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IRIGHAM YOUNS UNfVERSrn, PROVO, UTAH

CARLJUSTI WINCKELMANN UND SEINE ZEITGENOSSEN III

3S CARL JUSTI

Mo\.;^ WINCKELMANN

UND SEINE ZEITGENOSSEN

Dritter Band

IM PHAIDON VERLAG KÖLN

Fünfte Auflage 1956 Herausgegeben von Walther Rehm

Nachdruck verboten.

Übersetzungsrecht in alle Sprachen,

auch ins Russische und Ungarische, vorbehalten.

Druck der Druckerei und Verlagsanstalt

Konstanz GmbH Am Fischmarkt

Dritter Band

WINCKELMANN

IN

ROM

Zweites Buch

RÖMISCHE MEISTERJAHRE 1763-1768

ERSTES KAPITEL

DAS APOSTOLISCHE ANTIQUARIAT

Lage und Stimmung

W E N N man beobachtet, wie Winckelmann in j enen dreizehn römischen Jahren Italien ein zweites Vaterland geworden war, wie er nicht mit Unrecht ein neues Leben von der Übersiedelung an datierte: so er- scheint seine Römerfahrt fast wie die Berichtigung eines Versehens, vom Schicksal bei seiner Geburt begangen. Wenige Menschen hat es gegeben, denen die dortigen Dinge, Menschen und Zustände eine so reiche Quelle des Genusses und Behagens waren. Und nidit bloß seine Neigungen und Pläne, auch die Fügungen des Zufalles schienen darauf gerichtet, ihn von Jahr zu Jahr fester einwurzeln zu lassen.

Amor a nullo amato amar perdona: die Neigung, die er Rom und Italien entgegenbrachte, wurde ihm vergolten. »Ich bin«, durfte er sich rühmen, »geehrt und geliebt und glaube zwar Neider, aber wenige Feinde zu haben; hingegen viele und große Freunde und viel tätigere als in Deutschland« (an Berendis, 15. Mai 1764). Und so gelang es ihm denn endlich, nach sieben Jahren, in Rom als öffentlicher Beamter festen Fuß zu fassen. Dieser Erfolg bewies, daß er längst in der Gelehrtenwelt wie am Hofe ein Mann von Ansehen war. Hohe Gönner, sein eigenes kluges und taktvolles Benehmen haben dabei mitgeholfen, ein augenblickliches Zusammentreffen günstiger Um- stände war erforderlich, aber es wäre doch wohl nicht geglückt ohne die »allgemein festgesetzte gute Meinung«.

Er gestand damals, er habe dem Mißtrauen der Italiener gegenüber anfänglich harte Stände gehabt: »ich bin durch viel Proben gegangen; aber ich habe mich nichts irren lassen«. Wie die mächtigste Beredsam- keit die ist, die eigene Leidenschaft in ihre Worte hineinwirft und doch die Leidenschaft und Berechnung verwaltet: so ist die vollendete Politik die, die in die Rolle, die man spielen muß, den eigenen Charak- ter — die angeborene Rolle legt. Auch Winckelmanns Erfolge in der römischen Meinung beruhten auf der Verbindung unverstellter

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Offenheit und Einfachheit, die seinem Charakter natürlich war und übrigens allen bedeutenden Menschen eigen ist, mit einer geschmeidi- gen Anpassung an Menschen und Zustände, die ihm freilich sympathisch, also verständlich waren. Sein lebhaftes Temperament, das Feuer seiner Rede, seine Empfänglichkeit für persönlidie Freundschaft gefiel den Italienern, die nichts mehr abstößt als kalte und wortkarge Zurück- haltung. »Ich bin allezeit den geraden Weg gegangen, durch alle Fein- heit der Römer mitten durch und bin dahin gelangt, wohin ich nicht gedachte. Ich kenne die Nation und weiß, wie man sie nehmen muß . . . Die Demut und Bescheidenheit und wenig reden ist meine Regel gewesen, und noch; aber wo es unumgänglich nötig war, auch mit Ungestüm zu reden . . . Man bequemte sich nach meiner Heftigkeit in Reden und Richten, und jetzt ist man gewohnt, zu hören, was ich gedenke . . . Nunmehr ist der Weg zu allem was man hier hoffen kann, offen« (i2. Dezember 1759; 10. März 1766).

Zwischen die zweite und dritte Reise nach Neapel fiel jener Erfolg, in sein fünfundvierzigstes Lebensjahr. Sehr bescheiden war das Amt (dem bald ein zweites folgte), was das Einkommen betrifft, aber ehrenvoll und ganz für ihn gemacht. Da, scheint es, habe es seine Seele durchtönen müssen: Hier ist mein Reiseziel, mein Ankerplatz.

Und doch, wendet man sich von jenen großen Zügen, die seinem Leben ihr Gepräge geben, zu den kleinsten Teilen, aus denen es sich zusammensetzt, so scheint er sein möglichstes zu tun, jenen Plan der Vorsehung zu durchkreuzen, das mühsam begonnene Gewebe wieder aufzulösen. Sein Bleiben in Rom ist das Ergebnis einer Reihe von Zufällen, die es glücklicherweise immer wieder vereiteln, daß er den Rufen in die Ferne folgt.

Wer wie dieser Mann jahrelang nach einem hohen Ziele getrachtet und ihm solche Opfer gebracht hat, wessen Denken, Dichten, Genießen, Forschen, Schreiben sich ganz um einen bestimmten Ort bewegt, wo er eine schon mit Erfolg belohnte Wirksamkeit gefunden hat, um einen Ort, reich an unschätzbaren Anregungen und frei von lästigen Obliegenheiten: von dem sollte man glauben, daß er solche Einladun- gen wie eine Anfechtung des Argen abwehren werde. Wie seltsam diese Bereitwilligkeit, jede Gelegenheit zu ergreifen, die ihn Rom entführt. Selbst viel Verwöhntere würden, zwischen eine solche Wahl

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gestellt, leicht soviel Philosophie zu ihrer Verfügung finden, um sich mit dem hier geforderten Maß von Entsagung zu vertragen. Wenn man weiß, weldi reiches Forschen und Schaffen durch eine Trennung von Rom abgebrochen worden, wie verzweifelt unglücklich der Mensch geworden wäre, dem muß er vorkommen wie einer, der nacht- wandelnd an einem Abgrunde hingeht.

Doch soll damit nicht geleugnet werden, daß seine Lebensphilosophie allerdings etwas auf die Probe gestellt wurde. Denkt man an das, was die Welt so nennt, so sollte man ihn für keinen Meister halten in der Kunst, sein Glück zu machen. Mit vierzig Jahren beharrlicher Arbeit, rastlosen Plauens, mit seinem Talent, seiner Beweglichkeit und Un- beweglichkeit hatte er es endlich dahin gebracht, Hausabate eines Kardinals zu sein mit zehn Scudi monatlicher Pension und gelegent- lichen Geschenken von Fremden. »Ich bin nicht glücklich«, gesteht er dem Freund Berendis am 21. Februar 1761, »nach dem gemeinen Begriff der Menschen zu reden.« »Ich muß mich notwendig gewöhnen, mit dem wenigen, welches ich richtig erhalte, auszukommen; denn ich sehe voraus, daß die Dürftigkeit meine treue Gefährtin sein wird, von der ich mich auch nicht trennen will« (4. August 1759). In der Neu- jahrsbetrachtung vom 3. Januar 1761 gratuliert er sich fast, daß er anfange, »sehr gleichgültig gegen den Geschmack zu werden«, weil er nun um so leichter sich immer mehr einschränken könne. Trotzdem sei er zufrieden (10. April): »Ich genieße das größte menschliche Gut, Gesundheit; was verlange ich mehr? Alles übrige sehe ich sehr gleich- gültig an . . . Ich preise Gott, daß ich Gesundheit und ein zufriedenes Herz habe, welches nicht für Geld zu kaufen ist ... O selige Freiheit, die ich endlich Schritt zu Schritt im völligen Genuß in Rom schmecken kann!« (21. Februar 1761.)

Indes Versicherungen der Zufriedenheit sind oft bedenklich, wie Versicherungen der Ehrlichkeit. Die epiktetischen Sprüche erwiesen sich doch nicht als hinreichend kräftig, und so schlingt sich durch sein römisches Leben neben den Reiseprojekten eine Kette von Ver- handlungen mit deutschen Höfen, die oft dem Abschluß nahe sind, immer aber zuletzt vereitelt werden. Wenn aber diese deutschen Aussichten zuletzt zerfließen, so taucht der Gedanke des Eintritts in den Priesterstand auf.

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Dieser Gedanke verfolgte ihn in der Tat von Anfang an: die Macht der Umgebung, die Erwägung, daß dies l'unique diemin de s' avancer ici sei, lockten ihn immer wieder, mit ihm zu spielen. Sobald freilich ein bestimmter Vorschlag aufs Tapet gebracht wurde, siegte die Abneigung. Wir hörten zu seiner Zeit, wie (schon 1757) ein räson- nabler Augustinerorden Reiz für ihn hatte: sein Freund und Beiditvater Vasquez war ja General dieses Ordens und Prior des Klosters San Agostino, wo die Bibliotheca Angelica stand. Wieder Ende 1758 (i. Dezember) glaubte er, »die traurigen Umstände in Dresden und die weitaussehende Not in Sachsen werden mich nun endlich nötigen, Messe zu lesen. Der Kardinal (Albani) erbietet sich, mir das erste vakante Beneficium, das von ihm abhänget, zu geben. Werde ich genötigt, diesen Schritt zu tun, Addio patria!« Zwar bekennt er, die Verstellung in diesem Punkt dem einzigen koste weniger als man glaube, aber wenn er daran sollte, sein Haupt der Schere zu bequemen, so kam immer wieder das Veto jenes Dämoniums. Einmal wollte Albani mit einer Pension von zwanzig Scudi auf eine Parochie an- fangen: »aber so wohlfeil verkauf e ich meine Freiheit nicht« (anStosch, 13. Januar 1761). Ein Kanonikat an der Bocca della Veritä (Santa Maria in Cosmedin) schlug er aus.

Der Abatentitel und das Abatenkleid die er seit 1757 annahm hatten damals nichts zu bedeuten. Es gab in Rom viele Abaten mit Frau und Kindern einer von ihnen war sein Freund Giovan Battista Visconti, der Vater von Ennio Quirino sie sangen in Konzerten, gaben im Parterre den Ton an und schienen die Mehrzahl der männ- lichen Bevölkerung Roms zu bilden. »Diese ehrwürdige Benennung«, belehrt er seine deutschen Freunde (10. März 1766, 15. August 1767), »ist nichts als ein unbedeutender Titel, welchen man Personen, die wie ich in kurzem Mantel und Kragen gehen, gibt und welche zu keinem Breviario verpflichtet. Denn ich bin der Kirche nicht geweiht, genieße auch nichts von derselben.«

Gefährlicher erklangen die Rufe aus Deutschland. Winckelmann lebte in Rom sechs Jahre lang als Pensionär des sächsischen Hofes. Die Pension (in den ersten Jahren zweihundert, späterhin nur hundert Taler) kam aus der Hand des Königs; er hatte davon einen Notpfennig von hundert Talern beim Maler Maron zurückgelegt. In Briefen von

LAGE UND STIMMUNG I5

dort erhielt er den Titel Pensionaire du Roi, der ihm verdrießHch war, später wählte der Graf Wackerbarth das besser klingende Antiquaire de Sa Majeste le Roi de Pologne. Der römische Aufenthalt galt als eine Studienreise, wie man sie Künstler (z. B. Dieterich, Casanova, Mengs) machen ließ; und ohne den Siebenjährigen Krieg hätte man ihn wohl auch nicht so lange dort gelassen. Er selbst gesteht die Ver- pflichtung der Dankbarkeit und Schuldigkeit gegen Sachsen, sein zweites Vaterland.

Daß man einigen Wert auf seinen Besitz legte, beweist doch die Tatsache, daß man ihn während der Kriegskalamitäten stets im Auge behielt. Es war jedoch nicht mehr der alte Kurfürst (dem er seine Reise verdankte), sondern der Kurprinz Friedrich Christian und seine Gemahlin nebst dem Kreise der nächsten Vertrauten, durch die er mit jenen Fühlung behielt, besorgt, sich sein Kapitälchen von Gunst zu erhalten und gelegentlich zu mehren. Außer Hagedorn also, der Leibarzt Bianconi und der alte Mentor des Prinzen, Graf Wacker- barth. An Berührungspunkten würde es nicht gefehlt haben. Wer Rom so gründlich gesehen hatte wie der Kurprinz und in den eindrucks- fähigsten Jahren, für den gab es kaum ein genußreicheres Gespräch als mit einem Pilger der Ewigen Stadt. Wir hörten von des Prinzen Besuch bei den Albanis; in Rom erinnerten sich viele noch des Eifers und der Gründlichkeit, mit der der kränkliche achtzehnjährige Jüng- ling die Denkmäler der Stadt Tag für Tag, nicht wie Reisekuriositäten, sondern wie in einem Lehrkursus durchgenommen hatte. Kurz vor seiner Abreise von Neapel hatten die Ausgrabungen in Resina be- gonnen; und die »räsonierenden Relationen«, mit denen Winckelmann ihn über herkulanensische und auch über römische Entdeckungen unter- halten, hatten den Namen des Gelehrten wieder aufgefrischt. Auch seine Auf Sätze in der Monatsschrift waren, wie er hörte, huldreich auf- genommen worden.

Schon im Jahre 1757 war ihm vertraulich mitgeteilt worden, der Prinz habe ihm die Stelle eines Garde de son cabinet (Münzsammlung) bestimmt, die bisher Hofrat Richter bekleidete und vor ihm Algarotti gehabt hatte. Dies geschah zu derselben Zeit, als er mit seiner Ge- mahlin in dem von Preußen besetzten Dresden eingezogen lebte. Gerade zu der Zeit, als Winckelmann jene »schriftlichen Aufsätze von

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italienischen Sachen, die Altertümer betreffend«, nach Dresden schrieb, starb j ener Hof rat (Juni 1758). Bianconi, von dem er noch ein Jahr zuvor gemeint, »helfen werde er nicht, aber er könne schaden« (an Berendis, 29. Januar 1757), bemühte sich, ihm diese Stelle zu verschaffen, wenn auch erst nach dem Frieden ^ So sah er in jenem Sommer das Ende seiner Reise in ziemlicher Nähe und nahm sich vor, Italien noch recht zu nützen. »Meine Umstände bekommen ein anderes Ansehen ... Es scheint, daß ich möchte bald zurückgerufen werden . . . Diese Hoff- nung, die man mir von Dresden aus freiwillig und ohne mein Suchen gemacht hat, verändert mein ganzes Systema« (an Stosch, 5. August 1758). Aber jener Frieden wollte nie kommen. Als er den Antrag des Kardinals Albani erhielt, schien alle Hoffnung zu Ende. »Leipzig«, schreibt er den 29. September 1759 an Stosch, »sagt man, ist schon wieder übergangen. Ich muß und will mein Leben in Rom beschlie- ßen.« Allein in Dresden war man sehr befremdet über diese Verbin- dung, und er rechtfertigte sich noch später gegen den Kommerzienrat Walther (22. Mai 1763): »Ich versichere Sie, daß ich unser Vaterland allem Glücke in der Welt hätte vorziehen wollen . . . Aber ich konnte nicht noch vier Jahre auf den Trost Israels warten, wie mir ange- deutet worden, und ich würde mit dem heruntergesetzten Gehalte der mir zugedachten Stelle eine betrübte Figur an einem so kostbaren Hofe haben machen müssen.« Er rechnet indes darauf, für alle Fälle, wenn ihn Rom im Stiche lasse, in Dresden »die Hoffnung seiner Ruhe sicher zu haben«, oder wenigstens seine Pension. »Da es schei- nen könnte, daß es eine Person, welche mächtig ist (Bianconi, dem er mißtraut), nicht gern sehen möchte, daß man mir künftig die mir be- bestimmte Stelle eines königlichen Hofrates und Antiquars in Dres- den gebe, so wird man mich wenigstens mit einer hinlänglichen Pen- sion zufriedenstellen müssen, und alsdann will ich mein Leben in Ruhe hier beschließen« (4. Oktober 1760).

I. Bianconi sdireibt an seinen Bruder Midiele den 23. Juni 1758: Spero die farö avere la sua [Richter] carica a Winckelmann di ciö non vi mostrate inteso con esso, bendie prudentemente non possa dubitare dell' esito. Und den 24. Juli: State certo (sia detto fra noi) che Winckelmann avrä il posto di Richter, ed io ne sono la sola cagione; ma questa installazione non si farä che alla pace. Intanto badi egli a studiare, e non si dubiti di veruna cosa. [Kopie in Bonn, Universitätsbibliothek: Nachlaß Justi.]

Der Landgraf Friedrich von Hessen

Jetzt begannen aber die Einladungen aus dem Norden. Sogar »ein Wink von Kopenhagen«: doch Kopenhagen reizte nicht; es »würde mich von der übrigen Welt abschneiden«.

Aufregender war ein Schreiben aus Braunschweig.

Dieser erste Ruf an einen deutschen Fürstenhof kam von dem Landgrafen Friedrich IL von Hessen-Kassel, der kürzlich (1760) als Vierzigjähriger seinem Vater Wilhelm VIIL nachgefolgt war. Die Kunstliebe dieses Schöpfers der unvergleichlichen Kasseler Gemälde- galerie schien er geerbt zu haben, so unähnlich er dem vortrefflichen Fürsten sonst war. Vor elf Jahren war er, zum Kummer des streng reformierten Vaters, katholisch geworden; er hatte in der kurkölni- schen Residenz Neuhaus bei Paderborn in die Hände des Erzbischofs Clemens August Profeß getan. Dabei waren weniger religiöse Über- zeugungen als äußere Einwirkungen auf den leicht bestimmbaren, für äußere Formen sehr empfänglichen Prinzen entscheidend gewesen. Das feierliche Kultusgepränge des Katholizismus hatte ihn mächtig er- griffen. Benedikt XIV. hatte sidi für diese Konversion des Nachkom- men Philipps des Großmütigen interessiert und ihm am 30. April 1755 ein Breve geschrieben. Er wünschte nun die Romfahrt zu machen, er konnte eines guten Empfanges nach seinem Geschmack in der Me- tropole der Kirche und der Künste sicher sein. Wer ihn auf Winckel- mann als berufensten Führer alldort gebracht hat, ist nicht bekannt. Vielleicht ist die Anregung von Wilhelm Stosch gekommen, der da- mals deutsche Höfe bereiste und auch in Braunschweig erschienen war. Wenigstens erklärt Winckelmann in dem, was er von dessen Anteil an dieser Sache vernahm, einen Beweis der »Stärke seiner Freund- schaft« erkannt zu haben und des Vorsatzes, »der Urheber meines Glückes zu sein, wie Sie es sein werden« (13. Juni 1761).

Friedrich hat in der Folgezeit, nach Herstellung des durch den Siebenjährigen Krieg zerrütteten Staates, Kassel durdi eine Reihe großartiger Neubauten und Stiftungen zu einer wahren Kunststadt erhoben, ja ihr den Ruf der schönsten Residenz Deutschlands ver- schaff t. Die Schleifung der Festungswerke gab den Anstoß; seine rechte Hand war ein Schüler Blondels, Simon Louis du Ry. Von ihm stammt

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das Museum, dessen Stolz die von des Landgrafen italienischer Reise mitgebrachten Antiken sind. Er strebte, dem Collegium Carolinum glänzende wissenschaftliche Namen zu gewinnen; an ihm wurden auch die Künstler angestellt; Winckelmann würde hier einen Ersatz für Mengs gefunden haben in Johann Heinrich Tischbein, dem Schüler Vanloos, einem der besten deutschen Bildnismaler der Zeit. Erst viel später erfolgte die Stiftung einer Gesellschaft der Altertümer, der ersten der von Winckelmann geschaffenen Wissenschaft bestimmten Akademie.

Der Versuch, ihn in seine Dienste zu ziehen, ging also jenen Unter- nehmungen viele Jahre vorher; die damals projektierte Romfahrt, seinen Lebenswunsdi, hat der Landgraf erst sechzehn Jahre später ausgeführt. Er war ein schöner Mann, mit großen blauen Augen und edlem Profil, bei allem Leichtsinn von gütigem und gewinnendem Wesen. Winckelmann würde also Wohlgefallen an ihm gefunden und seine ausgesprochene Vorliebe für Pariser Geschmack und Witz nach- sichtig beurteilt haben. Er hat auf jener Reise Voltaire in Ferney einen Besuch abgestattet. Das grausige Schicksal des Mannes, den er sich noch vor dem Erscheinen der Kunstgeschichte zum Führer in Rom erkoren hatte, muß ihm nahegegangen sein: das Thema des ersten Preisausschreibens jener nach seiner Rückkehr aus Italien (1777) ge- gründeten antiquarischen Gesellschaft war, gewiß auf seinen Wink, ein Eloge Winckelmanns (1778). Um den Preis bewarben sich Herder und Heyne. Die damals verworfene und völlig verschollene Arbeit Herders ist neuerdings in Kassel wiedergefunden und veröffentlicht worden^. Dieses reiche von Friedrich entfachte Leben hat ihn nicht überdauert:

Alle Kunst in deinen Landen starb mit dir zur selben Stunde.

(Dingelstedt.)

Leider sind in Sachen dieser Berufung die Archive stumm geblieben. Einzige Quelle sind die verworrenen Briefkonzepte Winckelmanns, die in einem Umschlag »Carteggio di Brunswick« in dem Bande seiner Diplome und Briefe auf der Pariser Nationalbibliothek (Man. Allem. vol. 56) erhalten sind.

2. Albert Duncker, Denkmal Johann Winckelmanns. Eine ungekrönte Preis- sdhrift J. G. Herders a. d. J. 1778. Kassel 1882.

DER LANDGRAF FRIEDRICH VON HESSEN Ip

Befremdend war, daß die Anfrage oder Einladung in französischer Sprache nicht von Kassel kam, auch nicht von einer Person des hes- sischen Hofes, sondern aus Braunschweig, ja in einem Schreiben des herzoglich braunschweigischen Legationsrates Feronce (später von Rotenkreutz). Feronce war das Orakel des Herzogs Karl I. (seit 1747), besonders bei der Ordnung der zerrütteten Finanzen und in allen diplomatischen Sachen. Landgraf Friedrich aber weilte seit dem Anfang August 1760 ein volles Jahr lang an dem befreundeten Hofe 3. Infolge der Überflutung Hessens durch das französische Heer und der Einnahme seiner Hauptstadt Kassel hatte er sein Land verlassen müssen. Er hielt sich gegen seine innerste Neigung auf selten des Preußenkönigs, der dem wankelmütigen Fürsten den Titel als Feld- marschall gegeben hatte, zwanzigtausend Hessen standen unter den Fahnen Ferdinands von Braunschweig. Jener Tischbein, den er mit- genommen, malte damals den Erbprinzen Karl Wilhelm Ferdinand und die herzogliche Familie 4.

Der erste Brief erlitt auf dem Wege über Turin eine Verzögerung von fünfzehn Tagen; ein zweiter überholte ihn, begleitet von zehn Zeilen des Freundes Stosch, und durch diesen erhielt Winckelmann Anfang Juni 1761 die erste Kunde von dem ihn betreffenden Plane. Da der zweite Brief den ersten voraussetzte, so blieb vieles dunkel und rätselhaft. Er glaubte, der Brief komme vom Herzog Karl von Braunschweig und schrieb an Feronce in diesem Sinne, obwohl ihn der Titel »Landgrave« stutzig machte. Je laisse ä part le doute que me cause le predicat de Landgrave que Vous et lui donnez ä Son Altesse que je ne comprends point dans un discours qui regarde le Duc de Brunswick (an Feronce, Anfang Juni 1761). Aus dem dann nach- gekommenen (ersten) Briefe überzeugte er sich bald, daß die Auf- forderung wirklich vom Landgrafen Friedrich IL von Hessen kam. Stosch hatte mitgeteilt, que le prince a daigne de faire reflexion sur moi et qu'il agreera mon hommage et l'offerte de mes Services. Diese Ausdrücke sah er als eine Offerte tacite des Landgrafen an. Dieser wünschte ihn für seine bevorstehende Reise als Führer; sobald er seine

3. Nach gütiger Mitteilung des Herrn Archivrates Dr. Koennecke in Mar- burg.

4. Joseph Friedrich Engelschall, J. H. Tischbeins Leben. Nürnberg 1797.

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Bereitwilligkeit erkläre, sollte die Pension festgestellt werden. Aber er soll direkt an den Fürsten schreiben, ihm seine Dienste anbieten und erklären, was für Leistungen man von ihm erwarten könne.

Die so unerwartet sich eröffnende Aussicht regte einen Tumult von Bildern und Plänen der Zukunft in ihm auf. Die erste Regung war, wie immer, anzunehmen: er schrieb Feronce, was man von ihm er- warten dürfe und was seine Lebenswünsche seien; er legte in einem deutschen Schreiben vom 13. Juni dem Landgrafen seine Dienste zu Füßen. Er schreibt am gleichen Tag voll Dank an den Legationsrat, der ihm dies etablissement honorable verschaffen wollte. Er hofft nun sein Leben mehr zu genießen; es sei aber auch die höchste Zeit. »Es gehört mehr zur Notdurft, als satt werden und nicht nackend gehen« (13. Juni 1761).

Dann regt sich freilich die Ahnung, was er im Begriff ist aufzugeben.

Er war gerade etwas verstimmt gegen Sachsen. Seine Stellung als Pensionär des Königs war doch sehr unsicher. Neuerdings hatte man in Zuschriften an ihn den Beisatz Antiquaire du Roi weggelassen, den August IIL doch früher selbst gebraucht hatte; er selbst pflegte ihn in gedruckten Mitgliederlisten seinem Namen beizufügen. »Er sei zwar«, schreibt er Feronce, »durch die Wohltaten vergangener Jahre diesem Hof verbunden (attache), indes sei seine Pension so gering und außer Verhältnis zu der Magnifizenz des Königs und zu seiner eigenen Stel- lung, daß der König seinen Namen nicht habe genannt wissen wollen.« Er habe auch nach seinen herkulanensischen Briefen »nur sehr vage Ausdrücke von Gnade und Protektion erhalten«. Er sagt, »daß er wohl annehmen, nicht aber verlangen könne: denn dieses wäre wider die Schuldigkeit und Dankbarkeit (gegen Sachsen) gehandelt, jenes aber stehe in seiner Gewalt«. Er könne also keinen ersten Schritt tun. Aber er sei Herr seiner Entschließungen im Fall von Vorschlägen: je ne peux pas demander, mais je peux recevoir (6. Juni 1761). Er müsse dem Hofe von dem Rufe Mitteilung machen, hofft übrigens, daß keine entscheidende Antwort kommen werde. Er bestimmte Mengs, in diesem Sinne an den Grafen Wackerbarth nach München zu schreiben, wo damals der Kurprinz residierte; der Kasseler Hof wurde nicht genannt und zweifelhaft gelassen, »ob es vielleicht gar der König in Preußen sein möchte«. Im Falle einer ihm gebotenen

DER LANDGRAF FRIEDRICH VON HESSEN 21

Anstellung in Dresden fordert er, daß er »von keinem Menschen, Minister oder wer derselbe sei, sondern allein von S. Hoheit eigenem Befehl abhänge und denselben unmittelbar erhalte«.

Zugleich macht er dem Kardinal Albani von dem Rufe und dem Reiseplane des Landgrafen Mitteilung; dieser billigt alles und ist ungeduldig, den Fürsten zu sehen, autour duquel s'empressera toute ritalie (an Feronce, 13. Juni 1761).

Sein Plan ist, den Prinzen, wenn er sollte nach Italien gehen, durch Unterricht zuzubereiten zum wahren Verständnis des Gründlichen in den Altertümern und in der Kunst, in Form von Sendschreiben, ent- weder im Deutschen oder Italienischen, und dieses richtig alle Wochen. Er will mit der Abhandlung von der Schönheit aus der Geschichte der Kunst anfangen; diese Schrift werde seinen Geschmack noch ver- feinern. »Wir könnten auf diese Weise Freunde werden, denn es bindet nichts mehr als ähnliche Neigungen.« Er will ihm auch seine »Anmerkungen über die Baukunst« und Mengs' eben erschienene »Betrachtungen« zusenden.

Nur müsse er freilich gestehen, daß er, wenn die Wahl seiner Stel- lung von ihm allein abhänge, Rom allen Höfen der Welt vorziehen würde. Rom ist nicht nur ein Paradies von Reizen der Natur, es ist ein Born der Weisheit, und Gelehrte von Pvuf werden hier Fürsten der Kirche gleichgeachtet.

Er gibt sich der Hoffnung hin, daß er Rom nicht zu verlassen nötig haben werde, um dem Prinzen in Italien zu dienen. Dann aber rückt ihm wieder die Schattenseite dieses Paradieses ins Gesichtsfeld. Der einzige Weg, vorwärts zu kommen, ist der Priesterstand, und zu dem hat er keinen Beruf. Merkwürdig ist nun folgende Wendung. Höher als alles, was er dem Fürsten und dem Hof als Kenner und Gelehrter zu bieten hat, seien die Dienste zu sdiätzen, die er dem Staat leisten könne durch die Bildung der Jugend für den Geschmack des Wahren und Schönen. Darauf müsse er in Rom verzichten, wo alle Erziehung in den Händen der Geistlichen sei ^.

5. Quant aux Services que la Cour . . . peut attendre de moi je n'en saurois riendire: ou queVous me prenez pour lettre oupour savant dans la litterature grecque ou pour antiquaire, ou pour grand connoisseur en la peinture et en sculpture et en ardiitecture, si je possedois, toutes ces qualites en un degre

22 ROMISCHE ZEIT

Jener Brief an Wackerbarth kam in Nymphenburg an, aber nicht mehr in des Grafen Hände. Am 3 . JuH, schon vor der Absendung, war er plötzlich gestorben. Winckelmann wollte nun an den Kurprinzen schreiben, und ein solcher Brief entwurf von Ende Juli 1761 in italieni- scher Sprache befindet sich in jenem Carteggio di Brunswick. Er zog es indes vor, den P. Leo Rauch in Warschau um seine Vermittlung zu bitten. Aber der Kurprinz hatte jenen Brief an Wackerbarth erbrochen. Man erinnerte sich nun seiner Bedeutung und fand für angezeigt, ihn zu beruhigen. Der Kurprinz ernannte ihn zum Aufseher seines Musei (Münzkabinetts) und Antiquarius, ohne Abhängigkeit von jemandem, nebst allen damit verknüpften Ehren und Vorteilen. Es ward ihm freigestellt, dem Rufe an jenen anderen Hof, den er nidit namhaft gemacht, zu folgen, doch mit dem Vorbehalt, daß »ich, wenn ich würde gewünscht werden, den seinigen vorziehen möchte. Er werde sich be- mühen, daß ich künftig mit Vergnügen an seinem Hof stehen solle« (an Albani, Juli 1761). Auch bat er, jenen antiquarisdien Briefwechsel fortzusetzen und an Bianconi zu adressieren (26. Juni 1761).

Dieser persönliche Eingriff des sächsischen Thronfolgers machte nun doch dem Kasseler Handel ein Ende. Überdies gab der Landgraf seine Romfahrt auf. Kein Wort verlautet mehr, in welcher Weise das doch förmlich geschehene Angebot zurückgezogen worden ist. Die Aussicht auf die Dresdner Anstellung entzündete zunächst ein Triumph- gefühl. »Nunmehr bin ich auch kein Wisch mehr und werde künftig Herr Hof rat heißen, wie mein Vorgänger, wenn ich will« (28. Sep- tember 1761).

Aber diese Freude war von kurzer Dauer. Denn nun »kommt wider

eminent, la Cour se pouvait tout au plus vanter d'avoir une personne distin- guee et unique dans son genre. Mais cela ne rend aucune utilite reelle ä l'etat, et l'antiquaire ou le garde de cabinet du Prince est un homme dont on peut bien se passer. Mais je pourrois etre utile independamment de la charge en formantdans lajeunesse lebongout duvrai et du beaudans les beaux-arts, et c'est un talent qu'on ne peut acquerir au-delä des monts . . . Apres tant d'annees que j'ai mise ä perfectionner l'histoire de l'art, que je veux faire imprimer sous mes yeux en Allemagne et apres toutes les recherches que j'ai fait dans les beaux-arts, je tiens avec Socrate, qu'il est plus noble de tracer les connoissances qui embellissent et elevent l'esprit dans l'äme des hommes que sur la carte [II, 153 f.].

DER LANDGRAF FRIEDRICH VON HESSEN 23

alles Vermuten der Leibarzt Sr. Hoheit des Kurprinzen Bianconi nach Rom und wiederholt mir alles mündlich, ich höre aber, daß meine künftige Stelle unter drei Jahren nach geschlossenem Frieden nicht besetzt werden kann; ingleidien daß man das Gehalt derselben, wel- ches 600 Taler war, auf einen geringeren Fuß (500, wie mit allen Bedienungen) herunter zu setzen gezwungen sein werde«. Nun tritt auch Dresden sofort in gleichgültige Ferne. »Ich bin der Meinung, nicht so weit hinaus zu denken und das gegenwärtige Gewisse und Reichliche dem Künftigen vorzuziehen« (an Feronce, August 1761). Und im November lautet es noch herabgestimmter.

Dies gewisse Gegenwärtige ließ nun auch nicht auf sich warten. Sein plötzlich so nahe gerückter Weggang mag den Kardinal ange- trieben haben, sich den unersetzlichen Mann nun durch eine feste öffentliche Anstellung in Rom zu sichern.

»Unterdessen sehe ich ein, daß es Zeit gebraucht, ehe man über- flüssige Leute mit Kosten kommen läßt; wir sehen auch noch dem Krieg kein Ende, und es ahndet mich, ich werde in Rom mein Leben kümmerlich, aber zufrieden beschließen« (an L. Usteri, 14. November 1761).

Diesen Einladungen gegenüber scheint ein kurz darauf, wahrscheinlich durch den Grafen Firmian gekommenes Anerbieten aus Wien wenig Reiz gehabt zu haben. Jene rühmliche Anzeige der Description im Journal etranger hatte auch dort auf ihn »aufmerksam gemacht«; es wurde ihm »von weitem ein Antrag gemacht, auf welchen er seine Bedingungen gab«. Dieser Antrag kam von dem prachtliebenden Erz- bischof (seit 1757) Migazzi (einem Veltliner, geb. 17 14), der Rom als Auditor der Rota (1746— 175 1) kennengelernt hatte und später als Gesandter in Madrid den Traktat von Aranjuez mit dem spanischen und sardinischen Hof abschloß (1752). Fünfhundert Gulden völlig freies Gehalt sollte er haben, wenn er als Gesellschafter zu ihm gehen wolle. Er lehnte ab und schrieb Firmian seine Gründe (Februar 1762).

Hof und Kirche unter Clemens XIII.

Wer je etwas gehört hat von den humanen Päpsten des Jahrhunderts der Aufklärung, dem werden bei der Kunde von Winckelmanns Anstellung als apostolischen Beamten gewiß die Namen Lambertini, Ganganelli, Brasdii in den Sinn kommen, einst so hochgefeiert. Aber die Zufallslaune hat es gefügt, daß es gerade die dunkelste Zeit päpst- licher Politik war, die Jahre des trotzigen Kampfes mit den Kronen um eine dem Untergang geweihte Sache die Jahre Clemens' XIII., wo dem Gründer der Archäologie dort Anerkennungen mancher Art zuteil wurden.

Die weltgeschichtlichen Kämpfe, der Inhalt dessen, was damals aus Rom und über Rom geschrieben wurde, sind der Hintergrund, vor dem sich die schriftstellerisch so fruchtbaren letzten zehn Jahre unseres Landsmannes in der heiligen Stadt abspielten. Er vermied es, sich um diese Kämpfe zu bekümmern und davon zu schreiben, teils aus Gleich- gültigkeit, teils weil er seit 1760 dem Hofe des Nepoten und dem Papst selbst nähergekommen war. Seitdem mußte seine Sprache in diesen Dingen mehr Zurückhaltung annehmen.

Clemens XIII. hatte einen guten Kopf für Geschäfte und im Verkehr die einschmeichelnden Formen des Venezianers. Er war ein vortreff- licher Bischof, aber kein Papst, und er wußte es. Den ängstlich frommen Mann drückte eine so demütige Bescheidenheit, ein so tiefes Mißtrauen zu sich selbst, daß er vorausbestimmt war, wie Benedikt XIII., samt Staat und Kirche einem herrschsüchtigen Minister in die Hände zu fallen. Diesen fand er denn auch nach Ardiintos Tode in dem Floren- tiner Torrigiani. Ein hartnäckiger, heftiger, gewalttätiger Mann, feroce wie Bonifaz VIII. nennt ihn Tanucci, ohne dessen Gelehrsamkeit, so rauh und grob, wie der Papst gütig und höflich war, der bald in allen Zweigen selbstherrisch waltete und dem verzagten, ungewissen Geist des Papstes sich unentbehrlich machte. Er überzeugte den Kardinal- nepoten, daß er sich durch Beteiligung an den Geschäften in diesen schweren Zeitläuften den Haß der Stadt, der Kardinäle, der Höfe zu- ziehen werde und noch größeres Unheil beim Ableben des Oheims, daß er ihm daher die Last dieser odiositä abtreten müsse, die er aus Liebe zu Neffe und Onkel gern sich aufbürden wolle. Selbst Kardinäle

HOF UND KIRCHE UNTER CLEMENS XIII. 2$

und Diplomaten litten unter seinen Zornausbrüchen, die er Offenheit nannte. Ein Gesandter sagte, er befehle sidi vor jeder Audienz Gott, daß er ihn mit Langmut waffne, um alle seine Impertinenzen ruhig hinzunehmen.

Clemens XIII. und sein Minister schienen nur bestimmt, die anti- jesuitische Stimmung der katholischen Welt zu reizen. Der Papst, schreibt Bianconi, hat in wenigen Jahren alles Ansehen verloren, das seine Vorgänger Jahrhunderte von Arbeit und Politik gekostet.

Die Freigeisterei erhob ihr Haupt höher denn je. Damals unter- zeichnete Voltaire seine Briefe häufiger mit den Worten Ecr. linf. Auf einen und denselben Tag, den 3. September 1759, fiel die Verdammung der Enzyklopädie und die Verbannung der Jesuiten aus Portugal. Am 17. April 1761 reichte der Abbe Chauvelin beim Pariser Parlament die erste Anklage gegen die Konstitution der Gesellschaft Jesu ein, als der guten Ordnung und Zucht der Kirche und den Maximen des Königreiches entgegen. Am 3. September 1762 antwortete der Papst mit dem ersten Breve an die französischen Kardinäle zugunsten der Jesuiten, die er für den der Kirche nützlichsten Orden achte, und er- klärte im geheimen Consistorio die Beschlüsse des Parlaments für null und nichtig.

»Von den Händeln«, so schreibt Winckelmanni 760, »eines kindischen Papstes und törichter Priester mit mächtigern und gescheitern als sie sind, glaube ich, werde Ihnen wenig gedient sein; ich würde dieselben auch entweder verkehrt oder nur halb schreiben.« »Das Pfaffenreich nähert sich seinem Sturz und Untergang auf allen Seiten, und man befürchtet schon hier, daß das Haus Österreich, wenn es sollte Frieden bekommen, dem Papst Ferrara nehmen werde; ja die Kardinäle selbst prophezeien, daß in dreißig Jahren der Papst nichts außer den Ring- mauern von Rom werde zu sagen haben ^.« »Der Papst«, schrieb Friedrich der Große an d'Alembert, »kommt mir vor wie ein alter Seiltänzer, qui voulant refaire les tours de sa jeunesse se casse le cou.« Gleichwie Rom, so hoffte Tanucci (1761), mit seinem Schatten von

6. [II, 91, 98.] La machina, amico, va in rovina; io parlo di quella de' preti; in cinquant' anni non vi sarä forse ne papa, ne prete. La fermentazione e arrivata all' orlo della pila, che bolle a scroscio (per parlar toscano), e Roma diventerä un deserto. 26. Februar 1768, an Stosdi [III, 372].

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Wissen und mit der Unwissenheit der Jahrhunderte einst seinen Wunderbau aufgerichtet hat, so wird der selbige zugrunde gehen durdi die Unwissenheit der Kirche und durch die Wissenschaft der Welt- Hchen, »weil unumquidque dissolvitur eodem modo quo colligatum est«. Und spottend erwidert ihm der Abate GaHani: Es ist das Privileg Roms, sich für die Ewige Stadt zu halten. Das alte hatte die Augurien des Gottes Terminus und der Göttin Fortuna, das neue hat die Pforten der Hölle, auf die es sehr baut; Selbstvertrauen ist ja die innerste Qualität aller unfähigen Fürsten 7.

Die Gewissenhaftigkeit des Papstes griff sogar in die Vergnügungen der Römer ein, an denen doch die ganze Welt, selbst die ketzerische, ein Interesse hat. Er verbot die öffentlichen Bälle beim Karneval, der ganz melancholisch wurde; und die Römer hätten nun gewünscht, daß der alte Prospero, der Spaße so gut machte wie verstand, doch die Jahre des heiligen Petrus erreicht hätte. Im Jahre 1762 setzte Rom und Italien die Frage in Aufregung, ob der Karneval am Montag ge- schlossen werden müsse, da auf den Dienstag die Vigilie des Apostels Matthias fiel. Der Tag des Apostels Matthias legt sich öfters störend in den Schluß des Karnevals. Benedikt XIV. pflegte den Ersatzapostel ohne Umstände in die Fasten zu versetzen, und um diesen Dispens bat jetzt der König von Hispanien, der am letzten Tage des Karnevals ein prachtvolles Hoffest zu geben pflegte, und sein Erzbischof, der einen Agenten sandte, weil er sich vor dem süßen Pöbel von Neapel fürchtete. Der Kardinal Spinelli unterstützte das Gesuch; der Papst berief die Kongregation des heiligen Uffiz, auf dessen einmütiges Zureden (et tu Brüte?) er geneigt schien, nachzugeben. Als aber der Agent bei dem Kardinalnepoten die Entscheidung abholte, stand am Rand des Memorials: non si concede.

Damit hingen denn audi einige Reformen zusammen, die die alten

Götter betrafen. »Diese Woche wird man dem Apollo, dem Laokoon

7. [Die Publikation von F. Nicolini, Bernardo Tanucci. Lettere a Ferdi- nando Galiani, Bari 1914, I, II bringt die Briefe Tanuccis erst ab 1763. Der Band mit den Briefen von 1759— 1762, den Justi offenbar noch in Neapel, Archivio di Stato, benutzt hatte, ist verschollen; s. Lettere I, p. VII f. In den Briefen Galianis aus dem Jahr 1761, soweit sie im Archivio storico italiano, Serie III, 10 (1869), 20—22 (1874/75) veröffentlicht sind, war die von Justi angezogene Stelle nicht zu finden.]

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und den übrigen Statuen im Belvedere ein Blech vor die Schamteile hängen, vermittelst eines Drahts um die Hüften: vermutlich wird es auch an die Statuen im Campidoglio kommen. Eine eselmäßigere Regierung ist kaum in Rom gewesen, wie die itzige ist . . . Bouchard fängt an mit Leinwand zuhandeln, weil jetzo, da die Dummheit und die eselmäßige Einfalt auf dem Throne sitzt, kein Mensch Bücher kaufte.« Er wollte damals etwas aufsetzen »von den Schicksalen der Werke des Altertums zu unseren Zeiten« (an Berendis, 12. Dezember 1759).

Als sein Freund Pagliarini ein anti jesuitisches Pasquill I lupi sma- scherati gedruckt hatte, doch nicht in seiner Offizin, sondern beim portugiesischen Gesandten Almeda, dessen Archivar er war, ließ ihn Torrigiani ins Gefängnis werfen und seine Druckerei schließen.

»Man hat ihn«, sdireibt Winckelmann den 3. Januari76i, »gebunden aus seinem Hause geführt, da er kaum von einer gefährlichen Krank- heit sich in etwas erholet hatte, und er sitzet schon einen Monat, ohne jemanden sehen noch sprechen zu können. Man kann nicht hinter die Wahrheit kommen; er war mein Freund, und ich nehme unendlich viel Anteil an seinem Unglücke.« Der Jesuitengeneral verlangte, daß Pagliarini nach den alten Gesetzen Roms gerichtet werde, die auf den Druck von Satiren die Galeeren setzten. Es wurde beschlossen, jeden- falls die Sentenz zu verhängen, um ihn mit der Infamie der Strafe zu brandmarken. Im November wurde er wirklich zu sieben Jahren Galeere verdammt, »welches so gut ist als der Tod, in der tödlichen Luft am Meer. Man glaubt aber, er werde vom Papste Gnade erhalten. Gott lasse keinen Menschen in der unbarmherzigen Priester Hände geraten! Genus implacabile vatum!« (14. November 1761.) Tanucci bat für ihn bei Torrigiani. Die Strafe wurde nach getanem Fußfall vom Papste

8. [II, 14, 77.] Li awanzi delP arte statuaria antica corrono ora piü che mai risico d'essere trattati col zelo di S. Gregorio e di Adriano sesto. S. S. a fatto ricuoprire con grembiali dipinti tutta la parte nobile de' putti e angio- lini di Giro Ferri e di Maratta nel palazzo e le statue nel Belvedere, l'ApoUo e Laocoonte etc. restano come Adamo di Alberto Durero coUa foglia di latta appesa, non ostante che la Sua Scrupulositä non le vedra mai. Non e poco die non le abbia fatte castrare all uso di serraglio del Gran Turco. II Sig. Card. Albani vi si conforma in tanto che non fa rimettere i cotaH troncati alle Statue die f a ristaurare, ma senza coglioni non le vuole. "Winckelmann an Bianconi, i. September 1759 [II, 27].

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aufgehoben. Er hatte vier Monden im Kerker gesteckt. Tanucci wies den Kardinal Orsini an, ihn mit allem Nötigen versehen nach Neapel zu befördern; König Karl wolle ihm alles ersetzen. Der Gesandte Por- tugals teilte ihm dort mit, daß ihn sein König zum portugiesischen Edelmann und Legationssekretär mit lebenslänglicher Pension gemacht habe, außer Schadenersatz und einer Summe für Equipage und Diener- schaft. Damals sagte man, »Bourbonenhaß und keine Vergebung« sei der Jesuiten elftes Gebot. Laut und heftig erscholl von allen Punkten der katholischen Welt zum Vatikan der Ruf nach ihrer Vernichtung.

Es war der Kardinal Passionei, von dem man sich zuflüsterte, daß er der Autor der «entlarvten Wölfe« sei; der sämtliche antijesuitische Satiren und Kupfer aufhob und die Bulle ihrer Unterdrückung seinen catonischen Refrain stets im Brevier mit sich führen sollte.

Winckelmann war seit der Verbindung mit Albani, für dessen Feind Passionei galt, etwas mit dem Pascha von Fossombrone auseinander- gekommen. Er hörte in Florenz, daß dieser »sehr empfindlich« dar- über sei: »ich bin mir aber der Nächste und will nicht als ein Pedant meine Zeit verlieren« (i. Dezember 1758). Am 23. Oktober 1759 be- suchte er ihn noch einmal »in aller Eile« auf Camaldoli, auch noch manchmal bei ihm. Aber seit 1760 zog er sich zurück. Im Februari 761 indes verliert Passionei noch einmal einen schönen Dante an ihn infolge einer Wette, daß er das martorellische Tintenfaß durch Fragianni be- kommen wolle.

Zu jener Zeit ward gegen einen Katechismus (Exposition de la doctrine chretienne) des P. Mesenguy aus Beauvais von den Jesuiten beim Heiligen Stuhle Klage erhoben und eine Kongregation zu dessen Prüfung niedergesetzt. Passionei nahm sich des nach Jansenismus riechenden Buches mit bekanntem Eifer an, als sich aber zeigte, daß er überstimmt werden würde, verließ er den Quirinal, um fern vom Hofe im Eremo zu grollen. Bald vernahm er, daß der Papst dem Jesuiten Lazzarini die Anfertigung des Verdammungsbreve übertragen habe. Er wollte es nicht glauben. Aber am 15. Juni 1761 erhielt er, so erzählt Monsignor Garampi in einem Briefe an Olivieri vom 17. Juni, eine trockene Ambasciata, das Breve zu unterzeichnen, bei Vermei- dung des Unwillens Seiner HeiHgkeit (S. S. se ne sarebbe risentita) 9.

9. [Pesaro, Biblioteca Oliveriana.]

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Er zögerte einige Zeit; da aber das Breve umgehend zurückfolgen sollte, und der Kutscher unten wartete, so unterschrieb er, aus Furcht, sein Sekretariat zu verlieren. »Aber den ganzen Tag über dauerte ein so heftiger Zorn, daß am nächsten Morgen ein Anfang von Apoplexie sich zeigte; er weigerte sich, einen Aderlaß zu nehmen und verlor am Abend die Spradie.« Dramatischer ist folgender Bericht. Als er mit dem Kardinal Sciarra und dem Prinzen von Palestrina zu Tafel saß, erschien der Substitutus brevium und übergab den Akt mit dem Be- fehl zu unterschreiben. Es traf ihn wie ein Donnerschlag; er versank in ein langes, tödliches Schweigen; dann fuhr er auf und stürzte aus dem Zimmer. Der Servite Baldoriotti ging ihm nach ein alter Mann, der Macht über ihn hatte und ihn herumzukriegen ausgewählt war. Er quälte ihn, bis er nachgab. Der Kardinal Scanderbeg ergriff die Feder, unterzeichnete das Breve, ohne es eines Blickes zu würdigen, mit Schluchzen, und schleuderte die Feder fort mit den Worten: e fatto della Santa Sede! Das waren seine letzten Worte, von krampf- haften Zuckungen ward er ergriffen, denen ein Schlag folgte: die linke Seite und die Zunge waren gelähmt. Seitdem kehrte nur in Zwischen- räumen das Bewußtsein wieder; er starb am 5. Juli und liegt begraben in seiner Titularkirche San Bernardo in den diokletianischen Thermen.

Bei der Kunde dieses Todes schrieb Lami: »In ihm geht eine große Stütze der Wahrheit verloren.« Um dieselbe Zeit starben noch zwei andere gelehrte und gemäßigte Kardinäle, und es hieß: wann wird die Kirche wieder Leute haben wie Orsi, Tamburini, Passionei? Wir hoffen nicht, sie zu erleben, vielleicht erst unsere späten Enkel.

Von Passioneis Bibliothek sagte man anfangs, der Papst wolle sie kaufen und im Quirinal zum öffentlichen Gebrauch stehen lassen. Er verbot, etwas daraus zu entfernen, die Corsini sollten einige Manu- skripte für sich gerettet haben. »Ich kenne dieselbe besser als irgend jemand«, schreibt Winckelmann (29. September 1762), »und es würde ein Verlust für mich sein, wenn dieselbe außer Rom ginge.« Mit der Vaticana vereinigt wäre sie freilich »so gut als vergraben«. Paciaudi, der gerade den Auftrag erhalten hatte, eine neue Bibliothek für Parma zu schaffen als Ersatz für die nach Neapel gegangene Farnesische, ver- handelte ebenfalls mit den Erben. Endlich kaufte sie der Augustiner- general Vasquez und brachte sie in die Bibliothek bei San Agostino,

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die von ihrem Gründer, dem Prälaten Angelo Rocca (1545— 1620), Angelica heißt. Die Kupferstichsammlung erwarb der Kardinal Sciarra für die Kaiserin.

Winckelmann empfand diesen Tod als schweren Verlust. »Ich habe einen großen Freund in ihm verloren, und Herr Usteri kann bezeugen, wie lieb er mich hatte« (an Gessner, 20. Juni 1761). Aber Albani wurde Passioneis Nachfolger an der Vaticana, und dies eröffnete sei- nem Abate den Weg zu der päpstlichen Bibliothek.

Der Kardinal SpinelU

Nach Passioneis Hingang hielten die Jesuiten für ihren Hauptfeind im heiligen Kolleg den Neapolitaner Giuseppe Spinelli. Er war nun der bedeutendste Kardinal. Er begegnet uns in Winckelmanns Briefen schon 1758: seinen großen Beschützer nennt er ihn in einem Brief an Bianconi vom 30. September 1758. Vielleicht ward die Bekanntschaft vermittelt durch Passionei, der Spinelli hochhielt (und er war mit seiner Hochachtung sehr sparsam). Paciaudi hatte mit dem Kardinal viele Jahre zusammengelebt, als sein unzertrennlicher Begleiter auf der Villa in Torre del Greco, in den Bädern und auf seinen amtlichen Reisen im Königreich und im Kirchenstaat. Als er nach Parma ging, wurde Winckelmann vielleicht als Ersatz herangezogen. Für Spinelli war es Bedürfnis, solche rührige Gelehrte in seiner Nähe zu haben und sich von ihren Forschungen (die er oft selbst anregte) erzählen zu lassen. So lud er im Jahre 1757 den bekannten Etruskologen Passeri zu sich, indem er ihm, bloß für den Genuß seiner Unterhaltung, Haus, Tisch, Bedienung, Karosse und Reisekosten anbot. Barthelemy rechnet die in Spinellis Gesellschaft verbrachten Stunden zu seinen angenehm- sten römischen Erinnerungen.

»Vierzehn Tage nach dem neuen Jahre«, schreibt Winckelmann am I. Januar 1763, »werde ich mit dem Herrn Kardinal Spinelli auf eben- soviel Tage nach Ostia am Meere in dessen Bistum gehen und hoffe in der Gesellschaft dieses vernünftigen Mannes, welcher mir nicht weniger als mein Herr (der ihm feind ist) wohl will, vergnügt zu sein. Er will daselbst auf mein Angeben graben lassen, und vielleicht bin

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ich SO glücklich, etwas zu finden.« Er kam am i6. Februar 1763 zurück und schrieb: »Ich bin in Ostia die zehn Tage des Karnevals nebst den Patres Jacquier und Le Sueur, mit dem Kardinal Spinelli sehr ver- gnügt gewesen, und ich habe eines der größten Basreliefs in der Welt daselbst entdeckt, welches zugleich eines der seltensten und schönsten ist: denn es stellt den Theseus vor, wie er den Schuh und den Degen seines Vaters findet, in acht Figuren. Ich habe es für mein italienisches Werk gezeichnet.« Dieses Relief erhielt die Villa Albani. Dabei kam er wieder einmal in Lebensgefahr. »Ich begab mich mit bloßen Füßen in eine Grotte voll Wasser, um ihre Konstruktion genau zu unter- suchen; da mir das Wasser bis an die Knie reichte, ging ich wieder hinaus und zog mich ganz aus. Ich begab mich nun noch einmal an meine Untersuchung, als ich aber in einen engen Gang geriet, wo das Wasser höher war als ich selbst, so löschte die Fackel im Wasser aus, und nur mit vieler Mühe konnte mir der außerhalb der Grotte ste- hende Bediente wieder heraushelfen« (an Bianconi, 26. März 1763).

Giuseppe Spinelli stammte aus einer alten süditalienischen Adels- familie, seine Mutter war eine Imperiali und sein Oheim der bekannte Kardinal Giuseppe Renato Imperiali, von dem die große Bibliothek dieses Namens in Rom stammte. Ein Vetter von ihm war der Prinz von Tarsia in Neapel, in dessen mit einem Aufwand von 120000 Dukaten gegründeter Bibliothek »die Vergoldungen mehr als die Bücher kosteten und gerade Linien nicht existierten« (26. April 1758).

Hört man von den früheren Taten dieses Kirchenfürsten, sov/undert man sich, Winckelmann in seiner Gesellschaft zu finden. Denn seine Vergangenheit war die eines Zeloten. In Flandern war er es, der den ehrwürdigen Bernhard van Espen wegen Beziehungen zu dem jan- senistischen Bischof von Utrecht von seinem Katheder in Löwen vertrieb, und die Annahme der Bulle Unigenitus als Bedingung der Erteilung von Lehrstühlen und Pfründen durchsetzte. Als Erzbischof von Neapel (seit 1734) war er sechzehn Jahre lang eifrig tätig für Bildung und Zucht von Klerus und Diözesanen. Als Kuriosität hat die Geschichte der neapolitanischen Kirche aufbewahrt, daß er auch ein- mal gepredigt hat, sehr gehaltvoll, und da er ohne Übung war, nach mühsamem Memorien. Er gab dem Chor der Metropolitankirche seine jetzige barocke Gestalt.

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Spinelli erlangte großen Einfluß am Hofe Karls III. und infolge davon Feinde. Die Zerwürfnisse zwischen dem Heiligen Vater und dem katholischen König infolge der spanischen Werbungen von 1737, als der Kardinal Acquaviva mit allen Spaniern und Neapolitanern Rom verließ, hatte Spinelli glücklich beigelegt. Man sprach 1750 in Rom von der Gründung einer Primazia in Neapel, mit oberster Appellinstanz für die Bischöfe beider Sizilien. Da bereitete er sich durch einen unbesonnenen Schritt seinen Sturz. Längst machte ihm der wachsende Unglaube Sorgen; er ängstigte den König mit Erzäh- lungen von den vielen tausend Atheisten und Ketzern, die in Neapel verborgen sein sollten. Er verfolgte das Haupt der dortigen Aufklärung, den Abate Genovesi; endlich ließ er zwei Priester im erzbischöflichen Gefängnis einkerkern mit dem Gebot, ihre Irrtümer abzuschwören. Er hielt den Moment der Aufregung für geeignet, das heilige Amt in Neapel einzuführen. Er ernannte die Räte und Notare; er ließ ein Siegel für die Prozesse anfertigen und über die Tür des dazu aus- ersehenen Hauses die Worte setzen Santo Uffizio. Diesen Namen hat nun das Volk von Neapel nie ertragen können: Bürgerkriege sind darüber geführt worden, mit großen Opfern hat man diese Freiheit von den spanischen Königen erkauft. Nur in Palermo durften Ketzer gefoltert und verbrannt werden. »Wunderbar«, ruft Colletta, »dies leichtgläubige, abergläubische, unwissende Volk erhebt sich auf den bloßen Verdacht hin in hellem Aufruhr, vergißt und bedroht die Autorität des Monarchen, belagert und besiegt in den eigenen Quar- tieren zahlreiche Truppen! Und nicht etwa, wie sonst, der Pöbel, in blinder Wut oder aus Liebe zu Aufruhr, auch nicht die Gebildeten aus Aufklärung und Freiheitsliebe, sondern alle Klassen, die wohllebigen Stände und die schlichten Landleute in einmütigem Eifer, von gemein- samem Instinkt getrieben. Dasselbe Volk, das gestern die Vertreibung der Hebräer verlangte, die neuen Barfüßer empfing und beschenkte, die Knochen der fünf neuen Heiligen teuer bezahlte, es murrt beim Anblick der Tafel am erzbischöflichen Palast, erhebt sich und bedroht zwei Kardinäle mit dem Tode.«

Die Minister und der Adel ergriffen die Gelegenheit, Spinelli zu verderben. Man ließ bewaffnete Bauernbanden in die Stadt kommen, und der Erzbischof war schon nach Torre del Greco entflohen, ehe

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der König noch eine Ahnung hatte von dem, was unter seinen Fenstern vorging. Als er eines Tages ausritt, sah er sich auf dem Largo del Palazzo von Volksgev^ühl umringt, und das Gebrüll erscholl: Kein heiliges Uffiz! Es erschien der Abgesandte des Volkes und brachte die alten Gesetze und Verträge in Erinnerung. Der König v^ar tief erschüt- tert angesichts dieses Schattens einer Revolution; einen unauslösch- lichen Haß faßte er von Stund an gegen Spinelli. Er übergab die Untersuchung dem Rat der Seggi, und es kam zu einem Prozeß, den der Marchese Fragianni (dies v^ar der Eletto del Popolo) in der könig- lichen Kammer von Santa Chiara führte. Der König erließ ein Edikt, in dem er das Gebaren des Erzbischofs streng tadelte, die geheime geistliche Gerichtsbarkeit aufhob und jene Tafel herabschlagen ließ. Spinelli verließ Neapel und v^^urde vom Hof, sogar durch Drohungen, bestimmt, seine Entlassung einzureichen.

Er ging nach Rom und kaufte den Palast Caroli an der Piazza Santi Apostoli,in dem er die Bibliothek Imperiali zum öffentlichen Gebrauch aufzustellen beschloß. Bis zu deren Einrichtung bewohnte er den Palast Doria amCorso. Der Papst entschädigte ihn durch das Kardinal- bistum von Palestrina, dann von Porto, endlich von Ostia und Velletri und durch das Dekanat.

Vielleicht hatten jene erschütternden Erlebnisse seinen Eifer ge- dämpft; wenigstens hört man von nun an nur günstig von ihm sprechen, als von dem ersten unter den Kardinälen höherer Ordnung, die sich in der Schule der Nuntiaturen bilden. Neben der früheren Strenge trat nun auch die seinem Wesen eigene Humanität, die hier die Färbung neapolitanischer Verbindlichkeit trug, nicht ohne einen Bei- geschmack von Falschheit, zutage: man bewunderte die Verbindung dieser, wie es schien, unverträglichen Eigenschaften ^°.

Bei der letzten Papstwahl (1758) hatte er die Gewandtheit eines vollendeten Konklavstrategen entwickelt. Er hatte sogar selbst Aus- sichten. Aber Karl III. mit der ihm eigenen Zähigkeit der Abneigung war gewillt, alles daranzusetzen, um Spinelli abzuwenden. In ihm war, wie Firmian schreibt, die Idee festgewurzelt, daß unter einem Papsttum

10. Uomo di abilitä, di mente, e piuttosto dotto, ma di una rigidissima morale, e rigorista, di ottimi costumi, ma non troppo sincero, con moltissimi nipoti. (Charakteristik der Kardinäle vom 5. März 1757 im Wiener Archiv.)

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Spinellis sein Reich der Zerrüttung anheimfallen müsse, weil jener sicher seinen Haß gegen den Hof werktätig äußern werde. Er ver- schaffte sich durch ein eigenhändiges Schreiben die Exklusive Spaniens, die Orsini dem Konklave mitteilte. Spinelli beschloß nun, wenigstens seinen Einfluß bei der künftigen Regierung sicherzustellen. Er wußte, daß Cavalchini als Jesuitenfreund die Exklusive Frankreichs habe; aber er trat seiner Partei bei, um nach dessen Schiffbruch als Gegendienst ihre Stimmen für Rezzonico fordern zu können, der als Kreatur Clemens' XII. auch die Corsini für sich hatte.

Infolge davon erfreute sich Spinelli ungemessenen Kredits bei Clemens XIII., mit dem er jeden Sonntagabend eine Konversation hatte. Nach Archintos Tode wurde ihm das Staatssekretariat angeboten, er lehnte es ab wegen der voraussichtlichen Zerwürfnisse mit Spanien und Neapel. Dieser Hof war über seinen Einfluß »unglaublich ver- legen«, hoffte jedoch, »daß des Kardinals feurige Denkungsart ihn mit den übrigen Ministern bald entzweien werde«, wie auch, infolge von Torrigianis Parteinahme für die Jesuiten, schon im Sommer 1759 geschah.

Winckelmanns Anstellung war des Kardinals letzte Tat. Er galt dafür, daß ihn nichts froher mache, als die Gelegenheit, Freunden wirksam zu helfen. »Mein Gönner, der große und gelehrte Kardinal- Dekan Spinelli, dem ich jene Stelle zu danken habe, starb wenige Tage nachher, zu meinem äußersten Betrübnis, im 69. Jahre ... Es ist der größte Verlust für mich in Italien« (27. April 1763). Er erlag einem Frühlingsfieber, das ihn am Freitagabend überfiel und nach vier Tagen, am 12. April 1763, hinstreckte. Seine Reste ruhen in Santi Apostoli.

Das Kommissariat der Altertümer

Am 30. März 1763 starb unerwartet der Abate Ridolfino Venuti, Antiquar der apostolischen Kammer und Oberaufseher aller Alter- tümer in und um Rom (Delegato sopra la conservazione delle Antichitä di Roma, auch Sovrintendente delle Antichitä, oder Com- missario delle Antichitä della Camera Apostolica, Romanarum Anti- quitatum Praeses), ein Amt, das er neunzehn Jahre bekleidet hatte.

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Der Posten war ein sehr gesuchter. » Diese Stelle « , schreib tWinckelmann, »welche monatlich zwölf Scudi und mit den incertis fünfzehn Scudi beträgt, gibt wenig oder nichts zu tun, und also können Sie sich vorstellen, wie viele Konkurrenten zu derselben gewesen, von denen ein jeder einen oder mehr Kardinäle auf seiner Seite hatte« (an Riedesel, 9. April 1763). Der sich am meisten Hoffnung gemacht, war unser armer Abate Bracci, dem aber diesmal seine Engländer nichts halfen.

Die Stelle ist eine Gründung des sechzehnten Jahrhunderts. Im Jahre 1534 war es, als Latino Giovenale Manetti (gest. 1553) von Paul III. die Aufsicht über die römischen Altertümer erhielt; er führte auch Kaiser Karl V. bei seinem Besuche der Stadt. Eine neue Bedeutung hatte die Stelle erhalten seit Clemens XL, und von da an war sie auch immer durch den Einfluß der Albani vergeben worden. Gleich nach seiner Thronbesteigung (1701) erließ er ein Edikt, das alte Verord- nungen erneuernd die Ausführung von Statuen, Gemälden, Bronzen, Gemmen verbot, ein zweites (1704) fügte dazu Mosaiken, Inschriften, Handschriften, Dokumente jeder Art. Funde von Altertümern mußten dem Kommissar der Altertümer Francesco Bartoli, dem Sohne und Nachfolger des bekannten Pietro Sante Bartoli, angezeigt und durften nur mit seiner Erlaubnis und nach genommener Zeichnung versetzt oder verbraucht werden. Inschriften wurden Monsignore Francesco Bianchini gemeldet, Manuskripte den päpstlichen Archivaren. Als Beweggründe werden angeführt der Glanz der Stadt, der durch solche alte Erinnerungen wächst, und das Studium der Geschichte. Die Veranlassung des zweiten Edikts war die Idee des christlichen und des Inschriftenmuseums, die dem Papst von dem veronesischen Prälaten eingegeben worden war, aber leider nicht über die Anfänge hinauskam.

Der Antiquar der päpstlichen Kammer, so schildert Winckelmann die Pfliditen des Amtes am 16. April 1763, muß ein schriftliches Zeugnis geben, dasjenige zu bekräftigen, welches zwei Assessores auf das Memorial an den Kardinal Kämmerling geben, über Gemälde sowohl als Marmore, die aus dem Lande gehen. Diese Assessores sind des Präfekten oder Präsidenten Untergebene und verpflichtet, diese Sachen zu besehen: er nicht wie jene; aber ihm steht es frei, alles von neuem zu besehen und jener Urteile ungültig zu machen. Ferner

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mußten ihm a ripa, wo die Sachen eingeschifft wurden, alle Kasten geöffnet werden, die bis zu seiner Besichtigung nicht völlig verschlossen und verschlagen werden können. Seine Pflicht ist femer, über alle Altertümer in und um Rom ein wachsames Auge zu haben. Es darf niemand ohne seine Erlaubnis nach Altertümern auch in seinem eigenen Grunde graben. Es muß ihm daher alles gezeigt werden, und was aufblickt, bleibt ihm nicht verborgen.

Jener Venuti tritt nebst zwei Brüdern schon bei der Gründung der Akademie von Cortona auf. Die Familie war eine der ältesten Cortonas und weist seit dem Mittelalter eine Reihe berühmter Namen auf, in der Literatur und im Felde, war aber damals verarmt. Marcell trat in Karls III. Dienste und leitete die Anfänge der herkulanischen Aus- grabungen, die er auch beschrieben hat (1748); Filippo ging in Sachen des lateranischen Kapitels nach Bordeaux, trat Montesquieu nahe und lebte später als Propst zu Livorno, wo er nach dem Muster der florentinischen eine Societä Colombaria gründete. Ridolfino ging nach Rom und studierte Rechte und Antiquitäten. Der Kardinal Albani machte ihn 1735 zu seinem Gentiluomo und Hausantiquar (Adjutante di studio). Er schrieb für ihn die Erklärung seines Münzkabinetts; und nach dem Tode des Abate Francesco Palazzi wurde er dessen Nachfolger als apostolischer Antiquar. Nach seinem Tode gab Stefano Piali die von ihm verfaßte Topographie Roms heraus, eine Kom- pilation mit Zugrundelegung Nardinis, die in schwierigen Fragen nur den Dissens der Antiquare referiert und vom Herausgeber mit Piranesis Einfällen bereidiert ist. Mehr als in der Topographie galt sein Urteil in Bestimmung alter Bildnisse, auch bei Winckelmann.

Venuti konnte mit den hundertundsechzig Scudi Gehalt und dem, was ihm Albani gab, nicht auskommen, besonders da die Rentkammer des Kardinals zuweilen ihre Zahlungen einstellte; man hört zufällig, daß dieser ihm im März 1750 vierzehn Monate schuldete. So war er auf die Führung der Fremden angewiesen. Unter ihnen begegnet uns 1755 die Markgräfin Friederike Sophie von Bayreuth, die Schwester Friedrichs IL, und ihr Gemahl. Schatullen, kostbare Dosen mit Dukaten gefüllt, waren der Lohn solcher Dienste. Dieses Geschäft des Cicerone galt in Rom nicht für unbedingt reputierlich. Auch solche, die ver- standen, die Rolle des laquais de place in den Formen des besten

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Gesellschafters, Gourmands, Poeten und Witzbolds zu spielen, und nur die vornehmste, reichste und schönste Welt in graziösester Weise über den Leidensweg durch die römischen Museen hinwegzuhelfen verstanden, wurden von den Römern nur spöttelnd genannt. Wir hören von Winckelmann, » daß Venuti, aus einem alten adeligen Hause, aber aus Notdurft, in die ihn sein Unverstand gebracht, sich herunter- lassen müssen. Fremde in Rom zu führen, das ihm von Personen, die denken wie sie wollen, übel ausgelegt wurde« (i6. April 1763).

Diese Stelle vergab der Kardinal-Kämmerer, damals Carlo Rezzo- nico, Kardinalspresbyter von San demente. Er war vom Schnitt seines Oheims, wohltätig, gerecht, verschwiegen, kein Kabalenmacher. Sonst entwerfen die scharfen römischen Federn von ihm kein schmei- chelhaftes Bild: Talent des Handelns fehle ihm gänzlich; er sei unentschlossen, schwerfällig, taktlos, zerstreut. Er las alle Bittschriften aufmerksam durch, erschien aber dann bei wichtigen Verhandlungen erschöpft und verdrossen, bei Audienzen finster, unruhig, streng; in den kurzen Konferenzen mit dem Oheim seufzte er, gähnte und schlief ein. Jede Bitte verwirrte, jede Geschidite langweilte ihn. Sein Dasein zerfloß zwischen Untätigkeit, Messelesen und viertelstündigen Stoßgebeten; infolge davon wurde seine Gedankenrichtung immer düsterer und abergläubischer.

Winckelmann meldet seine Ernennung am 9. April 1763, den folgenden Mittwoch wird er in Amt und Pflicht genommen". »Diese Stelle«, schreibt er triumphierend an C. Füßli und Riedesel, »ist mir vor vielen anderen, die sich ängstlich und kräftig darum bewarben, erteilt worden . . . Meine beiden Gönner sind endlich überwichtig worden.« Die Einladungen nach Dresden, Kassel, Wien wurden wohl als Hebel verwandt, diese Gönner in Bewegung zu setzen. »Es ist die schönste Stelle, die idi mir hätte wünschen können . . . Ich habe mehr erlangt, als ich verdiene, und als ich im Traum mir bilden können.« Er nennt sie »ansehnlich«, d. h. ehrenvoll, sie setze ihn in den Stand, die kleinen Kläffer, wenn er wolle, zu züchtigen.

II. [II, 305 ff.] La carica vacante di Deputate sopra la conservazione delle Antidiitä di Roma, per la morte seguita ultimamente del Canonico Venuti, e stata conferita al Sig. Abb. Gio. Winckelmann Sassone, Familiäre dell'Emo Alessandro Albani. Diario ordinario 16. Aprile 1763.

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Um zu begreifen, was ein Präsident der Altertümer in Rom bedeu- tete, muß man sich erinnern, daß die bildenden Künste dort das einzige profane geistige Interesse waren. »Um die flüchtige Aufmerksamkeit des Römers zu fesseln«, bemerkt ein Reisender, »muß man ihm von Malerei, Skulptur, Münzen vorreden, dies ist die einzige Unterhaltung, die er des Anhörens wert achtet.« Wer sich in Rom in den Ruf eines Protektors der schönen Künste zu bringen wußte, dessen Name hatte einen guten Klang, er mochte sonst eine Bestie sein. Darin waren alle Päpste übereingekommen, moditen sie zelotisch oder freisinnig sein, mochten sie ihre Neffen zu Fürsten machen oder knapp halten, daß sie für die bauliche und bildnerische Pracht der Stadt sorgten. Oft am Rande des Grabes zu Fürsten der Kirche erhoben, beeilten sie sich, für Denkmäler mit ihrem Namen und Familienwappen zu sorgen. Man hörte zuweilen in den Konversationen der Monsignori eine historische Apologie des Papsttums vortragen, die sich hierauf berief: den Kultus der Kunst, sagte man, den einzigen wahrhaft nützlichen, auch nach der Ansicht Friedrichs des Großen (I, S. 387), würde Europa nicht gekannt haben, wenn Rom, d. h. der Heilige Stuhl, sie nicht gepflegt hätte. Wer daher die päpstliche Macht angreife, der greife alle Künste an.

Winckelmann wollte also suchen, die Stelle zu einer höheren Wür- digkeit zu erheben. Längst hatte er ja beschlossen, die Fremden soviel als möglich zu fliehen, »als Störer meiner Ruhe und Räuber meiner Zeit«. »Ich habe ein Gelübde gemacht, mich selbst und die Stelle, die ich bekleide, nicht wie Venuti zu erniedrigen und einen Führer der Fremden zu machen . . . und keinem Menschen, außer mündlichem Unterricht, als Führer zu dienen« (16. April 1763). Nur wo er ganz außerordentliche Talente finde, werde er, was ihm möglich sei, ohne alle Absicht mit Vergnügen tun. Dieser Vorsatz war freilich sdiwer durchzuführen. Wie konnte er sich Fremden von Rang entziehen, die ihm vom Kardinal oder vom Papst selbst zugewiesen wurden, zumal da die Stelle sonst »wenig oder gar nichts zu tun gab, vielleicht zehn Stunden im Jahre« wenn er alles den Assessoren überließ. Er mußte befürchten, daß ihm Nachteil daraus erwachse, wenn er, als Antiquario des Papstes, in einem solchen Falle (z. B. bei dem Herzoge von York) zurückgesetzt würde. Bei derartigen Gelegenheiten hatte er auch die

DAS KOMMISSARIAT DER ALTERTUMER 39

Üblichen Geschenke des päpstlichen Hofes, unter denen Altertümer nie fehlten, vorzuschlagen. Er muß doch drei Jahre später gestehen, »daß er für unzähhge Fremde die Zeit unnütz und unerkannt verloren habe und erst jetzt Vorteil aus seiner Stelle zu ziehen anfange«.

Nur selten begegnen uns unter den mannigfaltigen Tätigkeiten dieser Jahre Spuren, daß er die amthchen Rechte und Pflichten seiner Stelle auszuüben Gelegenheit fand. Er will dem Kanonikus Boschi zu Tivoli den Prozeß machen (November 1763), weil er den Fund einer Gruppe, Amor und Psyche, nicht angegeben hat, auch, was verdächtig ist, den Ort nicht anzeigen will. Er »wird nimmermehr zugeben, daß ein so schönes Stück wie jener Pallaskopf (II, S. 382) aus Rom gehe« (August 1764). Alsjenkins im Auftrage des Londoner Locke für 2000 Zechinen die zwei Barberinischen Leuchter gekauft hatte (die später der Anfang des clementinischen Museums wurden), versagte er ihm, pflichthalber, die Erlaubnis, sie aus Rom zu führen. »Das übrige steht bei meinen Obern.« Auch sonst gewann er im Kunstdepartement Einfluß. Er hoffte Mengs eine Arbeit in Sankt Peter auszuwirken (7. Juli 1765).

Von nun an sah er die Möglichkeit seines Bleibens in Rom. Mit dem fast ebenso hohen Gehalt vom Kardinal (monatlich sechsundzwanzig Scudi, »folglich mehr als mir deutsche Fürsten, da ich nur ein Deut- scher bin, geben würden«) hatte er sein »notdürftig Brot« für die übrige Lebenszeit, »denn noch einmal soviel macht in Dresden nicht so viel« (an Franke, 27. April 1763). Wie froh er ist, die Aussidit auf ein deutsches Hof leben nun abschütteln zu können! »Ich entsage der Torheit des Hofes . . . und allem Glanz in Deutschland . . . Ich schenke allen Höfen ihre Pensionen für Franzosen, für Genever und Welsche, die mögen sie die Künste lehren . . . Ich kann und muß mich jetzt der süßen Hoffnung, meinem Vaterlande nützlich zu v/erden, begeben . . . Mein Entschluß ist gefaßt, niemals aus Rom zu gehen . . . Rom ist mir das Vaterland geworden, Rom zu verlassen, ist mich von meinem Liebsten trennen . . . Ich habe seit der Zeit meine niedrige Hütte aufgeschlagen, wo man mir wohl will, um in diesem Lande der Menschlichkeit meine Jahre, fern vom Kriegsgeschrei und in Ruhe zu genießen ... ich will meine Tage in Ruhe hier beschließen^^!«

Wie aus sicherem Hafen sah er auf das Toben des Krieges im

12. [II, 300, 306 f; 311, 319, 325, 328, 366.]

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Vaterlande. »Meine Hände hebe ich alle Morgen auf zu dem, der midi dem Verderben entrinnen lassen und in dieses Land geführt hat, wo ich die Ruhe, ja mich selbst genieße und nach meiner eigenen Willkür lebe und handele« (an Franke, i. Mai 1762). Da er also nun festen Boden unter seinen Füßen fühlte, so regte sich auch der Wunsdi, sich eine Umgebung zu schaffen, seine Räume zu füllen. Seine Jugend- liebhaberei an schönen Klassikerausgaben meldete sich wieder; er spricht von einer auserlesenen Sammlung griechischer Dichter, darunter einem äußerst seltenen Sophokles des Turnebus (Paris 1552). Die Freunde wurden dafür bemüht. Leonhard Usteri sendet einen schönen Dante, den er in Marochino binden lassen will. Volkmann soll ihm den Pariser Ariost in vier Duodezbänden (1746) mitbringen; bei der Gelegenheit könne ihm Wille ein paar Kupfer von seiner Arbeit übermachen. »Ich habe mein Zimmer mit Busti, von den besten Statuen genommen, ausgeziert und selbst eine kleine Sammlung von Alter- tümern angefangen von den Geschenken des Kardinals . . . Meine Sammlung von griechischen Münzen und Kupfern wächst auch allmählich an« (an Berendis, 21. Februar 1761).

Das Scrhtorat an der Vatica?ia

Da das Kommissariat nur ein spärliches Einkommen abwarf, so dachten die Gönner, um nichts halb zu tun, einen Posten an der päpstlichen Bibliothek damit zu verbinden. Hier war es nun zur Zeit freilich schwer, einzudringen, da die dreizehn Stellen besetzt und für einige sogar schon Expektanten da waren. Schon im Mai 1758 will er ein Scrittorat, das ihm bei Archintos Einfluß an höchster Stelle nicht habe entgehen können, ausgeschlagen haben, »um einem unterdrückten Gelehrten zu helfen«.

Das Beamtenpersonal dieser kostbaren Bibliothek bestand aus einem Kardinalbibliothekar oder Protektor (seit 1761 Albani), den zwei Kustoden, einem ersten oder großen (seit 1735 Giuseppe Simone Assemanni, gest. 1768) und dem kleinen (Bottari); sieben Scriptoren, zwei für die lateinische, zwei für die griechische Sprache, zwei für die hebräische und einem für die syrische und arabische Spradie (Stefano

DAS SCRITTORAT AN DER VATICANA 4I

Evodio Assemanni). Diese Stellen wurden durch apostolische Breven erteilt, wegen deren Unwiderruflichkeit in schweren Fällen Koad- jutoren mit Nachfolge gesetzt wurden. Zwei Buchbinder bestimmte der Kardinal, zwei Scopatori oder Famuli der erste Kustode. Für die Scrittori wurde eine Bewerbung ausgeschrieben, der Kardinal entschied mit Beihilfe der Kustoden, und bei dem orientalischen mit Zuziehung der betreffenden Lektoren an der Sapienza und Propaganda. Die Scrittori sollten die Handschriften katalogisieren, die durch Alter der Zerstörung entgegengehenden kopieren, Kollationen machen, unedierte Schriften griechischer Väter, Kirchenhistoriker und Dogmatiker ins Lateinische übersetzen; auch sollte die Herausgabe zweckmäßiger Werke von ihrer Seite gern gesehen werden, da solche Scrittori der Bibliothek ziemen, die, statt bezahlter Arbeiten für Fremde, literarische Meisterwerke (praeclaros ingenii labores) für den gemeinen Nutzen liefern.

Die Freiheit der Benutzung war sehr eingeschränkt, ihre oft ganz entgegenkommende Erweiterung hing ab von persönlichen Zufällig- keiten. Montaigne führte (1581) ein Edelmann, der ihn einlud, sich anzusehen und zu exzerpieren, was er wolle ^3; später war es unbedingt verboten, die Handschriftenschränke zu durchsuchen. Schott traf (i 600) eine Menge Gelehrte, die uneingeschränkt studierten; dagegen fand sie Nikolaus Heinsius (1651) für Fremde fast verschlossen. Mont- faucon saß darin von früh bis abends, er nahm sich das Essen mit, Muratori ließ sich von seinen Freunden Abschriften machen und scheint nach Blume sogar Handschriften mit nach Hause bekommen zu haben ^4. Gute Tage waren die der Bibliothekare Quirini und Passionei. Aber nach dessen Tode ist, wie Winckelmann schreibt, »weil er sich zuviel Freiheit angemaßt, durch einen Bannfluch untersagt worden, die Bücher außer der Bibliothek zu geben«. Die Cedola Clemens' XIIL

13. Je la vis sans nulle difficulte; diacun la voit ainsi, et en extrait ce qu'il veut; et est ouverte quasi tous las matins, e si fus conduit partout et convie par un Jantilhome, d'en user quand je voudrois.

14. Intesi che a Palazzo erano molto in coUera contro di V. E. Rma per avere comunicato copia del codice Farfense al Sigr. Muratori . . . Giovedi passato ne parlai con un prelato, die sta a palazzo, il quäle mi disse, che quest' accusa quasi quasi le aveva fatto vacillare la mitra episcopale in capo. Kard. Tamburini an Quirini 7. Juli 1723. Brescia, Biblioteca Queriniana.

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Ancordie i sommi Pontefici »unterwarf die Benutzung solchen Beschränkungen, daß auch der ungefälligste und übelwollendste Bibliothekar sich schämen würde, solche Bestimmungen buchstäblich anzuwenden«. Wahrend man früher die Erlaubnis des Papstes nur für wichtige Sachen nötig hatte, so sollte von nun an das Lesen und Kopieren überhaupt nur durch einen Schein des Staatssekretärs, nicht aber vom Kardinal oder den Kustoden gestattet werden können; und ebenso streng wurde die Anfertigung von Auszügen oder Abschriften seitens der Beamten untersagt. Aber auch Albani pflegte, wie des Musikers Burney Beispiel zeigt. Freunde auf wirksame Weise dem ersten Kustoden zu empfehlen. Man erhielt sogar in den Vakanzen Zutritt, wo sich's bequemer und ungestörter studierte; der Orientalist Adler erzählt, wie er oft ganz allein auf der Bibliothek war, wenn die Scopatoren Geschäfte hatten, und des langen Sitzens müde, sich durch Spazierengehen in den langen Gängen erholte, und wie ihm so die Vaticana der allerangenehmste Aufenthalt in Rom geworden sei und ihn noch in Entzücken versetze, wenn er an sie denke. Aber dies waren Ausnahmen. Sonst war die Bibliothek (schreibt Winckelmann an Franke, 24. September 1763), »wie die Geizigen, welche nur haben wollen und nicht genießen; und man kann von derselben sagen, was Plato von Sparta sagt: es gehe alles Gold der Griechen dahin, aber nichts wieder heraus«. Kataloge waren nur den Beamten einzusehen erlaubt, aber man gab jedem, was er forderte.

Seitdem der Kardinal Alessandro Albani Bibliothecarius S. R. E. geworden war, wünschte er, Winckelmann zum Kustoden machen zu können; aber dazu war wenig Aussicht. Doch gelang es ihm, im Jahre 1763 wenigstens in der Bibliothek Fuß zu fassen. Zunächst wandte man eine »Kriegslist« an, »ihn in die Bibliothek zu setzen, ungeachtet kein Platz ledig war«. Ein Chinese, der tatsächlich nur als Almosen sechsunddreißig Scudi das Jahr erhielt, war gestorben; daraus sollten fünfzig gemacht werden und Winckelmann als Scrittore della lingua teutonica den Auftrag erhalten, ein Register über die deutschen Hand- schriften der Heidelberger Bibliothek zu verfassen, von denen nur ein dürftiger Index ohne Inhaltsanzeige vorhanden war. Außerdem soll er Sachen darin, die wichtig oder nützlich schienen für den Dienst des Heiligen Stuhles, ins Lateinische oder Italienische übersetzen. Am

DAS SCRITTORAT AN DER VATICANA 43

29. April 1763 ward er vom Kardinalbibliothekar dem Papste vor- gestellt (ieri ebbi l'onore di baciare la zampa santa di S. S. [an Bian- coni]). Das schriftliche Gesuch Albanis (vom 2. Mai) nennt ihn »bewandert in allen Sprachen und einen Mann von höchster Redlichkeit und Treue «^J. Mit dem Ämtdien sollte die Auf sieht über das im Sommer zu eröffnende vatikanische Museum der profanen Altertümer ver- bunden werden.

Diese kleine Stelle, zu der er am 2. Mai die Ernennung erhielt, war nun freilich nicht ohne Pflichten, nämlich zu den festgesetzten Arbeits- stunden in der Bibliothek zu erscheinen, d. h. die Hälfte des Jahres vom November bis zum Juni, mit Ausnahme sonntags und donnerstags, von 9 bis 12 Uhr morgens; und da der Weg von den Quattro Fontane zum Vatikan eine Stunde betrug, so ergaben sich fünf Stunden, eine lästige Steuer auf die so kostbare römische Zeit. Die Verpflichtung war indes nur, zur gehörigen Stunde da zu sein; «nicht sowohl zu arbeiten, als mich auf meinen Posten zu setzen ... Es sind unserer dreizehn, von denen ein jeder etwas Neues bringt, um einige Zeit zu plaudern« (26. November 1763). Hier hörte er die gelehrten Neuig- keiten, »aber mit halben Ohren«. »Es ist niemand, der mir das geringste befiehlt . . . Ich verliere die edelste Zeit unwürdig.« Er hätte nun zwar Gelegenheit gehabt zu sammeln, aber jetzt wollte er seine Tage in Rom nicht mehr mit Kollationieren verlieren.

Er harrte aus, weil man ihm die Anwartschaft auf ein Scrittorat versprach. Dann nämlich war er hinlänglich, auf seine Lebenszeit, versorgt. Denn »die päpstlichen Breven sind unverletzlich und heilig, und man kann kein durch sie erhaltenes Amt verlieren, ohne die größten und abscheulichsten Verbrechen begangen zu haben« (an Wiedewelt, 3. Juni 1767). »Dann kann ich meine Tage in dem Lande der Menschlichkeit endigen, wie ich wünsche und hoffe« (9. April 1763).

Das in Aussicht gestellte Scrittorat war das hebräische. Sein Inhaber war vierundsiebzig Jahre alt (un vecchio malandato e scombussolato). Vielleicht nahm er zu diesem Zweck die hebräische Sprache wieder auf und begann das Studium des Arabischen mit dem Ritter Montagu; in Neapel finden wir ihn versenkt in des Maroniten Michele Cassiri

15. [Werke (Eiselein) 10, 636; Pariser Nachlaß vol. $6^ i, 2; Tibal 8. 15. Justi, 2. Auflage III, 391.]

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Rezension der arabisdien Codices des Eskurial (1760). Aber sonder- bar! es stellte sich heraus, daß dies Scrittorat bereits vergeben war.

Da er nun keine Lust empfand, in deutschen Sachen zu arbeiten, so verfiel man auf die Aussicht auf das griechische Scrittorat. »Man wird mir einen päpstlichen Befehl auswirken zur Verfertigung der mangeln- den Register der griechischen Manuscripte (es waren die der Königin Christine) und hernach eines Generalregisters der Manuscripte in dieser Sprache in den vier Bibliotheken der Vaticana« (an L. Usteri, II. Juni 1763). »Wenn dieses (schreibt er Walther am gleidien Tag), wo ich von dem Obervorsteher der vaticanischen Bibliothek (Asse- manni) vielen Widerstand finden werde, geüngen sollte, so wollen wir beide auch bald mit etwas Griechischem ans Licht treten.« Wirklich erhielt er in der heiligen Woche 1764, wo der Papst die Vaticana zu besuchen pflegt, durch ein kostbares Breve die Anwart- schaft auf das griechische Scrittorat und die Anweisung des völligen Gehalts von sechzehn Scudi monatlich.

Da nun der erste Kustos Assemanni kein Griechisch verstand, so wäre es jetzt Winckelmanns Obliegenheit gewesen, den Katalog der griechischen Manuskripte zu machen, der auf den Assemannischen der Orientalia hätte folgen sollen. Aber daran, erklärte er Heyne am 16. Februar 1766, werde er im Ernst nicht einmal denken, nimmermehr sei ein Blatt jenes Katalogs zu hoffen. Der Hauptgrund sei die Eifersucht auf diese Schätze; man wollte sie nicht bekanntmachen. Dann war einmal die Rede davon, ihm von seiten des päpstlichen Hofes eine Vollmacht zum Ankauf von Manuskripten im Orient zu erteilen, um jene Zeit, als Montagu durch Rom kam.

Als der Ruf nach Berlin in Rom bekannt wurde, ließ ihm der Papst sogar die Anwartschaft auf den »ziemlich einträglichen« ersten Kusto- denposten anbieten, nebst einer außerordentlichen Pension bis zur Erledigung. Aber selbst diese Anwartschaft auf das Scrittorat hat Winckelmann nie angetreten, und seit dem November 1766, als die deutschen Fürsten in Rom waren, entband ihn der Kardinal auch von der Verpflichtung, Plackerei nennt er es, in der Bibliothek zu erschei- nen. »Die Vaticana habe ich stillschweigend aufgegeben«, schreibt er den 18. Februar 1767. Als der Erfolg der Monumenti seine Zukunft gesichert zu haben schien, erklärte er (2. Juni 1767), »von den

COSTANTINO RUGGIERI 45

römischen Tropf enbelohnungen weiter nichts anzunehmen«. Ohnehin bekam er aus der Vaticana alles, ohne einen Schritt hineinzutun.

Costantino Ruggieri

Der Abend dieses glücklichen Jahres 1763, das unserem Freunde eigentlich erst die römische civitas bescherte, wurde durch ein erschüt- terndes Ereignis verdüstert, den Verlust eines edlen Freundes. Das Leben des Ab ate Costantino Ruggieri zeigt uns die römischen Zustände von ihrer dunklen Seite: welches Los einem uneigennützigen, welt- fremden Gelehrten dort beschieden sein konnte. Geboren zu Sant' Arcangelo bei Rimini 17 14, hatte er in Rom die Advokatur lernen sollen, aber seine Neigung zog ihn zu den Altertümern, heiligen und profanen, zu Diplomatik und Kirchengeschichte. Für den jungen Geschichtsforscher war damals in Rom eine wahre Akademie der Saal des berühmten Prälaten Giusto Fontanini auf dem Pincio, wo denn auch der junge Costantino allabendlich aus Trastevere hinpilgerte. Bald galt er für den ersten Kenner römischer Archive, er schrieb eine Anleitung zu ihrem Gebrauch; kein Kardinal, kein Letterato, kein Klostermann jeglichen Ordens, der nicht seinen Rat, seine Hilfe gesucht hätte.

Der Kardinal Ottoboni übergab ihm die zweitausend Handschriften seines Oheims Alexander VIL zu ordnen, einst die Bibliothek Marcells IL Ruggieri besorgte später auch die Einverleibung dieser von Bene- dikt XIV. erworbenen Ottoboniana in die Vaticana. Dann wurde er Konservator der Bibliothek Imperiali, damals im Besitz des Neapler Principe di Francavilla, und da lernte er dessen Vetter Spinelli, den Präfekten der Propaganda kennen, der ihm die Aufsicht über die große Druckerei dieser Anstalt übergab. Ihre orientalische Abteilung ver- dankt Ruggieri eine völlige Neugestaltung. Auch hier blieb er aber in völliger Armut ^^.

16. Als Gaetano Marini die Präfektur des vatikanischen Archivs erhielt, sdirieb ihm ein Freund: E vero che N. S. credeva di avervi fatto cardinale, ma gli si puö far sowenire, che Ruggieri con prefettura si ampia era poverissimo.

