrie— bene Kuͤſte iſt im allgemeinen ſo hervorragend, daß ſie, bey dem gewoͤhnlichen Zuſtande der Atmoſphaͤre, auf ſechzig Meilen weit zu ſehen iſt; aber auf meiner letzten Reiſe in dieſe Gegenden konnte man einen Theil derſelben in einer mehr als noch einmal fo weiten Entfernung ſehen. Die nä: hern Umſtaͤnde waren folgende: Gegen Ende des Julius 1821, als ich mich zwiſchen dem Eiſe in einer Breite von 74° 10“ und, nach Monds- Beobachtungen und dem Chro— nometer (die bis auf 22 Minuten der Laͤnge zuſammenſtimm— *) Dieſe Monds-Beobachtungen wurden ſpaͤterhin, durch Verglei— . chung meines Chronometers mit einem des Capitain Bennet, und durch ſpaͤtere Beobachtungen geprüft. Alle hier angegebenen Laͤn— gen ſind daher als berichtigte Laͤngen zu betrachten, und nicht ge— rade die, welche der Chronometer nach ſeinem urſpruͤnglichen Gange gab, da ſich fand, daß der Fehler deſſelben täglich beynahe zwey Sekunden betrug. S. 1 — ten) in 12° 30' 15 weſtlicher Länge befand, wurde vom Mars aus Land gegen W. geſehen, ungefähr drey Tage nach einander. Es war ſo deutlich und augenfaͤllig, daß Capi— tain Manby, der mich damals begleitete, und deſſen Reiſe— beſchreibung bereits gedruckt ifE*), es vom Verdeck aus auf: nehmen konnte, waͤhrend ich einen aͤhnlichen Abriß vom Mars aus verfertigte, welcher in meinem Tagebuch von die— ſem Jahre aufbewahrt iſt. Das Land, welches uns damals am naͤchſten lag, war Wollaſton's Vorland, welches, mei: ner letzten Aufnahme zufolge, unter 74° 25“ der Breite (der mittlere Theil deſſelben) und 19° 50“ der Länge liegt; die Entfernung mußte daher wenigſtens 120 Meilen ſeyn. Allein Home's Vorland, im 21ſten Grad der Laͤnge, das durch zwey auffallende Erhoͤhungen an ſeinen beyden Enden aus— gezeichnet iſt, war auch zu ſehen; und deſſen Entfernung betrug, nach einer auf aſtronomiſche Beobachtungen gegrun— deten Rechnung, 140 geographiſche oder 160 engliſche Mei— len). Bey einem gewohnlichen Zuſtande der Atmoſphaͤre (wobey man die Wirkung der Strahlenbrechung auf „> der Entfernung rechnet) muͤßte ein Land, um in einer Entfer— nung von 140 Meilen, von dem Mars eines Schiffes, d. i. aus einer Hoͤhe von 100 Fuß, geſehen zu werden, wenig— ſtens zwey Seemeilen oder 12,000 Fuß hoch ſeyn; aber das Land, von welchem hier die Rede iſt, hatte (nach unſrer Schaͤtzung) nicht mehr als 3,500 Fuß Höhe; folglich mußte die Strahlenbrechung die außerordentliche Erhebung von 8,500 Fuß hervorbringen. Nun iſt der Winkel, der einer Hohe von 8,500 Fuß in einer Entfernung von 140 Meilen ) Eben dieſer iſt ſchon oben S. 108 Erwaͤhnung geſchehen. ***) Was oben geographiſche Meilen heißt, find nicht die bey uns mit dieſem Namen gewoͤhnlich bezeichneten Meilen, ſondern eben die— jenigen, deren 60 auf einen Grad des Aequators gehen; und die andern find dann die engliſchen Landmeilen, die ſich zu den erſte— ren ungefaͤhr wie 7 zu 8 verhalten. — 14 — zugehört, 34“ 47“ — und dieß alſo der Werth der außeror: dentlichen Straͤhlenbrechung, zu der Zeit, als das Land fo geſehen wurde. Berechnet man aber die Große der Strah— lenbrechung, wie man gewöhnlich thut, nach dem Verhaͤlt— niß der Entfernung, fo ſteigt fie hier auf + des Bogens der Entfernung, anſtatt auf 22, als der mittlern Große ). Es kann auch keinem Zweifel unterworfen ſeyn, daß das Land wirklich unter dieſen Umſtaͤnden geſehen wurde; denn es wurde von uns am 18., 23., 24. und 25. July 1821 in der: ſelben Lage, und von einer aͤhnlichen Geſtalt beobachtet, während ſich das Schiff in einer Länge von 12° 30 bis 11° 50“ weſtlich befand; und am 23. blieb es 24 Stunden nach einander ſichtbar; und obgleich ſein Ausſehen ſich, durch den veränderlichen Einfluß der Strahlenbrechung, häufig aͤn— derte, ſo behielt es doch beſtaͤndig dieſelbe Lage, und im Gan— zen eine aͤhnliche Geſtalt. In meinem Tagebuche finde ich bey dieſem Tage ausdruͤcklich angemerkt, daß alle Zweifel uͤber die Wirklichkeit des Landes jetzt gaͤnzlich aufgehoben wären, da ich mit dem Fernrohr vom Mars aus „Hügel, Vertiefungen, Schneefelder und nackte Felſenmaſſen ganz deutlich — den ganzen Tag uͤber — erkennen konnte.“ Ich muß alfo dieſe ungewohnliche Wirkung der Strahlenbrechung für vollkommen begründet anſehen“ ). *) Es machen nämlich die 140 Meilen 2° 20° im Bogen eines größten Kreiſes der Erdkugel; und hiervon find obige 34° 47“ ſehr nahe der vierte Theil. ** Es iſt mir nicht bekannt, daß dieſes Land je von einem britti— ſchen Seefahrer geſehen worden waͤre (ausgenommen von Hudſon, und zwey oder drey Wallfiſchfaͤngern, die zu verſchiedenen Zeiten, vom Eiſe, zwiſchen welchem ſie eingeſchloſſen waren, gegen daſſelbe getrieben wurden), bis zum Jahr 1817, wo es von mir ſelbſt, den 29. July, geſehen wurde, als das Schiff in 74° O/ der Breite, und 10° 37’ weſtlicher Länge war. Da es gerade in W gen N. m - Während der Nacht ließ fich ein Bär auf einer der ans grenzenden Eisflaͤchen ſehen; und da er kurz darauf ver— ſuchte, durch eine offene Stelle in der Naͤhe des Schiffes vorbey zu ſchwimmen, ſo wurde er ſogleich von einem unſ— rer Boote verfolgt, und von dem Harpunirer deſſelben ange— griffen, und mit einer Lanze verwundet; auch, ſeiner ta— pfern Gegenwehr ungeachtet, gluͤcklich erlegt. Es war ein ſchöͤnes, großes Thier, deſſen Haut, die ſehr weiß und ſtark behaart war, ungefähr acht Fuß in der Länge maß. Wir hatten gehofft, an der Kuͤſte von Groͤnland viele dieſer Thiere zu ſehen, da wir auf einer fruͤhern Reiſe in dieſer Gegend gegen hundert derſelben angetroffen hatten, von denen mehr als zwanzig getodtet, und vier lebendig ge— fangen wurden. In dieſer Hoffnung aber ſahen wir uns gaͤnzlich getaͤuſcht, da uns nicht mehr als drey zu Geſicht ge— kommen waren, von welchen nur der eine, deſſen eben Er— waͤhnung geſchehen iſt, uns zu einem Angriff Gelegenheit lag, ſo muß der Theil, welchen ich zu Geſicht bekam, Wollaſton's Vorland geweſen ſeyn, in einer Entfernung von 152 Meilen. Da jedoch die ſcheinbare Entfernung kaum die Haͤlfte der wahren be— trug, fo wurde ich in einen Irrthum über die Länge des „ Weſt⸗ landes“ gefuͤhrt. Ich ergreife daher dieſe Gelegenheit, denſelben anzuzeigen. Die muthmaßliche Lage dieſes Landes theilte ich dem verſtorbenen Joſeph Banks in einem Briefe mit; durch dieſen kam es in einige Polarkarten, nach der von mir angegebenen Länge. Aber meine Rechnung ſtuͤtzte ſich auf bloße Vermuthung, und da ich damals die vollen Wirkungen der Strahlenbrechung in dieſen Breiten noch nicht kannte, ſo war meine Vermuthung ſehr weit von der Wahrheit entfernt. Hatte ich nicht in dem oben angefuͤhr⸗ ten Beyſpiel einen vollguͤltigen Beweis von der außerordentlichen Erweiterung des Geſichtsfeldes durch die Strahlenbrechung erhal: ten, fo würde ich jetzt glauben, daß, fo ſehr ich auch damals über: zeugt war, daß das, was ich ſahe, Land waͤre, ich mich doch muͤßte geirrt RA S. a gab, die andern beyden aber ſich Flüglich mitten auf einem großen Eisfelde hielten, wo wir wenig Luſt hatten ſie zu verfolgen. Wenn man den Baͤren im Waſſer, beym Durchſchwim— men von einer Eisſcholle zur andern, antrifft, ſo kann man ihn gewöhnlich mit Vortheil angreifen; wenn er aber am Ufer, oder auf einer großen, mit Schnee bedeckten Eisflaͤche iſt, auf welcher er mit feinen breiten Tatzen noch einmal ſo ſchnell fortkommen kann, als ein Menſch, der vielleicht bey jedem Schritt bis an die Kniee einſinkt — dann kann er ſelten mit Sicherheit oder gluͤcklichem Erfolg angegriffen werden. Die meiſten Ungluͤcksfaͤlle mit Bären haben bey ſolchen unvor— ſichtigen Angriffen, oder wenn man ihnen auf dem Eiſe be— gegnet iſt, ſtatt gefunden. Vor wenigen Jahren ereignete ſich ein trauriger Vorfall mit einem Matroſen eines Schiffes, das in der Davisſtraße vom Eiſe eingeſchloſſen war. Ein Baͤr, den man ſchon ei— nige Zeit in der Nähe des Schiffes wahrgenommen hatte, war endlich ſo dreiſt geworden, bis an daſſelbe heranzukom— men, wahrſcheinlich durch den Geruch der Lebensmittel, die der Koch uͤber Bord geworfen hatte, herbeygelockt. Die Leute waren gerade mit ihrer Mahlzeit beſchaͤftigt, und nie— mand auf dem Verdeck auf der Wache, da das Schiff unbe— weglich lag. Ein verwegner Burſche, der zuerſt herausſah und den Bären erblickte, ſprang thoͤrichterweiſe ſogleich auf das Eis hinaus, blos mit einer Stange bewaffnet, vermuth— lich in der Abſicht, die Ehre, einen fo übermüthigen Gaſt gedemuͤthigt zu haben, allein davon zu tragen. Aber der Baͤr, ohne auf das elende Gewehr zu achten, und vermuth— lich noch durch den Hunger gereizt, entwaffnete unſtreitig ſeinen Gegner ſogleich, packte ihn mit ſeinen furchtbaren Zähnen in den Rücken, und trug ihn mit ſolcher Schnellig— keit davon, daß, als feine Kameraden auf fein Geſchrey er: e,, ſchrocken vom Tiſch aufſprangen und ſich nach ihm umſahen, der Bar ſchon fo weit entfernt war, daß es umſonſt gewes fen wäre, ihm nachzuſetzen. Ein anderes Beyſpiel eines unklugen Angriffs gegen ei— nen Baͤren, deſſen Ausgang jedoch eher luſtiger Art war, wurde mir vom Capitain Munroe mitgetheilt, und ereignete ſich 1820 im gronländifchen Meere mit einem Matroſen eines Wallfiſchfaͤngers von Hull“). Das Schiff lag an einem Eisfelde vor Anker, auf welchem man, in einer betraͤchtli— chen Entfernung, einen großen Bären gewahr wurde, der auf Beute ausging. Einer von der Mannſchaft des Schiffs, der ſich aus ſeiner Rumflaſche, in welcher er abſichtlich einen kleinen Vorrath für beſondere Gelegen— heiten aufzubewahren pflegte, einigen Muth geholt hatte, machte ſich anheiſchig, dem Bären nachzuſetzen. Blog mit einer Wallfiſchlanze bewaffnet, gieng er, ganz entſchloſſen und gegen alle Vorſtellungen, die ihm von ſeinen Kameraden gemacht wurden, zu ſeiner abenteuerlichen Unternehmung aus. Ein beſchwerlicher Weg von ungefaͤhr einer halben Stunde über lockern Schnee und ſchroffe Eisblöcke, brachte ihn ganz in die Naͤhe feines Feindes, der, zu feinem Erſtau— nen, ihn unerſchrocken anblickte und zum Kampf herauszu⸗ fordern ſchien. Sein Muth hatte unterdeſſen ein großes ab— genommen, theils weil der Geiſt des angewandten Reizmit— tels unterwegs verdunſtet war, theils weil der Baͤr ſo gar keine Furcht verrieth, ſondern ſelbſt eine drohende Miene annohm; er hielt daher an und ſchwang ſeine Lanze ein paar— mal hin und her, ſo daß man nicht recht wußte, ob er angreifen *) Die Schiffer von Hull, einer bekannten Stadt am Ausfluß des Humber in Yorkfhire, haben ſchon in den fruͤhern Zeiten den Wallfiſchfang in den Meeren von Groͤnland und Spitzbergen mit beſonderem Eifer getrieben und daher ſchon im Jahr 1618 vom König Jakob I, eigene Privilegien darüber erhalten. u oder fich vertheidigen wollte. Der Bär ſtanud auch ſtill. Ver: gebens ſuchte der Abenteurer ein Herz zu faſſen, um den An— griff zu beginnen; ſein Gegner war zu furchtbar, und ſein Anſehen zu ſehr zurüuckſchreckend. Vergebens fieng er an, ihn durch Schreyen aufzuregen, mit der Lanze zu bedrohen, und Miene zu machen, ihn anzugreifen; der Feind verſtand dieß entweder nicht, oder verachtete ſolche leere Drohungen, und blieb hartnäckig auf ſeinem Platz. Schon fiengen die Kniee des Menſchen an zu wanken — die Lanze zitterte in ſeiner Hand — und ſein Blick, der bisher noch feſt geweſen war, fieng an zu ſchauern; aber die Furcht, von feinen Ka— meraden ausgelacht zu werden, hatte noch einigen Einfluß, und er wagte nicht zuruͤckzugehen. Meiſter Paͤtz hingegen, der weniger Ueberlegung oder größere Sorgloſigkeit beſaß, fieng mit der verwegenſten Dreiſtigkeit an, vorzuruͤcken. Seine Annäherung und fein ungefchlachtes Weſen lofchten den noch übrigen Funken von Muth aus und uͤberwanden die Furcht, ſich laͤcherlich zu machen, die bisher noch unſern Helden aufrecht erhalten hatte; er wandte ſich um und floh. Aber nun gieng die Gefahr erſt an. Die Flucht des Men— ſchen machte dem Baͤren Muth, jetzt ſeinerſeits die Verfol— gung anzufangen, und da er mehr geuͤbt und beſſer darauf eingerichtet war, uͤber den Schnee zu laufen, ſo holte er den Fluͤchtling bald ein. Dieſer warf die Lanze, fein einziges Vertheidigungsmittel, das ihn im Laufen beſchwerte, von ſich und lief weiter. Gluͤcklicherweiſe zog dieſe die Aufmerk— ſamkeit des Bären auf ſich; er ſtutzte, betaſtete fie mit ſei— nen Pfoten, biß hinein und ſetzte dann ſeine Verfolgung fort. Schon war er dem keichenden Schiffer wieder auf den Ferſen, als dieſer in der Hoffnung einer aͤhnlichen Wirkung, als die Lanze gehabt hatte, einen Handſchuh fallen ließ. Die Lift gelang, und waͤhrend der Baͤr wieder ſtehen blieb, um dieſen zu unterſuchen, gewann der Fluͤchtling, der die Zwiſchenzeit benutzte, einen guten Vorſprung. Der Bär feste ihm von neuem, mit der drohendſten Beharrlichkeit nach, obgleich er . 0 noch einmal durch den andern Handſchuh, und zuletzt durch den Hut, den er mit feinen Zähnen und Klauen in Stücken zerriß, aufgehalten wurde, und wuͤrde ohne Zweifel den un— beſonnenen Abenteurer, der ſchon alle Kräfte und allen Muth verloren hatte, zu feinem Schlachtopfer gemacht ha— ben, wenn die andern Matroſen, da ſie ſahen, daß die Sache eine ſo ernſthafte Wendung genommen hatte, nicht zu feiner Rettung herbeygeeilt wären. Der kleine Phalanx oͤff— nete ihm einen Durchgang und ſchloß ſich dann wieder an einander, um den verwegenen Feind zu empfangen. Dieſer fand jedoch unter ſo veraͤnderten Umſtaͤnden nicht fuͤr gut, den Angriff zu unternehmen; er ſtand ſtill, ſchien einen Au— genblick zu uͤberlegen, was zu thun ſey, und machte dann einen ehrenvollen Ruͤckzug. Der Fluͤchtling hingegen, ob— gleich durch eine Schutzwehr gedeckt, hoͤrte, von ſeiner Furcht gejagt, nicht eher auf zu laufen, als bis er das Schiff er— reicht hatte. [Gewöhnlicherweiſe geht der Baͤr, wenn er nicht vom Hunger getrieben wird, dem Menſchen aus dem Wege. Wird er aber angegriffen, ſo kehrt er ſich allezeit gegen ſei- nen Feind. Eine Lanze weiß er geſchickt mit ſeinen Zaͤhnen zu faſſen, und beißt ſie entweder entzwey, oder reißt ſie dem Gegner aus der Hand. Wird er mit einer Kugel getroffen, und es iſt nicht in den Kopf, oder durch das Herz, oder in die Schulter, ſo wird er dadurch mehr aufgereizt, als ge— ſchreckt, und geht mit vermehrter Wuth auf ſeinen Verfol— ger los. Wenn er von weitem geſchoſſen wird, und er kann entrinnen, ſo hat man ihn wohl geſehen auf einem Eisblock Schutz ſuchen, und, gleichſam als kennte er die zuſammen— ziehende Kraft der Kaͤlte, Schnee mit ſeinen Tatzen auf die Wunde druͤcken. Sein gewoͤhnlicher Gang iſt langſam und bedaͤchtig; draͤngt ihn aber eine Gefahr, oder treibt ihn der Hunger, ſo 5 9 läuft er in Sprüngen; und auf dem Eiſe kann er leicht ei: nem Menſchen zuvorkommen. Ueberhaupt iſt er zwar dem Anſchein nach plump, aber nichts weniger als unbehuͤlflich und ungeſchickt, und bey ſeiner furchtbaren Staͤrke und Wildheit, doch uͤberlegſam und geſcheut. Seine Sinne find ausnehmend ſcharf, beſonders das Geſicht und der Geruch. Wenn er uͤber große Eisfelder geht, ſo ſteigt er auf Eis— blöcke und ſieht nach Beute umher; wenn er dann den Kopf in die Höhe hebt und mit der Naſe ſchnuͤffelt, fo empfindet er den Geruch von einem todten Wallfiſch auf eine unglaub— liche Entfernung. Ein Stuͤck ſchwammiges Wallfiſchfett“) in's Feuer geworfen, zieht ihn meilenweit zum Schiff herbey. Dieſe Art von Fett, die unſrer Naſe ſehr zuwider iſt, iſt fuͤr ihn ein Leckerbiſſen. Todte Wallfiſche, wie die Wallfiſchfaͤnger fie zuruͤcklaſ— fen, machen überhaupt ein vorzuͤgliches Nahrungsmittel für ihn aus; naͤchſt dieſen Seehunde — wiewohl, bey der aus— nehmenden Wachſamkeit dieſer Thiere, zu glauben iſt, daß er oft wochenlang gezwungen iſt, zu faſten. Er naͤhrt ſich auch von Vögeln, Fuͤchſen, Rennthieren, wenn er fie be— kommen kann, von Eyern, ja von allen thieriſchen Sub— ſtanzen, deren er habhaft werden kann. Er ſcheint eben ſo wohl auf dem Eiſe, als auf dem Lande zu Haufe zu ſeyn. Man trifft ihn auf Eisfeldern über 200 Meilen weit vom Ufer an. Er ſchwimmt mit einer Ges ſchwindigkeit von drey Meilen in einer Stunde, und kann *) Kreng — mit dieſem Ausdruck wird eine Subſtanz bezeichnet, die bey den Wallfiſchen zwiſchen dem eigentlichen Speck (blubber) und dem Fleiſche ſitzt, und in einem lockern, ſchwammigen Fett be— ſteht, das an manchen Stellen ſelbſt mit Muskelfaſern durchzogen iſt, und wegen ſeiner geringen Ausbeute an Oel, haͤufig uͤber Bord geworfen wird. einige Meilen nach einander ohne große Beſchwerde zurück legen. Er taucht auf betraͤchtliche Weiten unter, obwohl nicht ſehr haͤufig. In Spitzbergen, Nova Zembla, Groͤnland und andern Polar⸗Gegenden werden das ganze Jahr hindurch Baͤren angetroffen. An manchen Orten findet man ſie in großer Anzahl beyſammen. In der Nahe der grönlaͤndiſchen Oft: kuͤſte hat man fie in Schaaren, wie Schafheerden auf einer Gemeintrift, geſehen. Vermittelſt des Eiſes machen ſie oft eine Landung auf Island; aber ſo bald ſie ſich dort blicken laſſen, machen die Einwohner Jagd auf fie, und bringen ſie um oder treiben ſie weg. Die Größe dieſes Thiers iſt gemeiniglich 4 bis 5 Fuß in der Hohe, 7 bis 8 Fuß in der Lange und beynahe eben fo viel im Umfange. Bisweilen findet man ſie jedoch viel größer. Barentz erlegte im Jahr 1596 zwey Bären auf der Inſel Cherie, deren Felle, von dem einen 12 Fuß, von dem andern 13 Fuß, maßen. Das Gewicht deſſelben betraͤgt ge⸗ wöhnlich 600 bis 1000 Pfund und darüber. Er iſt mit lan— gem, gelblich-weißem Haar bedeckt, und beſonders zottig iſt die innere Seite ſeiner Beine. Seine Tatzen ſind 7 Zoll und daruͤber breit; ſeine Krallen 2 Zoll lang. Seine Fang— zaͤhne ragen ungefaͤhr anderthalb Zoll aus der Kinnlade her— vor, und er hat in feinen Kinnbacken eine erſtaunenswuͤr⸗ dige Kraft, ſo daß man ihn wohl eher eine eiſerne Lanze von einem halben Zoll im Durchmeſſer hat entzwey beißen ſehen. Das Fell des Baͤren giebt, wenn es mit den Haaren zurecht gemacht wird, einen ſchöͤnen Teppich in einem Vor: ſaale, in einer Kutſche oder einem Schlitten. Wird es zu— recht gemacht, ohne aufgeſchnitten zu werden, und das Haar inwendig gekehrt, ſo dient es zu einem warmen, ſackaͤhnli— chen Bett, und wird auf dieſe Art in manchen Gegenden 9 * — 132 — von Grönland gebraucht. Sein Fleiſch iſt, wenn es vom Fett gereinigt wird, ſaftig und ſchmackhaft, beſonders die Keule. Ich tracktirte einmal meinen Wundarzt mit einem Gericht von einer Baͤrenkeule, und er aß es fuͤr Beef-ſteaks “). Auffallend aber iſt es, daß die Leber von dieſem Thiere ſchaͤdlich und ſogar tödtlich iſt — waͤhrend doch das Fleiſch und die Leber des Seehundes, von welchem ſich der Baͤr bauptfächlih naͤhrt, genießbar und wohlſchmeckend iſt. Wenn Schiffer unvorſichtigerweiſe von der Leber des Baͤren gegeſſen haben, ſo ſind ſie faſt immer krank darauf gewor— den und bisweilen gar geſtorben; bey andern hat es die Wirkung gehabt, daß ſich die Haut von ihrem Koͤrper ge— ſchaͤlt hat. Dieß iſt vielleicht das einzige Beiſpiel von einem giftigen Theile eines Saͤugethieres. Obgleich man weiß, daß Baͤren bisweilen einander auf— freſſen, ſo haben ſie doch eine ausnehmende Zaͤrtlichkeit fuͤr ihre Jungen. Die Baͤrin, die gewohnlich zwey Junge auf einmal zur Welt bringt, vertheidigt dieſe mit ſolchem Eifer, und wacht über fie mit ſolcher Sorgſamkeit, daß fie biswei— len ein Opfer ihrer muͤtterlichen Liebe wird. Ein artiges und wirklich merkwuͤrdiges Beiſpiel von Klugheit bey einer Baͤrin wurde mir von einem glaubhaften und wohl unter: richteten Manne, der mich auf mehrern meiner Reiſen als Wundarzt begleitete, erzaͤhlt. Eine Baͤrin, die zwey Junge bey ſich hatte, wurde von einigen bewaffneten Matroſen auf einem Eisfelde verfolgt. Anfangs ſchien ſie die Jungen, da— durch daß ſie voranlief und ſich immer umſah, und durch eigne Geberden und einen beſondern Ton der Stimme ihre Aengſtlichkeit zu erkennen gab, zu größerer Eile anzureizen; aber da ſie ſahe, daß ihre Verfolger ihr zu nahe kamen, ſo ſuchte ſie jene vorwaͤrts zu treiben, zu ſchieben und zu ſtoßen, *) Eine in England ſehr gewoͤhnliche und beliebte Speiſe, die aus Scheiben von Rindfleiſch, auf Kohlen geroͤſtet, beſteht. — bis fie glücklich mit ihnen entkam. Hierbey ſollen die Jun: gen ſich auf die Tatzen der Mutter geſtellt haben, um von ihr einen Stoß zu empfangen, und wenn fie dann ein Stück vorwaͤrts geflogen wären, wären fie fogleich weiter gelaufen, bis die Mutter fie eingeholt, und einem nach dem andern ei: nen neuen Stoß ertheilt haͤtte. Ueberhaupt hat man oͤfters Beyſpiele von Klugheit und Ueberlegung bey dieſen Thieren wahrgenommen. Ein Baͤr ſah einen Seehund auf dem Eiſe nahe an ei— nem Loche, das in demſelben war, liegen. Um ſich deſſel— ben zu bemaͤchtigen, tauchte er unter und ſchwamm nach dem Loche hin, durch welches der Seehund entfliehen mußte. Dieſer wurde ihn gewahr und ſtuͤrzte ſich ins Waſſer; aber der Baͤr ſprang ihm den Augenblick nach und etwa eine Minute darauf kam er, mit ſeiner Beute im Rachen, wieder zum Vorſchein. Der Capitain eines Wallfiſchfaͤngers, der ſich gern einen Baͤren verſchaffen wollte, ohne die Haut deſſelben zu verle— tzen, machte den Verſuch, eine Schlinge von einem Strick in den Schnee zu legen, und in dieſe ein Stuck Wallfiſchfett. Ein Bar, der ſich in dem benachbarten Eiſe aufhielt, wurde durch den Geruch des angebrannten Fettes bald herbeyge— zogen. Er ſah die Lockſpeiſe, gieng hinzu, und faßte ſie in den Mund; da aber ſein Fuß ſich in dem naͤmlichen Augen— blick durch einen Ruck des Strickes in der Schlinge verwi— ckelt hatte, ſchob er dieſe mit der andern Pfote wieder herab und gieng ganz bedaͤchtig mit ſeiner Beute davon. Nachdem er dieſe verzehrt hatte, kam er wieder. Man hatte die Schlinge unterdeſſen mit einem andern Stuͤck Wallfiſchfett wieder zu— recht gelegt; er ſchob dieſe aber vorſichtig bey Seite, und trug zum zweytenmal die ihm auf andere Weiſe zugedachte Lockſpeiſe triumphirend davon. Die Schlinge wurde zum drittenmal gelegt, aber mit der Vorſicht, daß der Strick unter dem Schnee vergraben, und die Lockſpeiſe in eine tiefe Hoͤhlung innerhalb der Schlinge gelegt wurde. Der Baͤr gieng wieder bey, und die Schiffer zweifelten ſchon nicht an einem glücklichen Erfolg. Aber jener, kluger als dieſe glaubten, beroch erſt den Platz rund umher, kratzte dann den Schnee mit ſeinen Pfo⸗ ten weg, ſchob den Strick wieder an die Seite, und bemaͤch⸗ tigte ſich ohne Schaden der dargebotenen Mahlzeit. Im Juny 1812 kam eine Baͤrin mit zwey Jungen in die Naͤhe des Schiffes, welches ich kommandirte, und wurde geſchoſſen. Die Jungen, die keinen Verſuch machten, zu entfliehen, wurden lebendig gefangen. Sie fuͤhlten ſich an⸗ fangs offenbar ſehr ungluͤcklich, endlich aber ſchienen ſie mit ihrem Schickſal gewiſſermaßen ausgeſöhnt, und da ſie ziem⸗ lich zahm waren, ſo geſtattete man ihnen bisweilen auf dem Verdeck umher zu gehen. Wenige Tage, nachdem ſie gefan⸗ gen waren, wurde das eine von ihnen, dem man einen Strick um den Hals gebunden hatte, uͤber Bord geworfen, waͤhrend das Schiff am Eiſe vor Anker lag. Es ſchwamm ſogleich an das Eis, machte ſich darauf und wollte entfliehen. Da es aber fand, daß es von dem Strick zuruͤckgehalten wurde, ſuchte es ſich auf folgende ſinnreiche Art davon los zu machen. Nahe am Rande des Eiſes war eine Spalte in demſelben von betraͤchtlicher Lange, aber nur anderthalb bis zwey Fuß breit, und drey oder vier Fuß tief. Dahin gieng der Bär, und indem er tiber die Oeffnung heruͤber ſchritt, fiel ein Theil des Strickes hinein; darauf ſtellte er ſich queer daruͤber, hieng ſich an ſeinen Hinterfuͤßen, die er zu beyden Seiten auf den Rand der Spalte legte, auf, ſenkte ſeinen Kopf und den großten Theil des Körpers in die Schlucht, und ſuchte dann mit beyden Vorderpfoten zugleich den Strick uͤber den Kopf zu ſchieben. Als er ſahe, daß es ihm auf dieſe Weiſe nicht gelingen wollte, gieng er auf das Eis zus rück und rann mit großer Heftigkeit von dem Schiffe weg⸗ zii — waͤrts, um das Seil zu zerreißen. Dieß verſuchte er zu Mies derholtenmalen, indem er jedesmal einige Schritte zuruͤck— gieng und einen neuen Anlauf nahm, um das Seil ausein— ander zu ziehen. Bey jedem Fehlverſuch drückte er feinen Verdruß durch ein eignes Brummen aus, und endlich gab er der Nothwendigkeit nach, und legte ſich trotzig und ſtill auf das Eis nieder. Unglücksfaͤlle durch Bären ereignen ſich von Zeit zu Zeit, aber doch bey weitem nicht ſo viel, als die Wildheit dieſer Thiere, und die Verwegenheit der Schiffer, die keine Gele— genheit, ſie anzugreifen, vorbey laſſen, erwarten ließen. Manche der fruͤhern Reiſenden nach den Polar-Meeren haben harte Kaͤmpfe mit Baͤren zu beſtehen gehabt. Vor— zuͤglich oft wurde Barentz und ſeine Leute von ihnen ange— fallen; doch gelang es dieſen immer, ſie zu erlegen oder zu— ruͤckzutreiben. Weniger gluͤcklich war eine andere Reiſege— ſellſchaft. Das Schiff lag in der Naͤhe von Nova Zembla vor Anker, und zwey von der Geſellſchaft landeten auf einer kleinen Inſel im Eingange der Straße Weigatz. Die Neu— gier trieb fie an, ſich etwas vom Ufer zu entfernen, um ſich umzuſehen, als auf einmal der eine von ihnen von einem Baͤren im Ruͤcken angefallen und zur Erde geworfen wurde. Sein Gefaͤhrte lief ſogleich fort und machte Laͤrm, worauf ein Theil ihrer Kameraden zu Huͤlfe herbeyeilten. Der Baͤr ſtand uͤber ſeiner Beute bey ihrer Annaͤherung, ohne den ge— ringſten Anſchein von Furcht; und da fie ihn angreifen woll— ten, ſprang er auf ſie los, ergriff einen von ihnen, und machte ihn gleichfalls zu einem Schlachtopfer feiner Grau— ſamkeit und Gewalt. Die uͤbrigen liefen beſtuͤrzt davon und konnten nicht vermocht werden, den Angriff zu erneuern. Nur drey von der ganzen Mannſchaft hatten Muth genug, den furchtbaren Feind nicht ungeſtraft zu laſſen, und nach einem gefaͤhrlichen und harten Kampf gelang es ihnen, ihn e zu tödten und die zerfleifchten Korper ihrer ungluͤcklichen Ge— faͤhrten zu befreyen. Capitain Cook, der den Archangel von Lynn kommandirte, gieng, als er ſich im Jahr 1788 in der Naͤhe von Spitzber— gen befand, in Begleitung feines Wundarztes und des Steuermanns, ans Land. Während fie am Ufer hingien— gen, wurde der Capitain plotzlich von einem Bären uͤberfal— len, der ihn auch ſogleich mit ſeinen Pfoten umfaßte. In dieſer ſchrecklichen Lage, in der eine Zoͤgerung von einem Aus genblick ihm den Untergang brachte, rief er dem Wundarzt zu, zu ſchießen, und dieſer that es mit einer ſo bewunderns— würdigen Entſchloſſenheit und Geſchicklichkeit, daß die Kugel dem Baͤren mitten durch den Kopf gieng. Durch dieſe ſchleunige und gluͤckliche Huͤlfe entgieng der Capitain der drohendſten Gefahr, zerriſſen zu werden. Ein neueres Beyſpiel einer aͤhnlichen Gefahr giebt uns ein Vorfall, welchen Capitain Hawkins von Hull in der Da— visſtraße im July 1818 erfuhr. Dieſer verfolgte einen ſehr großen Baͤren, der durchs Waſſer ſchwamm, in einem Boot, und da er ihn erreichte, ſtieß er ihn zweymal mit einer Lanze in die Bruſt; als er ſie aber aus der Wunde herauszog, um einen dritten Stoß zu thun, fprang das Thier wuͤthend auf, ergriff ihn am Schenkel und riß ihn uͤber Bord ins Waſſer. Glucklicherweiſe wiederholte er feinen Angriff nicht, ſondern machte, daß er ſelbſt fortkam, welches ihm auch gelang, da alle im Boote nur beſchaͤftigt waren, ihren Capitain zu retten.] Ein dicker Nebel herrſchte den groͤßten Theil des 15. Juny und machte uns ſo irre, daß wir Muͤhe hatten, das Schiff zu regieren. Da uns viel daran gelegen war, aus unferer Sperre herauszukommen, fo unterſuchten wir das Eis, das uns eingeſchloſſen hielt, auf allen Seiten, und 137 — waren fo glücklich, den Abend einen ſchmalen, nicht uͤber ein paar hundert Fuß breiten, Weg zu entdecken, durch den wir gluͤcklich auf die Weſtſeite des Eisfeldes gelangten, das uns mehrere Tage aufgehalten hatte. Hier mußten wir am fol— genden Tage, waͤhrend eines Windſtoßes, beylegen. Sie— ben oder acht Schiffe wurden um dieſe Zeit vom Mars aus, in ziemlicher Entfernung gegen Oſten, entdeckt, deren Er— ſcheinung uns allen eine Freude machte, da wir ſo lange Zeit allein geweſen waren. Montag Morgens, den 17. Juny, fanden wir, nach einigem Suchen, einen Ausweg gegen Suͤden, der uns in ein ſchoͤnes truͤbes und grünes Waſſer fuͤhrte, wo wir große Hoffnung hatten, Wallfiſche zu finden. Wirklich ließ ſich auch, um Mitternacht herum, einer ſehen, aber in ſo großer Entfernung, daß, ehe die Boote ihn erreichen konnten, er uns außer Geſicht kam. Das Wetter war vollkommen heiter, und das Land den ganzen Tag zu ſehen; obgleich nur wenige Meilen von uns gegen Oſten offenbar ein dicker Nebel lag. Als wir weiter gegen Suͤden kamen, entdeckten wir noch einige hervorra— gende Landſpitzen gegen Weſten, deren Lage wir beſtimmten. Ich erhielt einige gute Beobachtungen zu Beſtimmung der Laͤnge, ſowohl Vor- als Nachmittag, die bis auf eine Klei— nigkeit zuſammenſtimmten; das Mittel war 17° 40“ 10“ weſtlich. Eine Reihe von Azimuths gab mir die Abweichung der Magnetnadel 4315“ weſtlich. Die Breite um Mittag war 73017“. Am 18. drangen wir auf einem muͤhſamen und ſchwie— rigen Wege durch das im Weſten befindliche Eis, weil wir viele Anzeigen zu haben glaubten, daß Wallfiſche in der Naͤhe waͤren; da wir aber fanden, daß die Farbe und das e Anſehen des Waſſers ſich ins Blaue und Durchſichtige ver— wandelten, kehrten wir wieder um. Jetzt kam wieder eine Gelegenheit, daß ich meine Auf- nahme der Kuͤſte fortſetzen konnte, indem einige Buchten, Inſeln und Vorgebirge zum Vorſchein kamen; aber die Ent— fernung war zu groß, um einen genauen Umriß zu erhal— ten. Ungefähr fünf Stunden weſtwaͤrts von Bonte-koe zeigte ſich eine Oeffnung, die in das Land hineingieng, die, Hrn. Georg S. Mackenzie zu Ehren, Mackenzie's Ein: bucht genannt wurde. Ihre Richtung ſchien gegen NW. zu gehen. Suͤdlich von dieſer iſt ein in die Augen fallen— des Vorland, deſſen Enden von zwey ausgezeichneten Huͤ⸗ geln eingefaßt find. Den nördlichen von dieſen nannte ich Cap Gieſecke, zu Ehren Carl Gieſecke's aus Dublin, und den ſüdlichen Cap Franklin, nach dem beharrlichen An— führer der Reiſe zu Lande in Nord-Amerika, zur Erfor— ſchung der Kuͤſten des noͤrdlichen Polar-Meeres. Ein Vor— gebirge etwas weiter ſuͤdlich erhielt ſeinen Namen nach dem berühmten Reiſenden Alexander von Humboldt; und drey andere noch weiter ſuͤdlich wurden mit den Namen von De Roſſel, Laplace und Freycinet bezeichnet. Eine kleine Inſel weſtlich von der Inſel Bonte-koe nannte ich nach dem Capitain Bennet, der mir einige chronometriſche Beobachtungen über die Laͤngen von zwey oder drey benach— barten Vorgebirgen mittheilte, die mit den meinigen fehr. nahe zuſammenſtimmten. Unſere Breite um Mittag war 731“; die Laͤnge, nach dem Chronometer, 18° 1° weſtlich. Am Abend machten wir einen Strich von etlichen Mei— len gegen Oſten, und trafen auf einige Wallfiſche. Zwey Schiffe, die ſchon vor uns auf dem Platze waren, machten einen Fang. Wir hingegen, ſo wie einige andere Schiffe, die ſpaͤter ankamen, giengen leer aus. — 19 Den 19. Jun. war das Wetter heiter und ſtill, und die Sonne ſchien warm und faſt druͤckend. In dem Meere ſpie— gelten ſich die Gegenſtaͤnde fo deutlich wie in einem Spies gel, indem die Oberflache ſtundenlang von keinem Luͤftchen bewegt wurde. Die heftige Wirkung der Sonnenſtrahlen brachte eine ſo ungleiche Dichtigkeit in der Atmosphaͤre her— vor, daß einige der außerordentlichſten Erſcheinungen der Luftſpiegelung ſich zeigten. Das Land ſchien plotzlich 15 bis 20 Meilen naͤher zu ſeyn; die verſchiedenen Theile deſſelben ragten ſo ſtark hervor, daß ſie vom Verdeck mit groͤßerer Deutlichkeit unterſchieden werden konnten, als vorher vom Mars aus. Das Eis am Horizont nahm mancherley ſon— derbare Geſtalten an: große Eisbloͤcke wurden zu aufrecht ſtehenden Saͤulen — Eisſchollen und Eisfelder erhoben ſich zu einer Kette von prismatiſchen Felſen — und an vielen Stellen erſchien das Eis in der Luft in einer Hoͤhe von einigen Minuten über dem Horizont“). Die Schiffe um uns her, deren acht oder neun waren, zeigten ſich in ſelt—⸗ ſamen Formen. Die Segel und Maſten waren ſonderbar verunſtaltet. An einigen Schiffen waren die untern großen Segel faſt zu nichts zuſammengedruͤckt; dagegen die Mars— ſegel beynahe auf das Vierfache ihrer wirklichen Hohe aus: gedehnt, und die Bramſegel verſtuͤmmelt. Hier und da kamen ganz ſeltſame Verbindungen zum Vorſchein. Ueber dem Bramſegel ſchien noch ein Segel, wie ein ſchwebendes Obenbramſegel, aufgeſetzt; an andern war das in die Laͤnge gezogene Marsſegel in zwey deutliche Segel getheilt; indem das eigentliche Segel von dem Bilde deſſelben durch einen Zwiſchenraum getrennt war. Ueber einigen entfernten Schiffen ſah man ein verkehrtes Bild derſelben in der Luft, das oft größer war, als das Schiff ſelbſt; in einigen Faͤllen war dies in betraͤchtlicher Hoͤhe uͤber dem Schiff; aber es Mehrere dieſer Erſcheinungen ſtellt die erſte Kupfertafel dar. 19 — erſchien immer von geringerer Größe, als das Original, wenn beyde nicht mit einander in Beruͤhrung ſtanden. Das Bild des einen Schiffes war mehrere Minuten nach einander deutlich zu ſehen, waͤhrend das Schiff ſelbſt, zu welchem es gehoͤrte, nicht zu ſehen war. Ein Schiff war ſogar mit zwey Bildern gekroͤnt, einem verkehrten, und, was ich nie vorher geſehen habe, einem aufrechten“). — Kurz, die Schiffe und die andern Gegenſtaͤnde um uns her boten ein ſehr unterhaltendes Schauſpiel dar, da ihre Geſtalt ſich be— ſtaͤndig veränderte. Die auffallendſten Wirkungen wurden an den entlegenſten Gegenſtaͤnden hervorgebracht, wovon unſtreitig ein großer Theil, da ſie nicht ohne Fernrohr er— kannt werden konnten, unſerer Aufmerkſamkeit entgieng. *) Daſſelbe hat ſchon Samuel Vince beobachtet, und ſeine Beobach— tungen in den Philos. Transact. for 1799 mitgetheilt — wor— aus ſie in die Annalen der Phyſik IV. Bd. S. 129 ff. uͤbergetragen ſind. 11 Fuͤnftes Kapitel. Ein Harpunirer verungluͤckt uͤber dem Fang eines Wall— fiſches. — Zwey Wallfiſche und drey Narwals werden gefangen. — Anatomiſche Unterſuchung des Narwals. — Merkwuͤrdige atmosphaͤriſche Strahlenbrechung. 8 often Jun. hatten wir einen gelinden Wind, bey wel: chem wir den ganzen Tag zwiſchen Eisfeldern und Treibeis herumkreuzten, um Wallfiſche aufzuſuchen. Es wurde auch einer im Voruͤberſchwimmen geſehen und verfolgt, aber um— ſonſt. Gegen die Nacht entdeckten wir durchs Fernrohr zwey oder drey andere in einer Entfernung von etwa einer Stunde. Alle unſere Boote wurden zur Verfolgung derſel— ben abgeſchickt, und wir ſuchten ihnen mit dem Schiffe zu folgen, durch einen engen Canal zwiſchen einem großen Eis— felde und einer Menge dichten Treibeiſes. Der Wind war uns aber entgegen und das Eis gieng immer naͤher zuſam— men, ſo daß wir an manchen Stellen nicht ein paar hun— dert Fuß breit Waſſer hatten, das noch uͤberdies mit einer Menge kleinerer Eisſchollen beſchwert war; bis uns zuletzt kaum Raum genug uͤbrig blieb, um das Schiff herumzu— drehen. Da wir kein Boot an Bord hatten, ſo befanden wir uns in nicht geringer Verlegenheit; gluͤcklicherweiſe ge— langten wir indeß an ein Eisfeld, an welchem wir uns mit— telſt des Wurfankers langſam gegen den Wind fortbrachten, und wir kamen eben aus dieſer Enge heraus, als das Eis ſich dicht hinter dem Schiff an einander ſchloß. Die Schwie— rigkeiten waren jedoch noch nicht voruͤber; denn da wir ver— ſuchten, die Segel zu gebrauchen, ſtieß das Schiff unver— meidlich gegen das letzte Stuͤck Eis, das uns im Wege war, und gerieth auf eine „Zunge“ oder ein unter dem Waſſer = in einer Tiefe von 12 bis 15 Fuß fortlaufendes Stuck Eis, und blieb darauf ſitzen. Zwey bis drey Stunden wurden hier mit vergeblichen Bemuͤhungen zugebracht, uns wieder flott zu machen. Als einige Boote zu unſrer Huͤlfe herbey⸗ kamen, wurden andere Mittel angewandt, aber auch dieſe blieben fruchtlos, bis endlich zufaͤlligerweiſe das Eis zerbrach und uns in Freyheit ſetzte. Sobald als dieſe verdrießlichen Arbeiten mir geſtatteten, meine Aufmerkſamkeit auf die Boote zu richten, fand ich, daß zwey derſelben fehlten. Vergebens ſah ich mich nach ihnen vom Mars aus um, indem ich mit dem Glaſe über die Waſſerflaͤche und alles Eis umher hinfuhr, und jede Stelle des Geſichtsfeldes aufs ſorgfaͤltigſte unterſuchte, bis ich zuletzt durch das anhaltende Beobachten, bey der großen Staͤrke des Lichtes, beynahe blind geworden war. Die ſchweren Pflichten, die mir oblagen, hatten mich funfzehn bis ſechszehn Stunden fat ununterbrochen auf dem Mars befchäftigt. Da der Himmel rein, das Wetter milde und ſtill, und die Sonne aus nehmend glaͤnzend war, fo wurde das Licht, ſowohl das unmittelbar auffallende, als das zu— ruͤckgeworfene, unerträglich, die Anſtrengung war zu groß fuͤr das Geſicht, und brachte eine ſolche Entzuͤndung in mei⸗ nen Augen, und einen ſo heftigen Kopfſchmerz hervor, daß ich genöthige war, von der eigenen Aufſuchung der Boote abzuſtehen, und einige Ruhe unter dem Verdeck zu ſuchen. Unterdeſſen wurden vier Boote nach zwey verſchiedenen Sei— ten ausgeſchickt, um die vermißten aufzuſuchen; aber dieſe kehrten, nach einem vergeblichen Suchen von pugef ehe vier Stunden, ohne ihre Kameraden zuruͤck. Jetzt machte ich mich wieder auf und fieng von neuem an das Waſſer und das Eis umher zu unterſuchen; endlich hatte ich die Freude, die Boote auf der oͤſtlichen Seite zu er— blicken, die mit allen Kraͤften auf das Schiff zu ruderten. Bey ihrer Annäherung ſchien uns nicht alles in der ge— wöhnlichen Ordnung zu ſeyn, beſonders befremdete uns das ernſthafte Anſehen der Ruderer, und es fiel uns auf, nicht die volle Zahl der Ruder zu ſehen; doch bemerkte niemand, daß jemand fehlte, oder argwohnte ſo etwas. So bald ſie uns ſo nahe gekommen waren, daß wir ihnen zurufen konn— ten, trieb meine Unruhe mich zu fragen: „wie ſtehts?“ „Nicht gut“ antwortete der, welcher das erſte Boot kom— mandirte, „Carr iſt verungluͤckt.“ Dieſe ſchreckliche Nachricht, auf die wir alle nicht im geringſten vorbereitet waren, erſchuͤtterte mich außerordentlich, und es dauerte einige Zeit, ehe ich im Stande war, die naͤhern Umſtaͤnde des Unfalls, der uns unſern Steuermann geraubt hatte, zu erfragen. So viel ich aus den verwirrten Erzaͤhlungen der Leute in dem Boote, das er gefuͤhrt hatte, abnehmen konnte, waren die Umſtaͤnde folgende. Die beyden Boote, die ſo lange ausgeblieben waren, hatten ſich, bey der Abfahrt, von den andern getrennt; und gereizt durch einen Wallſiſch, auf den ſie Jagd machten, und durch die Schönheit des Wet— ters, waren ſie ſo weit fortgegangen, daß ſie das Schiff aus dem Geſicht verloren. Der Wallfiſch, den ſie verfolgten, fuͤhrte ſie in eine ganze Heerde von Wallfiſchen; ihre Anzahl war fo groß, daß „das Blaſen durch die Nafenlöcher “ nicht aufhörte, und fie glaubten, daß es nicht weniger als hundert geweſen ſeyn könnten. Aus Furcht fie aufzu— ſchrecken, ohne einen zu bekommen, blieben ſie einige Zeit ohne eine Bewegung zu machen, um einen günſtigen Augen— blick zu einem Angriff abzupaſſen. Einer derſelben kam end— lich ſo nahe bey dem Boot, in welchem William Carr der Harpunirer war, hervor, daß dieſer es wagte, auf ihn zuru— dern zu laſſen, obgleich der Wallfiſch ihm entgegen kam und keinen ſonderlichen Erfolg verſprach. Gleichwohl gelang es ihm, zu ſeinem Ungluͤck, das Thier mit ſeiner Harpune zu treffen. So wie es getroffen war, fuhr es mit großer Schnelligkeit an dem Boote voruͤber; dadurch wurde die — 14 — Leine von der Harpune aus ihrer Lage geworfen, und an— ſtatt über den Vorſteven zu laufen, lief fie über den Doll— bord.“) Der Druck derſelben in dieſer unpaſſenden Lage legte das Boot fo ſehr auf die Seite, daß es aufieng Waſſer zu ſchoͤpfen. In dieſer dringenden Gefahr ergriff der Har— punirer, der ein wackrer, thaͤtiger Menſch war, die Leine und ſuchte ſie wieder an ihren Ort zu bringen, um das Boot zu heben; aber durch irgend einen beſondern Umſtand, den die Leute nicht anzugeben wußten, ſchlang ſich die Leine um ſeinen Arm und riß ihn in einem Augenblick uͤber Bord und unter das Waſſer hin, daß er nicht wieder zum Vorſchein kam. Das Ungluͤck geſchah ſo ſchnell, daß nur ein einziger Mann, der gerade ſeine Augen auf ihn gerichtet hatte, ſah, was mit ihm vorging; und als das Boot ſich wieder gerade ſtellte, was den Augenblick darauf geſchah, ob es gleich halb voll Waſſer war, die andern alle ſich bey dem Schrey des einen, welcher ihn ins Waſſer hatte fallen ſehen, umſahen und zu gleicher Zeit fragten: was iſt mit Carr geſchehen? Es iſt kaum moͤglich, ſich eine ſchnellere und unerwartetere Todesart zu denken. Die moͤrderiſche Kugel, die mit einer Schnelligkeit durch die Luft fliegt, welche ſie unſichtbar macht, und kaum einen Augenblick zu ihrem Fluge zu brau— chen ſcheint, bringt ſelten einen ſo ploͤtzlichen Tod hervor. Die Schnelligkeit, mit der der Wallfiſch im Anfange herab— ſteigt, betraͤgt, wie ich aus eigner Beobachtung gefunden habe, gemeiniglich 8 bis 9 Meilen in einer Stunde, oder 13 bis 15 Fuß in einer Sekunde. Da nun der ungluͤckliche Mann, bey ſeiner Beſchaͤftigung mit der Leine, gerade am Rande des Waſſers ſtand, und die Leine ſtraff angezogen *) Der Dollbord iſt bey kleinen Fahrzeugen daſſelbe, was das Schand— deck bey groͤßern iſt, naͤmlich die obere Planke auf der Seite des Fahrzeuges, wodurch dieſe, wie mit einem Dach, gedeckt iſt. — Der Vorſteven iſt ein ſtarkes krummgebognes Holz an dem Vordertheil eines Schiffes oder Bootes. — — 145 — ſeyn mußte, ſo konnte zwiſchen dem Augenblick, da ſie ſich um ihn herumſchlang, und ſeinem Verſchwinden, kaum ein Drittheil einer Sekunde verſtrichen ſeyn. Das Ungluͤck er: folgte in der That ſo ſchleunig, daß er nicht einmal Zeit hatte aufzuſchreyen, und der Menſch, der es mit anſah, wie er fortgeriſſen wurde, bemerkte, daß es ſo außerordent— lich ſchnell geſchehen waͤre, daß, obgleich ſein Auge in dem Augenblick auf ihn gerichtet geweſen waͤre, er doch kaum den Gegenſtand hätte unterſcheiden koͤnnen, als er ver— ſchwand. Sobald als die Leute in dem Boote ſich von ihrer Be— ſtuͤrzung erholt hatten, wandten ſie ihre Aufmerkſamkeit — was höchſt nöthig war — auf die Leinen. Von dem andern Boote empfieng der & Siſch, bey feinem Emiporfommen, eine zweyte Harpune und einige Lanzenſtiche; aber der ungluͤck— liche Vorfall hatte die Leute ſo verwirrt, daß ſie aͤngſtlich und zaghaft wurden, und ihr Geſchaͤft nicht mit dem gehoͤ⸗ rigen Eifer verfolgten. Sie ſetzten dem Fiſch, der ſchon beynahe entkraͤftet war, nicht gehörig zu, und ließen ihm Zeit, wieder einige Kraͤfte zu ſammeln; er machte ſich daher durch eine gewaltſame Anſtrengung von beyden Harpunen los, und entkam. So waren alſo unſere Bemuͤhungen insgeſammt frucht— los, und noch uͤberdieß von einem ernſtlichen Verluſt beglei— tet. Wir waren in jeder Hinſicht aͤußerſt unglücklich. Denn außer dem eben erwaͤhnten Wallfiſch, der ſchon halb todt noch verloren gieng, entkamen uns auch zwey andere, die ſchon harpunirt waren, und ein dritter gieng in dem Augen— blick, da der Harpunirer feine Harpune auf ihn werfen wollte, unter das Waſſer, aus einem Schreck, welchen ihm nicht die Annaͤherung des Bootes, ſondern ein Sturmvogel (procellaria glacialis), der auf feinen Rücken herabgeſchoſ— ſen und mit ſeinem Schnabel in die Haut gefahren war, ö 10 5 verurſacht hatte. Mehrere Schiffe, die wir ſfahen, waren gluͤcklicher; der John hatte zwey Wallfiſche, und zwep oder drep andere Schiffe ein jedes einen gefangen. In der Ferne ſahen wir ein Schiff, das vermuthlich der Bremen von Bremen war, mit einer wehenden Flagge, wel— ches bey dem Wallfiſchfang ein Zeichen einer vollen Ladung iſt. Ein ſolcher Anblick iſt fuͤr einen Fiſcher, dem es mit dem Fang nicht gegluͤckt iſt, ſchmerzlich und niederſchlagend. Er ſieht feinen Mitbewerber gluͤcklich nach Hauſe zuruͤckkeh— ren zu ſeiner Familie und ſeinen Freunden, mit dem erhei— ternden Bewußtſeyn einer vollen Ladung, die ihm einen freundlichen Willkommen ſichert, während er ſelbſt den fer— nern und, in der nebligen Jahreszeit, immer wachſenden Schwierigkeiten und Gefahren feines mißlichen Geſchaͤfts entgegen ſieht, ungewiß, ob uͤberhaupt noch ein gluͤcklicher Erfolg ſeine Bemuͤhungen belohnen werde. Der Bremen war fruͤhzeitig auf dem Platz geweſen, und da ſein thaͤtiger und geſchickter Fuͤhrer die gluͤcklichen Zufaͤlle, die ſich ihm darboten, zu benutzen verſtand, ſo hatte er ungewoͤhnlich bald ſeine volle Ladung aufgebracht. Den letzten Theil dieſes ungluͤcklichen Tages (den 21. Jun.) und den ganzen folgenden Tag brachten wir mit Herumkreuzen zwiſchen dem Eiſe zu; aber ob wir gleich einige Wallfiſche anſichtig wurden, und mehrere Schiffe um uns her ſo gluͤcklich waren, einen Fang zu thun, wollte es uns doch nicht damit gelingen. Da der naͤchſte Tag (der 23.) ein Sonntag war, ſo hielten wir uns ruhig. Es wurde, wie gewoͤhnlich, Gottes— dienſt gehalten, und da das Wetter ruhig war, ſo konnten alle an demſelben Theil nehmen. Die muͤhvollen und doch nicht gluͤcklichen Arbeiten der vergangenen Woche machten die Ruhe wuͤnſchenswerth; und der traurige Verluſt eines — 147 — unſrer Gefaͤhrten machte einen feyerlichen Eindruck auf ein jedes Gemuͤth, und ſtimmte es noch mehr zur Andacht. Den Gottesdienſt zu beſorgen, war ein Geſchaͤft, das mir oblag, und ich hielt es fuͤr meine Pflicht, die Leute dießmal beſon— ders anzureden, um den Eindruck, welchen der ploͤtzliche Tod von Carr offenbar auf einen jeden gemacht hatte, zu ihrem Vortheil zu benutzen. Er war von jedermann an Bord ge— achtet; er war der Buſenfreund des einen oder des andern; der Tiſchgenoſſe und Wach-Kamerad mehrerer; und der freundliche Gefaͤhrte aller. Alle kannten und liebten ihn da— her, und waren tief geruͤhrt von ſeinem Schickſal. Der Gedanke, daß ſein Schickſal auch das ihrige haͤtte ſeyn koͤn— nen, führte fie natürlich auf die Frage, ob fie auch wohl vorbereitet wären, vor ihrem Gott zu erſcheinen? Manchem mochte hierauf unſtreitig ſein Gewiſſen keine ſehr beruhigende Antwort geben; ſie wurden, vielleicht zum erſtenmal, ge— wahr, daß Religion nicht ein bloßer Name oder ein leeres Bekenntniß, ſondern ein kraͤftiges inneres Princip iſt; — deſſen wohlthaͤtiger Einfluß aber nicht durch die allgemeine Kenntniß gewiſſer Lehren, noch durch die Beobachtung eini— ger äußern Zeremonien, ſondern durch eine innige, in That und Leben übergehende, Aneignung ihres Geiſtes erlangt wird. Die feyerliche Stille und die geſpannte Aufmerkſam— keit unſrer kleinen Gemeine zeugte von den Geſinnungen und Empfindungen, von welchen ſich jeder durchdrungen fuͤhlte. Die Augen der meiſten verriethen die tiefe Ruͤhrung ihres Herzens; und die abgehaͤrteten Wangen mancher wurden mit einem Strom von Thraͤnen uͤbergoſſen, welcher wahrnehmen ließ, was in ihrem Innern vorgieng. Ein dicker Nebel, welcher länger als 24 Stunden an— gehalten hatte, zerſtreute ſich gegen 10 Uhr Nachts; worauf wir ſahen, daß wir rund um vom Eiſe umgeben und bey— nahe eingeſchloſſen waren. Wir konnten auch nicht eher, als den naͤchſten Morgen, aus demſelben heraus kommen, 10.7 — 148 — da ein ſtarker Windſtoß das Eis in Bewegung ſetzte, und uns einen Ausweg oͤffnete. Die Nacht darauf wurde das Wetter ſehr bös, indem ein ſchneidender Wind gieng und dicker Schnee fiel. Wir hatten daher viele Nuͤhe, das Schiff zwiſchen der unzählbaren Menge von Eisſchollen, von welchen wir eingekreiſt waren, zu regieren. Ganz wa— ren wir auch nicht ſo gluͤcklich, ihnen aus dem Wege zu kom— men; das Schiff ſtieß, indem es zurücklief, gegen eine der— ſelben, wodurch das Steuerruder weſentlich beſchaͤdigt wurde. Das boͤſe Wetter hielt den ganzen Tag uͤber an. Da wir aber, unterhalb dem Winde von einem großen Eis— felde, ebenes Waſſer gefunden hatten, ſo konnten wir, un— geachtet des Sturmes, etliche Wallfiſche, die wir in dem Laufe dieſes Tages zu ſehen bekamen, verfolgen. Einigen derſelben kamen unſere Harpunirer ziemlich nahe, und einer wurde auch getroffen; nachdem er aber ungefaͤhr 300 Faden der Leine nach ſich gezogen hatte, gieng die Harpune los, und die Beute entſchluͤpfte. Die Boote blieben indeſſen auf ihren Poſten, um Wache zu halten, und gegen Abend wurde abermals ein Wallfiſch harpunirt, und zwar mit beſſerm Erfolg, als der erſtere. Er nahm 960 Faden von der Leine des „Feſt-Bootes“ mit ſich, und wurde darauf von einer zweyten Harpune getroffen, und in Zeit von ungefähr drey Stunden vollends getodtet. Es war ein guter Fang, da man ihn wenigſtens auf zwanzig Tonnen Oel, und 2000 Pfund Fiſchbein ſchaͤtzen konnte. Die laͤngſten Barden wa: ren eilf Fuß drey Zoll lang. Am folgenden Morgen (den 26. Jun.) hoͤrte das Schnee— Wetter auf, der Himmel wurde heiter und man konnte das Land vom Verdeck aus deutlich vor ſich liegen ſehen. Da die Wallfiſche uns verlaſſen hatten, ſo wandten wir uns gegen den Wind, ſie aufzuſuchen, und in ein großes, — 19 — mehrere Meilen breites, offenes Waſſer zu kommen, das durch den vorhergegangenen Wind entſtanden war. In— dem wir durch die Schranken von Eis, welche das Waſſer von dieſer Seite einſchloſſen, hindurchfuhren, zeigte ſich uns die auffallendſte Veraͤnderung in der Farbe des Meeres, welche mir je vorgekommen iſt. An der Stelle, wo wir un— ſern letzten Fang gemacht hatten, war das Meer olivengruͤn, ſehr dunkel und truͤbe; und hier trafen wir auf einmal auf ein vollkommen blaues und durchſichtiges Waſſer. Regel— mäßige Abwechſelungen von grünem und blauem Waſſer wurden nochmals, bey jeder veraͤnderten Richtung des Schif— fes, wahrgenommen. An einer Stelle war dieſer Wechſel ſo auffallend, daß der oͤſtliche Rand von einer Eisſcholle, die keine dreyßig Yards im Durchmeſſer hatte, im blauen, und der weſtliche im gruͤnen Waſſer lag; und die Schei— dungslinie zwiſchen beyden Farben war ſo gut bezeichnet, daß ſie ſich bis auf ein paar Fuß in der Breite beſtimmen ließ. Dieſer Umſtand wurde vom Mars aus beobachtet, als das Schiff langs der gedachten Eisſcholle hinfuhr; und die Farben ließen ſich ſehr deutlich, durch das von einer Eis— zunge unter dem Waſſer zuruͤckgeworfene Licht, erkennen. und zum Beweiſe, daß hier keine optiſche Taͤuſchung ſtatt fand, ſo zeigten andere Eismaſſen in der naͤmlichen Linie ähnliche Erſcheinungen. An einer von dieſen konnte man ſogar mehrere Abwechſelungen von gruͤnem und blauem Waſ— ſer deutlich wahrnehmen, zwiſchen welchen die Scheidungs— linien in ſanften Wogen hin und her giengen. Am Abend machten wir einen Strich gegen das Land hin, das uns näher als gewohnlich zu ſeyn ſchien. Ich machte einige Beobachtungen zu Beſtimmung der Laͤnge des Schiffes, und fand fie 18° b 48“ weſtlich; und die Breite 71° 9. Auch brachte ich einen Abriß von etwa 90 Meilen der Kuͤſte zu Stande, und erhielt eine Reihe von Winkeln verſchiedener Punkte derſelben. Die Richtung des Landes 8 gieng von RW'egen W. nach SW. Da während der Beobachtungen eine ſtarke Strahlenbrechung ſtatt hatte, ſo wurde uns dadurch nordwaͤrts Land zu Geſicht gebracht, das wir auf achtzig Meilen von uns entfernt ſchaͤtzten. Ich hatte meine Beobachtungen eben geendigt, als ein Schiff, das wir bisher nicht geſehen hatten, nach uns zu kam, von welchem es ſich zeigte, daß es das Schiff meines Vaters, the Fame (der Ruhm), war. Ich gieng an Bord deſſelben und hatte die Freude, meinen Vater und meinen einzigen Bruder, der ihn begleitete, geſund und wohl zu finden. Sie hatten einen Wallfiſch mehr, als wir; aber in Anſehung der Ausbeute an Fett war der Unterſchied nicht weſentlich. Wir ſetzten nun unſern Kreuzzug in Geſell— ſchaft fort. Nach dem Lande zu beſtand das Eis aus einer großen Maſſe von größern und kleinern Eisfeldern, durch die es nicht möglich ſchien durchzukommen. Zwey oder drey Wallfiſche ließen ſich an dem Rande deſſelben ſehen. Die See war faſt bedeckt von den kleinen blaufuͤßigen Möven, welche eifrigſt beſchaͤftigt waren, die Krabben und andere Inſekten, die in dem gruͤn gefaͤrbten Waſſer in vorzuͤglicher Menge vorhanden zu ſeyn ſcheinen, aufzufangen. Den groͤßten Theil des folgenden Tages waren wir, bey ruhigem und nebligem Wetter, beſchaͤftigt, das Fett des am 25ſten gefangenen Wallſiſches in die Faͤſſer zu packen. Da das Eis nach allen Seiten hin zu dicht war, um uns einen Durchweg zu geſtatten, fo mußten wir am 28., wegen ſtarken Nebels, den ganzen Tag an unſerm Platz ver— bleiben; aber den folgenden Morgen ganz fruͤhe klaͤrte ſich das Wetter auf, und wir konnten wieder fortfahren nach Wallfiſchen zu ſuchen. Waͤhrend des Nebels erlegten wir einen ſehr großen Narwal. Er maß 15 Fuß 4 Zoll in der Laͤnge, und 9 Fuß tal! — 4 Zoll im Umfange. Er war männlichen Geſchlechts und hatte ein Horn oder einen Zahn, deſſen aͤußerer Theil 7 Fuß 6 Zoll lang war, und das 15 bis 16 Zoll tief im Oberkiefer ſtack. Da es ein altes Thier war, fo war feine Haut faſt ganz weiß. Auf dem Ruͤcken und an den Seiten hatte es jedoch noch einige wenige graue Flecken von laͤnglicher Ge— ſtalt, und an den Seiten und am Bauche eine Menge glaͤn— zend gelber Tuͤpfelchen. Dieſe letztern Flecken, die nur ober— flaͤchlich waren, ſchienen die Folge des Alters oder einer Hautkrankheit zu ſeyn. Es war ungemein fett, indem ſein Korper mit vier Zoll dickem Speck umzogen war. Es hatte nur einen einzigen Zahn, und dieſer war auf der obern Seite groͤßtentheils mit einer ſchmierigen Subſtanz bedeckt, die einen ſchwaͤrzlich braunen Ueberzug bildete. Die untere Seite hingegen und einige Zoll von der Spitze waren ganz rein, weiß und glatt. Dieſe Theile muͤſſen alſo, wie es ſcheint, mehr gebraucht werden, ſo daß jener Ueberzug ſich nicht darauf anſetzen konnte. Ein dicker Nebel kam den Sonnabend Nachmittag, und hielt faſt den ganzen Sonntag uͤber an (den 30. Jun.). Er war oft ſo dick, daß wir kaum ſo viel ſehen konnten, als nothig war, um das Schiff außer dem Eife zu halten. Montags, den 1. Jul., löſte ſich der Rebel in Regen auf, der uns eine etwas weitere Umſicht geſtattete. Wir ſpannten ſogleich die Segel, und nachdem wir die ganze Nacht gegen SO. gehalten hatten, um eine Eisſpitze zu um: fahren, drangen wir zwiſchen zwey Ketten von kleinern Eis— feldern gegen NND. ein, bis wir auf einige Wallfiſche tra⸗ fen. Drey Schiffe in unſerer Naͤhe machten jedes einen Fang, wir aber waren nicht ſo gluͤcklich. Der naͤchſte Tag war vollig windſtille, und das Wetter ſchöͤn. In einer Bucht, die durch das Zuſammentreffen einer — 152 — großen Maſſe von Treibeis mit einer weit ausgedehnten Eid: fläche gebildet wurde, entdeckte man eine große Menge von Wallſtſchen. Alle Boote wurden ſogleich zur Verfolgung derſelben abgeſchickt, und ſie blieben gegen 10 Stunden aus, theils um fie zu verfolgen, theils um ihnen aufzulauern, aber das Wetter war ſo ſtill und das Waſſer ſo ruhig, daß faſt jeder Fiſch, ehe fie ihm auf eine Schiffs-Laͤnge nahe kamen, aufgeſchreckt wurde und entwiſchte. Nachdem die Boote durch Signale zuruͤckgerufen waren, wurden zwey derſelben, zu einem letzten Verſuch, an einen dem Anſchein nach guͤnſtigen Ort am Rande einer großen Eisflaͤche ge— ſchickt. Hier hatten ſie nicht lange zu warten, als ein gro⸗ ßer Fiſch nahe bey dem einen derfelben emporkam, und auch ſogleich mit einer Harpune empfangen wurde. Er blieb bey⸗ nahe eine Stunde unſichtbar, und kam dann ganz ermattet an die Oberflaͤche, dicht neben der Stelle, wo das Schiff an dem Eiſe befeſtigt war. Den Augenblick wurde eine zweyte Harpune auf ihn geworfen, und er erhielt zugleich ſo viele Lanzenſtiche, daß er nicht die Kraft hatte, zum zwey⸗ tenmale herabzuſteigen, ſondern nach wenigen Minuten, nicht funfzig Nards vom Schiffe weit, ſtarb. Die außer: ordentliche Entkraͤftung dieſes Wallſtſches ruͤhrte von feinem langen Verweilen unter Waſſer, und von der großen Tiefe, zu welcher er herabgeſtiegen war, her. Die meiſten andern Thiere befolgen, wenn fie angriffen werden, inſtinktmaäßig ein Verfahren, welches in der Regel das beſte iſt, um ſie in Sicherheit zu bringen; nicht ſo der Wallſiſch. Bliebe er, wenn er harpunirt iſt, auf der Oberflache, und gienge ſchleu⸗ nigſt in gerader Richtung fort, und brauchte die ungeheure Kraft, die er beſitzt; oder erwartete er den Angriff ſeiner Feinde, und triebe fie mit gehörig abgemeſſenen Schlägen ſeines furchtbaren Schwanzes zuruͤck, ſo wuͤrde er oft ſieg— reich das Feld behaupten gegen einen Menſchen, deſſen Staͤrke und Große kaum dem neunhundertſten Theil der ſei— nigen gleichkommt. Aber gleich den uͤbrigen ſchwaͤchern = 035 — Thieren war er von dem, „der große Wallfiſche ſchuf, und allerley Thier, das da lebet und webet“, beſtimmt, dem Menſchen unterthan zu ſeyn. Wird er daher von ihm an— gegriffen, ſo kommt er durch ſeine eigene Thorheit um. An— ſtatt ſich zur Wehr zu ſtellen, taucht er gemeiniglich zu einer fo ungeheuern Tiefe unter, daß der Druck auf feinen Korz per oft mehr als 200,000 Tonnen betragen muß, und da— durch wird er ſo entkraͤftet, daß, wenn er auf die Oberflaͤche zuruͤckkehrt, er eine leichte Beute wird.“) Das Benehmen des Wallfiſches in dieſer Hinſicht iſt ein Beweis, daß der Inſtinkt, den alle Thiere beſitzen und der zu ihrer Selbſterhaltung dient, ihn antreibt, in die Tiefen des Ozeans herabzuſteigen, um ſeinen natuͤrlichen Feinden in demſelben Element zu entgehen; und es folgt hieraus zu— gleich, daß, welches auch dieſe Feinde ſeyn mogen, ob *) Man kann annehmen, daß der Koͤrper eines Wallfiſches 1540 Qua⸗ dratfuß Oberflaͤche hat. Er wuͤrde alſo ſchon in der Atmoſphaͤre einen Druck von mehr als drey Millionen Pfund erleiden. Steigt aber der Fiſch zu einer Tiefe von 800 Faden oder 4800 Fuß, wel⸗ ches ſehr oft geſchieht, To laͤßt ſich der Druck, den er alsdann er— faͤhrt, darnach ſchaͤtzen, daß, wie ich aus Verſuchen in der Naͤhe von Spitzbergen gefunden habe, 35 Cubikfuß Seewaſſer eine Tonne oder Laſt (= 2240 Pfund) wiegen. Man braucht alſo nur mit 35 in 4800 zu dividiren, ſo findet ſich, daß das Waſſer auf jeden Quadratfuß von der Oberflaͤche des Wallfiſches mit einem Gewicht von 1377 Tonnen, folglich auf den ganzen Wallfiſch mit 1540 mal 1371, d. i. 211,200 Tonnen druͤckt; und zu dieſem Druck des Waſſers iſt noch der der Atmoſphaͤre hinzuzurechnen. Von der ungeheuern Groͤße dieſes Geſammtdruckes mag man ſich einen Be— griff machen, wenn man erwaͤgt, daß er das Gewicht von ſechzig der groͤßten Schiffe der brittiſchen Marine, wenn fie vollftandig ausgeruͤſtet, bemannt und auf ſechs Monate verproviantirt ſind, noch uͤbertrifft. . S. — m — Shwerdtfifhe, Seedrachen ) oder Hayftfche, fie nicht zu einer gleichen Tiefe herabgehen, und einen eben ſo großen Druck als der Wallfiſch aushalten koͤnnen. Während unſers Aufenthaltes an dieſem Platze erlegten wir noch zwey weibliche Narwals, von welchen der eine ein Horn hatte, was bey dieſem Geſchlecht ganz ungewoͤhnlich, wo nicht ſonſt ohne Beyſpiel iſt. Das Horn war 4 Fuß 3 Zoll lang, mitgerechnet 12 Zoll, die in dem Oberkiefer ſtacken. Er hatte auch einen Milch-Stoßzahn, wie er bey andern weiblichen Narwals gewohnlich iſt, 9 Zoll lang, von einer koniſchen Geſtalt und an dem dickern Ende ſchief ab— geſchnitten, ohne den knotigen Anſatz, der bey vielen ſolchen Zaͤhnen gefunden wird. Das Horn war, wie bey den maͤnn— lichen Thieren dieſer Art, an der linken Seite des Kopfes und mit rechts gehenden Windungen. Die Laͤnge des Thie— res war 13 Fuß 6 Zoll. Es war ſchön geſprenkelt mit blau— lich-ſchwarzen oder grauen Flecken. Auch war es in keinem Stuͤck von andern weiblichen Narwals deſſelben Alters unter— ſchieden, ausgenommen in Anſehung des Horns. Der andere Narwal, der zu gleicher Zeit gefangen wurde, hatte zwey Milch-Stoßzaͤhne, die, wie gewohnlich, noch ganz in dem Knochen des Oberkiefers ſaßen. Beyde waren 8 Zoll lang und hatten einen kleinen unregelmaͤßi— gen Knoten an dem untern Ende. Mein Vater ſchickte mir von einem Narwal, der wenige Meilen von uns getoͤdtet worden war, den Inhalt des Ma: *) Im Engl. thrashers. Dieſes erklärt Nemnichs Polyglotten⸗ Lexikon der Naturgeſchichte durch sea fox, und dieſes durch Chi- maera monstrosa, welches hinwiederum durch die obige und einige andere deutſche Benennungen bezeichnet iſt. Scoresby ſetzt an einer anderen Stelle hinzu: „if such an animal may be“ (wenn es anders ein ſolches Thier giebt). — 15 — gens, der in der That fehr merkwürdig war. Er beſtand aus verſchiedenen halb verdauten Fiſchen, und aus Fiſch⸗ gräten. Ueberdieß aus den Armen und andern Ueberbleib— ſeln des Kuttelſiſches, welcher die Hauptnahrung des Nar— wals auszumachen ſcheint, aus einem Stuͤck vom Ruͤckgrat der Butte oder des Plattfiſches (pleuronectes), des Schells fiſches (gadus), des Rochen, nebſt einem andern von der— ſelben Art (offenbar vom Glattrochen — Raja batis), bey: nahe ganz. Das letztre war 2 Fuß 3 Zoll lang und 1 Fuß 8 Zoll breit. Auch fanden ſich von dem letztern Fiſch die Knochen des Kopfes und Schwanzes, die Floßfedern, die Augen und betraͤchtliche Stuͤcken der fleiſchigten Subſtanz darin. Es iſt merkwuͤrdig, daß der Narwal, ein Thier ohne Zaͤhne, ausgenommen den einen hervorſtehenden, mit einer kleinen Oeffnung des Mundes, ſteifen Lippen und einer Zunge, die keiner Verlängerung fähig zu ſeyn ſcheint, doch im Stande iſt, fo große Fiſche, wie den Glattrochen, der faſt dreymal ſo breit iſt, als die Weite von dem Munde des Narwals, zu fangen und zu verſchlingen. Da das Thier, in welchem dieſe ungewoͤhnlichen Reſte gefunden wurden, männlichen Geſchlechts, mit einem Horn von 7 Fuß, war, ſo glaube ich, daß er ſich dieſer Waffe zum Fang der Thiere, die ſeine Nahrung geweſen waren, bedient hatte. Es iſt wahrſcheinlich, daß er den Rochen erſt mit ſeinem Horn durchbohrt und getoͤdtet hatte, ehe er ihn verſchlang; ſonſt kann man ſich nicht vorſtellen, wie ein Fiſch von einiger Behendigkeit ſich von einem Thier mit kleinem, glattem Maule, ohne Zaͤhne zum Feſthalten und Zermalmen, und ohne irgend ein anderes Werkzeug zum Zuſammendruͤcken, wuͤrde haben greifen und hinunterzwaͤngen laſſen. Die naͤhere Unterſuchung des jetzt gefangenen Narwals, ſo wie mehrerer andern, die bep andern Gelegenheiten erlegt — 11 = wurden, hat mir verſchiedene Thatfachen, die Naturge— ſchichte und den Koͤrperbau dieſer Thiere betreffend, gelie— fert, die es nicht am unrechten Orte ſeyn wird, bier ein» zuſchalten. Die folgende Beſchreibung bezieht ſich, was die ver— ſchiedenen Abmeſſungen betrifft, auf einen maͤnnlichen Nar— wal von 14 Fuß Laͤnge, außer dem Horn. In andern Ruͤck— ſichten gelten dieſe beſondern Angaben, mit ſehr wenigen Ausnahmen, von allen Narwals maͤnnlichen Geſchlechts in gleicher Maaße. Die Farbe der Haut war weiß oder gelblich-weiß mit grauen und bräunlich-ſchwarzen Flecken von unregelmäßi: ger Geſtalt. Bey juͤngern Thieren iſt das Weiß weniger hervorſtechend. Ein Narwal männlichen Geſchlechts von 10 Fuß 8 Zoll Laͤnge, mit einem Horn von 19 Zoll, hatte eine viel dunklere Farbe; der Ruͤcken, Kopf, und ein Theil der Seiten waren ſchwarz, und der übrige Korper grau und weiß gefleckt, aber kein Theil ganz weiß. Die Oeffnung des Ohrs war ſechs Zoll hinter dem Auge, in der nämlichen Horizontallinie. Der Durchmeſſer derſelben war nicht groͤ— ßer als der einer dünnen Stricknadel. Die Augen lagen 15 Zoll weit von der Schnauze. Die Floßfeder, welche bey dem gemeinen Wallfifche flach iſt, iſt bey dieſem Thiere ſehr gekruͤmmt. Da wo ſie an dem Korper ſitzt, hat ſie die Form einer Ellipſe, deren große Achſe nach der Laͤnge geht. Die Spitze oder das aͤußerſte Ende iſt aufwaͤrts oder nach dem Ruͤcken zu gebo— gen, ſo daß, wenn der Fiſch ſchwimmt, die Floßfeder auf der obern Seite hohl, und auf der untern erhaben iſt. Der vordere Rand iſt dicker, als der nach dem Schwanz ge— kehrte. Der Nutzen der Floßfedern, die, wenn das Thier ſchwimmt, horizontal liegen, iſt offenbar, um es im Gleich: — 157 — gewicht zu erhalten; während der Schwanz das Hauptwerk— zeug der Bewegung iſt, und folglich auch zur Wendung des Thieres dient. Daß die Floßfedern nicht eigentlich zum Fortſchwimmen oder Drehen dienen, iſt mir aus vielen Beobachtungen, die ich vom Mars aus mit dem Fernrohr an dieſen Thieren gemacht habe, wahrſcheinlich. Ich ſahe, daß die Floßfedern immer gerade ausgeſtreckt waren; und wenn das Thier ſeine Richtung aͤnderte, ſo wurde der Schwanz plötzlich und nach der einen Seite ſchief gebogen, und dann langſam wieder zuruͤckgezogen, fo daß dadurch zu gleicher Zeit eine vorwaͤrts gehende Bewegung und eine Aenderung der Richtung hervorgebracht wurde; die Floß— federn aber blieben dabey unbeweglich in ihrer Lage. Bey dem Wallfiſch hingegen, wo die Floßfedern nach Verhält: niß viel großer, als bey dem Narwal find, mögen fie einen andern Nutzen haben. Bey allen Arten der Wallfiſche muͤſ— ſen die Floßfedern zum Umdrehen nach einer Seite oder auf den Ruͤcken gebraucht werden. Das Blaſeloch hat aͤußerlich die Geſtalt eines halben Mondes, und dehnt ſich, unmittelbar innerhalb der Haut, in einen ſechs oder acht Zoll weiten Sack oder Luftbehaͤlter aus; dieſer erweitert ſich nach der Seite und nach vorn zu in zwey Hohlen (a a in beyſtehender Figur, welche den obern Theil von dem Kopfe des Narwals vorſtellt, nachdem Haut und Fett davon abgezogen ſind), = m — NV 8 j \ N , auf jeder Seite eine, deren aͤußerſte Grenzen ungefaͤhr zwölf Zoll von einander ſtehen. Dieſe enthalten eine ſchleimige Materie. Der ganze Sack iſt mit einer duͤnnen gruͤnlich— ſchwarzen Haut uͤberzogen. An der hintern Seite der Höhle oder des Sackes ſieht man die Blafelöcher, die hier in zwey getheilt find und deutliche Canaͤle in dem Schädel bilden. Sie find durch eine Klappe b b (in nachſtehender Figur nach einem vergrößerten Maaßſtabe verzeichnet), die einer fo ge: nannten Haſenſcharte ahnlich iſt, verſchloſſen; jeder er Lappen bedeckt eine Heffnung. Dieſe Klappe geht bey dem Narwal nicht, wie bey dem Wallfiſch, in den Canal nach dem Hirnſchaͤdel, ſondern liegt nur ganz flach oben auf; gleichwohl ſchließt ſie ſo genau, daß kein Seewaſſer in die — 159 — kungen kommen kann, wie groß auch der Druck ſeyn mag; vielmehr legt ſie ſich deſto dichter auf, je groͤßer das Gewicht des Waſſers iſt. Sie iſt ungefaͤhr ſechs Zoll weit und wird durch zwey Muskeln, ce (in der erſtern Figur) geöffnet und verſchloſſen. Sie iſt von dem unter ihr befindlichen Schaͤdel getrennt, ungefaͤhr 6 Zoll von den Luftloͤchern nach der Schnauze zu. Zufolge dieſer Abſonderung hat ſie hin— laͤngliche Freyheit und hinreichenden Raum, ſich aufwaͤrts und vorwaͤrts zu ziehen, um die Canaͤle des Athemholens zu oͤffnen; oder ſich, wie der Deckel oder das Ventil einer Pumpe, auf ſie zu legen, um ſie gegen das Eindringen des Waſſers zu verſchließen. Die beyden Lappen der Klappe ſind durch ein fleiſchigtes Band mit einander verbunden, das hinwiederum mit dem knorpelichten Theil der knoͤchernen Scheidewand zwiſchen den Blaſelöchern in dem Schädel leicht zuſammenhaͤngt. [Lac epede unterſcheidet drey Arten von Narwals; ich habe nur eine einzige geſehen; und vielleicht ſind die andern Arten nur eingebildet; denn das Anſehen des Thieres iſt veraͤnderlich. Der Narwal iſt, wenn er ganz ausgewachſen iſt, 13 bis 16 Fuß lang, ohne den Stoßzahn; und im Umfange hält er (zwey Fuß hinter den Floßfedern, wo er am dickſten iſt) 8 bis 9 Fuß. . Die Geſtalt des Kopfes mit dem daran ſtoßenden Theil des Körpers vor den Floßfedern iſt paraboloidiſch, der mitt: lere Theil des Körpers beynahe cylindriſch, der hintere Theil bis auf 2 oder 3 Fuß vom Schwanze etwas koniſch, und von da laͤuft er am Ruͤcken und am Bauche etwas geſchaͤrft zu, ſo daß der ſenkrechte Durchſchnitt anfangs elliptiſch, dicht am Schwanze aber rautenformig wird. In einem Ab: ſtand von 12 oder 14 Zoll vom Schwanze beträgt der Durch: — 160 — meſſer vom Ruͤcken nach dem Bauch ungefaͤhr 12 Zoll, und von einer Seite zur andern etwa 7 Zoll. Die Schaͤrfe des Ruͤckens und des Bauches laͤuft zur Haͤlfte und noch mehr über den Schwanz hin; und eben fo laͤuft der ſcharfe Rand des Schwanzes 6 oder 8 Zoll über den Körper hin, und bil— det auf beiden Seiten des Rumpfes eine ſcharfe Hervorra— gung. Nach einer ſehr geringen Erhöhung an dem Blaſe— loch bildet der aͤußerſte Theil des Ruͤckens eine regelmaͤßig gekruͤmmte Linie; der Bauch erhebt ſich oder ſcheint ſich in der Nähe des Afters hereinwaͤrts zu ziehen, und dehnt ſich ungefähr zwey Fuß vor den Geſchlechtstheilen in eine augen— faͤllige Erhöhung aus. Der Ruͤcken iſt drey oder vier Fuß von dem Nacken nach dem Schwanze zu eher etwas einge— druͤckt und flach. Der Kopf macht ungefaͤhr ein Siebentel von der Laͤnge des ganzen Thieres; er iſt klein, vorn abgerundet, und pa— raboloidiſch. Der Mund iſt klein, und keiner großen Er— weiterung faͤhig. Die Unterlippe iſt keilförmig. Die Augen find klein; der größte Durchmeſſer derſelben hält nur einen Zoll, und ſie liegen in einer Linie mit der Oeffnung des Mundes, ungefähr 13 Zoll von der Schnauze. Das Blaſe⸗ loch, welches gerade uͤber den Augen liegt, iſt eine einzige Oeffnung, von Geſtalt eines Halbkreiſes, ungefähr 37 Zoll im Durchmeſſer oder in der Breite, und 13 Zoll im Halb: meſſer oder in der Laͤnge. Die Finnen oder Floßfedern, die 12 oder 14 Zoll lang und 6 oder 8 Zoll breit ſind, liegen ein Fuͤnftheil der ganzen Laͤnge von der Schnauze ab. Der Schwanz iſt 15 bis 20 Zoll lang, und 3 bis 4 Fuß breit. Das Thier hat keine Ruͤckenfloßfeder, ſondern an deren Stelle eine aus einer Fettſubſtanz beſtehende, unregelmaͤßig zugeſchaͤrfte Erhöhung, 2 Zoll hoch und drittehalb Fuß lang, ziemlich genau in der Mitte zwiſchen der Schnauze und dem Schwanz. Die Schärfe dieſer Erhöhung iſt im allgemeinen rauh, und die duͤnne Oberhaut und Schleimhaut, die zum on Theil darauf fehlen, ſcheinen durch das Reiben gegen das Eis abgeſchabt zu ſeyn. Die grauen oder ſchwaͤrzlichen Flecken, mit denen der Körper des Narwals aͤußerlich geſprenkelt iſt, find von rund: licher oder laͤnglicher Geſtalt. Auf dem Ruͤcken, wo ſie ſel— ten über zwey Zoll im Durchmeſſer haben, find fie am dun— kelſten und dichteſten, doch haben fie ganz weiße Zwiſchen—⸗ raͤume zwiſchen ſich. An den Seiten ſind fie ſchwaͤcher, klei⸗ ner, und nicht fo enge beyſammen. Auf dem Bauche find ſie ſehr ſchwach und in geringer Anzahl, und an Stellen von betraͤchtlicher Große gar nicht zu ſehen. An dem obern Theil des Nackens, gleich hinter dem Blaſeloch, iſt oft ein ganzes Stuͤck von braäunlich-ſchwarzer Farbe ohne das geringſte Weiß dazwiſchen. Der aͤußere Theil der Floßfedern iſt am Rande auch gemeiniglich ſchwarz, aber um die Mitte herum fällt die Farbe ins Graue. Die obere Seite des Schwanzes iſt auch am Rande herum ſchwaͤrzlich; aber in der Mitte grau, mit ſchwarzen krummlinigen Streifen auf weißem Grunde, die halbkreisförmige Figuren bilden. Die untere Seite der Floßfedern und des Schwanzes iſt der obern aͤhn— lich, nur viel blaffer gefaͤrbt, fo daß die Floßfedern in der Mitte weiß ſind, und der Schwanz blaßgrau. Die Farbe junger, noch ſaͤugender, Thiere iſt faſt ganz ein blaͤuliches Grau oder eine Schiefer-Farbe. Die Haͤute find denen des gemeinen Wallfiſches aͤhn⸗ lich, nur duͤnner. Das Oberhaͤutchen iſt ungefaͤhr ſo dick, wie Papier; die Schleimhaut iſt 5 bis 3 eines Zolles dick; die eigentliche Haut iſt dünn, aber feſt und an der Jußern Seite dicht. Der lange hervorragende S Stoßzahn oder das ſogenannte Horn, das an der linken Seite des Kopfes ſitzt, hat biswei⸗ len eine Fänge von 9 oder 10 Fuß; nach Hans Egede 11 m — 2 auch 14 bis 15.5) Es kommt aus dem untern Theil der obern Kinnlade hervor, geht gerade vor und ein wenig un— terwaͤrts, und iſt in feiner Richtung der Richtung des Mun— des parallel. Es iſt ſpiralformig von der rechten nach der linken gewunden; iſt beynahe gerade, wird nach vorne duͤn— ner und geht in eine ſtumpfe Spitze aus; es iſt von gelblich— weißer Farbe, und ſo feſt wie Elfenbein. Gemeiniglich iſt es inwendig hohl, vom untern Ende bis auf wenige Zolle von der Spitze. Ein Zahn von 5 Fuß, welches ungefähr die mittlere Laͤnge iſt, iſt am untern Ende etwa 27 Zoll im Durchmeſſer, in der Mitte 13 Zoll, und einen Zoll von der Spitze 3 Zoll. An einem ſolchen Zahn find fünf oder ſechs Spiral-Windungen, die von dem untern Ende bis auf 6 oder 7 Zoll von der Spitze reichen. Der oberſte Theil iſt ohne Streifen, glatt, rein und weiß; der geſtreifte gewoͤhn— lich grau und ſchmutzig. Außer dem hervorſtehenden Zahn, welcher den maͤnn— lichen Thieren eigen iſt, befindet ſich noch ein anderer auf der rechten Seite des Kopfes, welcher ungefaͤhr 9 Zoll lang iſt und ganz in dem Schaͤdel ſteckt. Bey den Weibchen ſo— wohl, als bey jungen Thieren maͤnnlichen Geſchlechts, die keinen hervorſtehenden Zahn haben, findet man auch faft immer die Keime zweyer Stoßzaͤhne im Oberkiefer. Dieſe find durchaus feſt und dicht, und ſtecken ganz in dem Schaͤ— del, etwa ſechs Zoll von ſeinem erhabenſten Theil. Sie ſind ſowohl bey Maͤnnchen, als bey Weibchen 8 bis 9 Zoll lang; und bey den erſtern glatt, nach vorn ſpitz zulaufend, und an der Wurzel ſchief abgeſchnitten; bey den letztern hingegen haben ſie eine ſehr rauhe Oberflaͤche, und endigen ſich an der Wurzel in einen großen unregelmaͤßigen Knoten, der —) Beſchreib. und Naturgeſch. von Grönland, Aus dem Daͤn. überſ. Berl. 1763. 