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Seine besten Jahre gingen hin in Ausführung gelehrter Wünsche und Grillen des Papstes und des Kardinals, seines Patrons. Der Bologneser Benedikt XIV. wollte eine Geschichte seines ehemaligen Bistums und trug sie dem Manne auf, der ihm als Amanuensis bei allen Ausfertigungen den ardiivalisch-historischen Apparat zu beschaf- fen hatte. Er entdeckte 1756 in den Diarien der Imperialischen Bibliothek, daß die Eintragung der Bulle Unigenitus als Glaubensregel in die Akten des Laterankonzils eine Fälschung sei, und der alte Papst war um so geneigter, zur Beilegung des unseligen Streits die Hand zu bieten. Von dem Schatz der Anecdota, die er für sich gesammelt, profitierten, dank seiner maßlosen Gefälligkeit, nur die Freunde. Der Druck seiner ersten, Ottoboni gewidmeten Dissertation über den Bischof Hippolyt von Portus mußte unterbrochen werden, und die bis Seite 80 abgezogenen Bogen wurden dem Feuerwerker der Engels- burg für die Girandola am Peter-und-Pauls-Fest verkauft. So verlief sein Leben in »Fron ohne Lohn«; nicht nur arm blieb er, sondern selbst ohne den eitlen Trost, einen Namen zu hinterlassen. In einer kurzen Korrespondenz mit Muratori über die Konstantinsinschrift von Spello (wo er aus der Sprache beweisen will, daß sie gefälscht sei mit Unrecht), bittet er den Propst vonModena, der sein kritisches Urteil bewundert hatte, ja seinen Namen zu verschweigen, weil in Rom schleichenden Feinden alles ein Vorwand werden könne (perche si sta in Roma, dove pur troppo c'e chi va cercando, come si suol dire, pampini per attaccarsi. 21. Ott. 1733)^7.

Zu Ruggieris Freunden gehörte also auch Winckelmann. Schon ein Brief aus Florenz vom 3. Oktober 1758 ist voll von Ausdrücken der Zuneigung und Verehrung; er nennt ihn den ersten Ehrenmann unter seinen Freunden ^^ »Ein Mann, der sehr viel und mit großer Heftigkeit sprach. Meine Freundschaft gegen denselben war eine wahrhaftige starke Passion, und ich glaube nicht, daß man mehr Freund sein kann, als ich es gewesen bin. Mein Geist war beständig um ihn. Herz und

17. [Modena, Biblioteca Estense. Muratoris Antwort vom 29. Dezember 1733 in: Epistolario di L. Muratori, Modena 1904, VII, 3 187 f.]

18. Non posso pensare a Roma senza un istinto simpatico verso il piü gran galantuomo col quäle la mia buona sorte mi ha unito di voglia e di sentimenti [1,424].

COSTANTINO RUGGIERI 47

Sinn trugen mich zu ihm, und mein Geist eilte ihm entgegen, wenn ich ihm begegnete. Seine Freundschaft gegen mich war der meinigen ähnhch; und er redete von mir wie von einem außerordentUchen Menschen, und weil sein Wort von großem Gewicht war, habe ich ihm sehr viel meiner Achtung zu danken« (12. November 1763).

Ruggieri war sehr kurzsichtig, er trug den Kopf etwas auf die linke Schulter geneigt; wenn man ihm begegnete, so erschien er stets in der Haltung und mit der Miene tiefen Nachsinnens, die aber gleich aufglänzte, sobald er eine befreundete Stimme hörte. Wie viele Melancholiker war er, wenn Gesellschaft ihn aus seinem dunklen Element hervorzog, aufgeräumt, gesprächig, scherzhaft und wahrhaftig; dabei aufbrausend, aber schnell zu begütigen.

Trotz seiner einflußreichen Gönner (wie Passionei, Tamburini, Orsi, Stoppani, Ganganelli, Migazzi) fehlte es dem selbstlosen Manne im fünfzigsten Jahre an Mitteln zu sorgenfreiem Leben. Der elende Lohn so vieler Mühen, die Zerrüttung seiner häuslichen Interessen, Zer- würfnisse mit Brüdern, Rivalitäten, Beleidigungen mächtiger Gegner, die ihn in den Verdacht des Jansenismus brachten, hatten schon lange an ihm genagt, als ihn der plötzlidie Tod Spinellis, auf den seine Hoffnung besserer Tage gebaut war, unheilbar erschütterte. Seitdem war er ein gebrochener Mann. Er verfiel dem Verfolgungswahn, sein Gedächtnis litt, er sah sich von finsteren Gedanken wie von Dämonen überfallen, vergeblich suchte er Schutz in der Religion. Von einer Erholungsreise nachTodi, Perugia, Assisi in Begleitung des Augustiners Antonio Giorgi kam er zurück, abgezehrt und mit den Spuren tiefen Seelenleidens in Blicken, Gebärden, Seufzern. Amaduzzi, der den alten freundlichen Empfang fand, aber tödliche Schwäche und Spuren von Geistesverwirrung entdeckte, eilte, sich mit den Freunden zu berat- schlagen; da kam die Schreckensbotschaft, daß er in der Morgen- dämmerung des II. November durch einen Pistolenschuß in den Hals seinem Leben ein Ende gemacht habe.

»Jetzt bekomme ich«, schreibt Winckelmann den 12. November 1763, »die betrübte Nachricht, daß einer meiner besten Freunde, die ich auf der Welt hatte und der beste in Rom, außerhalb (der Stadt) auf englische Art ^9 mit einem Pistol-Schuß aus dieserWelt gegangen . . .

19. Amaduzzi in der Raccolta Calogeriana 1770 S. 99. Un si onest' uomo non meritava di morire all' Inglese, schreibt Passeri an Olivieri den 22. No- vember 1763 [Pesaro, Biblioteca Oliveriana].

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Er war bereits, ehe er aus Rom ging, in die äußerste Melancholie gefallen, die ihn ganz verzehret hatte. Diesen Verlust kann ich in Rom nimmermehr ersetzen.« »Ich war ganz untröstlich«, schreibt er später, und: »Ich lebe außer dem Kardinal ohne Freund, nachdem sich der einzige, den mein Herz in Rom hatte . . . erschossen« (12. August 1764).

Engländer

Seit einem Jahre etwa hatte Winckelmann angefangen. Fremde als gelehrter Führer in Rom zu geleiten. Solche unentbehrlidie und gut honorierte Dienste galten seit Jahrhunderten als selbstverständliches Geschäft der römischen Antiquare überhaupt und des apostolischen insbesondere. Francesco Bianchini, Gori, vor allem Ficoroni waren in diesem Geschäft europaberühmt. Auch die längeren oder kürzeren Kurse, in denen die alten und neuen Kuriositäten Roms nach Bezirken abgegangen wurden, waren durch die Überlieferung festgestellt. An die ziemlich anstrengende Tagesfahrt knüpfte sich eine große Tafel im Albergo oder in dem gemieteten Palazzo, und da auch Tivoli und Albano im Programm standen, so waren solche Dienste sehr zeit- raubend.

Unter den Reisenden nahmen durch Zahl und Reichtum die Eng- länder den ersten Rang ein. Bei Engländern von einer gewissen Bildungsstufe gehörte die Reise nach Italien schon zu den Dingen, deren Attest de rigueur war. Viele blieben jahrelang, einige ihr ganzes Leben in Rom. Sie standen am meisten in Ansehen und nicht bloß wegen ihrer Pfunde obwohl ihr Äußeres dem Römer ziemlich den Eindruck einer Karikatur machte. Clemens XIII. bezeugte einmal bei Gelegenheit einer von Engländern begangenen Roheit sein Erstaunen, wie wenig man sonst von dergleichen höre trotz der Jugend der meisten, ihrer Entfernung vom Vaterland und dem Fehlen jeder Aufsicht. Es ersdiien den Italienern, wenn sie an die läppischen Zer- streuungen ihrer jungen Nobili dachten, achtbar, wie diese Fremden ihre Kunstschätze aufsuchten und durch methodische Gründlichkeit den Mangel an Gefühl zu ersetzen suchten; wie sie, so sehr sie sich für die klügste und mächtigste Nation der Welt hielten, ihrer Sprache

ENGLANDER 49

und Sitte Aufmerksamkeit schenkten, Altes und Neues als edelsten Schmuck ihrer Paläste mitnahmen, ja Erinnerungen Italiens zu einem Zug der Umgebung ihres künftigen Lebens zu machen, sich auf ihren Landsitzen ein Kleinitalien zu schaffen suchten. Es gab auch bereits eine Kolonie britischer Maler und Bildhauer in Rom, mäßige und fleißige Leute, die meist vom Kopieren lebten und in der Regel ihre hundert Pfund jährlich verdienten.

Auch durch Winckelmanns Briefe zieht sich eine Reihe vornehmer Engländer, denen er seine Worte für Guineenklang verkaufte. Er muß ihrem Unternehmungsgeist auch im Gebiet der archäologischen Ent- deckung Anerkennung zollen, nicht minder ihrer Bereitwilligkeit, auf den sich regenden reineren Geschmack tätig einzugehen. »Glauben Sie mir, dieses ist die einzige Nation, welche weise ist. Was für arme elende Ritter sind insgemein unsere deutschen Reisenden dagegen!« (An Franke, 26. Juni 1762.) Männer wie Sir Horace Mann in Florenz, Hamilton in Neapel, der dalmatische Adam, Henry, Jenkins, der »berüchtigte« Wilkes, der edle Hollis (dessen gute Achtung für ihn ein Panegyricus sei) gehörten zu den erfreulicheren Abwechslungen im römischen Leben. AberWinckelmann hatte nichts von Anglomanie. Bei seiner Neigung für südliches Wesen machte ihn das phlegmatische Temperament, die hölzernen Manieren, der steife Ernst leicht ungedul- dig. Steinkohlenseelen nennt er die gewöhnlichen Engländer und sucht von ihnen loszukommen. In einer Gesellschaft Britannier (darunter Lord Robert Spencer), wo er genötigt ist mitzuessen, »lachte von allen niemand drei ganzer Stunden«! Wie verschieden von der Art römischer Großen war die inhumane Sitte des Engländers, jeden, den er bezahlt als Sklaven, als keines Affektionsverhältnisses würdig zu achten. »Ich vermeide diese inhospitable Nation, wo ich kann.« »In der Gesellschaft der Cheroffini rede ich mit keinem Engländer.« Die Schönheit der Engländerinnen sträubt er sich zuzugeben, die schöne Lady Spencer, die schönste unter denen, die er gesehen, finde viele ihresgleichen in Rom (9. November 1763). »Leben Sie fröhlich«, wünscht er Stosch am 10. April 1761, »wenn es möglich ist, unter einem verkehrten, störrischen Volk, und ohne Sonne, heiteren Himmel, feine Luft und gutes Wasser.«

Am wenigsten wollte er gelten lassen, daß Engländer über Ge-

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schmackssachen mitreden könnten. Er fand unter ihnen Leute, die in betreff des Schönheitssinnes von der Natur geradezu übergangen zu sein schienen. »Ein junger Brite vom ersten Range gab im Wagen nicht einmal ein Zeichen des Lebens und seines Daseins, da idi ihm eine Rede hielt über die Schönheit des Apollo und anderer Statuen der ersten Klasse ^°.« Er war gespannt darauf, ob sein Vorurteil widerlegt werden würde durch die ihm als ein Meisterstück angepriesenen Elemente der Kritik des Schotten Henry Home, die sogar Lessing übersetzen wollte. »Idi glaubte, viel Neues zu finden, und fand einen kleinen metaphysischen Schwätzer. Es ist auch ein Kapitel von der Schönheit, weidies auch ein Grönländer hätte schreiben können. Ich sehe, die Natur tut nicht mehr Wunder in England, als bei uns ... In die Kunst mische sich der Brite nicht; und wir werden auch nimmer- mehr, so wenig als unsere Nachkommen, erleben, daß die Kunst, wie sich einige Engländer schmeicheln, Italien verlassen und nach England gehen werde« (i. Januar iy6-^)^^.

Manche dieser Engländer kann er nur jener Guineen wegen ertragen haben. Mit zwei Originalen traf er im Jahre 1762 zusammen. »Ich habe jetzt«, schreibt er im Dezember 1762 und im Januar 1763, »mit einem Lord Baltimore, welcher Herr von ganz Maryland in Virginien ist und sich mir gleichsam aufgedrungen hat, zu gehen.« »Es ist ein Mensch von etwa vierzig Jahren, welcher verheiratet gewesen mit einer Tochter der Ducheß Bridgewater, von der er keine Kinder hat, wohl aber von anderen Frauenzimmern, und eine führt er mit sich . . . eine schöne junge Engländerin ... Er hat dreißigtausend Pf und Sterling jährliches Einkommen, die er nicht zu genießen weiß.« »Mein Lord ist ein Original, welches eine Beschreibung verdiente ... Es ist der außerordentlichste Engländer, den ich unter so vielen bisher kennen lernen ... Er glaubte, er habe zu viel Verstand, und Gott könnte einen Drittel in Stärke verwandeln ... Es ist einer von den bestialischen,

20. [Werke (Eiselein) I, 439; vgl. Briefe II, 297, 307.]

21. Ähnlich Voltaire: »C'est un eflet admirable des progres de l'esprit humain, qu' aujourd'hui il nous vienne d'Ecosse des regles de goüt dans tous les arts, depuis le poeme epique jusqu'au jardinage. L'esprit humain s'etend tous les jours, et nous ne devons pas desesperer de recevoir bientot des poetiques et des rhetoriques des iles Orcades.« Home hatte Racine und den Garten von Versailles kritisiert.

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unglücklichen Engländern, die alles in der Welt müde sind. Die Villa Borghese sahen wir in einer halben Viertelstunde, nichts als die Peters- kirche und der vatikanische Apoll hat ihm gefallen.« (Sharp, der zwei Jahre später kam, erklärte den sterbenden Fechter für die ergreifendste von allen Statuen und Malereien Roms.) »Aus diesem Grunde geht er nach Konstantinopel zu Lande, wo er einige Jahre, warum weiß er selbst nicht, bleiben will.« Am 29. Januar 1763 heißt es dann: »Meinen Lord habe ich nach vierzehn Tagen sitzen lassen, weil er mir unerträg- lich wurde.« Dieser Narr in Folio hatte sich, wie Lamberg erzählt, vorgenommen, beständig zu reisen, weil er nicht wissen wollte, wo er begraben werden würde. Sechs Jahre später tauchte er in Wien auf mit einem Harem von acht Frauen, in dem zwei Neger (corregidores) die Polizei machten. Mit Hilfe seines Arztes stellte er Experimente darin an, indem er die fetten mit sauren Speisen, die mageren mit Milch und Fleischbrühe fütterte. Als ihn der Polizeichef ersuchte, an- zugeben, welche von den acht Signoras seine Frau sei, erklärte er, »er sei Engländer, und wo man ihn über seine Ehe zur Rechenschaft ziehe, pflege er, wenn er sich nicht boxen könne, sofort abzureisen.«

Von ähnlichem Schlage war der Herzog von Roxburgh, nur war er blöde wie ein junges Mädchen. Am 5. März 1763 berichtet Winckel- mann den Aufschub der neapelschen Reise: »Ich wurde von drei eng- lischen Herren, dem Duke of Gordon, dem Lord Hope und dem Chevalier Steaphenson ersucht, jeden insbesondere in Rom zu führen, welches ich teils meines Nutzens wegen, teils weil es der Befehl S. Eminenz war, nicht ausschlagen konnte.« . . . »Der Herzog von York, welcher auf zwölf Tage hier war, ist das größte fürstliche Vieh, welches ich kenne, und macht seinem Stande und seiner Nation keine Ehre« (an Berendis, 15. Mai 1764).

Der seltsamste und extravaganteste selbst unter den Engländern war nach dem Urteile der Zeitgenossen der Ritter Charles Wortley Montagu (geb. 171 3), Sohn der bekannten Lady. Er erschien im Som- mer 1762 in Rom auf seiner Durchreise nach dem Orient. »Er ist«, schreibt Winckelmann am 18. Juni 1762, »ein großer Gelehrter in Mathematik, Physik und sonderlich in morgenländischen Spradien, und gedenkt astronomische, physikalisdie, botanische, gelehrte etc. Entdeckungen zu machen. Es ist derselbe in der Jugend mit seinem

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Vater, welcher Botschafter an der Pforte war, lange (17 16—17 19) ^^ Konstantinopel gewesen, und der erste Europäer (wie er sagt), an welchem die Einpfropfung der Blattern versucht worden . . . Voltaire

redet von ihm in den Lettres sur les Anglois, sur l'inoculation etc

Er reist mit einer Dame, die seine Verwandte sein soll. Nichts hat mich mehr an ihm befremdet als die Fertigkeit, mit weldier er deutsch spricht. Er hat in Leipzig studiert. Vielleicht kommt mir der Wurm, mit ihm nach Ägypten zu gehen.« Die Reise nach Griechenland und Asien war »beinahe beschlossen«. Er lernt mit ihm Arabisch und ist nahe daran, sich den Bart stehen zu lassen und einen Turban auf- zusetzen; denn Montagu wollte nach Ägypten und durch Arabien gehen und trat bereits in Rom im Bart auf. Er gedachte, sich sonder- lich am Roten Meere ein ganzes Jahr aufzuhalten; die ganze Reise aber war auf zehn Jahre zugeschnitten.

»Montagu«, sagt Bianconi, »hatte mit keinem Menschen Ähnlich- keit in der Bizarrerie seiner Ideen und Gewohnheiten, und eigentlich wollte er auch sich selbst nicht ähnlich sein, so besorgt war er, für einen Menschen wie andere gehalten zu werden. Mit den seltensten Gaben verband er die lächerlichsten Vorstellungen; mit dem logischsten Kopf vertrug sich absolute Inkonsequenz, neben den umfassendsten Kenntnissen und überraschender Gelehrsamkeit zeigte er sich in tau- send Fällen unbekannt mit den gemeinsten gesellschaftlichen Bräuchen und dem gewöhnlichen Lauf der Dinge. Zuweilen machte er halt in seinen Ungereimtheiten; des Glanzes seiner Geburt sich erinnernd, nahm er einen Ton von Würde an, der wirklich imponierte; aber gar bald machte ihm der Respekt seiner Untergebenen und die Freund- schaft von seinesgleichen Langeweile, dann trieb es ihn herabzusteigen und vermischt mit dem untersten Pöbel zu leben.«

Schon in den Knabenjahren meldete sich dieser Drang, in die nie- deren Klassen einzutauchen; über eine gewisse Zeit war es ihm nicht möglich, in seiner sozialen Sphäre auszuhalten. Er entfloh der West- minsterschule und gab eine Gastrolle als Straßenkehrer) unge; dann als Fischerknabe; dann lief er einem Schiffskapitän, einem Quäker zu, mit dem er nach Oporto fuhr, desertierte aber und lebte einige Jahre als Maultiertreiberjunge in Portugal, bis ihn ein Zufall entdeckte. Die Familie, auf sein unruhiges Wesen eingehend, sandte ihn auf Reisen,

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nach Westindien. Zugleich aber meldete sidi ein unbegrenzter "Wis- senstrieb, und überall mit glänzendem Erfolg, besonders in alten Sprachen. Bei seiner Rückkehr nach England schien er so vernünftig geworden, daß man ihn ins Parlament wählte, und hier soll er gezeigt haben, daß auch ein Geschäftsmann, Patriot und Redner in ihm steckte. Man stellte ihm eine große Zukunft in Aussicht, sprach von einer glänzenden Partie, als die Kunde erscholl, er habe eine Wäscherin ge- heiratet, von der er, als sie ihn zu langweilen anfing, nicht anders los- kommen konnte, als indem er sich von Haus und Vaterland für immer verbannte. Der Vater (gest. 1761) enterbte ihn zugunsten seiner Schwe- ster, der Lady Bute, er erhielt jedoch tausend Pfund Jahresgehalt und nach dem Tode der Mutter zweitausend.

Es gibt keine Rolle auf der Lebensbühne, die er nicht probiert hätte. Auf dem Kontinent versuchte er den Herrendienst, in Feld und Kabinett, unter den Herzögen von Cumberland und Braunschweig; dann ruhte er sich aus in den dornigsten Studien. »In Deutschland«, schrieb er Lami, »habe ich meine Lehrjahre in der Kavallerie durch- gemacht; in der Schweiz und in Holland das Feld bestellt. Idi schämte mich nicht, Postillon und Fuhrmann zu werden; ich versuchte in Paris das lächerliche Metier des petitmaitre, ich wandelte zu Rom in Bäff- chen und verkündigte zu Hamburg Gottes Wort in der großen Hals- krause. So habe ich nach und nach alle Rollen versucht, die Fielding in seinem Julian gezeichnet. Mein Los war das einer Guinee, bald zwischen den Fingern einer Königin, bald im Sack eines schmierigen Hebräers^^.«

Als sich infolge von Warburtons, des bekannten Apologeten, Be- rufung auf die sinaitischen Inschriften eine Kontroverse entspann, beschloß Montagu, an Ort und Stelle, durch Kopie und Erklärung der Inschriften diese Angelegenheit zum Abschluß zu bringen. Auf der Hinreise war es, wo Winckelmann ihn, und zwar sehr genau kennen- lernte. Er schrieb ihm auch, zuerst von Aleppo, und Winckelmann meinte später (i. Juli 1767) irrtümlich, diese Briefe würden in Paris gedruckt. Zwei Jahre währte die Reise von Alexandrien über Kairo nach dem Sinai; in Palästina hat er Ausgrabungen veranlaßt und der Gesellschaft der Altertümer Münzen geschickt. Aber die Inschriften

22. [Florenz, Biblioteca Riccardiana.j

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schienen ihm nicht zu entziffern, oder doch die Mühe der Entzifferung nicht zu verlohnen.

Dagegen war es ihm beschieden, in anderer Weise die Welt von sich reden zu machen. Montagu pflegte sich, seinem Bedürfnis steten Wechsels entsprechend, überall wo er weilte, mit einer Tochter des Landes zu verheiraten; so hatte er eine Spanierin, zwei Griechinnen besessen. Er war ein Mustergatte, aber nur bis zum Tage der Abreise, dann ließ er sie ohne Zeremonien sitzen. Wie einst Heinrich VIIL, nur daß Montagu nicht so gewissenhaft war, die früheren Frauen köpfen zu lassen. In Alexandrien im Hause des dänischen Konsuls machte er bald die Entdeckung, daß in dessen schöner Gemahlin die ihm für diese Reise bestimmte Frau gefunden sei. »Er schickte jenen nach Holland, oder besser zu reden, er vermochte ihn dahin zu gehen, unter dem Vorwand, des Montagu Sachen dort in Ordnung zu brin- gen, in Summa, unter einem erdichteten Vorwand. Einige Monate nach dessen Abreise zeigt Montagu einen Brief vor mit der Nachricht von des Konsuls Absterben, heiratet dessen Frau in der dort üblichen Form und führt sie auf seinen Reisen durch Syrien mit sich. Jetzt hat der dänische President zu Konstantinopel Nachricht erhalten, daß der Konsul frisch und gesund zu Texel in Holland sei; und Montagu wird auch in türkischen Ländern nicht sicher sein« (19. Dezember 1764). Es hieß, er sei gespießt worden wegen seiner schändlichen Tat.

Er erschien jedoch im Herbst 1765 wohl und gesund in Pisa. »Er ist zu Jerusalem über dem heiligen Grabe katholisch geworden und hat hier, wo nichts seltener als Geld ist, vom Papst eine Pension von tausend Scudi monatlidi verlangt, worüber man billig lachen müssen« (15. August 1766).

Aber es zog ihn mächtig nach dem Osten zurüde. Sdion hatte er manche morgenländische Sitten angenommen und einen arabischen Begleiter mitgebracht. Im Frühjahr 1768 reiste er durch Mazedonien nach Konstantinopel, erhielt eine Audienz beim Sultan und kam nach Jahren als orthodoxer Muselmann nach Venedig zurüde. Hier lebte er in tiefer Eingezogenheit, in gewissenhafter Nachahmung türkischer Sitten und Beobachtung moslemischer Bräuche, bis auf die kalten Waschungen vor Sonnenaufgang und die Gebete nach Osten. Hamil- ton und Moore gelang es, in seine Klause vorzudringen; er empfing

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sie oben an der Treppe und führte sie durch mehrere auf venezianische Weise möbHerte Zimmer zu einem inneren Gemach in ganz anderem Stil. Hier gab es keine Stühle, die Gäste nahmen auf einem Divan Platz. Er selbst ließ sich mit gekreuzten Beinen auf einem Kissen am Boden nieder. Ein junger Neger saß ihm zur Seite, ein würdiger Greis mit langem Bart reichte den Kaffee. Dann wurden aromatische Harze in einem Silberpfännchen verbrannt, er sog den Duft mit Wollust ein und rieb ihn mit der Hand in seinen Bart. In seinen Reden und Ma- nieren fand Moore eine Mischung französischer Lebhaftigkeit und türkischer Gravität, er sprach seltsam fesselnd. Vom türkischen Wesen war er ganz eingenommen, er pries die Redlichkeit, Gastfreundschaft, Edelmut und Glück der Moslems und vor allem die vernünftige Stel- lung der Weiber in der Gesellschaft. Montagu starb zu Padua, wo er im Kloster der Augustinereremiten begraben liegt, am 30. April 1776.

Franzosen

Unter den Nationen, die in Rom ihre Kolonie unterhielten und all- jährlich ihre Pilger schickten, betrachtete Winckelmann die Franzosen anfangs mit wenig Wohlgefallen. Dies rührte nodi aus Kursachsen her. Er bediente sich der damaligen Hofsprache mit wenig Sicherheit und sah sich vielfach zurückgesetzt gegen windige Glücksritter. Er ge- denkt mit Bitterkeit der »deutschen Prinzen, denen übel wird, wenn sie nur deutsch reden hören«, der deutschen Höfe, »wo ein franzö- sischer Harlekin mehr als ein wahrer Deutscher gilt«. Reisende, ohne- hin mit Vorurteil betrachtet, erscheinen beim besten Willen selten zu ihrem Vorteil, besonders wenn sie glauben, ihre Überlegenheit nie genug bemerklich machen zu können, statt sich Mühe zu geben, fremde Zustände verstehen zu lernen. Goldoni war erstaunt, in Paris keine von den lächerlichen Figuren wiederzufinden, die ihm aus Italien im Gedächtnis waren. Der Franzose erschien in Rom in ungünstigerem Licht als in den deutschen Residenzen, wo er eine Zeitlang, wie er sich schmeichelte, als zivilisiertes Element auftrat. Dem Italiener miß- fiel das gallische Flackerfeuer, das selbstgefällige Gebaren, dreist bei Frauen, arrogant bei Männern, die Gewohnheit, überall die Herren

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ZU spielen, das Wort zu führen, alles an Paris zu messen. Lalande hatte aus einer viermonatigen italienischen Reise acht Bände gemacht, worin er Künste, Politik, Sitten, Verwaltung, Geographie und Natur- geschichte ergründete: il n'y a qu'un Fran^ais ä qui Dieu puisse accor- der de ces faveurs-lä. Gleichwohl war die französische Bildung in Ausbreitung begriffen. Das epochemachende Werk Beccarias (1765) war das erste in ganz französischem Stil geschriebene italienisdie Buch, wie es schon längst englische Mustersdiriftsteller gab, die französisch mit englischen Vokabeln schrieben.

Die französische Akademie, fast ein Jahrhundert alt (seit 1666), hatte im Palast Moncini ihren Sitz. Die Eleven wohnten im Zwischen- geschoß, der Direktor Charles Natoire aus Nismes im zweiten Stock, der erste war für die Feste und Zeremonien des Gesandten bestimmt. Die Malerei wurde gelehrt nach de Piles und Felibien. Die ehrgeizigen jungen Männer, erzählt der Maler Füßli, die wußten, daß diese Regeln zu Hause allein zu Erfolg führten, nahmen sie unbesehen an, so ver- schieden ihre persönlichen Neigungen sein mochten; daher jene Gleich- förmigkeit, die der Mittelmäßigkeit so nahe steht. Nach einer ent- zückten Schau der Wunder Roms machten sie alle denselben Kursus durch: sechs Monate Vatikan, gleich geteilt zwischen Michelangelos Fierte und der korrekten Grazie Raffaels, sechs Monate zwischen den akademischen Tugenden Annibale Carraccis und der Reinheit der Antike, für deren Studium eine Gipssammlung da war.

Im August 1756 setzte sich die Akademie kein Ruhmesdenkmal in der Nationalkirche San Luigi de' Francesi, deren Inneres vor kurzem durch Anton Derizet mit prächtiger Marmorbekleidung erneuert wor- den war. Das Deckenbild, die Apotheose des hl. Ludwig, war nach Natoires Karton von dem römischen Freskomaler Antonio Bicchierari ausgeführt worden. Über dieses Bild war nur eine Stimme. Die schlechte Zeichnung, erklärte Mengs, übersteige alle Begriffe, Propor- tionen seien nicht vorhanden, ebensowenig Perspektive, die Farbe hart und fleckig, die Gewandung ohne Bestimmtheit und Durcharbeitung. Der Heilige stehe in voller Rüstung vor dem Heiland! Endlich schnitt eine Linie von Figuren die Komposition quer entzwei. Der unterste römische Maler, sagte man, von denen, welche mitzählen, hätte es besser gemacht.

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Mit diesem Armutszeugnis verglich man nun die Ansprüche, als deren Organ kürzlich der Marquis d'Argens aufgetreten war. In seinen Reflexions critiques sur les differentes ecoles de peinture war zum ersten Male der Primat angefochten worden, den die Italiener bisher für unantastbar gehalten hatten. Aber da man mit so vielen prejuges aufräumte, sollte man nicht auch die italienischen Maler einmal um ihre Legitimation fragen? D'Argens' flüssige Feder gab sich gern dazu her, den Pariser Malern diese Höflichkeit zu erweisen; er brauchte weiter keine Studien als de Piles und d'Argensvilles Abrege zu durch- blättern. Es werde dem Teufel leichter, meinte er, Gott und seine Heiligen zu preisen, als einem Italiener, einen Franzosen zu loben, und doch hätten sie heutzutage kaum einen Maler und Bildhauer selbst vom Range der Mittelmäßigkeit. Er vergleicht nun die Franzosen mit den großen Italienern, in achtzehn Parallelen, in denen immer der Franzose gewinnt. Raffael und Lesueur, Tizian und Blanchard, Cor- reggio und Mignard, Rubens und Lemoine, Rembrandt und de Troye pere. Le Bruns Zeichenmanier sei so groß und korrekt wie die Michel- angelos, aber weniger übertrieben, gleichmäßiger und graziöser.

Dies Gewäsch regte doch die Italiener auf, weil es aus Paris kam, und die Akademie von San Luca wollte etwas geschrieben haben, fand aber niemanden als den alten Ridolfino Venuti (1755). Die einzig richtige Antwort wäre gewesen, die Verglichenen nebeneinander zu hängen; wovor, wie Venuti bemerkte, selbst die Generalpächter in Paris und der stolze Duc de Tallard sich hüteten. Wie könne man so unwissend sein, achtzehn Maler, die alle ein und dieselbe französische Manier haben, mit Meistern so ganz verschiedener Art wie jene Italiener zu vergleichen! Wenn die Franzosen sich auf ihr Kolorit beriefen, so, erklärte Venuti, ohne Zeichnung, Disposition und Zauber des Accordo sei das Kolorit wie das prachtvolle Sattelzeug auf dem Rücken eines Esels. »Des Abbe Venuti Widerlegung (risposta) des d'Argens«, schreibt Winckelmann an Hagedorn am 3. April 1756, »ist ein elender Wisch; hier in Rom aber wird viel daraus gemacht. So groß ist hier die Unwissenheit.«

Nun aber erschienen im Palast Moncini nicht bloß die preisgekrön- ten Eleven, sondern alle Landstreicher und Ausgewiesenen suchten hier Obdach.

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Der Italiener liebt im innersten Herzen überhaupt keine Fremden, auch nicht die lateinischer Rasse, er würde nicht bedauern, wenn die Alpen seine chinesische Mauer würden. Ein Echo der Unterhaltungen in Pagliarinis Buchladen darf man wohl in manchen Auslassungen W^nckelmanns erkennen. »Einer gewissen Nation ist Rom gar un- erträglich. Ein Franzose ist unverbesserlich: das Altertum und er widerspredien einander . . . Ihre Akademie ist eine Gesellschaft von Narren, und ein junger Römer machte ein Wappen für dieselbe, näm- lich zwei Esel, welche sich kratzen, weil den Eseln alles gefällt . . . Alle Franzosen sind hier lächerlich, als eine elende Nation, und ich kann mich rühmen (1757), daß ich mit keiner von der verachtungswürdig- sten Art zweifüßiger Creaturen eine Gemeinschaft habe . . . Die Nation ist gar nicht gemacht, etwas Ernsthaftes zu treiben . . . Ein Franzose, so wie die Nation jetzt ist, ist ungeschickt ein großer Künstler, ein gründlicher Gelehrter zu werden: ja kein Franzose kann eine andere Sprache, ohne Lachen zu erwecken, reden lernen . . . Ihre nervi optici, mit den Gehörnerven, müssen eine zähere Bekleidung, als wir, haben . . . Sie verstehen nur die Kindereien von Höflichkeiten, nicht aber das Wesentliche, welches der Italiener besser weiß. Keiner kann ein ehr- licher Mann sein . . . Unter allen Dingen, für die ich Gott preise, ist auch dieses, daß ich ein Deutscher und kein Franzose bin.^3«

Nachdem er in der Abhandlung von der Grazie Bernini abgetan, fährt er fort: »Von Rom kannst du, mein Leser, sicher auf andere Länder schließen . . . Ein gepriesener Puget, Girardon, und wie die Meister in ong heißen, sind nicht besser. Was der beste Zeichner in Frankreich kann (Bouchardon), zeigt eine Minerva in einem Kupfer- leisten zu Anfang der geschnittenen Steine von Mariette.^'^« Nachdem er die schmachtende Venus des Pigalle in Potsdam verhöhnt hat, fragt er: Sollte man glauben, daß ein solcher Mann in Rom einige Jahre unterhalten wurde, das Altertum nachzuahmen?

Auch einen seit kurzem bekannten und beliebten Kunstschriftsteller hatte Winckelmann gelegentlich moderner Mißverständnisse der An- tike als Prügelknaben herausgegriffen, Watelet, einen »Scribenten, welcher gebunden und ungebunden über die Malerei singt und spricht«;

23. [I, 235, 237, 267, 450. II, 188.]

24. [Werke (Eiselein) I, 225.]

FRANZOSEN 59

was er schwerlich getan haben würde, wenn er diesen Mann persön- lich gekannt hätte.

Claude-Henri de Watelet (1718— 1786) war der Sohn eines General- pächters, den er mit zweiundzwanzig Jahren beerbte. Der junge Mann verwandte nun sein Vermögen zur Ausführung eines Planes, der ihm vor drei Jahren in der Ewigen Stadt aufgegangen war, dem er fünfzig Jahre treu blieb und »ein genußreich reines Leben verdankte« (une vie voluptueusement innocent). Betrachten, Studium, Genießen der Kunstwerke, Förderung junger Talente, das war das Geschäft seines Lebens. Er lernte zeichnen, ätzen, bossieren, meißeln, weil ohne Praxis auch der unterrichtetste Liebhaber kaum soviel wisse, als ein mittelmäßiger Künstler. Er erwarb sich einen allseitigen Geschmack, er liebte alle Künste, er zog Schriftsteller und Künstler an sich heran, er war selbst beides, nicht mit dem glänzenden Erfolge, der den Neid herausfordert, sondern mit jenem Halbtalent, das Nachsicht heischt, ohne Aufsehen und Stürme Achtung erwirbt, und auch ohne Ruhm die Muße einer bescheidenen Häuslichkeit, eines Freundeskreises auf- heitert. £tre cheri, sagte er, vaut mieux qu'etre vante. Dieser Kreis sammelte sich in dem reizenden englischen Garten von Moulin Joli am Seineufer, den eine befreundete Dame nach seinem Plane er war Verfasser eines Versuches über Gärten angelegt hatte.

Das Lehrgedicht L'art de peindre sollte zugleich den Kenner und Künstler, den Denker und Dichter zeigen. Lange hielt er es in der Mappe zurück, las es in Privatkreisen, in der Malerakademie vor, ehe er es in einer prächtigen Quartausgabe (1760) und dann in einer nied- lichen veröffentlichte. Was er lehrte, war zwar weder neu gedacht, noch hinreißend gesagt; es war einer der letzten mattesten Nachklänge einer ausgelebten Kunstweisheit »erloschene Farben und ausgedro- schene Garben« aber er meinte es mit der Kunst so gut, die Verse gingen glatt ein in Pariser Ohren, und es ist so bequem. Bekanntes noch einmal in neuen Reimen zu hören. Paciaudi fand Rom seines Lobes voll; der Genuese Lomellin machte eine Übersetzung in italie- nischen Versen, die nach dem Gehör der Florentiner noch besser waren als die französischen. Watelet schrieb auch Artikel für die Encyklo- pädie; er erhielt zum Lohne Mirabeaus Sessel.

In diesem Buche hatte Winckelmann freilich unverdauliche Sachen

6o RÖMISCHE ZEIT

gefunden. Watelet hatte z. B. den Faunen eine schwere und unbehende Proportion, große Köpfe, kurze Hälse, hohe Schultern, kleine und enge Brust, dicke Schenkel und Knie und ungestalte Füße zugeschrie- ben; am Mars sollte das geringste Fäserchen die Stärke, die Kühnheit und das Feuer, das ihn erregt, ausdrücken; und die Helden sollten hervorstechen durch vom Fleisch abgefallene Glieder, dürre Beine, einen kleinen Kopf, kleine Hüften, einen kleinen Bauch, kleinliche Füße und eine hohe Fußsohle. »Woher in der Welt«, ruft W^nckel- mann, »sind ihm diese Erscheinungen kommen! Hätte er doch schrei- ben mögen, was er besser verstanden!« »Ist es möglich, sich so nied- rige und falsche Begriffe von Künstlern des Altertums zu machen! Dieses ist eine Ketzerei in der Kunst, die sich zuerst in dem Gehirn des Verfassers erzeuget hat^^«

Der alles dies verbrochen, erschien zu Neujahr 1764 plötzlich in eigener Person an der Spitze einer Pariser Reisegesellschaft in Rom. Er brachte Briefe mit von Barthelemy und Caylus in Paris, Paciaudi in Parma. Der einzige Franzose stand vor ihm (wie er selbst gestand), qui personellement ait Heu de se plaindre de moi. Er wußte damals noch nichts von seiner Abkanzlung in dem soeben erschienenen deut- schen Budie. Ihn begleitete seine Freundin und Schülerin Marguerite le Comte, die Frau eines Gerichtsprokurators, die Winckelmann »als eine große Kennerin gerühmt worden«, und die ein Porträt des Kar- dinals Albani radierte und der Abbe Copette, Doktor der Sor- bonne und Großvikar, Watelets früherer Lehrer. »Morgen«, schreibt er (4. Januar 1764), »werde ich anfangen, denselben an einige Orte hinzuführen. Es ist ein Mann nahe an fünfzig Jahren, reich und liebenswürdig.«

Zu diesen Franzosen gesellte sich alsbald ein deutscher Verehrer AUemands grands admirateurs in dem Innsbrucker Landschafter Franz Edmund Weirotter (1730— 177 1), später Professor in Wien, da- mals (nach Füßli), »ein kleines, artiges, ä la frangaise aufgestutztes Männchen, das nicht eigentlich wußte, ob er Johann Winckelmann oder V/atelet und besonders Madame Comte mehr vergöttern sollte«. Dieser flotte Tiroler war vor vier Jahren mit leerem Beutel und Kopf und ohne Französisch nach Paris gekommen; jetzt hatte er schon ein

25. [Werke (Eiselein) IV, 92.]

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hübsches Oeuvre von hundert Kupfern aufzuweisen. Dies alles ver- dankte er Wille, der sein Talent erkannte und ihn zum Landschafts- zeichnen anleitete. Wille rühmt selbst seine geistreiche Manier; er kaufte ihm Zeichnungen und sechs Platten ab, die er herausgab unter dem Titel Vues de la Seine und Boucher widmete. Beim Abschied hatte Weirotter ihm unter strömenden Tränen gedankt, vier Jahre sei er ihm ein Vater gewesen ^^. Besseren Empfang konnte man bei Winckel- mann nicht finden, als wenn man mit Grüßen und Kupferstichen von Wille kam. »Ihre drei bewundernswerten Blätter (im Salon 1763 hatte Wille die Liseuse nach Terborch und den Joueur d'instruments aus- gestellt, das dritte war vielleicht die Devideuse) erregten natürlich den Wunsch in mir, alle Ihre Werke zu besitzen. Ich werde sie über mei- nem Schreibtisch aufhängen, um sie als Schöpfungen meines Freundes immer vor Augen zu haben« (28. Januar 1764). Bisher kannte er nur Porträts von Wille; über das des Prinzen von Wales hatte er geäußert: »Ich bin erstaunt, daß menschliche Kunst so weit geht« (i. Dezember 1758). Er hatte sich lange nach ein paar Kupfern von ihm gesehnt. Als Dank sendet er Wille die Kunstgeschichte, »Erz für Gold«. Wille ist »ein Mann, weldier der Kunst und dem deutschen Namen Ehre macht«. Wille und Mengs seien den Deutsdien das, was Leibniz war. Er beklagt sich aber gegenüber Wille am 28. Januar 1764, daß der Überbringer Weirotter »im ersten Monat keinen großen Wert auf seine Freundschaft zu legen geschienen, vielleicht nach dem Beispiel der jungen Franzosen, obwohl er ihm bei verschiedenen Gelegen- heiten seinen guten Willen und seine Achtung bewiesen, ihm auch nützlich gewesen sei«. Er machte Winckelmann ein Geschenk eigener Arbeit, radierte Landschaften, die dieser »zu den besten dieser Art« rechnete: »der junge Künstler werde seinem Vaterlande Ehre madien«. Weirotter hat indes nur Zeichnungen und über zweihundert Radie- rungen hinterlassen.

Winckelmann mußte sidi noch sehr gut erinnern, in welchen Aus- drücken er Watelet über Helden und Faunen belehrt hatte. Sein erster Gedanke beim Erscheinen des reichen, feinen Monsü war nun, ihn

26. II est poli, bemerkt Wille, vif, souple en toute occasion, mais on l'accuse de n'etre pas en toute occasion des plus sinceres.

02 RÖMISCHE ZEIT

in höflicher Weise zu überzeugen, »wo er sich in seinem beliebten Buche vergangen« (4. Januar 1764). Watelet war ein sanfter, gütiger, redlicher Mann; angeborene Kränklichkeit erleichterte ihm die Tugen- den der Friedfertigkeit und Bescheidenheit. Er übte jene Höflichkeit, »welche fremde Selbstliebe mit der eigenen stets auf dem Friedensfuß zu erhalten weiß«; man lobte ihn, daß er nicht nur zu reden, sondern auch anzuhören verstehe. Winckelmann selbst fand nichts an ihm von der Rechthaberei der akademischen Gelbschnäbel, die stets über alles mögliche eine fertige Meinung haben, aber ohne sich zu Gründen her- abzulassen; er scheine von jenem bollore durdi die Jahre geheilt.

Er führte die kleine gewählte Gesellschaft seit dem 5. Januar 1764 an einigen Orten, auch in der Villa, wo dann Füßli sich anschloß. »Ich brachte ihn in tiefes Nadidenken (er sagt auch: m'avvidi della con- fusione), da ich ihm die Eigenschaften der Faune in der Villa Albani zeigte« (11. Januar 1764). Es seien idealisch schöne Hirtennaturen, die sich nicht durch ihre Häßlichkeit, sondern durch ihre ungekün- stelte Einfalt unterscheiden. Ihm über den Wert seines Poems die Augen zu öffnen, schien ihm nicht unmöglich, aber schwer, considerato active et passive. Allerdings sei er nicht bloß ein Liebhaber, sondern ein Kenner; er nennt das matte Gedicht sogar schön, wenn audi etwas zu allgemein gehalten, natürlich abgesehen von den antiqua- rischen Schnitzern (qualche errore un poco massiccio). Er bereute, daß er gerade diesen »liebenswürdigen Mann« es entgelten lassen, wenn ihn die Tollheit der Deutschen, alles französische Gemengsei brühwarm, wie es zu ihnen kommt, zu übersetzen, aufgebracht habe, sich in etwas harten Ausdrücken zu fassen, indes vertrage sich ja mit dem Tadel des Werkes das Lob der Person. »Ich habe es suchen gut zu machen durch unendhche Höflichkeiten, welche ihm durch mich von meinem Herrn erwiesen sind« (an Berendis, 15. Mai 1764). Wie zeit- gemäß diese Härte war, bewies das Erscheinen einer deutschen Über- setzung Watelets in demselben Jahre, von Lehninger, dem Verfasser des unter dem Titel Abrege bekannten Katalogs der Dresdner Galerie. Ein Brief von Mengs beruhigte ihn, er ist ihm »ein Evangelium, eine Sprache des delphischen Dreifußes, ein Schild in seiner gerechten Kri- tik« (15. Februar 1764). Noch ganz anders verfuhr Diderot mit seinem Landsmanne; frostig, kraftlos, farblos, ungeschickt nennt er das Ge-

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dicht; »man lernt nichts, behält nichts, kann nichts zitieren; kein Ge- danke, keine praktische Vorschrift, keine Beispiele, nichts, gar nichts. Wenn dies Poem mein wäre, ich würde alle Vignetten herausschneiden, hinter Glas machen und das übrige ins Feuer werfen«. In diesem Kreise urteilte man herbe über die französische Malerei der Gegen- wart. Ils n'ont ni esprit, ni elevation, ni chaleur, ni Imagination (1759), im Kolorit sei die französische Schule stets schwach und falsch ge- wesen.

Schon früher war Winckelmann gewahr geworden, daß es noch Franzosen anderen Schlages gebe als die römischen. Fast wider seinen Willen machte er eine Reihe von Bekanntschaften, die wie ausgewählt schienen, sein Vorurteil zu entkräften. In Barthelemy, Caylus, Mariette lernte er gleichstrebende Freunde von Kunst und Altertum kennen, wohlwollende gelehrige Leser und Beurteiler, ja Übersetzer seiner Schriften. Es entstand ein Briefwechsel, »welcher mir lieb ist, un- geachtet ich die Nation nicht liebe« (27. März 1761). Seit dieser Zeit verstummen die Ausbrüche der Franzosenfresserei. Bald zählte er Franzosen zu seinen Freunden Clerisseau, Desmarest. Paris tritt nun in eine ganz andere Beleuchtung. Nun ist es ihm nicht mehr gleichgültig, als er vom Haß der dortigen Artisten gegen ihn hört, weil er Pigalle und Adam (den Hersteller der Familie des Lykomedes) hart angegriffen habe. Er muß zugeben, daß er mit die dankbarsten, empfänglichsten Leser in Frankreich finde. Schon damals hatten ja die Franzosen an- gefangen, ä la grecque zu künsteln. Wie bald hatte sich die Physio- gnomie der Malerei verwandelt! An die Stelle des sybari tischen Olymps Ludwigs XV. sollte eine gallo-römische Welt treten, wo nicht nur die rosigen Amoretten und üppigen Nymphen Boudiers und Lancrets, sondern auch die in den reineren Luftschichten wohnenden Grazien der Malerei gründlich ausgeräuchert waren. Zu der Zeit, als der Her- zog von La Rochefoucauld von einer Expedition nach Griedienland auf Kosten des französischen Hofes sprach, die Winckelmann leiten sollte, war es schon so weit gekommen, daß er sich entschloß, die neue Ausgabe der Kunstgeschichte in französischer Sprache erscheinen zu lassen.

Die Schweizer

Durch die zehn letzten römischen Jahre zieht sich ohne Unter- brediung der Verkehr mit denZürchern, zuletzt waren es deren fünf e, brieflich und persönlich. Sonderbar, aus weiter Ferne knüpfen sich die innigsten Beziehungen zu einem Kreise, der ihm jenseits der Alpen ganz fremd geblieben war, und dieser Kreis ist bestimmt, ihm nun, im welschen Lande, die Verbindung mit dem Vaterlande fast allein zu ersetzen. Der briefliche Verkehr mit den ihm sonst viel näherliegenden sächsischen und preußischen Kreisen ging wenig über ein gelegent- liches Auffrischen alter Erinnerungen hinaus; hier haben wir Affek- tionsverhältnisse jener Art, aus denen man periodisch seine geistige Nahrung zieht. Dieser Verkehr von Winckelmanns Seite könnte ein Geben ohne Gegenleistung des Empfangens scheinen; aber sein Ge- müt bedurfte der Erregung durch solche Beziehungen, und dann war die Persönlichkeit dieser Männer gewöhnlich bedeutender als ihre schriftstellerischen Erzeugnisse.

Auch in der Schv/eiz, wenigstens in der protestantischen, wo bisher nur französische Sprache und Bildung geherrscht, hatte sich seit dem Anfang des Jahrhunderts, in Auflehnung gegen französische An- maßungen und Religionsverfolgungen, ein freier, patriotischer Geist zu regen begonnen. In literarischen Vereinen, deutschen Gesellschaften fand er ein Organ, und im Lesen der Engländer und der Alten such- ten die kümmerlich beginnenden belletristischen Bestrebungen eine Stütze. In Zürcher Kreisen verehrte man Klopstock, Rousseau Gene- vois und Winckelmann als Dreigestirn. Der freimütige, antifranzö- sische, mit Anspielungen auf Antikes gefärbte Ton in den Briefen dieser Schweizer berührte Winckelmann sympathisch.

Der Anfang war von den Schweizern ausgegangen und in einer Weise, die Winckelmanns Herz an der schwächsten Stelle im Sturm nahm. Ein Gesdienk, geheimnisvoll, überraschend, schmeichelhaft, weckte Empfindungen der Dankbarkeit, der Verehrung. Es kam aus der Schweiz, dies regte die alten, teuren Schulideen von freien Repu- blikanern und deren Tugenden auf.

Die Schweiz ist das Land, »wo die Freiheit auf stolzem Thron sitzt, das Vaterland der Tugend, der Freundschaft und der Vernunft «(25. April

DIE SCHWEIZER 6$

1761). Nach Zürich gedenkt er sich beim Tode seines Herrn zu wen- den, um sich selbst allein zu genießen und sein Leben (in Zwingiis Stadt!) in einem katholischen Kloster vor der Stadt zu beschließen. »Die ganze Stadt ist erbötig, an meine Aufnahme zu gedenken und mich persönlich einzuholen« (12. August 1764).

Johann Georg Wille (17 15— 1808) war im Juli 1736 mit Georg Friedrich Schmidt nach Paris gekommen und nach und nach zu einer sehr angesehenen Stellung gelangt. Seit 1758 war er als Franzose natu- ralisiert. Alle Künstler, die durch Paris kamen, alle vornehmen und fürstlichen Reisenden, die irgend an der bildenden Kunst ein Interesse nahmen, rechneten es sich zur Ehre, sein Haus, Quai des Augustins 35, aufzusuchen. In jener Zeit übte er die Kunst fast mehr als Lieb- haberei, denn als Erwerbsquelle; er stach Gemälde, die ihn ansprachen und seinem glänzenden Grabstichel Gelegenheit gaben, sidi zu zeigen; er widmete sie Freunden. Kein strebender Jüngling suchte vergebens seinen Rat, er teilte gern alle Vorteile seiner Kunst mit; kein bedräng- ter Maler klopfte umsonst an seine Tür. So half er wiederholt dem Dresdner Boetius und setzt ins Tagebuch die Worte: Selon mon cceur, je voudrois l'assister beaucoup, quoique je ne le connoisse pas autre- ment; mais il est artiste malheureux, cela me suffit.

Wille hatte an der Übersetzung der Schrift von der Nachahmung im Journal etranger teil und erkundigte sich in Rom nach Winckel- mann, dem er seine Hochachtung versichern ließ. Er sandte ihm auf seine Bitte jene Übersetzung sowie auch die Kritik des Weges in Marmor zu arbeiten (s. I, S. 474 ff.); Winckelmann vertraute ihm im August 1757 die handschriftliche Beschreibung des Apollo. Er hatte (Ende des Jahres 1757) unter dem Eindruck des eben ausgebrochenen Krieges und des vorausgesetzten Aufhörens der Pension Andeutungen über seine äußere Lage gemacht, über die Verhinderung seiner Reise nach Neapel. Dies war ohne Nebenabsichten geschehen; aber Wille teilte es Füßli mit, der schon manchem geholfen hatte.

Hans Caspar Füßli (1706— 1782) gehörte einer Zürcher Familie an, die seit dem Anfang des siebzehnten Jahrhunderts der Schweiz eine Reihe von Künstlernamen geschenkt hat. Er ging mit achtzehn Jahren nach Wien, wo er als beliebter Bildnismaler in die beste Gesellschaft kam, und dann auf Empfehlung Schwarzenbergs an dessen Schwieger-

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söhn, den Markgrafen, nach Rastatt. Als er mit vierzig Jahren nach Zürich zurückkam, begann er selbst, mit bescheidenen Mitteln ein Haus zu machen in der Art der Großen, unter denen zu leben er sich gewöhnt hatte. Ein reiches Kupferstichkabinett lieferte Stoff zu Ge- sprächen, Korrespondenzen wurden unterhalten mit den Ersten der damals aufgehenden Nationaldichtung (auch Kleist, Klopstock, Wie- land), junge Künstler auf alle Weise gefördert. Der Wunsch, zwei Franken, dem Schlachtenmaler Rugendas in Augsburg (auch der Tier- maler Riedinger gehörte zu dem Kreise) und Kupetzky in Nürnberg, ein Denkmal zu setzen, gab den Anstoß zu den großen biographischen Sammlungen, dem räsonierenden Kupferstedierlexikon u. a. So wurde das Haus des Stadtschreibers des Zürcher Rates eine Akademie. Seine Kinder hatten das Familientalent geerbt; Rose und Lise waren Blu- men- und Insektenmalerinnen, Hans Rudolph ging nach Österreich und führte ein bewegtes Leben, Heinrich aber trug den Malerruhm der Füßlis weit über die Grenzen der Schweiz.

Sein Haus schildert ein Zeitgenosse als Zufluchtsort der Künste, der Freiheit, der guten Gesellschaft. »Alle Tage versammelten sich bei ihm Leute von jedem Rang und Alter; in abwechselnder Gestalt ging das Gespräch vom scherzhaften Ton zum ernsthaften über, von den Gegenständen der Kunst zu politischen und moralischen Unter- suchungen, allemal mit sinnreichen Einfällen und Anekdoten belebt. In der Mittelmäßigkeit äußerer Umstände ist es Füßli gelungen, Talent und Verdienst besser als so viele Reidie und Große zu beschützen. Eine Menge armer Schüler hat er nicht nur großmütig unentgeltlich unter- wiesen, sondern auch für dieselben Reisegeld einsammeln lassen und ihnen den Weg zu vorteilhaftem Beruf erleiditert. Überhaupt machte ihn natürliche Tätigkeit sehr gefällig und dienstfertig. So sehr er sich selbst vergaß, so sorgte er für andere. Unfähig für sich selbst an der Tür zu klopfen, schämte er sich nicht, Kollekten zu sammeln, wenn er zur Unterstützung eines Unglücklichen irgend etwas beizutragen imstande war.«

Ein solches Geschenk, es waren fünfzehn Zechinen, überraschte Winckelmann, als er von Pästum nadi Neapel zurückkam. Kurz vor- her war vom Zürcher Dichterkreis die Rede gewesen. Im salernitani- sdien Meerbusen hatte der Hamburger Volkmann Stellen aus Geßners

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Idyllen (1756) hergesagt. »Herr Füßli, von welchem ich nichts wußte, hatte mir eine große Freundschaft ohne Absichten, mit dem Verlangen unbekannt zu bleiben, erwiesen. Ich bekam, da ich zu Neapel war, einen Wechselbrief zur Beförderung meiner damaligen Reise. Nach- dem habe idi erfahren, aus welchen Händen er kam« (26. September 1758). In die stürmischen Ausbrüche der Dankbarkeit mischt sich etwas Verlegenheit, denn inzwischen hatten sich seine Umstände als nicht so verzweifelt herausgestellt, wie er geschrieben.

»Freund«, ruft er Wille im April 1758 zu, »mit dem mich eine ge- heime Zuneigung unter einem entfernten Himmel verbunden: ich schrieb schon zu Anfang unserer schriftlichen Unterredung mit der Vertraulichkeit eines Freundes, und dieses war allein die Absicht, wenn ich etwas, so mir nidit mehr bekannt ist, von meinen Umständen ge- meldet habe, die keinen Purpur rührten; ich schien verlassen zu sein . . . Freund, welcher der Menschlichkeit Ehre macht und den Wert der höchsten menschlichen Tugend erhöht! Wie soll ich antworten? Wie soll ich annehmen, was Sie mir schenken? Stolz über mein Vaterland, fruchtbar an Freunden, und über den, den niemals mein Auge gesehen, gehe ich in Betrachtung Gott so ähnlicher Seelen fast bis zur Empfin- dung eigener Würdigkeit, zu welcher mich Freunde erhöhen.«

Daß die Aussicht, einen Bericht über die mit so viel Spannung erwarteten herkulanischen Entdeckungen in Verlag zu bekommen, wenigstens als Nebengedanke mitwirkte, ist wohl gewiß. Wille empfahl ihm die Orelli-Geßnersche Buchhandlung, deren Mitbesitzer Füßli war; ein Dukaten wurde für den Bogen in Aussicht gestellt.

»Sie haben«, schreibt er Füßli (April 1758), »im Verborgenen allein mit Ihrem und meinem Freunde das hohe Vergnügen genießen wollen, ein Beförderer meiner Bemühungen um die Kunst zu seyn; ein Freund seyn wollen, dergleichen kaum mehr zu denken sind, aber wie Gott nicht sichtbar zu werden. Freund! mit einer großen tugendhaften Seele begabt! Ihre Großmut schiene vielleicht bei dieser Verschwie- genheit zu gewinnen! aber die Freundschaft würde dabei verlieren. Sie müssen ein Beispiel der Tugend unter den Menschenkindern werden; und ich, Ihr Verehrer (denn näher kann ich mich zu Ihrem Ver- dienste nicht erheben) muß darauf denken . . . Die Welt wird mir ein Paradies und das Leben eine Wollust durch Kenntnis von Menschen

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ersterer Größe wie mein Füßli ist, und ich würde auch in großen Trübsalen wünschen zu leben, um solchen Freund von Angesicht zu Angesicht zu kennen. Unterdessen bilde ich mir dessen Bild und werde ein Schöpfer von seiner Gestalt nach der Idee von dem, was das schönste und würdigste in der Welt ist, um nach demselben meine Hände auszustrecken.« Das Geschenk (dessen er nicht mehr bedurfte), so meldet er Wille, »bleibt bis zur Verfügung derer, die es gegeben, bei mir. . .«; und Füßli: »ich würde den Wert einer großen Tat zu verringern scheinen, wenn ich nicht ihre völlige Absicht, Anwendung und Gebrauch in ihrer Kraft lassen wollte«.

Er wünscht die Dankbarkeit auszudrücken durch das Wertvollste, was er, wie er glaubte, zu geben hatte: die Zuschrift eines Buches; aber es ließ ihm keine Ruhe: und so beschloß er, die Zürcher mit dem Verlag der Kunstgeschichte zu beschenken. In der Vorrede dieses Wer- kes (vom Juli 1763) hat er ihrer auch gedacht, »da die Dankbarkeit an jedem Ort löblich ist und nicht oft genug wiederholt werden kann«.

Nun kann man sich vorstellen, welchen Empfang jeder, der aus dem Zürcher Kreise kam, im Palast an den vier Brunnen fand. »Für Euch Zürcher will ich Schuhe und Strümpfe durchlaufen; stutzt nur immer Eure Jugend zu, diese Reise zu tun« (an H. Füßli, 18. April 1767). Der erste war der zwanzigjährige Leonhard Usteri vom Neuenhof (1741 bis 1789), im Anfang des Jahres 1761, der, wie wir hören, Münzen und Kupferstiche Marc Antons sammelte. Er war Prediger gewesen an der Heiligengeistkirche zu Genf, jetzt machte er seine große Reise, auf der er Rousseau kennenlernte und mit ihm in Briefwechsel trat. 1773 wurde er Chorherr am Großmünster in Zürich. Usteri ließ ihm die Idyllen Salomon Geßners zurück, und Winckelmann spricht von ihnen, als sei ihm hier zum ersten Male deutsche Poesie, ja überhaupt lesbarer deutscher Stil ins Ohr geklungen. Bodmer hatte also richtig prophezeit: »die Deutschen würden daran eine große Idee von den Zürchern bekommen, gleich als ob die Luft hier poetisch wäre.« »Es ist wahrhaftig ein kühnes Unternehmen gewesen«, schreibt er am 17. Januar 1761, »diese Lieder in ungebundener Schreibart zu dichten; aber Sie haben auch, mein Freund, allen die Hoffnung benommen, dergleichen nach Ihnen zu wagen. Sie sind so schön, daß ich mich nicht enthalten kann, Ihnen Gedanken zu rauben, welche Sie über lang oder

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kurz erkennen werden. Ich verwahre mich mit dem vorläufigen Ge- ständnis. Gestern habe ich meinem Freunde, Herrn Mengs, die Hälfte derselben vorgelesen, und er freuet sich, als ein eifriger Patriot unseres Volks, daß unter demselben Seelen mit so malerischen, harmonischen, zärtlichen und tugendhaften Empfindungen geboren, und denen der Himmel das Talent verliehen, dieselben mit eben dem Gefühle aus- zudrücken und in anderen zu erwecken. Mein teurer liebenswürdiger Geßner! Ich weiß, was Schreiben vor ein sdiweres Werk ist, und Roscomon hat nach meiner Meinung Recht, wenn er saget: In allen Dingen, in welchen das menschliche Geschlecht sich hervorgetan hat, ist das größte Meisterstück der Natur, gut zu schreiben.« Auch Lessing fand, daß Geßner »ungemein schön und richtig schreibe«.

Geßner sandte nun sein Hauptwerk, den Tod Abels. »So wie Völ- kern«, lautet die Danksagung (20. Juni 1761), »mit welchen die Sonne handelt wie die römische Geistlichkeit mit den Laien, denen sie anstatt Brod und Wein nur Brod allein gibt, eine Flotte Canarien-Sekt will- kommen sein würde: so erwünscht und angenehm ist mir und meinem Freunde, hungrig nach Meisterstücken unserer Nation, Ihr Geschenk gekommen. Der Herr Kardinal, welcher es in Person mit mir von der Post holete und es mit eigener Hand auflösete, wünschte auch wegen des wunderschönen Drucks, was mir erlaubt ist, lesen zu können.« (Später ist Geßner mehrfach ins Italienische übersetzt worden.) »Ich kann nur Erzt gegen Gold, wie der Dichter sagt, erwidrigen. « In der französischen Übersetzung Hubers (1761) hatte er bereits die beiden ersten Bücher beendigt. »Ich würde Sie beneiden, mein Freund, wenn der Neid in des Kardinals Bellarmin seinem Catechismo nicht unter die Todsünden gesetzet wäre.« Es scheint, als ahne er etwas von dem Aufsteigen der deutschen Dichtung, das ihm zu begleiten versagt war. »Ich bin leider einer von denen, welche die Griechen Spätkluge nennen: Erziehung, Umstände und Mangel haben mich zurückgehalten, früher klug zu werden anzufangen.« Bezeichnend bleibt immerhin diese Ver- ehrung für diese reinen, lichten, weichen, aber färb- und körperlosen Nachbildungen Virgils.

Wenn Winckelmann an Geßner schrieb, so nahm er sich ganz beson- ders zusammen; ausgesucht feine Gedanken sollten es sein, in ebenso gewählten Ausdrücken und ausgeführten Bildern. Er sorgte sich viel

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mehr, einem Dichter, einem genialen Menschen gegenüber in günstigem Lichte zu erscheinen, als etwa einem Fürsten oder Minister. Das Lob des »delphischen« Geßner ist ihm »wie ein Morgentau dem dürren Lande« (27. Februar 1762).

Geßner wünschte, seine Schriften mit Winckelmanns Namen zu schmücken und zugleich diesem selbst eine Ehre zu erweisen, indem er sich einen Aufsatz über den Vorzug der lateinischen und deutschen Buchstaben erbat. In einem Werke der Dichtkunst als Vorredner über lateinische Buchstaben zu stehen, war nicht nach Winckelmanns Ge- schmack, besonders da er es in diesem Falle mit den Goten hielt; er erwidert in seltsam gewundenem, bilderreichem Stil (31. Oktober 1761): »Ich besorge es werde mir ergehen wie den Statuen, welche auf sehr hohen Basen stehen, wo sie sich sehr verkleinern oder wie einem Schiffe, welches auf einem Flusse etwas rechts und im Meere nichts scheinet. Wenn ein mittelmäßiger Sänger allein singet, so gefällt er, aber in Gesellschaft von besseren findet er wenig Gehör. Ich bin hierin nicht so schnell, wie Sie glauben möchten; denn ich wollte im Gemälde nicht gerne im Grund stehen und mich verlieren, und gleich- wohl bin ich eitel genug zu versudien, ob ich könne zum Schatten dienen, nicht die Lichter zu erheben, sondern auszufüllen. Ich werde Ihnen mitteilen, was ich werde sagen können: Sie mögen es machen wie die Holländer, welche, sagt man, zuweilen Spezereien verbrennen, um dieselben teurer zu machen; werfen Sie aus, was Ihnen nicht gefällt. Das schlimmste ist, ich muß in gewissem Maße wider meine Neigung, nicht wider meine Empfindung reden; denn ich möchte selbst nicht mit lateinischen schönen Buchstaben gedruckt werden; und man würde sagen, ich predige wider mich selbst.«

Endlich kam eine Gelegenheit, dem Dankbarkeitsbedürfnis nach Herzenswunsche zu genügen. Wohl keiner unter allen Pilgern Roms hat Winckelmann lebhafter beschäftigt, als der junge Füßli, der schon im November 1762 angekündigt worden war, und zwar so, daß jener sein »Verlangen nach ihm« gestand, und schrieb: »Ich erbiete dem- selben alles was ich weiß und kann, und soviel immer meine ein- geschränkte Zeit erlaubt« (27. November 1762).

Hans Heinrich Füßli (1745— 1832) war der Sohn des ersten Heraus- gebers des großen Künstlerlexikons, Hans Rudolf (1709— 1793), der

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auch eine Kunstbibliothek und eine Galerie von Künstlerbildnissen gesammelt hatte. Ein glänzendes Talent und ein frühreifer Verstand wurde durch sorgfältige klassische Erziehung im väterlichen Hause ausgebildet. Später erscheint er als beliebter Universitätslehrer der vaterländischen Geschichte und einflußreiches Regierungsmitglied. Er war ein Redner. Dreißigjährig erhielt er als Nachfolger Bodmers den Lehrstuhl der Schweizergeschichte, auf die er auch Johannes Müller in der Folge gebracht hat. Wir erblicken ihn noch auf dem politischen Theater in den Stürmen der Revolution, während der hel- vetischen Republik und bis zum Beginn des Empire; dann aber zog er sich zurück und lebte bloß der Literatur (Leben Raffaels 1815), der Journalistik und Buchhandlung ^7.

Winckelmann hatte ihm ein Zimmer für zehn Zechinen monatlich gemietet und denselben Giacomo angenommen, der schon Leonhard Usteri bedient. Rasch reifte in ihm der Gedanke, sich den jungen Mann zu einem Missionar seines Kunstevangelii heranzubilden, ihn »zu dem größten Altertumsverständigen jenseits der Alpen« zumachen; sein natürlicher Hang zum Schulmeister meldete sich wieder. Er war für ihn ein Phänomen: war es möglich, so viel Bildung und Genie zu besitzen bei soldier Unverdorbenheit, naiver Werdelust? ^^ »Ein un- sdiuldigeres Kind bei großem Talent in vielem Witz und Wissen habe ich niemals kennen lernen. Er scheint mir ein Bild der Tugend in Fleisch und Bein zu sein und der erste Mensch aus der goldenen Zeit. Sein Vater muß ein sehr weiser Mann sein, welcher nichts in der Er- ziehung verdorben. Ich habe mit demselben gleichsam wie mit einem Kinde gespielt, und mit keinem Fremden bin ich mehr gleichsam handgemein worden; denn ich nahm mir gleichsam Vaterrecht über denselben an; zu gleicher Zeit aber habe ich ihm alles gesagt was ich weiß, und er hat alle meine Handschriften gelesen« (31. Juli 1765). Er bittet, »geliebter Sohn« zu ihm sagen zu dürfen: »da ich an Sie mit vorzüglicher Liebe schreiben will und muß, so finde ich kein Unter-

27. [H. Blümner, Zürcher Taschenbuch, 1884, S. 85—114. E. Ermatinger, Zürich im Spätrokoko, Frauenfeld 1940.]

28. uno di que' soggetti rarissimi, che non capitano ogn' anno: avvenente, giojale, erudito, dotato di spirito, e di buon gusto, d'un modo di pensare nobüe, e disinvolto. 15. Februar 1764 an Mengs [III, 21].

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Scheidungswort, welches mehr als jenes das zärtliche Herz, das für Sie wallt, ausdrückte« (23. Juni 1764). Er sann nun, wie er den anti- quarischen Giro durdi Hausunterricht ersetzen könne, nachmittags in Villa Albani; aber nadi Frascati, Tivoli durfte er mitgehen; und end- lich machte er es doch möglich, »in Absicht der vornehmsten Orte von seinem Gelübde (in bezug auf Fremdenführung) abzugehen«, ja einiges sah er mit ihm mehr als einmal. Nun verging selten ein Tag, wo sie sich nicht sahen, ja er wird unruhig, wenn ein solcher Tag kommt.

Füßli hatte bereits die Hinreise nach seinen Ratschlägen eingerichtet, in Rom lebte er sich ganz in seine Denkweise ein. Dieser hatte ihm am 29. Januar 1763 nach Genf geschrieben: »Rom sei auf der ganzen Reise Ihr Hauptaugenmerk, und andere Orte nur Nebenaussichten, die uns oft auf dem großen Wege unnützlich verzögern.« »Ich ging also«, sagte Füßli ^^^ »gerade der Quelle auf Rom zu, ohne in den Städten, welche dahin führen, lange zu verweilen, und meinen Ge- schmack durch das Studium der Kunstschulen in denselben in Gefahr zu setzen. Ohne diese Vorsicht hätte ich vielleicht Raffaels richtige Zeichnung den reizenden Formen des sdiönen Correggio nachgesetzt. Ich hätte vielleicht in der täuschenden Karnation des großen Titians, der seinen Pinsel in die Farben der Natur getaucht, das allein Wesent- liche der Kunst gesucht. Paul Veronese hätte vielleicht mein Auge an eine eitle Pracht gewöhnt und mich dadurch von dem Gefühl des Wahren, Großen, Edlen und Schönen unwiederbringlich abgezogen. Michelangelo hätte leidit mein Gefühl für das Schöne verhärten und meinen Geschmack verwildern können.«

Kurz nach der Heimkehr schrieb er an Vögelin von den »glück- lichen Tagen, die er an der Seite seines Lehrers und Freundes zuge- bracht: ich zähle sie unter diejenigen Tage meiner Jugend, in denen ich die meisten Früdite für die Zukunft gesät, an die ich beständig ohne Reue zurückdenken darf, und von denen ich noch in den letzten Stunden meines Lebens Zufriedenheit einernten kann. Winckelmann hat mit einer väterlichen Sorgfalt die wankenden Begriffe des Schönen wie des Guten, des Geschmackes wie der Tugend in meiner jungen

29. [D. Webb, Untersuchung des Schönen in der Mahlerey. Aus dem Eng- lischen ins Deutsche übersetzt, Zürich 1766; Vorrede von H. Füßli, S. II f.]

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Seele festgesetzt. Denn die Art, wie Winckelmann die Kunst lehrt, ist ein fruchtbarer Quell von vielen Kenntnissen. Er schließt immer von den Werken der Kunst auf die Menschen, von diesen letzteren auf jene. So entwickelt er den Charakter verschiedener Nationen, Roms und Griechenlands insbesondere, durch ihre verschiedenen Epochen; die politischen und moralischen Grundsätze leiten sich daraus her.«

Wie ganz war dieses weiche, mädchenhaft anfühlende Wesen in Winckelmanns Sinn! »Euer Vaterland«, schreibt er (an C. Füßli, 20. Ja- nuar 1764), »wird sich künftig rühmen können, den größten Kenner zu besitzen, welcher richterlich wird entscheiden können. Einen solchen Kenner zu ziehen, ist noch keinem Fürsten gelungen, soviel mir wis- send ist; es ist auch das Fürstengeschmeiß nicht würdig dieses Vor- zuges; ja es sollte mich meine Dienstwilligkeit gereuen, wenn nicht sein Vaterland vornehmlich den Genuß von ihm haben sollte.«

Er hatte Füßli nach seiner Heimkehr manches zärtliche Schreiben nachgeschickt. Aber auch er reihte sich bald den »vergeßlichen Leuten« an, die nicht antworten; und selbst auf die Widmung der herkulani- schen »Nadirichten« schrieb er »auf solche Art, daß ich merkte, es wäre nicht geschehen, wenn er hätte weniger tun können«. Doch hat er das Andenken jener Tage dankbar bewahrt, und Matthisson im »Abend am Zürchersee« singt noch spät von den »Edlen« die

wie einst, im Lenz deiner Tage die schöne Seele Winckelmanns, dich geliebt.

Er hatte einen wenig Jahre älteren, gleidi ihm Heinrich getauften, ihm aber sehr ungleichen Vetter, den später so berühmt gewordenen Maler, einen Sohn Hans Caspars (i 741—1825). Dieser war damals auf dem Wege nach England, das seine zweite Heimat wurde. Winckel- mann wurde um Empfehlungsbriefe angegangen. Er übersetzte einige seiner kleinen Schriften ins Englische; ein ähnliches Vorhaben mit der Kunstgeschichte ist die Veranlassung gewesen zu ihrer dritten und letzten Bearbeitung. Als ihm Winckelmann einmal nicht schnell genug antwortet, fragt er, ob er sein Freund sein wolle oder nicht? »Ist der- gleichen Gewalttätigkeit in Bekanntschaften bei Euch Gebrauch, so ist es mir zu verzeihen, wenn ich diese Frage selten finde« (anP.Usteri, 14. Dezember 1766). Auch er hatte sich eine italienische Lehrzeit vor-

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gesetzt, kam aber erst nach Winckelmanns Tod nach Italien, und je länger er dort weilte (acht Jahre), desto mehr fand er, daß er sich zur Antike und zur welschen Malerei kein Verhältnis geben könne. Ein Freund Lavaters, selbst ein Sturm- und Drangmann, wollte er ein Kraftgenie auf der Leinwand werden, indem er den Michelangelo etwa so wiedererweckte, wie Klinger den Shakespeare. In ihm steckte etwas von dem phantastischen Zug seines Landsmannes Arnold Böck- lin, doch ohne dessen Humor und koloristische Einfälle. In seinem Gehirn drängte sich ein nordischer Hexensabbat von Gestalten und Szenen des Grauens, des Ungeheuren, des Wahnsinns, der Traum- und Geistersphäre, den auch die klare Luft und die reinen Linien des Südens, die stille Hoheit der Griechenbilder nicht verscheuchen konnten.

V. Berg und die ihm gewidmete Schrift

Rom glich damals einem tropischen Bergstrom, dessen Bette sich im Frühling brausend anfüllt und den Sommer über trocken liegt, belebt nur durch einige Sumpflachen und etwas kümmerlich fort- kriechende Vegetation. Wer so wie Winckelmann alljährlich mit einer immer neuen Schar aller Zungen in Beziehung tritt wochenlang, täglich, auf Ausflügen und bei Tafel und dann für immer, oft mit Genugtuung ihre Spur verliert, bisweilen aber auch vergebens Lebens- zeichen von ihnen beschwört, während er längst mit anderen Pveise- eindrücken vergessen ist: ein solcher Mann führt ein geselliges Dasein, in dem das Element des Wechsels doch zu ausschließlich waltet, und oft dürstet sein Herz nach etwas Innigem, Bleibendem. Er bläst als Schulmeister sein Stückchen immerdar mit demselben Pathos, aber die Wiederholung wird nicht immer belebt durch das erfrischende Entgegenkommen der Jugend. Selten etwas Tröstliches. Je nach Tem- perament unterzieht man sich der pflichtmäßigen Tour mit mehr oder weniger Beherrschung der empfundenen Langeweile, der Tadelsucht, oder bemüht sich, die Urteile, Bewunderungen und Phrasen des jewei- ligen Kennertums mit promptem Enthusiasmus nachzuexerzieren.

»Nichts kann schrecklicher sein«, fand auch Goethe, »als der ge- wöhnliche Fremde in Rom. An jedem anderen Orte kann sich der

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Reisende eher selbst suchen und auch etwas ihm Gemäßes finden; wer sidi aber nicht nach Rom bequemt, ist dem wahrhaft römisch Ge- sinnten ein Greuel.« »Es ist ein Jammer«, schreibt Winckelmann 1762, »anzusehen, was für Leute man hierher sendet.« »Die mehrsten haben keinen eigentlichen Endzweck und fangen in Rom an wie einer, der sich an eine mit unzählbaren Speisen überladene Tafel setzt, von allem essen will und durch den Anblick der Menge selbst gleichsam einen Ekel bekommt.« »Alle Kavaliere kommen als Narren her und gehen als Esel wieder weg« (7. Juli 1756).

Wie die Wolken am Mond, so ziehen diese Schemen an ihm vor- über, selten kann er den Schein seines milden Lichtes klar ergießen. Gerade, weil ihm lehrende Mitteilung stets Bedürfnis blieb, weil ihm bei empfindungsfähigen Jüngern so beredt zumute war, mußte ihn der Rest unglücklich machen.

Im Sommer 1762 besuchte ihn ein junger livländischer Edelmann, Friedrich Reinhold von Berg. Dieser schien ihm von dem Schwärm sehr verschieden: eines der »außerordentlichen Talente«, für die er gern aus seiner Zurückhaltung heraustrete, ja einmal zeigen wolle, »daß er eine Person bekannt und denkwürdig machen könne«. Aber diesmal war es wohl weniger das Talent, als die äußere Erscheinung des sehr jungen Mannes, die, während er »kaum angefangen hatte, ihn kennen zu lernen«, eine Zuneigung entzündete, so schwärmerisch, empfindlich und eifersüchtig wie Liebe. Und diese Leidenschaft (denn das war es beinahe) ist im ersten Augenblicke fertig da: »Ein unbe- greiflicher Zug zu Ihnen, den nicht Gestalt und Gewächs allein erweckt, ließ mir von dem ersten Augenblicke an, da ich Sie sähe, eine Spur von derjenigen Harmonie fühlen, die über mensdiliche Begriffe geht und von der ewigen Verbindung der Dinge angestimmt wird« (9. Juni 1762). »Die Übereinstimmung der Geister meldete sich, da ich Sie das erste Mal erblickte.« In Frascati hatte er Bergs Namen »in die Rinde eines prächtigen und belaubten Ahorns geschnitten«, »wo ich meine nicht genutzte Jugend in Ihrer Gesellsdiaft zurückrief und dem Genius opferte« 3^ So kurz der Umgang mit Berg gewesen war, so war doch der Abschied »einer der schmerzlichsten seines Lebens«, er vergleicht

30. [I, 235; II, 131. Werke (Eiselein) XII, p.XXIX.]

31. [Werke (Eiselein) I, 237, 273.]

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seinen Zustand mit der Untröstlichkeit einer Mutter, der ihr Sohn zum gegenwärtigen Tod auf dem Schlachtfelde entrissen wird. »Ich war verliebt«, gesteht er später L. Usteri (6. August 1763). Auch für die fernere Bildung seines Geistes hatte er sorgen wollen, indem er ihm eine Anzahl Bücher empfahl, darunter Piatos Phaedrus, die Berg sich auch in Paris verschaffte. Er sollte dort eine kostbare und seltene Ausgabe des Ariost für seinen Mentor suchen.

Es war offenbar eine Wiederkehr, und zwar die letzte jener senti- mentalen Überreizung, der sich Winckelmann in seiner Jugend lang- dauernd verfallen zeigte. Solche Zustände der Gefühlssteigerung gehören zu den psychologischen Problemen, die ihre Wurzel tief in die Sinnlichkeit und ihre Kapricen versenken; sie waren für ihn eine Flamme, die in der frostigen Temperatur des Lebens dem Herzen die ihm nötige Wärme zuführte. Wir wollen hier den dunklen Wurzeln nicht nadigraben, obwohl die Sache nicht damit erklärt ist, wenn man sich in Goethes optimistischer Weise, in leichtem Vorbeigehn, daran freut, daß er »nirgends belebter und liebenswürdiger« sei, als in den »flüchtigen Augenblicken, wo beide Bedürfnisse der Freundschaft und der Schönheit zugleich an einem Gegenstande Nahrung fanden«. So erscheint dieser Zustand allerdings in den zärtlichen, Berg nach- geschickten Briefen, die uns sehr überschwenglich dünken, obwohl er sich Gewalt angetan haben will, »um nidit mehr zu sagen, wie er würde getan haben, wenn er seiner Passion hätte folgen können«.

»Alle Namen«, schreibt der siebenundvierzigj ährige Mann (10. Fe- bruar 1764), »die ich Ihnen geben könnte, sind nicht süß genug und reichen nicht an meine Liebe, und alles was ich Ihnen sagen könnte, ist viel zu schwach, mein Herz und meine Seele reden zu lassen. Vom Himmel kam die Freundschaft und nicht aus menschlichen Regungen. Mit einer gewissen Ehrfurcht näherte ich mich Ihnen; daher ich bei Ihrer Abreise des höchsten Gutes beraubt zu seyn schien. Was hätte ich nicht schreiben müssen, wenn nur unter Hunderten meiner Leser ein einziger dies hohe Geheimnis begreifen könnte! Mein teuerster Freund, ich liebe Sie mehr als alle Creatur, und keine Zeit, kein Zu- fall, kein Alter kann diese Liebe mindern; aber entfernt zu sein, ohne sich mit Briefen erreichen zu können, ist mir fast schmerzhafter als selbst der Abschied . . . Machen Sie mich bald durch eine Antwort beglüdit.

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Eine jede Zeile von Ihrer Hand ist mir eine heilige Reliquie.«

Nicht ohne eine gewisse Verlegenheit scheint Berg solche Ergüsse aufgenommen zu haben. Dies fortdauernde lebhafte Gedenken be- fremdete ihn bei einem so bedeutenden Mann, »dessen Geist alles in der größten Vollkommenheit fühlet, und der sich durch ein erhabenes Denken so merklich von anderen Sterblichen unterscheidet« 3^.

Wie wenig Berg über den Troß der Touristen hervorragte, wie wenig angebracht also jene Ausdrücke waren, gesteht Winckelmann selbst durch die ihm nachgeschickte »Predigt« vom 3. November 1762: »Sie eilten nach Monatsfrist aus Rom, welches Sie kaum halb in der Flucht gesehen, wie unter andern das Campidoglio beweiset, um noch in Florenz an sechs ganzer Wochen zuzubringen, nachdem Sie bereits vorher zwei ganze Monate daselbst verloren. Ich habe mich äußerst gekränkt, daß ich nicht einmal einen einzigen Tag gewinnen können, um Ihnen besondern Unterricht zu geben, wie ich mir doch beständig ausgebeten hatte; denn in einer Menge, wo alle einen andern Weg gehen, sind gewisse Dinge verschwendet und weggeworfen. Ich hätte Ihnen einen ganzen Monat vom Morgen bis auf den Abend geben wollen: allein Rom gefiel nicht mehr, und alle Gedanken waren schon in Florenz . . . Teuerster Freund! die wahre Liebe zu Ihnen läßt mich dieses schreiben: denn ohne dieselbe könnte es mir gleichgültig sein, wo und wie Sie Ihre Zeit am angenehmsten zu vertreiben vermeinen . . . Diese Bekümmernis ist um so viel reiner, da ich nicht das Glück haben werde, Sie in meinem Leben wiederzusehen. Es nützt zwar Ihnen nichts, wie bekümmert ich auch sein mag; aber unangenehm kann es Ihnen nicht sein, daß ein Mensch, der viel denken kann, beständig an Sie wie ein Vater an seinen Sohn denkt.«

Ein Brief aus Paris vom 1 2. Dezember 1762 beruhigt ihn. Berg hatte einen Unfall bei Avignon gehabt und mußte in Paris anderthalb Monate das Zimmer hüten. »Sie müssen mich für keinen barbarischen und flüchtig denkenden Russen halten. Livländer sind schon vor langen Zeiten für ehrliche und aufrichtige Leute bekannt, und ob wir gleich unter der Gewalt der Russen stehen, so ist diese Gewalt doch noch

32. [Berg an Winckelmann, 28. September 1762; Studien, ed. Daub und Creuzer 181 1, VI, 29 f.; 34 f.]

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nicht bis auf unsere Herzen gegangen . . . Das taumelnde und gedan- kenlose Hof leben ist mir jederzeit zuwider gewesen . . . Wie ruhig kann ich in meiner Hütte schlafen, dahingegen ich am Hofe und besonders in Rußland beständig fürchten muß, aus meinem Bette ge- rissen und den Henkern unschuldigerweise überliefert zu werden.« Dann aber bricht er ab, dankt nicht einmal für die gleich zu nennende Schrift. Nun heißt er der »pflichtvergessene Livländer«. Er hatte ihn einmal bei einer Begegnung in Rom umgangen und einen sehr unbe- quemen Weg vorgezogen! Als er sich aber nach Jahren bei der Hochzeit seiner erinnert (zo.Mai 1767), ist alles wieder gut: als wahrer »Freund des Bräutigams« jubelt er, daß dieser nunmehr Vater werde von schö- nen Kindern »nach Ihrem so geliebten und mir ewig gegenwärtigen Bilde«; wie er ihm früher zugerufen hatte: »Erwecken Sie Söhne und Enkel nach Ihrem Bilde.«

Dieser Freundschaftsparoxysmus wurde zur Veranlassung einer kleinen Schrift. Winckelmann bewies, daß er wirklich dessen fähig war, was er einst bei Gelegenheit des schönen Florentiners behauptet hatte. Indem er sich dem Schmerz des kaum geknüpften und schon zerrissenen Seelenbundes überläßt, bietet sich eine Linderung dar durch Ableitung des aufgeregten, sehnsüchtigen Zustandes in beredten Worten an die Adresse des Entfernten. Aber gewöhnliche Briefe ge- nügen nicht: monumentale sollen es sein, »ein Denkmal ihrer Freund- schaft, rein von aller ersinnlichen Absicht«, die Zeit, die es kostete, war ja eine Verlängerung des geistigen Zwiegespräches. Sie sollte nebenbei auch das Nützliche dem Angenehmen gesellen, den Junker, freilich etwas post festum, belehren über das »nützliche Reisen in Italien«. Er begann sie zu Castello, ein Fieberanfall unterbrach ihn; der Brief Bergs im Anfang des Winters erinnert ihn an sein Wort; endlich wird eine Abhandlung daraus, die »umständlicher ausfiel, als es die anfängliche Meinung war«, aber »die mit Wucher bezahlte Schuld hebt den Vorwurf« (Pindar). Mitte Juni 1763 ging das Manu- skript nach Leipzig ab.

Diese Abhandlung erschien dicht vor der Kunstgeschichte, die sie ankündigte. »Das Format wird das größte sein, welches zu finden ist, damit dieselbe an die Geschichte der Kunst, welche auf Michaelis er- sdieint, kann gebunden werden« (21. Juni 1763). Also eine Ergänzung

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des großen Werkes: in zwei Quartanten war System und Historie der schönen Formen geschildert worden; auf zweiunddreißig Seiten sollte nun auch die psychische Funktion, das Organ für ihre Auffassung be- handelt werden. Er will sich vernehmen lassen über den Hauptpunkt der Ästhetik des Jahrhunderts, das Thema der Traktate und Essays on taste, sur le goüt; denn dieser »gute Geschmack« ist nur ein anderes Wort für »Fähigkeit der Empfindung«. Von einem Einfluß der Theo- rien und kritischen Versuche jener Zeit ist übrigens in dem Schrift- chen kaum eine Spur: hier spricht ein bloßer Beobachter seine Erfah- rungen aus.

Wir hörten, daß Winckelmann sein durch arme Schlucker etwas heruntergebrachtes Amt vornehmer machen wollte; er hätte gern das ihm nun einmal anklebende Ciceronentum veredelt, zur Höhe seiner Person erhoben. Die Ausbildung der Empfindung für das Schöne, die Erziehung auserwählter, besonders begabter Jünglinge zu dessen Erkenntnis, die Idee einer ästhetischen Erziehung war es, die Winckel- mann gern als Geist seines Berufes ein ideales Ciceronentum be- trachtet hätte. Und dies war ihm die liebste Beschäftigung auf Erden; möchten ihm doch mehr solche Reisende aus dem Norden geschickt werden. »Erwecken Sie diesen Trieb« (nämlich nach Italien), ermahnt er Heyne am i6. Mai 1767, »wo Sie feine Sinne bemerken.«

Es ist eine Lieblingsidee Winckelmanns, daß Schönheit des Körpers und der Gemütsart zum Sinn für das Schöne, zu dessen Hervor- bringung befähige, diese Fähigkeit ankündige. Gleich bei seinem ersten Auftreten führte er Raffael dafür an. »Es ist diese Fähigkeit in wohl- gebildeten Knaben eher als in anderen zu suchen, weil wir insgemein denken wie wir gemacht sind, in der Bildung aber weniger, als im Wesen und in der Gemütsart: ein weiches Herz und folgsame Sinne sind Zeichen solcher Fähigkeit ... Da sich auch das wahre Schöne der menschlichen Figur insgemein in die unschuldige stille Natur einzu- kleiden pflegt, so will es durch einen ähnlichen Sinn gefühlt und er- kannt werden. Hier ist kein Pegasus nötig, durdi die Luft zu fahren, sondern Pallas, die uns führt.« So erschien das Thema der Schrift in einer Beziehung zu dem Freunde, dem er sie gewidmet: »Ihre Bildung ließ mich auf das, was ich wünschte, schließen, und ich fand in einem schönen Körper eine zur Tugend geschaffene Seele, die mit der Emp-

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findung des Schönen begabt ist 33.«

Diese Idee nun gehört zu einem Kreis verwandter Ideen, die alle, wie die Figuren eines schattenlosen Gemäldes, in einem reinen Licht des Schönen schweben. Wie an südlichen Küsten alles Dunkle, Un- durchsichtige, Feste, die kahlen Gebirge, das öde Meer zu lichter, farbiger Wesenheit verklärt wird, so treten wir beim Lesen dieser Blätter in einen Bezirk, wo die mühsame Arbeit, die düstere Gelehr- samkeit, die heftige Leidenschaft, das unruhige Verlangen draußen bleibt. Gunst des Himmels, Ruhe des Gemüts, Freundschaft, schöne Bilder, die uns umgeben wie die Luft so wir atmen, das ist der Blu- menpfad, der zum Tempel des Schönen führt.

Jene Idee erscheint weniger »seltsam« (wie sie der Rezensent in der Bibliothek der schönen Wissenschaften nannte), wenn wir den Satz damit in Verbindung bringen, daß das erste Werkzeug alles Ge- schmackes der »äußere Sinn«, während ihr »Sitz« der innere ist. Die Tugend dieses Werkzeuges ist »Richtigkeit des Auges, das die wahre Gestalt— Farbe sowohl als Form— und Größe der Vorwürfe bemerkt«.

Dieser Tüchtigkeit des Organs entspricht im Innern die Kraft, Deutlichkeit und Dauer des Gedächtnisbildes, »die lebhafte Bildung des betrachteten Schönen . . . Ihre Kraft wächst wie das Gedächtnis, durch Übung ... Das empfindlichste Gefühl kann diese Eigenschaft unvollkommener, als ein geübter Maler ohne Gefühl haben.«

»Es ist diese Fähigkeit, wie der poetische Geist, eine Gabe des Himmels, der sie allen vernünftigen Geschöpfen, aber in sehr ver- schiedenen Graden gegeben hat. Wo sie nicht ist, predigt man Blinden die Kenntnis des Schönen, wie die Musik einem nichtmusikalischen Gehör ... Sie bildet sich aber so wenig als die Gabe der Dichtkunst von sich selbst, und würde ohne Lehre und Unterricht leer und tot bleiben.« Aber auch »vernachlässigte Erziehung kann dieselbe nicht ersticken, wie ich hier an meinem Teile weiß«. Sie ist etwas aristo- kratischer Natur; auch hier sind wenige auserwählt. In ihrer Voll- kommenheit ist sie sogar sehr selten; einige scheinen von der Natur übergangen zu sein, noch anderen ist das Schöne und das Mittelmäßige gleich willkommen. Diese Seltenheit kann man daraus abnehmen, daß die Schriften, welche das Schöne lehren, seit Plato bis heute meist

33. [Werke (Eiselein) I, 237.]

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»leer, ohne Unterricht und von niedrigem Gehalt sind«.

»Es wickelt sich dieselbe eher an großen als kleinen Orten aus, und im Umgang mehr als durch Gelehrsamkeit: denn das viele Wissen, sagen die Griechen, erweckt keinen gesunden Verstand, und die sich durch bloße Gelehrsamkeit mit dem Altertum bekannt gemacht haben, sind auch derselben weiter nicht kundig geworden.«

Die Stimme des Gefühles unterscheidet sich durch ihre Unmittel- barkeit von dem sich an Muster anlehnenden Urteil des Verstandes (goüt de comparaison) und von dem künstlichen Lichte der Grund- sätze. Sie ergeht auf den ersten Blick: diese »allgemeine Rührung« kann dunkel und ohne Gründe sein. Der analytische Weg ist hier nidit angebracht: »Fertig und schnell muß der innere Sinn sein, weil die ersten Eindrücke die stärksten sind. Wer hier von den Teilen auf das Ganze gehen wollte, würde ein grammatikalisches Gehirn zeigen.«

Nicht Geschäftigkeit, nidit Arbeit im Schweiß des Angesichts und für die Not, sondern freie Muße ist es, in der das Gefühl gedeiht. »Dieser Unterricht ist nicht für junge Leute, welche nur um ihr notdürftiges Brot lernen, und weiter nicht hinausdenken können . . . sondern für die, welche selbst die Fähigkeit, Mittel, Gelegenheit und Muße haben, und diese sonderlich ist nötig. Denn die Betrachtung der Werke der Kunst ist, wie Plinius sagt, für müßige Menschen, d. i. die nicht den ganzen Tag ein schweres und unfruchtbares Feld zu bauen verdammt sind . . . Die mir gegönnte Muße ist eine der größten Glückseligkeiten, die mir das gütige Geschick durch meinen erhaben- sten Freund und Herrn in Rom finden lassen, welcher solange ich bei und mit ihm lebe, keinen Federstrich von mir verlangt hat, und diese selbige Muße hat mich instandgesetzt, mich der Betrachtung der Kunst nach meinem Wunsche zu überlassen.«

Das Schönheitsorgan liegt in einer mittleren Region, gleich weit entfernt von der Arbeit des Verstandes wie von dem Feuer der Sinn- lichkeit und dem Interesse des Bedürfnisses. »Der Vorwurf dieses Gefühles ist nicht was Trieb, Freundschaft und Gefälligkeit anpreisen, sondern was der innere feinere Sinn, welcher von allen Absichten geläutert sein soll, um des Schönen willen selbst empfindet.« Daher es kein günstiges Symptom ist, wenn die Erregbarkeit vornehmlich weiblicher Schönheit gegenüber bemerklich wird, zu der die Stimme

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der Natur hinzieht, während auf Seite der Männer die vollkommenere Form ist. »Ich habe bemerkt, daß diejenigen, welche nur allein auf Sdiönheiten des weiblichen Geschlechts aufmerksam sind und durch Schönheiten in unserem Geschlecht wenig oder gar nidit gerührt werden, die Empfindung des Schönen in der Kunst nicht leicht ein- geboren, allgemein und lebhaft haben.«

Eine andere Probe ist, daß sie nicht bloß durch Erscheinungen der Wirklichkeit, sondern auch durch bloße Bilder angeregt wird, ja in diesen »ihren vornehmsten Gegenstand findet« . . . Mehr Empfindung wird zum Schönen in der Kunst als in der Natur erfordert, weil jenes, wie die Tränen im Theater ohne Schmerz, ohne Leben ist und durch die Einbildung erweckt und ersetzt werden muß.

Aber obwohl sie über der trüben Sphäre der Leidenschaften liegt, so ist doch das ihr günstige Lebensalter keineswegs das Alter der Abkühlung und Ermattung. Sie soll das Feurige der Jugend haben und deshalb »zeitig geübt und auf das Schöne geführt werden, ehe das Alter kommt, in welchem wir uns entsetzen zu bekennen, es nicht zu fühlen«.

Das Wort »Empfindung« soll hier nichts Lyrisches andeuten, denn sie bezieht sidi ganz auf Form, auf Gegenständliches im Raum. »Das wahre Gefühl des Schönen«, sagt er in einem bezeichnenden Bilde, »gleicht einem flüssigen Gipse, welcher über den Kopf des Apollo gegossen wird, und denselben in allen Teilen berührt und umgibt.« Auch hat dieser Sinn eine Analogie zu seinem Gegenstande. Wie das Schöne in der Harmonie der Teile besteht, deren Vollkommenheit ein sanftes Steigen und Sinken ist, so wird es auch in unserer Empfindung gleichmäßig wirken und dieselbe mit einem sanften Zuge führen, nicht plötzlich fortreißen.

Wie nun diese Fähigkeit von der Natur einer schönen Seele in schönem Leibe erteilt wird, so bedarf sie auch einer sympathischen Umgebung (ambiente), um zu keimen. Hierin liegt das Geheimnis ästhetischer Erziehung. Aber nicht nur das Auge soll an Beobachtung und Vergleichung des Schönen gewöhnt werden, auch »Herz und Empfindung durch Erklärung der schönsten Stellen alter und neuer Schriftsteller, sonderlich der Dichter, rührend erweckt und zu eigener Betrachtung des Schönen in der Kunst gewöhnt werden«.

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Demokrit sagte, »wir sollten die Götter bitten, uns angenehme Erscheinungen zu geben«. Er erklärte die Theophanien aus Bildern höherer, den Menschen an Größe und Schönheit überlegener Wesen, die sich von ihren Originalen loslösen und im Traum und Wachen unseren Sinnen zuschweben. Zu solchen glücklichen Bildern rechnet Winckelmann »die Basreliefs und alten Gemälde, die Sante Bartoli gestochen, die Bibel des Raffael: diese zwei Werke werden einem unverwöhnten Auge sein, was eine richtige Vorschrift der Hand ist, und da die ungeübte Empfindung dem Efeu gleicht, welcher sich ebenso leicht an einen Baum, als an eine alte Mauer anhängt, ich will sagen, das Schlechte und das Gute mit gleichem Vergnügen sieht, so soll man dieselbe mit schönen Bildern beschäftigen«.

Er nennt ferner die griechischen Münzen des Golzius; die ange- nehmste und lehrreichste Beschäftigung aber seien die Abdrücke der besten geschnittenen Steine; und da die Deutlichkeit aus dem Gegensatz erwächst, so soll man moderne daneben halten, »um aus beider Vergleichung den Begriff des wahren Schönen in den alten, und den irrigen Begriff desselben in den mehrsten neuesten Arbeiten zu zeigen«.

»Es ist also«, schließt er, »diese Tätigkeit als eine seltene Gabe des Himmels zu schätzen, welcher die Sinne zum Genuß des Schönen und des Lebens selbst höchst fähig gemacht hat, als dessen Glückseligkeit in einer Dauer angenehmer Empfindungen besteht.« Dieser Epikureis- mus ist im Ton des Ganzen. Es liegt etwas über der Schrift von dem ruhigen Daseinsgenuß, der zum südlichen Himmel und zum Leben der Alten zu passen scheint. Wahre Humanität weiß von mehr als dem Wechsel von Arbeit und Zerstreuung. Die Arbeit sollte zur eigensten Äußerung und Lust unseres Selbst werden, und »die freie Muße eines jeden ist so viel wert als er selbst wert ist« (Schopenhauer). Bilder solchen Vollgefühles befriedigter Existenz, die der schönen Welt offen, zugleidi in sinnender Geistesklarheit schwebt, zeigen uns manche Gestalten pompejanischer Gemälde.

Der Brief war zu einer »Abhandlung« geworden; es spricht nicht mehr der Freund zum Freund, sondern der Autor zum Publikum, der Kunstlehrer zur Zeit, ja wir scheinen sogar zuweilen den Präsidenten der Altertümer zu vernehmen. Auf dem Titel steht: »Johann Winckel- manns, Präsidentens der Alterthümer in Rom, und Scrittore der Vati-

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canischen Bibliothek, Mitglieds der Königl. Englischen Academie der Alterthümer« etc. Dieser Titel verkündigte also den Deutschen die Würde ihres Landsmannes im fernen hohen Rom. Es war sein erster Titel, unter einem Volke fremder Zunge errungen. »Was für ein Ruhm«, hieß es nun, »für unsere Nation, daß man einen Deutschen würdig gefunden, ihm die Aufsicht über die Altertümer anzuvertrauen, und wie löblich ist es von Herrn W., daß er seine Muttersprache, die so viele kleine Geschöpfe von unseren Landsleuten in fremden Ländern vergessen zu haben affektieren, immer noch wählt, seine Einsichten in jedem Teile der Wissenschaften der Welt mitzuteilen.« »Präsident der Altertümer« klang im fernen Deutschland ganz anders als in Rom, wo übrigens die bescheidenere Bezeichnung üblich war. Hagedorn lächelte über diesen Präsidenten. Aber ein Präsident der Altertümer zu Rom durfte sich, so schien es, erlauben, großen Künstlern, welt- berühmten Gelehrten, ja ganzen Nationen über den Bart zu fahren. Die einzigen, die Lob empfahen, sind die Freunde: Mengs, Albani, Casanova »der größte Zeichner in Rom nach Mengs«; natürlich außer den Alten, von denen wir aber hören, daß man sie nur da, wo der Präsident der Altertümer ist, kennenlernen kann. Wenn man Präsident geworden ist, darf man sich entschädigen für frühere übermäßige Bescheidenheit:

Sume superbiam quaesitam meritis!

So erhalten ihre Zensuren nicht nur der Graf Malvasia (»der sich nicht entsieht vorzugeben, daß die Carracci sich verdorben durch die Nachahmung des Raffael, dieser Schwätzer, der den großen Raffael einen urbinatischen Hafner nennt nach der pöbelhaften Sage, daß dieser Gott der Künstler Gefäße bemalet«) und der berühmte Maffei (»welcher sehr seicht im Griechischen war, und den finsteren und gezwungenen Nicander dem Homer gleich schätzte, um etwas Fremdes zu sagen und von sich glauben zu machen, daß er seinen Held gelesen und verstanden«): sondern auch »der größte Altertumskundige unserer Zeiten«, Stosch, wegen seiner Rangordnung der Statuen (II, S. 285 f.); nicht nur Bernini, dem die Empfindung des Schönen in der Bildhauerei von der Natur versagt war, und sämtliche neapolitanische Maler, die »kaum der Zeit wert, dieselben zu untersuchen«, sondern auch Michel-

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angelo, der »um sich gelehrt zu zeigen, in den Figuren der großherzog- liehen Gräber sogar die Unanständigkeit derselben übersehen habe«. Er setzt der neueren Malerei ein Sündenregister auf. Um zu beweisen, daß die Künstler Farben nicht auf gleiche Weise zu sehen vermögen, führt er an »das überhaupt schlechte Kolorit des Poussin und das traurige des Guercino; das ins grünliche fallende Fleisch des Barocci«, ähnliche verkehrte Idiosynkrasien in der Formgebung sind das ge- senkte Profil des letzteren, das kleine Kinn des Peter von Cortona, das lange Oval und die langen, gleichsam schwindsüchtigen Figuren des Parmeggianino.

Dann mustert er die Museen Europas und kommt zu dem Ergebnis, »daß das Schöne in der Kunst anderwärts nur einzeln sei«; er mag Dresden den Besitz eines Raffael »von der besten Manier« nicht mehr gönnen; nur in Rom kann die Empfindung des Schönen »völlig richtig und verfeinert werden«.

Daß er nun das Recht hatte, solchen Meisterton anzustimmen, dies konnte sich am Ende der Schrift zeigen, wo er auf das »besondere Schöne« eingehen will, d. h. auf das Schöne in Malerei, Bildhauer- und Baukunst. Er will »nur einzelne Blumen und Kräutern suchen«; um so freier war er, eigentümliche Beobachtungen auszuwählen; und diese sind ganz im Sinne der neuesten Strömung des Geschmackes, z. B. der Rückkehr zum Cinquecento in der Architektur und der Abwendung vom Manierismus in der bildenden Kunst. So warnt er, in starken Verkürzungen Verdienst zu suchen, tadelt die finsteren Schatten des Caravaggio, empfiehlt in der Komposition Weisheit (d. i. einer Versammlung von gesitteten und weisen Personen zu gleichen), Gründlichkeit (daß nichts müßig und leer sei), Vermeidung der Wiederholungen in Handlung und Stellung.

Von der Höhe dieser Erleuchtung kann er Guido Renis Apollo in der berühmten Aurora »nichts weniger als eine schöne Figur« nennen, er sei »gegen den Apollo des Mengs wie ein Knecht gegen dessen Herrn«. »Iiepolo macht mehr in einem Tage als Mengs in einer Woche; aber jenes ist gesehen und vergessen, dieses bleibt ewig.« Die Zeit hat anders geurteilt: wer mag noch vor Mengs' Gemälden ver- weilen, aber niemand wird mit Gleichgültigkeit die Fresken Tiepolos, des letzten Venezianers, im Palast Labbia zu Venedig ansehen.

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»In der Zeichnung ist die Schönheit der Probierstein«, und die Raffaelsdie Schule hatte sie der Nadiahmung des Altertums zu ver- danken. »Da diese Schule, welche nur wie die Morgenröte hervorkam, aufhörte, verließen die Künstler das Altertum und gingen, wie vorher geschehen war, ihrem eigenen Dünkel nach.« Die Bologneser Eklek- tiker suchten neben anderem wohl auch die Reinheit der Alten, aber mit unzureichendem Erfolge; »Domenichino mehr als alle Nachfolger der Carracci ... im Nackenden aber hat er die Raffaelsche Reinigkeit nicht erreicht«. Ebenso Guido Reni, obwohl er »die Schönheit kannte«. »Guercino band sich nicht an die Strenge der Zeichnung der Alten . . . Seine Bilder sind edel, aber nach seinen eigenen Begriffen entworfen. Albano ist der Maler der Gratia, aber nicht der höchsten, der die Alten opferten, sondern der unteren: die Köpfe sind mehr lieblich als schön.«

Die Mängel der Bologneser scheinen also daher zu kommen, daß sie noch etwas für sidi sagen wollten; in entschlossener Selbstverleugnung liegt das Heil.

Noch wunderlicher sind die Bemerkungen über das Kolorit. Es erhält seine Schönheit »durch eine fleißige Ausführung«. »Alle großen Maler haben nicht geschwinde gearbeitet.« »Rubens' Kolorit ist gegen das des Correggio und Tizian, wie das echte Porzellan gegen eine durchsichtige Glaskomposition.« Die Krone aller Gemälde im kleinen in der Welt ist die Verklärung Christi im Palast Albani, »welche die Gewißheit und Zuversicht zeigt, wo der freie Pinsel nichts verliert im nahen und viel weiter wirkt als der Pinsel in Gemälden, die fleißig geendigt und geleckt sind«. Aber diese Transfiguration ist eine minia- turartige Kopie mit verwaschenem Charakter und Ausdruck. Endlich werden uns zum Schluß noch einige allegorische »Perlen« geschenkt, wie in der lo des Correggio der lechzende Hirsch des Psalmisten und der Köcher unter der christlichen Lampe über dem Bett in Poussins letzter Ölung, deutend auf die feurigen Pfeile des Bösewichts.

Der Stil neigt in den allgemeinen Sätzen zu änigmatischer Kürze und Dunkelheit; er eilt zu Beispielen und Bildern, die gern aus entlegenen Quellen geholt sind. »Die meisten sind wie die leichten Teile, welche ohne Untersdiied von einem geriebenen elektrischen Körper angezogen werden und bald wiederum abfallen; daher ist ihr Gefühl kurz, wie

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der Ton in einer kurzgespannten Saite . . . Auf solche Mensdien wirken die wahren Schönheiten der Kunst wie der Nordschein, welcher leuchtet und nicht erhitzt: man sollte beinahe sagen, sie waren nach der Art der Geschöpfe, welche wie Sanchuniathon sagt, keine Emp- findung haben. Wenn auch die Schönheit in der Kunst lauter Gesicht wäre, wie nach den Ägyptern Gott lauter Auge ist, würde es dennoch so in einen Teil vereint, viele nicht reizen.« So alexandrinisch wie hier wird er übrigens wohl nicht wieder.

Auch dem Rezensenten in der Bibliothek der schönen Wissenschaften (X, 251 ff.) gab die kleine Schrift zu allerlei Ausstellungen Anlaß; obwohl er und andere im ganzen sich sehr dankbar aussprachen. »Wieviel (heißt es in den Leipziger Zeitungen von gelehrten Sadien 1764 S. 243 f.) müßten wir auch nicht aus diesen wenigen Bogen abschreiben, wenn wir die feinen Betrachtungen, welche sie enthalten, sammeln wollten.«

Besser am Platze wäre jene Widmung gewesen bei einem jungen Edelmann, der ein Jahr nach v. Berg in Pvom eintraf: Dalberg, Dom- herr zu Mainz, ein schöner Mann (grand et tout ä fait bei homme nennt ihn Wille). Liebenswürdig sei er, von gutem Geschmack, vieler Einsicht und Wissenschaft; nach seiner Rückkehr wolle er das Grie- chische studieren, »er reist mit vieler Würdigkeit, aber Frankreich will er nicht sehen« (22. Mai 1763). Wirklich beabsichtigte W^nckelmann, ihm eine ähnliche Abhandlung »von dem verderbten Geschmack in Künsten und Wissenschaften« zu widmen. Es ist der spätere Fürst Primas.

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Im Anfang des Jahres 1763 kam eine junge deutsche Malerin nach Rom, um die Heroen ihrer Kunst zu studieren. Vorher hatte sie in den Uffizien in einem ihr eingeräumten abgesonderten Zimmer kopiert; einige Monate später folgte sie einer Einladung nach Neapel, wo sie ihre Studien in der farnesischen Galerie auf Capo di Monte fortsetzte. Sie wollte sich zur Historienmalerin ausbilden. Es ist

34. [Fr. A. Gerard, A. Kauffmann, London 1893. V. Manners - G. C. Wil- liamson, A. Kauffmann, London 1950.]

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möglich, daß Winckelmann sie dort getroffen hat und ihr zugesehen, wie sie Tizians Paul III. und Correggios Danae malte. Inischia radierte sie 1763 den Kopf ihres Freundes Reiffenstein. Gewiß ist, daß nach ihrer Rückkehr in die Ewige Stadt (am 12. April 1764) das Porträt unseres Freundes ihr erstes Gemälde war. Diese Aufnahme geschah im Auftrage eines Schweizer Freundes, der stets von ihr sprach »wie von einer Muse, die uns freundlicher Erscheinungen und huldvoller Gespräche gewürdigt hatte«. »Caspar Füßli ließ mich von der geschickten Hand eines deutschen schönen Mädchens zu Rom in Öl malen«; eine »seltene Person« nennt er sie auch. Es war am 13. Juli 1764 geendigt und kostete dreißig Zechinen; schon vor der Vollendung hatte sie angefangen, es in Kupfer zu ätzen, einer ihrer ersten Versuche in dieser Art. »Ein anderer (Reiffenstein) arbeitet es in schwarzer Kunst, um mir ein Geschenk mit der Kupferplatte zu machen 35.«

»Das Mädchen, von welcher ich rede«, erzählt er weiter (18. August 1764), »ist zu Costnitz geboren, aber zeitig von ihrem Vater, der auch ein Mahler ist, nach Italien geführet worden, daher sie welsch so gut als deutsch spricht; sie spricht aber dieses, als wenn sie in Sachsen geboren wäre. Auch spricht sie fertig französisch und englisch, daher sie alle Engländer, welche hierher kommen, mahlet. Sie kann schön heißen und singet um die Wette mit unsern besten Virtuosen.« Im Atelier sah man später ihr Bild, unschlüssig zwischen den Genien der Tonkunst und der Malerei.

Angelikas regelmäßig schönes Gesicht, ihre großen blauen 3^ zugleich lebhaften und sanften Augen mit der eigen »beredten« Bewegung der Pupillen übten noch in ihrem Alter einen Zauber; wie groß muß er bei der Zweiundzwanzigj ährigen gewesen sein! Ihre Meisterschaft im Porträt, die Klarheit ihres Urteils, ihre »männliche Seele« über-

35. Ist dies die freilich erst nach seinem Tode veröffentlichte Platte des J. E. Haid? [Reiffensteins Radierung blieb unvollendet; Abbildung von A. Kauffmanns Porträt und Radierung bei A. Schulz, Die Bildnisse J. J. Winkelmanns, Berlin 1953, Abb. 6, 14; Schabblatt von Haid ebd. Abb. 15; die oben im Text erwähnte Radierung der Angelika von Reiffenstein aus Ischia 1763 ebd. S. 51; s. Briefe III, 440 ff.]

36. azzuri nennt sie de Rossi; Klopstock, der sie als Thusnelda gemalt haben wollte, bittet sie, »ja ihre schwarzen Augen bei dieser Gelegenheit nicht in blaue zu verwandeln«. 28. August 1770 [an Gleim].

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raschte bei solcher Jugend und Zartheit »wie eine in sich zurüdt- gescheuchte Taube«. Später, nach dem Leben in der großen Welt, bewunderte man, wie die Modemalerin doch stets eine reine Vestalin geblieben war, wie Herder sagte, »ein frommes Opferlamm ihrer Kunst«; wie sie unter dem schönsten fremden Himmel ihr deutsches Gemüt behalten hatte.

In den Bergen von Chur, am Comer See (seit dem elften Jahre) hatte sie ihre erste Jugend verlebt und in Mailand zuerst Gemälde der großen Zeiten gesehen, vielleicht der Schule Leonardos. Musik, Gesang, die Dichter Italiens, Klopstock, Zeichnen, das war die Luft, in der sie atmete. In der »malerischen Ideenwelt, in einer eigenen großen und fröhlichen Welt, die in ihr war«, blieb sie stets von der Gemeinheit, doch auch vom Leben geschieden; sie erschien stets als ein junges Mädchen.

Ein so eindrucksfähiges und geschmackvolles Wesen konnte an der Antike nicht gleichgültig vorübergehen, und auch der Geist griechischer Kunst schien in ihrer Seele eine Lichtspur zurückgelassen zu haben. Damals fand man ihre Formen »voll Anmut und ganz in griechischer Würde hingestellt«; in ihrer Gewandung insbesondere Ähnlichkeit mit Poussin, der sich ja auch nach den Statuen gebildet hatte. Die Manieren der bisherigen Kunstroutine waren verschwunden, noch mehr als bei Mengs, der damals nicht in Rom war, und von dem sie nichts gelernt hat.

Damals also, bei ihrem Aufgange, ist Angelika, die dreißig Jahre später »in Rom den Ruhm behauptete, die erste ihres Geschlechtes unter den Gesdiichtsmalern zu sein«, mit dem Lehrer »griechischen Geschmackes« zusammengetroffen. An Gesprächen über Schönheit und Grazie der Antike wird es nicht gefehlt haben, obwohl eine nähere Beziehung zwischen der schüchternen und bescheidenen Künst- lerin und dem um ein Viertel Jahrhundert älteren Gelehrten nicht eingetreten zu sein scheint; der Ton, in dem er von ihr spricht, ist auffallend kühl, verglichen mit jenen schwärmerischen Briefen an den nordischen Junker.

Das Bildnis Winckelmanns ist wohl ihr berühmtestes, jedenfalls ein sehr glückliches, und für ihr damaliges Alter eine erstaunliche Leistung; übrigens hatte sie schon im neunten Jahre mit Erfolg in Pastell

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porträtiert. Es ist den übrigen Bildnissen desselben Gelehrten so wenig ähnlich, daß man sie zum Teil für Porträts verschiedener Personen halten könnte. Wer ist glaubwürdig, Maron, Mengs, Casa- nova oder Angelika: Ihre Treue dürfen wir w^ohl nicht bezweifeln; aber sie hat über das Bild des Gelehrten einen Geist, eine Eleganz ergossen, die in den anderen fehlt. Am meisten in dem leider ver- breitetsten von Maron, wo er einer alten Dame gleicht. Nicht immer war sie im Treffen so glücklich. Goethe sagte von seinem Bilde: es ist immer ein hübscher Bursche, aber keine Spur von mir. Sie besaß die Kunst, nicht bloß die Formen, sondern auch die Gemütsart zu treffen; sie wußte den günstigsten Gesichtspunkt aufzufinden; sie erspähte eine malerische Pose, die der Person eigentümlich, wenn auch selten war; sie entdeckte oder ersann eine Wendung, einen sinnenden Blick, der anderen Künstlern entging; sie ordnete die Gewandung, unab- hängig von der Mode, mit weiblichem Geschmack. So erfaßte sie einen jener Augenblicke, wo vor dem Seher und Dichter der Schustersohn und Schulmeister aus Stendal verschwand, dessen derbe Struktur man in den knochigen Händen erkennt. In demselben Jahre, wo sein bedeutendstes Geisteserzeugnis in die Welt ausging, wurde den Freunden diese feinsinnig geistvolle Auffassung seiner Züge geschenkt. Angelika ätzte es auch in Kupfer, was anfangs Reiffenstein tun wollte; Winckelmann dachte, dies Bildnis der »Allegorie« vorzusetzen.

Angelika hatte bis dahin nur das Porträtfach gepflegt. Daß sie sich davon losmachen konnte (was bekanntlich nicht leicht ist, besonders bei solchem Erfolge), ist ein Beweis von Willensstärke und Talent. Fünfzig Guineen erhielt sie für ein Bildnis. Sie hatte nicht viel Saiten auf ihrer Lyra, aber die Akkorde, die sie anstimmte, waren ganz ihr Eigentum. Es gehörte jene große Ebbe der Kunst dazu, daß audi Talente wie sie, die in früheren Zeiten gewiß im Gefolge tonangeben- der Koryphäen verschwunden wären, sich so auf eigene Füße stellen, einen eigenen Stil und eigene Gestaltenwelt sich schaffen konnten. Sie ist wohl die einzige Malerin, die dies vermocht hat. Die Gering- schätzung, die der Schwärm ihrer heutigen Kolleginnen gegen sie zur Schau trägt, ist nicht edel, aber begreiflich. Ein neuer Geist kündigte sich an. Während bisher der Gegenstand nur Vorwand gewesen war, so fing man jetzt an zu glauben, daß die Künstler nicht bloß zahlen

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sollten mit dem, was sie tun, sondern auch mit dem, was sie sind. So begann Angelika von innen mit einem dichterischen, historischen Zuge, der sie getroffen hatte. Dann lebte sie sich in die Begebenheit hinein, sie machte sich die Situation lebendig, hegte die Szene mit weiblicher Wärme, bis sie malerische Gestalt gewonnen hatte. Dies geschah zu- weilen im Moment; die Szene von Goethes Wanderer stand gleich nach der Vorlesung so lebhaft vor ihr, daß es, wie sie sagte, von ihrer Seite nichts weiter bedurfte als einer treuen Kopie. So war es wieder die Seele, aus der die Komposition hervorkam; sie war »eine Dichterin mit dem Pinsel«, und das war ein neues Element. Von jetzt an wurde unter den Malern nach poetisch-historischer Belesenheit gefragt. Her- der schien Angelika »vielleicht die kultivierteste Frau in Europa«. Sein und Goethes Bild standen ihrer Staffelei gegenüber, zur Erinne- rung an die Höhepunkte ihres Lebens.

Die anmutigste Leichtigkeit (franchezza) der Ausführung stand ihr zu Gebote. Goethe schreibt ihr ein »unglaubliches und als Weib wirklich ungeheures Talent« zu. Diese hohe Gabe malerischer Sprache gab ihr das Erkühnen und ihr verfeinertes reines Wesen auch das Recht, zu ihrer Zeit zu reden. Denn alles, was sie malte, war ein Spiegel ihres Gemütes. »Alle ihre Werke«, sagt Reinhart, »sind von dem Haudie einer Seele belebt, welche bloß dasjenige im Räume wiedergab, was sie selbst war.« »Jedes Bild«, sagt ein anderer ihrer Verehrer, »ist ein Ausdruck ihrer schönen Seele; ein Engel gab ihr Namen, Griffel und Farbenschmelz.« Eine Madonna nannte sie Herder, »eine schweigende sittliche Grazie«. So kam nun freilich in ihre Frauengestalten eine »eigene, unnachahmliche Weiblichkeit«, ein Hinschmachten, ein rüh- rendes Ergeben, das die Kenner einnahm, aber ihre Männer schienen »so züchtig und blöde wie verkleidete Mädchen«. Und so machen ihre Bilder auf uns den Eindruck einer vergangenen Mode; wenn man auch an einigen noch immer Freude haben kann in einzelnen Augenblicken. Man nannte sie einst »eine liebliche Erscheinung jener Zeit der dämmernden Morgenröte eines besseren Geschmackes«.

ZWEITES KAPITEL

DIE GESCHICHTE DER KUNST DES ALTERTUMS^

Der Gedanke eines Werkes unter dem Titel »Geschichte der Kunst« war Winckelmann unter den ersten Eindrücken der römischen Denk- mälerwelt aufgegangen. Die Ausführung hat von da an nie aufgehört, ihn zu beschäftigen. Eigentlich ist das Werk nie zum Abschluß gekommen, der Tod zerriß einen Faden, den er wer weiß wie lange noch fortgesponnen hätte.

Rom ist es gewesen, dem wir die Eingebung auch dieser Geschichte verdanken, wie einst Villanis Chronik, zu jener Zeit die Erzählung des römischen Verfalles, und bald darauf die der römischen Anfänge. Zu den Geistern verschiedener Art, die den römischen Boden (nur Geistersehern sichtbar!) umschweben, gehört die Muse der Geschichte. So unerreichbar groß erscheinen hier die Reste alter Kultur, so unermeßlich, was durch eine fast ebenso unbegreifliche Zerstörung verschwunden ist, daß der Gedanke sich unser bemächtigt, das größte sei gewesen, und das beste für uns, das tröstlichste sei, dies Gewesene zu betrachten. In Rom fühlt man sich mehr als auf irgendeinem anderen Flecke der Erde als Gast und Angehöriger einer alten Welt; und das Alter wendet sich rückwärts, der Jugend zu, wie hohe Bäume ihre Wipfel dem Aufgang zuneigen.

Das Buch ist in mehreren, vier zum Teil noch vorhandenen Bearbei- tungen, Anläufen zu seiner jetzigen Gestalt die ihm nicht mehr sein Urheber selbst erteilte herangewachsen. Die erste Kunst- geschichte war vor den Reisen nach Neapel und Florenz fertig; äußere Umstände und erweiterte Einsicht bestimmten den Verfasser zur Zurückziehung des schon übergebenen Manuskripts des ersten Teiles,

I. [Johann Joachim Winckelmanns Geschichte der Kunst des Altertums. Herausgegeben und eingeleitet von Victor Fleischer. Berlin und Wien 191 3. Neudruck der ersten Ausgabe. Ein weiterer Neudruck der Erstausgabe von 1764 ersdiien im Phaidon- Verlag, Wien 1934.]

DIE KUNSTGESCHICHTE 93

im Herbst 1759; und eine zweite Bearbeitung, Ende 1761, im ganzen vollendet, traf im Frühjahre in Dresden ein, erschien aber wegen des Krieges erst vor Weihnachten 1763 im Drucke. Kaum aber waren die beiden Quartanten in seinen Händen, so sprach er schon von der Notwendigkeit einer neuen Ausgabe. Und da die starke erste nicht so bald vergriffen war, so konnte er sich nicht enthalten, seine Zusätze und Verbesserungen in einem besonderen Werke, den Anmerkungen (1767), bekanntzumachen. Das Erscheinen einer französischen Über- setzung (1766), das Projekt einer englischen gaben den Anreiz zu einer vierten Bearbeitung, die, um dem alten Verleger zu entgehen, in französischer Sprache zu Berlin herauskommen sollte. Die fast vollendeten Vorarbeiten sind zur Zeit verschwunden, aber von den Herausgebern der Wiener Kunstgeschichte (1776) benutzt worden.

»Wie oft«, rief Winckelmann schon im Frühjahre 1762 (3. März, an J, J. Volkmann), »habe ich die Geschichte der Kunst abgeschrieben, und wieviel Stöße von den ersten Entwürfen!« Die Füllung des Rah- mens durch Einschaltung neu gefundener oder neu erkannter Denkmäler war es besonders, was dieses Nachtragen endlos machte. Sonderbar! Gleich nach der ersten Skizze will er unter die Presse (1758); und noch zehn Jahre später möchte er ein »ganz neues Werk« daraus machen. So steht denn die Kunstgeschichte als eine sehr ungleiche Arbeit vor uns: ein Gemälde, in dem einige Figuren bloße Umrisse geblieben sind, während anderen die ausgesuchteste Vollendung be- schieden war, klassische Kapitel, würdig der Nachwelt, und ganz Provisorisches, Not- und Ausfüllungsskizzen.

»Wir finden ihn immer in Tätigkeit ... Daß seine Werke, so wie sie da liegen, erst als Manuskript auf das Papier gekommen und sodann später im Druck für die Folgezeit fixiert worden, hing von unendlich mannigfaltigen kleinen Umständen ab. Nur einen Moment später, so hätten wir ein anderes Werk, richtiger an Gehalt, bestimmter in der Form, vielleicht etwas ganz anderes.« (Goethe.)

Dies lag auch in der Natur des Werkes: es enthielt Dinge, mit denen nie abzuschließen ist, und solche, über die eine erste Intuition den Berufenen erleuchtet. Das eine liegt in dem, was man später den Geist der Antike und damals griechischen Geschmack nannte; es ist zugleich dasjenige, worin Winckelmanns eigentümlicher Genius, seine Emp-

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findungsweise zu Wort kommt, Grundzüge, an denen die Werke des Altertums alle mehr oder weniger teil haben. Es ist das Philosophische. Das andere, eigentlich Historische, ist bei einem beweglichen Forscher- geist, einer unerschöpflichen Fundgrube gegenüber, und bei unab- lässigem Lesen der Alten unvermeidlich in stetem Werden begriffen. Auch heute noch hat ja jede Kunstgeschichte des Altertums etwas Vorläufiges.

Dieses Werk nun, » an welches er alle Kräfte gewandt und alle Segel ausgespannt« (27. Februar 1762), in dem er das Beste, was er geschaut und gedacht, niederlegte, dies ist es vor allen anderen, auf dem der Ruhm seines Namens ruht, der eigentliche Rechtsgrund einer Erzäh- lung seines Lebens. Indem er die griechische Kunst, bis dahin ein versiegeltes Buch, wieder aufschließt, ihre menschliche, ewige Bedeu- tung fühlbar macht: so wird nun auch überall da, wo das Bewußtsein von dem unvergänglichen Werte dieser Kunst lebendig ist, seines Wirkens dankend gedacht, sein Bild mit Interesse betrachtet. Er hat seinen Namen mit der griechischen Kunst so eng verknüpft, daß (wie Boswell^ sich wünschte) das große Fahrzeug sein bescheidenes Boot durch das Meer der Zeiten mit sich führt.

Vorläufer der Kunstgeschichte

Dieses Buch also, als das erste seiner Art, das selbst innerhalb der seitdem so erweiterten Wissenschaft noch durch keins von gleichem Gedankenreichtum und solch schriftstellerischer Meisterschaft ver- dunkelt worden ist: dies Origifialwerk stellt hier die Frage nach den Bedingungen seiner Entstehung. Man will die Wurzeln sehen, durch die es mit der gelehrten Literatur der Zeit zusammenhängt.

Solche Bedingungen liegen außer in der Bildungsgeschichte des Verfassers in den oft unscheinbaren und wenig bekannten Beiträgen derer, die die Wildnis etwas gelichtet, Orientierungspunkte angegeben, einige Fermente der Erkenntnis hingeworfen hatten.

Wenig hat die Kunstgeschichte den Schriften zu danken, die im

2, [Er lernte übrigens Winckelmann im Mai 1765 in Rom kennen; s. auch unten III, S. 334 und Briefe III, 467.]

VORLÄUFER DER KUNSTGESCHICHTE 95

Titel mit ihr zusammentrafen, z. B. die Kunstgeschichte des Malers P. Monier 3, Durands Erläuterung der Künstlernotizen im Plinius. Winckelmann bemerkte mit Recht, daß die Kunst an diesen Historien wenig Anteil habe; denn ihre Verfasser hätten sich mit derselben nicht genug bekannt gemacht und konnten also nichts geben, als was sie aus Büchern oder von Sagenhören hatten. Das wegen des darin gesammel- ten Stoffes bedeutendste Werk über alte Kunst waren des Franz Junius drei Bücher von der Malerei der Alten (zuerst 1637), denen 1694 ein Künstlerkatalog folgte, der über ein Jahrhundert als Haupt- hilfsmittel des Studiums griechischer Kunst galt. Junius war eines der ersten Bücher, die sich Winckelmann in Rom anschaffte. Man spürt in diesem Werke eine Zeit und Umgebung, wo die Malerei des höchsten Glanzes und Ansehens sich erfreute (vgl. II, 7, 3): es ist geschrieben in England, wo der Verfasser dreißig Jahre lang im Arundelschen Hause lebte, und Karl I. gewidmet; Rubens' und van Dycks beifällige Urteile sind vorgedruckt. Dieses in elegantem Latein geschriebene Werk ist eine Art Philosophie der Kunst, nur daß des Autors Gedankengang sich bescheidet, bloß der Faden zu sein, an dem klassische Aussprüche, Vorschriften und Beispiele, Sentenzen aller Art aufgereiht werden, und zwar durcheinander aus allen Zeiten, von Homer bis auf Proklus und Isidor. Schon auf Hugo Grotius machte es den Eindruck eines römischen Mosaiks, und Rubens bewunderte die saubere, schöne Ordnung, in der es Junius gelungen sei, diesen un- ermeßlichen Gedankenschatz auszustellen.Trotz dieser kompilierenden Manier hat das Werk keinen historischen Charakter; nicht einmal der Gedanke scheint ihm je gekommen zu sein, den Stoff zur Beleuchtung der Kunstformen und Kunstzustände des Altertums zu benutzen. »Da er Rom nicht gesehen«, bemerkt Winckelmann (9. März 1757), »und die Kunst nicht sein Werk gewesen, so hat er vieles nicht verstanden und auf vieles nicht gemerkt.« Seine Erörterungen schweben in einer gewissen allgemeinen Höhe über dem Gegenstande: in der Moral und

3. Histoire des Arts qui ont rapport au dessein ... il est traite de son origine, de son progres, de sa diüte, et de son retablissement. Ouvrage utile au public pour savoir ce qui s'est fait de plus considerable en tous les äges dans la Peinture, la Sculpture, TArchitecture et la Gravüre, et pour distinguer les bonnes manieres des mauvaises. Paris 1698.

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Pädagogik der Kunst, in den Grenzbezirken der bildenden und reden- den Künste ist er zu Hause; kurz, sein Werk kommt aus der Bücherwelt und wendet sich an die Bücherwelt.

Zu der Zeit, als Winckelmann an seinem Buche arbeitete, erschien das Werk eines jungen Franzosen, der gleich nach dessen Erscheinen starb Goguets Ursprung der Gesetze, Künste und Wissenschaften (1758), ein Werk, dessen Wert er sofort erkannte und aussprach; er nennt »das ihm werte Buch« (ein Geschenk Leonhard Usteris) »eine von den besten Schriften nicht allein der Franzosen, sondern auch unserer Zeit« (i. Januar 1763). Dieses Werk zieht auch das Technische der schönen Künste heran; aber sein Zweck ist Erklärung der Anfänge; sein Gesichtspunkt ist der des Anthropologen und Kulturhistorikers, nicht des Ästhetikers und des Liebhabers. Goguet wies u. a. darauf hin, daß es ein Weltalter gegeben, wo die zeichnenden Künste, die jetzt dem Vergnügen und Luxus dienen, den höheren Zweck hatten: Ausdruck von Gedanken, Überlieferung der Kenntnisse auf die Nach- welt zu sein, also die Schrift zu ersetzen. Er hat bereits in den sogenannten Donnerkeilen (pierres de foudre) die früheren Stell- vertreter des Eisens erkannt und das Stein- und Kupferzeitalter als eine allgemeine, auch die jetzigen europäisch-asiatischen Kulturvölker umfassende Periode gekennzeichnet. Diese Origines der Kunst aber standen außerhalb des Winckelmannschen Planes, den sie ergänzen. Doch hat Goguet in den wenigen Bemerkungen, die er über griechische Kunst zu machen Anlaß findet, geschichtlichen Blick gezeigt; wenn er die gänzliche Verschiedenheit des Tempelstils der römischen Ruinen von den echten althellenischen Ordnungen behauptet; zeigt, daß die Griechen Schönheit und Reichtum der Baukunst für öffentlidie Ge- bäude reservierten und Paläste gar nicht besaßen; und daß sie in den schönen Künsten ebenso glorreich waren, wie sie die des Komforts vernachlässigten, darin gründlich unmodern und antimodern.

Winckelmanns Kunstgeschichte besteht aus zwei verschiedenen Hälf- ten, einer systematischen und einer erzählenden. In der ersten, der Theorie der Schönheit, trifft er mit den Lieblingsuntersuchungen der damaligen Ästhetik zusammen. Die Lehre vom Idealschönen (beau ideal) war ein herkömmliches Thema nicht bloß italienischer Aka- demiker, Poeten, Essayisten über Malerei. In einem Punkte tritt

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Winckelmann jenen »Analysen, Untersuchungen über den Ursprung der Vorstellungen des Schönen, der Tugend, des Erhabenen« usw. besonders nahe: in der Zurückf ührung der schönen Formen auf Linien obwohl die Verbindung dieser Linientheorie mit dem Begriff des Ideals und der »Ruhe« durch den Begriff der »Unbezeichnung« ihm allein eigen ist.

Anregungen neuerer Kunstgeschichte

Wie kam es, daß man eine Kunstgeschichte zuerst an der antiken Plastik versuchte? Ein Blick auf den Denkmälervorrat, mit dem Winckelmann gearbeitet, die bloße Möglichkeit der nach ihm auf- gestellten These, daß von Phidias bis auf Hadrian keine Bewegung in der Kunst stattgefunden habe, beweist, wie wenig diese Denkmäler ein solches Unternehmen zu ermutigen geeignet waren. Viel näher hätte es gelegen, das beliebte Schema der Erzählung des Steigens und Sinkens einmal auf die neuere Kunst anzuwenden und dafür die Lebensgeschichten der Maler etwas ruhen zu lassen. Rubens war schon in jenem Brief an Junius (vom i. August 1637) der Meinung, da wir die Werke der alten Maler uns nun doch einmal bloß in der Phantasie wohl oder übel nahezubringen vermöchten (wie Traumbilder erschei- nen sie uns; ihre aus bloßen Worten gebildeten Umrisse entschlüpften, wie Eurydice, unseren Armen, die Hoffnung täuschend; alle seine Versuche, sie nachschaffend wiederzubeleben, scheiterten): so wünsche er, einen ebenso fleißigen Traktat über die italienische Malerei gedruckt zu sehen, deren Originale noch heute vor aller Augen dastehen. Davon verspricht er sich einen ganz anderen Nutzen.

Man wird einwenden, daß in jener Zeit das Interesse und Verständ- nis neuerer Kunst jenseits Correggio und Raffael aufhörte: indes hat es auch während der hohen Flut des Manierismus manche gegeben, die zu stolz waren, was sie mit eigenen Augen gesehen, gering zu achten, um in den Chor der Mode mit einzustimmen. Manche Urteile von Italienern und Ausländern, besonders Engländern, ließen sich in dieser Beziehung zusammenstellen; köstliche Sammlungen von Hand- zeichnungen verdankt man gerade jener Zeit. Obenan steht die des Kardinals Leopold von Medici, die vierhundertsiebzig Meister um-

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faßte, und die ihm Baldinucci in mehr als hundert Bänden chronologisch ordnete. Diese Bände, bemerkt der Gelehrte, enthielten eine Art Geschichte 4, indem man auch ohne Text, durch bloßes Betrachten, die Fortschritte der Kunst wahrnehmen, ja auf Grund des unzweifelhaften Zeugnisses der eigenen Hand jedes Künstlers beurteilen könne, wem von ihnen die Kunst irgendeine Verbesserung verdanke. Er kam durch diese Arbeit auf die Idee eines Stammbaumes, der von Cimabue durch zweiundvierzig Dezennien hin bis auf die Lebenden herabreichen sollte; im Verlauf der Arbeit aber erwuchs aus einem chronologischen Register zwar keine Kunstgeschichte, aber jene biographische Notizen- sammlung, die 1691 zu Florenz herauskam.

Ein Verehrer des Tre- und Quattrocento in Rom war der P. Seba- stiano Resta aus Mailand (1635— 17 14), den der Spötter Ghezzi einen »leidenschaftlichen Sammler von Kindesbeinen an« nennt. Er eiferte für die Erhaltung der Fresken des Melozzo da Forli, als die Tribuna der Apostelkirche dem Abbruch bestimmt wurde; er predigte die Wichtigkeit der Handzeichnungen für das Verständnis jener Alten, »die wir verehren müssen als die ersten Schimmer (albori) des Genius. Denn in den Zeichnungen erkennt man diese Vorboten der Morgen- röte des fünfzehnten Jahrhunderts besser als in ihren übermalten und geschwärzten Gemälden.« Er hatte seine Sammlung als Parnasso de' Pittori nach dem Vorbilde Herodots in neun Teilen nach den Namen der Musen geordnet; sie sollte die Geschichte der Malerei vom drei- zehnten bis siebzehnten Jahrhundert vor Augen führen.

»Vom Ursprung, Fortgang und Wachstum der Geschichte der Kunst«, schreibt Winckelmann, »können sich diejenigen mehr als andere einen Begriff machen, welche die seltene Gelegenheit gehabt haben, Gemälde und sonderlich Zeichnungen von den ersten Malern in Italien bis auf unsere Zeit zu sehen. Vornehmlich wenn man eine ununterbrochene Folge von Zeichnungen von mehr als dreihundert Jahren wie mit einem Blick durchlaufen und übersehen kann, wozu ein Teil der großen Sammlung von Zeichnungen Gavaceppis eingerichtet ist, und wenn man aus denselben die Stufen der neueren Kunst mit denen, die sich in der Kunst der Alten entdecken, vergleicht, so erlangt man deut-

4. Pareva a me die questi cosi fatti libri, ordinati per la successione de' tempi fossero per avere un non so die della storia.

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lidiere Begriffe von dem Wege zur Vollkommenheit unter den Altena« Die Familie Albani war bis 1762 noch im Besitze der Zeichnungen Clemens XL; die Bibliothek Corsini enthielt dreißig Bände Original- skizzen, Pensieri und Zeichnungen berühmter Meister; die Kupfer- stichsammlung war nach Schulen der Maler geordnet mit Anschluß der peintres graveurs.

Versuche, unseren Vorstellungen vom Stil alter Künstler durch moderne Parallelismen etwas Inhalt zu geben, waren damals nichts Seltenes. Wenn man über die Sache selbst wenig oder nichts zu sagen weiß, kann man immer noch eine Abhandlung füllen mit Vergleichen, Erörterungen, was sie »schon ist« und »noch nicht ist«, Bekenntnissen des Verfassers, woran sie ihn erinnere. So verfuhr Turnbull, um das »kostbare und gemißbrauchte Papier« des Textes zu seinen antiken Gemälden zu füllen. Er übergießt den Leser mit einem Phrasenstaub- regen über die Ähnlichkeit Raffaels mit Apelles, Buonarrotis mit Euphranor, Zeuxis mit Tizian, Parrhasios mit Correggio usw. Mit mehr Kenntnis und Geschmack als Durand hatte der Graf Caylus in seiner Abhandlung über den Charakter und die Manier der griechischen Maler (1753) versudit, den lakonischen Charakteristiken des Plinius aus seinen Anschauungen neuerer Malerei etwas Farbe zu geben.

Ein zusammenhängendes Bild des Ganges neuerer Kunst hätte ohne Zweifel manchen Aufschluß über die alte Kunst oder wenigstens Fingerzeige geben können. Und für solche Universalansichten war Rom ganz der Ort. Hier waren die Urkunden der Anfänge christlicher Kunst erhalten. Jedes Zeitalter hat hier etwas zu seinem Gedächtnis gestiftet. Nicht bloß Raffael und Michelangelo, audi ihren Vorläufern und Epigonen hat Rom ihre größten Aufgaben gestellt und eine eigene Größe der Gedanken und Formen eingehaucht.

Francesco Bianchinis Plan eines christlichen Museums (1703 begon- nen), das nach der Zeitfolge die Kirchengeschichte durch gleichzeitige Kunstwerke begründen und veranschaulichen sollte ein Plan, von dem uns das 1752 erschienene Prachtwerk seines Neffen Giuseppe einen Begriff gibt , wäre unter günstigeren Umständen ein Werk von kunstgeschichtlicher Bedeutung geworden.

Von solchen vergleichenden Gesichtspunkten aus hat nun auch

5. [Werke (Eiselein) V, 172; vgl. II, S. 390.]

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Winckelmann die neuere Kunst in Rom beschäftigt. Er glaubte gefun- den zu haben, »daß das Schicksal der Kunst überhaupt in den neueren Zeiten in Absicht der Perioden dem im Altertum gleich sei; es seien ebenfalls vier Hauptveränderungen in derselben vorgegangen«:

I. In den Anfängen der neueren Kunst war der Stil trocken und steif bis auf Michelangelo. Die Zeichnung des Mittelalters war wie die ägyptische, die althetrurische und -hellenische ideal und meschin, einfach; aber diese Einfachheit ist gofferia, nicht die hohe Einfalt der Schönheit. Als man nun das Mißverhältnis zwischen dieser Simplizität und dem Reichtum der Naturformen gewahr wurde, griff man zunächst nach dem entgegenliegenden Fehler: nach der entnervten, schwindsüchtigen Zeichnung gefiel die übertriebene (caricata), in Formen und in Handlung. Statt der Schönheit, die sich der Kunst noch versagte, erfreute man sich an der Zierlichkeit: die Quattrocentisten endigten ihre Werke mit unglaublicher Geduld und suchten durch die Ausführung der allerkleinsten Sachen einen Glanz über ihre Werke zu verbreiten. Er fand an den Grabmälern des Sansovino (in Santa Maria del Popolo) und anderer Bildhauer zu Anfang des sechzehnten Jahrhunderts die Figuren alle mittelmäßig; aber die Zieraten seien dergestalt ausgearbeitet, daß sie unseren Künstlern zum Muster dienen könnten. Sonach hatte die präraffaelitisdie Kunst eine Einfalt und Reinigkeit, die desto mehr zur Verbesserung geschickt ist, je un- gekünstelter und unverdorbener sie sich erhalten hat. »Wie der Weg zur Tugend rauh und eng, so ist der Weg zur Kunst, und zwar der zur Wahrheit derselben führt, strenge und ohne Ausschweifung und muß so sein . . . Die Altväter der Kunst annoch in der Kindheit der- selben haben den Umriß ihrer Figuren mit einer genauen Bestimmung angegeben und begnügten sich nicht wie diejenigen, die man Maschi- nisten nennt (d.i. die großeWerke geschwind ausführen), ihre Figuren aus dem Gröbsten zu entwerfen und das übrige dem Glück des Pinsels zu überlassen . . . Durch solche strenge Zeichnung gelangte dieselbe endlich zur Richtigkeit, und der Meister offenbarte sich in den zuverlässigen, kaum angedeuteten Zügen auch der kleinsten Figur . . . So war Italien damals ein fruchtbarer, nicht erschöpfter, aber auch nidit vernachlässigter Boden, der durch eine besondere Bearbeitung den verschlossen gewesenen Reichtum seiner Fruchtbarkeit ausläßt.«

ANREGUNGEN NEUERER KUNSTGESCHICHTE lOI

Die Übertriebene Zeichnung kam durch einen einzigen Künstler, in dessen Werken dasjenige aufs frappanteste in Erscheinung getreten sein soll, was man sich nach einzelnen für hetrurisch geltenden Werken als Nationalstil dieses Volkes vorstellte. »Der Stil der alten hetrurischen Künstler blicket noch itzo hervor in den Werken ihrer Nachkommen und entdecket sidi unparteiischen Augen der Kenner in der Zeichnung des Michael Angelo, des größten unter ihnen . . . Auf dem Wege des genau bezeichneten Umrisses, der sich in der Härte offenbart, und durch die Gewißheit der Kenntnis, wo alles aufgedeckt vor Augen liegt, würden die Künstler in den neueren Zeiten durch den schar- fen Umriß und durch nachdrückliche Entdeckung aller Teile von Midiael Angelo zu ihrer Höhe gelangt sein, wenn die Bildhauer auf dieser Spur geblieben wären.« Denn diese Parallele zwischen Alten und Neuen erstrecke sich bloß auf die moderne Malerei, nicht auf die Plastik, deren Geschichte sehr kurz sei: »sie blühte in Michael Angelo und Sansovino und endigte mit ihnen; Algardi, Fiammingo und Rus- coni kamen über hundert Jahre nachher«; das Beste der Modernitä könne sich nicht neben dem Mittelmäßigen der Alten sehen lassen; wahr- scheinlich weil die Skulptur weniger geübt wurde und folglich auch ihre großen Meister weniger Gelegenheit sich zu bilden gehabt haben.

2. Die Herstellung der Kunst unter Julius IL und Leo X. glich ihrer Erhebung unter Perikles. Wie in den Zeiten vor und nach Phidias fing diese Wiederherstellung nicht in einzelnen Ländern an, um sich von da in andere auszubreiten, sondern die ganze Natur der Menschen- kinder schien damals in allen Ländern rege zu werden, und große Erfindungen taten sich mit einem Male hervor. Raffael ist es, in dem die Antike wieder geboren ward. Zwar nicht im Ideal, aber im Kon- tur und in der Aktion. Wenn Winckelmann griechische Formen seinen Lesern veranschaulichen will, verweist er sie auf die Handzeich- nungen Raifaels. Der Hand des Bildhauers der Niobe, der Hand, die jene hohe Einfalt des Umrisses schuf, die die Gestalten über Sterb- lichkeit und Stoffwelt hinauszurücken scheint, ist verwandt die fertige Hand des großen Raffael, die, seinem Verstände als ein schnelles Werk- zeug gehorchend, mit einem einzigen Zuge der Feder den schönsten Umriß des Kopfes einer heiligen Jungfrau entwerfen und unver- bessert richtig zur Ausführung bestimmt hinsetzen konnte. Auch die

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roten Figuren kampanischer Gefäße erinnern ihn an Raffaels erste Entwürfe jener Gedanken, in denen der Umriß eines Kopfes, ja gan- zer Figuren, mit einem einzigen unabgesetzten Federstrich gezogen ist. Kenner unterschieden noch jetzt die Zeichnungen des Francesco Penni, genannt Fattore, die denen seines Lehrers am nächsten kom- men, bloß an den oft abgesetzten Linien der Umschreibung der Figuren, die in des Meisters ersten Gedanken, wie diese selbst, eine aus der anderen fließen und geschrieben heißen können.

Nun ist allerdings die Einfalt, in der Raffael die Alten nachgeahmt, eine marmorne Manier, d. i. ein totes steinernes Wesen genannt wor- den; wie der geschmacklose Malvasia in Bologna von seiner maniera statuina sprach und einem Mangel an Rundung und Reiz (vaghezza), weil ihm die Sicherheit der Zeichnung und die richtig und streng an- gegebenen Figuren Raffaels gegen die Weichheit der Umrisse und gegen die rundlich und sanft gehaltenen Formen des Correggio hart und steif erschienen. Nach Winckelmann beruht dies Urteil aber auf einem ähnlichen schiefen Geschmack, wie der Vorwurf der Härte, der einst der Kunst vor Lysipp gemacht wurde.

Das Wahre ist vielmehr, daß sich im Anfang des sechzehnten Jahr- hunderts, als der goldenen Zeit der Kunst, die Grazie den Malern mehr als ihren Nachfolgern oifenbarte . . . Leonardo da Vinci und Andrea del Sarto, die wenige Werke der Alten zu sehen Gelegenheit hatten, dachten und arbeiteten, wie wir uns die griechischen Maler vorstellen müssen, und der Christus unter den Pharisäern von Leo- nardo ist wie die Madonna del Sacco des Andrea zu Florenz des Altertums würdig. Ja in des Andrea Köpfen ist so viel Unschuld und wahre anerschaffene Grazie, daß ein Pythagoräer sagen würde, es habe die Seele des Protogenes oder des Apelles in dessen Körper ihre Wohnung genommen.

3. Von dieser leonardesken Grazie unterscheidet sich die gefällige Grazie, der Vorzug des Correggio in der neueren Zeit, wie des Praxi- teles und Apelles im Altertum. Aber die modernen Verbreiter des an- mutigen Stils sagten ihm offenbar weniger zu, als ihre Verwandten unter den Alten. Er verrät eine ebenso bestimmte Abneigung gegen Correggio, wie gegen dessen Antipoden den großen Florentiner. Selbst in der Madonna der Heiligen Nacht vermißt er die hohe Idee.

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Sein affektiertes Lächeln, die undulierenden Profile, die gesuchten Verkürzungen, die nervöse Beweglichkeit, der Akzent höchsten Lebens- reizes — in alles dies konnte er sich nicht finden. Er mochte zuletzt dem Correggio nur noch die komische oder faunische Grazie zuge- stehen. »Von dieser neueren, nicht selten gezierten und vielmals über- triebenen Grazie bis zu der gefälligen Grazie der alten Künstler sei aber kein geringerer Sprung, als etwa von dieser bis zu der erhabenen Grazie des hohen Stils ehemals von wahren Kennern wird haben be- merkt werden können.«

4. Nach einer Zwischenzeit, die auf Raffael folgte, wo die Zeich- nung selbst in der römischen Schule plötzlich in Barbarei herunterfiel und der üble Geschmack regierte, erhob sich der Stil der Nachahmer. »Den Carracci in Bologna gingen die Augen wieder auf: diese Periode geht bis auf Carl Maratta.« Er scheint anzunehmen, daß diese bolo- gnesische Restauration ihren Zweck vollkommen erreicht habe; in Annibale z. B. wurde der Geist des sechzehnten Jahrhunderts nach langer Zeit von neuem erweckt; er und Domenichino, Guido Reni, Poussin sind ihm Künstler ewigen Gedächtnisses. Einen neuen Stil brachten sie freilich nicht: sie suchten die Reinheit der Alten und des Raffael, das Wissen des Michelangelo, mit dem Reichtum und Über- fluß der venezianischen Schule und mit der Fröhlichkeit des lombar- dischen Pinsels in Correggio zu vereinigen. In ihren besten Leistungen aber nähern sie sich dem schönen Stil der Griechen. Praxiteles und die ihm Verwandten möchten sich in Absicht der Grazie gegen ihre Vor- gänger verhalten haben wie Guido Reni gegen Raffael. Bei ihm und Albani ist alles Grazie, auch sie beehrt er mit den Namen eines modernen Praxiteles und Apelles. In Guidos Engeln findet er Größe des Ausdruckes.

Solche Analogien, die ihre Dienste getan haben, als es noch darauf ankam, in einem unbekannten Lande einige Orientierungsstangen auf- zustecken, ließen doch sehr bald im Stich, sobald man die Gestalt der Dinge selbst schärfer ins Auge fassen lernte. Wie hinkend ist z. B. die Zusammenstellung des Michelangelo mit dem archaischen Stil! Hier war eine Antipathie gegen alles Mächtige, Erhabene, Leidenschaft- liche mit im Spiel. Buonarrotis Herbigkeit ist sehr verschieden von altertümlicher Steifheit. Jener Stil rang noch mit den Darstellungs-

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mittein, die Michelangelo gerade mit souveräner Macht und Willkür handhabte. Die ältere Weise war in traditionellen Typen und Formen befangen, während Michelangelo alle Überlieferung abschüttelte; aus den Tiefen seines Inneren warf er ein Riesengeschlecht in die Zeit und überließ es ihr, sich wohl oder übel in diese ungebärdigen Rätsel hin- einzufinden. Es dürfte vergeblich sein, für ihn ein Analogon in der griechischen Kunst zu suchen.

Der Graf Caylus

Kein Autor ist dem Grundgedanken der Kunstgeschichte so nahe- gekommen wie der französische Graf Caylus (1692— 1765), mehr noch als in seinen akademischen Memoires in demRecueil d'antiquites, den er in der letzten Zeit seines Lebens nach und nach ausgehen ließ (1752— 1767, der siebente und letzte Band erschien nach seinem Tode). Konnte doch noch 1761 ein namhafter, allerdings befreundeter italie- nischer Antiquar sagen, Caylus habe die Geschichte der griechischen Plastik mit einer Genauigkeit und Gelehrsamkeit erzählt, daß er an- deren nichts übriggelassen (Paciaudi, Monum. Peloponn. II, 47).

Caylus, aus der alten Familie Thubieres, die mit ihm erlosch, lebte, nachdem er einige Kampagnen mit Ehren bestanden, seit Ludwigs XIV. Tode als unabhängiger Edelmann ganz seinen Neigungen. Er besuchte Griechenland und die Levante, wo er mit einem Geleit des berüch- tigten Räubers Caracayali zu den Ruinen von Ephesus vordrang. Auf dem Rückwege, zu Rom (17 17) war es, wo er im Strozzischen Hause sich die römische Liebhaberei für Antikaglien, besonders Gemmen, aneignete. Fast ein halbes Jahrhundert lang lebte er dann in Paris, ein vielseitiger Liebhaber und unermüdlicher Förderer strebender Talente, Freund Bouchardons und Vanloos, dabei ein gewandter Dilet- tant — in Radierungen nach Handzeichnungen großer Meister. Wie Winckelmann einst als Polyhistor begonnen hatte und sich dann plötz- lich zum Kunstlehrer umwandelte, so hat man von Caylus gesagt, er habe als Amateur angefangen und als Gelehrter geendigt. Als Mit- glied der Akademie der Künste (173 1), dann auch der Inscriptions (1742) hat er ein Menschenalter lang das Studium der Antike gepre-

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digt und getrieben, als der erste Forscher alter Kunst alldort, in anti- quarischer Korrespondenz mit Italien und allen Provinzen Frank- reichs. Sonst gleichgültig gegen Ehren, und wenn auch von der Un- fehlbarkeit seines Urteils überzeugt (daher man ihn den Förderer der Künste und die Geißel der Künstler nannte), doch ein Feind der Schmeichelei, der Pfaffen und der Ärzte. Philosophisch simpel in sei- nen Gewohnheiten, bürgerlich im Anzug, kannte er keinen anderen Luxus als die Freigebigkeit. Von 600000 Francs Einkünften ver- brauchte er nur 100 000 Francs für sich, alles andere war der Kunst, z. B. der Ausbildung armer, junger Maler gewidmet^.

Winckelmann hat Caylus unter den Vorläufern seines Unterneh- mens zu nennen vergessen. In Privatbriefen verrät er wenig Liebe zu dem Grafen, obwohl dieser seine Freundschaft suchte, von seinen Schriften, z.B. der Description «mit ungemeinem Lob« sprach und eine Übersetzung des herkulanischen Sendschreibens veranstaltete. Er subskribierte auf die Monumenti inediti, die er nicht mehr gesehen hat. Unser Gelehrter erzählt nicht ohne Genugtuung, daß er dem Franzosen die Aufnahme von Antiken in der Villa Albani »verhauen« habe. Aber ein Brief an Bianconi (vom 22. Juli 1758) verrät, daß er über Caylus' Verdienst ein sehr bestimmtes Urteil hatte: »ihm gehört zuerst der Ruhm, in das Wesentliche des Stiles der alten Völker ein- gedrungen zu sein«.

In wichtigen Punkten kamen beide überein, selbst in einigen Irr- tümern. Vor allem in der Forderung, die Antiken aus künstlerischem Gesichtspunkt zu betrachten. Auch Caylus tadelt, daß man die Denk- mäler bisher bloß als Supplement und Beweise der Geschichte ge- braucht habe, oder als isolierte Texte, die für den längsten Kommen- tar empfänglich sind, und bei denen es schwer ist, mit seiner Belesen- heit keinen Mißbrauch zu treiben. Boshafte Leute hätten sagen können, der Graf mache aus der Not eine Tugend; seine mangelhafte Erudition, besonders im Griechischen, die er lebhaft beklagte, nötigte ihn, mit fremder Hilfe zu arbeiten, z. B. eines Barthelemy, Le Beau, Paciaudi, namentlich bei Inschriften. Wo er sich auf Gelehrsamkeit einlassen mußte, machte er deshalb skeptische Zurückhaltung zu seiner Politik:

6. S. Rodieblave, Essai sur le comte de Caylus, Paris 1890. [Caylus, Voyage d'Italie (1715/16), ed. A. Pons, Paris 1914.]

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»er hat«, bemerkt Winckelmann spöttisch in jenem Brief an Bianconi, »mit jener großen Überlegung geschrieben, die in einer klugen Vor- sicht besteht, nicht zu viel zu wagen; man sieht, daß sein Fuß oft ignes suppositos cineri doloso betritt«. Mußten hiernach seine Arbeiten mit einer unheilbaren Oberflächlichkeit behaftet bleiben, so wies ihn diese Lücke um so gebieterischer auf eine Behandlung der Denkmäler, in der er wie kaum einer der Lebenden sachverständig sprechen konnte. Er gab es auf, in den Monumenten nur Beziehungen zu Zeugnissen der Alten zu suchen und zeigte dem antiquarischen Publikum eine Er- kenntnis, die rein aus dem, was man mit Augen sieht, ohne gelehrte Hilfskenntnisse zu gewinnen ist und doch ins Innerste des Kunst- werkes eindringt. Das nun, was sich so unmittelbar aus dem monu- mentalen Tatbestand schöpfen läßt, ist der Grad des Wissens in den Künsten, die verschiedenen Verfahrungsweisen, endlich die Manier. Diese ist vergleichbar dem Stil, an dem man in einem Buche den Autor erkennt, und noch treffender mit der Handschrift. Zu dieser Art von Untersuchung ist nur eines unerläßlich: Kenntnis der Zeichen- kunst, Richtigkeit des Auges, Leichtigkeit in Auffassung eines Gegen- standes und Wahrnehmung seiner Fehler und Schönheiten . . .

Man kann nicht leugnen, daß Caylus die Zergliederung der Antiken als Kunstprodukt mit mehr Kenntnis und umfassender durchgeführt hat als sein größerer Zeitgenosse, der bei allem Sinn für schöne For- men doch in den zeichnenden Künsten zu sehr Laie war und zu wenig Interesse für das Technische mitbrachte. Winckelmann ver- schmähte es nicht, in diesem »mechanischen Teil« der Kunst von ihm zu lernen, wie das siebente Buch der Kunstgeschichte beweist. Caylus kam in dieser Beziehung auch seine Stellung an einem Mittelpunkt der Kunstindustrie zustatten. Er überzeugte sich mehr und mehr, daß die Alten uns in der Technik ebenso überlegen gewesen seien wie im Geschmack; auch fand er, daß ihre Technik der Nachahmung der Natur vorausgeeilt sei. Er predigte unaufhörlich dem verbildeten Geschmack der Modernen den Stil der Einfalt und Größe, verteidigte ihr ideales Kostüm, wies nicht nur hin auf die Fundgrube malerischer Vorwürfe im größten Dichter Griechenlands (durch Lessings Polemik im Laokoon ist sein Name bis heute in Deutschland bekannt ge- bUeben): er fand, daß den Alten wenig verborgen war von dem, was

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wir wissen, während uns der größte Teil ihrer Methoden abhanden gekommen ist. Nach einem Memoire von 1753 haben die Alten alle Zweige unserer Malerei ausgeübt, nur den großen Plafond- und Kup- pelstil ausgenommen und vielleicht die Emailmalerei. Wogegen von ihren mannigfachen Methoden der Glasbehandlung (z. B. für innere Dekoration) uns nur eine einzige bekannt ist: das Mosaik. Das größte und das kleinste suchte er aufzugraben: die Mechanik der Ägypter bei ihren Riesenbauten, die enkaustische Malerei, die Glasfabrikation.

Da er alle seine Betrachtungen auf Autopsie gründen mußte, so sah er sich freilich sehr beengt durch das dürftige Pariser Inventar, meist Stücke, die er selbst besaß und für den Recueil stechen ließ. Die Ge- ringfügigkeit dieser in alten Pariser Palais entdeckten oder von seinen römisch-neapelschen Agenten aufgetriebenen Antikaglien (die man in Rom kaum beachtet hätte und bei denen doch manches Unechte mit unterlief) fällt freilich empfindlich ab gegen die Schätze, in deren Mitte die Kunstgeschichte aufgebaut wurde. Die Pariser Schöngeister, wie Marmontel, verfehlten nicht, seine minutiösen Untersuchungen und seine antiken Babioles zu verspotten; er habe sich von Gelehrten, denen er sich angedrängt, Aufsätze schreiben lassen über diese Bre- loques, die ihm die Trödler aufgehängt und so einen prächtigen Recueil aus Fadaisen zustande gebracht, die er für alt ausgab. Auch Winckelmann meinte, »er habe die Gabe von Nichts viel zu sagen«: um so anerkennenswerter ist die Richtigkeit des Auges, das mit solch armseligem Apparat so viel zu sehen vermochte. Freilich würde sein Erfolg ein anderer gewesen sein, wenn er seine Ansichten im Zu- sammenhang vorgetragen hätte, statt in der bequemen Form, einen gerade wieder zur Ausfüllung eines Quartanten herangewachsenen Haufen unbedeutender und wenig anziehender Bronzepuppen und Terrakotten mit Bemerkungen zu begleiten, die in einem platten, leb- losen Stil geschrieben waren 7.

Die Grundlinien aber des Systems, das er allenfalls hätte aufstellen können, möchten folgende sein:

Der Archäolog soll treu den Geist und die Hand des Künstlers stu-

7. Avec ces goüts, qui paroissent supposer tant de delicatesse et de diäleur d'äme, il n'avoit pas l'air sensible; il ecrivait platement, sans imagination et Sans gräce. Corresp. de Grimm I, 5.

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dieren, sich mit dessen Anschauungen (vues) durchdringen, ihm bis in die Ausführung nachgehen und so in den Denkmälern die Probe und den Ausdruck des Geschmackes sehen, der ein Zeitalter, ein Land be- herrscht. Auf diesem Wege wird man sich zunächst eine sichere Vor- stellung vom Geschmack der Alten bilden. Die Künste tragen den Charakter der Völker an sich, die sie pflegten; sie geben uns ein Ge- mälde ihrer Sitten, der Tournure ihres Geistes sozusagen. Dieser Ein- druck eines Volksgeistes erreicht eine solche Deutlichkeit, daß man von einem ausgegrabenen Stück, dessen Manier dem Land fremd ist, sicher behaupten darf, ein Fremder habe es gearbeitet.

Nach Feststellung des Nationalgeschmackes folgt eine zweite, sdiwe- rere Aufgabe: diesen Nationalgeschmack auch in seinen Wechseln zu verfolgen; den Geschmack jedes Zeitalters zu finden. Der Geschmack der Völker unterscheidet sich wie die primitiven Farben; seine Wand- lungen in den Jahrhunderten können den Abtönungen einer und der- selben Farbe verglichen werden. Dieser Gang nun hat in allen Län- dern eine gewisse Gleichförmigkeit: die Natur befolgt stets ein Ge- setz: auf dem Wege von der Kindheit zur Reife besteht für alle eine Stufenfolge des Wachstums. In diesem Gange aber enthüllt sich uns eine interessante Seite (portion) des Menschengeistes: die Geschichte der Künste (1752).

Die Geschichte erscheint ihm beherrscht von einem stetigen Zusam- menhange: eine Nation empfängt die Kunst von der anderen, drückt aber sofort und wachsend der übernommenen den Stempel ihrer Eigenheit auf, treibt sie weiter und gibt sie an eine dritte. Mit einer Feinheit, die freilich oft auf Täuschung beruht, glaubt er die verschie- denen Grade der Abhängigkeit, Nachahmung, Originalität unter- scheiden zu können. In diesem Punkte denkt er ganz anders als Winckelmann, der von einem solchen internationalen Stammbaume der Kunst nichts wissen mag und lieber eine unabhängige, simultane, einem innern Gesetz folgende Bewegung der Künste annehmen möchte. Caylus schwebt eine große Kette vor, deren Hauptglieder sich folgen- dermaßen gestalten. Die Künste bilden sich aus in Ägypten, und zwar mit dem vollen Charakter der Großheit; sie setzen von da hinüber nach Etrurien, wo sie in den Einzelheiten sich bereichern, freilich auf Kosten der Größe; sie gehen weiter nach Griechenland, wo das Wis-

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sen, verbunden mit der edelsten Eleganz, sie zur höchsten Vollendung führt, nach Rom endlich, wo sie bloß durch fremde Hilfe glänzen, eine Zeitlang ankämpfen gegen die Barbarei und endlich unter den Trümmern des Reiches begraben werden.

Was die Anfänge der Kunst betrifft, so verfocht Caylus die Ansicht, daß eine Schöpfung überhaupt nicht und am wenigsten in den An- fängen stattgefunden habe. Alles führt uns auf die Langsamkeit und Mittelmäßigkeit des erfinderischen Genies, dessen die Menschen sich rühmen. Nie ist etwas Ganzes (complet) an erster Stelle gefunden worden. Nie brachten die Menschen eine vollkommen neue Idee her- vor: geborene Affen und Kopisten ahmen sie nach, schneiden weg und setzen zu an dem, was die Not gelehrt. Ein einfaches Bedürfnis führt unvorhergesehenerweise auf ein rohes Mittel, dessen Entdecker der Zufall ist. Die lange Wiederholung dieser vom Zufall dargebo- tenen Bagatellen setzt instand, weitere Zufälle zu nützen, das ver- besserte Mittel wird anderen Mitteln angepaßt, und nach einem Jahr- hundert rückt das Ergebnis vieler Zufälle in den Rang einer Erfin- dung und wird ein Grund, die Kraft des menschlichen Geistes zu bewundern.

Die ersten Versuche in den schönen Künsten gleichen dem Stam- meln eines Kindes. Die Arbeit ist einfach und roh, trocken und herbe; sie zeigt Unwissenheit, Schwerfälligkeit, Geschmacklosigkeit. Aber die gefeierten Künstler Raffael, Leonardo würden sich ihr hohes Lob kaum verdient haben, wenn nicht die Geduld ihrer Vorgänger bei Urbarmachung des Bodens sie instand gesetzt hätte, das Große und Erhabene auszuführen. Denn alles ist sukzessiv in den Künsten.

Diese stetige Bewegung nun führt zur Vollkommenheit, aber auch zum Verfall. Denn nicht bloß das aufrichtige Verlangen des Besseren treibt uns vorwärts, auch die Selbstliebe, die nach Auszeichnung trach- tet, ohne die Mittel anzusehen, der Neid, der das Vorgefundene be- krittelt, die Prunksucht, die Zieraten häuft bis zur Unkenntlichmachung der Grundform.

Wie also die Kunst unmerklich heranwächst, so erlischt sie auch nicht plötzlich: das Feuer der Talente wirft von Zeit zu Zeit, der ster- benden Flamme gleich, einige Blitze; man gewahrt Reste des Ateliers, der Gewöhnung, der Schulmanier, die dann und wann ein anziehen-

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des Werk hervorbringen. Eine Art von Verstand behauptet sich mit- ten in der mit großen Schritten vordringenden und täglich einen neuen Posten besetzenden Ignoranz. Ein niederschlagendes Bild! »O ihr Griechen!« ruft er beim Anblick einer byzantinischen Elfenbeinarbeit aus, »wenn ihr in einen so kläglichen Zustand herabgefallen seid, und das in eurem Land, was werden wir in einigen Jahrhunderten sein!«

Ägypten ist die Quelle, aus der das Altertum die Anfänge des Ge- schmackes geschöpft hat nidit bloß Griechen und Italer, auch Perser, Juden, Chinesen vielleicht. Ägypten gegenüber sind alle Völker der Erde Undankbare. Diese große zivilisatorische Wirkung setzt aller- dings eine Periode voraus, wo dieses Volk noch mit dem Ausland ver- kehrte, Handel, Kolonisation und Eroberung trieb, worauf es später mit weiser Mäßigung verzichtete, um sich in die Grenzen des eigenen Landes einzuschließen.

Die ägyptischen Werke zeigen eine auffällige Gleichheit des Ge- schmackes, der Form und der Arbeit, wahrscheinlich, weil bei dem wunderbar hohen Alter ihrer Kultur die ersten Versuche nicht bis auf uns haben kommen können. Die Kunst der Ägypter war zu gewohn- heitsmäßiger Überlieferung geworden, fest eingeschlossen vom Aber- glauben, dessen Bedenklichkeiten jedem Fortschritt den Weg ver- traten. Erst die Zeit der Ptolemäer änderte die alte Verfassung der Künste, und damit endigte das originale Ägypten. Jene Austerität, die der persischen Umwälzung und dem griechischen Verkehr widerstan- den, ward gelockert (altere); die Verbindung mit Griechenland hatte ihnen die Augen geöffnet; jetzt erst wagten sie, eine Vervollkommnung ihrer eigentümUchen Formen zu versuchen.

Der Charakter dieser ägyptischen Originalkunst ist Größe und Ge- diegenheit. Ihre Architektur blendet nicht durch gefällige Harmonie, die den Gegenstand, den sie schmückt, dem ersten Blick verkündet, sondern durch jene solide, majestätische Bauart, der gegenüber die Tempel der Griechen wie mit Flitterkram behängte Kartenhäuser aussehen. Dieselbe Gediegenheit erkennt man nun auch in ihrer Bild- hauerei wieder: dieselben Entwürfe für die Nachwelt, verbunden mit einer Idee von Großheit, Adel, Hoheit und einer gewissen Herbe (rudesse) in den Details; sie haben stets große Massen und Wirkun- gen im Auge gehabt. Daher die Anlehnung der Statuen an den Pfeiler,

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die Verbindung der Beine, die Stützung der Figur durch kompakte Haltung, wie bei der kauernden Sphinx. Dieser große Charakter zeigt sich auch in ihren Tierfiguren, z. B. Löwenköpfen; an einer Katze rühmt er diese Verbindung von Einfachheit, Strenge und völHger Richtigkeit. In den Malereien der Ägypter gewahrt man nicht ohne Überraschung, daß jener strenge plastische Stil konventionell war, und dies Volk in Wirklichkeit mehr Geist und Eleganz besaß, als man ihm zutraute. Die Nachahmung der Natur ist vollständiger und wahrer; Einzelheiten und Bewegung kommen zu ihrem Recht.

Etruriens Kunst blühte in den Tagen der ersten römischen Könige und bestand noch ein Jahrhundert nach der römischen Eroberung. Es war der Verkehr mit Ägypten, der den Etruskern die Augen öffnete und über die Roheit der Urversuche italischer Aboriginer hinaushalf; aber bald begannen sie mit eigenen Schwingen zu fliegen.

Anfänglich (1756) glaubte Caylus drei Stilformen unterscheiden zu können; später (1764) gesteht er, die äußerste Mannigfaltigkeit in ihren Manieren setze ihn immer aufs neue in Erstaunen. Kein Wun- der, denn er versetzt alles nadi Etrurien, was irgend den Geschmack des Altertümlichen hat und die ganze griechische Vasenmalerei dazu. Eine stetige Folge von der Unwissenheit bis zu dem erleuchteten Ver- fahren könne man nur bei ihnen aufzeigen. Ihr hoher Rang aber unter den Kunstvölkern, den sie unanfechtbar durch Schöpfung einer archi- tektonischen Ordnung dokumentierten, der aber nie gebührender- maßen ans Licht gestellt worden ist, erinnert uns, wie günstig von jeher Italiens Klima den schönen Künsten war. Diese glückliche natür- liche Begabung und vollkommene Kunstkenntnis dazu zeigen die Vasen. Welche Reinheit in der Form, welcher Verstand in den Orna- menten, welche Leichtigkeit der Technik! In dem vertieften Gemmen- schnitt, den sie ebenfalls zur höchsten Vollendung gebracht, offenbart sich am deutlichsten ihr eigentümlicher Geschmack, der stets eine ge- wisse Trockenheit hat, eine Sucht nach Muskulatur (1759).

Die Etrusker haben anderen Völkern, besonders den Griechen, einen Teil ihrer Ideen mitgeteilt. Wir erblicken sie erst roh ausgedrückt, dann entgröbert, verbessert, entwickelt, endlich vervollkommnet auf Denkmälern ihrer Nachfolger. Aber die griechische Kunst hat auch auf sie zurückgewirkt. Homer kam bei ihnen zu hohem Ansehen.

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Seitdem milderte sich die erste Strenge, sie eigneten sich die Dar- stellung des Nackten an; aber wenngleich Nachahmer, wurden sie nie bloße Kopisten.

Die Eifersucht der Sieger hat unwürdigerweise durch Zerstörung ihrer Werke die Künste, die Talente und vielleicht die Tugenden dieses Volkes in Vergessenheit begraben wollen. Je öfter man sich daher in ihre Denkmäler vertieft, um so mehr sieht man sich nichts als Pro- blemen gegenüber: Zeit, Gegenstand, Veranlassung, alles bleibt Ver- mutung.

Auch bei den Griechen scheint ihm die Zeit knechtischer Nach- ahmung Ägyptens und Etruriens von ziemlich langer Dauer gewesen zu sein. Aber sie hatten freilich ein viel feineres, delikateres Auge als ihre Lehrer. So lebhaft war ihr Bewußtsein vom Verdienst des Er- finders, daß sie alles aufgeboten haben, uns glauben zu machen, sie verdankten fast alle Künste nur sich selbst. Dieselbe Eitelkeit, in der die Richtung ihrer Künste auf öffentlichen Denkmälern wurzelt, ertrug es nicht, daß die Nachwelt Zeuge sein sollte ihrer Kindheit und ihres Wachstums in den Künsten; deshalb haben sie alle ihre Anfangswerke vernichtet.

Die Eigenschaften der griechischen Zeichnung die andere Völker nie besessen haben sind eine edle Einfalt (1756), die die Eleganz stets begleitet. Dieser Adel, diese Einfachheit, die sie mit so viel Fleiß wie Glück gesucht, erzeugt das Große und Erhabene; schwer ist sie und verlangt mehr allseitige Aufmerksamkeit, Genauigkeit und Rich- tigkeit als starke Bewegung. Präzise Zeichnung und breite Ausführung haben sie allezeit höher gestellt als Reichtum des Stoffes und der Orna- mente. So führten sie diejenigen Künste, die durch Naturnachahmung ergötzen sollen, zur Vollendung: und der Punkt ihrer Höhe ist das Zeitalter Alexanders.

Die Antike, die als Muster der Künste gilt, ist die griechische. Ihre Trümmer sind die einzige Quelle, wo Malerei, Bildhauerei und Bau- kunst mit Sicherheit Reichtum und großen Geschmack schöpfen kön- nen. Nur die griechischen Fragmente vermögen unseren Geschmack zu nähren, die Nacheiferung zu unterhalten, das Genie zu erwärmen. Alle, welche sie zu Führern erkoren und ihnen sich näherten, hatten Erfolg, alle übrigen sind gescheitert.

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Kein Volk der Erde, das uns sympathisdier wäre, keines, von dem die Phantasie lieber alle Einzelheiten kennenlernen möchte.

Kein Römer, behauptet Caylus, hat je Werke gearbeitet, die ver- dienten genannt zu werden. Dieses Volk hat nie etwas selbst hervor- gebracht, und man könnte behaupten, es sei in keiner Gattung erfin- derisch gewesen. Vielleicht, wenn sie die monarchische Regierung behalten hätten, würde der Geschmack sich gebildet und behauptet haben. Der wahre Geschmack, das Verlangen zu erforschen, zu ge- nießen, die Lust, sich an schönen Kunstsachen zu berauschen, hat sie nie bestimmt. Sinnreiche Technik, feine Wirkungen von Geist und Hand in den Künsten, was waren sie für ein Soldatenvolk, das nur Patriotismus und kriegerische Überlegenheit achtete. Darin blieben sie immer Barbaren, daß sie fast stets die Kunde und Ausübung der freien Künste Sklaven überließen. Daher ist der römische Geschmack schwer, stumpf (mou), ohne Feinheit; sobald man etwas von Eleganz wahrnimmt, hat man Griechen vorauszusetzen.

Dankbar kann der Forscher den Ron ern sein, oder vielmehr ihrem Aberglauben, denn der war die Schw achheit, der nagende Wurm dieser Welteroberer. Ihre Lararien sind die Magazine und Hilf s quellen der antiquarischen Zunft. Der römische Sinn für Skulptur erfreute sich an den privatesten, gewöhnlichsten, ja plattesten Darstellungen des Lebens; alle Dinge des Gebrauchs wiederholten sie im Kleinen; von keinem sonderbaren Volke, keinem bürgerlichen und kriege- rischen Gebrauche, keinem fremden Tiere konnten sie hören, ohne sein plastisches Bild herzustellen. Sonst legt er den Römern noch die Neigung zu starken Gegensätzen, zu lebhaften (faunischen) Er- regungen und zur Allegorie bei.

Dies wäre also das erste, freilich mit unsicherer Hand entworfene und nur in zerstreuten, gelegentlichen Aper9us niedergelegte Bild vom Gang der Kunst bei den Völkern des Altertums. Eine schlimme Ver- zeichnung kam in dieses Bild durch die Gleichsetzung gewisser Stil- phasen mit Nationalmanieren, z.B. des Archaischen und Archaistischen mit dem Etruskischen. Daraus ergibt sich zweierlei: einmal bleibt nun für die Griechen nur das Formvollendete übrig, das rein Schöne; das Fehlen jeder Spur seines Werdens führt auf den abenteuerlichen Ein- fall einer absichtlichen Vertilgung ihrer gesamten Kunstvorzeit. Dann

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aber ergießt sich nun ein Reiz des Rätselhaften über die Etrusker; denn die ganze Mannigfaltigkeit vorphidiasisdier Stilwandlungen und zugleich die Hälfte vom Gesamtschatz der Stoffe, Motive, Darstellungs- formen griechischer Kunst fällt ihnen zu. Welche Regsamkeit künst- lerischen Fleißes, welch rastloses Weiters tr eben, welche Aneignungs- fähigkeit gegenüber fremder Sage und Dichtung! Noch auf eine andere wunderliche Eigentumsauseinandersetzung verfiel Caylus. Da er dem hohen Gemeinsinn der Griechen nur öffentliche Werke zutraute, so mußte er alle kleinen Kunstsachen auf Rechnung römischer Superstition setzen; und es ist zu verwundern, daß ihm der echt griediische Geist in vielem von diesem Kram entging, oder daß er an seinem Satz von der römischen Nichtigkeit in der Kunst nicht irre wurde.

Buffon

Bei dieser Verwandtschaft in Geschmack und Grundgedanken waren Caylus und Winckelmann als Schriftsteller Antipoden. Caylus war in einer Zeit, wo gute Prosaiker die Regel waren, ein sehr mittelmäßiger Scribent, sein Stil ohne Anmut und Gewähltheit; er war ebenso nach- lässig-formlos in seinen literarischen Mitteilungen wie in seinem Anzüge. In diesem Punkte hatte Winckelmann überhaupt bei Fachgenossen keine Vorbilder zu suchen.

Früher wurden Studien der neueren Literatur erwähnt, besonders Montesquieus. Zu den wenigen, die diesem in Glanz des Talents, klassischer Darstellung und europäischem Ruhm an die Seite gerückt werden konnten, gehört Buffon, der Winckelmann ebenfalls beschäf- tigt hat, wie seine Auszüge aus verschiedenen Jahren (1750 und 1754) beweisen^. Man stellte beide oft zusammen; jemand schrieb Buffon l'esprit du style zu und Montesquieu le style de l'esprit.

Es kommt häufig vor, daß unter getrennten Völkern, auch ohne jede direkte Einwirkung, aber in derselben Zeit, ganz übereinstim- mende Richtungen und Ideen, literarische Formen und Entwürfe, ja verwandt aussehende Persönlichkeiten erstehen: die Zeit scheint eine mächtigere Bedingung der Ähnlichkeit als Land und Sprache; Erschei-

8. [Pariser Nachlaß vol. 64, 1—7; $% Tibal S. 114 f.]

BUFFON 115

nungen desselben Ortes aus verschiedenen Zeitläuften sind sich frem- der als gleichzeitige Erscheinungen sehr geschiedener Nationen. Aus diesem Gesichtspunkte gehört Buffon zu den Verwandten Winckel- manns; der Vergleichungspunkt liegt weniger im Stil, als in der schriftstellerischen Behandlung, der Ausbeutung einer bisher esoteri- schen Wissenschaft in literarisch-künstlerischer Richtung. Man lese die bekannten Lobredner Buffons, Condorcet und Cuvier. Ihre Schilderung ist wenig verändert auf Winckelmann übertragbar, ja es ließen sich für jeden Satz fast wörtlich übereinstimmende Parallelen aus dessen Charakteristik hersetzen. Es ist kein Spiel von Ähnlichkeiten: die Zeit- signatur des Buches wird auf diese Weise ins Licht gesetzt.

»Als Buffons Ehrgeiz durch seine Berufung an den königlichen Gar- ten auf die Naturwissenschaft gelenkt wurde, fand er eine unermeßliche Sammlung von Beobachtungen und Nomenklaturen vor. Seine wissen- schaftliche Phantasie empfand das Bedürfnis, und sein Genie fühlte sich stark genug, aus diesen zerstreuten Elementen ein System der Natur, eine Theorie der Erde, ein Kunstwerk der Sprache zu gestalten. Dies Werk zu vollführen, wurde sofort das einzige Ziel eines Lebens ununterbrochener Arbeit und stetiger Erfolge.« Dies Unternehmen, bemerkt Condorcet, könnte man für verwegen halten, da Buffons Kenntnisse nur ein geringer Teil unserer jetzigen (1788) waren, und noch heute das Unternehmen ein verwegenes sein würde. Aber Buffon erhob sich über diese Bedenklichkeiten, die dem bloßen Forscher un- überwindlich erschienen wären, weil er sich im Besitz eines Mittels wußte, die Menschen zu fesseln.

»Buffon besaß den großen Sinn für das Ganze der Natur, die kos- mische Phantasie der griechischen Naturphilosophen; er ging aus von einer Gesamtansicht der Natur, er drang in die Anfänge und in das Werden; er erlaubte sich den Gebrauch der Hypothesen und der Ver- fahrungsweise kühnster Spekulation; aber er hielt alles Übersinnliche fern und wollte, wie Cuvier sagt, den umfassenden Plan und die Elo- quenz des Plinius, die tiefsinnigen Blicke des Aristoteles mit der Gerechtigkeit des einzelnen neuerer Beobachter verbinden. Wo die Materialien nicht ausreichten, hat er oft durch Intuition wahrgenom- men (il apercevait par la vue de Fesprit), was die Forschung später als Tatsache entdeckte. Er bewies den Wert und die Überlegenheit des

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schöpferischen Genies auch in den Wissenschaften, die sich seit Bacon beschieden hatten, nur Dolmetscher der Tatsachen zu sein, indem er eine Menge von Tatsachen wirklich gab, eine Reihe von Problemen stellte und durch seine großartigen Ansichten der Kette von Ver- änderungen, die die Entstehung der jetzigen Erde herbeiführten, durch den Nachweis des Zusammenhanges der Geschöpfe mit Boden und Klima, den Grund legte zu den späteren Entdeckungen.«

»Das Mittel aber, auf weldies er die Hoffnung dieses Erfolges und der Dauer seines Werkes baute, war der Stil, d. h. die künstlerische Darstellung, auf die er unglaubliche Sorgfalt wandte. Sein Ruhm als Schriftsteller war ihm werter wie sein Ruhm als Naturforscher.« Die Anzahl der Kenntnisse, das sind Buffons Worte, die Merkwürdigkeit der Tatsachen, selbst die Neuheit der Entdeckungen, sind keine sichere Garantie der Unsterblichkeit sie lassen sich leicht entführen, über- tragen, können selbst gewinnen in der Bearbeitung durch eine glück- lichere Hand. Diese Dinge liegen außerhalb des Menschen, der Stil ist des Menschen Selbst. Aber Buffons Stil ist nicht weniger der Ausdruck seiner vornehmen Persönlichkeit als des Gegenstandes, »dessen Cha- rakter er annimmt«. Die Harmonie seines Stils ist nicht bloß eine Harmonie für das Ohr, sondern eine Analogie zwisdien Gedanken und Lauten; seine Sätze sind sanft oder volltönend, majestätisch oder leicht je nach dem Gegenstand seiner Schilderung. Er malte, wo andere nur beschrieben hatten, daher nannte ihn Marmontel den Koloristen des Stils. Er überraschte die Welt, indem er die große Beredsamkeit auf einen Gegenstand übertrug, dem sie bisher ganz fremd gewesen war. Er besaß das Talent, ein nicht weniger widitiges, als das der Entdeckung: anderen seinen Enthusiasmus einzuflößen, sie zu zwingen, dieselben Ansichten anzunehmen. So gelang es ihm, ein Werk zu schaffen, das dauernd geblieben ist, obwohl man viele seiner Sätze als bloßes Spielwerk erkannt hat. Er machte die Naturgeschichte zur populärsten Wissenschaft und durch ganz Europa; er vermehrte die Zahl der Forscher.