8. nach der einen Seite hin ſteht, wodurch dieſe Zaͤhne faſt das Anſehen einer Sackpiſtole bekommen. Zwey oder drey Bey— ſpiele ſind da geweſen, daß maͤnnliche Narwals zwey große hervorragende Stoßzaͤhne gehabt haben; aber dieſe Faͤlle find ſehr rar. Ich habe nie einen äußern Stoßzahn auf der rechten Seite des Kopfes geſehen; indeſſen halte ich es nicht fir unwahrſcheinlich, daß manche Zähne, die man mir ge: zeigt hat, und die in der Mitte nicht durchbohrt waren, von der rechten Seite geweſen ſeyn können. Everard Home, der einen ſolchen Zahn, welcher dem Anſehen nach ganz dicht war, der Laͤnge nach durchſchnitten hat, hat inwendig einen hohlen Canal, den größten Theil der Laͤnge nach ge: funden; und nur die beyden Enden waren dicht.“) Wozu der Stoßzahn dem Narwal eigentlich dient, iſt zweifelhaft. Er kann ihm nicht weſentlich nothwendig ſeyn, um ſich feine Nahrung zu verſchaffen, denn fonft wurden alle dergleichen haben; auch ſoll er ſchwerlich als Waffe zur Vertheidigung dienen, weil ſonſt die Weibchen und die Su gen der Gewalt ihrer Feinde blosgeſtellt wären. Dr. Bar: klay, mit welchem ich daruͤber ſprach, iſt der Meinung, daß er vorzuͤglich, wo nicht allein, eine Geſchlechts-Unterſchei— dung iſt, dergleichen auch bey manchen andern Thieren vor— kommen. Iſt er indeſſen auch dem Thiere nicht unentbehr— lich, ſo kann er doch gelegentlich von ihm gebraucht werden. Aus der Glaͤtte und Abgeſchliffenheit der Spitze deſſelben, und noch mehr aus dem Umſtande, daß man wirklich einen abgebrochenen Zahn gefunden hat, an welchem die Spitzen und Ecken des Bruches wieder abgerieben und abgerundet waren, laͤßt ſich wohl ſchließen, daß er bisweilen gebraucht wird, um duͤnnes Eis zu durchſtoßen, damit das Thier Athem holen koͤnne, ohne erſt offenes Waſſer zu ſuchen. *) Philos. Transact. for 1813. Sc. 115 = Mal. 7 Ich kann aber nicht glauben, daß er, wie viele Schriftſtel⸗ ler behaupten, dem Thiere dient, um ſeine Nahrung vom Boden des Meeres heraufzuholen; denn der Narwal wird meiſtens in ſo tiefem Waſſer angetroffen, daß er nicht im Stande ſeyn wuͤrde, den ungeheuern Druck Ae auf dem Boden auszuhalten.“) Das Fett, womit fein Korper umzogen iſt, giebt ein fehr ſchoͤnes Oel. Der Schaͤdel des Narwals iſt, gleich dem des delphinus deductor, des Nordkapers, des Pottfiſches und a. oben einwaͤrts gebogen (concav), und es geht aus ihm ein großer, flacher, keilförmiger Fortſatz, der die Dil— len zu den Stoßzaͤhnen bildet. Auf dieſem Fortſatz liegt eine Schicht von Fett, die ſich wohl auf 10 bis 12 Zoll in horizontaler, und 8 bis 9 Zoll in lothrechter Richtung (das Thier als ſchwimmend gedacht) ausdehnt. Dieſes Fett giebt dem Kopfe die runde Geſtalt; und von ſeiner gushtere oder geringern Anhaͤufung entſteht eine beträchtliche Verſchieden— heit in der Geſtalt und Wölbung des Vorderkopfes. Daher iſt der ſogenannte Geſichtswinkel bey manchen Narwals we— niger als 60 Grad, bey andern uͤber neunzig. *) Auch Blumenbach (ſ. deſſen Abbildungen naturhiſt. Gegen: ſtaͤnde. ötes Heft. Goͤtt. 1800. No. 44.) findet es unwahrſchein⸗ lich, daß der Narwal das Horn noͤthig habe, fein Futter anzuſpie⸗ ßen, ſich unter dem Eiſe Luft zu machen, und dergl. Nicht ſo be— ſtimmt erklaͤrt er ſich gegen die gemeine Meinung, daß der Narwal eigentlich zwey Stoßzaͤhne habe, und nur den einen durch zufällige Gewalt verliere — eine Meinung, die mit den obigen Beobachtun— gen unvereinbar iſt; weil man ſonſt oͤfterer ſolche Thiere mit zwey Zaͤhnen, oder mit einem Zahn auf der rechten Seite, oder mit einem ganzen und einem abgebrochenen, oder zwey abgebrochenen Zaͤhnen antreffen muͤßte. Auch weicht die dortige Abbildung, beſonders der Floßfedern und des Schwanzes, ſo ſehr von der, welche Scoresby geliefert hat, ab, daß es mir der Muͤhe werth ſchien, die letztre in einer getreuen Nachbildung hier aufzunehmen. S. die VI. Tafel. 5 8 In einer fettigen Subſtanz an dem innern Ohr fanden ſich eine Menge Wuͤrmer. Sie ſind ungefaͤhr einen Zoll lang, einige kuͤrzer, ſehr dünn und gehen nach beiden Sei— ten ſpitz zu, ſind aber doch an dem einen Ende ſpitzer, als an dem andern. Sie ſind durchſichtig. Inwendig ſcheint ein Canal durchzugehen; auswendig laͤuft ein etwas erhöhe⸗ ter Streifen von braͤunlicher Farbe laͤngs dem ganzen Körper. Das Rückgrat des Narwals iſt ungefaͤhr 12 Fuß lang. Der Halswirbel find ſieben; der Ruͤckenwirbel zwölf; der Lenden- und Schwanzwirbel fünf und dreyßig — zuſammen 54, von welchen 12 zum Schwanze gehören, und bis auf einen Zoll vom Ende deſſelben reichen. Das Ruͤckenmark geht durch die Fortfäge aller Wirbel, vom Kopf bis zum vierzigſten, findet ſich aber nicht mehr im ein und vierzig— ſten. Die Dorn-Fortſaͤtze nehmen, nach dem 15ten Lenden— wirbel, an Länge immer mehr ab, bis fie am 19ten kaum noch wahrzunehmen find. Auf der den Dorn-Fortſaͤtzen entgegengeſetzten Seite des Ruͤckgrats fangen zwiſchen dem dreyßigſten und ein und dreyßigſten Wirbel große, nach dem Bauche zu gehende Fortfäße an, die an zwey zuſammenſto— ßende Wirbel befeſtigt ſind, und endigen ſich zwiſchen dem zwey und vierzigſten und drey und vierzigſten Wirbel. Die Rippen, deren zwoͤlfe auf jeder Seite find, ſechs wahre und ſechs falſche, ſind fuͤr die Groͤße des Thieres ſchwach. Das Bruſtbein hat die Geſtalt eines Herzens. Zwey von den fal— ſchen Rippen auf jeder Seite ſind durch Knorpel mit der ſechſten wahren Rippe verbunden; die übrigen find ge— trennt. Die Hauptnahrung des Narwals ſcheinen Schleim— Thiere zu ſeyn. In dem Magen mehrerer, die ich un— terſucht habe, fanden ſich viele Ueberreſte von Tinten— fiſchen. Die Narwals find behende, muntre und harmloſe Thiere. Sie ſchwimmen mit betraͤchtlicher Geſchwindigkeit. Wenn fie an der Oberflaͤche athmen, liegen fie oft einige Minuten lang ohne Bewegung, indem ſie Ruͤcken und Kopf nur eben über dem Waſſer halten. Sie ſind von einer ge: ſelligen Gemuͤthsart, und laſſen ſich oft in vielen kleinen Haufen von einem halben Dutzend und daruͤber beyſammen ſehen. Jeder Haufe beſteht meiſtens aus Thieren von einer— ley Geſchlecht. Wird der Narwal mit der Harpune verwundet, ſo taucht er auf eben die Art, und faſt mit derſelben Geſchwindigkeit unter, wie der Wallfiſch, nur nicht bis zu einer gleichen Tiefe. Gemeiniglich geht er ungefaͤhr 200 Faden unter Waſſer, alsdann kommt er auf die Oberflaͤche zuruͤck, und wird meiſtens in wenigen Minuten mit einer Lanze erlegt. Die einzige gute Beſchreibung des gemeinen Narwals, die man bisher hatte, iſt im erſten Bande der Memoirs of the Wernerian Society. S. 131. befindlich. Sie ruͤhrt vom Dr. Fleming her, der Gelegenheit hatte, ein kleines Thier dieſer Art, das im Jahr 1808 an einer der ſhetlaͤn— diſchen Inſeln geſtrandet war, zu unterſuchen; und iſt, ſo ferne ein einzelnes Thier zu allgemeinen Anſichten berechtigt, ungemein ſorgfaͤltig und treffend. Die nachfolgenden Abmeſſungen ſind von einem maͤnn— lichen Narwal, der 1817 in der Naͤhe von Spitzbergen ge— toͤdtet wurde, nach meinen eigenen Beobachtungen ges nommen; Fuß. Zoll. Fänge des ganzen Thieres, ohne den Stoßzahn 15 0 — von der Schnauze bis an die Augen . 1 12 „ — — — Floßfedern 3 1 V — — den Ruͤcken⸗Kamm 6 0 — 167 — Fuß. Zoll. kaͤnge von der Schnauze bis an den After 9 9 Imfang 44 Zoll von der Schnauze 3 3 — an den Augen und dem Blaſeloch . 5 37 — gerade vor den Floßfedern 5 5 7-5 — an dem vordern Theil des Kammes 8 6 — — — After > 8 Stoßzahn, aͤußere Laͤnge 5 0 — Diurchmeſſer an der Wurzel : u Blaſeloch, Laͤnge 1 Zoll, Breite 3 Schwanz, — 14 — — RED 31 Floßfedern, — 13 — — i ® 74 Das Herz wog 11 Pfund; das Blut hatte, anderthalb Stunden nach dem Tode, noch eine Wärme von 97°). Am 3. July ließen ſich keine Wallfiſche ſehen. Da wir einen friſchen Wind aus Norden hatten, ſo kreuzten wir den ganzen Tag zwiſchen den Eisſchollen, und in der Nacht mach— ten wir einen Strich von ungefaͤhr 20 Meilen gegen Oſten und wieder zuruͤck. Den ganzen folgenden Tag blies ein hef— tiger Wind; wir befeſtigten daher das Schiff an einem gro— ßen Eisfelde, und beſchaͤftigten uns mit dem „Abmachen“ des Fettes von unſerm zuletzt gefangenen Wallfiſch. Das Wetter war duͤſter durch Nebel und Schnee; aber am Abend hellte es ſich auf, und bald darauf maͤßigte ſich auch der Wind. Eine ungeheuere Menge der blaufuͤßigen Möven flog bey dem Schiffe vorbey gegen Weſten. Viele Stunden nach einander flogen fie, in Haufen von 200 bis 300 Stück, vorüber, jede Minute ein bis drey Haufen, und alle nahmen ihren Weg in derſelben Richtung. Ich rechnete, daß bey— nahe eine halbe Million derſelben in Zeit von zwoͤlf Stunden bey uns voruͤbergekommen ſeyn mußte. ee. — Am 5. July befanden wir uns um Mittag in 719 7’ der Breite, und 18° 40“ weſtlicher Laͤnge. Da wir ein Betraͤcht⸗ liches gegen Norden vorgedrungen waren, trafen wir auf eine Menge von Schiffen. Den Abend erhielt ich einen Bes ſuch von meinem Vater, ingleichen von den Capitains des John und Venerable. Mit Bennet, dem Capitain des letz⸗ tern, der einen Chronometer bey ſich fuͤhrte, verglich ich die Zeit, und fand zu meiner Befriedigung, daß unſere Chrono— meter nur 55 Sekunden verſchieden waren. Den 6. und 7. July hatten wir einen heftigen Wind von Norden mit Schnee, Regen und Nebel unaufhörlich. Ob wir gleich die meiſte Zeit gegen den Wind fuhren, und allem Anſchein nach guten Fortgang hatten, ſo fanden wir endlich doch, daß die ſuͤdliche Strömung uns fo fehr entgegen gewe— ſen war, daß wir kaum eine Stunde in der Breite gewonnen ha ten. Der 8. July war ein ſchoͤner heiterer Tag, und die Sonne ſchien glaͤnzend. Da man Anfangs einiges Land ge— gen Norden hin ſehen konnte, ſo verſuchte ich meinen Ent— wurf weiter fortzufuͤhren; aber die ganze Kuͤſte war durch die Strahlenbrechung ſo entſtellt, daß ich nicht einen einzigen Berg oder eine einzige Spitze wieder erkennen konnte. Der Wind ſetzte ſich alsdann nach Suͤdweſten um, und wir mach— ten ſchnelle Fortſchritte gegen Norden. Um Mitternacht leg⸗ ten wir an dem Rande eines großen Eisfeldes bey, wo wir einen Narwal und verſchiedene Thiere von der Art balaena Physalis, aber keinen eigentlichen Wallfiſch ſahen. Der Morgen des 9. war glaͤnzend, mit gelindem Winde und einer ſehr ſtarken Strahlenbrechung in der Atmoſphaͤre. Das Land und eine Menge Schiffe, die uns zu Geſicht ka— men, ingleichen das Eis, und uͤberhaupt alle entfernten Ges genſtaͤnde, waren ſeltſam aus einander gezerrt. Es zeigten fich die verkehrten Bilder von zwey Schiffen, bisweilen dop— pelt, in der Luft, von welchen die Schiffe ſelbſt, nach mei— nem Dafuͤrhalten, wenigſtens zehn Meilen jenſeits unſers eigentlichen Geſichtskreiſes ſeyn mußten; denn wir naͤherten uns ihnen ungefähr um eben fo viel, ohne fie zu Geſicht zu bekommen. Der Rumpf mancher Schiffe erſchien wie ein Schloß, indem er zu der Hoͤhe der Maſten erhoben war; an einigen Schiffen ſchienen die untern Segel, anſtatt den Rumpf beynahe zu beruͤhren, 20 bis 30 Derds von demſel— ben getrennt. So ungleich war die Strahlenbrechung, und fo mannichfaltig ihre Wirkung, daß, während an dem ei— nen Schiffe die Maſten gleichförmig ausgedehnt waren, oder der Rumpf vergrößert ſchien, an einem andern die untern und obern Segel vergroͤßert, und die mittlern auf ein Vier— tel ihrer wahren Groͤße zuſammengezogen, an einem dritten hingegen, in ſehr geringer Entfernung von dieſem, gerade umgekehrt, die untern und obern Segel zuſammengezogen, und die mittlern ausgedehnt erſchienen. Alle dieſe Beſon⸗ dernheiten wechſelten uͤberdieß beſtaͤndig ab. Kaum hatte man eine Erſcheinung unterſucht und abgezeichnet, ſo ver— aͤnderte fie ſich und zeigte oft die ſeltſamſten Verhaͤltniſſe. Dieſes unterhaltende Schauſpiel wurde endlich durch einen dichten Nebel, der ſich zu verbreiten anfieng und ein unangenehmes Gefuͤhl in uns hervorbrachte, geſchloſſen. Anſtatt des erheiternden Genuſſes einer reinen Luft und eines milden Sonnenſcheins, verbunden mit dem Reiz einer weiten und freyen Ausſicht auf ergoͤtzliche Gegenſtaͤnde, hatten wir mit einemmal die verdrüßliche Empfindung einer beengenden und niederſchlagenden Duͤſternheit. Unſere Breite zu Mittag war 72° 10“, die Länge 180“ weſtlich. — Zwey oder drey Wallſiſche ließen ſich ſehen. Die beyden folgenden Tage war der Nebel ungemein dicht, ſo daß wir ſelten das Eis uͤber ein paar hundert Fuß — MN - weit ſehen konnten. Merkwuͤrdig war es, daß er in meh— rern Stunden, wo er am dichteſten war, weder das Tau— werk, noch das Verdeck naß machte — ein Umſtand, der bey den Polarnebeln nicht ſehr haͤufig vorkommt. Aber es folgte darauf ein ſo feuchter Nebel, daß Taue und Segel mit Eis bedeckt wurden. Den 12. July blies der Wind faſt aus allen Kompaß— ſtrichen, und mit der verſchiedenſten Stärfe — zwiſchen hef— tigen Stoßen und gaͤnzlicher Windſtille. Da wir während des Nebels mehrere Stunden weſtwaͤrts gehalten hatten, ſo befanden wir uns, als es ſich aufklaͤrte, dem Lande naͤher, als wir bisher geweſen waren. Unſere Laͤnge, nach dem Chronometer, war 20° 0% weſtlich. Wir konnten daher wies der ein betraͤchtliches Stuͤck von dem Lande aufnehmen. Auch hätten wir uns demſelben noch weiter nähern konnen, obgleich noch viel Eis um uns herum war, haͤtten wir nur einige Aufmunterung dazu gefunden. Im Gegentheil aber war das Waſſer blau und durchſichtig — alle Vogel hatten uns verlaſſen — und jedes gewohnliche Zeichen der Nähe von Wallfiſchen war verſchwunden. So ſehr ich daher auch wuͤnſchte, dicht an das Ufer zu kommen, um dort genauere Unterſuchungen anzuſtellen, ſo durfte ich mir doch nicht er— lauben es zu verſuchen, in einem Fall, wo es mit dem ei— gentlichen Zweck der Reiſe nicht vereinbar geweſen waͤre. Ich war daher genotbigt, wider meinen Willen umzukehren. Die Nacht war windſtille und neblig, aber den Tag darauf hatten wir einen friſchen Wind, mit welchem wir den größten Theil des Tages oſtwaͤrts ſteuerten. Um 8 Uhr Abends trafen wir auf ein großes Eisfeld, an deſſen Rande wir beynahe zwanzig Meilen gegen O. und NO. hinfuhren. Um Mitternacht legten wir bey. Es iſt merkwürdig, daß ſeit mehrern Tagen und ſelbſt Wochen, die Temperatur der Luft bey Suͤdwinden niedriger Fon — war, als bey nördlichen Winden. Z. B. am 6. und 7. July war die Temperatur bey einem friſchen Winde von Ngen O. zwiſchen 35 und 32 Grad. Hingegen vom 8. bis 13. Julp, wo der Wind meiſtens aus einem ſuͤdlichen Strich her wehte, war die mittlere Temperatur ungefaͤhr 32 Grad; und am Abend des letztern Tages fiel das Thermometer bey voͤlligem Suͤdwinde, den man ſonſt fuͤr den waͤrmſten haͤlt, auf 29 Grad. n Den 14., als an einem Sonntage, blieben wir auf un— ſerm Platz, ſo viel als das Draͤngen des Eiſes, von dem wir umgeben waren, geſtatten wollte — um der Feyer dieſes Tages Gnuͤge zu leiſten, und einem jeden an Bord Gele: genheit zu geben, den Gottesdienſt abzuwarten und den Tag auf eine andaͤchtige Weiſe zuzubringen. Sechſtes Kapitel. Ein kleiner Wallfiſch wird gefangen. — Bemerkungen über den Körperbau deſſelben. — Naturgeſchichte des Wallfiſches. — Nebliges Wetter. Urſache der Polarnebel. — Merkwuͤrdige Beyſpiele von Luftſpiegelung. Montags den 15. July kam fruͤhe des Morgens ein kleiner Wallfiſch, der erſte, den wir ſeit beynahe einer Woche ge— ſehen hatten, nicht weit von dem Schiffe zum Vorſchein. Sogleich wurden zwey Boote ausgeſetzt, und es gelang den Fiſch zu harpuniren und zu fangen. Ob er gleich nicht viel älter und großer, als ein noch ſaͤugendes Junges war, in— dem ſein Fiſchbein nur 2 Fuß 8 Zoll maß, ſo war er doch ſo ausnehmend fett, daß wir auf 6 Tonnen Oel von ihm zu er— — 172 — halten rechnen konnten — ſo viel als ein Fiſch von tauglicher Große“), deſſen Fiſchbein 6 oder 7 Fuß lang iſt, zu geben pflegt. Wenn dem Wallfiſch ſein Speck genommen wird, waͤh— rend er, wie es gewöhnlich der Fall iſt, im Waſſer liegt — wobey der größte Theil des Korpers unter Waſſer iſt — ſo hat man wenig Gelegenheit, ſeinen Körperbau zu unter— ſuchen. Nur die kleinſten Thiere dieſer Art, eigentliche Junge oder Sauger (suckers), können auf das Verdeck gebracht werden; und ſolche ſind es, die ich ganz außer Waſſer zu ſehen und zu unterſuchen Gelegenheit gehabt habe. Von dem jetzt gefangenen Wallfiſch wurde der ganze Kopf an Bord aufgehießt, und der uͤbrige Körper war, nachdem der Speck abgenommen war, ſo klein, daß er durch unſere Winden gehoben werden konnte. Aus der Unterſuchung deſ— ſelben, fo wie eines andern, der im Sommer 1821 gefan— gen worden war, ergaben ſich mir einige neue Thatſachen in Betreff des Körperbaues dieſer Thiere, die ich jetzt zu be— ſchreiben verſuchen will. Ich bemerke dabey, daß die hier— bey angegebenen Maaße und Gewichte insgeſammt von ei⸗ nem noch ſaugenden Wallfiſche, der, als er gefangen wurde, noch unter muͤtterlicher Leitung ſtand, zu verſtehen find; die uͤbrigen Angaben hingegen, im allgemeinen, von allen Wallfiſchen dieſer Art (balaena mysticetus) gelten. \ Dieſer Wallfifch, obgleich noch ein Sauger, war 19 Fuß lang, und, an dem dickſten Theil des Körpers, 14 Fuß 5 Zoll im Umfange. Die aͤußere Haut, die aus der Oberhaut und Schleimhaut beſteht, war, ſo lange ſie noch am Koͤrper ſaß, 13 Zoll dick, während fie an einem ausgewachſenen Thiere *) Im Engliſchen: „a-size-fish”, womit in der Kunſtſprache der Wallfiſchfaͤnger eben ein Fiſch, der ſchon eine huͤbſche Groͤße hat, und den es zu fangen lohnt, bezeichnet wird. noch einmal fo dick iſt. Der Speck war im Mittel 5 Zoll dick. Das laͤngſte Fiſchbein maß nur 12 Zoll, wovon un⸗ gefähr die Haͤlfte in dem Gaumen ſtack. Der aͤußere Theil, der nicht über 6 Zoll lang war, ſchien kein hinreichendes Fil— trum zu bilden, um den jungen Wallſiſch in den Stand zu ſetzen, Krabben und andere Thiere, womit groͤßere Wallfiſche ſich naͤhren, zu fangen. Der muͤtterliche Beyſtand war das her fuͤr ihn noch unentbehrlich. Die Muskeln am Nacken, die zur Bewegung der Kinn— laden dienen, machen, wenn ſie ausgebreitet ſind, eine Schicht von beynahe 5 Fuß in der Breite, und einen Fuß in der Dicke. Die Mitte des Zwergfelles war 2 Zoll dick. Die beyden vorzuͤglichſten Schlagadern am Halſe (die Carotis) waren fo groß, daß eine Mannshand und Arm hineinging. Das Gehirn liegt in einer kleinen Hoͤhlung in dem obern und hintern Theil des Schaͤdels. Die Hoͤhlung innerhalb der weichen Hirnhaut, haͤlt, ohne das Hinterhauptsloch (foramen magnum), nur 8 Zoll nach dem einen, und 5 Zoll nach dem andern Durchmeſſer. Der obere Theil des Gehirns liegt ſehr nahe an der innern Wand des Schaͤdels. Die Windungen der grauen Subſtanz liegen in ſchoͤnen Fal— ten, mit der markigen Subſtanz verbunden, welche, wie bey dem menſchlichen Gehirn, weiß iſt. Das Anſehen des Ge— hirns im Allgemeinen iſt dem von andern Saͤugethieren nicht unaͤhnlich; aber ſeine Kleinheit iſt auffallend. Das Gehirn eines Menſchen, der 140 bis 160 Pfund wiegt, iſt, wie Haller angiebt, 4 Pfund ſchwer; bey dieſem Wallfiſch, der 11,200 Pfund, oder ſiebenzigmal ſo viel als ein Menſch, wog, war das Gehirn nur 3 Pfund 24 Loth. Nach Ci: vier ) findet ſich das Gewicht des Gehirns bey den Men: *) Legons d' Anat. Comp. II. p. 149. Das Verhaͤltniß, in wel⸗ chem das Gewicht des menſchlichen Gehirns zu dem des ganzen — 11 f ſchen von verſchiedenem Verhaͤltniß, von t bis zu 25 von dem Gewicht des ganzen Menſchen, waͤhrend es bey dieſem Thiere nur 3808 des Ganzen betrug. Das Herz, welches von einer laͤnglich- runden Geſtalt und ſehr zuſammengezogen iſt, gleicht an Farbe und Beſchaf— fenheit dem Herzen eines Ochſen. Die Breite deſſelben war bey dieſem Thiere 29 Zoll; die Hoͤhe 12, die Dicke 9, und das Gewicht 64 Pfund. Der Durchmeſſer der Aorta unge— faͤhr 6 Zoll. So groß der Körper des Wallfiſches iſt, fo iſt der Schlund deſſelben nur enge. Bey dieſem war der Durch— meſſer der Speiſeroͤhre, wenn ſie ganz ausgedehnt wurde, kaum 23 Zoll, fo daß ich nur mit Mühe meine Hand hinein— bringen konnte. Der Kehldeckel iſt eine artige Klappe, beynahe ſo wie das Ende von dem Ruͤſſel eines Elephanten geſtaltet. Ob— gleich der Kehlkopf bey dem Wallfiſch eine freye Verbindung mit dem Munde hat, wie bey andern Saͤugethieren, ſo ſcheint dieſes Thier doch keine Stimme zu haben. Bey an— dern Thieren dieſer Gattung iſt dieß jedoch nicht immer der Fall; namentlich hat man beobachtet, daß manche Delphin— Arten einen lauten Ton von ſich geben; welches bey dem Beluga zu geſchehen pflegt, ehe er auf die Oberflache des Waſſers emporſteigt ). Koͤrpers ſteht, ſcheint im Durchſchnitt kleiner zu ſeyn, als es von Cuͤvier beſtimmt wird. Denn nach Haller iſt es bey einem Menſchen von 160 Pf. nur 28, bey einem Menſchen von 140 Pf. zr / und bey einem Kinde von 6 Jahren N. S. *) Parry's Voyage for the discov. of a Noxth » west - Pass. P. 35. ©. — 175 — Die aͤußern Blaſelöcher oder Luftloͤcher waren bey dem ſaugenden Wallfiſch 4 Zoll lang; bey einem ausgewachſenen Thiere bilden ſie zwey krummlinige Spalten, uͤber 10 Zoll lang. Geht man inwendig hinein, durch den Speck hin— durch, ſo aͤndern ſie ihre Geſtalt, die an der Oberflaͤche mehr in die Länge gezogen iſt, (wie die Linien aa in nachſtehender Figur zeigen, in welcher man ſich zu— gleich bey aa die hintere, nach dem Ruͤcken zu liegende Seite zu denken hat), in die eines Halbkreiſes (wie die punktirten Linien bb); und verfolgt man fie durch den Schädel, fo laufen fie ruͤckwaͤrts und unterwaͤrts in zwey kegelförmigen parallelen Canaͤlen, bis fie ſich nahe an dem hintern Theil der untern Seite des Schaͤdels, wo ſie ausge— hen, oͤffnen und einen einzigen haͤutigen Sack bilden, wenige Zoll von dem Kehldeckel. Der erſte Eintritt von dem Canal ei: nes jeden Blaſelochs in den obern Theil des Schaͤdels iſt durch eine laͤngliche Hoͤhlung bezeichnet, (bb in nachſtehender Figur, welche die obere Flaͤche von dem vordern Theil des Schaͤdels, nachdem Haut und Fett davon abgeloſt find, vorſtellt — c iſt die vordere, aa die hintere Seite —) welche der Sitz einer mus— kuloͤſen Subſtanz iſt, die mit ihrem vordern Ende an der Ober— flaͤche des Schaͤdels, und mit dem hintern und untern Ende innerhalb deſſelben in dem Blaſecanal (aa der folgenden Fi⸗ = 6 gur) befeſtigt iſt. Derjenige Theil dieſes Muskels, welcher in den Canal hinein geht, iſt kegelförmig, die Spitze hinunterwaͤrts gekehrt oder innerhalb des Canals, (wie b in nachſtehender Fi— gur bezeichnet, die einen lothrechten Durchſchnitt des Schaͤdels vorſtellt, — die vordere Seite bey c —), ſo daß, wenn ders ſelbe ſich zuſammen zieht, der kegelförmige Muskel b in die Muͤndung des Canals aa hineindringt und fie vollkommen verſchließt. Auf der andern Seite zieht die Wuͤrkung von dem äußern Theil des Muskels den kegelfoͤrmigen Pfropf vor— warts und aufwaͤrts, und offnet dadurch der Luft einen freyen Durchgang beym Athemholen. Dieſe bewundernswuͤrdige Einrichtung, (die vielleicht noch durch den Kehldeckel unter— ſtuͤtzt wird) ſetzt das Thier in den Stand, auch bey dem un— geheuern Druck, den es bisweilen auszuhalten hat, dem Waſſer den Eingang in die Lungen zu verſperren; ja eben dieſer Druck traͤgt nur noch dazu bey, die Klappen ſtaͤrker gegen die Oeffnung zu preſſen, und dieſe deſto dichter zu ver— ſchließen. . Der Wallfiſch hat kein aͤußeres Ohr; und die Oeffnung des Gehoͤrganges iſt fo klein, daß es ſchwer iſt fie aufzufin— den. Bey dem faugenden Wallfiſch war fie nur ein Sechs— tel eines Zolles im Durchmeſſer. Eine artige Einrichtung zeigt ſich bey dem äußern Gehörgange, um das Ohr gegen den Druck von außen zu ſchuͤtzen. In der Mitte des Canals befindet ſich, in einer dazu paſſenden Hoͤhlung, ein kleiner Pfropf, gleich dem oberſten Theile des Fingers, durch mel: = = chen der Canal, bey einer geringen Bewegung, vollkommen verſchloſſen werden kann; waͤhrend eine entgegengeſetzte Be— wegung ihn wieder offnet. Bey dem Sauger war der Schaͤdel von dem vordern Ran— de bis zu den Gelenkknöpfen (condylis), ſechs Fuß lang. Bey einem ausgewachſenen Thiere, bey welchem das Fiſchbein 10 Fuß 4 Zoll lang war, betrug die Ränge des Schaͤdels, längs der obern, erhabenen Seite gemeſſen, 20 Fuß S Zoll. Die Hoͤh— lung an dem Scheitel eben deſſelben, die von den muskuloͤſen Klappen der Blaſeloͤcher ausgefuͤllt iſt, war 14 Zoll weit und 24 Zoll lang. Da der Wallfiſch ſehr nahe von derſelben ſpezifiſchen Schwere, wie das Seewaſſer iſt (indem bisweilen todte Wall: fiſche untergehen, andere von ſelbſt ſchwimmen), fo läßt ſich fein Gewicht mit hinreichender Genauigkeit beſtimmen. Man kann den Korper deſſelben in drey Theile von ziemlich regelmaßi— ger Geſtalt zertheilen. Erſtens der Kopf macht ein paraboliſches Conoid, deſſen Grundflaͤche, bey einem ſaugenden Wallfiſche, 4 Fuß im Durchmeſſer hat, und deſſen Höhe 55 Fuß iſt; folg⸗ lich beträgt fein Inhalt ungefähr 345 Cubikfuß. Zweytens, das mittlere Stuck vom Kopf bis zu dem dickſten Theil des Koͤr⸗ pers, bildet einen abgeſtumpften Kegel, deſſen obere Flaͤche 4 Fuß, untere 5 Fuß im Durchmeſſer, und Hoͤhe 3 Fuß iſt; folglich iſt der körperliche Inhalt beynahe 48 Cubikfuß. Drit⸗ tens, der noch übrige Theil des Körpers bis an den Schwanz kann als ein abgeſtumpftes paraboliſches Conoid angeſehen werden, deſſen Zange oder Hohe, bey dem ſaugenden Walls fiſche, 8 Fuß; Durchmeſſer der untern Fläche 5 Fuß, der obern 1 Fuß; körperlicher Inhalt folglich 815 Cubikfuß iſt. Hierzu kann man noch ungefähr 10 Cubikfuß, als den Sn: halt des Schwanzes und der Floßfedern rechnen; und fo be trägt die Summe oder der Inhalt des ganzen Korpers 174 Cubikfuß. Wird dieſe Summe mit 35 dividirt, ſo erhaͤlt 12 — 118 i | man das Gewicht des Wallſiſches gleich 5 Tonnen, weniger dem Gewicht eines Cubikfußes Waſſer. ) Einer der größten Wallfiſche, von 60 Fuß Laͤnge, — deſſen Kopf 20 Fuß in der Länge, und 12 im Durchmeſſer an der Grundfläche — der mittlere Theil 6 Fuß in der Länge auf 13 Fuß im Durchmeſſer *) — der hintere Theil 26 Fuß in der Länge auf 12 und 2 Fuß Durchmeſſer hält — hat, wenn man ihn auf dieſelbe Art berechnet, und fuͤr Schwanz und Finnen noch eine Zugabe von 5 Tonnen an: nimmt, das ungeheuere Gewicht von 114 Tonnen! Indeſ— fen da der letzte Theil bey einem erwachſenen Thier nach Ver: hältniß wohl etwas dünner, als bey einem noch ſaugen— den ſeyn mochte, fo könnte dieſe Rechnung etwas zu viel ges ben. Allein ſo viel, glaube ich, kann man mit Sicherheit annehmen, daß das Gewicht eines der größten Thiere dieſer Art auf 100 Tonnen, und das Gewicht eines gewoͤhnlichen ausgewachſenen auf ſiebenzig Tonnen betraͤgt. *) Es iſt oben bemerkt worden, daß, nach den Unterſuchungen von Scoresby, 35 Cubikfuß Seewaſſer aus dem groͤnlaͤndiſchen Meere eine Tonne oder 2240 Pfund wiegen. Obige 5 Tonnen ſind alſo 4 11200 Pfund, als das Gewicht eines ſaugenden Wallfifches ! | *) In dem Origknal iſt zwar die Lange dieſes Theils zu 6 Fuß, wie oben, angegeben, unſtreitig aber durch einen Druckfehler. Denn 1. kommt bey dieſer Zahl die fuͤr das Gewicht des ganzen Koͤrpers ange— gebene Summe nicht heraus; 2. it dieſer Theil bey dem jungen Wallſiſch zu 3 Fuß angegeben, er muß alſo, nach Verhältniß der uͤbrigen Theile, bey dieſem wenigſtens 9 Fuß betragen; 3. würde \ auch die Länge des ganzen Thieres (60 Fuß) nicht heraus kommen, da man die Laͤnge des Schwanzes nicht mehr als etwa 5 Fuß rechnen kann. Duͤrfte man hier nach dem Verhaͤltniß ahnlicher Körperrech- nen, fo würde ein 60 Fuß langer Wallfiſch wenigſtens 27mal fo groß, als ein junger von 19 bis 20 Fuß ſeyn, und hiernach wuͤrde jener 135 Tonnen ſchwer ſeyn! Woraus wenigſtens erhellet, daß, die obige Annahme von 100 Tonnen nicht zu groß iſt. * TED Die beſte und edelſte Art fich mit der Naturgeſchichte zu beſchaͤftigen, iſt unſtreitig diejenige, welche uns die erhaben— ſten Begriffe von der Weisheit, Güte und Macht des Schö— pfers giebt. Und derjenige Zweig dieſer Wiſſenſchaft, der am meiſten geeignet iſt uns in den Werken der Natur ihren gott: lichen Urheber erkennen zu laſſen, iſt gewiß die Phyſiologie der Thiere. In jeder Gattung von Thieren entdecken wir be— ſondere Einrichtungen, die auf ihre Lebensweiſe berechnet ſind; und in den verſchiedenen Gattungen eine unendliche Mannig— faltigkeit von Mitteln, die verſchiedenen Zwecke zu erfüllen. Der Wallfiſch, welcher ein Saͤugethier iſt, und ſeinem innern Körperbau nach, ſich unmittelbar an die Klaſſe der vierfuͤßigen Thiere anſchließt, giebt uns in der Einrichtung der— jenigen Theile, welche den Land-Thieren eigenthuͤmlich find, und die bey ihm ſolche Abaͤnderungen haben, wie ſie fuͤr Waſ— ſerthiere taugen, eine Menge der auffallendſten Beweiſe von Weisheit und Macht, deren ſorgfaͤltige Betrachtung in nicht geringem Grade geſchickt iſt, uns die wuͤrdigſten Begriffe von dem Hoͤchſten Weſen beyzubringen. Der Wallfiſch naͤhrt ſich von den kleinſten Inſekten und Wuͤrmern; fein weiter Ra— chen fest ihn iu den Stand einige Tonnen Waffer auf eins mal in den Mund zu nehmen, und die beyden Reihen von Fiſchbein bilden eine bewundernswuͤrdige Filtrirmaſchine, wos durch er alle in dem Waſſer enthaltenen Koͤrper, und wenn ſie von der Groͤße eines Nadelkopfs waͤren, ausſondern kann. Der Phyſalis (balaena physalis) nährt ſich von Häringen, Makrelen und andern Fiſchen dieſer Art; daher iſt ſein Fiſch— bein kuͤrzer, ſtaͤrker, und weniger dicht, als das des eigentlichen Wallfiſches, und das dadurch gebildete Filtrum nicht ſo enge, als bep dieſem. Da der Wallfifch an die Oberflaͤche ſteigen muß, um Athem zu holen, ſo iſt ſein Schwanz horizontal geſtellt, um deſto ſchneller auf- und niederwaͤrts gehen zu können; und N * feine Naſenlöcher oder Blafelöcher, anſtatt an der Schnauze zu liegen, befinden ſich an dem höchſten Theile des Kopfes, damit ſie deſto eher aus dem Waſſer heraus ſtehen. Wenn der Wallfiſch in die Tiefen des Meeres herabſteigt, fo hat er einen ungehenern Druck auszuhalten. Dieſer Druck iſt ſo groß daß er das Waſſer durch die Poren des feſteſten Holzes treibt; ) und doch leiſtet die Haut des Wallfiſches, ob ſie gleich recht weich und biegſam iſt, ihm völligen Wider— ſtand. Um das Waſſer von den Lungen abzuhalten, ſind die Blaſelöcher durch beſonders dazu eingerichtete Klappen ver— ſchloſſen, die ſchon oben beſchrieben ſind. Auch iſt es ein be⸗ merkenswerther Umſtand, daß die Blaſe-Canaͤle und ihre Klappe bey den verſchiedenen Arten der Wallſiſche nicht auf einerley, ſondern auf verſchiedene Art eingerichtet, und doch ſo beſchaffen ſind, daß bey allen der beabſichtigte Zweck auf das vollkommenſte erreicht wird. [Der gemeine Wallfiſch oder groͤnlaͤndiſche Wallfiſch (ba- laena mysticetus) — vorzugsweiſe der Wallfiſch genannt — iſt ein ſchaͤtzbares, merkwuͤrdiges Thier, das den vornehm— ſten Handelszweig der Polargegenden ausmacht, da es einen *) Scoresby hat ſelbſt merkwuͤrdige Verſuche über die Veränderungen, die verſchiedene Holzarten durch den Druck des Waſſers in großen Tiefen erleiden, angeſtellt. Alle wurden ſo gewaltſam vom Waſſer durchdrungen, daß ſie einen betraͤchtlichen Zuwachs an Gewicht er⸗ hielten, und insgeſamt ſpezifiſch ſchwerer als Seewaſſer wurden. Ein Boot, zu dem Schiffe feines Vaters gehörig, war von einem Wallſiſch unter Waſſer gezogen, und dabey ſo ſehr vom Waſſer durchdrungen worden, daß es ſogar den Wallfiſch, als er getoͤdtet war, zum Sinken brachte, und nur mit groͤßter Muͤhe auf die Oberflaͤche und ins Schiff gebracht werden konnte. Es blieb aber gänzlich unbrauchbar, und ſelbſt das Holz, wovon es gebaut war, konnte nicht einmal zur Feuerung benutzt werden. Account of the Arct- Reg. I. S. 191. ff. 0 reichlichern Ertrag an Oel gewährt, als irgend ein anderes Thier feiner Gattung, und, bey feiner furchtſamern Gemuͤths— art und geringern Behendigkeit, leichter gefangen wird. So betraͤchtlich die Größe des Wallfiſches unſtreitig iſt, ſo hat man ſie, bey dem Hange der Menſchen zum Wunder— baren, doch noch um vieles übertrieben. Viele achtungs— werthe Schriftſteller geben fie zu SO bis 100 Fuß und dar: uͤber an, und behaupten, daß ehedem, als man dieſen Thie— ren weniger nachgeſtellt, und ihnen gleichſam Zeit gelaſſen hätte, ihre volle Große zu erreichen, fie 150 bis 200 Fuß lang geworden waͤren; ja manche aͤltere Naturhiſtoriker be— haupten ſogar, daß man Wallfiſche von mehr als 900 Fuß in der Laͤnge geſehen haͤtte. So groß aber ſind die Wallfiſche heutzutage auf keine Weiſe. Von 322 Individuen, mit deren Fang ich perfonlich beſchaͤftigt geweſen bin, if, glaube ich, nicht einer über 60 Fuß lang geweſen; und der größte, wel⸗ chen ich gemeſſen habe, und der dem Anſehen nach einer der größten war, die mir je vorgekommen ſind, war von einem Ende bis zum andern 58 Fuß lang. Ein ungewoͤhnlich großer Wallfiſch, der vor ungefaͤhr 20 Jahren in der Naͤhe von Spitzbergen gefangen wurde, und beynahe 15 Fuß langes Fiſchbein hatte, maß, ſo viel ich weiß, noch nicht 70 Fuß; und die größte Laͤnge, von der ich gehört habe, die man durch eine wirkliche Meſſung gefunden hat, iſt die, von der uns Carl Gieſeke Nachricht giebt, welcher erzählt, daß im Früh: jahre 1813 bey Godhavn ein Wallfiſch von 67 Fuß Lange ges toͤdtet worden wäre. Solche Beyſpiele find indeß ſehr ſelten. Ich glaube daher, daß man 60 Fuß ſchon als die Lange eines großen Thieres, und 65 Fuß als eine Größe, die ſehr ſelten vorkommt, anſehen kann. Gleichwohl bin ich uͤberzeugt, daß es jetzt eben ſo große Wallfiſche giebt, als zu irgend einer fruͤhern Periode des Wall⸗ fiſchfangs; und ich habe mich bemuͤht, dieſes, aus mancher: Be ley hiſtoriſchen Nachrichten, in einer Vorleſung zu erweiſen, die ich im Dezember 1818 in der Wernerian Society gehal⸗ ten habe, und die darauf in das erſte Stuͤck des Edinb. Philosoph. Journal eingeruͤckt iſt. In dieſem Aufſatze habe ich Zeugniſſe von Zorgdrager, der einer der erſten Auf— ſeher uͤber den hollaͤndiſchen Wallfiſchfang in den noͤrdlichen Meeren war, ingleichen von Anderſon, Gray, Heley und andern, die zu den fruͤheſten engliſchen Wallfiſchfaͤngern gehören, beygebracht, welche hinreichend beweiſen, daß der mittlere ſowohl, als der größte Ertrag an Oel von einem Wallfiſch, vor beynahe zweyhundert Jahren, nicht größer war, als er jetzt iſt. Dieſen Zeugniſſen habe ich die Nach— richten der Capitains Jenkinſon und Edge von der Größe der Wallfifche beygefuͤgt, welche gleichfalls ſehr nahe mit meinen eigenen Meſſungen uͤbereinſtimmen. Jenkinſon hatte auf ſeiner Reiſe nach Rußland, im Jahr 1557, eine Menge Wallfiſche geſehen, von denen einige, ſeiner Schaͤtzung nach, 60 Fuß lang waren, und als „un— geheure Thiere“ beſchrieben werden. Edge, der einer der vornehmſten und fruͤheſten Wallfiſchfaͤnger der ruſſiſchen Han— delsgeſellſchaft war, und ſich zehn Jahre in Spitzbergen auf— gehalten hatte, noch vor 1625, nennt den Wallfiſch „ein Seethier von ungeheurer Große, wohl 65 Fuß lang und 35 Fuß dick“, deſſen Fiſchbein eine Laͤnge von 10 bis 11 Fuß (heutzutage eine gewoͤhnliche Groͤße) haͤtte, und das gegen 100 Faͤſſer ) Oel gaͤbe; und auf einer Kupfertafel in Capitain Edge's Schrift über den Wallfiſchfang, die Purchas 1625 herausgegeben hat, iſt eine Abbildung von einem Wallfifch, mit der beygefuͤgten Anmerkung: „ein Wallfiſch iſt gemohne lich ungefaͤhr 60 Fuß lang.“ *) Hogshead (eigentlich Schweinskopf) ein engliſches Maaß für Fluͤſſigkeiten, wovon 4 auf eine Tonne gehen. = 19 — Hieraus kann man, wie ich glaube, mit allem Recht ſchließen, daß unfere heutigen Wallfiſche den vormaligen an Größe nicht nachſtehen; und ich bemerke nur, daß, wenn man irgendwo glaubwuͤrdige Angaben von wirklichen Meſſungen, die uͤber 70 Fuß betragen, findet, ſich immer zeigen wird, daß nicht von dem eigentlichen Wallfiſche, ſondern von der balaena physalis oder balaena musculus die Rede iſt, Thie— ren, welche jenen an Große beträchtlich uͤbertreffen. Ein ausgewachſener Wallfiſch Hält an dem dickſten Theil ſeines Körpers, welches etwas hinter den Finnen iſt, 30 bis 40 Fuß im Umfange. Der Kopf hat gewiſſermaßen eine dreyeckige Geſtalt. Der untere Theil, deſſen bogenförmige Außenlinie durch die Kinnladen beſtimmt wird, iſt flach, und mißt 16 bis 20 Fuß in der Lange, und 10 bis 12 Fuß in der Breite. Die Unterlippe, die ſich 15 bis 20 Fuß in die Laͤnge und 5 bis 6 Fuß in die Höhe ausdehnt, und die Hoͤhlung des Mundes bildet, ſitzt an der untern Seite der Kinnlade feſt, und ſteigt unter einem Winkel von etwa 80 Graden auf— wärts, und hat, von vorne geſehen, die Geſtalt des Buch— ſtabens U. Die obere Kinnlade, die den Schädel einfaßt, iſt an der vordern Seite unterwaͤrts gebogen, ſo daß ſie die Stirne und die obern Theile der Mundhöhle ſchließt, und iſt von der Oberlippe ſchuppenartig auf beyden Seiten uͤber— deckt. Wenn der Mund offen ſteht, ſo macht er eine Hoͤhlung, die ſo groß iſt wie eine Schiffskammer, und geraͤumig ge— nug, um ein ganz bemanntes Boot eines Kauffardeyſchiffes in ſich zu faſſen, da ſie ſechs bis 8 Fuß weit, 10 bis 12 Fuß hoch, und 15 bis 16 Fuß lang iſt. Die Finnen oder Floſſen, zwey an der Zahl, liegen zwi— ſchen einem Drittel und zwey Fuͤnfteln der Länge des Thie— res, von der Schnauze an gerechnet, und ungefaͤhr zwey „ = Fuß hinter dem Mundwinkel. Sie find 7 bis 9 Fuß lang und 4 bis 5 Fuß breit. Der Theil, mit welchem ſie an dem Koͤrper befeſtigt ſind, iſt etwas elliptiſch und ungefaͤhr 2 Fuß im Durchmeſſer; die untere Seite iſt beynahe flach. Da das Gelenk vollkommen kugelförmig iſt, ſo koͤnnen ſie nach jeder Richtung hin bewegt werden; allein die Spannung des Flei— ſches und der Haut unterhalb macht, daß ſie ſich nicht uͤber den horizontalen Stand erheben laſſen. Daher muß das unrichtig ſeyn, was einige Naturforſcher berichtet haben, daß der Wallfiſch ſein Junges, vermittelſt der Floſſen, auf ſeinem Ruͤcken halte. Die Floſſen ſind, nach dem Tode des Thieres, immer hart und ſteif; bey lebenden Thieren aber müſſen ſie, nach ihrem innern Bau zu urtheilen, betraͤcht— lich biegſam ſeyn. Der Wallfiſch hat keine Ruͤckenfloßfeder. Der Schwanz, der auf jeder Seite 80 bis 100 Quadrat— fuß Fläche hält, iſt ein furchtbares Werkzeug zur Bewegung und Vertheidigung. Seine Laͤnge betraͤgt nur 5 oder 6 Fuß; aber feine Breite 18 bis 24 oder 26 Ruß, Die Lage deſſel⸗ ben iſt horizontal. Seiner Geſtalt nach iſt er flach und halb— mondfoͤrmig, in der Mitte ausgeſchnitten; die beyden Blaͤt— ter gehen etwas ſpitzig zu, und die Spitze iſt ein wenig hin— terwaͤrts gekehrt. Seine Bewegungen ſind ſchnell, ſeine Kraft ungeheuer. 0 Die Augen liegen an den Seiten des Kopfes, ungefaͤhr einen Fuß ſchraͤg uͤber und hinter dem Mundwinkel. Sie find auffallend klein, im Verhaͤltniß zu der Größe des Thie— res, wenig großer als ein Ochſenauge. Die Blaſeloͤcher (von deren Beſchaffenheit ſchon oben geſprochen iſt) liegen ungefaͤhr 16 Fuß von dem vordern Theil der obern Kinnlade. Sie find die eigentlichen Naſen— loͤcher des Wallfiſches. Ein feuchter Dampf, mit Schleim vermiſcht, wird aus ihnen herausgeſtoßen, wenn das Thier athmet; aber kein Waſſer iſt damit verbunden, wofern nicht | das Ausathmen unter der Oberfläche des Meeres geſchieht. Der Rachen enthaͤlt, anſtatt der Zaͤhne, zwey lange Reihen von Barden oder Fiſchbein, die an den Seiten des Schaͤdels feſtſitzen. Sie ſind im allgemeinen der Laͤnge nach gekruͤmmt, obwohl ſie bisweilen gerade gehen, und geben dem obern Theile des Rachens eine bogenförmige Geſtalt. Sie ſind unmittelbar von den Lippen bedeckt, die an dem untern Theil der Kinnlade feſtſitzen, und ſchließen zwiſchen ihren aͤußerſten Enden die Zunge ein. Jede Reihe beſteht aus mehr als 300 einzelnen Stuͤcken “) oder Blättern; die laͤngſten ſitzen ungefaͤhr in der Mitte, und von da nehmen ſie nach beyden Seiten hin immer mehr ab, bis auf nichts. Funfzehn Fuß iſt die groͤßte Laͤnge des Fiſchbeins, aber 10 bis 11 Fuß iſt die mittlere Größe, und 13 Fuß iſt eine Laͤnge, die man ſchon ſelten findet. Die groͤßte Breite, die es an dem Theile hat, womit es im Gaumenfleiſch ſitzt, beträgt 10 oder 12 Zoll. Die Blaͤtter, welche die beyden Reihen von Fiſchbein ausmachen, laufen parallel mit ihrer breiten Seite gegen einander gekehrt, in einem Abſtand von zwey Dritteln eines Zolles (die Dicke des Blattes mitgerechnet“ und gleichen einem Satz von Sägen in einer Schneidemuͤhle. Die innern Ränder find mit Franſen von Haaren beſetzt, und der aͤußere Rand eines jeden Blattes, einige wenige an ei— nem jeden Ende der Reihe ausgenommen, iſt unterwaͤrts gekruͤmmt und abgeplattet, fo daß gegen die Lippen eine glatte Flaͤche gekehrt iſt. Bey manchen Wallfiſchen findet ſich an vielen der mittlern Barden, in regelmaͤßigen Zwi— — nn ee ud ) In einem ſehr kleinen Fiſch betrug ihre Anzahl;316 oder 320. Se⸗ z) Die größte Dicke eines Blattes giebt Scoresby an einem andern Orte zu ? bis 2 Zoll an; folglich beträgt der Zwiſchenraum zwiſchen twey zunächſt ſtehenden Blättern 2 bis 7% Zoll. N ſchenraͤumen von 6 bis 7 Zollen, eine ſonderbare Vertiefung auf der einen, und eine Erhöhung auf der andern Seite. Sollte dieſes nicht, gleich den Ringen an den Hornern der Ochſen, womit es einige Aehnlichkeit hat, eine Andeutung von dem Alter des Thieres geben? Wäre dieß, fo würde die doppelte Anzahl der laufenden Fuße von dem laͤngſten Blatte des Fiſchbeins am Kopfe eines nicht ausgewachſenen Wallfiſches das Alter deſſelben in Jahren ausdrücken". In den juͤngſten Wallfiſchen, die man Sauger nennt, iſt das Fiſchbein nur wenige Zoll lang; erreicht die Laͤnge deſſel— ben 6 Fuß und darüber, fo heißt der Fiſch ſchon tüchtig oder tauglich). Die Farbe des Fiſchbeins iſt braͤunlich— ſchwarz oder blaͤulich-ſchwarz; bisweilen iſt es der Laͤnge nach weiß geſtreift. Wenn es eben gereinigt iſt, ſo zeigt die Oberflaͤche ein huͤbſches Farbenſpiel. Ein großer Wallfiſch giebt bisweilen anderthalb Tonnen Fiſchbein! ). Wenn das „Probeblatt“, das iſt das groͤßte von der ganzen Reihe, 7 Pfund wiegt, ſo kann der ganze Ertrag auf eine Tonne geſchaͤtzt werden, und ſo nach Verhaͤltniß. Das Fiſchbein iſt in dem Schaͤdel in eine Art von Fuge eingelaſſen. Alle Blätter derſelben Reihe find durch das Gaumenfleifch zuſam— men verbunden, in welches das dicke Ende derſelben hinein— geht. Das Gaumenfleiſch iſt weiß, faſerig, zart und ge— ſchmacklos. Es ſchneidet ſich wie Kaͤſe, und hat das Anſe— hen, wie das Inwendige oder der Kern einer Kokusnuß. *) Unter laufenden Fußen werden die nach der Länge gemeſſenen Fuße, im Gegenſatz der Quadrat- und Cubikfuße, verſtanden. Da nun die oben erwaͤhnten Erhoͤhungen und Vertiefungen in einem Ab— ſtand von etwa einem halben Fuß von einander liegen, ſo iſt die Anzahl derſelben an einem Stuͤck Fiſchbein noch einmal ſo groß, als die Laͤnge deſſelben in Fußen betraͤgt. **) Im Engliſchen: a- size - fish, welches ſchon oben erklaͤrt iſt. 9 D. i. 3360 Pfund. = 431 = Die Zunge nimmt einen großen Theil von der Mundhöhle und dem Gewölbe, welches das Fiſchbein bildet, ein. Sie kann nicht ausgeſtreckt werden, da ſie von der Wurzel bis an die Spitze mit dem Fett zuſammenhaͤngt, das an den Kinnladen ſitzt. Ein duͤnner Bart, der aus wenigen kurzen weißen Haa— ren beſteht, ſitzt auf dem vorderſten Theile beyder Lippen. Die maͤnnliche Ruthe iſt ein großes biegſames Glied, und ſteckt in einer laͤnglichen Scheide, deren aͤußere Oeff— nung 2 bis 3 Fuß lang iſt. Bey todten Thieren iſt ſie 8 bis 10 Fuß lang, und ungefähr 6 Zoll an der Wurzel im Durchs meſſer. Sie läuft ſpitzig zu, und iſt der Länge nach durch den Uringang durchbohrt. Das Weibchen hat zwey Bruͤſte, die an dem Unterleibe ſitzen, auf jeder Seite der Geburtstheile eine, beyde 2 Fuß auseinander. Sie ſcheinen keiner Verlaͤngerung von mehr als ein paar Zoll fähig zu ſeyn. Bey dem todten Thiere findet man ſie immer zuruͤckgezogen. Die Milch des Wallfiſches gleicht in ihrem Anſehen der Milch anderer Saͤugethiere. Sie ſoll fett und wohlſchme— ckend ſeyn. 4 Der After iſt ungefähr 6 Zoll hinter den Geburtstheilen bey dem weiblichen, und etwas weiter von dem Zeugungs— gliede bey dem männlichen Waͤllfſiſche. Die Farbe des Wallfiſches iſt ſchwarz, wie Sammet, grau (eigentlich eine Miſchung von ſchwaͤrzlich-braun auf weißem Grunde) und weiß mit einem Anſtrich von gelb. Der Ruͤcken, der größte Theil des Oberkiefers, und ein Theil — 188 — des Unterkiefers), nebſt den Floßfedern und dem Schwanze ſind ſchwarz. Die Zunge, der vordere Theil des Unterkiefers und der Lippen, bisweilen auch ein weniges an dem aͤußer— ſten Rande des Oberkiefers, und ein Theil des Bauches ſind weiß. Die Augenlieder, der Theil, wo der Schwanz mit dem Koͤrper verbunden iſt, ein Theil der Gelenkhoͤhlen der Floßfedern, find grau. Ich habe Wallfiſche geſehen, die uͤber und uͤber ſcheckig waren. Aeltere Thiere ſind groͤß— tentheils grau und weiß; Wallfiſche, die noch nicht die (zum Fang) taugliche Große haben, ſind blaͤulich-ſchwarz, und Sauger haben eine bloß blaue oder blaͤulich-graue Farbe. Die Haut am Körper iſt mit leichten Furchen, gleich den Waſſerlinien in grobem Papier, durchzogen. Am Schwanz, den Floſſen u. ſ. w. iſt ſie glatt. Die Oberhaut, oder derjenige Theil der Haut, der leicht in duͤnnen Blaͤt— tern abgezogen werden kann, wenn ſie ein bischen an der Luft und vorzuͤglich in der Kälte getrocknet iſt, iſt nicht dicker als Pergament. Die Schleimhaut iſt, bey erwachſenen, an den meiſten Theilen des Körpers, ungefaͤhr drey Viertel Zoll dick; bey ſaugenden beynahe zwey Zoll; aber an der untern Seite der Floſſen, an der innern Seite der Lippen, und an der Oberfläche der Zunge iſt ſie viel duͤnner. Gemeiniglich iſt ſie, ihrer ganzen Dicke nach, durchaus von einerley Farbe. Die Fibern, aus denen ſie beſteht, gehen ſenkrecht auf die Oberflache des Körpers. Unter der Schleimhaut liegt die eigentliche Haut, welche weiß und zaͤhe iſt. Ihre wahre Dicke laͤßt ſich nicht leicht beſtimmen, weil ſie anfangs un— merklich, nachher, je tiefer man kommt, deſto mehr von Oel durchdrungen iſt, und allmaͤhlig in den eigentlichen Speck *) Im Engliſchen: „Most of the upperjaw, and part of the lower jaw“ — es verſteht ſich, daß der fleiſchigte Ueberzug des Ober- und Unterkiefers — was bey andern Saͤugethieren das Zahnfleiſch iſt — den man nur äußerlich ſehen kann, gemeint iſt. | = 189 — ubergeht. Der dichteſte Theil mag vielleicht einen Viertels⸗ zoll dick ſeyn. Unmittelbar unter der Haut liegt der Speck oder das Fett, das den ganzen Korper des Thieres, nebſt den Floſſen und dem Schwanze, umkleidet. Die Farbe deſſelben iſt gelblich-weiß, gelb oder roth. An ſehr jungen Thieren iſt es immer gelblich- weiß. Bey manchen alten gleicht es in ſeiner Farbe dem Fleiſch des Lachſes. Es ſchwimmt im Waſſer. Die Dicke deſſelben rund um den Koͤrper geht von 8 oder 10 bis zu 20 Zoll, und iſt ſowohl an verſchiedenen Theilen, als bey verſchiedenen Thieren verſchieden. Die Lippen beſtehen faſt ganz aus Speck, und geben jede eine bis zwey Tonnen reines Oel. Die Zunge beſteht vorzüglich aus einer weichen Art von Fett, das weniger Oel giebt, als ein anderer gleich großer Theil des Specks. In der Mitte und gegen die Wurzel der Zunge iſt das Fett mit muskelartigen Fibern durchzogen. Der uͤbrige Theil des Unterkopfes, au— ßer der Kinnlade, beſteht faſt ganz aus Fett, und auch der Schaͤdel iſt mit einer betraͤchtlichen Schicht davon bedeckt. Die Floſſen ſind vorzuͤglich Speck, Sehnen und Knochen, und der Schwanz enthaͤlt einen duͤnnen Ueberzug von Speck. Das Oel ſcheint in dem Speck in kleinen Zellen enthalten zu ſeyn, die durch ein ſtarkes Netz von ſehnigten Faſern zuſam— men verbunden find. Dieſe Faſern ſcheinen, indem fie an der Oberflache dicht zuſammengehen, die Subſtanz der Haut zu bilden. Das Oel wird durch die Hitze herausgetrieben, und geht großentheils von ſelbſt aus den zerſchnittenen Speck— ſtuͤcken heraus, wenn der ſehnigte Theil des Specks in Faͤul— niß uͤbergeht. Der Speck und das Fiſchbein ſind die Gegen— ſtaͤnde, um derentwillen der Wallfiſch gefangen wird. Das Fleiſch und die Knochen werden zuruͤckgelaſſen, ausgenom— men bisweilen die Kinnladen. Der Speck hat, ſo lange er friſch iſt, durchaus keinen unangenehmen Geruch; und erſt nach Beendigung der Reiſe geſchieht es, daß ein Groͤnlands— fahrer einen widrigen Geruch bekommt, wenn feine Ladung nicht mehr verpackt iſt. Vier Tonnen Speck, dem Maaße nach, geben gewöhn— lich drey Tonnen Oel“); aber der Speck eines Saugers enthaͤlt nur eine ſehr geringe Menge. Man hat Wallfiſche gefangen, die beynahe 30 Tonnen reines Oel gaben; und ſolche, die 20 Tonnen geben, ſind keineswegs ſelten. Die Menge Oel, welche ein Wallfiſch giebt, ſteht gemeiniglich in einem beſtimmten Verhaͤltniß mit der Laͤnge ſeines laͤngſten Fiſchbeins. Die folgende Tafel giebt dieſes Verhaͤltniß, nach einem mittlern Anſchlage, an. I E A ee TG Länge des Fiſchbeins & 8 AR in Fußen. 1|2 2 118 2 Ertrag an Del 121210223 283 in Tonnen. 2174 25 Daß bisweilen Ausnahmen hiervon vorkommen, ver— ſteht ſich von ſelbſt. So weiß ich z. B., daß einmal ein Wallftſch von 23 Fuß Fiſchbein beynahe 10 Tonnen Oel gab; dagegen ein anderer mit 12 Fuß Fiſchbein, nur 9 Tone nen. Indeſſen ſind ſolche Beyſpiele ſehr ſelten. Von einem großen Wallfiſch, der 60 Fuß lang und 70 Tonnen ſchwer iſt, wiegt der Speck etwa 30 Tonnen; die Knochen des Kopfes, das Fiſchbein, die Floſſen und der Schwanz 8 bis 10, und der uͤbrige Theil des Rumpf 30 bis 32. Das Fleiſch eines jungen Wallſſches hat eine rothe Farbe, und wenn es vom Fett gereinigt, auf dem Roſt ge— *) Die Tonne Oel haͤlt 252 Gallons Weinmaaß. Sie wiegt, bey einer Temperatur von 60°, 1933 Pf. 12 Unz. 14 Dr. Avoirdupois. S. = AA — braten, und mit Pfeffer und Salz gewuͤrzt wird, fo ſchmeckt es wie derbes Rindfleiſch; hingegen das Fleiſch von alten Wallfiſchen ſieht beynahe ſchwarz aus, und iſt uͤberaus grob. Von der ungeheuern Maſſe von Muskeln, die den Korper umgiebt, dient ein großer Theil zur Bewegung des Schwan— zes. Der Schwanz beſteht vornehmlich aus zwey netzartigen Lagen von ſehnigten Fibern, die dicht in einander geflochten ſind und ſehr wenig Oel enthalten. In der Mitte laufen die Fibern nach allen Richtungen; in den uͤbrigen Theilen ſind ſie auf eine regelmaͤßige Art geordnet. Dieſe Subſtanz wird viel gebraucht, beſonders in Holland in den Leimſiede— reyen. Die meiſten Knochen des Wallfiſches ſind ſehr porog, und enthalten eine große Menge huͤbſches Oel. Die Kinnla— den, die 20 bis 25 Fuß lang ſind, werden bisweilen mitge— nommen, vornehmlich wegen des Oels, das aus ihnen her— austraͤufelt, wenn ſie in ein warmes Klima kommen. Wenn fie von Oel frey find, ſchwimmen fie auf dem VPaſſer “). Die aͤußere Oberflaͤche der meiſten poröſen Knochen iſt dicht und feſt. Die Ribben find fat durchgehends dicht; aber der Schädel iſt beynahe eben fo porös, wie die Kinnladen. Die Anzahl der Ribben iſt, nach Carl Gieſecke, dreyzehn auf je der Seite. Die Knochen der Floſſen haben in ihrem Ver— haͤltniß und ihrer Zahl eine Aehnlichkeit mit den Knochen der menſchlichen Finger. Daher hat Dr. Fleming die Floſ— ſen Schwimmtatzen genannt. Der hintere Theil des *) Es koͤnnte auffallend ſcheinen, daß ein Koͤrper durch den Verluſt des Oels, welches ſpezifiſch leichter als Waſſer iſt, zum Schwim— men gebracht werden ſoll. Man muß ſich aber vorſtellen, daß in die Poren des Knochens an die Stelle des Oels Luft tritt, wo— durch das abſolute Gewicht des Knochens betraͤchtlich vermindert wird. Kann alſo das Waſſer nicht in die Poren eindringen, ſo iſt es be— greiflich, daß der Knochen ſchwimmt. Körpers iſt ein wirklicher Schwanz, indem das Ende des Ruͤckgrats oder das Kuckucksbein (os coccygis) mitten durch denſelben faſt bis an den aͤußerſten Rand geht. Man hat nur ſelten Gelegenheit, den innern Bau eines Wallfiſches zu unterſuchen; was man daher von dieſem weiß, iſt meiſtens von ſeiner Aehnlichkeit mit andern Thieren dieſer Gattung abgeleitet. Der Gehoͤrsſinn des Wallfiſches ſcheint ſtumpf zu ſeyn. Ein Geraͤuſch in der Luft, z. B. wenn jemand aufſchreyt, bemerkt er, ſelbſt in der Entfernung einer Schiffslaͤnge, nicht; hingegen macht auch ein geringes Plaͤtſchern im Waſſer, bey ruhigem Wetter, ihn aufmerkſam und ver— ſcheucht ihn. b Sein Geſicht iſt ſcharf. Man bemerkt bisweilen, daß ein Wallfiſch den andern in klarem Waſſer, unter der Ober— fläche, in einer erſtaunenden Entfernung wahrnimmt. Auf der Oberflaͤche aber koͤnnen ſie nicht weit ſehen. Sie haben keine Stimme; aber wenn ſie Athem holen oder blaſen, ſo machen ſie ein ſehr lautes Geraͤuſch. Der Dampf, welchen ſie ausſtoßen, ſteigt einige Ellen hoch und ſieht von weitem wie ein hervorſchießender Rauch aus. Iſt das Thier verwundet, ſo iſt der Dampf oft mit Blut gefaͤrbt, und bey der Annaͤherung des Todes ſtroͤmt bisweilen lauter Blut heraus. Sie blafen am ſtaͤrkſten, dichteſten und lau— teſten, wenn ſie in vollem Lauf begriffen ſind, wenn ſie auf— geſcheucht und in Unruhe geſetzt werden, oder wenn ſie zu— erſt auf der Oberflache erſcheinen, nachdem fie lange unter Waſſer geweſen find. Sie blafen ungefähr vier oder fünf: mal in einer Minute. Da der Wallfiſch etwas ſpezifiſch leichter, als das See— waſſer iſt, ſo kann er an der Oberflaͤche, mit ſeinem Scheitel | er und einem beträchtlichen Theil des Ruͤckens, über Waſſer bleiben, ohne die geringſte Anſtrengung oder Bewegung. Herabzuſteigen aber erfordert eine Anſtrengung. Derjenige Theil ſeines Koͤrpers, welcher uͤber dem Waſſer hervorragt, wenn das Thier lebt oder nur eben getoͤdtet iſt, beträgt wahr: ſcheinlich nicht den zwanzigſten Theil deſſelben; aber in Zeit von einem Tage nach dem Tode, wenn die Faͤulniß angefan— gen hat, ſchwillt der Fiſch zu einer ungeheuern Groͤße, ſo daß wenigſtens ein Drittheil des Ganzen zum Vorſchein kommt, und der Körper bisweilen durch die in ihm erzeugte Luft von einander berſtet. Vermittelſt des Schwanzes geht der Wallfiſch im Waſſer vorwaͤrts. Die größte Geſchwindigkeit bewirkt er durch Fräf: tige Schläge, die er mit demſelben abwechſelnd auf- und nie: derwaͤrts gegen das Waſſer thut; eine langſame Bewegung aber kann er, glaub' ich, fuͤglich dadurch hervorbringen, daß er das Waſſer ſeitwaͤrts und ſchief hinunterwaͤrts ſchlaͤgt, auf ähnliche Art wie ein Boot mit einem einzelnen Ruder, durch das ſogenannte Wricken „, fortgetrieben wird. Die Floſſen ſind insgemein in horizontaler Richtung ausgeſtreckt, und ihre Haupt: Beffimmung ſcheint zu ſeyn, den Korper im Gleich— gewicht zu erhalten; denn in dem Augenblick, da das Thier ſtirbt, faͤllt es auf die Seite oder kehrt ſich auf den Ruͤcken um. Es ſcheint auch, daß ſie gebraucht werden, um die Jungen wegzutragen; und die Richtung, beym Fortſchwim— men, zu aͤndern. So plump der Koͤrper eines Wallfiſches iſt, und ſo un— behuͤlflich er zu ſeyn ſcheint, ſo ſind doch ſeine Bewegungen nichts weniger als ungeſchickt oder langſam. Ein Wallfiſch, D AIJſt ein beſonderes Verfahren, ein Boot durch ſchnelle Drehung eines Ruders am Hintertheil, vorwaͤrts zu bewegen. 13 — 194 — der ohne ſich zu ruͤhren auf der Oberflaͤche ruht, kann in 5 oder 6 Sekunden außer dem Bereich ſeiner Verfolger ſeyn; und es iſt ſchon oben bemerkt worden, mit welch einer un⸗ glaublichen Geſchwindigkeit er fortſchießt, wenn er ſich von der Harpune getroffen fuͤhlt. Indeſſen haͤlt dieſe große Schnelligkeit nur wenige Minuten an. Sein gewohnlicher Gang, wenn er von einem Ort zum andern ſchwimmt, be⸗ trägt ſelten mehr als 4 Meilen in einer Stunde. Bisweilen fährt er mit einer ſolchen Heftigkeit gegen die Oberflache, daß er ganz uͤber dieſelbe herausſpringt; und dieß geſchieht, wie es ſcheint, zum Zeitvertreib, zu großer Verwunderung des entfernten Zuſchauers; aber zu nicht geringem Schrecken des unerfahrnen Schiffers in der Naͤhe, zumal wenn der toll: kuͤhne Harpunirer gerade alsdann befiehlt vorwärts zu rudern, um einen Angriff zu machen. Bisweilen ſtellt ſich der Wall⸗ fiſch mit dem Kopfe gerade niederwaͤrts, und hebt den Schwanz in die Luft und ſchlaͤgt auf das Waſſer mit furchtbarer Ge: walt. In beyden Faͤllen wird das Meer zu Schaum geſchla— gen, und die Luft weit umher mit Waſſerdunſt erfullt. Das Getöſe das dabey entſteht, wird, bey ſtillem Wetter, in gro: ßer Entfernung gehort, und die wogenden Kreiſe verbreiten ſich auf eine anſehnliche Weite. Bisweilen ſchuͤttelt der Wall⸗ fifch feinen furchtbaren Schwanz mit einer Heftigkeit in der Luft, daß man es zwey bis drey Meilen weit hoͤren kann. Gewöhnlicherweiſe bleibt der Wallfiſch, wenn er athmen will, ungefaͤhr zwey Minuten an der Oberflaͤche, ſelten laͤnger; und in dieſer Zeit blaͤſt er acht- oder neunmal; alsdann taucht er unter und bleibt etwa 5 oder 10 Minuten aus; bis⸗ weilen auch, wenn er auf Nahrung ausgeht, 15 bis 20 Min. Die Tiefe, zu welcher er gewohnlich herabſteigt, iſt unbe⸗ kannt, wiewohl man aus der wirbelnden Bewegung des Waſ— ſers an der Oberflache, die man gelegentlich beobachtet hat, ſchließen kann, daß ſie nur gering iſt. Iſt er aber verwun⸗ det, ſo geht er in große Tiefen herab, und zwar mit einer era — ſolchen Geſchwindigkeit, daß man Beyſpiele hat, daß die Kinnladen oder der Schädel durch das Aufſtoßen gegen den Boden zerbrochen wurden. Manche glauben, daß der Wall: fifch, wenn er ungeſtoͤrt iſt, mehrere Stunden nach einander unter Waſſer aushalten kann. Selten findet man ihn ſchla— fend; bisweilen ſind jedoch, bey ruhigem Wetter und zwi⸗ ſchen dem Eiſe, auch hiervon Beyſpiele vorgekommen. \ Die Begattung der Wallfiſche hat man oft in der letztern Haͤlfte des Sommers beobachtet, und da man Weibchen, die ihre Jungen mit ſich führen, meiſtens im Fruͤhjahr antrifft, ſo kann man annehmen, daß ſie im Februar oder Maͤrz wer⸗ fen, und daß ſie die Frucht 9 oder 10 Monate bey ſich tra⸗ gen. Gegen Ende Aprils 1811 wurde ein junger Waͤllſtſch von einem Schiffer aus Hull gefangen, der noch die Nabel⸗ ſchnur an ſich hatte. Der Wallfiſch bringt nur ein Junges auf einmal zur Welt. Beyſpiele von zwey Jungen bey ei: nem alten ſind ſehr ſelten. Das Junge ſoll bey der Geburt wenigſtens zehn, wo nicht 14 Fuß lang ſeyn. Es geht un⸗ ter der Leitung der Mutter ein Jahr und daruͤber, oder ſo lange, bis es durch das Wachsthum des Fiſchbeins in den Stand geſetzt iſt, ſich ſelbſt ſeine Nahrung zu verſchaffen. Vorausgeſetzt, daß es mit dem oben angegebenen Merkmale des Alters ſeine Richtigkeit hat, naͤmlich, daß die Zahl der Jahre ſich aus den Vertiefungen im Fiſchbein abnehmen laſſe, wurde der Wallfiſch die Größe, bey welcher fein Fiſchbein 6 Fuß lang iſt, in 12 Jahren erreichen, und in 20 oder 25 Jahren völlig ausgewachſen ſeyn. Daß Wallfiſche ein hohes Alter erreichen, iſt nicht zu bezweifeln. Die Zeichen des Al⸗ ters ſind: die größere Menge von Grau in der Haut, und eine Aenderung der weißen Theile am Kopfe ins Gelbliche; ferner eine geringere Menge von Oel bey einem gewiſſen Ge⸗ icht von Speck, endlich eine größere Feſtigkeit des Speckes und eine groͤßere Dicke und Zaͤhigkeit der Fibern in dem⸗ ſelben. 