Der erste Entwurf der Kunstgeschichte (1756— i7S9)

Zuerst in einem Briefe an Bianconi vom 29. August 1756 wird der Plan einer Histoire de 1' Art, vielleicht in lateinischer Sprache, erwähnt 9 und am 12. Dezember 1756 bereits dem Buchhändler Walther in Dresden beiläufig als »ein sehr weitläufiges Werk, eine Geschichte der Kunst« angekündigt. Aber so weitaussehend und zeitraubend die Arbeiten dafür sein mußten, so knapp und bündig sollte das Buch selbst herauskommen. Ein »kleines Werkchen« sollte der »Versuch zu einer Historie der Kunst« werden, das er im Frühjahr 1758 zu Leipzig auslaufen zu lassen hoffte; er dachte wohl einmal (Michaelis 1757), es in Rom lateinisch zu drucken (an Berendis, 12. Mai 1757). Um alles, was zur Kunst gehört, bis auf die barbarischen Zeiten beisammen zu haben, begann er nun, »alle alten Griechen von neuem völlig durch- zulesen«. Im März 1757 hatte er, wie es scheint, zu schreiben ange- fangen, aber damals schien es ihm schon ein Werk von etlichen Jahren; »denn ich werde nach und nach die Stellen, welche die Kunst betreffen, mit den Manuskripten in der Vaticana vergleichen; und als- denn werde ich etwa ein Bändchen von einem Finger dick schreiben« (an Walther, 9. März 1757).

Es gibt wenig Bücher, deren Entstehung man so auf Schritt und Tritt nachgehen kann. Man durchschaut die Triebfedern und die Operationen, denen ein unsterbliches Werk sein Dasein und seine Vorzüge verdankt, die Motive persönlicher Ehrliebe und selbstloser Begeisterung für die Sache, man bemerkt eine allseitige Sorge, die, wie die Natur, im Größten und im Kleinsten, im Innersten und Äußer- lichsten gleich gegenwärtig ist, man versteht, in welchem Sinn ein solches Werk im ersten Moment fertig, und in welchem es in ewigem Werden begriffen ist, und endlich sieht man, wie die freie Schöpfung des Genius, wo sie ins materielle Dasein treten will, mit allem Elend der Erde handgemein werden muß.

Die Gliederung dieser ersten Kunstgeschichte war einfach, der ge- lehrte Stoff von wenig Umfang. Aber die allgemeinen Sätze standen

9. II m'est venue de l'idee de travailler ä une Histoire de l'Art: j'y ai pense et j'en dierche las materiaux. Je serois presque tente de l'ecrire an Latin. [I, 242 f.]

Il8 RÖMISCHE ZEIT

schon alle da, fertig bis auf die letzte Feile. Dies beweisen einzelne, damals brieflich mitgeteilte Abschnitte, z.B. von der zwiefachen Gratie (28. Oktober i757),von derKunstder Hetrurier (10. Dezember 1757), vom Ursprung der Kunst (5. Februar 1758).

Die Anfänge des Werkes gehen noch weiter zurück als bis zum 29. August 1756; bis auf die ersten römischen Wochen. Die Marmor- bilder Roms haben ihm beim ersten Besuch ihr Geheimnis anvertraut. Die Titel der damals oft angezeigten, nie vollendeten Schriften haben, als Nebenflüsse, den Strom des Hauptwerkes verstärkt. »Ich habe sehr viel entworfen«, schreibt er vom 5. Februar 1758, »welches zum Teil unnütz, zum Teil aber den Stoff gegeben hat zu dem Werke, auf welches ich nunmehro ein ganzes Jahr gedacht habe.« Von den Be- schreibungen der Statuen im Belvedere wurden die besten ausgesucht und der Erzählung einverleibt; diese Episoden haben nicht wenig zum Erfolg des Werkes mitgeholfen. Die für sie unternommenen chrono- logischen Untersuchungen hatten ihn auf die Kunstgeschichte gebracht. Aber er findet nötig, mit ihr den Anfang zu machen, weil die anderen Schriften vielen Lesern unverständlich gewesen sein würden (12. Mai 1757). Eigentlich hatte er sich so beeilt mit diesen Entwürfen, weil es unumgänglich nötig sei, an dem Orte selbst zu schreiben; die großen Vergehungen seiner Vorgänger rührten meist daher, daß ihnen erst nach ihrer Rückkehr aus Italien das Schreiben eingefallen sei.

Ein nützliches Vorstudium waren die entworfenen Beschreibungen römischer Villen und Paläste; durch sie gewann er die Übersicht des Denkmälervorrates, übte sich in jener gleichverteilten Aufmerksam- keit, zu der sich der bloß genießende oder von bestimmten Problemen verfolgte Besucher keine Zeit nimmt. Die Schrift von den Ergänzungen förderte kritische Säuberung der traditionellen Benennungen. Kurz er allein unternahm damals eine Anzahl jener Vorarbeiten, deren Be- sorgung noch jetzt viele Hände beschäftigt.

Beim erneuten Lesen der Quellen, des Pausanias obenan, pflegte er brauchbare, zur Sache gehörige Stellen auf Blättern mit Überschriften, die den Gesichtspunkt der Benutzung angaben, auszuziehen ^°. Diese

10. In der Pariser Sammlung 4269, 83 Blatt [vol. 69, 43— i26;Tibal S. 128 f.] ; 4257Collectanea ad Historiam Artis, 36Blatt, meist ausPausanias [vol. 57, 198 bis233;'IibalS.46f.];audi4259[vol.59,2i4— 229, 252— 273,318— 331 ;'IibalS.97].

ERSTER ENTWURF DER KUNSTGESCHICHTE II9

Punkte folgen ohne Ordnung, wie die Lektüre sie an die Hand gab. Obwohl schon früh von dem Gedanken eines »Systema« beherrscht, verfährt er doch nach einer so breiten Methode der Aphorismen, als habe es mit jenem System keine große Eile, gewiß zum Gewinn des Werkes; denn wenn das System einmal dasteht, so pflegen die Fenster der Beobachtung sich zu schließen.

Jene Gesichtspunkte waren äußerst mannigfaltig. Wir finden in den zufäUig erhaltenen Blättern neben Notizen über Architektur, über die Zustände alter Staaten in gewissen Epochen (unter der Überschrift Status, z. B. Graeciae sub Sylla), Nachrichten über griechische Mar- morarten, über Holzstatuen, Hermen, Vergoldung der Haare, be- zeichnete und eingesetzte Augen, Gruppen aus einem Stück, Politur. Femer die Titel: Siegerstatuen mit Porträtähnlichkeit, vom Ideal in Porträtköpfen, von der Klugheit der Künstler in Verdeckung der Fehler der Natur, von Statuen mit Inschriften, von Bildhauern, die ihre Statuen zu ihren Werken gesetzt, von schon vor alter Zeit ver- stümmelten Statuen, von antiken Kopien alter Statuen, vom Urteil über das Alter der Kunstwerke.

Ferner, von der Gelegenheit der alten Künstler die schöne Natur zu sehen, von Nebendingen in der Kunst, vom Ideal der griechischen Künstler, vom Wettstreit in der Malerei, vom Zeitalter der schalen (f atui) Nachahmer und Plagiarier. Endlich, daß die Malerei viel später als die Bildhauerei emporgekommen, von den Bildwerken, woran Maler geholfen, von den Künstlern, die Maler und Bildhauer zugleich gewesen.

Anderes bezieht sich auf griechische Sitten, die auf die Kunst Licht werfen, z. B. de praerogativa et praemio pulchritudinis; über Er- ziehung und Unterricht; daß Worte, die bei uns für obszön gelten, es bei den Griechen nicht waren; Ehrenbezeigungen gegen berühmte Männer; Zuversicht der Alten in Verkündigung eigener Arbeiten.

Diese Blätter bestätigen, daß er Anstalten wie zu Abhandlungen für manche Punkte machte, die schließlich mit einem Satz abgetan wurden.

Die Liebe, mit der der Autor an seiner Schrift hing, verrät sich in den zum Teil aufopfernden, mannigfaltigen Bemühungen für ihre Vollkommenheit, von Nachdenken und Forschung, literarisch-monu- mentalem Apparat an bis auf Form und Ausstattung. Er hatte offen-

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bar im Sinn, ein Geschichtswerk in der Art der Alten zu liefern, eines, das sich dauernd behaupten und dem Lose der Erzeugnisse einer noch in Bewegung begriffenen Wissenschaft entgehen sollte.

Er will zwar nichts mit zwei Worten sagen, was mit einem geschehen kann, wo es aber auf eigenes Denken und auf Beschreibung im höheren Stil ankommt, sich auslassen; denn sein Vorsatz ist, ein vollkommenes Werk zu liefern, und das Denken und die Schönheit der Gedanken und der Schreibart aufs höchste zu treiben, ... ein Werk, dergleichen in deutscher Sprache, in was für Art es sei, noch niemals ans Licht ge- treten; um den Ausländern zu zeigen, was man vermögend ist zu tun".

Solchen Büchern gegenüber bei deren Entstehung eine Aufregung der Phantasie, eine Masse präsenten Gedächtnisvorrates, eine Samm- lung der Denkkraft stattfindet, die nur vorübergehend sein kann ist es verzeihlich, wenn der Autor nachher, in der Ebbe der gewöhn- lichen Geistesverfassung, sich selbst bewundert, worin man sonst, mit Leonardo da Vinci, das Zeichen eines schwachen Genies erkennen wird. Denn der große Schriftsteller steht über seinem Werke und soll sich, wie Gervinus sagte, zum Schreiben nicht erheben, sondern herab- lassen.

»Mir sind«, schreibt er Mitte Mai 1758 an Berendis, »nicht viele Bücher bekannt, in welchen so viel wichtige Sachen, fremde und eigene Gedanken, in einem würdigen Stile gefaßt sind.« Der schöne Sänger Belli habe geprahlt, als er in Rom zum ersten Male auf der Bühne erschien: die Römer sollen erfahren, was Schönheit ist und kann. »Ich wünsche, daß man aus meiner Schrift lerne, wie man schreiben und würdig sich und der Nachwelt denken soll.« »Es wird die höchste Be- lohnung für mich sein«, schreibt er C. Füßli am 27. Juli 1758, »wenn ich der Nachwelt würdig geschrieben zu haben erkannt werde.«

Ebensoviel Sorge machte ihm die Ausstattung. »Der Verleger soll den Druck aufs allerprächtigste, wie ich es ihm vorschreiben will, veranstalten.« Wie froh wäre er gewesen, wenn wirklich Wille in Paris (wie einst Oeser) sich dazu verstanden hätte, einige der Zeichnungen zu stechen! (15. Juli 1757, an Berendis.) Das Buch wäre dadurch kost- bar geworden, aber auch der Schere der Sammler anheimgefallen! Während der Reise nach Neapel, 1758, versprach Mengs die Ange-

II. [I, 273, 314, 328, 368.]

ERSTER ENTWURF DER KUNSTGESCHICHTE 121

legenheit der Zeichnungen zu beaufsichtigen. Er glaubte, siebzehn Vignetten nötig zu haben (5. August 1758, an C. Füßli); nur seltene und noch nicht gestochene oder sonst bekannt gemachte Basreliefs sollten gewählt werden, die er selbst besprochen, oder die es sonst verdienten. Im August sollte begonnen werden, im November wird daran gearbeitet; er zweifelt, ob man in der Schweiz geschickte Künst- ler habe, die Zeichnungen, an welchen er weder Kosten noch Fleiß sparen wolle, wenigstens ätzen zu lassen. »Ich will in dem ersten Werke von seiner Art in neuerer Zeit und in einer Historie der Kunst des Altertums mich nicht mit deutschen barbarischen oder französischen Fratzen-Figuren besdiandflecken.« (6. Oktober 1759). Die Auslagen für diese Kupfer, mit Ausnahme derer auf den Titelblättern, verlangte er von Walther vergütet,

» Winckelmann«, bemerkt A. W. Schlegel, »legte ungemeinen Wert auf das Äußere. Alle seine Schriften, selbst die kleineren Abhand- lungen, sind in Quart erschienen, in großem, leserlichem Druck und mit Kupferstichen verziert. Nach dem Maßstab dessen, was man damals im typographischen Fach zu leisten gewohnt war, zeichnen sie sich vorteilhaft aus. Diese Sorgfalt auf würdige Form ist nicht ohne Einfluß auf ihr Schicksal gewesen. Winckelmann erklärt dadurch stillschwei- gend, daß sie nicht bloß eine Unterhaltung für den Augenblick, sondern ein Besitztum für die Dauer sein soUten, und der Erfolg hat seine Ansprüche bewährt.«

Eine beständige Beigabe zu dieser jahrelangen Beschäftigung waren die Händel mit dem königlich polnischen Geheimen Kommerzienrat Hofbuchhändler Walther in Dresden.

Winckelmann, der, vergessend, »daß Schweigen das Element ist, in dem große Dinge sich zusammengestalten«, seine Einfälle in bezug auf Reisen, Bücher, Berufungen mit dem nächsten Posttag nach allen vier Winden zu verkündigen pflegte, hatte von dem noch ungelegten Ei dieses seines wichtigsten Werkes sogleich an seinen Verleger berichtet, bald nachher auch, im Mai 1757, einen förmlichen Antrag folgen lassen. »Ich weiß«, hatte er ihm am 28. November 1756 geschrieben, »ich habe mit einem Manne, der die wahre Ehre kennet, der mein Freund ist und midi Heb hat, zu tun.« Walther hatte sich bei Hofe für Fortsetzung der Pension verwandt, ihm Geschenke von Büchern und

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Geldvorschüsse gemacht. Winckelmann war beschämt, »in den höchst bedrängten Zeiten ohne dringende Not Gelegenheit dazu gegeben zu haben«. Diese voreilige Verpfändung seines Wortes hatte er bald zu bereuen. Bei dem damals schon ausgebrochenen Kriegsbrand hätte er keinen unpassenderen Verlagsort wählen können. Das Erscheinen des Werkes wurde um mehrere Jahre verzögert. Mitten in seiner Armut und bei den selbstgemachten und fortdauernden Unkosten will dieses »Kind im Handel« keinen gewissen Preis bedingen; der Buchhändler möge ihm, nachdem der Abgang sein werde, nach Belieben ein Ge- schenk machen, in Geld und anderen Sachen. Aber damals schien ihm neben der Sehnsucht, seine Arbeit »aufs allerprächtigste wie die Breit- kopfsche Druckerei fähig ist« (an Walther, 15. Mai 1758), gedruckt zu sehen, alles andere Nebensache.

Als er Walther jenen Antrag machte, war er bereits mit Wille und den Zürchern in Verbindung gekommen. Er benutzte deren Vor- schläge zu einem gelinden Druck auf jenen Geschäftsmann. »Die kaiser- lidie Akademie zu Augsburg hat mir zwar durch Herrn Wille in Paris einen Vorschlag tun lassen und sich erboten, es aufs prächtigste drucken zu lassen und für den Bogen einen Dukaten zu zahlen. Es findet sich auch in Zürich ein Buchhändler, welcher vielleicht noch höher gehen würde: es ist mir aber nicht um den sehr geringen Gewinnst zu tun.« Er hätte nun gern sein Buch im Besitz jener Freunde gesehen; und nach monatelangem Warten auf Antwort hielt er sich berechtigt (es war kurz vor der Abreise nach Toskana), das Manuskript Geßnern, Füßlis Schwiegersohn, und zwar ohne Entgelt und Gegengeschenk zu überlassen. Das sollte sein Dank sein: »ich entschloß mich, ihm meine Schrift zu sdienken, das Allerliebste, was ich habe und gehabt habe. Ich mache H. Geßner keine andere Bedingung als eine gewisse ge- setzte Zahl Exemplarien.« Er teilt diesen Beschluß Walther am 26. Sep- temberi758 mit und sucht ihn mit der Verheißung der zweiten, gewiß bald nötigen, sehr erweiterten Auflage zu besänftigen. Er hatte indes die Rechnung ohne den Wirt gemacht, als er Stosdi um dieselbe Zeit (11. August 1758) ankündigte: »meine Schrift wird zu Zürich unter Aufsidit H. Füßlis, Stadtschreiber des Rats, gedruckt werden«.

Es kam ihm alsbald die Mitteilung zu, daß es dem Hofe mißfallen würde, wenn er, zumal in den jetzigen Zeitläuften, diese Arbeit in der

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Schweiz drudcen ließe, und daß er allen Verdacht eines preußischen Herzens, »welches man mir mit Unrecht schuld gibt«, vermeiden müsse". Walther gab vor, er habe schon die Privilegia darüber er- halten, auch versicherte er, Hagedorn wolle für das Buch Sorge tragen, und versprach einen Zechin für den Bogen. »Ich weiche gar leicht dem ersten Eindrucke, und ich versprach den Verlag H. Walther« (17. Ja- nuar 1761).

Als er im Anfang 1758 nach Neapel reiste, fehlt nur die letzte Hand, besonders am Stück von der Malerei; in Toskana sucht er einzelne Nachrichten über etruskische Kunst. Um seinen Kopf frei von dieser Sorge zu machen, v/ill er Ende September schließen und Anfang Winter die anderthalb Alphabete starke Schrift unter die Presse brin- gen. Noch von Florenz aus übermachte er im Januar 1759 Walther den ersten (systematischen) Teil, wartete aber mehrere Monate lang auf Antwort. Walther war mit der Schrift nicht zufrieden, sie schien ihm zu klein. Er war in großer Unruhe. Als nun ein Brief Hagedorns ankam, der eine Einladung des Leipziger Buchhändlers Dyck über- mittelte, Aufsätze für die Bibliothek der schönen Wissenschaften zu schreiben und einen Louisdor für den Bogen bot, so entschloß er sidi, Dyck die Handschrift zu überlassen. Er läßt sie also Walther abfor- dern und nach Leipzig schicken. »Ich suchte Leute, welche mir ent- gegenkommen.« »Der erste Teil«, schreibt er den 18. August 1759 an Wiedewelt, »liegt schon seit einiger Zeit in Leipzig, um gedruckt zu werden.«

Aber Monate lang harrt er vergebens auf Antwort. In dem Gewirr aufgeregter, zweifelnder Gedanken nimmt er den zurückbehaltenen historischen Teil zur Hand und kann sich nicht enthalten, ein Kapitel nadi dem anderen umzuarbeiten. Rasch reifte der Entschluß, der ganzen Ausgabe Einhalt zu tun, um eine neue Bearbeitung vorzu- nehmen. Die Arbeit an der Description hatte ihn »viel klüger gemacht«, er möchte es nun »so hoch treiben, wie möglich«. Er suchte also die Handschrift von Dyck zurückzubekommen (24. Juli 1759), er wolle

12. Nach dem Journal Willes vom 6. November 1759 schrieb Füßli: que M. Winckelmann a re^u ordre de la cour de Saxe pour faire imprimer son nouvel ouvrage en Saxe, et non ailleurs [Memoires et Journal, ed. G. Du- plessis, Paris 1857, 1, 123; vgl. Briefe I, 438; 614].

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sie nie im Deutschen ans Licht stellen, ließ er sagen, oder sie wenig- stens völliger ausarbeiten und alsdann auf eigene Kosten drucken lassen. Ein Kontrakt war nicht gemacht worden; nach dem römischen und Nürnberger Recht sei es, wie man sage, das Seinige. Im Fall von Schwierigkeiten dachte er daran, sie dem Kurprinzen zu schenken, damit das Spiel ein Ende habe. »Die Leute waren es nicht wert, nach dem Evangelio« (i. September 1759). Blutsauger nennt er die Buch- händler, Bestien, die ihn um seinen blutsauren Schweiß bringen wollen. Er fürchtet, daß eine Handvoll Blätter, durch Vorschub guter Seelen, die dieselben vor den Mäusen bewahrt, gedruckt werde. »In einem Nest voll Magisters (Leipzig), die nicht wissen, wovon sie schreiben wollen, steht dergleichen Ware in Gefahr.« Er erhielt das Manuskript von Dycks Witwe ohne Schwierigkeit zurück und, »in den höchst be- drängten Zeiten«, drei schöne holländische Dukaten Honorar für jene Artikel in der Bibliothek dazu. Er war nun »äußerst beschämt, daß er dies Honorar gefordert hatte; ich hätte das übersdiickte verdoppelt als ein Geschenk zurückgegeben, wenn es hätte füglich geschehen können« (4. Januar 1764).

Aber Walther, der von der Übergabe des Manuskripts an Dyck gehört, hatte seine Ansprüche aufs entschiedenste erneuert (September 1759), und ärgerlich gesagt, Winckelmann habe es zurückgezogen, »um ein paar Taler zu erschleichen«. So entschloß er sich denn doch, auch diese zweite Bearbeitung Walther zu lassen (6. und 7. Oktober 1759), aus keiner anderen Ursache, als um sein Wort zu halten, mit dem Beding, daß er ihm die Kupfer und Zeichnungen ersetze; im stillen aber dachte er, daß in einem Jahr viel Wasser ablaufe und daß er sie, wenn Frieden werden sollte, auf seine Kosten in Berlin drucken lassen könne; sonst aber wolle er ihm den Druck so kostbar machen durch die Kupfer, daß er entweder abstehen oder alles von Heller zu Pfennig bezahlen solle. Er erhielt nun durch Hagedorn das Manuskript zurück.

Zweite Bearbeitung (i'jsg—i'jSi)

Dieser Verwirrung verdanken wir den Besitz der Kunstgeschichte in einer vollendeteren Gestalt. Als er die Handschrift wieder vor sich hatte, löste sie sich ihm unter den Händen auf. Jene Störungen er- wiesen sich als ein Glück, »denn ich machte ein neues Systema und warf die ganze Schrift um, auch aus Besorgnis, daß dieselbe möchte abgeschrieben sein und ohne mein Wissen gedruckt werden können« (i8. Januar 1761). »Ich habe in Gesellschaft des Kardinals Albani . . . und bei den erwünschten Gelegenheiten, die weder Fremde, noch Römer haben können, sehr viel mehr erfahren und nachgedacht.« »Ich kann sagen, daß nicht leicht ein Mensch so viel und so oft und mit so vieler Bequemlichkeit als ich gesehen, zumal da ich Wagen und Pferde in meiner Gewalt habe und mir alles geöffnet wird« (27. März 1761). Es sei genug zu sagen, daß er sieben Jahre mit allen benötigten Hilfs- mitteln, die nicht leicht jemand gehabt hat, noch haben wird, an der- selben gearbeitet (18. Juni 1762).

Er nahm sich vor, »behutsamer zu verfahren . . . mit einem Fuß von Blei zu gehen«. Mit einem Werk, das das erste in seiner Art sei, könne man nicht langsam genug gehen: »ich habe«, schreibt er am 19. Sep- tember 1759, »keine Eile mit derselben, ich will sie von neuem durch- arbeiten, und sie soll noch einige Jahre liegen . . . Mein Vergnügen soll sein, nachdem sie in vielen Monatsschriften angekündigt worden, sie für mich zu lesen und zu wissen, was andere nicht wissen und den- ken können«.

Als er nach Beendigung der Korrektur der Description im Mai 1760 die Arbeit wieder aufnahm, entwarf er den jetzigen sehr ausgearbei- teten Plan, zu dessen Ausführung er zwei Jahre nötig hielt. »Mein teurer Geßner, wenig Menschen haben wie ich Gelegenheit und Be- gierde gehabt, die Altertümer und die Kunst ... zu erforschen: aber ich bin wie jener Tänzer aus dem Altertume, welcher beständig ging, ohne von der Stelle zu kommen. Morgen verwerfe ich zuweilen, was ich gestern richtig erkannte« (25. April 1761).

Im Juli 1760 war schon ein ganz anderes Werk daraus geworden. »Anfänglich war diese Geschichte ein Handbuch, jetzt ist dieselbe ein Werk geworden.« Im Sommer 1761 stand er zum zweiten Male vor

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dem Abschluß; Michaelis sollte der Druck beginnen. Die zweite neapelsdie Reise brachte Beschreibungen der neuen Gemälde. Er wun- derte sich über die Kenntnisse, die er in diesen letzten drei Jahren erworben (27. März 1761). »Wenn Sie diese Arbeit künftig sehen werden, wird es Ihnen und andern lieb sein, daß ich so lange daran gekünstelt habe« (an Stosch, 30. August 17Ö0).

Währenddem ging das Zeichnen und Stechen fort. Eine Vignette kostete ihn vier Zechinen. Im Oktober 1759 ü^ß ^^ ^^ der vierten Platte arbeiten, »und idi werde fortfahren, alles, was ich erschwin- gen kann, an dieses mein Erbteil (denn sonst habe ich nichts) zu wenden« (an Weiße, 30. Oktober).

Wieviel hätte er nun darum gegeben, wenn er den Mann in Dresden hätte loswerden können! Als die Kasseler Anträge die Aussicht er- öffnen, mit auswärtigem Beistand sein Leben noch einige Jahre in Italien in Ruhe hinzubringen, knüpft er sofort die Unterhandlungen mit Geßner wieder an. Denn wenn er nicht nach Sachsen zurückgehe, also die Schrift nicht unter seinen Augen drucken lassen, das Register anfertigen könne u. a., so werde er sich doch (wegen der leichten Post- verbindung) nach der Schweiz wenden müssen, obwohl es ihm wehe tue, »wegen der erlaubten Erkenntlichkeit (des Honorars) meiner Mühe mit einem Freunde handeln zu müssen« (an Geßner, 20. Juni 1761). Als jenes Projekt sich zerschlug, schrieb er nun doch an Walther, der eine Zechine für den Bogen bot ^3. Im Dezember 1761 schickt er zwei Hefte ab durch Graf Firmian und den sächsischen Ge- sandten in Wien; im Mai 1762 wurde ihre Ankunft gemeldet. Seitdem war ihm sein Werk zwei volle Jahre aus den Augen gerückt.

Inzwischen klangen die Kriegsdepeschen immer bedenklicher. »Der zunehmende Geldmangel in Sachsen«, schreibt er den 18. Juni 1762 an Volkmann in Hamburg, »läßt mich befürchten, daß nicht allein der Druck werde gehemmet werden, sondern daß idi auch für alle meine Arbeit ganzer sieben Jahre hindurch schwerlich das geringe Hono-

13. Später warf er ihm vor, statt der versprochenen Louisdors (für den Bogen) Dukaten ausgezahlt zu haben, weil deren Preis auf einen Louisdor gestiegen sei. »Das unschuldigste Kjnd hätte diesem Betrüger darauf ant- worten können, ich bin es aber mit Stillschweigen übergangen« (an Stosch, 25. JuH 1767 [III, 296]).

ZWEITE BEARBEITUNG DER KUNSTGESCHICHTE I27

rarium zu hoffen habe.« Er bat nun Volkmann, ihm einen Verleger in Hamburg zu suchen, seine Bedingungen seien: Schreibpapier, größ- tes Format (wie Cantemirs Geschichte der Größe und des Verfalls der ottomanischen Macht 1745), einen Louisdor für den Bogen, Ersatz des Verlages für Zeidinungen und Kupfer, 20 bis 30 Zechinen Vorsdiuß zur Bestreitung der rückständigen Kupfer. Volkmann bemühte sich sehr, wollte sogar 150 Taler für die Platten selbst hergeben; aber sein Brief mit diesen Vorschlägen ging verloren. Währenddem rückte in Dresden die Drucklegung langsam vor. An der Vollendung, rühmt er in der Vorrede, hatte sein alter Bibliothekskollege Franke großen Anteil.

Zuletzt zweifelte er, ob sein Werk je in die Öffentlichkeit kommen werde (Ende 17Ö3). Er war endlich müde geworden, an das Buch zu denken, wegen dessen er mehr als hundert Briefe geschrieben hatte, wobei er vierzig Tage auf Antwort warten mußte. Die Kunstgeschichte war schon in den Händen des Publikums, und der Verfasser sandte ihr seinen Fluch. »An meine Geschichte der Kunst bin ich müde zu den- ken, und ich weiß auch nicht, was aus derselben geworden ist . . . Es ist diese Arbeit nun über zwei Jahre aus meinen Händen, in welcher Zeit dieselbe ansehnlich hätte können vermehret werden, und noch itzo ist sie nicht erschienen; daher es mir ein Ekel ist, weiter davon zu schreiben. Che vada in tutta la malora l'opera che m'ha occupato tanti anni senza frutto!« (An J. J. Volkmann, 10. Februar 1764.)

Sie sollte dem Kurfürsten Friedrich Christian zugeschrieben werden, der eben den Thron bestiegen hatte; er starb (17. Dezember 1763), ohne sie erblickt zu haben. Warum war er dem Rat Firmians nicht gefolgt, sie dem Kaiser zu dedizieren! Es wäre von großen Folgen gewesen in Absicht geistlidier Benefizien im Mailändischen (14. Ja- nuar 1764). Er schrieb noch hastig Anfang Januar 1764 an Walther, erhielt aber die Mitteilung, daß das Werk bereits der Kurfürstin Marie Antonie überreicht worden sei.

Auf die off izielle Widmung folgte am Schluß der Vorrede eine ideale: »Diese Geschichte der Kunst weihe ich der Kunst und der Zeit und besonders meinem Freunde, Herrn Anton Raffael Mengs. Rom, im Julius 1763.«

Man sieht aus dieser Erzählung, daß Winckelmann sich nicht ohne

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Grund »ein Kind im Handel« nannte. Das Kind verschenkt seine Spielsachen, um sie demnächst wieder als sein eigen zu behandeln und an bessere, liebere Freunde zu verschenken. Wichtiger ist ein anderes Ergebnis. Es gibt Bücher, deren Plan aus dem Abschluß eines v^^issen- schaftlichen Lebensabschnittes entspringt. Hier hatte der kühne Plan erst die Studien ervi^eckt und geleitet. Winckelmann sah und forschte, um zu schreiben und während er schrieb.

Ordnung der Kunstgeschichte

Die Kunstgeschichte Winckelmanns, nach Inhalt und Zusammen- hang ihrer Bestandteile eine Schöpfung von unzweifelhafter Einheit des Geistes und aus der schöpferischen Persönlichkeit ihres Verfassers entsprungen, ist gleichwohl ihrer Form nach von wunderlicher Ver- worrenheit. Ihr Schema ist historisch, aber ihr Kern theoretisch, ja philosophisch; ihre Kapitelfolge scheint die einer stetigen Chronologie und doch wird uns derselbe geschichtliche Stoif mehrmals nachein- ander, wenn auch in wedbselnden Darstellungsweisen und Gesichts- punkten vorgeführt.

Nach dem Programm des Buches, wie es in Titel und Kapitelüber- schriften vorliegt, erwartet man eine Geschichte. Diese »Geschichte der Kunst des Altertums« soll den Ursprung, das Wachstum, die Ver- änderung und den Fall derselben nebst den verschiedenen Stilen der Völker, Zeiten und Künstler lehren. Sie beginnt demgemäß nach Besprechung des Ursprunges der Kunst und den Ursachen ihrer Ver- schiedenheit unter den Völkern mit den Orientalen; gelangt über die Etrusker zu der griechischen Kunst, handelt von den Ursachen ihrer Größe, von ihrem Wachstum und Verfall, ihren Perioden und Stilen und schließt mit den Römern. Nach dieser Anordnung wird jeder Leser eine zusammenhängende Entwicklungsgeschichte erwarten: äußerlich beherrscht das chronologische Schema die Anordnung des Stoffes.

Nun zeigt sich aber, daß dies historische Gemälde nur den ersten Teil des Buches ausmacht; ihm folgt ein zweiter, dem Umfange nach geringerer Teil »von der Kunst nach den äußeren Umständen der

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Zeit«. Der erste Teil war also eine Gesdiidite ohne die äußeren Um- stände. Diese Einteilung stand von vornherein fest, sie v^ird schon im November 1757 gegenüber Genzmer erwähnt. Wir sehen uns den ersten Teil nun genauer an und lesen die auffallende Überschrift: »Untersuchung der Kunst nach dem Wesen derselben.« Danach ent- hielte also dieser Hauptteil keine Geschichte, sondern Philosophie. Und der erste Satz ist eine Verwahrung, das Wort Historie im ge- wöhnlichen Sinn zu nehmen; es stehe hier in der weiteren Bedeutung (Kunde), die es in der griechischen Sprache hatte.

Die Absicht des Verfassers ist, den Versuch eines Lehrgebäudes zu liefern. Diese Absicht ist so streng durchgeführt, daß selbst die Ge- schichte der griechischen Künstler, d. h. fast alles, was wir durch die literarischen Urkunden von ihrer Kunst wissen und fast alles, was bisher ihre Geschichte ausmachte, ausgeschlossen wird. »Die Geschichte der Künstler, welche von vielen anderen zusammengetragen wurde, hat man hier nicht zu suchen, denn sie hat auf die Erkenntnis des Wesens der Kunst wenig Einfluß ^4.«

In der Tat ist nun wenigstens der Kern des ersten Teiles keine Ge- schichte, sondern eine Art Ästhetik der griechischen Skulptur. Mit dem Punkte, wo der Verfasser den griechischen Boden betritt, im vierten Kapitel (vom Wesentlichen der Kunst), tritt der Geschichtserzähler sein Amt ab an den Philosophen, um es im fünften Kapitel (von der Kunst unter den Römern) wieder aufzunehmen. Dies Lehrgebäude ist also eine Episode der Geschichte. Es umfaßt eine Erörterung des Schönheitsbegriffes, die Lehre vom Ideal, dessen Beschreibung, eine Typologie und Lehre vom Ausdruck, einen Abschnitt über die Tech- nik und einen von der Malerei der Griechen.

Dies systematische vierte Kapitel (in dem freilich auch Historisches, wie die Ätiologie und Periodik der Kunst enthalten ist) hat also als der wichtigste Abschnitt dem ganzen Teile den Namen gegeben.

Diese unbedingte Wertung des Systematischen gegenüber dem Historischen ist den Zeitgenossen sofort aufgefallen. So bemerkt Her- der in den kritischen Wäldern: » Winckelmann, ein Lehrer griechischer Kunst, ist selbst in seiner Kunstgeschichte mehr darauf bedacht, eine historische Metaphysik des Schönen aus den Alten, absonderlich Grie-

14. [Werke (Eiselein) III, 9.]

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dien zu liefern, als auf eigentliche Geschichte.« Er hatte anfangs vor, dem Buche ein Gespräch »Phaedrus« einzufügen ^J. Es ist in der Tat mehr von Plato inspiriert als von Herodot. Die zuerst ausgearbeitete Partie waren die Beschreibungen der Statuen des Belvedere, der repräsentativen oder Musterbeispiele griechischer Kunst; und in ihnen trat das Interesse historischer Einordnung völlig zurück.

Wenn Winckelmann von dem Neuen, Originalen in seinem Buche spricht, so hat er diesen Teil im Auge. Ein Lehrbuch will er liefern, das »bestimmt und gesetzmäßig lehre«, und zwar das »Systema der alten Kunst«. Er arbeitet einen vierzehn Quartseiten füllenden Inhalt aus: »ich habe eine strenge Ordnung gewählt, die soviel als möglich systematisch in einem Lehrbuch und in der ersten Schrift dieser Art sein muß«. »Idi bin nicht eitel«, bekennt er Hagedorn am i. September 1759, »aber ich weiß, wie wichtig ein Systema in dieser Art ist, woran mancher geknaupelt hat, aber keinen Saft gefunden.« Nach fast drei- hundert Jahren (versichert er Geßner, 25. April 1761) sei endlich einmal Zeit gewesen, daß sich jemand an dieses System der Kunst wagte: »nicht die unsrige dadurch zu verbessern, die es in Wenigen, welche dieselbe treiben, fähig ist, sondern jene betrachten und bewun- dern zu lernen«.

Er hat sich sein Ziel hoch gesteckt. Nicht bloß den Gegenstand der Kunstwerke soll diese Historie deuten, nicht bloß ihren Stil und dessen Wandlungen schildern und den Kreislauf ihres Lebens beschreiben: das Ganze der Grundsätze und Maximen, nach dem die Alten gearbei- tet, ihre ästhetischen und technischen Regeln soll sie aus den Werken zu folgern wissen, nicht zu reden von den religiösen, sittlichen, poetischen Elementen, die in die Kunst mit hineinspielen. Es ist ein Unternehmen, bei dem die Gelehrsamkeit des Altertumskenners, die Anschauungsfülle des römischen Antiquars, die Erfahrung des Bild- hauers, das Denken des Philosophen zusammenarbeiten müßten. Der Historiker wagt es, die von ihm erschlossenen Sätze als unter den Griechen gültige Prinzipien, wie aus dem Munde ihrer Künstler auszusprechen.

Es gehört zu den Humoren in Winckelmanns Leben, daß er, der einst unter Baumgartens philosophischem Katheder schlummernd ge-

15. [Werke (Eiselein) III, 30.]

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sessen, dessen profane Augen in dem Gott des philosophischen Halle nur einen »Klotz« sahen, der da meinte, »die ganze Wissenschaft der Metaphysik verdiene kein Nachdenken« (7. Dezember 1763), und dessen Lehrschriften von der Zucht ebensowenig wie vom Staub der Schule mit sich führen gleichwohl den Hauptzweck seines Werkes in eine ästhetische Theorie setzte. Und so ist er dazu gekommen (ähnlich wie es manchen skeptischen und mystischen Hassern der Philosophie ergangen ist), in der Geschichte der Ästhetik, wenn auch nicht einen ordentlichen Fauteuil, aber doch den Stuhl eines außer- ordentlichen Ehrenmitgliedes vergönnt zu bekommen.

Winckelmanns Werk ist wohl das erste Beispiel der von nun an häufigen Vermischung, ja des RoUenwechsels von Geschichte und Theorie. Die Geschichte fing an, die Literaturgattung zu werden, wie sie (nach Renans Worten) jedes Zeitalter sich wählt, »als seinen Vor- wand alles zu sagen, für die feinsten Gedankenwendungen einen Ausdruck zu finden«.

Winckelmann hatte hierfür seine guten Gründe. Sie waren zwie- facher Art: die Beschaffenheit der Quellen und der durch sie gebotenen Methode, sodann aber die nach seiner Überzeugung kanonische Be- deutung der griechischen Kunst.

Ihm war es zu tun um ein lebendiges Wissen, »den Kern der Nuß«. Die historische Überlieferung aber bot nur tote Gelehrsamkeit. Was sollen uns fürder diese Namen und Folgen der Künstler, deren Stil wir nicht kennen, die Beschreibungen von Werken, wo jede Anschauung fehlt, diese Urteile und Regeln, die für uns ein toter Buchstabe bleiben. Und doch glaubte er, von dieser Kunst der Griechen ein recht klares und deutliches Wissen zu besitzen, audi angeben zu können, was ihre Künstler gewollt, gefühlt, geschaffen aber dies hatten ihm lediglich die Denkmäler anvertraut. Nur sie redeten eine lebendige Spradie. Freilich zwischen dieser Kunst und jener Gelehrsamkeit war noch keine Brücke geschlagen. Nur das gemeinsame Zeitlose war zunächst zu ermitteln, die Unterschiede, die Eigenart der Meister wurde kaum geahnt; sie erschienen übrigens noch von geringerer Bedeutung. Sie traten zurück durch den Gegensatz zu dem Modernen; neben diesem gesehen, war der ganze alte Denkmälerschatz ein homogenes Ganze, fast wie eine Schule.

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Das geschichtliche Bild mußte also in erster Linie auf Anschauung gegründet werden. Die Geschichte der Kunst soll das, was sie lehrt, »aus den übriggebliebenen Werken des Altertumes soviel als möglich zu beweisen suchen«. Dies ist es, woran man bisher noch nicht gedacht hat. »Fast kein Scribent führt in das Wesen der Kunst: selbst von den Allerklügsten hat kein einziger in das wahre innere Wesen der Kunst hineingeschaut« (Mitte September 1757). »Diejenigen, die von Alter- tümern handeln, berühren entweder nur dasjenige, wo Gelehrsamkeit anzubringen war, oder wenn sie von Kunst reden, geschieht es teils mit allgemeinen Lobsprüchen, oder ihr Urteil ist auf fremde und falsche Gründe gebaut ^^.«

Winckelmann war aus Ekel vor diesen Kompilatoren, »um zu vermeiden, etwas zu sagen, was andere gesagt haben, um Original zu sein« (12. Mai 1757), sehr zurückhaltend mit bloßen Büchernach- richten, obwohl er sich eine »Sammlung der Nachrichten alter Scri- benten über die Kunst« ^7 angelegt hatte. Er hat manches als leeren Notizenkram übergangen, woraus spätere Forschung mittels Ver- gleichung des Denkmälervorrates eine nicht bloß gelehrte Kunde untergegangener Werke erschlossen hat. Die Verzeichnisse der Werke der Bildhauer, die Inschriften, die Notizen der Alten über Stil und Manier, die Beschreibungen, von homerischen Schilden, Kypselosladen und Apollothronen an bis auf die riesenhaften Goldelfenbeinwerke er wußte wenig mit ihnen anzufangen. Der Gebrauch der Kopien zur Veranschaulichung verlorener Werke war erst in den Anfängen. Der von ihm eröffnete Weg des Denkmälerstudiums mußte das Auge erst allmählich bewaffnen, um die in dem Chaos des Vorrates etwa ver- steckten Originale, sowie die Nachbildungen der aus Schriftstellern bekannten Stücke herauszufinden. Literarische und monumentale Kunstgeschichte gingen noch getrennte Wege.

Winckelmann suchte den Wert seines Buches viel weniger in der Belesenheit, die den Lesern seiner Zeit, auch Lessing so imponierte, als in der Denkmälerschau und der »Empfindung«, d. h. dem Kunstsinn,

16. [Werke (Eiselein) III, 10.]

17. [Florenz, Societä Colombaria, Windkelmann-Nadilaß Nr. IV— II— II— 52, 8. 129—146: Ex Franc. Junii Catalogo Artificum vett. Vgl. I, 209 f.; 549; II, 533-]

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den er dazu mitbrachte. Oft äußert er sich glücklich über die Gunst, die ihm in Rom zuteil geworden, »wo er sieben Jahre mit allen benötigten Hilfsmitteln, die nicht leicht jemand gehabt hat noch haben wird, an derselben gearbeitet, und alle Gelegenheit gehabt, die Werke mit Muße zu untersuchen« ^^; er spricht von der Liebe zur Kunst, die von Jugend auf seine größte Neigung gewesen, von seinem inneren Beruf, der sich allezeit gemeldet habe, ohneraditet ihn Erziehung und Umstände in ein ganz entferntes Geleis geführt hätten; von einem gewissen feinen Geist, der ihn, als er dies Buch schrieb, auf mächtigen Schwingen in Betrachtung des Schönen erhob. Das sei die Seele der ganzen Kenntnis der Kunst des Altertums, die der Himmel nicht verschwenderisch verliehen (an Geßner, 25. April 1761). Damit nun tritt er nicht bloß auf als Forscher, der sich neben andere, seine Mit- arbeiter reiht, als Überlieferer überkommener, von ihm gemehrter Kenntnisse, sondern im Bewußtsein dieser inneren und äußeren ganz singulären Ausrüstung stellt er sich, er allein, allen andern gegenüber, und redet als Meister, von dem wir nur zu lernen haben, wie wir auch, was er lehrt, nur von ihm lernen können.

Am liebsten hätte er bloß auf die Denkmäler gebaut; aber dies war nicht durchzuführen. Am breitesten ist die monumentale Grundlage bei dem Ideal und den Typen; sonst führt die Prüfung des Materials wohl zu dem Ergebnis, daß aus ihm nichts zu ermitteln sei; und wichtige Teile ruhen auf reiner Vermutung. Diese Vermutungen lehnen sich an Nadirichten der Alten, an die aus neuerer Malerei und hellenischer Poesie geschöpften Analogien.

»Ich habe mich mit einigen Gedanken gewagt, welche nicht genug erwiesen scheinen können; aber Mutmaßungen, die sich wenigstens durch einen Faden an etwas Festem halten, sind aus einer Schrift dieser Art ebensowenig als die Hypotheses aus der Naturlehre zu verbannen; sie sind wie das Gerüste zu einem Gebäude, ja sie werden unentbehrlich, wenn man bei dem Mangel der Kenntnisse von der Kunst der Alten nicht große Sprünge über viel leere Plätze machen wilp9.« Und einige seiner glücklichsten Blicke befinden sich unter diesen Mutmaßungen.

i8. [II, 129. Werke (Eiselein) I, 251; II, 26; III, 333 f.] 19. [Werke (Eiselein) III, 30.]

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Freilich mußte hiernach die Ausfüllung jenes umständlichen Schemas des »Inhalts«, den ersieh ausgearbeitet, eine ziemlich ungleiche werden. Es sind darin Etuis mit Juwelen und Bacons capsulae inanes. Ein solches Werk, das eine Wissenschaft erst begründet und doch auch schon etwas wie ein fertiger, ornamentierter Bau sein will, ist ver- gleichbar einem Staat, der an einzelnen Punkten eines fremden Landes Forts und Emporien gründend, durch diese mehr ideelle als wirkliche Besitzergreifung erst den Nachkommen das Eroberungs- und Kolo- nisationswerk vermacht, ja aufnötigt. Es gibt Paragraphen, die auf wenigen Seiten die Quintessenz jahrelanger Forschung zusammen- ziehen; Zitate, aus denen andere eine Abhandlung gemacht hätten, sind »einfach hingesetzt«; wichtige Lehrpunkte mit lakonischer, ja rätselhafter Kürze ein für allemal erledigt; während dann wieder manches seine ausführliche Beschreibung nur der Neuheit verdankt. Dasselbe Werk, das ein abgeschlossenes, für die Dauer berechnetes Lehrbuch sein wollte, wird gelegentlich auch zum Moniteur für antiquarisdie Miszellen und Bulletins der Scavi.

Doch wer wollte mit ihm darüber hadern? Verdanken wir dem Buche doch, daß uns nun das monumentale Rom des achtzehnten Jahrhunderts, von dem seitdem so viel nach Paris, Neapel, Florenz, Mündien und England verstreut ist zwar nicht in einem Katalog, aber in einem lebendigen, zusammenhängenden Gemälde erhalten ist.

Das lehrhafte Gepräge seines Geschichtswerkes hatte aber noch eine tiefere Ursache: das war der kanonische Rang der Griechenkunst. Sie stand ihm so hoch, daß sie über das geschichtlich Besondere und Bedingte völlig hinausgerückt schien. Von ihr reden, sie schildern, heißt soviel als das ewige Wesen des Schönen schildern: von der Kunst der Zeichnung der Griechen handeln, ist dasselbe, wie von der Schön- heit handeln nach allen ihren Teilen. Der Verfasser der ersten Geschichte der Ästhetik, Robert Zimmermann (1858), hat Winckelmanns Lehr- weise deshalb mit der theologischen und ihrer untrüglichen Offenbarung, seinen felsenfesten Glauben an die Allgemeingültigkeit der antiken Welt mit dem Eifer für die wahre Kirche verglichen. Ein anderer Philosoph meinte nörgelnd, hier einen unbefriedigenden Kreislauf der Gedanken entdeckt zu haben: »die Alten zu preisen, weil sie das wahre Schöne gekannt, und wahres Schöne das zu nennen, was die Alten gebildet«.

ORDNUNG DER KUNSTGESCHICHTE 135

Merkwürdig, schon damals war ein scharfsinniger französischer SensuaHst vielleicht von selbst auf diesen Weg als den sachgemäßen und rationellen gekommen.

Condillac gibt der Kunstgeschichte ebenfalls die Bestimmung, uns Schönheit zu lehren. Da nun die Kunst ihre Anfänge und ihren Verfall gehabt hat, so wird sich das Schöne an dem Höhepunkt (terme) des Fortschrittes finden. Diesen Punkt nun vermag ein Volk nicht zu erkennen, wenn es ihn noch nicht erreicht hat; es verliert das Urteil über ihn, wenn es ihn nicht mehr einnimmt; aber wenn es in ihm steht, so fühlt es ihn nur. Um ein Urteil über ihn zu haben, muß man also die Künste beobachten bei einem Volke, wo sie nach und nach Kindheit, Wachstum und Verfall gehabt haben. Die Vergleidiung, das Mitdurchleben gleichsam dieser drei Alter wird uns den Begriff (idee) des Schönen geben und den Geschmack bilden.

Winckelmann hat sich auch keineswegs die Gründe schenken wollen, wenn er jene Kanonizität griechischer Kunst behauptete. Seine Aus- führungen über den Einfluß des Himmels auf die Bildung, von den Gründen und Ursachen des Aufnehmens und des Vorzugs der griechi- schen Kunst vor anderen Völkern waren bestimmt, »die Verehrung der Denkmale der Griechen von dem ihr von vielen beigemessenen Vorurteil zu befreien, als lege man ihnen bloß durch den Moder der Zeit ein Verdienst bei«. Wenn nämlich gezeigt würde, daß die Schönheit der Griechenwerke, auch die idealische, ein Spiegelbild ihrer Natur war, daß das Klima ihres Landes, mehr als irgendeines, die Entfaltung normaler Natur, zugleich feiner und großer Formen beförderte, die dann Sitten und Einrichtungen vollendeten, und wenn endlich nachgewiesen würde, daß diese Formen ganz mit den an- erkannten, einfachsten Merkmalen des Schönen der Einheit im Mannigfaltigen stimmten, ja als deren reinste Exemplifikation in die Augen leuchteten: dann würde uns das System griechischer Künstler nicht mehr als ein national-konventionelles erscheinen, son- dern als begründet in der Morphologie des Menschen und den zeitlosen Gesetzen ästhetisch wertvoller Formen erwiesen sein(cp6o£i, nicht vojxcp).

Nur der Blinde in der Kunst kann sich einbilden, daß eine Norm des Schönen sich ergrübein oder erschauen lasse neben oder über dem, was die Kunst gefunden hat. Jene Anschauungen und Begriffe, mit

136 RÖMISCHE ZEIT

denen seit der Renaissance die Antike den modernen Geist und selbst die Philosophie befruchtet hat, woher sollte uns ihre Ahnung zugeflos- sen sein, wenn die Zerstörung vollständig gewesen wäre? Und wenn wir Winckelmanns Schilderung betrachten von jener merkwürdigen, wohl nie wieder zu hoffenden Vereinigung der Umstände, die die Erfolge Griechenlands möglich machten: schöne Rasse unter glück- lidiem Himmel, physische Erziehung, Gelegenheit zum Studium, Achtung und Antriebe der Kunst, Gunst religiös-politisch-gesellschaft- licher Zustände, Schwung des Geistes durch Freiheit und materielle Förderung durch Wohlstand, nun, so werden wir uns glücklich nennen, daß uns wenigstens Trümmer dessen geblieben sind, was nur durch solche Fügung einst in Erscheinung treten konnte, daß wir durch Vertiefung in diese Trümmer wenigstens auf einige Umrisse jenes Ganzen, auf die Ahnung jener Schönheitswelt kommen können, die wir doch als uns so innig zu eigen gehörig empfinden.

Historischer Teil

In dem zweiten, »im engeren Verstand« historischen Teil soll die Kunst »nach den äußeren Umständen der Zeit unter den Griechen« zur Sprache kommen. Nach dem Sprachgebrauch würde also erst hier die Geschichte der griechischen Kunst beginnen. Diese Teilung des Stoffes war schon 1757 beschlossen; das Manuskript dieses Teiles wurde aber erst hergestellt, als der erste schon nach Dresden ab- geschickt war.

Diese Trennung eines systematischen und historischen Teiles war eine Originalidee Winckelmanns und eine seiner glücklichsten. Sie war ohne Zweifel in der Natur des Gegenstandes begründet. Sie ist auch von den Fortsetzern der von ihm geschaffenen, in der Folge erstaunlich erweiterten DiszipHn, seit Böttiger Archäologie genannt, beibehalten worden. In Otfried Müllers Handbuch der Archäologie der Kunst (1830) geht jedoch »die Geschichte der Kunst im Altertum« der »systematischen Behandlung der antiken Kunst« vorher. Diese Um- kehr der Folge bei Änderung des Namens ist beachtenswert und eigentlich auffallend. Der Begründer nannte seine Archäologie Ge-

HISTORISCHER TEIL I37

schichte, obwohl ihr Kern ein Lehrgebäude war, und die historische Erzählung dessen minderwertiger Anhang. Seine Nachfolger haben den Namen einer systematischen Disziplin vorgezogen, obwohl der Schwerpunkt der Forschung auf die Geschichte übergegangen ist^°. Das grundlegende Buch Heinrich Brunns (1852) nennt sich eine Ge- schichte der griechischen Künstler, die Winckelmann warnte, von seiner Geschichte zu erwarten, aber die lebendigen Vorstellungen von den Meistern und Perioden, die er vermißte, waren inzwischen gewonnen worden.

Winckelmann hatte hier zum ersten Male versucht, die griechisch- römische Geschichte zu durchmessen, um die Kunstnachrichten der Autoren in sie einzuordnen und den Ursachen des Steigens und Sinkens der Kunst, soweit sie außerhalb der Kunst liegen, auf die Spur zu kommen. Den Hintergrund und Boden, die von ganz anderen Geistern und oft stürmisch bewegte Umgebung wollte er schildern, in der die stillen, einer höheren Welt angehörigen Gebilde der Kunst sich erhoben. Nach einer kurzen Signalisierung des geschichtlichen Moments werden die Namen der Künstler und die Perioden der Kunstgeschichte, nach Plinius, nebst den datierbaren Denkmälern angeschlossen und auf den wahrscheinlichen Zusammenhang wird hingewiesen.

Es ließe sich wohl denken, daß er mit dieser Zusammenstellung des historischen Gerippes seine Arbeit begonnen habe. Bald aber nahmen jene prinzipiellen Erörterungen, die zuerst vielleicht mit der Erzählung verknüpft werden sollten, einen größeren Umfang und Zusammen- hang an und sprengten jenen Rahmen. Was er von Aufschlüssen über alte Kunst zu geben hatte, konnte in jenem Bericht nicht wohl unter- gebracht werden, so viele Beobachtungen, die er an dem römischen Denkmälervorrate gemacht, waren zur Mitteilung in Zeitabschnitten nicht geeignet. Und gerade diese Beobachtungen hatten den Vorzug der Neuheit und der Originalität, während in jenem historischen Gemälde doch nur eine verbesserte Auflage des Bekannten aufgetischt

20. Das Wort Kunstgeschichte erweckt die Vorstellung des Leichtwißbaren und des gegenständlichen Reizes. Die Archäologie, von alters her im Rufe, »vorzugsweise nach dem zu forschen, was weder wißbar, noch wissenswert ist« (Mommsen, Römische Geschichte I, 82) gibt zu der Besorgnis eines loss of caste keinen Grund.

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werden konnte. Sie wurden zum System, und dieses System sog alles auf, was von Ideengehalt in dem Buche gebracht werden sollte, sogar von der historischen Folge, der Periodisierung, den Kern.

So wurde also der zweite Teil zu einem bloßen Residuum dieses Absorptionsprozesses. Ein etwas mageres Residuum, denn jener ge- schichtliche Rahmen war etwas aus zweiter Hand; er war A. G. Baumgartens Allgemeiner Welthistorie entnommen (so reicht doch ein Wurzelast des Buches nach Halle zurück!). Die Künstlerdaten waren zum Teil ungenau und die Beziehung zu den politischen Ereig- nissen vage Vermutung. Man vermißt die lebendige Anschauung des Moments und das, woran man den Geschichtsschreiber erkennt, die Intuition des großen Zusammenhanges. Dieser erste Versuch ist auch sofort kritisch angefochten worden und nun längst veraltet. Es ist eben ein Anhang, in dem der Schriftsteller unterbringt, was den Zusammenhang seiner Darstellung belasten würde, das er aber, da es zur Sache gehört, nicht aufgeben mag.

Wenn im ersten Teile das Wesentliche der Kunst zu seinem Rechte gekommen war, was blieb nun für den zweiten, die Geschichte im engeren Verstand? Nach dem Wesentlichen das Unwesentliche, der Zufall. Ohne Zweifel spielt der Zufall in der Geschichte seine Rolle, eine erheblichere, als philosophischen Köpfen bequem ist. Der Zufall ist ja die Voraussetzung der geschichtlichen Forschung. Denn die in der Geschichte wirkenden, sehr verschiedenartigen Ursachen, beson- ders die Menschen, sind dem Zufall unterworfen. Wenn eine hinter diesen mannigfaltigen Ursachen, die der Geschichtsschreiber zu ermit- teln hat, stehende Kraft hypothetischer Art, mag man sie Evolution oder Volksseele oder Vorsehung nennen, das Geschehen bestimmt, nun so hat die Feststellung jener zufälligen Ursächlichkeiten nur sekundären Wert, fast den einer Kuriosität. Gesetzt, der Zufall ließe eine Ursache ausfallen, Caesar würde ermordet, so braucht die Evolution oder der Volksgenius, mit Allmacht ausgerüstet wie er ist, nur die Steine im Brett etwas anders zu rücken, und alles geschieht ungefähr so, als wenn Caesar am Leben geblieben w^äre. Ereignisse und Personen sind nur Exekutoren, die Verleger gleichsam, für die Ideen, die der philosophierende Historiker auch ohne so viel Mühe, ja klarerund runder als der im Staub derWirklichkeit wühlende Forscher,

HISTORISCHER TEIL I39

aus der zufälligen Hülle herausschält, wobei es ihm, der ja sogar die Geschichte manchmal zu berichtigen hat, auf eine Handvoll nicht ankommt.

Winckelmann, der neuerdings wohl als der geniale Schöpfer der kulturgeschichtlichen und evolutionistischen Auffassung der Geschichte gefeiert worden ist, hatte in der Tat eine etwas geringe Ansicht vom Wert der Geschichte. Die Gesinnung, die sein großes Werk beherrscht, ist eher eine antihistorische. Vermutlich stammte dies Vorurteil aus der ihm einst aufgezwungenen Beschäftigung mit der deutschen Reichshistorie. Sie erschien ihm mehr und mehr als unfruchtbare Gelehrsamkeit. Die wahre Geschichte, hatte er von Montesquieu gelernt, ruht auf zwei Säulen: Geist der Gesetze: das ist sein Wesent- liches der Kunst; den »Ursachen von Wachstum und Verfall« entspricht dieser zweite Teil. Der Geist seinesWerkes war die Lehre vom Schönen, das Eines ist und unveränderlich, in ihm laufen alle Radien der Natur und Kunst zusammen. Es ist so unveränderlidi wie die Axiome der Mathematik. Auch die Stilformen sind nicht berechtigte Varianten oder Erscheinungsformen, sondern stufenweise Selbstverwirklichung jenes Einen Begriffes. Die Geschichte aber beherrscht der Begriff des Werdens. »Insofern ist auch in der Kunst wie in allen Wirkungen der Natur kein fester Punkt zu denken.«

Ihm aber kam es im Grunde auf etwas ganz anderes an als die Schilderung dieses ewigen Wechsels, dieses Stromes der Gestalten, welche die Welle »hebt und verschlingt«, diese bunte Galerie der Geschichte mit ihren ethnographisch-zeitlichen Merkwürdigkeiten. Wie wir da, wo wir Wahrheit suchen, nicht wissen wollen, was alles einst von Menschen behauptet worden ist und behauptet wird, sondern was ist, wobei das Wann und Wie uns gleichgültig ist: so wollte er auch in der Kunst nicht bloß feststellen, wie jene Nation gebaut, und dieses Jahrhundert gemalt habe. Das Schöne ist wie das Wahre zeitlos. Ein Bedürfnis seiner Menschheit, ein Bedürfnis des Vollkommenen war es, das ihn zum Schönen zog; er fand sich sympathisch berührt durch des athenischen Weisen hohe Worte vom Ewisfschönen und dessen Abglanz in der Erscheinung; dieses Verlangen nach dem höch- sten, beseligenden. Einen, dieses ahnungsvolle Verlangen war es, was er in der Kunst der Griechen als erfüllt begrüßte.

I40 ROMISCHE ZEIT

So blieb für die Historie »im engeren Sinn« nur das Caput mortuum der lebendigen Erkenntnis, die literarische durch keine Denkmäler zu belebende Überlieferung; und dann die äußere Pragmatik, die außer- halb der Kunst liegenden Ursachen. Nach den immanenten in der Natur der Zeichenkunst begründeten, die transzendenten, das Milieu, die Gunst der Umstände, deren die abhängige endliche Erscheinung der Kunst bedarf.

»Die Wissenschaften, ja die Weisheit selbst, hängen von der Zeit und ihren Veränderungen ab, noch mehr aber die Kunst, welche durch den Überfluß und vielmehr durch Eitelkeit genährt und unterhalten wird.« Sie bedarf des Friedens, weil sie »ohne eine besondere glückliche Anscheinung niemals emporkommen kann«. Sie ist gegen Krieg, Revolution und dergleichen sehr empfindlich. Noch wichtiger aber als alles dies ist die Freiheit. Die Geschichte besteht für ihn wesentlich in Oszillationen von Tyrannis und Demokratie, durch die die Kunst in Mitleidenschaft versetzt wird.

Alles was dem geschichtlichen Verlauf eine genetische Bedeutung geben könnte, die Vorstellung eines universalhistorischen Prozesses, in den die Völker sich ablösend einträten, wird an der Schwelle abge- wiesen, so wenig hält er von einer internationalen Genealogie der Kunstformen und Typen.

Die Anfänge der Kunst fallen außerhalb der Kunstgeschichte: denn ihre erstenVersudie sind noch keinStil^^ » Unter Ägyptern,Hetruriern und Griechen wird beim Ursprung der Kunst kein Unterschied ge- wesen sein«; kein Volk hat mehr Anspruch auf Originalität als ein anderes; sie scheint unter allen auf gleiche Weise entsprungen zu sein. Die vom Ursprung eines Gebrauches oder einer Kunst und deren Mitteilung von einem Volk das andere reden, irren insgemein darin, daß sie aus einzelnen ähnlichen Stücken schließen. Auch bei gleichzeitig auftretenden Erscheinungen braudit man keine Einwirkung anzuneh- men. Zu Perikles Zeit hörten wir, wurde die ganze Natur der

21. »Überall ist im Anfang das Rohe, Ungeformte, Leere und Häßlidhie, und in allen Dingen kommen nur die höheren Stufen in Betracht . . . Der Weg zu den Anfängen führt überall zu der Barbarei.« Fr. Nietzsche (Zukunft 1894. 3. November). [Geburt der Tragödie (Kröners Taschenausgaben 70) S. 265.]

DIE KUNST DER ÄGYPTER 14^

Menschenkinder in allen Ländern rege, und die großen Erfindungen taten sich mit einem Male hervor.

Freihch in jenem toten gelehrten Residuum steckt doch eigenthch die Geschichte. Wie kann man das »Wesentliche der Kunst« von ihren Zufälligkeiten trennen? Denn die Geschichte der Künstler war die des Genius, der schaffenden Potenz in der Kunst, und die großen Unternehmungen der Staaten und Fürsten, wo ihre Ideen aus den Bewegungen des sozialen Ganzen hervorspringen und ihr die Inspi- rationen erteilen, diese zufällige Geschidite mit ihren persönlichen Kräften und geschichtlichen Aufregungen ist sogar das einzig Wirk- liche, aus dem jene Ideale nur durch die überschauende Betrachtung denkender Geschichtsschreiber und Philosophen späterer Zeiten her- vorgezogen werden.

Die Kunst der Ägypter"

Wenn auch die Kunst der Griechen Winckelmanns »vornehmste Absicht« war, eine Kunstgeschichte des Altertums konnte sich aus- führliche Stücke von Ägyptern, Phöniziern, Persern, Hetruriern u. a. nicht erlassen. Wunderlicherweise werden diese Studien im systema- tischen Teile untergebracht, augenscheinlich weil bei den wichtigsten, Ägyptern und Etruskern, für ihn die Beschreibung ihres Stils das Hauptinteresse war und mit der Periodisierung der griechischen Kunst sich berührte, ja zum Teil zusammenfiel. Freilich hatte er von diesen Völkern nicht viel zu erzählen: der Orient war noch ein unentdecktes Land. Von den Ägyptern (wo er noch am besten versehen war) lagen ihm nur wenige, schon in alten Zeiten nach Rom verschlagene Arbeiten vor; das Bild hetrurischer Kunst war verwirrt durch das altertümlich- griechische; von Persien wußte er nur aus Reisebeschreibungen; von manchen andern Kunstvölkern, von den Assyrern, näheren Vorläufern

22. [Justi arbeitet in der Analyse von Winckelmanns Hauptwerk die thema- tisdi und sachlich übereinstimmenden Ausführungen aus der »Geschichte der Kunst des Altertums« und aus deren Neufassung im sog. Trattato preliminare der »Monumenti antichi inediti« ohne nähere Angaben zusammen. Werke (Eiselein) III— VI: Geschichte der Kunst; VII, 43—261: Trattato preliminare, in deutscher Übersetzung.]

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der Hellenen als die Ägypter, von der der Kunst Attikas verwandten lykischen (von Indien zu schweigen), hatte man noch keine Ahnung. Es gibt eben Werke, die eine Periode der Forschung für den Gebrauch der, anderen Fragen sich zuwendenden. Mit- oder Nachwelt abschließen; und andere, die, ein Aufruf an die Zukunft, mehr Probleme stellen und unerforschte Strecken abgrenzen als Entdeckungen mitteilen.

So schrieb Winckelmann von der Kunst der Ägypter, als man von ihrer Baukunst und Malerei noch kaum eine Ahnung hatte, vierzig Jahre vor der Offenbarung jener Wunderwelt durch die französische Expedition. Doch konnte man sich in Rom (und in Rom allein) seit einigen Jahren wenigstens vom Stil ihrer Plastik ein ziemlich deut- liches Bild verschaffen, ja selbst von den Wandlungen, die er erlebt. Im Jahre 1748 hatte Benedikt XIV. auf Veranlassung eines reichen Fundes in dem sogenannten Kanopus der tiburtinischen Villa Hadrians einen ägyptischen Saal im Erdgeschoß des Kapitolmuseums gegründet und ebenfalls Kanopus getauft. Es war das Zimmer am östlichen Ende des Atrio, das neuerdings nach den daselbst aufgestellten Antiken »Zimmer der unbekannten Büsten« genannt wurde.

Schon vor dieser Entdeckung neuägyptischer Arbeiten Hadrianscher Zeit rühmte sich das Kapitol einiger weit kostbareren, altägyptischen Werke, die nach Ficoronis Notiz im Jahre 17 14 in der Vigna der Verospi in den alten sallus tischen Gärten gefunden und gleich von Clemens XI. angekauft worden waren. Zwei davon, Tuaa, die Mutter Rhamses IL, von schwarzem, und eine ptolemäische Isis von rotem Granit, standen gleich am Eingang aus der Vorhalle des Museums in den Cortile; zwei andere, Ptolemäus Philadelphos und Arsinoe, hatte der Papst im Hofe des Konservatorenpalasts zu den Seiten der Roma, neben den gefangenen nordischen Königen, in sinniger Gruppierung aufrichten lassen. Das Kapitol vereinigte also damals (und bis zur Gründung des Gregorianums im Vatikan im Jahre 1838, wo es seines Kanopus beraubt wurde) beide Phasen ägyptischer Skulptur in lehr- reichen Exemplaren.

Auch sonst sah man in Rom Arbeiten dieses Volkes, z. B. im Palast Barberini, aus dem der Thoth Trismegistos nach München kam; das Museum Rolandi Magnini wird oft zitiert. Der Kardinal Albani wollte ebenfalls seinen Kanopus haben. Dies war der Raum, in den man aus

DIE KUNST DER ÄGYPTER I43

dem Mittelbogen des Semicircolo tritt, die Halle mit den zwei schma- len Flügeln vor der Galerie des Kaffeehauses. Ein Teil ihres Inventars wanderte bei dem französischen Aderlaß nach Paris und später nach München, darunter der kolossale Antinous von rosso, Horus, mehrere Sphinxe und Priester. Aber die beiden wertvollsten altägyptischen Werke die schwarze Granitstatue der Göttin Pacht aus Sesostris' Zeit und König Amasis sind noch in der Villa zu sehen.

Wenn Winckelmann die Kunst Ägyptens einer weiten Ebene ver- glich, so waren der Kanopus des Kapitols und der Villa Albani keine Pyramiden, von denen man dieses Gefilde hätte übersehen können. Rätselhaft, losgerissen standen diese dunkelfarbigen Werke da, wie die Obelisken römischer Plätze mit ihren Hieroglyphen, neben dem in mehr als einem Sinne blendenden Licht griechischer Marmore. Wenige hatten eine Ahnung von jener unersättlichen Bilderlust, die die Denk- mäler mit der Chronik ihres ganzen Lebens bedeckte; von der feier- lichen Wirkung jener Kolossalfiguren, die vom Steinrhythmus der Felsenbauten beherrscht schienen, bis zum Verschwinden jeder eigenen Regung; von dem geheimnisvollen Einklang mit der Natur des Landes, die diese Obelisken, Säulen, Sphinxe und Pyramiden nicht weniger wie die Palmen, die Lotosblumen, den Nil und die Wüste geschaffen zu haben schien.

Die Schlüsse Winckelmanns aus diesen Zeugen liefen darauf hinaus, daß ihr Stil eine gesetzliche Befestigung, ja Erstarrung der ersten Phase des alten Stils und seiner geradlinigen Manier gewesen sei. Er hielt ihr System für so streng, daß man jeden einzelnen abgebrochenen Teil einer Statue unterscheiden und sagen könne, ob er altägyptisch oder griechisch-ägyptisch sei. »Ein Bildhauer zeigte mir einen Schenkel nebst dem Knie einer knieenden Figur von grünlichem Basalt als eine ägyptische Arbeit; ich bewies ihm aber aus den ausgedrückten Knochen und Knorpeln des Knies, daß es ohngeachtet des ägyptischen Steins eine griechische Arbeit sei.«

Die Ursachen dieses Stillstandes, dieser Selbstverbannung in den äußeren Vorhof des Tempels der Kunst, hat der Geschichtsschreiber mit Fleiß zusammengesucht. In erster Linie steht das streng konser- vative Wesen ihrer Kultur überhaupt. »Ihre Gesetze schränkten den Geist auf die bloße Nachfolge der Vorfahren ein und untersagten

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ihnen alle Neuerungen; sie bestanden auf strenger Befolgung der uralten Kultusanordnungen . . . Der Abscheu gegen alle fremden, sonderlich griechischen Gebräuche mußte ihre Künstler sehr gleich- gültig gegen die Kunst unter andern Völkern machen; dieses hemmte den Lauf der Wissenschaft sowohl als der Kunst.« Ein so vornehmes Stück der Kunst wie die Anatomie fehlte ihnen ganz: die Ehrfurcht vor den Verstorbenen verbot ihr Studium.

Audi die Kaste drückte die Künstler herab. »Ihre Künstler waren den Handwerkern gleich und zu dem niedrigsten Stande gerechnet. Es wählte sich niemand die Kunst aus eingepflanzter Neigung und aus besonderem Antriebe, sondern der Sohn folgte . . . der Lebensart seines Vaters, und einer setzte den Fuß in die Spur des andern, so daß niemand scheint einen Fußtapfen gelassen zu haben, welcher dessen eigener heißen konnte. Folglich kann es keine verschiedenen Sdiulen der Kunst in Ägypten, wie unter den Griechen, gegeben haben. In solcher Verfassung konnten die Künstler weder Erziehung noch Umstände haben, die fähig waren, ihren Geist zu erheben, sich in das Hohe der Kunst zu wagen; es waren auch weder Vorzüge, noch Ehre für dieselben zu hoffen, wenn sie was außerordentliches hervorgebracht hatten. Den Meistern der ägyptischen Statuen kommt daher das Wort Bildhauer in seiner eigentlichen Bedeutung zu.«

Aber die Hemmungsursachen waren nicht bloß gesellschaftlicher Art. »Die Bildung ihrer Körper hatte nicht diejenigen Vorzüge, die den Künstler durch Ideen hoher Schönheit reizen konnte.« Er nennt sie »eine Art sinesischer Gestaltung«. Züge dieses Typus seien: platte und schräg gezogene Augen, platte Augenknochen, stark angedeutete und erhobene Backenknochen, kleinliches Kinn und dadurch unvoll- kommenes Oval, der Schnitt des Mundes und der Schluß der Lippen aufwärts gezogen, die Ohren höherstehend als die Nase, die Hände wie an Menschen, die nicht übelgebildete Hände verdorben oder ver- nachlässigt haben, platte Füße; ein Bild, das, durch parteiische Zusammenstellung mit dem griechischen Ideal gewonnen, ihrem schlanken, männlichen Typus schwerlich gerecht wird.

Auch sonst soll im Niltal keine günstige Luft geherrscht haben. Die Ägypter seien ein Volk gewesen, »welches zur Lust und Freude nicht erschaffen schien«. Eine falsch gelesene Zeile Strabos verleitet ihn zu

DIE KUNST DER ÄGYPTER I45

der Behauptung (bei der ihm doch sogleich bange wurde), daß die Musik in Ägypten nicht geübt worden sei! Sie hätten also »durch heftige Mittel die Einbildungskraft zu erhitzen und den Geist zu ermuntern gesucht« (wie Hume die Verirrungen der Puritaner nicht übel aus der Verbannung des äußeren Kultusgepränges ableitete). »Ihr Denken ging das Natürliche vorbei und beschäftigte sich mit dem Geheimnisvollen. Ihre Melancholie brachte die ersten Eremiten her- vor.«

Endlich »konnten sie gar nicht ohne König leben«! Da nun ein unumschränkter Herr auch die Ehre der Statuen mit niemandem in seinem Volke teilt, so blieb die Kunst zumeist auf die Religion be- schränkt: »ihr Geist war durch Aberglauben an angenommene Ge- stalten gebunden, ihre Begriffe eingeschränkt«.

Winckelmann hat hier zuerst den Begriff des Orientalischen um- schrieben: die starre Unbeweglidikeit und Unfreiheit der Satzung; den Despotismus und die fast ausschließlich religiöse Bestimmung der Kunst; Neigung zu Symbolik und Rätsel; Befangenbleiben der Kunst im Bann des Handwerkes.

Nur in der Technik waren sie sehr weit: »alle Figuren sind mit unendlichem Fleiße geendigt, geglättet und geschliffen, und es ist keine einzige mit dem bloßen Eisen völlig geendigt, weil auf diesem Wege dem Granit und Basalt keine glatte Fläche zu geben war«. Er bemerkte an zwei Obelisken, dem Barberinischen und dem der Sonne, die damals noch am Boden lagen, daß die Figuren an der Spitze wie für das Sehen aus der Nähe ausgeführt seien.

Eine innere Bewegung vermochte er in den ihm vorliegenden Resten nicht zu entdecken: die Wandlungen, die er wahrnahm, waren dem Ägyptischen durch den Hellenismus aufgedrängt worden. Die erste Zeit habe gedauert bis auf die Eroberung des Kambyses, die zweite, solange Eingeborene unter persisch-griechischen Regenten arbeiteten; hierher setzt er, wegen ihrer gräzisierenden Form, die beiden Isis- statuen von schwarzem Basalt im kapitolinischen Museum. Wogegen die Nachahmungen ägyptischer Werke die genauen und die Grie- chisches mit Ägyptischem vermischenden vermutlidi sämtlich unter Hadrian gemacht seien. »Das Ganze hat eine ägyptische Gestalt, aber die Teile haben nicht ägyptische Form; die Brust ist nicht platt, sondern

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mächtig und heldenmäßig erhaben«; er zählt diejenigen Muskeln und Knochen auf, die, gegen die alte Satzung, im einzelnen angegeben seien. Der Antinous aus Marmor im Kapitol, die beiden Statuen von rötlichem Granit vor dem Palast des Bischofs von Tivoli, das Relief eines Opferzuges im Hof Mattei Werke, die bis dahin für altägyp- tische gegolten, hat Winckelmann dieser kaiserlichen neu-ägyptischen Kunst zugewiesen.

Auf diese drei Wandlungen geht der Vergleich ihrer Kunst mit dem Niltal, »einer großen verödeten Ebene, die man aber von zwei oder drei hohen Türmen übersehen könne«; während die griechische gleidi ihrem gebirgigen Lande nicht zu übersehen sei.

Winckelmann bemerkte übrigens, daß jene Unbeweglidikeit nicht so sehr dem Ungeschick ihrer Künstler zuzuschreiben sei, als einer für Statuen geltenden Regel. An Obelisken nämlidi und auf anderen Werken sehe man, daß sie ihren Figuren auch Handlung geben konnten. Und die Malereien (die Winckelmann ebensowenig wie ihre reliefs en creux erwähnt) haben diese Beobachtung bestätigt: überraschend ist ihr Blick für rasche Bewegungen. Er fand, daß die Bildung der Ägypter auf die Großheit gehe, glaubt aber, daß ihnen die Grazie und das Malerische gefehlt habe. Endlich ist ihm ihre Meisterschaft in Tierfiguren nicht entgangen; in diesen hätten sie mehr Freiheit gehabt, sich zu zeigen. Diese Meisterschaft beruht auf ihrem Sinn für das Gesetzmäßige, Konstante in Auffassung des Typischen jeder Art, des Ethnologischen und des Animalischen, während sie sich spröde zeigten gegenüber dem Individuellen, Seelischen. Ihre Skarabäen sind nicht weniger stilkräftig modelliert wie jene Löwen der Kapitolstreppe, der Fontana Feiice und der Villa Borghese. Diese nennt Winckelmann »mit vielem Verständnis, mit einer zierlichen Mannigfaltigkeit sanft ablenkender Umrisse und flüssig unterbrochener Teile gearbeitet. Die großen Umdreher, die an den menschlichen Figuren unbestimmt übergangen sind, erscheinen an den Tieren, nebst der Röhre der Schenkel und anderen Gebeinen, mit nachdrücklicher Zierlichkeit aus- geführt.«

Solche der Ahnung einer einst vorhandenen lebendigen ägyptischen Kunst zusteuernden Bemerkungen hatte noch bestimmter Caylus aus- gesprochen, der hier wahrscheinlich Winckelmanns Gewährsmann war.

DIE KUNST DER ÄGYPTER I47

Sie sind ein Jahrhundert später überraschend genug bestätigt worden. In großen und kleinen Statuen des Alten Reiches (vor 2500) sind Bildwerke zutage gekommen, die völlig frei von hieratischer Schablone, die ältesten Ägypter der dokumentierten Geschichte als Meister naturalistisch freier Bildniskunst und der Darstellung bewegten all- täghchen Lebens enthüllten. Und diese Profankunst bestand neben der schon ausgebildeten Tempelkunst. Das von den Arabern bei der Entdeckung als Dorfschulz (Schech el beled) bezeichnete Holzbild, die Statuetten des Schreibers und Ähnliches, haben seitdem ihre Runde durch die Welt gemacht. Jedes Kind kennt sie; und so war es den Ägyptern, bisher Ur- und Schreckbildern priesterlicher Erstarrung, beschieden von den fin de siecle Realisten als Verwandte begrüßt zu werden. Ein Zeugnis, daß wie die menschliche Natur, so auch die Kunst, wo nicht immer, doch vor fünftausend Jahren dieselbe gewesen ist. So finden wir in den ältesten Dichtungen der Araber, der Hamasa, menschlidie Empfindungen und Zustände mit einer Schlichtheit und Wahrheit ausgedrückt, die der heutige Mensch sich ohne nötige Ent- fernung des Staubes und Moders der Vergangenheit einfach aneignen kann.

Und dies war eigentlich gar nicht anders zu erwarten. Wie auch eine Mumie doch irgend einmal ein bewegliches atmendes Wesen gewesen sein mußte, so wird auch das satzungsgemäß Erstarrte einst lebendig gewesen sein. Ein solcher Schatz von Kenntnissen körperlicher Er- scheinung, wie es auch in jenen, nach dem die Jahrtausende beherr- schenden Kanon, handwerksmäßig hergestellten Statuen von Ahnen und Heroen zu erkennen ist, läßt sich ohne vorhergegangene lange Zeit freien bildnerischen Betriebs nicht verstehen. Dieselbe Erfahrung war schon am Byzantinismus gemacht worden. Man kommt eben nicht verknöchert auf die Welt. Winckelmann ahnte es, wenn er die Kunst der Ägypter einem wohlerzogenen Baume verglich, dessen Wachstum durch die Würmer oder andere Zufälle gehemmt und unterbrochen worden sei und sodann erstarrte.

So kann man doch seine Ansicht von der Unveränderlichkeit ägyp- tischer Kunst nicht als schlecht beobachtet, als »Aberglaube« bezeichnen. Noch heutige Kenner rühmen seine Schilderung als Beispiel, »wie einem großen Manne vergönnt sei, aus verhältnismäßig unbedeuten-

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dem Material Schlüsse zu ziehen, die die Nachwelt zu ergänzen und zu modifizieren, nicht aber umzustoßen vermag ^^.«

Von der Kunst unter den Phöniziern und Persern wußte der Ge- schichtsschreiber »außer historischen Nachrichten und einigen allge- meinen Anzeigen nichts bestimmtes zu sagen«, auch hegt er »wenig Hoffnung zu Entdeckungen großer und beträchtlicher Werke der Bildhauerei, aus denen mehr Licht und Kenntnis zu schöpfen wäre«.

Er gedenkt der reizenden Küsten, die die Phönizier bewohnten, des immer gleichen Himmels von Karthago, der Schönheit derSophonisbe, Hasdrubals Tochter, des Namens jenes Volkes in Kriegs- und Friedens- geschäften, ihrer Astronomie und Rechenkunst, vor allem ihrer Erfindungen. Sie bauten Salomos Tempel und Königshaus. Ihr Handel führte die Arbeiten, sonderlich in Metall, ihrer Künstler durch alle Welt, es waren solche Arbeiten, »die allenthalben gefallen können«. Aber die karthagischen Münzen, das einzige was Winckelmann von Werken phönizischer Hand vorlag, die zehn Münzen von Valencia im florentinischen Museum und die sizilischen mit punischer Schrift nach denen die Karthager »Zierlichkeit und Einheit der Arbeit« gesucht haben sollen sind Werke griechischer Stempelschneider.

Von den Juden glaubt er, mit Berufung auf Scaligers Bemerkung, daß sich keine Juden mit gepletschter Nase finden, »daß ihre Bildung, wie bei den Phöniziern, zu schönen Ideen geschickt gewesen sei«. Aber die Bildhauerei war ihnen untersagt, wenigstens die Bildung der Gottheit in menschlicher Gestalt. Wenn man indes von tausend Künstlern, die eingelegte Arbeit machten, liest, die Nebukadnezar weggeschleppt, so muß man annehmen, daß sie trotz des gemeinen schlechten Begriffes der Kunst »in der Zeichnung und in künstlicher Arbeit zu einem gewissen hohen Grade gestiegen seien«.

So waren auch die Perser wohlgestaltete Menschen, nach Zeugnissen und Denkmälern von regelmäßiger, den Abendländern ähnlicher Bil- dung. Die Parther sahen bei Personen, die über andere gesetzt waren, auf Schönheit in der Person. Ihr Vorurteil gegen die Darstellung des Nackten sowie gegen die Abbildung der Götter in Menschengestalt schloß aber die höchsten Vorwürfe der Kunst aus. Die Mithrasbilder

23. Alfred Wiedemann, Winckelmanns Urteil über die ägyptische Kunst. Bonn 1884.

DIE KUNST DER ETRUSKER I49

sind aus der Kaiser Zeiten. Aber ihre phantastischen Flügelwesen oder Arimaspen beweisen, daß das Dichten und Bilder-der-Einbildung- Hervorbringen der Kunst auch unter einem Volke eigen war, wo die Einbildung nicht viel Nahrung gehabt hat.

Die Kunst der Etrusker

Die etruskische Frage war der verworrenste Punkt der alten Kunst. In Winckelmanns Schriften finden wir erst die Anfänge der Aufhellung dieses Dunkels. Hier war eine altitalische Kultur, die der Lokalpatrio- tismus neuerdings zu einer an Alter und Bedeutung der hellenischen weit überlegenen Urkultur und Urkunst aufgebauscht hatte. In den Denkmälern, die der Boden des alten Etruriens geliefert, drängte sich ein sehr bestimmter Charakter und Stil auf, den man sogar noch bei den modernen Toskanern wiederzuerkennen glaubte; und viele dieser Denkmäler waren wirklich mit etruskischer Schrift bezeichnet. Auf der anderen Seite konnte das Auge Winckelmanns hier die griechischen Züge nicht verkennen, und die Hirngespinste der Etruskologen haben ihn zu immer entschiedenerem Widerspruche in dieser Richtung ge- reizt. Die untergeordnete, mehr auf die Technik der Luxusgewerbe zugeschnittene Art ihres Kunstbetriebes war ihm nicht entgangen; hatte doch schon Stosch bemerkt, daß die hellenische Form unter itali- schen Händen verwildere (imbastardito hatte er ihren Stil genannt) ^'♦. Auf das eigentümliche Altetruskisdie ist Winckelmann nicht aufmerk- sam geworden, obwohl er z. B. die Geschicklichkeit, in Erz zu graben, in den Opferschalen (paterae) d. h. den Metallspiegeln bemerkt hat. Das Talent der Etrusker für die graphische Kunst hatte er ja in einem den besten griechischen fast ebenbürtigem Werke wie der Ficoronischen Cista in Rom selbst vor Augen. In Florenz hatte ihm der Stoschische Katalog keine Zeit gelassen, die in der letzten Zeit gesammelten Thesauren von Florenz, Cortana, Volterra zu studieren. Gemmen und Münzen hat er begonnen, für den kunsthistorischen Apparat brauch- bar zu machen; bei den Spiegeln und Vasen, Terrakotten und Geräten

24. [Stosch an Biandii, 18. Dezember 1756, in: C. Justi, Antiquarische Briefe des Baron Philipp von Stosch, Marburg 1871, S. 31.]

I50 RÖMISCHE ZEIT

mochte er wohl das Gefühl haben, daß ihm die Zeit für fruchtbare Durchforschung versagen werde. Die orientalischen Einflüsse und Ein- fuhren, die Metallgefäße und ihre Nachahmungen fehlen in dem Bilde.

Obwohl er unter den die Kunst begünstigenden Ursachen den großen Handel zu Wasser und zu Lande anführt, so konnte doch jene Zeit noch keine Ahnung haben von der Rolle, die er bei den halbtausend- jährigen Beziehungen zu dem Kunstgewerbe Griechenlands und seiner Inseln gespielt hat.

Er hat den griechischen Ursprung der Vasen mit wachsender Be- stimmtheit vermutet; aber die durch eben diese (archaischen) Vasen veranlaßte etruskische Attribution archaisch-griechischer oder archa- istischer Marmorskulpturen hat er noch, wenn auch zweifelnd, seiner Periodenlehre zugrunde gelegt. Er übersah, daß der Marmor vonLuna damals noch nicht bekannt war.

Er glaubt, daß beide Völker beständig in einer gewissen Gemein- schaft gestanden, daß die hetrurische Kunst durch die griechische, wo nicht gepflanzt doch befördert worden sei; daß die Wandlung ihres alten Stils mit dem des griechischen zu gleicher Zeit eingetreten. Aber man könne nicht allezeit wagen, das Hetrurische von dem ältesten Griechisch zu unterscheiden.

In der ersten Ausgabe des Werkes fängt die Vermischung des Alt- griechischen und des Hieratischen mit dem Hetrurischen erst an sich zu entwirren; spätere Änderungen zeigen, daß seine Zweifel am alt- italischen Ursprünge der Vasen im Zunehmen begriffen waren.

Da die Freiheitsliebe des von Wahlkönigen regierten Volkes, ihr ausgedehnter Handel und ihre Bilderlust man denke an die drei- tausend Statuen aus Bolsena lauter vorteilhafte Momente waren; warum haben sie die Griechen nicht erreicht?

Die Ursache lag in der Gemütsart der Hetrurier, ihrem melancho- lischen Temperament (vgl. II, S. 302) und den aus ihm hervorgegan- genen Gebräuchen.

Die meisten Götterbilder hatten sie, vermutlich infolge vonEinerlei- heit des Ursprunges, mit den Griechen gemein. Auch alle Helden seien samt ihren Namen den Griechen entlehnt; diese Bevorzugung fremder vor den eigenen Heroen erklärt er aus der Einführung des griechischen Epos und vergleicht die Verbreitung der südfranzösischen Literatur

DIE KUNST DER ETRUSKER I5I

im Mittelalter, »so wie in der Provenza in Frankreich die ersten Romane, oder Helden- und Liebesgedichte in der mittleren Zeit ge- macht wurden, aus welchen andere Völker, audi selbst die Italiener, die ihrigen zogen«.

Als aber die ersten Versuche der Hellenen infolge der beständigen Empörungen untergegangen waren, zur Zeit der dorischen Wan- derung, blühten die Künste in Italien: unzählige ihrer Werke zeigen offenbar, daß sie gearbeitet worden, ehe die Griechen selbst etwas Förmliches aufweisen konnten.

Drei Stile ihrer Zeichnung unterscheidet er: die beiden ersten For- men gehören zum archaischen Stil; die dritte, die er auf großgriechi-' sehen Einfluß zurückführt, dürfte dem schönen Stil der attischen Schule entsprechen, der hier unvermittelt dem archaischen folgt.

Die Eigenschaften des älteren Stils sind die geraden Linien der Zeichnung, die steife Stellung und gezwungene Handlung ihrer Figuren; der unvollkommene, dem altgriechischen ähnliche Begriff der Schönheit des Gesichtes. »Die Form der Köpfe ist ein länglich ge- zogenes Oval, welches durch ein spitziges Kinn kleinlich erscheint; die Augen sind platt geschnitten und schräg aufwärts gezogen und liegen mit den Augenknochen gleich, und der Mund zieht sich in dessen Winkeln ebenfalls aufwärts.« Gesiditsform und Gewandung verraten eine angenommene Bildung oder Manier.

Aber als Hauptbeispiele dieses ersten Stils führt er griechische Werke an: das älteste Basrelief in Rom, von grobkörnigem griechischem Mar- mor, die Erziehung des Bacchus durch Leukothea in Villa Albani und die Erzstatue eines vermeinten Genius im Palast Borghese.

Der zweite Stil, hervorgegangen aus einer Rückkehr zur Nach- ahmung der Natur, wurde durch die Bemühung, bedeutend und ge- lehrt zu erscheinen, hart und übertrieben. Sie überschritten die Grenze der Wahrheit und verfielen wiederum in Manier. Es ist dies der Stil, der bis dahin und auch in der Folge für den charakteristisch etruski- schen galt (vgl. II, S. 320). Er vergleicht ihn mit einem reißenden Ge- wässer, das ungestüm zwischen Klippen über Steine hinschießt. Denn Stellung, Handlung, Ausdruck und Bewegung ist gewaltsam: »um den gesuchten starken Ausdruck und die empfindliche Andeutung zu erhalten, setzte man die Figuren in Stände und Handlungen, worin

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sich jenes am sichtbarsten äußern konnte, und man wählte das Gewalt- same, anstatt der Ruhe und der Stille, und die Empfindung wurde gleichsam aufgeblasen und bis an ihre äußersten Grenzen getrieben«. Aber fast seine sämtlichen Statuen und Reliefs auch dieses Stils (dar- unter der kapitolinische Apollo, die pompejanische Diana, der Zv/ölf- götterbrunnen im Kapitol) sind archaistische Arbeiten griechisch- römisdher Herkunft. Nur die bronzene Chimära aus Arezzo in Florenz und die sogenannte Vestalin (oder Hestia) im Palast Giustiniani (jetzt im Museo Torlonia) ist wirklich alt, aber nicht etruskisch, sondern griechisch. Er hielt es für »nicht glaublich, daß man eine solche Figur, an der nicht einmal die Füße sichtbar sind, aus Griechenland nach Rom geführt habe«.

Als sichere Zeugnisse etruskischer Kunstweise bleiben nur einige Gemmen: die beiden Stoschischen Karneolskarabäen der fünf Helden und des Tydeus, Dehns Achat mit Peleus, der sich die Haare an einem Brunnen wäscht.

Zum dritten Stil endlich rechnet er vier Aschenkisten aus Volterra, die 1761 in die Villa Albani gekommen waren. Hierher würden auch mehrere Bronzen der Uffizien gehören, diese aber verdanken die Nen- nung an dieser Stelle bloß ihrem Fundorte: die Minerva von Arezzo, deren Kopf »dem griechischen völlig ähnlich« ist, der Genius von Pesaro (1530 gefunden), »eine der schönsten Statuen in Erz, welche sich aus dem Altertum erhalten haben«, und ein vermeinter Haruspex.

Ursachen des Vorzuges der Griechenkunst

Bis hierher wurden uns bedeutende Anfänge vorgeführt: aber als die Zeit erschien, wo die Kunst ihre Freiheit und Hoheit finden sollte, blieb sie, wie von einem Bann ergriflFen, an der Schv/elle stehen. Da- her fand der Geschichtsschreiber sich aufgefordert, vornehmlich Hem- mungsursachen aufzusuchen. Jetzt hingegen wird die Gunst der Um- stände so außerordentlich wie die Erfolge. In der Sammlung und Gruppierung der klimatischen, sittengesdiichtlichen, politischen Ur- sachen zeigt sich Winckelmanns historischer Sinn besser als in Urkun- denkritik und wahrheitsgetreuen Bildern der Zeitalter, denen die

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Denkmäler angehören.