13 * 55 Die muͤtterliche Liebe des Wallfiſches, der, in anderen Ruͤckſichten, ein ſtumpfſinniges Thier zu ſeyn ſcheint, iſt auf: fallend und merkwuͤrdig. Das Junge, das die Gefahr nicht kennt, wird leicht harpunirt; alsdann zeigt ſich die Zaͤrtlich— keit der Mutter in einem ſo hohen Grade, daß ſie dadurch oft in die Gewalt der Wallfiſchfaͤnger geraͤth. Wenn daher gleich ein Junges von geringem Werth iſt, da es ſelten mehr als eine Tonne Oel, und oft weniger giebt, ſo wird doch bis— weilen Jagd darauf gemacht, um die Mutter herbeyzulocken. Dieſe eilt ſogleich zu dem verwundeten Jungen, ſteigt mit ihm auf die Dberfläche, um zu athmen, treibt es an fortzu⸗ ſchwimmen, ſucht ihm bey der Flucht behuͤlflich zu ſeyn, in: dem ſie es unter ihre Floſſe nimmt, und verlaͤßt es ſelten, ſo lange es noch lebt. Alsdann iſt es gefaͤhrlich, ſich ihr zu nähern, aber ſie giebt dabey oft Gelegenheit, angegriffen zu werden. Aus Angſt für die Erhaltung ihres Sproͤßlings, ſetzt ſie alle Ruͤckſichten fuͤr ihre eigene Sicherheit bey Seite, faͤhrt mitten durch ihre Feinde hindurch, verachtet die Ge— fahr, welche ihr droht, und bleibt freywillig bey ihrem Jun— gen, ſelbſt wenn ſchon mehrere Harpunen ſie getroffen ha— ben. Im Juny 1811 harpunirte einer von meinen Harpuni⸗ rern einen jungen Wallfiſch, in der Hoffnung die Mutter dadurch zu fangen. Sogleich kam dieſe an die Oberflaͤche ganz nahe bey dem Bote des Harpunirers, ergriff das Junge, und riß es ein hundert Faden lang mit ausnehmen— der Gewalt und Schnelligkeit mit ſich fort. Darauf kam ſie wieder empor, ſchoß wuͤthend hin und her, hielt oft inne oder änderte oft plotzlich ihre Richtung, und gab alle Zeichen der hoͤchſten Angſt. So fuhr fie eine lange Zeit fort, ob: gleich beſtaͤndig von den Booten gedraͤngt. Endlich kam ei⸗ nes derſelben ihr ſo nahe, daß eine Harpune nach ihr ge— worfen wurde. Sie traf, aber blieb nicht ſitzen. Es wurde eine zweyte Harpune geworfen, auch dieſe drang nicht ein, eine dritte hingegen war wirkſamer und hielt feſt. Gleich— wohl verſuchte ſie nicht zu entfliehen, ſondern ließ auch die Te ee andern Bote nahe Eommen, fo daß fie in wenigen Minuten noch drey Harpunen empfieng, und in Zeit von einer Stunde getoͤdtet war. Gewiß iſt es etwas höͤchſt peinliches, ein Thier unter ſolchen Umſtaͤnden zu tödten, wo es einen Grad von Zaͤrt— lichkeit und Selbſtaufopferung beweiſt, der einem vernuͤnfti— gen Weſen Ehre machen wuͤrde; gleichwohl iſt der Fang ei— nes Wallfiſches für den Wallfiſchfaͤnger ein Gegenſtand von fo großer Wichtigkeit, daß er ſich um ſeinetwillen tauſendfa— chen Gefahren und Beſchwerden ausſetzt, und daher die Er— reichung ſeines Zweckes, und ſelbſt die Freude eines gelunge— nen Fanges nicht den Gefuͤhlen des Mitleids aufopfern kann. Ob man gleich Wallfiſche oft in großer Menge beyſam— men findet, ſo kann man doch nicht fuͤglich ſagen, daß dieſe Thiere heerdenweiſe zu leben pflegen, denn die meiſte Zeit werden fie nur einzeln oder paarweiſe angetroffen, außer wenn fie durch den Reichthum an Futter, oder durch die gün— ſtige Lage des Eiſes auf denſelben Platz gefuͤhrt werden. Was die Menge derſelben in Beziehung auf beyde Ge— ſchlechter betrifft, fo ſcheint ein Uebergewicht auf Seiten des maͤnnlichen Geſchlechtes ſtatt zu finden. Von 124 Wallfi⸗ ſchen, die in acht Jahren in der Naͤhe von Spitzbergen, durch Schiffe unter meiner Fuͤhrung, gefangen wurden, waren 70 maͤnnlichen, und 54 weiblichen Geſchlechts; alſo ein Verhaͤltniß von 5 zu 4 beynahe. Der Wallfiſch wird in den eiſigen Meeren von Groͤnland und der Davisſtraße, in der Baffins- und Hudſonsbay, in dem Meere nordwaͤrts von der Behringsſtraße, und längs einigen Theilen der nördlichen Kuͤſte von Aſien, und wahr— ſcheinlich auch von Amerika in Menge angetroffen. Niemals aber findet man ihn in der Nordſee, und ſelten innerhalb 200 Meilen von den brittiſchen Kuͤſten; dagegen erſcheint er an den — 198 — Kuͤſten von Afrika und Südamerika periodenweiſe in be⸗ trächtlicher Anzahl. In dieſen Gegenden wird er ſowohl von brittiſchen und amerikaniſchen Wallſtſchfaͤngern, als von den Bewohnern jener Kuͤſten gefangen. Ob aber dieſer Wall— fiſch genau von derſelben Art, wie der von Spitzbergen und Groͤnland iſt, iſt ungewiß, doch gehoͤrt er offenbar zu der— ſelben Gattung. Ein auffallender Unterſchied, vielleicht eine Folge des Ortes und des Klima's, iſt, daß der ſuͤdliche Wallfiſch oft mit einer Muſchel, der ſogenannten Wallfiſch⸗ Pocke (Lepas Diadema) bedeckt iſt, während der noͤrdliche frey davon iſt. Es würde merkwuͤrdig ſeyn, wenn ein Thier, wie der Wall⸗ fiſch, das ſo furchtſam iſt, daß ein Vogel, der ſich auf ſeinen Ruͤ⸗ cken ſetzt, ihm oft große Unruhe und Schrecken verurſacht, keine Feinde haben ſollte. Außer dem Menſchen, welcher ee fein aͤrgſter Feind iſt, wird er vom Hayfiſch verfolgt, und, w man ſagt, auch vom Narwal, vom Schwerdtſiſch und vom 1 drachen. Was den Narwal anbetrifft, fo bin ich überzeugt, daß die e irrig iſt; denn dieſer iſt ſo weit entfernt, ein Feind des Wallſiſches zu ſeyn, daß man ihn oft in Geſell⸗ ſchaft deſſelben in groͤßter Eintracht mit ihm findet; und er wird von den Schiffern, die ſeine Erſcheinung gerne ſehen, als ein Vorbote des Wallſiſches betrachtet. Der Schwerdt⸗ fiſch aber und der Seedrache (wenn es anders ein ſolches Thier giebt) koͤnnen vielleicht Feinde des Wallfiſches ſeyn; doch bin ich nie Zeuge eines Kampfes zwiſchen ihnen geweſen. Von dem Hayfiſch iſt es gewiß, daß er den Wallfiſch anfein⸗ det, doch iſt er wohl kein ſehr furchtbarer Gegner deſſelben. In der That vermeiden die Wallſiſche die Plätze, wo der Hay ſich in Menge aufhält, und man findet bisweilen in ih⸗ rem Schwanze deutliche Spuren von dem Biß deſſelben. Es laͤßt indeſſen ſich kaum denken, daß ein lebendiger Wall: fiſch von einem Hay follte befiegt werden können, wenn er auch von ihm beunruhigt wird; aber ein todter Wallfiſch 1 kann leicht ſeine Beute werden, und gewaͤhrt dieſem a ßigen Thiere eine herrliche Mahlzeit. | Das Fleiſch des Wallfiſches iſt fir manche Bewohner der nördlichen Kuͤſten von Europa, Mfien und Amerika ein vorzuͤgliches Nahrungsmittel. Die Eskimo's trinken auch das Wallfiſchöl mit Begierde. Manche Stämme, die mit geiſtigen Getraͤnken unbekannt ſind, nehmen in ihren Kaͤhnen, beym Fiſchfang, Blaſen mit Del gefüllt mit, die fie auf eben die Art und mit eben dem Wohlbehagen gebrauchen, als ein brittiſcher Matroſe ſein Schnapsglaͤschen. Sie eſſen auch die Haut des Wallfiſches roh, und zwar Kinder ſowohl als Erwachſene. Denn es iſt nicht ſelten bey ihnen, daß, wenn ihre Weiber die europaͤiſchen Wallfiſchfaͤnger beſuchen, fie ein Stuͤck Haut zu bekommen ſuchen, beſonders ein ſolches, woran noch etwas Speck ſitzt, und es ihren Kindern, die auf ihrem Ruͤcken hängen, geben, welche es mit ſichtbarem Up: petit ausſaugen. Wenn der Speck eingepoͤckelt und gekocht wird, ſoll er recht gut ſchmecken; auch der Schwanz ſoll, bey einer gehörigen Zubereitung, nicht uͤbel ſeyn; und daß das Fleiſch von jungen Wallfiſchen ſich recht wohl eſſen laͤßt, weiß ich aus eigener Erfahrung. Die Indianer und Eskimo's machen auch von andern, geringern Theilen des Wallfiſches Gebrauch; ja einigen Voͤl— kerſchaften find dieſe zu einem behaglichen Zuſtande unentbehr- lich. Manche Haͤute des Unterleibes ſind fuͤr ſie ein Haupt⸗ artikel zu Kleidungen, und das Bauchfell dient ihnen, wegen ſeiner Durchſichtigkeit, ſtatt des Glaſes in den Fenſtern ihrer Huͤtten; die Knochen werden zu Harpunen und Sparren ver— arbeitet, zu Stutzen in ihren Zelten, und von manchen zu Gerippen ihrer Boote angewandt; die Sehnen ſpalten ſie in Faden und brauchen fie als Zwirn, um die Haute an ihren Booten und Zelten zuſammen zu naͤhen, und die Naͤtherey an ihren Kleidungsſtuͤcken verfertigen fie mit großer Geſchick— — 200 — lichkeit und Nettigkeit. Auch von dem Fiſchbein und den wichtigern Produkten des Wallfiſches, die in Europa geſchaͤtzt werden, wiſſen fie Gebrauch zu machen. ] Da uns der anhaltende Nebel verhinderte nach Wallfi: ſchen zu ſuchen, ſo befeſtigten wir das Schiff, am 15. Julius Nachmittag, an einen großen Eisklumpen, um den Scha— den, welchen das Steuerruder am 24. Junius erlitten hatte, wieder auszubeſſern. Dieſes fand ſich ſehr beſchaͤdigt; da wir aber gluͤcklicher weiſe einen Schmidt, eine Schmiede und Zimmerleute an Bord hatten, ſo konnte es in kurzer Zeit wieder in brauchbaren Stand geſetzt werden. Während wir mit dieſer Arbeit befchäftigt waren, muß: ten einige von der Mannſchaft unſern Waſſer-Vorrath ergaͤn— zen. Sie holten das Waſſer von demſelben Stuͤck Eis, an welchem das Schiff lag, da ſich auf der Oberflaͤche deſſelben große Tuͤmpfel von geſchmolzenem Schnee gebildet hatten. Die neblige Witterung, die den groͤßten Theil der ver— floſſenen zwanzig Tage hindurch geherrſcht hatte und uns bey unſerm Geſchaͤft ſehr hinderlich war, iſt eine Erſcheinung, die ich in dieſen Gegenden oft in noch höͤherm Grade, bey einer groöͤßern Entfernung vom Lande, beobachtet habe. Im Jahr 1817 hatten wir unter dem 76. Grade der Breite und zwiſchen dem Sten und 10ten Grade weſtlicher Länge, unter offenem Eiſe, einen Nebel, der in 15 Tagen ſich nicht einmal verzog, und uns ſehr ſelten geſtattete auf eine Meile weit zu ſehen; und im Jahr 1821 konnten wir vom 11. Julius bis zum 21. Auguſt — in einer Zwiſchenzeit von 41 Tagen, und in einem Meere, das gewöhnlich voller 5 —- N Eis war, — nur drey ganze Tage zaͤhlen, die von Nebel frey waren. Dieſes Uebermaaß von nebligem Wetter in den Sommers monaten iſt eine Eigenheit der Polarmeere, die, obwohl be— kannt genug, doch, fo viel ich weiß, noch nicht gehörig er— klaͤrt iſt. Der Nebel ruht häufig auf der Oberflaͤche des Waſſers, und verbreitet ſich vielleicht nur auf eine Höhe von 150 bis 200 Fuß; ſo daß der Himmel im Zenith oft völlig klar iſt, während die Gegenſtaͤnde in der Nähe des Ho— rizontes oder der Oberflaͤche des Waſſers, in einer Entfernung von 150 Pards, nicht mehr zu ſehen ſind. Dieſer Umſtand hat mich auf den Gedanken gebracht, daß die Urſache dieſer niedrigen Nebel wahrſcheinlich in dem Unterſchiede zwiſchen der Temperatur der obern und der untern Schichten der At— mosphaͤre liege: näher bey der Erde nämlich iſt alsdann die Kälte größer, als in weiterer Entfernung von derſelben. Das Umgekehrte hiervon findet man in der That gemeinig— lich, ehe die neblige Periode eintritt, indem alsdann die Tem— peratur in der Höhe des Mars, nach einem Mittel aus einer Menge von Beobachtungen, um zwey bis drey Grad niedri— ger iſt, als in gleicher Höhe mit dem Verdeck des Schiffes. Jedoch ſcheint dieß nur ſo lange zu gelten, als das Thermo— meter unter dem Gefrierpunkt ſteht; denn die neblige Periode tritt gewöhnlich ein, ſobald ein anhaltendes Thauwetter ein fällt. Eine Reihe von Beobachtungen während eines dicken Nebels, bey glaͤnzendem Sonnenſchein und heiterm Himmel in der Höhe, diente der obigen Meinung zur Beſtaͤtigung. Die Temperatur war um 11 Uhr Vormittags, am Mars, 100 Fuß über dem Spiegel der See, 35°; in der Höhe des Verdecks hingegen, an demſelben Thermometer, nur 333°; in der Naͤhe des Waſſers und an der Oberflaͤche deſſelben 34%. Das Eis mußte damals höchſtens 32 Grad geweſen ſeyn. Daher ſcheint es, daß der Nebel insgemein dadurch erzeugt wird, daß die feuchte Luft, in der Naͤhe des Waſſers, 55 durch die Beruͤhrung mit dem Eiſe oder die Einwirkung deſ— ſelben, ſich erkaͤltet, und die in ihr enthaltene Feuchtigkeit ſich fo verdichtet, daß die Luft, bey ihrer verminderten Tem peratur, ſie nicht erhalten kann. [Wenn bey ſtarkem Nebel in der Tiefe die Sonne ſcheint, fo erhält die Luft unmittelbar über Gegenſtaͤnden, die von den Sonnenſtrahlen erwaͤrmt find, eine großere Capacitaͤt für die Feuchtigkeit, ſo daß die Verdunſtung waͤhrend des dichteſten Nebels ſehr lebhaft von ſtatten geht. In Neufundland werden oft bey dem dickſten Nebel Fiſche getrocknet, wenn die Sonnen— ſtrahlen den Nebel durchdringen und die Oberflaͤche der Felſen erwaͤrmen. Im Julius 1817 zeigte Leslie's Hygrometer, unter 74° der Breite und bey einer Temperatur der Luft von 45 Grad, waͤhrend eines ſehr dichten Nebels, 6 Grad Tro— ckenheit; und an einem andern nebligen Tage deſſelben Mo— nats, ſtand es, bey einer Temperatur von 40 Grad, auf 5 bis 6 Grad Trockenheit, und zwar an einem Platze, auf wel— chen die Sonne den ganzen Tag nicht geſchienen hatte. Ich habe öfters bemerkt, daß der Nebel in einer Höhe von 40 oder 50 Fuß uͤber der Oberflaͤche des Waſſers naß machte, waͤh— rend in gleicher Hoͤhe mit dem Verdeck, d. i. etwa 14 Fuß hoch, nichts von Feuchtigkeit wahrzunehmen war. Die Nebel ſind in der Naͤhe der Eisfelder haͤufiger und dichter, als in der Nachbarſchaft des Landes; haͤufiger in den ſuͤdlichern Theilen des grönlaͤndiſchen Meeres, als in den noͤrdlichern. Am meiſten entſtehen ſie, wenn das Thermome— ter dem Gefrierpunkt nahe iſt; indeſſen find fie auch bey eis ner Temperatur von 40 bis 45 Grad keinesweges ſelten. Am haͤufigſten laſſen fie ſich bey Suͤdweſt⸗, Weft:, und Suͤdoſt⸗ Winden ſehen. Bey Nord- und Nordweſt- Winden zerſtreuen ſie ſich insgemein, wiewohl ſie nach anhaltenden Suͤdwin— den bisweilen noch eine ganze Zeit fortdauern, nachdem der Wind ſich nach Norden gedreht hat. Sie entſtehen ſelten bey > — 203 — heftigen Winden; doch habe ich ſie ein oder zweymal ſogar bey Sturm ſehr dick geſehen. Der Regen zerſtreut insge⸗ mein den Rebel; iſt aber die Luft, nach dem Regen, warm und feucht, fo kehrt der Nebel oft mit vermehrter Dichtig- keit zurück, ſo daß er wie ein Rauch vor den Augen vor— uͤberzieht, und die Geſichtsweite auf 50 oder 60 Yards be⸗ ſchraͤnkt. Die ſcheinbare Entfernung der Gegenſtaͤnde ver— groͤßert ſich im Nebel, und daher auch die ſcheinbare Groͤße deſſelben. Wenn der Nebel mit Froſt eintritt, ſo uͤberzieht er gewohnlich das Tauwerk, die Segelſtangen und Maſten mit einer durchſichtigen Eisrinde. Dieſe wächft bisweilen bis zur Dicke eines Zolles, und loͤſt ſich, bey entſtehender Bewegung oder Erſchuͤtterung, leicht ab, und faͤllt, zu großer Beſchwerde der unten ſtehenden Perſonen, in Schau— ern, und bisweilen in mehrere Fuß langen Stücken, herab.] Am 16. gegen 11 Uhr Vormittags zerſtreute ſich der Nebel. Der Himmel wurde ſogleich ganz rein und die Sonne ſchien mit ausnehmender Klarheit; ſo daß die jetzige Hei— terkeit der Luft mit der vorhergehenden langwierigen Duͤ— ſternheit den auffallendſten Gegenſatz bildete. Da wir keine Wallſiſche gewahr wurden, fo giengen wir mit einem frifchen Suͤdweſt-Winde den ganzen Nach: mittag und die Nacht hindurch nordwaͤrts, indem wir uͤber— all ziemlich offenes Waſſer fanden. Um Mitternacht kamen wir an ein großes Eisfeld, längs welchem wir 6 bis 8 Stun⸗ den hinfuhren und einen Weg von 30 bis 40 Meilen zu— ruͤcklegten. Dieſes Feld konnte nicht weniger als dreyßig Meilen im Durchmeſſer halten, und bildete wahrſcheinlich eine Flaͤche von 700 bis 800 Quadratmeilen in ein em Stuͤck! Wir befanden uns jetzt, den Mittags Beobachtungen zufolge, in 72° 33“ der Breite, und, nach dem Chrono— — 204 — meter, in 19° 8 45“ weſtlicher Ränge. Das Land, welches wir im Geſicht hatten, zog ſich von RR O. (nach dem Kom: paß) gegen RWgen W. Dieß machte den vorher nicht geſehenen Zwiſchenraum aus; und ſo war ich im Stande, die Lage und Richtung der ganzen Kuͤſte, vom 75ſten bis zum 70ſten Grade herab, zu erhalten. Da das Eis von hier nach dem Lande zu ſehr dicht, und wahrſcheinlich nicht zu durchfahren war, ſo mußten wir unſern Lauf mehr gegen Oſten richten; und da wir noch immer keine Wallfiſche fanden (einen einzigen ausge— nommen, der ſich auf wenige Augenblicke ſehen ließ), ſo fuhren wir in einem Strich auf 50 Meilen gerade gegen Oſten, mitten durch eine unzählige Menge von Eisſchollen hindurch, die uns jedoch einen ganz ae Durchgang ge: ſtatteten. Am Abend trafen wir auf eine Flotte von ungefaͤhr zwanzig Schiffen, die in ihren Bemühungen Wallſtſche auf: zufinden nicht gluͤcklicher geweſen waren, als wir. Ich enta ſchloß mich daher, eine guͤnſtige Aenderung des Windes zu benutzen, und nach dem Parallelkreiſe des 7iffen Grades zuruͤckzukehren. Vier Schiffe folgten unſerm Beyſpiele; die meiſten aber wandten ſich mehr gegen Weſten, indeß die übrigen beylegten, waͤhrſcheinlich aus Mangel einer Ent: ſchließung. Den folgenden Tag, den 18. Julius, legten wir unge⸗ fähr 100 Meilen gegen SW. und W. zurück. Das Land war nicht zu ſehen, obgleich das Wetter hell war, bis ge— gen Abend, als die Spitzen der Berge uͤber dem Eiſe, das durch die Strahlenbrechung empor gehoben wurde, zum Vorſchein kamen. a: = Sobald als der Nebel am 16. ſich verzogen hatte, und durch den kräftigen Einfluß der Sonne eine ſchnelle Ver— dunſtung auf dem Waſſer und auf dem Eiſe entſtanden war, fiengen auch die Wirkungen der ungleichen Strah— lenbrechung, in den mannigfaltigſten Erſcheinungen, ſich zu zeigen an, und dauerten 60 bis 70 Stunden nacheinan— der. Einmal war die Erſcheinung ſo allgemein, daß der Raum, in welchem das Schiff ſich befand, ein großer Cir— cus Platz, von einer hohen ſteilen Wand von bafalt: artigem Eis umſchloſſen, zu ſeyn ſchien. An manchen Stel— len, wo man, ſtatt Eis, nur Waſſer ſah, hatte dieſes ganz die Farbe und das Anſehen von wirklichen Baſalt— ſaͤulen; und da, wo Waſſer und Eis verbunden waren, hatte das Eis bisweilen ſo ſehr das Anſehen von Land, daß ſelbſt einer meiner erſten Offiziere, der dieſe Art von Er— ſcheinungen recht gut kannte, dadurch getaͤuſcht wurde. Bisweilen zeigte die Strahlenbrechung auf allen Seiten aͤhnliche Wirkungen; bisweilen wieder nach verſchiedenen Richtungen die auffallendſten Verſchiedenheiten. Am 18 Abends, da gegen 30 Schiffe umher zu ſehen waren, konnte man die verſchiedenen Bilder derſelben, deren von manchem zwey, von einem ſogar drey in verſchiedenen Hohen übereinander, und alle in verkehrter Stellung er: ſchienen, ſehr deutlich erkennen. Von zwey Schiffen, die ſelbſt nicht zu ſehen waren, waren doch die verkehrten Bil— der ganz deutlich da. Indeſſen muß ich bemerken, daß dießmal ſowohl die Schiffe, als die Bilder derſelben ſo weit entfernt waren, daß man ſie nur durch ein Fernrohr deut⸗ lich wahrnehmen konnte. Während dieſe Erſcheinung aber ſich in der Gegend von SW. und NO. zeigte, gaben die Schiffe am nordweſtlichen Horizont einen ganz andern An— blick: ſie erſchienen auf einem erhoͤheten Abhang von Eis wie lange ſchwarze Striche, indem fie durch die Strahlen— brechung theils in die Laͤnge gedehnt, theils von beyden Sei— — 206 — ten, faſt bis auf die Breite einer Linie, zuſammengezogen wurden ). Da die ungewoͤhnlichſten und fehonften Wirkungen der ungleichen Strahlenbrechung gemeiniglich nicht ohne Huͤlfe eines Fernrohrs vollſtaͤndig wahrzunehmen ſind, ſo ent— gehen fie groͤßtentheils der Beobachtung; diejenigen Erſchei⸗ nungen aber, welche am haͤufigſten vorkommen — die ſchein⸗ bare Erhebung des entfernten Eiſes, oder die Verzerrung entlegener Gegenſtaͤnde — haben für Perſonen, die nicht be⸗ ſonders fuͤr die Sache eingenommen ſind, das Unange⸗ nehme, daß ſie ihnen an der Beobachtung anderer Gegen— ſtaͤnde, die ſonſt ihre Aufmerkſamkeit beſchaͤftigen würden, hinderlich ſind. Schiffe z. B. werden dadurch leicht ſo ent— ſtellt, daß man von ihren Bewegungen oder dem, was auf ihnen vorgeht, nichts deutlich erkennen kann. *) Scoresby beſchreibt noch einige andere, den ſchon weiter oben er— waͤhnten, ähnliche Erſcheinungen, und fügt auch einiges zur Er— klaͤrung dieſer Art von Erſcheinung bey; indeſſen bleibt er zu ſehr beym Allgemeinen und Bekannten ſtehen, als daß eine Sache, deren Er— laͤuterung zum Theil ſchwierige mathematiſche Beweisfuͤhrungen er= fordert, viel dadurch aufgeklaͤrt worden waͤre. Daher iſt dieſes hier weggelaſſen worden. a a. Siebentes Kapitel. Annäherung gegen die Kuͤſte von Grönland. — Ent- deckung einiger Inſeln, Vorgebuͤrge, Buchten. — Erſte Landung an der Kuͤſte. — Spuren, daß ſie noch unlaͤngſt bewohnt geweſen. — Entdeckung und Unterſuchung einer großen Einbucht. — Zweyte, dritte und vierte Landung. Freytag den 19. July. Da unſere Bemuͤhungen, fern vom Lande, Wallfiſche zu finden, beynahe drey Wochen hin— durch vergeblich geweſen waren, ſo hielt ich mich für voll— kommen berechtigt, meine Nachforſchungen naͤher an der Kuͤſte zu machen. Dieß war fihon lange mein Wunſch ge— weſen, nur ſchien der Hauptzweck meiner Reiſe, den ich, ohne dafuͤr verantwortlich zu ſeyn, nicht aus den Augen ver— lieren durfte, ſich nicht damit vereinigen zu laſſen. Jetzt wandte ich daher mit erhöheten Empfindungen meine Auf: merkſamkeit auf das Eis, das uns von dem Lande trennte, um irgend eine Durchfahrt in demſelben zu entdecken, und nicht ohne große Freude bemerkte ich, daß wir, mit Huͤlfe eines friſchen Windes und des hellen Wetters, ſchnell gegen das Land vorruͤckten, bis wir vor einer Eisflaͤche, die ein paar Meilen breit ſeyn mochte und mit dem Ufer zuſammen⸗ hieng, aufgehalten wurden. Obgleich das Land, vom Ver— deck aus geſehen, ſehr deutlich vor uns lag, ehe wir in das Eis eindrangen, ſo dauerte es doch 15 bis 16 Stunden, ehe wir durchkamen, ungeachtet die Fahrt mit einer Geſchwin— digkeit von drey bis vier Knotenlaͤngen gerade nach dem Ufer gieng*). Mehrere Schiffe begleiteten uns bey dieſer Fahrt, ) Die Loglinie, vermittelſt welcher die Geſchwindigkeit eines Schiffes gemeſſen wird, iſt durch Knoten in gewiſſe Abtheilungen getheilt. € — 208 — und wandten ſich, als ſie das Land-Eis erreicht hatten, mit uns laͤngs dem Ufer gegen SW., indem ſich dort eine be: queme und freye Oeffnung zwiſchen dem Land-Eiſe und den ſeewaͤrts liegenden Eisfeldern zeigte. Das Land-Eis beſtand aus großen dichten Eisflaͤchen, in die ſich mehrere Eisberge von groͤßerem Umfange, als ich mich je vorher geſehen zu haben erinnere, feſtgeſetzt hatten. Da dieſe wahrſcheinlich bis auf den Grund reichten, fo dien— ten ſie zugleich die ganze Eismaſſe am Ufer feſtzuhalten, wo fie ſchon mehrere Jahre ungeftort gelegen zu haben ſchien. Einer von den Eisbergen, der an dem einen Ende eine her— vorragende Spitze hatte, wurde auf 150 Fuß hoch über dem Spiegel des Meeres geſchaͤtzt, und ein anderer, welcher ganz vierſeitig war, mit vertikalen Seitenflaͤchen, hatte die Höhe eines Maſtbaumes oder ungefähr 100 Fuß. Dieſe Eisberge waren insgemein von weißem, kreideartigem Anſehen; jedoch waren einige an den Seiten von einer gruͤnlich-grauen Farbe; und andere, die eine guͤnſtige Stellung hatten, war: fen die Sonnenſtrahlen faſt mit einem Silberglanz zuruͤck. Die Stelle, wo wir gegen das Land kamen, war an der Oeffnung einer kleinen Bay oder Einbucht, unter 71° 2 der Breite, welche nach dem Chevalier Maſclet, dem letzten franzöſiſchen Conſul in Liverpool, benannt wurde. Nahe an dieſer Bucht iſt ein bemerkenswerther Berg, den Die Länge von einem Knoten zum andern beträgt gewöhnlich zIz einer Seemeile, und man beobachtet, wie viele Knotenlaͤngen das Schiff in einer halben Minute macht — weil ſeine Geſchwindigkeit dann eben ſo viele Meilen in einer Stunde betraͤgt. Hiernach haͤtte das Schiff im obigen Fall in 15 Stunden etwa 50 Meilen zuruͤck— gelegt; und da die Kuͤſte in dieſer Entfernung ſo deutlich, wie es heißt, zu ſehen war, fo iſt dieß ein Beweis theils von der Hoͤhe derſelben, theils von der Groͤße der Strahlenbrechung. — 209 ich, wegen ſeiner auffallenden Aehnlichkeit mit einer Kirche, Kirchberg (Church- Mount) nannte; und zwey daran— ſtoßende Vorgebirge erhielten die Namen Cap Jones und Cap Buddicam, zu Ehren zweyer geachteten Geiſtlichen in Liverpool. Ein anderes Vorgebirge, etwas weiter ſuͤd— lich, wurde Cap Greg genannt, zu Ehren des Herrn Samuel Greg in Quarry-Bank; und eine daran ſtoßende Einbucht wurde, zu Ehren eines andern geſchaͤtzten Freun— des, Holloway-Bay genannt. Das Land, welches uns jetzt vor Augen lag, hatte das ſonderbarſte Anſehen von der Welt; die naͤhere Beſchreibung deſſelben aber wird weiter unten folgen. Als wir uns dem Ufer naͤherten, wurden einige Reihen von Sonnenhöhen genommen; auch Beobachtungen über die magnetiſche Abweichung angeſtellt. Unſre Breite ergab ſich um Mitternacht, aus Meridianhoͤhen unter dem Pol, 71° 0“; und die Länge, nach dem Chronometer, 21° 15“ weft: lich. Das naͤchſte Land lag etwa ſechs Meilen von uns entfernt. Am 20. war das Wetter groͤßtentheils neblig; glücklis cherweiſe aber klaͤrte es ſich des Morgens in der Naͤhe des Landes, wo wir waren, auf und blieb ſo bis um 2 Uhr Nachmittags, ſo daß ich hinreichend Zeit hatte, alle noͤthi— gen Beobachtungen zu machen. Um 8 Uhr des Morgens wurde das Schiff, etwa vier oder fünf Meilen vom Ufer, und eine Meile von einer kleinen Inſel am Rande des Eiſes, gedreht, um es aufzuhalten; und ich maß hier eine Reihe von Winkeln; alsdann nahm ich einen andern hinreichend entfernten Standpunkt, um die correſpondirenden Meſſun— gen zu erhalten, und maß uͤberdieß eine Reihe von Winkeln, als ich an den Rand des Landeiſes zuruͤckkehrte. Die Durch— ſchnittspunkte gaben mir die Lage der merkwuͤrdigſten Punkte 14 a — an der Kuͤſte, innerhalb einer Entfernung von 25 Meilen, um Mittag wurde die Breite zu 70 44 57“ beobachtet; die Länge war, nach dem Chronometer, 21° 9“ weſtlich und die Abweichung der Magnetnadel 44° 30° weſtlich. Die Tiefe des Waſſers 155 Faden. Das Land, welches wir jetzt aufgenommen hatten, und welches eine Strecke der Kuͤſte von 15 Meilen gegen Suͤden, und 25 gegen Norden ausmachte, iſt bergig, finſter und un— fruchtbar im hoͤchſten Grade. Man kann ſich nichts ſchroffe— res und rauheres denken, als dieſes. Nie habe ich etwas ge— ſehen, das ihm an kuͤhner Große und anziehendem Charakter gleich kaͤme. Hier zeigt ſich nichts ebenes, mildes oder unbe— deutendes. Die Berge beſtehen aus einer Reihe unzaͤhliger Piks, Kegel, Pyramiden mit den ſchroffeſten Felſen, die aus den Seiten hervorragen. Sie erheben ſich unmittelbar vom Ufer und ſteigen in ſteilen und abſchuͤſſigen Waͤnden hinan. Meiſtens haben ſie ſtumpfe oder rechtwinklige Gipfel, wie ein Dach, mit gleich ſchiefen Seiten und ſcharf zugehendem Kamm; einige aber laufen in ſpitzige, thurmaͤhnliche Gipfel von ganz eigenem Anſehen aus. Die meiſten Berge, von 70° 33' bis 71° 1% der Breite, haben auf ihrem Gipfel eine Reihe ſenk— rechter Zacken, fo gleichförmig und parallel geordnet, daß ſie einer Reihe von Soldaten aͤhnlich ſahen. Dieſe Zacken beſtehen auf einem Berge, in 71° 13 der Breite, aus ſechs oder ſieben ſchlanken und parallelen Prismen, die wie Feuer— eſſen emporſtehen, und eine artige Reihe bilden, indem ihre Große nach der Ordnung waͤchſt, und ob fie wahrſcheinlich gleich gegen 500 Fuß uͤber dem Gipfel hervorragen, ſo ſte— hen ſie doch alle einzeln und von einander abgeſondert. Ein anderer Berg, unter 71° 4“ der Breite (der Kirch: berg) hat auf dem Gipfel zwey ſenkrechte Thuͤrme, die in Spitzen, wie ein Dach geſtaltet, ausgehen, und dicht mit Zacken beſetzt ſind. Die Höhe dieſes Berges ergab ſich aus 2 dem Sehwinkel und der bekannten Entfernung derſelben, auf 2967 Fuß. Die Hohe eines andern Berges, welchen ich wegen feiner zwey einander aͤhnlichen Gipfel, Doppel— Berg (Double Mount) nannte, fand ſich nach unſerer Rechnung, 3444 Fuß. Und noch ein anderer, der in einer Reihe zwiſchen 70° 33“ und 70° 41 liegt, wurde 3690 Fuß hoch gefunden. Dieſe Kette von Bergen, welche meiſtens ſpitzige, mit Zacken dicht beſetzte Gipfel haben, erhielt den kamen Roſcoe-Gebirge, zu Ehren des achtungswer— then Verfaſſers des „Lebens von Lorenzo Medici.“ Im Durchſchnitt ſchaͤtzte ich die Höhe dieſer Kuͤſte auf 3000 Fuß. Nahe an derſelben wurden mehrere Inſeln entdeckt. Dieſe hatten ein ganz entgegengeſetztes Anſehen, indem ihre Felſen mehr abgerundet und unbedeutſam waren. Eine der ſuͤdlich— ſten von dieſen, unter 70° 407, mit einem einzelnen, über das Meer emporragenden Pik, auf deſſen Spitze ein Felſen, der den Ruinen einer verfallenen Burg gleicht, nannte ich nach meinem geſchaͤtzten Freunde William Rathbone; und eine andere, etwa eine halbe Meile weiter gegen Nor— den, nach Herrn B. A. Heywood. Einer dritten, nahe bey der letztern, gab ich den Ramen Sandbach, und ei— ner kleinen, zwiſchen beyden, den Namen Parker, zum Andenken zweyer geachteten Freunde. Man ſah ſehr wenig Schnee auf dem Lande. In der That ſchien auch die ſpitzige Geſtalt der Gipfel, und die Steilheit der Seiten keine betraͤchtliche Anhäufung deſſelben zu geſtatten. Zwey oder drey Gletſcher konnte man ſehen, von welchen der eine, unter 70° 58“ der Breite, eine bes traͤchtliche Höhe und Ausdehnung hat. Den 21. und 22. July war das Wetter ſehr unfreund— lich und neblig. Bisweilen hatten wir hinter einem Eisfelde Schutz; als wir uns aber, bey einer hellen Zwiſchenzeit, in das Waſſer nach dem Lande zu gemacht hatten, waren wir 1 — 22 — einer ſtuͤrmiſchen See ausgeſetzt, und brachten die Nacht, in welcher der Nebel außerordentlich dick wurde, in vieler Aengſtlichkeit und Gefahr zu, da wir auf große Eisklum— pen trafen, und kaum weit genug ſehen konnten, um ihnen aus dem Wege zu gehen. Den 23. wurde das Wetter ein bischen milder, und wir ſegelten landwaͤrts. Als wir uns der Kuͤſte naͤherten, nahm die Dichtigkeit des Nebels ab, und um Mittag hatten wir eine freye Ausſicht nach dem Lande. Das Schiff wurde ge— dreht, und wir legten dicht an dem Landeiſe bey, in 70° 36“ der Breite, und 21° 14“ weſtlicher Laͤnge, nach dem Chronometer, welches mit den Beobachtungen am 20. (ver— glichen mit dem, was uns Winkelmeſſungen der Inſel Rath: bone gaben) bis auf eine halbe Minute uͤbereinſtimmte. Es zeigte ſich, daß das Landeis noch ſeine Lage vom Winter her behauptete, indem es faſt am Ufer wie angeleimt hieng und die meiſten Buchten längs der Kuͤſte, und die Canaͤle zwi— ſchen den Inſeln ausfuͤllte. Etwas ſuͤdwaͤrts von uns ent— deckten wir jedoch zum erſtenmal Waſſer, das ſich bis an das Ufer ſelbſt erſtreckte. Auch ſahen wir 12 bis 14 Eisberge, von denen einige uns nahe waren. Verſchiedene derſelben ſchienen wenigſtens hundert Fuß über dem Meeresſpiegel hervorzuragen und vier bis fuͤnfhundert Fuß im Durchmeſſer zu halten. Da das Waſſer an dem Schiffe nur 82 Faden tief war, ſo hatte man allen Grund zu glauben, daß alle Eisberge zwiſchen uns und dem Ufer auf den Grund reichten. Wir waren damals ungefaͤhr drey Meilen von einem Vor— land, anſcheinend einer Inſel, das uns eine ſteile Seite von mehr als 2000 Fuß Hohe zukehrte. Ich nannte es, zu Eh: ren des Dr. Raffles in Liverpool, Raffles Inſel. Ein anderes ſteiles Vorgebirge von ähnlichem Anſehen, in einer Entfernung von etwa drey Meilen, gegen WSW., wurde Cap Hodgſon, nach einem andern geſchaͤtzten = Freunde, genannt. Die Höhe deſſelben fand fih auf 2580 Fuß. . Die Kuͤſte zieht ſich von 71° 30“ der Breite, bis nach Cap Hodgſon, in 70? 32“, faſt genau von N. nach S., und iſt durchgehends gebirgig. Suͤdwaͤrts von Cap Hodafon wird ihre Richtung ſuͤdweſtlich, und ihre Hohe nimmt allmaͤhlig ab, bis auf eine niedrige, ſchraͤg anſteigende Spitze in 70° 28“, die den Namen Cap Swainſon, zu Ehren des Verfaſſers der „Zoological Illustrations“ erhielt. Hier wendet ſich das Land gegen Weſten, und konnte von uns nicht geſehen werden; aber es kam, in einer Entfernung von etwa 20 Meilen ſuͤdlich vom Cap Swainſon, wieder zum Vorſchein, und zwar ganz in ſeinem gebirgigen Anſe— hen. Der klare Zwiſchenraum zwiſchen dieſem Vorgebirge und dem entfernten Lande mußte der Eingang zu einer be— traͤchtlichen Einbucht ſeyn, die ſich auf eine große, aber noch unbekannte Weite gegen Weſten erſtreckt. Die große Höhe des Landes, welches vor uns lag, ſein dunkles Anſehen, das durch den Abſtich gegen einige mit Schnee bedeckte Stellen noch verſtaͤrkt wurde, ſeine ſteilen Wände; feine ſchroffen Gipfel; der jaͤhe Abſchnitt auf der nördlichen Seite — alles dieſes gab demſelben etwas Anzie— hendes und Erhabenes. Da der Wind etwas heftig blies und die See ziemlich hoch gieng, fo konnte ich die Aufnahme des Landes, durch Meſſungen vom Mars aus, nicht fortſetzen; und da man auf die Meſſungen vom Verdeck ſich wegen der ſtarken Ab— lenkung der Magnetnadel nicht verlaſſen konnte, ſo war ich genöthigt, die erforderlichen Winkel mit dem Sextanten zu nehmen und ſie mit einem Azimuth der Sonne in Verbin— dung zu ſetzen. Ich maß naͤmlich den Winkel zwiſchen Cap Swainſon und der Sonne, und reducirte ihn durch Rech— - mM - nung auf den Horizont. Mit diefem verband ich darauf das wahre Azimuth der Sonne, welches ich gleichfalls durch Rechnung beſtimmte; ſo erhielt ich die wahre Lage von Cap Swainſon, und durch Vergleichung der Winkel, welche die— ſes mit andern Vorgebirgen und Punkten machte, ni fich auch die Lage von dieſen beſtimmen. Um 4 Uhr Nachmittag trat ein dicker Nebel ein, und verhinderte alle weitern Beobachtungen fuͤr dieſen Tag. Bald darauf erhob ſich ein heftiger Windſtoß, der uns zu unſrer Sicherheit vom Lande abwaͤrts zu gehen noͤthigte. In der Nacht nahm die Duͤſternheit, die der Nebel verur— ſachte, noch zu, und wir geriethen unter eine ſolche Maſſe von ſchwerem Treibeiſe, daß wir außerordentlich dadurch be— unruhigt wurden. Als wir gluͤcklich aus dieſem herausge— kommen waren, hielten wir uns bald nach dem Lande hin, bald von demſelben ab, in beſtaͤndiger Furcht, auf der einen Seite gegen das Ufer, und auf der andern gegen das Eis geworfen zu werden. Den naͤchſten Morgen, den 24. July, da der Wind ſich legte, machten wir einen Strich gegen RW. Als wir uns dem Lande naͤherten, fing der Nebel an ſich zu zerſtreuen, und da wir noch ſieben oder acht Meilen von der Kuͤſte entfernt waren, wurde der Himmel vollig rein und wir hatten den herrlichſten Sonnenſchein. Durch die Waͤrme der Sonne wurde das Eis, das ſich dieſen Morgen in außerordentlicher Menge an das Tauwerk angeſetzt hatte, von demſelben log: getrennt, und fiel in großen durchſichtigen Stuͤcken, meh— rere Pfund ſchwer, herab, und verwundete manchem, der unvorſichtig genug war, in die Hoͤhe zu blicken, das Geſicht. Da ich ſehnlichſt an einer Kuͤſte zu landen wuͤnſchte, die noch kein Seefahrer (einen oder zwey Wallfiſchfaͤnger vielleicht ausgenommen) betreten hatte, ſo hielt ich die jetzigen Umſtaͤnde % N für eine guͤnſtige Gelegenheit, meine Neugier zu befriedigen. Dieſe Neugier ward durch die Erinnerung an die fruͤhern Zei— ten, in welchen islaͤndiſche Kolonieen ſich auf eben dieſer Kuͤſte ein paar Grade ſuͤdlicher niedergelaſſen hatten — und durch die Hoffnung, die ich nicht aufgeben konnte, daß es mir viel— leicht gelingen wuͤrde, noch einige Spuren von jenen un— gluͤcklichen Leuten, deren Schickſal ſeit beynahe vier Jahr— hunderten ein Gegenſtand von allgemeinem Intereſſe gewe— ſen iſt, aufzufinden, auf den hoͤchſten Grad geſpannt. Hierzu kam der Reiz, den das Gelingen einer Unternehmung, die vorher ſo oft vergebens verſucht worden iſt, mit ſich fuͤhrt, und der durch den Gedanken erhoͤht wurde, daß die Kuͤſte, an welcher ich landen wollte, den Europaͤern gänzlich unbe—⸗ kannt, und bis jetzt noch ununterſucht war. Da wir nach der Kuͤſte zu fuhren, erhielt ich verſchie— dene Reihen von Winkeln der Vorgebirge u. ſ. w., nebſt Sonnenhöhen zu Laͤngenbeſtimmungen, die mir zur weitern Fortſetzung meiner Aufnahme der Kuͤſte dienen ſollten. Wir naͤherten uns der Kuͤſte, die ziemlich ſteil hervorragte, bis auf drey Viertel einer Meile, wo wir in 25 Faden Grund hatten; und da das Wetter damals ausnehmend ſchoͤn, und meinem Zweck ſehr guͤnſtig war, fo nahm ich um 53 Uhr Nachmittags ein Boot, um nach dem Ufer zu fahren. In 15 Minuten landete ich an einer felſigten Spitze, die ich Cap Liſter, einem guten Freunde zu Ehren, nannte — in 70° 31 der Breite, und 21° 30“ weſtlicher Länge. Die Kuͤſte aͤndert hier ihr bergiges Anſehen, und wird gegen Suͤden und Weſten hin mehr flach; wir konnten daher leicht die Höhe derſelben, die nur 300 bis 400 Fuß betraͤgt, erreichen, und laͤngs dem Rande nach Weſten zu fortgehen. Die Fel— ſen, welche wir beſtiegen, beſtanden vornehmlich aus Horn— blende, in ſcharfen, eckigten, unregelmäßigen Maſſen, hau: fig unterbrochen durch ſchieferartige Hornblende, die viel Glimmer und Adern von Feldſpaͤth enthielt. Die obere 2 Flaͤche der Felſen bot dem Auge, ſtatt einer grünen Beklei⸗ dung, nur einen nackten, oder mit Flechten bedeckten Boden mit lockern ſpitzigen Steinen dar. Die meiſten von dieſen beſtanden aus weißem Quarz, mit Stuͤcken von Syenit und Hornblende untermiſcht, und hatten ſo wenig durch den Einfluß von Luft und Wetter ſeit Jahrhunderten gelitten, daß ihre Ecken noch ſo ſcharf waren, als waͤren ſie von fri— ſchem Bruch. Am Rande des Meeres waren dieſe Steine faſt ganz in ſchwarze Flechten gehuͤllt; wenn man aber uͤber eine Fläche von Schnee auf eine höhere Stelle kam, wur— den die Flechten ſeltener. Der faſt gaͤnzliche Mangel an fruchtbarem Erdreich war an der Nacktheit des Bodens Schuld, daher beſchraͤnkte ſich der ganze Pflanzentrieb auf einige duͤrre Flechten, hier und da mit einigen Blumen von Andromeda tetragona, Saxifraga oppositifolia, Papaver nudicaule und Ranunculus nivalis geſchmuͤckt. Ich ließ das Boot laͤngs dem Ufer fahren, und gieng auf der Anhoͤhe drey bis vier Meilen weſtwärts, immer uͤber lockere Steine, oder Felder von Eis und Schnee — bis in die Naͤhe von Cap Swainſon, wo ich wieder an den Strand herabſtieg, der hier aus einem flachen Erdſtreifen, einige hundert Fuß breit, beſteht. Hier entdeckten wir den erſten merkwuͤrdigen Gegenſtand, der aus einem Kreis von Stei— nen beſtand, die ſo kuͤnſtlich gelegt waren, daß man nicht zweifeln konnte, daß es die Arbeit von Menſchen war; und bald darauf fanden ſich noch andere Merkmale von Men— ſchenhaͤnden. Dieſes waren Ueberreſte von Wohnungen, die aus zwey im Kreiſe gehenden Waͤnden, oder an manchen Stellen auch nur aus Reihen von Steinen beſtanden, die einen freyen Platz von etwa fünf Dards im Durchmeſſer ein— ſchloſſen, der gerade ſo eingerichtet war, wie die Eskimo's den Boden in ihren Sommerhuͤtten zuzurichten pflegen. Außer dieſen waren noch verſchiedene hohle kleine Huͤgel, die recht artig wie ein Bienenkorb geſtaltet waren, und ent— a — weder oben, oder an der Seite eine Oeffnung hatten. Diefe glichen den Vorrathskammern der Eskimo's, in welchen ſie den Ertrag ihrer Fiſcherey oder Jagd aufbewahren, wenn er zu reichlich iſt, als daß ſie ihn gleich verbrauchen könnten. Sie waren von verſchiedener Groͤße, von 24 bis zu 47 Fuß im innern Durchmeſſer. Die meiſten dieſer Ueberreſte zeig— ten ſich auf der Weſtſeite von Cap Swainſon, wo auch noch andere auffallendere Beweiſe, daß die Gegend vor kurzem be— wohnt worden war, ſich fanden. Es waren dort zwey Hoͤh— lungen, von Steinen eingefaßt, die als Feuerſtaͤtte gedient hatten, und in welchen noch die Ueberreſte der gebrauchten Feuerungsmittel lagen, nämlich, verkohltes Treibholz, mit halbverbranntem Moos und Aſche. Da die letztere ſo leicht war, daß fie durch den ſchmelzenden Schnee leicht wegge⸗ ſchwemmt werden könnte, ſo vermuthete ich, daß ſie nicht den vergangenen Winter hindurch hier gelegen hätte, ſon— dern daß die Leute, von denen dieſe Reſte herruͤhrten, erſt in dieſem Sommer hier geweſen ſeyn mochten. Da ſich hier keine bleibenden Wohnungen fanden, ſo ſchien es, daß der Ort einigen der Eingebornen entweder als ein Sommer: Aufenthalt zum Fiſchfang, oder als ein Ruheplatz auf ihren Wanderungen an der Kuͤſte gedient hatte. — Wir fanden auch verſchiedene Stuͤcken von Knochen und Holz, die eine kuͤnſtliche Bearbeitung erfahren hatten; ingleichen den vor— dern Theil eines Pfeils oder kleinen Wurfſpießes, der recht nett von Knochen gemacht, und vorne mit einem kleinen Stuͤckchen Eiſen verſehen war. Es iſt ſchwer zu ſagen, ob dieſes Eiſen einheimiſch, oder mit den Truͤmmern eines ver— ungluͤckten Schiffes ans Ufer gebracht war. Die Bearbei— tung deſſelben war großentheils derjenigen aͤhnlich, die ſich an den eiſernen Geraͤthen der von Capitain Roß entdeckten Bewohner der Polarlaͤnder zeigt, und es iſt nicht unwahr— ſcheinlich, daß ſie einen gleichen Urſprung hat; der Zuſtand, in welchem es gefunden wurde, bewies, daß es nicht lange außer Gebrauch geweſen war. Es lag in einer kleinen Höh— — — 218 — lung des Felſens, wo wir zuerſt landeten, in einem kleinen Tuͤmpfel von Seewaſſer; und doch war es nicht ſehr vom Roſt angegriffen. Im Gegentheil, es war ſo wenig Roſt daran, daß es nicht viele Monate dort gelegen zu haben ſchien. Kaum ein paar Voͤgel ließen ſich am Lande ſehen, ob— gleich es eine Menge von blaufuͤßigen Moͤven, Tauchern und einige Eidervoͤgel auf dem Waſſer gab. Ich bemerkte auf unſerer ganzen Wanderung blos ein Individuum einer Art Move (larus parasiticus) und zwey kleine Vögel, von wel— chen der eine einer Bachſtelze, der andere einem Rothhanfling glich. Dagegen gab es eine Menge gefluͤgelter Inſekten, be— ſonders auf den Huͤgeln zwiſchen den Steinen: verſchiedene Arten von Schmetterlingen, nebſt Bienen und Muskito's. In der Nähe des Ufers blüheten einige Pflanzen, und an an— dern, die weiter vorgeruͤckt waren, zeigte ſich fihon die Be: fruchtung. Ich erhielt einige ſchoͤne Exemplare von Ranun- culus nivalis und Andromeda tetragona, zwey oder drey Arten von Saxifraga, Epilobium latifolium, Potentilla verna u. a., ingleichen eine Art Löffelkraut (Cochlearia ang- lica), Rumex digynus und eine Art Weide. Die letztere war die einzige baumartige Pflanze, die wir antrafen. Dieſe Weide erreicht jedoch nur eine Kaͤnge von drey oder vier Fuß oder etwas darüber, und wird etwa fo dick, als ein kleiner Finger; ja ſie wird ſo ſehr durch das Klima beſchraͤnkt, daß fie ſich nur ſeitwaͤrts ausbreitet, und ſich nicht über zwey oder drey Zoll uͤber den Boden erhebt. Außerdem fanden wir keinen bemerkenswerthen Gegen— ſtand, als einige Renthier-Geweihe, und Knochen von die— ſen oder andern Thieren. Die meiſten Knochen fanden ſich da, wo die Zelte oder Huͤtten geſtanden hatten, oder in den dabey befindlichen kleinen Huͤgeln. Kein Seegras, noch Mu— 1 ſcheln lagen am Ufer, dagegen konnten wir bepdes in tieferm Waſſer, nahe am Ufer, wahrnehmen. Ebbe und Fluth waren betraͤchtlich. Waͤhrend unſerer Anweſenheit am Lande ſchien es zu ebben; aber die Zeit des Hoch-Waſſers (d. i. des hoͤchſten Waſſerſtandes bey der Fluth) wurde nicht beſtimmt. Bey meiner Ruͤckkehr nach dem Schiffe, etwa um 11 Uhr, war die Nacht ſehr ſchoͤn und die Luft ganz milde. In der Atmoſphaͤre fand, wegen der Wärme, eine ungewohnliche Strahlenbrechung ſtatt, und es zeigten ſich daher am Lande und an den Eisbergen mancherley ſeltſame Erſcheinungen. Die auffallendſte Wirkung war jedoch das deutliche verkehrte Bild eines Schiffes, am klaren Himmel, mitten uͤber der oben erwaͤhnten betraͤchtlichen Einbucht — waͤhrend das Schiff ſelbſt ganz jenſeits unſers Horizontes war. Solche Erſcheinungen waren uns zwar auch ſonſt ſchon vorgekom— men, aber das Eigenthuͤmliche bey der jetzigen war die Voll— ſtandigkeit des Bildes, und die große Entfernung des Schif— fes, zu welchem es gehörte. Es war fo ausnehmend ſcharf begrenzt, daß, da ich es mit einem Dollondiſchen Fernrohr betrachtete, ich jedes Segel, die ganze Geſtalt des Schiffes und ſeinen eigenthuͤmlichen Charakter erkennen konnte; ich erklaͤrte ſogleich, daß es meines Vaters Schiff (the Fame) waͤre; und es fand ſich hinterher, daß es dieß wirklich ge— weſen war — obgleich ſich aus unſerer Rechnung ergab, daß wir damals beynahe dreyßig Meilen von einander entfernt waren — welches ungefaͤhr 17 Meilen jenſeits des eigentli— chen Horizontes, und noch mehrere Meilen ienſeits der Graͤnze des unmittelbaren Sehens war 9 ) Vermoͤge der Strahlenbrechung, die beſtaͤndig in der Atmoſphaͤre ſtatt findet, und die in der Nähe des Horizontes ſtaͤrker, als in groͤ⸗ Bern Hohen iſt, erſtreckt ſich die Geſichtslinie, oder die Weite, big Tr Den 25. July. Während der Nacht fuhren wir mit ge: lindem Winde weſtwaͤrts, nach dem Eingang der weiten Eins bucht, die wir am 23. zuerſt geſehen hatten. Um 6 Uhr des Morgens waren wir faſt in der Mitte des Eingangs, von wo wir das Innere der ganzen Einbucht deutlich uͤberſehen konnten. Gegen den wahren Weſten hin war kein Land zu ſehen. Von Cap Swainſon zieht ſich die nördliche Küſte ges gen WSW. nach einer andern niedrigen Spitze, ungefaͤhr ſechs Meilen von jenem entfernt, die ich Cap Tobin, zu Ehren des Hern John Tobin in Liverpool, nannte. Dieß iſt die ſuͤdlichſte Spitze der zuletzt aufgenommenen Kuͤſte, welche jenſeits derſelben mehr nördlich läuft. Ungefaͤhr fünf Meilen (leagues) weſtwaͤrts von dieſem Cap kommt eine neue Kuͤſte zum Vorſchein, die, niedrig und eben, einen durchaus verſchiedenen Charakter von der benachbarten hat. Sie er— hielt den Namen Jameſon's Land, zum Andenken des Profeſſors Jameſon, des hochgeſchaͤtzten Präfiventen der Wernerian Society. Die Kuͤſte auf der ſuͤdlichen Seite der großen Einbucht iſt ganz bergig. Sie wird gegen Oſten durch ein in die Au— gen ſpringendes ſchmales Vorgebirge begrenzt, welches ich, zu Ehren des Sekretaͤrs der Königlichen Geſellſchaft der Wiſ— ſenſchaften zu Edinburgh, Cap Brewſter nannte. Von Cap Brewſter laͤuft das Land ungefaͤhr zwanzig Meilen faſt zu welcher man ſehen kann, noch weiter, als eigentlich der Horizont geht. Nimmt man an, der Beobachter habe, wie es hier gewoͤhn— lich der Fall war, auf dem Mars geſtanden, alſo in einer Hoͤhe von etwa 100 Fuß, ſo erſtreckte ſich ſein Horizont noch etwas weiter als 11 ſolcher Meilen. War alſo die Entfernung beyder Schiffe noch nicht 30 Meilen, ſo kommen hiervon 17 bis 18 Meilen auf die Entfernung jenſeits des Horizontes. Durch die gewoͤhnliche Strah— lenbrechung konnte die Weite des Sehens etwa um eine oder ein paar Meilen vergroͤßert werden. eu - genau gegen Weſten, und dann eine noch größere Strecke hindurch gegen WRW. Cap Brewſter war noch von duͤnnem Landeis umgeben, das dick mit Eisbergen beſetzt war; mehrere Dutzend derſel— ben konnte man vom Mars aus ſehen. Das Eis erſtreckte ſich bis über die Hälfte der Einbucht von der ſuͤdlichen Seite her; die noͤrdliche Seite hingegen war ganz frey. Wir legten nahe am Rande des Eiſes bey, ungefaͤhr um 7 Uhr des Mor— gens, und blieben faſt auf derſelben Stelle, bis ich eine Reihe von Winkeln, und Sonnenhoͤhen zu Beftimmung der Ränge, mittelſt des Chronometers, erhielt. Eben als ich damit fertig war, hoͤrte der Wind auf, und wir bemerkten, daß wir uns in einer Strömung befanden, die gerade gegen Weſten mit einer Geſchwindigkeit von etwa einer halben Knotenlaͤnge gieng, und uns auf das Eis zufuͤhrte. Wir waren daher genoͤthigt, meh: rere Boote auszuſetzen, um das Schiff heraus zu bugſiren. Als wir die Tiefe des Waſſers unterſuchten, fanden wir mit 220 Faden keinen Grund. Mit dem erſten Luftzuge, der ſich wieder erhob, giengen wir gegen RW. in die Bay hinein, in Geſellſchaft dreyer anderen Schiffe, die in der Nacht zu uns gekommen waren. Jetzt bekamen wir das Schiff zu Geſicht, deſſen Bild uns in der Luſt erſchienen war, und es fand ſich, daß es daſſelbe Schiff war, fuͤr welches ich es gehalten hatte. Zu Mittag war unſere Breite, der Beobachtung zufolge, 70 24 49”, und die Laͤnge 22° 10“ weſtlich. Cap Brewſter lag uns in S. 89 O. Den Nachmittag waren wir bis auf vier oder fünf Meilen von der nordweſtlichen mit Cap Tobin zuſammen— hängenden Spitze des Landes — welche ich, zu Ehren des Herrn Samuel Hope in Everton, Cap Hope nannte — gekommen, als wir ſahen, daß der Canal, welcher dieſe Kuͤſte von Jameſon's Land trennt, am Eingange, wo er am ſchmaleſten if, etwa fünf Meilen in der Breite hält, und — 222 — daß er gerade gegen Norden, ohne eine ſichtbare Begrenzung, geht. Dieſer ausgedehnte Canal wurde Hurry's Ein— bucht, aus Achtung fuͤr Herrn Nicholas Hurry, dem vor— nehmſten Rheder des Baffins, genannt. Da das Wetter ſchoͤn blieb und das Schiff faſt nicht vom Winde bewegt wurde, hatte ich eine gute Gelegenheit, auf Cap Hope zu landen, wo ich zum Behuf meiner Aufnahme der Kuͤſte eine Reihe von Winkeln maß und orientirte. Das Reſultat meiner Beobachtungen uͤber die Beſchaffenheit des Landes an dieſer Stelle wird man in dem folgenden Capitel finden. Bey meiner Ruͤckkehr nach dem Schiff nahm ich Gelegenheit an Bord des Fame, welcher jetzt nicht ſehr weit vom Baffin entfernt war, anzuſprechen, wo ich von meinem Vater erfuhr, daß er zwey Wallfiſche in dieſer Einbucht, in welcher er ſchon zwey oder drey Tage gekreuzt hatte, geſe- hen haͤtte; und daß ſeine Boote die Bucht, auf 30 bis 40 Meilen gegen Norden, unterſucht haͤtten, aber ohne Erfolg; und eben ſo auch die Einbucht weſtwaͤrts von Jameſon's Land, faſt bis auf eine gleiche Entfernung von dem Schiffe. Den 28. July. Da die beyden Wallſiſche in der Nacht waren geſehen worden, ſo wurde ich dadurch ermuntert, mei— nen Aufenthalt hier zu verlängern, wodurch ich noch einmal Gelegenheit erhielt, an das Ufer zu gehen, und zwar auf der Oſtſeite von Jameſon's Land, an einer mehr verſprechenden Stelle, als das erſtemal. Die Stelle, an welcher ich landete, war Cap Stewart, nach dem Profeſſor Dugald Stewart benannt, welches beynahe unter einerley Parallel mit Cap Hope liegt, gerade an der gegenuͤber liegenden Seite der Einbucht. Nicht nur das Anſehen, ſondern auch die ganze Beſchaffenheit derſelben war von dem uͤbrigen Lande umher, das ich zu unterſuchen Gelegenheit hatte, durchaus verſchie— den. Denn hier beſtanden die Felſen aus Urgebirge, waͤhrend auf Jameſon's Land, ſoweit ich es unterſucht habe, nichts von Urgebirge, ſondern nur folche Felſen, die zur Steinkoh⸗ len-Formation gehören, anzutreffen find. & Heute war unſere Breite 70° 25“; die Laͤnge 2 1 Da wir keine hinreichende Menge von Wallfiſchen ange— troffen hatten, die uns haͤtte verſuchen koͤnnen, laͤnger hier zu verweilen, ſo ſuchten wir mit dem erſten Winde, der ſich aus SO. erhob, wieder aus der Einbucht herauszukommen. Um Mitternacht (vom 26. bis 27.) hielten wir uns dicht am ſuͤdlichen Ufer, welches hier frey vom Eiſe war, und ſchick— ten ein Boot nach einer kleinen Bucht ab, etwa fuͤnf Meilen weſtwaͤrts von Cap Brewſter, um dort am Lande Pflanzen und Mineralien einzuſammeln. Die Parthey, welche dieſe Fahrt unternahm, beſtieg einen von den Bergen, von wel— chem ſie eine Ausſicht auf das Meer gegen Suͤden hatte, und gieng laͤngs der Kuͤſte faſt bis zum Cap Brewſter. Sie blieb die ganze Nacht am Ufer, und kam erſt gegen 10 Uhr des Morgens zuruͤck. Ich war aber mit dem Erfolg dieſer Unternehmung ſehr unzufrieden; denn obgleich der Offizier, welcher die Parthey anfuͤhrte, mich ſchon auf einer fruͤhern ahnlichen Unterſuchung begleitet, und geſehen hatte, wie ſolche Sammlungen gemacht werden muͤſſen, ſo hatte er ſich doch begnuͤgt, ein paar Stuͤcke Chalzedon und an— dere looſe daliegenden Steine aufzunehmen — ſo daß das Ganze ſich in einem kleinen Schnupftuche fortbringen ließ und kaum mehr als eine Handvoll ausmachte. Da ich ihm einen Vorwurf daruͤber machte, daß er mir keine Proben der Gebirgsarten mitgebracht haͤtte, entſchuldigte er ſich damit, daß er es für unnöthig gehalten hätte, weil fie gerade eben ſo geweſen waͤren (nach ſeiner Meinung), als die, welche ich auf Jameſon's Land geſammelt haͤtte. Ich war ſchon im Begriff, ſelbſt eine Fahrt an das Ufer zu unternehmen, um das Verſehen der erſtern wieder gut zu = = machen als ſich plöglich ein heftiger Wind aus SO. erhod und mit vieler Heftigkeit eine oder zwey Stunden anhielt. Dadurch kamen wir zu weit von dem ſuͤdlichen Ufer ab, als daß eine Landung paſſend geweſen waͤre. Der Abend war wieder ſchoͤn und ſtille, und da der Wind ſich nach SW. drehte, ſo konnten wir aus der Bucht herausſteuern. Um 8 Uhr Abends befanden wir uns in einer Linie zwifchen Cap Brewſter und Cap Tobin, wo wir beylegten, bis der Fame, der uns Geſellſchaft leiſtete, gelothet hatten). Die Tiefe des Waſſers war 310 Faden. Da meine Unterſuchungen in dieſer merkwuͤrdigen Ein— bucht jetzt zu Ende waren, ſo will ich, ehe ich von derſelben Abſchied nehme, die Ergebniſſe der Beobachtungen, welche meine befchränften Verhaͤltniſſe zu machen mir geſtatteten, in einem beſondern Kapitel zuſammenſtellen. *) Lothen heißt die Tiefe und Beſchaffenheit des Grundes mit dem Loth oder Senkbley unterſuchen. Achtes Kapitel. Scoresby's Sund. — Beſchreibung deſſelben. — Hall's Einbucht. — Hurry's Einbucht. — Unterſuchungen an Cap Hope und Jameſon's Land. — Verlaſſenes Dorf. — Spuren der Eskimo's. — Cap Brewſter. — Beſondere Fluthen und Stroͤmungen. Große Tiefe des Waſſers. Bey der Unterſuchung dieſer Gegenden habe ich bisher nur wenig Hülfe von andern gehabt; wo mir aber irgend eine bedeutende Mittheilung gemacht worden iſt, da habe ich es fuͤr meine Pflicht gehalten, meine Erkenntlichkeit dadurch zu bezeugen, daß ich den Namen des Mannes, welchem ich ſie zu verdanken hatte, eben demjenigen Lande oder Gewaͤſſer, deſſen Kenntniß durch ſeine Unterſuchung gefoͤrdert worden war, beylegte. Dieſer Maxime getreu durfte ich, ohne of— fenbare Ungerechtigkeit, die ſehr wichtigen Unterſuchungen meines Vaters uͤber die Beſchaffenheit dieſer Einbucht nicht unbeachtet laffen — er war nicht nur, wie ich glauben muß, der erſte Entdecker derſelben, ſondern er war auch der erſte, der ſie befuhr, und ihre Lage im allgemeinen beſtimmte; der ferner, mit beſonderer Beharrlichkeit, ſeine Boote ausſchickte, und zwey ihrer weit ausgedehnten Arme, bis auf ſechzig Mei— len von den äͤußerſten Vorgebirgen oder von dem Eingange an gerechnet, unterſuchen ließ. Daher habe ich es, mit Be— ſeitigung der Bedenklichkeiten, welche Beſcheidenheit und Zartgefuͤhl dagegen erheben könnten, gewagt, dieſer geraͤumi— gen Einbucht, zu Ehren meines Vaters, den Namen Sc o— resby's Sund beyzulegen. *) *) Die Benennung Sund wird zwar gewoͤhnlich einem Canal zwiſchen Inſeln, oder einer Durchfahrt zwiſchen einer Inſel und dem feſten 15 Die aͤußerſten Vorgebirge, die man als die Pfoſten zum Eingang von Scoresby's Sund betrachten kann, ſind Cap Hodgſon auf der nördlichen, und Cap Brewſter auf der ſuͤd— lichen Seite, welche ungefähr 24 Meilen von einander, in der Richtung SWgen S., liegen. Aber zwiſchen Cap Brew— ſter und Cap Tobin, die beynahe unter demſelben Meridian liegen, nimmt die Weite bis etwa auf vierzehn Meilen ab, und weiterhin wieder zu. Von Cap Tobin, auf der Nord— ſeite, wo das Land gegen das Ufer abfaͤllt, zieht ſich die Kuͤ— ſte gegen WRW. bis an Cap Hope; und von da, bey einem niedrigen regelmaͤßigen Ufer, gegen Norden, parallel mit der oͤſtlichen Kuͤſte des Landes; ſo daß dieſes die Geſtalt einer Halbinſel erhaͤlt, wofern es nicht eine Inſel iſt. Dem ſuͤdlichen und weſtlichen Theil dieſes Landſtriches gab ich den Namen der Liverpool-Kuͤſte, weil die Vor: gebirge und benachbarten Inſeln deffelben ihre Namen vor: nehmlich von Freunden in Liverpool haben. Der weſtliche Theil deſſelben wird von Hurry's Einbucht beſpuͤhlt, wel— che ihn von Jameſon's Land trennt. Die Boote meines Vaters, die 30 bis 40 Meilen in demſelben aufwaͤrts gegan— gen waren, hatten kein Ende gefunden. Die Breite derſel— ben war insgemein zwiſchen zwey und drey Meilen; und nahe an dem Ende ihrer Fahrt hatten ſie drey Inſeln ent— deckt, die nach dem Schiffe meines Vaters, die Inſeln Fame genannt wurden. Zwey hervorragende Landſpitzen in dieſer Einbucht erhielten die Namen Gibſon's Spitze und Phi— lipp's Spitze, nach zweyen meiner Mitrheder des Baf— Lande beygelegt; aber im Norden von Europa, an den Kuͤſten der Baffins-Bay und auch von Spitzbergen u. a., dient dieſer Ausdruck (und ich glaube mit allem Recht) zur Bezeichnung eines jeden Armes der See, der anſcheinend unbegrenzt iſt. Daher habe ich ihn auch hier gebraucht. S. — 27 — fin; und eine dritte Lloyd's Spitze, nach dem Capitain des Trafalgar (eines Schiffes in unſerer Geſellſchaft), wel— cher einige nuͤtzliche Unterſuchungen in dieſer Bucht gemacht hatte. Die oͤſtliche Kuͤſte von Jameſon's Land, die im allgemei— nen von Norden nach Suͤden geht, zieht ſich unterhalb des Cap Stewart, mit einem niedrigen flachen Ufer, gegen Sid: weſten, bis zu einer Spitze, die den Namen Cap Hooker, zu Ehren des Dr. Hooker, des Profeſſors der Botanik in Glasgow, erhielt. Alsdann windet ſie ſich gegen W., NW. und N., ſo daß ſie Jameſon's Land entweder zu einer Halb— inſel oder zu einer Inſel macht. Es hat in der That alles Anſehen einer Inſel; aber ich hatte keine Gelegenheit, dieſen Punkt zur Gewißheit zu bringen. Ungefähr zehn Meilen gegen NW. von Cap Hooker wurde ein betraͤchtliches Vorge— birge entdeckt, und nach dem Capitain Roß, dem Anfuͤhrer der erſten der neuern Reiſen nach der Baffins-Bay zur Aufſuchung einer nordweſtlichen Durchfahrt, benannt; aber wir konnten nicht entſcheiden, ob daſſelbe zu Jameſon's Land oder zu einem andern Theil jener Kuͤſten gehoͤrt. Von Cap Brewſter dehnt ſich die ſuͤdliche Kuͤſte des Scoresby's Sundes nach W. und WRW. hin, ungefähr funfzig Meilen weit, bis an eine Spitze, welche nach Herrn Robert Stevenſon benannt wurde. Die Weite des Sundes zwiſchen dieſer Kuͤſte und Jameſon's Land iſt etwa vierzehn Meilen, und am kleinſten iſt ſie in dem Meridian von Cap Hooker. Weſtwaͤrts von dieſem erweitert ſich der Sund bis zu einer Breite von ungefaͤhr 25 Meilen, wird aber durch einen beträchtlichen und weit gehenden Landſtrich, der ziemlich in der Mitte liegt, und zu Ehren des Herrn David Milne, Milne's Land genannt wurde, in zwey Arme ge— theilt. 