Bisher lag es den Kunstgelehrten fern, den Schlüssel der Erschei- nungen zu suchen in Kulturelementen, deren Offenbarung sie sind, sie als Ausdruck einer Stammeseigenart und Volksseele oder des Geistes der Zeit zu deuten, oder ganz allgemein und metaphysisch das Schöne als Idee in sinnlicher Erscheinung zu definieren. Winckelmann hat diese stoffliche Betrachtungsweise angebahnt. Er war es, der zuerst hinwies auf jene Verbindungsfäden, Gefäße, die der Kunst aus dem sozialen Körper und seinen Gliedmaßen Säfte zuführen. Er gab den Anstoß, Rassentypus, öifentlidie Sitte, Poesie, Sage, Philosophie, Religion zur Erklärung der Kunst heranzuziehen.

Vornehmlich das Stück »von den Gründen und Ursachen der Auf- nahme und des Vorzuges der griechischen Kunst vor anderen Völkern« soll nachweisen, was die Griechen zu einem großen Kunstvolke ge- macht hat.

Obenan steht natürlich der Vorrang der Rasse, die körperlichen Vorzüge der Griechen.

»Kein Neuerer«, sagt Rumohr, »hat wohl mit so antikem Sinn das Schöne und Bedeutungsvolle der Naturformen empfunden, so unge- duldig ihr wahres Verhältnis zur Kunst geahnt.«

»Die Kunst hat im Altertum wie unter den Neueren eine Gestalt nach der Bildung der Menschen angenommen . . . Die Künstler haben in jedem Lande ihren Figuren die Gesichtsbildung ihrer Nation ge- geben . . . Vieles also was wir uns als idealisch vorstellen, war bei den Griechen Natur . . . Wenn nach einem englischen Schriftsteller vom Stande nur die Italiener die Schönheit malen und bilden können, so liegt in den schönen Bildungen des Landes selbst zum Teil der Grund zu dieser Fähigkeit . . . Kurz, der Einfluß des Himmels muß den Samen beleben, aus welchem die Kunst soll getrieben werden.«

Nun aber ist der hellenische Typus die regelmäßigste und groß- artigste Entfaltung menschlidier Gestalt, von der wir Kunde haben. Überhaupt wird die Natur nach dem Süden hin in der Bildung immer glücklicher und stattlicher: »wo die Natur weniger in Nebeln und schweren Dünsten eingehüllt ist, gibt sie dem Körper zeitiger eine reifere Form; sie erhebt sich in mächtigen, sonderlich weiblichen Ge- wächsen«. Dies hat er in Italien beobachtet: »es finden sich in den

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schönsten Ländern von Italien wenig halb entworfene, unbestimmte und unbedeutende Züge des Gesichtes, wie häufig jenseits der Alpen, sondern sie sind teils erhaben, teils geistreich (er sagt auch: witzig), und die Form des Gesichtes ist mehrenteils groß und völlig und die Teile derselben in Übereinstimmung. Diese vorzügliche Bildung ist so augenscheinlich, daß der Kopf des geringsten Mannes unter dem Pöbel in dem erhabensten historischen Gemälde könnte angebracht werden, und unter den Weibern dieses Standes würde es nicht schwer sein, auch an den geringsten Orten ein Bild zu einer Juno zu finden. Neapel . . . hat häufig Formen und Bildungen, die zum Modell eines schönen Ideals dienen können und weldie in Absicht der Form des Gesichtes und sonderlich der stark bezeichneten und harmonischen Teile desselben, gleichsam zur Bildhauerei erschaffen zu sein scheinen.«

Er fühlt sich glücklich, aus der »in Nebel und Dünste eingehüllten Natur des Nordens« den klaren Lüften und dem milden Himmel Griechenlands näher gerückt zu sein. Er freut sich an den mächtigen »Gewächsen« des Südens, der plastischen Modellierung ihrer Formen, dem kräftigen Dunkel ihrer Haare und denkt zurück an nordische Bildungen mit ihrem Mangel an Einheit, an edler Verbindung, an Fülle, mit ihren mageren Spannungen und eingefallenen Höhlungen, an jene Gesichter mit halbentworfenen, unbestimmten und unbedeu- tenden Zügen. Er bedauert die Bildhauer, die mit der den Körper pressenden und hemmenden Kleidung, dem ängstlichen Zwang und Putz, der Einschränkung der Sitten durch einen gewissen bürger- lichen Wohlstand zu kämpfen haben.

Es ist aber weniger die Höhe als die Gleichmäßigkeit der Tempera- tur, die diese Formentwicklung begünstigt die Milde, der gleich- mäßige Himmel . . . Unschöne Bildungen wirkt die Natur allgemeiner, je mehr sie sich ihren äußersten Enden nähert, und entweder mit der Hitze oder mit der Kälte streitet, wo sie dort übertriebene und früh- zeitige, hier aber unreife Gewächse von aller Art hervorbringt. Je mehr sie sich dagegen dem Mittelpunkt nähert, desto regelmäßiger bildet sie . . . desto schöner, erhabener und mächtiger ist sie in Bildung der Menschenkinder . . . desto heiterer und fröhHcher wird sie. Und da sich die Natur nun in Griechenland, wo eine zwischen Winter und Sommer abgewogene Witterung ist, wie in ihrem Mittelpunkt ge-

URSACHEN DES VORZUGES DER GRIECHENKUNST I55

setzt: SO wird sie hier ihre Menschen aufs feinste vollendet haben. Wahrscheinlich war das schönste Geblüt der Griechen, sonderlich in Absicht der Farbe, unter dem ionischen Himmel in Kleinasien, unter dem Himmel, welcher den Homer erzeugt und begeistert hat. Denn hier und auf den Inseln ist der Himmel viel heiterer und die Wit- terung beständiger und gleicher als selbst in Griechenland. Und diese Formen haben auch so viele Umwälzungen nicht ganz zerstören kön- nen: auch nach der Vermischung mit fremdartigen Bestandteilen durch so viele Jahrhunderte ist noch jetzt das heutige griechische Geblüt wegen dessen Schönheit berühmt.

»Folglich«, schließt er, »sind unsere und der Griechen Begriffe von Schönheit, welche von der regelmäßigsten Bildung genommen sind, richtiger als welche sich Völker bilden können, die von dem Ebenbild ihres Schöpfers halb verstellt sind.«

Diese damals so beliebte Ansicht vom Einfluß der Luft auf das Volkswesen stammte von den Alten selbst; das Klima bildet nach Polybius die Sitten der Völker, ihre Gestalt und Farbe. Cicero glaubte, die Köpfe wären um so feiner, je dünner die Luft, und nach Hippo- krates formt der glückliche Himmel Griechenlands die schönsten und wohlgebildetsten Geschöpfe und Gewächse. Den Alten war diese An- sicht sehr natürlich, da sie sich vielfach die Seele selbst, das belebende und plastische Fluidum, als eine warme, trockene Luft, einen feurigen Dunst vorstellten.

Ohne diesen Einfluß des Klimas zu leugnen, zumal für die langen, vorhistorischen Zeiträume, in denen die Bildung unserer Rassen statt- fand, ist doch für die kurzen Zeitmaße der Gesdiichte die Abstam- mung fast allein maßgebend. Die Rassen- und Völkertypen besitzen eine solche Dauerhaftigkeit und Widerstandskraft, daß von den histo- rischen Sitzen eines Volkes kaum ein Schluß auf die Wirkungen des Klimas gemacht werden kann.

Die von der Natur gelieferte Form aber wurde dann auf alle denk- bare Weise veredelt und vervollkommnet durch die Zivilisation. »Alles, was von der Geburt bis zur Fülle des Wachstums in der Bildung der Körper, zur Bewahrung, zur Ausarbeitung und zur Zierde dieser Bil- dung durch Natur und Kunst eingeflößt und gelehrt worden, war zum Vorteil der sdiönen Natur der alten Griechen gewirkt und angewandt.«

156 RÖMISCHE ZEIT

Den Griechen war die Parteilichkeit der Natur für sie kein Geheimnis. »Sie waren sich dieses ihres Vorzuges vor anderen Völkern bewußt, und bei keinem Volk ist die Schönheit so hoch als bei ihnen geachtet worden. «

Ebenso günstig freilich wie die Vorbilder schöner Natur wirkten in Griechenland die Natürlichkeit der Sitte, die Gesundheit der gesell- schaftlich-politischen Zustände.

In der längst vergangenen Zeit, als man noch an einen Begriff Humanität glaubte und ihn im antiken Wesen nahezu verwirklicht wähnte, hatte man als Folie einen Begriff des Modernen. Als seine Merkmale wurden seit Montaigne genannt: Entfernung von Natur und Verbildung. Auf die Kunst angewandt, fand man dies Moderne in »Unfähigkeit des Geistes, Unfruchtbarkeit, Stumpfheit des Ge- fühls, vornehmlich aber jenem unanschaulichen Grübeln, jener Furcht vor Hingebung in sinnliche Eindrücke, welche das ganz einseitige Be- griff sieben so leicht erzeugt« so umschreibt es Rumohr.

An diesem Bild des Modernen hat auch Winckelmann mitgeholfen.

»Unser Geist er wendet sich im Sinn Lockes gegen moderne Er- ziehung — wird, bis er abnimmt, unedel genährt; der unmündige Ver- stand, welcher wie eine zarte Rinde den Einschnitt behält und erweitert, wird mit bloßen Tönen ohne Begriffe unterhalten; das Gehirn, das gleich einer Wachstafel nur eine gewisse Anzahl Worte und Bilder fassen kann, ist mit Träumen erfüllt, wenn die Wahrheit Platz nehmen will. Gelehrt sein, d. i. zu wissen, was andere gewußt haben, wurde bei den Griechen spät gesucht, denn es war eine Eitelkeit weniger in der Welt, nämlich viel Bücher zu kennen.« »Das Ehrenwort Scribent wurde einigermaßen für verächtlich gehalten ^^.«

Das Bild griechischer Zustände, wie es Winckelmann dem Moder- nen gegenüberstellt, gehört zu den Glanzpartien seines Werkes. Jene Verherrlichung des Griechentums, die bald nachher allenthalben auf- tauchte, stützt sich zum Teil auf die hier gesammelten Züge. Wohl waren diese warm geschriebenen Blätter geeignet, den Leser zu be- stechen: der Verfasser glaubte ebenso fest daran, wie er eifrig war, den Leser für seinen Glauben zu gewinnen. Vielleicht entspricht es nicht mehr unsern Ansprüchen an ein Geschichtsbild. Das Schiefe des

25. [Werke (Eiselein) IV, 26; 9.]

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Vergleiches liegt in dem fehlenden Parallelismus. Das siebzehnte Jahr- hundert, dem die modernen Züge entlehnt sind, hätte nicht mit der perikleisdien, sondern mit der alexandrinischen Ära etwa zusammen- gestellt werden müssen.

Schon als Südländer mußte der Grieche »feiner« sein als wir. Der Südländer macht auf nordische Beobachter den Eindruck größerer Raschheit und Gewandtheit im Auffassen wie Anfassen der Dinge. Bacon fand sie im allgemeinen geistreicher (more ingenious) als uns, obwohl im Norden die Genies zu einer höheren Stufe sich erhöben. Fontenelle stellt sich vor, in der Kälte erfriere die Phantasie, und sonst sanfte, gute Menschen nähmen eine Art Wildheit an. Du Bos will die Malerei und Dichtkunst dem Pole nicht näher rücken lassen als Holland, und selbst da sei die Malerei morfondu. Auch Hume gedenkt der Meinung, daß die Empfindungen sich nach dem Süden zu ver- feinern, daß der Sinn für Schönheit und Eleganz mit jedem Breiten- grade sich läutere. Winckelmann glaubte, diese Erscheinung selbst in den Landschaften Italiens beobachtet zu haben. Wie der Neapolitaner feiner noch und schlauer sei als der Römer, so der Sizilianer mehr als jener; der Grieche aber übertreffe selbst den Sizilianer. Freilich spricht man von Feinheit in verschiedenem Sinne. Niemand wird den heu- tigen Griechen um die Feinheit beneiden, die ihn im Orient berühmt macht.

Hume hatte bemerkt, daß die Spradien im Süden sanft und melodisch seien, die nordischen dagegen harsch und unmusikalisch (vgl. I, S. 1 76 f.). »Wie ihre Sprache malerisch istö-, bemerkt Winckelmann, »so hatten sie auch malerische Begriffe und Bilder . . . Ihre Sinne, welche durch schnelle und empfindliche Nerven in ein feingewebtes Gehirn wirk- ten, entdeckten mit einem Male die verschiedenen Eigenschaften eines Vorwurfs und beschäftigten sich vornehmlich mit der Betrachtung des Schönen in demselben. Ihre Dichter vom Homerus an reden nicht allein durch Bilder, wie die Dichter jenseits der Alpen, sondern sie geben und malen auch Bilder, die vielmals in einem einzigen Worte liegen, und durch den Klang desselben gezeichnet und wie mit leben- digen Farben entworfen werden.«

Aber wie die Natur in Griechenland der Kunst vorgearbeitet, und wie die Kultur ihre Arbeit fortsetzte, indem die Gymnastik der Bil-

L

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dung den großen und männlichen Kontur gab, hatte Winckelmann schon in Dresden ausgeführt. Die Kunst verdankte die Hälfte ihres Erfolges der Natur, deren Spiegel sie war. Gehörte sie nicht gewisser- maßen selbst zu den Äußerungen dieser Natur? Schönheit macht schöne Bewegungen, kennt ihre günstige Ansicht, und was sie schmückt, erweckt den Wunsch, ihr Bild festzuhalten; ein schönes Volk kennt den Wert der Schönheit und wird bald jenes große Mittel, sie zu ver- vielfältigen, zu steigern, die Kunst üben lernen. »Die schöne Bildung der Griechen begeisterte die alten Künstler«; denn Menschen von prächtigen und ausgeprägten Formen sind, wie gesagt, gleichsam vor- ausbestimmt für die bildende Kunst.

Eine Kunst wie die griechische und die uns kaum begreifliche, aus ihren Werken erst nach und nach sich ersdiließende Feinheit des For- mensinnes, ohne die sie nicht möglich war, setzt eine sinnliche Denk- art, eine Schätzung der äußeren Erscheinung voraus, die seitdem ab- handengekommen ist, und für immer. Als man noch »sinnliche Begriffe von Göttern« hatte, dachte man überhaupt vom Sinnlichen höher, man adelte die Sinnlichkeit, die seit der Alleinherrschaft des Geistes im Werte gesunken ist, ja zum Teil mit dem Makel der Unreinheit be- haftet. Von einer reichen, starken, schönen sinnlichen Erscheinung spricht man oft, nicht bloß bei dem Manne, in einem Ton der Ironie. Das Gegenteil jener sinnlichen Denkweise ist der teleologische Ernst, der, wenn er auch nicht asketisdi sich übersteigt, doch auf ferne, weit- schichtige Ziele sich spannt, über das Gegenwärtige aber mit seinen einfachen realen Werten hinwegschreitet. Wir opfern dies allein wirk- liche Dasein der Zukunft, die teils nicht mehr unser ist, oder doch uns gleichgültig geworden, wenn wir sie erreichen.

Nur ein Schönheitskultus, getrieben von einem ganzen Volke jahr- hundertelang — samt allen Ärgernissen in seinem Gefolge, den Feh- lern seiner Tugenden konnte jene Kunst erzeugen.

»Die Griechen waren sich ihres Vorzuges der Form vor anderen Völkern bewußt, und unter keinem Volke ist die Schönheit so hoch als bei ihnen geachtet worden ... Ja es war dieselbe gleichsam ein Verdienst zum Ruhme, und wir finden in den griechischen Gesdiichten die schönsten Leute angemerkt . . . An dem Feste des philesischen Apollo war auf den gelehrtesten Kuß unter jungen Leuten ein Preis

URSACHEN DES VORZUGES DER GRIECHENKUNST 159

gesetzt . . . Spartanerinnen stellten Statuen des Apollo und Bacchus, des Narziß und Hyazinth, des Castor und Pollux in ihren Schlafzim- mern auf . . . Weil sie das Gelernte dem, worin die Natur sich vor- nehmlich äußert, nachsetzten, waren die ersten Belohnungen auf Leibesübungen (statt etwa auf technische oder literarische Leistungen) gesetzt.«

»Da die Schönheit dergestalt gewünscht und geachtet wurde, so suchte eine jede schöne Person durch diesen Vorzug dem ganzen Volke bekannt zu werden und sich insbesondere den Künstlern gefällig zu zeigen, weil diese den Preis der Schönheit bestimmten, und eben- dadurch hatten sie Gelegenheit, die Schönheit täglich vor Augen zu sehen« (vgl. I, S. 448 f.).

Zeiten und Kulturen, deren Dämon der Zweckbegriff ist (Goethe nannte ihn absurd), sind ebenso hart gegen die menschliche Natur in sich selbst wie in anderen. Die Griechen, die ihre Fähigkeiten und Triebe harmonisch auslebten, waren human, oder, in Winckelmanns Sprache, von »gütigem Wesen, weichem Herzen, fröhlichem Sinn Eigenschaften, welche zur Entwerfung schöner, lieblicher Bilder eben- soviel als die Natur zur Zeugung der Gestalt beitragen«. Die Heiter- keit des Gemütes gab bereits in den ältesten Zeiten Anlaß zu theatra- lischen und anderen Spielen, um, wie Perikles sagte, die Traurigkeit aus dem Leben zu verdrängen. Daher ihr Widerstreben gegen die blutigen römischen Schauspiele. Ein Dichter sagte, die Stadt Athen wisse allein Mitleid zu tragen; hier fanden Bedrängte allezeit Zuflucht.

»Kneditsdiaftsf essein einer Welt bereiten, Ist nicht, was Hellenenbrust verführt.«

(Wilhelm von Humboldt.)

»Es ist der griechischen Nation eigen, alle ihre Werke mit einem ge- wissen offenen Wesen und mit einem Charakter der Freude zu be- zeichnen: die Musen lieben keine fürchterlichen Gespenster.«

Human war ihre Schätzung geistiger Vorzüge und folglich auch der Kunst. »Bei den Griechen war ein weiser Mann der geehrteste, und dieser war in jeder Stadt wie bei uns der reichste bekannt. Und zu dieser Aditung konnten auch die Künstler gelangen; sie konnten

l6o RÖMISCHE ZEIT

Gesetzgeber und Fürsten werden, ja ihre Statuen neben die Götter- statuen gesetzt sehen. Die Belohnungen ihrer Werke setzten sie in den Stand, ihre Kunst über alle Absiditen des Gewinns und der Vergel- tung zu erheben, wie Polygnot ohne Entgelt die Poecile zu Athen ausmalte. Daher arbeiteten die Künstler für die Ewigkeit; denn der beste Arbeiter in der geringsten Sache konnte zur Verewigung seines Namens gelangen, wie denn die Griechen von den Göttern auch die Unsterblichkeit ihres Gedächtnisses zu erbitten pflegten. Wie sehr muß es die Nacheiferung in der Kunst befördert haben, wenn ganze Städte, eine vor der anderen, eine vorzügliche Statue zu haben suchten, deren einige bloß durch eine solche bekannt waren.«

Einfluß der Freiheit

In dem zweiten Teile des Werkes, der »Gesdiichte im engeren Ver- stände« wollte Winckelmann die Jahrhunderte griechisch-römischer Geschichte durchmessen, um den Ursachen des Steigens und Sinkens der Kunst, soweit sie außerhalb der Kunst liegen, auf die Spur zu kommen, nach Montesquieus Vorbild. Denn »die Kunst hängt mehr als die Wissenschaft von der Zeit und ihren Veränderungen ab; sie wird durch den Überfluß und vielmals durch die Eitelkeit genährt und erhalten«. Dies wäre der alte Gemeinplatz, daß Friede und Luxus die Künste nähren; und so erscheint denn auch wirklich fast jeder Frie- densschluß als Signal für die Künstler, in ansehnlichen Gruppen her- vorzutreten, während jeder Krieg als lähmender Schlag wirkt. Doch zeigt sich bald, daß neben diesen wechselnden Einflüssen auf das äußere Gedeihen der Kunst eine innere, geistige Ursache mit im Spiele ist: die Freiheit. Durch diese ist die Kunst allezeit emporgebracht worden.

Der ganze Teil sdieint nur geschrieben, um diese These zu begrün- den. »Aus dieser ganzen Geschichte erhellt, daß es die Freiheit ge- wesen, durch welche die Kunst emporgebracht wurde.«

Diese Freiheit hatte nun in Griechenland allezeit ihren Sitz, auch neben dem Thron der Könige, die väterlich regierten, ehe die Auf- klärung der Vernunft ihnen die Süßigkeit einer völHgen Freiheit

EINFLUSS DER FREIHEIT l6l

schmecken ließ. Selbst in jener »betrübten« Zeit, als, nach der fünfzig- sten Olympiade, siebenzig Jahre lang Griechenland von verschiedenen Tyrannen (wenn auch humanen, die Gesetze achtenden) überwältigt wurde, gab es soviel Freiheit, als die Kunst nötig hatte. »Die Statuen der Sieger in den großen Spielen, mit welchen Elis auch schon vor dem Flore der Kunst angefüllt war, stellten so viel Verteidiger der Freiheit vor; die Tyrannen mußten dem Verdienste das erkannte Recht widerfahren lassen, und der Künstler konnte zu allen Zeiten sein Werk vor den Augen des ganzen Volkes aufstellen.«

Als die Tyrannen in Griechenland »vertilget« und »die Söhne des Pisistratus verjagt und ermordet waren«, »um eben die Zeit, da Brutus sein Vaterland befreite«, erhoben die Griechen ihr Haupt mehr als jemals, und es kam ein neuer Geist in diese Nation. Und als Thrasybul der Erretter des Vaterlandes von den Drangsalen der dreißig Tyrannen wurde, erwachte auch die Kunst wieder, und die Schüler der großen Meister zeigten sich: Canachus, Nancy des, Diomed, Patroclus.

Und das letzte Alter der großen Leute in Griechenland fing an, als Epaminondas, der größte Mann aller Griechen, sein Vaterland Theben mächtig machte: Xenophon und Plato waren in ihren besten Jahren, und Demosthenes redete unüberwindlich für sein Vaterland. Kaiser Hadrian wäre der Mann gewesen, die Kunst zu ihrer vormaligen Herrlichkeit zu erheben: »aber der Geist der Freiheit war aus der Welt gewichen, die Quelle zum erhabenen Denken und zum wahren Ruhm war verschwunden«. Der Untergang fällt in die Zeit der dreißig Tyrannen (unter Valerians Sohn Gallienus 260—68).

Winckelmann hatte sich diesen Schlußabschnitt des Werkes aus- ersehen, um der Idee der Freiheit seine Huldigung darzubringen. Wir erinnern uns seiner kümmerlichen Jugend, wo er zwisdien den Zu- ständen, unter deren Druck er seufzte, und schattenlosen Bildern der Geschichte antiker Freistaaten und ihrer großen Männer, Vergleiche anstellen gelernt habe. Er gesteht, daß diese Freiheitsliebe etwas Philo- logisch-Antiquarisches hatte: »die allgemeine Kenntnis der Griechen lehrte (im sechzehnten Jahrhundert) denken wie sie, und durch die Weisen breitete sich der Geist der Freiheit aus, der, wie Hobbes lehrt, nicht leichter erstickt werden kann, als wenn der Jugend die Lesung

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der Alten untersagt würde«. Der Verfall der Künste scheint ihm mit der Aufrichtung des modernen Fürstenabsolutismus einzusetzen. »Es ist beinahe ein Jahrhundert verflossen, da ein großer Teil einer Nation, mit Blindheit geschlagen, nichts als was neu war schätzte, und diese Periode heißt bei ihnen die güldene Zeit der Kunst ... Es war die- jenige Zeit, wo die eitle Pracht der Höfe überhand nahm und die Verzärtelung, Faulheit und Knechtschaft der Völker beförderte . . . Die Schriften der Weisen aus Griechenland wurden sowenig als die Sta- tuen ihrer Künstler angesehen ^^.«

Der Druck einer Erziehung, die Schwächen zu Tugenden heiligt, (»die niederträchtige Geduld«) begünstigt den Despotismus, der dann wieder hohes, freies Denken lähmt und auch das Feld der Kunst ein- schränkt, indem auf einer Person allein das Recht ruht, groß in sei- nem Volk zu sein und sich mit Ausschließung anderer verewigen zu können. Er malt uns zum Teil nach eigenen Anschauungen, wie da die Ehre und das Glück des Künstlers von dem Eigensinn eines unwissen- den Stolzes abhängt, wie ihre Werke nach dem elenden Geschmack oder nach dem übelgeschaffenen Auge eines durch Schmeichelei und Knechtschaft aufgeworfenen Richters gebildet werden und wie die Kunst auf Kleinigkeiten oder auf Spielwerke durch Einschränkung des Ortes (Kabinettmalerei, Porzellanpuppen), oder durch die Lüstern- heit des Eigentümers (Grünes Gewölbe) heruntergesetzt wurde. Dies ist ganz im Sinne der Freigeister jener Zeit: »Es liegt nicht in der Natur eines Hofes«, sagt Shaftesbury, »den Geschmack zu verbessern, viel eher ihn zu verderben.«

Wie aber hat er sich den Einfluß der Freiheit gedacht? Teils geistig, auf die Denkweise, teils gesellschaftlich, durch Eröffnung eines wei- teren Feldes von Aufträgen. Er findet z. B. einen demokratischen Zug in der unbeschränkten Gewährung öffentlicher Bildnisstatuen. »Nie- mals ist für Künstler unter irgendeinem Volke von je an eine so häu- fige Gelegenheit gewesen, sich zu zeigen; denn jedem Griechen stand der Weg offen, sein Andenken durch seine Figur mittels der Kunst erhalten zu sehen; man konnte sogar die Statuen seiner Kinder auch in den Tempeln aufstellen. Eine Statue des Siegers, in dessen Gleichheit und Ähnlichkeit, an den heiligsten Ort in Griechenland gesetzt und

26. [Werke (Eiselein) XII, p.XLVf.]

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von dem ganzen Volke gesehen und verehrt, v^^ar ein mächtiger An- trieb, nicht v^^eniger dieselbe zu machen, als zu erlangen.« Auch ver- diente Bürger in den Perserkämpfen erlangten die Ehre einer Statue, abgesehen von den Priestern.

Durch die Freiheit ferner blieb die Kunst verschont mit den Launen der Mäcenaten. »Die Weisesten des ganzen Volkes urteilten und be- lohnten die Künstler und ihre Werke in der Versammlung aller Griechen; und zu Delphos und Korinth waren Wettspiele der Malerei unter besondern dazu bestellten Richtern. Der Gebrauch und die An- wendung der Kunst erhielt dieselbe in ihrer Großheit: denn da nur den Göttern geweiht und für das heiligste und nützlichste im Vater- land bestimmt war, in den Häusern der Bürger aber die Mäßigkeit und Einfalt wohnte, so war, was der Künstler machte, den stolzen Begriffen des ganzen Volkes gemäß.«

Noch Heber überließ sich Winckelmann der Betrachtung der Folgen der Freiheit auf die Denkart. »Durch die Freiheit erhob sich, wie ein edler Zweig aus einem gesunden Stamm, das Denken des ganzen Vol- kes (vgl. I., S. 258f.). Nach Herodot war die Freiheit der Grund von Athens Größe. Sie pflanzte gleich in der Geburt selbst den Samen edler und erhabener Gesinnungen . . . Ihre Erziehung war bedacht, das Herz und den Geist empfindlich zu machen gegen die wahre Ehre, und die Jugend zu einer männlichen, großmütigen Tugend zu ge- wöhnen, die alle kleinen Absichten, ja das Leben selbst verachtete, wenn eine Unternehmung der Größe ihrer Denkungsart nicht gemäß ausfiel.«

Man sieht, der Despotenhaß Winckelmanns (gereift unter altmär- kischen und kursächsischen Eindrücken, denn auch in der Dresdner Gesellschaft hat er sich etwas als Paria gefühlt) hat hier auch in seinem »Lehrgebäude« Gestalt gewonnen. Wie das physische Klima der Kunst der europäische Süden, so ist das politische die Demokratie.

Erfreulich in diesen Auslassungen ist das wiedererwachte Würde- gefühl der Kunst, dem hier warme Worte geliehen werden. In einer Zeit, wo sie meist persönlicher Prunk- und Genußsucht frönte, ver- kündete er, daß die damals so hoch gefeierten Werke des Altertums eine Schöpfung des freien Griechenlands waren, als die Kunst jeder- manns Sache war, jeder so urteilsberechtigt wie -fähig war, jeder ihrer

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Ehrungen teilhaftig werden konnte. Audi die italienische Renaissance scheint er sich so vorgestellt zu haben. Er vergleicht das demokra- tische Athen mit Florenz, »wo die Wissenschaften und Künste in der neueren Zeit nach einer langen Finsternis anfingen beleuchtet zu wer- den«. Zwei goldene Alter der Kunst waren also über demokratischen Gemeinwesen aufgegangen. Freilich hat sie in anderen Republiken trotz Friede, Wohlstand und Gunst verweigert, sich niederzulassen. Sie hat in der Tat mit Verfassungsformen nichts zu tun.

Ob die »Überantwortung der Ehre und des Glückes eines Künstlers an den Eigensinn eines gewissen Stolzes« weniger bitter zu empfinden sein würde gegenüber Kleon dem Gerber wie vor einem Hof marschall? Ob ein Minister schwerer zur Vernunft zu bringen ist als der Kollek- tivverstand eines Stadtrates oder eines Parlamentsausschusses? Des großen armen Albrecht Dürer Laufbahn hätte sich vielleicht tröst- licher gestaltet am Hofe Franz I. als in der freien Reichsstadt Nürn- berg. Despoten und Päpste, selbst Mittelmäßigkeiten, wie Louis XIV., haben in der Regel verstanden, die rechten Leute herauszufinden und ihnen Aufgaben nach ihrem Maß zu stellen. Der Monarch sucht sein eigenes Interesse und den Glanz der Krone, aber er merkt, daß diese sich bei Gewährenlassen des Genius am besten stehen. Und dabei steht sich auch der Künstler besser, als wenn er in den krummen Gassen einer freien Stadt seinen Weg zu suchen hat, wo Neid eine der ersten Bürgertugenden ist.

Vielleicht, daß die Künste in wohlverwalteten städtischen Gemein- wesen am besten ihre Lehrjahre durchmachen; freier Wettbewerb, Ansammlung technischer und stilistisdier Überlieferungen in Zünften, ein im engen Raum lebendiger Gemeinsinn geben ihr einen günstigen Nährboden. Aber ohne Vereinigung der Mittel in einer Hand und ohne den Ursprung der Unternehmungen in einem Kopfe, ohne die Weite und die Unbeschränktheit des Plauens werden höchste Leistun- gen selten zustande kommen. Die Wiege italienischer Kunst waren die Städte des lombardischen und toskanischen Mittelalters; aber ihr jetzt hochgeschätztestes Saeculum war doch das Zeitalter der Verbrecher- dynastien. Die Demokratie angewandt auf die Baukunst hat am floren- tinischen Dom ihre Spuren hinterlassen; der Palast Pitti, »der vor allen Profangebäuden der Erde den höchsten bis jetzt erreichten Eindruck

EINFLUSS DER FREIHEIT l6$

des Erhabenen voraus hat« (J. Burckhardt), war wenigstens in der Gestalt, auf die diese Worte gemünzt sind, eine Idee des Großherzogs Cosimo II.

Florentinische Bildhauer, um für die höchste monumentale Aufgabe ihrer Kunst, das Reiterbild, Gelegenheit zu haben, mußten sich nach dem weniger kleinlichen Staate Venedig begeben. Ihre Größten haben den Raum für ihren Flügelschlag, für die Aufgaben und die Erhebung ihrer unvergleichlichen Werke nicht in der Vaterstadt gefunden. Was besäßen wir von dem Dreigestirn Michelangelo, Leonardo und Raffael, wenn es ihr Los gewesen wäre, von Bürgern der reichen Arnostadt ihre Aufträge zu erwarten?

Aber ist nicht die ganze Erscheinung und Existenz Winckelmanns selbst wie ein Spott auf seine Theorie?

Wenn er in Rom sein Lebensziel gefunden hat und die Werke dor- tiger Muße seinen Namen durch die gebildete V/elt trugen, wer war es der

nobis haec otia fecit?

Ein sächsischer Kurfürst hatte ihm auf das erste Signal seines Talentes eine Pension gegeben, ohne jede Verpflichtung, die schwerlich von dem Rat einer freien Reichs- oder Schweizer Stadt zu bekommen ge- wesen wäre. Er hat oft bekannt, dort, im Schatten des Quirinals, voll- kommen glücklich zu sein, wo er lebte als familiäre des kleinen Hofes seines großen Kardinals Albani. Gleidiwohl war dieser Philosoph, der sich in Zeiten zu passen schien, wo Tyrannenmördern Ehrensäulen gesetzt wurden, bereit, jedem Ruf eines kleinen oder großen Fürsten Deutschlands ein williges Ohr zu leihen. Außer dem bei den »römi- schen Tropfenbelohnungen« vermißten Komfort lag das Verlockende darin, daß er nur als Fürstendiener hoffen konnte, Einfluß auf die Kunstverwaltung zu bekommen, die ihm schon als Laien in dem aristokratisch regierten Rom verschlossen blieb. Nichts war mehr nach seinem Herzen, als solchen aufgeklärten Despoten (wie er sich oft er- bot) brieflich seine Ideen auseinanderzusetzen. Als Begleiter und Führer solcher humanen Fürsten, wie der Herzog von Dessau, hat er wohl die schönsten, sonnigsten Stunden seines Lebens genossen. Dagegen hatte ihm das republikanische Institut der deutschen Universitäten nur

l66 RÖMISCHE ZEIT

widerwärtige Eindrücke hinterlassen. Audi würde es ihm und seines- gleichen, z. B. Goethe, in jenen antiken Republiken wohl kaum ge- fallen haben, nicht bloß weil die persönliche Freiheit, deren er be- durfte, dort etwas beengt gewesen wäre. Es war nicht seine Art, mit Gleichen zusammenzuwirken, er wollte allein walten, und dafür war in der damaligen monarchisch-aristokratischen Gesellschaft der rechte Platz. Seine Vorstellung von jenen Staaten war ein freigeschaffenes Ideal. Er spricht von der »Aufklärung der Vernunft, die den Athenern die Süßigkeit einer völligen Freiheit schmecken ließ« : Aufklärung der Vernunft in einer Stadt, die den Sokrates tötete und den Anaxa- goras, der die göttliche Vernunft zum Weltordner erhob, beinahe ge- tötet hätte! Am Hofe eines Diadochenfürsten, in Pergamon, oder im Haushalte eines Römers, wie des Erbauers jener herkulanischen Villa, würde er vielleicht sich noch am zufriedensten befunden haben.

Perioden der Kunst

Auf seine Periodisierung der griechischen Kunst war Winckelmann stolz. Die Untersuchung des Stils in der Kunst sei »gleichsam eine neue Entdeckung, wovon man sich vorher nichts träumen ließ« (an Riedesel, 1 6. Juli 1764); seine Originalität liege in der Darstellung »des Stils der Arbeit der alten, ägyptischen, hetrurischen und griechi- schen Bildhauer« (20. November 1757). Die Periodenlehre war das Band zwischen dem systematischen und historischen Teil, der Ästhetik der Skulptur und dem Pragmatismus der äußeren Geschichte. Bezeich- nend ist, daß er diese Darlegung der Sukzession »der vier Zeiten und vier Stile« in den systematischen Teil eingeflochten hat. Es war für die Erkenntnis der Schönheit, die nur eine ist und sein kann, wesentlich, sie auch aus ihrem Werden zu verstehen.

In mehreren Ansätzen hat er diesen Prozeß auf einfache Formeln zurückzuführen gesucht; und seine Formeln haben etwas apriorisch Einleuchtendes, ja Selbstverständliches.

»Die Künste, welche von der Zeichnung abhängen, haben wie alle Erfindungen mit dem Notwendigen angefangen; nachdem suchte man die Schönheit, und zuletzt folgte das Überflüssige: dieses sind die drei

PERIODEN DER KUNST 167

vornehmsten Stufen der Kunst« (A necessariis artificiis ad elegantiora defluximus Cicer. Tusc. I).

Oder: »Die ältesten Nachrichten lehren uns, daß die ersten Figuren vorgestellt, v^as ein Mensch ist, nicht wie er uns erscheint, dessen Umkreis, nicht dessen Ansicht. Von der Einheit der Gestalt ging man zur Untersuchung der Verhältnisse, welche Richtigkeit lehrte, und diese machte sicher, sich in das Große zu wagen, wodurch die Kunst zur Großheit und endlich unter den Griechen stufenweise zur höch- sten Schönheit gelangte. Nadidem alle Teile derselben vereinigt waren, und ihre Ausschmückung gesucht wurde, geriet man in das Über- flüssige, wodurch sich die Großheit der Kunst verlor, und endlich erfolgte der völlige Untergang derselben.«

Er malt uns den Weg der Kunst vom rohen Steinfetisch an bis zur dädalischen Statue. »Bei den Griechen hat die Kunst, obgleich viel später als in den Morgenländern, mit einer Einfalt ihren Anfang ge- nommen, daß sie . . . die ersten Erfinder der Kunst sdieinen können.« »Erst war es ein unbearbeiteter Klotz, dann ein viereckiger Stein, eine Säule; solchen setzte man mit der Zeit Köpf e auf und nannte sieHermä, d. h. große Steine; dann merkte man auf dem Mittel desselben den Unterschied des Geschlechts an, bis Dädalus die untere Hälfte dieser Bildsäulen in Gestalt der Beine voneinander sonderte.«

Auch das Material gehorcht diesem Stufengang: »Die Kunst und die Bildhauerei fingen an mit Ton, hierauf schnitzte man in Holz, hernach in Elfenbein, und endlich machte man sich an Stein und Metall.« In der ausführlichsten und reifsten Darstellung macht er jedoch den Begriff der Nachahmung der Natur zum Einteilungsgrund.

Von allen bisherigen Versuchen sollte sich ja dieser gerade dadurch unterscheiden, daß er grundsätzlich allein auf die Analyse der Denk- mäler gegründet war.

Dem heutigen Leser muß es auffallen, daß Winckelmann, obwohl von der griechischen Literatur her zur Kunst gekommen, nicht durch eingehendere Benutzung der Nachrichten und Inschriften der Alten sein Bild vervollständigte. Allein damals galt es, so gut und so schlecht es eben ging, vorerst eine Geschichte bloß aus Denkmälern aufzu- bauen, wofern jene schriftliche Überlieferung irgendeinmal aufhören sollte, bloß gelehrter Kram zu sein. »Winckelmann«, so bezeichnet

l68 RÖMISCHE ZEIT

Heinrich Meyer den besonderen Vorzug des Werkes, »zeigte zuerst, wie die Antiken, nach offenbaren Merkmalen, in einer steigenden und sinkenden, von dem Geschmack, dem Stil und der Arbeit geregelten Folge zu ordnen sind; auf welchem Wege allein die in schriftlichen Nachrichten so mangelhaft auf uns gekommene Geschichte der alten Kunst nicht nur vollständiger, sondern auch gleichsam lebendig in den Monumenten selbst dargestellt werden kann.«

Freilich sehr langsam waren die ersten Schritte bei diesem Unter- nehmen! Wie wenig datierbare Denkmäler brachte Winckelmann bei siebenjährigem Suchen in dem unermeßlichen Vorrat Roms zusammen! Mit diesen wenigen hat er die Charakteristik der Perioden gezimmert, die auch bei Vermehrung seines Apparates unverändert blieb. Auch heute noch ist die Zahl der bestimmten Zeiten und Meistern zugeeig- neten Denkmäler klein im Verhältnis zum Gesamtbesitz; doch sind wir reich im Vergleich zu Winckelmanns Armut. Die deutschen Ge- lehrten haben das Pfund, das ihnen der Stifter hinterlassen, nicht ver- graben.

Man hat es daher von jeher genial genannt, daß er trotzdem durch ahnende Intuition das Richtige gefunden hat. Die Entdeckung all- gemeiner Gesetze in Natur und Geschichte galt damals für die Probe höchster wissenschaftlicher Befähigung. »Die größten Geister«, sagt Algarotti, »verallgemeinern; die großen Staatsmänner sprechen in Maximen, und die ersten Geometer führen alles auf Formeln zurück.« »Die großen und allgemeinen Ansichten des Ganzen, die tiefsinnig aufgefaßte Unterscheidung der Fortgänge in der Kunst und der ver- schiedenen Stile«, zu der er sich erhob, nannte auch F.A.Wolf »die Blume aller geschichtlichen Forschung«. Seine Charakteristik hat eine so hohe philosophische Einfachheit, daß sie ein Teil seiner Schönheits- und Linientheorie werden konnte. Aber sie schwebt deshalb nicht in vager Allgemeinheit über dem Gegenstande. »Was Winckelmann (drückt sich hierüber der zu früh der Wissensdiaft entrissene Frie- derichs aus) über den hohen Stil des Phidias schreibt und über den lieblichen Stil des Praxiteles, das sind Worte, geschrieben für alle Zeiten, und nicht für die Kunstgeschichte eines Volks, sondern aller Völker. Und zwar sind sie geschrieben mehr divinatorisch, als abstra- hiert aus einer vorliegenden Anschauung.«

PERIODEN DER KUNST I 69

Goethe wählt mit Berechnung hohe Worte, als er auf diesen Punkt zu sprechen kommt. »Bald erhob sich Winckelmann über die Einzel- heiten zu der Idee einer Geschichte der Kunst und entdeckte, als ein neuer Columbus, ein lange geahndetes, gedeutetes und besprodienes, ja man kann sagen, ein früher schon gekanntes und wieder verlorenes Land. « Als Zeugnis dieses früheren Gekanntseins führt er zwei Stellen römischer Schriftsteller an, Quintilians parallelisierende Charakteristik römischer Redner und griechischer Künstler, bei der er, ohne es zu wissen oder zu wollen, eine Kunstgeschichte selbst darzustellen ge- nötigt sei, deren summarische Sätze er, wie Goethe glaubt, aus der Unterhaltung mit römischen Kunstliebhabern schöpfte. (Er hatte griechische Quellen, denn in Pergamon und in der lysippischen Schule war die historische Bearbeitung der Kunst aufgekommen.) Wenn dagegen Vellejus Paterculus das Steigen und Fallen aller Künste und die Erscheinung, daß sie sich nur kurze Zeit auf dem höchsten Punkte erhalten, aus Nacheiferung, Neid, Bewunderung, Verzweiflung erklärt, so tadelt es der Dichter, daß er nur sittliche Ursachen angebe, die aber auch des Römers großem Scharfsinn nicht genugtun. Er hätte hier auch den Lucrez anführen können. »Auch die bildenden Künste lehrte all- mählich die Praxis und die unverdrossene Erfahrung des menschlichen Geistes, der Schritt für Schritt vorwärts strebt. So zieht die Zeit all- mählich Jeglidies hervor, und die Vernunft stellt es ins Licht des Tages; denn eines mußte aus dem anderen aufleuchten, bis sie durch Kunst zum höchsten Gipfel gelangten« (V, 1448 ff.).

Goethe selbst scheint das Verdienst der Winckelmannschen Ge- schichtsauffassung in dem zu sehen, was er selbst von der Kunsthistorie fordert: »die ganze Kunst als ein Lebendiges (Cä>ov) anzusehen, das einen unmerklichen Ursprung, ein langsames Wachstum, einen glän- zenden Augenblick seiner Vollendung, eine stufenfällige Abnahme, wie jedes andere organische Wesen, nur in mehreren Individuen not- wendig darstellen muß«.

Im Gefühl, »daß hier eine Notwendigkeit im Spiel sei, die sich aus freien Elementen nicht zusammensetzen lasse«, wird hier den histo- risch nachweisbaren Ursachen, die die Wissenschaft zu ermitteln hat, eine höhere, hinter diesem offenkundigen Geschehen liegende Kau- salität übergeordnet, die man in einer biologischen oder zoologischen

lyo ROMISCHE ZEIT

Analogie zu entdecken glaubt. Die Geschichte verwandelt sich damit in Philosophie. Indem sie den Zufall, der in allem Geschehen waltet, als nebensächlich ausschaltet, kommt sie dem Bedürfnis der Übersicht- lichkeit und der Unterordnung des einzelnen unter gewisse große Züge oder Strömungen entgegen, droht aber freilich den Wert der Erforschung jenes wirklichen Kausalzusammenhanges, als eines unter- geordneten, bloß dienenden Moments herabzusetzen. Die Winckel- mannsche Auffassung, deren apriorischen Zug wir bemerkten, hat diese Geschichtsbetrachtung befördert. Sobald man den wirklichen Erscheinungen näher tritt, macht sich deren zusammengesetzter Cha- rakter geltend; das psychologische und das persönliche Element tritt hervor, das in die deduktiv gewonnene Formel nicht aufgehen will. Die zoologische Betrachtung hat genützt als Leitfaden zur Feststellung der Deszendenz oder Genealogie der Erscheinungen, aber sie hat auch das Hineintragen hypothetischer und erkünstelter Zusammenhänge in die Darstellung der geschichtlichen Folge befördert. Es gibt wohl kein historisches Prinzip, in dessen Namen so viel leeres Stroh gedroschen worden ist.

Tritt man nun der Charakteristik dieser Perioden nahe, so ergibt sich, daß Winckelmann sie lediglich auf Veränderungen der Zeichnung gründet, auf Beobachtung der Körperformen oder Umrisse, während z. B. die Erfindung ganz außer acht gelassen ist, obwohl man gelegent- lich hört, daß das erhabene Denken, also die Gesinnung, ein Wort mitzusprechen habe. Dies hatte Rumohr im Auge, wenn er Winckel- mann eine Erweiterung des italienischen Begriffes Stil zusdirieb, »durch Verbindung mit gewissen Richtungen des geistigen Sinnes auf Edles, Gefälliges oder anderes«.

Bei diesen Wandlungen der Zeichnung aber ist das treibende Ele- ment Streben nach Naturwahrheit.

Dies spricht Winckelmann bestimmt aus in folgenden merkwür- digen, von Baconschem Geist erfüllten Sätzen, die vielleicht manchen aus seinem Munde überraschen werden:

»Die Kunst wird sich bei den verschiedenen Völkern auf einerlei Art gebildet haben, das ist, mit Nachahmung der Natur, welche der Vorwurf derselben ist. Von dieser, als ihrer Führerin, da sie kaum auf

PERIODEN DER KUNST 17I

den Weg gebracht worden, trennte sie sich und folgte ihren eigenen Fußtapfen, bis sie sich endHch verwirrt [verirrt?] fand und sich ge- nötigt sah, von neuem zu ihrer Führerin zurückzukehren und zu den Grundsätzen, von welchen sie abgewichen war.«

»Die Kunst ist zur Vollkommenheit gelangt auf der Bahn, die alle- zeit die größten Menschen in ihrer Art betreten haben: dieser Weg ist, selbst die Quelle zu suchen und zu dem Ursprung zurückzukehren, um die Wahrheit rein und unvermischt zu finden. Diese Quelle und der Ursprung der Kunst ist die Natur selbst.« Es ist derselbe Weg, den die Experimentalmethode neuerer Physiker und Mediziner ein- geschlagen hat (vgl. I, S. 114 ff.).

Die Zeichnung ist zuerst einfach und geradlinig, dann stark und übertrieben, hierauf erhaben, von hoher Schönheit, endlich von ge- fälliger Schönheit. Alle diese Wechsel aber kommen von wiederholten Ansätzen zur Annäherung an die Natur.

Ist es erlaubt, auch hier die Regungen des kritisch-skeptischen Geistes des Jahrhunderts wiederzuerkennen? Systeme galten als Ausgeburten der Selbstliebe und Brutstätten des Irrtums, Aphorismen und Obser- vationen für die Methode der Wahrheit. Das bloße Abschütteln der Autorität, das »Selbstdenken« als solches war die Wünschelrute der Wahrheit. Regeln waren Krücken, die den Genius hemmen, das Gesetz der Feind der Freiheit, der Stil, der den einzelnen hält und trägt, über sich und seine Beschränktheit und Schwäche, wo nicht Dürftigkeit und Gemeinheit erhebt, soll sich als beschränkendes Medium zwischen den Geist und die Fülle der Dinge einschieben, ja selbst das Gesetz der Schönheit raubt uns etwas von der Freiheit der Aussicht in die Natur. Da nun, je weiter man zurückging, um so mehr der einzelne und seine Freiheit zurücktrat vor dem Typus der Überlieferung, so schien aller Fortgang der Kunst in stetem Kampf mit der Satzung errungen, die sich allezeit zwischen Kunst und Natur stellt.

I. Der ältere Stil Winckelmanns, der bis auf Phidias geht, würde eine Folge sehr verschiedener Formen in sich begreifen; er wäre eigent- lich nur ein Name für einen sehr langen Weg, länger und wandlungs- reicher als der von Phidias bis zum Ende der alten Kunst. Man denke an Werke, wie die Metopen von Selinus, den Apollo von Tegea, das

172 ROMISCHE ZEIT

Denkmal von Xanthos, die Ägineten, oder an die Stilfolgen der Vasen- bilder. Er ahnte selbst: »da wir unter dem älteren Stil den längsten Zeitlauf der griechischen Kunst begriffen, so würden die späteren Werke von den ersten sehr verschieden gewesen sein«. Somit ist dieser Begriff ein (nach Kants Ausdruck) limitierender oder unendlicher: er umfaßt alles, worin die Kunst noch nicht die vollkommene Beherr- schung der Darstellungsmittel gefunden hat.

Noch ein Problem war, wie wir sahen, die Scheidung des altgriechi- schen Stils vom etruskischen. Beider Definitionen sahen sich zum Verwechseln ähnlich. Wogegen eine andere Verwirrung wenigstens angefangen hatte sich aufzuklären: die des echt Altertümlichen und des nachgeahmt Altertümlichen oder Archaistischen. Winckelmann war der Tatsache bereits auf der Spur, daß der alte Stil in mehr oder weniger genauer Nachbildung zu allen Zeiten für Bildwerke des Kultus in Anwendung blieb, und nicht bloß für diese, wurden doch vor der augusteischen Zeit für Bedürfnisse der Liebhaber alle möglichen Manieren früherer Meister und Sdiulen getreu nachgeahmt.

»Man kann«, warnt er, »nicht behutsam genug gehen in Beurteilung des Alters der Arbeit; und eine Figur, die hetrurisch oder aus der älteren Kunst der Griechen zu sein scheinet, ist es nicht allezeit. Es kann dieselbe eine Kopie oder Nachahmung älterer Werke sein . . . Wenn es Figuren der Gottheiten sind ... so scheinet alsdann der ältere Stil etwas Angenommenes zu sein, zur Erweckung größerer Ehr- furcht.« — »Vermutlich, um denselben in solcher Gestalt ein höheres Altertum und durch dieses mehrere Verehrung einzuprägen . . . Wie die Dinge in der Welt vielmals im Zirkel gehen und dahin zurück- kehren, wo sie angefangen haben, so bemühten sich die Künstler, den alten Stil nachzuahmen, welcher durch die wenig ausschweifenden Umrisse der ägyptischen Arbeit nahe kommt; . . . einen diesem ent- gegengesetzten Stil könnte man in einigen Relief s finden, welche wegen einiger Härte und Steife für hetrurisch oder für altgriechisch zu halten wären, wenn es andere Anzeichen erlaubten.« Beneidenswerte Zeit, wo er als modernes Analogon noch weiter nichts als die in England beliebte Kostümierung der Porträts ä la van Dyck anführen konnte! Und so erhalten wir hier gleich an der Schwelle die entmutigende (doch zum Glück voreilige) Erklärung, daß sich von Werken der Bild-

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hauerei (d. h. von Statuen) dieses Stils in Rom nichts erhalten hat. (Sie gingen nur unter anderen Namen.) Einige Vasen aus Neapel, einige Münzen von Großgriechenland und Sizilien, darunter die von Pästum mit dem dreizackschwingenden Poseidon; die Stoschische Gemme des sterbenden Othryades, die den Stil der Zeit Anakreons haben möge. »Die Arbeit des Steins ist mit Fleiß geführt, und es fehlt den Figuren nicht an Ausdruck; die Zeichnung derselben aber ist steif und platt, die Stellung gezwungen und ohne Grazie.« Die Köpfe jener Münzen sind gezeidinet wie der bekannte Pallaskopf auf den atheni- schen: »kein Teil derselben hat eine schöne Form, folglich auch das Ganze nicht; die Augen sind lang und platt gezogen, der Schnitt des Mundes geht aufwärts, das Kinn ist spitzig und ohne zierliche Wöl- bung«. Er bemerkt, Handlung und Stellung seien damals heftig ge- wesen: und hierfür sprachen manche Bilder der jagenden Artemis und der Pallas in Angriff, zahlreiche Szenen des bacchischen Schwarms und blutiger Kämpfe zwei- und vierfüßiger Menschen und Halbmenschen. Endlich die »Zierlichkeit« (für die er die Analogie unserer Quattro- centisten anzog) suchte man in der ebenso fein gefalteten und geplät- teten wie graziös getragenen und gehaltenen Gewandung.

Sonst, wenn er von einem » angenommenen Systema von (idealischen) Regeln« spricht, von der »Gewißheit der Kenntnis, wo alles auf gedeckt vor Augen liegt«, von der »nachdrücklichen aber harten Zeichnung, in welcher sich der genau bezeichnete Umriß offenbare«, von »Mangel an Grazie«: so wird man zugestehen, daß diese Merkmale ungefähr auf die Giebelgruppen Äginas passen. Denn ihre Formen sind von vollkommener Kenntnis und herber Wahrheit, die Gesichter typisch (er bemerkt, das Gesicht an weiblichen Köpfen sei fast zweifelhaft), die Handlung ohne malerische Zufälligkeit, von pantomimischer Strenge.

Auf diesen Denkmälerapparat gründet er nun seine Charakteristik des Stils.

»Der ältere Stil war auf ein Systema gebauet, welches aus Regeln bestand, die von der Natur genommen waren, sich aber nachher von derselben entfernet hatten und idealisch geworden waren. Man arbei- tete mehr nach der Vorschrift dieser Regeln als nach der Natur, die nachzuahmen war: denn die Kunst hatte sich eine eigene Natur gebildet. «

In diesem älteren Stil waren die Regeln despotisch streng. Es war

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eine Art drakonische Gesetzgebung. Die Ägypter machten sich nie frei davon. »Man stelle sich ihr Systema in Absicht der Figuren wie das Systema der Regierung zu Greta und zu Sparta vor, v^^o von den alten Verordnungen ihrer Gesetzgeber keinen Fingerbreit abzuweichen war; ... sie arbeiteten nach einer in Statuten gesetzten und angenom- menen Regel wie nach einem und demselben Muster.«

Und nicht anders war es in den Anfängen der Kunst bei den übrigen Völkern. Auch bei den Hetruriern war die Kunst damals »wie ein schlechtes Lehrgebäude, welches blinde Nachfolger macht und nicht zweifeln noch untersuchen läßt«.

Dieser ältere Stil hat zwei bestimmt zu unterscheidende, uns übrigens bereits bekannte Phasen.

In jener starrgesetzlichen Kunst der Ägypter war »die allgemeine und vornehmste Eigenschaft der Zeichnung (des Nackten) das Gerade oder die Umschreibung der Figur in wenig ausschweifenden und mäßig gewölbten Linien. In der großen Einheit ihrer Zeichnung sind die Knochen und Muskeln wenig, Nerven und Adern aber gar nicht an- gedeutet.« Von den Elementen des Schönen war also die Einfachheit da, aber es fehlte die Mannigfaltigkeit, und mit ihr die Grazie und das Malerische.

Ganz ähnlich fanden wir die ältesten Werke der Hetrurier: der Umriß »senkt und hebt sich wenig, die Muskeln sind wenig angedeutet, weshalb ihre Figuren dünne und spillenmäßig aussehen«. Auch »unter den Griechen waren die ersten Züge einfältig und mehrenteils gerade Linien«; obwohl ihm diese »platte Art zu zeichnen« nur auf Münzen begegnet ist.

Dann aber warf sich die Zeidmung auf eine ganz entgegengesetzte Darstellungs weise. Die Verbesserer der griechischen Kunst, »da sie zu größerer Wissenschaft gelangten«, verließen wie die hetrurischen Künstler und gleichzeitig mit ihnen den ersten Stil. Die Eigenschaften und Kennzeichen dieses zweiten altertümlichen Stils sind »eine emp- findliche Andeutung der Figur und deren Teile . . . Die Muskeln sind sdiwülstig erhoben und liegen wie Hügel; die Knochen sind schnei- dend gezogen, und allzu sichtbar angegeben, wodurch dieser Stil hart und peinlidi wird«.

Die gesetzliche Strenge begegnet uns auch hier, aber sie war weniger

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hieratisch-konventionell als wissenschaftlich-stilistisch. Ihre Ursache lag ja in den gründlichen Naturstudien dieser Zeit. »Da die Wissen- schaft in der Kunst vor der Schönheit vorausgeht, und als auf richtige strenge Regeln gebaut, mit einer genauen und nachdrücklichen Be- stimmung zu lehren anfangen muß, so wurde die Zeichnung regel- mäßig aber eckigt, bedeutend aber hart und vielmals übertrieben, . . . mächtig aber ohne Grazie ... In dieser Härte offenbart sich der genau bezeichnete Umriß, und die Gewißheit, wo alles aufgedeckt vor Augen liegt. Denn die Zeichnung führt nicht durch schwebend verlorene und leicht angedeutete Züge, sondern durch männliche, obgleich etwas hart und genau bezeichnete Umrisse zur Wahrheit und zur Schönheit der Form.«

Dieser etruskische Stil kann manieriert genannt werden, »welches nichts anderes ist als ein beständiger Charakter in allerlei Figuren. Da nun einerlei Charakter kein Charakter ist, so könnte man auf die hetrurischen Künstler das, was Aristoteles am Zeuxis tadelt, deuten, nämlich, daß sie keinen Charakter gehabt haben.«

2. Im zweiten oder hohen Stil hatte sich die Zeit ausgedrückt, in der nach dem einmütigen Urteile der Alten selbst ihre größten Meister gewirkt, die Zeit der völligen Erleuchtung und Freiheit in Griechen- land.

Durch den Sieg bei Marathon, »welcher wunderbar in aller Ge- schichte bleibt«, erhob sich Athen über alle Städte und wurde durch Ansehen und Macht der vornehmste Sitz der Künste und Wissen- schaften, also daß »die Kunst mit Athen immer einerlei Schicksal gehabt und ihre Aufnahme vorzüglich von dem Wohlstande dieser Stadt ab- gehangen hat«.

Dem Nationalkriege folgten die merkwürdigsten fünfzig Jahre Griechenlands. »Ein Grund zur Größe war geleget, auf welchem ein dauerhaftes und prächtiges Gebäude konnte aufgeführet werden. Die Weisen und Dichter legeten die erste Hand an dasselbe, die Künstler endigten es, und die Geschichte führet uns durch ein prächtiges Portal zu demselben . . . Alle Kräfte schienen in Bewegung zu kommen, und die großen Gaben dieser Nation fingen an sich mehr als jemals zu zeigen. Die außerordentlichen Menschen und großen Geister, welche

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sich von Anfang der großen Bewegung in Griechenland gebildet hatten, kamen jetzt alle mit einmal hervor. Herodot las seine Geschichte zu Elis allen Griechen vor. Aeschylus trat mit den ersten regelmäßigen Tragödien im erhabenen Stil ans Licht, man fing an, die Gedichte des Homerus abzusingen, die ersten Komödien wurden durch Epicharmus aufgeführt, Simonides, der erste Dichter in Elegien, gehörte unter die Erfinder dieser großen Zeit, Gorgias gab der Redekunst die Gestalt einer Wissenschaft, in Athen wurden zu Sokrates Zeit durch Antiphon die ersten gerichtlichen Reden schriftlich aufgesetzt, ja die Weisheit selbst ward dort zuerst öffentlich durch Anaxagoras gelehrt: das waren die großen Vorbereitungen zur Vollkommenheit der Kunst, zu welcher sie nunmehr mit mächtigen Schritten ging.«

Die Jahre des Perikles waren die glückseligste Zeit für sie, ihr gol- denes Zeitalter, die Epoche des Phidias und Parrhasius, wo die Ein- tracht arbeiten half und das entschiedene Verdienst eines jeden die Eifersucht entkräftete. Das Unglück selbst mußte zur Beförderung der Kunst dienen, und die Verheerung und Zerstörung der Stadt gab den Künstlern Gelegenheit, sich gleich anderen großen Männern zu zeigen. Und die Wirkungen dieser der Kunst heiligen Zeit dauerten noch fort während jenes Krieges, der zur gänzlichen Entkräftung der Nation führte und mit dem Verlust der Freiheit endigte; denn in seiner ersten Olympiade blühten die Meister des hohen Stils, Polyklet, Myron, Skopas, Pythagoras, Alkamenes.

Aber für die Zeit des Phidias, Polyklet, Alkamenes war die Denk- mälernot noch größer als für ihre Vorgänger. »Der Name des Phidias ist der Kunst heilig, weil dieselbe durch seine Schüler und ihre Nach- folger bis zur höchsten Vollkommenheit geführet werde.« Aber mehr als den heiligen Namen gab es auch fast nicht. »Zu einer deutlichen Bestimmung der Kenntnisse und der Eigenschaften des hohen Stiles der großen Verbesserer der Kunst ist nach dem Verlust ihrer Werke nicht zu gelangen.« Er ruft Analogien gleichzeitiger Dichtung zu Hilfe, den Riesenschritt der Tragödie von Aeschylus zu Sophokles. So werde es mit dem Übergang von »Eladas« (einem nichtexistierenden, aus einer falschen Lesart entstandenen Meister) zu Phidias, von Ageladas zu Polyklet gewesen sein. »Aber die Zeit hat uns über beider Werke zu urteilen beraubt.« Wir können eben nur sagen, die Verbesserer der

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Kunst werden sich über das angenommene System von idealischen Regeln erhoben und der Wahrheit der Natur genähert haben.

»Die Natur lehrte aus der Härte und von hervorspringenden und jäh abgeschnittenen Teilen der Figur in flüssige Umrisse gehen . . . und sich weniger gelehrt als schön, erhaben und groß zu zeigen . . . Da nun außer der Schönheit die vornehmste Absicht dieser Künstler die Groß- heit gewesen zu sein scheint, so kann ihr Stil der große genannt wer- den . . Ferner waren jene Meister, z. B. Polyklet, Gesetzgeber in der Proportion ... »in einer vollkommenen Übereinstimmung der Teile und in dem erhobenen Ausdruck suchten sie die Schönheit; mit strengen Begriffen der Schönheit also fing die Kunst an, wie wohleingerichtete Staaten mit strengen Gesetzen groß zu werden . . . Sie suchten mehr das wahrhaftig Schöne, als das Liebliche. Und da nur ein einziger Begriff der Schönheit, welcher der höchste und sich immer gleich ist, und jenen Künstlern beständig gegenwärtig war, kann gedacht wer- den, so müssen sich diese Schönheiten allezeit diesem Bilde nähern und sich einander ähnlich und gleichförmig werden.«

Aber »Annäherung an die Naturwahrheit« war wohl nicht das rechte Wort. Nie ist die Kunst so eines geworden mit der Natur als in jener herrlichsten Zeit Athens. Die Marmorgruppen der Parthenongiebel, die doch nur unter Phidias Leitung gearbeitet wurden, sie waren in dieser Beziehung die überraschendste Offenbarung alter Kunst, die nach Winckelmann gekommen ist. Jetzt erst lernte man die griechische Kunst von der Seite ihres Naturalismus kennen, und in einer Weise, von der er keine Ahnung gehabt. Er wähnt, jene Künstler hätten die Schönheit allein in der vollkommenen Übereinstimmung der Teile gesucht und der großen Richtigkeit einen gewissen Grad schöner For- men auf geopfert, ihre Zeichnung habe noch etwas vom Systematischen gehabt und von dem, was sich von der Natur entfernt (Trattato prelim. LXV). Aber es scheint damals durch die hellenischen Kunst- schulen ein Zug gegangen zu sein, wie um 1500 durch die italienischen. In ähnlicher Weise werden sich ihre Meister von der herkömmlichen Behandlungsweise losgesagt haben, wie etwa Michelangelo von der Trockenheit der Quattrocentisten, oder wie Tizian von der Symmetrie und all der unmalerischen Peinlichkeit, Goldpracht, Metallschärfe und Emailglätte des paduanisch-venezianischen Stils. Vielleicht liegt auch

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darin eine Analogie zu dem Gegensatz peloponnesisdier und attischer Kunst, daß der Florentiner sich in ein Ideal vollkommener Körper- lichkeit warf, der Venezianer aber malerische Wirkung und Freiheit fand. Gerade so hätten die Griechen damals gefühlt, daß es mit jenen athletisch herben Normalkörpern, jener Zierlichkeit des Gefälteis, jenen maskenhaften Gesichtern und jenen typischen Attitüden genug sei . . . Nun ist in ihren Werken eine Freiheit von jeglicher Befangen- heit, der Überlieferung und der Manier, die der Natur sozusagen ohne jeden Ballast gegenübersteht.

Winckelmann wußte, als er die Kunstgeschichte schrieb, nur zwei Werke dieses hohen Stils anzugeben. Das eine war die Pallas der Villa Albani, jetzt in der Mündmer Glyptothek. In ihrem Kopfe sei eine gewisse Härte, die aber besser empfunden als beschrieben werden könne; man könne in dem Gesicht eine gewisse Grazie zu sehen wün- schen, die dasselbe durch mehr Rundung und Lindigkeit erhalten würde. Es ist der der Pallas eigene (auch in der Kolossalbüste am selben Ort wiederkehrende) Zug, in dem jungfräuliche Herbe, Streitbarkeit und jene Geisteskraft, die ein Heer von Gedanken zu bändigen scheint, sich verschmelzen und was man audi von seiner Herkunft denken mag, gewiß ist, daß wir uns nicht vorstellen können, wie diesen Typus eine andere Zeit hätte finden sollen als diese, die für die hohen, könig- lichen Weiber, die Amazone, die Hera, die siegende Aphrodite ein so sichtbares Charisma hatte. Die Statue (von carrarischem Mar- mor) gehört nicht zu dem Kopfe (von parischem) und ist späteren Ursprunges.

Etwas verwirrt wurde die Charakteristik infolge des Versehens hinsichtlich des Skopas, durch das die Niobegruppe (die er für das Original hielt) dem hohen Stil zufiel. Hier war nun freilidi von jenem »Schein der Härte« nichts zu sehen, vielmehr eine »hohe Einfalt der ganzen Zeichnung«, ein gleichsam »unerschaffener Begriff der Sdiön- heit«. Da sollte nun von der angenommenen Gesetzesstrenge dieses Stils eine Spur wenigstens zu finden sein in der Annäherung an einen einzigen, höchsten Schönheitsbegriff, in der »Ähnlichkeit der Köpfe der Niobe und ihrer Töchter, welche unmerklich und nur nach Alter und dem Grade der Schönheit in ihnen verschieden seien«. Die Be- handlung des Ausdruckes galt als Beweis, daß diese Künstler die

DIE ZWIEFACHE GRAZIE 179

Gesichter »rein von Empfindlidikeit und entfernt von inneren Em- pörungen, mit einer friedlichen, immer gleichen Seele vorgestellt«. Und richtig ist, daß in den höchsten Werken dieser Zeit Empfindung und Affekt nicht tonangebendes Motiv sind, obwohl ja der Parthenon nicht nur ein Palladion enthielt, sondern auch einen Götterstreit und wilde Centaurenkämpfe. Aber die Panathenäenprozession zeigt, wie man sich auch in Szenen aus dem Leben von Individualisierung in gemessener Ferne hielt.

Der augenfälligste Mangel der Winckelmannschen Theorie ist eben, daß hinter der Linearschönheit ein Hauptzug dieser großen Zeit wie jeder genialen Zeit ganz zurücktritt: die Originalität, die Fest- stellung göttlicher Charaktere, in denen eines jeden Ahnen für immer, unverbesserlich, schlechthin gültige Gestalt gewann. Solange die Menschheit das Göttliche im menschlichen Bilde darstellen zu können glaubte, haben die Völker und die Jahrhunderte hier gefunden, was ihre Phantasie nie gefunden hätte, und was ihnen doch all ihres Ver- langens nach Gegenwart des Unendlichen Erfüllung schien. »Das ist das Große im Zeus des Phidias«, sagt Dio Chrysostomus, »daß, wer ihn geschaut, nie ein ander Bild in sich aufkommen läßt, also daß er erst Hellas, dann alle Nationen um diese Gestalt versammelt hat.«

Die zwiefache Grazie

Diese Besdireibung des hohen Stils wäre recht unzulänglich, wenn der Schriftsteller nicht durch eine Bemerkung des Plinius über die Grazie noch auf eine andere Gedankenreihe geführt worden wäre. Die Behauptung, daß die Grazie durch Apelles und Praxiteles in die Kunst eingeführt worden sei, machte ihn stutzig. »Folglich, wird jemand sagen, waren die Werke des Phidias, des Skopas, des Myron, des Polyklet ohne Grazie«, ohne das »vernünftig Gefällige?« Wirklich schreibt er ihnen einmal »den hohen Stil ohne Grazie« zu und erklärt dies Fehlen der Grazie in den Werken des attischen und des argivischen Meisters aus der Höhe ihrer Ideen und der Strenge ihrer Zeichnung. Aber es widerstrebte ihm, dem Phidias, der Niobe die Grazie abzu- spredien, die in der Einfalt und Stille der Seele wirkt und die ja über

löO ROMISCHE ZEIT

die Werke des Altertums sich allgemein ergossen hatte. Er fragt sich, ob es nicht auch im Altertum geschmacklose Kritiker gegeben habe. Die Lösung fand er in der Annahme einer zwiefachen Grazie. Er erinnert daran, »daß die Grazien, wie die Musen, bei den ältesten Griechen nur in zwei Namen verehrt wurden«. Zwar passen die Stellen, auf die er sich beruft, nicht ganz; aber der Wert des Gedankens, den er daran knüpft, hängt nicht ab von jenen Texten. Was also jene Ge- währsmänner des Plinius Grazie des Apelles nannten, sei eine beson- dere Grazie, von der man eine andere, die er hohe Grazie nennen will, unterscheiden könne. »Ich habe gesucht, ohne nachteilig von so großen Künstlern zu urteilen, einen Unterschied dieser Grazie von einer höheren anzugeben.« Dem Versuche, beide Begriffe gegeneinander abzugrenzen, verdanken wir eine der schönsten Stellen seiner Werke (vgl. II, S. 85).

»Die Grazie des Phidias und seiner Zeitgenossen ist wie die himm- lische Venus, von der Harmonie gebildet, beständig und unveränderlich. Eine Gesellin aller Götter, scheint sie sich selbst genugsam und bietet sich nicht an, sondern will gesucht werden; sie ist zu erhaben, um sich sehr sinnlich zu machen; denn das höchste hat, wie Plato sagt, kein Bild. Mit den Weisen allein unterhält sie sich, und dem Pöbel ersdieint sie störrisch und unfreundlich, sie verschHeßt die Bewegungen der Seele in sich und nähert sich der seligen Stille der göttlichen Natur, von der sich die großen Künstler, wie die Alten schreiben, ein Bild zu entwerfen suchten. Dieser Grazie opferten die Künstler des hohen Stils. Mit dem Phidias wirkte sie in der Bildung des olympischen Jupiter, ... sie wölbte, wie in dem Urbild des Künstlers, den stolzen Bogen seiner Augenbrauen mit Liebe, und goß Huld und Gnade aus über den Blick seiner Majestät. Sie krönte mit ihren Geschwistern und den Göttinnen der Jahreszeiten und der Schönheit das Haupt der Juno zu Argos, als ihr Werk, woran sie sich erkannte, und an dem sie dem Polycletus die Hand führte. In der Sosandra des Kaiamis lächelte sie mit Unschuld und Verborgenheit; sie verhüllte sich mit züchtiger Scham in Stirn und Augen, und spielte mit ungesuchter Zierde in dem Wurfe ihrer Kleidung. Durch dieselbe wagte sich der Meister der Niobe in das Reich unkörperlicher Ideen und erreichte das Geheimnis, die Todesangst mit der hödisten Schönheit zu vereinigen: er wurde ein

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Schöpfer reiner Geister und himmlischer Seelen, die keine Begierde der Sinne erwecken, sondern eine anschauliche Betrachtung aller Schönheit wirken; denn sie scheinen nicht zur Leidenschaft gebildet zu sein, sondern dieselbe nur angenommen zu haben.«

»Die andere Grazie dagegen die vornehmste Eigenschaft des fol- genden Stils ist wie die Venus von der Dione geboren, mehr der Materie unterworfen, eine Tochter der Zeit, und nur im Gefolge der ersten, die sie ankündigt für diejenigen, die der himmlischen Grazie nidit geweiht sind (che non sanno i misteri ec). Die Künstler des schö- nen Stils gesellten mit der ersten und höchsten Grazie die zweite, und so- wie Homers Juno den Gürtel der Venus nahm, um dem Jupiter gefälliger und liebenswürdiger zu erscheinen, so suchen diese Meister die hohe Schönheit mit einem sinnlichen Reiz zu bekleiden, und die Großheit durch eine zuvorkommendeGefälligkeitgleichsamgeselligerzumachen. «

Dieser vonWinckelmann erfundene Begriff der hohen oder strengen Grazie klang seiner Zeit fremd, denn sie räucherte einer ganz anderen Grazie; vielen schien sie ein Widerspruch im Beisatz. Voltaire z. B. war es selbstverständlich: le serieux n'est jamais gracieux, il n'attire point; il approche trop du severe qui rebute. Mengs erklärte sich in diesem Punkte aufs schärfste gegen seinen Freund. »Er nenne die Zeichnung Leonardos, Andreas, Guidos, Albanis schön, die des Correggio graziös; das Austere vertrage sich nur mit dem erhabenen, höchstens mit dem schönen Stil, gar nicht mit dem süßen und anmutigen, da Strenge und Anmut sich schnurstracks entgegenlägen.« Winckelmann hatte zuerst wieder einen Reiz geahnt, der gewaltiger ist als der Reiz der Blicke und holden Wellenlinien des Malers der Grazie ^7.

Je mehr man kennenlernte von jener großen Zeit, und an ihr seine Begriffe verbesserte, um so klarer sah man, daß in den angeführten Worten der Charakter der Kunst höchster Ordnung gegenüber aller Kunst zweiter Ordnung verzeichnet sei, der Kunst, die sich an die edlen Elemente menschlicher Natur wendet, an ihre Fähigkeit, Er- hebung in dem zu finden, was sie zu demütigen scheint.

27. Den Alten war der Begriff nicht fremd. Coeli nempe chorum sideribus comptum et coronatum suda tempestate visimus, pictis noctibus severa gratia, torvo decore; suscipientes in hoc perfectissimo mundi, ut ait Ennius, clypeo, miris fulgoribus variata caelamina. Apul. de Deo Soor.

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Zeus, Hera, Pallas, ausgeführt in der geisterhaften Größe und Pracht der Goldelfenbeinkunst und für diese gedacht sie versinn- lichten das Göttliche in seiner Ruhe, Erhabenheit, Überweltlichkeit, wo es uns des Gefühles seiner Gegenwart teilhaftig macht, indem es uns in den Staub der Endlichkeit niederwirft. Die Kunst kann das Göttliche auch mittels der Seelensprache darstellen, durch den Aus- druck jenes höheren Lebens, jenes gesteigerten Zustandes, der Plato ein gottverhängter schien, mochten es nun die Musen sein oder Eros oder der Orakel- und Sühnegott oder Dionysos, die ihn gesandt. Dies war der Weg der folgenden Zeit.

Aber die Selbstgenügsamkeit, die sich nicht anbietet, sondern auf- gesucht werden will, die zu erhaben ist, um sich sehr sinnlich zu machen und der seligen Stille göttlicher Natur sich nähert, unwandel- bar wie die Himmelsharmonie, die ungesuchte Zier, das Lächeln mit Unschuld und Verborgenheit, die Gestalten, die kein Sinnenfeuer entfachen und nidht zur Leidenschaft bestimmt erscheinen nie sind Worte dem Geheimnis so nahegetreten, haben das Unaussprechliche einer Kunst fast verraten die nichts zu wollen scheint und alles kann; die dahin sich verstieg, wo der Gedanke selbst nicht hinreicht, und was sie dort sah, mit solcher Machtvollkommenheit des Geistes und der Hand in die Körperwelt herabholte; die jungfräulich rein war, und gegen deren männlich-meisterlidies Verwalten der Geheimnisse der Sinnen- und Geisterwelt alle Nachgebornen unmündig scheinen; die durch nichts den Sinnen entgegenkommt und doch ein Unendliches uns sinnlich nahebringt, fühlbar macht.

3. Der schöne Stil fällt in das letzte Alter der großen Leute in Griechenland. Es war die Zeit, als Epaminondas, der größte Mann aller Griechen, sein Vaterland Theben mächtig machte: Xenophon und Plato waren in ihren besten Jahren, und Demosthenes trat nadi ihnen auf und redete unüberwindlich für sein Vaterland. Damals blühte Praxiteles, und eine Zeit nach ihm erschien Lysipp. Die Besten dieser Diditer und Künstler waren noch von dem Stamm, welcher in dem Grunde der stolzen Freiheit gepflanzt war, entsprossen. Der Geist der Kunst war freilich ein anderer: Griechenland schmeckte die Süßigkeit der Freiheit ohne Bitterkeit, in einiger Erniedrigung, aber in Eintracht;

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und die fast erloschene Eifersucht, die sie entkräftet hatte, ließ ihnen, wie wenn ihre Wut in der Liebe aufhört, eine stolze Erinnerung der vormaligen Größe und die Ruhe übrig. Denn die Macedonier, die Feinde ihrer Freiheit aus deren Lande man ehemals nicht einen nützen Leibeigenen haben konnte hatten sich zwar über sie erhoben, begnügten sich aber, der Freiheit nur die Waffen genommen zu haben, und suchten fern von ihnen Abenteuer und andere Reiche. In dieser Ruhe überließen sich die Griechen ihrer natürlichen Neigung zum Müßiggang und zu Lustbarkeiten, und selbst Sparta ging von seiner Strenge ab: der Müßiggang füllte die Schule der Philosophen, die Lustbarkeit beschäftigte Dichter und Künstler, und diese suchten nach dem Geschmack ihrer Zeit das Sanfte und Gefällige, da die Nation in der Weichlichkeit ihren Sinnen zu schmeicheln suchte. Die Sitten beförderten die letzte Feinheit und den aufs höchste getriebenen Geist in den Werken des Witzes und der Kunst.

Nach jenen Sätzen über die Grazie sollte man denken, daß des Autors Geschmack und Neigung ganz in der Richtung des hohen Stils liege. Aber wenn wir ihn nun von den Werken des schönen Stils sprechen hören, so zeigt sich die Macht der Gegenwart, die stärker ist als die Ahnung des Entschwundenen, wenn auch Größeren. »Wenn man Winckelmanns Kunsturteile miteinander vergleicht«, bemerkt A. W. Schlegel, »so fällt in die Augen, daß, wiewohl er mit Verehrung von dem hohen und strengen Stil redet, seine Neigung entschieden auf gefällige Ausbildung ging. Wie wenig sagt er von dem Kopf der Ludovisischen Juno, von der Niobe, und mit welcher Liebe verweilt er beim Sturz des Herkules, bei dem vatikanischen Apollo, lauter Werken des gelehrten und zierlichen Stils, worunter nichts aus der Zeit vor Alexander dem Großen herstammt.«

»Von dem schönen (oder fließenden) Stil kann man mit mehr Zuverlässigkeit reden als von dem hohen Stil: denn einige von den schönsten Figuren des Altertumes sind ohne Zweifel in der Zeit, in welcher dieser Stil blühte, gemacht, und viele andere, von denen dieses nicht zu beweisen ist, sind wenigstens Nachahmungen von jenen.« Dieser Stil »hebt sich an von Praxiteles und erlangt seinen höchsten Glanz durch den Apelles und Lysipp«. Dieser soll dann der Wellen- linie, wie wir schon hörten, zum völligen Siege verholfen haben.

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Nun wird man zwar zweifeln können, ob wirklich die undulierenden Formen (z. B. des vatikanischen »Antinous« -Hermes) der Natur und Schönheit nähertreten als die in Flächen und Winkeln aufgebauten (des Doryphoros). Freilich sind jene fließenden Linien, z. B. einer weich angelehnten Satyrfigur nach Praxiteles oder eines Sauroktonos, von unaussprechlichem Reiz; und die stärker anschwellenden Wal- lungen an einem Schaber im Braccio nuovo des Vatikans stehen ganz in Einklang mit dem Ausdruck der Beweglichkeit und Spannkraft der Gestalt.

Auch hier wurden, wie bei dem älteren Stil, sehr verschiedene Schulen und Meister unter einen Begriff gebradit, der, wenn er für alle passen sollte, etwas vag sein müßte. Die Kunst des Praxiteles ist nach Form und Geist grundverschieden von der des Lysipp; Laokoon und der Torso kommen wieder aus anderen Sphären.

Am besten paßt das Bild der zweiten Grazie wohl auf die zweite attische Schule, in der die Kunst mit Vorliebe das Gebiet des Emp- findungslebens betrat, tragische und komische Affekte, begeisterte und sentimentale Zustände zu tonangebenden Motiven machte, die auch die Wahl der Formen bestimmten. »Das Mannigfaltige und die meh- rere Verschiedenheit des Ausdruckes tat der Harmonie und der Großheit in dem schönen Stil keinen Eintrag: die Seele äußerte sich nur wie unter einer stillen Fläche des Wassers, und trat niemals mit Ungestüm hervor. In Vorstellung des Leidens bleibt die größte Pein verschlossen. Die Kunst philosophierte mit den Leidenschaften.«

Unleugbar sind die reizvollsten Schöpfungen die von der »gefälligen Grazie« inspirierten. Ihre Gebilde rühren uns unmittelbarer, lebhafter erschütternder oder schmelzender. Doch ist die Warme, die sie aus- strahlen, nicht die Glut der Sinne, oder nur in der Verklärung der Poesie, geläutert zum Duft der Psyche. Die Empfindung hat jene jugendliche Reinheit, deren Genius uns erscheint im Eros des Praxi- teles. »Die Freude schwebt wie eine sanfte Luft, die kaum die Blätter rührt, auf dem Gesicht einer Leukothea.« Es ist der mehrerwähnte Bacchuskopf im Saal des sterbenden Fechters gemeint.

Diese gefällige Grazie wurde nach Winckelmann zuerst in der Malerei erzeugt und durch diese der Bildhauerkunst mitgeteilt. »Par- rhasius der Maler ist durch dieselbe unsterblich und der erste, dem

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sie sidi geoffenbart hat. Es ist merkwürdig, daß derVater dieser Grazie und Apelles, der sich dieselbe völlig eigen gemacht, unter dem wollüstigen ionischen Himmel und in dem Lande geboren waren, wo der Vater der Dichter einige hundert Jahre vorher mit der höchsten Grazie begabt worden war. Mit einer zärtlichen Empfindung begabt, die ein solcher Himmel einflößt . . . kam Parrhasius nach Athen und wurde ein Freund des Weisen, des Lehrers der Grazie, der dieselbe demPlato undXenophon entdeckte. Er warder erste, der den Figuren- köpfen, die vor ihm eine harte und strenge Miene hatten, ein heiteres Wesen und die Grazie nebst mehrerer Zierlichkeit in den Haaren gab, und sein größter Vorzug bestand in dem schönen Umriß, in dessen Rundung, in Licht und Schatten.«

»Beide Arten der Grazie sind nur idealen und hohen Sdiönheiten eigen; obwohl die Grazie sich auch über Gestalten ergossen hat, die nicht die vollkommene Idee der Schönheit haben, um, was dieser abgeht, durch ihren Einfluß zu ersetzen. Diese ist die niedrigere Grazie, die vornehmlich Kindern eigen ist, als an denen die Formen, die die Schönheit bildet, noch nicht völlig ausgeführt sind, und die also jener Grazie nicht fähig sein können. Wohl erst die Nachfolger haben, da sie die Zärtlichkeit und Gefälligkeit gesucht, auch die kindliche Natur einen Vorwurf ihrer Kunst sein lassen. Man könnte diese die komische, sowie jene die tragische und epische nennen. Die komische Grazie (grazia correggesca) ist in den Köpfen von Faunen und Bacchanten ausgedrückt durch ein freudiges Lächeln, wodurch die Winkel des Mundes in die Höhe gezogen werden; und da, wo diese Fröhlichkeit sich durch solche Züge bezeichnet findet, hat allezeit die Bildung ein gemeines gesenktes Profil oder eine vertiefte Nase.« Winckelmann hielt den borghesischen Sauroktonos für würdig, das Original des Praxiteles zu sein und glaubte, in den Ringern zu Florenz das Sym- plegma des Kephissodor oder Heliodor zu sehen.

Der Geschichtsschreiber hat nach inneren Gründen für die Hin- wendung vom großen zum schönen Stil gesucht: sie sind rein hypothetisch und als bloße Folgerungen aus seiner Theorie der Stilfolge wenig einleuchtend.

Noch einmal, zum letzten Male, tritt das Gesetz, diesmal freilich in Gestalt des Ideals selbst, zwischen Natur und Kunst. Ein altes, herbes

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System war verdrängt worden durch ein System hoher Schönheit, aber doch ein System und einer Schönheit mehr der Maße und Ver- hältnisse, als der Linien. Ideal, Großheit, Richtigkeit treten in eine gewisse Spannung zu Natur, Anmut, Wellenlinie. »Da in der Kunst vieles idealisch geworden war, d. i. da die größten Meister das Schönste und das Heiligste zu erschaffen suchten und sich davon ein Bild gemacht hatten, welches über die Natur erhaben war, so wird es geschehen sein, daß sich dieses Bild von der Natur entfernt hatte, die selbst in ihren Teilen nicht mehr völlig kenntlich war . . . Und da die Meister das Maß eines jeden Teiles auf dessen Punkt werden gesetzt haben, so ist nicht unglaublich, daß dieser großen Richtigkeit ein gewisser Grad schöner Formen aufgeopfert worden . . . ihre Großheit kann in Vergleichung gegen die Umrisse der Nachfolger eine gewisse Härte gezeigt haben: das Gerade blieb der Zeichnung jenes Stils noch einigermaßen eigen, und die Umrisse gingen dadurch in Winkel.«

Erst im schönen Stil wurde also der Bann des Gesetzes vollkommen gebrochen; der Gegensatz zwischen Kunst und Natur fiel. Der Kontur wurde fließend, undulierend, die Charaktere mannigfaltiger. Lysipp hat den Ruhm, die Natur mehr als seine Vorgänger nachgeahmt zu haben. Er führte die Kunst, vornehmlidi auch durch anatomische Untersuchungen, zur Beobachtung und Nachahmung der Natur zurück, die in dem Ideal seiner Vorgänger in ihren Teilen nicht mehr völlig kenntlich war.

So unterschied der Rhetor Dionysius einen herben, blühenden und mittleren Stil. Der blühende sucht den Fluß wohlklingender Worte, die Harmonie und Abgemessenheit der Periode.

Doch war die letzte Befreiung griechischer Kunst keine Aufhebung der früher entdeckten Gesetze. «Die nächsten Nachfolger der großen Gesetzgeber in der Kunst verfahren nicht wie Solon mit den Gesetzen der Drako, sie gingen nicht von jenen ab: die Formen des vorigen Stils blieben auch in diesem zur Regel, denn die schönste Natur war der Lehrer gewesen: sondern wie die richtigsten Gesetze durch eine gemäßigte Erklärung brauchbarer und annehmlicher werden, so suchten diese die hohen Schönheiten, die von Statuen ihrer großen Meister, wie von der Natur abstracte Ideen und nach einem Lehrgebäude

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gebildete Formen waren, näher zur Natur zu führen, und eben dadurch erhielten sie eine größere Mannigfaltigkeit.«

4. Von der vierten und letzten Periode hat er wenig zu sagen. Ein Fortgang war eigentlich nicht mehr denkbar: »da die Verhältnisse und die Formen der Schönheit auf das höchste ausstudiert und die Umrisse der Figuren so bestimmt waren, daß man ohne Fehler weder heraus- gehen noch hineinlenken konnte: so war der Begriff der Schönheit nicht höher zu treiben. Es mußte also die Kunst, da sie nicht weiter hinausging, zurückgehen. Zwar geht der Verfall der Kunst noch in derselben Richtung fort wie ihr Steigen; aber der Naturalismus, nadh dem man nun trachtete, war bereits Manier, und das, was man als Fehler beseitigen wollte, erschien nur der Verweichlichung als Fehler. Es wurden durch die Bemühung, alle vermeinte Härte zu vermeiden und alles weich und sanft zu machen, die Teile, welche von den vorigen Künstlern mächtig angedeutet waren, runder, aber stumpf, lieblicher, aber unbedeutender.«

Bloßer Verfall ohne Erfindung neuer Darstellungsformen, wenn audi untergeordneter, gibt keinen Stil. Winckelmann kann wohl ein Nachlassen, fast Erlöschen der schaff enden Kraft aufzeigen, aber kaum falsche Manier, keine Veränderung der Grundsätze und des Ge- schmackes, kein Entschwinden der Technik und Formenkenntnis. Die Kunst bricht fast mit einem Male zusammen, bis dahin zeigt sie sicii, wenn auch in immer vereinzelteren Leistungen, auf ihrer Höhe. Die moderne Plastik könnte man insofern als Fortsetzung der alten betrachten, als sie für den Weg abwärts mit allen seinen Stationen manierierter Stilarten uns die Exempel liefert. Wogegen nach unserem Geschichtsschreiber »dem Altertum bis zum Falle der Kunst der Ruhm eigen blieb, daß es sich seiner Größe bewußt geblieben: der Geist ihrer Väter war nicht gänzlich von ihnen gewichen, und auch mittelmäßige Werke der letzten Zeit sind noch nach den Grundsätzen der großen Meister gearbeitet. Die Köpfe haben den allgemeinen Begriff von der alten Schönheit behalten, und im Stande, Handlung und Anzüge der Figuren offenbart sich immer die Spur einer reinen Wahrheit und Einfalt. Die gezierte Zierlichkeit, eine erzwungene und übelverstan- dene Grazie, die übertriebene und verdrehte Gelenksamkeit, wovon

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auch die besten Werke neuerer Bildhauer ihr Teil haben, hat die Sinne der Alten niemals geblendet.«

Er leitet den Verfall der Kunst aus ihrer schlechthin erfolgten Voll- endung nach Inhalt und Form ab, die keinen anderen Weg als den der Nachahmung und des Eklektizismus übrigließ. »Die Nachahmung aber schränkt den Geist ein; was man verzweifelt zu übertreffen, wird man auch nicht erreichen.« So kommt Winckelmann hier auf Begriffe, die er bei den früheren Epochen nicht verwandt hatte: Erfindung, psycho- logische Ursadien.

Seit Alexanders Tod, in den Empörungen und blutigen Kriegen der Diadochenzeit, wurde der Horizont der Kunst nie wieder heiter. Da sie, die das Leben von der Freiheit erhalten, mit deren Verlust sinken und fallen mußte, so wird ihr Flor gewiß nicht länger als bis nach Alexanders Tod gedauert haben. Freilich wurde sie nach Afrika und Asien gerufen, durch Ptolemäer und Seleukiden: aber unter einem ihr fremden Himmel wird sie schwerlich Wurzel gefaßt haben, und unter der Hofpracht mußte sie viel von ihrer Größe und ihrem wahren Verständnis verlieren. Wenigstens äußerte sich damals in der Literatur zuerst der verderbte Geschmack der Pedanten. Indem er das Sieben- gestirn mit dem Marinismus vergleicht, vermutet er, »bei der Ähnlich- keit der Schicksale der Kunst und der Gelehrsamkeit werde es auch an Borrominis und Berninis nicht gefehlt haben«.