19.” — - Die ſuͤdoͤſtliche Spitze von Milne's Land erhielt den Na— men Cap Leslie, zu Ehren des beruͤhmten Profeſſors der Phyſik in Edinburgh. Zwiſchen dieſem Vorgebirge und Cap Stevenſon geht der Hauptarm des Sundes gegen Weſten fort, bis zu einer Entfernung, die ſich nicht beſtimmen ließ, da man nach dieſer Seite hin vom Mars des Baffin kein Land ſehen konnte, und auch der Offizier, den mein Vater zur Unterſuchung dieſes Theils des Sundes ausgeſchickt hatte, keines daſelbſt hatte entdecken konnen. Ein anderer Arm des Sundes laͤuft gegen Norden oder Nordweſten, zwiſchen Jameſon's Land und Milne's Land, welcher den Namen Hall's Einbucht, aus Achtung für den Capitain der koͤniglichen Marine, Baſilius Hall, erhielt. Dieſer Arm war von meinem Vater bis auf eine Entfernung von 30 Meilen von Cap Hooker unterſucht worden; und wei— terhin hatte man nichts als Eis, aber kein Land, gegen Nor— den, geſehen. Hall's Einbucht muß ſich daher, ſoviel man aus der Höhe des anſtoßenden Landes urtheilen kann, (wovon die meiſten Punkte auf 60 Meilen von dem Verdeck eines Schiffes geſehen werden konnen), wenigſtens auf 70 Meilen von Cap Hooker, oder auf 90 Meilen von Cap Brewſter erſtre— cken. Da der ſuͤdliche Arm des Sundes voller Eis war, ſo konnte er durch die Boote nicht weiter unterſucht werden; und eine Unterſuchung zu Lande zu unternehmen, geſtattete der eigentliche Zweck unſerer Reiſe nicht, den wir nicht aus den Augen verlieren durften. Das Eis beſtand vornehmlich aus dünnen Schollen oder Flächen — wahrfcheinlich das Er: zeugniß des vorhergegangenen Winters — und war, wie es ſchien, ſeiner Auflöſung nahe. In Hurry's Einbucht, die gerade von Norden nach Sü: den geht, und daher der Einwirkung der Sonnenſtrahlen in vorzuͤglichem Grade ausgeſetzt iſt, war alles Eis verſchwun— — 229 — den, und man konnte, ſoweit ſie unterſucht wurde, keines gewahr werden, ausgenommen hier und da ein Ueberbleibſel eines Eisberges. Dagegen zeigte ſich noch eine große Menge Eis, von nicht zu uͤberſehender Ausdehnung, auf der ſuͤdli— chen Seite des Sundes, über Cap Hooker hinaus, und bes ſonders in dem ſuͤdweſtlichen Arm, weil es da, um Mittag herum, durch den Schatten der benachbarten Berge gedeckt iſt. Bey unſerer erſten Einfahrt in den Sund war das Cap Brewſter noch von betraͤchlichen Eisflaͤchen umgeben; dieſe befanden ſich aber in einem ſolchen Zuſtande der Aufloͤſung, daß binnen drey Tagen die großen Maſſen in kleinere Stuͤcke zerfielen, und ein großer Theil derſelben verſchwunden war. Auch waren dort einige Eisberge von betraͤchtlicher Größe; dieſe trotzen jedoch der Wirkung der Sonne, und dauern. viele Jahre hindurch, bis ſie etwa von Stuͤrmen und Stroͤ— mungen weggetrieben und in ein milderes Klima geführt wer— den. Ich habe ſchon bemerkt, daß der ſuͤdliche Theil der Li— verpool-Kuͤſte am Rande des Waſſers niedrig iſt, und ſich von hier allmaͤhlig zur Hoͤhe eines Gebirges erhebt. Auf die— ſer abhaͤngigen Flaͤche, ob ſie gleich gegen Mittag gekehrt iſt, ſah man an vielen Stellen noch eine betraͤchtliche Menge von Schnee, beſonders in den Vertiefungen, wo er ſich im Wine ter und Frühjahre in groͤßern Maſſen angehaͤuft hatte. Die weſtliche Kuͤſte des Landes, welches Hurry's Einbucht ein— ſchließt, iſt regelmaͤßiger, als irgend etwas, das ich in Groͤn— land geſehen habe. Von dem Ufer, wo ſie niedrig und faſt dem Waſſerſpiegel gleich iſt, ſteigt ſie in einer ſanften Erhe— bung, bis zu einer Hohe von vielleicht 1500 bis 2000 Fuß uͤber der Meeresflaͤche; und ihre Erhebung und Begraͤnzung iſt fo gleichförmig, daß ihr Ruͤcken in gerader Linie fortlaͤuft, und ihre Hoͤhe nur ſcheinbar nach den Geſetzen der Perſpective, abnimmt, bis fie in der aͤußerſten Ferne zur Fläche des Mee— res herabſinkt. Dieſer Ruͤcken, der, von ſeiner Geſtalt und ſeinem Anſehen, Perſpectiv-Ruͤcken (Perspective- — 230 — Ridge) genannt wurde, war mit einer zahlreichen Menge kleiner Schneeflecken bedeckt, aber bey weitem der größte Theil feiner Oberflache war blos. Am 25. Nachmittag landete ich nahe an dem ſuͤdlichen En— de des Perſpectiv-Rückens, bey Cap Hope. Ich waͤhlte dieſe Stelle wegen einer hervorſpringenden Felſenſpitze, die mir in mineralogiſcher Hinſicht mehr verſprach, als das benachbarte flache Ufer. Meine Erwartung wurde jedoch nicht ſehr be— friedigt, da die Felſen nur aus Urgebirge beſtanden, und gaͤnzlich denen von Cap Liſter glichen. Hier entdeckten wir wieder Spuren von Bewohnern, in den Ueberreſten der Sommerhuͤtten und Huͤgel, welche den fruͤher aufgefundenen ähnlich waren. Wir fanden auch einige Stuͤcke von Renthier-Geweihen, die kuͤnſtlich zerſchnitten waren; ingleichen Menſchenknochen, und Knochen von Hun— den, Hafen und einigen andern Saͤugethieren. Der Schädel eines Hundes fand ſich in einem kleinen Grabe, das wahr— ſcheinlich das Grab eines Kindes war, da die Groͤnlaͤnder, wie Cranz in feiner vortrefflichen Geſchichte von Groͤnland berichtet, einen Hundskopf zu dem Grabe eines Kindes legen, weil ſie den Hund, der ſeinen Weg uͤberall zu finden weiß, als einen guten Wegweiſer fuͤr das unerfahrne Kind nach dem Lande der Seelen anſehen. Es waren ſehr wenige lebendige Geſchoͤpfe dort zu ſehen, ausgenommen Inſekten; kaum ein paar Vögel, und kein Saͤugethier, außer drey weißen Hafen (Lepus glacialis), von welchen ich einen ſchoß. Dieſes war ein junger, nicht großer, als ein Kaninchen. Die Augen waren braun von Farbe. Das Haar war aͤußerſt fein und weich, und die Far— be deſſelben ganz weiß. Das Fleiſch war ſehr zart und wohl— ſchmeckend. Es gewährte uns unſtreitig das delikateſte Ge: richt unter allen Produkten der Polarlaͤnder, die ich je geko— N ſtet habe. Die Inſekten waren in Menge vorhanden: Mus⸗ kito's und verſchiedene Arten von Schmetterlingen. Die Hitze zwiſchen den Felſen war ſehr druckend, fo daß meine Wanderung ſehr dadurch abgekuͤrzt, und meine Unter— ſuchungen beſchraͤnkt wurden, weil ich mich durch die unge— woͤhnliche Waͤrme ganz ermattet fuͤhlte. Ungluͤcklicherweiſe hatte ich kein Thermometer bey mir; aber ich denke, die Tem: peratur konnte nicht unter 70° ſeyn. Nach meiner Empfin- dung war fie der größten Hitze des Sommers in England gleich. Die Wirkung derſelben auf das Pflanzenreich war auch ſo groß, daß die meiſten Pflanzen, die wir antrafen, ſchon in Samen gegangen, und manche ganz vertrocknet und verwelkt waren ). Jameſon's Land iſt, wie ich bemerkt habe, von ei— nem ganz andern Anſehen und Karakter, als irgend ein an— deres der Polarlaͤnder, welche ich geſehen habe. Von Ferne erſcheint es niedrig, mit wellenformigen Ungleichheiten, und von hellbrauner Farbe; waͤhrend alle benachbarten Kuͤſten, mit Ausnahme des Perſpectiv-Ruͤckens, ſchroff, bergig und von ſchwarzbrauner Farbe find. Und was es damals noch auffallender machte, war, daß der ſuͤdliche Theil auch nicht die geringſte Spur von Schnee zeigte. Ich landete nahe bey Cap Stewart, am Morgen des 26., an einem niedrigen fandigen Ufer, ungefähr eine Meile von einer Reihe von Felſen, die nach dem Sekretaͤr der *) Auch Hr. v. Buch bemerkt auf feiner Reife durch Norwegen und Lappland die große Hitze auf dem Lande in hohen Breiten während der Sommermonate. In Altengaard, unter 70° der Breite flieg das Thermometer am 13. July (1807.) auf 215 Grad Reaum. (d. i. noch etwas uͤber 80 Grad Far.) und gewoͤhnlich, ſagt er, ſtand es am Mittage (im July) auf 17 oder 18 Grad (d. i. = 70 bis 72° Far.). ee > Ale Wernerian und der Horticultural Society, Patrik Neill, benannt wurde. Hier entdeckten wir eine Menge von Hütten und andern Gegenſtaͤnden, welche bewieſen, daß der Platz ehedem bewohnt geweſen war. Es war dieß bey weitem die merkwuͤrdigſte Stelle, welche ich beſuchte, ſowohl in mineralogiſcher, botaniſcher und anderer naturhiſtoriſchen Ruͤckſicht, als wegen der Spuren von Bewohnern dieſer Ge— gend. Endlich von Neill's Felſen kommt, unmittelbar da: neben, eine Ader oder ein Gang von Gruͤnſtein vor, der aus aufrecht ſtehenden prismatiſchen Saͤulen, 60 bis 100 Fuß hoch, und 1 bis 3 Fuß dick, beſteht. Die Saͤulen ſind jedoch nicht ſehr regelmaͤßig, noch ſind ſie in Glieder getheilt, wie manche Arten der Trappformation. Sie beſtehen aus einem feinkörnigen Gruͤnſtein, nicht ungleich dem von den Shiant-Inſeln, mit welchem die Saͤulen eine große Aehn— lichkeit haben. Indem wir von da weiter nordwaͤrts gien— gen, laͤngs einem huͤbſchen, ebenen Ufer von weißem quar— zigem Sande, kamen wir an einen, fuͤr ein ſolches Land nicht unbedeutenden, Fluß, deſſen Bett mit großen Steinen angefuͤllt war, die den Uebergang beſchwerlich machten. Wir landeten an dem Fuße von Neill's Felſen, auf einem etwas erhobenen, ebenen Boden, der ſich zwiſchen dem Waſ— fer uͤnd den Felſen, in einer Breite von etwa 300 Yards hin— zog, und einen Ueberfluß an wohlriechenden Kraͤutern, und merkwuͤrdigen Ueberreſten menſchlicher Kunſt und Arbeit hatte. teils’ Felſen find ungefähr 300 Fuß hoch, von welchen volle zwey Drittheile mit den Truͤmmern der hoͤhern Schichten be: deckt ſind. Ueber dieſe ſtieg ich zu dem Felſen ſelbſt hinauf, und fand, daß er aus einem mächtigen Lager von bitumino⸗ ſem Schiefer, — grobem Conglomerat, mit einer Grundlage von Sandſtein — ſchiefrigem Sandſtein — kalkartigem Sand: ſtein — feinkörnigem Kalkſtein, voll von organiſchen Ueber— reſten — und einem grobkörnigen Kalkſtein von grauer Far— be, mit vielen Arten von Pectiniten und andern e gen Muſcheln, beſtand. Dieſes waren die Hauptfelſen; einzeln aber wurde auch noch hier und da Thoneiſenſtein, Schieferthon, gemeine Schieferkohle, Pechkohle, ſplittriger Kalkſtein, ſandiger Kalkſtein u. a. m. gefunden. Die meiſten dieſer Felſen waren von einem zerreiblichen Gewebe, und ihre allgemeine Farbe war hellbraun. Dieſes gab der Kuͤſte von Jameſons Land das eigenthuͤmliche Anſe— hen, welches zuerſt meine Aufmerkſamkeit ſo anzog. Die Felſen, welche ich bisher angetroffen hatte, waren, faſt ohne Ausnahme, Urgebirgsarten; und die allgemeine Beſchaffenheit des Bodens in dieſem Lande, ſo weit die aus— gedehnten Unterſuchungen von Carl Gieſecke gehen, iſt auch Urgebirge; jetzt aber kam ich in einen Strich Landes, der zu einer Formation gehoͤrt, von der man bisher gar nicht gewußt hat, daß fie in Groͤnland vorfomme, nämlich zur Steinkohlenformation. Schichten, die zu den Ue— bergangsgebirgen gehören, habe ich zwar nicht gefunden, in— deſſen iſt es wahrſcheinlich, daß ſie weiter im Innern des Landes vorkommen. Ferner macht die Auffindung einzelner lockern Stucke von Ur-Thonſchiefer, und der allgemeine Charakter des angrenzenden Landes, es wahrſcheinlich, daß, wenn wir Gelegenheit gehabt haͤtten, tiefer in das Innere des Landes zu dringen, wir gefunden haben wuͤrden, daß die Urgebirgsarten ſich erſt hinter den Uebergangsgebirgs— arten und unter ihnen hervorheben. Außer dem Thonſchie— fer fanden ſich hier nur noch zwey andere Arten von Urge— birgsmaſſen, nämlich, Gneiß und rother Granit, und dieſe lagen unter dem Geroͤlle am Ufer, und mochten durch das Eis dahin gebracht worden ſeyn ). ) Bey Unterſuchung und Beſtimmung der an dieſen Orten gefammels ten Mineralien habe ich der Beyhuͤlfe meiner Freunde, des Prof: Jameſon und Dr. Traill viel zu danken. Ein allgemeines Ver⸗ Spuren, daß die Gegend bewohnt geweſen iſt, und zum Theil neuerlich, kommen uͤberall auf der Ebene am Fuße von Reills Felſen vor. Die auffallendſten und merf: wuͤrdigſten dieſer Art waren die Ueberreſte eines Dorfes, das aus neun oder zehn Huͤtten nahe bey einander, und aus mehrern andern, zerſtreut umher ſtehenden, beſtanden haben mußte (f. die VIII. Tafel). Dieſer Platz hatte in der That die ſchicklichſte Lage, welche die Eskimo's zu ihren Winter— wohnungen wählen konnten: er war etwa 50 Fuß uͤber dem Ufer erhaben, vollkommen trocken, und hatte einen ſteilen Abhang ſowohl gegen den Fluß, der die Ebene auf der Suͤd— ſeite begrenzt, als gegen den Strand, welcher die oͤſtliche Grenze bildet. Die Daͤcher von allen Huͤtten waren entwe— der weggenommen, oder eingefallen; was noch übrig war, beſtand aus einer Höhlung in dem Boden, etwa 4 Fuß tief, 15 Fuß lang, und 6 bis 9 Fuß breit. Die Seitenwände einer jeden Huͤtte beſtanden aus rohen Steinen, und der Fußboden war Sand, Thon und Moos. Der Eingang in die Huͤtten war, wie es bey den Eskimo's gewöhnlich iſt, ein horizontaler, trichterförmiger Gang, der aus der Huͤtte unter der Erde, etwa 15 Fuß, fortlaͤuft und an dem Abhang des Ufers in die freye Luft ausgeht. Dieſer Gang war ſo niedrig, daß eine Perſon auf Haͤnden und Fuͤßen kriechen mußte, um in die Wohnung zu kommen; von oben war er mit flachen Steinplatten und Raſen bedeckt. Da dieſe Art von Huͤtten ſo tief in der Erde liegt, und man nur durch einen unterirdiſchen Gang in dieſelben kommen kann, ſo hat man gemeiniglich geglaubt, ſie waͤren ganz unter der Erde. In der That ſind ſie auch nur wenig uͤber die Oberflaͤche er— haben, und da das Dach, wenn es vollſtaͤndig iſt, gewoͤhn— lich mit Hafen belegt, und mit Moos oder Gras überdeckt wird, ſo wird es dadurch in ſeinem Anſehen dem uͤbrigen zeichniß derſelben findet ſich im Anhange unter Nr. I., worauf ich hier verweiſen will. | ©. Boden fo ähnlich, daß es kaum davon zu unterſcheiden iſt. Es hat mich in Verwunderung geſetzt, wie ſehr dieſe Huͤtten der Befchaffenheit des Klima's und den Verhältniffen ihrer Bewohner angemeſſen ſind. Da der ungebildete Eskimo keine Feuerung in ſeiner Huͤtte haben kann, ſondern nur eine Lampe, die ihm zur Erleuchtung und Erwaͤrmung die— nen ſoll, ſo muß er, bey der großen Strenge des Winters, alle Sorgfalt anwenden, die ſparſam erregte kuͤnſtliche Wärme moͤglichſt zuſammenzuhalten. Zu dieſem Ende iſt eine unterirdiſche Wohnung, die durch ein Dach von Moos und Erde, wozu noch eine tuͤchtige Decke von Schnee kommt, gegen das Eindringen der Kälte, und durch einen langen un— terirdiſchen Gang, gegen den ſchneidenden Wind geſchuͤtzt iſt — eine der beſten Erfindungen, die er bey ſeinen hoͤchſt beſchraͤnkten Mitteln in Anwendung bringen konnte. Die Anlage des Eingangs iſt ſinnreich. Sie wird immer ſo ge— macht, daß die Oeffnung gegen Suͤden geht, damit die mil— den Strahlen der Mittagsſonne im Herbſt und Fruͤhling hin— eindringen, dagegen die kalten Nord-, Oſt- und Weſtwinde vorbeygehen mochten. In manchen Kallen iſt der Boden des Eingangs in gleicher Hoͤhe mit dem Fußboden der Huͤtte; in andern aber — wo man vielleicht, ohne es zu wiſſen, richtigere Grundſaͤtze in Ausuͤbung brachte — iſt der Gang ſo viel tiefer als die Huͤtte angelegt, daß das Dach deſſelben mit dem Fußboden der letztern in eine Horizontalebene faͤllt. Alsdann kann die kalte Luft, die in den Gang hineindringt, da ſie ſchwerer, als die waͤrmere Luft in der Huͤtte iſt, ſich nicht in dieſe erheben, es ſey denn, daß ſie durch einen Zug gefliſſentlich hineingeleitet wird. Ueberhaupt ſcheint es, daß der Wechſel der Luft durch den langſamen und faſt unmerk— lichen Zug, der in dem engen Gange aus- und eingehen mag, hervorgebracht werden muß. In dem jetzt beſchriebenen Dorfe waren ſechs Huͤtten in einer Reihe und ſehr nahe bey einander, au der ſuͤdlichen = — Seite der Ebene, mit Ausgaͤngen gegen Süden. Die oͤſt— lichſte von dieſen ſtand da, wo das Ufer einen Winkel machte und ſich gegen Norden zu ziehen anfing. Nahe an dieſer waren drey andere, auf der oͤſtlichen Seite des Ufers, mit ſchiefen Eingängen gegen Süden oder Suͤdoſten. In der Naͤhe der Hütten waren noch viele Gruben, die wahrſcheinlich zur Aufbewahrung von Vorraͤthen und andern Dingen gedient hatten. Auch fanden ſich verſchiedene kleine Huͤgel und eine betraͤchtliche Anzahl von Graͤbern umher zer— ſtreut. Viele von den Graͤbern waren unmittelbar hinter den Huͤtten, andere waren zwiſchen oder vor ihnen, und zwey oder drey fanden ſich in dem Fußboden ſolcher Huͤtten, die älter ausſahen und wahrfcheinlich den letzten Bewohnern der neuern Huͤtten zu Begraͤbnißplaͤtzen gedient hatten. Dieſe Graͤber enthielten insgemein Menſchenknochen. Aus einem derſelben wurde ein vollkommen gut erhaltener Schaͤdel mit einer huͤbſchen Reihe von Zaͤhnen, unter welchen die Weis— heitszaͤhne eben im Hervorbrechen begriffen waren, heraus— genommen; und aus der geringen Große deſſelben ließ ſich vermuthen, daß die Perſon, welcher er angehoͤrt hatte, weiblichen Geſchlechts und etwa zwanzig Jahr alt geweſen ſeyn mochte. Viele Graͤber enthielten außer den Menſchen— knochen, noch Bruchſtuͤcke von Geräthen, dergleichen die Eingebohrnen bey der Fiſcherey und Jagd gebrauchen. Unter dieſen befanden ſich einige wenige Stuͤcke vom Stoßzahn des Narwals, einige Stangen vom Renthier-Geweih, und verſchiedene Stückchen Holz, an denen eine rohe Bearbeitung zu erkennen war. Dieſe Beylagen von nuͤtzlichen Werkzeu— gen waren ein neues Merkmal von den Sitten und Gebraͤu— chen der Eskimo's. Dieſe gaͤnzlich ungebildeten Menſchen haben, wie man weiß, die Meinung, daß fie ihre Geräth: ſchaften zu ihrer Erhaltung nach dem Tode noͤthig haben ). *) S. Cranz Hiſtorie von Grönland, III. Buch $. 47. — 87 — Die größte Tugend beſteht, nach ihrem Glauben, in der größten Geſchicklichkeit auf der Jagd, beym Fiſchfang u. ſ. w., und die größte Gluͤckſeligkeit im kuͤnftigen Leben ſetzen ſie in einen reichlichen Genuß von Voͤgeln, Fiſchen, Renthieren und Seehunden, die, bey einem beſtaͤndigen Tage und im— merwaͤhrenden Sommer, ohne Muͤhe gefangen werden. Ja manche glauben ſogar, daß fie dieſe Speiſen ſchon zubereitet faͤnden, ohne einige Bemuͤhung von ihrer Seite; andere hingegen ſind der Meinung, daß ſie zwar ihre Speere und Pfeile brauchen wurden, um die Thiere zu toͤdten (daher jene mit ihnen begraben werden muͤßten), daß dieſe aber in ſo großer Menge daſelbſt vorhanden waͤren, daß die Jagd derſelben mehr ein Vergnuͤgen, als eine Arbeit waͤre. In manchen Graͤbern, die wir unterſuchten, fanden wir Stuͤcke von Seehunds- oder Renthierfellen. Dieſes waren offenbar die Ueberbleibſel von Kleidern, in welchen die Kor: per begraben worden waren. Die Graͤber waren alle in die Erde gegraben, nicht uͤber die Oberflaͤche gebaut, wie es in felſigten Gegenden geſchieht, und waren mit Platten von Sandſtein oder Schiefer, auch mit Stuͤcken Holz oder Kno, chen, die queer daruͤber lagen, bedeckt, und der Boden von vielen war mit Thonſchiefer ausgelegt. An allen menſchli— chen Schaͤdeln, die wir fanden, bemerkten wir, daß das Kinn ſehr hervorſtehend, und die Stirn ſehr zuruͤckgezo— gen war. Viele Stuͤcke von Renthiergeweihen wurden bey dem Dorfe gefunden. Dieſe waren mit Kunſt entzwey gemacht, auf eine Art, die, wie ich glaube, den Eingebohrnen jener Gegenden eigenthuͤmlich iſt. Da ſie kein Werkzeug, wie eine Saͤge, haben, ſo zertheilen ſie harte Knochen dadurch, daß fie eine Reihe von Löchern dicht neben einander durch bohren. Auf dieſe Art ſchneiden ſie einzelne Stangen vom Renthier— geweih ab, und bringen ſelbſt Durchſchnitte nach der Laͤnge, — 238 — bey Narwalszaͤhnen von mehr als zwey Zoll im Durchmeſſer, zu Stande. Da dieſe letztern ſo feſt wie Elfenbein ſind, ſo konnen fie ſchwerlich ohne Huͤlfe des Eiſens durchbohrt wer: den. Ich ſuchte vergebens nach etwas, das einem Bohrer aͤhnlich waͤre, allein da ſolche Werkzeuge unſtreitig von gro— ßem Werth fuͤr die Eingebohrnen ſind, ſo iſt es wahrſchein— lich, daß fie fie forgfältig aufgehoben, und bey ihrem Aug: zug mitgenommen, und nur Sachen von geringerer Bedeu— tung zuruͤckgelaſſen haben. An einigen Stuͤcken Elfenbein und Knochen, welche wir fanden, zeigten ſich offenbare Spuren eines Beils oder eines andern ſcharfen Werkzeuges. Indeſſen konnte dieſes auch von Stein geweſen ſeyn, da der Eindruck nicht ſo beſchaffen war, daß er nothwendig Eiſen erfordert haͤtte. Zwey ſteinerne Beile fanden ſich wirklich, und verſchiedene Stuͤcke Holz, roh zugehauen, und zum Theil durch Brennen zu haͤuslichen Geraͤthſchaften bearbeitet. Unter den Knochen, die wir in dem Dorfe fanden, konn— ten wir die von Seehunden, Wallroſſen, Baͤren, Ren— thieren, Hunden, Narwals und Wallfiſchen unterſcheiden. Auch fand ſich ein Schenkelknochen von einem großen Thier, deſſen Gattung wir nicht beſtimmen konnten. Die Zahl der Einwohner, die vor noch nicht langer Zeit Jameſon's Land bewohnt hat, muß ſehr betraͤchtlich geweſen ſeyn, da ſich die Ueberreſte von Huͤtten und Graͤbern faſt überall längs dem ganzen Ufer fanden, wo nur ein ſchickli— cher Platz zur Errichtung derſelben war. Der Ertrag an Pflanzen auf Jameſon's Land iſt viel bes trächtlicher, als man in einer ſolchen Breite erwarten ſollte. um das Dorf herum war der Boden reichlich mit Gras, ei— nen Fuß hoch, bewachſen, und weiter landeinwaͤrts entdeckte mein Vater, der dieſe Gegend bis auf eine beträchtliche Weite unterſucht hat, bedeutende Strecken, die man mit allem \ u — Recht Grünland nennen könnte — Stucke von mehrern Morgen, die, nach dem Zeugniß des Herrn Scott, des Wundarztes von dem Schiffe meines Vaters, fo ſchoͤne Wie: ſen bilden, als man nur irgend in England ſehen kann. Es gab mancherley Arten von Gras, und viele andere Pflanzen von ſchönem Anſehen. Jedoch ein großer Theil der Ge— waͤchſe, die keinen Schutz hatten, war von der Sonnenhitze gaͤnzlich verdorrt. Die uͤppigſten Striche waren die etwas niedrigen Ebenen, welche, ſo wie die in der Naͤhe von Neill's Felſen, mit einem ziemlich tragbaren Boden bedeckt, durch das Schneewaſſer, das von den hoͤhern Gegenden beſtaͤndig herabfloß, in gehörigem Grade gewaͤſſert wurden. Ich fand hier mehrere huͤbſche Arten, obwohl meiſtens ſolche von nie— drigem Wuchs, als: Ranunculus nivalis, Saxifraga cer- nua, S. nivalis, S. caespitosa oder Groenlandica, S. op- positifolia, Eriophorum capitatum, Epilobium latifo- lium, Dryas octopetala, Papaver nudicaule, Rhodiola rosea u. a., nebſt der ſchon oben erwähnten kriechenden Zwergweide. Die ganze Sammlung, welche ich zuſammen— brachte, betrug ungefaͤhr vierzig Arten. Die zum Thierreich gehoͤrigen Erzeugniſſe von Jame— ſon's Land beſtehen, ſo weit unſere Unterſuchungen reichten, an Saͤugethieren, in Renthieren, weißen Haſen und einer noch unbekannten Art von Maͤuſen, die wir Mus Groenlan- dicus nannten; an Voͤgeln, in Eidergaͤnſen, Rothgaͤnſen (anas bernicla), Regenpfeiffern, und den gewoͤhnlichen Waſſervögeln der nordiſchen Meere, obgleich nur in geringer Anzahl; an Inſekten, in Schmetterlingen, Nachtvoͤgeln, Bienen, Mücken u. a. m. Einige Matrofen von dem Schiffe meines Vaters entdeckten einen Bienenſtock, welchen ſie trotz der furchtbaren Vertheidigung ſeiner kleinen Inhaber, ſeines Honigs beraubten. Da die Sonne den Mittagskreis durchſchnitt, waͤhrend ich am Ufer verweilte, fo wurde die Hitze, bey dem wolken— * — 0 — leeren Himmel, überaus groß. Sie brachte eine ſolche Ermat⸗ tung und einen ſolchen Durſt in uns hervor, daß wir nicht nur begierig von jedem kuͤhlenden Waſſer tranken, ſondern auch zu dem Berg-Sauerampfer (Rumex digynus), der gluͤcklicherweiſe in unzaͤhliger Menge auf der Flaͤche laͤngs dem Ufer wuchs, und deſſen Saͤure uns uͤberaus angenehm und er— friſchend war, unſere Zuflucht nahmen. Herr Lloyd, der Ca— pitain des Trafalgar, der mich, nebſt meinem Vater auf eiz nem Theil dieſer Wanderung begleitete, benutzte einen fri— ſchen Wind, in ſeinem Boot noch zwanzig Meilen weiter hinauf in Hurry's Einbucht zu fahren, und dort auf einer hervorragenden Spitze zu landen. Hier hatte er einen Grad von Hitze auszuhalten, der ſeiner Empfindung nach ſo druͤ— ckend war, als er ihn je in Oſt- oder Weſtindien, wo er oͤfters geweſen war, empfunden hatte. Sie uͤberwaͤltigte ei: nige ſeiner Leute, die es verſucht hatten, einen benachbarten Huͤgel zu erklimmen, ſo ſehr, daß ſie nicht weiter fortkom— men konnten, ſondern ſich hinlegten und in einen tiefen Schlaf verfielen, aus dem ſie nicht eher erwachten, als bis ſie von einigen ihrer Kameraden, denen es durch eine außer— ordentliche Anſtrengung endlich gelungen war, ſie aufzufin— den, geweckt wurden. Die Kraft der Sonne war ſo groß, daß fie ihnen eine ſehr ſchmerzhafte Augenentzundung verur— ſachte, welche mehrere Tage anhielt. Hierzu kam die zahlloſe Menge der Muskito's, welche durch ihren peinlichen Stich die Beſchwerden, die ſie ſchon von der Hitze auszuſtehen hatten, noch vermehrten. Merkwuͤrdig war es, daß, waͤh— rend der Wind auf dem Waſſer mit ziemlicher Heftigkeit wehte, auf den Bergen umher eine gaͤnzliche Windſtille herrſchte. Die Hitze wirkte fo ſtark auf den Boden, daß an man: chen Stellen Torf gefunden wurde, der ſo trocken war, daß daß er ſich mit einem brennenden Schwamm anzuͤnden ließ und ſchnell in Brand gerieth. Einige Matroſen benutzten — 241 — dieß „ um ſich Kaffe zu kochen, und andere Lebensmittel zus zubereiten, die ſie ſich hatten verſchaffen können. Dieß war ein ungluͤcklicher Umſtand für unſere zoologiſchen Sammlun— gen; denn mehrere Enten, Rebhuͤhner und andere Vögel, welche fie geſchoſſen hatten — anſtatt zur Befriedigung un, ſerer Wißbegierde ſorgfaͤltig aufgehoben und an Bord ge— bracht zu werden — wurden ohne Bedenken auf der Stelle gerupft, gebraten und gegeſſen. Als wir am Cap Stewart landeten, welches am 27. July um 10 Uhr 30 Minuten Morgens geſchah, war die Ebbe, ſo viel man aus den Spuren am Ufer ſehen konnte, ſchon um zwey Fuß in ſenkrechter Hoͤhe zuruͤckgegangen, und 30 Minuten nach zwoͤlfe ſchien fie ihren tiefſten Stand er: reicht zu haben; worauf die Fluth eintrat. Damals — ge— rade die Zeit der ſchwaͤchſten Fluthen — ſchien das Steigen und Fallen drey oder vier Fuß in ſenkrechter Hohe zu betras gen. Die Fluth geht an dieſem Theile von Jameſon's Land laͤngs dem Ufer gegen WSW. (nach dem Kompaß), und die Ebbe gegen ORO.; aber es iſt wahrſcheinlich, daß die Fluthen ſich hier herum in ihrer Richtung theilen, indem ver— ſchiedene Strömungen in die verſchiedenen Einbuchten gehen. Eine auffallende Verſchiedenheit findet in dem Anſehen von Jameſon's Land und dem der ſuͤdlichen Kuͤſte von Sco— resby's Sund ſtatt, die ſich von Cap Brewſter gegen We— ſten zieht. Jameſon's Land, und ſelbſt auch die gegenuͤber— liegende Seite von Hurry's Einbucht, hat eine große Aehn— lichkeit mit der Kuͤſte der Shetland-Inſeln im Winter: es iſt ein nacktes, dunkelfarbiges, verhaͤltnißmaͤßig niedriges und wellenfoͤrmiges Land, an welchem ſich keine Eisberge bilden konnen. Hingegen die ſuͤdliche Kuͤſte iſt bergig, ſchroff, großentheils mit Eis bedeckt und von einem hochſt anziehen: den Charakter. In ihrer bergigen Beſchaffenheit gleicht ſie der öſtlichen Kuͤſte von Grönland im allgemeinen, aber fie 16 Ze hat eine anmuthige Eigenthuͤmlichkeit in der Geſtaltung ihrer Felſen. Die gegen Norden gekehrte Seite derſelben iſt mei— ſtens durch eine Menge paralleler, horizontal liegender Schichten oder Lager ausgezeichnet, die in verſchiedenen Ab— fäßen über einander liegen und gleichſam eine rieſenfoͤrmige Treppe bilden; jede Stufe iſt mit einer duͤnnen Lage von Schnee bedeckt, die von weitem wie eine weiße Linie er— ſcheint, die gegen den dunkeln Felſen auffallend abſticht; und dieſe abwechſelnd weißen Linien und dunkeln Flaͤchen geben dem Ganzen ein artiges Anſehen. Dieſe Bildung hat. etwas aͤhnliches mit der, welche Capitain Parry an den Felſen auf der Nordſeite von Barrow's Straße bemerkt hat. Die Hoͤhe der Kuͤſte auf dieſer Seite des Sundes wurde im Durchſchnitt auf 2600 Fuß geſchaͤtzt. Von zwey Bergen wurden die Hohenwinkel gemeſſen, woraus ſich, bey der be— kannten Entfernung derſelben, die Hoͤhe des einen auf 2604, und die des andern auf 3000 Fuß ergab. Dieſe Kuͤſte iſt eine große Quelle von Eisbergen. Jedes Thal und jede Schlucht von Cap Brewſter an auf mehrere Meilen gegen Weſten hin iſt mit Eis gefüllt. Dieſes bildet an manchen Stellen auf dem Gipfel der vorderſten Felſenreihe (welche im Allgemeinen weniger hoch als die zweyte Reihe iſt) unge— heure Schichten, welche ſich zuſammen in eine Flaͤche von vielen Meilen ausdehnen. Dieſen Eismaſſen oder Gletſchern verdanken offenbar die zahlreichen ſchwimmenden Eisberge, mit welchen das Meer in dieſer Gegend auf eine Strecke von dreyßig bis vierzig Meilen weit bedeckt iſt, ihren Urſprung. Denn wenn gleich manche von dieſen eine Große von 150 Fuß und mehr über dem Waſſerſpiegel, oder eine Dicke von wahrſcheinlich 1000 Fuß erreicht hatten, und eine Meile im Umfang hielten, ſo waren ſie doch nur losgeriſſene Stuͤcke von dieſen zahlreichen und ungeheuern Gletſchern. Die Lage war in der That eine der beſten, die man ſich zur Bildung derſelben denken kann. Die Vorderſeite iſt gegen Norden gekehrt, und von hinten erhebt ſich eine Reihe von Bergen, die einen beſtaͤndigen Schirm bildet, der die Strahlen der Sonne, gerade in dem hoͤchſten Theil ihres täglichen Laufes, zehn oder zwoͤlf Stunden hindurch, zuruͤckhaͤlt, und dadurch bewirkt, daß die Feuchtigkeit in dem Schatten ſich beſtaͤndig niederſchlagen und anhaͤufen muß, ohne daß die Waͤrme hier je auf einen ſolchen Grad, wie in andern Theilen des Sundes ſteigen kann. Die Kuͤſte hat, aus einer kleinen Entfernung betrachtet, ein ſchwarzbraunes Anſehen. Dieſe Farbe, welche die allge: meinſte iſt, ſticht gegen die ungeheuern Eislager und weit ausgedehnten Schneedecken auffallend ab, und erhoͤht den Eindruck des maleriſchen Anblickes, welchen die wunderbar geſtalteten und zuſammenverbundenen Felſen darbieten. Die Felſen, aus welchen dieſe Kuͤſte hauptſaͤchlich be— ſteht, und die ihr das beſondere Anſehen geben, find wahr— ſcheinlich Floͤtztrapp, der vornehmlich aus Gruͤnſtein und Mandelſtein beſteht — denn dieſe Steinarten wurden mir von einigen meiner Leute, die ich in der Naͤhe von Cap Brewſter an das Land ſchickte, gebracht; und andere von ähnlicher Beſchaffenheit fanden ſich in großer Menge auf ei— nigen der ſchwimmenden Eisberge in der Nachbarſchaft, die ohne Zweifel auch daher ruͤhrten. Außer dieſen fanden wir auch Stuͤcke von Thonſchiefer, die zu den Uebergangsgebir— gen gehörten, vollig demjenigen gleich, welcher in Dumfries— ſhire vorherrſchend iſt, ingleichen eine Menge von Urge— birgsarten, vornehmlich, Feldſpathkoͤrner, Glimmerſchiefer mit Hornblende gemengt, Gneis und Granit. Hieraus konnen wir ſchließen, daß dieſer auffallende Theil des Landes verſchiedene Arten von Urgebirge und Uebergangsgebirge, außer den Floͤtzgebirgsarten, enthält. Die Leute, welche ich ans Land geſchickt hatte, um Mineralien zu ſammeln, waren uͤber einen Eisberg oder Gletſcher, auf den Gipfel eines Berges geſtiegen, der ungefähr 1500 Fuß hoch, und ſo ſteil 1 . war, daß, wenn fie einen Stein losſtießen, er bis an den Boden, mit beſchleunigter Geſchwindigkeit, herunterrollte. Ich war zwar mit dem Ertrag ihrer Nachſuchungen nicht ſehr zufrieden, weil fie. unterlaſſen hatten, mir Proben von den Felſen ſelbſt zu bringen; indeſſen fanden ſich doch unter den kleinen Bruchſtuͤcken, welche fie mitbrachten, einige merk— würdige Arten. Dieſe beſtanden aus gemeinem Chalzedon, grauem Amethyſt, kryſtalliſirtem weißen Amethyſt, magne— tiſchem Grünfein, grober Braunkohle u. a. m. Dieſe Braunkohle gehört zur Flötztrappformation, und iſt von derſelhen Beſchaffenheit, als die, welche auf der Weſtſeite des Landes, faſt unter demſelben Parallelkreiſe, auf der Inſel Disko, gefunden wird. Die Pflanzen, welche wir bey unſern verſchiedenen Lan— dungen auf Cap Hope, Cap Stewart, Cap Brewſter und dem Ufer von Hurry's Einbucht u. ſ. w. ſammelten, beliefen ſich auf etwa 46 Arten“). Von dieſen mochten die merk: wuͤrdigſten ſeyn: Arnica angustifolia, Stellaria nitida (eine neue Art), Pedicularis hirsuta, Lusula arcuata und eine Weide von zweifelhafter Art. Aftermooſe (algae) waren ſehr ſelten. Ich erhielt nur zwey Arten: Fucus ci— liatus und ulva umbilicalis. . Muſcheln wurden nicht gefunden, ausgenommen zwep oder drey vom Waſſer abgeriebene Exemplare zweyſchaliger Muſcheln, von keinem beſondern Werth. Die Ströme in Scoresby's Sund find etwas merkwuͤr— diges. Es ſcheint hier eine Bewegung des Waflers ſtatt zu finden, die von entgegengeſetzten Strömen an der Oberfläche *) Ein Verzeichniß meiner kleinen Flora habe ich im Anhange Nr. II. gegeben, wobey ich die Beſchreibung neuer Arten dem Dr. Hooker verdanke. S. = m; — und in der Tiefe herrührt. Durch die Wirkung der letztern geſchah es vermuthlich, daß eine Menge von Eisbergen, die wir bey unferer Einfahrt in den Sund innerhalb Cap Brew— ſter wahrnahmen, in Zeit von drey Tagen ganz heraus und weit jenſeits dieſes Vorgebirges gefuͤhrt wurde; waͤhrend durch die Wirkung der erſtern, zu gleicher Zeit, die Schiffe in ihrem Laufe ſo aufgehalten wurden, daß, da wir verſuch— ten, mit einem Suͤdoſtwinde aus dem Sunde herauszukom— men, wir wenig oder gar nicht vorruͤcken konnten. Außer dieſen Strömen findet hier auch eine regelmäßige Ebbe und Fluth von beträchtlicher Starke, aber von einer ſonderbaren Eigenthuͤmlichkeit, ſtatt; fie iſt namlich fo ober: flaͤchlich, daß ſie ſchwimmende Koͤrper, die nicht tief gehen, mit ſich fortfuͤhrt; ſolche hingegen, welche einige Faden tief reichen, wenig oder gar nicht bewegt. Ihre Tiefe betraͤgt bisweilen, wie ich glaube, nicht mehr als einen Faden. Denn als wir, beym Herausfahren aus dem Sunde, zwi— ſchen die beyden Vorgebirge, die den Eingang bilden, ge— kommen waren, legten wir bey, um die Tiefe des Waſſers zu unterſuchen, und hier ſetzte uns die Art, wie das Schiff getrieben wurde, in Verwunderung. Die Segel lagen alle back“), das Vordertheil des Schiffes ſtand gegen SO. und der Wind war SW:; wir mußten alſo gegen ONO. oder ges gen NO. treiben; aber nach dem Kielwaſſer (d. i. der Waf: ſerfurche, die das Schiff bey ſeiner Bewegung hervorbringt) zu urtheilen, ſchien das Schiff gegen RW. oder gerade ruͤck— warts zu treiben. Man ſollte alſo glauben, daß die tiefern Theile des Schiffes in ſtillem Waſſer waren, waͤhrend eine ſehr oberflächliche Schicht, die den Strom der Fluth aus— machte, an dem Schiffe vorbepfiromte, mit einer Geſchwin— digkeit von einer Knotenlaͤnge und darüber, gerade aus dem *) D. i. ſo, daß der Wind gerade von vorne auf fie ſtoßt, und fie gegen die Maſten zu liegen kommen. — 246 — Sunde heraus. Mit einer gleichen Geſchwindigkeit und in gleicher Richtung ſtrömte dieſe Waſſerſchicht an allen tiefer liegenden Eismaſſen voruͤber und bildete eine ſtarke Waſſer— furche gegen SO., aber man ſah zugleich, daß ſie die duͤnn— ſten Eisſchollen mit ſich fortfuͤhrte. Während wir in dem Sunde verweilten, bemerkte ich oft, daß, wenn wir mit leichtem Winde queer durch dieſe Stroͤmung wollten, das Schiff ſich nicht ſteuern ließ. Bey einem Winde, der noch keine Geſchwindigkeit von zwey Knotenlaͤngen hervorbrachte, wurden die Schiffe, die uns begleiteten, bisweilen ganz her— umgedreht. Und man konnte bemerken, daß wenn man bey— nahe in der Richtung der Fluth ſegelte, das Schiff in einer gewiſſen Stellung nicht beym Winde gehalten werden konnte, wenn man gleich durch das Steuer und den Kluͤver *) es dahin zu bringen ſuchte; und in einer andern Richtung konnte es, bey der beſten Stellung der Segel, nicht vom Winde abge— lenkt werden. Die Richtung der Ebbe und Fluth wird durch die verſchiedenen Einbuchten, und wahrſcheinlich auch durch den Wind ſo verſchiedentlich abgeaͤndert, daß ich ihren Gang im Einzelnen auf keine Weiſe beſtimmen konnte; im Allge— meinen aber geht die Richtung in der Mitte des Hauptcanals gegen SO. und NW. nach dem Kompaß — d. i. beynahe genau gegen O. und W. Wir hatten in dieſem Sunde mit keinen Gefahren zu kaͤmpfen. Zwar iſt ein kleiner Felſen nahe bey Cap Hope über Waſſer, und eine ſeichte Stelle nahe bey Cap Stewart, aber in einiger Entfernung vom Ufer iſt die Schiffahrt, fo viel wir Gelegenheit hatten zu bemerken, ohne Hinderniß. An dem ſuͤdoͤſtlichen Ufer von Jameſon's Land iſt das Waſ— ſer ſeichter, als an irgend einer andern Stelle des Sundes, die wir unterſucht haben. Unſere Boote ſtießen auf eine *) D. i. das vorderſte dreyeckigte Segel eines Schiffes, das beſonders von großem Nutzen iſt, wenn man dicht beym Winde ſegelt,. [4 ur Sandbank nahe dey Cap Stewart, und ein beträchtlicher Streifen von Sand faßt das entgegengeſetzte Ufer von Neill's Felſen ein. Der Fluß nahe bey dem Dorfe fuͤhrt eine Menge Sand aus, der ſich an der Muͤndung abſetzt und eine von den oben erwähnten Sandbaͤnken bildet, die ſich auf 200 Yards vom Ufer erſtrecken. In der Mitte des Sundes iſt das Waſſer ſehr tief. Gerade gegen Suͤden von Cap Hope und in der Mitte zwiſchen Cap Brewſter und Cap Tobin iſt es uͤber 300 Faden tief, und innerhalb einer Meile vom Lande fanden wir insgemein 150 bis 200 Faden Waſſer. Indeſſen gegen SO. von Cap Stewart, in der Richtung der Sandbaͤnke, iſt die Tiefe weniger betraͤchtlich, indem wir, ungefaͤhr zwey Meilen vom Ufer, mit 125 Faden Grund hatten. In dieſer Jahreszeit hat man hier meiſtens ruhiges Wetter. Mitten im Sommer, wenn die Luft laͤngs der Kuͤſte ſich faſt nicht bewegt, erhebt ſich ein leichter oder bis weilen ein friſcher Wind auf dem Meere, etwa um 1 oder 2 Uhr Nachmittags. Wenigſtens war dieß der Fall, ſo lange wir hier verweilten. Des Morgens wehte der Wind gemeiniglich von Weſten oder Nordweſten, und Nachmittags aus der Gegend von Suͤdoſten. In Hurry's Einbucht, wo die Hitze ſehr groß iſt, weht der Seewind entweder gerade hin— ein, oder aus SW. und oft ziemlich ſtark. Der nächtliche Wind oder der Landwind hingegegen hat wahrſcheinlich eine entge— gengeſetzte Richtung. Waͤhrend unſers Aufenthaltes in dem Sunde ſetzte ich. meine Arbeiten zur Aufnahme des Landes ſowohl an Bord, als am Ufer, bey jeder Gelegenheit fort. Dadurch erhielt ich einen ſehr guten Abriß ſowohl von der Haupt-Einbucht, als von den Armen, die von ihr ausgehen, bis auf eine be— traͤchtliche Weite. Ich hatte Beobachtungen uber die Breite, die Laͤnge, und die Abweichung der Magnetnadel von drey ver— 2 — ſchiedenen Stellen innerhalb des Sundes, und acht oder neun Reihen von Winkelmeſſungen der merkwuͤrdigſten Vor— gebirge, Felſen, Einbuchten u. ſ. w., und verſchiedene Reihen von Hoͤhenmeſſungen, um die Hohe der benachbar— ten Berge zu beſtimmen. Neuntes Kapitel. Unterſuchung der Kuͤſte herabwaͤrts bis zum neun und ſechzigſten Grade. — Entdeckung und Benennung mehrerer Inſeln, Einbuchten und Vorgebirge. — RNuͤckfahrt gegen Norden. — Große Menge von Eisbergen. — Temperatur des Seewaſſers auf dem Grunde des Meeres. — Bildung der Eisberge und Vergroͤßerung der Eisfelder. — Vergebliches Suchen nach Wallfiſchen in einiger Entfernung vom Lande. — Abermalige Annaͤherung zur Kuͤſte. Sonntag den 28. July. In der Nacht richteten wir un⸗ ſern Lauf gegen SO., ſo weit als das Eis locker war, und dann ſteuerten wir am Tage ab und zu. Der Fame und Trafalgar leiſteten uns Geſellſchaft. Der Wind kam aus Weſten, und ziemlich friſch, das Wetter war heiter und an— genehm. In der vorhergehenden Nacht war die Sonne um Mitternacht gerade fo weit herabgeſunken, daß ihr Mittel: punkt ſcheinbar den Horizont erreichte. Jetzt verſchwand ſie ganz bey ihrem untern Durchgang durch den Meridian, und gieng uns alſo, ſeit einer Zeit von 39 Tagen, zum erſtenmal wieder unter. Gleichwohl habe ich im Vorhergehenden auch von dieſer Zeit öfters die Ausdrucke Tag und Nacht ges 20 — braucht, weil dieß die gewöhnliche Eintheilung der 24 Stun⸗ den eines Tages iſt. Am 29. des Morgens trafen wir auf eine außerordent⸗ liche Kette von Eisbergen, die uns noͤthigte, beynahe drep— ßig Meilen weit vom Ufer abzugehen, um ſie zu umfahren. Dieſe Eisberge waren in ſo großer Menge vorhanden, daß wir vom Mars aus 140 derſelben auf einmal zaͤhlten. Un— ſere Breite war, zufolge der Mittags: Beobachtungen, 69° 35“ 47“, und die Länge, nach dem Chronometer, 21° 397 weſtlich. Da der Wind leicht von Norden her wehte, ſo ſteuerten wir gegen WRW., bis wir uns dem Lande auf 16 Meilen naͤherten, und giengen dann gegen Weſten, laͤngs der Kuͤſte, fort. Um 8 Uhr Abends trat eine Windſtille ein, als wir uns nahe bey einer Kette von Eisfeldern und Eis— bergen befanden, die uns gerade im Wege lag. Indeſſen zeigten ſich eine Menge von Oeffnungen darin, ſo daß, wenn wir nur etwas Wind gehabt hätten, wir leicht hätten durch— fahren und jenſeits derſelben kommen koͤnnen, wo das Waf: fer hinlaͤnglich frey zu ſeyn ſchien. Wir giengen daher an einem Eisfelde vor Anker und ergaͤnzten unſern Waſſervor— rath aus einem der zahlreichen Tuͤmpfel, die ſich auf der Oberflaͤche deſſelben befanden. Kurz vor Mitternacht war die See überall umher gefro— ren, obgleich das Thermometer, in der Hoͤhe von dem Ver— deck des Schiffes, nicht unter 31 Grad fiel. Da der Himmel vollig klar und die Sonne im Horizont war, fo ließ ſich dieſe Wirkung wohl der Strahlung der Waͤrme zuſchreiben, wel— che, nach der Theorie des Dr. Wells über den Thau *), *) Die Schrift von W. C. Wells: „An Essay on dew“ (Verſuch über den Thau) iſt von J. C. Horner ins Deutſche uͤberſetzt, Zuͤ⸗ rich 1821. 8. erſchienen. Kälte erzeugt. Als die Sonne eben untergehen wollte, ent: ſtand uns eine ſonderbare optiſche Taͤuſchung, in Betreff der Entfernung der Gegenſtaͤnde. Wir ſahen naͤmlich einen Eis— klumpen, der uns zwey oder drey Meilen weit zu ſeyn ſchien, und auf welchem eine Menge Steine lagen; ich ſchickte daher ein Boot ab, um einige Proben davon zu holen. Allein zur Verwunderung der Leute in dem Boote ſowohl, als meiner eigenen, mußten ſie zwey bis drey Stunden tuͤchtig rudern, ehe ſie ihn erreichten; da ſie denn fanden, daß das Eis, wel— ches uns, bey der unrichtigen Vorſtellung von ſeiner Entfer— nung, nur wenige Fuß hoch zu ſeyn ſchien, hoͤher als die Spitze eines Maſtes war. Von hier aus hatten wir die Kuͤſte auf eine Strecke von 110 Meilen im Geſicht, und ſie war den ganzen Tag zu ſehen. Roscoe's Berge konnte man ſelbſt aus den Fenſtern der Ka— juͤte deutlich erkennen, obgleich ſie, der Beobachtung zufolge, 65 Meilen entfernt waren. Suͤdwaͤrts von Cap Brewſter zieht ſich die Kuͤſte, ſo viel wir wahrnehmen konnten, faſt genau gegen SW. Ich erhielt auf unſerer Fahrt an dieſem Tage, aus den Durchſchnitten der beobachteten Linien, einen Abriß von der Kuͤſte auf eine Strecke von vierzig Meilen; und auf eine aͤhnliche Strecke eine Reihe von einzelnen Beob— achtungen, und muthmaßlichen Entfernungen. Der ganze Zuwachs meiner Aufnahme des Landes betrug daher gegen 80 Meilen, wovon man die eine Haͤlfte als wohl begruͤndet anſehen kann. Sechs oder acht Meilen vom Cap Brewſter waren zwey Gletſcher oder Land-Eisberge, die wegen ihrer Größe merkwuͤrdig waren. Suͤdwaͤrts von dieſen ſchien die Kuͤſte bis auf eine beträchtliche Weite mit Inſeln beſetzt zu ſeyn. Mehrere von dieſen wurden deutlich als ſolche erkannt; und da dieſe, nebſt einem betraͤchtlichen Strich der benach— barten Kuͤſte, gaͤnzlich frey von Schnee waren, waͤhrend der Theil der Kuͤſte, welchen wir fuͤr feſtes Land hielten, noch eine Menge von Schnee zeigte, und uͤberhaupt ein ganz an— deres Anſehen henne ſo konnte ich nicht umhin, zu glauben, daß die Anzahl der Inſeln viel größer wäre, als fie zu ſeyn ſchien. Die 77 5 von dieſen Inſeln, die nur klein iſt, wurde nach Hrn. Charles Stewart in Parmouth benannt, der mich vor einigen Jahren bey einer meiner Reiſen auf den Wallfiſchfang begleitet hatte. Die naͤchſte Inſel, die einige Meilen lang iſt, benannte ich nach dem Capit. G. W. Ma n⸗ bp, deſſen außerordentliche und erfolgreiche Bemühungen die Menſchen bey einem Schiffbruche zu retten, ihm auf die Dankbarkeit eines jeden Seemannes Anſpruch geben“). Eine dritte Inſel, die zunaͤchſt auf dieſe folgt, erhielt den Namen Turners Inſel, aus Achtung fuͤr Herrn Dawſon Turner in Parmouth, und eine vierte wurde nach Dr. Henry in Male cheſter benannt. Dieſe vier Inſeln liegen innerhalb 69° 32 und 69° 47“. Zwey in die Augen ſpringende a etwas weiter gegen SW., wurden nach Herrn John Dal: ton und Peter Ewart in Mancheſter benannt; und das aͤußerſte Vorgebirge, welches wir ſehen konten, ungefaͤhr in 69° 12 der Breite und 24° 25° (2) der Laͤnge, nannte ich, Herrn John Barclay in Edinburgh zu Ehren, Cap Bar— clay. Zwiſchen dieſem und Cap Ewart war ein Zwiſchen— raum von einigen Meilen, wo ich kein Land ſehen konnte. Dieſe Einbucht erhielt den Namen Knigthons Bay, nach dem Privatſekretaͤr des Koͤnigs, Herrn William Knigthon. Außer dieſen Inſeln, Vorgebirgen und Einbuchten wur— den noch einige andere an dieſer Kuͤſte mit Namen bezeichnet. *) Er hat naͤmlich ein Mittel angegeben, wie man einem in der Naͤhe des Landes geſtrandeten Schiffe, dem wegen der Brandung ſich kein Boot naͤhern kann, ein Tau zubringen koͤnne, vermittelſt deſſen die Mannſchaft gerettet wuͤrde. Das eine Ende des Taues wird mit einem kleinen Moͤrſer nach dem Schiffe geſchoſſen, waͤhrend das an— dere am Ufer befeſtigt ift, 7 Eine Bucht ſuͤdweſtlich von Cap Brewſter erhielt den Namen Wallace Bay, und drey darauf folgende Vorgebirge die Namen Cap Ruſſel, Cap Graham, und Cap Pil— lans, nach vier Profeſſoren der Univerſitaͤt Edinburgh. Den 30. July. Da wir jetzt beynahe zwey Breiten— grade ſuͤdlicher waren, als der ſuͤdlichſte Parallelkreis, in welchem ich je den Wallfiſchfang mit Vortheil betrieben habe, und wir uns hier in unſern Erwartungen, Wallfiſche zu fin— den, getaͤuſcht ſahen, fo beſchloſſen wir, mein Vater, Capit. Lloyd und ich, uns wieder gegen Norden zu wenden, und in andern Revieren nach Wallfifchen zu ſuchen. Zwar hatte ſich wirklich ein Wallfiſch blicken laſſen, aber er gieng fo ſchnell vorüber, daß man nicht daran denken konnte ihn zu verfol— gen, oder noch weiter gegen Suͤden zu gehen, wozu mich ſonſt meine Luſt zu fernern Entdeckungen ſehr geneigt machte. Da wir den Vormittag einen leichten Wind aus Weſten hatten, ſo hielten wir uns gegen Oſten, um die Kette von Eisbergen, die abwaͤrts von Cap Brewſter lag, zu umfah— ren. Es fand ſich, daß dieſe ſich noch weiter erſtreckte, als ich vorher beſorgt hatte. Das Meer war auf eine Strecke von beynahe zwanzig Meilen im Durchmeſſer, faſt bedeckt mit dieſen ungeheuern ſchwimmenden Eismaſſen. Einmal zählte ich vom Mars aus gegen 500 derſelben, von welchen kaum einer kleiner, als der Rumpf eines Schiffes war. Wohl hundert derſelben ſchienen ſo hoch zu ſeyn, als unſer Mars; und einige waren gewiß noch einmal ſo hoch, oder 200 Fuß über dem Waſſerſpiegel, und mehrere hundert Pards im Durchmeſſer. Einer, welchen ich recht gut in Augenſchein nehmen konnte, war wenigſtens eine Meile im Umfange, und 100 Fuß hoch; drey andere hielten ungefaͤhr 1800 Fuß im Umfange, und 150 Fuß in der Höhe. Sie waren ſehr ver— ſchieden an Geſtalt, und nicht ganz gleich von Anſehen, aber die meiſten ſahen wie Felſen oder Inſeln von Kreide aus. Jedoch „„ auf einem friſchen Bruch war die Farbe ein ſchoͤnes Smaragd— gruͤn; und in Vertiefungen, in die das Licht durch einen Theil des Eiſes fiel, ein glaͤnzendes Blau. Viele von den Eisbergen enthielten Schichten von Erde und Steinen, und manche waren mit einem Steinlager von großer Dicke bedeckt, deſſen Gewicht, nach unſerer Rechnung, nicht weniger als 50000 bis 100000 Tonnen betragen konnte. Beſonders ſahen wir einen, (wenn es anders wirklich ein Eisberg war), der auf 100 Fuß hoch mit ſolchen Felsſtuͤcken beladen war, daß nur noch ſehr we— nig vom Eiſe ſichtbar blieb. Von mehrern dieſer Eisberge erhielt ich Proben der auf ihnen befindlichen Steinarten, und dieſe beſtanden aus Gneis, baſaltiſchem Gruͤnſtein, von denen einiger ſtark magnetiſch war, Feldſpath- Körnern, Ueber— gangs -Thonſchiefer, Glimmerſchiefer mit Hornblende ges mengt, einer Art von Granit u. a. m. Das Gewicht von einigen dieſer Eisberge uͤberſteigt alle Vorſtellung. Einer der vorhin erwaͤhnten war eine Meile im Umfange, oder hatte eine beynahe quadratifche Grund— flaͤche, von welcher jede Seite 1300 Fuß lang war, und eine Höhe von etwa 100 Fuß uͤber dem Waſſer. Da ſeine Geſtalt ziemlich parallelepipediſch war, fo läßt ſich fein Gewicht leicht beſtimmen. Waͤre ſeine obere Flaͤche genau horizontal gewe— fen, fo würde der Theil im Waſſer zu dem außerhalb befind— lichen ſich wie 8,2: 1 verhalten haben; aber wegen man— cher Unregelmaͤßigkeiten mag man jenen auch nur ſiebenmal fo groß, als dieſen rechnen. Alsdann wird das Gewicht deſſelben einer Maſſe von Seewaſſer gleich ſeyn, deren Grundflaͤche 1500 im Quadrat d. i. 2,250000 Quadratfuß, und deren Höhe 700 Fuß betraͤgt — denn ſo groß war die Menge Waſſer, welche der Eisberg aus der Stelle trieb. Dieſes giebt aber eine Maſſe von 1575,000000 Cubikfuß; und dividirt man dieß durch 35 — da ſo viel Cubikfuß Seewaſſer eine Tonne am Gewicht ausmachen — ſo erhaͤlt man fuͤr das Gewicht des Eisberges die ungeheure Größe von 45 Millionen Tonnen. — 254 3 Am 31. July ſetzten wir unſern Lauf gegen NO. bey ei— nem leichten Winde von Suͤden her, fort, und fuhren laͤngs dem weſtlichen Rande des Eiſes hin, bis gegen Abend, da wir zwiſchen das Eis drangen. Unſere Breite zu Mittag war 70° 25“; die Länge 19° 11 weſtlich. Indem wir vor Roscoe's Bergen in betraͤchtlicher Entfernung voruͤber fuhren, maßen wir den Winkel der hoͤchſten Spitze derſelben, und fanden ihre Hp: he 4370 Fuß — welches wahrſcheinlich etwas zu hoch iſt. — Eine balaena physalis und verſchiedene Narwalls wurden geſehen. Den 1. Auguſt erhob ſich fruͤh Morgens ein dicker Nebel, und dauerte faſt unveraͤndert den ganzen Tag uͤber. Den naͤchſten Nachmittag bekamen wir, nach einer langen Fahrt gegen RW. hin, in einer Breite von 71° 50, das Land auf einen Augenblick zu Geſicht, in einer Entfernung von etwa 20 Meilen. Dann legten wir um, und gingen, ſo gerade als es nur das Eis und der furchtbare Nebel geſtatten woll— ten, ſeewaͤrts. Unſere Ruͤckkehr nach Norden machte, daß die Sonne noch einmal um Mitternacht zu ſehen war. Der Mittelpunct derſelben erſchien, durch die gewöhnliche Strahlenbrechung erhöht, ungefähr 0° 8“ über dem Horizont. Aber es war das letztemal, daß ſie, ohne unterzugehen, ihren täglichen Kreis: lauf vor unſern Augen beſchrieb. Am 3. ſahen wir zwey Wallfiſche, und ſchickten einige Boote zu ihrer Verfolgung aus. Sie waren aber in ſo ſchnel— ler Bewegung begriffen, daß wir ihnen nicht nahe kommen konnten. Den Nachmittag, nachdem wir einige Meilen weſtlich gegangen waren, geriethen wir ſo unerwartet unter eine Men— ge ſchwerer Eismaſſen, daß wir es fuͤr rathſam hielten, alle Schiffe an einem Eisfelde vor Anker zu legen, das glücklicher: weiſe unterhalb dem Winde freyes Waſſer hatte. Es hellte ſich bald darnach wieder auf, und wir hatten einige Stunden F huͤbſches Wetter; aber kaum zwey Meilen oſtwaͤrts von uns blieb die Nebel-Bank unzerſtreut. Das Land konnte man in einer Entfernung von etwa 50 Meilen ſehen. Die Tiefe des Waſſers war 192 Faden, unſere Breite 72° 0“, die Laͤn⸗ ge 19° 16“. Sonntag, den 4. Auguſt. Da die drey Schiffe nahe bey einander lagen, ſo wohnte ein Theil von der Mann— ſchaft des Trafalgar dem Gottesdienſte auf unſerm Schiffe bey; und den Abend gingen einige von unſern Leuten auf den Fame, um dort an dem Beſchluß der Sonntagsfeyer Theil zu nehmen. Die ganze kleine Geſellſchaft wartete dieſe Feyer mit einem Ernſt und einer Andacht ab, die wohl in den re— gelmaͤßigſten Verſammlungen am Lande nicht groͤßer ange— troffen wird. Bi Das Wetter war den ganzen Tag uͤberaus neblig, wo— durch wir verhindert wurden, zu ſehen, wie es mit dem Eiſe um uns her beſchaffen wäre. Eine Menge looſer Stuͤcke trieben um uns her, aber wir konnten gluͤcklicherweiſe an dem Eisfelde bis um Mitternacht vor Anker bleiben. Da wur: den wir auf einmal eine große Eisſcholle gewahr, die ſchnell auf uns zu kam, und nur noch 50 bis 60 Faden von uns entfernt war. In fünf Minuten waren unſere Segel gefpannt und das Schiff in vollem Gange. Mittlerweile ſchickte ich einen Boten an meinen Vater, deſſen Schiff etwas von uns gegen den Wind zu lag, und der das Eis, das ihn in weni— gen Minuten einzuſchließen drohte, nicht ſehen konnte, um ihn vor der herannahenden Gefahr zu warnen. Seine ge— wohnte Schnelligkeit machte, daß er gluͤcklich entkam, obgleich der Nebel außerordentlich dick, und das Eis kaum eine Schiffs— länge mehr entfernt war *). *) Da die Wallfiſchfaͤnger ſo haͤufig in den Fall kommen, bey nebligem Wetter und zwiſchen treibendem Eiſe, ſich ploͤtzlich von Gefahren be⸗ Am 5. kamen wir nur wenig weiter, und da der Nebel noch immer nicht wich, ſo fanden wir es rathſam, die Schiffe wieder feſt zu legen. Um 10 Uhr des Morgens hatten wir in 155 Faden Grund, und den Abend in 129 Faden; der Bo— den war weicher Thon oder Schlamm. Den 6. Auguſt fand keine Aenderung in dem Wetter ſtatt, ausgenommen, daß ſich der Nebel einmal um ſo viel ver— duͤnnte, daß wir etwa drey oder vier Meilen weit ſehen konnten. Dieß geſchah aber nur um Mittag. um 10 Uhr Vormittags, da wir uns in 79° 7’ der Brei: te, und 19° 11“ weſtlicher Laͤnge befanden, hatten wir in 118 Faden Grund; — ſchlammiger Boden. Aus der Neigung der Lothlinie zeigte ſich, daß hier eine geringe Stroͤmung gegen NW. ſtatt fand. Die Temperatur des Seewaſſers an der Oberflache war 34; und innerhalb fuͤnf Faden vom Grunde, nach einem Thermometer von Six, 29° ). In der Luft war es, zu derſelben Zeit, 42“. droht zu ſehen, fo müffen fie beſtaͤndig auf ihrer Hut und in Bes reitſchaft ſeyn, die ſchnellſten und wirkſamſten Vorkehrungen zu ihrer Rettung zu machen. Wenn ſie daher an einem Eisfelde ankern, ſo pflegen ſie die Segel nicht auf die Art feſt zu machen, wie es ge— ſchieht, wenn ſie auf laͤngere Zeit am Lande vor Anker gehen, ſondern fie befeſtigen fie nur fo, daß fie fie ſchnell wieder los machen und ſpan⸗ nen koͤnnen. Sie gewinnen dadurch mehr als drey Viertel der Zeit, die man bey einem Kauffahrdeyſchiff noͤthig hat, um die Segel los— zumachen. f S. *) Das Thermometer von Six hat eine Einrichtung, wodurch fein hoͤchſter ſowohl, als ſein niedrigſter Stand in einer gewiſſen Zeit ſo bezeichnet wird, daß er noch hinterher erkannt werden kann, wenn er ſich bereits geandert hat. Eine Beſchreibung deſſelben findet ſich im 72. Bde. der Philos. Transact. ingl. in Gilberts Annal. d. Phyſ. II. Bd. S. 287 ff. Vergl. Bd. XVII. S. 319 ff. el Bey allen fruͤhern Verſuchen über die Temperatur des Meeres in den Groͤnlaͤndiſchen Gewaͤſſern, habe ich beſtaͤndig gefunden, daß das Waſſer in der Tiefe waͤrmer, als an der Oberflache war. Die Ausnahme in dieſem Falle iſt daher merkwürdig. Bey meinem erſten Verſuch der Art, im Som: mer 1810, in einer Breite von 7616 und einer Laͤnge von 9 0% öͤſtlich fand ich die Temperatur in der Tiefe von 1380 Fuß, (zufolge des heraufgezogenen Waſſers) 33, 3 während fie an der Oberflaͤche 28, 8 betrug. In beynahe zwanzig Verſuchen, die ich nach der Zeit anſtellte, fand ich immer eine Zunahme der Temperatur, wenn ich Waſſer von unten heraufzog, oder ein Regiſter-Thermometer *) auf eine beträchtliche Tiefe her— unter ließ. Das einemal (unter 79° O' der Breite, und 5° 40/öſtlicher Laͤnge) betrug die Zunahme in einer Tiefe von 600 Fuß ſogar 7°; und bey einer andern Reihe von a nahe an demſelben Ort, in einer Tiefe von. 4380 Fuß, Grad. Was dieſe Zunahme der Temperatur in dieſen Meeren, wenn man in die Tiefe herabgeht, noch auffallender macht, iſt, daß faſt in allen andern Gegenden der Erde, ſoweit man. bis jetzt beobachtet hat, das Gegentheil ſtatt findet: das Waſ— fer in der Tiefe nämlich iſt dort kaͤlter, als an der Oberflaͤche. Wenigſtens hat man gefunden, daß dieß im Allgemeinen der Fall im atlantiſchen, im ſtillen Meere, in der Suͤdſee, und ſelbſt in der Baffins-Bay iſt. Hieraus erhellet, daß die Urſa— che, worin fie auch beſtehen mag, welche in dem Meere von Spitz⸗ bergen die beſondere Waͤrme in großen Tiefen hervorbringt, in andern Gegenden in der Regel nicht ſtatt findet, und ſelbſt nicht einmal in dem benachbarten Meere an der Kuͤſte von *) Das iſt, ein Thermometer, welches, wie das vorhin erwaͤhnte von Six, ſeinen Stand ſelbſt bezeichnet. Man nennt es auch einen Thermometrograph. 17 Grönland. Die erhöhete Temperatur in der Tiefe wird, wie ich ſchon an einem andern Orte geäußert habe ), wahr: ſcheinlich durch einen Strom hervorgebracht, der nahe an der weſtlichen Kuͤſte von Spitzbergen gegen Norden herauf— ſteigt, und hier, wo er in der Naͤhe des Eiſes auf Waſſer von geringerer ſpezifiſcher Schwere trifft, herabſinkt, und einen Strom in der Tiefe bildet, der dem an der Oberflaͤche, ge gen Suͤdweſten fließenden, gerade entgegen geſetzt iſt. Iſt dieſe Erklarung richtig, ſo muß dieſer untere Gegenſtrom ſich nicht bis an die Küſte von Grönland verbreiten, ſondern ſich, ſo weit man aus der Temperatur in der Tiefe ſchließen kann, auf das Meer an der weſtlichen Kuͤſte von Norwegen und Spitzbergen beſchraͤnken. Sobald unſere Verſuche uͤber die Temperatur des Mee— res in der Tiefe beendigt waren, ſetzten wir unſern Lauf mit einem ſtarken Winde aus SW. gegen NO. fort, bis um 1 Uhr Nachmittag, wo wir auf Eis trafen, das uns nothigte, uns gegen NRW. zu wenden. In dieſer Richtung giengen wir etwa 15 Meilen, längs der Wetterſeite eines großen Eisfeldes, fort, fuhren dann um die weſtliche Spitze deſſelben, zwiſchen einer Menge lockeren Eiſes herum, und legten auf der oͤſtli— Seite, unterhalb dem Winde, bey. Den folgenden Tag fuhren wir fort, nach Wallfiſchen zu ſuchen, obgleich das Wetter noch immer neblig blieb, und win— dig dazu wurde, und wir gaben uns alle Muͤhe, unſere geringe Ladung zu verbeſſern, da die noch uͤbrige Zeit zum Fiſchfange nicht mehr lang war. Aber wir wurden bald in neue Schwie— rigkeiten verwickelt, da wir in eine Eisbucht gerathen waren, von wo es keinen Ausweg unterhalb dem Winde gab. Unſre ganze Mannſchaft mußte zu Huͤlfe genommen werden, um uns *) S. Account of the Arctic Reg. Vol. I. p. 209. Sc. — 259 — aus dieſer Lage herauszubringen, wo wir, bey einer ſehr beengten Fahrt, nicht nur gegen die zahlreichen Hinderniſſe, die uns das Treibeis in den Weg ſtellte, ſondern auch gegen einen oberflächlichen Strom ), der das Steuern des Schif: fes ſehr erſchwerte, zu kaͤmpfen hatten. Den 8. Auguſt waren wir die ganze Nacht beſchaͤftigt, unſern Weg nach dem Eisfelde, das wir nur eben verlaſſen hatten, wieder zuruͤck zu machen, wobey uns noch der allge— mein verbreitete Nebel hinderlich, und ein heftiger Wind, zwiſchen dem dichten Treibeis, gefaͤhrlich war. Den Nach— mittag richteten wir unſern Lauf ſuͤdoſtwaͤrts, bis wir durch eine Kette von Eisſtuͤcken aufgehalten wurden, zwiſchen denen wir keinen Durchweg entdecken konnten. Am Abend wurde das Wetter milder, aber der Nebel verſtaͤrkte ſich ſo ſehr, daß wir zu unſrer Sicherheit genöbthigt waren, die Schiffe an ei: nem Eisfelde vor Anker zu legen. Durch den Einfluß der Waͤrme, die einige Grade uͤber dem Gefrierpunkt war, verbunden mit dem näffenden Nebel und einigem Regen, hatten ſich auf dem Eisfelde, an welchem wir lagen, fo große Seeen gebildet, daß wir, fo lange der Nebel dauerte, nicht uͤber ſie weg ſehen konnten. Wo der ) Der Verfaſſer unterſcheidet dreyerley Arten von Strömen im Mee— re: 1) oberflaͤchliche (superficial oder upper currents) d. i. ſolche, die nur eine Waſſerſchicht von gewiſſer Tiefe an der Oberflaͤche in Bewegung ſetzen, während der tiefere Theil des Waſ— ſers in Ruhe iſt, oder eine entgegengeſetzte Bewegung hat; 2) Un— ter⸗Stroͤme (under currents), oder ſolche, die in der Tiefe ſtatt finden, waͤhrend das Waſſer an der Oberflaͤche ruhig iſt, oder ſich in entgegengeſetzter Richtung bewegt; 3) ſolche, bey welchen die ganze Waſſermaſſe von der Oberfläche bis auf den Grund ſich in ei— nerley Richtung bewegt. Er nennt fie bodily currents — man koͤnnte ſie vielleicht Voll-Stroͤme nennen. 1 Schnee nicht ganz aufgelöſt war, da zeigte ſich eine andere Wirkung dieſer Art von Witterung, die Aufmerkſamkeit ver: dient, da ſie nicht wenig Licht uͤber die Bildung der Eisberge und die Vergrößerung der Eisfelder verbreitet. Die obere Schicht des Eisfeldes, die urſpruͤnglich aus lockerem leichten Schnee beſtanden hatte, war jetzt an Dicke ſehr zuſammenge— ſchmolzen, und in aufrechtſtehende Nadeln und unregelmaͤßi— ge Prismen von durchſichtigem Eiſe umgewandelt. Dieſe Prismen waren bey einem andern Eisfelde, das ich fruͤher einmal zu unterſuchen Gelegenheit hatte, und das ſich in ei— nem ähnlichen Zuſtande, wie dieſes, befand, fuͤnf oder ſechs Zoll lang, und ſchienen ihre Geſtalt gegenſeitig durch einan— der erhalten zu haben; denn jedes Prisma hatte, auf aͤhnli— che Art als man es bey den Baſaltſaͤulen ſieht, ſo viele Sei— tenflächen, als die Zahl der Prismen oder Saͤulen betrug, die mit ihm in Beruͤhrung waren. Sie ſchienen nur eine ſehr leichte Verbindung mit der Eisflaͤche, auf welcher ſie ſtanden, und wenig oder gar keine unter einander zu haben. An ei— ner andern Eismaſſe war aller Schnee auf der Oberflaͤche, unter ähnlichen Umſtänden, in lauter kleine durchſichtige Eis— ſtuͤckchen verwandelt. Dieſe wechſelten, nach ihrer Lage, von der Größe einer Erbſe, bis zu der einer Muskatnuß, und ſelbſt einer waͤlſchen Nuß. Sie waren einigermaßen kugelförmig, aber, fo wie die Prismen in der Zahl der Sei— tenflächen verſchieden waren, fo ſchien auch die Geſtalt die— ſer Körper theils durch die Geſtalt und Anzahl der mit ihnen zuſammen grenzenden Stuͤcke, theils durch eine Art von Cry— ſtalliſation beſtimmt worden zu ſeyn. Es fanden ſich mehrere Stucke, von fo regelmäßiger Bildung, daß, hätte man fie ab: geſondert gefunden, man fie für Eis-Cryſtallen gehalten, und ihre Geſtalt als die bloße Wirkung der Cryſtalliſation ange— ſehen haben wuͤrde. Dieſes waren namentlich Dodekaeder, Wuͤrfel, Koͤrper mit rhomboidaliſchen Seitenflaͤchen, gerade Prismen, und Pyramiden. Dieſe Verwandelung des Schnee's in durchſichtige Eisſtuͤcke, bey einer Temperatur, bey wel— cher es thaut, kann gewiſſermaßen zur Erläuterung der pa- rallelen Reihen von Luftblaſen dienen, welche in den meiſten Stuͤcken von Süßwaſſer-Eis vorkommen ); ingleichen der Umwandelung des Eiſes in lothrechte Prismen, wenn es in einer ſchicklichen Lage langſam ſchmilzt; ferner der Ent— ſtehung großer Flaͤchen von Süßwaſſer-Eis; endlich der Art, wie Eisberge nach und nach ihre Größe erlangen. Die all— maͤhlige Vergrößerung der Eis- Felder und Berge durch fortwährendes Anhaͤufen und Verdichten dieſer Eiskörner und Eiskryſtalle wird in der That ſehr begreiflich. Man braucht nur anzunehmen, daß, wenn die Oberflaͤche ſich noch in einem lockern Zuſtande befindet, ſie durch einen ſtarken Froſt recht erkaͤltet, und dann von einem dichten Nebel oder Regen heimgeſucht wird, alsdann wird nothwendig die Feuch— tigkeit in die Zwiſchenraͤume der Eiskryſtalle dringen, und ge— frieren, und ſo nach und nach das Ganze ſich in eine einzige dichte Eismaſſe vereinigen. Am 9. Auguſt ſetzte ſich der Wind, der einige Tage nach— einander aus Suͤden oder Suͤdweſten her geweht hatte, ge— rade nach der entgegengeſetzten Seite um. Er wuchs bald bis zu einer ziemlichen Heftigkeit, und war von einem beſtaͤn— digen Regen begleitet. Da unſere Hoffnung, Wallfiſche in der Entfernung vom Lande anzutreffen, fehlgeſchlagen war, ſo wurde, nach einer gemeinſchaftlichen Berathſchlagung mit meinem Vater und dem Capit. Lloyd, beſchloſſen, noch ein— mal, als zu einem letzten Verſuch, an die Kuͤſte zuruͤckzukeh—⸗ ren. Dieſe Maßregel war mir ſehr erwünfcht, theils weil ich immer noch glaubte, daß wir dort Wallfiſche finden wuͤr— den, theils weil ich dadurch Gelegenheit erhielt, meine Unterſu— chung und Aufnahme der Kuͤſte in dem 72ſten Grade der Breite *) Ueber den Unterſchied von Suͤßwaſſer-Eis und Salzwaſſer Eis ſ. den Anhang Nr. IV. i 4 er 262 Bu fortzuſetzen, einem Theil, vom welchem ich bis jetzt nur mes nige Beobachtungen hatte, und dieſe noch dazu ſehr unvoll— kommen, wegen der großen Entfernung, in der ſie gemacht waren. N Sobald als wir daher ein wenig Ruhe genoſſen hatten, giengen wir unter Segel und ſteuerten gegen SW., W. und NW. wie die Oeffnungen in dem Eiſe es am beſten geſtatte— ten; und obgleich wir, wegen des heftigen und unaufhoͤrli— chen Regens, nur auf eine geringe Weite ſehen konnten, machten wir doch, in dem Verlauf dieſes Tages, eine Stre— cke von ungefähr 50 Meilen. Zu Nacht legten wir an einem Eisfelde an, in der Hoffnung den naͤchſten Tag das Land zu‘ erreichen. | Zehntes Kapitel, Neue Annäherung zur Kuͤſte. — Entdeckung und Benennung von Inſeln und Buchten. — Landung auf der Inſel Traill. — Spuren von Bewohnern. — Gefaͤhrliche Lage des Schiffes. — Starke Fluthen in Davy's Sund. — Unterſuchungen am Lande von zwey Partheyen. — Fortgeſetzte Aufnahme der Kuͤſte. — Beſchreibung einer merkwuͤrdigen optiſchen Er— | ſcheinung. Sonnabends den 10. Auguſt legten wir in aller Fruͤhe, bey einem friſchen Nordoſtwinde, vom Eiſe ab, und erneuerten unſere Nachforſchungen gegen RW., um in die Nähe des Ufers zu kommen. Da die Luft entweder durch Regen trübe oder von Nebel duͤſter war, ſo hatten wir große Schwie— rigkeit unſern Zweck zu erreichen; indeſſen da wir die hellen Zwiſchenraͤume zwiſchen den Regenſchauern benutzten, um die Reihen von Eis, die ſich unſerm Laufe entgegenſtellten, zu durchbrechen, ſo machten wir reiſſende Fortſchritte gegen die Kuͤſte hin. Um 2 Uhr Nachmittags entdeckten wir Land, — und als bald darauf ſich auch das Wetter in der Naͤhe deſſel— ben aufklaͤrte, wurden wir eine Oeffnung gewahr, die bis an das Ufer gieng. Wir folgten dieſem Canal, bis wir in einer Entfernung von drittehalb Meilen vom Lande, in 13 Faden Waſſer kamen. Hier machten wir das Schiff an ei— nem Eisfelde feſt, das bis etwa auf ein Achtel einer Meile gegen das Ufer reichte, und gegen Oſten Fin ſich auf 6 bis 8 Meilen erſtreckte, gegen NO. aber weiter hinaus, als man ſehen konnte. Zwiſchen dieſem und dem uͤbrigen Eiſe war eine Trennung gerade in der Richtung entſtanden, nach wel: cher wir uns dem Ufer naͤherten — von SO. gegen RW. — und da das letztere gegen Süden zu treiben anfteng, während das Stuͤck, an welchem wir lagen, durch die vielen Eisber— ge, die bis auf den Grund reichten, auf derſelben Stelle feſt gehalten wurde, fo entſtand hier ein vollig freyes Waſ— ſer, vier bis ſechs Meilen im Durchmeſſer. Der Fame und der Trafalgar, die uns noch immer Geſellſchaft leiſteten, giengen an demſelben Eisfelde vor Anker, in der Abſicht die Kuͤſte und die benachbarten Buchten mit den Booten zu unterſu— chen, und zugleich nach Wallfiſchen zu ſpaͤhen. Meiner Er— fahrung nach ſchien unſer jetziger Standort uns eher etwas zu verſprechen, als irgend einer der Plaͤtze, die wir zuletzt be— ſucht hatten. Das Eis draͤngte ſich faſt dicht an das Ufer und bildete eine ſchoͤne freye Bucht gegen Suͤden, in welcher die Schiffe lagen. Wenn alſo Wallfiſche ſich irgend der Kuͤ— ſte naͤherten, ſo war es ſehr wahrſcheinlich, daß ſie ſich hier ſehen ließen; und dieſer Meinung waren auch die Capitains der bepden andern Schiffe. — 264 — Das Land, welches gerade vor dem Schiffe — in NWgenW. — lag, hatte ganz das Anſehen einer Inſel. Ich nannte es Traill's Inſel, zu Ehren meines hochge— ſchaͤtzten Freundes, des Dr. Thomas Stewart Traill in Li— verpool. Die Mitte deſſelben liegt ohngefaͤhr in 72° 12 der Breite. Die ſüdoͤſtliche Spitze iſt ein ungeheuerer Felſen, der unmittelbar aus dem Meere, ohne einen Fuß breit Ufer, unter einem Winkel von 50 Grad und daruͤber, bis zu der Hoͤhe von ungefaͤhr 1300 Fuß empor ſteigt. Dieſer Felſen gewährt einen ungemein fehonen Anblick. Die Hauptfarbe deſſelben, welche ſchieferblau oder blaͤulichgrau iſt, iſt durch zickzackförmige Schichten von einem glänzenden Gelb oder Roth durchſchnitten. Wegen dieſer eigenthuͤmlichen Beſchaf— fenheit und Miſchung der Farben wurde dieſer Theil der Kuͤſte Van Dyk's Felſen genannt. Das nördliche Ende dieſer Felſen beſteht in einem ſcharfen Ruͤcken, der in ein abgeſtumpftes Vorgebirge ausgeht, welches den Namen Cap Moorſom, aus Achtung fuͤr Herrn Richard Moor— ſom den Juͤngern in Whitby, erhielt; und ein anderes, etwas weiter noͤrdlich liegendes, Vorgebirge, nannte ich, zum An— denken eines alten Schulkameraden, Cap Mewburn. Der hoͤchſte Theil des Ruͤckens von Cap Moorſom beſteht aus einer Reihe hoher und ſcharfer Spitzen. Einige von dieſen ſind ſo ausnehmend duͤnn, ſo voll von Riſſen, und ſo entblößt von aller Unterſtuͤtzung, die ſchmale Grundflaͤche, auf welcher ſie ſtehen, ausgenommen, daß man erſtaunt, wie fie ſich in ihrer Stellung halten können. Indeſſen laͤßt ſich aus der großen Maſſe von Steinen und Felſenſtuͤcken am Fuße des Vorgebirges, welches wahrſcheinlich die Truͤm— mern ſolcher Spitzen ſind, auch mit Grund vermuthen, daß jeder gewaltſame Sturm einige derſelben herunterwirft. Das entfernteſte Vorgebirge der Inſel Traill, welches wir ſehen konnten, liegt ungefaͤhr fuͤnf Meilen nordwaͤrts U von Cap Moorſom. Es erhielt, nach einem geſchaͤtzten Freunde in Whitby, den Namen Cap Young, Die Inſel Traill liegt eigentlich innerhalb oder weſtlich von der allgemeinen Linie, in welcher die Kuͤſte hinlaͤuft, und erſtreckt ſich auf etwa zehn Meilen in der Breite. Suͤd— warts von derſelben zeigte ſich eine ſehr große Einbucht, die zu Ehren des berühmten Praͤſidenten der königlichen Geſell⸗ ſchaft der Wiſſenſchaften Davy's Sund genannt wurde, und nordwaͤrts war eine andere Oeffnung, die den Namen Mountnorris Einbucht, zu Ehren des Lord Mount— norris erhielt. Die nördliche Grenze der letztern geht faſt genau von Oſten nach Weſten, und an dem oͤſtlichen Ende derſelben befindet ſich ein anſehnliches Vorgebirge, welchem der Name unſers kuͤhnen und hochverehrten Erforſchers einer nordweſtlichen Durchfahrt, des Capitain Parry, beygelegt wurde. Suͤdlich von der Inſel Traill konnte man das Land nur undeutlich ſehen, wegen einer beſtaͤndigen Undurchſichtigkeit der Luft in jener Gegend, welche mehrere Tage nach einan— der anhielt. Bald nachdem die drey Schiffe an dem Eiſe befeſtigt waren, wurde, da das Wetter huͤbſch und ziemlich hell war, von jedem Schiff ein Boot nach dem Lande ausgeſchickt. Ich landete unterhalb Van Dyck's Felſen, nahe bey Cap Moorſom, an einem ſteilen Abhang, der von Truͤmmern der daruͤber befindlichen Felſen gebildet war. Nach einem vergeblichen Verſuch, hier hinaufzukommen, ſtieg ich auf ei— nen Abhang, der zwiſchen zwey ſteilen Felſen eingeſchloſſen war, und gelangte mit vieler Anſtrengung etwa 500 Fuß weit; hoher war hier nicht zu kommen, da der Felſen ſenk— recht emporſtieg. Ich gieng daher an dem Rande einer ſtei— = 000 == len Wand, auf einem Boden von lockern und ſpitzigen Stei— nen, bis zu einer Schlucht zwiſchen zwey ungeheuern Felſen— ſpitzen fort, wo ich wieder aufwaͤrts kletterte. Dieß geſchah in der Abſſcht, Steine und Pflanzen zu ſammeln; ich ge— rieth aber dadurch hier und da an ſo gefaͤhrliche Stellen, daß ich kaum wußte, wie ich wieder herunterkommen ſollte. Die Felſen, welche die Schlucht einſchloſſen, ſtanden etwa 20 Fuß auseinander, und waren auf beyden Seiten ganz ſteil. An dem einen von dieſen Felſen, der fo verwittert und anbruͤchig war, daß er auf keine Weiſe eine ſichere Stütze gewährte, mußte ich mich bey jedem Schritt mit der linken Hand anhalten, während ich die rechte gegen die lo— ckern Steine ſtemmte, und es erforderte oft eine ſorgfaͤltige Ueberlegung, ehe ein neuer Schritt gewagt werden konnte. Ein einziges Ausgleiten des Fußes konnte verderblich wer— den, da die Schlucht in einen Abgrund von 400 bis 500 Fuß tief ausgieng, in welchen, ſo wie ich mich bewegte, ſich ein Regen von lockern Steinen um mich her herabſtuͤrzte. Ich hoffte wenigſtens auf dem Gipfel eine ebene Flaͤche zu finden, die mich durch ihre Erzeugniſſe fuͤr das gewagte Unterneh— men, zu dem mich meine Begierde nach Mineralien, Pflan— zen und Thieren ganz unerwartet gebracht hatte, entſchaͤdi— gen würde, Aber zu meinem Erſtaunen zeigte ſichs, daß der Gipfel ein Rücken, ſchmaler und ſchaͤrfer, als die Firſt des ſpitzigſten Daches war — und auf beyden Seiten das Meer! — Hier ruhte ich einige Minuten aus, reitend auf dem Ruͤcken, unter mir das Waſſer, und uͤber mir zwey ſchrecklich ſteile Felſenſpitzen, zwey bis dreyhundert Fuß hoch! Dieſe ſchwankten wirklich bey der Heftigkeit des Win: des, und ſchienen ſo muͤrbe und ſo wenig feſt zu ſeyn, daß es unbegreiflich war, wie ſie noch ſtehen konnten. Man wird leicht glauben, daß ich dieſe Lage nicht ſehr behaglich fühlte; ich eilte daher fo bald als moglich fort zu kommen. Zu meiner großen Befriedigung ſahe ich, daß der Felſen auf der andern Seite nicht ſo ſteil und weniger gefaͤhrlich war, an als da wo ich heraufgekommen war; ich nahm daher auf dies ſer Seite meinen Ruͤckweg, der mich gluͤcklich hinunterfuͤhrte. Bey dieſem Umherſuchen fand ich auch nicht eine Spur von Pflanzentrieb, zwey oder drey Flechtenarten ausgenom— men. In der That war auch nicht das Geringſte von trag— barer Erde da, ſondern ſowohl der ganze Ruͤcken von Cap Moorſom, als die Grundfläche von Van Dyck's Felſen be: ſtand aus einem tiefen Lager von ſpitzigen Steinen. Dage— gen war die mineralogiſche Ausbeute deſto ergiebiger. Meine Sammlung der verſchiedenſten Gebirgsarten, die wir ange— troffen hatten, erhielt einen betraͤchtlichen Zuwachs an merk— wuͤrdigen und lehrreichen Stuͤcken. Die vorherrſchende Ge— birgsart war Schieferthon, der an manchen Stellen zum bi— tuminofen Schiefer hinneigte. Die Schichten von Van Dycks Felſen ſtehen beynahe lothrecht; aber in der Nahe von Cap Moorſom, wo eine ploͤtzliche Aenderung in der Lage der Schichten ſtatt findet, werden fie horizontal. Die unterſte ſichtbare Gebirgsart an dieſem Vorgebirge iſt ein Lager von Schieferthon, einige hundert Fuß dick, alsdann kommt eine horizontale Schicht von ſehr kryſtalliniſchem Porphyr, von rother Farbe an der Oberflaͤche. Ueber dieſer liegt wieder ein maͤchtiges Lager von Schieferthon, der viel weniger feſt iſt, als das tiefere Lager — indem er ſeiner Beſchaffenheit nach mehr dem bituminoͤſen Schiefer aͤhnlich iſt — aber doch noch feſt genug, um, bey der horizontalen Lage der Schich— ten, die praͤchtigen Zinnen dieſes Vorgebirges zu bilden. Bey einer jeden andern Schichtung der Lager iſt es offenbar, daß dieſe ungeheuern Saͤulen von unregelmaͤßiger Geſtalt ſich unmöglich haͤtten halten können. Hier und da kommen gegen den Gipfel der Felſen ungleiche Adern von Gruͤnſtein und verſchiedene Abarten von Porphyr vor, und ſcheinen an manchen Stellen die Saͤulen zu durchſchneiden. Ungefaͤhr in der Mitte von Van Dyck's Felſen, wo ſich das ſchöne Gefüge der Felſen und die artige Abwechſelung der Farben zeigt, bildet der Schieferthon, in feiner lothrech— ten Stellung, lanzenfoͤrmige Zinnen, und iſt von gelbem und rothgeflecktem Porphyr, in wellenformigen, horizontal laufenden Linien, wiederholentlich durchſchnitten, ſo daß die auf dem Ruͤcken ſtehenden Zinnen, ſo wie ſie der Reihe nach eine großere Hoͤhe erreichen und eine hinter der andern ſicht— bar werden, dem Auge des Zuſchauers eine Menge paral— leler, in Zickzack oder ſchlangenartig fortlaufender Streifen von mannigfaltigen Farben darſtellen. Dieſe auffallenden Farben, die in hohem Grade glaͤnzend find, rühren, wie die naͤhere Unterſuchung zeigte, von der Zerſetzung des Schwefelkieſes her. Die gelben Streifen oder Adern beſte— hen aus einem weißlichen Porphyr, der eine große Menge inliegender Koͤrner und kleiner kubiſcher Kryſtalle von gemei— nem Schwefelkies enthaͤlt, durch deſſen Zerſetzung der gelbe Ueberzug auf der Oberflaͤche entſtanden war. Die rothen Streifen waren entweder Porphyr oder Schieferthon, der auch ſeine Farbe von zerſetztem Schwefelkies, in einem ver— ſchiedenen Grade der Oxydation, erhalten hatte. Dieſer merkwuͤrdige Theil des Landes ſchien hauptſaͤch— lich aus Floͤtztrapp und Flögporphyr zu beſtehen. Dieſe beyden Gebirgsarten waren mit verſchiedenen Arten von Schieferthon, der bisweilen zum bituminofen Schiefer hin— neigte, und mit quarzigem Sandſtein verbunden. Die ganze Maſſe der Felſen ſchien nach allen Richtungen mit Adern von Gruͤnſtein, Porphyr und dichtem Feldfparh durchzogen, von welchen der letztre bisweilen in Thonſtein uͤbergieng. Lachdem ich den Abhang von Cap Moorſom hinunter— geſtiegen war, gieng ich längs der Grundfläche des Felſen gegen Norden, nicht ohne Schwierigkeit, bis ich ein ſchma— les Stuͤck Eis erreichte, das an den Boden feſtgefroren und zum Theil unter Waſſer war. Auf dieſem konnte ich bis zu einer beträchtlichen Ebene in der Nähe von Cap Mewburn — 690 — fortgehen, deren Oberflaͤche aus lauter lockern Steinen und Granit beſtand, und wegen ihrer gaͤnzlichen Nacktheit und Entblößung von allem, was zum Pflanzenreich gehört, merk würdig war. Hier entdeckte ich neue Spuren von Bewoh— nern. Man konnte deutlich die Stellen, wo zwey Sommer— huͤtten geſtanden hatten, erkennen; auch war eine Feuer— ftätte da, wo Aſche und verkohltes Holz lagen. Es fanden ſich eine Menge von bearbeiteten Knochen; an einigen der— ſelben war die Reihe von Löchern, wodurch fie zertheilt wor— den waren, noch gut zu ſehen. Mein Vater, der das Land hinter Van Dyck's Felſen, von Cap Moorſom bis an das öſtliche Vorgebirge der Inſel, welches wir Cap Simpſon nannten, durchſtreifte, traf auf eine Menge von Ueberreſten, welche die Eingebohrnen zurückgelaſſen hatten. Auf einer Ebene, die gegen Suͤden lag, fand er die Ueberbleibſel von wenigſtens 50 Sommer— wohnungen. Eine große Menge von Knochen — unter de— nen man Schädel von Bären, Narwals, Renthieren und andern Thieren erkannte — war daſelbſt umher zerſtreut. Merkwuͤrdig war es, daß allen Bärenfopfen die untere Kinnlade fehlte, waͤhrend die obere an vielen noch alle Zaͤhne hatte und unverſehrt war. Da das Schiff feſt lag, und es nicht rathſam war es von ſeinem Platz zu bringen, um meine Aufnahme der Kuͤſte fortzuſetzen, fo war ich genothigt, eine Reihe von Winkeln am Lande zu nehmen Ich waͤhlte zu meinem Standort Cap Moorſom, von wo die Entfernung des Baffin aus dem Winkel, unter welchem der große Maſt deſſelben erſchien, 14514 Fuß oder 2 Meilen und 2434 Fuß.“) gefunden wurde. ) Hier rechnet Scoresby die Meile zu 6040 Fuß; oben S. 123 ſetzt er fie = 6000 Fuß. 5 — 0 Mit Huͤlfe dieſer Entfernung, als einer Standlinie, und aus den Durchſchnittspunkten, die durch die Beobachtun— gen an den beyden Enden derſelben erhalten wurden, be— ſtimmte ich die Geſtalt und Lage der benachbarten Vorge— birge. Der Sehwinkel, unter welchem Vandyck's Felſen vom Schiffe aus erſchienen, war 4° 36“; woraus ſich die Höhe derſelben 1292 Fuß ergab. Der ſchwere Regen, von dem wir, vor unſerer Lan— dung auf Traill's Inſel, 30 Stunden lang beſtaͤndig heimgeſucht waren, hatte nur eine Pauſe von wenigen Stunden ge— macht. Um 10 Uhr Abends fieng er wieder an, und zog einen Schleyer uͤber das Land, ehe noch meine Beobach— tungen ganz beendigt waren. Sonntag, den 11. Auguſt. Der Wind blies furcht— bar heftig aus NO., gluͤcklicherweiſe aber wurde das Eis, an welchem die Schiffe befeſtigt waren, durch die vielen Eisberge, mit denen es beſetzt war und die bis auf den Grund reichten, feſtgehalten, ſo daß unterhalb dem Winde ein freyes Waſſer fuͤr die Schiffe war. Die Heftigkeit des Sturmes wurde fo groß, daß wir uns genöthigt ſahen, die Schiffe noch mit einigen ſtarken Tauen zu ſichern; gleich— wohl hielten wir uns nicht fuͤr ſicher genug, und ſetzten die Anker in Bereitſchaft, um, wenn es nöͤthig wäre, die: ſe zur Feſtſtellung der Schiffe zu Huͤlfe zu nehmen. Nach dieſen nothwendigen Vorkehrungen, warteten wir den Got— tesdienſt, wie es ſich gehört und ohne geſtört zu werden, ab. Der Regen fiel in Strömen unaufhoͤrlich fort. Montag, fruͤhmorgens, da der Wind und der Regen etwas nachgelaſſen hatten, fuhren wir, zufolge einer vorhergegangenen Verabredung, zu dem Fame und dem Trafalgar, um zwey Partheyen einzurichten, welche die Einbuchten zu beyden Seiten der Inſel Traill unterſuchen ſollten. Der angebliche — D — Zweck dieſer Unterſuchung war, nach Wallfiſchen auszuge⸗ hen. Man konnte vorausſetzen, daß ſolche abgeſchloſſene Buchten gern von dieſen Thieren aufgeſucht wuͤrden; und ſollte eines derſelben angetroffen werden, ſo war eine jede der beyden Partheyen ſtark genug, um einen wirkſamen Angriff, zu gemeinſchaftlichem Gewinn, zu machen. Die Ausruͤſtung der Boote war etwa um 6 Uhr des Morgens fertig, worauf zwey von unſern Booten, begleitet von eben ſo vielen des Trafalgar und dreyen des Fame, nach Mount— norris Einbucht, und eine aͤhnliche Parthey, unter Anfuͤh— rung des Capitain Ployd, nach Davy's Sund abfuhren. Wir hatten indeſſen bald Urſach unſer Unternehmen zu bereuen; denn der Wind und Regen nahmen, anſtatt aufzuhoͤren, wie wir gehofft hatten, immer mehr zu. Was noch das Uebel vermehrte, war, daß das Eis, an welchem die Schiffe lagen, mitten entzwey brach, und die Eisberge, die es hielten, durch den Druck des Eiſes von dem Ufer ab gegen den Wind getrieben wurden. Dadurch wurde das Stuͤck, an welchem die Schiffe befeſtigt waren, frey, und wir wurden mit dieſem ſuͤdwaͤrts getrieben, und naͤ— herten uns ſchleunig einer großen Eismaſſe, die am Lande unterhalb dem Winde von uns feſt lag. Dieß noͤthigte uns, eiligſt unter Segel zu gehen und nach der Wind— ſeite hin zu laviren, um auf die oͤſtliche Seite der Eisfel⸗ der, die mit dem Lande zuſammen hiengen, zu kommen. Der Fame und Trafalgar folgten unſerm Beyſpiele, da Capit. Lloyd gluͤcklicherweiſe gerade in dieſem kritiſchen Zeitpunkt an Bord ſeines Schiffes zuruͤckgekehrt war. Da heute der Geburtstag unſers Koͤnigs war, ſo ge— dachten wir deſſelben, obgleich das Wetter und unſere La— ge dem Genuß einer geſellſchaftlichen Freude hoͤchſt unguͤn— ſtig waren, doch als treue Unterthanen, und tranken auf Allerhöchſt deſſelben Geſundheit mit den beſten Wuͤnſchen — = für eine lange und glückliche Regierung. Hätten die Um— ſtaͤnde es geſtattet, fo war es der Wunſch meines Vaters und mein eigener, foͤrmlichen Beſitz von dem Lande im Namen unſers Koͤnigs an dem heutigen Tage zu nehmen, auf welchen die Feyerlichkeit ausdruͤcklich verſchoben worden war. Aber zu unſerm Bedauern wurden wir an der Er— fuͤllung unſers Wunſches gehindert, und hatten ungluͤckli— cherweiſe auch keine Gelegenheit, wieder zu landen, ſo lange wir an der Kuͤſte verweilten. | Wir fuhren den ganzen Tag ab und zu, in aͤngſtlicher Erwartung der Ruͤckkehr unſrer Boote. Am Abend kamen zwey derſelben an; um 10 Uhr kam noch eines; und kurz nach Mitternacht langte auch das letzte, zu meiner großen Freude, und zu nicht geringerer der Leute ſelbſt, die ſich in demſelben befanden, an. Kaum hatten wir beygelegt, um die Boote einzunehmen und in Sicherheit zu bringen, als wir plotzlich und unerwartet bemerkten, (denn bey der Duͤſternheit, die der Regen verurſachte, konnte man nicht weit ſehen), daß wir nahe an dem Eiſe, das unter dem Winde lag, waren, und mit großer Schnelligkeit dagegen getrieben wurden. Dieß war die Wirkung einer ſtarken Fluth, dergleichen wir hier nicht vermutheten, da wir bey unſerm Aufenthalt an dieſem Orte nicht die geringſte Stroͤ— mung wahrgenommen hatten. Sogleich wurden alle Segel aufgeſetzt, die wir nur mit Sicherheit fuͤhren konnten, und nach einigen vergeblichen Wendungen gelang es uns, um eine Spitze des Eiſes, das unfrer Fahrt gegen Oſten im Wege ſtand, herum zu kommen, und der Gefahr, die uns bedroht hatte, zu entgehen. Da ich den groͤßten Theil des Tages auf dem Verdeck hatte ſeyn muͤſſen, bey unaufhöͤrlichem und fo heftigem Regen, daß alle Mittel, ſich vor ihm zu ſchuͤtzen, fruchtlos waren, und ich drey oder viermal bis auf die Haut durch— a en näßt worden war, fo fühlte ich mich ſehr angegriffen und ermuͤdet, und ſah mich genothigt, gegen Mitternacht zu Bette zu gehen, und die Sorge fuͤr das Schiff dem Oberſteuermann zu uͤberlaſſen. Ich konnte aber nicht recht zur Ruhe kommen, und nach ein paar Stunden wurde ich ſehr aufmerkſam, als ich bemerkte, daß das Schiff umge— legt wurde. Wenige Minuten darauf wurde es wieder um— gelegt. Dieß war ein Beweis, daß das Schiff in Be— draͤngniß war; ich ſprang daher ſogleich auf, warf einen Mantel um, und lief auf das Verdeck. Es war ein ent— ſcheidender Augenblick! Das Schiff war wieder in dieſelbe Bucht verwickelt, aus welcher es nur eben heraus gebracht worden war, und das Eis fieng an ſich auf allen Seiten umher mit großer Geſchwindigkeit zu ſchließen. Die Weite der Bucht, die auf der oͤſtlichen Seite von lockern Eisſchol— len, und auf der weſtlichen von großen Eisſtuͤcken, die am Ufer feſt lagen, eingeſchloſſen wurde, betrug, als ich vom Verdeck gieng, ungefähr zwey Meilen; jetzt aber war fie nur den vierten Theil ſo groß. Unſre Lage war daher ſehr mißlich. Sogleich wurden noch mehrere Segel aufgeſetzt, und die ganze Mannſchaft in Bewegung geſetzt; und un— geachtet der Engheit des Canals und der Stroͤmung nach der Leefeite*), wurde das Schiff doch mit fo gutem Er: folg regiert, daß wir keine zehn Dards mehr hatten, um uͤber die öſtliche Spitze des Eiſes herum zu kommen; als wir aber noch eine Wendung verſuchen wollten, hatte die Weite ſich bis auf 60 Pards vermindert; mir mußten da— her den Plan, das Eis zu umfahren, aufgeben, und verſu— chen, in das Bap:Eis**) gegen Welten einzudringen, um ) D. i. derjenigen Seite, nach welcher der Wind hin geht. *) Bay-Eis, ſagt Scor., iſt ſolches, das noch nicht lange erſt ent: ſtanden iſt. Es giebt zweyerley Arten deſſelben: gewoͤhnliches 18 274 — uns einen Durchweg zu erzwingen. Dieß konnte nur durch die Gewalt der Segel, verbunden mit der ſorgfaͤltigſten Leitung des Schiffes, gelingen. Obgleich gerade ein hefti— ger Wind blies, ſo ſetzten wir doch alle Segel auf, die die Maſten tragen konnten, und bewirkten dadurch, daß das Schiff das Eis durchbrach, das an manchen Stellen 12 bis 18 Zoll dick war. Bisweilen ſchien es zwar, als könnte das Schiff nicht weiter — wodurch wir in die großte Beſorgniß geriethen — aber gluͤcklicherweiſe brach zuletzt der untere Theil des Eiſes unter dem Druck des Schiffes los, und geſtattete uns einen leichtern Durchweg. Gleich— wohl waren wir noch nicht aus aller Gefahr heraus, da uns die Fluth unterdeſſen tief in die Bucht hinein gefuͤhrt hatte, wo ſie ſehr enge war. Hier kam uns die ausneh— mende Tuͤchtigkeit des Schiffes ſehr zu ſtatten: nachdem wir ein- oder zweymal umgelegt hatten — wobey wir alle Geſchicklichkeit aufbieten mußten — gelang es uns, uns gegen den Wind zu arbeiten, (obgleich die Fluth oder Stro— mung gegen WSW. oder faſt gerade leewaͤrts, mit einer Geſchwindigkeit von beynahe drey Knotenlaͤngen, gieng) und glücklich um die oͤſtliche Spitze des Eiſes herum zu kommen, wo die Weite des Canals ſich beynahe auf eine Stunde vergrößerte. Da wir ſahen, daß auch dieſer Ca— nal ſich immer mehr verengerte, ſo drangen wir in die oͤſtliche Seite deſſelben, die aus einer Kette von Eisfeldern beſtand, in welcher wir zum Glück einen Durchweg entdeck— ten. Als wir darauf noch fuͤnf oder ſechs Meilen oſtwaͤrts gegangen waren, kamen wir in ein huͤbſches offenes Waſ— ſer zwiſchen Eisfeldern, wo wir einen Theil unſrer Segel wieder einnehmen konnten, gerade als wir gendthigt waren es zu thun, weil der Wind ſehr zugenommen hatte. Der Regen hörte nicht auf in Stroͤmen herab zu gießen. Bay⸗Eis, welches aus glatten Schollen von betraͤchtlicher Groͤße beſteht; und Pfannkuchen-Eis (pancake- ice) welches in kleinen runden Stuͤcken mit erhabenem Rande vorkommt. — 275 — Bald nachdem wir in Sicherheit gekommen waren, wurden wir gewahr, daß der Fame uns folgte, und zwar unter einem Druck der Segel, den vielleicht wenig Schiffe hätten aushalten können. Der Trafalgar hingegen war nicht ſo gluͤcklich. Er hatte den rechten Zeitpunkt, um die kritiſche Eisſpitze herum zu kommen, verfehlt, und war durch die Fluth ſo heftig fortgeriſſen worden, daß er in kur— zem vollig gehemmt war, und nicht mehr Platz genug zum Umlegen hatte. Am Morgen ſahen wir ihn in einiger Ent— fernung, enge eingeſchloſſen, in einer Lage, die in dieſer ſpaͤten Jahreszeit die größten Beſorgniſſe erregen mußte. Haͤtte ſich ein heftiger Wind von Oſten erhoben, ſo waͤre wenig Hoffnung zu feiner Befreyung uͤbrig geblieben. Wenn man die Vorfälle des Lebens, beſonders ſolcher Menſchen, die ein gefahrvolles Gewerbe treiben, betrach— tet, ſo bemerkt man leicht, daß manche der wichtigſten Ereigniſſe von einem bloßen Zufall oder von einer unbe— deutenden Urſache herzuruͤhren ſcheinen. Mit Recht ſagt ein ſcharfſinniger und einſichtsvoller Schriftſteller: „die ges „ringfügigſten Umſtaͤnde koͤnnen unſre Lage in der Welt be „ſtimmen. Daß wir gerade in dieſe, ſtatt in eine andere „Straße gehen, macht, daß wir mit jemand zuſammentref— „fen, dem wir ſonſt vielleicht nie begegnet waͤren; und „dieß kann eine Reihe von andern Ereigniſſen zur Folge haben, „von denen das Gluͤck oder Unglück unſers Lebens abhangt.“) Ein ſolcher unbedeutender Umſtand, als mein Aufſtehen aus dem Bette, ohne von einer Gefahr benachrichtigt zu ſeyn, war es, dem wir unſere Befreyung aus einer gefaͤhrlichen Lage zuzuſchreiben hatten — (es würde romanhaft klin— gen, wenn ich ſagen wollte, daß ich durch Traͤume von Feſtſitzen zwiſchen dem Eiſe und Schiffbruch dazu bewogen *) Remains of the Rev. Richard Cecil, pag. 104. Sc. i 48." worden wäre.) Und von dieſem anſcheinend zufälligen Umſtande hieng, wie ſich nachher auswies, der letzte Er— folg unſrer Reiſe, und wahrſcheinlich auch unfre eigene Rettung ab. Denn es iſt gewiß, daß, wenn ich noch fünf Minuten laͤnger unten geblieben, oder das geringſte von dem, was wir thaten, verabſaͤumt worden waͤre, wir den ganzen Zweck unſrer Reiſe verfehlen und ſelbſt in die groͤßte Gefahr gerathen konnten. Ich nehme keinen Anſtand, die— ſen fuͤr uns ſo wichtigen Umſtand — denn dieß war er in der That fuͤr uns — einer Leitung der Vorſehung beyzulegen. Meine Grundſfaͤtze, meine Gefühle, mein Bewußtſeyn ge— ſtatten mir nicht, es einen bloßen Zufall zu nennen. Auch wuͤrde ich es nicht für Recht halten, dieſe Betrachtung, welche die nachfolgenden Ereigniſſe dieſer Woche herbey— fuͤhrten, zu unterdruͤcken; es wuͤrde in meinen Augen eine tadelnswerthe und ſchwachſinnige Nachgiebigkeit gegen die Meinung anderer, die in dieſem Punkte anders denken, als ich, ſeyn, wenn ich mich ſcheuen wollte, dieſen höhern Einfluß der Vorſehung anzuerkennen. Wenn die Art von Philoſophie, welche die Eigenſchaften der Koͤrper und die Geſetze der Erſcheinungen, welche ſie hervorbringen, unter— ſucht, würdig iſt, den Geiſt derjenigen, welche auf der hoͤchſten Stufe menſchlicher Erkenntniß ſtehen, zu befchäf: tigen; fo verdient die Philoſophie, weiche uns die beſon⸗ dern Wege der Vorſehung kennen lehrt, und uns unzaͤh— lige Beweiſe ihres Wohlwollens gegen uns ſelbſt entdecken laßt — welches in unſern Herzen die erhebendſten Gefühle der Dankbarkeit und des Vertrauens erwecken muß — in einem viel hoͤhern Grade von jedermann beachtet und fhu: dirt zu werden. Die heftigen Fluthen in dem Eingange von Davpy's Sund machen, wenn daſelbſt vieles Eis iſt, die Annäherung an das Land, beſonders auf der ſuͤdlichen Seite, nicht we— nig gefaͤhrlich. Denn wenn eine von den großen Eismaſſen Pe ee er PER N ſich auf den Grund ſetzt, oder mit Eisbergen, die auf dem Grunde feſt ſitzen, oder anderm Eiſe in Beruͤhrung kommt und feſt ſteht, fo werden die nachfolgenden Eisſtuͤcke mit gro= ßer Schnelligkeit und erſtaunender Gewalt dagegen getrie— ben. Ueberdieß iſt die Richtung der Fluth ſo verſchieden, an verſchiedenen Standorten, (wahrſcheinlich nach der Be— ſchaffenheit der benachbarten Kuͤſten oder Buchten, und viel- leicht auch nach der Lage des Eiſes) daß die Wirkung derſel— ben ſich ſelten gehörig beſtimmen laͤßt. Da wir an der Eis⸗ ſpitze vorbey kamen, die wir fo viele Muͤhe zu umfahren hatten, bemerkten wir ein Geraͤuſch und eine Bewegung im Waſſer, wie da, wo ein Strom kentert (d. i. ſeine Richtung ändert), welches wahrſcheinlich von einer Aenderung in der Richtung der Fluth herruͤhrte; und beym Durchfahren durch dieſe Stelle folgte das Schiff dem Steuerruder nicht — ob— gleich unſre Fahrt ſchnell vorwaͤrts gieng, und der Wind heftig blies — fo daß es gegen das Ruder zuruͤck fuhr, faſt gerade gegen den Wind. Als wir das erſtemal Cap Moor⸗ ſom gegenüber an dem Eiſe anlegten, bemerkten wir eine ſehr geringe Stroͤmung, obgleich wenige Meilen weiter gegen Norden die Fluth ſo heftig war. Es iſt daher wahrſcheinlich, daß die Fluth ſich an dieſer Stelle, die beinahe mitten zwi⸗ ſchen Mountnorris Einbucht und Davy's Sund liegt, theilt, und daß in jede Einbucht ein beſonderer Arm laͤuft. Eine ſolche Theilung des Stroms wuͤrde auch ſehr wohl mit dem ſtillen Waſſer, auf welches wir von Cap Moorſom abwärts trafen, vereinbar ſeyn. In Davy's Sund war die Stroͤ— mung ſo heftig, daß unſre Leute kaum in den ſchnelleſten Booten im Stande waren, gegen ſie fortzukommen. Auch war das Steigen und Fallen des Waſſers am Ufer betraͤcht⸗ lich. Wir hatten zwar keine Gelegenheit, es mit einiger Ge⸗ nauigkeit zu beſtimmen, aber ich glaube, daß es zur Zeit der Springfluthen acht bis zehn Fuß in ſenkrechter Höhe betra— gen mag. 5 Die Boote, die zur Unterſuchung der beyden Buchten — a ausgeſchickt waren, brachten wenig Neues mit. Da fie keine Wallfifche angetroffen hatten, fo war der Hauptzweck ihrer Sendung verfehlt. In Mountnorris Einbucht hatten meine Offiziere einige Inſeln entdeckt. Eine große ſchien ziemlich in der Mitte zu liegen, und mehrere kleinere (ſieben an der Zahl, wie man, mir ſagte) auf der noͤrdlichen Seite der Einbucht. Die Lage und Geſtalt derſelben konnte zwar nicht naͤher beſtimmt werden; indeſſen da an ihrem Vor— handenſeyn ſelbſt nicht zu zweifeln iſt, ſo hielt ich mich fuͤr berechtigt, ihnen einen Namen beyzulegen, und nannte die ganze Gruppe Craig's Inſeln, nach einem ſehr geach— teten Geiſtlichen der biſchoͤflichen Kirche in Edinburgh. Da das Eis von dem Winde auf das Ufer getrieben war, ſo war der innere Theil von Mountnorris Einbucht den Boo— ten unzugaͤnglich. Cap Poung war der aͤußerſte Punkt, bis zu welchem ſie in dieſer Richtung vordringen konnten. Sie hatten an verſchiedenen Stellen gelandet, alle Pflanzen aber, welche man ſah, waren von den ſchweren Regenguͤſſen gaͤnzlich niedergeſchlagen. Spuren von Bewohnern hatte man nicht gefunden. Auch ließ ſich das an einem ſolchen Orte in der That nicht anders erwarten, da die Eskimos ihre Wohnungen nicht auf Flaͤchen, die gegen Norden ge— kehrt ſind, zu errichten pflegen. Sie brachten einige wenige Proben der Gebirgsarten mit, die vorzuͤglich aus Nieren von Thoneiſenſtein, Stuͤcken von Schieferthon, Porphyr und Mandelſtein beſtanden. Die andere Parthey, welche Davy's Sund unterſuchen ſollte, hatte das ſuͤdliche Ufer der Inſel Traill frey von Eis gefunden; und wäre das Wetter guͤnſtig geweſen, fo haͤtte ſie weit vordringen können, und ohne Zweifel merk— wuͤrdige Entdeckungen gemacht. Spuren, daß die Kuͤſte be⸗ wohnt geweſen iſt, fanden ſich hier in großer Menge. Auf einem flachen Lande, nicht weit von Cap Simpſon gegen Weſten, wurden ſie etliche Dutzend alter Huͤtten, und ſol— = 209 cher Mäge, wo Sommer-Zelte geſtanden hatten, gewahr. Einer von den Matroſen des Trafalgar fand eine Lampe von der Art, wie fie die Eskimo's gewohnlich brauchen. Unſere Leute fanden viele Bruchſtücke von Knochen, die offenbar zu Schlitten-Kufen gedient hatten. Dieſe beſtanden aus Streifen, die theils von Wallfiſchknochen, theils von Nar— wals⸗Zaͤhnen abgeſchnitten waren. Ein Stuͤck der letztern Art war beynahe zwey Fuß lang; und ein anderes, nicht ganz fo langes, maß 25 Zoll im Durchmeſſer. Man konnte bemerken, daß dieſe, wie andere fruͤher gefundenen Stücke, dadurch der Lange nach getheilt worden waren, daß man zwey Reihen von Loͤchern dicht neben einander, die eine auf der entgegengeſetzten Seite der andern, durch den Knochen gebohrt, und dieſen dann von einander gefpalten hatte. Es ſchien auch, daß die abgeſchnittenen Stuͤcke nachher durch eine Art von Axt oder ein anderes ſchneidendes Werk, aus dem Groben gearbeitet und an der Oberflaͤche abgerieben worden waͤren. Dieſe Knochen waren alle auf der einen Seite flach, und auf der andern erhaben oder halb cylin— driſch. Die flache Seite war offenbar beſtimmt, an den Schlitten angepaßt, und die runde gegen den Boden ge— kehrt zu werden. Die große Menge dieſer Bruchſtuͤcke war ein Beweis, daß nicht nur die Einwohner in großer Anzahl hier geweſen waren, ſondern daß ſie ſich auch der Schlitten vielfach bedienen mußten. Ein großes Stuͤck einer Kufe ſelbſt wurde ganz gefunden. Es war von Fichtenholz (ver— muthlich Treibholz), und mit einer Reihe knöcherner Plaͤtt— chen belegt, die mit hölzernen Pflöcken von 25 Zoll im Durch: meſſer befeſtigt waren. Um die Huͤtten herum fanden ſich Ueberreſte und Knochen von Renthieren, Hunden, Nar— wals, Seehunden, Bären u. a. m. in großer Menge. Meh— rere Rebhuͤhner waren geſehen worden, die fo zahm wa: ren, daß einige von ihnen mit Steinen todt geworfen wur— den, und ein kleiner Vogel wurde lebendig mit der Hand gefangen. 8 Der anhaltende und verdruͤßliche Wind, der in der Nacht vom 10. auf den 11. Auguſt aus NO. zu wehen an— gefangen hatte, fing am 13. um Mittag an nachzulaſſen; und der Regen, der in ununterbrochenen Strömen die letzten 62 Stunden hindurch gefallen war, nahm endlich ab. In der That hatte der Regen von Donnerſtag Morgen bis heute, den Dienſtag — eine Zeit von 130 Stunden — mit weniger Unterbrechung gedauert. In dieſer Zwiſchenzeit ſahen wir die Sonne nicht einen Augenblick, und die Dich— tigkeit der Wolken war ſo groß, daß man auch nicht ein— mal eine größere Helligkeit in der Gegend des Himmels, wo die Sonne ſtand, wahrnehmen konnte. Die Menge des herabfallenden Regens uͤbertraf alles, was ich in der Art je vorher geſehen hatte, bey weitem. Unſere Boote waͤren durch das Gewicht des Waſſers, das ſich in ihnen geſammelt hatte, ehe man es bemerkte, beynahe aus den Tackeln “) geriſſen worden; und mußten nachher zu wieder: holtenmalen ausgeleert werden. Sobald der Wind anfing nachzulaſſen, brach der Fame auf und ſteuerte gegen den Wind, um zwey ſeiner Boote, die noch nicht zuruͤckgekommen waren, aufzuſuchen. Der Trafalgar machte Signale, die wir fuͤr Anzeigen einer Ge— fahr anſahen; wir ſuchten uns ihm daher ſo viel zu naͤ— hern, als wir kluͤglich konnten, und legten dann bey, oder fuhren ab und zu — den Ueberreſt des Tages und die fol— gende Nacht. Am Abend hellte ſich die Luft auf eine kurze Zeit hier und da auf. Das Land wurde ſichtbar von RO N. (nach *) Tackel iſt eine Art Hebezeug, dergleichen es auf den Schiffen mehrere von verſchiedener Einrichtung giebt. Eine derſelben dient, die Boote aus- und einzuheben, und von dieſer iſt hier die Rede. . dem Kompaß) bis gegen SWgenW. Die Küfte ſchien ein Haufen von Inſeln zu ſeyn, mit Einbuchten dazwiſchen, unter denen einige von . Weite. Van Dyck's Felſen fanden ſich 113 Meilen von uns entfernt. Dieſe Entfernung, und die ſchon fruͤher von Cap Moorſom aus gemeſſenen Winkel, ſetzten mich in Stand, die gegenſeitige Lage jener Felſen und anderer Punkte dieſes Landes zu be— ſtimmen. Und es war merkwuͤrdig, daß die aus den Durch— ſchnittspunkten abgeleiteten Entfernungen mit den durch Schaͤtzung gefundenen, bey fuͤnf oder ſechs Vorgebirgen, die einige Stunden von beyden Standpunkten entlegen was ren, bis auf weniger als 12 Meilen, und bey einigen ge— nau zuſammenſtimmten. Mittwoch, den 14. Aug. Der Morgen war ſtille und neblig, gluͤcklicherweiſe aber kam die Sonne wenige Minuten vor zwölf Uhr zum Vorſchein, ſo daß ich eine vortreffliche Beob— achtung unſerer Breite, und nachher einige gute Beſtim— mungen der Länge und der magnetifchen Abweichung er: hielt. Dieſe Beobachtungen waren mir von der größten Wichtigkeit; denn ohne ſie wurde alles das, was vorlaͤu— fig zur Aufnahme der Inſel Traill und der angrenzenden Buchten geſchehen war, großentheils fruchtlos geweſen ſeyn. Als wir in einiger Entfernung von Cap Moorſom lagen, war ich ſehr bemuͤht, die Lage des Schiffes zu beſtimmen; aber die Sonne ließ ſich keinen Augenblick ſehen, bis lange nachdem das Eis geborſten war, und uns genoͤthigt hatte, uns von dem Ufer zu entfernen. Der Plan, den ich jetzt annahm, um meine bisherigen Arbeiten brauchbar zu ma— chen, war, daß ich die wahre Lage und genaue Entfernung von Van Dyck's Felſen zu erhalten ſuchte. Das erſtere verſchaffte ich mir, ohne große Schwierigkeit, vermittelſt eines Azimuthal-Kompaſſes, mit dem ich vom Mars aus die Richtung der Felſen beobachtete, und dieſe nach der magnetiſchen Abweichung verbeſſerte; das letztre fand ich u 2 durch Berechnung aus der ſcheinbaren Hohe der Felſen, die ich mit einem Sextanten maß, und der wahren, die mir bekannt war. Da uͤberdieß die Lage des Schiffes durch Beobachtungen am Himmel beſtimmt war, ſo ließ ſich die Lage von Van Dyck's Felſen mit großer Genauigkeit dar— aus ableiten, und folglich auch die Laͤnge und Breite der uͤbrigen Vorgebirge und Punkte, deren Lage gegen dieſe Felſen vorher verzeichnet war, Die Strecke Landes, die man jetzt uͤberſehen konnte, und die beynahe 90 Meilen in der Laͤnge betrug, gieng von S 46° W. bis N 31° O. nach dem Kompaß, und da je: der Theil ſehr deutlich war, ſo machte ich einen Abriß von der ganzen ſichtbaren Kuͤſte, und maß zugleich den Win— kel von jedem merkwuͤrdigen Vorgebirge, Berge und Bucht. Die nördliche Grenze von dem Stuͤck, welches ich am 20. July aufgenommen hatte, war jetzt der ſuͤdlichſte Punkt, den man ſehen konnte, und lag faſt genau gegen Suͤden. Dieſer glückliche Umſtand ſetzte mich in Stand, nicht nur meine jetzige Aufnahme an jene fruͤhere anzuknuͤpfen, ſon— dern auch den Gang meines Chronometers zu berichtigen. Die Laͤnge des Schiffes war, nach der Lage des Landes, 21» 22 W., und nach dem Chronometer, 21° 4230“ W. Dieſer Unterſchied von 20“ 30“ entſtand aus dem Fehler in dem urſpruͤnglichen Gange des Chronometers, den ich damals nicht genau kannte; aber er wurde nachher mit aller moͤglichen Sorgfalt beruͤckſichtigt, und die in dieſem Tagebuch angegebenen Laͤngen ſind darnach verbeſſert. Die magnetiſche Abweichung ſchien, nach einem Mittel aus zwey Reihen von Beobachtungen, 43° 22“ W. zu ſeyn. Die erſte Reihe gab 43° 20“ und die zweyte 43° 24 W. Von dem Punkt, welcher die nordliche Graͤnze der am 20. July verfertigten Aufnahme ausmachte, und der in 71 14“ N. B. liegt, zieht die Küfte ſich noch weiter faſt — 283 — genau von Suͤden nach Norden hin, bis zu 71° 330, wo ſich die Liverpool⸗Kuͤſte in ein ſtark hervorragendes Vorge— birge endigt. Dieſes wurde Cap Gladſtone, zu Eh— ren des Herrn John Gladſtone in Liverpool genannt. Jenſeits dieſes Vorgebirges zieht ſich die Kuͤſte gegen SW- und bildet eine tiefe Einbucht, die zwey bis drey Stunden breit iſt, und gegen Hurry's Einbucht hinlaͤuft, welcher ſie ſich, ſo viel wir geſehen haben, bis auf weniger als funfzehn Meilen naͤhert. Es iſt daher wahrſcheinlich, daß die Liverpool-Kuͤſte eine Inſel, und Hurry's Einbucht ein Sund oder ein Canal iſt, der ſie von den andern Inſeln oder dem feſten Lande gegen Weſten trennt. Nördlich von Cap Gladſtone hat die ganze Kuͤſte das Anſehen von Inſeln. Ein betraͤchtliches Stuͤck eines emporragenden Landes, von 71° 36“ bis 71° 47“, welches eine Inſel zu ſeyn ſchien, erhielt den Namen Canning Inſel, nach dem Staatsſe— kretaͤr, der viele Jahre der Repraͤſentant von Liverpool war; und eine benachbarte kleinere Inſel wurde nach dem Präſidenten der Linnean Society, Herrn James Ed⸗ ward Smith, benannt, Unſer Standort war damals ungefaͤhr in der Mitte des Eingangs von Davy's Sund, der auf der ſuͤdlichen Seite von den beyden zuletzt erwaͤhnten Inſeln, und auf der nördlichen von der Insel Traill eingeſchloſſen if. Die Weite deſſelben zwiſchen dieſen Inſeln betraͤgt ungefähr ſechzehn Meilen. In der Ferne ſah man einen bergigen Strich Lan— des queer über das Innere des Sundes hingehen; er ſchien aber denſelben nicht zu verſchließen, ſondern eine Inſel zu ſeyn. Drey Vorgebirge, die man an dem ſuͤdli— chen Theil dieſer Inſel deutlich unterſcheiden konnte, er— hielten die Namen Cap Biot, Cap Rofilly, und Cap Buͤache zu Ehren dreyer franzöſiſchen Gelehrten; und das nordoͤſtliche Vorgebirge derſelben Inſel wurde nach dem Profeſſor Pictet in Genf genannt. Weſtwaͤrts 8 von dieſer Inſel iſt eine kleine Kette von Bergen, die un— ter allen bisher von uns an dieſer Kuͤſte geſehenen die hoͤchſten ſind. Wir nannten ſie Werner's Berge, zum Andenken des beruͤhmten deutſchen Geologen. Man kann ſie, bey dem gewoͤhnlichen Zuſtand der Atmoſphaͤre, auf 30 bis 40 Stunden weit deutlich ſehen, und ſie ragen ſo ſehr empor, daß die bergige Kuͤſte vor ihnen nur wie ein Land von niedrigen Hügeln erſcheint. Suͤdwaͤrts von Cap Biot iſt ein Arm des Haupt-Sundes, welcher Fleming's Ein bucht, nach dem beruͤhmten Verfaſſer der „Philo— sophy of Zoology“ genannt wurde. Er geht gegen We— ſten und gegen Suͤden. Davy's Sund zieht ſich zwiſchen Cap Pictet und der Inſel Traill gegen Nordweſten, bis zu einer Entfernung, die wir nicht abſehen, und daher auch nicht beſtimmen konnten. Da wir keine Gelegenheit hatten, das Land in dem Innern von Davy's Sund aus verſchiedenen Standpunkten zu beobachten, um bey unſern Winkelmeſſungen Durchſchnittspunkte zu erhalten, ſo konnte es auch nicht genau aufgenommen werden; dagegen iſt alles, was man von einer ſorgfaͤltigen und wiederholten Unterſuchung erwarten kann, geſchehen, um die Entfernun— gen durch Schaͤtzung zu beſtimmen, und die Einſchnitte und Hervorragungen der Kuͤſte zu entdecken. Zwey Vor⸗ gebirge in Flemings Einbucht erhielten die Namen Ca p Seaforth und Cap Carnegi«, zu Ehren zweyer ſehr geachteten Familien in Edinburgh; und einige Vorge— birge in dem noͤrdlichen Arm von Hurry's Einbucht wur— den nach verſchiedenen Freunden benannt, die großten— theils in der Hauptſtadt von Schottland wohnen, und de— ren Namen auf der beygefuͤgten Karte zu finden ſind. Am Abend dieſes Tages zog, nach einem fuͤnfſtuͤndi— gen hellen Wetter, der Nebel wieder ſeinen duͤſtern Vor— hang uͤber die Landſchaft, und machte meinen Beobachtun— gen an der Kuͤſte ein Ende. Dagegen zeigte ſich ein ande— 177 res Schauſpiel von merkwuͤrdiger Beſchaffenheit, das mich fuͤr die dermalige Unterbrechung meiner Arbeiten voll— kommen entſchaͤdigte, zumal da ich ein andermal Gelegen— heit hatte, ſie wieder aufzunehmen und zu meiner voͤlligen Zufriedenheit zu beendigen. Dieſes Schauſpiel beſtand in einer prachtvollen Erſcheinung von fünf concentriſchen, größtentheild farbigen, Kreiſen, die ſich auf dem untern Theil der Nebeldecke zeigten. Dieſe Erſcheinung war uns zwar auch ſchon fruͤher vorgekommen, aber bey weitem nicht ſo vollkommen und ſchoͤn als dießmal; daher ich ſie jetzt naͤher beſchreiben will. Ich werde mich aber dabey nicht blos auf das, was ich dießmal zu ſehen Gelegenheit hatte, beſchraͤnken, ſondern auch meine fruͤhern Beobach— tungen zu einer vollſtaͤndigern Beſchreibung dieſer Erſchei— nung benutzen. Höfe oder helle Kreiſe (coronae) laſſen ſich ſe⸗ hen, wenn Sonnenſchein und Nebel zugleich vorhanden ſind. Dieß geſchieht in den Polargegenden oft, wo die Lebel nicht ſelten aus einer dünnen Schicht beſtehen, die auf der Oberflaͤche des Meeres ruht, und ſich nur zu einer Höhe von 50 bis 60 Pards erſtreckt. Alsdann kann man Gegenſtaͤnde auf dem Waſſer in einer Entfernung von hundert Vards und darunter kaum erkennen, während die Sonne nicht blos ſichtbar iſt, ſondern faſt mit eben fo gro— ßem Glanze, wie bey hellem Himmel, erſcheint. Unter ſolchen Umſtaͤnden wird ein Beobachter auf dem Mars des Schiffes — 90 bis 100 Fuß uͤber dem Meeresſpiegel — einen oder mehrere farbige Kreiſe auf dem Nebel ſich bilden ſehen. Im letztern Fall ſind die Kreiſe alle concentriſch, und der Mittelpunkt derſelben liegt in der geraden Linie, die aus der Sonne durch das Auge des Beobachters nach der Nebelwand geht, in einem Abſtand von 180° von der Sonne, oder ihr gerade entgegengeſetzt. Die Anzahl der Kreiſe wechſelt von einem bis zu vier oder fuͤnf. Gemei— — 286 — niglich find fie dann am zahlreichften, und die Farben am glaͤnzendſten, wenn die Sonne recht hell ſcheint, und der Nebel recht dicht und niedrig iſt. In allen Faͤllen erſcheint der Schatten von dem Kopfe des Zuſchauers in dem Mit— telpunkte der Kreiſe; und außer dieſem erblickt man den Schatten des uͤbrigen Koͤrpers, oder der dem Zuſchauer zunaͤchſt liegenden Gegenftände, z. B. des Kraͤhenneſtes, der Maſten und Segel. Der innere Kreis, der zunächſt um den Mittelpunkt herumgeht, iſt ſo klein, daß, wenn er recht glänzend iſt, er eine Art von Gegenſonne (anthelium), oder eine Glorie um das Bild des Beobachters bildet. Am 23. July 1821. in 740 10“ N. B. und 12 300 weſtl. L., 200 Meilen innerhalb des Bezirkes des Polar— eiſes, zeigte ſich uns dieſe Erſcheinung vorzuͤglich glaͤnzend und fchon. Der Kreiſe waren, vom Mars aus geſehen, (105 Fuß über dem Wafferfpiegel) vier, und alle, wie gewoͤhnlich, concentriſch. Da der Nebel am dichteſten war, ſchien die Sonne gluͤcklicherweiſe beſonders hell; man konnte daher an den beyden innerſten Kreiſen (Nr. 1. und 2. der nachfolgenden Figur) eine Reihe von Regenbogen— farben deutlich erkennen. Fieng aber der Nebel an ſich zu verduͤnnen, welches von Zeit zu Zeit geſchah, ſo vermiſch— ten ſich beyde Kreiſe ſcheinbar mit einander, und erſchienen als ein einziger leuchtender Guͤrtel oder als eine Glorie mit verwaſchenen Farben. Die Ordnung der Farben, von innen nach außen ge— rechnet, war, ſo viel ich beſtimmen konnte, in Nr. 1. weiß oder gelb, roth, purpur; in Nr. 2. blau, gruͤn, gelb, roth, purpur; in Nr. 3. gruͤn, weißlich oder blaßgelb, roth, purpur; und in Nr. 4. graulichweiß, und an den Raͤndern dunkler. a Die Farben in Nr. 1. waren bisweilen fehr lebhaft, und auch in Nr. 2.; aber die in Nr. 3., die nur von Zeit zu Zeit erſchienen, waren ſehr ſchwach, und die in Nr. 4. waren blos helle Schattirungen von Grau. Da ich einen kleinen Sextanten bey mir hatte, ſo gab ich mir Muͤhe, die Durchmeſſer und Breiten der verſchiedenen Kreiſe zu beſtimmen; aber ich fand die zuruͤckgeworfenen Bilder in den Glaͤſern des Sextanten ſo ſchwach, daß ich ſie nicht auf die gewöhnliche Art meſſen konnte. Ich ließ daher beylegen und wartete, bis ein Stuͤck Eis, das auf dem Waſſer ſchwamm, in eine Linie mit dem aͤußern Kreiſe kam; und da dieſes deutlich genug zu ſehen war, ſo brachte ich das Bild deſſelben in dem Sextanten in Be— ruͤhrung mit der Glorie im Mittelpunkt, und beſtimmte * dadurch den Halbmeſſer des Kreiſes. Auf dieſe Art erhielt ich folgende Meſſungen: Halbmeſſer des Kreiſes Nr. 4. — innerer Rand, 36° 50“; Mitte, ungefähr 38° 50“; aͤuße— rer Rand 41 bis 420; folglich Breite des Kreiſes unge— faͤhr 5». — Der größte Halbmeffer des Haupt-Regenbo— gens, mit welchem man dieſen Kreis wohl fuͤglich verglei— chen koͤnnte, ift 42° 17“; fo daß es nicht unwahrſcheinlich iſt, daß ſich hier daſſelbe gefunden haͤtte, wenn die Be— grenzung ſcharf genug geweſen waͤre, um eine genaue Meſſung zu geſtatten. Den Halbmeſſer von Nr. 3. ſchaͤtzte ich auf ungefähr 6° 30“; den von Nr. 2. und zwar des äußern Randes fand ich, durch Meſſung, ungefähr 4° 45’ und den von Nr. 1. durch Schaͤtzung von 1 bis 26. Die Höhe der Sonne war 35° 427; folglich die Vertiefung des Mittelpunktes der Erſcheinung unter den Horizont eben ſo groß. Der obere Rand des Kreiſes Nr. 4. ragte etwa 6° uͤber den Horizont herauf; und das Bild der Sonne im Waſſer war von der Glorie 108° 36“ entfernt. Da der Nebel ſich nur 8 oder 10 Grad uͤber den Horizont erhob, ſo fiel der obere Rand des vierten Kreiſes bisweilen ſehr nahe an die Oberflaͤche der „Nebelbank“. Der Himmel war oberhalb vollig wolkenfrey, und die Sonne ſchien da— her ungemein glaͤnzend. Die Schatten ſowohl der Maſten, Segel, Taue, als des Beobachters, waren auf dem Waſ— ſer deutlich zu ſehen, und dauerten unveraͤndert fort, auch nachdem ſich der Nebel zerſtreut hatte; aber die farbigen Kreiſe beſtanden nur im Nebel: ſie wurden ſtaͤrker und deutlicher, wenn der Nebel dichter wurde, und erſchienen immer ſchwaͤcher und ſchwaͤcher, ſo wie der Nebel abnahm. Es war dabey einerley, ob die Oberflaͤche des Waſſers ruhig und glatt, oder vom Winde bewegt und uneben war. Um den dritten Kreis hervorzubringen, wurde ein lebhafter Sonnenſchein und ein dichter Nebel erfordert. Zum Theil konnte man die Erſcheinung ſchon vom Verdeck (einer Hoͤhe, die nicht über 16 Fuß beträgt) wahrnehmen; aber fie — 289 — beſchraͤnkte ſich hier auf eine ſchwache Glorie, und einen breiten weißen Kreis, der, dem Durchmeſſer nach, mit Nr. 4. uͤbereinſtimmte. Dieſe Erſcheinungen zeigten ſich auf eine aͤhnliche Art, mit einigen geringen Abaͤnderungen, am 27. July deſſel— ben Jahres, in dickem Nebel, bey einem friſchen Winde. Den größten Theil des Tages hindurch war der Nebel hoch und dicht; und dann ließen ſich nur zwey Kreiſe ſehen: ein innerer, der im Durchmeſſer nahe mit Nr. 2. überein ſtimmte; und ein aͤußerer, dem Kreiſe Nr. 4. aͤhnlich. Wenn der Rebel weniger dicht wurde, und die Sonnen— firablen folglich durch eine dünnere Schicht zu gehen hat: ten, ſo brachten fie die Kreiſe Nr. 1. und 2. mit lebhaften Farben, in der oben beſchriebenen Ordnung, hervor. Der Durchmeſſer von Nr. 2. änderte ſich, dem Anſchein nach, beträchtlich, indem der Kreis das einemal mehr ausgebreitet und verwaſchen erſchien, als das anderemal. Wenn die Sonne ſich gegen den Horizont neigte, und der Nebel ſich mehr erhob, fo verſchwanden die farbigen Kreiſe faſt ganz. Da gerade ein Schiff in unſerer Nähe in den Nebel einge: huͤllt erſchien, ſo konnte ich aus der bekannten Hoͤhe der Maſten deſſelben die Höhe der Nebelſchicht finden. Zwey aͤhnliche Beobachtungen gaben mir dieſe Hohe zu 160 Fuß. In beyden hier erwähnten Fällen bemerkte ich bey dem Nebel eine Menge flimmernder Nadeln in der Luft, die ich fuͤr Schneekryſtallen hielt; ſie waren aber ſo klein, daß ich ſie nicht anders als beym Hin- und Herbewegen wahrnehmen, und auf keine Weiſe mit dem Mikroſkop un⸗ terſuchen konnte. Es war mir zweifelhaft, ob dieſe Na— deln nicht einigen Antheil an der Erſcheinung, von welcher hier die Rede iſt, hätten; denn dieſe aus den gewoͤhnli⸗ chen Geſetzen der Brechung und Zuruͤckwerfung von kugel— förmigen Korpern abzuleiten, ſcheint ſehr ſchwierig, wenn uͤberhaupt moͤglich, zu ſeyn. 19 er Ba Ich habe dieſes ſchoͤne Schauſpiel oft mit beſonderm Vergnuͤgen betrachtet. Denn da der Nebel zu der Zeit, wo dergleichen zu ſehen ſind, alle Ausſicht verſperrt, ſo wird die Aufmerkſamkeit um ſo eher auf den einzigen Gegenſtand, der das Auge zu reizen vermag, hingezogen; und der Glanz deſſelben, verbunden mit dem lieblichen Farbenſpiel, das zum Theil in einer ſtrahlenden Glorie den Schatten des Be— obachters ſchmuͤckt, kann nicht fehlen, ein Gefuͤhl der Be— wunderung und des Vergnuͤgens zu erwecken. Im Jahr 1820, erinnere ich mich, noch einen Kreis außer den bis jetzt beſchriebenen, beobachtet zu haben, der von größerem Durchmeſſer als Nr. 4. war. Da er nur in einem ſchwachen weiß-grauen Lichte erſchien, waͤhrend Nr. 4. damals die vornehmſten Regenbogenfarben zeigte, ſo iſt es nicht unwahrſcheinlich, daß es der Neben-Regenbogen war, durch den ganzen Kreis fortgefuͤhrt. Eine gleiche An— zahl von Kreiſen zeigte ſich auch an dem heutigen Tage bey der Erſcheinung, die zu dieſer Beſchreibung Veranlaſſung gegeben hat. Die drey innern Kreiſe waren farbig, und die Farben in derſelben Ordnung, wie bey denen am 23. Jul. 1821 —, ausgenommen Nr. 2. welcher mit gelb, nach dem Mittel: punkt zu, anzufangen ſchien, dann roth, purpur, blau u. ſ. w. Nr. 1. war etwas undeutlich; Nr. 2. ausnehmend glaͤn— zend; Nr. 3. wieder etwas ſchwach. Dieſe drey Kreiſe wa— ren ſehr nahe bey einander; die Farben fielen fo dicht bey— ſammen, daß ſie faſt in einander floſſen. Nr. 4. war von einer ſchwach grauen Farbe; und Nr. 5. rauch⸗-grau, breit und deutlich. Der Nebel war damals nur 150 bis 200 Fuß hoch; die Höhe der Sonne etwa 8 Grad. | Da der vierte und fünfte Kreis, ihrem Anſehen und der Größe ihrer Durchmeſſer nach, mit dem Haupt- und Ne⸗ — 291 — ben⸗Regenbogen uͤbereinzuſtimmen ſcheinen, fo iſt es natuͤr⸗ lich, die Entſtehung derſelben aus derſelben Urſache abzulei— ten, naͤmlich, aus der Zuruͤckwerfung und Brechung der Sonnenſtrahlen in den kleinen Waſſertröͤpfchen, aus denen der Nebel, in welchem ſich dieſe Erſcheinung bildet, großen: theils zu beſtehen ſcheint. Die Gegenſonne oder der innerſte Kreis könnte wohl durch Zuruͤckwerfung der auf die Mitte der Waſſerkuͤgelchen ſenkrecht auffallenden Strahlen hervor— gebracht werden. Jedes Kuͤgelchen wird zwey Strahlenbuͤn— del zuruͤckwerfen, das eine von der vordern, das andere von der hintern Fläche; folglich wird dieſe doppelte Zuruͤck- werfung vollig hinreichend ſeyn, eine Glorie in Mittelpunkt der Kreiſe hervorzubringen; und da der Korper des Beobach— ters ſich in der geraden Linie zwiſchen der Sonne und dem Mittelpunkte der Erſcheinung befindet, ſo muß der Schatten ſeines Körpers nothwendig von dieſer Glorie umgeben ſeyn. Die Farben, die ſich oft bey ihr am aͤußern Rande zeigen, werden vielleicht von den Strahlen, welche nahe bey der Achſe der Waſſerkuͤgelchen rund um dieſelbe einfallen, und daher eine kleine Brechung erleiden, hervorgebracht. Indeſſen, wenn dieſe Erklärungen den Geſetzen der Dioptrik gemäß find, fo laßt ſich, glaube ich, die Entſtehung des zweyten und dritten Kreiſes auf keine Weiſe aus einer Zuruͤckwerfung und Brechung der Lichtſtrahlen in kugligen Waſſertropfen erklären. Daher iſt es nicht unwahrſcheinlich, daß die Eisnadeln, die in beiden hier angeführten Fällen beobachtet wurden, einen Antheil an der Erſcheinung haben. Dieſe Meinung wird durch das beſtaͤtigt, was Bouguer, der eine ähnliche Erſcheinung auf der Spitze des Pichincha, eines der Cordilleren, beym Aufgang der Sonne zu beob— achten Gelegenheit hatte, daruber anführt. unter andern verſtaͤndigen und richtigen Bemerkungen, fagt er: „die Er⸗ ſcheinung zeigt ſich nur in Wolken, und zwar in ſolchen, de⸗ 1 22 — — 72 ren Theilchen gefroren ſind, und nicht in Regentropfen, wie der Regenbogen“ ) Der Schatten des Beobachters war bey Bouguer auf die ihm zugekehrte Seite der Wolke geworfen; in allen Fällen hingegen, welche ich beobachtet habe, wurde der Schatten offenbar von der Oberflaͤche des Meeres zuruͤckge— worfen, indem er auch nach der Zerſtreuung des Nebels, und dem damit verbundenen Verſchwinden der Kreiſe, un— verändert blieb..) Eine Gegenſonne wird gemeiniglich als eine ſeltene Er— ſcheinung betrachtet; und beſonders wenn ſie in Verbindung mit concentriſchen Kreiſen erſcheint, iſt ſie, ſo viel ich weiß, nur von wenigen Menſchen geſehen worden. Swinton, der im Jahr 1762, in der Naͤhe von Oxford, eine Gegenſon— ne ſah, konnte nur zwey Beyſpiele ähnlicher Beobachtun— gen, von denen man Nachricht hat, auffinden: die eine iſt von *) Histoire del’Acad, des Sc. 1744. Sc. — Die von Bouguer an gegebenen Maaße fuͤr die Durchmeſſer der Kreiſe ſtimmen mit den obigen von Sc. nicht ſonderlich zuſammen. Er giebt ſie der Reihe nach zu 52, 11, 17 und 67 Graden an. Einen fünften Kreis hat er nicht beobachtet. **) Es iſt nicht recht klar, was Scoresby, der ſich ſonſt ſehr ſorg— fältig ausdruͤckt, mit dieſer Zuruͤckwerfung des Schattens ſagen will. Denn eigentlich laͤßt ſich ein Schatten, der durch die Entzie— hung oder den Mangel des Lichts entſteht, nicht zuruͤckwerfen. — Der ganze Raum hinter dem dunkeln Koͤrper, in welchen das Licht nicht eindringen kann, iſt Schatten. Wird dieſer Raum, wie in obigem Fall, von einer Nebelwand durchſchnitten, ſo zeigt ſich auf ihr durch den Abſtich der erleuchteten und nicht erleuchteten Thei— le, der Schatten, und es bedarf keiner Zuruͤckwerfung deſſelben. 7 Hevelius in Danzig, 1661; und die andere in Wittenberg, am 18. Januar 1738, gemacht worden. *) *) Philos. Transact. Vol. XII. pag. 94. Sc. — Die oben ange⸗ fuͤhrte Beobachtung von Hevelius betrifft eigentlich eine ganz andes re Erſcheinung als die, von welcher im vorigen die Rede iſt. Was Hevelius beobachtet hat, waren Hoͤfe oder Kreiſe um die Sonne, die theils concentriſch liefen, theils einander durchſchnitten; theils farbig, theils weiß waren, und mehrere Nebenſonnen enthielten. Die Menge der Kreiſe und Nebenſonnen machte dieſe Erſcheinung ſo außerordentlich. Sie galt fuͤr beynahe einzig in ihrer Art. In— deſſen verdient bemerkt zu werden, daß unlaͤngſt (am 12. Mai 1824) eine ſehr ähnliche Erſcheinung in Gotha und den benachbarten Or— ten, des Morgens zwiſchen 64 und 8 Uhr beobachtet worden iſt. (S. Kaſtners Archiv fuͤr die geſammten Naturl. II. Band 2. H.) Uebrigens hat ſchon die Theorie der einfachen Hoͤfe ihre große Schwierigkeit, und man iſt damit bis jetzt noch nicht aufs Reine gekommen, geſchweige daß man die zuſammengeſetztern Erſcheinun— gen dieſer Art genuͤgend erklaͤren koͤnnte. Auch das, was Sc. von der Theorie eines Dr. Young uͤber die Hoͤfe anfuͤhrt, iſt wenig be— friedigend, und daher hier weggelaſſen worden. — 204 — Eiftes Kapitel Ein Zug von Wallfiſchen. — Fuͤnf große Wallfiſche an einem Tage harpunirt, und drey von ihnen gefangen. — Gefrieren des Meeres bey gelinder Luft. — Fortgeſetzte Aufnahme der Kuͤſte. — Furchtbarer Sturm. — Große Gefahr und gluͤckliche Rettung. — Beſchluß der Aufnahme der Kuͤſte. — Abreiſe. In den vergangenen ſechs Wochen hatten wir faſt ganz vergebens nach Wallfifchen geſucht — nur wenige, vielleicht nicht ein Dutzend im Ganzen, waren geſehen worden, und zur ein einziger von dieſen, ein kleiner, war unſre Beute geworden. Die Zeit des Walftfchfanges ging jetzt zu Ende; das Land war ſchon mit einer Schnee-Decke bekleidet, das Meer fieng des Abends an zu frieren, und die Dunkelheit, die jede Nacht nach dem Verſchwinden der Sonne eintrat, bezeichnete die Annaͤherung des Winters, und erinnerte uns, daß es bald Zeit wäre, die Kuͤſte zu verlaſſen. Die einzige Hoffnung eines noch glücklichen Erfolgs ſchien davon abzu— hängen, daß wir uns der Kuͤſte naͤherten; und der Trafalgar und Fame, die beyde vom Eiſe eingeſchloſſen waren, (der letztere war in das Eis gerathen, als er, um ſeine Boote wieder zu erlangen, nach dem Ufer vorzudringen ſuchte), hatten Anſpruͤche auf unſern Beyſtand. Wir hielten es da— her fuͤr recht, ſo lange auf dieſem Platze zu verharren, als es die nothwendige Ruͤckſicht auf unſere eigene Sicherheit und die Erhaltung unſers eigenen Schiffes geſtatten wuͤrden. Dieſer Entſchluß wurde fuͤr uns und alle diejenigen, welche bey dem gluͤcklichen Erfolg unſerer Reiſe intereſſirt waren, ſehr wichtig, wie die Ereigniſſe dieſes Tages, des 15. Auguſts, zur Genuͤge zeigen werden. 295 Ungefaͤhr um 4 Uhr des Morgens, da das Wetter ſtill und neblig war, wurde mir gemeldet, daß man einige Thie— re von dem Wallfiſchgeſchlecht „blaſen“ hoͤrte; aber man fuͤrchtete, es moͤchte nicht die Art ſeyn, die wir ſuchten. Es wurde jedoch ein Boot abgeſchickt, um es zu unterſuchen, und wie angenehm wurden wir uͤberraſcht, als auf einmal der Ausruf „a fall — a fall“ — erſcholl, der dem Ohr eines Wallfiſchfaͤngers fo lieblich tönt! Gluͤcklicherweiſe hell: te ſich das Wetter in dieſem entſcheidenden Augenblick auf, und wir erblickten das Boot, das auf Kundſchaft ausgeſchickt war, mit wehender Flagge, zum Zeichen, daß ein Fiſch ge— troffen war. Sogleich wurden die Boote ausgeſetzt, und in demſelben Augenblick fuhr ein Wallfiſch bey dem Schiffe vorbey, den die meiſten fälſchlich für den getroffenen Fiſch hielten, und in ihrem blinden Eifer ſo weit verfolgten, daß der eigentliche Gegenſtand des Fanges beynahe darüber ver- loren gegangen waͤre. Nur ein einziges von ſechs Booten kam dem „Feſt⸗Voote“ zu Hülfe, in deſſen Nähe der Wall fiſch, kurz nachher, in einem Zuſtand großer Erſchoöͤpfung, ſich empor hob und eine zweyte Harpune empfing. Zum Gluͤck war noch ein Boot fuͤr einen Nothfall am Bord zu— ruͤckbehalten worden; dieſes wurde jetzt zur Unterſtuͤtzung der beyden andern abgeſchickt; und mit dieſen geringen Kraͤf— ten wurde, nach einem herzhaften und nachdruͤcklichen An— griff, der Fang gluͤcklich zu Stande gebracht. Da das Meer hier nicht ſo tief iſt, wie an den oͤſtlichern Plaͤtzen des Wall— fiſchfanges, ſo war die Leine des erſten Bootes bis auf den Boden gekommen; und da ſie wieder aufgewunden wurde, fanden ſich mehrere ſchoͤne Arten von Seeſternen, die ſich daran gehaͤngt hatten. Die Tiefe des Waſſers war etwa 250 Faden. Der Wallfiſch wurde an die Seite des Schiffes gebracht, und dieſes, mit Huͤlfe eines leichten Weſtwindes, etwas von dem Land⸗Eiſe abwärts getrieben, und dann an einem Stuͤck — Eis befeſtigt. Da ſich mehrere Wallfifche hören ließen, und das Wetter hübſch war, ſo hielten wir uns nicht damit auf, unſern Fang in Verwahrung zu bringen, ſondern ſchickten alle Boote aufs neue aus, um Jagd zu machen. Die Wall: fifche waren in der That zahlreich — bisweilen wurden vier bis fünf zu gleicher Zeit geſehen. Gewöhnlich bleibt der Wall: fiſch nur etwa zwey Minuten an der Oberflaͤche, um Athem zu holen — ſelten laͤnger; aber bey dieſen war es merkwuͤr— dig, daß fie in der Regel von fünf bis zu funfzehn Minuten, und einige beynahe eine halbe Stunde nach einander verweil— ten, ehe ſie wieder unter Waſſer giengen. Waͤhrend dieſer langen Zwiſchenzeit lagen ſie gemeiniglich ganz unbewegt da, und boten die beſte Gelegenheit zu ihrem Angriff dar. Bald nach der Abfahrt der Boote wurden auch zwey Wallſiſche getroffen; aber zu unſrer großen Betrübniß und Kraͤnkung, entkamen beyde, weil die Leine nahe an der Harpune riß. Wahrſcheinlich war die eine, die dem naſſen Wetter haͤufig ausgeſetzt geweſen war, verdorben; die andere aber, die in vollig gutem Stande war, mochte fi) um den Schwanz des Fiſches geſchlungen haben; und dann war ſie freylich nicht ſtark genug, um der Gewalt beym Hin- und Herfchlagen deſſelben zu widerſtehen. Ungeachtet dieſer niederſchlagenden Ereigniſſe, beharr— ten wir doch noch einige Stunden bey unſern Nachſuchungen, und endlich wurde wieder ein Wallfiſch getroffen. Da kein anderes Boot zur Huͤlfe bey der Hand war, ſo dauerte es fait zwey Stunden, ehe er zum zweytenmal harpunirt wur: de. Auf dieſe zweyte Verwundung tauchte das Thier, ohne einen einzigen Lanzenſtich erhalten zu haben, bis auf den Boden unter, und ſtarb daſelbſt. Wahrſcheinlich hatte es ſich durch einen Stoß gegen einen Felſen ſo betaͤubt. Es war eine verdruͤßliche Arbeit, die alle Haͤnde einige Stunden lang beſchäftigte, dieſen Fiſch an den Leinen aufzuwinden, und ihn von einer großen Eisſcholle, unter die er durch die Stroö— Fe EN mung getrieben war, los zu machen. Gerade als dieſes Ge= ſchaͤft beendigt war, ließ ſich noch ein Wallfiſch ſehen, der auch ſogleich verfolgt und gluͤcklich harpunirt wurde. Er machte zwar furchtbare Bewegungen mit ſeinem Schwanze in der Luft, als wollte er ſich unſern Angriffen widerſetzen, aber nach einer beharrlichen und nachdruͤcklichen Bekaͤmpfung wurde er gleichfalls erlegt. Durch die Stroͤmung in Davy's Sund war das Schiff wieder dicht an das Land-Eis gebracht worden, das ſich jetzt bis zu einer Breite von vierzehn Meilen vom Ufer aufgehaͤuft und zuſammengedraͤngt hatte. Dieß noͤthigte uns, das Schiff vom Eiſe wieder los zu machen und es in Gang zu ſetzen, obgleich keines unſerer Boote da war, uns hierbey zu helfen, und wir nur vier Perſonen, von denen noch dazu kein einzi— ger ein Seemann war, uͤbrig blieben, um die Segel los zu machen und das Schiff zu regieren. Ungefaͤhr um 2 Uhr des Morgens, am 16. Auguſt, kamen einige unſerer Boote an, und nachdem wir unſere Beute durch Taue geſichert hatten, fuhren wir noch etwa ein paar Meilen oſtwaͤrts, um ganz aus dem Land = Eife herauszukommen; und befeſtigten dann das Schiff an das erſte kleine Eisfeld, auf welches wir tra— fen, und fingen darauf an die Wallfiſche zu zerlegen, um unſern Fang endlich in Sicherheit zu bringen. Waͤhrend wir mit dieſer wichtigen Arbeit befchäftigt wa— ren, hatte der Trafalgar, der ſeit dem 12. im Eiſe einge— ſchloſſen geweſen war, das Gluͤck, aus ſeiner mislichen Lage herauszukommen. Wir bemerkten, daß er mit einem andern Schiffe, das ſich damals ſehen ließ, Geſellſchaft machte, und — da er unſtreitig nicht wahrgenommen hatte, wie wir be— ſchaͤftigt waren — mit dieſem ſich gegen Oſten wandte, ſo daß er nachher nicht wieder von uns geſehen wurde. Auch der Fame war ſo gluͤcklich aus der Sperre, in welcher er ſo lange durch das Landeis gehalten worden war, zu entkom— — 298 — men; aber leider zu ſpaͤt, um von dem „Zug der Wallfiſche“, der uns ſo ſehr zu ſtatten gekommen war, noch einen Vor— theil zu ziehen. Da dieſer Tag durchaus heiter und ſchoͤn war, ſo er— hielt ich eine ſchoͤne Reihe von Beobachtungen uͤber die Lage der Vorgebirge, Einbuchten u. ſ. w., ingleichen uͤber die Laͤnge, Breite und magnetiſche Abweichung. Dieß ſetzte mich in den Stand, meinen fruͤhern Entwurf der Kuͤſten von Davy's Sund und der benachbarten Landſtri— che zu verbeſſern, und die Lage der naͤhern Vorgebirge und Inſeln mit gehöriger Genauigkeit zu beſtimmen. In der Nacht vom 15. auf den 16. ſahen wir, ſeit 15 Wochen zum erſtenmal, wieder Sterne. Der Himmel war ungemein heiter, und das Meer fieng, wie in ſolchen Faͤllen gewoͤhnlich, an zu frieren, ſobald die Sonne vier bis fuͤnf Grad unter den Horizont herabgeſtiegen war, ob— gleich die Temperatur der Luft betraͤchtlich uͤber dem Ge— frierpunkt war. Dieſe Erſcheinung muß von einer Erkaͤl— tung der Oberflaͤche des Waſſers herruͤhren, die vielleicht, nach Well's Theorie vom Thau, durch die Ausſtrahlung der Waͤrme hervor gebracht wird.“) So viel iſt gewiß, daß das Waſſer, wenn es der freyen Luft bey wolkenleerem Himmel ausgeſetzt iſt, einen betraͤchtlichen Verluſt an Waͤr— me erleidet. Bey wolkigem Himmel gefriert, glaube ich, die See nicht, fo lange die Temperatur über 29° iſt; bey heiterm ſtillen Wetter hingegen friert das Waſſer des Mee— res, in den Zwiſchenraͤumen zwiſchen dem Eiſe, gemeinig— lich, wenn die Sonne, ſich dem Meridian unterhalb dem *) Oder durch eine vermehrte Ausduͤnſtung — wodurch man ſelbſt in Oſtindien ſich Eis zu verſchaffen weiß. S. Voigts Magazin der Phyſe und Naturgeſch. IX. Bd. 28 St. Horizonte nähert, wenn gleich die Temperatur der Luft 32° und darüber iſt. In dem gegenwärtigen Fall ſteng das Gefrieren an, als die Temperatur 36° — alſo 72 bis 8 Grad uͤber dem Gefrierpunkt des Seewaſſers — war. Um 2 Uhr des Morgens fiel das Thermometer auf 33°, wobey das Eis eine ſolche Feſtigkeit erlangt hatte, daß der Gang des Schiffes, bey einem leichten Winde, bisweilen dadurch gehemmt wurde. Das Zerlegen unſrer drey Wallfiſche nahm, mit Eins ſchluß von drey Stunden, die den Leuten zum Ausruhen geſtattet wurden, eine Zeit von beynahe 24 Stunden weg. Da die Leute ſeit mehrern Wochen an keine große Anſtren— gung gewöhnt waren, ſo wurden ſie alle ſehr ermuͤdet. In dem Speck des einen Wallfiſches fand man den obern Theil einer Harpune ſtecken. Er ſaß ganz unter der Haut, und aͤußerlich war ſeine Stelle nur durch eine weißliche Narbe bezeichnet. Er ſchien ſchon lange dort geſteckt zu haben, da die Wunde ganz vernarbt war und der Fifch ſich, nach der großen Menge von Speck zu urtheilen, wohl befunden hatte. Der ganze Ertrag von dieſen drey Thie— ren wurde auf 60 Tonnen Oel, und drey Tonnen⸗-Laſt Fiſchbein angeſchlagen — welches zuſammen etwa 2100 Pf. St. werth war. Das war ein wichtiger Zuwachs zu unſerer bisherigen Ladung, der uns auf einmal den gluͤck— lichſten Fiſchern in dieſer Jahreszeit gleich ſetzte. Es verdient bemerkt zu werden, daß dieſe drey Wall— fifche alle männlichen Geſchlechts waren; und ein anderer, welchen die Mannſchaft des Fame, einen oder zwey Tage nachher, in derſelben Gegend, erlegte, war es ebenfalls. Dieß ſcheint eine Trennung beyder Geſchlechter in dieſer Jahreszeit anzudeuten; da ich bey andern Gelegenheiten faſt beſtaͤndig Maͤnnchen und Weibchen vermiſcht gefunden habe. Die Weibchen ziehen ſich vielleicht um dieſe Zeit, * die man insgemein als den Anfang der Zeit, wo ſie traͤch— tig ſind, betrachtet, in das Innere der Buchten und Sun— de zuruͤck, oder ſie ſuchen dieſe entlegenen Orte, um ihre Jungen zu warten. Am 17. Auguſt ließen ſich wieder einige Wallfiſche ſe— hen, und wurden von zweyen unſerer Boote verfolgt; aber da die Leute ſich von ihrer Anſtrengung noch nicht ganz erholt hatten, ſo griffen ſie ſich nicht ſehr an, und die Wallfifche entkamen. Wir waren in der That geno— thigt, ſie von ihrer Jagd zuruͤckzurufen, da ſich ein hefti— ger Wind in NO. erhoben hatte, der uns bald dem Land: Eiſe faſt zum Beruͤhren nahe brachte. Da wir uns von dieſem wegwandten, um einen ſichern Platz zu ſuchen, fans den wir das Schiff ſo ſchwankend, daß wir kaum ein Se— gel führen konnten. Dieß rührte von der großen Laſt des Speckes her, der in die Zwiſchendecke vertheilt war; und die Wirkung davon war ſo unangenehm, daß wir uns auf dem Verdeck kaum aufrecht erhalten konnten. Hierzu kam noch, daß das Schiff, wie ſich zeigte, einen Leck bekommen hatte, der dadurch entſtanden war, daß es jetzt tiefer im Waſſer gieng, und der die Pumpen beſtaͤndig im Gange erhielt. Nachdem wir uns einige Meilen oſtwaͤrts gezogen hat— ten, waren wir ſehr froh, das Schiff wieder an ein Eis— feld befeſtigen zu können, wo wir auf eine kurze Zeit mit Sicherheit ruhen konnten. Sonntag, den 18. Auguſt. Der Sturm dauerte die ganze Nacht, von ſchwerem Regen begleitet. Etwa um ſechs Uhr des Morgens bemerkten wir, daß wir wieder gegen eine Maſſe von Eis getrieben wurden, welches uns noͤthigte, das Schiff, ungeachtet der unguͤnſtigen Witterung, los zu machen, und es gegen den Wind in eine beque— a a mere und ficherere Lage zu bringen. Dieß konnte nur mit vieler Schwierigkeit ausgefuͤhrt werden, da das Verdeck ſo voll von Faͤſſern und Fiſchbein war, daß man kaum dar— auf hin und her gehen konnte, und das Schiff vom Winde ſehr auf die Seite geneigt wurde. Gegen Mittag hatten wir eine ſchickliche Stelle erreicht, wo wir das Schiff wieder am Eiſe befeſtigen, und waͤhrend des Sturmes in Ruhe bleiben konnten. Dien folgenden Tag ließ der Wind nach, fo daß wir das hoͤchſt noͤthige Geſchaͤft des „Abmachens“ vornehmen konnten, vor deſſen Beendigung ſich das Schiff in einem ſehr unangenehmen und unſichern Zuſtande befand. Vor Mitternacht waren alle unſere Faͤſſer, die noch Waſſer als Ballaſt enthielten, ausgeleert und mit Speck gefuͤllt. Am 20. klaͤrte ſich das Wetter, das einige Zeit neblig geweſen war, auf, und wir fanden, daß das Schiff, durch eine weſtliche Stromung, wieder gegen das Land-Eis ge— trieben worden war. Sogleich banden wir die Segel los, aber, aus Mangel an Wind, dauerte es zwoͤlf Stunden, ehe wir aus dem Gedraͤnge von Eis in ein offenes Waſſer, einige wenige Meilen oſtwaͤrts, kommen konnten. Hier trafen wir mit dem Fame zuſammen, und beyde Schiffe legten ſich an dem Eiſe vor Anker. Waͤhrend des hellen Wetters, das heute einige Stun— den anhielt, konnte ich eine Reihe vortrefflicher Beobach— tungen, zur Fortſetzung meiner Aufnahme der Kuͤſte, ma— chen. Unſere Breite zu Mittag war 71° 5028“; die Länz ge, Nachmittags, 20° 43“ 15“ weſtlich; und die Abwei— chung der Magnetnadel 4324“ weſtlich. Einige ausge— zeichnete Vorgebirge wurden mit Namen belegt. Die nord— oͤſtliche Spitze der Inſel Canning erhielt den Namen Cap Wardlaw, und drep andere Vorgebirge an der öſtlichen 1 Seite derſelben Inſel wurden „Cap Allan, Cap Craw— ford, und Cap Fletcher, nach verſchiedenen Edinbur— ger Freunden, genannt. Ein anderes Vorgebirge, unge— faͤhr 6 Meilen (leagues) weſtlich von Cap Wardlaw, wurde, nach dem beruͤhmten Botaniker, Cap Brown genannt. Und noch zwey andere Vorgebirge, innerhalb des muth— maßlichen noͤrdlichen Eingangs von Hurry's Einbucht, wur— den mit den Namen des ruſſiſchen Weltumſeglers, Capi— tain Kruſenſterns, und des beruͤhmten Geologen und Reiſenden Baron von Buch's bezeichnet. Am Abend beſuchte mich mein Vater, und erzaͤhlte mir, daß ſeine beyden Boote, mit dreyzehn Mann, deren Außenbleiben ihm fo viel Sorge und Nachtheil verurfacht hatte, beynahe 40 Stunden, bey dem heftigen Sturm am 12. und 13., abweſend geweſen waͤren. Da ſie mit Holz und Lebensmitteln verſehen waren, ſo machten ſie Feuer am Ufer in Zelten, die ſie aus ihren Boots-Segeln und Rudern errichtet hatten, und verſchafften ſich dadurch nicht nur einen ganz erträglichen Aufenthalt, ſondern auch eine Gelegenheit, ſich ihre Mahlzeit zuzubereiten. Auf dieſe Weiſe hatten ſie einen Theil ihrer Kleider kaum wieder ge— trocknet, und ſich ſelbſt einigermaßen geſtaͤrkt; als fie bey einem hellen Augenblick ſich nach den Schiffen umſahen, und zu ihrem großen Schrecken gewahr wurden, daß dieſe weg waren, und daß eine große Maſſe von Eis ſich zwi— ſchen das Ufer und den Ort, wo fie vorher geweſen was ren, hingezogen hatte. Sogleich giengen ſie wieder in ihre Boote, und fuhren laͤngs dem Ufer in einem Canal, den ihnen das Eis noch uͤbrig gelaſſen hatte, bis zum Cap Moorſom, in deſſen Nahe die Schiffe an dem Eiſe vor Anker gelegen hatten, als ſie ihre Fahrt antraten. Da aber auch hier kein Schiff zu ſehen war, ſo ſtießen ſie vom Lande ab, und wandten ſich durch die Zwiſchenraͤume des Eiſes, und kletterten fait auf jeden hohen Eisblock, an welchem fie vor⸗ — 308 — bey kamen, in der Hoffnung, den Gegenſtand ihrer Nach— forſchung zu entdecken. Aber ihr ängſtliches und beſchwer— liches Suchen, das durch die Abſcheulichkeit des Wetters noch peinlicher wurde, war mehrere Stunden lang ganz fruchtlos. Der Regen, der ohn' Unterlaß in Strömen her: abrann, hatte ſie laͤngſt bis auf die Haut durchnaͤßt, und trug nicht wenig dazu bey, ihre Kräfte zu ſchwaͤchen und ihnen den Muth zu nehmen. Ihre Lebensmittel, mit de— nen ſie von Anfang nicht ſehr haushaͤlteriſch umgegangen waren, waren beynahe verzehrt, und da ſie wußten, daß fie hier am Lande ſich auch keine verſchaffen konnten — wenn nicht zufällig einmal ein Rebhuhn — fo quälte fie auch die Furcht, vor Hunger umzukommen. Da das Eis, das ſich gegen das Land gezogen hatte, den armen Leuten von unermeßlicher Ausdehnung zu ſeyn ſchien, ſo mußten ſie beſorgen, daß die Schiffe dadurch genoͤthigt worden wären, ſich fo weit vom Lande zu entfernen, daß es ſehr zweifelhaft war, ob fie wieder zu ihnen kommen konnten. Unter dieſen Beſorgniſſen ſiengen fie an, mancherley Plane zu ihrer Erhaltung zu machen, und wieder zu verwerfen. Einige wollten ans Land zuruͤckkehren, wo ſie doch einigen Schutz finden, und ihre triefenden Kleider am Feuer trock— nen könnten; andere meinten, ſie wollten verſuchen, Island zu erreichen; oder hinaus in See gehen und andere Wall— fiſchfaͤnger aufſuchen; oder laͤngs der Kuͤſte ſich gegen Suͤ— den fortarbeiten, und dergleichen mehr. Endlich in der Nacht vom 13. entdeckten ſie den Fame, der nach dem Lande zu ſteuerte und kuͤhnlich in das Eis, das dazwiſchen lag, eindrang, um ſie zu retten; und nur derjenige, der ſich je in einer ähnlichen Lage befunden hat, mag ſich vorſtel— len, was fuͤr eine Freude ſie bey dieſem Anblick empfan— den. Einige von den Leuten befanden ſich ſchon ganz uͤbel; einer geſtand ſogar, daß er es kaum noch eine halbe Stunde laͤnger ausgehalten haͤtte; und andere waren in einem ho— hen Grade muthlos und verzagt. Daß fie gerade in dieſem 1 kritiſchen Zeitpunkt das Schiff wieder anſichtig wurden, war ein Geſchick der Vorſehung, das ſie mit innigſtem Dank zu erkennen Urſache hatten. Ungluͤcklicherweiſe fiel gerade eine Windſtille ein, ſo daß das Schiff vom Eiſe eingeſchloſſen war, ehe es ſeinen Ruͤckweg hatte machen konnen. Am 21. war das Wetter faſt beſtaͤndig neblig. Wir mußten das Geſchaͤft des „Abmachens“ von neuem vor— nehmen, ſobald unſere Boͤttiger eine hinreichende Anzahl von Faͤſſern zurecht gemacht hatten; und ſowohl dieſes, als das Umpacken und gehörige Vertheilen der Faͤſſer war eine verdruͤßliche und unangenehme Arbeit. Es war mir indeſ— ſen um ſo wichtiger, ſie beendigt zu ſehen, je beſchwerli— cher die Fettigkeiten auf den Verdecken, und je nachtheili— cher das oͤftere Schwanken des Schiffes uͤberhaupt gewe— ſen war. Da uns das Eis, das von einer furchtbaren Beſchaf— fenheit war, ſehr zuſetzte, ſo mußten wir unſern Ankerplatz an dieſem Tage dreymal veraͤndern. Das letzte Eisfeld, an welches wir das Schiff befeſtigten, war wegen ſeiner Dicke und Feſtigkeit merkwuͤrdig. Es war ein großes dich- tes Stuͤck, das im Mittel ungefaͤhr eine Meile breit, von einer ebenen gleichformigen Oberflaͤche, und vierzig Fuß dick war. Da dieſe Maſſe von einem friſchen Luͤftchen, das damals aus ONO. wehte, wenig bewegt zu werden ſchien, waͤhrend die kleinern Eisſchollen um uns her merk— lich unter den Wind hin getrieben wurden, ſo glaubte ich einen ſichern Ankerplatz gefunden zu haben, und mir ein- mal eine ruhige Nacht verſprechen zu koͤnnen, die ich bey: | nahe ſeit vierzehn Tage hatte entbehren muͤſſen. Aber die— ſer Anſchein von Sicherheit war durchaus truͤglich, wie die Ereigniſſe des folgenden Tages — eines Tages Bene Gefahr und Noth — hinreichend bewieſen. 