Die Kunst unter den Römern

Am Schluß des ersten Teiles steht auch ein Kapitel von der römischen Kunst, wo die Nachrichten über ihren Stand zur Zeit des Freistaates gesammelt sind, die römische Männerkleidung beschrieben, besonders aber die bei den römischen Antiquaren herkömmliche und auch auf die Oltramontani übergegangene Ansicht »von einer eigenen Art römi- scher Arbeit in der Kunst« widerlegt wird. Dieser Begriff eines römischen Kunststils sei, soweit unsere jetzigen Kenntnisse gehen, nichts als Einbildung, entstanden aus der Erklärung mythischer Bilder durch Begebenheiten der römischen Geschichte und aus einer »un- zeitigen Ehrfurcht gegen die Werke griechischer Künstler; denn da

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sich viele mittelmäßige Werke finden, entsieht man sich, diese jenen beizulegen, und es scheint billiger, den Römern als den Griechen einen Tadel anzuhängen. Wir wissen, daß es römische Bildhauer und Maler gegeben hat, und es ist nicht unglaublich, daß es einige hoch in der Kunst gebracht haben und vielen griechischen zu vergleichen gewesen. Unter den griechischen Künstlern hingegen wird es auch mittelmäßige Helden, wie unter ihren Scribenten gegeben haben. Wer wird den Nicander für einen großen Dichter halten, als wer nur schön findet, was dunkel ist. Die Kunst wird ihren Nicander und ihren Aratus gehabt haben. Aber die Kunstwerke mit römischen Inschriften und die Statuen mit Künstlernamen sind nicht hinlänglich zum Systema der Kunst und zur Bestimmung eines besonderen, von dem hetrurischen und griediischen verschiedenen Stils. In der allerältesten Zeit ahmten sie vermutlidh die Hetrurier nach, und in ihren späteren und blühenden Zeiten werden ihre wenigen Künstler Schüler der griediischen gewesen sein.«

Der letzte Abschnitt der Kunstgeschichte erzählte diese Nachgeschichte griechischer Kunst in Rom. »Die Römer«, schreibt er, »nahmen ein empfindliches Herz (!) an gegen die Freiheit eines anderen Volkes, und Q. Flamininus hatte im 3 3 . Jahre seines Alters die Ehre,die Griechen für freie Leute zu erklären.« In der Kunst muß dies gleich zu spüren sein: wir brauchen nur die 155. Olympiade bei Plinius in die 145. zu verwandeln, so erhalten wir die Gruppe Antheus, Kallistratus, Poly- kles, Metrodor und vielleicht ApoUonius Nestors Sohn, den Meister des Torso, eines der letzten vollkommenen Werke, das die Kunst in Griechenland vor dem Verlust der Freiheit hervorgebracht hat. Zwar als seit Mummius Griechenland ein beständiger Raub der Römer geworden war (er gibt uns die Chronik dieser ersten Beteiligung der Römer an der Kunst): muß den Griechen der Mut gefallen sein, auf öffentlidie Werke der Kunst Kosten zu verwenden. Doch wurden die Römer auch Beförderer der Kunst, weil ihre Prachtliebe eine Quelle zum Unterhalt der Künstler auch in den Provinzen war.

Von der Zeit an, wo die Kunst nach dem Westen wanderte, löst sich die Erzählung auf in eine lockere Aneinanderreihung von Nachrichten, die unter verschiedenen Vorwänden an die Daten der Staatengeschichte geknüpft werden. Chronologisch feste Denkmäler boten sich nur

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wenige; noch weniger will es gelingen, Folgerungen über Wandlungen von Stil und Geschmack aus ihnen zu ziehen. Oft gibt eine herkömm- liche irrige (wiewohl berichtigte) Datierung oder irgendeine äußerliche Beziehung die Veranlassung, ein unbestimmbares Werk in der Erzäh- lung anzubringen. Die sogenannte Kleopatra imBelvedere z.B. kommt bei Augustus, der sogenannte Antinous ebenda bei Hadrian zur Sprache; der vatikanische Apoll und der borghesische Fechter bei Nero, weil sie von diesem aus Griechenland nach Porto d'Anzio gebracht seien; zwei aus Tibur geholte Mosaiken veranlassen eine Episode über das Mosaik und über die in Pompeji entdeckten Stücke des Dioskorides.

Es paßte wenig in Winckelmanns System über Krieg und Frieden, Despotentum und Freistaat, Griechen und Römer, daß die restaurierte Kunst der letzten stürmischen Zeiten der Republik und der Kaiser zu loben sein sollte. »Die Kunst in der Freigelassenen Händen kann als eine der Ursachen ihres Verfalls angesehen werden.« Aber die Münzen, Steine, Büsten zeigen fast ausnahmslos untadlige Trefflichkeit, und zwar gerade an seinen Kriterien gemessen. Griechenland bietet in den letzten vorchristlichen Jahrhunderten überall nur »traurige Spuren der Zerstörung«. Aber in Caesars Zeit fallen die Namen des Malers Timomachus (der nach andern freilich früher gelebt haben soll), Arkesilaus, dessen Modelle so teuer bezahlt wurden, Pasiteles, Posi- donius und Zopyrus. Indes braucht ja »der abermalige Fall des Flors der Kunst in Griechenland dieselbe in einigen einzelnen Künstlern nicht auszuschließen«.

Während der Kaiserzeit setzten sich die Künste in Rom wie in ihrem Mittelpunkte, und die besten Meister wandten sich hierher. Es wird nun alles zusammengestellt, was von Luxus und Vandalismus, von Aufmunterungen, Liebhabereien und Abgeschmacktheiten der Kaiser berichtet wird, und wir sehen die Kunst, solchen allerhöchsten Launen gemäß, wechselnd blühen und welken, aufleben und absterben.

Das Schweigen der Denkmäler sucht er wieder durch Parallelen aus der Geschichte der Literatur und der Baukunst zu ergänzen. Unter Augustus schon sehen wir den guten Geschmack in der Schreibart fallen, besonders durch Gefälligkeit gegen Maecen, der das Gezierte, das Spielende und das Sanfte liebte. In der Kunst will sich freilich

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keine Analogie dazu finden, außer den ihm verdrießlichen Grotesken und dem Tempel des Augustus und der Roma zu Melassi in Karien! Dagegen ist die Statue des Germanikus in Versailles »eine sehr schöne Arbeit«, und sein Kopf im Kapitol »einer der schönsten kaiserlichen Köpfe«. Eigentümlich sind Bemerkungen wie die, in Marc Aurels Schrift seien, »außer einer gesunden Moral, die Gedanken sowohl als die Schreibart gemein und eines Prinzen, der sich mit Schreiben abgibt, nicht würdig«. Die vier griechischen Kirchenväter, Basilius usw. hätten die Beredsamkeit, die Schönheit der Sprache nach einem großen Verfall wiederum in die Höhe gebracht, so daß siedemPlato undDemosthenes zur Seite stehen könnten, obwohl er anderwärts zu den Ursachen des Verfalles auch »die christliche Lehre« rechnet.

»Die Zeit der Antonine ist in der Kunst wie die scheinbare Besserung gefährlicher Kranker kurz vor ihrem Ende, in der das Leben bis auf einen dünnen Faden des Hauchs gebracht, dem Lichte einer Lampe ähnlich ist, das, ehe es gänzlich verlöscht, alle Nahrung sammelt, in eine helle Flamme auflodert und plötzlich verlöscht.« Aber die Statue der bewaffneten Venus von Herodes Atticus, »die nicht das Süße und Verliebte, sondern etwas Männliches und eine Freude wie nach erhal- tenem Siege zeigt, ist ein Beweis, daß sich die Kenntnis des Schönen und des Stils der Alten nicht gänzlich aus der Welt verloren gehabt«. Unter und nach Commodus soll endlich die letzte Schule der Kunst (die Hadrianische) und die Kunst selbst zugrunde gegangen sein. Aber seine Münzen »sind in Zeichnung und Arbeit unter die schönsten kaiserlichen zu rechnen, und sein jugendlicher Kopf im Kapitol macht der Kunst Ehre«. Eigentlich ist ja erst unter Septimius Severus die Sprache der Denkmäler unzweideutig: vor den Reliefs seines Triumph- bogens ist mit Händen zu greifen, daß man sich in rascher, abschüssiger Bewegung befindet. Und doch taucht jetzt gerade der teuflische Caracalla auf, dessen Kopf » vielleicht Lysipp selbst nicht vortrefflicher gebildet haben würde«. Und auf die meisten Werke dieser Verfallzeit soll passen, was Longin von der Odyssee sagt, »daß man in derselben den Homer wie die untergehende Sonne sehe, von der außer ihrer Wirkung die Größe übrig bleibt«. Die traurige Chronik der Zer- störungen endigt mit der Eroberung von Konstantinopel durch die Kreuzfahrer. Die ein Jahrtausend lang Goten und Vandalen aufgebür-

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dete Schande fällt auf diese heuchlerischen Barbaren, die Zerstörer der letzten noch pietätvoll bewahrten Trümmer des großen Altertums.

Die Geschichte der Kunst zeigt zuerst ein allmähliches Steigen, eine kurze wunderbare Blüte sodann, endlich einen langgedehnten Wechsel von Verfinsterung und Wiederaufleuchten, aber, wie die Tage im Herbst, mit wachsenden Schatten.

Auf der absteigenden Linie ist dies Gemälde weder wahrscheinlich noch erfreulich. Es fehlt der rechte Zusammenhang mit der Sprache der darin ausgestreuten Denkmäler, die ihm Farbe und Relief geben sollten. Der gefeiertste Torso erscheint am Ende des freien Griechen- lands. Jede Münze mit einem schönen Kopf (z. B. Pyrrhus, Demetrius Poliorketes, Agathokles) , j ede Kunde von irgendwelcher Kunstindustrie (Verres' Vasenfabrik in Syrakus), von einem Prachtstück (Hieros II. Wunder schiff), von einer Statuenkommission für die Villa des Atticus, gibt für die Kunst der Zeit günstigste Aspekte. Wo, wie hier geschieht, nur die schöne Form Kriterium ist, da hätte der Flor der Kunst eigentlich der Dauer der technischen Überlieferung und also der alten Zivilisation überhaupt gleichgesetzt werden müssen. Eine der Vis- contischen ähnliche Auffassung sollte man da erwarten.

Der Verfasser führt uns durdi das Altertum, um uns immerfort dasselbe Schauspiel zu zeigen: daß jeder Friedensschluß, jede Wieder- herstellung der Republik eine Gruppe Künstler hervorzaubert, jeder Krieg dagegen und Verlust der Freiheit den Verderb des Geschmackes und den Verfall herbeiführt. Das Leben der Kunst hätte darnach Ähnlichkeit mit dem heutigen großen Geld- und Geschäftsverkehr, der so empfindlich ist gegen die Zuckungen der politischen Welt. Wie Harlekin öfters in der Pantomime tot hinfällt und als steifer Leich- nam von Pierrot aufgeladen wird, obwohl wir getrost sein können, daß er zur rechten Zeit wieder munter auf seinen Füßen stehen und sich Pierrot empfindlich fühlbar machen wird.

In Wahrheit hat die Kunst eine robustere Konstitution. Sie ist keine Flur des Morgenlandes, die ein paar Tage Sonnenbrand ausdörren und einige Regengüsse wieder mit Grün und Blumen bedecken. Sie hat ihr eigenes Leben und ihre weitverzweigten Lebenskanäle, und die Jahre dieses Lebens sind weit länger als die kurzen Jahre der Talente, die Gunst und Geldzufluß einer Friedensepoche hervorlockt. Dies ihr

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Leben währt so lange als die Kultur, die sie als ihr Organ gesdiaifen und die ihrer Bildersprache bedarf. Sein Pulsschlag ist langsam denn in Erfindung von Motiven, Darstellungsmitteln, Technik ist der menschliche Geist träger als man denkt. Aber dafür ist dieser Vorrat, das Werk der Zeiten, auch so groß, daß er nur durch lange fortgesetzte Stöße des Schicksals zugrunde gehen kann. Die fruchtbarsten Kunst- alter waren oft angefüllt mit äußeren und inneren Fehden (die ja nicht bloß Zerrüttung, sondern auch einen Überschuß tätiger Kräfte anzei- gen können), und zuweilen sank die Kunst von dem Augenblick an, wo Friede, Reichtum und Protektion zu ihrem Heil sich verbündeten. Wie nach Chamfort im Leben der einzelnen die Zeit nach den Jahren der Leidenschaften die ausgiebigste ist so befruchten vulkanische Ausbrüche die Erde : so scheint nach Diderot auch der Lorbeer Apollos am kräftigsten zu grünen, wenn er von Bellona mit Blut benetzt wurde.

Somit kann das Erbe der Kunst so wenig durdi kühne Spekulation auf einmal verzehnfacht, noch auch wie der Reichtum des Empor- kömmlings auf einmal verschleudert werden. Ihr Leben überdauert Kriege und Friedensschlüsse, Verfassungen und Staaten; die großen Unglücksfälle werden den Betrieb stören, aber nicht die edlen Teile bedrohen, ihre Richtung verändern, den Charakter verwandeln. Da- gegen, wenn die Götterdämmerung ihrer Gestalten hereingebrodien ist, wenn ihre Mittel, das menschliche Herz zu bewegen, verbraucht, ihre Formen ausgelebt sind: so werden weder öffentlicher Wohlstand, noch mediceische Hofgunst, noch freie Verfassung, noch Fleiß der Schulen, noch Heroenkultus, noch hohe metaphysische Begriffe, noch Gelehrsamkeit, noch Reinigung des Geschmackes und Aufstellung edelster Muster vor allem Volk einen lebendigen Sproß hervortreiben:

Vixi et quem dederat cursum fortuna peregi et nunc magna mei sub terras ibit imago.

Ästhetik der Skulptur

Der Kern des Buches ist nach der Ansicht seines Urhebers zu suchen in dem Teile: »Vom Wesentlichen der Kunst«. Darin aber wird vor- nehmlich gehandelt von der Zeichnung des Nackten, und diese w^ieder gründet sich auf die Kenntnis und die Begriffe der Schönheit: »Schön- heit ist der höchste Endzweck und der Mittelpunkt der Kunst« dieser Satz ist Winckelmann, Mengs, Lessing und ihrer Zeit gemeinsam. Es braucht wohl kaum daran erinnert zu werden, daß er bei diesem ganz allgemein ausgesprochenen Axiom nur die menschliche Gestalt im Auge hat. Daß man in der Kunst auch von Sdiönheitswerten anderer Erscheinungen spreche, ist ihm nicht einmal eingefallen. »Es hat sich die Kunst vornehmlich mit dem Menschen beschäftigt, und man könnte also mit mehr Recht als Protagoras vom Menschen sagen, daß derselbe das Maß aller Dinge sei.«

Winckelmann legte hohen Wert auf diese theoretische Leistung. Er hofft, daß seine Abhandlung einiges Aufsehen machen solle; in ihr habe er die höchsten Kräfte von Nachdenken und Ausdruck zu zeigen gesucht, und sie könne dennoch vor der heiligen Inquisition gelesen werden (an Stosch, 13. Juni 1761). Er hält, was er gesagt, nicht für Mutmaßungen. Nichts hat er sehnlicher gewünscht, als daß es ihm gelingen möchte, das Wesen der Schönheit zu ergründen, den Schleier dieses offenbaren Geheimnisses zu heben, die Antwort zu geben, die einst Sokrates aus dem Universalgenie Hippias vergebens heraus- zuziehen gesucht, und die Piatos philosophische Muse in ihren wundersamsten Eingebungen nur in Bildern mitgeteilt hatte, in Bildern aber, die Jahrtausende ihm nachzudenken und nachzuträumen suchten.

Dieser Theorie war eine große Verbreitung bestimmt. Zwei Gene- rationen von Archäologen und Kennern aller Zungen schworen nicht höher; Philosophen haben diese Sätze in ihr System verschmolzen und Poeten in Versen ausgemalt; Künstler haben nach diesen Sprüchen ihr Gebilde gemodelt, und allen, die von der Kunst geistig und leiblich lebten, vom Gelehrten bis auf die Ciceronen, galt sie als Richtschnur.

Diese Theorie faßte die Fäden früherer Meinungen mit dem Zuge ihrer Zeit zusammen, als Ganzes hatte sich doch noch in niemandes Kopf etwas Ähnliches zusammengefunden.

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Sie schließt sich an den bei den Italienern und von dorther auch sonst herkömmlichen Idealismus, aber sie verknüpft mit ihm die auf ganz anderen Wegen gefundene Linientheorie. Archäologie und Spekulation befruchten sich ^wechselseitig. Diese benutzte sie zur Komplettierung ihres Systems, als Probe ihrer metaphysischen Hypothese: Winckel- mann vi^ar der Gegenstand oder Stoff Zweck, die Erkenntnis nur eines von den Mitteln, den Gegenstand von allen Punkten aus zu durch- dringen; mit Recht, denn die Kunst beschäftigt alle Kräfte menschlicher Natur. Ein wenig Logik und viel Anschauung räumlicher Formen; die feinen Nuancen, die des Kenners Feld sind; jener Zauber reizvoller Bildungen, der von der Sinnlichkeit in den Geist emporsteigt und moralische Ideale sich zugesellt; auch ohne etwas Philosophie, Poesie und Religion geht es nicht ab: übersinnliche Lichter und dasLämpchen des Antiquars.

Winckelmann mußte der Metaphysik einige Worte schenken. Aber wo frühere Zeiten so wenig erreicht hatten, sollte da das skeptische Jahrhundert glücklich sein? Er selbst war von der Skepsis berührt. »Bei wenig Dingen sind wir in deren Wesen hineinzuschauen ver- mögend . . . Ein bejahender Begriff aber erforderte Kenntnis des Wesens . . . Die Geometrie besitzt solche Begriffe: sie geht und schließt vom Allgemeinen auf das Besondere und Einzelne, und von dem Wesen der Dinge auf ihre Eigenschaften ... Es hat Weise gegeben, welche den Ursachen des allgemeinen Schönen nachgedacht haben, indem sie dasselbe in den erschaffenen Dingen erforscht und bis zur Quelle des höchsten Schönen zu gelangen suchten . . Aber sollte dies Verfahren hier anwendbar sein?

»Ein jeder Begriff besteht auf einer Ursache, die außer diesem Begriff in etwas anderem gesucht werden muß: die Ursache der Schönheit aber kann nicht außer ihr, da sie in allen erschaffenen Dingen ist, gefunden werden. Unsere Kenntnisse sind Vergleichungs- begriffe: das Schöne aber kann mit nichts Höherem verglichen werden.«

Er gedenkt auch der UnvoUkommenheit unseres Loses, spricht von der Materie, die an jener UnvoUkommenheit der Menschheit schuld sei. Denen, die das Schöne in der vollkommenen Übereinstimmung des Geschöpfes mit dessen Absichten und der Teile unter sich und mit dem Ganzen gesucht haben, hält er mit Mengs entgegen: »das wäre

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gleichbedeutend mit der Vollkommenheit, für die die Menschheit kein fähiges Gefäß ist (non e capace)«.

Aber ebensowenig mag er Schönheit freiUch für endlich, meßbar halten. »Die Schönheit fällt nicht unter Zahl und Maß.« Daß es keinen geometrisch deutlichen Begriff von ihr gibt, zeigt schon die Verschie- denheit des Urteils: gäbe es einen, so würde die Überzeugung von der wahren Schönheit leicht werden.

Also »die Schönheit ist eines von den großen Geheimnissen der Natur, deren Wirkung wir sehen und alle empfinden, von deren Wesen aber ein allgemeiner deutlicher Begriff unter die unerfundenen Wahrheiten gehört. Es kann leichter, wie Cotta bei Cicero von Gott meint, von der Schönheit gesagt werden, was sie nicht ist, als was sie ist . . . Es fehlt uns die Regel und der Kanon des Schönen, nach wel- chem das Häßliche beurteilt wird ... Ja, die Schönheit liegt über unseren Verstand hinaus (e superiore al nostro intelletto)«.

Winckelmann tröstet sich über diesen skeptischen Rückzug, indem er bemerkt, daß die Weisheit jener Rechenmeister und Wortklauber sidi oft mit seichter Kenntnis und stumpfen Sinnen vertrage. »Wenn auch das Schöne in allgemeinen Begriffen könnte bestimmt werden, so würden sie dem, dem vom Himmel das Gefühl versagt ist, nicht helfen. «

Wurde er aber gedrängt, so hatte er nidits gegen die Erklärung: Einheit im Mannigfaltigen. Doch dies war nur eine vage Formel, die im einzelnen kein Licht gab.

Je mehr er sich hier skeptisch aussprach, um so ernstlicher war ihm daran gelegen, daß man wisse, diese Skepsis erstrecke sich bloß auf die philosophische Formulierung. Nichts wäre seinem Sinn mehr ent- gegen gewesen, als der gemeine Wahn, daß es keine allgemeingültigen Werturteile gebe. Hier schließt er sich ganz an jene bei den englischen Kritikern (einem Hutcheson, Home) stehenden Kapitel, die den Zwei- fel an einer solchen Regel (Standard of taste) widerlegten. Der Wider- streit im Geschmack einzelner wie ganzer Völker und Rassen ist kein Beweis gegen das Vorhandensein einer in der Natur liegenden Norm schöner Formen, nicht einmal gegen die Übereinstimmung des Ge- fühles selbst, wenn es nur von fremden trübenden Einwirkungen befreit würde. »In der allgemeinen Form seien beständig die mehrsten und die gesittetsten Völker in Europa sowohl als in Asien und Afrika über-

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eingekommen: daher seien deren Begriffe nicht für willkürlich ange- nommen zu halten, ob wir gleich nicht von allen Gründe angeben können.«

Er hätte sich auch berufen können auf die Tatsache der Kunst- geschichte, daß oft das minderwertige Mannigfaltige, sobald das eine Schöne sich zeigte, gleichsam auf sein Recht der Existenz verzichtet hat: die Geschichte der Renaissancen alter und neuer Zeit.

Er zeigt, wie gewisse Formen, die uns Kaukasiem häßlich erscheinen, häßlich an sich sind. Es sei darin eine grundlose Abweichung vom Einfachen und Natürlichen, eine Übertreibung oder Verkümmerung, zwischen denen Schönheit die Mitte hält.

»Wenn unter zwei Linien die eine von der anderen ohne Grund abweicht, tut es dem Auge wehe . . Bei Chinesen, Japanern z.B. ver- letzt die schräge Richtung ihrer Katzenaugen den erwarteten Par- allelismus mit der Horizontallinie des Augenknochens, die mit der senkrechten Nasenlinie das Kreuz bildet, die doch die Grundlage des Gesichtes ist. »Die gepletschte Nase der Kalmücken ist ebenfalls eine Abweichung: denn sie unterbricht die Einheit der Formen, nach wel- cher der übrige Bau des Körpers gebildet war, und es ist kein Grund, warum die Nase so tief gesenkt liegt und nicht vielmehr der Richtung der Stirn folgen sollte. Der aufgeworfene schwülstige Mund, welchen die Mohren mit den Affen in ihrem Lande gemein haben, ist ein über- flüssiges Gewächs [uTcepo^^/^] . . . welches die Hitze ihres Klimas ver- ursacht; die kleinen Augen der entlegenen nördlichen und östlichen Länder sind in der UnvoUkommenheit [eXXenj^i?] ihres Gewächses mit- begriffen, welches kurz und klein ist.«

»Man werde zugeben müssen«, bemerkt er auch, »daß, je stärker die Ähnlichkeit an einzelnen Teilen mit der Bildung der Tiere sei, desto mehr die Form von den Eigenschaften unseres Geschlechtes ab- weiche.« Man hat wohl gemeint, die Griechen hätten ideale Formen auf diesem Wege gesucht, indem sie dem eigentümlich Menschlichen in der Richtung seiner Entfernung vom Tierischen nachgingen, z. B. in dem großen Kinne, dem tiefliegenden Auge, der senkrechten Stirn.

In vielen Fällen ist aber der Widerstreit nur scheinbar, weil es nicht eigentlich ein Widerstreit des Geschmackes ist, sondern die Sinnlich- keit das Geschmacksurteil verfälsdit hat.

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Winckelmann berührt hier den Unterschied des Schönen und An- genehmen, indem er jenem das beilegt, was Kant Interesselosigkeit nannte. Zwar sei die Kunst der Zeichnung und der Malerei, wie die Poesie, eine Tochter des Vergnügens: das Vergnügen sei dem Men- schen nicht weniger notdürftig, als die Notdurft in eigentlichem Ver- stand; aber Schönheit ist verschieden von Gefälligkeit.

»Die Ursache der Gesdimacksirrtümer liegt oft in unseren Lüsten, welche bei den mehrsten Menschen durch den ersten Blidi erregt werden; und die Sinnlichkeit ist schon angefüllt, wenn der Verstand suchen wollte, das Schöne zu genießen: alsdann ist es nicht die Schön- heit, die uns einnimmt, sondern die Wollust. Dieser Erfahrung zufolge werden jungen Leuten, bei welchen die Lüste in Wallung und Gärung sind, mit schmachtenden und brünstigen Reizungen bezeichnete Ge- sichter, wenn sie auch nicht wahrhaft schön sind, Göttinnen erscheinen, und sie werden weniger gerührt werden über eine soldie schöne Frau, die Zucht und Wohlstand in Gebärden und Handlungen zeigt, welche die Bildung und die Majestät der Juno hätte.« Noch leichter ist diese Betörung, wenn ein Kunstgebilde den ungleichen Kampf mit der Natur aufnimmt.

»Denn weil ausgebildete Schönheiten in der Kunst weniger reizen als die in der Natur selbst, so werden auch jene, wenn sie nach Be- griffen hoher Schönheit gebildet und mehr ernsthaft als leichtfertig sind, dem unerleuchteten Sinn weniger gefallen als eine gemeine hübsdie Bildung, die reden und handeln kann.« Nun aber bilden sich die Begriffe der Sciiönheit bei den meisten Künstlern aus solchen unreifen Eindrücken, welche selten durch höhere Schönheit geschwächt und vertilgt werden, zumal wenn sie, entfernt von den Schönheiten der Alten, ihre Sinne nicht verbessern können. Er vergleicht diesen Vorgang mit der Bildung der Handschrift in der Jugend. Er hätte auch an den Hang erinnern können, vor dem Leonardo die Künstler warnt, den Typus ihrer eigenen Gestalt wiederzugeben.

Da wir nun nicht in der Lage sind, wie in den mathematischen und deduktiven Wissenschaften, vom Allgemeinen auf das Besondere und einzelne, vom Wesen der Dinge auf ihre Eigenschaften zu schließen, so bleibt nur der induktive Weg übrig: »wir müssen uns begnügen, aus lauter einzelnen Stücken wahrscheinliche Schlüsse zu ziehen . . .

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Unsere Begriffe von Schönheit bilden sich durch einzelne Kenntnisse, die, wenn sie richtig sind, gesammelt und verbunden uns die höchste Idee menschlidier Schönheit geben«. Obwohl man im Vortrag den synthetischen Weg vorziehen kann, »da man die Kenntnis allgemeiner Sätze vor einzelnen Bemerkungen, obgleich aus diesen jene erwadisen ist, in aller Methode voraussetzen muß«.

Diese Induktion nun sollte sich gründen auf eine Revue {zTia-^fa-^ri) von nichts weniger als dem gesamten griechischen Bilderschatze. Er wünschte, sich alle Nachrichten von Statuen und Bildern und zugleich alles, was von diesen übrig sein kann, nebst den unendlichen Mengen erhaltener Werke der Kunst auf einmal gegenwärtig vorstellen zu können. »Ohne diese Sammlung und Vereinigung derselben wie unter einem Blick ist kein richtiges Urteil zu fällen: wenn aber Verstand und Auge alle Werke sammelt und in einem Raum zusammensetzt, so wie das Auserlesenste der Kunst in dem Stadio zu Elis in vielen Reihen geordnet stand, befindet sich der Geist wie mitten in denselben.« ^^

Kanon

Bis zur Mitte des Jahrhunderts pflegte man, wenn Schönheit und Ideal erörtert wurde, auf die Maßverhältnisse hinzuweisen. Pomponius Gauricus nannte die Proportionslehre sculptorum parens.Man wußte, daß die griechischen Künstler von der »Symmetrie« geschrieben hatten, daß Polyklet in Schrift und Tat den Hellenen einen Kanon Übermacht hatte. Die Idee, daß in Baukunst, Tonkunst und dem menschlichen Körper und womöglich auch in dem Weltsystem gleiche, harmonische Zahlenverhältnisse herrschten und der Schlüssel ihrer Vollkommen- heit seien, verfolgte jahrhundertelang die Traktatschreiber. Auch die philosophischen Kritiker pflegten unter den Verhältnissen, die in den Bereich des Schönheitsbegriffes fielen, die Proportionen anzuführen.

Es waren die Maler, bei denen zuerst Zweifel an dem unbedingten Wert des mathematisch Schönen sich regten. Jeder denkende Maler mußte sich sagen, daß 5^m Schönes, das Malerische, eher das Gegenteil des Regelmäßigen sei. Und die Abweichung von der Regel lag im

28. [Werke (Eiselein) III, 43; s. Briefe III, 506 f.]

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Zuge der Zeit. Das Wohlgefallen am Regelmäßigen, hieß es nun, ist ein rein verneinendes; zwecklose Verletzung der Regel mißfällt, aber von dieser kalten Billigung, als bloßer Vorbedingung, ist das positive, lebhafte Gefühl des Schönen durchaus verschieden.

So vi^urde denn die Bedeutung der Proportionen in der bildenden Kunst zum ersten Male förmlich angefochten, obwohl schon Bacon, wie Zeuxis angeblichen Modell-Eklektizismus, so Dürers Messungen verhöhnt hatte, und noch früher Leonardo die Maler vor dem Kanon als einer Verkennung der Mannigfaltigkeit der Natur gewarnt hatte, der ihre Figuren Abdrücken gleich mache.

Winckelmanns Äußerungen über dieses Hauptproblem der Skulptur sind etwas verworren und vorläufig. Er legt uns mehr sein gesam- meltes Material zu der Frage vor. Aufschlüsse über die Rolle der Pro- portionen im Altertum bei den Denkmälern zu sudien, war bei dem damaligen Stand der Kenntnisse aussichtslos. Messungen konnten zu keinem Ergebnis führen, da ja datierte Werke, Originale griechischer Künstler noch kaum nachgewiesen waren. Die Gelehrsamkeit hatte die Kosten dieses Kapitels zu bestreiten. Er entwickelt uns unter anderem eine auf die Dreizahl gegründete Theorie, mit Berufung auf platonische und pythagoreische Spekulationen, und verweist schließlich auf die Autorität von Mengs, der in seiner Regel der Gesiditsverhältnisse wahrscheinlich auf die wahre Spur der Alten gekommen sei. So wenig bestimmt aber seine Begriffe vom griechischen Kanon waren, prin- zipiell war seine Stellung zu der Frage entschieden. Sein Denken sträubt sich, jenes Hochgefühl, das ihm die Meisterwerke der Griechen er- weckten, auf diese Ursache zurückzuführen.

Die Proportionen sind freilich der Grund der Schönheit, die ohne sie nicht zu denken ist. Aber sie sind nicht ihr Wesen. Denn eine Figur kann in ihnen ohne Tadel sein, ohne daß sie schön ist. »So wie die Gesundheit ohne anderes Vergnügen kein großes Glück scheint, so ist es, eine Figur schön zu zeichnen, nicht hinlänglich, daß dieselbe in der Proportion richtig sei, und so wie die Wissenschaft vom guten Ge- schmack und von Empfindung gänzlich entfernt sein kann, ebenso kann die Proportion, welche auf Wissen besteht, in einer Figur ohne Tadel sein, ohne daß dieselbe dadurch schön ist. Viele Künstler sind gelehrt in der Proportion, aber wenige haben das Schöne hervor-

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gebracht, weil hier der Geist und das Gefühl mehr als der Kopf arbeitet.«

Sie scheint also eine bloße Vorbedingung der Schönheit zu sein, was ja freilich selbstverständlich ist. Denn eine Normalfigur ohne Erfin- dung und Motiv, ohne die Lebenswahrheit der Oberfläche wäre noch kein Kunstwerk. Aber er meint es anders.

Durch all seine geschichtlichen Erörterungen zieht sich die Vor- stellung eines möglichen Konflikts zwischen Proportionalität und Natur, Proportionalität und Schönheit. Die schöne Form wird zuzeiten, teilweise der großen Richtigkeit in der vollkommenen Übereinstim- mung der Teile, dem Systematischen der Zeichnung geopfert. Ja das Ideal, dieser »höhere Zweck der Kunst«, das doch eigentlich das Pro- dukt der Proportionen ist, kann gewisse Abweichungen von der Proportion verlangen. Ideal ist hier im Sinne eines bestimmten Typus verstanden. »In göttlichen Figuren (im Apollo) hat man die Länge einzelner Teile über das natürliche Maß anwachsen lassen . . . Die Griechen haben dem Ideal gewisse Verhältnisse untergeordnet, sie wogen die Verhältnisse dem Ideal oder der Schönheit zu mit einer Freiheit, die zu entschuldigen war, weil sie wohlbegründet war.«

Winckelmanns Auffassung lag die Vorstellung von einem absoluten Kanon zugrunde, wie er von den Bildhauern seiner Zeit angenommen wurde. Diese Einheit des Systems setzt er auch bei den Alten voraus. In ihm fand er die Ursache der Ähnlichkeit aller antiken Werke.

»Es ist glaublich, daß die griechischen Künstler . . . sowie die grö- ßeren Verhältnisse, also auch die kleineren durch genau bestimmte Regeln festgesetzt gehabt, und daß in jedem Alter und Stande die Maße der Länge sowohl als der Breite, wie die Umkreise genau be- stimmt gewesen . . . Diese genaue Bestimmung ist . . . der Grund von dem ähnlichen System der Kunst, welches sich auch in mittelmäßigen Figuren der Alten findet. Denn ungeachtet der Verschiedenheit in der Art der Ausarbeitung scheinen die alten Werke dennoch wie in einer Schule gearbeitet zu sein, und man sieht in der Zeichnung der alten Bildhauer, von dem größten bis auf den geringeren, eben dieselben allgemeinen Grundsätze.«

Fern lag ihm der Gedanke an eine allmähliche und stetige Ver-

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änderung und Vervollkommnung der Proportion ^9^ an verschiedene Systeme nebeneinander bestehender Schulen (wie man neuerdings neben dem polykletischen Kanon des Doryphoros, den der Stephanos- figur festgestellt hat, der auf Ageladas zurückgeführt wird). Die Rolle, die die Eingriffe einzelner Neuerer innerhalb dieser Bewegung gespielt haben, hat man erst neuerdings zu ermitteln begonnen. Doch mag jene von ihm bemerkte Ähnlichkeit aller Antiken in der steten Anknüpfung, ohne Bruch, an den überkommenen Kanon begründet sein. Zwar die Verschiedenheiten in der Proportion sind ihm nicht entgangen, aber er hat sie nicht als Entwicklungsstufen des Kanon, sondern als dessen Lockerungen zugunsten der Naturwahrheit und Charakteristik auf- gefaßt. Er ging aus von dem gewiß richtigen Gefühle, daß alle apriorischen Zahlentheorien willkürlich sind und insofern eine Störung des künstlichen Bildens. Aber in solchen Spekulationen lag nicht der Ursprung des Kanons. Der Kanon ist nur ein mathematisch formu- lierter Ausdruck der auf ganz anderem, durchaus rationellem und empirischem Weg, durch Naturanschauung gefundenen Verhältnisse. Die Bildhauer trachteten nach einer vollkommenen Form, ihr Leitfaden aber bei der Wahl ihrer Elemente aus der Natur war die Funktion 3°. Sie suchten diejenigen Bildungen, die der Ausübung der Bewegung am günstigsten schienen. Die Beobachtung des Bewegungsmechanis- mus führte zum Ideal der Schönheit und Anmut wie der Größe. Das so Gewonnene gössen sie in Zahlen, weil das Gewissen der Meister dieser strengen Kunst, der Verwerflichkeit des Ungefähr sich bewußt, jeder Zeit auf strenge Gesetzmäßigkeit geriditet war.

Schönheitslinie

Diejenigen nun, die den Zweifel an den Proportionen erhoben hatten, mußten noch einen anderen Grund der Schönheit aufweisen, und dies war die Schönheitslinie. Hogarth, Burke, Mengs und Winckelmann haben Linientheorien entwickelt. Wem gehört die Initiative?

29. A. Kalkmann, Die Proportionen des Gesichts in der griechischen Kunst. Berlin 1893.

30. E. Guillaume, Essais sur la theorie du dessin. Paris 1896, S. 168.

SCHÖNHEITSLINIE 203

Im gewissen Sinne ist sie viel älter als diese Zeit und vielleicht so alt als der Zeichenunterricht überhaupt. Die Proportionen lassen sich, w^ie alles, was unter die Zahl fällt, kurz und bündig lehren; mit den Umrissen kommt der Meister nie zu Ende. Immer zeigt sich wieder, wieviel unberechenbarer, schwerer, schöner der Kontur eines lebenden Wesen ist, als z. B. eine Kreislinie, oder der eines jugendlidien Ge- sichtes als der des Alters. Den Schüler, der diese Linien hölzern (sticky manner) zieht, um seine anatomischen Kenntnisse zu zeigen, wird er Vergleichungsweise auf die Windungen der Schlange, das Flackern des Feuers, die Wogen des sanftbewegten Meeres hinweisen.

Aber nur gelegentlich haben die lehrenden Maler und Literaten (wie Alberti, Leonardo, du Fresnoy) die Linearschönheit berührt, wenn sie vor scharfen Winkeln und schroffen Muskelumrissen warnten.

Auch Lodovico Dolce nennt Weichheit (tenerezza) das Schwerste in der Malerei und gibt zu bedenken, daß es leichter sei, Knochen als Fleisch zu malen; er empfiehlt die Linien delikater, weicher Körper, wie sie Tizian malte. Du Fresnoy stellte mit manieristischer Färbung die lodernde Flamme als Muster der Umrißlinie auf 3^; selbst Michel- angelo sollte von gefälligen (grazioso) Bildungen die forma serpentina verlangt haben.

Hogarths Analysis of Beauty (1753) kann Winckelmann nicht unbe- kannt geblieben sein, obwohl sich weder in seinen Werken noch in seinen Papieren ein Zitat daraus findet. Da er aber alles, was über diese Dinge geschrieben wurde, gelesen zu haben behauptet, so wird er auch diesen originellen Versuch wohl schon in Deutschland, viel- leicht in der Übersetzung von Mylius (1754) kennengelernt haben 3^.

Der Londoner Maler hat die Schönheitslinie gründlicher als alle behandelt, psychologisch und anatomisch, und ihren umständlichen Erfahrungsbeweis aus Kunst und Leben angetreten.

31. Membrorumque sinus ignis flammantis ad instar Serpenti undantes flexu: sed laevia, plana, Magnaque signa, quasi sine tubere subdita tactu,

Ex longo deducta fluant, non secta minutim. De arte graphica liber

(1Ö43).

32. Zergliederung der Schönheit. Aus dem Englischen übersetzt von Christlob Mylius. London und Hannover. Auch in Berlin im Jahre 1754 erschienen.

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Er unterscheidet zwei Umrißlinien von ästhetischem Wert, die Wellenlinie oder Linie der Schönheit, und die Schlangenlinie oder Linie der Grazie. Beide bestehen in einem Wechsel konkaver und konvexer Kurven, jene in einer Ebene, diese im Raum; sie wird ver- deutlicht durch den um einen Kegel gewundenen Draht. Am reichsten kommen sie vor an den Organismen, diesen lebendigen Maschinen, und um so reicher, je mannigfaltiger die ihnen angewiesenen Bewe- gungen sind. Er verfolgt das Verfahren Schritt für Schritt, durch das die Natur ihr Meisterwerk, das höchste, nie erreichte Ziel der Kunst, die Oberfläche des Menschen erbaut. Er beginnt mit dem Knochen- gerüste, bekleidet es mit dem Muskelkörper, dessen Umriß weniger eine Linie als eine Zusammensetzung getrennter, flachgekrümmter Linien (wie die engralings der Heraldik) sei, er zeigt endlich, wie die Natur die ungefällige Schroffheit dieser Schwellungen und Senkungen ausgleicht mit Hilfe der Fettlagen und der Haut, dieser weichen, glat- ten, elastischen Schale, deren Geschmeidigkeit die darunterliegenden Teile so anmutig verschleiert.

Ganz ähnlich sprach sich damals Edmund Burke aus in den Unter- suchungen über das Schöne und Erhabene (1757), die Kant so anregten. »Bei dem, was man schön nennt, beharren die Teile nie in derselben Linie, sie verändern die Richtung jeden Augenblick, und für ihre stetige Ab weidiung ist kaum ein Anfangs- und Endpunkt anzugeben.« Er schildert den Reiz jenes leichten, unmerklichen Anschwellens, jenes Wechsels einer auch im kleinsten Raum nie einförmigen Oberfläche, jenes täuschenden Labyrinths, durch welches das unstete Auge schwin- delnd gleitet, ungewiß, wo es hafte und wohin es geführt werde.

Können zwei Künstler weniger Ähnlichkeit miteinander haben als Hogarth, der Chronist Londons und seines feinen und groben Pöbels, der erbarmungslose Realist, ein SmoUet mit dem Pinsel, und Mengs, der süßliche Verschmelzer Raff aels und Correggios, in dessen Historien- bilder kaum eine Spur eindrang von Zeit und Umgebung? Und doch sind sie in diesem Punkte eins. Auch Mengs bedient sich der Linien, um die Wandlungen des Stils alter und neuer Kunst, die Unterschiede der Cinquecentisten und der Meisterstücke alter Skulptur zu erklären. Davon ausgehend, daß die natürHchen Formen nichts Rundes und Quadratisches haben, teilt er die Linien des menschlichen Konturs in

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gerade, konkave und konvexe. Wo gerade Linien die Mehrzahl sind, bleibt der Stil trocken, bei muskulösen Körpern herrschen die kon- vexen, bei gracilen die konkaven. Anmut beruht auf dem Gleich- gewicht beider, und das ist die Wellenlinie.

Diese Theorie verrät, daß sie von Malern, von Zeichnern genauer gesagt, herstammt. Winckelmann, der sich nur zeichnend in der Kunst versucht hatte, konnte sich auch plastische Schönheit kaum anders als mittels der Abstraktion der Linie einigermaßen zurechtlegen; w^ie wenn er die Schönheit der Niobe verdeutlicht durch Raff aelsche Hand- zeichnungen (vgl. oben S. loi). Schon in der Dresdner Schrift stand ein Satz, der Hogarth entlehnt scheint: daß die wahre Schönheitslinie zwischen den flachen und ausgeschweiften Kurven genau in der Mitte liege (s. I, S. 447) 33.

Die schöne Form wird am reinsten dargestellt, präpariert gleichsam, in der Zeichnung. Unmittelbarer als sonstwo, reiner tritt in ihr des Künstlers Gedanke ans Licht. »In der Zeichnung nehmen wir die Fertigkeit wahr, mit der die Hand ihrem Verstand zu gehorchen und zu folgen fähig gewesen ist; den Geist der Künstler, ihre Gedanken nebst der Art, dieselben zu entwerfen, können wir deutlicher an der Zeichnung als an dem ausgeführten Gemälde wahrnehmen.« Er ver- gleicht die Zeichnung des Malers mit dem Modell des Bildhauers (wie schon Ghiberti gesagt hatte, die Kunst des Modellierens sei des Bild- hauers Zeichnung): »Wie der Vorsprung des ausgepreßten Rebensaftes der edelste Wein ist, ebenso erscheint auf dem Papier (und in dem weichen Ton) der reinste und wahrhafteste Geist des Künstlers; da hingegen in dem ausgeführtesten Gemälde (und in der geendigten Statue) das Talent in dem Fleiße und in der erforderlichen Sdiminke verkleidet wird.« 34

Also in der Linie liegt der Schönheit Quintessenz, in dieser in der Natur nicht existierenden und auch in keinem Gemälde übrigbleiben- den, aber unentbehrlichen Hilfskonstruktion. Später (im Trattato preliminare) hat er für die Formsdiönheit die Bezeichnung Linien- schönheit (bellezza lineare) gewählt.

33. That golden mean, whidi, like the philosopher's stone, always eludes our grasp, yet always invites our wishes. Miss Burney, Cecily II, 4.

34. [Werke (Eiselein) III, 91.]

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Und zwar gelten ihm die Linien schöner Körper für schön an sich, sie haben ästhetischen Wert auch ohne die Beziehung ihrer Form auf das Wesen, von dessen Stoffen, Bau- und Lebensfunktionen sie in der Natur das letzte Ergebnis sind; wir beurteilen sie ohne Rücksicht auf das Ding, das sie einschließen. Es müßte also, ähnlich der Symmetrie im Kaleidoskop, ein bedeutungsloses Spiel von Wellenlinien geben können, das ästhetisch gefiele. Auch nach Hogarth beruht der Beifall der Wellenlinie auf der angenehmen Bewegung des sie begleitenden Auges, und hierin haben ihm neuerdings Ophthalmologen, wie Magnus, beigestimmt. Nach Winckelmann ist sie prinzipiell ganz dieselbe an tönernen Geräten und an lebendigen Gliedern. »Die alten hetrurischen Künstler waren zur Wissenschaft der Zierlichkeit der Form in ihren Gefäßen gelangt, bei aller Ungeschicklichkeit in der Zeichnung, d. h. sie hatten das, was bloß idealisch und scientifisch ist, erkannt, da sie hingegen in dem, wo die Nachahmung uns führt, unvollkommen ge- blieben waren.«

Darnach würde die Kunst in der Natur solche Vorbilder, Alters- stufen, Modelle zu suchen haben, in der jene Linien vorkommen. Denn als nachahmende Kunst kann sie ihre Form nicht wie Musik und Baukunst frei schaffen. Natürlich »ist die sanfte Verjüngung, die in einer Säule schwer ist, noch schwerer in den mancherlei Formen eines jugendlichen Körpers . . . Wie nur unter den unendlichen Arten Säulen in Rom einige durch eben diese Verjüngung vorzüglich zierlich er- scheinen (von denen ich mir besonders zwei von Granit gemerkt habe, die ich jedesmal von neuem betrachte): also selten ist eine vollkom- mene Form auch in der schönsten Jugend, die in unserem Geschlecht noch weniger als im weiblichen einen festen Punkt hat.«

Aber welche Art Kurve ist nun die Linie der Schönheit? Wir hörten schon, daß die Algebra hier nicht zuständig sei; auch werde diese Linie mit keinem Zirkel beschrieben und verändere ihre Richtung in allen Punkten. Auch »der svelte und zierliche Kontur der Vasen ist durch eine Linie gezogen, die durch mehr Zirkel muß gefunden wer- den« .Sie hat allezeit eine elliptische Form, und darin liegt ihre Schönheit.

Indes wenn man das Schöne auch nicht messen kann, so kann man doch seine Linien beschreiben, den Gesichtspunkt angeben, nach dem wir es unter diesen Begriff ordnen. (La bellezza puö ridursi a certi

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principj, ma non definirsi.) »Die Künstler fanden die Ursache der Schönheit in der Einheit, in der Mannigfaltigkeit und in der Über- einstimmung; die Formen des schönen Bildes sind einfach, ununter- brochen und in dieser Einheit mannigfaltig, und dadurch sind sie har- monisch; ebenso wie ein süßer und angenehmer Ton durch Körper hervorgebracht wird, deren Teile gleichförmig sind.«

Hier ist auch der Punkt, wo der Begriff des Erhabenen bei ihm auf- tritt, in ganz anderem Sinne als bei Longin, Burke und Kant. Erhaben bezeichnet nicht die gemischte Empfindung, die das überwältigend Große und Furchtbare erweckt, es ist Größe durch Einfalt, im Gegen- satz zu Kleinlichkeit durch Vielteiligkeit.

»Durch die Einheit und Einfalt wird alle Schönheit erhaben, sowie es durch dieselbe alles wird, was wir wirken und reden; denn was in sich groß ist, wird, mit Einfalt ausgeführt und vorgebracht, erhaben. Es wird nicht enger eingeschränkt oder verliert von seiner Größe, wenn es unser Geist wie mit einem Blick übersehen und messen, und in einen einzigen Begriff einschließen und fassen kann, sondern eben durch diese Begreiflichkeit stellt es sich uns in seiner völligen Größe vor, und unser Geist wird durch die Fassung desselben erweitert und zugleich mit erhaben. Denn alles, was wir geteilt betrachten müssen oder durch die Menge der zusammengesetzten Teile nicht mit einem Male übersehen können, verliert dadurch von seiner Größe, sowie uns ein langer Weg kurz wird durch mancherlei Gegenstände, die sich uns auf demselben darbieten, oder durch viele Herbergen, in denen wir anhalten können. Diejenige Harmonie, die unseren Geist entzückt, besteht nicht in unendlich gebrochenen, geketteten und geschleiften Tönen, sondern in einfachen, lang anhaltenden Zügen. Aus diesem Grunde erscheint ein großer Palast klein, wenn derselbe mit Zieraten überladen ist, und ein Haus groß, wenn es schön und einfältig aus- geführt worden.« Daher der wunderlich klingende Satz, daß der Apollo das Erhabene habe, das im Laokoon nicht stattfinde.

In verschiedenen Variationen hat dann Winckelmann, um die Un- bestimmtheit seiner Definition zu ergänzen, wetteifernd mit dem Stift des Malers und der Sprache des Dichters jene Formen zu zeichnen versucht.

Die Schönheit ist jedem Alter eigen, aber wie die Göttinnen der

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Jahreszeiten in verschiedenem Grade; mit der Jugend aber gesellt sie sich vornehmlich; daher ist der Kunst großes Werk, diese zu bilden. In ihren Formen ist jene große Einheit, in der die Grenzen unmerk- lich eine in die andere fließen, und von vielen der eigentliche Punkt der Höhe und der Linie, die dieselbe umschreibt, nicht genau kann bestimmt vi^erden. Je mehr Einheit in der Verbindung der Formen und in der Ausfließung einer aus der andern ist, desto größer ist das Schöne des Ganzen. Ein schönes jugendliches Gev^ächs aus solchen Formen gebildet, ist wie die Einheit der Fläche des Meeres, die in einiger Weite eben und stille v^ie ein Spiegel erscheint, ob es gleich allezeit in Bewegung ist und Wogen wälzt.

Daher bewundern die Künstler 35 am Torso diese immerwährende Ausfließung einer Form in die andere und die schwebenden Züge, die nach den Wellen des ruhigen Meeres sich heben und senken und ineinander verschlungen werden. Und in der Niobe ist eine so große Einheit der Form und des Umrisses, daß sie nicht mit Mühe gebildet, sondern wie ein Gedanke erweckt zu sein scheint.

Das ist es, worin die Schwierigkeit des Schönen liegt (^^aXsTtd xa xakd). »Die äußere Fläche des menschlichen Körpers ist für die Künstler so schwer auszuforschen, wie von den Weisen das Innere desselben, und das Schwerste ist, was es nicht scheint, die Schönheit, weil sie, eigent- lich gesprochen, nicht unter Zahl und Maß fällt . . . Das Verständnis des Verhältnisses des Ganzen, die Wissenschaft von Gebeinen und Muskeln ist nicht so schwer und allgemeiner als die Kenntnis des Schönen . . . Die Zeichnung eines jugendlichen Körpers, in welchem alles ist und sein, und nicht erscheint und erscheinen soll, ist schwerer als einer männlidien und betagten Figur, weil in jener die Natur die Ausführung ihrer Bildung geendigt, folglich bestimmt hat, in dieser aber anfängt, ihr Gebäude wiederum aufzulösen, und also in beiden die Verbindung der Teile deutlicher vor Augen liegt. Auch der geringste

35. Es sind die Künstler des Barockstils. Der Abbe de Marsy drückt diesen Geschmack in folgenden auf R. M. Slodtz' Draperien gemünzten Versen aus: Sint faciles pannis flexus, sit grande volumen. Sublimes amplique sinus, vaga lintea, parvi Anfractus: ut flamma volent, ut lympha dehiscant Molliter, ut serpens sinuoso tramite currant, Ac teretes palpent tactu leviore figuras.

DAS IDEAL 209

Schatten wird hier zum Körper, und wer nur im geringsten vor der Scheibe vorbeischießt, ist ebenso gut, als wenn er nicht hineingetroffen hätte . . . Die Künstler also, die sich in Schwierigkeiten hervorzutun suchen, sollten sich lieber in schönen als athletischen Körpern zeigen.«

Winckelmann hat den Hogarthschen Ausdruck Wellenlinie, vielleicht absichtlich, nicht gebraucht, obwohl er die Umrisse des Torso mit den Meereswogen vergleicht. Es liegt ein gewisser Humor darin, daß dieser Kern des Systemas des Lehrers der Griedienkunst wahrscheinlich von Hogarth stammt, der bei Kunstfreunden seiner Richtung so übel ange- sehen war, ja dem man selbst den Namen des Künstlers abspredien wollte.

Anatomen, wie Wilhelm Henke, haben bestritten, daß die Wellen- linie eine zutreffende Bezeichnung des Konturs sei, selbst bei reizvollen Formen. Die konvexen Linien seien die Grundlage, nur die ihre Winkel ausfüllenden Verbindungslinien seien konkav. Die Wellenlinie könnte man hiernach für eine Idee der Verfallzeit erklären.

Sie war ihr Stichwort geworden zugleich für Wahrheit und Antike, wie für das Raffinement eines manieristischen Formensinnes. Diese unmeßbare Linie, die über die Algebra erhaben ist, wurde als Schön- heit freier Natur der steifen Förmlichkeit entgegengestellt, in den Lustgärten wie in der Menschengestalt. Sie war das Prinzip der Kon- turen Correggios, des Günstlings des Jahrhunderts unter den Cinque- centisten. Sie waltet in jenen Mausoleen, Park- und Brunnengruppen, denen die wallenden und flammenden Umrisse ein aufgeregtes, be- rückendes Leben geben.

Das Ideal

Jedermann weiß, auch wer sonst nichts weiß von Winckelmann, wie eng sein Name mit dem Idealismus verknüpft ist, auch mit jenem von Rumohr mit Erfolg verhöhnten »titanischen Vorhaben, die Natur- formen zu verherrlichen und zu verklären«, der » Altflickerei der Werke des größten und ältesten Meisters en ronde bosse und basso rilievo«. Selbst Hegel, dem der Idealismus doch in sein System paßte, gestand, daß seit Winckelmann jene Sucht aufgekommen sei nach idealischer Darstellung, in der man die Schönheit gefunden zu haben glaubte.

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aber in Totheit, Unlebendigkeit und charakterlose OberflädiHchkeit verfiel. Der Gegensatz von Idealismus und Naturalismus sei durch ihn v^ieder angeregt worden.

Es gibt v^^ohl keine unter den Varietäten der Kunstformen, keine Manier, Verirrung und Wunderlichkeit, die sich nicht einmal hinter diese allgemeinen Worte, wie hinter eine Masche der Pantomime ver- steckt hätte. Fast jeder Versuch der Neubelebung ist zu seiner Zeit Naturalismus genannt worden, selbst die Malerei Giottos. Ghiberti beanspruchte für sich mit der ganzen itahenischen, »lateinischen« Kunst den Ehrennamen Arte della natura. Die Anwälte beider Heerlager haben in der Regel recht gehabt, besonders in dem, was sie bekämpften; denn sie stützten sich immer auf einen der Grundpfeiler aller bilden- den Kunst, deren Sprache die unveränderlichen Naturformen sind, während ihre schaffenden Antriebe aus den Tiefen des menschlichen Innern aufsteigen. Der Realismus hat seine Bedeutung als Protest gegen die Schwäche und Unwahrheit in dem Gebrauche jener Sprache. Aber der Idealismus hegt als Hort des Schönen und Großen in der Natur begründet.

Die Natur selbst verurteilt das Häßliche und Entartete, das Miß- geborene und Unsittliche unerbittlich zur Unfruchtbarkeit und zum Untergange, im Interesse der Gattung. Wie der Zauber der Schönheit, d. h. (wenn man von allen Schuldefinitionen absieht), des Gesunden, Normalen und Starken, so ist auch der Ekel (nach Lessing) oder wie die Sprache selbst andeutet, der Haß, den das Häßliche aufregt, die Stimme der Gattung. Denn auf diesen Empfindungen ruht ihre Er- haltung im Kampf ums Dasein und ihre Erhöhung. Die Kunst also, die einen Apollo und Hermes, eine Venus von Milo schuf, ist im Ein- verständnis mit dem allmächtigen Willen der Natur, deren Losungs- wort ist Excelsior. Eine Gesellschaft, die der Usurpation des Häß- lichen zujauchzt, bekennt sich zum Geschmack der Entartung, sie ist zum Verschwinden bestimmt.

Den Griechen galt jede Einseitigkeit der Beschäftigung, der geistigen wie körperlichen, für unedel, banausisch, weil sie Geist und Leib ein besonderes, unharmonisches, also minderwertiges Gepräge aufdrückt; gleichmäßige Vervollkommnung der menschlichen Natur im richtigen Verhältnis ihrer Grundbestandteile zueinander, hielten sie für die des

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Freien allein würdige Existenz. In Übereinstimmung hiermit wird man auch ihren künstlerischen Formensinn auffassen dürfen. In ihren Bildern der Menschheit zuerst der göttlichen, der heroischen wurde das, was den einzelnen zum beschränkten Individuum macht, der Teil, worin sein Charakteristikum, seine Virtuosität, seine Ein- seitigkeit liegt, zurückgestellt gegen den Typus, der die Harmonie und Ganzheit der Menschengestalt vertritt, wo alle Teile in normalem Verhältnis stehen, und wie die Farben im Sonnenlichte, so die geistigen, wollenden, leidenschaftlichen und sinnlichen Bestandteile der mensch- lichen Natur abgewogen und verschmolzen sind.

Für die Kenntnis des Ideals der Gestalt ist allezeit die griechische Kunst und besonders ihre Plastik als Hauptquelle angesehen worden. »Nicht durch Vergleichung«, sagt Buffon, »nicht durch Messung einer großen Zahl von Körpern hat man die schöne Natur gefunden, son- dern durch die Zeichenkunst: Gefühl und Geschmack haben vollbracht, was die Mechanik nicht vermochte; man legte Lineal und Zirkel bei- seite und hielt sich an das Augenmaß.« In ihr fand man jenes vollendete Schöne, das nicht oder nur schwer in der Natur zu finden ist, und das doch nicht außer der Natur liegt oder gar wider sie ist, weil es als ihre eigene Meinung angesehen werden kann, deren fragmentarischem und gehemmtem Ausdruck die Kunst nur nachhilft.

Solange der Begriff des Ideals existiert und er geht bis auf die Zeit des Sokrates zurück hat man zwei Elemente in seiner Hervor- bringung untersdiieden: Auswahl aus der Natur (judicieuse election ten Kate, choisir Coypel), die richtig gefaßt nur ein mechanischer Name ist für Ausbildung des Schönheitssinnes durch reiche Erfahrung; und Darstellung der Idee, einer inneren Schauung, etwas, das nur in des Menschen Hirn sich zusammenfinden konnte. Je nachdem man nüchterner oder schwungvoller bildete oder lehrte, legte man auf dies oder jenes mehr Gewicht, doch ohne das andere zu vergessen. Wie wäre auch eine Wahl zu denken, deren Gesichtspunkt nicht im Aus- wählenden, sondern im Material läge? Und wer würde den Künstler verstehen, der sich für den Ausdruck seiner Vision nicht der verständ- lichen Formensprache der Natur anschlösse?

Wahr ist, die großen schöpferischen Zeiten der Kunst haben wenig vom Ideal gesprochen. Nur wo Leonardo die Künstler warnt vor dem

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Hang, sich selbst und ihren Typus zu wiederholen, rät er, die guten Teile von vielen schönen Gesichtern abzunehmen, diese aber mehr nach der öffentlichen Stimme als nach dem eigenen Urteile zu wählen.

Aber seitdem Michelangelo in seinen Gedichten »in würdigen und erhabenen Ausdrücken« von der »hohen Schönheit« geredet hatte, »die ihm als treues Muster (esempio) in seinem Berufe verliehen sei, als zweier Künste Leuchte und Spiegel«, und diejenigen törichte Richter genannt, die die Schönheit zu den Sinnen hinziehen, war der Idealismus in Italien die traditionelle Kunstphilosophie. Die Carracci zeigten, wie durch Wahl aus den größten Meistern ein Ideal der Malerei erreicht werden könne. Bellori lehrte, alle wahre Kunst ruhe auf Nachahmung von Ideen und gehe durch Auswahl der schönsten Formen über die Natur hinaus. Der Künstler, dessen Ideen gleichartig sind der göttlichen Idee, nach der die Naturdinge geschaffen wurden, ahmt den ersten Künstler nach und bildet sich im Geist das Muster einer höheren Schönheit, nach der er die Natur verbessert (emendare). Die Kunst ist somit nicht bloß eine Nebenbuhlerin der Natur, sie ist ihre Vollenderin, und das ist ihr höchster Preis, deshalb zollen ihr die Menschen Liebe und Bewunderung. Sie ist die Sonne, die von Ost her die Memnonssäule beseelt, das Feuer, welches das Prometheusbild zum Leben erwärmt.

In diesen und vielen ähnlichen Darstellungen geht die unlebendige Vorstellung eines zusammensetzenden Eklektizismus, von der die Anekdote des Zeuxis und der fünf Mädchen von Kroton fabelt, her neben der Vorstellung jener begeisternden, Leben gebenden Intuition, die Phidias gehabt haben sollte und die uns Dio Chrysostomus so be- redt in der olympischen Rede schildert. Selten waren selbst bloße Rhetoren auf eine so unkünstlerische Ansicht verfallen, wie die von Lessing und Reynolds ist, die im Ideal nichts als den Gattungstypus oder die Zentralformen erblicken. Überdies galt dieser Typus als ein unveränderlicher, da er doch nicht nur mannigfaltig, sondern auch wandelbar, d. h. vervollkommnungsfähig ist.

Auch Mengs unterschied in aller Kunst eine mechanische und eine geistige Tätigkeit, die erste ist die Nachahmung der Natur, zu ihr ge- hört ein richtiges Auge; die andere ist die Wahl, durch sie entsteht das Ideal. Das Ideal ist eine Darstellung von Dingen, für die es kein

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Original gibt, die wir im Geist erfaßt haben, ohne daß sie durch die Sinne gegangen sind; in der Zeichnung ist es eine übernatürhche Schönheit, hervorgebracht durch Vereinigung zusammenstimmender schöner Teile. Dies Ideal aber findet sich nicht bloß in der Zeichnung, sondern in allen Teilen der Malerei, auch in Komposition, Ausdruck, Helldunkel und Kolorit, es ist der erhabenste Teil in der ganzen Kunst. »Wahl« und »Ideal« bezeichnen eben Erfindung, schaffende Kraft, das Poetische in der Malerei.

Da nun die Griechen dazu gekommen waren, eine Welt von Ge- stalten zu schaffen, die im höchsten Grade bedeutend, schön, lebensvoll und doch Phantasiegebilde sind: so sagte Mengs mit Recht, daß sie aus- gezeichnetwaren vor allen Neueren im Ideal, und somit größer als alle.

Auch nach Winckelmann sollte die Kunst keineswegs bloß die Be- stimmung haben, ihre Bilder bis zur Wahrheit und Freiheit der Natur zu führen. Sie soll uns etwas zeigen, was die Natur nicht hat. Dies ist das Idealische. Idealische Bildung steht im Gegensatz zur individuellen, d. i. auf das einzelne gerichteten; denn sie ist eine Wahl schöner Teile aus vielen einzelnen und Verbindung in eins. Der Begriff des Idealisdien aber ist dem des Sdiönen übergeordnet. Etwas kann idealisch heißen ohne schön zu sein. Die Gestalt der ägyptischen Figuren, in denen weder Muskeln, noch Nerven, noch Adern angedeutet sind, bildet dennoch keine Schönheit. Der f arnesische Herkules ist dichterisch über die Natur erhaben, aber nicht nach der Region des Schönen hin.

Sein Begriff des Idealschönen enthält ebenfalls jene zwei Merkmale. Die Kunst strebt, einen Typus vollkommener Formen zu finden, sie sucht etwa die kräftigsten und feinsten »Gewächse«, die Teile sammelt sie, deren Verein als ungehemmte Wirkung des plastischen Gesetzes menschlicher Gestalt gelten dürfte. Dann aber will sie auch etwas dar- stellen, was nicht in dem Gebiet dieses ihres einsammelnden Um- schauens liegt, sie soll etwas, das anderswoher stammt, mit jenen For- men nur umkleiden, in ihnen die Sprache finden für einen Text, der nicht im Buche der Natur geschrieben steht.

I. Die Natur, belehrt er uns, strebt bei der Bildung ihrer Wesen nach dem Vollkommnen. Aber fast stets gehemmt durch die Materie und den Zufall, denen die Menschheit unterliegt, kann sie ihr Ziel nicht erreichen. Daher ist es fast unmöglich^ einen Menschen von allseitig

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vollendeter Schönheit zu finden. Dieser Unvollkommenheit hat der Instinkt des Menschen abzuhelfen unternommen, indem er sich über sein Los erheben und, was die Natur unvollkommen gelassen, ver- bessern wollte. Die Kunst nimmt also der Natur die Arbeit ab: aus der Peripherie unschöner Abweichungen strebt sie nach der Mitte einer Normalform, einer Form, weldie den Bildungstrieb in seinem durch verkümmernde oder übertreibende, äußere und innere Ursachen ungestörten Wirken zeigt.

Die Methode ist freilich die eklektische. Allerdings hat die Bildung der Schönheit, selbst in Vorstellung der Götter, mit dem einzelnen Schönen, in Nachahmung einer bestimmten menschlichen Gestalt angefangen. Aber da die Natur und das Gebäude der schönsten Kör- per selten ohne Mängel ist in allen Teilen, so verfuhren diese weisen Künstler wie ein geschickter Gärtner, der verschiedene Absenker von edlen Arten auf einen Stamm pfropft: und wie eine Biene aus vielen Blumen sammelt, so blieben die Begriffe der Schönheit nicht auf das individuelle einzelne Schöne eingesdiränkt, wie es zuweilen die Be- griffe der alten und neuern Dichter, und der meisten heutigen Künstler sind, sondern sie suchten das Schöne aus vielen schönen Körpern zu vereinigen . . . »Dieser Auszug der schönsten Formen wurde gleichsam zusammengeschmolzen, und aus diesem Inbegriff entstand wie durch eine neue geistige Zeugung eine edlere Geburt.«

Eigentlich führen also diese Wege des rechten Naturalismus zum Idealismus. »Die Griechen erlangten ihre idealisdien Bilder, wären dieselben auch nicht von schönen Körpern genommen, durch eine täg- lidie Gelegenheit zur Beobachtung des Schönen in der Natur.« Die beneidenswerte Gunst, deren die Griedien bei ihren Studien sich erfreuten, war es, die ihren Sinn für Formnuancen so empfindlich machte. Keine Wahrnehmung eines glücklichen Einfalles der Bildnerin Natur ging ihnen verloren, sie schufen sich einen Kreis von Vor- stellungen der einzelnen Teile und ganzer Verhältnisse, die eine Ver- feinerung des Geschmacks voraussetzen, wie sie nur jahrhundertelange Übung des Sehens und Schaffens gewähren kann; und diese Formen waren so mannigfaltig, und sie wurden ihrer so mächtig, daß sie dar- aus bei jeder Aufgabe, ohne Vorbild in der Natur, ein lebensfähiges, lebensvolles Gebilde herstellen konnten.

DAS IDEAL 215

»Es fällt Bernini ein sehr ungegründetes Urteil, wenn er die Wahl der schönsten Teile, welche Zeuxis an fünf Schönheiten zu Kroton machte, da er eine Juno daselbst zu malen hatte, für ungereimt und für erdichtet ansah, weil er sich einbildete, ein bestimmtes Teil oder Glied reime sich zu keinem anderen Körper, als dem es eigen ist.« Er bedrängt Bernini durch das Dilemma, »entweder müsse er beweisen, daß sich die Schönheiten, die in den künstlerischen Idealen der Alten vorkommen, alle zusammen in einem natürlichen Individuum finden, oder aber, daß jene Vereinigung inkongruent sei«. Ein Dilemma, zwi- schen dem sich Bernini leicht durchwinden konnte, der hier (wie Rumohr bemerkt), obwohl Manierist, mit Recht für die Einheit des Gusses fürchtete. Die riditige Deutung jenes oft vorkommenden Be- kenntnisses der Künstler über ihren Eklektizismus gibt Otto Jahn: »Die Künstler fassen jeden einzelnen Zug mit scharfem und geübtem Auge auf und empfinden ihn als lebendig anregenden, und während sie sich der Notwendigkeit eines unausgesetzten Naturstudiums wohl bewußt sind, übersehen sie am ehesten, daß sie dadurch nur der in ihnen schaffenden Kraft Nahrung zuführen, über deren Natur und Wirksamkeit sie um so weniger zu reflektieren pflegen, je unwider- stehlicher der Trieb in ihnen ist.« Befolgte der Künstler das eklektische Verfahren in seinem buchstäblichen Sinn, »er würde sich entsetzen über die Mißgestalt; er würde es aber gar nicht zustande bringen«. Und diese Auffassung ist Winckelmann keineswegs fremd.

2. Ganz anders nimmt sich das Verfahren der Kunst aus, wenn man von den ihr aufgetragenen Gegenständen ausgeht. Der Kunst wur- den Gestalten der Volksreligion, der Heldensage gegeben, für die sie verständliche, ansprechende Formen finden sollte. Formen, die sie in der Natur nicht vorgezeichnet fand. Zu jenem auswählenden Geschäft gehörte Geschmack und Urteil, zu diesem erfindende Phantasie und Begeisterung.

»Die großen Künstler der Griechen sollten die Gegenstände heiliger Verehrung hervorbringen, welche, um Ehrfurcht zu erwecken, Bilder von höheren Naturen genommen zu sein scheinen mußten. Zu diesen Bildern gaben die ersten Stifter der Religion, welches Dichter waren, die hohen Begriffe, und diese gaben der Einbildung Flügel, ihre Werke über sich und das Sinnliche zu erheben.«

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Dies ist jedoch weder etwas bloß Griechisches, noch ein Bedürfnis des Polytheismus allein. Denn »der Geist vernünftig denkender Wesen hat eine eingepflanzte Neigung und Begierde, sich über die Materie in die geistige Sphäre der Begriffe zu erheben, und dessen wahre Zu- friedenheit ist die Hervorbringung neuer und verfeinerter Ideen«.

Eines leitet auf das andere. Dort führt die Natur selbst ihre treuen Verehrer und Beobachter über sich selbst hinaus, sie schuf en Gestalten, deren höheren Adel auf der Folie der Alltäglichkeit jedermann emp- findet. Aber ebenso führen auch jene überschwenglichen Aufgaben, jene poetischen Visionen auf eine intensivere Bearbeitung der Natur. »Die Bildhauer«, sagt Hemsterhuis, »die Apoll, Minerva und Venus darstellen sollten, waren durch ihren Beruf gezwungen, die Natur zu durchwühlen, die Schönheit aufs skrupulöseste zu erforschen, und damit die Natur selbst zu übertreffen.« Es wächst der Mensch mit seinen höhern Zwecken.

Als die Griechen von ihren Göttern ohne Symbole in bloß mensch- lichen Formen sprechen lernten, als sie Wesen darzustellen unter- nahmen, die sich unmittelbar und unverkennbar als übermenschliche bezeugen sollten: da war freilich das erste, ihnen die fehlerlose, nor- male, und nicht bloß die normale, sondern die groß und reich entfaltete Natur zu geben. Ehe man erhaben sein kann, muß man wahr sein. Aber schon in der reinen Schönheit liegt etwas, was nicht nur über das Gewöhnliche und Gemeine, sondern auch über das Vertrauliche hin- ausrückt. Regelmäßig schönen Bildungen gegenüber fühlt man sich mehr in einen Zustand ruhiger Heiterkeit versetzt, als von Verlangen ergriffen; Bacon forderte daher für ausgezeichnete Schönheit some strangeness in the proportion (aliquid minus conforme in compagine); kleine Fehler geben dem Gesicht Reiz; und man hat bemerkt, daß zuweilen Frauen von abnormen Zügen die heftigsten Leidenschaften entzündet haben. Die, welche griechische Schönheit kalt nennen, drücken damit aus, daß die vollkommene Form jene Annäherung fernhält.

Von beiden Seiten wird die Kunst auf eine Form geführt werden, die freilich innerhalb ihres Umkreises noch manche feine Modifikationen zuließ. Aber die, die Schönheit als würdigen Gegenstand ihrer Be- trachtungen gewählt und angesehen haben, können über das wahre Schöne, als nur Eines und nicht mancherlei, nicht zwistig sein. Was

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nicht schön ist, kann nirgends schön sein. »Es gibt nur Ein Schönes, wie es nur Ein Gutes gibt ... es kann nur ein einziger Begriff der Schönheit, welcher der höchste und sich immer gleich ist, gedacht werden.« So ist die Wahrheit eine, der Irrtum mannigfaltig. »Die griechischen Künstler reinigten ihre Bilder von allen persönlichen Neigungen, welche unseren Geist von der wahren Schönheit ablenken.« Was diese Reinigung bedeutet, erhellt aus den Fehlern der Neueren, die sich jenen persönlichen Neigungen überließen. Denn zur Schönheit gehört, daß es eine Gestalt ist, »die weder dieser, noch jener Person eigen sei«. Phidias wurde der Blasphemie angeklagt, weil er sein Bild in einer Figur des Pallasschildes angebracht. Wie hoch muß das Kultus- bild über jedem Verdacht individueller Ähnlichkeit gestanden haben! Mit welcher Unbefangenheit überließen sich dagegen die Maler christ- licher Zeit persönlichen Launen, sogar der Sinnlichkeit! Die Griechen wollten Züge, die über dem menschlich Individuellen, Beschränkten zu schweben schienen. »Alles sogenannte Edle«, sagt Jean Paul, »der höhere Stil begreift stets das Allgemeine, das rein Menschliche und schließt die Zufälligkeiten der Individuen aus, sogar die schönen. Die Charaktere erheben sich, indem sie sich entkleiden, wie verklärte, des individuellen Ansatzes.«

Griechischer Typus

Welches waren nun die Formen, die auf das physiognomische Gefühl der Griechen den Eindruck des Göttlichen machten, zu Hüllen gött- licher Wesen geeignet schienen?

Winckelmann hat zum ersten Male unternommen, den Idealtypus im einzelnen genau zu beschreiben. Er selbst legt auf diese Leistung, als die schwerere, größeren Wert als auf die allgemeinen Sätze. Auch ist ihm hierin stets ungeteilter Beifall gespendet worden, wie z. B. Rumohr seine Auffassung des einzelnen Schönen höchst sinnvoll, dessen Darstellung von unerreichbarer Anschaulichkeit, von hin- reißendem Feuer nennt, und Hegel rühmt, »daß er mit ebensoviel Begeisterung seiner reproduktiven Anschauung als mit Verstand und Besonnenheit das unbestimmte Gerede von Ideal dadurch verbannt

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habe, daß er die Formen der Teile einzeln und bestimmt charakteri- sierte, ein Unternehmen, das allein lehrreich gewesen sei«.

Damalige Leser staunten über seine damals unerhörte Empfindlich- keit des Formensinns. Ein Grieche schien wieder aufgelebt zu sein, wenige vermochten ihm zu folgen, es schien ästhetische Feinschmecke- rei, daß z. B. die Knie des Apollino der Tribuna »unter dem Vorzüg- lichsten« sein sollten; oder wenn er bewundernd bekannte, »keine einzige Figur gebe einen so hohen Begriff von dem, was Anakreon einen Bauch des Bacchus nennt«, als der vermeintliche Bacchus im Semicircolo der Villa Albani.

Diese Betrachtung des einzelnen in der Schönheit, erinnert er, müsse vornehmlich auf die äußersten Teile der menschlichen Figur Kopf, Hände und Füße gerichtet sein, weil nicht allein in diesen Leben, Bewegung, Ausdruck und Handlung bestehe, sondern weil ihre Form den eigentlichen Unterschied des Schönen vom Häßlichen und der neuen Arbeit von der alten bestimme.

Zuerst das Antlitz. »Die vornehmste Eigenschaft einer hohen Schönheit ist das Profil das griechische Profil eine fast gerade oder sanft gesenkte Linie, welche die Stirn mit der Nase an jugendlichen, sonderlich weiblichen Köpfen beschreibt. Durch das gerade und völlige wird die Großheit gebildet, durch sanfte gesenkte Formen das Zärtliche.« Daß es keine Form ist, die ohne Grund aus den geraden Linien des ältesten Stils geblieben wäre, beweise die starkgesenkte Nase an ägyptischen Figuren; es findet sich jedoch bereits auf dem lykischen Monument von Xanthos.

»Eine von den Schönheiten des Auges ist die Größe, so wie ein großes Licht schöner ist als ein kleines; die Größe aber ist dem Augenknochen oder dessen Kasten gemäß und äußert sidi in dem Schnitte und in der Öffnung der Augenlider, von denen das obere gegen den inneren Winkel einen runderen Bogen als das untere beschreibt . . . Die Augen formen an Köpfen im Profil gestellt . . . einen Winkel, dessen Öffnung gegen die Nase steht: in solcher Rich- tung der Köpfe fällt der Winkel der Augen gegen die Nase tief, und der Kontur des Auges endigt sich auf der Höhe seines Bogens oder Wölbung, das ist, der Augapfel selbst steht im Profil. Diese gleichsam abgeschnittene Öffnung der Augen gibt den Köpfen eine Großheit

GRIECHISCHER TYPUS 219

und einen offenen erhabenen Blick . . . Insbesondere Juppiter, Apoll und Juno haben dieselben groß und rundlich gewölbt und enger als gewöhnlich in der Länge, um den Bogen derselben desto erhabener zu machen . . . Auch liegen die Augen tiefer als insgemein in der Natur, und der Augenknochen erscheint dadurch erhabener um das Auge in der Ferne scheinbarer zu madien und an diesem Teile mehr Licht und Schatten hervorzubringen ; wodurch das Auge, das sonst wie ohne Bedeutung und gleichsam erstorben gewesen wäre, lebhafter und wirksamer gemacht wurde.«

»Die Schönheit der Augenbrauen besteht in einem dünnen Faden von Härchen . . . der in der Kunst die fast schneidende Schärfe der- selben vorstellt ... Je mehr der Schnitt derselben groß und rundlich gewölbt ist prächtig erhaben und enger als gewöhnlich in der Länge, desto erhabener ist ihr Begriff.«

»Eine schöne Stirn soll kurz sein, wie sie ist in der Blüte der Jahre, ehe der kurze Haarwuchs auf der Stirn ausgeht und dieselbe bloß läßt. Eine freie hohe Stirn ist dem männlichen Alter eigen. Der Haarwuchs soll um die Stirne herum rundlich bis über die Schläfen gehen, um dem Gesicht die eiförmige Gestalt zu geben. Die Haare selbst sind lockigt, groß.«

»Das Maß des Mundes der nebst dem Auge der schönste Teil des Gesichts ist gleich der Öffnung der Nase; denn wäre sein Schnitt länger, so würde es wider das Verhältnis des Ovals sein, worin die in demselben enthaltenen Teile in eben der Abweichung gegen das Kinn zu gehen müssen, in der das Oval selbst sich zuschließt.«

»Die Lippen sind bei den göttlichen Figuren, nach den Zeiten des ältesten Stils, nicht ganz gesdilossen. Die untere Lippe soll völliger sein als die obere, wodurch zugleich unter derselben in dem Kinn die eingedrückte Rundung (eine Bildung der Mannigfaltigkeit) entsteht. «

»Die Schönheit des Kinns besteht in einer völligen Wölbung des- selben, die durch die Unterlippe, wenn dieselbe kurz ist, desto mehr Großheit erhält, deshalb wurde es auch nicht durch Grübchen unter- brochen. Derselben rundlichen Völligkeit seiner gewölbten Form wegen haben sie die untere Kinnlade größer und tiefer herunter- gezogen gehalten, als gewöhnlich ist.«

»Die Schönheit der Form der übrigen Teile wurde ebenso allgemein

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bestimmt. Die äußersten Teile (Hände und Füße) sind nicht schwerer in der Moral, wo die äußerste Tugend mit dem Laster grenzt, als in der Kunst, wo sich in derselben das Verständnis des Schönen des Künstlers zeigt.«

»Die Schönheit einer jugendlichen Hand besteht in einer sehr mäßigen Völligkeit, mit kaum merklich gesenkten Spuren, nach Art sanfter Beschattungen, über die Knöchel der Finger, wo auf völligen Händen Grübchen sind. Die Finger sind mit einer lieblichen Ver- jüngung, wie wohlgestalte Säulen gezogen, und ohne Anzeige der Gelenke der Glieder.«

Manche dieser Züge, wie der etwas geöffnete Mund, die Tiefe des Auges, waren durch Rücksichten der Marmorskulptur bedingt.

Wenn man für solche einzelne Beobachtungen bei denen er sich lediglich von dem Gegenstande und seinem Schönheitsgefühle leiten ließ hinterher Prinzipien suchen will, so wird man sich wieder der Einfadiheit und Großheit erinnern. Daher die Linie des Ovals, der Haarwuchs, Mund und Kinn sich unterordnen müssen das große Auge, durch den scharfen Bogen der Brauen, die tiefe Lage, die kurze Stirn markiert das völlige Kinn die breite Fläche der Wangen, die durch das Profil, den großen Zug der Kinnladen, das vortretende Kinn bedingt ist endlich das Profil. Nase und Stirn bilden zwar keine gerade Linie, aber sie nähern sich der geraden Linie soweit, daß sie »der Blick in Eins faßt« (Päster).

Über diesen bedeutendsten Zug sind die Stimmen immer geteilt gewesen, und in ihm lag der Hauptgrund des Protestes gegen die Lehre von der Einheit des Schönen. Einige haben dies Profil nicht einmal schön finden können, und nicht bloß Gottsched; andere haben gemeint, daß es alle Gesichter dumm mache und seine Verehrung für blinden Antiquarsglauben erklärt. Vielen ist es wenigstens nicht sym- pathisch: eine regelmäßige, stolze, aber kalte Schönheit spreche aus ihm, es sei weder liebenswürdig noch seelen- und ausdrucksvoll. Gewiß ist, daß man holde Schwädie, Empfindungsleben, alles was der Dämmerungsregion der Psyche angehört, nicht hinter solchen Stirnen suchen wird. Man hat aufmerksam gemacht auf die Schranken, die diese Form, wie ein Damm, dem Ausdruck und Andrang der Affekte entgegensetze. Es liegt darin eine ruhige, fast starre Kraft. Andere

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deuteten es physiognomisch als stetigen Zusammenhang zwischen dem Organ des Verstandes und dem der Leidenschaft und des Willens »indem die Nase«, meint Hegel, »zum System des Geistigen hinüber- gezogen werde, erhalte sie selbst einen geistigen Ausdruck und Cha- rakter, und der Ausdruck des Geistigen stelle das bloß Natürliche ganz in den Hintergrund«; wie man denn auch diese Linie aus dem Gegen- satz des menschlichen gegen das tierische Profil abgeleitet hat.

Schwerlich jedoch sind die Griedien durch solche physiognomische Grübeleien bestimmt gewesen. Wie in allen übrigen Teilen, so war es auch hier der räumliche Eindruck der Einfalt und Großheit, der sie für diesen Zug einnahm, die Reinheit der Form, die dem Antlitz den Adel gab, diese machte es zum Günstling der Plastik. Dieses Profil ist wahrscheinlich auch früher, wie heute, im Süden und in Griechenland nicht häufiger gewesen als andere Formen. Man sollte also das Ideal nicht als Durchschnittsform bestimmen, auf die man den Gattungs- typus zu gründen pflegt. Das Ideal ist eine langsam gereifte Frucht von Kultur und Geschichte, und ehe Phidias oder wer sonst es aus dem Marmor hervorholte, dürfte es weder Menschen noch Göttern in den Sinn gekommen sein.

Charakter und Bildnis

Nachdem eine bedeutende Form einmal gefunden und zu Ansehen gekommen war, schien für Differenzierung nur noch ein enger Spiel- raum übrig. Im hohen Stil, hörten wir, nähern sich die Bilder dem einen höchsten Begriff der Schönheit. Was ist (würde ein Enthusiast ausrufen) die ganze Mannigfaltigkeit des menschlichen Tierreiches verglichen mit der Monotonie dieses Himmels? Die Einfalt der Kuppel des Pantheons, wiegt sie nicht alle Kirchenhallen Roms auf?

Allein der griechische Kunsthimmel zeigt uns kein so einförmiges Schauspiel wie etwa das Jüngste Gericht Michelangelos. In der Kunst, der lauter bestimmte, wenn auch mythologisch-poetische Persönlich- keiten aufgegeben waren, hat die Idealität dem Charakter keinen Ein- trag getan. Ihre Deutlichkeit und Konsequenz hätte nicht größer sein können, wenn sie, wie die Bildnismaler, sterbliche Individuen vor

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Augen gehabt hätten. Wie früher dem NaturaHsmus, so ist Winckel- mann hier der Charakterzeichnung griechischer Kunst vollkommen gerecht geworden: Wie dort in der Vereinfachung, durch die sie ihre Gestalten mit dem Schimmer der Idealität umgaben, so zeigt sich nun auch in der Variierung die alte Kunst der neueren mit ihren schwan- kenden und oftmals vagen Personifikationen überlegen.

»Die höchste Schönheit kann auch den Göttern nicht in gleichem Maße gegeben werden, so wenig als in den schönsten Gemälden von vielen Figuren alle die höchste Schönheit haben können, welches nicht mehr stattfindet, als in einem Trauerspiel nichts als Helden aufgeführt zu werden verlangen.«

»Die Bildung aller Gottheiten ist wie nach einer von der Natur selbst angedeuteten Idea bestimmt und ist sich allenthalben in unzäh- ligen Bildern ähnlich, so daß die Götter vonjuppiter an bis auf Vulkan kenntlich sind wie Köpfe berühmter Personen; und so wie Antinous bloß aus dem Unterteil seines Gesichts und Marc Aurel aus den Augen und Haaren eines zerstümmelten Cameo in dem Museo Strozzi erkannt wird, so würde es Apollo sein durch dessen Stirn, oderjuppiter durch dessen Haare und Bart, wenn sich Köpfe desselben finden, von denen weiter nichts vorhanden wäre . . . Der gebieterische Zug (um den Mund) und die großen Augen sind der Juno so eigen, daß man ein bloßes Profil (auf einem Edelstein) durch einen solchen Mund sicher auf eine Juno deuten kann. «

Freilich bleibt Schönheit allezeit das Grundgesetz. Die Künstler strebten mit dem einer jeden Göttin eigenen Charakter die Schönheit in ihrem höchsten Grade zu verbinden. Nicht bei allen war Schönheit selbst das Hauptmerkmal wie bei der Venus, die »unter den weib- lichen Gottheiten als die Göttin der Schönheit obenan steht, daher häufiger als andere Göttinnen und nebst den Grazien und Hören auch allein unbekleidet dargestellt wurde«. Bei anderen schien der gegebene, etwa von Dichtern geschilderte Charakter jener Regel zu widerstreben. Aber die Kunst machte sich kein Gewissen daraus, von den Poeten abzuweichen. »Die Parzen, welche Catull mit bebenden und zitternden Gliedern, im betagten Alter, mit runzligtem Angesicht, mit gebeugtem Rücken und mit einem strengen Blick bildete, sind das Gegenteil auf mehr als einem alten Denkmale.« Bei Meleagers Tod erscheinen sie als

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schöne Jungfrauen, mit oder ohne Flügel auf dem Haupte, unter- schieden durch die ihnen beigelegten Zeichen ... In ähnlicher Weise sind sogar die Furien mit oder ohne Schlangen an dem Haupt vor- gestellt. Die Gorgonen sind, die Meduse ausgenommen, auf keinem alten Werk gebildet; ihre Gestalt aber würde der Beschreibung der ältesten Dichter nicht ähnlich sein, welche ihnen lange Zähne wie Schweinshauer geben. Denn Medusa ist den Künstlern ein Bild hoher Schönheit geworden. Die älteren Satyrn oder Silene haben in ernst- haften Bildern keine ins Lächerliche gekehrte Gestalt, sondern sie sind schöne Leiber in völliger Reife des Alters. Sogar von weiblichen Larven finden sich Bildungen höchster Schönheit.

Winckelmanns Meinung ist natürlich, daß die unterscheidenden Merkmale feine waren. Es gibt Unterschiede des Alters und des Adels, in Ausdruck und Physiognomie, aber auch Züge, die auf den unmit- telbaren sinnlichen Eindruck berechnet waren, endlich heteroklite Teile.

»Die Jugend ist das Alter der Schönheit, aber die Jugend der Götter hat in beiderlei Geschlecht ihre verschiedenen Stufen und Alter . . . und in dieser Mannigfaltigkeit hat die Kunst alle ihre Schönheiten zu zeigen gesucht. Sie ist ein Ideal, teils von männlich schönen Körpern, teils von der Natur schöner Verschnittener genommen.« Dies Ideal fängt an bei den Faunen, als niedrigen Begriffen von Göttern. »Die schönsten Statuen der Faunen sind ein Bild reifer schöner Jugend, in vollkommener Proportion, und es unterscheidet sich ihre Jugend von jungen Helden durch ein gemeines Profil oder durch eine etwas gesenkte Nase. Bacchus ist ein schöner Knabe, welcher die Grenze des Frühlings des Lebens und der Jünglingschaft betritt ... Im Apollo findet sich die Stärke vollkommener Jahre mit den sanfiien Formen des schönsten Frühlings der Jugend vereinigt . . . Auf dieser Jugend blüht die Gesundheit, und die Stärke meldet sich wie die Morgenröte zu einem schönen Tage . . . Die schöne Jugend im Apollo geht nach- dem in andern Göttern stufenweise zu ausgeführteren Jahren und ist männlich im Merkur und im Mars . . . Die Schönheit der Götter im männlichen Alter besteht in einem Inbegriff der Stärke gesetzter Jahre und der Fröhlichkeit der Jugend, und diese besteht in dem Mangel von Nerven und Sehnen.«

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Sodann die Seelensprache. »In der Venus wird durch das unten in etwas erhobene AugenHd das Liebäugelnde und Schmachtende in den sanft geöffneten Augen gebildet. Pallas, ein Bild jungfräulicher Züch- tigkeit, hat die Augen mäßiger gewölbt und weniger offen, ihr Blick ist etwas gesenkt, wie in stiller Betrachtung. Die Schönheit in dem Blick der großen und rundgewölbten Augen der Juno ist gebieterisch; der Blick der Diana, die mehr als alle oberen Göttinnen das Wesen einer Jungfrau hat, geht gerade vorwärts und in die Weite über alle Vorwürfe hinweg, er ist frei, munter und fröhlich.«

Es ist die edlere oder niedere menschlichere Auffassung solcher Züge, die die Unterschiede der großen Klassen idealer Wesen begrün- det. »In den Helden, denen das Altertum die höchste Würdigkeit unserer Natur gab, näherte sie sich bis an die Grenzen der Gottheit, ohne diese zu überschreiten und den sehr feinen Unterschied zu verwischen. Battus auf Münzen von Cyrene würde durch einen ein- zigen BHck zärtlicher Lust (languida mollezza) einen Bacchus und durch einen Zug göttlicher Großheit (suf ficienza divina) einen Apollo abbilden können. Minos auf Münzen von Knossus würde ohne einen stolzen königlichen Blick einem Juppiter voll Huld und Gnade (di maestä umana e benigna) ähnlich sehen.« Der Ausdruck des Fauns unterschei- det sich von dem des Helden durch »eine gewisse Unschuld und Einfalt, die mit einer besonderen Grazie verbunden war«.

Der Eindruck des Zeus-, des Apollokopfs würde verlieren, ohne die Stirnlocken. Durch den Zeuswurf der Haare wurde in dessen Brüdern und Söhnen die Verwandtschaft und zugleich die Unterordnung an- gezeigt. Während sie bei Jupiter lang sind, ohne gerollte Locken, mähnenartig in sanft geschlängelte Züge geworfen: so hängen sie bei Pluto und Serapis über die Stirn herunter, um deren Gestalt und Blick trüber zu machen; denn Jupiter wurde mit einem heiteren Blick gebildet, Pluto dagegen mit einer strengen Miene. Bei Äskulap, der sich bei größerer Ähnlichkeit mit seinem Großvater durch kleinere Augen, ältere Züge unterscheidet, ist der Bart auf der Oberlippe mehr bogenweis gelegt. Der Bart des Neptun ist krauser, über der Oberlippe dicker, die Haare sind lockiger.

Endlich entging den Alten nicht, welche Fundgrube diarakteristischer Züge die Tierwelt sei, sie bemerkten, daß Tierformen zum Teil an

CHARAKTER UND BILDNIS 225

physiognomisdier Energie das, was die menschliche Form verträgt, überträfen, und sie scheuten sich nicht, ihr in einzelnen Fällen tierische Teile zuzusetzen, während in anderen das Tierische nur durchscheint im Menschlichen, das es dann zuweilen sogar erhöht. Das eine war der Fall, wo sie als vorwaltend, und zwar mit dämonischer Allgewalt Eigenschaften ausdrücken wollten, die in den niederen Regionen der Menschennatur ihren Sitz haben, wie bei dem (vermeintlichen) Pan auf einer Münze Antigonus L, wo der volle Bart in dem zottigen Wuchs dem Haare der Ziege gleicht, und bei den Faunen, wo sich das Tierische auf eine für den Eindruck der Gestalt zurücktretende Zutat reduzierte. Aber selbst bei den höchsten Göttertypen haben ihnen edle Tiere Studien geliefert. Eben im Zeuskopfe »erscheint die ganze Gestalt des Löwen, des Königs der Tiere, nicht allein in den großen und runden Augen, in der Völligkeit der anwachsenden und zugleich geschwollenen Stirn und in der Nase, sondern auch in jenen Haaren, die gleich der Mähne des Löwen von dessen Haupte herab- fallen, von der Stirn aber sich, aufwärts gestrichen, erheben, und geteilt, in einem engen Bogen gekrümmt, seitwärts wiederum die Spitzen niederbeugen und sich heruntersenken, welches kein Haar- schlag am Menschen, sondern gedachten Tieren eigen ist. Am Herkules aber zeigt sich die Form eines gewaltigen Stieres in dem Verhältnis des Kopfes zum Halse, indem jener kleiner und dieser stärker als gewöhnlich in der menschlichen Proportion ist und so, wie sich der Kopf zum Halse des Stieres verhält, um in diesem Helden eine Stärke und Macht zu bilden, welche die menschlichen Kräfte übersteigen; ja man könnte sagen, daß auch die Haare auf seiner Stirn, die kurz, kraus und in die Höhe gestrichen waren, als ein allegorisches Bild, von den kurzen Haaren auf der Stirn jenes Tieres genommen sind.«

So vortrefflich nun Winckelmann dieses Durchstöbern der Natur nach bildnerischen Ausdrucksformen beobachtet hat, so fand er doch auch nichts dagegen einzuwenden, wenn hier und da der Charakter der Schönheit geopfert wurde. »Die weisesten Künstler suchten das Ungestalte zu vermeiden und entfernten sich viel eher von der Wahr- heit der Bilder als von der Schönheit; auf einem Denkmal erscheint Hekuba, statt voll Runzeln und mit langen, schlaffen und hängenden Brüsten, als Frau, die kaum an die Rückkehr ihrer Blüte gelangt ist;

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und Medea auf der schönsten Hamiltonsdien Vase ist nicht älter als ihre Tochter gebildet.«

Ja sie gingen in der Bildung junger Helden, des Achill, Theseus bis zur Verwischung des Geschlechtes, »Herkules findet sich in der schön- sten Jugend vorgestellt, mit Zügen, die den Unterschied des Geschlechtes fast zweideutig lassen; wie nach der Meinung der mit ihrer Gunst willfährigen Glycera die Schönheit eines jungen Mannes sein sollte«.

»Dem Ideal näherten sich endlich die alten Künstler audi in Köpfen bestimmter Personen, soweit es ohne Nachteil der Ähnlidikeit gesche- hen konnte; und man sieht an solchen Köpfen, mit wie großer Weisheit gewisse Kleinigkeiten übergangen sind, die nichts zur Ähnlichkeit beitragen. Viele Runzeln sind nicht angedeutet, die nach den Jahren hätten da sein müssen, und die da, wo sie der Idee der Schönheit nichts nehmen, ausgedrückt sind, wie unter dem Kinn und am Halse an eben den Köpfen. Man beobachtete hier die Lehre der alten Weisen, das Gute so groß als möglich zu machen und das Schlechte zu ver- stecken und zu verringern. Man kann auf der anderen Seite in Bildung bestimmter Personen diejenigen Teile, die schön sind, und der Ähn- lichkeit nichts geben noch nehmen, besonders hervorspielen lassen.«

Ausdruck und Handlung

Vom Höchsten in der Kunst (so ist von alters her geglaubt worden) könne nicht gesprochen werden, ohne das Sittlichschöne, den geistigen Ausdruck hinzunehmen. Kant wollte jene Durchschnittsform, die der Technik der Natur gleidisam absichtlich zugrunde liege, nur als unnachläßliche Bedingung der Schönheit gelten lassen, das Ideal aber erst durch Hinzutritt der Vernunftidee entstehen lassen, wenn Seelen- güte, Reinigkeit, Stärke und Ruhe in körperlicher Äußerung gleichsam sichtbar werden. Diese Ansicht ist nicht bloß modern. Schon Diotima im Gastmahl Piatos galt Seelenschönheit für eine höhere Erscheinung der Idee als Gestaltenschönheit.

Auch Winckelmann unterscheidet die moralische Schönheit von der materiellen oder Linienschönheit. Die moralische ist Schönheit des Ausdruckes. Ausdruck ist Nachahmung des wirkenden und leidenden

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Zustandes unserer Seele und unseres Körpers. Im weiteren Sinn begreift er auch die Handlung, d. h. was durch Bewegung der Glieder und des ganzen Körpers geschieht; im engern wird seine Bedeutung eingeschränkt auf das durch Mienen und Gebärden des Gesichtes Bezeichnete.

Die Tugend des Ausdruckes wurde in der ersten Schrift »edle Einfalt und stille Größe« genannt, sie heißt jetzt Grazie. »Der Grazie opfern, heißt bei Künstlern auf die Gebärden und auf die Aktion in ihren Figuren aufmerksam sein«; wenigstens ein Teil der Grazie ist der »Wohlstand in Gebärden und im Handeln«. Es ist dasselbe, was den profanen Neueren, »die nicht in die schöne Einfalt dieser großen Meister eingeweiht sind, in den Werken der Alten als Mangel an Handlung erschienen ist«. Es war indes schon damals eine Gegen- strömung zu bemerken. Als Caylus im Jahre 1760 einen Preis für den Ausdruck an der Akademie gründete, erhoben sich Stimmen in Paris, die behaupteten, er habe den jungen Künstlern keinen guten Dienst erwiesen. Der Charakter der Ruhe, der den Werken der französischen Schule so entgegengesetzt sei, aber den Alten und den großen Italienern charakteristisch, sei vor allem anderen zu studieren (Corresp. de Grimm, i. Dezember 1760).

Dem Modernen, wenn er zuerst vor griechische Darstellungen tritt, geht es zuweilen wie jemandem, der aus dem Sonnenlicht in ein verhängtes Zimmer tritt, wo das Auge sich erst einzugewöhnen hat, um die Gegenstände zu sehen, die doch bestimmt genug zu unterschei- den sind. Oft finden sich Vorgänge heftiger Aufregung, z. B. Orpheus' Trennung, wie Szenen ruhigen Gespräches behandelt; gern wählen sie Momente, wo der leidenschaftlich-raschen Aktion ein nach innen gewandter Moment vorhergeht oder folgt, jene Momente der Beson- nenheit, der Monologe, wo der Held selbst sein Geschick, sich außerhalb stellend, anschaut; sie geben von den Vorgängen des Inneren nur einen leisen Wink, eine Andeutung unsichtbarer Peripetien. Und dies war gewiß nicht bloß Stil (wie Lessing und Rumohr wollten), sondern ruhte auf ihrer Ansicht der menschlichen Natur und der Wertgrade ihrer Bestandteile. Die Griechen, das erste philosophische Volk der Erde, mit denen wir ein Jahrtausend philosophiert haben, bewerteten das Intellektuelle anders und höher als wir. Sie dachten sich das ideale

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Leben, das Leben der Götter, laut Plato, »rein vernünftig«, von Lust und Schmerz unberührt, und ihr scharfsinnigster Denker bewies, daß die Tätigkeit der Gottheit nur eine theoretische sein könne. Ihr Himmel, ihre Seligkeit war die Heiterkeit des reinen, klaren, freien Denkens. Diese göttliche Selbstgenügsamkeit, diese Unbeweglichkeit durch Außendinge war keine Klügelei einiger dem Leben entfremdeten Kopfmenschen. Diese Unterordnung der Region des Sinnen-, Affekts- und Gefühlslebens, diese intellektuelle Impassibilität und göttliche Gemütsruhe, diese national-philosophische Ataraxie und Apathie schwebt auch auf der Stirn ihrer Marmorwesen. Und noch jetzt sind Reste davon an dem Südeuropäer zu beobachten, sie unterscheiden den italischen Romanen von dem keltischen. Eine ruhige Gelassenheit, die doch so aufgeweckt und sensibel ist, eine Grandezza aus Tem- perament, die doch voll beobachtender Feinheit ist, selbst im äußeren Handeln, eine gemessene Würde in Haltung, Gewandwurf, Tempo der Bewegung ist uns Germanen, den Galliern und anderen Scy then fremder, und deshalb vermißt man in ihren Kunstwerken die Natur- gewalt und die Naivität der Empfindung und Leidenschaft; bis man im Süden gewahr wird, daß solche Züge keine konventionelle Manier sind.

Winckelmann, der übrigens auf seine Theorie erst in einem Alter kam, wo »die Begierden in den Genuß der Ruhe eingeschränkt sind«, hat sich den Namen eines Originaldenkers durch Betonung des Wert- begriffes der Ruhe verdient. Denn seitdem über Kunst geredet wurde, hatten Künstler und Liebhaber, Philosophen und Rhetoren, Epigram- matisten und Kritiker gewetteifert, Bewegung, Leben, Leidenschaft, so wahr, so hinreißend als möglich dargestellt, als die höchste, schwerste und dankbarste Aufgabe der Kunst zu feiern und zu empfehlen.

Er mußte den Versuch machen, die Seelenschönheit mit der körper- lichen in Zusammenhang zu bringen. Eine solche Begründung war nicht schwer zu finden in einem Jahrhundert, zu dessen Lieblingsformen die Karikatur gehörte, das sich auf Lustschlössern inwendig und aus- wendig von burlesken Fratzengesichtern angrinsen ließ und, während die Alten das Gorgonenhaupt zur Schönheit adelten, nicht ruhte, bis es selbst dem kalten weißen Marmor die Grimasse des Affekts abgequält hatte, und das endlich noch aus China und Hindostan tückische Fratzen borgte.

AUSDRUCK UND HANDLUNG 229

Leidenschaft entstellt. »Im Zustand der Leidenschaft verändern sich die Züge des Gesichtes und die Haltung des Körpers, folglich die Formen, die die Schönheit bilden, und je größer diese Veränderung ist, desto nachteiliger ist dieselbe der Schönheit . . . Die Seele ist groß und edel nur im Zustande der Einheit, im Stande der Ruhe; wenn sie auch kenntlidier und bezeichnender wird in heftigen Leidenschaften« (d. h. bestimmte, auf ihre inneren Zustände mit Sicherheit deutbare Züge annimmt 3^). »Der Künstler, da er das Schönste in den schönsten Bildungen wählen muß, ist auf einen gewissen Grad des Ausdruckes der Leidenschaften eingesdhränkt, der der Bildung nicht nachteilig werden soll.«

Jene Einfalt also der Umrißlinie und des Ideals kehrt zum dritten Male wieder in der Seele und ihrer Leidenschaftslosigkeit. Winckel- mann hat sich für diesen Begriff das sonderbare Wort »Unbezeichnung« (l'indefinito) geschaffen, das eine Gestalt bedeute, »die weder dieser noch jener Person eigen ist, noch irgendeinen inneren Zustand des Gemütes oder eine Empfindung der Leidenschaft ausdrücke, als welche fremde Züge in die Schönheit mischen und die Einheit unterbrechen (tolgono l'unitä, e degradano o offuscano la bellezza)«. Sie bestehe darin (sagt er nicht sehr klar), »daß die Formen weder durch Punkte, noch durch Linien beschrieben werden, als die allein die Schönheit bilden«. Sehr bekannt (obwohl weder das Bild selbst richtig ist, nodi eine zutreffende Analogie der versinnbildlichten Sache, noch endlich des Autors eigene Meinung genau ausdrückt) ist das dem Abbe Bou- hours entlehnte Gleichnis, daß die Schönheit sein solle wie das vollkommenste Wasser aus dem Schöße der Quelle geschöpft, das, je weniger Geschmack es hat, desto gesunder geachtet wird, weil es von allen fremden Teilen geläutert ist.

Diese Begründung der Ruhe durch die Besorgnis, die Leidenschaft werde die schönen Linien verwirren, ist aber bloß ein Verbindungs- glied. Nach ihm besteht eine Wahlverwandtschaft zwischen Schönheit und Grazie: »die Stille ist die herrschende Gemütsbeschaffenheit

36. La bellezza non poträ riconoscersi tutta in viso, se non a dii ha la mente serena e scevra da ogni agitazione, o almeno di quella tanta che suol alterare e disturbare i delineamenti de' quali son composte le belle forme [Trattato preliminare p. XLIV] .

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schöner Menschen, der Zustand, welcher der Schönheit wie dem Meere der eigenthchste ist; und die Erfahrung zeigt, daß die schönsten Menschen von stillem gesitteten Wesen sind. Im schönen Körper herrscht die Grazie mit großer Gewalt. Dieselbe Fassung wird in dem Bilde sowohl als in dem, der es entwirft, erfordert. Der Begriff einer hohen Schönheit kann nicht anders erzeugt werden, als in einer stillen und von einzelnen Bildungen abgerufenen Betrachtung der Seele 37.« Er hätte auch die Beobachtung anführen können, daß vollkommen schöne Züge (die auch dem Verfall der Jahre zuweilen länger wider- stehen) oft gegenüber dem Stoß der Leidenschaft und ihren Verzer- rungen eine gewisse Widerstandskraft zeigen.

Aber das Leben, dessen Bilder doch der Inhalt der Kunst sind, in dem ihr Leben wurzelt, es nimmt auf diese Verwandtschaft keine Rücksicht. Das Leben ist voll Sturm und Drang, Schmerz und Jubel, Tat und Leidenschaft. »Der erhabenste Begriff der Schönheit konnte nicht beständig gesucht und erhalten werden, da im Handeln und Wirken die höchste Gleichgültigkeit nicht stattfindet und göttliche Figuren menschlich vorzustellen sind . . . Die reine Schönheit allein kann nicht der einzige Vorwurf unserer Betrachtung sein, da in der menschlichen Natur zwischen dem Schmerz und dem Vergnügen auch nach Epikur kein mittlerer Stand ist, und die Leidenschaften die Winde sind, die in dem Meer des Lebens unser Schiff treiben, mit welchem der Dichter segelt und der Künstler sich erhebt.«

Und nicht immer wird das edle Metall der Schönheit durch die Legierung mit diesen Zusätzen des Pathos verschlechtert. »Die Grazie erscheint als Gesellin der Schönheit, sowie die drei Göttinnen derselben die Begleiterinnen der Göttin der Schönheit sind: denn die schönste Bildung würde ohne Grazie unbelebt sein und bleibt ohne Reizung . . . Auch hier offenbart sich die große Lehre eines Empedokles von dem Streit und der Freundschaft, durch deren gegenseitige Wirkung die Dinge in der Welt in den gegenwärtigen Zustand gesetzt sind. Die Schönheit würde ohne Ausdrude unbedeutend heißen können, und dieser ohne Schönheit unangenehm; aber durch die Wirkung des einen

3 7. [Zur Bedeutung und Funktion der Stille bei Winckelmann vgl. W. Rehm, Götterstille und Göttertrauer, Bern 1951, bes. S. loi ff. Fr. Sdiultz, Klassik und Romantik der Deutschen, Stuttgart 1952^, I, 120 ff.]

AUSDRUCK UND HANDLUNG 23I

in die andere und durch die Vermählung zweier widriger Eigenschaften wächst das rührende, das beredte und das überzeugende Schöne . . . Die Seele sollte ruhig, aber zugleich wirksam, stille, aber nicht gleich- gültig und schläfrig gebildet werden . . . Die Gestalt soll selbst, wenn der Ausdruck die Schönheit überwiegen würde, schön heißen kön- nen . . Ja er geht soweit, den bekannten Ausspruch des Demosthenes, daß Aktion das erste, zweite und dritte Erfordernis sei, auf die Kunst zu übertragen.

Die frühere Definition der Grazie als des »vernünftig Gefälligen^ deutet ebenfalls an, daß erst durch diesen Emotionsgehalt der Beifall des Sdiönen Lebhaftigkeit und Wärme gewinne.

Freilich fand die Kunst oft widerstrebende Elemente in ihren Stoffen; dann hatte sie Gelegenheit, ihre Weisheit zu zeigen. »Der Ausdruck wurde der Handlung gleichsam zugewogen, und die Schönheit war die Zunge an der Waage des Ausdrucks und als die vornehmste Absicht desselben wie das Cymbal in einer Musik, das alle anderen Instrumente, die jenes zu übertäuben scheinen, regiert.«

Auch für den Ausdruck ist die Geschichte der Kunst lehrreich, denn die Kunst fand ihr Maß nur Schritt für Schritt. Während in den Statuen der Ägypter die Handlung ganz fehlt, wird sie bei den Hetruriern gewaltsam und übertrieben. Audi bei den älteren Griechen vermutet er einen nachdrücklichen Ausdruck der Handlung, heftige Handlungen und Stellungen wie ja die Heroen selbst der Natur gemäß handelten und ohne ihren Neigungen Gewalt anzutun. Im hohen Stil aber lehrten sie die gewaltsamen Stellungen und Handlungen gesitteter und weiser machen. Es wurde Grundsatz, »das Gesicht der Götter und Helden rein von Empfindlichkeit und fern von inneren Empörungen, in einem Gleichgewicht des Gefühls und mit einer friedlichen, immer gleichen Seele vorzustellen«.

Jene Weisheit zeigt sich in verschiedener Weise, zuvörderst in Dämpfung allzu starker Akzente der Mienen- und Gebärdensprache. »Der Stolz im Gesicht des Apoll äußert sich vornehmlich in dem Kinn und der Unterlippe, und der Zorn in den Nüstern der Nase, und die Verachtung in der Öffnung des Mundes: auf den übrigen Teilen dieses göttlichen Hauptes wohnen die Grazien: und die Schönheit bleibt bei der Empfindung unvermischt und rein, wie die Sonne, deren Bild er

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ist . . . In den Gebärden bricht die Freude nicht in Lachen aus, sondern sie zeigt nur die Heiterkeit von innerem Vergnügen . . . Die Freude schwebt wie eine sanfte Luft, die kaum die Blätter rührt, auf dem Gesicht einer Bacchantin . . . Das Bild des Bacchus ist ein schöner Knabe, bei dem die Regung der Wollust (la sensazione del godimento) wie die zarte Spitze einer Pflanze zu keimen anfängt: seine Züge sind voller Süßigkeit, aber die schöne Seele tritt nicht ganz ins Gesicht . . . Den Meergöttern wurde ein heiterer ruhiger BUck gegeben, indem sie dieselben gleidisam als Bilder der Meeresstille, wenn es einem grünlich- blauen Himmel gleicht, vorstellten.«

Hier ist es also die göttliche Natur, deren Adel auch dem Ausbrudi des Affekts ein inneres Maß erteilt. In anderen Werken ist es Willens- kraft, die den Sturm innerer Bewegung hinabringt. Wenn bei den Göttern die Leidenschaft nur die Oberfläche kräuselt, so besteht dagegen der Heros gewaltsame Erschütterungen, die er aber zurück- drängen kann. »In Vorstellungen des Leidens bleibt die größte Pein verschlossen . . . Figuren aus der Heldenzeit und bloß menschliche Leidenschaften sind allezeit der Fassung eines weisen Mannes gemäß, welcher die Aufwallung der Leidenschaften unterdrückt und vom Feuer nur die Funken sehen läßt.«

Doch gab es Ereignisse, wo der Seelenschmerz dem menschlichen Willen zu stark war. Hier sollen nun die Künstler einen Weg ein- geschlagen haben, von dem er Beispiele in der Niobe und Hekuba gefunden haben will. »Ihre Töchter sind in ihrer unbeschreiblichen Angst mit übertäubter und erstarrter Empfindung vorgestellt, wenn der gegenwärtige Tod der Seele alles Vermögen zu denken nimmt. Ein solcher der Gleichgültigkeit ähnlicher Zustand verändert keine Züge der Gestalt und Bildung, und der große Künstler kann hier die höchste Schönheit bilden, sowie er sie gebildet hat.«

Das Höchste freilich liegt jenseits der Sphäre des Streites. Indem die hohe Grazie die Bewegungen der Seele in sich verschließt, nähert sie sich der seligen Stille der göttlichen Natur, von welcher sich die großen Künstler ein Bild zu entwerfen suchten. Daher heißt sie »die Gesellin aller Götter«. Denn die Gestalten ihrer Götter sind »unberührt von Empfindung ... In solcher Stille bildet uns der große Dichter den Vater der Götter, der allein durch das Winken seiner Augenbrauen

AUSDRUCK UND HANDLUNG 233

und durch das Schütteln seiner Haare den Himmel bewegt.« Kurz, wenn die Alten in den Göttern die vollkommene Schönheit darstellen wollten, so strebten sie in Antlitz und Gebärde eine Stille (placidezza) zu legen, die auch nicht das mindeste hatte von Aufregung (alterigia) und Trübung (perturbazione).

Es scheint also, daß dieses Problem im Verhältnis zur Vollkommen- heit der Lösung sich vereinfache. »Zu der Idee der höchsten Schönheit ist keine philosophische Kenntnis des Menschen, keine Untersuchung der Leidenschaften der Seele und des Ausdrucks nötig. Wie der Zustand der Glückseligkeit, d. h. der Entfernung von Schmerz und Genuß, oder der Zufriedenheit in der Natur der allerleichteste ist, und der Weg zu demselben der geradeste und ohne Mühe und Kosten kann erhalten werden: so scheint auch die Idee der höchsten Schönheit am einfältigsten und leichtesten.«

Gleichwohl ist Stille keine Leere. Ja in ihr offenbart sich die Seele am reichsten während man sonst gerade in Handlung und Affekt die Anlässe zur Selbstzeichnung des Charakters zu finden pflegt. »Je ruhiger der Stand des Körpers ist, desto geschickter ist er, den wahren Charakter der Seele zu schildern: in allen Stellungen, die von dem Zustand der Ruhe zu sehr abweichen, befindet sich die Seele in dem Zustand, der ihr nicht der eigentlichste ist, sondern in einem gewalt- samen, erzwungenen . . . Die Stille und Ruhe ist in Menschen und bei Tieren der Zustand, welcher uns fähig macht, die wahre Beschaffenheit und Eigenschaften derselben zu untersuchen und zu erkennen, so wie man den Grund der Flüsse und des Meeres nur entdeckt, wenn das Wasser still und unbewegt ist« oder, wie nur dann das Spiegelbild auf der Oberfläche erscheint. Und deshalb »erfordert der Ausdruck einer bedeutenden und redenden Stille der Seele einen hohen Verstand«.

Gewiß, der Kopf eines bedeutenden Menschen kann Eigenschaften des Charakters und der Intelligenz zu lesen geben, die ein besonderes Pathos verdecken würde.

Dennoch bleibt der Begriff der Seelenschönheit bei Winckelmann vorwiegend verneinend. Der positive Begriff z. B. Schillers, wonach sie die Schönheit ist unter dem Einfluß der Freiheit, gegenüber der architektonischen Schönheit, die aus den Händen der Natur kommt diesen Begriff berührt er zuweilen, ohne ihn jedoch zu ergreifen. Er

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spricht wohl vom Gefühl der Griechen für Anstand und Würde; wie sie sogar einen geschwinden Gang in gewissem Maße wider die Begriffe des Wohlstandes hielten, wie die Aktion der Tänze nach dem Maße der älteren Tänze abgewogen und gestellt werde, und dann später den Tänzern selbst wieder zum Muster diente, »um sich in den Grenzen eines züchtigen Wohlstandes zu erhalten; wie die Würde der Haltung des freien Mannes auch auf Bildern der Kaiserzeit noch bewahrt werde, wo niemand etwas fußfällig dem Kaiser überreiche, oder ihn mit gebeugtem Leib oder Haupt anrede«.

Sonst aber erinnert seine Tugend des Ausdrucks an die asketische Moral, der das Leben nicht Inhalt und Zweck des sittlichen Handelns ist, sondern nur Schauplatz von Prüfungen und Versuchungen. Man könnte seinen Kunstfreund auch mit dem Liebhaber einer Schau- spielerin vergleidien. Er versäumt keinen Abend in Melpomenes Halle, und ihre Erscheinung übt auf ihn stets denselben Zauber. Dabei bleiben ihm jedoch die Geschichten An tigones und Esthers, der Stuart, derAthalia und deriphigenie ziemlich gleichgültig. Diese Schöpfungen der Dichtung haben für ihn nur die Bedeutung, ihren Zügen eine höhere Belebung mitzuteilen, in Zärtlichkeit, Zorn, Andacht ihre Augen leuchtender, ihre Wangen geröteter, ihre Stellung majestätischer, ihre Anmut schmelzender zu machen, kurz ihre Gestalt mit dem genialischen Feuer zu durchglühen, das die Aufregungen der Gesellig- keit nicht zu entzünden vermöchten. Darein mischt sich jedoch die Besorgnis, die mörderische Wut der Medea, der blutige Anschlag der Judith, die geheimen Qualen der Phädra und die Todesangst Desde- monas möchte einen finsteren Zug in die holden Züge werfen, der ihm ihr Bild vorübergehend entstellen, ihn unglücklich machen würde.

Mystizismus

Noch ein dunkler Punkt ist übrig. Die Idealität, dies wichtigste Merkmal im Begriffe der Kunst, ihr höchster Preis, erhob sich aus der Wahl des zerstreuten Schönen der Natur und der begeisterten An- schauung des Künstlers, dessen Gegenstände, Wesen des Mythos und der Epopöe, nidit in der Natur vorkommen. Tritt man aus dem

MYSTIZISMUS 235

Gewühle des Lebens in eine Versammlung ihrer Marmorgestalten, so glaubt man sich unter ein höheres Geschlecht versetzt, so unbedeutend, unedel dünkt uns die Wirklichkeit, und nicht bloß im modernen Rom wird manchem ein Wunsch aufgestiegen sein, wie dem Göttinger Mathematiker, Pygmalion zugleich und Perseus zu sein:

den Bildern gab idb Geist, die Pfaffen würden Stein.

Jedermann bekennt, daß die Figuren der Griechen vom echten Götteradel sind, daß an ihnen nicht bloß die normale Sdiönheit entzückt; man fühlt:

Ausgestoßen hat es jeden Zeugen menschlicher Bedürftigkeit.

Aber die Frage ist, ob Schönheit allein, ob feinsinnige Auswahl der Naturformen und ihre Verschmelzung zum Ausdruck einer Dichter- figur, also bloß natürliche Mittel es gewesen sind, die jenen Eindruck höherer Natur zuwege gebracht haben. Oder ob die Kunst wirklich Formen geschaffen habe, die ohne Vorbilder in der Natur waren, Formen, die über ihre Fähigkeit hinauslagen? ob sie die Naturformen veredelt und durch den Geist verklärt habe?

Diese Frage hat die Kunstfreunde einst aufs heftigste entzweit. Nicht bloß jene blassen Begriffe waren die Ursache solcher Heftigkeit, sondern die Werke der Kunst, die dahinter standen, und die einen mit Andacht, die anderen mit Verachtung erfüllten. Die einen sahen in der »Verklärung der Natur« eine Blasphemie gegen ihre Gottheit, eine verwegene Selbstüberhebung, den Wahn, etwas überbieten zu wollen, was man nicht einmal hervorzubringen vermöge. Den anderen war jener Glaube so teuer, daß man sie um ihren Himmel bringen würde, wollte man sie seiner berauben; sie vermeinen, der Kunst mit dieser Theorie das köstlichste Rauchopfer darzubringen; freilich müßten Gott und Mensch, Geist und Natur sich zur Erzeugung solcher Wunderwerke vereinigen.

Winckelmann nun hat sich zu verschiedenen Zeiten über diesen Punkt ganz verschieden geäußert. Wir erinnern uns, daß er einst in

23^ RÖMISCHE ZEIT

Dresden in den Griechenbildern (die er nicht zu Gesicht bekam) zu entdecken glaubte, wie weit die schönste Natur sich über sich selbst kühn, aber weislich erheben könne, und zwar nicht bloß in solchen »mehr als menschlichen Verhältnissen« (wie im Apollo), sondern selbst in allgemeinen Begriffen einzelner Teile. Damals galt ihm noch das griechische Profil als Beispiel solcher über die gewöhnliche Form der Materie erhabenen Begriffe.

Seitdem er aber den südlichen Menschenschlag, eine schönere Natur der Menschenkinder, kennenlernte, die Formen bewahrt hatte, wie sie den alten Künstlern vorlagen, ging eine Änderung in seinem Urteile vor. Bei jenem Ausflug nach Tivoli entdeckt er zu seiner Überraschung, daß es dort »nichts Seltenes sei, ein griechisches Profil zu sehen« (an Bünau, 7. Juli 1756). In den ersten Früchten neuer Einsicht, die er nach Deutschland sandte, trägt er schon kein Bedenken, wenn die Bestimmung sinnlicher Begriffe der Schönheit von ihm gewünscht würde, »in Ermangelung alter vollkommener Werke und deren Ab- güsse, dieselben nach einzelnen Teilen von den schönsten Mensdien genommen, an dem Ort, wo ich schreibe, zu bilden« (Erinnerung über die Betrachtung 1759).

In der Kunstgeschichte (1762) erfolgt eine Auseinandersetzung der beiderseitigen Ansprüche. Was die Schönheit der einzelnen Teile des menschlichen Körpers betrifft, so wird die Natur für den besten Lehrer erklärt; »denn im einzelnen ist dieselbe über die Kunst, sowie diese sich im ganzen über jene erheben kann . . . Das Ideal findet nicht in allen Teilen der menschlichen Figur besonders statt; denn stückweise finden sich ebenso hohe Schönheiten in der Natur, als irgend die Kunst mag hervorgebracht haben, aber im ganzen muß die Natur der Kunst weichen.« Nur in weiterem Sinne konnte er also hier das Wort »Schöpfung« fortbestehen lassen: »indem sie sich so viele Vorstellungen der Schönheit aneigneten, die sie in diesem und jenem Individuum wahrgenommen, wurden sie fast neue Schöpfer«.

Aber die Zweifel rückten noch weiter vor, auch gegen die IdeaHtät des Ganzen; nur dessen Seltenheit in der Natur schien ihm zu halten. »Es ist schwer, ja fast unmöglich, ein Gewächs zu finden, wie der vatikanische Apoll ist.« In den »Anmerkungen über die Geschichte der Kunst«, wo man das unwillkürliche Weiterarbeiten seiner Gedanken

MYSTIZISMUS 237

verfolgen kann, warnt er, das Ideal für einen bloß metaphysischen Begriff zu halten, der in allen Teilen besonders stattfinde. Das Ideal sei nicht auf einzelne Teile zu deuten, sondern von der höchsten mög- lichen Schönheit der ganzen Figur zu verstehen, die schwer in der Natur in eben dem hohen Grad sein könne. Die herkömmlichen Kern- und Kraftstellen des Idealismus werden bereits bekrittelt: Raffaels Äußerung über die idea zu seiner Galathea in dem Briefe an Balthasar Castiglione und Guido Renis über seinen Erzengel; er versichert, schönere Weiber und Jünglinge sogar selbst gekannt zu haben. »Ich scheue mich nicht zu sagen, daß beider Urteil aus Mangel der Acht- samkeit auf das, was in der Natur Schönes ist, herrühre; ja ich erdreiste mich zu behaupten, daß ich Bildungen des Gesichtes gefunden, die ebenso vollkommen sind als diejenigen, die unseren Künstlern Muster der großen Sdiönheit sein müssen 38.«

An dieser Stelle (1766/67) scheint ihn jedoch noch eine Scheu zurückgehalten zu haben, besagte Muster mit Namen zu nennen. Dies wagt er im Trattato preliminare (1767). »Die Natur«, heißt es da, »hat geformt und formt noch alle Tage Gesichter, den Köpfen der erhabensten Schönheit zu vergleichen, wie man sie nur in Marmoren und Gemmen sehen kann: auch in unseren Tagen sieht man lebendige Nioben und vatikanische Apolle39.«

So hat er sich immer entschiedener von der Vorstellung einer Über- schreitung der Naturformen abgewandt. Dieses von Jahr zu Jahr wahrnehmbare Steigen der Schale des Idealismus und Sinken derjenigen der Natur ist eine der interessantesten Tatsachen der Geschichte seiner Gedanken. Sie geht parallel dem zunehmenden eigenen Sehen in Natur und Kunst. Als er seine schroff sten Sätze idealistischer Tendenz nieder- schrieb, fehlte es ihm noch ganz an eigenen Anschauungen, er sprach über die Kunst nach Büdiern und Eingebungen des »grauenhaftesten, leichenähnlichsten aller Manieristen«. Der Stubengelehrte, der mit gleichgültigen Augen an der Natur vorbeigeht, dessen Enthusiasmus

38. [Werke (Eiselein) IV, 72.]

39. La natura ha formato sempre e va formando tutto giorno de' visi comparabili a quante teste della piü sublime bellezza veder si possono scolpite ne' marmi e nelle gemme: andie a' di nostri si veggon vive delle Niobi e degli Apollini Vaticani. p. XXXIX.

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nur ein Widerhall gelesener Theorie ist, ihm scheint jenes Gerede von Verklärung gemeiner Natur durch Kunst sogar selbstverständlich. Je mehr sein Blick in die Natur sidi schärft, bei erlangter Bekanntschaft mit künstlerischem Schaffen, desto zweifelhafter wird ihm j enes Dogma.

Wenn aber in der Umgebung von Roms Jünglingen und Mädchen der Gelehrte sein Urteil modifizierte, so scheint ihm doch in anderer Form die Vorstellung eines Übernatürlichen immer Bedürfnis geblieben zu sein. Der Zauber des Lebens hatte ihm jenes Zugeständnis an den Naturalismus abgenötigt. Aber man merkt es doch jenen einst so glaubensfreudig verkündigten Sätzen an, daß sie in seiner innersten Sinnesweise wurzelten. Solche Gedanken nun werden immer, auf dem einen Wege hinausgedrängt, auf dem anderen und in anderer Gestalt wieder zurückzukehren streben.

Mag die Natur im einzelnen über die Kunst sein und selbst im ganzen ihr ebenbürtig; dennoch würde Winckelmanns Kultus der Kunst an Wärme verloren haben, wenn man ihre Bestimmung auf Darstellung der Natur beschränkt hätte. Es war ein geheimer, unab- weislicher Zug seines ästhetischen Gefühles, in ihren Gebilden höhere Naturen, eines vollkommeneren Zustandes teilhaftige Wesen anzu- schauen; er suchte im Kunstwerk Nahrung für Schwärmerei. Diese Schwärmerei aber war nur ein gewisser Kreis schöner Gestalten zu nähren geeignet; wir finden unter ihnen weder Venus noch Pallas und Juno. Es sind jugendliche Männergestalten, wo die Formen des Alters der Blüte von einem sanft konvexen Linienfluß umkleidet sind; diese zeichnet er uns da, wo er auch in den Werken seiner Reife doch wieder von »über die Natur erhabenen Körpern« redet.

Die höchsten Gestalten der Kunst sollen als übernatürliche Wesen wenigstens erscheinen. »Die Idole sollen von höheren Naturen genom- mene Bilder scheinen.« Die Darstellungsmittel liegen nun zwar in der Sphäre des Natürlichen; aber bei ihrem Gebrauche kommen die Künst- ler auf Verknüpfungen, auf Stilisierungen, die sich doch wieder un- vermerkt über die Grenze des Natürlichen hinausführen. Denn »die großen Künstler der Griechen, die sich gleichsam als neue Schöpfer anzusehen hatten, ob sie gleich weniger für den Verstand, als für die Sinne arbeiteten, suchten den harten Gegenstand der Materie zu über- winden, und wenn es möglich wäre, dieselbe zu begeistern, und dies

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edle Bestreben hat auch in den früheren Zeiten Gelegenheit zu der Fabel von Pygmalions Statue gegeben«.

Das erste dieser Darstellungsmittel sind die Formen der Jugend. »Was konnte menschlichen Begriffen von sinnlichen Gottheiten wür- diger und für die Einbildung reizender sein, als der Zustand der ewigen Jugend und des Frühlings des Lebens? Dies war dem Begriff von Unabänderlichkeit des göttlichen Wesens gemäß und diente dem Endzweck aller Religion, der menschlichen Seligkeit, da die Zärtlich- keit und Liebe, die ein jugendliches Gewächs der Gottheit erweckt, die Seele in einen süßen Traum der Entzückung versetzen kann.«

Die Kunst kann die Jugend darstellen, aber wie deren ewige Dauer? Ist es nur der alte Zauber der Schönheit, angesichts deren Dante fragt:

cosa mortale come puö esser si adorna e pura?

»Die Fröhlichkeit der Jugend besteht in dem Mangel der Nerven und Sehnen, die sich in der Blüte der Jahre wenig äußern.« Mit der Beseitigung solcher Teile (wie auch der Adern), in jenem Linienfluß der Muskeln verschwindet der Anschein des Schweren, Zusammen- gesetzten, der Maschine, kurz die Bedingtheit der Gestalt. Wie man die Jünglingszeit das Alter des Idealismus genannt hat, weil sie den Druck des Realen und die Gedanken des Staubes noch wenig kennt und für Ideen empfänglich ist: so tritt auch in ihren Formen das Erd- artige, der Verwesung Verfallene unserer Hülle und die Erinnerung an niedere Tierformen am weitesten zurück. An solche Eindrücke knüpft die Kunst an und bildet die Formen noch etwas weiter in dieser Richtung fort.

Es liegt in der Abwesenheit jener Teile nach Winckelmann der Aus- druck der göttlichen Genügsamkeit, die die zur Nahrung unseres Kör- pers bestimmten Teile nicht vonnöten hat. »Dieses erläutert desEpikur Meinung von der Gestalt der Götter, denen er einen Körper, aber gleichsam einen Körper, und Blut, aber gleichsam Blut gibt.« Hier ist das Visionäre ausgedrückt, dem dieser Formengeschmack zustrebt! »Das Dasein und der Mangel dieser Teile unterscheiden den sterblichen und den vergötterten Herkules. Im Torso hat der Künstler ein hohes

240 ROMISCHE ZEIT

Ideal eines über die Natur erhabenen Körpers und eine Natur männ- lich vollkommener Jahre, wenn dieselbe bis auf den Grad der gött- lichen Genügsamkeit erhöht wäre, gebildet. Er erscheint, wie er sich von den Schlacken der Menschheit mit Feuer gereinigt und die Un- sterblichkeit und den Sitz unter den Göttern erlangt hat. Denn er ist ohne Bedürfnis menschHcher Nahrung und ohne ferneren Gebrauch der Kräfte vorgestellt. Es sind keine Adern sichtbar, und der Unterleib ist nur gemacht zu genießen und nicht zu nehmen, und völlig, ohne erfüllt zu sein.« So spielt die Betrachtung hier von dem übernatür- lichen Gegenstand auf übernatürliche Formen hinüber, von einer sehr stilisierten Behandlung in ein phantastisches Modeln an den Natur- formen. Und so lassen sich noch andere Punkte zeigen, wo Winckel- manns Gedanken wieder an dem scheinbar so fest gezogenen Grenz- kordon des Naturalismus zerren.

»Polyklet, ein erhabener Dichter in seiner Kunst, suchte die Schön- heit seiner Figuren über das wirklich Schöne in der Natur zu erheben; daher seine Einbildung vornehmlich mit jugendlichen Formen be- schäftigt war, so daß er seinen Geist mehr in der geistigen Blüte des Apolls als in der Stärke des Herkules und in dem Alter eines Äskulap wird gezeigt haben.«

Das Greisenalter der Götter wurde durch einen jugendlichen Über- zug gleichsam verjüngt. »Im Juppiter,Neptunusundin einem indischen Bacchus sind der Bart, das ehrwürdige Haupthaar allein Zeichen des Alters, und es ist dasselbe weder in Runzeln, noch in hervorstehenden Backenknochen und in tiefen eingefallenen Schläfen angedeutet. Die Wangen sind nicht weniger völlig als an jugendlichen Gottheiten, und die Stirne pflegt sich dort gewölbter zu erheben, wodurch die sanfte Linie des Profils junger Schönheiten mehr gesenkt, und der Blick da- durch größer und denkender wird. Diese Bildung ist der Würdigkeit des Begriffs von der Gottheit gemäß, als welche keinen Wechsel der Zeit, noch Stufen des Alters annimmt, sondern wir müssen ein Wesen ohne alle Folge denken . . . Die Schönheit der Götter im männlichen Alter wurde in einem Inbegriff der Stärke gesetzter Jahre und der Fröhlichkeit, in den sanften Formen des schönsten Frühlings der Jugend gesucht.«

Aber nicht bloß verschiedene Lebensalter, auch Züge verschiedener

MYSTIZISMUS 241

Geschlechter wurden verschmolzen. Es gibt einen Punkt männlidier Jugend, in dem die Natur zwischen den Formen beider Geschlechter gleichsam unentschieden schwankt, und im Süden begegnet man nicht selten Jünglingsbildungen, in denen dieses Schwanken länger dauert, auffälliger ist als sonst. Und solche Gestalten, in denen die Natur selbst unentschlossen zu träumen scheint, ziehen Naturen wie Winckel- mann in ein träumerisches Sehnen, ähnlidi dem Zustand vor dem Er- wachen der Liebe, den Praxiteles in seinem Eros personifizierte, er selbst aber im Bacchus wiederfand, jenem schönen Knaben, »welcher die Grenzen des Frühlings des Lebens und der Jünglingsschaft betritt, bei welchem die Regung der Wollust wie die zarte Spitze einer Pflanze zu keimen anfängt, und welcher wie zwischen Schlummern und Wachen, in einen entzückenden Traum halb versenkt, die Bilder des- selben zu sammeln und sich wahr zu machen anfängt«.

Ob der eigentümliche Reiz, den solche Figuren auf ihn ausübten, für sein Formenurteil ein Glück war, ist die Frage. »In einigen jungen Helden haben sie sich so hoch in den Begriff der Schönheit erhoben, daß selbst das Geschlecht zweideutig ist.« Im Bacchus haben sie die Formen einer Jugend von längerer Dauer im weiblichen Geschlecht der Männlichkeit eines schönen Jünglings einverleibt und diese da- durch völliger (in den ausschweifenden Hüften), runder und zarter gebildet ... In seinem Gesicht zeigt sich eine »unbeschreibliche Ver- mischung männlicher und weiblicher schöner Jugend, und ein Mittel zwischen beiden Naturen, welches von einem aufmerksamen Betrach- ter empfunden wird«. Im Trattato preliminare (p. XLIf.) wird dieser Typus als die erhabenste Idee jugendlicher Schönheit bezeichnet und dem rein männlichen Jugendtypus geradezu vorangestellt.

Für Winckelmann hatte auch seine Verwandtschaft mit den Eunuchen- formen nichts Abstoßendes. Dies war der Geschmack des damaligen Welschlandes, wo die Kastraten der Oper für Männer, Weiber und Pfaffen oft Gegenstand wunderlicher Schwärmerei waren. Er be- schreibt ihre Bildung als eine mittlere Gestalt zwischen männlichen und weiblichen Gewächsen. Und so findet er endlich auch für die Hermaphroditen ein anerkennendes Wort, so sind sie ihm interessant als Beweis, daß die alten Künstler in der aus beiden Geschlechtern vermisditen Natur ein Bild hoher Schönheit auszudrücken gesucht

242 ROMISCHE ZEIT

haben; und dieses Bild war idealisch . . ., denn Hermaphroditen, der- gleichen die Kunst hervorgebracht hat, sind vermutlich niemals er- zeugt. Ja, er nennt die Hermaphroditen ein hohes Ideal.

Bezeichnend ist, daß der Dolmetscher hellenischer Plastik sich an einer Stelle wirklich die göttliche Schönheit eines Eros, »die ein Aus- fluß der Quelle der höchsten Übereinstimmung scheine«, durch den Vergleich mit der Erscheinung eines Engels veranschaulichte, dieses geschlechts- und charakterlosen Wesens, dem die christliche Kunst indes zuweilen eben jene träumerische Jünglingsanmut lieh (s. II, 32).

So ringt Winckelmann mit Vorstellungen und Worten, um aus- zudrücken, wie materielle Vielseitigkeit in der hohen Einheit des Um- risses verschwinde, Schwere im schwebenden Gang, Stoff in der Form, die wie ein Gedanke erweckt, wie mit einem gelinden Hauch geblasen scheine und mehr dem Gefühl als dem Gesicht offenbar werde.

»Mit solchen Begriffen wurde die Natur vom Sinnlichen bis zum Unerschajfenen erhoben, und die Hand der Künstler brachte Ge- schöpfe hervor, welche von menschlicher Notdurft gereinigt waren, Figuren, welche die Menschheit in einer höheren Würdigkeit vor- stellen, und Hüllen und Einkleidungen bloß denkender Geister und sinnlicher Kräfte zu sein scheinen. Sie erhoben sich in das Reich un- körperlicher Ideen und wurden Schöpfer reiner Geister und himm- lischer Seelen, die keine Begierde der Sinne erwecken, sondern eine anschauliche Betrachtung aller Schönheit wirken, denn sie scheinen nicht zur Leidenschaft gebildet zu sein, sondern diese nur angenom- men zu haben.«

»Die geistige Natur ist zugleich in ihrem leichten Gang abgebildet . . . Der Schritt des vatikanischen Apollo schwebt gleichsam, ohne die Erde mit der Fußsohle zu berühren.«

Ist aber die Vergöttlichung der Menschengestalt Vereinfachung: so kehrt die Theorie in ihrem supranaturalistischen Ende zu ihrem räum- lich-linearen Anfang zurück, von Plato zu Hogarth. »Will man von den Helden zu den Göttern hinaufsteigen, so geschieht dieses mehr durch Abnehmen als durch Zusetzen, d. i. durch stufenweise Abson- derung desjenigen, was eckigt und von der Natur selbst stark ange- deutet worden, bis die Form dergestalt verfeinert ist, daß nur allein der Geist in derselben gewirkt zu haben scheint.«

MYSTIZISMUS 243

Von den Engeln ist nur noch ein Schritt zu Gott, und so versteigt sich denn auch Winckelmanns Gedanke, Plato und Plotin nachklim- mend, »mit Betrachtung der von Gott ausfließenden und zu Gott zurückführenden Schönheit beschäftigt«, zuletzt zu dem Satze: «die höchste Schönheit ist in Gott, und der Begriff der menschlichen Schön- heit wird vollkommen, je gemäßer und übereinstimmender derselbe mit dem höchsten Wesen kann gedacht werden, welches uns der Be- griff der Einheit und Unteilbarkeit von der Materie unterscheidet. Dieser Begriff der Schönheit ist wie ein aus der Materie durchs Feuer gezogener Geist, welcher sich sucht ein Geschöpf zu erzeugen nach dem Ebenbild der im Verstand der Gottheit entworfenen ersten ver- nünftigen Kreatur«.

Er nennt die Schönheit auch »den höchsten Vorwurf nach der Gottheit«.

Ist nämlich die Gottheit nach Plotins Lehre die höchste Einheit, könnte man sich in ihr die ganze Mannigfaltigkeit weltlicher Wesen verschmolzen denken, wie sie ja nur ein Überströmen ihrer Fülle sind: so ließe sich nach jener Definition der Schönheit dem Satze wohl ein Sinn abgewinnen, »daß die höchste Schönheit in Gott sei«. Ein Analo- gon bietet er uns in einem Vergleich. »So wie die Seele als ein ein- faches Wesen, viele verschiedene Begriffe auf einmal und in einem Augenblicke hervorbringt, ebenso ist es auch mit dem schönen jugend- lichen Umrisse, welcher einfach scheint und unendlich verschiedene Abweichungen auf einmal hat.« »Ich schlug«, sagte er 4°, »mein Auge nieder vor dieser Einbildung (nämlich die Schönheit, welche den großen Künstlern erschien, geschaut zu haben), wie diejenigen, denen der Höchste gegenwärtig erschienen war, weil ich diesen in jener zu er- blicken glaubte. Ich errötete zugleich über meine Zuversidit, die mich erdreistet hatte, in die Geheimnisse derselben hineinzuschauen und von dem höchsten Begriffe der Menschlichkeit zu reden.«

40. [Werke (Eiselein) IV, 46.]

Kritik der Schönheitslehre

Graf Caylus bricht einmal aus gegen die Systeme, diese Krankheit des menschlichen Geistes, hervorgerufen und unterhalten durch schran- kenlose Selbstliebe, und beschreibt ihre Symptome in unheimlicher Weise. Er spricht im Sinne dieses philosophisch-antiphilosophischen Jahrhunderts, das verständige Trockenheit und Doktrinarismus fort- während anreizte, Systeme aus- und sich in sie einzuspinnen, während doch skeptische Unbeständigkeit, Widerstreben gegen jede Abhängig- keit, Drang nach Neuem immer wieder trieb, jene Bauten nieder- zureißen.

In Winckelmanns geistiger Ausrüstung war gewiß die Gabe der Systemerfindung keine der hervorragendsten. Die Systemmacher, mit denen er zusammengetroffen war, hatten ihn wenig erbaut. Ihm fehlte Übung und Neigung, seine Gedanken und Einsichten in Form von Schlußketten den Lesern aufzunötigen; aber auch jener Heroismus freiwilliger Blindheit gegenüber den Tatsachen, die nicht ins System passen. Er wäre nicht imstande gewesen, sich den Blick in die Breite der Kunstwelt, das Schöpfen aus ihrer Fülle durch ein System ver- kümmern zu lassen. Dennoch, da ja Gegensätze sich suchen, und man oft schätzt, was einem schwer wird, so sehen wir auch Winckelmann oft von einem System reden, seinen Ehrgeiz im Aufbau eines Systems der Schönheit, der alten Kunst suchen.

Das, was er zustande gebracht, bringt uns sein Lob des Empedokles in den Sinn und dessen zwei Prinzipien der Bewegung, Ares und Aphrodite, durch die alle Dinge entstanden sind. Auch hier bemerkt man einander entgegenlaufende Kräfte, einen verkettenden, verengen- den, austrocknenden Systemgeist, und eine erweiternde, belebende und nährende Erfahrung. Die nädiste Zeit fühlte sich freilich gerade von jenem angezogen.

Die Natur— das waren etwa die Einflüsterungen des Systemgeistes strebt in der Bildung des Menschen nach einer vollkommenen Form, die in dem Intellekt des Schöpfers vorgezeichnet ist. Aber sie sieht sich durch eine widerstrebende Materie gehemmt; sie kommt ihrem plasti- schen Urbild nur stückweise nahe. Ihr Werk nimmt auf und vollendet der Menschengeist, der in der Kunst die Mängel der Natur ergänzt,

KRITIK DER SCHÖNHEITSLEHRE 245

indem er vermittels Geschmack und Wahl die in der Natur zerstreuten schönsten Teile sammelt und ein vollkommenes Schöne daraus bildet, das Ideal. Die Kunst schaltet dabei mit der Natur vollkommen frei, in Trennen und Zusammensetzen, Entziehen und Hinzufügen, Dämpfen und Betonen. Sie komponiert aus Stücken der Individuen ein neues Wesen. Sie erlaubt sich mancherlei Teile der Oberfläche zu beseitigen. Ihr Tun erscheint weniger als Schaffen, denn als Wegnehmen; keine lebengebende Kraft ist es, sondern eine formende, begrenzende. Sie folgt in der Zeichnung dem abstrakten Gesetz einer Linie, die in der- selben Weise und aus demselben Grunde für menschliche Glieder und für Vasen gültig ist. Sie vermischt Eigenschaften verschiedener Lebens- alter und Geschlechter, sie verwertet Formen, die Folgen einer Ver- stümmelung sind. Ihre Ideen und Inspirationen vollends stammen aus einer ganz anderen Region als der Natur. Das Schöne, das sie so ge- winnt, ist eins, wie die Gattung, wie die Idee des Menschen im Schöpfergeist, wie die Wahrheit und die Tugend eins ist. Der Kunst sind freilich Individuen, besondere, wenn auch zum Teil poetische Wesen darzustellen übergeben; und diese Personen sind in mehr oder weniger aufgeregter Handlung begriffen. Aber Personen und Hand- lung sieht die Kunst nur als Gelegenheit, uns ihre Idealform vor- zuführen, Ausdruck und Charakter gesteht sie Bürgerrecht nur zu, so- weit sie mit Schönheit sich vertragen. Schönheit steht über Wahrheit des Charakters, über Ähnlichkeit des Bildnisses, über Lebendigkeit der Handlung. Die Schönheit, die nur eine ist, ist nämlich auch ihrer Form nach Einfachheit und Einheit, d. h. Auflösung der Konturen in einen Linienfluß, zwischen dessen Kurven sich keine Grenzen angeben lassen. Diese Linie ist geometrisch unbestimmbar, aber doch sehr be- stimmt. Jede Abweichung von ihr würde das reine Licht der Schönheit trüben. Daher sind Individualität, Charakter, Affekt, und was sonst zur gemeinen Natur gehört, Übel, die der Künstler soviel als möglich unschädlich zu machen hat, weil sie jene Schönheitslinie nur verwirren können. Er wird sie also dämpfen, auf leise Andeutungen herabsetzen, oder gänzlich ausschließen. Nur hie und da bedient er sich eines bescheidenen Zusatzes, um die Monotonie des idealen Olymps der menschlichen Schwachheit zuliebe etwas mannigfaltiger und inter- essanter zu machen. Aber das Höchste ist die Stille der Gottheit, oder

246 RÖMISCHE ZEIT

die heroische Niederkämpf ung der inneren Empörung. Grazien, Parzen und Furien bequemen sich, in der Kunst unter derselben Gestalt zu erscheinen; eine Jugend umkleidet Männer, Jünglinge und Greise; die höchsten Bilder jugendlichen Heldentums lassen selbst den Unterschied des Geschlechtes zweideutig. Denn auch die Zweiheit des Geschlechts- charakters wird der Einheit des Ideals zum Opfer gebracht. Der Triumph der Kunst ist nicht, wie es bisher bei Alten und Modernen hieß, daß ihre Gestalten wahr, lebensvoll, atmend, in Bewegung, Fleisch und Blut seien, sondern »wie reine Geister und himmlische Seelen«, die gleich den müßigen Göttern Epikurs in ihren Intermundien kein Blut haben, sondern »gleichsam Blut«, und uns in einen sanften Traum der Entzückung versetzen.

Allein die Anschauung, der Blick in die wirkliche Kunstwelt war bei diesem Manne viel zu mächtig, als daß ihn jenes System hätte ver- leiten können, irgend etwas Bedeutendes zu verkennen oder etwas Gesehenes zu verschweigen. Er war das Gegenteil von denen, die Ge- danken und Tatsachen nur auftreiben und zusammenraffen, um ihr Schema auszufüllen, um ihrem schnöden Ziegelbau mittels Stuck, Tünche und Wasserfarben ein vornehmes Ansehen zu geben. Er ge- hörte zu den Köpfen, die jeden Punkt, den sie angreifen, so lebhaft ergreifen, daß sie zur Zeit übersehen, wie ihm sein Raum durch andere bestritten und beschränkt wird. Sie überlassen es der Folge, wie er sich mit jenen anderen Punkten auseinandersetzen werde, denen sie an ihrem Ort dieselbe Hingebung widmen. Was er auch vorhat, immer scheint er an dem dominierenden Punkt des Ganzen zu stehen.

Ja, die Schönheit ist eine, und einem höchsten, sich immergleichen Begriffe werden sich alle Gestalten nähern; die Künstler sollen ihre Bilder von allen persönlichen Neigungen reinigen; und je näher sie ihrem Ziele kommen, desto mehr werden ihre Gesichter unberührt sein von Empfindung, in göttlicher Stille.

Aber Aktion ist das erste, das zweite und das dritte Erfordernis in der Kunst. Schönheit ohne Ausdruck ist unbedeutend. Die Köpfe der Götter sind nicht weniger kenntlich charakterisiert, als Bildnisse histo- rischer Personen sein würden.

Das Geheimnis der Schönheit liegt in der Linie, deren Zug durdi Bilder vom Seestrand, aus der Glashütte veranschaulicht wird. Ihr

KRITIK DER S CHONHEITS LEHRE 247

Werdeprozeß ist eine Kette von Wechseln dieser Linie. Aber was die Kunst durch solche Linien hervorbringt, ist ein übersinnliches: »reine Geister und himmlische Seelen«. Sie fällt nicht unter Zahl und Maß; und doch sind Proportionen das Grundgesetz der Schönheit und die Ursache des Gemeinsamen in der alten Kunst bis zu ihrem Erlöschen.

Die Natur ist im einzelnen über die Kunst und im ganzen, v^^enn auch selten, ihr gleich; die Kunst nähert sich der Vollkommenheit, in- dem sie sich der Natur, ihrem Quell und Ursprung nähert und selbst- gemachten Regeln und System absagt; doch bleibt das höchste Ziel der Dichter in der Kunst: »über die Natur erhabene Körper« darzustellen.

Niemand v^^ußte besser, daß die Natur das ewig unerreichte Muster der Nachahmung sei, von dem die Kunst das Auge nicht abwenden kann, ohne zu straucheln, vor der sie auch nach den höchsten Erfolgen ihre Schülerschaft bekennt. Aber ebenso fest stand ihm, daß die Kunst dem menschlichen Geist und seinen Ideen Ausdruck leihe, Ideen, die nicht aus der Natur stammen, und daß sie die Naturformen wie Töne zusammendichtet zu Schöpfungen, von denen sich ebenfalls keine Originale in der Natur finden.

So nähert er sich also seinem Problem von allen Seiten. Jede Ansicht kommt zu ihrem Recht, die räumlich-sinnliche, die mathematisch- meßbare, die ideal-poetische, die sittliche, die mystische, die naturali- stische und die historische. Dennoch bleibt das Gefühl, daß noch ein unerkannter Rest übrig sei, daß alle diese Begriffe und Bilder zusam- men den Gegenstand nicht decken. Denn die Kunst ist ein Unendliches. Sie bleibt eines der großen Geheimnisse der Natur, auf einen mathe- matisch deutlichen Begriff verzichtet er.

Jene Sätze scheinen sich schwer miteinander zu vertragen; aber sie sind nicht widersprechender als Leben und Kunst selbst, die, wie sie im Schaffen alle Teile der menschlichen Natur beschäftigt, so auch mit Werkzeugen aller Art begriffen werden muß.

Das aber, dem Winckelmann eigentlich zustrebte, war die Erkennt- nis griechischer Plastik. Der Gegenstand war ihm letzter Zweck, ihn zu durchdringen in jeder Beziehung, genießend wie erkennend. Alle eigentümlichen Züge seiner Lehre sind Beobachtungen griechischer Kunst entsprungen. Die Richtung ihrer höchsten erfinderischen Kraft auf Götter, übermenschliche Wesen; jene Vermählung der Begei-

248 RÖMISCHE ZEIT

sterung für sinnlich schöne Formen mit religiöser Andacht: die Idealität, dem griechischen Sinn für harmonische Ganzheit des Lebens im Gegen- satz zu banausischer Einseitigkeit verwandt; das von den Neueren oft beneidete Naturgefühl, gegründet auf die schönste Menschenart und die reichste Gelegenheit der Beobachtung; die philosophische Beson- nenheit beim Betreten des stürmischen Gebietes des Seelenlebens; endlich die Linie die Bewunderung, das Studium und die Ver- zweiflung neuerer Bildhauer seit Michelangelo das alles waren griechische Züge, die freilich mit dem Anspruch der Allgemeingültig- keit verkündigt werden konnten.

Von der Malerei der Alten

Im Kapitel von der Griechen Kunst steht auch ein Stück (das fünfte) unter diesem Titel. Das Werk würde wenig verloren haben, wenn es weggeblieben wäre; es war nicht nur überhaupt unbedeutend, sondern auch mit Makeln behaftet, die dem Verfasser später die Freude an dem ganzen Buche nahezu vergällten. Schon in der Dresdner Sdirift war ein Abschnitt über die Malerei, der als der am wenigsten glück- liche betrachtet werden konnte. Es schien geschrieben zu stehen, daß hier eine zweite Auflage jener lahmen Episode folgen solle.

Hatte Junius mit Stellensammlungen zur Pictura veterum einen Foli- anten gefüllt, »an dem die Kunst geringen Anteil hatte«: so wollte er nun sidi ganz auf Angeschautes gründen. Die Zeit schien gekommen. Freilich wird uns die hellenische Malerei in den herkulanischen Wand- gemälden durch späteDekorationsmalerübermittelt.Dahieß es inKopien dritter Hand Grundlinien jener untergegangenen Originale erkennen.

Etwas der Art scheint ihm vorgeschwebt zu haben. »Von der Malerei der Alten können wir zu unseren Zeiten mit mehr Kenntnis und Unterricht, als vorher geschehen konnte, urteilen und sprechen, nach viel hundert im alten Herculano entdeckten Gemälden. Bei dem allen müssen wir beständig . . . von dem, was dem Augenscheine nach nicht anders als mittelmäßig hat sein können, auf das Schönste schließen, und uns glücklich schätzen, wie nach einem erlittenen Schiffbruch, ein- zelne Bretter zusammenzulesen.« Nach einigen Notizen über die in

VON DER MALEREI DER ALTEN 249

Rom seit einem Jahrhundert aufbewahrten Gemälde kommt er also auch auf die herkulanischen zu sprechen, aber nur, um uns seine Reise- notizen vorzulegen. Die eingehende Beschreibung des Inhaltes (nicht der Kunst) der 1761 gefundenen schönen Tafeln steht da als ein Bei- spiel für die Regel, »man solle sdireiben, oder nicht, was wir wünsch- ten, daß die Alten geschrieben oder nicht geschrieben hätten« (Mitte September 1757). Sonst aber hat er, statt zu Vermutungen über die Vergangenheit aufzusteigen, nicht einmal für jene spätere Malerei eine Charakteristik in Angriff genommen. Zu dieser Aufgabe stehen Ver- zeichnisse und Miszellen in keinem Verhältnis.

Das Schlimmste aber in dem Kapitel waren die Nachrichten von den soeben in Rom aufgetauchten, die herkulanischen noch verdunkelnden antiken Gemälden, deren eines Mengs und die anderen Casanova fabriziert hatte. Vom Ganymed stand geschrieben, »daß desgleichen niemals noch bisher gesehen worden«, daß der Knabe »ohne Zweifel eine der allerschönsten Figuren sei, die aus dem Altertum übrig sind«; die von Casanova schienen ihm »aus der Kleidung« die ältesten von allen alten Gemälden zu sein. Er erzählt des breiteren die ihm auf- gebundene Geschichte von ihrem Entdecker, »dem Ritter Diel von Marsigny aus der Normandie, weiland Leutnant von den Garde- Grenadiers des Königs in Frankreich, der sie heimlich von der Mauer abnehmen ließ und diesen seltenen Schatz in vielen Stücken nach Rom brachte ... Er starb plötzlich im Monat August 1761, ohne jemandem von seinen Bekannten den Ort der Entdeckung eröffnet zu haben, welcher noch itzo, da ich dies schreibe (April 1762) unbekannt ist . . . Nach dessen Tode hat sich in einer Quittung von 3500 Scudi gefun- den, daß derselbe aus eben dem Orte drei andere Gemälde weggeholt« usw. Zwei Stiche nach den beiden ersten, drei Tänzerinnen und drei Töchter des Kekrops, die sich vor Pallas wegen ihrer Neugier ent- schuldigten, zieren den Anfang des fünften Stückes: das Quarto des Buches reicht knapp für die Platten. Er hatte »sich das Geld vom Munde abgezogen«, um seinem Werke diesen seltsamen Zierat zuzu- wenden, — ein Denkmal, solange seine Kunstgesdiichte existiert, wie er einst auf diesen welschen Klippen festfuhr.

Und doch konnte er sich aufgefordert fühlen, in diesem Punkte Vor- sicht zu gebrauchen, da er einige Jahre vorher einen freilich plumpen

k

250 ROMISCHE ZEIT

Betrug der Art selbst mit zuerst erkannt hatte. In der Mitte der fünf- ziger Jahre war ein mittelmäßiger venezianischer Maler Giuseppe Guerra (gest. 1761, le plus fameux faussaire de nos jours nennt ihn Paciaudi) mit alten Gemälden aufgetreten; er hatte nicht nur den Eng- ländern und Deutschen (z. B. der Markgräfin von Bayreuth vier), son- dern auch dem Pater Contucci für das Kirchersche Museum eine ganze Anzahl (40) verkauft; diese waren wunderbarerweise zum Teil noch 1867 dort zu sehen. Als Winckelmann nach Rom kam, waren diese Jesuitengemälde ein Thema antiquarischer Unterhaltungen. Sie waren nicht bloß ohne Bekanntschaft mit alten Gemälden, sondern auch ohne einen Gedanken an Betrug gemacht worden; nach Fea sind es Dekora- tionsbilder aus dem sechzehnten Jahrhundert, die Guerra von einer erlittenen Überweißung gereinigt hatte. Der verwundete Epaminondas, »eine lange abgezehrte Figur im Stil des Giotto« (!), wird von Sol- daten in eisernen Rüstungen aus der Schlacht getragen; überhaupt sind die Figuren spillenmäßig langgezogen. Bei einem Tiergefecht stützt sich der zusehende Kaiser auf den Knopf seines bloßen Degens. Contucci, der diese seine Kleinode nur aus besonderer Gefälligkeit zeigte, behauptete, sie seien aus Sizilien, ja von Palmyra hergebracht worden. Paciaudi erzählte Winckelmann, sein Meister Apostolo Zeno habe solche Fälschungen eines zu seiner Zeit berühmten Venezianers, Pietro Fondi, besonders bei Vasen, benutzt, um seine Schüler an die Unterscheidung des Antiken und Modernen zu gewöhnen. Baldani zuckte die Achseln: »ich weiß nicht, was ich Ihnen sagen soll; zuweilen muß man aufs Wort glauben und nicht gar zu tief die Altertümer und die Geheimnisse der Jesuiten untersuchen wollen« (an Bianconi, 22. Juli 1758). Winckelmann kam durch die Aufdedcung dieses Be- truges etwas mit dem Collegio Romano auseinander.

Guerra, durch seinen Erfolg aufgeregt, versuchte nun selbst, falsche Freskobilder herzustellen, wobei er die inzwischen veröffentlichten herkulanischen, z.B. den Chiron, genau nachahmte. Es verbreitete sich das Gerücht, diese Bilder seien aus Herculaneum gestohlen; man hatte welche nach Neapel geschickt; dort arbeiteten zwei Genueser Brocanteurs mit Hilfe des Goldschmiedes Gropalesi in diesem Fache; ganze Sendungen gingen nach Frankreich. Der neapelsche Hof beauf- tragte (Ende 1757) seinen römischen Gesandten mit Untersuchung

VON DER MALEREI DER ALTEN 251

der Sache. Der Duca di Cerisano erhielt Weisung, die Gemälde anzu- kaufen (er bot hundert Scudi für vier) und sich von Guerra eine Er- klärung über seine Fälschung zu verschaffen, damit der Betrug ver- öffentlicht werden könne. Karl III. wollte nicht, daß jemand glaube, es seien irgendwo anders als bei ihm Gemälde ausErcolano, und eben- sowenig daß, wie Guerra behauptete, bessere alte Gemälde als jene existierten. Der Gesandte hätte am liebsten den Maler verhaften las- sen, dazu aber konnte er die Zustimmung des Staatssekretärs nicht erhalten; doch bekannte Guerra seine Urheberschaft und erbot sich, ein neues Bild nach einem ihm aufgegebenen Stoff zu liefern; auch übergab er seine drei Imitationen Archinto. Cerisano verlangte nun bei jenem Experiment einige Sachverständige als Zeugen, unter dem Vorwande, man wünsche Guerras Befähigung zur Restauration und Firnissung der neapelschen Gemälde, die sehr gelitten hatten, zu prüfen, aber dies verweigerte Guerra, weil er dann sein technisches Geheimnis verraten würde. (Er verstand den Überzug [tartre] nachzumachen, mit dem die Gemälde sich unter der Erde bedeckten, und die Farben durch Schmergelpulver zu fixieren.) Nicht einmal der Kauf der Ge- mälde kam zustande, weil Archinto die Geheimhaltung des Betruges wünschte, damit Guerra, der hiervon lebe, keinen Schaden habe ! Der König von Neapel verlangte, daß in des letzteren Quittung stehe, da esso dipinti con particular segreto ad effetto di fargli apparire antichi, während die Römer bestanden auf: c. p. s., essendosi ingegnato quanto ha potuto d'imitare l'antico; worüber Cerisano schreibt, er fasse nicht, wie man eine solche Gaunerei verteidigen und verbergen wolle colle protezioni Eme. Und so verlief die Sache im Sande. Noch im Jahre 1760 kaufte ein Engländer solche Gemälde für 600 Scudi.

Also, war es denn mit Winckelmanns Kennerschaft wirklich so be- stellt, wie sein alter Freund Heinecken eben aus diesem seinem Unglück folgerte? Waren seine Kriterien des Antiken so unzulänglich? Hier waren Werke von Leuten, die er täglich den Pinsel führen sah, ge- macht in der Absicht zu täuschen, also jedenfalls minderwertig. Genügte ein geradliniges Profil, archaistischen Reliefs nachgepinselte Falten und ein mit Hilfe eines belesenen Abate aufgetriebener Mythus, um ihn in Entzücken zu versetzen? Aber wer kennt nicht die Macht des Vorurteils in solchen Urteilen! . . .

b

252 RÖMISCHE ZEIT

Wenn ihn diesmal das warnende Dämonium im Stiche Heß, so war darin eine Nemesis. Er, der die italienische Malerei so gern meisterte und ihre Sündenregister zusammenstellte, sollte nun selbst einmal als armer Sünder dastehen.

Sprache und Stil

Winckelmann hatte sich vorgesetzt, in der Kunstgeschichte nicht nur die Blüte seiner Forschungen alter Kunst zu vereinigen, sondern auch die Schönheit der Gedanken und der Sprache aufs höchste zu treiben. Daß er dieses wollte und vermochte, dem verdanken seine Werke ihre Dauer:

Auch das Beste, was Ihr bildet, ist ein ewiger Versuch,

Nur wenn Kunst es adelt, bleibt es stereotyp im Zeitenbuch.

Die Beherrschung der Sprache zeigt sich auch in der Geschmeidig- keit und Verwandlungsfähigkeit seines Stils. Er hat für jede Sache und für jede Person eigene Linien und Farben. Seine Briefe sind wahre Briefe, sie haben vor allem die Haupttugend des Briefes: Unmittel- barkeit. Sie sind voll vom Augenblick und der Person, die ihm vor- schwebt, und soweit als möglich entfernt von der Zeit- und Raum- losigkeit der Abhandlung. Schon ihre Indiskretion und Nachlässigkeit beweist, daß er nicht an eine mögliche Verbreitung dachte. Was er plauderte, wäre ihm so fatal gewesen, an die Öffentlichkeit gebracht zu sehen, daß er bei dem einzigen Fall, der zu seinen Ohren drang, sich vornehmen wollte, alle Korrespondenz mit Deutschland abzu- brechen. Daher sind die Briefe der Spiegel seines Inneren, d. h. im Augenblicke und im Verhältnis zu jener Person; also der wechselnden Oberfläche, nicht der unbeweglichen Tiefe seines Inneren. Aus ihnen sdiöpfen wir die für den Biographen wertvollen Züge, die uns ihn als Menschen in seinen Schwädien und edlen Regungen malen. Die Naivität, mit der er sie verrät, erinnert an seinen liebenswürdigen Montaigne. Es ist nidit zu streiten mit denen, die solche Menschlich- keiten nicht vertragen können, als kleinliche Herabziehung großer Männer (wahrscheinHch weil sie selbst deren Berührung nicht ver-

SPRACHE UND STIL 253

tragen würden), und die von Heroen nur geredet haben möchten, wie in Lobreden an Schulfesten. Aber auch das Hchteste Bild gewinnt durch kleine Schatten nicht nur Wahrheit, sondern auch Leben und Relief.

Diese Briefe, der treue Spiegel seiner inneren Regungen, mit ihrer Ablagerung seiner neuesten Einfälle und Projekte, seinen Wechseln von ZärtHchkeit und Empfindlichkeit haben vor anderen von ähn- licher Unmittelbarkeit voraus die Fülle und das Interesse des Inhalts. Nicht zwar des gelehrten, aber der Züge zum Bilde seiner Zeit. Der Verfasser hatte Gelegenheit, dies abzuschätzen, als er sich auf italie- nischen und deutschen Bibliotheken und Archiven über römische Dinge zu unterrichten suchte und das Gewonnene mit der Ausbeute dieser Briefe verglich. Ihr Wert liegt in der Unbefangenheit eines Mannes, der der Heimat weit entrückt ist, und dessen Briefe für die, mit denen er zu leben hat, so gut wie nach dem Mond gesdirieben sind.

Auch in diesen flüditigen, am Posttag eilig hingeworfenen Blättern nun ist es merkwürdig, wie er für jeden seinen Ton hat. Mit den Schul- kameraden ist er der alte, familiäre, wie in der Studentenzeit, er plau- dert von seinen Ehren, seiner Schlauheit, seinem Glück, wie man mit Leuten spricht, vor denen man kein Geheimnis haben kann, und denen man doch zeigen möchte, wie man's so herrlich weit gebracht; hier schreibt er wohl, wie er sprach. Zärtlich leidenschaftlich, in einer mit Poesie gesättigten Sprache sind seine Nachruf e an jugendliche Freunde; gewählt, bilderreich, kunstvoll schreibt er etwa an einen Dichter; eine gleichmäßige, sanfte Wärme, einen getragenen Ton bemerkt man gegenüber dem spät erworbenen Freund, mit dem er sidi in Überein- stimmung weiß auch in Dingen der Empfindung. An andere Genossen, denen er sich dort in Florenz und Rom ganz aufgeschlossen hat, die seine Andeutungen verstehen, und von denen er nicht zu besorgen hat, daß sie ihn mißverstehen, schreibt er sachlich, eilig, sans fagon; fernerstehenden Respektspersonen möchte er mit reichlichen Nach- richten aufwarten und selbst einigermaßen zu seinem Vorteil erscheinen.

Auch wenn er von Kunst und Altertum lehrend schrieb, hatte er mancherlei Tonarten. Die Farbe derFrisdhe und Unmittelbarkeit haben am meisten seine Berichte über Funde und Ausgrabungen, wie die von Herculaneum; das Entzücken, das solche Ereignisse in dem Altertums- freunde entzünden, klingt nach in den Superlativen, die sich stets über-

254 RÖMISCHE ZEIT

bieten. In den Briefen an Bianconi kommen als Salz hinzu die Anek- doten über Neapeler und anderen Unfug aller Art; dem Hofmann gab er etwas von den Gerichten der Memoiren und der Lästerdironik zu kosten. Die kleinen Aufsätze für die Monatsschriften sind ebenso flüchtig, aber doch für das Publikum hingeworfen worden. Sie geben uns eine Vorstellung, wie er als Cicerone Roms Denkmäler erklärte, solchen Fremden gegenüber, wo ihm die Mitteilung des Besten, was er hatte, der Mühe wert schien. Schneidend, wegwerfend, derb ist er gegen die Modernen. Diese Blätter sind ein Spiegel jener eigenen gei- stigen Regsamkeit, die nur in Rom sich entwickelt, wo Denken, Ge- lehrsamkeit und Anschauungen des Alten und des stets Neuentdeckten sich gegenseitig beleben und erfrischen.

In der Kunstgeschichte, besonders in der letzten Redaktion, sind viele solche Miszellen enthalten. Aber in dem Kern des Werkes stand seine Redeweise nicht unter Einfluß der Vergegenwärtigung bestimm- ter Leser. Wo hätte er diese auch finden sollen? In die höheren Klassen, an die Höfe, wo nur französische Literatur galt, hoffte er kaum hinauf- zudringen. Ebensowenig unter die Gelehrten, die er für stumpf hielt in Dingen der Kunst. Erst nach der Vollendung des Buches lernte er persönlich, brieflich und durch Hörensagen Leute kennen, die jenem, ihm in Deutschland verborgen gebliebenen, nun rasch sich mehrenden Kreise angehörten, für den die erwachende Nationalliteratur existierte, und den sie sich schuf.

Das Publikum, das er im Auge hatte, war zunächst ein ideales, »die Nachwelt«, später erst fand er einige lebende Vorläufer dieser Nach- welt. Weit mehr aber formte seinen Stil der Gegenstand: dessen wür- dig zu schreiben, war sein Trachten, und sein Stil sollte stehen auf der Höhe, in der die Werke der griechischen Plastik schweben, diese selbst haben ihm die Zunge gelöst. Die zeichnende plastische Beschreibung räumlicher Formen, die ahnungsvolle Nachbildung des Gedankens, der hinreißende Ausdruck der durch sie erregten Empfindung, alles steht ihm in gleicherweise zu Gebote. Die Verschmelzung von Schwung und Kunst, Begeisterung (^eia ^xavia) und Besonnenheit (awcppoauvT]) er- innert an Piatos Reden.

Ungleich mehr Raum als die Beschreibung nahm die Lehre ein. Er will uns das System der alten Kunst geben, nach dem Sinn der alten

SPRACHE UND STIL 255

Künstler. Dies hielt er für das Schwerste und Höchste. Seinen Sätzen merkt man an, daß sie die reife Frucht andauernder Meditation sind, der Funke, der aus einer Menge Anschauungen hervorschlug. Diese Reife des Gedankens samt dem (für damalige Verhältnisse) Reichtum des Apparats gaben ihm das Recht zu positivem Ton. Er drückt sich so knapp und lakonisch aus wie möglich; diese Sätze sollen sich als blei- bender Besitz dem Gedächtnis einprägen, wie die Aphorismen des Hippokrates. »Wer die weite Reise zur Nachwelt vor hat . . . muß leicht sein, um den langen Strom der Zeit hinabzusdiwimmen«, sagt Schopenhauer. Er liebt das Sentenziöse, Kategorische viel mehr, als die logische Verkettung der Gedanken; seine Sätze waren ja auch nicht durdi Schlüsse gefunden, sondern aus Erfahrungen gewonnen, die er den Lesern nicht geben konnte: sie mußten ihm glauben und ver- trauen. Weit entfernt, ihnen entgegenzukommen, durch dialektische Vorbereitung oder herablassende Verdeutlichung, nötigt er, seinen Sätzen nachzusinnen, ihre Bedeutung zu suchen. Er spricht als Mei- ster und gibt zu verstehen, daß man von ihm zu lernen und nur zu lernen habe. Was er sagt, auch die Regeln, war stets das Bild einer gegenwärtigen Sache, selten verstieg er sich auf Leitern der Dialektik in die Region willkürlicher Begriifserzeugung. Was man ihm überall anfühlt, ist das Bewußtsein vom unendlichen Wert des Inhalts, und von der Bedeutung dessen, was er mit solchem Ernst über ihn erforscht. Daher gibt es wenige Schriften, die bei aller Gewähltheit des Aus- drucks so wenig von Eitelkeit, so viel Weihe haben. Er denkt mehr an die Dinge, als an die Menschen. Es ist etwas von dem feierlichen Ernst des Propheten. Sein Meisterstolz ist etwas anderes als der Gelehrtendünkel, der sich auf stoffliches Mehrwissen, Handhabung des Handwerkszeugs und des Rotwelsch der Schule gründet. Er konnte wie Empedokles zugleich als Forscher und Seher seine Lehren aus- sprechen.

Aus diesem Grunde hielt er sich auch frei von Polemik. Denn die gelegentlichen kurzen Zurechtweisungen greifen in die Erörterung der Sache wenig ein, sie sind mehr eine augenblickliche Herzenserleich- terung (wie ein kräftiger Fluch), als aus dem Bedürfnis entsprungen, sich mit anderen auseinanderzusetzen oder gar zu rechtfertigen. So tief er Angriffe empfand, so wenig Einfluß hatten sie auf seine Schrif-

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ten. Monatelang ging ihm wohl ein Gegner im Kopf herum, er sprach von scharfen Geschossen, die er auf seinen Bogen lege, aber was zu- letzt herauskam, war eine ruhig ablehnende Periode oder ein wohl- gezielter Stoß im Vorbeigehen. Er hielt es für unpassend, in einer Schrift von der Kunst und dem hohen Altertum mit Menschen ein Ge- spräch anzufangen, mit deren Gedanken die seinigen keine Berührung hatten, Sachen mit einer Erwähnung zu beehren, die er bereute, über- haupt gelesen zu haben.

»Winckelmanns Stil«, sagt Herder, »ist wie ein Kunstwerk der Alten. Gebildet in allen Teilen, tritt jeder Gedanke hervor und steht da, edel, einfältig, erhaben, vollendet, er ist. Geworden sei er, wo oder wie er wolle, mit Mühe oder von selbst, in einem Griechen oder in Winckelmann: genug, daß er durch diesen auf einmal, wie eine Minerva aus Jupiters Haupt dasteht und ist.«

Winckelmann liebte indes nicht den einfachen, planen, eigentlichen Ausdruck des schliditen Stils, dessen logische Köpfe sich bedienen. Wie auch in seinen italienischen und lateinischen Versuchen, strebt er vor allem nach Eigentümlichkeit des Ausdrucks bis zum Seltenen, Neuen. Sprichwörtliche, dialektische Wendungen liebt er, Bilder und Ver- gleiche, die durch nicht gewöhnliche, zuweilen nur durch Gelehrsam- keit mögliche Ideenverbindungen erlangt sind. Mit farbloser, wenn auch klarer Eigentlichkeit oder Allgemeinheit des Ausdrucks wäre er nicht zufrieden gewesen. So zusammenhängend er denkt, er möchte alle Glieder der Gedankenkette in Beispiele, Anspielungen, Bilder, Zitate kleiden. Wo er auf eine Idee Wert legt oder auf eine Person, an die er schreibt, kann man sicher sein, daß er in den figürlichen Stil verfällt. Nur sehr selten indes streift er ans Geschmacklose, Alexan- drinische.

Im Satzbau hat er den kurzen, raschbewegten, etwas französischen Rhythmus der Dresdner Schrift ganz verlassen. Vollwichtige Periodik, wie sie der griechisdien und der deutschen Sprache gemäß ist; der Vordersatz etwa das sorgfältig ausgeführte Bild, der Nachsatz die Sache; oder jener die Facta, dieser die Maxime, dort die Beweise, hier der Schluß.

Ein eigenes Los war ihm gefallen darin, daß er, als deutscher Schrift- steller, von dem lebendigen Gebrauch der Sprache, die er schrieb, fast

AUFNAHME DER KUNSTGESCHICHTE 257

ganz abgeschnitten, nicht einmal durch Lesen mit ihr in Fühlung bleiben konnte, und das zu einer Zeit, wo die Sprache in lebendiger Neubildung begriffen war. Er fühlte seine zunehmende Unsicherheit und dachte früh daran, italienisch zu schreiben. Für Kunstsadien wurde ihm das welsche Idiom geläufiger. Seine späteren Schriften und mehr noch Briefe wimmeln von italienischen Worten, Wendungen, Satzformen; ja sie klingen zuweilen wie aus dem Welschen übersetzt. Er selbst »schämt sich nicht zu bekennen, daß er seiner eigenen Mutter- sprache nicht in ihrem völligen Umfang mächtig sei, und daß es ihm an vielen Kunst- und Handwerkswörtern fehle, die er leichter im Welschen habe geben können« 41. Schlegel fand seine Prosa mehr ver- altet als die Lessings, obwohl in allen wesentlichen Stücken klassisch. »Wir sind arm«, sagt er, »an musterhaften Prosaikern, Winckelmann ragt unter den wenigen hervor. Einfadiheit und Strenge, eine gewisse altertümliche Würde, und besonders eine großartige Ruhe in der Be- geisterung sind die Tugenden seiner Schreibart. Daneben hat sie aber fast alle grammatischen Unvollkommenheiten, die sich nennen lassen: schielende Ausdrücke, ungeschickte Wortstellungen, schleppende Wort- fügungen, daraus entstehende Verworrenheit und überhaupt eine ge- wisse Steifheit und Unbeholfenheit.«

AufnahTfie der Kunstgeschichte

Im Jahre 1764 gab es schwerlich jemanden, der eine sachkundige Kritik der Kunstgeschichte zu schreiben imstande gewesen wäre. Man hatte vor allem aus ihr zu lernen: die wenigen, die den gelehrten Apparat zu prüfen sich für zuständig hielten, waren inkompetent für den noch wichtigeren monumentalen; auch vergaßen sie oder ver- schoben es oder achteten es für kleinlich und undankbar gegenüber dem betäubenden Eindruck des Neuen, das hier auf einmal dargeboten wurde. Wieviel kam hier zusammen! Der erste Versuch einer neuen Wissenschaft, und gleich ein solches Meisterwerk; diese Stimme mitten aus einer fremden, die Einbildungskraft beschäftigenden Welt! Man vergegenwärtige sich die Dürftigkeit der damaligen Prosaliteratur, bei

41. [Werke (Eiselein) II, 233; vgl. Briefe II, 147.]

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dem schon erwachten und in erster Linie der Nationalinteressen stehenden Wunsche, sie emporzubringen.

Daher die Freude, ein solches Originalwerk von einem Deutschen geschrieben zu sehen. »Es ist eine Ehre für Deutschland (sagt die Bibliothek der schönen Wissenschaften, XI, 41 ff.), daß einer unter uns aufgestanden ist, der zuerst etwas Systematisdies von der Kunst der Alten gehefert hat. Nicht nur uns, sondern auch den anderen Nationen, wo die Künste blühen, fehlte es an einem solchen Werk.« Auch die Leipziger Acta Eruditorum loben ihn, daß er sich der deutschen Sprache bedient und daß er sie, was bisher nur Hagedorn gelungen sei, dem Gegenstand gemäß spreche (ut lingua ipsa nitorem quendam et accomodatam artium subtilitati exprimendae formam induat). Zu allererst nehme jetzt ein Deutscher, inmitten der Nation, die im anti- quarisdien Fache allen voran sei, ja zu Rom selbst, in Gelehrsamkeit, Schönheitssinn, Scharf sinn, Urteil und Kennerschaft den obersten Platz ein; und könne, was er von den Italienern empfangen, diesen und den anderen Völkern schon mit neuen originellen Zutaten bereidiert zurückgeben. Auch die Göttinger sprachen in diesem Sinne. Klotz gestand, kein Werk aus der Denkmälerkunde von soviel Genie, Ge- lehrsamkeit und Geschmack zu kennen, er hält den Pedanten eine nützliche Predigt 42. Neben der Eleganz der Darstellung (auch die erste englische Stimme im Monthly Review rühmt, daß der gelehrte Autor vom Emporkommen und Fortgang der Künste in a very satisfactory and entertaining manner handle) imponierte anfangs am meisten die Gelehrsamkeit. »Man muß«, sagt die Bibliothek, »über die Belesen- heit, die sich allenthalben zeigt, erstaunen, und es den gelehrten Kenntnissen des Herrn Winckelmann unendlich Dank wissen, soviel zerstreute und bisher unbekannte Nachrichten mit dem mühsamsten Fleiße gesammelt zu haben.«

Herder hat sich in der ungekrönten Kasseler Preisschrift im Jahre

42. Eos, qui aut, quantus sit studiorum humanitatis ambitus, nesciant, quaeque non intelligant, ipsi magnifice contemnant, aut, quantum illud sit, se profiteri peritum et doctorem humanitatis, non capiant, tralatitia quadam et formularia doctrina contenti, diobolares suos de stilo Latino aut antiquis ritibus libellos paullisper de manibus deponere, atque hunc librum, nisi penitus cognoscere (nam hie sensus v'ix in istorum paedagogicum stuporem cadit), carte evolvere cupiamus etc. Acta lit. 1764 I. p. 336 ff.

AUFNAHME DER KUNSTGESCHICHTE 259

1778 in pindarisdiem Stil folgendermaßen geäußert. »Es gehörte Winckelmanns erhabner, kühner, kleine Mängel und Fehler völlig ver- achtender Genius dazu, an solch ein Werk nur denken, geschweige als Fremdling, nach dem Fleiß einiger wenigen Jahre Hand daran legen zu wollen, und siehe, gewissermaßen hat er's vollendet. In dem Walde von vielleicht 70000 Statuen und Büsten, die man in Rom zählet, in dem noch verwachsenen Walde betrüglicher Fußtapfen, voll schrei- ender Stimmen ratender Deuter, täuschender Künstler und unwis- sender Antiquare durch ziemlich lange Zeiten hinunter, endlich in der schrecklichen Einöde alter Nachrichten und Geschichte, da Plinius und Pausanias, wie ein paar abgerissene Ufer dastehen, auf denen man weder schwimmen, noch ernten kann; in einer solchen Lage derSadien ringsumher an eine Geschichte der Kunst des Altertums zu denken, die zugleich Lehrgebäude, keine Trümmer, sondern ein lebendiges volkreiches Theben von sieben Pforten sei, durch deren jede Hunderte ziehen; gewiß das konnte kein Kleinigkeitskrämer, kein Krittler an einem Zeh im Staube.«

Die Kritik heftete sich zuerst an den zweiten, schwächeren Teil. Die Mängel der philologisch-kritischen Methode und die Versehen waren es, die den deutschen Gelehrten zuerst einen Angriffspunkt und ihrem Bedürfnis des Durchkorrigierens Stoff darboten. Der erste, der dies unternahm, war der große Heyne in Göttingen. Seitdem Winckelmann auf seinen Vorschlag 1764 zum Mitglied der Göttinger Gesellschaft der Wissenschaften ernannt war (in einem Briefe vom 22. Dezember d. J. dankt er »für die Nachricht der ihm von der erleuchteten und berühmten Gesellschaft erzeigten Ehre, welches die erste öffentliche in seinem Vaterlande sei«), hatte er mit dem Göttinger Professor öfter Briefe gewediselt, ihm Nachrichten von Funden, epigraphische u. a. Miszellen mitgeteilt. Heyne war ihm aus Dresden als ein Mann von »munterem Geist« erinnerlich, er hoffte 1768 mit seiner ganzen Fröhlichkeit bei ihm zu sein, eine »sehnliche Wollust« nennt er dies Wiedersehen.

Am dankenswertesten erschien Heynes Aufsatz über die Kunst- epochen des Plinius, auf welche die Chronologie der Kunstgeschichte basiert war. Winckelmann, der sonst wohl wußte, daß Plinius »in dem, was die Kunst betrifft, kein Evangelist sei und vielmals nur vom

26o RÖMISCHE ZEIT

Hörensagen spreche«, hatte die Olympiaden seiner Künstlergruppen unbesehen für die Epochen der Hauptwerke oder solcher äußerer Umstände gehalten, unter deren Zusammenwirken die Plastik empor- gekommen sei. Heyne glaubte, daß die Chronisten, die Plinius bei seiner Kompilation ausschrieb, »die politischen Hauptbegebenheiten erst im Zusammenhang hintereinander erzählt, und nur da, wo der Verfolg der Sache Ruhepunkte darbot, die Namen großer Männer, welche um die Zeit gelebt hatten, eingeschaltet, daß seine Olympiaden also keine Kunstepochen, sondern Geschichtsepochen seien«.

Auch sonst machte Heyne manche richtige Bemerkungen über Winckelmanns Arbeiten, besonders deren Schwächen: die Freunde sind ja oft besonders geschickt, diese am Autor zu entdecken. Heyne wäre seinem Jugendfreund gewiß sehr nützlich gewesen, wenn er dessen schmutzige Wäsche besorgt hätte: durdi Kontrollieren und Komplettieren seiner Zitate, Verbessern seiner Gedächtnisfehler, Frage- zeichen neben gewagten Verallgemeinerungen. Er glaubte nun durch diese und andere Anzeichen unkritischen Verfahrens (oder der Eile, mit der Winckelmann jenen Abschnitt gearbeitet) zu dem Urteil be- rechtigt zu sein, »daß der ganze historische Teil wegen der unzähligen Unrichtigkeiten in großen und kleinen Sachen so gut als unbrauchbar sei«; er ging noch weiter, er sprach jenem selbst »die sonstigen Vorzüge deutscher Schriftsteller« ab, nämlich »Zuverlässigkeit und Festigkeit in Anführung der Nadirichten, Genauigkeit in Angabe der einzelnen Umstände, Vorsichtigkeit in Behauptungen, Mißtrauen bei allgemeinen Sätzen, die aus einzelnen Fällen gezogen sind, Bestimmtheit in den Zeiten, Personen und Lokalumständen«.

Während man also bisher geglaubt hatte, in ihm einen das gewöhn- liche Maß überragenden Schriftsteller zu besitzen, erfuhr man durch Heyne, daß er vielmehr unter dem Niveau dessen stehe, was als gemeine Tugend deutscher Gelehrten zu gelten pflegte. In diesen und anderen Urteilen ist eine durch die Sache nicht erklärliche Schärf e, eine berechnete, gerade den empfindlichsten Punkt, die moralischen Eigen- schaften, die Sauberkeit eines Forschers verdächtigende Härte des Ausdruckes, die unzweideutig eine geheime Abneigung verrät. Die Quelle wird nicht schwer zu finden sein. Der Blick des Neides sticht um so giftiger, je sorgsamer er sich verbergen zu müssen glaubt.