1 Freytag, den 23. Auguſt. In der Nacht hatten wir tuͤchtigen Regen, mit einem ziemlich ſtarken Winde von NO.; gegen fünf Uhr des Morgens wandte er ſich nach Norden, und wurde ſehr heftig. Da er aber gerade von der entgegengeſetzten Seite des Eisfeldes, an welchem wir vor Anker lagen, her kam, ſo hofften wir, ihn ſicher an unſerm Platze abwarten zu können. Der erſte drohende Gegenſtand, der uns zu Geſicht kam, war ein Eisberg, der gegen den Wind gieng, in gerader Linie nach dem Schiffe zu. Da wir jedoch, bey feiner ſchnellen Annaͤhe— rung gegen uns, bemerkten, daß, wenn wir das Schiff ein wenig vorwärts zogen, er am Hintertheil voruͤbergehen wuͤrde, ſo machten wir den Verſuch, und er gelang. We⸗ nige Fuß vom Steuerruder zog er voruͤber, und er war noch gar nicht weit vorbey, als er in zwey Stuͤcke zerbrach, die mit einer furchtbaren Bewegung aus einander fielen. Wäre dieſer Sturz neben dem Schiffe geſchehen, ſo haͤtte dieſes dadurch zertruͤmmert werden koͤnnen. Die Zerbrech— lichkeit der Eisberge in dieſer Jahreszeit, und die Gefahr, die aus ihrem Umſturz fuͤr die Schiffe entſteht, iſt etwas ſehr bekanntes. Im Sommer 1821 erbot ſich der Kapitain eines Wallfiſchfaͤngers, der in der Baffins Bay Schiff: ruch gelitten hatte, und ſich gern auf dem Schiffe, von welchem er aufgenommen worden war, nuͤtzlich beweiſen wollte, einen Anker an einem Eisberge befeſtigen zu helfen, an welchem man das Schiff anlegen wollte. Ein Matroſe begleitete ihn; kaum aber hatte er einen Hieb mit der Axt gethan, um ein Loch für den Ankerhaken zu machen, fo ſprang die ganze Eismaſſe mitten aus einander und beyde Theile ſielen nach entgegengeſetzten Seiten. Der Kapitain, der die Gefahr inne wurde, fo wie das Eis anfteng ſich zu bewegen, lief auf dem Stuͤck, auf welchem er ſtand, nach der entgegengeſetzten Seite von der, auf welche es fiel, und hielt ſich glücklich auf der ſchwankenden Spitze, bis ſie zum Stillſtand kam. Sein Gefaͤhrte aber fiel zwiſchen beyde 20 Maſſen, und würde unfehlbar gleich zerquetſcht oder ertrun— ken ſeyn, haͤtte ihn nicht das hervorſpritzende Waſſer, das von den gegen einander fahrenden Eismaſſen gewaltſam in die Hoͤhe getrieben wurde, mit ſich fortgeriſſen, und faſt bis an das Boot, das in der Naͤhe des Platzes wartete, hingeſchleudert. Der Regen vom Vormittage verwandelte ſich um Mit— tag in einen Hagel, der ſo ſpitzig war, daß es kaum aus— zuhalten war, mit dem Geſicht gegen den Wind zu ſtehen; darauf vermiſchte ſich der Hagel mit Schneeflocken in ſol— cher Menge, daß das Verdeck einige Zoll hoch davon be— deckt wurde. Mittlerweile wurde der Wind immer heftiger und heftiger, bis er faſt zu einem Orkan anwuchs. So lange das Eis, an welchem wir lagen, ſich nicht fortwegte, befanden wir uns ziemlich in Sicherheit; als aber der Wind zunahm, fieng es an ſich zu drehen, bis das Schiff in die Lage kam, wo es den Wind von der Seite hatte. Bey der Heftigkeit des Sturmes, und der Dicke des Nebels war es fuͤr menſchliche Kraͤfte und Vorſicht unmoͤglich, das Schiff mit Sicherheit in Gang zu erhalten, zumal da wir von unzaͤhligen Eisſchollen umgeben waren; wir beſchloſſen da— her, ſo lange als moͤglich unſern Standpunkt an dem Eiſe beyzubehalten. In dieſem Vorſatz wurden wir beſtaͤrkt, als wir, ungefaͤhr um 4 Uhr Nachmittag, bemerkten, daß das Eis aufgehört hatte ſich zu drehen, waͤhrend das Vorder: theil des Schiffes gegen den Wind gekehrt war. Um je— doch auf alle Fälle vorbereitet zu ſeyn, refften wir die Topſegel enge, nahmen die großen Segel ganz ein, und ſetzten die Springtaue in Bereitſchaft, um die Richtung des Schiffes zu aͤndern; legten die Aexte zurecht, um, wenn es nöthig wäre, die Taue zu kappen; und trafen alle Vor: kehrungen, welche nur die Erfahrung für aͤhnliche Fälle an die Hand gab. Um 6 Uhr Abends wurde der Schnee fo dick, daß man kaum hundert Schritte weit deutlich ſehen konnte, und der e, Wind, wo möglich, noch wuͤthender. Jetzt kamen zwey kleine Eisberge auf das Schiff zu; indeſſen, da ſie nicht groß genug waren, um uns weſentlich zu ſchaden, ſo war— teten wir ihre Annäherung ruhig ab. Der erſte, der etwa 36 Fuß uͤber die Waſſerflaͤche hervorragte, ſtieß an das Steuerbord des Schiffes“), und drehte es mit der breiten Seite gegen den Wind; und dann ſtrich er ab, nachdem er uns genbthigt hatte, drey unſerer Boote herabzulaſſen, um fie in Sicherheit zu bringen, ohne uns weiter einen Scha— den zuzufuͤgen. Der andere Eisberg naͤherte ſich uns mit einer groͤßern Geſchwindigkeit, die uns mehr beſorgt machen mußte; da wir aber kein Mittel in unſerer Gewalt hatten, uns von ihm los zu machen, ſo mußten wir den Stoß er— warten, wo er das Schiff treffen mochte. Er kam zuerſt mit dem Steuerruder in Berührung, und quetfchte es et: was an ſeinem untern Theil; dann gieng er laͤngs der Seite des Schiffes hin, und nahe an dem vordern Theil deſſelben vorbey, doch ohne ſtark anzuſtreichen, indem er durch eine Eiszunge an ſeinem untern Theil etwas abgehal— ten wurde, und verurſachte nur eine unbedeutende Be— ſchaͤdigung am Löſchbord. “*) Die Menge der Eisberge um uns her vermehrte ſich ſo ſehr, daß, wenn auch das Wet— ter geſtattet haͤtte, das Schiff los zu machen, wir es doch nicht haͤtten wagen duͤrfen. Mittlerweile ließen ſich zwey große Eisſchollen von verſchiedenen Seiten ſehen. Die eine kam von Weſten, die andere von Suͤden auf uns zu, und ) D. i. die rechte Seite deſſeben, wenn man im Schiffe von hinten nach vorne ſieht. *) Man verſteht darunter Hölzer oder ſtarke Latten, die an der aͤu— Bern Seite des Schiffes befeſtigt find, und in ſenkrechter Richtung vom Bord bis etwas unter den Waſſerſpiegel gehen. 20 * 5 es hatte das Anſehen, daß ſie uns in Verbindung mit dem Eisfelde, an welchem wir vor Anker lagen, ganz einſchlie⸗ ßen wurden. Um uns fo viel als möglich gegen eine Que— tſchung, die faſt unvermeidlich ſchien, zu ſchuͤtzen, befeſtig— ten wir ein großes Stuck Eis mit ſtarken Tauen vor dem Schiffe, wo die Schollen zuerſt anzuſtoßen drohten, in der Abſicht, daß dieſe Maſſe den Stoß aufhalten ſollte. Da der letzte Eisberg, der bey uns vorbey gieng, uns noch be— ſchaͤftigte, ſo machten wir das Schiff am Hintertheil los, bis er an dem Vordertheile voruͤber war; worauf er ſich ſelbſt gueer vor dem Bug hinſtellte, und uns noch einen Schutz mehr zu gewaͤhren ſchien. Die Gefahr, von der aus Süden herbeyruͤckenden Eisſcholle gequetſcht zu werden, ſchien deſto größer, jemehr wir das Schiff zuruͤckzogen, und uns von den vor demſelben befindlichen Eismaſſen entfernten; ich hielt es daher fuͤr rathſamer, in der Naͤhe von dieſen Schutz zu ſuchen. Aber eine ungluͤckliche Be— wegung, in welche das Eis auf einmal geſetzt wurde, ver— nichtete unſere Hoffnungen, und vereitelte alle unſere Vorſichtsmaßregeln. Der erſte Stoß der Eisſchollen wurde zwar gluͤcklich abgehalten, wie wir erwartet hatten, und eine kurze Zeit ſchien alles ruhig und gut. Moͤtzlich aber erneuerte ſich der Druck mit zehnfacher Stärke, vermuthlich wegen irgend einer Stockung in dem Treiben des Eiſes. Unſre Schutzwehr wurde tief in das Eisfeld hineingedruͤckt, und ungeheure Eisbloͤcke wurden abgebrochen und aufge— thuͤrmt. Während wir dieſen furchtbaren Wirkungen mit vieler Aengſtlichkeit zuſahen, ſteng der Eisberg vor dem Schiffe an ſich zu drehen und zuruͤckzugehen, und zwar ſo ſchnell, daß er uns erreichte, ehe wir die Taue los machen, und das Schiff zurückziehen konnten, und preßte das Schiff mit der linken Seite gegen das Eisfeld, an welchem wir vor Anker lagen. Die Gewalt war unwiderſtehlich. Das Schiff wurde auf eine breite Eiszunge, die von dem Eis⸗ felde unter dem Waſſer ansgieng und eine ſchiefe Ebene — bildete, formlich hinaufgeſchoben, bis das Eis unter dem Kiel zuſammenſtieß. Dieß war das Werk weniger Augenblicke, und in zehn Minuten war alles wieder in Ruhe. Als der Druck aufhörte, fanden wir, daß das Schiff nach vorn zu 6 bis 8 Fuß, und ungefaͤhr 2 Fuß am Hintertheil gehoben war. Das Eisfeld, an welchem das Schiff vor Anker lag, hat— te, wie ſchon oben bemerkt wurde, ungefaͤhr eine Meile im Durchmeſſer, und 40 Fuß Dicke, war an der Seite ſenkrecht abgeſchnitten, und ragte etwa 5 Fuß über dem Waſſer her: vor. Auf einer Zunge dieſer Eismaſſe ſaß das Schiff feſt. Der Eisberg auf der andern Seite war etwa 20 Fuß hoch, und ſtieß vorn an die Leiſten, und in der Mitte an die Berg⸗ hoͤlzer D des Schiffes. Dieſer Berg hieng mit einer ganzen Maſſe von Eisfeldern, die ſich einige Meilen gegen Weſten erſtreckten, zuſammen. Die einzige freye Stelle war gerade hinter dem Schiffe, wo eine ſchmale Waſſerader eben durch das Dazwiſchentreten der Eisberge entſtanden war. Alle menſchliche Anſtrengung, uns aus einer ſolchen Lage heraus⸗ zubringen, waͤre jetzt vergeblich geweſen. Das Schiff ſaß auf der Eiszunge feſt, wie eingekeilt, und dieſe trug es. Je⸗ den Augenblick mußten wir fuͤrchten, daß es ganz zertruͤm⸗ mert werden wuͤrde; aber die beſondere Beſchaffenheit des Eiſes unter demſelben war die Urſache feiner Erhaltung. Die Gewalt, die gegen das Schiff ausgeuͤbt wurde, um es in dieſe Lage zu ſetzen, mußte offenbar überaus groß geweſen ſeyn. Zwey oder dreymal hörte man ein heftiges Krachen, als das Schiff gehoben wurde, und ein Stück einer Planke, das, wie ſich zeigte, vom loſen Kiel *) abgeriſſen war, *) Die Benennung ſehr dicker Bohlen an den aͤußern Seitenwaͤnden des Schiffes. *) unter dem loſen oder falſchen Kiel verſteht man einen Anſatz oder eine Fuͤtterung, die der eigentliche Kiel erhaͤlt, um mehr Staͤrke zu bekommen. — 1 — ſchwamm auf dem Waſſer; aber eine ernſtliche Beſchaͤdigung bemerkte man nicht. Unſere Lage war jedoch damals ſo ge— faͤhrlich und peinlich, als moͤglich, nur daß unſer Leben ſelbſt nicht unmittelbar bedroht war. Jeden Augenblick mußten wir Schiffbruch befuͤrchten — waͤhrend das fortdauernde To— ben des Sturms, der unaufhoͤrliche Regen und Schnee — der ſchon jedermann bis auf die Haut durchnaͤßt hatte — die Ausſicht, auf dem Eiſe eine Zuflucht ſuchen zu muͤſſen, hoͤchſt niederſchlagend machte. Die einzige Hoffnung einer Rettung in einem ſolchen Ungluͤck war die muthmaßliche Naͤhe des Fame. Gleichwohl wußten wir, daß dieſer ebenfalls in Ge— fahr ſeyn mußte, und ſich in einer ſo ſchlimmen Lage befin— den konnte, als wir ſelbſt. Auf eine andere Hülfe hatten wir nicht zu rechnen, da wir glauben mußten, daß die gan— ze Flotte der Gronlandsfahrer, mit Ausnahme eines einzigen Schiffes, die Kuͤſte verlaſſen haͤtte, und entweder nach Hau— ſe, oder wenigſtens an den Rand des Eiſes gegangen waͤre. Selbſt in dem Fall, daß der Fame keinen Schaden litt, konn— ten wir von ihm keine Huͤlfe erwarten, bevor ſich das Wet— ter aͤnderte, da er nicht in unſerer Naͤhe war, und wir kei— nen Begriff von ſeinem Standort hatten; mittlerweile aber war zu befuͤrchten, daß viele unſrer Leute, da wir keine Zel— te zu unſerm Schutz errichten konnten, dem Ungeſtuͤm der Witterung unterliegen wuͤrden. Von ſolchen Beſorgniſſen gedraͤngt, beſchaͤftigten ſich die Leute, da ſie bey dem unbe— weglichen Zuſtande des Schiffes zu keiner Arbeit angehalten werden konnten, mit Vorbereitungen auf den Sturz, der uns zu erwarten ſchien. In dieſem Zuſtande der Angſt und Sorge blieben wir etwa zwey Stunden. Auf der einen Seite befuͤrchteten wir das Ungluͤck, Schiffbruch zu leiden; auf der andern, im Fall wir davor bewahrt blieben, ſtellten ſich uns die ungeheuern Schwierigkeiten, das Schiff, das ſo feſt auf dem Eiſe ſaß, wieder flott zu machen, vor Augen. Waͤhrend ich unter ſo f f beängſtigenden Empfindungen auf dem Verdeck auf und ab gieng, wurde ich plotzlich durch eine neue Quetſchung im Eiſe aufgeſchreckt, die ſich durch das Krachen des Schiffes und die Bewegung des Berges verrieth, und den Augenblick der Serfiorung herbey zu führen ſchien. Aber die Güte des All: maͤchtigen ſorgte beſſer für uns, als unſere Furcht uns hof: fen ließ. Dieſer neue Druck wurde, durch eine beſondere und auffallende Fuͤgung der Vorſehung, das Mittel zu un⸗ ſrer Errettung. Er traf das Schiff in der Gegend des Bugs, wo es theils wegen ſeiner Woͤlbung, theils wegen der innern Feſtigkeit dieſer Theile am meiſten im Stande, war denſelben auszuhalten; und wie ein Kuͤgelchen durch den Druck zwi— ſchen den Fingern fortgeſchnellt wird, ſo wurde das Schiff von dem Eiſe herabgeſtoßen und flott gemacht, mit einer Schnelligkeit, als ob es vom Stapel lief. Gluͤcklicherweiſe hielten die Taue und Anker, bis das Zuruͤcklaufen des Schiffes gehemmt war. Sobald als es wieder vor Anker gebracht war, war unſere Aufmerkſamkeit augenblicklich auf die noch uͤbrigen Gefahren gerichtet, und die bisherige Unthaͤtigkeit machte den eifrigſten und kraͤftig— ſten Anſtrengungen zu unfrer Erhaltung Platz. So lange das Eis um das Schiff herum in Beruͤhrung mit einander ſtand, war noch eine Ader von Waſſer, gerade unter dem Winde hin, offen, in der es ſchien, daß das Schiff, unter dem Schutz der Eisberge, ſicher vor Anker liegen könnte. Jetzt aber bemerkten wir, daß zwey Punkte von den Eisfel⸗ dern, zwiſchen welchen das Schiff lag, ſich ſchnell gegen ein: ander bewegten, und uns von neuem einzuſchließen und zu quetſchen drohten. Da der Canal, der ſich unter dem Wind hinzog, ſo enge war, daß nicht Platz genug war, das Schiff zu drehen, um es gehoͤrig in Lauf zu ſetzen, ſo hieng unſere Sicherung einzig davon ab, daß wir es mit hinreichender Ge— ſchwindigkeit vom Winde forttreiben ließen, indem wir die Taue, womit es am Eiſe befeſtigt war, nachließen. Ob wir — 312 — gleich wenig Hoffnung hatten, dieſes Mittel bey einem fol- chen Sturm in Anwendung zu bringen, ohne daß einige Taue oder Anker entzwey giengen, welches beynahe ein ſicheres Ver⸗ derben fuͤr uns geweſen ſeyn wuͤrde, ſo waren wir doch ge— noͤthigt, das Wageſtuͤck zu unternehmen, da uns kein anderer Ausweg übrig blieb. Mit der gehoͤrigen Vorſicht und Be: hutſamkeit gelang es uns, bey den naͤchſten Punkten vorbey zu kommen, gerade da ſie im Begriff waren ſich zu ſchließen. Gleich darauf aber bedroheten ein paar andere Stellen, die ſich mit großer Geſchwindigkeit einander naͤherten, das Hin: tertheil des Schiffes. Fuͤnf Minuten da zu bleiben, wo wir waren, war offenbarer Schiffbruch; und doch hatten wir nichts, uns zu helfen, als ein Werptroß ) von fuͤnf Zoll im Umfan⸗ ge, auf deſſen Staͤrke wir uns verlaſſen mußten. Riß dieſes, ſo waren wir unſtreitig verloren. Zu unſerm Erſtaunen aber und zu unſerer Freude hielt es die ungeheure Anſpannung aus, und wir entgiengen gluͤcklich auch dieſer Gefahr. In⸗ deſſen war damit noch lange nicht alle Schwierigkeit und alle Gefahr überhaupt befiegt; vielmehr bedurfte es immer neuer Anſtrengungen und der geſpannteſten Aufmerkſamkeit, um allen den Hinderniſſen, die ſich uns immer von neuem ent⸗ gegen ſtellten, und uns den Untergang zu bringen drohten, aus dem Wege zu kommen. Es wuͤrde aber zu weitlaͤuftig, und fuͤr den Leſer wenig belehrend ſeyn, wenn ich jeden ge⸗ faͤhrlichen Umſtand und die von uns dabey gebrauchten Mit⸗ tel beſonders beſchreiben wollte. Nur derjenige kann ſich ei⸗ nigermaßen einen Begriff von unſerer Lage und von den Schwierigkeiten, mit denen wir zu kaͤmpfen hatten, machen, der die Gefahren der Schiffahrt in den Polarmeeren kennt, wenn er erwaͤgt, daß wir unſern Weg zwiſchen den unge— heuern Eismaſſen zu machen hatten, die das Schiff von allen Seiten umgaben, und ſich mit Ungeſtuͤm gegen einander * *) Ein dickes Tau, das zum Werpen oder gate des Schiffes mit dem Wurf ⸗Anker gebraucht wird. — 313 — drängten, während der Sturm mit einer ſolchen Heftigkeit blies, daß, wenn ich an der Kajuͤtstreppe ſtand und durch das Sprachrohr rief, meine Stimme kaum bis zur Ankerwinde drang. Und dieſe aͤngſtliche Fahrt, die nur durch den wun— dervollen Beyſtand der Vorſehung gelingen konnte, gieng nicht etwa durch eine kleine Strecke, ſondern eine ganze Mei: le hindurch. Erſt gegen 4 Uhr des Morgens hellte ſich das Wetter zu unſerm großen Troſte auf, und gleich darauf fieng auch der Wind an maͤßiger zu werden. Unſere Leute waren dießmal ſo ſehr erſchoͤpft, daß, da die Taue wieder in Ordnung gebracht und aufgehoben wer— den ſollten — eine Arbeit, die noch einige Stunden koſtete — ſich einige weigerten, ihre Pflicht zu thun, und dem Genuß ei— ner kurzen Ruhe ihren eigenen Credit und die Ausſicht auf eine Beförderung aufopferten, uͤnd ſich ſelbſt dem Verluſt ihres Soldes ausſetzten. Wir verließen darauf dieſen Ort der Gefahr, und ſteuer— ten gegen Oſten, ins weite Meer. Es war ſehr erfreulich fuͤr uns, zu ſehen, daß das Schiff, trotz dem, was es ausge⸗ ſtanden hatte, nicht leck geworden, und daß keine weſentliche Beſchaͤdigung an ihm, weder inwendig noch auswendig, zu bemerken war. Von dem Fame war nichts zu ſehen, und ich war ſeinetwegen ſehr in Sorgen. Deſto angenehmer aber war es uns, als wir ihn kurz darauf gegen Weſten entdeck— ten, und dem Anſchein nach, in gutem Stande. Nicht ſo war es mit dem Dundee, dem einzigen Schiffe, das ſich ſonſt noch in unſerer Naͤhe befand — da wir dieſes anſichtig wur— den, fanden wir, daß es ſeine Maſten verloren hatte. Der Fame hatte ſich zu ihm geſellt, und wir ſahen, daß er befchäf: tigt war, es am Schlepptau aus dem Eiſe herauszubringen. * Wir kamen in der Nacht zu beyden Schiffen, und er⸗ fuhren, daß der Fame, ſo wie wir, in großer Gefahr ge— weſen war; gluͤcklicherweiſe aber hatte er waͤhrend des gan— =. 3 zen Sturms am Eiſe vor Anker bleiben koͤnnen, und keine weſentliche Beſchaͤdigung erlitten. Die außerordentliche Ge— walt des Sturmes bewies ſich recht deutlich (wenn es eines ſolchen Beweiſes bedurfte) aus feinen Wirkungen an dem Dundee. Das Schiff war bey dem Anfange des Sturms unter Segel, und ſuchte mit dicht eingerefften Segeln auf die Oſtſeite einiger Eisfelder unter den Wind zu kommen. Das große Stagſegel, und das Kreuzſegel giengen zuerſt in Stuͤcken; kurz darauf wurde das Bugſpriet weggeriſſen, und dieſem folgte der Fockmaſt und die große Stange. In die— ſem traurigen Zuſtaͤnde trieb es zwiſchen zwey Eisfeldern hin; gluͤcklicherweiſe kam es bey dem einen auf die Seite unter dem Winde, in eine geſchuͤtzte Lage, und entgieng dadurch wun— derbarerweiſe feinem Untergange. Als der Sturm aufgehört hatte, that es einige Nothſchuͤſſe, worauf der Fame zu ſeiner Huͤlfe herhey kam und es aus ſeiner gefaͤhrlichen Lage an ei— nen ſichern Ort brachte. Es hatte ſeine Maſten, Segel, Taue und einige ſeiner Boote verloren; aber da der Rumpf des Schiffes noch unbeſchaͤdigt war, fo fieng die Mannſchaft an, mit Huͤlfe der Geraͤthſchaften vom Fame, den Schaden auszubeſſern. Da der 25ſte ein Sonntag war, fo legten wir, in Be: meinſchaft mit dem Fame, an, um die Feyer dieſes Tages abzuwarten. Die Errettung aus der drohendſten Gefahr des Schiffbruchs, die wir nur eben erfahren hatten, forderte uns zum innigſten Dank gegen Gott, den Allmaͤchtigen, auf; mit geruͤhrtem Herzen verrichteten wir unſere Andacht, die, bey dem heitern und ruhigen Wetter, durch keinen aͤußern Unfall geſtoͤrt wurde. Den 26. Auguſt. Da wir bey dem letzten Sturm be: trächtlich gegen Süden getrieben waren, fo erhielt ich, zum Beſchluß meiner Aufnahme der Kuͤſte, einen neuen und wich— tigen Standpunkt; und da das Wetter zum Gluͤck heiter und ruhig blieb, ſo konnte ich die erforderlichen Beobachtungen 5 mit aller nur wunſchenswerthen Schärfe machen. Unſere Breite wurde 71° 24 40“ beobachtet; und die Länge, nach dem Chronometer, 20° 56“ W. gefunden. Dieß war ein mitt: lerer Standpunkt zwiſchen meinem letztern und dem noͤrdlichſten meiner fruͤhern Standorte an der Liverpool-Kuͤſte. Dadurch wurde ich in den Stand geſetzt, meine Aufnahme vom 20. July mit der vom 20. Auguſt auf die befriedigendſte Weiſe zu ver— binden. Unſere Entfernung vom Lande war etwa 16 Mei— len; Cap Gladſtone lag in WW N.; und ein Vorgebir— ge, das nach Hrn. John Topham benannt wurde, gerade in Weſten. Die Liverpool-Küfte konnte man herabwaͤrts bis zum Gebirge Roſcoe ſehen, und ſogar das Land bey Cap Brewſter, das 75 Meilen entfernt war. Zwey kleine Inſeln wurden in einiger Entfernung von Cap Gladſtone entdeckt. Die noͤrdlichſte von dieſen erhielt den Namen Murray In— ſel, nach meinem geſchaͤtzten Freunde, dem Admiral Mur— rap; und die andere den Namen Reynolds Inſel, zu Ehren mehrerer achtungswerthen Perſonen, die von dem ver— ſtorbenen Richard Reynolds in Briſtol, dieſem allgemein ge— kannten und geachteten Menſchenfreunde, abſtammen. ) Die einwaͤrts gehende Stroͤmung, welche wir in der Naͤ⸗ he von Davy's Sund fo ſtark gefunden hatten, beobachteten wir auch an unſerm jetzigen Standort, obgleich entfernt von allen großen Einbuchten. Bey naͤherer Unterſuchung fanden wir, daß fie genau gegen Weſten, oder gerade nach dem Lan— de zu, mit einer Geſchwindigkeit von einer Viertels- oder ei: ner halben Knotenlaͤnge gieng. Die Tiefe des Waſſers war 135 Faden; die Temperatur am Boden 322; an der Ober— fläche eben fo viel. ) Einige andere Namen auf der Karte, an dem noͤrdlichen Theile der Liverpool⸗Kuͤſte, rühren von verſchiedenen Freunden, vornehmlich in Mancheſter, her. S. us — Die große Gefahr, in welche wir durch den Sturm am 23. gerathen waren, und ſo viele Anzeigen von der Annaͤherung des Winters, erinnerte uns, eine Kuͤſte gaͤnz⸗ lich zu verlaſſen, die taͤglich immer gefaͤhrlicher zu werden drohte. In dem erſten Theil dieſes Monats hatten wir hier noch eine Hitze, wie im Sommer in England, und auf dem Meere waren an vielen Orten Schaaren von Vo— geln. Aber jetzt hatte das Land ſchon ſeinen Mantel von Schnee umgethan, und die meiſten Voͤgel hatten ſich in ihre Winterquartiere begeben. Dieß war beſonders der Fall mit der blaufuͤßigen Moͤwe, und dem Lumer, einer Art Taucher (Colymbus Troile) — von welchen die erſtern ſich nur noch vor wenigen Wochen in zahlloſer Menge entweder auf dem Waſſer, oder bey ihren taͤglichen Zuͤgen des Mor— gens vom Lande nach der See, und des Abends vom Waſ— ſer nach dem Lande hin, ſehen ließen — jetzt aber war kaum einer von ihnen zu erblicken. ö Ein anderes Zeichen des herannahenden Winters war eine Erſcheinung, an die man bey dem Wallfiſchfange in dem gronländifchen Meere nicht ſehr gewohnt iſt, nämlich, das Untergehen der Sonne und die ſchnelle Abnahme der Tage. Am 2. dieſes Monats hatten wir die Sonne um Mitter— nacht noch über dem Horizont geſehen, und jetzt dauerte es ſchon ſieben Stunden und 36 Minuten von Sonnenun— tergang bis zu Sonnenaufgang; und jede Nacht erhielt eis nen Zuwachs von 10 Minuten. Die Abnahme der Tage war fo groß, daß man fie faſt von einem Tage zum ans dern, ohne Huͤlfe einer Uhr, bemerken konnte. Außer der gewöhnlichen Dunkelheit der Nacht, bey Mangel an Mond— ſchein, hatten wir noch die Unannehmlichkeit, daß die be⸗ ſtaͤndigen Nebel die Finſterniß in hohem Grade vermehrten. Dieſer Umſtand erhöhte die Unſicherheit unſerer gegenwaͤr— tigen Lage um vieles, und da wir wenig Hoffnung hatten, durch einen glücklichen Fang dieſe Nachtheile aufgewogen — — 317 — zu ſehen, fo beſchloſſen wir, mit dem erſten guͤnſtigen Win⸗ de, die groͤnländiſche Kuͤſte zu verlaſſen. Dem zufolge ſpannten wir am Abend, da ſich ein leichter Wind von NO. erhob, die Segel und giengen gegen Oſten, in Begleitung des Fame und des Dundee, der ganz erträglich wieder her— geſtellt und in ſchiffbaren Stand geſetzt war. Zwoͤlftes Kapitel. Ruͤckblick auf die an der Oſtkuͤſte von Groͤnland ge— machten Unterſuchungen. — Größe der aufgenomme— nen Kuͤſte. — Verfahren bey der Aufnahme. — All- gemeiner Charakter des Landes. — Produkte — Be— wohner deſſelben. — Ströme der groͤnlaͤndiſchen Ge— waͤſſer. — Gefahren der Herbſt⸗-Stuͤrme. Ehe ich ganz von der Kuͤſte von Groͤnland ſcheide, halte ich es nicht für unpaſſend, einen allgemeinen Blick auf die gemachten Unterſuchungen und Entdeckungen zu werfen, wodurch ich zugleich Gelegenheit bekomme, noch manche Bemerkung und Beſchreibung beyzufuͤgen, die in dem Tage- buch ſelbſt keinen ſchicklichen Platz gefunden hat. Die trigonometriſchen Vermeſſungen vom 20. und 26. Auguſt dienten zur Ergaͤnzung und Verbindung der ver— ſchiedenen Aufnahmen, die jetzt einen zuſammenhaͤngenden Strich der Kuͤſte zwiſchen dem 69. und 75. Grade — mit Ausnahme einiger, wahrſcheinlich unbegrenzten, Einbuch— ten — begreifen. Die Länge des aufgenommenen Landes, 1 318 — in einer gebrochenen Linie, von Vorgebirge zu Vorgebirge gerechnet (welches der Weg iſt, den ein Schiff macht, wenn es dem Ufer parallel faͤhrt), betraͤgt ungefaͤhr 400 geogra— phiſche Meilen“); rechnet man aber die Kruͤmmungen und Biegungen des Ufers dazu, ſo ſteigt ſie nahe an 800 Meilen. Beynahe vier Fuͤnftel dieſer Strecke wurden nach den aus verſchiedenen Standorten gefundenen Durchſchnitts— punkten verzeichnet, und das noch uͤbrige Fuͤnftel aus ein— zelnen Winkelmeſſungen und geſchaͤtzten Entfernungen ent— worfen. Ungefaͤhr die Haͤlfte des Ganzen wurde in einer gehoͤrigen (nicht zu großen) Entfernung vom Ufer aufge— nommen; aber der Entwurf der andern Hälfte, wenn gleich zum Theil nach Durchſchnittspunkten beſtimmt, wurde in einer ſolchen Entfernung gemacht, daß die Einzelheiten der Kuͤſte etwas ungewiß werden. Indeſſen war der nördliche Theil der Kuͤſte von Gale Hamke's Land bis Holdwith-Hope ſo hoch und hervorſtechend, daß ich eine richtige Darſtel— lung davon erhalten zu haben glaube. Sollte ſich dort an der Kuͤſte noch ein ſehr niedriges Land befinden, ſo ge— ſtehe ich, daß wir zu weit entfernt waren, um es zu ſehen; da wir aber kein Land von einer ſolchen Beſchaffenheit in einer Strecke von 200 bis 300 Meilen, die wir in der Naͤ— he zu unterſuchen Gelegenheit hatten, angetroffen haben, ſo iſt wohl zu glauben, daß die noͤrdliche Kuͤſte, die im Ganzen einen aͤhnlichen Charakter hat, auch ganz ber— gig iſt. Zum Behufe dieſer Aufnahme habe ich uͤber funfzig Standpunkte aſtronomiſch beſtimmt, und beynahe fuͤnfhun— *) Es iſt ſchon oben bemerkt worden, daß Sc. unter geographiſchen Meilen ſolche verſteht, deren 60 auf einen Grad des Aequators gehen. „ dert Winkelmeſſungen gemacht; außer zwey- bis dreyhun⸗ dert andern, die zur Veſtimmung der magnetifchen Abwei— chung und Ablenkung dienten. Die vornehmſten Werkzeuge, deren ich mich dabey be: diente, waren Azimuthal-Kompaſſe, Sextanten und ein Chronometer. Die Horizontalwinkel wurden insgemein nach Beobachtungen mit einem Azimuthal-Kompaß nach Kater's Einrichtung beſtimmt, der hierzu fo ausnehmend brauchbar iſt, daß es, bey nicht Angeftümer Witterung, keines andern Werkzeuges bedurfte. Alle magnetiſchen Beobachtungen, ſey es zur Beſtimmung der Richtung der Kuͤſte, oder des Azimuths der Sonne, wurden am Topp des großen Ma— ſtes gemacht, weil dieß der einzige Ort auf dem Schiffe war, wo man ſich auf die Angaben der Magnetnadel ver— laſſen konnte. An allen andern Stellen des Schiffes, die man fonft hätte wählen koͤnnen, war die örtliche Anziehung oder die Ablenkung ſo groß, daß Beobachtungen, die hier mit der Magnetnadel gemacht wurden, nicht zu brauchen waren. Bey ſtuͤrmiſcher Witterung, wenn man wegen des Schwankens der Maſten den Kompaß im Kraͤhenneſte nicht anwenden konnte, wurden alle erforderlichen Winkel mit dem Sextanten genommen, und die Orientirung derſelben durch Verbindung mit einem Azimuth der Sonne bewerk— ſtelligt. Die Laͤngen wurden meiſtens durch den Chrono— meter beſtimmt, deſſen Gang theils durch nachfolgende Beobachtungen an bekannten Kuͤſten, theils durch Stand— punkte, deren Lage ſchon fruͤher beſtimmt war, theils durch Mondsbeobachtungen, und durch eine Vergleichung mit ei— nem andern Chronometer, berichtigt worden war. Zu Monds— beobachtungen fanden ſich auf der ganzen Reiſe nur zwey Gelegenheiten. Die eine wurde benutzt; bey der andern aber war ich ungluͤcklicherweiſe gerade am Ufer, als der Mond ſichtbar war; und er gieng unter, ehe ich an Bord zuruͤck kam. Bisweilen, wenn die Sonne ſich nicht ſehen a — ließ, wurden Laͤnge und Breite durch Winkel mit ſolchen Punkten, deren Lage vorher ſchon genau gefunden war, beſtimmt; oder 1 daß man die Lage eines Ortes ge⸗ gen einen Felſen oder Berg, und die ſcheinbare Höhe von dieſem maß, wenn die wahre Hohe deſſelben bekannt war. Bey vielen dieſer Arbeiten und Unterſuchungen hatte ich mit mancherley Schwierigkeiten und Beſchwerden zu kaͤmpfen, da ich nicht blos alle Berechnungen, ſondern auch alle Beobachtungen zu einer jeden Verzeichnung, ſelbſt ma— chen mußte, indem unter meiner ganzen Schiffsgeſellſchaft kein einziger war, der im Stande geweſen wäre, einen Winkel mit der Magnetnadel oder mit dem Sextanten zu meſſen; oder Sonnenhöͤhen zu nehmen, zu Beſtimmungen der Breiten und Laͤngen, oder der magnetiſchen Abweichung. Wenn ich daher die Abweichung der Magnetnadel finden wollte, ſo mußte ich erſt die Sonnenhoͤhe nehmen, und die Zeit nach meiner Uhr bemerken; alsdann auf den Maſt ſtei— gen, und im Kraͤhenneſt das Azimuth nehmen. Dieſes Verfahren machte mir verdruͤßliche Rechnungen nothig, um die Veraͤnderung des Azimuths in der verfloſſenen Zwiſchen— zeit zu finden. War jedoch die Zwiſchenzeit nur ſehr kurz, ſo war es hinreichend genau, wenn auf jede vier Minuten derſelben, eine Aenderung von einem Grad im Azimuth ge— rechnet wurde; in den meiſten Faͤllen aber mußte die Ver— beſſerung ordentlich berechnet werden. Bey Laͤngenbeſtim— mungen durch den Chronometer, beobachtete ich die Zeit, nahm die Höhen und ſchrieb fie nieder; und bey Monds— beobachtungen nahm ich die Hoͤhe des Monds — den Ab— ſtand des Monds von der Sonne — bemerkte die Zeit — und ſchrieb alles dieſes nieder — indem ich blos bey den Sonnenhoͤhen, zur Berichtigung derſelben wegen der Parallaxe und Strahlenbrechung, eine Huͤlfe hatte; und auch dieſe Berechnungen mußte ich hinterdrein wiederholen, um die wahre Zeit des Schiffes zu erhalten. Eine vielfache re Uebung hob jedoch einen großen Theil dieſer Schwierige keiten auf (wenigſtens in ſo fern als ſie die Richtigkeit der verſchiedenen Beobachtungen angiengen), und der Erfolg, in Ruͤckſicht der Genauigkeit, war derſelbe, als wenn ich die gewöhnliche Anzahl geübter Gehuͤlfen gehabt haͤtte. Da ein Theil der öͤſtlichen Kuͤſte von Grönland — vom 72. bis zum 734 Grad — von Heinrich Hudſon, im Jahre 1607, entdeckt worden iſt, und einige einzelne Punkte von verſchiedenen Wallfiſchfaͤngern in den letzt verfloſſenen Jah— ren geſehen worden ſind, ſo iſt es ſchwer, ja unmoͤglich, zu beſtimmen, welche von den hier beſchriebenen Gegenden als eine neue Entdeckung anzuſehen ſey. Indeſſen weicht die Lage und Geſtalt, welche dieſe Kuͤſte anf unſern beiten Karten hat, ſo ſehr von der wahren Beſchaffenheit derſel— ben ab, daß wenigſtens die hier gegebene Darſtellung der— ſelben als neu und original betrachtet werden muß. Die Fehler in der Länge auf den bisherigen Karten find in der That ſehr groß, und es iſt ſchon oben bemerkt worden, daß ſie beynahe auf 14 Grade gehen. Auf den meiſten Karten zieht ſich die Kuͤſte zwiſchen Holdwith-Hope, im 733° und dem nordlichen Polarkreiſe oder 663° N. B. gegen Suͤdweſten, in einer unregelmäßigen zuſammenhaͤngenden Linie, die wahrſcheinlich nur nach Gutduͤnken gezogen iſt; waͤhrend die wahre Richtung derſelben, wenigſtens in der Haͤlfte dieſes Zwiſchenraums, ſehr nahe von Norden nach Suͤden geht, und die Linie durch eine Menge von Einbuch⸗ ten unterbrochen iſt, die ſo weit ſind und ſo tief hineinge— hen, daß ſie nicht haͤtten uͤberſehen werden können, wenn das Land je unterſucht worden waͤre. Zwar muß ich be— merken, daß auf einigen unſerer Seekarten dieſe Kuͤſte nicht in ſo ununterbrochenem Zuſammenhang angegeben iſt; da— fuͤr aber ſind die Fehler in der Laͤnge und Richtung der Kuͤſte auf dieſen Karten uͤberaus groß. 21 1 — Im Allgemeinen iſt das Land, ſo weit ich es unter— ſucht habe, von einem Ende zum andern, nackt, ſchroff und bergig. Die mittlere Höhe der Küſte iſt ungefaͤhr 3000 Fuß. Einige Berge auf der Liverpool Kuͤſte und in der nahe von Cap Brewſter wurden trigonometriſch gemeſſen, von denen verſchiedene eine Höhe von 4000 Fuß, erreich— ten; und Werner's Berge, in Davy's Sund, mußten, nach der Entfernung, in welcher ſie zu ſehen waren, und nach der Höhe, welche fie über die andern Berge hatten, zu ur: theilen, wenigſtens 6000 Fuß hoch ſeyn. Eine nähere Be: ſchreibung der vielfach eingeſchnittenen Liverpool⸗Kuͤſte und der merkwürdigen Kette auf der ſuͤdlichen Seite von Sco— resbp's Sund, wird dazu dienen, den allgemeinen Charak— ter und das vorherrſchende Anſehen des ganzen Landſtri— ches darzuſtellen. Dieſe Küſte iſt fo Häufig von Einbuchten unterbrochen, die ſo tief hineingehen und wieder Seitenaͤſte haben, die ſich entweder gegen Norden oder gegen Suͤden ziehen, daß man kaum zweifeln kann, daß das Land, ſo weit wir es geſehen haben, ein Haufen von Inſeln ſey. Wenn man auf der Karte den Theil, der am beſten aufgenommen iſt, betrachtet, naͤmlich zwiſchen Cap Parry und Cap Brewſter, fo kann, duͤnkt mich, kaum ein Zweifel übrig bleiben, daß dieß die wirkliche Beſchaffenheit des Landes ſey. Man ſehe z. B. Hurry's Einbucht, die von der Suͤdſeite her bis zu einem Platz, den wir Conſtable Spitze nannten, un— terſucht wurde — und dieſer entgegenkommend eine andere Einbucht von Norden her, die ſich bis zu einer andern, nur fuͤnf bis ſechs Meilen von der erſtern entfernten Spitze, Cap Macknight genannt, erſtreckt — fo hat man den ſtärkſten Beweis, auch ohne ausdrückliche Unterſuchung, daß die letztre nur eine Fortſetzung von Hurry's Einbucht iſt, und dieſe ſich ununterbrochen hinter der Liverpool⸗Kuͤſte hinzieht. In dieſem Fall wird dieſe Kuͤſte eine Inſel. Auf — 323 — gleiche Weiſe deuten die gegen einander gehenden Richtun⸗ gen von Hall's Einbucht, und von Fleming's Einbucht auf einen Zuſammenhang beyder unter einander, und ma: chen es hoͤchſt wahrſcheinlich, daß Jameſon's Land eine In— fel ſey. Etwas ähnliches gilt von Scoresby's Sund und Knighton's Bay, durch deren Vereinigung das Land, zu welchem Cap Brewſter gehoͤrt, zu einer Inſel wird. Außer dieſer inſulariſchen Beſchaffenheit der Kuͤſte, hat man guten Grund zu glauben, daß ganz Grönland nichts, als ein großer, dichter Archipelagus ſey. Ein Grund fuͤr dieſe Meinung iſt die anſcheinend unbegrenzte Ausdeh— nung einiger Einbuchten. Es iſt oben gezeigt worden, daß Scoresby's Sund, und Hall's Einbucht zu einer Tiefe von wenigſtens neunzig Meilen gegen Weſten gehen. Nun iſt bemerkenswerth, daß ſich auf der entgegengeſetzten Küſte von Grönland eine entſprechende Einbucht — Jakob's Bucht — findet, die gegen Oſten geht, und deren Ausdehnung, allem Anſchein nach, unbegrenzt iſt. Zufolge der Beobach— tungen von Carl Gieſecke, deſſen Papiere ich durchzu— ſehen Gelegenheit gehabt habe, erſtreckt ſich Jakobs Bucht, die beynahe unter demſelben Parallel wie Scoresby's Sund liegt, ungefaͤhr 150 Meilen nach Oſten hin, jenſeits der allgemeinen Linie der weſtlichen Kuͤſte; und hier dehnt ſie ſich in ein anſcheinend unbegrenztes Meer aus. Die innere Beſchaffenheit der Bucht, die in der beygefuͤgten Karte nach Gieſecke's Entwurf verzeichnet iſt, iſt von der Art, daß es die größte Wahrſcheinlichkeit hat, daß fie queer durch das ganze Land geht und ſich mit Scoresby's Sund, und vielleicht auch noch mit einigen andern nördlichern Ein— buchten vereinigt. Der Zwiſchenraum zwiſchen beyden Ein— buchten, ſoweit ſie unterſucht ſind, betraͤgt, nach der Karte gemeſſen, ungefaͤhr 380 Meilen. Dieß iſt aber nicht die einzige Stelle, wo die weſtliche Küſte durch Einbuchten un— terbrochen iſt. Im Gegentheil hat Gieſecke gefunden, daß 1 — . — noͤrdlich von Diſco's Inſel in der Breite von 763°, die Kuͤſte nicht eine zuſammenhaͤngende Linie bildet, wie es von weitem zu ſeyn ſcheint, ſondern daß ſie gaͤnzlich aus einer Reihe von Inſeln beſteht. ) *) Scoresby fuͤhrt in dem Anhange zu ſeinem Werke eine Stelle aus u einem Briefe von Gieſecke an ihn an, die feiner obigen Vermuthung zur Beftätigung dient, und die daher fuͤglich hier ſtehen mag. Es heißt dort: „Es iſt keinem Zweifel unterworfen, daß die ganze Küfte von Grönland ehedem aus großen Inſeln beſtand, die nur jetzt durch ungeheure Eismaſſen in Eins verbunden ſind.“ „Solche Einbuchten oder Fiorden, welche ehedem Sunde oder Durchgaͤnge bildeten, endigen ſich immer, ſo viel ich beobachtet habe, in Eisberge, welche die ganze Vertiefung auf beyden Seiten anfuͤllen. Dieß iſt der Fall (um mich nur auf die noͤrdlichern Brei⸗ ten zu beſchraͤnken) mit der Eis-Bucht von Disko⸗Bay in 68° 40°; ferner mit Cornelius-Bay (Nord-Oſt⸗Bay oder Omenak's Fiorde) in 711, deren nordoͤſtlicher Arm an beyden Enden mit Eis ver— ſtopft iſt, das fi) in einem Einſchnitt fortzieht und etwas gegen ONO. wendet.“ | „Nur durch diefen Arm der Bay koͤnnen wir eine Verbindung in fruͤhern Zeiten mit der oͤſtlichen Kuͤſte annehmen, da der ſuͤdoͤſt— liche Arm von hohen Bergen umgeben iſt. Die Eingebohrnen ha- ben keine muͤndlichen Ueberlieferungen in Betreff dieſer Bay. Es iſt aber eine andere Bucht, die ich wegen der ungeheuern Eismaſſen, die aus ihr herausgiengen, nicht bis zum Hintergrund unterſuchen konnte, und welche von den Eingebohrnen Ikek und Ikareſak (Sund) genannt wird. Sie läuft zwiſchen Karſarſuk und Kingitok, und ihre Lange von Karſarſuk bis ans Ende beträgt etwa funfzehn deut⸗ ſche Meilen; fie liegt im 72° 487/ und das Meer iſt an ihrem Ein: gange mit zahlreichen Inſeln bedeckt. Alle Eingebohrnen in der Nuͤchbarſchaft derſelben verſicherten mich einmuͤthig, daß dort ehe⸗ dem ein Durchweg nach der andern Seite des Landes ſtatt gefuns den habe. Sie ſetzten noch hinzu, daß ſie ſehr beſorgt waͤren, das Eis moͤchte, bey heftigen Nordoſtwinden, wieder losgehen, und dann das Volk von der andern Seite, das ſie als grauſam und wild 2 — Roch mehr als dieſe Thatſachen ſpricht die Beſchaffen⸗ heit der Stroͤmung in Davp's Sund fuͤr die aufgeſtellte Meinung. Wenn man irgendwo eine Stroͤmung wahr— nimmt, die regelmaͤßig in einen Sund oder eine Einbucht hineingeht, und ſchwimmende Korper mit ſich fort nimmt, ohne ſie wieder zuruͤck zu bringen, ſo iſt offenbar, daß ſie an einer andern Seite einen Ausweg haben muß; weil ſonſt ſich bald eine fo große Menge von Waſſer in der Bucht anhaͤufen würde, daß nothwendig ein Ruͤckfluß er: folgen muͤßte. Nun haben wir aber waͤhrend der ganzen Zeit unſers Aufenthalts in der Naͤhe von Davy's Sund, ein entſchiedenes und ununterbrochenes Einſtroͤmen des Waſ— fers in denſelben beobachtet; und da dieſe Stroͤmung we— der durch Mountnorris Einbucht, noch durch irgend eine andere Oeffunng in der Nähe dieſes Sundes zurückgieng; fo iſt nothwendig, daß das Waſſer durch einen innern Ca: nal, der mit dem Ocean zuſammenhaͤngt, weggefuͤhrt wer— den muß. Die Zuverlaͤßigkeit dieſer Beobachtung beruht auf folgenden Umſtaͤnden. R beſchrieben, heruͤber kommen und fie todtſchlagen. Sie behaupte⸗ ten, daß von Zeit zu Zeit todte Wallfiſche, die auf der andern Seite getoͤdtet worden waͤren, Holz und Bruchſtuͤcke von Geraͤthen, aus der Bucht hervor getrieben wuͤrden. Die Strömung geht aus bies ſer Bay eben ſo herauswaͤrts, wie aus der Eis-Bucht.“ „Die noͤrdlichſte Bay, die ich ſo gluͤcklich war zu unterſuchen, erſtreckt ſich gegen Nordweſten, und iſt gegen Nordoſten und Suͤd⸗ often (zwey verſchiedenen Armen) von ungeheuern Eisbergen bes grenzt. Sie liegt in 75° 10“ und das Land umher iſt mehr nie⸗ drig. Die Tiefe des Meeres in der Eis-Bucht nicht weit von den Eis— bergen geht uͤber 300 Faden, welches man leicht aus der Hoͤhe der ſchwimmenden Eisberge uͤber der Oberflaͤche des Waſſers berechnen kann. In Cornelius⸗Bay habe ich die Tiefe mit einer Wallfiſch⸗ Leine gemeſſen, und fie 150 Faden gefunden.“ 7 — 2286 — Als wir uns zuerſt dem Lande, der Inſel Traill gegens uͤder, naͤherten, hatten wir eine freye Verbindung mit dem Ufer. Das Eis, das ſich zuerſt in einiger Entfernung ge gen Oſten bewegte, fieng indeſſen bald an hineinwaͤrts zu gehen — nicht vermöge des Windes, denn dieſer blies ge— rade in gleicher Richtung mit dem Ufer, oder eher noch et— was davon ab — bis ſich eine ganze Maſſe von Eis, meh— rere Meilen weit, angehaͤuft hatte. Am 12. Auguſt konnte man bey Cap Moorſom noch ungehindert an das Ufer kommen; am 15. aber hinderte uns die Menge des einge— drungenen Eiſes, der Inſel Traill auf 14 Meilen nahe zu kommen; und am 20. waren wir, in dem Eingange von Davy's Sund, genothigt, uns auf 20 Meilen vom Lande entfernt zu halten. Am 26., als dem Tage unſerer Abreiſe, war unſere Entfernung vom Lande, am Rande des Landeiſes und au— ßerhalb des Hauptſtroms, ungefaͤhr 16 Meilen. Dieß mußte blos die Wirkung des Einſtrömens geweſen feyn, da der Wind, der ſonſt die einzige bekannte Urſache davon haͤtte ſeyn konnen, faſt beſtändig noͤrdlich war, und alfo in einer Richtung blies, wodurch das Eis eher vom Lande ab, als gegen daſſelbe getrieben worden waͤre. Ein ande— res Ereigniß, das von derſelben Urſache herruͤhrte, fuͤhrt zu demſelben Schluß. Vom 14. bis zum 26. Aug. waren wir oft genödthigt, das Schiff am Eiſe zu befeſtigen. Hier haͤtten wir, da der Wind in gleicher Richtung mit dem Ufer blies, in derſelben Entfernung vom Lande bleiben muͤſſen; aber es zeigte ſich beſtändig, daß wir nach dem Lande zu getrieben wurden ſo daß wir von Zeit zu Zeit genothigt waren, das Schiff los zu machen und uns wei: ter zurückzuziehen. 0 Was die Erzeugniſſe dieſes Landes in Beziehung auf alle drey Naturreiche anbetrifft, ſo iſt davon theils ſchon oben 5 geſprochen, theils im Auhange beſonders gehandelt, fo daß es unnoͤthig wäre, hier etwas darüber zu ſagen. Eine Be— merkung in Betreff der Voͤgel, die dieſe Gegenden beſu— chen, mag jedoch hier Platz finden. Sobald die Kuͤſte frey von Eiſe wird, ſo kommen außerordentliche Schaaren von Vögeln, beſonders die blaufüßigen Möven (alca alle), hie: her, die hier nicht nur im Waſſer eine reichliche Nahrung an Krabben und andern ihnen zutraͤglichen Inſekten finden, ſondern auch am Lande einer Ruhe und Waͤrme genießen, die ihnen angenehm und beſonders zur Bruͤtezeit noͤthig iſt. Sie kommen wahrſcheinlich im May oder Junius an, und verlaffen die Gegend zu Ende Auguſts oder zu Anfange Septembers. Sie ziehen dann gegen Suͤden, und benutzen nordliche Winde bey ihrem Fluge. Die Wanderung der Waffervögel hat wohl keine Schwierigkeit, weil dieſe unterwegs leicht ausruhen konnen, wenn fie es nöthig haben. Wie aber fo kleine Vogel, als der Regenpfeiffer, der Eisvogel, der Fink u. a. dergl. ihre Reiſe machen, iſt ſchwer zu begreifen. Es iſt offenbar, daß, wenn dieſe Vögel unterwegs ſind, und es aͤndert ſich der Wind, und weht ihnen entgegen, zu einer Zeit, wo ſie ge— rade uͤber dem Meere ſind, ſie umkommen muͤſſen. In der That ſieht man fie oft im Fruͤhjaͤhr ſich auf die Schiffe niederlaſſen, und nicht ſelten, in einem ſolchen Zuſtand der Ermattung, daß ſie ſich lebendig fangen laſſen. Wir ſind nicht ſo gluͤcklich geweſen, ein menſchliches Weſen lebendig anzutreffen — obgleich ſich Spuren, daß Menſchen vor kurzem da geweſen waren, in großer Menge fanden. Dieſe Spuren beflanden in zahlreichen Ueberre— ſten von Hütten, in Jagdgeraͤthen, Bruchſtuͤcken von Schlitten, Knochen, die kuͤnſtlich zertheilt waren, Hausge— raͤthen, und Graͤbern, die Menſchen-Gerippe, und ſelbſt Leichname, die, wie man mir berichtet hat, erſt zum Theil * —. 3 verweſt waren, enthielten. In manchen Faͤllen waren diefe Zeberreſte von der Art, daß man ſah, die Einwohner hat: ten den Platz nicht lange erſt verlaſſen; z. B. die Aſche, die wir an den Feuerſtellen auf Cap Swainſon und der Juſel Traill fanden. Ein anderes Beyſpiel, aus welchem man ſchließen kann, daß dieſe Gegenden bewohnt ſind, wurde mir von dem Capitain eines Bremer Schiffes, Na: mens Haacke, mitgetheilt. Der Bruder dieſes Mannes, auch Capitain eines Wallfiſchfaͤngers, fand im Sommer 1820, im Angeſicht der Oſtkuͤſte von Grönland, im 73ſten Grad der Breite, ein todtes Wallroß, in welchem zwey Harpunen ſtacken, wie ſie die Eskimo's gebrauchen. Die Harpunen ſchienen die Urſache ſeines Todes geweſen zu ſeyn. Aus der Beſchaffenheit des Körpers war es offene bar, daß das Thier noch nicht lange todt war; und aus den an den Harpunen befindlichen Riemen von Wallroß— Fell, die ſtatt der Leine dienten, und noch nicht verfault waren, konnte man ſchließen, daß die Harpunen noch nicht lange in dem Thiere ſaßen.“) Nun konnte man nicht zwei— feln, daß dieſes Thier durch einen Bewohner der Oſtkuͤſte von Grönland verwundet worden, und daß dieß nur wenige Tage vorher geſchehen war. Daß wir gleichwohl, bey unſern verſchiedenen Landun— gen, keinen der Eingebohrnen antrafen, konnte daher kom— men, daß ihnen ein ſo fremder Gegenſtand, wie ein Schiff, ein Schrecken verurſaͤchte; und daß fie bey unſerer Annaͤ— herung flohen, und ſich verbargen, bis wir wieder weg waren. *) Die Harpunen waren ungefaͤhr vier Zoll lang. Sie waren von Knochen gemacht und mit eiſernen Spitzen verſehen. An der einen war ein Riemen, zwey Faden lang, und an der andern ein aͤhn⸗ licher pon ſechs Faden Laͤnge. S. — 9 — — Vielleicht waren ſie auch von den Plaͤtzen, welche wir beſuchten, in eine benachbarte Gegend gezogen, wo es mehr Seehunde, Vogel und andere Thiere, die ihnen zur Nahrung dienen, giebt. Denn in der That war die geringe Menge von Thieren an der ganzen Kuͤſte, welche wir be— ruͤhrten, auffallend; und dieſer Umſtand allein iſt hinreichend zu erklaͤren, warum die verſchiedenen Dörfer, welche wir entdeckten, verlaſſen waren. Aus dem Zuſtand der Huͤtten ließ ſich nicht wohl abnehmen, wie lange ſie ſchon verlaſſen waren. Daß ſie ohne Dächer waren, iſt noch kein Beweis ihres Alters; denn da das Holz hier ſo ſelten und daher von großem Werth iſt, ſo kann man denken, daß die Ein— wohner, wenn ſie wo anders hinziehen, das Holzwerk ab— brechen und mitnehmen. So nackt und wuͤſte dieſes Land auch iſt, ſo ſcheint es doch keineswegs ſo ſparſam bewohnt zu ſeyn, als man glauben moͤchte. Vielmehr muß die Anzahl der Bewohner an den Orten, welche wir beſuchten, betraͤchtlich geweſen ſeyn. Denn nie ſind wir an irgend einer Stelle, wo das Land einen Abhang gegen Suͤden, und nur etwas ebenen Boden hatte, gelandet, ohne Spuren von Bewohnern zu finden; und ſolche Spuren fanden ſich bisweilen ſelbſt an ſolchen Ufern, die gegen Oſten und Norden gerichtet wa— ren. Ich glaube, daß von den zahlreichen Landungen, die von mir, und der Mannſchaft des Trafalgar und des Fa— me gemacht wurden, nicht zwey oder drey waren, bey welchen man keine Spuren von Bewohnern gefunden hätte, Die meiften Ueberreſte waren von der Art, daß man vers muthen konnte, es wären Eskimos, von welchen ſie her— ruͤhrten. Doch waren auch einige Ausnahmen. Die Zer— theilung harter Knochen und der feſten Maſſe der Narwals— hörner durch eine Reihe von Löchern, die dicht neben einan— . der gebohrt worden, iſt ein Verfahren, das, ſo viel ich weiß, bey den Eskimos nicht gebraͤuchlich iſt; bey den Bewohnern dieſer Gegenden aber muß es, wie ſich an ſo vielen von uns gefundenen Stuͤcken zeigte, das gewöhnliche Mittel ſeyn. Ein noch auffallenderer Gegenſtand war ein hölzerner Sarg in einem Grabe bey Cap Hope. Dieſer konnte faſt auf eine Verbindung mit Europaͤern deuten. Indeſſen, da es der einzige war, welcher gefunden wurde, ſo blieb es zweifelhaft, ob er auch wirklich von den Eingebohrnen herruͤhrte. Im Ganzen glaube ich allerdings, daß die von uns auf— gefundenen Ueberreſte nicht blos den Eskimo's zuzuſchreiben ſind, ſondern auf eine Vermiſchung mit irgend einem andern Volke hindeuten — und welches konnte dieſes eher ſeyn, als die alten islaͤndiſchen Koloniſten? Man hat alſo wohl Grund anzunehmen, daß dieſe nicht ganz ausgerottet ſind; wenn es gleich mehr als wahrſcheinlich iſt, daß ſie aufgehoͤrt haben, ein eigenes Volk zu bilden. Da ihnen die Zufuhren aus dem Mutterlande abgeſchnitten waren, ſo mußten ſie wohl die Le— bensweiſe der Eingebohrnen immer mehr und mehr anneh— men. Mit dieſen haben ſie ſich dann nach und nach vermiſcht, ſo daß nur noch wenige Spuren ihrer urſpruͤnglichen Sitten und Bildung uͤbrig ſeyn mogen. Ich geſtehe, daß dieſe Koloniſten, deren Schickſal ſo viel Eigenthuͤmliches hat, meine ganze Theilnahme erregt, und die Unterſuchungen an dieſer Kuͤſte zu einem Gegenſtand des hoͤchſten Intereſſe fuͤr mich gemacht haben. Man kann ſich daher denken, wie ſchmerzlich ich mich in meinen Hoffnungen getaͤuſcht ſah, als ich bis zu 695 Grad der Breite herabge— kommen war — wo ich nur noch ungefähr 70 Meilen (leagues) von der Stelle, an welcher, nach Cranz, die noͤrdlichſten Kolo— nien gelegen haͤtten, entfernt war — und der Hauptzweck meiner Reiſe mich noͤthigte, wieder umzukehren und mich gegen Norden zu wenden. Dieſe Taͤuſchung war um deſto e empfindlicher, da ſonſt kein anderes Hinderniß meinem weitern Vordringen an der Kuͤſte entgegen ſtand. In der That habe ich allen Grund zu glauben, daß, wenn ich noch drey oder vier Wochen auf dieſe Unterſuchungen haͤtte wenden konnen, es möglich geweſen wäre längs der Kuͤſte bis zum Cap Farewell zu kommen, und alle vormaligen Niederlaſſungen der Koloniſten zu beſuchen. Ich fuͤrchtete bey dieſer Unterſuchung wenig Schwierigkeit. Die Haupt— ſchwierigkeit, einen Weg durch die 100 bis 150 Meilen breiten Schranken von Eis, welche die Kuͤſte einſchließen, zu finden, war bereits überwunden; und da wir im 70., 71. und 72. Grade der Breite die bequemſte Schiffahrt nahe am Ufer fanden, ſo ließ ſich mit Recht erwarten, daß wir keine unuͤberſteiglichen Hinderniſſe bey einem weitern Fortgang gegen Suͤden, ſelbſt bis zum aͤußerſten Vorge— birge von Grönland, finden wuͤrden. Die Strömungen an der öſtlichen Kuͤſte von Groͤn— land erfordern noch einige Bemerkungen. Der Haupt— ſtrom geht hier, wie in andern Theilen des Meeres zwi— ſchen Grönland und Spitzbergen, ungefähr gegen Suͤdwe— ſten; längs der Kuͤſte aber findet noch etwas Beſonderes ſtatt, das fuͤr den Seefahrer von großer Wichtigkeit iſt. Dieß iſt nehmlich ein periodiſches abwaͤrts- und einwaͤrts— ſtrömen, wovon das letztere wahrſcheinlich durch die vielen und großen Einbuchten, von welchen die Kuͤſte auf die ver— ſchiedenſte Weiſe durchſchnitten iſt, verurſacht wird. Es zeigt ſich, daß ein abwaͤrts-ſtroͤmen von der Kuͤſte in den Monaten Junius und Julius ſtatt findet, das wahrſchein— lich von der Menge geſchmolzenen Schneewaſſers, das vom Lande ins Meer fließt, herruͤhrt. Dieſes abwaͤrts-ſtroͤmen iſt, vielleicht in Verbindung mit Nordweſt-Winden, die Ur— ſache, welche, gegen den allgemeinen Zug des Waſſers in die Sunde und Einbuchten, das Ufer vom Eiſe frey macht, und dem Schiffer im hohen Sommer einen Zugang zur — — Kuͤſte öffnet. Sobald aber das Herabfließen des Waſſers von den Bergen aufhoͤrt, fo ſcheint auch dieſes abwaͤrts— ſtrömen aufzuhören, und dann ſtellt ſich das einwaͤrts—ſtrö— men ein, welches die Buchten und Sunde mit Eis erfuͤllt, und die große Maſſe von Eis, die oſtwaͤrts vom Lande herumſchwimmt, gegen das Ufer treibt und hier anhaͤuft. Dieſes Einſtrömen, welches gegen Ende des Sommers ans hebt, hat ſich wenigſtens fuͤr die Zeit, da wir dort waren hinreichend bewieſen; und das abwaͤrts-ſtrömen, oder we⸗ nigſtens ein Stillſtand des Einſtroͤmens, ergiebt ſich eben ſo offenbar aus der allmaͤhligen Trennung, die in dem Eiſe entſteht, und noch mehr aus dem freyen Waffer, das ſich an vielen Stellen zwiſchen dem Ufer und dem Eiſe findet. Das Einftromen gegen Ende des Sommers macht den Wallfiſchfang in der Naͤhe des Landes um dieſe Jahres— zeit nicht wenig gefaͤhrlich; und die Wallfiſchfaͤnger muͤſſen deßhalb auf ihrer Hut ſeyn. Dieſe Vorſicht wird dem Schiffer noch aus einem an— dern Grunde doppelt nothwendig: dieſes ſind die ſchweren Stuͤrme, die (wenn wir nach der Erfahrung eines Jahres urtheilen duͤrfen) ſich dort im Auguſt einſtellen. Dieſe Stuͤrme, die wahrſcheinlich unmittelbar an der Kuͤſte am heftigſten ſind, waren dießmal alle aus Norden; und ſie waren ſo vorherrſchend, das ſie in einer Zeit von 16 Ta— gen ſechs volle Tage blieſen. Bey ſolchen Stuͤrmen iſt es fuͤr menſchliche Macht kaum möglich, ein Schiff zwiſchen dem Eiſe mit einiger Sicherheit zu regieren, ſelbſt nicht am hellen Tage und bey ebenem Waſſer, geſchweige in der Finſterniß der Nacht, und bey wogendem Meere.“) *) Gerade als dieſes Blatt gedruckt werden ſollte, erhielt ich einen Brief von dem Capitain eines Wallfiſchfaͤngers, der noch ſpaͤter als ich ſelbſt, auf jenem Platz in der Nahe von Grönland verweilt a Die Stürme, welche wir auszuhalten hatten, waren immer von heftigem Regen, Hagel, Schnee, oder Schnee und Regen vermiſcht, aber meiſtens von bloßem Regen begleitet. Die Menge, die an manchen Tagen herabfiel, uͤbertraf alles, was ich in der Art je zuvor, auf der See oder am Lande, erlebt hatte. Dieſer Umſtand muß wohl der Wirkung gewiſſer Winde zugeſchrieben werden. Ein Luftſtrom, der ganz von Norden herkommt, könnte un: moglich eine fo große Menge von Feuchtigkeit abſetzen, wenn er in eine waͤrmere Temperatur übergeht. Hoͤchſt wahrſcheinlich herrſchte zu eben der Zeit, als wir die Stuͤr— me aus Norden hatten, in den obern Gegenden der At— moſphaͤre ein Luftſtrom von Suͤden. Denn die ungeheure Menge von Regen, die wir herabfallen ſahen, kann, nach vernünftigen Grundſaätzen, nur aus der Miſchung einer warmen, mit Feuchtigkeit gefättigten, Luft von Suͤden, mit einer kalten Luft aus Norden erklärt werden. *) hatte, und deſſen Erfahrungen uͤber die dortige ungeſtuͤme Witterung im Anfange Septembers und die daraus fuͤr den Schiffer entſte— henden Gefahren, das Obige vollkommen beſtaͤtigen. ©. *) Noch iſt die Theorie des Regens lange nicht fo weit aufs Reine gebracht, daß man behaupten koͤnnte, der Regen entſtaͤnde nur aus einer Miſchung von warmer feuchter Luft mit kalter Luft, oder durch Abkuͤhlung einer mit Feuchtigkeit erfuͤllten Luft. Erfahrungen, wie die obigen, ſcheinen gerade das Unzureichende einer ſolchen Meinung darzuthun. Denn bey der großen Heftigkeit und langen Dauer dieſer Stuͤrme aus Norden, muß man glauben, daß die Luft bis zu einer betraͤchtlichen Hoͤhe und Weite dieſe allgemeine Stroͤmung angenommen hatte; folglich muͤßte die entgegengeſetzte Strömung aus Süden in noch größerer Hoͤhe ſtatt gefunden haben; und ſollte da die waͤrmere Suͤdluft nicht abgekuͤhlt und des Ueber— maßes ihrer Feuchtigkeit beraubt worden ſeyn, ehe ſie dieſe hohen Breiten erreichte? Woher alſo noch die ungeheure Maſſe von Waſ— — 334 — Obgleich die Tiefe des Meeres in der Naͤhe von Groͤn— land beträchtlich abnimmt, ſo ſcheint es doch keine gefaͤhr— lichen Untiefen daſelbſt zu geben. Wir ſahen einige wenige Felſen uͤber Waſſer, ſind aber auf keine geſtoßen, die als gefährlich für die Schiffahrt angeſehen werden konnten. Das Wetter haben wir, in den Monaten Junius und Julius, an dieſer Kuͤſte vorzüglich ſchoͤn gefunden, und die dicken Nebel, die in den angrenzenden Gegenden ſo häufig vorkommen, dauern ſelten lange auf einmal am Lande. Wir haben oͤfters bemerkt, daß wenn gegen Oſten eine dicke Nebelbank ſtand, das Wetter am Ufer heiter war; und bisweilen, wenn unſere Fahrt gegen Weſten gieng, kamen wir aus dem Nebel heraus in reine Luft und heitern Sonnenſchein, ſo wie wir uns dem Lande naͤherten. Es iſt ſogar merkwuͤrdig, wie oft der Himmel in der Naͤhe des Ufers ganz wolkenleer iſt. Die Sonne macht biswei— len ihren Kreislauf am Himmel mehreremal nach einander, ohne einen Augenblick von einer Wolke bedeckt zu werden. In ſolchen Faͤllen wird die Hitze am Lande, wie ich ſchon oben bemerkt habe, ſehr groß. Die beſtaͤndige Wirkung der Sonne, ohne Unterbrechung bey Nacht, hat einen ſo mächtigen Einfluß auf die Ausbildung und das Wachs— thum der Pflanzen, daß es vielleicht alles, was man an— derwaͤrts, ſelbſt in den fchonften Gegenden der Erde, hier: von ſieht, uͤbertrifft. Die ganze Entwickelung einer Pflanze, mm nun * ſer, die hier in Stroͤmen herabrann? Wuͤrde dieſe nicht eine ploͤtzliche Erkaͤltung der waͤrmern Luft vorausſetzen? und wie ſollte dieſe hier entſtehen, wenn die kaͤltere und ſchwerere Luft unten, und die waͤrmere und leichtere oben hin ſtroͤmte, folglich beyde ſich nicht gut vermiſchen konnten? Wie willkuͤhrlich iſt überdieß die Ans nahme eines ſolchen Gegenſtroms von Suͤden, Wien Vorhandenſeyn ſonſt durch nichts erwieſen iſt. — 333 — vom erſten Keimen des Samens bis dahin, wo ſte ausge— wachſen iſt, bluͤht und neuen Samen trägt, wird in weni- gen Wochen vollendet; und dieſe Entwickelung muß in je— der einheimiſchen Pflanze ſo ſchnell vor ſich gehen, weil ſie ſonſt dort nicht gedeihen konnte. Sehr merkwuͤrdig iſt es, daß die Hitze am Lande auf: fallend größer, als auf der See war. Wenn die Tempe— ratur am Ufer nicht weniger, als 70° war, fo flieg das Thermometer auf dem Schiffe, ſelbſt in der Naͤhe des Ufers in Scoresby's Sund, im Schatten nie über 40 Grad. Dreizehntes Kapitel. Ruͤckkehr. — Merkwuͤrdige Farbe der See. — Faroͤer⸗ Inſeln. — Beobachtungen uͤber die Wolken. — Inſel Lewis. — Furchtbarer Sturm. — Ein Offizier wird von den Wellen uͤber Bord geriſſen. — Bemerkungen uͤber Leuchtthuͤrme. — Schwierige Schiffahrt im Nordcanal. — Ankunft in Liverpool. Donnerſtag, den 27. Aug. Da ſich in der Nacht ein dicker Nebel eingeſtellt hatte, ſo verloren wir die Kuͤſte von Grönland aus dem Geſicht, und bekamen ſie nachher nicht wieder zu ſehen. Wir ſetzten unſern Lauf den ganzen Tag gegen Oſten fort, und waren nur gelegentlich genoͤ— thigt, zwiſchen den Eisfeldern und dem Treibeiſe, das Schiff nach der einen oder der andern Seite zu drehen. Der Wind blies friſch, und unſere Fahrt gieng ſchnell vor— waͤrts, obgleich durch den dicken Nebel, der ſich überall verbreitete, nicht wenig behindert. Um Mittag geriethen wir auf eine dichte Kette von Eis, die uns gerade im Wege lag, und worin wir keinen Durchweg entdeckten konn- ten. Zum Gluͤck zerſtreute ſich der Nebel zur rechten Zeit, und der Eisblink zeigte ſich ſo ſchoͤn in der Luft, daß wir ein deutliches Bild von allen den mannigfaltigen Eismaſ— ſen und den dazwiſchen befindlichen Waſſeradern erhielten. Wir ſahen daraus, daß das Eis etwas gegen Norden hin durch eine ſchmale Linie getheilt war, ſo daß wir dort ei— nen Durchweg zu finden hoffen konnten. Um dahin zu kommen, hatten wir einige Schwierigkeit und einen engen Weg; als wir aber die Stelle erreichten, die uns durch den Himmel als offen bezeichnet war, fanden wir einen freyen Canal, der uns durch die Kette von Eisfeldern in ein ziemlich offenes Waſſer fuͤhrte, wo wir unſern Lauf gegen Oſten fortſetzen konnten. Bey Sonnenuntergang banden wir das Schiff, da der Wind heftig blies, an ei— nem Eisfelde an, um der Sicherheit willen bey Nacht. Daſſelbe that der Fame. Der Dundee aber war unglück— licherweiſe im Nebel von uns abgekommen, da er einen ſuͤdlichern Lauf hielt, als wir. Die Nacht war uͤberaus finſter und ungeſtuͤm. Alles Eis war in Bewegung und machte uns viel zu ſchaffen. Bey Tages Anbruch kam uns ein Eisfeld ſo nahe, daß wir genöthigt waren abzulegen. Obgleich das Wetter ſehr duͤſter war, ſo ſetzten wir doch unſern Lauf mit ziemlicher Schnelligkeit fort. Anfangs waren wir durch eine Menge von Eis, das die Schiffe von allen Seiten umgab und uns nöthigte, uns bald hierhin bald dorthin zu wenden, ſehr belaͤſtigt; endlich aber fanden wir doch einen Ausweg. Den letzten Theil des Tages war der Wind weniger heftig und die See offener; wir konnten daher mit größerer Si— cherheit ſegeln; doch waren wir nicht ſo gluͤcklich, allen Eisſtuͤcken, die uns in den Weg kamen, auszuweichen. Wir ſtießen gegen eine Eiszunge fo ſtark, daß es uns einiges Schrek— ken verurfachte, da der Stoß einen Theil des Schiffes traf, der ſchon in dem Sturm am 23ſten beſchaͤdigt worden war. Jetzt wurde wieder ein Stuͤck von dem loſen Kiel abgeriſſen. Da der Nebel am Abend wieder ſehr dick wurde, und der Wind ſtark aus SSO. blies, fo banden wir das Schiff wie: der an ein loſes Stuck Eis an. Aber wir konnten nicht lan— ge hier bleiben, da mehrere große Eisklumpen, die auf uns zu kamen, uns noͤthigten, unſern Zufluchtsort noch vor Ta— ges Anbruch zu verlaſſen. Am 29ſten war der Nebel den ganzen Tag uͤber unge⸗ mein dick, das Wetter aber gluͤcklicherweiſe ruhig. Aus dem Wogen des Meeres, das durch das Eis drang, und es in Bewegung ſetzte, ſo wie aus dem lauten Brauſen der unun— terbrochenen Stromungen konnten wir ſchließen, daß wir wir uns dem offenen Meere naͤherten. Wir legten die Nacht wieder an mehrern Eisſtuͤcken an, da uns kein einzelnes groß genug war, um das Schiff daran zu befeſtigen. Die Nacht war fo finſter, daß man den Fame, der 150 bis 200 Pards von uns lag, nicht ſehen konnte. Die See leuchtete ſtark. Den 30. Auguſt. — Das Meer wurde unruhig und das Eis haͤufte ſich ſo ſehr um uns an, daß unſere Lage, im Fall ein Sturm zum Ausbruch kaͤme, ſehr bedenklich zu wer— den drohte. Zum Gluͤck verminderte ſich den Vormittag die Dichtigkeit des Nebels, ſo daß wir bisweilen auf eine Meile weit ſehen konnten. Wir wandten uns ſogleich, und da der Wind aus SSW. blies, richteten wir uns gegen denſelben, und kamen, nach einer Fahrt von einigen Stunden, an den Rand einer dicht zuſammengedraͤngten Menge von Eis, die alles Anſehen des Seeſtroms ) hatte. Da wir fortfuh— *) Den Seeſtrom (seas stream) erklärt Scoresby als eine lange, zuſammenhaͤngende Reihe von Treibeis — einen Eisſtrom — der auf 22 — 338 — ren, uns, an der innern Seite des Stroms, gegen den Wind zu halten, ſo entdeckten wir bald einen Bruch in demſelben, durch den es uns, nebſt dem Fame, gelang, gluͤcklich in das offene Meer zu kommen. Jetzt ſetzten wir alle Segel auf, und ſteuerten gegen SO. — einen Weg, der uns bald aus allem Eiſe gaͤnzlich herausbrachte. Es war eine große Beruhigung fuͤr mich, das Schiff auf dieſe Weiſe aus den Maſſen von Polareis, das jetzt durch die ſtuͤrmiſchen Winde, die dicken Nebel, die ſchnellzuneh- A menden Nächte immer gefaͤhrlicher wurde, gluͤcklich heraus— gebracht zu haben. Dieſe frohen Gefuͤhle erweckten zugleich unſern Dank gegen den Höchſten, deſſen Hand uns in den Ta— gen der Gefahr — es waren aber hundert Tage, die wir vom Eiſe umgeben zugebracht hatten — geſchuͤtzt und oft wunder— bar errettet hatte. i Wer mit der Schiffahrt in den Polarmeeren , ekannt iſt, kann ſich nicht leicht einen Begriff von der befiändigen Angſt und Sorge desjenigen machen, welchem die Fuͤhrung des Schiffes anvertraut iſt, wenn er es auf allen Seiten durch das Eis bedroht ſieht. Befindet es ſich zwiſchen Treib— eis, ſo kann es, bey heftigem Winde, einen Stoß bekom— men, der es zu Grunde richtet; und zwiſchen Eisfeldern, bey nebligem Wetter, wo man die Gefahren oft nicht eher wahr: nimmt, als bis es zu ſpaͤt iſt, kann es eingeſchloſſen oder in einem Augenblick zerquetſcht werden. Iſt es unter Segel, ſo iſt es faſt immer einer von dieſen Gefahren blos geſtellt; aber auch wenn es am Eiſe vor Anker liegt, iſt es auf keine Weiſe in gaͤnzlicher Sicherheit, wie wir ſelbſt auf dieſer Rei— ſe nur zu oft erfahren haben. Wo maͤchtige Eisſchollen oder der einen Seite an den offenen Ozean grenzt, und den Schif⸗ fen, die ſich auf der andern Seite oder innerhalb deſſelben befinden, einen Schutz gegen die Wogen des Meeres gewaͤhrt. 7 > k Eisfelder in Menge vorhanden find, da drehen ſie ſich faſt beſtaͤndig herum und treiben nach verſchiedenen Richtungen hin, und ſtoßen oft mit einer furchtbaren Gewalt zuſammen. Mancherley Urſachen koͤnnen die getrennten Maſſen gegen ein— ander treiben, ſo daß der Erfolg oft nicht zu berechnen iſt. So wirken oberflaͤchliche Ströme, die nicht ſelten ſind, kraͤf— tiger auf leichtes, als auf ſchweres Eis, und ertheilen jenem eine größere Geſchwindigkeit, als dieſem. Auch der Wind, der auf alles Eis wirkt, und es im allgemeinen nach der Sei— te treibt, nach welcher er weht, übt doch eine größere Gewalt auf leichtes und hoͤckriges, als auf ſchweres und ebenes Eis aus, und treibt jenes geſchwinder, als dieſes fort. Dieſe allgemeine Bewegung des Eiſes kann durch den Einfluß an— derer Eismaſſen, mit welchen jenes in Verbindung oder in Beruͤhrung kommt, abgeändert werden; und dieß kann ſo— gar ſchon durch die verſchiedenen Geſtalten, welche es annimmt, und durch feine Lage gegen den Wind geſchehen. Z. B. runs de Eisſchollen, oder ſolche, die ein regelmäßiges Vieleck bil: den, treiben gemeiniglich gerade vor dem Winde; laͤngliche Stuͤcke hingegen nehmen eine mittlere Richtung zwiſchen der des Windes und der ihrer laͤngſten Achſe. Daher iſt es un— möglich, den Gang des Eiſes im voraus mit Beſtimmtheit anzugeben; obwohl eine lange Erfahrung den Schiffer aller— dings in den Stand ſetzt, in vielen Faͤllen die Sicherheit oder Gefaͤhrlichkeit der Lage des Schiffes, in Ruͤckſicht auf die Bewegung des Eiſes, mit ziemlicher Gewißheit zu beur— theilen. Nach dieſen Umſtaͤnden alſo wird man die Erleich— terung, die der Capitain eines Schiffes empfindet, wenn er ganz aus dem Eiſe heraus ins offene Meer kommt, einiger— maßen abmeſſen können. Mein Vater pflegte ſeine Empfin⸗ dung in ſolchen Faͤllen wohl mit dem charakteriſtiſchen Aus— druck zu bezeichnen: „Nun iſt meine Wache aus!“ ) ) Dieß bezieht ſich darauf, daß die Mannſchaft auf den Schiffen in Abtheilungen, ſogenannte Wachen, getheilt iſt, gewöhnlich in drey 1 u Der letzte Tag im Auguſt war neblig, mit veraͤnderli— chem Winde. Wir ſteuerten vornehmlich gegen SO. und S., kamen aber nicht weit. Sonntag, den 1. Sept. Das Wetter blieb neblig, der Wind war oftlich, die Richtung unferer Fahrt SO gen S. An dieſem Tage kamen wir durch verſchiedene Adern oder Flecken von einem braun gefaͤrbten, oder bisweilen gelb— lich-gruͤnen Waſſer, das auf eine merkwuͤrdige Weiſe gegen das Blau des uͤbrigen Seewaſſers abſtach. Dieſe Flecken liefen in mancherley Richtungen, gemeiniglich in langen Strei— fen oder Adern, die ſich ſo weit erſtreckten, als das Auge die beſondere Farbe unterſcheiden konnte. Sie waren nicht breit, felten uber vierzig oder funfzig Pards, und bisweilen viel we— niger. Die Scheidelinie zwiſchen beyden Arten von Waſſer, dem gewöhnlichen blauen, und dem braunen, war insgemein wohl beſtimmt. Das Anſehen der braunen Stellen glich dem eines ſchlammigen Waſſers aus einem großen Strom, bey ſeinem Zuſammenfluß mit dem Meere. Etwas aͤhnliches hatte ich im Julius 1820 im grönländiſchen Meere beobach— tet; und Capitain Parry fuͤhrt eine gleiche Beobachtung an, die er in der Davis Straße gemacht haͤtte. Er ſchreibt die Erſcheinung der Beymiſchung einer großen Menge von ſuͤßem Waſſer, das von geſchmolzenem Schnee und Eis herruͤhrte, — wie es auch oben von der Mannſchaft des Baffin bemerkt worden iſt. Die zu einer Wache gehoͤrigen Leute haben den Dienſt im Schif— fe zu gleicher Zeit zu verrichten, und eine Wache loͤſt die andre ab. Dieſer Dienſt iſt nicht ſelten beſchwerlich und angreifend, und dann mag wohl mancher Matroſe, wenn er abgeloͤſt wird, ganz vergnuͤgt ausrufen: Meine Wache iſt aus! (my watch is out), Der ältere Scoresby nannte alſo die Schiffahrt im Eife feine Wache. Sie dauerte aber nicht wie bey den Matroſen, acht Stunden nach einander, ſondern bisweilen, wie bey dieſer Reiſe, wohl hundert Tage! f — 341 — zu. *) Ich ließ einen Eymer voll von dieſem gefaͤrbten Waſ— ſer herauf nehmen und zu einer kuͤnftigen Unterſuchung auf— bewahren. Am Montag war der Morgen neblig und ſtuͤrmiſch, mit dunkeln drohenden Wolken am ſuͤdlichen Himmel. Da der Wind heftig zu werden anfieng, refften wir die Segel ein. Um Mittag aber theilten ſich die Wolken und der Wind nahm plötzlich ab, und fprang von Oſten nach SSO. um. Ge: taͤuſcht durch dieſen Anſchein, ſpannten wir, ohne den treu— en Rathgeber, das Barometer, zu befragen, die Segel wie: der aus. Aber die Milderung des Windes war von kurzer Dauer. Er ſprang wieder nach Oſten zuruͤck, und noͤthigte uns ſogleich, die Segel wieder zuſammen zu ziehen. Gegen die Nacht ſank das Barometer auf 28,“ 35 — einen ſo tiefen Stand hatte ich nie zuvor auf meiner Heimreiſe beobachtet, und beſorgte daher einen heftigen Sturm. In dieſer Erwar— tung machten wir alle moͤglichen Vorkehrungen; gluͤcklicher weiſe aber dauerte der Oſtwind bey uns fort, und widerſtand der Gewalt des durch das Barometer angedeuteten Sturms; welcher offenbar, in nicht großer Entfernung von uns gegen Weſten, mit ungeheurer Staͤrke obwaltete. Einen hinrei— chenden Beweis davon hatten wir in der furchtbar hohen See, die dem Schiff gerade entgegen gieng und unſer ee und unſere Maſten i in große Gefahr brachte. In dem Laufe dieſes Tages erhielt ich zwey oder drey Sonnenblicke, welche mir die Breite 68 26“ und die Laͤnge 11555“ weſtlich gaben. Das am Sonntage heraufgenommene, braun-⸗gefaͤrbte Seewaſſer wurde jetzt mit dem Mikroſkop unterſucht. Der „) S. deſſen obenangefuͤhrte Neife S. 7. = färdende Stoff hatte ſich geſetzt, und in Faſern und kleine Kluͤmpchen vereinigt. Dieſes waren offenbar die Ueberreſte von kleinen Thierchen; aber die eigentliche Geſtalt und Große - derſelben ließ ſich wegen ihres engenzuſammenhaͤngens nicht be— ſtimmen. Indeſſen, aus ihrem allgemeinen Anſehen zu ſchlie— ßen, zweifelte ich nicht, daß fie von ähnlicher Beſchaffenheit, als diejenigen ſind, welche dem Seewaſſer die gelblich-gruͤne Farbe geben, die ich bey dieſer und andern Gelegenheiten beobachtet habe. ) Im Sommer 1820 traf ich unter 700 34“ N. Br. auf eine Gegend, wo das Meer auf eine Strecke von mehrern Stunden mit großen Flecken, und langen Streifen dieſer gelblich -gruünen Farbe bezeichnet war. Wenn das Schiff ei⸗ nen ſolchen Flecken oder Streifen durchſchnitt, ſo blieb das farbige Waſſer getrennt, zum Beweiſe, daß der faͤrbende Stoff nur ganz oberflächlich vorhanden war. *) Auch hier unterſuchte ich das gefärbte Waſſer mit dem Mikroſkop, und fand, daß es kleine Thierchen in zahlloſer Menge enthielt. Der größte Theil derſelben ſchien nur wenig Bewegungskraft zu beſitzen; der übrige Theil aber, vielleicht ein Fuͤnftel des Ganzen, war in beſtaͤndiger Bewegung. Einige von dieſen hatten eine etwas wogenfoͤrmige Bewegung, mit einer Ge— ſchwindigkeit von Töſtel eines Zolles in einer Sekunde; und andere drehten ſich mit betraͤchtlicher Geſchwindigkeit herum. Dieſe Mannigfaltigkeit machte das Schauſpiel, welches die Unterſuchung gewaͤhrte, ſehr unterhaltend und lebendig. Aber auch die lebhafteſten Thierchen, deren Bewegung unter dem *) Von dieſen Thierchen iſt oben S. 34 ein mehreres geſagt worden. *) Es war hier alſo anders damit beſchaffen, als in dem oben er⸗ waͤhnten Fall, wo, freylich nur nach Muthmaßung angenommen wird, der faͤrbende Stoff erſtrecke ſich bis zu einer Tiefe von 250 Faden. | — 343 — ſtark vergroͤßernden Mikroſkop ſchnell zu ſeyn ſchien, bewegten ſich in der That nur ſehr langſam; denn ſie kamen nicht uͤber einen Zoll weit in drey Minuten. Mit dieſer Geſchwindigkeit wuͤrden fie 150 Tage brauchen, um eine Seemeile zuruͤckzulegen. Der Condor könnte, wie man insgemein glaubt, von einem guͤnſtigen Winde unterſtuͤtzt, ungefaͤhr in einer Woche um die ganze Erde, unter dem Aequator, herum fliegen; dieſe Thierchen könnten einen gleich großen Weg in ſtillem Waſſer nicht in weniger als 8935 Jahren zurücklegen. Die unbegreifliche Kleinheit und außerordentliche Menge dieſer mikrofkopiſchen Geſchoͤpfe macht in der That einen bes wundernswuͤrdigen Gegenſtand, der das Gemuͤth des nach— denkenden Beobachters in das höchſte Erſtaunen fegen muß. Das Mikroſkop zeigte mir in dem Felde eines kleinen Qua⸗ drats, deſſen Seite ziritel eines Zolls betrug, im Durch—⸗ ſchnitt 50 ſolcher Thierchen; und ein Waſſertropfen bedeckte auf dem Mikrometer⸗Glaſe 529 ſolcher Quadrate; folglich muͤſſen in einem einzigen Waffertropfen dieſes gelblich-gruͤ⸗ nen Meeres, der keinesweges von einer der am meiſten ge⸗ faͤrbten Stellen geſchoͤpft war, auf 26450 jener Thierchen enthalten ſeyn; und dieſe bewegen ſich darin, ohne einander zu ſtören, mit einer Freyheit, wie der Wallſiſch im Ozean. Eine einzige Tonne dieſes gefärbten Waſſers enthält über hundert Millionen dieſer Geſchoͤpfe — wie viele muͤſſen in dem ganzen groͤnlaͤndiſchen Meere enthalten ſeyn! Am dritten September mit Tages Anbruch legte ſich der Wind, und machte uns Muth, die Segel auszuſpannen. Den Nachmittag aber drehte er ſich wieder gegen Norden, und fieng gleich an mit Heftigkeit zu blaſen. Ich hatte ſchon gehofft, das böſe Wetter, welches fo lange durch das Baro— meter angedeutet war, hatte ſich in einer andern Breite ent: laden, und waͤre uns voruͤber gegangen; aber es holte uns endlich ein. Der Wind wuchs ſo ſchnell, daß, ehe wir un⸗ 3 ſere Segel hinreichend einziehen konnten, das ſtehende Reif *) vom großen Marsſegel nachgab, und dieſes ſogleich zerriß. Als der Sturm feine groͤßte Staͤrke erreichte, bot das Meer um uns her einen erhabenen Anblick dar. Das Schiff flog mit einer Geſchwindigkeit von zehn Knotenlaͤngen dahin — was uns, die wir fo lange an ebenes Vaſſer und eine langſame Fahrt gewöhnt waren, ein eigenes Gefühl erweck— te. Indeſſen erhob ſich das Meer zu einer furchtbaren Höhe, die jenes angenehme Gefuͤhl wieder niederhielt. Woge auf Woge folgten uns in ſchnellem und mannigfaltigem Wechſel, brachen ſich und brauſten an beyden Seiten des Schiffes, und ſpritzten von Zeit zu Zeit ihren Schaum über das Ver: deck hin. Der Himmel war mit einem duͤſtern Schleyer bes deckt, und die untere Luft durch den Schaum der ſich bre— chenden Wogen verdunkelt. Kaum hatten wir das große Marsſegel wieder zurecht gemacht, ſo ſchlug eine maͤchtige Welle gegen das Steuer— ruder und riß das Steuerreep *) entzwey. Da wir gerade den Wind von der Seite hatten, ſo haͤtte das Schiff leicht Peng können; aber bey der vortrefflichen Einrichtung und dem vollkommenen Gleichgewicht deſſelben, bekam es nicht einen Tropfen Waſſer an Bord, wo hundert andere ihre Maſten verloren hätten und viele zu Grunde gegangen waͤren. Wir legten bey, bis der Schaden wieder gut ge— macht war, und ſetzten dann unſern Lauf gegen Suͤden fort. Um Mitternacht befanden wir uns in der Breite des nordli: lichen Theils von Island, und durchſchnitten dieſen Parallel⸗ **) Leik iſt ein Tau, womit ein Segel umfaßt wird, und woran die Kanten deſſelben feſtgenaͤhet werden. Es erhält nad) feiner verſchie⸗ denen Stelle verſchiedene Beynamen. **) Steuerreep iſt das Tau, welches um die Welle des Eteuekrabet liegt, und womit die Ruderpinne bewegt wird. a kreis in einer dunkeln ſtuͤrmiſchen Nacht mit vieler Beſorg— niß. Die Beobachtung der Sonne am 2ten gab uns, nach dem Chronometer, eine Lange, die etwas öoſtlich von dieſer Inſel war; aber da der Gang deſſelben nicht hinreichend bekannt war, ſo war es moͤglich, daß dieſe Angabe nicht richtig war. Gluͤcklicherweiſe aber war dieſe Beſorgniß un— gegruͤndet, und wir kamen gluͤcklich durch den uͤbrigen Theil der Nacht hindurch. Es verdient bemerkt zu werden, daß das Barometer, welches uͤber 30 Stunden vor dem Anfange des Sturms auf 28“, 35 gefallen war, wieder an— fieng zu ſteigen, in dem Augenblick, da der Sturm feine größte Höhe erreichte. Es flieg ungefähr 5 Zoll in ſehr kur⸗ zer Zeit. Dieſes Steigen des Queckſilbers beym Anfange eines Sturms iſt etwas, was ich oft beobachtet habe. Es zeigt aber nicht etwa eine kurze Dauer oder ein baldiges Aufhören des Sturmes an; denn ich habe oft geſehen, daß Stuͤrme dreyßig bis vierzig Stunden, darnach mit gleicher Staͤrke angehalten haben. Der Sturm fieng bald nach Tages Anbruch an abzu— nehmen, und um 8 Uhr konnten wir die Segel wieder aus— ſpannen. Unſere Breite um Mittag war 64° 56“, die Länge 10° 7“ weſtl. Da das Barometer gegen Abend wieder auf 28“, 60 gefallen war, und das Wetter dunkel, reg— nicht und drohend war, ſo hielten wir fuͤr rathſam, uns auf einen neuen Sturm vorzubereiten. Zum Gluͤck aber traf er uns nicht, obgleich eine bergige See, die ſich von Weſten her erhob, uns zeigte, daß er in nicht großer Ent— fernung von uns hauſte. Am 5. war das Wetter noch immer ſtuͤrmiſch und un— freundlich, und die See gieng von mehrern Seiten hoch. Am Abend ließ ſich ein ſchwaches Nordlicht ſehen. Wir hielten uns heute gegen SW. nach dem Kompaß, wodurch wir hoffen konnten, bey den Farber-Inſeln vorbey zu kom „ men. Da aber der Wind in der Nacht nach Suͤden um— ſprang, fo waren wir genoͤthigt, eine mehr öſtliche Rich- tung zu nehmen; dieß brachte uns um 10 Uhr des Morgens Land zu Geſicht. Es zeigte ſich, daß dieß Myngeneß, die weſtlichſte von den Farder-Inſeln, war. In der Nähe ders ſelben erhielt ich einige Beobachtungen zu Beſtimmung der Laͤnge, und da die Lage der Inſel von den Daͤnen gut be— ſtimmt iſt, fo konnte ich darnach den Fehler meines Chro— nometers beſtimmen. Dieſer gab die Laͤnge von Mynge— neß zu 8 10“ anſtatt 7° 25°, welches die Lage iſt, die fie auf den Karten hat. Der Unterſchied von 45“ im Bogen, oder drey Minuten in Zeit mußte der Fehler des Chrono— meters ſeyn. ) Pr Den Nachmittag Famen wir, in einer Entfernung von etwa ſechs Stunden von Myngeneß, durch eine Stelle, wo es eine Menge kleiner Flecken von dunkelbrauner Farbe gab, die jedoch ſowohl in der Beſchaffenheit der Farbe, als an Geſtalt von denen, die wir am 1ſten geſehen hatten, verſchieden waren. Einige unſerer Matroſen, die bey dem Haͤringsfang geweſen waren, ſchrieben fie den Haͤringen oder dem Härings-Laich zu. Ein großes Netz (das wir von einer Freundin, um See-⸗Inſekten zu fangen, erhalten hatten) wurde ausgewor— fen, indem wir durch einen dieſer braunen Flecken kamen, und brachte eine Menge von Meduſen, kleinen Seeſternen, und zwey Garneelen herauf. Am Abend, da der Wind gegen NWeagen W. kam und ziemlich ſtark blies, wandten wir das Schiff gegen Suͤden, und kamen, mit eingerefften Segeln, gluͤcklich an den Fa— röer⸗Inſeln vorüber. *) Indeſſen hat dieſer Fehler keinen Einfluß auf die in dieſem Tage: buch angegebenen Längen-Beftimmungen ; weil dieſe, wie ich ſchon oben erinnert habe, durch die nachherigen Verbeſſerungen des Chrono: meters berichtigt worden ſind. S. — Mr Die Gipfel der hoͤhern Felſen von Kalfoe und Oſtroe waren, wie man ſehen konnte, mit Wolken bedeckt, die in einem anſcheinend ruhigen Zuſtande blieben, waͤhrend ein ziemlich ſtarker Wind alles übrige Gewoͤlk mit großer Schnelligkeit fortfuͤhrte. Dieß iſt eine auf dieſen Inſeln, wie in allen bergigen Gegenden, ſo gewoͤhnliche Erſcheinung, daß ſie kaum angefuͤhrt zu werden verdiente, waͤre ich nicht durch fie ſchon früher auf eine Erklaͤrung dieſes Stil: leſtehens der Wolken geleitet worden, die, ſo viel ich weiß, neu iſt.“) Die Kraft, welche dem Schweben der Wolken —— *) Ich habe dieſe Theorie vor ungefähr zwey Jahren zuerſt der Li— verpooler „Geſellſchaft von Reiſenden in fremde Laͤnder“ (Society of Travellers into foreign countries) vorgelegt. S. f Die Meinung, auf welche Scoresby die nachfolgende Erklaͤ— rung ſtuͤtzt, iſt in der That nicht neu zu nennen. Schon lange vor ihm haben andere behauptet, daß man die Wolken nicht fuͤr ein ſo beſtaͤndiges Phänomen anzuſehen habe, als fie zu ſeyn ſchei— nen, ſondern daß ſie in einem immerwaͤhrenden Wechſel begriffen ſind: waͤhrend ſich an ihrer Außenſeite die Duͤnſte, aus welchen ſie beſtehen, ohne Unterlaß zerſtreuen, erzeugen ſich in ihrem In— nern immer neue Duͤnſte; und eine Wolke iſt nicht zwey Augen— blicke nach einander daſſelbe Ding. Dieſes hat unter andern de Luͤc in ſeinen „Neuen Ideen uͤber die Meteorologie“ Ar Th. Ir Abſchn. über die Dauer der Wolken) darzuthun gefucht. Noch ſorgfaͤltiger hat es Hr. v. Buch in ſeiner ſcharfſinnigen Abhandlung uͤber die Bildung des Hagels (Abhandl. der Berl. Akad. d. Wiff, auf 1814 und 1815.) gethan; und dieſe Ans ſicht zur Erklarung deſſelben Phänomens, von welchem hier die Rede iſt, naͤmlich, des ſcheinbaren Stilleſtehens der Wolken an Bergen, angewandt. Seine Erklaͤrung ſtimmt auch mit der obigen in der Hauptſache uͤberein; nur nimmt er nicht, wie es hier geſchehen iſt, die Elektrizität dabey in Anſpruch, ſondern leitet die Entſtehung und Aufloͤſung der Duͤnſte blos aus dem Temperatur⸗-Unterſchied der ver ſchiedenen zuſammentreffenden Luftmaſſen her. Indeſſen leidet es gewiß nicht den geringſten Zweifel, daß Scor. dieſe Meinung feis — entgegen wirkt, iſt die Schwere, die aber wegen des Wi— derſtandes, den ſehr kleine Körperchen, wie die faſt unſicht— baren Dunſttheilchen in den Wolken, bey ihrem Herabfal— len durch die Luft erleiden, keine große Geſchwindigkeit hervorbringen kann; diejenige Kraft aber, welche dem Stil⸗ leſtehen der Wolken an den Spitzen der Berge, bey ſtuͤr— miſchem Wetter, entgegen iſt, iſt der Wind, der wohl eine Geſchwindigkeit von funfzig Meilen in einer Stunde, und daruͤber, haben kann. Daher wird dieſelbe Urſache, welche die Wolken, gegen die Wirkung des Windes, an den Ber— gen zuruͤckzuhalten vermag, auch hinreichend ſeyn, ſie in der Luft ſchwebend zu erhalten, da es hierzu vielleicht nicht eines Zehntels der Kraft bedarf, die zu jener Wirkung er— forderlich iſt. Zwar kann man, was das Stilleſtehen der Wolken an den Bergen betrifft, den Einwurf machen, daß, wenn auch in den untern Gegenden der Atmoſphaͤre ein hef— tiger Wind weht, doch die Luft an den Spitzen der Berge ruhig ſeyn kann. Dieſer Einwurf wird allerdings durch die bekannte Erfahrung, daß in verſchiedenen Hohen zu glei— cher Zeit verſchiedene Luftſtröme ſtatt finden können, ge— rechtfertigt; allein es laſſen ſich andere Thatſachen anfuͤh— ren, aus denen erhellet, daß in ſolchen Faͤllen, wo die Wolken ſtille ſtanden, der Wind ſowohl in der Hoͤhe, als in der Tiefe geherrſcht hat. Solche Thatſachen wird ein jeder, beym Beſteigen der Berge, wahrnehmen können, ſo daß es kaum noͤthig iſt, dergleichen anzuführen. Indeſſen mögen folgende zwey Beyſpiele zur Unterſtuͤtzung meiner — — — — nes Vorgänger nicht gekannt-hat, und für ſich ſelbſt auf feine Er: klaͤrung gekommen iſt — denn niemand iſt wohl mehr bereit als er, den Verdienſten anderer Gerechtigkeit wiederfahren zu laſſen. — Hoͤchſt merkwuͤrdig und fuͤr die Unterſuchung dieſes Gegenſtandes beſonders wichtig iſt unſtreitig die von ihm weiter unten angefuͤhrte Beobachtung auf dem Gipfel des Benlomond, eines Berges in Schottland. - 3 Behauptung dienen. Auf einer fruͤhern Reiſe hatte ich Ge— legenheit zu ſehen, daß die hoͤchſte Spitze der Inſel Oſtroe mit einem ſolchen ſtillſtehenden Gewölk bedeckt war, waͤh— rend, bey einem heftigen Winde, der untere Theil der At— moſphaͤre voll von abgeriſſenen Wolken war, dergleichen die engliſchen Seeleute „scud“ nennen, die mit großer Schnelligkeit fortflogen.“) Einige von dieſen waren offen— bar in gleicher Höhe mit dem hoͤchſten Theil des Landes; denn man ſah bisweilen eine ſolche Wolke gegen den Gi— pfel des Berges fliegen, und ſich zum Theil mit dem daſelbſt ruhenden Gewoͤlke vereinigen, waͤhrend der uͤbrige Theil derſelben mit unveraͤnderter Schnelligkeit weiter flog. Das andere Beyſpiel habe ich am Benlomond geſehen. Ich be— ſtieg dieſen Berg an einem ſchoͤnen Tage im October. In der Luft zeigten ſich einige Wolken, die ſich ſchnell fortbe— wegten, da der Wind hoch gieng; aber ſie waren klein und in geringer Menge. Die Spitze des Benlomond war mit einem ruhenden Gewoͤlk bedeckt. Dieſes ſchien ein Nebel von der dichteſten Art zu ſeyn. Die Dunſttheilchen waren ſehr klein, und flogen, vom Winde getrieben, ſchnell an mir vorbey. Auf der Spitze ſelbſt war der Wind ſo arg, daß ich mich kaum auf den Fuͤßen halten konnte; dennoch behielt das Gewölk ſeinen feſten Stand mehrere Stunden lang. Da es dieſes nun unmöglich hätte thun koͤnnen, ohne ein Beſtreben, ſich mit einer Geſchwindigkeit, welche der des Windes gleich war, gegen denſelben zu bewegen — eine Annahme, die es thoͤricht ſeyn würde zu machen — ſo mußte das Stilleſtehen deſſelben nur ſcheinbar ſeyn, und von einer fortwaͤhrenden Erzeugung der waͤſſerigen Duͤnſte *) Scud, das fo viel als ein Guß, ein Platzregen heißt, bezeich- net unſtreitig die grauen, flockigen Wolken, von verſchiedener Groͤße, die, bey bedecktem Himmel, unter den hoͤhern, mehr weiß ausſehen⸗ den, Wolken hinfliegen und gemeiniglich Regen bringen. 3 auf der einen Seite, und einer eben fo ſchnellen Aufloͤ— ſung oder Zerſtreuung derſelben auf der andern herruͤhren. In dieſem Fall alſo iſt es gewiß, daß das anſcheinende Stilleſtehen der Wolken die Wirkung einer Verdichtung in der Luft, bey ihrer Annäherung gegen den Berg, und ei: ner Auflofung oder Zerſtreuung, bey ihrer Entfernung von demſelben, war; ſo daß, waͤhrend die Wolke einem ent— fernten Beobachter immer dieſelbe Dunſtmaſſe zu ſeyn ſchien, die, wohl eine Viertelſtunde lang, weder an Ge— ſtalt noch Größe ſich merklich veränderte, fie doch in der That in einem beſtaͤndigen Wechſel begriffen war, und das Ganze der Theilchen, woraus ſie beſtand, ſich vielleicht jede Minute erneuerte. Die Urſache dieſer Erſcheinung muß man entweder in der Elektrizitaͤt, oder in der Temperatur ſuchen. In einem Fall wie der gegenwärtige, iſt es höchſt wahrſcheinlich Elektrizitaͤt, von der die Wirkung herrührt. Feuchte Luft nämlich, die ſonſt durchſichtig iſt, wird, wenn ſie in Beruͤhrung mit hohen Bergſpitzen, oder vielmehr in den elektriſchen Wirkungskreis derſelben kommt, durch die Feuchtigkeit, die ſich alsdann abſetzt, truͤbe und undurch— ſichtig, und dieſer Zuſtand dauert ſo lange, bis ſie durch die elektriſche Atmoſphaͤre hindurch gegangen iſt; alsdann wird die Feuchtigkeit wieder aufgelöſt, und verſchwindet. Setzen wir nun ſtatt der Veranderungen in dem elek— triſchen Zuſtande der Luft, oder in der elektriſchen Wirkung, Veraͤnderungen in der Temperatur oder in der Feuchtigkeit der Luft, ſo erhalten wir, duͤnkt mich, auch die Erklaͤrung von dem Schweben der Wolken, ohne zu der unphiloſophi— ſchen Annahme von Dunſtblaͤschen, die leichter als die Luft wären, zu greifen. Wir ſtellen uns vor, daß in der Gegend der Atmoſphaͤre, in welcher gewoͤhnlich die Wol— ken ſind, zwey Mengen vollkommen feuchter Luft, von verſchiedener Temperatur, ſich mit einander vermiſchen, gleichviel aus welcher Urſach. Die Wirkung davon muß, „ nach Hutton's ſinnreicher Theorie vom Regen, eine Vers dichtung eines Theils der Feuchtigkeit zu einem Dunſt ſeyn. Dieſer Dunſt, ſo fein auch ſeine Theilchen ſeyn, und ob ſie aus Bläschen beſtehen moͤgen oder nicht, muß ſchwe— rer als die Luft ſeyn und folglich in ihr nieder ſinken. SIE er durch eine gewiſſe Strecke gefallen, ſo kommt er vielleicht in eine Schicht von verhaͤltnißmaͤßig trockner Luft, oder Luft, die nicht mit Feuchtigkeit gefättigt iſt, und dann wird er durch dieſe aufgelöſt und verſchwindet. Auf dieſe Art laßt ſich das Schweben der Wolken aus allgemein bekannten und angenommenen Grundſaͤtzen erklaͤren. Das Beſtaͤndige in der Geſtalt und Lage der Wolken in der freyen Atmoſphäͤre iſt, fuͤrchte ich, eben ſo wie bey den Wolken an den Spitzen der Berge, mehr ſcheinbar, als wirklich — die Wolken ſcheinen zu ſchweben, indem auf der obern Seite derſelben ſich ununterbrochen Feuchtigkeit verdichtet, und an der un— tern wieder aufloͤſt. um dieſe Erklarung noch deutlicher aus einander zu ſe— tzen, wollen wir drey horizontale Luftſchichten uͤber einander, in betraͤchtlicher Hoͤhe, annehmen, die ſich mit verſchiede— ner Geſchwindigkeit bewegen. (Wir bezeichnen ſie mit Nr. 1., Nr. 2. und Nr. 3., fo daß Nr. 1. die hoͤchſte bedeute.) Geſetzt, die beyden oberſten waͤren von ungleicher Tempe— ratur, (Nr. 1. — 40%; Nr. 2. 500), und bewegten fich entweder mit verſchiedenen Geſchwindigkeiten, oder in ver— ſchiedenen Richtungen; ſo werden ſie ſich mit einander ver— miſchen, und es wird, im Fall fie vollkommen feucht find, eine Verdichtung erfolgen, und der verdichtete Dunſt wird das Anſehen einer Wolke haben. Die Schwere macht als— dann, daß die Dunſttheilchen fallen, und ſo lange ſie durch eine vollkommen feuchte Luft von gleicher Temperatur ge— hen, behalten fie das Anſehen einer Wolke bey; fo bald fie aber in die Schicht Nr. 3., von trocknerer Luft und gleicher Temperatur, kommen, werden fie aufgeloſt und verſchwin— „ den. Dieſe Stelle bezeichnet die untere Grenze der Wolke. Sollte aber der herabfallende Dunſt nicht in eine trocknere, ſondern in eine gleich feuchte Luft gerathen, ſo muß er bis auf die Erde fallen; und wenn die Temperatur der untern Luft hoͤher, als die des Dunſtes waͤre, ſo wuͤrde die Luft etwas von ihrer Waͤrme verlieren und die des Dunſtes etwas erhöht werden; dadurch wuͤrde wieder ein Nieder; ſchlag der Feuchtigkeit in der untern Luft entſtehen (weil, wenn dieſe mit Feuchtigkeit geſaͤttigt war, ſie bey einer nie— drigern Temperatur nicht gleich viel Feuchtigkeit halten konnte), wodurch die waͤſſerigen Theilchen, wegen ihrer großern Menge, einander naͤher gebracht und ein größeres Beſtreben ſich zu vereinigen erhalten wuͤrden, bis ſie zu der Groͤße von Tropfen anwuͤchſen, die dann herabfielen und den Regen bildeten. So zeigt ſich alſo, daß die gegebene Erklaͤrung von dem Schweben der Wolken, vollkommen mit unſerer Vorſtellung von der allgemeinen Urſache des Regens tiber: einſtimmt. In der That laſſen ſich dieſelben Schluͤſſe, die zur Erklaͤrung der einen Erſcheinung gelten, mit gleichem Recht auch auf die andere anwenden. Nach dieſer Theorie hat es keine Schwierigkeit einen Grund anzugeben, warum die Wolken nur einen beſchraͤnk— ten Raum einnehmen; wenn man gleich nicht von allen Abaͤnderungen, die bey ihnen vorkommen, Rechenſchaft verlangen kann. Dieſe zu geben dürfte nicht eher möglich ſeyn, als bis wir genaue Beobachtungen uͤber den hygro— metriſchen und thermometriſchen Zuſtand der Atmoſphaͤre in den Gegenden, wo dieſe Abänderungen ſtatt finden, erhalten haben. Eine Wolke wird ſich an derjenigen Stelle endigen, wo die beyden Luftſchichten (Nr. 1. und Nr. 2.) einerley Temperatur haben. Wenn alſo die Luftſchicht Nr. 2., von der wir oben angenommen haben, daß ihre Tempe— ratur durchgehends — 50° ſey, an einer Stelle nur 40° hat, fe kann hier kein Niederſchlag der Feuchtigkeit ſtatt „ finden; folglich wird hier die Wolke aufhoͤren. Auf gleiche Art wollen wir annehmen, daß die Luftſchichten Nr. 2. und Nr. 3. in Ruhe ſind, waͤhrend Nr. 1. ſich in Bewegung befindet; und daß Nr. 1. eine durchgehends gleiche Tempe— ratur, Nr. 2 aber an verſchiedenen Stellen der obern Flaͤ— che abwechſelnd 40° und 50° Wärme habe, jedoch durch: aus bis zur Sättigung feucht ſey — fo wird die Wolke in Nr. 2. die Geſtalt der Luftmaſſen von hoͤherer Temperatur annehmen, und kann aus einer Menge von Streifen oder Haufen, von verſchiedener Groͤße und Dichtigkeit, zu beſte— hen ſcheinen. Indeſſen muß ich erinnern, daß durch dieſe Erklaͤrung nicht geleugnet werden ſoll, daß manche Wolken einen elektriſchen Urſprung haben, noch daß die Elektrizitaͤt bis— weilen auf die Entſtehung des Regens einen Einfluß hat. Denn es iſt hoͤchſt wahrſcheinlich, wo nicht gewiß, daß die Gewitterwolken ihre beſondere Geſtalt und ihr Anſehen von ihrem elektriſchen Zuſtand erhalten, und daß Gewit— terregen, Hagel im Sommer, und die Bildung von Eis— klumpen in der Atmoſphaͤre Erſcheinungen ſind, an deren Entſtehung die Elektrizität einen großen Antheil hat. Die nördliche Seite der Farder-Inſeln iſt voll von un: geheuern, ſenkrechten Felſen, die, einigermaßen ſaͤulenartig, ihre ſtolzen Gipfel bis zu einer Hoͤhe von 1500 bis 2000 Fuß uͤber den Ocean erheben; und den Verheerungen der Zeit, wie den Verwuͤſtungen der Elemente Trotz bieten. Ich bin einmal einem derſelben, unter merkwuͤrdigen Um— ſtaͤnden, nahe gekommen. Das Wetter war neblig und ſtuͤrmiſch; wir ſahen uns aͤngſtlich nach Land um. Ein Re: genſchauer, der bey uns voruͤber gieng, verſchaffte uns eine etwas weitere Umſicht; da erblickten wir auf einmal einen DRS — 354 — furchtbar ſteilen Felſen, der faſt uͤber der Spitze unſerer Maſten zu haͤngen ſchien, nicht eine Viertelmeile weit von uns, unter dem Winde. Die Wellen brachen ſich mit unge— heurer Gewalt an ſeinem Fuß, und an manchen Stellen ſchoß das Waſſer in Saͤulen oder Strahlen auf hundert Fuß und darüber in die Hohe. Der obere Theil war groß: tentheils in Wolken gehuͤllt, uͤber welche die Spitze noch hervorragte; dieß und die abſchreckende Schwaͤrze des Fel— ſens — die ſteile Höhe deſſelben, die etwa 2400 Fuß be— trägt — das Schaͤumen der Wogen — das Toben des Sturms — die allgemeine Dunkelheit um uns her — und das Drohende der Gefahr, obwohl mehr ſcheinbar, als wirklich — machte zuſammen eine ſo furchtbar erhabene Scene, als ich je eine geſehen habe. An dieſen Inſeln herrſcht gemeiniglich ein nebliges und ſtuͤrmiſches Wetter. Ich habe ſie mehreremal geſehen, aber immer unter aͤhnlichen Umſtaͤnden. Im Fruͤhjahr 1821 kam ich auf der Seite, die unter dem Winde lag, bey ih— nen vorbey, und fand die ganze Reihe derſelben mit einer zuſammenhaͤngenden dichten Maſſe dunkler Wolken bedeckt. Dieſe Wolken erſtreckten ſich unterhalb dem Winde oder weſtwaͤrts ſo weit als nur das Auge reichte, und es ſtröm— ten haͤufige Regenguͤſſe aus ihnen herab, und heftige Wind— ſtöße brachen aus ihnen hervor, waͤhrend der Himmel ſo— wohl gegen Norden, als gegen Suͤden von dem Land— meiſt hell war. Die Wolkendecke war ſo dicht, daß das Licht, welches ſie durchließ, dem Lande das Anſehen eines dunkeln Panorama's gab, indeß die hoͤhern Stellen der Vor— gebirge, Felſen und Berge, zu welchen die Sonnenſtrahlen durchdrangen, durch ihren Glanz fo ſehr dagegen abſtachen, wie die hellern Stellen in einem ungleich erleuchteten Ge— maͤlde gegen die dunklern. Die Wirkung davon war eben fo uͤberraſchend, als fhon. Die Windſtoͤße, die man an den Felſen dieſer Inſeln erfaͤhrt, ſind oft außerordentlich heftig. Es ſcheint, daß fie durch irgend eine Kraft, (ob eine elek— triſche oder nicht, iſt ſchwer auszumachen), die beſchraͤnkend auf den Wind wirkt, und von den hoͤhern Felſen herruͤhrt, hervorgebracht werden.“) Dieſe iſt Urſach, daß die Luft ſich ſo ſehr anhaͤuft und verdichtet, daß ſie endlich die be— ſchraͤnkende Kraft uͤberwindet, zuruͤckfaͤhrt, und mit ſo gro— ßer Heftigkeit auf die ihr entgegenſtehenden Dinge trifft, daß die Maſten der Schiffe in Gefahr kommen zu bre— chen, und das Waſſer der Wogen ſich in Schaum ver— ſpritzt. | Den 7. September. Die See leuchtete in der Nacht ſtellenweiſe, in großen runden Flecken — wahrſchein— lich die Wirkung aͤhnlicher Haufen zahlreicher Meduſen, als wir den Abend zuvor geſehen hatten. Der Wind war im Ganzen guͤnſtig, aber wir ruͤckten doch nicht weit vor, weil wir durch ein ſtarkes Wogen des Meeres von NRW., WSW. und S. ſehr aufgehalten wurden.“ ) Unſere Breite um Mittag war 60° 28 die Fänge 7° 30“ weſtlich. *) Es iſt eine bekannte Erfahrung, daß aus tiefen Thaͤlern, Berg— ſchluchten, Höhlen oft plotzlich ein heftiger Windſtoß hervorbricht. Auf Seeen, die von Bergen eingeſchloſſen ſind, iſt daher die Schif— fahrt oft unſicher und gefaͤhrlich. Es ſcheint, daß die dieſen Orten natürliche Kälte Urſache ift, daß ſich die Luft in ihnen zuſammen— zieht, und eine ungleiche Spannung zwiſchen ihr und der benach— barten Luft entſteht. Die geringſte Stoͤrung in dem Gleichgewicht des Drucks, der von der einſchließenden Luft gegen die eingeſchloſſene ausgeuͤbt wird, macht, daß dieſe dann mit groͤßerer oder geringe— rer Gewalt, nach Verſchiedenheit der Umſtaͤnde, hervorbricht. — Die Elektrizitaͤt aber hat wohl keinen Antheil an dieſer Wirkung. *) Es iſt in dieſer Reiſe an mehrern Orten von einem Wo gen des Meeres die Rede, das im Engl. mit dem Ausdruck swell bezeichnet iſt; und Scor. erklaͤrt dieſes in ſeinem Werke uͤber die Polargegen- den, durch die ſanften wellenfoͤrmigen Bewegungen (smooth un- 23 * Ba — Wir fahen mehrere kleine Landvogel und Habichte flie— gen. Dieſe waren alle ſo matt, daß ſie ſich meiſtens auf dem Schiffe niederließen, und mehrere von beyden Arten lebendig gefangen wurden. Wahrſcheinlich hatten die Ha— bichte die kleinern Voͤgel verfolgt, und zur Flucht vom Lande genothigt. Die ungeſtuͤme See dauerte den andern ganzen Tag fort. Obgleich wir einen ziemlich ſtarken Wind gerade von hinten hatten, ſo kamen wir doch nur wenig weiter; und bisweilen wirkten die Wogen dem Schiffe ſo ſtark entgegen, daß der Lauf deſſelben gaͤnzlich gehemmt wurde. Um 6 Uhr des Morgens, am 9. Septbr., entdeckten wir Land, wovon es ſich zeigte, daß es die Inſel Lewis war; und um 1 Uhr Nachmittag kamen wir gerade auf Cap Gallan zu. Das Wetter hatte ein ſtuͤrmiſches Anſe— dulations) des Meeres, die nach einem Sturm uͤbrig bleiben, oder die jenſeits des eigentlichen Gebietes eines Sturmes in dem benach— barten ruhigen Meer entſtehen. In den Polarmeeren, ſagt er, iſt dieſe Art des Wogens des Meeres oft der Vorbote eines Sturmes. Sie kommt haͤufiger in der Naͤhe des feſten Eiſes und unter loſem Treibeiſe, als im offenen Meere vor. In den gemäßigten und kal— ten Erdſtrichen, wo die Winde ſehr veraͤnderlich und auf kleinere Strecken beſchraͤnkt find, laßt ſich bisweilen ein ſolches Wogen nach zwey oder drey verſchiedenen Richtungen zu gleicher Zeit wahrneh— men — was den Schiffern, beſonders zwiſchen dem Eiſe, große Beſchwerde verurſacht, und oft nicht geringe Gefahr bringt. In andern Faͤllen kann es ihnen nuͤtzlich werden, und ſie, wenn ſie vom Eiſe eingeſchloſſen find, aus einer bedenklichen Lage befreyen — in— dem dieſe Art der Bewegung des Meeres beſonders wirkſam iſt, das Eis zu zerbrechen. Die groͤßten feſtſtehenden Eisfelder werden oft in wenigen Stunden dadurch zerbroͤckelt und in lockeres Zreib: eis verwandelt. 55 hen, welches ſich theils durch die Beſchaffenheit der Wolken, theils durch das oͤftere Erſcheinen von Regenbogen und Wet⸗ tergallen verrieth. Den Nachmittag wandte ſich der Wind nach NWgen N. und wurde heftig. Wir verſuchten, unſern Lauf an der Weſtſeite von Lewis fortzuſetzen; da aber die Nacht ſtuͤrmiſch und dunkel zu werden drohte, ſo hielt ich es fuͤr zu gewagt, laͤngs der Kuͤſte, die uns unter dem Winde lag, zu ſegeln; wir fuhren daher die ganze Nacht ab und zu. g Um Mitternacht hatten wir Donner und Blitz und hef— tige Windfioge abwechſelnd mit gemäßigter Witterung. Da die Windſtöße plotzlich, ohne einen warnenden Vorboten, kamen, ſo wurde uns das Kluͤver-Segel, welches unvor— ſichtigerweiſe ausgeſetzt worden war, von oben bis unten zerriſſen. Bey Tages Anbruch ſah das Wetter etwas beſſer aus, wir machten daher einen Strich gegen Suͤden, und kamen um 8 Uhr zwiſchen den Inſeln Flannen und Cap Gallan voruͤber. Der heftige Wind aber und das Wogen der See trieben uns ſchnell gegen das Land auf der Oſtſeite, und nötbigten uns, vom Lande abwärts zu ſteuern, an deſſen bepanzertem Ufer die Wellen ſich furchtbar brachen. Am Abend fuhren wir an den Inſeln Slannen, die uns auf der Windfeite lagen, innerhalb einer Meile vorüber. Unter dieſer Inſel-Gruppe iſt nur eine einzige Inſel, fo viel ich ſehen konnte, die mit Gras bekleidet iſt, und von hinrei— chender Groͤße, um den Namen einer Inſel zu verdienen. Sie hält ungefähr eine Viertelmeile im Durchmeſſer. Eine andere, faſt von derſelben Größe, aber dem Anſehen nach ganz kahl, liegt etwa eine halbe Stunde von jener. Die übrigen find bloße Felſen, die ſich nur wenig über das Waſſer erheben. Jene aber ragen, zum Gluͤck fuͤr den Schiffer, fo weit über die Oberflaͤche empor, daß fie fünf bis ſechs Stunden weit vom Verdeck eines Schiffes geſe— hen werden können. Da ich keine Brandung zwiſchen ib: nen wahrnahm, ſo glaube ich auch nicht, daß verborgene Klippen ſich in ihrer Naͤhe befinden; vielmehr ſchien zwiſchen den beyden größten Inſeln eine Durchfahrt zu ſeyn. Die Inſeln oder Felſen, welche hier und da der ge— faͤhrlichen Kuͤſte auf der weſtlichen Seite der Hebriden gleich— ſam zur Einfaſſung dienen, ſcheinen mir, nach einigen Winkelmeſſungen, die ich um Mittag machte, weiter vom Lande zu liegen, als es auf den Karten dargeſtellt iſt. Dieß ſchien mir beſonders der Fall mit Gaſhere zu ſeyn, wel— ches, meinen Beobachtungen zufolge, weit mehr in dem Wege eines Schiffes, das an der Kuͤſte hinfaͤhrt, liegt, als man nach dem Anſehen auf der Karte erwarten ſollte. Gegen Mitternacht hatten wir heftige Windſtoͤße mit Regen auszuhalten, die uns noͤthigten, die uͤbrigen Segel einzuziehen, und nur die eng eingerefften Marsſegel beyzube— halten. Die Nacht war außerordentlich dunkel, der einzige Gegenſtand, welchen wir in der Entfernung einer Schiffs— lange erkennen konnten, war das uͤberſtuͤrzende Waſſer an den Gipfeln der Wogen, welches ſtark leuchtete. Die See gieng immer hoͤher, bis ſie furchtbar ungeſtuͤm wurde. Zwey⸗- oder dreymal brachen ſich die Wellen fo heftig an der Seite des Schiffes, daß ſie den Setzbord (die oberſte Planke auf dem Bord des Schiffes) abriſſen. Aus Beſorgniß, in der Dunkelheit auf St. Kilda zu gerathen, welches leicht geſchehen konnte, da der Wind ſich nach SSO. gedreht hatte, wandten wir das Schiff um 1 Uhr des Morgens, und hielten gegen Oſten, und um 3 Uhr früh, da der Wind ungluͤcklicherweiſe nach Weſten zu gegangen war, wandten wir wieder gegen RR W. Der Sturm wuͤthete mit großer Heftigkeit den ganzen Tag (d. a: N > 0 11. Septbr.); dem ungeachtet waren wir genbthigt, fo viele Segel aufzuſetzen, als moͤglich, um uns von der ge— faͤhrlichen Küſte gegen Oſten zu entfernen. Aber das be: ſtaͤndige Umſpringen des Windes, welches ſehr zu unſerm Nachtheil ſtatt fand, machte, daß wir um Mittag kaum fuͤnf oder ſechs Stunden vom Lande entfernt zu ſeyn rech— nen konnten. Den Nachmittag brach die Sonne durch die dicke At— moſphaͤre, die bisher ihre Strahlen gehemmt hatte, hin— durch; allein anſtatt uns durch ihre Erſcheinung zu erfreuen, erleuchtete ſie nur den Rand der ſchwarzen, Sturm dro— henden Wolken, und einzelne Stellen des unruhigen Mee— res, und machte, daß die uͤbrigen Theile des Himmels und des Meeres noch zehnfach dunkler und grauſenvoller dagegen abſtachen. Der Wind ließ auf einige Minuten et— was nach; aber das ſtuͤrmiſche Anſehen des Himmels war nur zu ſtark ausgedruͤckt, und der tiefe Stand des Baro— meters (28“, 50) zeigte nur allzu deutlich, was wir zu er— warten hatten, als daß wir durch das anſcheinende Aufhoͤ— ren hätten getaͤuſcht werden ſollen. Das truͤgeriſche Ldunen“) diente nur dem Sturme groͤßere Kraft zu geben. Denn der Wind ſprang jetzt nach NWagen N. um (eine Richtung, die gerade auf das Land gieng), und brach mit der Wuth eines Orkans auf uns los. Die Segelſtangen, die nur zwey Marsſegel, die aufs engſte eingerefft waren, trugen, zitterten unter dem Stoß, und das Schiff wurde faſt bis auf die Enden der Deckbalken getrieben.“) Wir waren *) Lunen, engl. lull, ein Kunſtausdruck, womit in der Schiffer— ſprache ein kurzer Zwiſchenraum von gemaͤßigter Witterung bey ei— nem Sturme bezeichnet wird. „) D. i. ſehr ſtark auf die Seite geneigt, e nicht nur der Gewalt des wuͤthendſten Sturmes, (bey wei— tem des heftigſten, den ich je erfahren habe), und dem Toben des ungeſtuͤmſten Meeres, deſſen Wogen durch die ploͤtzliche Veränderung des Windes zu Bergen erhoben wurden, blos geſtellt; ſondern auch durch die nahe gefahr— volle Kuͤſte, die uns unter dem Winde lag, mit allen Schreckniſſen des Schiffbruches bedroht. b Anfangs ſchien es mir am rathſamſten, zu verſuchen, um die Spitze von Lewis herum zu kommen, da es mir kaum möglich ſchien, uns vom Lande entfernt zu halten, wenn wir ſuͤd⸗weſtwaͤrts ſteuerten. Mit vieler Mühe und Anwendung aller moͤglichen Huͤlfsmittel brachten wir das Schiff nach RO herum; aber ungeachtet unſerer gefaͤhrlichen Lage waren wir faſt zwey Stunden lang nicht im Stande, auch nur das kleinſte Stuͤckchen Segel auszuſetzen, ein eingerefftes Sturm— ſegel ) ausgenommen. Noch hatte das Schiff kein Waſſer geſchoͤpft, obgleich die furchtbar hohe See gerade gegen die Seite des Schiffes in der gefaͤhrlichſten Richtung gieng. Endlich aber ſchlug ei— ne ungluͤckliche Welle an die Seite des Hintertheils mit ſchreck— licher Gewalt, ſtuͤrzte eine große Maſſe Waſſer tiber das Ver— deck her, und riß einen unſerer Harpunirer und erſten Offizier re (der mit mehrern andern nahe am Rande ſtand, um eines unſerer Boote, das an der Seite hieng, einzunehmen), uͤber die Köpfe ſeiner Kameraden hin und mit ſich fort ins Meer. Da der größte Theil der Mannſchaft ſich in dem Augenblick unter Waſſer befand, ſo wurde ſein Verluſt nicht eher be— merkt, als bis man ihn im Waſſer gewahr wurde, eben im *) engl. try-sail — ein viereckiges Segel in Geſtalt eines Trapeziums, das bey ſtuͤrmiſchem Wetter aufgeſetzt wird; es heißt auch Sturm giek ſegel. n i Begriff unter das Schiff zu gehen, und wahrſcheinlich ſchon ohne Empfindung. Nur wenige Sekunden war er geſehen, und dann auf immer verſchwunden. Es dauerte einige Minuten, ehe man wußte, wer der Ungluͤckliche war. Jedermann war beſtuͤrzt, und jeder fuͤrch— tete fuͤr ſeinen Freund. „Es iſt Shields Jack,“ rief der eine. „Nein“ erwiederte eine Stimme mit beſonderm Ausdruck der Zufriedenheit, „ich bin hier.“ — „Es iſt Jack O'Neill,“ ſchrie ein anderer; „Ja ja, es iſt Jack O'Neill!“ Aber trie— fend und ganz betaͤubt kam in dem Augenblick einer vom Hin— tertheil des Schiffes her und ſagte, „Nein, ich bin hier.“ Nach einer kleinen Pauſe, fieng einer an: „Es iſt Cham— bers.“ „Ach es muß Sam Chambers ſeyn,“ rief ein ande— rer; und keine Stimme widerſprach — denn ſeine Stimme war bereits von den Wellen erſtickt, und ſein Geiſt empor gehoben zu feinem Gott. Zum Gluͤck war es ein waͤckrer Mann, und wer ſeinen frommen Sinn, und die Rechtlichkeit ſeines Wandels kannte, konnte nicht zweifeln, daß er auf einen ſo ungluͤcklichen Fall vorbereitet war. Sein Betragen, in allen Fallen, war feines Glaubens würdig; und war ein hinreichender Beweis, wenn es eines ſolchen Beweiſes be— dürfte, daß Religion, wenn fie echt iſt, dem Seemann viel— mehr Vertrauen und Muth giebt, als daß ſie ſeine Feſtigkeit und Kuͤhnheit wankend machen ſollte. Er war immer einer der erſten auf dem Platze der Gefahr, und fand ſeinen Tod bey einem ſchwierigen Geſchaͤft, zu welchem die Pflicht ihn auf— forderte, und dem er ſich freywillig unterzogen hatte. So traurig der Verluſt eines Gefaͤhrten war, ſo geſtat— tete die dringende Gefahr, von der ſich jedermann bedroht ſah, in dieſem Augenblicke nicht, den Empfindungen des Schmerzens und des Mitgefühls nachzuhaͤngen. Mehrere andere von den Leuten waren einem gleichen Schickſal nur kaum entgangen. Ein anderer Harpunirer, der mit derſelben a Be Arbeit, wie Chambers, beſchaͤftigt geweſen war, und dicht neben ihm geſtanden hatte, war gleichfalls von der Welle weggeſpuͤlt und in das Tauwerk des Beſahn-Segels gefuͤhrt worden; wo er inſtinktmaͤßig ein Seil ergriff, und ſich da— durch rettete. Jetzt gieng die Sonne unter, und wir hatten die bange Aus— ſicht auf eine finſtere, verhaͤngnißvolle Nacht, in der uns ein wuͤthender Sturm, ein tobendes Meer, in der Naͤhe felſiger Inſeln und einer gefaͤhrlichen Kuͤſte den Untergang drohten. Bis jetzt war das Schiff ſeit beynahe zwey Stunden, ob: gleich es ſich ſchnell dem Lande naͤherte, vor Topp und Ta— kel beygelegt. ) Dieß war eben fo ſehr eine Sache der Klugheit, als der Nothwendigkeit; denn haͤtten wir, ſo lange der Orkan dauerte, einige Segel ausgeſetzt, fo ſchien der Verluff der Segel, wo nicht der Maſten ſelbſt, unvermeidlich. In beyden Faͤllen mußten wir in wenigen Stunden an das Ufer treiben, und nichts konnte uns retten. Bald nach dem un— gluͤcklichen Vorfall ſchien jedoch der Orkan einen etwas an— dern Charakter anzunehmen, und der Wind ſprang glückli— cherweiſe etwas mehr nach Norden um, ſo daß wir ſahen, daß, wenn wir einige Segel führen konnten, wir unter Got— tes Beyſtand im Stande ſeyn wuͤrden, das Land zu vermei— den. Wir ſetzten daher ein dreyfach eingerefftes Fock-Se— gel **) auf, das wir auf alle moͤgliche Weiſe zu befeſtigen und zu ſichern ſuchten, und wandten das Schiff gegen Weſten. *) Wenn der Wind fo heftig iſt, daß man während des Beyliegens (d. i. derjenigen Stellung des Schiffes und der Segel, wobey man ſo wenig als moͤglich aus der Stelle kommt) gar kein Segel fuͤhren kann, ſo ſagt man, das Schiff liegt vor Topp und Takel bey. *) D. i. das untere Segel am Fock-Maſt, dem vorderſten von den drey aufrecht ſtehenden Maſten. Wir fuͤgten dann noch ein eng eingerefftes großes Mars-Se— gel, und ein eingerefftes Sturm-Segel hinzu, welches alles war, was das Schiff an Segeln mit Sicherheit tragen konn— te. Mit Huͤlfe dieſer Segel drangen wir gegen Weſten vor, dem Andrang der Wogen entgegen, die ſich von Zeit zu Zeit uͤber dem Schiffe brachen, und alles wegzuſchwemmen droh— ten. Da St. Kilda jetzt gerade auf unſerm Wege lag, und nicht mehr weit entfernt, fo war das ein Gegenftand, der uns ſehr beunruhigte. Wir fuͤrchteten, daß, wenn wir die Nacht dagegen kaͤmen, wir nicht im Stande ſeyn wuͤrden, auszuweichen. Es wurden daher alle möglichen Vorſichts— mittel angewandt. Ein Mann wurde in das vordere Tau— werk geſtellt und angebunden, um Achtung zu geben; andere wurden dahin geſtellt, wo ſie geſchuͤtzt werden konnten, und die uͤbrige Mannſchaft mußte ſich unten in Bereitſchaft hal— ten, um jeden Augenblick, wo es noͤthig waͤre, heraufzukom— men. Wir brachten — Dank der Vorſehung! — die Nacht — eine gefahrvolle, ängſtliche Nacht von ungewoͤhnlicher Fin: ſterniß — hin, ohne auf irgend etwas zu ſtoßen, oder irgend ein Ungluͤck zu erfahren, außer, daß unſere Bollwerke vorne und hinten Dabgeriſſen — eines unfrer Boote zerbrochen — und ein anderes weggefuͤhrt wurde. Dieſer Schade wurde uns durch das bey der Ebbe zuruͤckſtroͤmende Waſſer verur— ſacht — indem bisweilen die Wogen in Maſſe unter dem Schiffe hervorbrachen, und ſich zwey bis drey Ellen hoch uͤber das Verdeck erhoben. Sehr erfreulich war der Anbruch des Tages. Nie vor— her habe ich die volle Kraft des Ausdrucks in jener Stelle des Pſalmiſten fo empfunden: „Meine Seele wartet auf den ) Imengl. „bulwarks fore and aft“ — ein Ausdruck, deſſen eigent⸗ liche Bedeutung bey den Schiffen, und Bezeichnung in der Schiffer— ſprache ich nicht habe finden koͤnnen. 3 Herrn, mehr als die, die auf den Morgen harren.“ “ Da der Schleyer der Nacht allmaͤhlig weggezogen wurde, zeigte ſich auf der Seite unter dem Winde ein ausgezeichnet dun— kles Fleck, welches, bey weiterm Vorruͤcken des Tages, ſich als den Gegenſtand unſerer Furcht, St. Kilda, offenbarte, nur in einer Entfernung von drey oder vier Meilen. Das Wetter fieng an ſich zu mäßigen, und wir konnten bey eis nem fo guten Warnungs-Zeichen uns gegen Suͤden wenden, und unter den jetzigen, veraͤnderten Ausſichten, uns, nach einer angſtvollen Nacht, den Empfindungen des Dankes, und einer faſt ungemeſſenen Freude uͤberlaſſen. Das Barometer bewies ſich dießmal wieder als einen treuen Anzeiger. Es fiel bis auf 28,5 kurz vor dem Anfan— ge des Sturms, und behielt dieſen Stand unverändert, bis uns die furchtbarſte Wuth des Sturmes erreicht hatte; dann fieng es an zu ſteigen, und kuͤndigte die bevorſtehende Ver— beſſerung des Wetters in gleichem Maaße an. Um 4 Uhr des Morgens, am 12. Sept., war es 29,“ 2, und um Mit: tag 29, 8 — alſo eine Veränderung von 1, 3 Zoll in 16 Stunden. Das Wetter verbeſſerte ſich ſo ſehr, daß es noch vor Abends recht angenehm wurde. Noch vor Sonnenuntergang bekamen wir die Spitze von Barra zu Geficht, und am fol— genden Tage, den 13. Sept., erreichten wir, mit einem Sei— tenwinde von Oſten, die Kuͤſte von Irland, nahe bey der Inſel Iniſtrahull. Dieß war der erſte wahre Sommer-Tag welchen wir gehabt hatten. Der Himmel war rein, die See eben, und der Wind maͤßig; das Thermometer erhob ſich je— *) „more than they, that watch for the morning.“ — ſo heißt die Stelle in der engliſchen Bibel-ueberſetzung (Pſalm 130, 6.); Luther hat dafuͤr uͤberſetzt: „von einer Morgenwache bis zur andern.“ — 365 — doch nicht über 589. Wir waren eifrigſt beſchaͤftigt, die Wall⸗ fiſch⸗Leinen aufzuhaͤngen, um fie zu trocknen, und fie dann in beſondere Knauel zu wickeln und zu kuͤnftigem Gebrauch aufzuheben. Den 14. Sept. Den ganzen Tag war uns der Wind gerade entgegen. Durch Ebbe und Fluth, die in dem Nord— Canal ſtark ſind, gewannen wir auch nichts, indem die er— ſtere länger herauswaͤrts, als die letztere hineinwaͤrts ſtroͤm— te. Wir rückten daher den ganzen Tag nur ungefähr um funfzehn Meilen gegen den Wind vor. Den Nachmittag machte ich eine Reihe von Beobachtun— gen, um den Gang des Chronometers zu pruͤfen. Es fand ſich, daß er, verglichen mit der Laͤnge von Cap Inishoen nach den Karten, um 2 49“ zu langſam war — welches nur um 11“ von dem Fehler, welchen die Beobachtung der Fa— roer Inſeln gab, abwich. Die Sonne zeigte bey ihrem Untergang eine ſeltſame Erſcheinung. Kurz zuvor, ehe der untere Rand derſelben den Horizont beruͤhrte, verlängerte er ſich plotzlich nach unten zu, in Geſtalt einer ungeheuern Feuerkugel; und was dieſe Aehn— lichkeit noch vermehrte, war, daß ſie mit zwey oder drey ho— rizontalen Streifen einer ſchwarzen Wolke, wie mit einem Guͤrtel umgeben war. Dieſe Erſcheinung ereignete ſich, ge— rade als die Sonne in einer Linie mit Iniſtrahul war, wo— durch nicht nur das Licht in dem Leuchtthurm dieſer Inſel ganz verdunkelt, ſondern ſie ſelbſt in das glaͤnzendſte Licht— Feld eingeſchloſſen wurde. Sonntag, den 15. Sept. Da der Wind noch im— mer aus SO gieng, und ziemlich ſtark blies, fo kamen wir nur wenig weiter — in 24 Stunden nur ungefaͤhr 12 Meilen. Um 10 Uhr legten wir um, in einer Entfernung von nicht . ganz zwey Meilen von den prächtigen Bafaltfelfen von Cap Bengore; aber noch vor Sonnenuntergang waren wir 1 die Ebbe einige Meilen leewaͤrts getrieben. Wir hielten den Gottesdienſt, wie gewoͤhnlich. Ueber— haupt bemerke ich, daß es waͤhrend der ganzen Reiſe nicht einmal vorgekommen iſt, daß wir die Feyer des Sonntags haͤtten ausſetzen muͤſſen. In einigen wenigen Faͤllen konnte zwar die Stunde nicht ſo genau in Acht genommen werden; gleichwohl fand ſich, bey der Art, wie die Mannſchaft auf dem Schiffe eingetheilt war, immer noch fuͤr einen jeden Ge— legenheit ſeine Andacht zu verrichten. Es verdient auch be— merkt zu werden, daß, ſo lange wir auf dem Platz des Wall— fiſchfangs waren, wir durch die Enthaltung von anderweiti— gen Beſchaͤftigungen am Sonntage, nie einen weſentlichen Verluſt erlitten; denn wir fanden gemeiniglich, daß, wenn auch andere, die über die Verbindlichkeit der Sonntagsfeyer anders dachten, an dieſem Tage einen guten Fang gemacht hatten, es uns ſelten fehlte, in der darauf folgenden Woche einen entſchiedenen Vortheil zu erhalten. ) In der That ſchien es mir auch, daß die Zuruͤckhaltung der Leute am Sonntage als ein Anreizungsmittel ihrer natürlichen Neigung zu den Geſchaͤften des Wallfiſchfangs diente, und daß fie nachher nur deſto eifriger in ihrem Beruf waren; uͤberdieß gereichte ihnen die Feyer des Sonntags, beſonders nach ei— ner mühevollen Woche, zu einer Erholung, und zu einer Vor— bereitung, um neuen Gefahren, im Vertrauen auf den gott: lichen Beyſtand, getroſten Muthes entgegen zu gehen. *) Ich koͤnnte, wenn es hier der Ort waͤre, mehrere Beyſpiele anfuͤh— ren, wo wir, nach einer freywilligen Verzichtung auf einen Fang am Sonntage, in den darauf folgenden Tagen auf eine ſo auffallen— de Art dafuͤr entſchaͤdigt wurden, daß, glaube ich, kein Mann an Bord war, der nicht die Wirkung des goͤttlichen Segens darin er— kannt haͤtte. ©. „ 38..- Die Nacht vom Sonntag auf den Montag war finſter und ſtuͤrmiſch. Unter den Strömungen der Ebbe und Fluth, deren Gang in dieſer Gegend noch nicht genau genug be— ſtimmt iſt, ſchifften wir durch die Meerenge, zwiſchen der Inſel Rachlin und der gefaͤhrlichen Oſtſeite von Mull of Kinho, mit vieler Beſorgniß. Dieſer Canal, der den Stuͤr— men und heftigen Stroͤmungen der Ebbe und Flur) ausge— ſetzt iſt, bedarf wegen der vielen gefaͤhrlichen Stellen, die er enthält, gar ſehr noch einiger Leuchtthuͤrme. Bis jetzt find nur zwey (einer auf Inistrahull, und der andere auf der Spitze Fannat), in dem ganzen Ausgang des Canals von Mull of Cantyre bis an die aͤußern Kuͤſten von Barra auf der noͤrdlichen, und der Inſel Tory auf der füdlichen Seite — welches, auf beyden Kuͤſten gerechnet, eine Linie von 200 Meilen ausmacht.“) Ein gutes Licht auf der Sn: ſel Rachlin wuͤrde gewiß von großem Nutzen fuͤr die Schif— fer ſeyn, beſonders wegen der Stroͤmung der Ebbe und Fluth. Ein anderer Leuchtthurm auf den Felſen von Skerivore, die funfzehn bis ſechszehn Meilen gegen SW. von der Inſel Tiree liegen, und ſehr gefaͤhrlich ſind, wuͤrde gleichfalls den Schiffern, die von Weſten kommen und in den Canal gehen wollen, weſentliche Dienſte leiſten. * ) Jetzt iſt ein Leuchtthurm auf Mull of Cantyre; da das Licht deſſel— ben aber nach der bisherigen Art eingerichtet iſt, ſo kann man es nur auf eine geringe Entfernung nach der einen Seite hin ſehen. Indeſſen befindet er ſich auf einer guten Stelle, und wird in der Folge nuͤtzlicher werden, da, wie ich fe das Licht eine beſſere Einrichtung bekommen ſoll. S. *) Die Gefahren der Felſen von Skerivore find in der That nicht von gewoͤhnlicher Art. Wenn gleich einige dieſer Felſen uͤber dem Waſ⸗ ſer hervorragen, und bey hellem Wetter einige Stunden weit geſe— hen werden koͤnnen, ſo ſind doch ein paar andere Felſen dort, die erſt bey halber Ebbe zum Vorſchein kommen. Und auf dem halben on. ‚308. Der einzige Einwurf gegen die Vervielfältigung der Leuchtthuͤrme — außer dem des Koſten-Aufwandes — iſt die Möglichkeit einer Verwechſelung derſelben, und des Irr— thums, in welchen der Schiffer dadurch gefuͤhrt werden koͤnnte. Man hat aber mancherley Einrichtungen, die jetzt zur Unterſcheidung der verſchiedenen Leuchtthuͤrme gebraucht werden, die ſehr zweckmaͤßig ſind, wenn man ſie kennt. Ein ſtetes oder gleichförmiges Licht, und ein Licht mit ei— nem ſich drehenden Schirm verſehen, ſind ſo auffallend verſchieden, daß fie nicht verwechſelt werden konnen; einen andern Unterſchied kann man theils durch verſchieden ge— faͤrbte Schirme, theils durch verſchiedene Zeiten der Um— drehung hervorbringen. Und ſo laſſen ſich leicht noch an— dere Unterſcheidungsmittel angeben. Um indeſſen allen Verwechſelungen, dergleichen ſchon bey den jetzt beſtehenden Leuchtthuͤrmen bisweilen ſtatt fin— den, moͤglichſt vorzubeugen, wuͤrde es vielleicht am beſten ſeyn, wenn die verſchiedenen Behorden, welche die Aufſicht über die Leuchtthuͤrme in dem geſammten Königreich fuhren, von Zeit zu Zeit gemeinſchaftlich ein vollſtaͤndiges Ver— zeichniß aller Leuchtthuͤrme an den engliſchen Kuͤſten, mit Wege zwiſchen dieſer und der Inſel Tiree liegt der Felſen Boinſhly“ der ſehr gefaͤhrlich iſt, weil er ſelten unbedeckt iſt. Alle dieſe Felſen wuͤrden weniger zu fuͤrchten ſeyn, wenn auf Skerivore ein guter Leuchtthurm waͤre. Auch waͤre zu wuͤnſchen, daß man zur Erleuch— tung derſelben Waſſerſtoffgas, aus Wallfiſ choͤl bereitet, anwenden moͤchte, nicht nur um den Wallſiſchfang mehr empor zu bringen, ſondern auch weil dieſes das glaͤnzendſte und wirkſamſte Licht giebt. S. Ein ſehr belehrender Aufſatz uͤber die verſchiedenen Arten der Gas⸗ Beleuchtung von Juſtus Preuß, Ingen. des Fabrik-Bau⸗ weſens in London, findet ſich in Gilberts Annal. d. Phyſ. 1824. 2. St. Es zeigt ſich daraus, daß die Gas-Beleuchtung aus Oel einen entſchiedenen Vorzug vor der aus Steinkohlen habe, ſo wie daß Gas-Beleuchtung überhaupt jeder andern Art der Beleuchtung vorgehe. i einer genauen Beſchreibung ihrer Einrichtung, Lage, der benachbarten Klippen, Vorgebirge und dergleichen, nebſt andern dem Schiffer nuͤtzlichen Bemerkungen, oͤffentlich durch den Druck bekannt machten. Ein ſolches Verzeichniß koͤnnte in den Nautical Almanac, Nautical Ephemeris, und in alle Bücher über Schiffahrtskunde aufgenommen werden; man könnte einen Vorrath davon auf allen Zollhaͤuſern auf— bewahren, und jedem Schiffer, der bey ſeiner Abfahrt die Abgabe für Unterhaltung der Leuchtthuͤrme bezahlt, ein Exemplar davon zuſtellen. *) Montags Nachmittag — den 16. Septbr. — hielten wir uns anfangs nahe an Cap Bengore, um mit Huͤlfe der Fluth durch den Sund von Rachlin zu kommen; da uns aber der Wind gerade entgegen kam, hielt ich es für rath— ſamer, auf der Nordſeite der Inſel herum zu gehen. Um Mitternacht kamen wir um die Spitze von Cantyre herum, aber die eintretende Ebbe fuͤhrte uns wieder zuruͤck, und brachte uns, bey der außerordentlichen Finſterniß der Nacht, in eine mißliche Lage. Unſere Beſorgniß vermehrte ſich noch, als wir ein lautes Brauſen gegen Norden hörten, das wir faͤlſchlich fuͤr eine Brandung hielten. Es zeigte ſich aber, daß es von einem friſchen Winde herruͤhrte, der gluͤcklicherweiſe nach Norden umgeſprungen war. Jetzt wurde das Schiff gegen SSO. gewandt, und wir verſuch- ten den Canal aufwaͤrts zu ſegeln; aber die Strömung der Ebbe war ſo ſtark, daß, obgleich wir mit einer Ge— ſchwindigkeit von ſechstehalb bis ſechs Knotenlaͤngen fort giengen, ſich doch unſere Lage gegen den Leuchtthurm von *) Ein ſolches Verzeichniß iſt ſonſt nicht noͤthig geweſen, da die Zahl der Leuchtthuͤrme ſo gering, und einer ſo weit von dem andern ent— fernt war, daß eine Verwechſelung derſelben kaum moͤglich war. Jetzt aber find blos an der oͤſtlichen Kuͤſte von Irland dreyzehn oder mehr, und an der gegenuͤberliegenden Kuͤſte von England uͤber zwanzig. S. 24 — — Cantyre, der uns zur Seite lag, nicht um einen halben Kompaßſtrich aͤnderte, und wir vielleicht nicht eine halbe Viertelmeile weiter gekommen waren. Bey Tages Anbruch fieng die Ebbe an nachzulaffen, und wir kamen bald aus der gefährlichen Straße heraus.“ Den Nachmittag bekamen wir die Inſel Man zu Ge— ſicht, und um 8 Uhr Abends kamen wir bey dem Felſen Calf vorbey, auf welchem zwey vortreffliche Leuchtthuͤrme, von Robert Stevenſon erbaut, befindlich ſind. Da wir jetzt einen guͤnſtigen friſchen Wind hatten, ſo konnten wir hoffen, den folgenden Tag unſern Hafen zu erreichen. Bey dieſer Annäherung zur Heimath, nach ei: ner Abweſenheit von beynahe ſechs Monaten, in welchen wir nicht die geringſte Nachricht von unſern Angehoͤrigen und Freunden, und nicht das kleinſte Zeichen ihres Wohlbe— findens erhalten hatten, war es mehr ein aͤngſtliches, als ein erfreuliches Gefuͤhl, das unſere Bruſt erfuͤllte. Die Beſorgniß, wie es mit denen, welche unſerm Herzen am theuerſten ſind, und von deren Wohlfahrt unſer eigenes Gluͤck abhaͤngig iſt, ausſehen möchte, hatte wenigſtens bey mir eine Beklommenheit hervorgebracht, welche die Freude, die ſonſt die Ruͤckkehr nach einer langen Abweſenheit her— vorbringt, faſt gaͤnzlich unterdruͤckte. War es Ahndung oder Zufall, was dieſe Empfindungen in mir erweckte, lei— der zeigte das, was ich nachher erfuhr, daß ſie nur zu ge— gruͤndet waren. Mittwoch, den 18. Septbr. Der Wind wurde waͤhrend der Nacht ſchwaͤcher, ſo daß wir den Hafen nicht erreichen konnten; aber wir erreichten um 10 Uhr Morgens Great Orme's Head, in deſſen Naͤhe wir umlegten. Da das Wetter duͤſter war, ſo hatten wir Muͤhe einen Loot— ſen zu bekommen. Dieß geſchah erſt um 1 Uhr Nachmit⸗ tags, wodurch ich dann aller weitern Sorge und Verant— wortlichkeit wegen des Schiffes uͤberhoben wurde. — 371 — Hier ſchließt mein Tagebuch. Die traurige und un— glückliche Nachricht, die meiner zu Haufe wartete, ließ es mich nicht zu Ende bringen. Indeſſen bedarf mein Ge— daͤchtniß keiner kuͤnſtlichen Huͤlfsmittel, um mir diejenigen Umftände zuruͤckzurufen, welche die Gewalt ſchmerzlicher Gefühle unausloͤſchlich in meine Bruſt gedrückt hat; im Gegentheil, in ſolchen Faͤllen wie der meinige, verliert es ſeine natuͤrliche Schwaͤche, und wird, wie ein großer Dich— ter ſagt, unſterblich. Der Lootſe, welcher zu uns an Bord gekommen war, gab, aus wirklicher oder verſtellter Unkunde, auf meine ängſtlichen Fragen nach meiner Familie und meinen Freun— den, keine befriedigende Antwort. Wir konnten denſelben Tag unſern Hafen nicht erreichen, und ich hatte daher noch eine peinliche Nacht in meiner Ungewißheit zuzubringen. Den naͤchſten Morgen kamen wir mit Huͤlfe einer ſtarken Fluth in den Canal, aber ehe wir um Black Rock (den ſchwarzen Felſen) herum kommen konnten, um in den Mer— ſey zu gelangen, war die Fluthzeit voruͤber, und wir muß— ten das Schiff vor Anker legen. Zahlreiche Boote und Dampfſchiffe fuhren bey uns voruͤber. Einige der erſtern hielten bey uns an. Es be— fanden ſich in ihnen Freunde von mehrern Perſonen an Bord; indeſſen konnte ich von keinem derſelben einige Nach— richt von den Meinigen erhalten. Dieß vermehrte meine Unruhe und Aengſtlichkeit. Endlich, waͤhrend ich in großer Bewegung auf dem Verdecke auf und ab gieng, ſah ich ein Boot auf uns zu kommen. Eiligſt nahm ich ein Fernrohr zur Hand, und erkannte einen Freund. „Das iſt, dachte ich anfangs, ein guter Mann, der bringt eine gute Zei— tung.“ Aber bey naͤherer Betrachtung glaubte ich einen ge— wiſſen Ernſt in dem Benehmen der Leute im Boote zu be— merken, wodurch meine erſte Freude ſehr niedergedruͤckt , 24 * re: wurde. Sonſt pflegten auch wohl meine Freunde, wenn ſie mir entgegen kamen mich zu bewillkommen, ſchon von weitem ein Zeichen einer freundlichen Begruͤßung zu geben; dießmal aber blickte ich vergebens nach irgend einem Merk— mal der Freude. Ich glaubte, ſie haͤtten mich vielleicht nicht geſehen, und ſtellte mich daher an die Schiffstreppe, “ aber ihre weggewandten Geſichter und niedergefchlagenen Blicke zeigten mir nur zu deutlich, daß ſie Boten der Trauer wären. Laͤnger konnte ich mich nicht halten; ich rief daher laut: „wie ſtehts? alles wohl?“ Ein matter Blick, und eine unbeſtimmte Antwort beſtaͤtigten meine Beſorgniſſe. Ich mochte ihre Ankunft nicht auf dem Verdeck abwarten, und eilte in die Kajuͤte. Gleich darauf war auch mein Freund da. Ich fah- ihn mit ſich ſelbſt kaͤmpfen, um mir auf einem Umwege die traurige Nachricht, die er mir zu hinterbringen hatte, mitzutheilen. „Laß mich nur das Schlimmſte wiſſen,“ rief ich ihm zu, „und ſag es ohne Umſchweif.“ Er ergriff meine Hand, drückte fie mit Herzlichkeit, und mit theilneh- nehmender Ruͤhrung ſagte er: „Es thut mir wehe, daß ichs ſagen muß — deine gute Frau iſt nicht mehr.“ — 8 Manche meiner Leſer, die aͤhnliche Leiden erfahren ha: ben, werden, wenn ſie dieſes leſen, mir ihre Theilnahme nicht verſagen. Ich unternahm die Verfertigung dieſer Reiſebeſchreibung in der Hoffnung mir durch eine anziehende Befchäftigung eine Erleichterung meines Schmerzens zu ver— ſchaffen, aber die letzten Blaͤtter ſind mit meinen Thraͤnen benetzt. *) D. i. an die Stelle in dem Schiff, wo man ein: und ausſteigt. Verzeichniß der von der oͤſtlichen Kuͤſte von Grönland genommenen Probeſtuͤcke von Gebirgsarten, mit geognoſtiſchen Bemerkungen. Vom Profeſſor Jameſon. J. Stücke auf Eisbergen bey Cap Brewſter gefunden. 1. Uebergangs Thonſchiefer. 2. Schiefriger mit Talk gemengter Granit. 3. Feldſpath-Koͤrner. 4. Mit Hornblende gemengter Glimmerſchiefer. 5. Gneis. 6. Baſaltiſcher Gruͤnſtein. Bemerkungen. Die hier aufgezaͤhlten Stuͤcke würden, auch ohne die auf der Kuͤſte geſammelten, beweiſen, daß in der Gegend Urgebirgs-, Uebergangs- und Floͤzgebirgs— arten vorkommen; indem der Talk enthaltende Granit, der Gneis, der mit Hornblende gemengte Glimmerſchiefer, und die Feldſpath-Körner dem Urgebirge, der Thonſchiefer dem = Uebergangs-Gebirge, und der Gruͤnſtein dem Floͤzgebirge“) angehoͤren. So koͤnnen einige auf einem Eisberge zerſtreute Stuͤcke den Mineralogen, der nicht Gelegenheit ans Land zu kommen hat, in den Stand ſetzen, bis auf einen gewiſ— ſen Umfang die Schluͤſſe oder Vermuthungen zu berichtigen und zu beſtaͤtigen, die er von der Geſtalt und Gruppirung der Berge und Felſen aus der Ferne geſehen, auf die geo— gnoſtiſche Beſchaffenheit einer Gegend gemacht hat. II. Stucke von Cap Liſter, und längs der Kuͤſte bis zu Cap Swainſon. 1. Schwarzer Glimmer. 2. Glimmerſchiefer, dem Gneis ſich naͤhernd, und in einigen Stuͤcken mit Hornblende gemengt. 3. Quarz, gemeine Abänderung. 4. Gemeiner Chalcedon. 5. Rother Gneis. 6. Grauer Gneis, wie der von Huntly in Aberdeenſhire, und von Freyberg in Sachſen. 7. Srobforniger mit Hornblende gemengter Gneis. 8. Gneis in Granit uͤbergehend. 9. Syenit, in welchem der Feldſpath dunkelfleiſchroth iſt, mit eingeſprengtem Epidot. 10. Hornblende-Schiefer, mit eingemengtem Quarz und Feldſpath. 11. Werners rother grobkoͤrniger Syenit. 12. Rother Granit, in welchem der Glimmer ſechsſeitige Tafeln und Saͤulen bildet. 13. Floͤzgruͤnſtein, wahrſcheinlich von einem Gange oder einer aufliegenden Maſſe; der Chalcedon augenſchein— lich von dem Gruͤnſtein. ) Jameſon ordnet hier den Gruͤnſtein den Floͤzgebirgsarten bey, indem er nach Werner eine zu dieſen gehörende Floͤz-Trappforma— tion annimmt. — 375 — Bemerkungen. Die Gebirgsarten dieſer Reihe, den Gruͤnſtein ausgenommen, gehören zum Urgebirge, und ſind Abaͤnderungen derjenigen, die wahrſcheinlich am weiteſten in Groͤnland verbreitet ſind. Der rothe Granit mag von einer im Innern dieſer Gebirgsart eingeſchloſſenen Maſſe herruͤhren, oder von einem Lager im Gneis, oder von einem Gange, der die Schichten dieſer letztern Gebirgsart durch— ſetzt; welches uͤbrigens auch ſeine Lagerung ſey, ein wahrer Granit iſt er augenſcheinlich. Der Syenit bildete, wie ich vermuthe, ein Lager im Gneis. Aus der Menge der Bruchſtuͤcke von Gneis, und aus anderen Umſtaͤnden, er— giebt ſich, daß dieſe Gebirgsart die herrſchende auf dieſer Kuͤſte geweſen ſeyn muß, und daß Glimmerſchiefer, Syenit, und Hornblendeſchiefer ihr untergeordnet waren. Der rothe Gneis iſt der, welcher oft bey Granit gefunden wird, und in Gegenden, wo rother Granit haͤufig iſt; waͤhrend der graue Gneis haͤufig ohne Granit oder in Gegenden vor— kommt, die grauen Granit enthalten. Der Gruͤnſtein ſcheint, wegen ſeiner Verbindung mit Chalcedon, Floͤzgruͤnſtein zu ſeyn, und mag von einem Gange herkommen, aͤhnlich den in Schottland ſo haͤufig die Urgebirgslager durchſetzenden Gaͤngen. III. Stuͤcke von Neill's-Felſen, und von Cap Stewart auf Jameſon's Land. 1. Sandſtein, aus Quarz, Feldſpath, Kieſelſchiefer und ſilberweißem Glimmer zuſammengeſetzt. | 2. Derſelbe Sandſtein mit inliegenden Kryſtallen von ro— them Feldſpath. 3. Schiefriger Sandſtein. 4. Sandſtein von rothem Eiſen-Oxyd durchdrungen. 5. Gemeiner grauer Sandſtein. 6. Gemeiner gelbgefleckter Sandſtein. 7. Gemeiner Sandſtein, nur von grobem Korne. 8. Sandſtein mit Brocken von gemeinem Quarz in Boh— nen⸗Groͤße. 9. Grauer, grobkoͤrniger gemeiner Sandſtein. 10. Gemeiner grauer Sandſtein, deſſen Beſtandtheile deut: lich zu erkennen ſind. Sie ſind grauer zerſetzter Feld— ſpath, grauer Quarz und ſilberweißer Glimmer. Dies ſes Stuͤck enthaͤlt eingemengte Stuͤcke von gemeiner ſchwarzer Schiefer-Kohle. 11. Sandſtein, zum Theil als Conglomerat. 12. Schiefriger gemeiner grauer Sandſtein. 13. Sandſtein-Schiefer (Sandstone flag) 14. Verwitterter gemeiner Sandſtein. 15. Kalkhaltiger Sandſtein. f 16. Grobe Abaͤnderung von gemeiner Schieferkohle. 17. Bituminpfer Schiefer. 18. Schieferthon, dem bituminoͤſen Schiefer ſich naͤhernd. 19. Schieferthon mit eingeſprengtem Glimmer. 20. Thoneiſenſtein. | 21. Grauer grobſplitteriger Kalkſtein, mit inliegenden Stuͤcken von grauem Quarz und rothem Feldſpath. 22. Kalkſtein, mit inliegenden Bruchſtuͤcken von zweyſcha— ligen Muſcheln. 23. Sandiger Kalkſtein, mit Schuppen von ſilberweißem Glimmer. 24. Grober grauer Kalkſtein, mit inliegenden Glimmer— Schuppen. 25. Sandiger Kalkſtein in kalkhaltigen Sandſtein über: gehend. 26. Kalkſtein, in kalkhaltigen Sandſtein uͤbergehend; ins liegend Quarz, Glimmer und Feldſpath. 2. Kalkſtein mit unvollkommen erhaltenen Pectiniten. 28. Gruͤnſtein. 29. Gruͤnſtein mit kleinen Tafeln von Diallage oder Hy: perstene (Anthophyllit.) — 37 — Bemerkungen. Der graue oft glimmerige Sand— ſtein, der Schieferthon, der bituminoͤſe Schiefer, der Thon— eiſenſtein, der graue fplitterige Kalkſtein, und die Schiefer: kohle charakteriſiren dieſe intereſſante Reihe von Gebirgs— arten als zur Steinkohlen-Formation gehoͤrend. Vergleicht man die individuellen Kennzeichen und die allgemeinen Verhaͤltniſſe dieſer Gebirgsarten, fo kann man kaum zwei— feln, daß fie zu derjenigen Steinkohlen-Formation gehoͤren, in welcher alle unſere vorzuͤglichſten Brittiſchen Kohlen: werke betrieben werden: zu der großen Steinkohlen-Forma— tion, die auf dem alten rothen Sandſtein und dem Ueber— gangs- oder aͤlteſten Floͤzkalkſtein ) liegt, und, bey vegels mäßiger Lagerung, von dem Dolomit, ) und neueren rothen Sandſtein bedeckt iſt. Wenige Stuͤcke rother Gneis, und rother Granit wurden an der Kuͤſte aufgehoben; dieſe ſchienen zufällig dorthin gekommen zu ſeyn. IV. Stucke von der Infel Traill. Trapp⸗Gebirgsarten. 1. Gruͤnſtein. 2. Zerſetzter Feldſpathiger Gruͤnſtein, mit eingefpreng: tem Schwefelkies. 3. Dichter Feldſpath, dem Thonſtein ſich naͤhernd. 4. Dichter gruͤn gefaͤrbter Feldſpath mit Augit und Horn: blende. | 5. Grauer dichter Sandſtein, mit eingeſprengtem Schwe— felkies. 6. Quarziger Sandſtein. *) Im Engl. Mountain-Limestone, ) Im Engl. Magnesıan Limestone. — 378 — Porphyrartige. 7. Bergkryſtall. 8. Schieferthon, dem bituminoͤſen Schiefer ſich naͤhernd. Einige Abaͤnderungen naͤhern ſich dem ſchiefrigen dichten Feldſpath, wie ſich an der weißen Rinde zeigt. 9. Dichter Schieferthon von welligem Gefuͤge. 10. Schieferthon von concentriſch blaͤttrigem Gefuͤge. 11. Kalkhaltiger Schieferthon. 12. Porphyr. 13. Porphyr, ausgezeichnet kryſtalliniſch. 14. Porphyr mit wuͤrfeligem Schwefelkies. 15. Porphyr, voll von wuͤrfeligem Schwefelkies, die Grundmaſſe hauptſaͤchlich dichter Feldſpath. 16. Verwitterter Porphyr. Die roͤthliche Rinde von zer— ſetztem Schwefelkies entſtanden. 17. Blafig:porofer Porphyr, mit inliegenden Quarz-Kry— ſtallen und Schwefelkies. 18. Thonporphyr mit inliegenden Quarz- und Feldfpath: Kryſtallen. Bemerkungen. Die Geſtalt dieſer Inſel, wie ſie die Zeichnung darſtellt, iſt ſo verſchieden von der von Jame— ſon's Land, und der Kuͤſte uͤber Cap Liſter u. ſ. w., daß man auch auf eine von dieſen verſchiedene geognoſtiſche Beſchaffenheit deſſelben ſchließen muß, und daß ſie daher weder die Steinkohlen-Formation in ihrer gewoͤhnlichern Geſtalt, noch Urgebirge enthält. Dieſer Schluß wird durch die in vorſtehender Liſte aufgefuͤhrten Gebirgsarten beſtaͤtigt, welche der Floͤztrapp- und der Porphyr-Formation angeho: ren. Die Floöztrapp-Gebirgsarten find, wie oben angege- ben, Gruͤnſtein, dichter Feldſpath, mehr oder weniger ge— faͤrbt durch Augit oder Hornblende. Baſalt, Tuff und Mandelſtein ſind nicht gefunden worden. Die Porphyre ſind von den gewoͤhnlichen Varietaͤten der Grundmaſſe von Thon— — 379 — ſtein oder Feldſpath, und enthalten, eben ſo wie der Gruͤn— ſtein, eingeſprengten Schwefelkies. Dieſe beyden Reihen von Gebirgsarten kamen zuſammen vor, aber in welcher Ordnung konnte aus Mangel an Zeit nicht unterſucht wer— den. Der Schieferthon, und der in bitumindſen Schiefer uͤbergehende Schieferthon, und der Sandſtein enthalten, eben ſo wie die Trapp- und Porphyrarten, Schwefelkies. Das Ganze ſcheint ein Theil derjenigen Steinkohlen-Formation zu ſeyn, in welcher, wie auf der Kuͤſte von Fifeſhire, und in anderen Theilen von Schottland, die Trapp-Gebirgsar— ten vorherrſchend ſind, waͤhrend der Sandſtein, Schiefer— thon, bituminoͤſe Schiefer u. ſ. w. in ſo geringer Menge vorkommen, daß ſie jenen nur untergeordnet ſind, und ſehr wenig zu der allgemeinen Geſtalt und Phyſiognomie der Gegend beytragen. Oder es kann ſeyn, daß dieſe Trapp— und Porphyr-Arten mit einigen neueren Sandſteinen in Verbindung gelagert ſind. Der Umſtand, daß die ſaͤmmt— lichen Glieder dieſer Reihe von Gebirgsarten, als: Grün— ſtein, Porphyr, Schiefer und Sandſtein, mit demſelben Schwefelkies durchdrungen ſind, ſcheint auf eine aͤhnliche Bildungsweiſe des Ganzen zu deuten, — eine Vorausſe— tzung, die ſich mit der Meinung nicht vertraͤgt, welche den vulkaniſchen Urſprung ſolcher Gruͤnſteine und Porphyre an— nimmt. V. Stucke von Cap Brewſter. 1. Gruͤnſtein. 2. Floͤz⸗Gruͤnſtein. 3. Zerfallener Gruͤnſtein. 4. Traubiger Chalcedon. 5. Gemeiner Calcedon, dem ſplitterigen Quarz ſich naͤ⸗ hernd. 6. Chalcedon und grauer Amethyſt. 7. Krpſtalliſirter weißer Amethyſt und Chalcedon. BB 8. Chalcedon und Gruͤnerde. 9. Verbindung von Chalcedon, Caſcholong und faſerigem Zeolith. 10. Weißer Amethyſt. 11. Mandelſtein. 12. Grobe Braunkohle. 13. Eine Art Achat, aus Chalcedon und Caſcholong be— ſtehend. Bemerkungen. Dieſes Vorgebirge ſcheint, nach den geſammelten Stuͤcken zu urtheilen, aus Floͤztrapp-Ge⸗ birgsarten zu beſtehen, und dieſelben allgemeinen und beſon— deren Kennzeichen zu enthalten, welche dieſe Formation an den Inſeln Mull, Canna, Skye, und anderen Schottiſchen Gegenden zeigt. Die Braunkohle ſcheint zu zeigen, daß die Trapparten dort wahrſcheinlich mit einer neuen Kalkſtein— und Sandſtein-Formation, nicht aber mit der alten Stein— kohlen-Formation, wie in Jameſon's Land, in Verbindung ſtehen, denn in der letzteren Gegend koͤmmt keine wahre Braunkohle vor. I Geſchiebe. Geſchiebe, von unbekannten Fundoͤrtern. 1. Gemenge von Talk und Glimmer. 2. Urthonſchiefer. 3. Rother Granit. 4. Rother Gneis. Bemerkungen. Dieſe Stuͤcke kommen zwar auch aus den von Capit. Scoresby aufgenommenen Strichen; aber die eigentlichen Fundoͤrter derſelben ſind leider nicht mehr nachzuweiſen. Das intereſſanteſte Stuͤck der Reihe iſt Nr. 2. — ein deutlicher Thonſchiefer von derjenigen Va— rietaͤt, welche wir in unſerm Lande zuweilen in Lagern von — 381 — Glimmerſchiefer, oder auf dieſem eigene Lager bildend fin— den. Dieſes Stuͤck erfüllt die Reihe der vornehmſten Ur— gebirgsarten, und zeigt, daß in Groͤnland, ſo wie in allen anderen großen Strichen Landes, Granit, Gneis, Glimmer— ſchiefer und Thonſchiefer zuſammen erſcheinen. Allgemeine Bemerkungen. 1. Urgebirgsarten. Capitain Scoresby's Zeichnungen von der Oſtkuͤſte von Grönland machen wahrſcheinlich, daß ein großer Theil der: ſelben, und auch der Gebirge im Innern, wie z. B. der ko— loſſalen „Werner-Berge“ Urgebirge ſind. Weiter ſcheint ſich aus den mitgebrachten und oben aufgezaͤhlten Probeſtuͤ— cken der Gebirgsarten, ingleichen aus der allgemeinen Be— ſchaffenheit des Landes auf der Weſtſeite, wie ſie der ein— ſichtsvolle und unerſchrockene Erforſcher dieſer öden Gegen— den, Herr Karl Gieſecke ſchildert, zu ergeben, daß alle Haupt- und untergeordneten Gebirgsarten dieſer Klaſſe, vom Granit bis zum Thonſchiefer herab, zu den Beſtandtheilen derſelben gehören. Dieſe Gebirgsarten zeigen, in dieſem entlegenen Erdſtrich dieſelben Abaͤnderungen des Gefuͤges, die man an denen auf der Weſtkuͤſte von Groͤnland wahr— nimmt, und dieſe ſind wieder nicht verſchieden von den Urgebirgsarten Britanniens und anderer Gegenden; ſo daß fie einen neuen Beweis liefern für die Gleichfoͤrmig⸗ keit im Charakter, die Aehnlichkeit in der Lagerung, und die Allgemeinheit der Vertheilung der Urgebirgsarten in allen Theilen der Erde. Nach demjenigen zu urtheilen, was von den eingemengten Mineralien auf der Weſtkuͤſte von Spitz bergen bekannt iſt, und bey der Uebereinſtimmung zwiſchen den Gebirgsarten der oͤſtlichen und denen der weſtlichen Seite dieſer Gegend, können wir annehmen, daß wenn Capit. Scoresby Zeit für ins kleine gehende Unterſuchungen gehabt — 382 — Hätte, fein wiſſenſchaftlicher Eifer gewiß würde belohnt worden ſeyn durch das Auffinden des noch ſeltenen Cryoliths, des Sodaliths und Allanits, ſchoͤner Turmaline und Grana— ten, intereſſanter Varietaͤten von Zircon, glaͤnzender Stuͤcke von Hyperſtene, des merkwuͤrdigen Dichroit, und aller Ar— ten des Feldſpath-Geſchlechts. Es ſcheint kein Grund vor: handen zu ſeyn, zu zweifeln, daß die Erze von Eiſen, Bley, Zinn, und Kupfer, die ſich auf der Weſtkuͤſte finden, auch in denſelben Gebirgsarten auf der Oſtkuͤſte vorkommen; und die ſchöͤnen Proben von Apatit, Kalkſpath, Flußſpath, und von andern einfachen Mineralien auf der Weſtkuͤſte, welche dem wiſſentſchaftlichen Forſcher ſo manchen Unterricht, ne— ben dem Vergnuͤgen ihres Anblicks gewaͤhrt haben, werden, bey irgend einer kuͤnftigen Reiſe, ſich in den neuerlich ent— deckten Gegenden den Nachforſchungen und der Unterſu— chung des Naturkundigen darbieten. 2. Uebergangsgebirge. Die Probeſtuͤcke von Uebergangsgebirgsarten ſind, ob— gleich in geringer Menge, ſehr intereſſant, da ſie das Daſeyn dieſer Klaffe in Groͤnland beweiſen, und alſo einen neuen Zug zu dem Bilde der geognoſtiſchen Beſchaffenheit von Grönland liefern; denn Gieſecke zaͤhlt keine der von ihm dort gefunde— nen Schieferarten dem Uebergangsgebirge bey. Dieſer Um— ſtand iſt auch ein erneuerter Beweis für die weite Verbrei— tung dieſer Gebirgsarten; und zeigt, in Widerſpruch mit ge— wiſſen ſpekulativen Anſichten, daß ſie nicht in wenige beſchraͤnk— te Winkel des Erdballs gewieſen ſind, ſondern, wie Gneis, Glimmerſchiefer ꝛc. als in ausgedehnten Gegenden verbreitet betrachtet, und folglich zu den allgemeinen Formationen ge— rechnet werden muͤſſen. Wir kennen noch kein Beyſpiel, daß Uebergangs Gebirgsarten in ſo hohen Breiten angetroffen worden ſind. a 388 3. Floͤzgebirge. Nach den aufgefuͤhrten Probeſtuͤcken ſcheinen wenigſtens zwey Formationen für dieſe Floͤzgebirgsarten angenommen werden zu muͤſſen: die Steinkohlen Formation und die Floͤz— trapp- und Porphyr-Formation. 1. Die Steinkohlen Formation. Gieſecke er: waͤhnt ihrer nicht; alſo wird fie jetzt zum erſtenmal als eine der Groͤnlaͤndiſchen Gebirgsformationen aufgeſtellt. Sie zeigt dieſelben Kennzeichen in Groͤnland, wie in Europa und in anderen Theilen der Erde; und ihr Vorwalten in Jame— ſon's Land giebt dieſem großen Landſtrich ſeinen beſondern Charakter, zeigt alfo abermals ein Beyſpiel von der Verbin— dung der allgemeinen und beſondern Geſtaltung einer Gegend mit ihrer geognoſtiſchen Beſchaffenheit und Zuſammenſetzung. Da dieſe Reihe von Gebirgsarten durchaus eine Menge mehr oder weniger mineraliſirter Ueberreſte von Pflanzen enthaͤlt, deren mehrere ein tropiſches Anſehen haben, ſo wird das Vorkommen derſelben in dieſer hohen noͤrdlichen Breite, in dieſer Eis- und Schnee-Region, beſonders merkwuͤrdig. In der Steinkohlen Formation von Melville's Land, wo der Sommer nur wenige Wochen dauert, fand ich bey Unter— ſuchung einer Reihe dortiger Stuͤcke, mehrere foſſile Pflan— zen von tropiſchem Anſehen, ganz aͤhnlich den in unſern Steinkohlenwerken vorkommenden; und da dieſelbe Forma— tion in der hohen Breite von Jameſon's Land vorkömmt, ſo iſt es ſehr wahrſcheinlich, daß die Naturforſcher in den Lagern derſelben kuͤnftig foffile Ueberreſte von ähnlichen Pflanzen finden werden. Ueberbleibſel von Pflanzen von tro— piſchem Charakter, in dem Boden in welchem ſie gewachſen find, unter 70° Norder Breite, iſt eine Thatſache die zu weit: laͤuftigen und wichtigen Eroͤrterungen uͤber den fruͤheren Zu— ſtand des Klima's in den noͤrdlichen Theilen des Erdballes führt, auf die aber hier keine Rückſicht genommen werden kann. Be Die anfcheinend große Ausdehnung der Steinkohlenfor— mation in Jameſon's Land macht ſehr wahrfcheinlich, daß es einen Ueberfluß von Kohlenlagern hat; und iſt dieſes der Fall, ſo kann es den Menſchen dereinſt weſentlich nuͤtzlich werden. In Grönland, wie in Schottland, wird die Steinkohlen— Formation von Gruͤnſtein-Gaͤngen durchſetzt, — abermals eine Thatſache, welche die Uebereinſtimmung dieſer Formation in beyden Landern darthut. 2. Die Floͤztrapp- und Porphyr- Formation, Die Gegenwart von Flöztrapp = und Porphyrarten auf Cap Brewſter und der Inſel Traill liefert einen merkwuͤrdigen Beytrag zu der geographiſchen Verbreitung derſelben; und diejenigen, welche fuͤr ihre Bildung die vulkaniſche Theorie in Schutz nehmen, werden die von Capitain Scoresby auf— gefundenen Erſcheinungen, als Beweiſe fuͤr die ehemalige Thaͤtigkeit von Vulkanen in Groͤnland anfuͤhren. Die hei— fen Quellen auf der Inſel Ouanaſtok in 60» Br. auf der Weſtkuͤſte von Grönland, die Gieſecke erwähnt, und der Be— richt von Zenetti“), von dem vormaligen Daſeyn von thaͤ— tigen Vulkanen in Grönland, werden von dem Vulkaniſten als ihrer Meynung von dem Vulkaniſchen Urſprunge der nur . gedachten Gebirgsarten guͤnſtige Umſtaͤnde angeſehen werden. — *) Vermuthlich hat der Verf. die Brüder Zeni hier bezeichnen wollen, von deren Reiſe nach der (zweifelhaften) Inſel Friesland, nach Groͤn— land ꝛc. eine Schrift von Placido Zurla: Dissertazione in- torno ai viaggi e scoperte settentrionali di Nicolo ed Anto- nio fratelli Zeni. Venezia 1808. 4 umſtaͤndliche Nachricht er: theilt. S. v. Zach's Monatl. Correſp. XIX. Bd. S. 156 ff. n Verzeichniß von Pflanzen von der oͤſtlichen Kuͤſte von Groͤnland — mit einigen Bemerkungen von Dr. Hooker, Profeſſor der Botanik zu Glasgow. 1. Veronica alpina. 2. Eriophorum vaginatum? (ein ſehr unvollkommenes Exemplar; wahrſcheinlich einerley mit dem folgenden). 3. Eriophorum capitatum. 4. Festuca vivipara. 5. Alopecurus alpinus. 6. Aira spieata, Linn. und Wahlenberg. 7. Iuncus arcuatus (Wahlenb. Luzula arcuata Hooker. in Flora Londin.) | 8. Oxyria reniformis Hooker. Flor. Scot, (Rheum di- gynum Wahlenb. Flor. Lapp; Rumex digynus Linn.) 9. Epilobium latifolium. 10. Polygonum viviparum. 11. Andromeda tetragona (ſchoͤne Exemplare.) 12. Vaccinium pubescens, Flora Danica. Dieſes ſtimmt genau mit denjenigen Exemplaren dieſer Pflanze überein, die ich vom D. Hornemann erhalten habe. Es ſcheint mir aber nur ein zwergartiges Gewaͤchs von Vacc. uli- ginosum zu ſeyn, und auch Hornemann vermuthet, daß es dieß ſeyn moͤchte. Weder an meinen Exemplaren, noch an denen von Scoresby, kann ich das Wollige an den Blaͤttern entdecken, das dieſe haben ſollen. 13. Saxifraga nivalis. 14. Saxifraga cernua, zwey Exemplare; (eine ſehr veraͤn⸗ derliche Art). 15. Saxifraga caespitosa, var. groenlandica — nach Wah⸗ lenb. und Hooker. 16. Saxifraga oppositifol. 17. Silene acaulis. z.B 18. Stellaria nitida (nova spec.) caule inferne pubes- cente, foliis lanceolatis, nitidis, siccitate subtri- nervibus, marginibus basi ciliatis, floribus subpani- culatis, petalis bipartitis calyce longioribus. Caules 3 — 4 pollicares, erecti, ramosi, tetra- goni, basi subpurpurascentes atque pubescentes, su- perne glaberrimi, virides. Fol i a remotiuscula, erec- tiuscula, opposita atque basi connata, lanceolata, nitida, acuta, subrigida, siccitate obscure trinervia, margine inferne ciliata. Flores terminales, majus- culi, rarius solitarii, plerumque paniculati; Ped i- cell i glabri, quorum unus elongatus, reliqui magis minusve breviores, ad basin bracteis duobis ovatis, concavis, acutis, viridibus vel purpurascentibus, membranaceis, marginibus diaphanis-suffulti. Cal y x pentaphyllus, foliolis ovatis, obtusis, viridibus, uni- vel obscure triner vibus, margine lato diaphano, albo, sub lente ciliato. Petala calyce longiora, alba, bipartita, segmentis ovato-lanceolatis, obtusis, venosis, — Stamina decem, inaequalia, petalis multo breviora, basi glandula annulari unita. Fi- lamenta subulata, alba. An therae flavae, ovatae. Germen ovatum, viride. Styli tres, erecti, api- cibus paullulum incurvatis. Capsulam maturam non vidi. Bey keinem Schriftſteller habe ich eine Art der Stella— ria finden koͤnnen, die mit dieſer uͤbereinſtimmte, welche ich zuerſt aus Exemplaren habe kennen lernen, die mir von dem verſtorbenen Dr. Vright in Edinburgh mitge— getheilt wurden, und die von ſeinem Neffen, dem Dr. William Wright, in Grönland aufgefunden worden waren; in welchem Theile dieſes intereſſanten Landes kann ich je— doch nicht ſagen. Unter den vielen gronlaͤndiſchen Pflan— zen, die ich von meinem Freunde, dem Profeſſor Hor— > nemann in Kopenhagen, erhalten habe, und die von Mormfeiold geſammelt waren, finde ich nichts Ähnliches; eben ſo wenig in der Flora Danica. Mit der Stellaria groenlandica in dieſem Werke hat ſie nur eine allge— meine (generiſche) Aehnlichkeit. Die Blätter dieſer Art ſind ganz verſchieden in der Geſtalt und Beſchaffenheit von jener, und die Blumenblaͤtter find viel großer, und nur an den aͤußerſten Ende zweyſpaltig. Unſerer Stel- laria glauca, graminea und Holostea kommt ſie in ih⸗ rer allgemeinen Beſchaffenheit nahe, aber ihre geringe Große, ihre glatten, ſteifen Blätter, gefranzten Raͤnder, breiten und tief eingeſchnittenen Blumenblaͤtter — an— derer Kennzeichen nicht zu gedenken — unterſcheiden fie hinreichend. 19. Cerastium latifolium. Genau fo, wie ich es in der Flora Scot. beſchrieben habe, und verſchieden von Cer alpinum. 20. Cerastium — an dem Exemplar fehlt die Bluͤthe, aber ich denke, es iſt Cer. alpinum, 21. Potentilla verna. 22. Dryas octopetala — an dem Rande der Blätter ſehr ſtark gekerbt. Die Exemplare von Dryas, welche ich vordem aus Grönland erhalten habe, waren Dryas integrifolia. 23. Papaver nudicaule. 94. Poa laxa, nach Willdenow, Wahlenberg und der Flor. Scot. 25. Ranunculus nivalis — ſehr fchon. 26. Pedicularis hirsuta — eine lapplaͤndiſche Pflanze, die, fo viel ich weiß, früher nicht in Grönland gefunden worden iſt. 27. Draba hirta. 28. Cochlearia anglica. 29. Cochlearia anglica? vielleicht C. groenlandica, aber es iſt weder Frucht, noch Bluͤthe an dem Exemplar. 30. Arabis alpina. 31. Gnaphalium alpinum. 29° 32. 33. 34. 2 2 Arnica angustifolia, unbezweifelt verſchieden von Ar- nica montana, von welcher es Linné und Wahlenberg zu einer Varietaͤt (var. 6.) gemacht haben. Erigeron uniflorum. Dieſe Art weicht von unſerm brittiſchen Erig. unifl. in der ausnehmend wolligen und purpurnen Huͤlle (involucrum) ab, und iſt unſtreitig die von Wahlenberg gemeinte Art. Ich bin jedoch noch un— gewiß, ob ſeine Merkmale hinreichend ſind, um es als eine beſondere Art von Erig. alpinum zu trennen. Carex — iſt noch zu wenig ausgebildet, als daß ich mich getraute, die Art derſelben mit Sicherheit zu beſtim— men; ich ſollte indeß glauben, es waͤre C. saxatilis Linn. - Es iſt fehr verſchieden von C. rigida der En g- lish Botany, welche ich in der Flor. Scot. als eine Varietät von Car. caespitosa aufgefuͤhrt habe. Salix — zwey Pflanzen; ohne Zweifel die maͤnnliche, und weibliche derſelben Art. Allein ob ſie gleich mit kei— nen Exemplaren, und keiner Beſchreibung, deren ich ha— be habhaft werden konnen, vollkommen uͤbereinſtimmen; ſo wage ich doch nicht, ohne mehrere Pflanzen dieſer Art, aus verſchiedenen Zeitpunkten ihres Wachsthums, aus Grönland vor Augen zu haben, ſie als eine neue Art (species) aufzuführen. Sie gehören zu der Abtheilung von Wahlenberg „Germinibus sessilibus“ und zu der Unterabtheilung „Germinibus villosis;“ und die Arten, welchen fie, nach der Flora dieſes Botanikers, am naͤch— ſten kommen, ſind Salix glauca und S. limosa. Sie weichen von beyden in der Geſtalt und in der zottigen Beſchaffenheit der Blaͤtter, und von der erſtern noch mehr durch den langen Griffel, auf welchem die Narbe ſitzt, ab. Auf die folgende Beſchreibung lege man da— her keinen Werth; Frutex parva, cortice pallide fusca, nitida. Folia obovata vel elliptica, non ra- ro rotundata, utrinque pilosiuscula, juniora valde pilosa, sericea; supra viridia, inferne pallidiora, 36. 37. 38. 39. 40. 41. 42. — 389 — subglaucescentia, minime tomentosa. Amenta mas cula elliptica. S quam ae rotundatae, subemar- ginatae, fuscae, pilosae, pilis Jongis, sparsis, sericeis. Stamina duo. Amenta foeminea ovato-cylin- dracea. Squamae ut in mare, sed magis nigrescen- tes rigidioresque, piloso sericeae. Germi n a oblon- go-lanceolata, pulcherrime sericea, squamis paullu- lum longiora. Stylus germine dimidio brevior, Stigma bifidum, divaricatum, segmentis bifidis. Caps ulae tres-quatuor lineas longae. Die weiblichen Kaͤtzchen, muß ich bemerken, haben ein ſehr huͤbſches Anſehen, wegen des Abſtichs zwiſchen ihren faſt ſchwarzen Schuppen und dem reinen Silber—⸗ Weiß ihrer Fruchtknoten. Empetrum nigrum. Rhodiola rosea, masc. et foem, Stereocaulon paschale, Cetraria nivalis. Fucus aculeatus. Bryum —— ? feine Blüthen » oder Fruchtheile, ſondern wahrfcheinlich kahle Schößlinge von B. carneum, Trichostomum lanuginosum. Nr. IIE Verzeichniß von Thieren auf der oͤſtlichen Kuͤſte von Groͤnland — mit einigen Bemerkungen. 1. Säugethiere. Trichecus Rosmarus — Wallroß; von den Wallfiſch⸗ * fängern Seepferd genannt. Von dieſem Thiere fanden ſich zahlreiche Ueberreſte bey den verlaſſenen Hütten der Eingebohrnen; dagegen wurde auf dieſer Reiſe kein lebendiges Thier diefer Art laͤngs der Kuͤſte angetroffen; obwohl ich es fruͤher dort geſehen habe. Phoca Vitulina — der gemeine Seehund. Einige wenige Thiere dieſer Art zeigten ſich waͤhrend unſeres Aufenthalts an der Kuͤſte; aber fie waren über: haupt hier auffallend ſelten. Phoca Hispida? Es wurde nur ein Thier angetroffen, das von dieſer Art zu ſeyn ſchien; aber keines auf dieſer Reiſe erlegt. Mus Groenlandicus. Von dieſer Thierart wurden zwey oder drey Stuͤck, von den Leuten meines Vaters auf Jameſon's Land an⸗ getroffen, die eine neue Art zu ſeyn ſchienen. Sie ſtim— men mit keiner Beſchreibung irgend einer Art dieſer Sat: tung in unſern Zoologieen uͤberein ). In manchen Stuͤk⸗ ken nähern ſie ſich dem Mus Hudsonius, und koͤnnten vielleicht als eine bloße Varietaͤt dieſer Art angeſehen werden. Indeſſen unterſcheiden ſie ſich durch die Farbe, durch den Mangel des Streifens auf dem Ruͤcken, und (obwohl das vorliegende Exemplar ein Maͤnnchen zu ſeyn ſcheint) dadurch, daß ihnen die merkwuͤrdige Ei- genheit der doppelten Klauen an den Vorderfuͤßen fehlt, hinreichend, wie es ſcheint, um fie als eine bisher un: bekannte Art zu bezeichnen. Sie gehört offenbar zu Cuͤvier's Unterabtheilung Le m⸗ ming oder Maus mit ſehr kurzen Ohren und Schwanz, und Vorderfuͤßen zum Wühlen. Man kann fie daher . entweder grönlaͤndiſche Maus oder grönländi— ſchen Lemming nennen. *) von Linne, Pallas, Shaw, Cuͤvier. Sc. a = rem Mus groenlandicus.*) — Mus brachyurus; au- riculis nullis externis, palmis tetradactylis; corpo- re supra cano, fusco distincto, subtus rufescente. Beſchreibung: Die Haut dieſes kleinen Thieres mißt von der Naſe bis zur Schwanz⸗Spitze 5, 5 Zoll. Sie iſt mit einem dicken und ſchoͤnen weichen Haar bedeckt, und die Haare ſind nach der Wurzel hin von einem dunkeln Schwarzgrau, und an der Spitze von verſchiedener Farbe an den verſchiedenen Theilen des Koͤrpers, wie ſich im Fol— genden zeigen wird. Der Kopf iſt ziemlich klein, die Schnauze laͤuft ſpitzig zu und faͤllt von den vordern Backen— knochen ſchnell ab. Die Vorderzaͤhne beyder Kinnladen ſtehen bey dem lebendigen Thiere auswaͤrts. Die Haare des Schnurr— bartes find zahlreich, ſtark und über einen Zoll lang; einige derſelben ſind dunkelbraun, andere weiß. Einige lange Haare kommen auch aus den Augenbraunen hervor. Die Augen ſind groß und ſtehen nicht weiter, als einen halben Zoll aus einander. Ein graulich-ſchwarzer, nicht ſcharf begrenzter Strich laͤuft von der Naſen-Spitze bis in das Genick. Die Seiten des Kopfes ſind von einem weniger gemiſchten Grau, als der übrige Theil des Balges. Man ſieht aͤußerlich keine Ohren, aber die Stellen der Oeffnungen, die zu dem Ge— hörgang führen, find durch kleine Buͤſchel von roͤthlichem Haar bezeichnet. Der ganze obere Theil des Koͤrpers iſt zierlich gefleckt durch eine Miſchung von aſchgrau, von ſchwaͤrzlich- und röthlich-braun. Alle untern Theile find roͤthlich, und dieſe *) Die nachfolgende Charakteriſtik und Beſchreibung ruͤhrt vom Dr. Traill her. Sc. — 292 — Farbe geht nicht blos bis an die Kehle und das Kinn, ſon— dern auch bis an die Seiten des Oberkiefers. Die Grenze zwiſchen den Farben der obern und untern Theile iſt durch eine wellenformige Linie von dunklerm Braun bezeichnet, die längs den Seiten des Geſichts, des Nackens und Rum: pfes hinläuft und am dunkelſten um die Vorderfuͤße herum iſt. Der Schwanz iſt ſehr kurz. Die Wirbelknochen deſ— ſelben reichen nicht weiter, als einen halben Zoll vom Rumpf, aber ein Buͤſchel ſehr ſteifer weißer Haare, der ungefähr einen halben Zoll über den letzten Wirbel hinaus geht, macht beynahe das Ganze aus, was vom Schwanze aus den Haaren des Felles hervorragt. Die Beine ſind außerordentlich kurz, und ſcheinen, nach ihrer Starke und Stellung, zum Wühlen ſehr taug— lich. Die ganzen Füße find mit langen weißen Haaren ſtark bedeckt, die, beſonders an den Hinterfuͤßen, noch über die Spitze der Naͤgel hinaus gehen. Die Vorderfuͤße haben einige Aehnlichkeit mit denen des Maulwurfs. Sie find mit vier ſcharfen Klauen ver— ſehen, von welchen die beyden mittlern viel laͤnger und ſtaͤrker, als die uͤbrigen ſind, und ſind ſehr gebogen. Die zweyte Klaue iſt bey weitem die größte. Man ſieht hier aber nichts von einer ſolchen Verhaͤrtung der Haut unter den Klauen, die als eine doppelte Klaue beſchrieben, und als eine Eigenthümlichkeit der mannlichen Maus an der Hudſons-Bay angegeben wird. Die Laͤnge eines Vorder— fußes, laͤngs der Kruͤmmung des Fußes und der Klaue gemeſſen, betraͤgt nicht uͤber 1, 1 Zoll, und iſt nicht ganz 0, 8 Zoll in gerader Linie. Die laͤngſte Klaue iſt 0, 4 Zoll. Die Zehen ſind behaart. Die Hinterfuͤße ſind etwas laͤnger, als die Vorderfuͤße. Von der Hacke bis an das Ende der Klauen find fie 0, 8 Zoll. Sie haben jeder vier Klauen, von welchen die drey mittlern beynahe gleich lang, — aber überhaupt viel kleiner, als die der Vorderfuͤße find. Die Fußſohlen ſind dick mit einem weißen Pelz bedeckt, und die Haare an der Außenſeite des Fußes gehen noch bis über die Hacke hinunter. Anmerkung vom Profeſſor Jameſon.“ Bisher hat man kein Thier aus dem Maͤuſegeſchlecht, das in Grönland einheimiſch waͤre, gekannt, denn weder Müller, noch Gieſecke erwähnen eines ſolchen. Zwar wird die ſchwarze Ratte und die gemeine Maus in der Fauna Groenlandica mit aufgefuͤhrt; beyde aber ſind erſt durch Schiffe dort hingebracht worden. Hätte Capitain Scoresby die braune oder ſchwarze Ratte, oder die gemeine Maus auf der Oſtkuͤſte von Grönland gefunden, fo würde das viel dazu beygetragen haben, den Streit uͤber die al— ten europaͤiſchen Niederlaſſungen in dieſem Lande zu ſchlich— ten. Die hier vom Dr. Traill beſchriebene Art gehoͤrt, wegen ihrer nahen Verwandtſchaft mit Mus Hudson., zu den Lemming-Arten, und iſt wahrſcheinlich fuͤr Groͤnland, was der gemeine Lemming fuͤr Europa, der Mus torquatus fuͤr Aſien, und der Mus Hudsonius fuͤr Nordamerika iſt. Ursus maritimus — Eisbär Polarbär. Dieſer kommt bisweilen in beträchtlicher Anzahl auf dem Eiſe in der Nähe der groͤnlaͤndiſchen Kuͤſte vor. Knochen deſſelben fanden ſich in großer Menge bey den verlaffenen Hütten am Ufer, aber kein lebendes Thier. Lepus Glacialis — der weiße Haſe. Ein kleines Thier dieſer Art wurde von mir ſelbſt bey Cap Hope gefchoffen, und mehrere andere wurden dort und bey Cap Brewſter geſehen. Canis — Hund. Einige Schaͤdel und andere Knochen von Hunden wurden am Ufer gefunden. Auch fand ſich ein ſolcher 2 Schädel in einem kleinen Grabe, vermuthlich dem Grabe eines Kindes. HBalaena Mysticetus — der gemeine Wallfiſch. Balaena Gibbar (La cepede) B. Physalis Linn. Einige von dieſen Thieren, welche die Wallfiſchfaͤn— ger ſelten zu fangen verſuchen, (weil man bey der Schnelligkeit ihrer Flucht, wenn ſie angegriffen wer— den, wenig Hoffnung hat ſie zu bekommen) wurden in einiger Entfernung vom Lande, aber keiner nahe am Ufer geſehen. Monodon Monoceros Linn. — Narwal oder See— Einhorn — findet ſich dort in Menge. es Anas Bernicla — Baumgans, Rothgans. Nur ein einziger Vogel dieſer Art ließ ſich waͤhrend unſers Aufenthaltes an der Kuͤſte ſehen. Anas Mollissima — Eider vogel. So gemein dieſer in manchen Gegenden von Groͤn— land iſt, ſo haben wir ihn doch nur in geringer An— zahl angetroffen. Alca Arctica — Papag eytaucher — nicht haͤufig. Alca Alle — der kleine Alk, blaufüßige Mo: we — in großter Menge, zum Theil in ungeheuern Schaaren. Procellaria Glacialis — Sturmvogel — in den Po: lar⸗Meeren häufig. Colymbus Grylle — grönländifche Taube — ziem⸗ lich häufig, | Colymbus Troile — fumer — in Menge. a: =; Sterna Hirundo — Seeſchwalbe. In der Nähe von Bontekoe Infel im Juny, und aa Jameſon's Land im July gefehen. Larus Rissa — Möwe — in dem ganzen groͤnlaͤndi⸗ diſchen Meere Häufig. Larus Parasiticus — Struntjäger. Bisweilen geſehen — aber nicht zahlreich. Larus Crepidatus — bey Cap Swainſon und ander— wärts, aber nicht häufig. Larus Eburneus — in Menge, Larus Glaucus — gleichfalls in Menge. Emberiza Nivalis — Schneeammer — nicht haͤufig. Charadrius Hiaticula — Seelerche. Am Cap Hope und auf Jameſon's Land geſchoſſen. Tetrao Lagopus? — Schneehuhn? ?ehrere Vögel dieſer Art wurden von den Matro— ſen geſehen, und einige auch getoͤdtet, auf Jameſon's Land und der Inſel Traill, aber keiner an Bord ge— bracht. Sie waren ſo zahm, daß ſie ſich mit Steinen todt werfen ließen. Die Matroſen beſchrieben ſie als Rebhuͤhner; Profeſſor Jameſon aber haͤlt es fuͤr wahrſcheinlicher, daß es Schneehuͤhner waren, die nach Fabricius, Gieſecke und Roß in Groͤnland vor— kommen. Das zahme, nicht ſcheue, Weſen iſt in der That etwas Charakteriſtiſches bey dieſen Vögeln, ſelbſt bey denen, die ſich in den Gebirgen von Schottland finden. Fringilla Linaria? — Flachsfink, Rothhänfling, Leinling.“ „) Engl. the lesser Redpole, Die obigen Benennungen, nebſt noch einer Menge anderer, giebt Nemnichs Woͤrterb. d. Naturg, u Zwiſchen den Felſen von Cap Hope und an verſchie— denen Orten auf Jameſon's Land wurden einige Voͤ— gel geſehen, die von dieſer Art zu ſeyn ſchienen. Muͤl— ler und Gieſecke erwaͤhnen ſie als einheimiſch auf der weſtlichen Kuͤſte von Groͤnland. 3. Fiſche. Squalus Borealis — der groͤnlaͤndiſche Hay. Dieſer wird 12 bis 16 Fuß lang, und daruͤber, und hat 6 bis 8 Fuß im Umfange. Er iſt wegen eines wurmfoͤrmigen Auswuchſes an jedem Auge, der am Rande der Regenbogenhaut ſitzt, merkwuͤrdig. Es iſt eine neue Art, von der ich in dem Account of the arct. Reg. Vol. I. p. 558. einige Nachricht gegeben habe.) [Dieſes Thier iſt, wie ich glaube, noch nicht beſchrie— ben worden. Die Bauchfloſſen ſind abgeſondert. Es hat keine Steißfloſſe, und keine Kiemendeckel, und ge— hoͤrt daher zu der dritten Abtheilung dieſer Gattung. An jeder Seite des Nackens bat eg fünf Luftlöcher. Seine Farbe iſt aſchgrau. Die Augen ſind der ſonder— barſte Theil dieſes Thieres. (S. die IX. Taf. 3. Fig.) Der Augenſtern iſt ſmaragd-gruͤn; der uͤbrige Theil des Auges blau. An dem hintern Rande des Augenſterns ſitzt eine weiße wurmformige Subſtanz, einen bis zwey Zoll lang. An beyden Enden beſteht ſie aus zwey Faͤ— den, in der Mitte aber iſt ſie nur eins. Die Schiffer glauben, das Thier waͤre blind, weil es nicht die ge— ringſte Aufmerkſamkeit auf einen Menſchen in ſeiner Naͤhe zeigt; und in der That iſt es, dem Anſchein nach, *) Aus dieſem Werke iſt die nachfolgende Beſchreibung dieſes merk— f wuͤrdigen Thieres, ſo wie die Abbildung deſſelben auf der IX. Tafel, genommen. g Dr: 7 fo dumm, daß es ſich nie zurückzieht, wenn man mit einem Meſſer oder einer Lanze ausholt, um nach ihm zu ſtoßen. Seine Leber iſt außerordentlich oͤlig, und giebt wohl ein Barrel Oel.) An Geſtalt iſt es im Allgemeinen dem Dornhay h ſehr aͤhnlich. Die Oeffnung des Mundes, die ſich faſt uͤber den ganzen untern Theil des Kopfes ausdehnt, iſt 21 bis 24 Zoll weit. Die Zaͤhne find ſaͤgenartig in der einen Kinnlade, und lan— zettformig und gezaͤhnt in der andern. Auf jeder Seite find wenigſtens 4 oder 5 Reihen, und auf einer Seite bisweilen 7 oder 8. Dieſer Hay iſt einer von den Feinden des Wallfi— ſches. Weder lebend, noch todt hat dieſer Ruhe vor ihm. Im Leben wird er von ihm verfolgt und oft hef— tig gebiſſen, und im Tode muß er ihm zur Nahrung dienen. Der Hay reißt ihm dann ganze Stuͤcke, ſo groß wie ein Menſchenkopf aus dem Leibe heraus, und verſchlingt eines nach dem andern, bis ſein Bauch voll iſt. Er iſt ſo unempfindlich gegen Schmerz, daß, wenn man ihm gleich ein Meſſer durch den Leib rennt, und er entkommt, er doch in kurzem wieder an denſelben Platz, wo er verwundet wurde, zuruͤckkehrt, wenn es dort etwas fuͤr ſeine Gefraͤßigkeit gab. Das Herz deſ— ſelben iſt ſehr klein. Es thut ſechs oder acht Schlaͤge in einer Minute, und ſchlaͤgt noch einige Stunden lang *) Ein Barrel iſt 312 Gallons, und ein Gallon Del beträgt nach dem, was oben von dem Gewicht einer Tonne Oel angegeben iſt, unge: faͤhr 73 Pfund; folglich Hält ein Barrel ungefähr 240 Pfund Oel. *) Engl. the dog-fish, welches nach Nemnich, Squalus acanthias, Dorn hay, Dornhund, Speerhay iſt. 4 fort, nachdem es ſchon aus dem Leibe herausgenommen iſt. Auch der Leib, wenn er ſchon in viele Stuͤcke zer— theilt iſt, giebt noch eben fo lange nachher Zeichen von. Leben. Es iſt daher überaus ſchwer, das Thier zu tod: ten; und es wuͤrde in der That nicht rathſam ſeyn, die Hand in ſeinen Rachen zu ſtecken, auch wenn der Kopf ſchon vom Rumpfe getrennt iſt. Den Wallfiſchfaͤngern iſt er nicht eben gefaͤhrlich. Denn wenn dieſe gleich oft in Waſſer gerathen, wo er in Menge vorhanden iſt, ſo habe ich doch nie gehoͤrt, daß einer von einem Hay waͤre angefallen worden. Außer todten Wallfiſchen machen kleine Fiſche und Krabben ſeine Nahrung aus. In dem Magen eines Hay's, den ich todtete, fand ſich ein Fiſch, welcher der Geſtalt und Größe nach einem Weißling ) glich; inzwiſchen war die Verdauung ſchon zu weit vorgeruͤckt, als daß man die Art haͤtte genau beſtimmen konnen. Beym Schwimmen wird nur der Schwanz gebraucht, und die uͤbrigen Floßfedern, die ausgebreitet ſind, um den Fiſch im Gleichgewicht zu erhalten, ſieht man nur ſich bewegen, wenn die Richtung des Schwimmens verändert wird.] Gadus Carbonarius? — Kohl fiſch. In dem Magen eines Narwals, der in der Naͤhe von Grönland getoͤdtet wurde, fanden ſich Ueberreſte von Fiſchen, die von dieſer Art zu ſeyn ſchienen. Raja Batis — Glattroche — wurde faſt ganz in dem Magen eines Narwals gefunden. Pleuronectes — ? Butte. — Von dieſer Gattung wur— den gleichfalls Ueberreſte in dem Magen deſſelben Nar— wals gefunden. *) Engl. a whiting — welches Nemnich durch „gadus merlan- gus — „Weißling “ erklärt. 4. Schleimthiere. Clio Helicina — See-Schnecke — ſehr zahlreich in manchen Theilen des gronlandifchen Meeres, in der taͤhe des Ufers. Clio Borealis — in ungeheurer Menge. Sepia —— ? Tintenfiſch — im Magen des Narwals gefunden, deſſen vornehmſte Nahrung er zu ſeyn ſcheint. 5. Infekten. Papilio Palaeno Linn. Dieſer Schmetterling wurde auf Jameſons Land ge— fangen. Er war ſowohl dort, als auf Cap Liſter und Cap Hope in großer Menge vorhanden. Papilio Dia Linn. — mit dem vorigen zugleich gefun— den, und ebenfalls in großer Anzahl. Außer dieſen Schmetterlingen wurden noch verſchiedene andere Inſekten geſehen, und einige derſelben aufbe— wahrt; dieſe wurden aber auf der Rückfahrt nach Eng: land ſo beſchaͤdigt, daß ſich die Arten, zu welchen ſie gehoͤrten, nicht genau beſtimmen ließen. Indeſſen ſchei— nen mir die folgenden Bemerkungen, die mir Prof. Jameſon ſowohl uͤber dieſe unvollkommenen Exemplare, als uͤber die beyden Schmetterlinge gefaͤlligſt mitge— theilt hat, fuͤr Liebhaber der Inſektenkunde nicht ohne Intereſſe zu ſeyn. Bemerkungen von Jameſon. Die wenigen Inſekten, welche ich zur Unterſuchung er— hielt, waren ſo verſtuͤmmelt, daß nur zwey derſelben mit Sicherheit beſtimmt werden konnten: 1) Papilio Palaeno Linn. — Faun. Suec. 1041. 2) Papilio Dia Linn. Fabric. Mantiss. Ins. II. p. 61. n. 681. — Beyde Arten werden jetzt — A zum erſtenmal als in Grönland einheimifch aufgeführt. Denn der einzige Schmetterling, den man bis jetzt aus die: ſem Lande kannte, und den Fabrizius auf der entgegen— geſetzten Kuͤſte gefunden, und in ſeiner vortrefflichen Fauna Groenlandica beſchrieben hat, iſt Papilio Tullia von Müller, Prodr. 1319. Fabrizius zähle acht Arten von Nachtvoͤgeln oder Phalaͤnen, als einheimiſch in Grönland, auf. Unter den von Scoresby mitgebrachten Inſekten ge— hört eines zu dieſer Gattung, aber die Art läßt ſich bey dem unvollkommenen Zuſtande des Exemplares nicht beſtim— men. Eben fo wenig eine Art der Schnacken (tipulae), deren Fabrizius fuͤnfe beſchreibt. Die Muskito's, deren Scor. gedenkt, waren unſtreitig Culex pipiens Linn. welche Fabrizius und Gieſecke unter den groͤnlaͤndiſchen Inſekten aufzaͤhlen. Die Biene, mel: che Scor. ſah, mag Apis Alpinus geweſen ſeyn — von welcher Fabrizius bemerkt „Habitat passim, in sinubus frequentior, mel suum ex plantis sedulo sub stridore colligens in favos suos subterraneos, ubi hibernat. Groenlandi mel suis inventum sugere solent, nec ta- men magni habent. Der Papilio Palaeno, von den Franzoſen le Solitaire genannt, iſt auch in Frankreich, Deutſchland und Schwe— den zu Haufe. Er gehort zu der Abtheilung: Danai can- didi, und dieſe finden ſich von ſehr verſchiedenen Schatti— rungen in ihren Farben. Gelb iſt die Hauptfarbe; bey ei: nigen aber geht ſie ins Gruͤn, bey andern ins Orange über. — Sollte dieſer Schmetterling, wie der Colias edusa — mit dem er nahe verwandt iſt — ſich auch in Spanien finden, fo wäre er über einen Erdſtrich von 32 Breitengra— den verbreitet. — Papilio Dia iſt in Oeſterreich gemein, und kommt auch in England und in Frankreich vor, wo er unter dem Namen la petite Violette bekannt iſt. Seine | Mi Entdeckung in Grönland zeigt alſo, über welch einen gro: ßen Theil der Erde auch er verbreitet iſt, und welche ganz entgegengeſetzten Klimate feine Natur verträgt. Schon die Fauna groenlandica von Fabrizius zeigt, daß der Zweig des Thierreichs, welcher die grönlaͤndiſchen Inſekten begreift, eine große Aehnlichkeit mit dem der daͤni— ſchen, ſchwediſchen und beſonders ſchwediſch-lapplaͤndiſchen Inſekten hat; und durch die Beobachtungen von Scoresby wird dieſes Band noch weiter ausgedehnt, durch welches die Natur die noͤrdlichſten Länder mit den ſuͤdlichern verbun— den hat. 6. Crustacea. Gammarus Arcticus — eine neue Art, die in dem Acc. of the Arct. Reg. beſchrieben iſt. [Die nachfolgende Beſchreibung dieſes Thieres ver— danke ich dem Dr. Leach. „G. oculis sublunatis; pe- dum pari tertio, secundo maiori“ Seine ſonderba— ren Bewegungen machen, daß man ihm den beſondern Namen: the mountebank shrimp (der Gau: kler) geben könnte. Er uͤberſchlaͤgt ſich öfters im Waſ— fer, mit beſonderer Schnelligkeit, und ſchwimmt in je: der Stellung leicht fort. Die beyden hinterſten Süße auf jeder Seite ſtreckt er aufwärts in die Höhe, daß fie uͤber den Rücken hervorragen, fo oft er mit dem Rücken an irgend etwas Feſtes ſtoͤßt. Er kommt uͤber— all in dem grönlaͤndiſchen Meere, in der Naͤhe des Lan— des ſowohl, als in der größten Entfernung von dem— ſelben, vor; ſein Aufenthalt iſt an der Oberflache des Waſſers, und er dient den ie und 2 Vögeln zur Nahrung.] 26 — 10 Cancer Boreas — in dem Magen des Narwals ge— funden. Cancer Ampulla — in dem Magen des Narwals und des Hay's gefunden. Oniscus Ceti Linn. — Wallfiſchlaus — auf der Haut des gemeinen Wallfiſches, unter den Floßfedern und anderwaͤrts. 7. Radiarıa — Seeſterne. Asterias Caput Medusae. Mehrere Thiere dieſer Art fanden ſich an einer Wall— fiſchleine haͤngend, die, unfern von der Inſel Traill, einige Stunden auf dem Grunde des Meeres gelegen hatte. 8. Prot oz oa. Medusa — Qualle, Meerneſſel. Von dieſer Gat— tung wurden mehrere Arten, und zwar in betraͤchtli— cher Menge, angetroffen, aber nur M. pileus als fol: che anerkannt. Sie ſcheinen die vornehmſte Nahrung des Wallfifches auszumachen. — 403 — Nr. IP. Unterſchied des Eiſes aus falzigem, und aus füßem Waſſer“) — Spezifiſche Schwere deſſelben. Die Wallfiſchfaͤnger unterſcheiden zweyerley Arten von Eis, je nachdem es ein trinkbares Waſſer giebt, oder nicht, und je nachdem es aus ſuͤßem oder ſalzigem Waſſer ent— ſtanden zu ſeyn ſcheint. Eis aus Salzwaſſer oder Salzwaſſer-Eis erſcheint im Waſſer ſchwaͤrzlich, in der Luft aber iſt es von einer weißen oder grauen Farbe, poroͤs und großtentheild un— durchſichtig (außer wenn es ſehr duͤnn iſt); das durchgehende Licht hat jedoch einen Anſtrich von blau oder blaͤulich-gruͤn. Wird es geſchmolzen, ſo giebt es bisweilen ein vollkommen ſuͤßes, bisweilen ein ſalziges Waſſer — dieß hängt großen: theils davon ab, woher es genommen iſt. Solche Stucke, die von einem über die Dberfläche des Waſſers emporra— genden Klumpen herruͤhren, oder die, wenn auch unter der Oberflaͤche befindlich, doch ſchon lange gefroren ſind, ſchei— nen eine gewiſſe Feſtigkeit erlangt zu haben, und geben ge— meiniglich ein ſuͤßes Waſſer; hingegen Stuͤcke von neu entſtandenem Eiſe an der Dberfläche der See find etwas ſalzig. Doch iſt es mir wahrſcheinlich, daß auch in dem letztern Fall das Salz von dem in den Poren des Eiſes zu— ruͤckbleibenden Seewaſſer herruͤhrt. Denn wenn man neu— entſtandenes, und ſehr porofes Eis in der Luft aufhängt, und einige Zeit, bey einer Temperatur von 32 Grad und daruͤber, ablaufen laͤßt, und es dann in ſuͤßem Waſſer ab— waͤſcht, fo zeigt es ſich faſt gaͤnzlich frey von Salz, und giebt ein trinkbares Waſſer. Ferner, wenn man Seewaſſer *) Vergl. Gilberts Annal. d. Phyſ. 1819. 5. St. ; 26.7 — 6 — in einem offenen Gefaͤß der Kälte ausſetzt, und es faͤngt an zu gefrieren, ſo wird der ungefrorne Theil deſſelben immer ſalziger; welches daher rührt, daß das Salz aus dem ge: frierenden Theil in dieſen uͤbergeht. Der Gefrierpunkt des Waſſers liegt aber deſto tiefer, je mehr Salz es enthält- Wenn reines Waſſer, deſſen ſpezifiſche Schwere — 1,0000 iſt, bey einer Temperatur von 32° gefriert, fo gefriert Salzwaſſer von einer ſpezifiſchen Schwere — 1,0263, wie das des grönlaͤndiſchen Meeres iſt, bey 285 Grad; iſt die ſpezifiſche Schwere deſſelben — 1,1045; ſo gefriert es erſt bey einer Kälte von 133 Grad; und Waſſer, welches mit Seeſalz geſäͤttigt iſt, bleibt ſelbſt bey einer Kälte = 0 Far. fluͤßig. Das Eis aus fügem Waſſer oder Suͤßwaſſer-Eis unterſcheidet ſich durch ſein ſchwarzes Anſehen, wenn es in kleinen Stuͤcken im Meere ſchwimmt, und durch feine Durchſichtigkeit, wenn es aus dem Waſſer herausgenommen iſt. Bisweilen hat man große Stuͤcke, die ſo rein und durchſichtig, wie das ſchoͤnſte Kryſtallglas, find; gemeinig⸗ lich aber wird die Durchſichtigkeit durch eine Menge kleiner runder oder birnformiger Luftblaͤschen unterbrochen. Dieſe bilden häufig zuſammenhaͤngende Linien, die das Eis wahr— ſcheinlich in einer auf die Ebene ſeiner Bildung ſenkrechten Richtung durchſchneiden. Es iſt hart und fprode; die Ecken eines friſchen Bruches ſind oft ſo ſcharf, daß man ſich, wie in Glas, daran ſchneiden kann. Auch wirken reine und durchſichtige Stuͤcke, in die Geſtalt erhabener Linſen ges bracht, wie Brennglaͤſer. Alles neu entſtandene, nicht dicke Eis, welches einen großen Theil des Treibeiſes ausmacht, wird von den Grön⸗ \ *) S. oben S. 85, Anmerk. 1 landsfahrern in der Regel für Eis von Salzwaſſer gehal— ten; hingegen Eisfelder, große Eisſchollen und Eisberge, und die ſchweren Eismaſſen beſtehen hauptſaͤchlich aus Suͤßwaſſer⸗Eis. Auch kleinere Eisklumpen und Bruchſtuͤcke, an welchen man, wenn ſie aus dem Waſſer genommen werden, eine Menge ſcharfer Spitzen und muſchelförmiger Ausholungen wahrnimmt, gehören zu der letztern Art. Das poröfefte und undurchſichtigſte, und das feſteſte und durchſichtigſte Eis ſind doch nicht weſentlich an Dich— tigkeit verſchieden. Die größte ſpezifiſche Schwere, die ich. beobachtet habe, war 0, 925, und die kleinſte 0, 915 (die Dichtigkeit des ſuͤßen Waſſers bey der Temperatur des Ge— frierpunktes — 1 geſetzt). Und es iſt eigen, daß bey vers ſchiedenen ſorgfaͤltigen Verſuchen, die ich neuerlich ange— ſtellt habe, die durchſichtigſten Stuͤcke gerade die leichteſten und die undurchſichtigen die ſchwerſten waren.“) Nimmt ) Ich habe verſchiedene Wege eingeſchlagen, um die ſpezifiſche Schwere des Eiſes auszumitteln. Zuerſt ſchnitt ich es in cubiſche, oder pas rallelepipediſche Stuͤcke, und maß den Theil deſſelben, welcher im Regen- oder Seewaſſer, bey verſchiedenen Temperaturen, uͤber die Oberflache herausragte. Dieſe Methode aber gab keine uͤberein— ſtimmenden Reſultate. Darauf wog ich ein ſolches Stuͤck Eis erſt in der Luft, bey kalter Witterung, und dann in füßem und in ſalzi, gem Waſſer, von der Temperatur des Gefrierpunktes, nachdem ich vorher ein Stuͤckchen Metall daran gehängt hatte, um es zum Sinken zu bringen. Der Unterſchied zwiſchen dem Gewicht des Eiſes mit dem daran haͤngenden Metall im Waſſer, und dem Ge— wicht des Metalls im Waſſer allein, gab den Unterſchied zwiſchen dem Gewicht des Eiſes und dem einer Waſſermenge von gleichem Rauminhalt. Wurde alſo dieſer Unterſchied zu dem Gewicht der Eiſes in der Luft hinzugethan, ſo ergab ſich das Gewicht eines gleich großen Waſſermenge; und das Verhaͤltniß dieſer Gewichts beſtimmte die ſpezifiſchen Schweren dieſer Koͤrper. 10 man die mittlere ſpezifiſche Schwere des Eiſes = 0, O2, fo folgt, daß bey einem Stuͤck Eis, welches in ſuͤßem Waſ— ſer von der Temperatur des Gefrierpunktes ſchwimmt, der hervorragende Theil ſich zu dem, welcher im Waſſer ſteckt, wie 1: 113 verhält. Hingegen in Vergleich mit dem See— waſſer an der Kuͤſte von Spitzbergen, bey einer Tempera— tur von 35, iſt die ſpezifiſche Schwere des Eiſes — 0,894 bis O, 900; woraus das Verhaͤltniß zwiſchen dem außer: halb des Waſſers, und dem innerhalb deſſelben befindlichen Theile eines ſchwimmenden Eiſes ſich wie 1: 8, 2 ergiebt. Man muß alſo auf jeden Cubikfuß, der von einer im Meere ſchwimmenden Eismaſſe über dem Waſſer hervorragt, we— nigſtens acht Cubikfuß unter demſelben rechnen. Ein Cubik— zoll dichtes Eis wiegt 231, 5 Gran, und ein Cubikzoll groͤn— laͤndiſches Seewaſſer, von der Temperatur des Gefrierpunk— tes, und von einer ſpezifiſchen Schwere — 1,0264 (bey ei: ner Temperatur — 60°) wiegt 259,58 Gran: folglich ver: haͤlt ſich das Gewicht des Eiſes zu dem des Seewaſſers, wie 8: 8, 97 oder beynahe wie 8: 9, Es iſt bekannt, daß das Waſſer gewöhnlicherweiſe eine große Menge von Luft enthaͤlt, die vielleicht auf 2s oder 5 ſeines Rauminhaltes ſteigt; und man nimmt an, daß dieſe Luft vornehmlich durch das Kochen des Waffers frey ge— macht wird. Es zeigt ſich jedoch aus dem folgenden Ver- ſuch, der in der Naͤhe von Spitzbergen angeſtellt wurde, daß bey weitem nicht alle Luft, die in dem Waſſer enthalten Dieſe Verſuche wurden immer in freyer Luft bey einer Tem⸗ peratur von 32 bis 30° angeſtellt. Das Eis wurde erſt mit einem groben Tuch abgetrocknet, alsdann in der Luft, und gleich dar— auf im Waſſer abgewogen. Die Reſultate dieſer Verſuche ſind in der am Ende dieſes Artikels befindlichen Tabelle zuſammengeſtellt. * a iſt, durch das Kochen heraus getrieben wird, da ein Waf: ſer, das erſt ausgekocht wurde, und darauf im luftleeren Rau— me gefror, kein durchſichtiges Eis gab. In ein 4 Unzen-Glas goß ich 2 Unzen Eiswaſſer, und rachte es auf das Feuer in ein Salzwaſſer-Bad, wo es bald anfteng zu kochen. Darauf nahm ich es von hier weg, und ſtellte es gegen ein lebhaftes Feuer; dadurch gerieth das Waſ— ſer in heftiges Aufwallen, und nachdem dieſes eine Zeitlang gedauert hatte, wobey eine Menge Dampf ſich entwickelt hatte, wurde die Flaſche plötzlich zugekorkt und umgedreht. Nach dieſem wurde fie einer Temperatur von 10 Graden ausgeſetzt, und das Aufwallen dauerte noch waͤhrend einer Zeit von 15 bis 20 Minuten, mit vieler Lebhaftigkeit fort, ſo oft die Fla— ſche in kaltes Waſſer oder Schnee getaucht wurde. Dieß bewies, daß wenig oder keine Luft in der Flaſche ſeyn konnte. Man konnte aber nicht eher Eiskryſtallen in der Flaſche wahr— nehmen, als anderthalb Stunden, nachdem das Aufwallen aufgehört hatte; und dann gieng der Prozeß des Gefrierens ſehr raſch vor ſich. In zwey oder drey Stunden darnach war das ganze Waſſer gefroren. So wie dieſer Prozeß wei— ter ruͤckte, ſah man immer mehr Luftblaſen nach der Ober— flaͤche ſteigen, und als er beendigt war, hatte das Eis durch— aus ein milchichtes Anſehen und war voll von kleinen Luft— blaſen. Hiernach wird es wahrſcheinlich, daß entweder das Waſſer durch das Kochen nicht ganz von Luft befreit wird, oder daß während des Gefrierens ſich ein Theil des Waſſers zerſetzt. ) 5 *) Eine ähnliche Beobachtung, als die obige, hatte ſchon Lichte n⸗ berg gemacht. „Ich ließ,“ ſagt er in feiner Ausg. von Erxlebens Naturlehre, 6te Aufl. Anmerk. zu F. 426., „am 30. Dec. 1783, „bey einer großen Kaͤlte, Waſſer, das ich ſowohl durch Kochen als „Auspumpen von Luft fo weit gereinigt hatte, als es mir mit einem, „ſehr guten Inſtrument moͤglich war, im Vac uo frieren. Der Erz — 408 — Dieſe Entwickelung von Luft waͤhrend des Gefrierens iſt Urſache, daß das Eis, welches ſich in kleinen Gefaͤßen oder einem beſchraͤnkten Raum bildet, nicht ganz durchſichtig ſeyn kann. Denn ſobald die Oberflaͤche des Vaſſers mit einer duͤnnen Eisſchicht bedeckt iſt, werden die aufſteigenden Luft— blaͤschen verhindert zu entwiſchen; fie ſteigen fo hoch als das Eis es geſtattet, werden dann durch neue Eiskryſtallen ein— geſchloſſen, und unterbrechen den Zuſammenhang des Eiſes, wodurch eben das truͤbe Anſehen deſſelben entſteht. Wenn hingegen die entwickelte Luft zufaͤlligerweiſe einen Ausweg rein und frey von ſichtbaren Zwichenräumen find. Wenn z. B. Waſſer in einem weiten cylindriſchen Gefäße einer bes traͤchtlichen Kälte ausgeſetzt wird, fo zeigt ſich der erſte An⸗ fang des Gefrierens an der Oberflaͤche und an den Seiten durch Eisnadeln, die langs der Oberfläche, und in ſchiefer Richtung unterwaͤrts anſchießen. Das Eis breitet ſich dann „folg war ſehr frappant und verdient, wie mich duͤnkt, Aufmerkſam⸗ „keit: das Glas, worin das Waſſer war, war, wie ſonſt gewoͤhn— „lich, zerbrochen; allein das Eis, anſtatt durchſichtiger als anderes „zu ſeyn, ſtellte faſt einen bloßen Schaum vor; ja die ganze Maſſe „war in der Mitte durch eine große Blaſe, die ſich von einer Seite „des Gefaͤßes nach der andern erſtreckte, getheilt. Die Frage iſt „hier, welches iſt das Wahrſcheinlichſte: 1) Iſt das Waſſer noch „nicht ganz rein von Luft geweſen, und daher der Schaum nur deß⸗ „wegen entſtanden, weil die noch in dem Waſſer befindliche Luft, „nunmehr im Vacuo entwickelt, wenig Widerſtand fand, und alſo „in große Blafen uͤbergieng? 2) wird bey dem Prozeß des Gefrie⸗ „rens Luft erzeugt? 3) oder trifft endlich ein anderer umſtand ein, „daß naͤmlich das Waſſer, indem es in Eis übergeht, eine große Men—⸗ ige ſpezifiſcher Wärme abzuſetzen genoͤthigt iſt (die nämlich, die es „als fluͤſſiger Koͤrper mehr haben muß), welche im Stande iſt im „luftleeren Raume ein augenblickliches Sieden hervorzubringen? „Letzteres verdient, wie mich duͤnkt, vorzuͤglich Aufmerkſamkeit. „Vielleicht finden alle drey erwaͤhnten Umſtaͤnde zugleich ſtatt.“ ee, an den Seiten immer mehr und mehr aus, und laͤßt in der Mitte eine gewiſſe Menge von Waſſer, in Geſtalt eines Ke— gels uͤbrig, in welches ſich die Luftblaſen hinziehen, die ſich beym Fortgang des Gefrierens entwickeln. Daher findet man gemeiniglich, daß das Eis an den Seiten rein und durchſich— tig iſt, während das in der Mitte, das zuletzt entſtanden iſt und die Geſtalt eines Kegels hat, deſſen Grundflaͤche gegen den Boden und Spitze gegen die Oberflaͤche gekehrt iſt, voller Luftblaſen und durchaus truͤbe iſt. Das Eis bleibt, wenn es ſchnell geſchmolzen wird, be— ſtaͤndig dicht, ſo lange noch etwas davon uͤbrig iſt; wird es aber der Luft bey einer Temperatur, die nur 2 oder 3 Grad uber dem Gefrierpunkt iſt, ausgeſetzt, fo löſt es ſich auf eine ganz beſondere Art auf. Bringt man z. B. ein großes Stuͤck Eis aus ſuͤßem Waſſer, bey milder Luft, in eine aͤhnliche Lage, als die, in welcher es entſtanden iſt, fo löſt es ſich in betrachtliche Säulen von einem prismatiſchen Anſehen auf. Dieſe Saͤulen haben eine aufrechte Stellung, und ſind faſt ganz von einander abgeſondert, ſo daß wenn man einen Schlag mit einem Beil dagegen thut, oft die ganze Maſſe in Stücke zerfallt. In den Land⸗Eisbergen find dieſe Saͤu— len oft von erſtaunlicher Größe, ſo daß, wenn ſie losgeriſſen erden, ſie ſchwimmende Eisberge bilden. Alles in der See ſchwimmende Eis iſt gemeiniglich rauh und uneben an der Oberflache, und den großten Theil des Jahres mit Schnee bedeckt. Selbſt das neu entſtandene Eis, das von Schnee frey iſt, iſt ſo rauh und weich, daß man nicht darauf Schlittſchuh laufen kann. Unter dem Waſſer wechſelt die Farbe des Eiſes mit der Farbe des Seewaſſers: in blauem Waſſer iſt es blau, in grünem grün; und nach Verhaͤltniß der Tiefe von einem dunklern Anſtrich. In dem dickſten olivengruͤnen Waſſer, und weit unter der Oberflaͤche, ſieht es braͤunlich aus. 7 u Labelle über die ſpezifiſche Schwere des Eiſes. Zu dieſen Verſuchen wurden drey Eisſtuͤcke von verſchie— dener Beſchaffenheit genommen. Dieſe wurden einige Zeit in der Luft aufgehängt, um das Waſſer ablaufen zu laſſen, bey einer Temperatur von 30° (das poroſeſte bey etwas mil: derer Luft); alsdann wurden fie in reinem Waſſer abgewa— ſchen, abgetrocknet, und ſorgfaͤltig gewogen. Darauf wur— de eine kupferne Kugel von 2515 Gran der Reihe nach an jedes Stuͤck gehängt, und mit ihm zuſammen in ſuͤßem Waſ— ſer von der Temperatur des Gefrierpunktes abgewogen. Hierdurch wurden folgende Ergebniſſe gefunden. u | Gewicht in Granen. Unter: | Summe Spezif. des Gi. des Ei- der ku- ſchied von Schwere ſes in ſes mit) pfernen) zwiſchen Nr. II. des der der Ku⸗ Kugel N. III. und V.] Eiſes. Luft. gel im imWaſ-⸗ u. IV. Waſſer] fer. 2 I III. IV. 25 VI. VII. 1. Durchſichtiges Suͤßwaſſer-Eis, ohne ein ſichtba⸗ res Blaͤschen. 2. Halbdurſichti⸗ ges Eis von ei— N ner Eiszunge von 3661 | 1898 | 2233 | 335 — 3996 — 0,9126 Salzwaſſer-Eis — von Geſchmack ganz ſuͤß. 33331922 | 2233 [311 Gr. 3644 Gr.] 0,9146 3. Neu entſtan⸗ denes poroͤſes u. undurchfichtiges | 4892 | 1838 | 2233 | 395 — 5287 — 0,9253 Eis — von Ge- ſchmack faſt ganz f EE ſuͤß. Dieſe Verſuche wurden mit aͤhnlichen Eisſtuͤcken und unter aͤhnlichen Umſtaͤnden zu einer andern Zeit wieder: — — 411 — holt, und die Ergebniſſe ſtimmten mit den fruͤhern gut zuſammen. Die ſpezifiſche Schwere eines Stückes von der— ſelben Art wie Nr. 1. fand ſich 0,9165; die eines Stuͤckes ahnlich Nr. 2. war S 0,9200; und die eines Stückes wie Nr. 3. war 0,9215. — Die Temperatur des ſuͤßen Waſſers war — 34°, Bey einer Vergleichung ſolcher Eisſtuͤcke mit S ee— waſſer von einer Temperatur — 34°, ergab ſich die ſpezi— fifche Schwere von Nr. 2. = 0,8942 und die von Nr. 3. — 0,8943. Die Verſuche wurden nicht nur in freyer Luft ange— ſtellt, ſondern der ganze dabey gebrauchte Apparat hatte eine Temperatur von 30 bis 34 Grad, ſo daß kein Verluſt durch Schmelzung des Eiſes entſtehen konnte. Nr. A. Verzeichniß der Breiten und Laͤngen von Vorgebirgen, Buchten und Inſeln an der oͤſtlichen Kuͤſte von Groͤnland. Die mit einem Sternchen ( bezeichneten Breiten oder Langen find etwas zweifelhaft, und aus der Lage des Schif— fes bey zu großer Entfernung abgeleitet; die mit einem Kreuz (1) bezeichneten find noch ungewiſſer, aus Mangel an hin: reichenden Meſſungen und Beobachtungen; diejenigen aber, welche kein Zeichen haben, koͤnnen als genau genug, zu je— dem Behuf der Schiffahrt, angeſehen werden. | Breite Lange Allan, Vorgebirge 2 5 71° 43“ N. 21° 33“ W. Arundel, Vorgeb. nd I m. Dh Barclay, Vorgeb. N 69 13 t 24 2 Beaufoy, Vorgeb. . 74 42 20 * Bennet, Inſel . 1a, 20, 237 Biot, Bergell 710883 ö Mone ee eff 73 29 20 40 — 42 — ö Breite Fänge Brewſter, Vorgeb. er. TO ee Bright, Borgaedi En: 74 5 74911289 Brinkley, Vorgeb. . 74 6 1 15 Brisbane, Vorgeb. S 74 46 20 30 Brown, Vorgeb. . 5 } 71 48 2 54 Buͤache, Vorgeb. e 71 48˙t 23 38 Buch, Vorgeb. R : 71. 282225309 Buddicom, Vorgeb. 0 5 71 4 II 31 Campbell, Bucht . 5 71 18 0 Canning, Inſel (Mitte) 5 71,43 My Carnegie, Vorgeb. l 0 71:45 23 Clark, Vorgee bd. 7A 32 19 Conſtable, Spitze . . ; 79.97, Craig, Inſeln : x 2 7 22 Crawford, Vorgeb. e AOL Church-Mount (Kirchberg) . 7. 4 Merl Dalton, Vorgeb. . 69 0 m * Davy's Sund, (Mitte d. ing II 9. "220 Double Mount 353 71 0 ᷣ — — W 2 W 8 D 69 a — — Ewart, Vorgeb. . 09 23 30 Fame, Inſeln 2 70 58 V 307 Flemming, Einb., (Mitte d. Eins) 71: 50:4 23 191 Fletcher, Borgeb. :: . 7133 2 Franklin, Vorgeb. x : 713-720 21:53? Freycinet, Vorgeb. . 2 re Gale Hamke's Bay Mitte d. Eing.) 74:97 "72 19790 Gibſon, Spitze. 0.34 +22 Gieſecke, Vorgeb. 5 5 73 260ͤ ñð %; Glaͤdſtone, Vorgeb. . } a Glasgow Inſel 8, 70 8 21331 Graham, Vorgeb. ES 60 47 eye Greg, Vorgeb. . 5 k 70 57 21:78 Greville, Vorgeb. 0 R 71.237027 108 Henrp, Inſel } RN 690 33 „ - 8 - . Breite Lange Herſchel, Vorgedz. .» 4 74° 20 N. 19 587 W. Hewitt, Vorgeb. =» g 71 2.2130 Heywood, Inſel . 5 70 % IB 438 Hodgſon, Vorgeb. ; . 70 32 27 2 Hold-with-hope . NE 73 30 21 16 Holland, Vorgeb. VVV Holloway, Bucht 5 } 70 55 24 38 Home, Vorland, Mitte) . „ e Vorgetbb ... 70 24 2 57 Hope, Vor geb... 8 70 9 22 19 Humboldt, Vorgeb. BEN 13: f 28.,92 Jackſon, Inſel. . 4 8 S Jones, Vorgeb. . I 691,53 Kater, Bucht (Mitte des Eingangs). 7 RN: 0* Kruſenſtern, Vorgeb. . 4 I Laplace, Vorgeb. . 0 s 72.59 N Leitch, Vorgeb .. 5 2 44% Leslie, Vorgeb. . 5 72 30 1 24 50 t 0555 Vorgeb. 2 70:30 21 30 Mackenzie, Einbucht, (Mitte d € 13.287 2 4 Macknight, Vorgeb. 5 71 111 2; 20% Masclet, Bucht. 1222 Manby, Inſel (Mitte). 8 69 43 22 42 Mewburn, Vorgeb. RN 72 1 .,5242:54 Moorſom, Vorgeb. l 72 11 21 51 Mountnorris Einbucht (Mitte d. E. N Murray, Inſel. 5 0 1 23 Neild, Bucht. 3 » x 71:23 21 30 Neill's Felſen. . 70 30% 2 37 Parker, Inſel. „ 0 -̊w 2 Narr Vor ged. 72. ‚ N M 438 Philipps, Spitze. 70 33 40 Pictet, Vorgeb. . 133 e Pillans, Vorgeb. . 69 53 22 30 — 44 — Breite Länge Pinnacle, Berg 71 13% N. 21 37 W. Raffles, Inſel. . 70. 37 1 2 Rathbone, Inſel (côſtl. Ende). 70. 40 1 15 Reynolds Inſel. . . 0 71 31 21 30 Roscoe, Berge, (Mitte). g 70 36 9140 Roß, Vorgeb. N . - 70 48 1 24. 0 Roſſel, Vorgeet n. 7 D Roſſilly, Vorgeb. . BR: 712..50 7:93.50 Ruſſel, Vorgeb. . a . 70 2 22 228 Sandbach, Inſel. . 0 70. 44. 21 32 Scoresby's Sund, (Mitte d. Eins) 70 19 21 58 Scott's Einbucht, (Mitte d. Eing.) 74 3 21 0 Seaforth, Vorgeb. e 71 46 Simpſon, Vorgeb. A . N W 6 Smith, Vorgebbd. 71• 14 1 2309 Smith's Inſel. ? 1 71249. 2 17 Stevenſon, Vorgeb. et 70 2 2 Stewart, Vorgeb. 0 e 70. 8 W 30 Stewart, Inſel. . 1 a 69. 417 22730 Swainſon, Vorgeb. . 70 28 21 37 Tattershall, Vorgeb. . 9 117 8 21. 33 Tobin, Vorgeb. . x 0 70 26 1 55 Topham, Vorgeb. . 6 5 I 27521 27 Traill, Inſel, Mitt) . 5 72 2 22020 Turner, Inſel. 5 8 ? 70 38 22,99% Vandyk's Felſen. . . ; 72:40 *. 270% Wallace, Bucht.. 5 20.» A Wardlaw, Vorgeb. 2 98 71 7 V Werner's Berge. . N 72.:5 „ 1 Wollaſton's Vorland, (Mitte). 74. 25 Wood, Vorgeb. . 8 : 71 18 270° Mungs Bucht. 74. 21 0 83 Doung, Vorgeb. . 8 R 72:16:21’ —— IN) — O + Seite. Einleitung. . . . . . . . . . 1 Erſtes Kapitel. Fahrt von Liverpool bis an den Ort des Wallfiſchfangs — Einfluß des Magnetismus auf den Gang der Chronometer. — Nordlicht. — Farbe des Meeres. — Wallroß. * * * 5 * > » * * 21 Zweytes Kapitel. Annäherung gegen den Pol. — Froſt— Dampf. — Feyer des erſten May's. — Anfang des Wall⸗ fiſchfangs. — Heftige Kälte, — Nebenſonnen. — Neue Ver⸗ ſuche über Erregung des Magnetismus. » * . 51 Orittes Kapitel. Fahrt nach einem ſuͤdlichern Standorte. — Brennlinſe von Eis. — Ein Wallfiſch erlegt. — Eisblink. — Anſicht der Oſtkuͤſte von Groͤnland. — Merkwuͤrdige Ge— ſtalten des Eiſes. 5 > * * „ + * 0 82 Viertes Kapitel. Unterſuchungen uͤber die Ablenkung der Magnetnadel. durch das Schiff. — Erſte Aufnahme der Oſt⸗ kuͤſte von Groͤnland. — Großer Fehler in den bisherigen Kar— ten. — Luftſpiegelung. — Ungewoͤhnliche Eismaſſen. — Außerordentliche Groͤße der Strahlenbrechung. — Eisbaͤr. — Fortgeſetzte Aufnahme der Kuͤſte. — Merkwuͤrdige Erſchei— nungen der ungewoͤhnlichen Strahlenbrechung. + . 109 Fünftes Kapitel. Ein Harpunirer verungluͤckt uͤber dem Fang eines Wallfiſches. — Zwey Wallfiſche und drey Nar— wals werden gefangen. — Naͤhere Beſchreibung des Nar— wals. — Ungewoͤhnliche Strahlenbrechung. 1 Sechſtes Kapitel. Ein kleiner Wallfiſch wird gefangen. — Zergliederung und Naturgeſchichte des Wallfiſches. — Nebli— ges Wetter. — Urſache der Polarnebel. — Merkwuͤrdige Beyſpiele von Luftſpiegelung. 8 . . e „171 Siebentes Kapitel. Annaͤherung gegen die Kuͤſte von Grön- land. — Entdeckung einiger Inſeln, Vorgebirge, Buchten. — Erſte Landung an der Kuſte. — Auffallende Luftſpiegelung. — Entdeckung und Unterſuchung einer großen Einbucht. — Zweyte, dritte und vierte Landung. . R . . 207 Achtes Kapitel. Scoresby's Sund. — Beſchreibung deſſel— ben. — Hall's Einbucht. — „Hurry's Einbucht. — Unterſu⸗ Qungen an Cap Hope und Jameſon's Land. — Verlaſſenes Dorf. — Spuren der Eingebohrnen. — Cap Brewſter. — Beſondere Fluthen und ä — Große Tiefe des Waſſers. A ; 5 5 ’ 1 93225 — XVIII — Seite Neuntes Kapitel, Fortgeſetzte Unterſuchung der Kuͤſte. — Große Menge von Eisbergen. — Temperatur des Seewaſſers auf dem Grunde des Meeres. — Bildung der Eisberge und Vergroͤßerung der Eisfelder. — Vergebliches Suchen nach Wallfiſchen in einiger Entfernung vom Lande. — Aberma— ige Annäherung zur Kuͤſt e... er 2 Zehntes Kapitel. Fernere Entdeckungen an der Kuͤſte und neue Unterſuchungen am Lande. — Gefährliche Lage des Schiffes. — Beſchreibung einer merkwuͤrdigen optiſchen Erſcheinung. . 8 Ri . , . . ; 202 Eilftes Kapitel. Drey Wallfiſche an einem Tage gefangen. — Gefrieren des Meeres bey gelinder Luft. — Fortgeſetzte Auf— nahme der Kuͤſte. — Furchtbarer Sturm und große Gefahr. — Beſchluß der Aufnahme der Kuͤſte. — Abreiſe. 2084 38woͤlftes Kapitel. Ruͤckblick auf die an der Oſtkuͤſte von Grönland gemachten Unterſuchungen. — Verfahren bey der Aufnahme. — Allgemeiner Charakter des Landes. — Pro— dukte. — Bewohner deſſelben. — Stroͤme der groͤnlaͤndiſchen Gewäſſer. — Gefahren der Herbſt-Stuͤrmde. „3817 Dreyzehntes Kapitel. Ruͤckkehr. — Merkwürbige Farbe der See. — Faroͤer-Inſeln. — Beobachtungen uͤber die Wol- ken. — Furchtbarer Sturm. — Ein Ofſizier wird von den Wellen uͤber Bord geriſſen. — Bemerkungen uͤber Leucht— thuͤrme. — Ankunft in Liverpool. . 5 . 935 Anhang. — * * + * + . * * * + 373 Nr. I. Verzeichniß der Gebirgsarten von der groͤnlaͤndi⸗ 1 ſchen Kuͤſte. * + + * + + + + + 373 Nr. II. Verzeichniß der Gewaͤch ſe daſelbſt. „ „ 383 Nr. III. Verzeichniß der dafelbft gefundenen Thiere. . 389 Nr. IV. ueber den Unterfchied von Salzwaſſer⸗Eis und Suͤßwaſ⸗ ſer⸗Eis, und uͤber die ſpezifiſche Schwere deſſelben. R . 403 Nr. V. Verzeichniß der Langen und Breiten der beobachteten Punkte an der Kuͤſte von Groͤnland. . 8 8 . „ 411 * ERSCHBINUNGEN DER UNGLEICHEN NSTRAHLENBRECHUNG- — — BE u ru nn e aa N Te ——— T —— —— — WII 5 N ieee . G . ⁰⁰ YU — — 2 — 0 FF ——> = 5 - 5 ) N 1 e 3 r II u — i = u = — ene 12 * N ae, be EA ELEND u. 2 N SCHNERFIOUREN, IR Fig. J u 73. Peg. , . He, ee. Fig, d i DD I ER — NH Fig. 3. 10. Fig G. e Fig. 7. d f. Fig. 8 0.130 Pig & LU. Fig. 10. 6.0320 Fig U 4730. Fig Ae. L. G. Fig. Ie. 4. 240. Fig 14. 0.210. Fig. 15. 0.10 Fig. 16. 6.710. | J U ED 2 Sr EN 0 8185 bs AE | 5 0 Fig. 17. 2. . Fig. 18. . Vb, Faq. ld g. 2. Big 22 85 5 Fig. A. 7 220. Fig. 22. 720. Leg 23.9.7730. Fig. 24.9. 410. ER. 22 4 * l Ak ah 5 ** air SCHNEEFIGUREN. Taf MM. Reg: 25. h> 7/20. Fiy.26. 9.120. Fig. 27. h. 7/30. Fig. 28.9. 4.30. Fig. 29. b. K. 20. Fig 30.9. 735. Fig... 0.78. Fig. 32.e. /20. I N O Fig. 33. e. {15 Lig 8. E. Ji. Fig. 35.d.420. Fig.36. 20. Fig. 37. Fig. 38. e. 15. Fig. 33. U. N. Fig. 40,7. IB. | | > Fig. AI. . 15. Fig 42.d.0.735.120 Fig. 43.1. 10. Fig. 44.1.3530. Tig. A. fil. Fig. 46. Il. li. Lig. dg dl i. Fig.48.h.410. Bm n l SCHNEEFIGUREN. Taf IV. Fig . 7. 210. Fig. 1. 7. . Fig. 42.7. l. Fıg. 36. 8. 76. Fig. 58. , 5, I at U Fig. 57.5.38. J 8 Fig. 635.5. 78. A Nich 1 N 1 * N Il SCHNEEFICUREN; Taf V. Fig 73.1. 72. Fig. Hm 730. Fig. 73. 735. Fig. 76:m 425. Fig. 17.m . f Fig. gc. 210. Fiq. Ja n. LS. Faq el in-. ag. Gd. o. d. 0 S 2 7 S ® Fıg.88.n.}30. Fig. O. u. 710. Fig.92.0. %. Fig 85.0.725. Hic. cli. . . 0 N N Fig. 95.0. 715. 19.9.9720. ZAPF. 17 733.7 MON MÄNNLICHIER INARWAL - 15 Fufs lang UNTERE SEITE DESSELBEN NARWAILS 3 F BALZBNA MYS’TICKTIS WAILLILLFIS CHI - GHRUMTRNEN TE) DER Hi 40 Ak —— Mn} 1 7 } a} n N IH u 1 77 IBIRBS . WEIBL. ene 1 — —— — — — SS 1 ůõ 1 — 10 77 IH . 0 41400 1100 10 5 0 Sn SING ET — ee Sen —— III UNVT S.NOSWINVT. LAW ZN IEINITHOAA UHNSSVITNTA 1 eee, e.. ene 0 e e, \ ieee, ; NI. IWL WI Wel e g. A, S Av eee ee e SVH g A 8 555 > Sr ES III. 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