AUFNAHME DER KUNSTGESCHICHTE 201

Heyne leugnet nicht, »daß er sich lange über den Chor der blinden Verehrer geärgert habe, aber nicht den Mut gehabt, mit der Sprache herauszugehen. Daß es Winckelmanns Geschichte der Kunst des Alter- tums«, fährt er fort, »ein so klassisches Buch sie sonst ist, an historischer Richtigkeit fehle, bemerkte man freilich in der ersten berausdienden Bewunderung nicht; und kaum wagte ich es einige Zeit nachher, mit der Berichtigung einer Anzahl dieser Unrichtigkeiten aufzutreten«

(1770- Dazu kam die Verschiedenheit des Naturells. Heyne hält, wie es

scheint, nicht allzuviel von Begeisterung, Einbildungskraft, Beredsam- keit; Worte wie »Freiheit«, »erhabener Genius« gebraucht er wohl in ironischem Ton; ja er schreibt sich im Bewußtsein seiner Erhabenheit über jene Schwachheiten in ein solches Gefühl der Überlegenheit hinein, daß er von »Behauptungen des guten Winckelmanns« spricht. Auch Athen und Perikles, deren Vorstellung ja mit allen jenen Dingen verwachsen war, möchte er, wahrscheinlich Winckelmann zu gefallen, eins anhängen; er schließt seine Besprechung des Prozesses des Phidias mit der Reflexion, »wenn man bedenke, wie das wenige, was wir von dem ganzen Zeitlauf wissen, weder dem Phidias noch dem Perikles noch den Athenern sehr zur Ehre gereicht: wieviel lasse sich dann auf die Lobeserhebungen dieses Zeitalters und Athens rechnen, die mit so vieler Begeisterung und so großem Wortgepränge aufgeführt wer- den.« Er kommt sich weltklug vor, indem er mit der damals modischen Motivweisheit Winckelmanns Ätiologie der Kunst beanstandet. Dabei machte er manche richtige Bemerkungen. Freiheit könne höchstens als Ruhmbegierde Kunstgenies wecken; denn Freiheit könne auch ein untätiger, träger, »tämischer« Zustand sein, von vieler Unruhe und Bedrängnissen beengt werden. Wohlhabenheit und Prachtliebe seien die unentbehrlichen Bedingungen des Emporkommens der Kunst, nur daß man sie nicht für sich, sondern für den öffentlichen gemeinen Ruhm gebrauche. »Aber bei dem allen wird immer noch etwas gefor- dert, was die Prachtliebe auf Gebäude, auf Malerei und Bildhauer- kunst, und nicht auf Schauspiele und andere Lustbarkeiten richtet, etwas, was die Bemühungen erregt, Künstler erweckt, das Genie er- wärmt, Wettstreit veranlaßt, Aufmunterung gibt, und das ist weder Freiheit, noch Klima, nodi irgend etwas dem Ähnliches, es ist immer

202 RÖMISCHE ZEIT

etwas sehr Zufälliges, ein Hof, ein Fürst, eine Mätresse, ein Minister, ein Demagog« (man beachte die Stufenleiter). Freilich wurde damit eben das, was Winckelmann als Ursache der Erniedrigung der Kunst ansehen wollte, für den königlich großbritannischen Hofrat das Mist- beet, auf dem sie treibe und gedeihe.

Bei dem allen bedachte sich Heyne keinen Augenblid?, als die Kas- seler Gesellschaft der Altertümer (1778) eine Lobschrift auf Winckel- mann ausschrieb, sich den Mantel des Panegyristen umzuwerfen und in so volltönenden Worten von dem großen Archäologen zu sprechen, daß die Hofgelehrten ihm einmütig den Preis zuerkannten und aus- zahlten. Er zeugt da von dem großen Verdienst der Kunstgeschichte, »daß sie das Studium des Altertums in seinen rechten Kanal geleitet, in das Studium der Kunst. Alles umfasse sie, was für dieses Studium wesentlich sein könne, und habe den Erfolg gehabt, die Begriffe der Altertumsforscher und der Liebhaber auf das Ganze, den Umfang der Kunst zu lenken.« Er schildert die vielseitige Ausrüstung, die monu- mental-antiquarische, geschichtlich-literarhistorische, technisch- ästhe- tische, die der Ardiäolog haben müsse. Er entwirft das Bild des wahren Archäologen, und seinen vor zehn Jahren verewigten Freund ins Auge fassend, weissagt er wie Bileam: »Mitten in diesem Meere von Kennt- nissen muß sein Geist die völlige Wirksamkeit im Denken, Vergleichen und Beurteilen behalten haben; sein Gefühl für das Schöne, Wahre und Große hat seine ganze Spannung, welche Natur und Verfeinerung und lange Übung geben kann. Ein richtiger sicherer Blick, eine feurige, leicht zu entflammende, an die Herrschaft der Vernunft gewöhnte Einbildungskraft, ein fertiges, viel umfassendes Gedächtnis, mit der Kraft, Ähnlichkeiten und Verhältnisse leicht zu bemerken und jeden Unterschied aufzufinden, ein sicherer und gereinigter Geschmack, der in jeder Gattung, jedem Zeitalter und jedem Stil der Natur dem Wahren und Schönen treu bleibt: dies sind die charakteristischen Eigen- schaften eines Geistes, den die Natur zum Antiquar bestimmt hatte.«

In der von Heyne angegebenen Bahn bewegte sich auch fernerhin der Anteil deutscher Gelehrten an der von ihm gegründeten Wissen- schaft. »Die Kunstaltertümer«, sagt Eduard Gerhard, »die Christ und Klotz, Becker und Böttiger auch ohne Winckelmanns Vorgang doziert haben würden, haben auch Heyne, Thiersch und Müller nicht weiter

LESSING 263

als zur sorgfältigen Scheidung der Kunstperioden auf "Winckelmanns Grundlagen fortgebildet.«

Noch zu Schlegels Zeiten war es allgemeiner Ton, mit Verehrung von ihm zu sprechen. Herder hatte sein Anathema auf die Schwärzung des Strahlenden gelegt: »Niederträchtig wäre es, wie die Gesinnung des Mörders selbst, wenn wir Deutschen dem großen unsterblichen Verdienst unseres Landsmannes durch kleinfügigen kritischen Schnick- schnack entgegenreden und ihm deshalb Lob absprechen wollten, weil er zwar ungeheuer viel, aber nicht alles geleistet . . . Demütig sollten wir, akademische und unakademische Müßiggänger, seinem Genius für jede unternommene Mühe audi einer verfehlten Mutmaßung, auch eines unrichtig angezogenen Datums der Kunstgeschichte danken. Der Hauptzweck der Geschichte ist nicht verfehlt. Ein prächtiger Tempel, im edelsten und reinsten Geschmack steht da; wundersam, daß unter solchen Umständen Eine Hand ihn entwerfen und vollführen konnte; auch in seinen Fehlern und Mängeln höchst lehrreich. «

Winckelmann war sich ihrer Mängel wohl bewußt. Er hatte dies schon 1766 öffentlich bekannt: »er gestehe gern, daß er zuweilen einige Kleinigkeiten nicht völlig richtig angegeben habe, weil man oft dem Gedächtnisse zu sehr traue, oder Gänge an entlegene Orte ersparen wolle; aber wie es keine Schande sei, auf der Jagd in einem Walde nicht alles Wild zu fangen, oder Fehlschüsse zu tun, so hoffe auch er wegen des Übergangenen oder Verfehlten Entschuldigung zu ver- dienen« 43.

Lessing44

Lessing erhielt das Werk während der Studien für seinen Laokoon. Im XXVL Stück kündigt er es an. Man kann sich die Stimmung eines Autors vorstellen, dem ein Buch zugeschickt wird, das von demselben Gegenstand, über den er selbst Behauptungen der einschneidendsten, prinzipiellsten Art aufzustellen im Begriff ist, die ausführlichsten,

43. [Werke (Eiselein) III, 33.]

44. [Zum Problem: K. Borinski, Die Antike in Poetik und Kunsttheorie, Leipzig 1924, II, 221 ff. W. Rehm, Götterstille und Göttertrauer, Bern 1951, S. 183—201: Winckelmann und Lessing; Briefe III, 497 f.]

264 RÖMISCHE ZEIT

größtenteils ganz neue Aufschlüsse gibt. »Winckelmanns Kunst- geschichte ist erschienen. Ich wage keinen Schritt weiter, ohne dieses Werk gelesen zu haben. Bloß aus allgemeinen Begriffen über die Kunst vernünfteln, kann zu Grillen verführen, die man über lang oder kurz zu seiner Beschämung in Werken der Kunst widerlegt findet.« Jenen Schritt hat Lessing nie getan. Den »Gedanken über die Nachahmung« verdanken wir den Laokoon. Die Kunstgeschichte regte nicht den Kri- tiker und Ästhetiker, sondern den Antiquar und Philologen Lessing an. Ein Buch lesen und es zum Gegenstand kritischer Operationen machen, war bei Lessing eins. Wie ein Zeichenmeister kein Blatt des Zöglings vor sich sehen kann, ohne richtigere, fließendere Linien hin- einzukorrigieren: so konnte einem literarischen Erzeugnis gegenüber Lessings kritischer Rotstift keinen Augenblick ruhig bleiben. Und er glaubte dann das Publikum auf solche Bemerkungen nicht warten lassen zu dürfen. So wurde auch seine Ankündigung der Kunstgeschichte, die er nicht ohne Absicht gerade diesem Werke beifügte, zu einer Reihe von Ausstellungen, Bedenken, Vorschlägen über das Zeitalter des Laokoon, über die Deutung des borghesischen Fechters auf Chabrias (die er selbst bald zurücknahm), gegen die Übertragung des rhetori- schen Kunstwortes Parenthyrsos für zu hoch getriebenen Ausdruck auf die bildende Kunst. Aber er unterbricht sich selbst. »Doch ich ent- halte mich, dergleichen Kleinigkeiten auf einen Haufen zu tragen, Tadelsucht könnte es zwar nicht scheinen; aber wer meine Hoch- achtung für Winckelmann kennt, dürfte es für Krokylegmos halten.« Ihm entgingen die kleinen Flecken beim ersten Durchblättern so wenig als Heyne; er soll zu einem Freunde gesagt haben, der ganze anti- quarische Teil der Kunstgeschichte ruhe auf seichten Stützen; aber er gibt dem Tadel eine Wendung zum Lobe: »Bei der unermeßlichen Belesenheit, bei den ausgebreitetsten, feinsten Kenntnissen der Kunst, mit welchen sich Winckelmann an sein Werk machte, hat er mit der edlen Zuversicht der alten Artisten gearbeitet, die all ihren Fleiß auf die Hauptsache verwandten, und was Nebendinge waren, mit einer gleichsam vorsätzlichen Nachlässigkeit behandelten, oder gänzlich der ersten besten fremden Hand überließen. Es ist kein geringes Lob, nur solche Fehler begangen zu haben, die ein jeder hätte vermeiden können.«

LESSING 265

Und was hat Winckelmann zu diesem Meisterwerke deutscher Kritik und Prosa, der gedankenreichsten, zusammenhängendsten, so zeit- gemäßen wie einflußreichen Schrift Lessings gesagt? öffentHch hat er nur einmal in welscher Sprache imTrattato preliminare sich ganz kurz, mit akademischer Vornehmheit über das Zeitalter des Laokoon erklärt; er nennt Lessing einen scrittore giudizioso ed erudito (p. LXXIX). Desto lebhafter und wechselnder waren seine brieflichen Äußerungen.

Damals glaubte er nicht mehr, daß er je von seiner unbedingten Geringschätzung ultramontaner Scribenten über Kunst eine Ausnahme zu machen nötig haben werde. Die Laune des Zufalls hat uns eine Reihe von brieflichen Äußerungen des einen Mannes über den anderen beschert (die man sich so gern in Geistesgemeinschaft zusammen- wirkend denken möchte), Äußerungen, die wegen des Vorzugs der Unmittelbarkeit schätzbar sein würden, wenn sie uns nicht den Men- schen etwas in der Menschheit Blöße zeigten. Jener hält anfangs Lessing, von dem er nie etwas gesehen hatte, für einen Studenten- hofmeister, »einen jungen Bärenführer«, und auf des Grafen Schlab- rendorf Erbieten wegen eines Briefs an Lessing, meint er spöttisch (18. Juni 1766), »als Dichter könnte ihm vielleicht mit Sonetten ge- dient sein«. Ihm sowie Klotz, der eine Kritik der Allegorie geschrieben, nicht bloß in der Vorrede, sondern im Text seiner »Anmerkungen« zu antworten, weist er hochfahrend am 28. Juni 1766 ab: wie der Ver- leger sich einbilden könne, »daß er in dem Werke selbst eine Wider- legung zweier Hallenser einflicken werde, in einer Untersuchung des ehrwürdigen Altertums und der erhabenen Kunst, die beiden ein Ge- heimnis bleiben müsse«.

Als er aber den Laokoon zu Gesicht bekam, da fand er sich offenbar überrascht so ausgebreitetem und geistvoll gebrauchtem Wissen und noch mehr, nach seiner Kenntnis deutscher Literatur, solchem Stil gegenüber. Wie er lebhafte Eindrücke nie zurückhielt, so auch diese erste Bewunderung Lessings nicht. Er entschuldigt sich: er ziehe seine Meinung zurück, die ihm zu vergeben sei, da er von diesem gelehrten Manne (leider) vorher nichts gelesen habe »und wenn derselbe vor meiner Abreise aus Deutschland durch etwas bekannt gewesen, konnte ich es ebenfalls nicht wissen, da mein Gehirn mit alten fränkischen Chroniken und mit Leben der Heiligen und dergleichen angefüllt war«

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(an Walther, i6. August 1766). Zu den Auszügen, die ihm Sdilabren- dorf geschickt, scheint ihm seine Gegengabe, eine früher versprochene Beschreibung der Villa Albani, in gar keinem Verhältnisse zu stehen. »Lessing schreibt wie man geschrieben zu haben wünschen möchte . . . Wie es rühmlich ist, von rühmlichen Leuten gelobt zu werden, so kann es auch rühmlich werden, ihrer Beurteilung würdig geachtet zu sein« (16. August 1766). Er hofft, ihm auf die würdigste Art ant- worten zu können, ja er wollte ihm gleich schreiben. Dies wurde zunächst durch die Nachricht von einer Reise Lessings verhindert, bald aber kehrte die alte Verstimmung zurück. Seine Abneigung gegen Briefwechsel mit Deutschland und Lanzenbrechen mit deutschen Ge- lehrten, das ihm nicht sympathische Wesen der Lessingschen Dialektik, die Wahrnehmung der Schwäche seiner Kunstanschauungen erklären solche Zeichen der Übellaune, wie den Ausspruch, der Laokoon möge »schön und sdiarf sinnig geschrieben« sein, »jedoch nicht ohne bekannte Fehler in der Sprache; über seine Zweifel und Entdeckungen habe er viel Unterricht nötig.« »Er komme nach Rom, um auf dem Orte mit ihm zu sprechen« (an Franke, 10. September 1766). Dann aber heißt es wieder schroffer: »Dieser Mensch hat so wenig Kenntnis, daß ihn keine Antwort bedeuten würde, und es würde leichter sein, einen gesunden Verstand aus der Uckermark zu überführen, als einen Universitätswitz, der mit Paradoxen sich hervortun will« (an Stosch, 15. November 1766). Zu sehr hatte er sich gewöhnt, als einzige Autori- tät zu gelten, als daß er einem so scharf ausgeprägten Genossen neben sich hätte einen Platz gönnen sollen:

Der große Mann braucht überall viel Boden,

und mehrere, zu nah gepflanzt, zerstoßen sidi die Äste.

Dies ist menschlich; aber man bedauert es, wenn man liest, wie Lessing bei der Nachricht von Winckelmanns Tode in einer jener ihm eigen- tümlichen, aus Selbstlosigkeit und Bitterkeit gemischten Auslassungen jenem »mit Vergnügen ein paar Jahre von seinem Leben geschenkt hätte«. Gleichwohl war er sich wohl bewußt, er möge ebenso ungern Winckelmann sein, als er oft Lessing sei. Er dachte sogar daran, eine

LESSING 267

neue Ausgabe seiner Werke mit Anmerkungen, sauberer als die Wiener Kunstgeschichte, zu veranstalten.

Dies ist alles, was von der Berührung beider Männer zu berichten ist! Dort lebhaftes, dauerndes Interesse an den Arbeiten, den Lehren, der Person des andern, Verehrung sogar, empfangene Anregung für neue Felder der Forschung, Probleme zum Nachdenken, neben dem freiesten Urteil; hier nach einer augenblicklichen vorübergehenden Bewunderung: verdrießliche Abkehr, der Vorsatz, nichts weiter zu hören, zu sagen, zu verhandeln. Seltsame Anziehung und Abstoßung zweier geistesverwandter Männer, Deutschlands Dioskuren. Man sollte denken, solche Männer hätten den Tag als ein Lebensglück gefeiert, wo sie sich entdeckten. So spricht Goethe, vielleicht eigener Erlebnisse gedenkend, den Wunsch aus, »daß Winckelmann in den Jahren des ruhigen Überblicks seiner Laufbahn sich mit Lessing verbunden hätte, um seine Grundsätze zu größerer Klarheit zu bringen und alle Be- dingungen derselben genauer abzuwägen«.

Beide, im Umgang mit den Alten groß geworden, hatten aus deren Dichtern ihren Geschmack, ihr Empfinden, aus den Philosophen und Geschichtsschreibern Grundsätze, Verstand und Charakter genährt. Sie wirkten mächtiger als alle, die begonnene geistige Strömung in die Richtung des Altertums zu lenken, und zwar ebenso durch den rück- sichtslosen Kampf gegen das Moderne, wie durch Schilderung der Meisterwerke der Alten, durch Zergliederung der Praxis des Homer und Sophokles. Bei diesem Geschäft hatte nicht bloß Winckelmann »die Kunst selbst geraten und die Hand geführt«. Als in unserer Dichtung noch die Dämmerung mit der Finsternis rang, kamen Kritik und Geschichte, vor dem Schaffen und dem Leben, »wie ein Licht- strahl aus dunklen Wolken von vortrefflichen Denkern herabgeleitet«. Beide erhoben sich von Betrachtung der Kunstwerke und der Praxis in der Poesie zu jenen »Haupt- und Grundbegriffen«, deren ganze Herrlichkeit freilich (alles Worte Goethes) nur dem Gemüt erschien, auf das sie ihre unendliche Wirksamkeit ausübten, das durch sie eines überschwenglichen Wachstums sich erfreute, und der Zeit, in der sie ersehnt, im rechten Augenblick hervortraten.

Manche fanden in diesen nichts weniger als kalten oder undeutschen Männern etwas Fremdes, Abstoßendes; sie erschienen wie spätgeborene

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Söhne einer früheren Welt. Allerdings trafen ihre Pfeile so viele Ver- irrungen ins Herz, daß sie auf einem Ardiimedespunkt außerhalb der Bewegung modernen Lebens zu stehen schienen: die malerische Skulp- tur (W.) und Poesie, und die philosophisdie, allegorische Malerei (L.); das kalte Vergnügen aus der Erwägung der Geschicklichkeit, wie es der eine, die Handwerksschätzung, wie es der andere nannte; die Glätte des Marmors und der Verse; die gallische Höflichkeit statt antiker Urbanität; die romantische Liebe statt der männlichen, uneigennützigen Freundschaft; die frostige Galanterie statt der echten Empfindung; die moderne Erziehung, die das Gehirn mit Träumen erfüllt und den unmündigen Verstand mit bloßen Tönen ohne Begriffe unterhält; eine Demut lehrt, die die edle Ehrbegierde erstickt (W.), und ein körper- liches Bedürfnis in eine geistige Vollkommenheit verwandelt (L.).

Ihre zwischen Willkür der Regel und Willkür der Natur, zwischen Befreiung von Verbildung und Verknöcherung, formloser Empfind- samkeit und genialer Selbstvergötterung schwankende Zeit wiesen sie auf die Alten, »deren Vorrecht es war, in keiner Sache weder zu viel, noch zu wenig zu tun«, auf jenen Schwerpunkt, in dem die Griechen ihr beneidenswertes Gleichgewicht gefunden hatten. Im Schönen, im Hellenentum sah man die Mitte zwischen allen Ausweichungen, war der Streit ausgeglichen zwischen Verstand und Gefühl, Kultur und Natur, Freiheit und Tradition, Genie und Gesetz.

Auf solcher gemeinschaftlichen Basis aber war noch Platz für sehr verschiedene, ja entgegengesetzte Geistesart. Wie Plato und Aristo- teles sich auf dem gemeinsamen Boden des sokratischen Idealismus gegenüberstehen, wie später Kant und Herder, Schiller und Goethe: so sind uns auch Lessing und Winckelmann Typen scheidenden Ver- standes und vereinigender Anschauung.

Hier der logische Kopf, der Künstler der Dialektik, der Meister der Kritik, zur Erfindung und Entwicklung auch der eigenen Gedanken angeregt durdi Widerspruch; dort ein instinktiver, positiver Geist, alle seine Kräfte dahin vereinigend, eine bedeutende Erscheinung und Erfahrung vollendet, gewinnend, hinreißend, würdig darzulegen. Fast überall, wo Lessing ein bedeutendes Urteil fällt, sieht man ihn Grenz- bestimmungen vornehmen: zwischen Philosophie und Religion, Chri- stengefühl und Theologie, wie zwischen redenden und bildenden

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Künsten, Witz und Genie. Er, dem Erkennen derWahrheit das Höchste war, der der Poesie die Handlung, den Charakter, die Leidenschaft, die Akzente der Natur wiedergewann, wollte in der Kunst nur Schön- heithaben, nichtWahrheit, nicht Aktion und Ausdruck; kein Lehrgedicht, keine Symbolik. Winckelmann dagegen strebte, in dem Brennpunkt der Kunst alle Strahlen des Geisteslebens zu sammeln: im maßvollen Ausdruck der Statue las er Größe der Seele, Weisheit; er liebte die allegorischen Bilder, weil sie den Verstand beschäftigen; und das Entzücken gegenüber der hohen Schönheit schien ihm nicht verschieden von der Seligkeit der Religion: die Einfalt des Konturs offenbarte die mystische Einheit Gottes; überall divinierte er aus Werken der Dichtung Züge ihrer verlorenen Kunstzeitgenossen; und er selbst übertrug Kunstwerke in Hymnen in ungebundener Rede.

Jene persönlichen und polemischen Beziehungen und diese tiefe Verschiedenartigkeit der Naturen war einst Veranlassung, alle, die mit solchen Dingen sich abgaben, in zwei Heerlager zu spalten. Nach den einen hatte Lessing so schreibt Herder Winckelmann unverzeih- liche Fehler gezeigt, ihn philosophieren gelehrt, ihm die Grenzen und das Wesen der Kunst gewiesen, und aufgedeckt, daß seine Kenntnis der Alten ein schwankender Grund sei. Den anderen war Lessing ein witziger Kopf, ein Schulphilosoph, der mit ein paar Unzen Baum- gartenscher Philosophie den Weltweisen aller Zeiten trotzen wolle. Aber auch, als dieser Streit längst verhallt war, mußte man sich, bei allem Respekt vor Lessings »bis dahin kaum übertroff ener Verstandes- schärfe«, doch sagen, daß die Schönheitsbestimmungen, die er auf Winckelmanns Bahn versuchte, »mit unendlich geringerer Sachkenntnis und beinahe ohne alles eigene Gefühl des Schönen« ersonnen seien (Rumohr). Als er sein Hauptwerk schrieb, besaß er fast gar keine Anschauungen; erkannte die Kunst nur aus Büchern, selbst die Gruppe, deren Namen es führt, hatte er nur in Kupfern vor sich gehabt. Manche Tatsachen in seinem Leben führen auf die Annahme, daß die Betrachtung von Werken bildender Kunst weder zu seinen Bedürf- nissen gehörte, noch ihm besonderen Genuß gewährte, ja ihn auch nur ästhetisch beschäftigt habe. Oft versäumte er unschätzbare Gelegen- heiten; dafür vertraten ihm zuweilen die Umstände den Weg, wenn er Lust hatte. In Berlin hatte er einst den Wunsch empfunden, in

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Italien die Antike zu studieren, ja in Griechenland die klassischen Gegenden und die noch übrigen Denkmäler kennenzulernen.Während er im Vaterlande keine Heimat fand, kam ihm zuweilen der Gedanke, in Italien zu leben und zu sterben. Er wäre dort vielleicht vor Lange- weile gestorben. Die Reise, die er viele Jahre später als Begleiter des Herzogs Leopold machte, hatte mit dem, was er geplant, nichts zu tun. Merkwürdig ist, daß gerade die Gemmen, mit denen er sich so gründlich besdiäftigt, deren Abdrücke nach Winckelmann »zur Kennt- nis des Stiles und der Schönheit ungemein viel helfen können«, ihm von dieser Seite verschlossen geblieben waren. Die Gemmenkunde diente ihm bloß als Hebel in seinen Kontroversen; in einem Stoßseufzer über ihre dann freilich kläglicheTrockenheit nennt er die antiquarischen Untersuchungen überhaupt ein sehr trauriges Studium. In Überein- stimmung mit seiner Grille, daß Bilder im Kleinen nur symbolische Bilder seien, äußert er, »die Gemmen seien schädlich für das Kunstauge, da die Schönheit sich in so kleinen Figuren nicht deutlich genug empfinden lasse, um auf die Ausführung im Großen einigen Einfluß haben zu können«.

Vielleicht fehlte Lessings beweglichem, scheidendem und schließen- dem Intellekt jene beschauliche Fähigkeit, die zur Vertiefung in plastische Werke unumgänglich ist; das Verweilen in bloß anschaulichen Objekten und bei bloß sinnlichen Nuancen hätte ihn, wie Ruhe über- haupt, ungeduldig gemacht. Erst seit ihm die Kunst als Anlaß literarischer Diskussionen, als Interesse der deutschen Lesewelt ent- gegentrat, beteiligte er sich auch an diesen Dingen mit der Lebhaftigkeit, die er in alles legte; aber selbst da war es ihm weniger um die Sache zu tun, als um die Theorien, die er daran knüpfte, um Berichtigung allerhand historischer Einzelheiten, endlich um den Kampf: er war sich, wie Rumohr bemerkt, wohl bewußt, »daß seine Kunstschriften überall nur aus Aufwallungen der Mißbilligung oder des Widerwillens gegen bestimmte Einseitigkeiten oder Verkehrtheiten seiner Zeit- genossen, durchaus nicht aus einem positiven Beruf zur Kunst entstanden waren«. Nachdem er versichert hat, daß er nicht für Maler schreibe, sondern über sie, fährt er fort: »Ich wickle das Gespinst der Seidenwürmer ab, nicht um die Seide zu spinnen zu lehren, sondern aus der Seide für mich und meinesgleichen Beutel zu machen; Beutel,

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um das Gleichnis fortzusetzen, in welche ich die kleine Münze einzelner Empfindungen so lange sammle, bis ich sie in gute wichtige Goldstücke allgemeiner Bemerkungen umsetzen und diese zu dem Kapital selbst- gedachter Wahrheiten schlagen kann.« Der wahre Archäolog ist der, der über die Kunst philosophiert, vorgefundene Formen aus Grund- sätzen ableiten kann: »ein anderer ist der Altertumskrämer, ein anderer der Altertumskundige. Jener denkt nur kaum mit seinen Augen, dieser sieht auch mit seinen Gedanken. Ehe jener noch sagt, so war das!, weiß dieser schon, ob es so sein könne«. Dem Liebhaber sind indes diese Altertumskrämer, in wörtlichem und abgeleitetem Sinn, viel zu unentbehrliche, mit seinen glücklichsten Erlebnissen verwach- sene Leute, als daß er das Wort in jenem veräditlichen Sinne dem »Altertumskundigen« entgegensetzen möchte; während ihm, sobald er vom »Sehen mit Gedanken« und Deduktionen hört, die Erinnerung an so viel gedroschenes leeres Stroh erwacht. Schon damals gab es übrigens manche, die glaubten, es gebe noch andere Wege, als solche »gelehrte Katzbalgereien«, um diese Sachen zu fördern, die bekannten, »nicht eine Stunde an der Theopneustie eines Homers gezweifelt zu haben, ohne sich deswegen an der Blindheit weder seiner Scholiasten, noch Zolle zu ärgern« (Hamann).

Doch gerade weil Lessing kein befestigtes Ganzes eigener Kunst- urteile und darauf gebauter Überzeugungen mitbrachte, konnte er auf Winckelmanns durch das Ansehen der Griechen und eigene Erfahrung gestützte Lehren so unbefangen eingehen. Überhaupt war Lessing, dessen aphoristische Einmischungen in die Zeitfragen sich nicht, wie bei den Zunftgelehrten, an ein System anlehnten, um so mehr imstande, sich einer neuen Erscheinung mit aller seiner Lebhaftigkeit zu über- lassen, indem er jedoch alsbald begann, sie auch vom Gesichtspunkte des Verfassers aus kritisch zu behandeln und umzugestalten. Seine Theorie ist durchaus ein Reflex von Winckelmanns Lehren, nicht ohne das Medium Mendelssohns; ein bizarres Gemisch gelehriger Hingabe und eigenartiger Gegenwirkung, logischer Überlegenheit und sachlicher Abhängigkeit, geschmeidiger Anbequemung an eines so ganz anders geachteten Mannes Denk- und Geschmacksweise, bei kritischer Selb- ständigkeit. Er gibt dessen Begriffen eine schärfere Fassung, seinen Sätzen einen strengeren Zusammenhang, aber seine Dialektik, nicht

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durch die Anschauung in Schach gehalten, entleert sie auch, und er kommt auf ein System, das, wenn es Einfluß hätte gewinnen können, eine fast auszehrende Wirkung auf die Kunst geübt haben würde.

Lessing beginnt mit dem alten Begriff der Nachahmung der Natur, die er aber, von jederkünstlerisdien Bedeutung entblößt, als eine ganz mechanische Operation, ein bloßes Verdienst des Auges und der Hand sich vorstellt: ein »üppiges Prahlen mit der leidigen Geschicklichkeit«; selbst in ihrer höchsten Vollkommenheit kann sie nicht mehr gewäh- ren als das »bloße, kalte Vergnügen an der getroffenen Ähnlichkeit«, hat kein anderes als das kahle Verdienst der überwundenen Schwierig- keit.

Nachdem er das Verhältnis des Künstlers zur Natur zu einer geistlosen Fertigkeit, den sinnlichen Lebensquell der Kunst zu einem kaum zur Kunst selbst gehörigen Mittel herabgesetzt hat, blieb ihm für das Künstlerische, für den Anteil des Genies, nur das »Ideal« oder die Schönheit übrig, da er ja die Spiele des allegorisdien Witzes abgewiesen hatte. Aber in seinem Ideal sind die moralischen und mystischen Bestandteile des Winckelmannschen Begriffs ausgeschieden, es ist nichts als die Gattungsform, »der Mensch überhaupt«, »das Bild, wie es sich die plastische Natur wenn es eine gibt (läßt er den klugen Conti diesem problematischen Begriff beisetzen) dachte, ohne den Abfall, welchen der widerstrebende Stoff unvermeidlich macht; ohne das Verderb, mit welchem die Zeit dagegen ankämpft«. Es ist Kants ästhetische Normalidee (vgl. oben S. 226).

Lessing glaubt, sich eine Ableitung dieses Ideals nicht erlassen zu dürfen. Von dem Prinzip aus, daß der Endzweck der Künste Vergnügen sei, führt ihn eine Gedankenreihe zu dem Satz, daß Körper mit ihren sichtbaren Eigenschaften Gegenstand der Malerei seien, und zwar solche, die angenehme Empfindungen erwecken. Häßlichkeit aber beleidigt unser Gesicht, widersteht unserem Geschmack an Ordnung und Übereinstimmung und erweckt Abscheu, ja Ekel. Folglich ist Schönheit das oberste Gesetz der Kunst. »Während heutzutage die Malerei als die Kunst, welche Körper auf Flächen nachahmt, in ihrem ganzen Umfang betrieben wird, so hatte der weise Grieche ihr engere Grenzen gesetzt, sie bloß auf die Nachahmung schöner Körper ein- geschränkt. Sein Künstler schilderte nichts als das Schöne, selbst das

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gemeine Schöne, das Schöne niederer Gattungen war nur sein zufälliger Vorwurf, seine Übung, seine Erholung. Die Vollkommenheit des Gegenstandes selbst mußte in seinen Werken entzücken.«

Ist die Schönheit oberstes Kunstgesetz, so wünschen wir zunächst zu wissen, was Lessing unter ihr sich gedacht habe. Seine Äußerungen zeigen, daß er der Fachliteratur aufmerksam gefolgt, aber zu einem selbständigen Begriff nicht gelangt war, denn er bekennt sich nach und nach fast zu allen Definitionen, die es damals gab. Bald nennt er sie mit Baumgarten metaphysisch »die sichtbare Hülle der Vollkom- menheit«, oder die undeutlicheVorstellung einer solchen; bald empirisch mit den Engländern »die übereinstimmende "Wirkung mannigfaltiger Teile, die sich auf einmal übersehen lassen; wenn der Begriff der Einheit der klarste sei, so ergebe sich Schönheit, wenn Mannigfaltig- keit, das Erhabene«. Und als Hogarth hervorkam, begrüßte er die Theorie der Wellenlinie als den Weg, die verschiedenen Begriffe der Menschen von dem, was schön ist, »auf etwas Gewisses zu bringen, und das elende Sprichwort, daß man über den Geschmack weder streiten könne noch dürfe, aus dem Mund des Pöbels und der Gelehrten zu verbannen«; wobei er jedoch Hogarth die Originalität seiner Ent- deckung bestreitet, die er schon bei Parent fand, und eine genaue Bestimmung der wahren mittleren Schönheitslinie mit Hilfe der höheren Mathematik fordert.

Wie dem auch sei, jener oberste Grundsatz setzt den Kritiker instand, für die Theorie der Kunst und den Geschmack ganz unanfechtbare, allgemeingültige Regeln zu erfinden, durch eine rein logische Operation; er braucht ihn nur in seine Konsequenzen zu verfolgen. »Alles, was sich mit der Schönheit nicht verträgt, muß ihr gänzlich weichen, und wenn es sich mit ihr verträgt, ihr wenigstens untergeordnet werden.« Eine der nächsten Folgerungen ist der untergeordnete Wert des Porträts; denn es lasse wohl ein Ideal zu, aber die Ähnlichkeit müsse darüber herrschen; es sei das Ideal eines gewissen Menschen, nicht das Ideal eines Menschen überhaupt.

Von einem Ideal aber und folglich von Beteiligung des Genies kann nur da die Rede sein, »wo die Natur sich selbst etwas Bestimmtes vorgesetzt hat«. Zwar sollte man meinen, das Ideal bezeichne gerade das, was der Geist des Menschen, sei es auch nur durch Wahl und

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Verknüpfung, zur Natur hinzubringt. So sah es Mengs an, der deshalb ein Ideal auch des Kolorits, der Beleuchtung, des Ausdrucks und der Komposition annahm. Lessings Begriff zwingt ihn, das Ideal und folglich das Schöne auf den engsten Raum, fast auf einen Punkt zu beschränken. Der Umstand, meint er, daß es ein Ideal körperlicher Schönheit nur im Menschen gibt, bei den Tieren »schon weniger«, in der vegetabilischen und leblosen Natur aber »gar nicht« (hat die Natur hier keine Vorsätze?), »dies weist der Blumen- und Landschaftsmalerei ihren Rang an«, d. h. einen sehr niedrigen. Es beginnen hier jene müßigen, dem Liebhaber lächerlichen Ranglisten in der Kunst- und Geisteswelt. Als wenn der Landschaftsmaler nicht ebensogut Genie zeigen und hohe künstlerische Wertelemente schaffen könnte wie einer, für den nur Apollo und die drei Grazien vornehm genug sind. Wie unterscheiden sich denn die Claudes und Poussins von Prospekten und Veduten? Als Vernet (1757) seine Seehäfen unternahm, tadelte man ihn in Paris, daß er vom Nachahmer zum Kopisten der Natur, vom Historienmaler zum Porträtmaler heruntergestiegen sei.

Zwar ein Nebenideal der Karnation und des permanenten Ausdrucks will Lessing zugestehen, aber ein Ideal des Kolorits und des transito- rischen Ausdrucks leugnet er.

In der Lehre vom Ausdruck konnte er Winckelmanns Sätze wörtlich herübernehmen, aber sie werden noch straffer angespannt. »Es gibt Leidenschaften und Grade der Leidenschaften, die sich in dem Gesicht durch die häßlichsten Verzerrungen äußern und den ganzen Körper in so gewaltsame Stellungen setzen, daß alle die schönen Linien, die ihn in einem ruhigen Stand umschreiben, verloren gehen. Dieser enthielten sich also die Künstler entweder ganz und gar, oder sie setzten sie auf einen geringeren Grad herunter, in welchem sie eines Maßes von Schönheit fähig sind.« Es soll also, wie Rumohr bemerkt, das geistig und sittlich Unerfreuliche durch eine gewisse Halbheit des Eingehens oder durch ein unvermeidlich widriges Schminken und Beschönigen zu einem Ergötzlichen und Anziehenden umgewandelt werden. Allein, während doch Winckelmann dafür hielt, daß Schönheit und Ausdruck einander nicht entbehren könnten, daß jene allein »unbedeutend« sei, Handlung sogar das erste, zweite und dritte in der Kunst: so vermutet Lessing, »auf Historienmalerei sei man nur ver-

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fallen, um körperliche Schönheiten von mehr als einer Art hervor- zubringen; die Handlung sei bloß ein Mittel, die letzte Absicht des Malers nicht der Ausdruck, sondern die Mannigfaltigkeit der Schönheit zu erreichen«.

Aus dem Prinzip der Einheit der Zeit, an das die bildende Kunst gebunden sein soll (ähnlich hatte schon Shaftesbury gefolgert), schließt er nicht bloß gegen die Zulässigkeit einer Folge von Zeitmomenten in einem Gemälde, sondern gegen Bewegung überhaupt; selbst Grazie oder Schönheit der Bewegung sei dem Maler weniger bequem als dem Dichter. »Schnelligkeit ist kein Vorwurf der Malerei.«

Kaum ist wohl je ein Satz behauptet worden, den die ganze Ge- schichte der Kunst so nachdrücklich Lügen straft. Bewegung ist in der Malerei das mit wachsender Entschiedenheit und Erfolg erstrebte Ziel, und wenn man alle poetischen und prosaischen Äußerungen über Werke alter und neuer Zeit sammeln wollte, so würde sich wahr- scheinlich ergeben, daß die Mehrzahl den Ausdruck der Bewegung preisen. Gerade die Art und Weise, wie die Ruhe, die Stille gelobt wird, zeigt, daß es als Ausnahme erscheint, wenn der Kunst gelingt, auch diesen Zuständen einen hohen Reiz, einen höheren als Bewegung selbst zu geben. Je starrer der Stein und das Metall, desto gebieterischer, aber auch verlockender wird die Aufgabe, denn sonst, ruft Leonardo den Künstlern zu, wird euer Werk zwiefach tot sein.

Es könnte scheinen, daß ihm das Organ für Malerei überhaupt fehle. Einer seiner Freunde wenigstens berichtet uns, daß er auf Kolorit und Helldunkel »so viel als nidits hielt«. Er will die dreifache Beleuchtung in Raffaels Petrus nur loben, sofern der Maler von ungefähr auf sie gekommen sei, ohne daß sie seine vornehmste Absicht war. Er spricht verächtlich von den Bambocciaden; die unkörperlichen Werte, der Humor der Auffassung, die malerischen Feinheiten, in denen eigentlich ihr Reiz liegt, scheinen für ihn nicht vorhanden. Pauson, der Maler fehlerhafter und häßlicher Bildungen, der in der verächtlichsten Armut lebte, Pireikus, der Maler der Barbierstuben und schmutzigen Werk- stätten, Esel und Küchenkräuter, der den Zunamen des Kotmalers (?) bekam, werden als die »Niederländer« des Altertums herabgesetzt. Das Kolorit, weit entfernt, für diese edle, bescheidene Kleinmalerei als Eingangspaß zu gelten, scheint ihm vielmehr selbst den Wirkungen

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der hohen idealen Malerei eher hinderlich zu sein. Eine Stelle, in der Ridiardson seine Handzeichnungen anpreist, gab Lessing folgendes Fechterstüdcchen ein, eine Art Traubenschuß gegen das Kolorit, der freilich nur mit Papierkugeln geladen war:

»Wenn es wahr ist, daß der Künstler, wenn ihn die Schwierigkeiten der Färbung nicht zerstreuen, mit aller Freiheit der Gedanken gerade auf seinen Zweck gehen kann; wenn es wahr ist, daß man in den Zeichnungen der besten Maler einen Geist, ein Leben, eine Freiheit, eine Zärtlichkeit findet, die man in ihren Malereien vermißt; wenn es wahr ist, daß die Feder und der Stift Dinge machen können, welche dem Pinsel zu machen unmöglich sind; wenn es wahr ist, daß der Pinsel mit einem einzigen Liquido Dinge ausführen kann, die der, welcher mehrere Farben, besonders in öl, zu menagieren hat, nicht erreichen kann: so frage ich, ob wohl das bewunderungswerteste Kolorit uns für alle diese Verluste schadlos halten könne? Ja ich möchte fragen, ob es nicht zu wünschen wäre, die Kunst mit Ölfarben zu malen, möchte gar nicht erfunden worden sein.« Die Gegenfrage wäre hier wohl am Platze, warum, wenn die Aufgabe einer Kunst in dem liegt, »was sie allein und ohne eine andere hervorzubringen im- stande ist«, der Schwerpunkt der Malerei nicht vielmehr statt in schönen Formen, die auch die Plastik bildet, in Kolorit und Helldunkel liege? Wie konnte einem solchen Dialektiker dieser einfache Schluß aus seinem eigenen Grundsatz entgehen!

Wenn man aber Lessings Behauptungen Bildwerke der Alten ent- gegenstellte, von denen er ja erklärt hatte, »was ihre Künstler getan, solle ihn lehren, was die Künstler überhaupt tun sollten«: so verlangte er, daß man unterscheiden solle zwischen Kunstwerken, woran sich zu merkliche Spuren gottesdienstlidier Verabredungen zeigen, wo die Kunst ein bloßes Hilfsmittel der Rede war, und solchen, wo Schönheit erste und letzte Absicht gewesen, und denen man allein den Namen Kunstwerke beilegen dürfe. (Wie viele würden da übrig bleiben? Welcher Kunstrichter könnte diese Grenzlinie ziehen?)

So hat Lessing der bildenden Kunst, der er, im Eifer gegen die Fratzenhaftigkeit der Zopfzeit, mit der einen Hand ihr glücklichstes Feld, die Schönheit wiedergegeben, mit der anderen fast alles verbieten wollen, wodurch sie groß geworden ist, Ausdruck und Handlung,

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Bewegung und Komposition, Individualität und Charakter, Farbe, Beleuchtung und Gewandung. Er, der in demselben Werke über die Schwachheit der Deutschen spottet, »aus ein paar ausgenommenen Worterklärungen die schönsten Dinge von der Welt abzuleiten«, der uns lehrte, »daß nur der allseitige Geschmack der wahre sei«, der sonst der erste war, wo es galt, mit eigenen Augen zu sehen, Lessing glaubte hier als Gesetzgeber der Kunst aufzutreten, wie Aristoteles in der Poetik, indem er von ein paar allgemeinen Sätzen aus mit ganzen Gattungen der Kunst aufräumt; er wähnt den reinen, strengen, alt- hellenischen Geschmack zu verfechten, indem er, blinden Begriffen blindlings folgend, mit dem Unkraut auch ihre Blumen ausrauft.

Seltsam! Derselbe, der in der Dichtkunst den kommenden Genies vorleuchtete, der Gegner des Konventionalismus, operiert hier mit den kahlsten Abstraktionen des eklektischen Manierismus. Aber man kann sich der Frage nidit erwehren, sollte der Mann, der dort die Sprache der Natur und der Leidensdiaft zu Ehren brachte, bis in das scheinbar Gemeine und Nachlässige hinein, der Shakespeare gegen Corneille erhob, der die Virginia aus dem antiken historischen Stil in das Kostüm der Zopfzeit übertrug, der eine gesunde Posse einem schleppenden regelmäßigen Stücke vorzog, der das Experiment des bürgerlichen Trauerspieles befürwortete: sollte Lessing in jenen Sätzen mit seinem eigenen Empfinden wenn er sich Zeit dazu nahm in Übereinstimmung gewesen sein? Man stelle sich eine Kunst vor, die jenen Schönheitsgrundsatz streng befolgte, und frage sich, wen sie schneller gelangweilt haben würde als Lessing, der ja auch mit der ewigen Seligkeit die Vorstellung der Langeweile verband. Indes man müßte befürchten, in Pedanterie zu verfallen, wollte man diese lebhaft und scharfsinnig geschriebenen Argumentationen allzu ernst nehmen. Aufgesetzt für eine Streitschrift waren sie ein beim Schreiben ergriffenes Gedankenspiel, eine glänzende Improvisierung seines unvergleichlichen Scharfsinns. Er selbst vergaß sie, wenn er sich seinen Eindrücken der Kunstwerke überließ, dann konnte auch er malerisch, nordisch emp- finden. So erzählt er z. B. in Briefen aus Hamburg, wie ihm unter den Gemälden des Bürgermeisters Greve ein schönes und mit außer- ordentlichem Fleiß gemaltes »Küdhenstück« von Theodor Valkenburg und allerliebste weibliche Figuren in einer Landschaft vonPoelemburg

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aufgefallen seien. Jakobs Kampf vonWagenfeldt in der Johanniskirche heißt ein treffliches Gemälde, weil die Wirkung der Morgenröte auf allen Teilen der Landschaft, die Aktion des Körpers, das Festhalten Jakobs und dessen Begierde, seinen Gegner zu kennen, sowie das Losreißen und die Bemühung des Engels, sich nicht erkennen zulassen, in Handlung und Gesichtern ungemein schön ausgedrückt sei. Dann sah er recht gut, daß die »niedrigen, possierlichen und ekelhaften Gegenstände« bei Rembrandt nur eine Nebensache seien, daß sie gar nicht zu stofflicher Wirkung kämen, weil sie uns in seiner »wilden und unfleißigen Art« in jenem magischen Zwielicht ersdieinen, »wo wir mit Vergnügen tausend Dinge sehen, die deutlich zu sehen kein Vergnügen ist«. »Ganz bezaubert« endlich hat ihn ein Stück von Huchtenburgh, dem Schlachtenmaler Prinz Eugens, die Entsetzung einer von den Türken belagerten Stadt. Aber nicht der »der Schönheit untergeordnete Ausdruck« hat ihn bezaubert; vergessen hat er, daß der transitorische Ausdruck nie schön ist: »Welch ein Ausdruck der Affekte!« ruft er, »der Furcht, des Schreckens, der Wut, des Schmerzes, der Todesangst! und welche Gradation in diesem Ausdruck!«

Weg der Kunstgeschichte durch Europa

Die Bedeutung des Lessingschen Laokoon, der Zielpunkt seiner Dialektik, lag nicht in der Kunst, sondern in der Dichtung, im Drama. Die schöne Literatur war so in den Vordergrund der geistigen Inter- essen getreten, daß auch diese Offenbarung der Griechenkunst zunächst fast allein der Poesie und dann der Philosophie zugute kam. Frau von Stael fand, daß Winckelmann in Deutschland mehr auf die Literatur als auf die Künste eingewirkt habe. Seit jenem Werke, sagt Gervinus, schien erst das Reich des Schönen für Deutschland geöffnet; und jeder Künstler nicht nur, auch jeder Dichter, und alle, die eine Ahnung von den mächtigen Anregungen einer Kunstwelt und der Natur eines südlichen Himmels hatten, wanderten seit Winckelmann nach Italien. Dort, sagt Goethe, beginnt für jeden Empfänglichen die eigentliche Bildungsepoche. Sollte ein plastisches Element in unsere Dichtung zurückgeführt werden, so war es durchaus nötig, daß sich neben der

WEG DER KUNSTGESCHICHTE DURCH EUROPA 279

wiedergeborenen Musik, die so schwer auf Klopstock wirkte, die bildende Kunst gleichfalls neu belebte, und der Geschmack an ihr zurückgerufen wurde, um in einer anschauenden Dichternatur, wie Goethe war, die entscheidende Gegenwirkung zu schaffen.

»Winckelmanns Kunstgeschichte«, schildert Adolf Scholl im Herder- album, »glich der plötzlichen Ausgießung eines großen Tages, in dem uns die Gestalten der griechischen Phantasie, die bisher vereinzelt im Halblicht oder Dunkel gestanden, vereinigt als eine ganze Welt des Genius, entfaltet als ein Olymp verklärter Menschheit zu schauen waren . . . Wer nur aus unserer seltsam zusammengesetzten und ver- schnörkelten Daseinsgestalt heraus . . . nach dem sich sehnte, was man als Unschuld, Genügsamkeit, Natur bisher in Erziehungsidealen und in Idyllenspielen mehr gesucht als gefunden hatte, der sah es jetzt hervorgestellt in der Antike, in dieser aus lauteren Naturformen und rein menschlichen Grundzügen erwachsenen Idealwelt. Sie erschien als der völlige Spiegel eines in der Natur befriedigten Geistes, als die Verewigung der Jugendgesundheit der Menschheit . . . und der Götter- saal der griechischen Plastik wie ein Gesetzbuch des Schönen selbst, worin das Symbol des Bedeutenden, die Richtmaße des Ausdruckes und die Rhythmen der Anmut verzeichnet seien.«

Nachfolger fand Winckelmann unmittelbar gar keine, und auch später nur für Bruchteile seines Verdienstes. Was fehlte? Der Mut, seine Bahn zu betreten? Die Einheit des Willens unzerstreut durch Bequemlichkeit und Geschäftigkeit? Der angeborene Beruf? Noch war kein Jahr seit seinem Tode verflossen, als der fromme Wunsch aus- gesprochen wurde, »daß ein Lessing und Herder, anstatt den Herrn Geheimrat Klotz in dem so kurzen Genuß seines Lustri zu betrüben, ihre Muße und Talente vielmehr zu vollendeten Werken sammeln und die Verdienste eines Winckelmann um den Ruhm seines Vaterlandes, um die Lauterkeit und Macht der deutschen Sprache, um die Wieder- herstellung des griechischen und attischen Geschmackes an weiser Ruhe, sittsamem Nachdruck, sorgfältiger Nachlässigkeit, ungezwun- gener Würde usw. übertreffen möchten«. So stand geschrieben in der Königsberger Zeitung vom 6. Februar 1769 (Hamann).

Was die deutsche Philosophie anlangt, so hatte zuerst Moses Men- delssohn Winckelmannsche Elemente für seine Theorie benutzt und

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die Lehre vom Ideal in seine Ästhetik verwoben. Schillers Gabe, wissenschaftliche Wahrheiten und Abstraktionen in poetische Worte, Bilder und Klänge umzuzaubern, f and in manchen selbst schon poetisch angehauchten Aussprüchen und Schilderungen Wind^elmanns glück- liche Motive, deren Variierung man einige der herrlichsten Lehrgedichte aller Zeiten verdankt. Bald darauf verließ die Philosophie die kahlen Höhen der Metaphysik und das Sezierzimmer der Psychologie und unternahm es, alle Elemente der neuaufblühenden Geistesbildung an sich zu ziehen. Die Auserwählten, denen eine Orchestrierung von Spekulation, Kunst, Religion und erotisch-geselligen Aufregungen für die Summe der Weisheit galt, trieben auch den Kultus der Antike.

»Winckelmann«, so belehrte jene geistreiche Französin ihre Lands- leute nach den Eingebungen ihres romantischen Cicerone, »entwickelte die jetzt in allen Künsten angenommenen wahren Grundsätze über das Ideal, diese vervollkommnete Natur, deren Urbild in unserer Phantasie ist, und nicht außer uns. Die Anwendung dieser Grundsätze auf die Literatur ist ausnehmend fruchtbar. Die Poetik aller Künste wird in seinen Schriften unter einem Gesichtspunkt versammelt, und alle haben dabei gewonnen. Man hat die Dichtkunst besser begriffen durch die Skulptur und umgekehrt, und man ist durch die Kunst der Griechen zu ihrer Philosophie geführt worden. Die idealistische Meta- physik hat bei den Deutsdien wie bei den Griechen zur Quelle den Kultus jener Urschönheit, die nur unser Geist erfaßt und wieder- erkennt: sie ist das Andenken des Himmels, unseres alten Vaterlandes, diese wundersame Schönheit; die Meisterwerke des Phidias, die Tra- gödien des Sophokles, die Lehren desPlato traten für uns in Harmonie, indem sie uns unter verschiedenen Formen dieselbe Idee gaben.«

Der bei den Italienern herkömmliche Piatonismus, dessen etwas verrostete Vorstellungen von Winckelmann durch einige bestimmte Anschauungen neu belebt waren, ward von den deutschen Philosophen zeitgemäß erneuert, indem sie aus seinen Goldkörnern für ihre Formeln einigen Metallglanz gewannen. »Die Hervorbringung idealischer, über die Wirklichkeit erhabener Natur samt dem Ausdruck geistiger Begriffe« der Kunst als Ziel gegeben zu haben, das ist nach Schelling der große Gedanke, wegen dessen er Winckelmann das Lob singt, in der Rede über das Verhältnis der bildenden Künste zur Natur (1807).

WEG DER KUNSTGESCHICHTE DURCH EUROPA 201

Ihm soll zuerst der Gedanke geworden sein, »die Werke der Kunst nach der Weise und den Gesetzen ewiger Naturwerke zu betrachten, da vor und nach ihm alles andere Mensdiliche als Werk gesetzloser Willkür behandelt wurde« (vgl.obenS. 169 f.). Deshalb gehöre er durch Sinn und Geist nicht seiner Zeit an, sondern entweder dem Altertum oder der Zeit, deren Schöpfer er wurde, der gegenwärtigen. »Winckel- mann stand in erhabener Einsamkeit wie ein Gebirg durch seine ganze Zeit: kein antwortender Laut, kein Pulsschlag im ganzen weiten Reich der Wissenschaft, der seinem Streben entgegen kam.« Winckelmann würde erstaunt sein, wenn er erlebt hätte, was für große Männer sich für ihn ereiferten, indem sie ihm zugleidi sein klares Wasser trübten, wie viele, durch ihn weise geworden, tiefsinnige Dinge von ihm bezeugten, die er schwerlich verstanden haben würde.

Das Werk hatte den für deutsche Bücher damals seltenen Erfolg, sogleich ins Ausland zu dringen und nicht bloß zu Fachmännern, ja was den Verfasser überraschte, zuerst zu den Franzosen. Er fand noch ein Jahr vor seinem Tod: die Franzosen selbst applaudunt, wenn sie ein patriotisches Herz auch wider ihre Scribenten merken (an Stosch, 12. August 1767). Der Bildhauer Etienne Falconnet, dessen Bedürfnis, von Zeit zu Zeit durch heftige Auslassungen über Kunstangelegen- heiten seinen Kopf von störenden Wallungen frei zu machen, wir eine Reihe von sechs Bänden Oeuvres verdanken, drückt zwar auch die Verstimmung der Pariser Künstler über Winckelmanns Grobheit aus (in dieser Herabsetzung sei ebensoviel faussete als indecence), bekennt jedoch, nichts Besseres über das Schöne in der Kunst gelesen zu haben; seine Lehren gründen sich auf die einzige solide Basis; möge er nun diese Wahrheiten anderen Künstlern oder eigener Beobachtung ver- danken, jedenfalls habe er ins Ziel getroffen. Die Geschichte der Kunst sei voll von sehr guten Forschungen, einigen Vermutungen und mehreren gewagten, zuweilen geschmacklosen Behauptungen. Allein jene Ausfälle wurden von den Franzosen um so leichter verschmerzt, je bälder ihnen selbst die Sybaritenkunst ihrer Boucher und Coustou langweilig wurde, als die Römer Corneilles von den hohen Brettern ins Parterre des Lebens herabstiegen.

Unter den weitgefeierten Federn, deren damals Frankreich sich rühmte, war eine der schärfsten die von Denis Diderot. Die Namen

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der Maler und Bildhauer, die den Salon im Louvre von 1765 bis 1767 füllten, sind vielen nur noch bekannt aus den Salons von Diderot; selten hat sich so viel Offenherzigkeit und Witz in Ausstellungskritik verirrt. Diderot war der erste, der die eigentümliche Originalität unseres Landsmannes bemerkte. Er stellt diesen liebensw^ürdigen Schwärmer (cet enthousiaste charmant) neben Jean Jacques. »Wenn solche Naturen einmal zufällig eine Wahrheit finden, so verkündigen sie diese mit einem Nachdruck, der alles zerbricht und umstürzt. In Paradoxen, wenn sie Bilder über Bilder türmen, alle Kräfte der Bered- samkeit zu Hilfe rufen, Metaphern, kühne Vergleiche, Wendungen (tours), Bilder, wenn sie sich an das Gefühl, an die Phantasie wenden, Seele und Empfindungsvermögen an allen denkbaren Punkten an- greifen — dann ist das bloße Schauspiel ihres Ringens schön. Wodurch sind Glykon und Phidias zu ihren Werken gekommen? Er antwortet dir: Par le sentiment de la liberte, qui eleve l'äme, et lui inspire des grandeschoses; les recompenses de la nation,la consideration publique, la vue, l'etude, l'imitation constante de la belle nature, le respect de la posterite, l'ivresse de l'immortalite, le travail assidu, l'heureuse in- fluence des moeurs et du climat et du genie. Aber so wahr und bedeutend Winckelmanns Enthusiasmus ist, wo er uns die Kunst geschichtlich begreifen lehrt: so falsch und irrlich terierend ist er, wo er in die Praxis hinüberschweift.« Diese Bemerkung machte Diderot schon im Jahre 1765, als der Stil ä la grecque sich bereits regte. »Fragt man ihn weiter, ob man lieber die Natur oder die Antike studieren solle, so antwortet er unbedenklich, die Antike! et voilä tout d'un coup l'homme qui a le plus d'esprit, de chaleur et de goüt tout au beau milieu de Tobose.«

Als Frau von Stael ihr Buch schrieb, konnte man schon Winckel- manns Verdienst dahin bestimmen, daß er die Vermischung des antiken und modernen Geschmacks aus den Künsten verbannt habe. Und dies geschah durch jene historische Vergegenwärtigung des Griechentums, wie sie mit solcher Nähe und Treue hier ebenfalls zum ersten Male gegeben ward. »Niemand hatte vordem sorgfältige, gründliche Unter- suchungen mit so lebhafter Bewunderung vereinigt: aber nur auf diesem Wege versteht man die Künste. Phantasie und Wissenschaft gaben Winckelmann gleichmäßig ihr verschiedenes Licht: bisher glaubte

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man, sie vertrügen sich nicht miteinander. Nur durch Vertrautheit mit Land und Zeit kann man Kunst- und Dichterwerke lebendig machen: die Gelehrsamkeit muß der Einbildungskraft zu Hilfe eilen und sie womöglich zum Augenzeugen dessen machen, was sie schildern soll, zur Zeitgenossin dessen, was sie erzählt. En s'aidant ä la fois de l'imagination et de l'etude, on recompose le temps, et l'on refaitla vie.«

Italiens Eigentum wurde die Kunstgeschichte schon vor ihrer Über- tragung durch den vom Verfasser selbst seinen Monumenti voraus- geschickten Auszug. Ennio Quirino Visconti nennt sie ein klassisches Werk, dessen ganz ungewöhnliches (singolarissimo) Verdienst sicher nicht verdunkelt werde durch seine kleinen Flecken (nei). Die Über- setzer, Amoretti in Mailand (1779), Carlo Fea in Rom (1783 f.) haben mit Fleiß diese Versehen und Ungenauigkeiten verbessert; in der Dresdner Ausgabe wuchsen die Noten zu einem fortlaufenden Kom- mentar an (dessen auf die Kunst bezügliche Hälfte Heinrich Meyer Goethes »Kunstmeyer« lieferte), der die Brauchbarkeit des Buches für den Forsdier verlängert hat. Indes ist nur die so dürftig gedruckte Donaueschinger Ausgabe vollständig. Auch Italien besitzt eine Ausgabe von Winckelmanns sämtlichen Werken (Prato 183 1— 1835 in zwölf Bänden). Dort pflegt man von der »Gelehrsamkeit und Phantasie« Winckelmanns, von dieser mit einem skeptischen Akzent zu sprechen. »Zwar (bemerkt Cicognara, der Fortsetzer der Geschichte der Skulptur über die mittlere und neuere Zeit) sind seine Auslegungen nicht alle archäologische Canones geblieben, aber er hat den Denkmälern wieder die gebührende Verehrung verschafft; wiewohl seine Schriften doch nichts Großes, Reales geschaffen hätten, wenn nicht, wirksamer als alle Vorschriften, das Beispiel Canovas hinzugetreten wäre.«

Der archäologisch-historische Bestandteil der Kunstgeschichte konnte in Winckelmanns Bahn und Geist nur auf Roms Boden fortgeführt werden, aber es geschah fast nur von deutschen Gelehrten. Die von ihm begründete Überlieferung historischer Untersuchung alter Kunst- werke ist bis auf die neuere Zeit auf deutsche Wissenschaft beschränkt geblieben. Italien, das allein mitzählt, kennt nur antiquarische Deu- tungskunst. Alles andere sind nur matte Reflexe deutscher Arbeiten. Hier ist an der Berichtigung der von Winckelmann angegebenen Stationen der Kunstgeschichte, an der Belebung der Perioden durch

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Monumente und Künstlerbilder erfolgreich gearbeitet worden. Nur einmal wurde versucht, das ganze Periodensystem in Frage zu stellen, den Stillstand der Kunst seit Überwindung des alten Stils bis Hadrian wahrscheinlich zu machen. Aber je mehr der Apparat anwuchs, die Blicke in den Gang der Dinge deutlicher wurden, um so weniger fand man Ursache, die Hochachtung einzuschränken für das, was er mit seinen Mitteln herzustellen vermochte. Nodi heute kann gelten, was 1808 Miliin schrieb, als er die Kunstgeschichte einem Tempel verglich, dessen Fundamente und Hauptteile so gut konstruiert sind, daß er für die Ewigkeit da zu sein scheint, und bei allen Verbesserungen und Zusätzen im einzelnen die Genauigkeit und Schönheit des Planes unanfechtbar bleibt. Auch A. W. Schlegel bezeugt (181 2), das Werk sei klassisch geblieben, ungeachtet seiner vielen Lücken und Irrtümer: dies beweise seinen ungemeinen Wert. »Wie vor seinem Kunsturteil der Künstler«, schrieb 1842 Gervinus, »so mag vor seiner genetischen Geschichte die ardiäologische Anatomie und Mikrologie schweigen, die seitdem unendlich viel Material zusammengetragen hat, ohne daß einer gekommen wäre, dem es gelungen wäre, ihm auf seinem Wege nachzugehen, und dem das Herz auf dem Fleck säße, wo es ihm saß.« »Die Kunstgeschichte (sagt abschließend Eduard Gerhard 1856), die er als ein Ganzes hinstellte, werden bei so sehr erweitertem Umfang erst unsere Nachkommen würdig erneuern können: sie werden das aber nur auf Winckelmanns Grundlage vermögen« . . . Sein Verdienst war, »Gefühl und Verständnis des Schönen gewahrt und geschichtlich begründet, die Kunsthöhe des Altertums gezeigt, die geschichtliche Entwickelung der Kunst in Denkmälern nachgewiesen, die Denkmäler selbst im Zusammenhang von Kunst und Altertum eingehend gewür- digt zu haben . . . Kunsturteil, Kunstgeschichte und selbst die davon abhängige antiquarische Forschung haben im Schöße deutscher Gelehr- samkeit nur mangelhaft und einseitig sich entwickelt, so oft nicht Winckelmanns Schönheitsgefühl, seine philologische Bildung, sein kri- tischer Blick für Edites und Falsches, sein kombinatorisches Talent und die dabei unerläßliche Fülle monumentaler Anschauung auch seinen Nachfolgern zu Gebote stand. DieVereinigung so großer Eigenschaften hat längst ihn zum Musterbild echter Forsdiung gemacht . . . Zwar Erfolge zu erreichen, wie er sie gehabt, ist keinem seiner Nachfolger

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mehr möglich: dem ersten Gründer der Kunstgesdiidite, dem nie verstummenden Herold der Kunst der Hellenen, dem jeder Ab- sdiwädiung seines Ruhmes früh vorausgeeilten Propheten und Mär- tyrer für Kunst und Altertum, gebührt mehr als irgendeinem der von seinem Haupt unzertrennliche Kranz.«

Vergangenheit und Zukunft

Als Winckelmann dieses Werk schrieb, v^^ar ihm der Zweck seiner Erstlingsschrift, auf die Kunst der Gegenwart einzuwirken, ganz ferngetreten; nur wenige Künstler hatte er für dergleichen empfänglich gefunden. Solchen gegenüber sprach er sich etwa in der Weise aus, wie er Wiedewelt schrieb:

»Suchet die edle Einfalt in den Umrissen und in der Kleidung; und stellet euch, in Ermangelung der Köpfe der Niobe, einen Kopf vor, dessen Umriß Raff ael mit einem einzigen Zuge der Feder schnell, aber richtig und zur Ausführung bestimmt, unverbesserlich entwarf. So sind jene Köpfe gearbeitet, die nicht gemacht, sondern geblasen scheinen, aber durch einen Hauch der Pallas, der den Menschen des Prometheus belebete. Fliehet die gelehrte Andeutung vieler Dinge des Michael Angelo und suchet (wie der Apostel sagt) nicht überweise zu sein. Erzeuget eine griechische Schönheit unter dem cimbrischen Himmel, die noch kein Auge gesehen, und erhebet dieselbe, wenn es möglich ist, über alle Empfindung, welche die Züge der Schönheit stören könnte. Sie sei, wie die Weisheit, die aus Gott erzeuget ward, in dem Genüsse der Seligkeit versenket und bis zur göttlichen Stille auf sanften Flügeln getragen.« (14. April 1761.)

Wenn die Kunstgeschichte nach Idee, Plan und Stoffsammlung einen neuen Anfang bezeichnet, wenn ihr Verfasser nicht auf Schultern von Vorgängern, sondern auf eigenen Füßen steht, so ist sie doch auch das Glied einer Kette, die sehr weit zurückreicht.

Was sich als Markstein der Folgezeit so tief eingeprägt hat, die Epoche der Renaissance, war doch nur der Sieg einer Strömung, die im Lauf des Mittelalters immer von Zeit zu Zeit an die Oberfläche trat und bald in dieser, bald in jener Kunst Altertümliches hervorzog

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oder wiederbelebte. Was Niccolo Pisano als rätselhaften verfrühten Versuch an die Pforten der neueren Plastik gestellt, verlor sich wieder unter der andringenden gotischen Welle; es war vergessen im Anfang des Jahrhunderts, das die anmutige, harmonische, noch mittelalterlich anldingende Eleganz Ghibertis und Donatellos kühner rücksichtsloser Realismus beherrschten; aber es wurde im Einklang mit dem Zeitgeist und mit gereifter Kraft in der goldenen Zeit wieder aufgenommen. An zwei Punkten hat die neuere Kunst der Antike sich zugewandt: da, wo sie auf eigenem Wege zu einer Höhe des Formengefühls gekommen war, die über die Kluft der Zeiten die Alten als Verwandte erkannte; sodann in den Tagen der Erschöpfung und Verirrung, wo sie Läuterung und Erleuchtung von außen suchte. Was Raffael und Tizian aus ihr auf nahmen, gehörte zujener Artdes Antikisierens; aber zu viel Eigenes hatte die Malerei in jener Zeit zu sagen, als daß sie auf eine syste- matische Nachahmung hätte verfallen können, obwohl keine Zeit wie sie angetan war, ihre unerreichte Vollkommenheit zu würdigen und ihr sich anzupassen. Niemand konnte weiter entfernt sein vom »Ge- schmack der Griechen« als der größte Genius der Renaissance, der die Folgezeit mit dämonischer Gewalt in seine Bahn zog. Selbst in der Baukunst konnte sich der doktrinäre Purismus der Cinquecentisten nicht behaupten. Erst in der Zeit der Eklektiker fand sich die neuere Kunst zu dieser Selbstverleugnung bereit; seitdem wurden Palin- genesien häufiger. Guido Reni nannte die Niobidenköpf e seine Visioni di angioli; man wies ihm nach, daß die reizendsten seiner Hören von den borghesischen Tänzerinnen stammten. Der am weitesten ging damals, war einer der von jenseits der Alpen Gekommenen, war der Normanne, der zuerst sich seinen Stil von Grund auf nach römischen Skulpturen gebildet hatte.

Aber erst um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts, als die ita- lienische Kunst gänzlicher Ermattung verfallen schien, erfolgte ein unwiderstehlicher Andrang antiker Denkmäler auf die Phantasie. Was man bisher für moderne Fortbildung der antiken Skulptur gehalten, erschien nun als Entstellung, als widrige Mischung; wer noch von ihren Schranken, ihrer Kälte und Trockenheit sprach, galt für geschmacklos. Zum erstenmal wieder seit Brunelleschi traten sich Modernes und Antikes wie feindliche, sich ausschließende Mächte

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gegenüber, die Vergleiche fielen durdigehends zum Nachteil des Modernen aus. In zerrütteten Staaten entstehen Utopien, in werdenden oder sich auflösenden Gesellschaften erheben sich Heroen, Propheten und Heilige; die Kindheit der Naturwissenschaft hatte den Genius der Naturphilosophie. Die Wiederherstellung der Künste durch Nach- ahmung der Griechen war eine Utopie, wie der Staat Piatos oder des Thomas Morus. Nationaleigentümlichkeiten, persönliche Neigungen wurden verketzert, der Natur selbst, die halb erleuchtend, halb irreführend, darf man sich nur mit Vorsicht anvertrauen. Nur die schöne Form war maßgebend: Einheit ist die Losung aller Schwärmer: Farbe, Beleuchtung, Leidenschaft, das Sinnliche in der Kunst wird rigoristisch in seine Schranken verwiesen. Die Vergangenheit sah man nur noch durdi das Medium des letzten Verfalls. Die Griechenkunst, von der Fackel einer neuen Wissenschaft beleuchtet, warf alles in kimmerisches Dunkel. Es erschien nun nicht mehr wahrscheinlich, daß mit den sich selbst und der Natur überlassenen Methoden ein Weg zu solcher Höhe führen werde.

Und es kamen Ersdieinungen, die der Predigt von der Nachahmung recht zu geben schienen.

Noch vierzig Jahre, und man konnte in Rom aus dem Atelier eines lebenden Meisters Marmorbilder hervorgehen sehen, die keine Kopien waren, Werke eines Mannes, der so fein und poetisch ersann, wie irgendein Neuerer, und doch alles, was man bisher als Monopol der Griechen ansah, zu besitzen schien. Die Merkmale des Begriffs modern paßten nicht mehr. Der Geist des Lebens war über das Feld voll Totengebeine gekommen. Es war der Ernst, die Reinheit, die Sinnig- keit des Nordens, der in liebevoller Hingabe die Antike wiedererweckt hatte, ohne Rhetorik, Sinnlichkeit und Affektation der Gelehrsamkeit. Zum erstenmal konnte man Arbeiten im griechischen Geschmack genießen, verbunden mit dem Reiz des Lebens, der Neuheit, der Gegenwart . . .

Freilich konnte man auch die Bemerkung machen, daß wohl nie die Neueren sich beschieden hatten, so wenig zu sagen, was an die Welt erinnerte, die auf die Götterdämmerung des Olymp gefolgt war. Diese Statuen und Reliefs waren wie ein Supplement des fragmentarischen Epos der Antike, vielleicht nicht ganz gleichlautend mit den ver-

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lorenen Teilen, vielleicht ohne deren Lebensfrische und die Madit ihres Hervorganges aus dem vollen großen Leben. Elyseische Schatten, die in einer lichteren, dünneren Luftschicht über dem Leben schweben. Aber ohne jene Selbstverleugnung hätte man solches nicht erreichen können. Ohne das Erlöschen moderner Überlieferung, auch v^^ohl ohne den Eintritt der Männer von Norden, die sich frei und kraftvoll dem von Gelehrten und Denkern vorgezeichneten Werke widmeten, hätten wir diese merkwürdige Erscheinung nicht gehabt. Insofern war Thorwaldsen der Nachfolger Winckelmanns, der Erbe seiner Idee.

Indes von solchen vereinzelten Größen abgesehen, die Nachahmung der Griechen hat die Neueren nicht, wie Winckelmann hoffte, groß und unnachahmlich gemacht, sie hat uns doch nur eine Kunst von halbem, schattenhaftem Leben gebracht, und das alles gehört nun längst der Vergangenheit an. Aber müssen wir denn nachahmen, was wir unübertrefflich finden? Müssen wir werden, was wir bewundern? In jenen bedenklichen Reden vom Hinausgehen über die Natur konnte auch diese unerreichbare Herrlichkeit der Griechen ausgedrückt sein. Sie, die der Kunst ihre Aufgaben so hoch wie möglidi gestellt, besaßen das Geheimnis, durch sinnliche Gestalten unsere Begriffe von der Größe und dem Adel der Menschennatur zu steigern. Diese Gestalten erschienen wie Erinnerungen eines verlorenen Daseins, das dem ver- meintlichen göttlichen Ursprung unseres Geschlechtes näherstand. Das Volk, in dem sie ihre lebendigen Muster hatten, ist für immer aus der Geschichte verschwunden, seine Ideen, seine Sitten und Gewohn- heiten, sein Glaube, sind ein Ganzes, das uns immer ferner rückt. Aber ihre Werke können für uns das Höchste bleiben, was der menschliche Geist in sichtbaren Formen gedacht hat; und wir dürfen uns glücklich preisen, wenn wir wenigstens von außen, durch Studium, uns allmäh- lich diese verlorene Welt aufschließen. Ihre Trümmer sind Reste einer Offenbarung, die, wenn sie ganz untergegangen wäre, keiner wieder- finden würde. Daher sind ihre kleinsten Reste unschätzbar; der be- schränkteste Arbeiter an ihrer Entdeckung und Entzifferung darf stolz sein, an einem Werk der Humanität mitzuhelfen. Und von diesen Resten fällt denn auch ein unvergänglicher Glanz auf das Buch, dessen ausführliche Besprechung eben in dieser Bedeutung des Gegenstandes eine Entschuldigung findet.

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Die moderne Kunst hat ganz andere Wege betreten, von denen sich in der Zeit, die hier geschildert wird, kein Mensch etwas träumen ließ. Die Zukunft war von jeher zu stolz, die Eier auszubrüten, die ihre Auguren untergestreut; sie hat selten oder nie das gebracht, was vor- ausberechnet und vorausgesagt war. Das äußere Leben der Bewohner dieses Planeten hat eine Umwälzung erfahren, die in der Geschichte ohne Beispiel ist. Die seit geologischen Zeitaltern bis jetzt unverän- derliche mensdiHdie Natur hat einige Schwierigkeiten, sich diesen Zuständen anzupassen; ob die Kunst und was für eine sich in sie ein- gewöhnen werde, das ist eine noch nicht spruchreife Frage. Die Ära der technischen Überraschungen, der Photographie, der Weltausstel- lungen und Universalmuseen hat sie vorläufig mit unwiderstehlicher Gewalt in ihre Bahnen gerissen. Das Ergebnis ist ein Chaos, aber eins, das sich in jedem Augenblicke verwandelt. Täuschende Wieder- erweckungen der erforschten und aufgehäuften Gebilde ihrer Jahr- tausende ziehen in immer rascherem Wechsel, wie dissolving views, vorüber; alles ist willkommen, das Halbbarbarische und Verknöcherte, das Raffinierte und der Verfall, nur das Vernünftige und Schöne findet in der Regel weniger Schonung. Dagegen wird als Stärkung der durch solche Aufregungen angegriffenen Nerven das Schlammbad der »Be- stialität« mit warmer Überzeugung empfohlen, auch als Weg zum »Übermenschen« der Zukunft. Unter solchen Umständen ist der Be- griff der Schönheit, der Winckelmanns Kunstlehre beherrschte, von den Gelehrten einmütig ausgewiesen worden; an seine Stelle trat die kunstgerechte Katalogisierung der Überbleibsel der Vergangenheit, zur größeren Ehre der Registratoren.

Da die Denkmäler so ihren Zweck erfüllt haben, so ist, vorzüglich in dem Reiche, nach dem man bisher als dem gelobten Lande der Schönheit pilgerte, unter der Ägide kommunaler Selbstverwaltung, die Ära des Abbruches eröffnet worden. Sie fällt zusammen mit der Ära der Maschine, von deren erzieherischer Wirkung man die voll- endete Abhärtung gegen das absolut Häßliche hoffen darf. Der moderne Mensch schuf sein eigenes Symbol, indem er, sich selbst zum Teil einer drolligen Maschine machend, als zwecklos den Raum verschlingendes Monstrum, des Königs Heerstraße durchrast.

Es gibt natürlich Unglückspropheten, die, an den Erfahrungen der

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verschwindenden Welt klebend, in dem Modernen alle Stigmata der Entartung nachweisen. Nicht mehr, wie einst der Magus aus Norden, heischen sie »eine Worf schaufei für ihre Muse, die Tenne der heiligen Kunst zu fegen«, sie glauben die Füße derer schon vor der Tür, die den »Kehrbesen der Vernichtung« bringen.

Aber zahlreicher zu unserem Trost sind doch die Chiliasten, die, im Vertrauen auf unsere technische Machtfülle, in den periodischen Stern- schnuppenschwärmen der Ausstellungen die Morgensterne der Mensch- heitskunst der Zukunft zu erkennen wissen. Nur dürfen wir uns an den neuen Wundern, die alljährlich verlangt und geliefert werden, nicht durch Kritik versündigen, an deren Stelle die Reklame tritt, die ja auch zum beliebten Kunstwerk erhoben wurde; ernste Pflicht des Kunstfreundes ist, alles mit Haut und Haaren zu verschlucken. Dann wird die Zeit kommen, wo der Geist ausgegossen ist über alles Fleisch, auch auf Knechte und Mägde, wo es weder Götter, noch Helden, noch Genies mehr geben wird, weder willkürliche noch natürliche Gesetze. Die Kunst wird den Weltstädten und ihrem Großbetriebe ausgeliefert sein, vielleicht als Dependenz jener Monstermuseen, die, wie Leibniz von den Bibliotheken vorhersagte, zum Umfang von Städten heran- wadisen werden.

DRITTES KAPITEL

NACHTRÄGE UND NACHKLÄNGE

Das Jahr 1764

Das Erscheinungsjahr der Kunstgeschichte macht in mancher Be- ziehung den Eindruck eines kulturgeschichtlichen Wendepunktes; her- vorragende Figuren der letzten Jahrzehnte verschwinden, große Namen der kommenden werden zum erstenmal gehört. Der sächsische Kur- fürst, der Dresden zur Metropole der Künste in Deutschland gemacht, starb bald nach dem Ausgang des Krieges (am 5. Oktober 1763). Und wie mit ihm das Augusteische Zeitalter Sachsens endigte, so war für das Zeitalter der Ludwige der Tod der Marquise von Pompadour (15. April 1764) ein Memento. »Was bleibt von dieser Frau«, schrieb damals Diderot, »die uns Menschen und Geld ausgepreßt hat, uns ohne Ehre und Kraft zurückließ und das Staatensystem Europas um- stürzte? Der Vertrag von Versailles, der so lange dauern wird als er kann; der Amor Bouchardons, den man ewig bewundern wird, einige geschnittene Steine Guays, die die Antiquare der Zukunft in Staunen setzen werden, ein hübsches Bildchen Vanloos, dem man zuweilen einen Blick schenken wird, und ein Haufen Asche.«

Am 5. September 1765 starb Graf Caylus, über ein Menschenalter in Paris der Träger der Archäologie, und am 3. Mai 1764 Graf Algaro tti, dies lebendige Band zwischen Italien und den nordischen Höfen, der Tischgenosse Friedrichs IL; am 15. Juli 1765 Carle Vanloo, premier peintre duRoi et de la nature, wie man damals sagte, tel roi tel peintre, wie es dreißig Jahre später hieß; Rene Michel Slodtz, als Knabe wegen seiner Engelsgestalt mit blonden Haaren Midiel-Ange genannt, woraus die Freunde später einen zweiten Michelangelo machten; von ihm war in Sankt Peter die Statue des hl. Bruno zurückgeblieben. Er sollte es fertiggebradit haben, die edle Wahrheit der Natur mit den schönen Formen der Alten und Berninis verführerischer Grazie zu verschmelzen.

Aber zu gleicher Zeit erhoben sich neue Gestirne, obzwar noch

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niemand ahnte, welchen Glanz sie einst verbreiten würden. »In der Biblioteca Angelica«, so erzählte das römische Diario vom 15. Sep- tember 1764, »am Donnerstagvormittag, bestand Sig. Ennio Quirino Visconti, ein Knabe von zwölf bis dreizehn Jahren, mit großer Geistes- gegenwart und zur Bewunderung der vornehmen, sehr zahlreichen Zuhörerschaft, eine öffentliche Prüfung in Trigonometrie, Kegel- schnitten, Algebra, Integral-, Differential- und Exponentialrechnung; mit Freiheit für jedermann, ihm Fragen vorzulegen über die Auf- lösung und Demonstration der Theoreme und Probleme der ebenen Trigonometrie Wolffs, über Grandis Kegelschnitte und die Lösung aller dreihundertundachtzig analytischen Probleme, die der genannte Wolff behandelt. Auf alle ihm von verschiedenen kundigen Leuten gestellten lateinischen Fragen antwortete er so gelehrt und gab so klare Beweise seiner großen Gaben, daß erden außerordentlichsten Bei- fall erntete, besonders von den Kardinälen Galli und Fantuzzi, die das Examen mit ihrer Gegenwart beehrten, wie auch verschiedene Prä- laten und Religiösen taten, die die höchsten Ämter in ihren Orden einnehmen.«

In demselben Herbst 1764 wandelte ein zweiundzwanzigj ähriger Jüngling, ein Romagnole aus Santarcangelo, staunend unter den Ge- wölben des Kolosseums und sah hinauf zu den grandiosen, vertieften Zeilen der Friese, in denen einst längst ausgebrochene Metallbuch- staben gebettet gewesen waren, Gaetano Marini, der einst für die In- schriften neue Lichter aufstecken sollte.

Im selbigen Jahre erschien Beccarias Werk von Vergehen und Stra- fen. »Nun«, rief man triumphierend zu Paris, »hat die philosophische Gärung die Alpen überschritten und rückt dem Herd des Aberglaubens nahe. Das Reich des Unsinns droht von allen Seiten den Zusammen- sturz, und wenn die Vernunft endlich ihren Platz einnehmen sollte, so müßte es uns leid tun, zu früh in die Welt gekommen zu sein.«

In Wien hörte man 1762 die erhabenste Schöpfung des Genius Glucks, den Orpheus, und der Kapellmeister Mozart von Salzburg ließ im Jahre 1763 seinen siebenjährigen Knaben in Paris Konzerte geben, in denen man, wie Grimm schrieb. Mühe hatte, zu glauben, was man mit eigenen Augen sah und mit eigenen Ohren hörte.

Aber der neue Tag der Kunst war noch fern: Canova war erst vier

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Jahre alt, Thorwaldsen noch nicht geboren, erst zehn Jahre später ist Louis David in Rom erschienen.

Die Kunstgeschichte war dem Fürsten gewidmet, von dem man hoffte, daß er die Pflege der schönen Künste jenseits der Alpen nach weiseren Grundsätzen als sein Vater fortsetzen werde, obwohl sein Geschmack in demselben Boden einer italienischen Reise wurzelte. Mit Gründung der Akademie unter Hagedorns Direktion schien ein neues System der Kunstwirtschaft eröffnet. »Les Antiques (bemerkte Hagedorn in seinen gutachtlichen Reflexions sur l'Etat present des Arts en Saxe) exposees dans un Salon, personne ne leur pourroit faire plus d'honneur que l'Abbe Winckelmann ä Rome, egalement verse dans la Science des Medailles.« Auch sonst hatte man sich der Hoff- nung überlassen, daß der neue Regent bestimmt sein werde, die Wun- den Sachsens zu heilen. Der Anblick der Zerstörung in Dresden, bei seiner Rückkehr von München am 30. Januar 1762, hatte auf ihn einen tiefen Eindruck gemacht.

Da kam als Neujahrsbotschaft die Kunde, daß Friedrich Christian nach nur zwei Monaten und zwölf Tagen Regierung von den Blattern hingerafft sei (gest. 17. Dezember 1763). »Ich weiß nicht«, schreibt Winckelmann den 4. Januar an Weiße, »was ich zum neuen Jahre wünschen kann, da nichts zu hoffen ist, nach dem Fall des Prinzen, den Gott zum Heil seines Volkes nur gezeigt hat«, eine Anspielung auf Virgils Marcellus, die man schon bei Marcel II. gemacht hatte, der nur drei Wochen Papst war (1555).

Ostendent terris hunc tantum fata, nee ultra Esse sinent. Virgil. Aen. VI. 869 f.

»Gestern haben wir diese Nachricht erhalten, die mir wie ein Schwert durch Mark und Bein gegangen ist. Unersetzlicher Verlust! durch wel- chen ich zugleich auf immer von Sachsen getrennt bleibe, wohin mich mit heimlicher Verleugnung aller hiesigen Vorteile ein fast unüber- windlicher Zug rief, so daß ich alle meine Ruhe hätte verleugnen kön- nen, um in der letzten Hälfte meines Lebens wiederum einen Schul- meister oder Kinderlehrer, welches mein innerer Beruf war, abzu- geben« . . . Ihm zuliebe habe er jenes Opfer wohl bringen wollen; er

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habe eine überschwengliche Liebe zu dem göttlichen Prinzen gehabt, welcher das ähnlichste Bild von dem gütigsten Wesen war. »Hier ist nunmehr meine Hütte aufgeschlagen, und nach dem Verlust des an- betenswürdigen Prinzen, der zum Heil seines Volkes von Gott er- koren war, ist fast alle Neigung für das Land, wo idi mich ganz im Unterricht der Jugend hätte aufopfern wollen, verschwunden« (an J. J. Volkmann, lo. Februar 1762).

Winckelmann hatte nun das Beste, was er der Welt zu sagen hatte, gesagt. Ein Ton der Beruhigung mußte sich über die folgenden Jahre verbreiten, die ihm noch zugezählt waren im hohen Rom; wenige waren es. Er durfte abwarten, daß das Echo dessen, was er verkündigt, zu ihm zurückkehrte: es blieb nicht aus. Seine Stellung in Rom war befestigt; er war und blieb Römer. Aber während er in Italien nun ganz heimisch wird und sich auch als Schriftsteller einführt, wird er zugleich im Vaterland ein hochgefeierter Name, alle deutschen Reisen- den von Distinktion, einige geistig hochstehende Fürsten suchen ihn im Palast an den vier Brunnen auf. Die nächsten Jahre waren viel- leidit die glücklichsten seines Lebens. Er mochte nun das Ruder bei- hängen und sidi von Strom und Wind tragen lassen. »Ich habe«, schreibt er an Marpurg den 13. April 1765, »die Ruhe, in welcher einer von den sieben Weisen das hödiste Gut setzte, nach vieler Arbeit hier erhalten; und da meine Wünsche allezeit sehr mäßig gewesen, so ist mir, was wenige sagen können oder wollen, das hohe Los zuge- fallen, mich rühmen zu können, für mich nichts zu wünschen übrig zu haben.« Wenn er sich dann in der Villa amSee Albanos,und am myrten- bewachsenen Ufer des lateinischen Meeres, und dort vor der Porta Salara angesichts des fernen Hochgebirges der träumerischen Wonne südlicher Natur überließ und »eine stolze Ruhe« genoß, dann sagte er sich, er lebe doch nun, wie er es sich ehemals nicht in Träumen habe wünschen können; er sah ein, wie hier in Italien allein der wahre Hafen seiner Ruhe zu finden gewesen. Dies Gefühl der Sabbatfeier war so über die letzten Jahre des kräftigen Mannes verbreitet, daß er sich eine Andachtsstunde täglich aussetzt: »ich bringe eine halbe Stunde zu, ohne zu arbeiten, und dieses ist des Morgens, wo ich meinem Glück nachdenke. Bei diesen Betrachtungen singe ich Lieder aus dem lutheri- schen Gesangbuch, wie mir dieselben einfallen, und bin in diesem

DAS JAHR 1764 295

Augenblick vergnügter als der große Mogul« (an L. Usteri, 27. Sep- tember 1766). »Die Pedanten, die über Zufriedenheit moralisieren, sollten zu mir kommen und lernen« (18. Februar 1767).

Diese seine Ruhe wäre indes für manchen andern gleichbedeutend mit angestrengter Tätigkeit gewesen. Zwar glaubte er zuweilen, er werde nun die Feder feiern lassen. »Die Welt«, schrieb er am 28. Dezem- ber 1763, »ist glimpflicher mit meinen Sachen verfahren, als sie es verdienen, ich soll mich aber auch erinnern des

Solve senescentem mature sanus equum.«

Aber wenn man nur seine eigene Vergangenheit loswerden könnte ! Die früheren Jahre hatten ihm so manches Projekt vererbt, daß nach Erledigung des großen Werkes schon drei andere an seinen Platz gerückt waren. Da war kein Ende abzusehen. Zuerst kam ein noch in Deutsdiland wurzelnder Plan an die Reihe. Von der Kunstgeschichte hatte ihn die Absendung des Manuskripts keineswegs erlöst. Ein solches Werk wird zum Schicksal: es wächst im Geiste fort, besonders in einer günstigen Atmosphäre. Zwei Jahre nach dem Erscheinen folgte ihr ein Manuskript, worin er dem Publikum die nachgekommenen Einsichten mitzuteilen eilt. Damit nahm er von Deutschland Abschied: das nächste Buch sein zweites Hauptwerk war in italienischer Spradie ge- sdirieben: es leistete ihm dasselbe für seine literarische Stellung in Welschland, wie jenes für die Heimat.

Die Arbeit an diesen Werken war eine bequemere, leichtere, ver- glichen mit der Konzentration, aus der jenes erste hervorgegangen war. Solche Ahnungen verlorener Zeiten der Kunst, solche Linien von Meisterhand, die aus den Trümmern und Nebeln der Zeit eine hohe Gestalt erstehen lassen, jenes Ringen mit dem Künstler in dichterischen Sprachformen findet man nur einmal. Er fühlt, daß der feine Geist, der ihn einst in Betrachtung der Kunst erhoben, verraucht war: die folgenden Werke sind Arbeiten des Sammlers, Werke, wie sie dem Forscher, der ein unbekanntes Land sich erobert hat, von selbst zu- fallen. Gesdirieben wurden sie inmitten lärmender Villeggiaturen, in Stunden zwischen den Gängen mit großen Herren. Jene Sorge um strenge Auswahl des Bedeutenden, um künstlerische Ganzheit tritt

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zurück. Das Selbstgefühl ist gestiegen, der Name des Verfassers sei überflüssig, bemerkt er bei einer Schrift, »da er hoffe, kenntlich genug in der Schrift zu sein«.

So wenig seine äußere Stellung auch jetzt eine glänzende oder selbst behagliche wurde, »kaum habe ich das Nötige erlanget, und wer weiß, wie lange ich es genieße« (an Stosch, 28. Januar 1764): so hatte er doch genug von dem, was das menschliche Herz Reelles und Eiteles zu begehren pflegt. Ein Ruf, der ihn noch einmal Rom zu entführen droht, offenbart, wie sehr man ihn dort schätzte, bis hinauf zum Papst: neue hohe Gönner kommen zum Vorschein. Die Verbindung des amtlichen Ranges mit dem schriftstellerischen Ruf gab ihm eine internationale Stellung, als Führer der durch Stand und Geist aus- gezeichneten Fremden aller Zungen. Monatelang waren deutsche Für- sten sein täglicher Umgang. Eine französische Gesellschaft kam, die ihn bestimmte, seine Begriffe von dieser Nation von Grund aus zu reformieren: bald darauf beschloß er, daß sein Lebenswerk in der neuen Gestalt französisch ersdieinen solle. Der größte Fürst der neueren Zeit wollte ihn in seinen Dienst ziehen.

Aber unser Freund hatte seine Lektion in der Schule des Lebens zu gründlich durchgemacht, als daß ihm solche Erfolge hätten zu Kopf steigen können. Er hatte ein wenig gelernt, es so zu machen wie die artigen Kinder Epiktets an der Tafel des Lebens. Die Skala der Güter, die er sich gebildet, war nicht die der großen Welt. Der vertraute Um- gang mit den Fürsten war ihm »eine große Schule der Zufriedenheit«. Der Wert vieler Dinge erblaßte in der Nähe, nur der Freundschaft blieb er treu: »Nunmehr habe ich weiter nichts übrig, und alle Dinge sind mir gegen die Freundschaft gleichgültig.« Daß er ohne alle Familie dastand, scheint für ihn nichts Niederschlagendes gehabt zu haben: »Für meine Erben habe ich nicht zu sorgen, und da wir eine unendliche Ewigkeit werden ernsthaft sein müssen, so will ich in diesem Leben nicht den Weisen anfangen zu machen, und vielleicht kommt es daher, daß ich nicht scheine zu veraltern, wie die Leute mir wollen glauben machen« (an Berendis, 15. Mai 1764). Sein Glück glich einem sonnigen Herbsttage, die Sommerschwüle mit ihren Wettern war vorbei: klare farbige Landschaftsbilder.

Versuch einer Allegorie

Die Arbeit des Jahres 1764 war der »Versuch einer Allegorie, be- sonders für die Kunst, der Königl. Großbritannischen Gesellschaft der Wissenschaften auf der berühmten Universität zu Göttingen zuge- eignet«. Es war von allen seinen literarischen Plänen der älteste, aus Dresden hatte er ihn mitgebracht, auch die praktische Abzweckung stimmt mit der Dresdner Schrift. »Ich habe auf dieses Werk gedacht, ehe ich nach Italien gegangen bin.« Damals trug er sich mit einem Werke für Künstler, einer aus dichterischen, philosophischen und arti- stischen Quellen aller Völker alter und neuer Zeit geschöpften, geord- neten Allegoriensammlung nebst Gebrauchsanweisung ein unge- heurer Plan, der hier freilich nur in zufällig-beschränkter Gestalt zur Ausführung gekommen ist.

Zuerst im Juni 1759 spricht er von Studien zu einem »Versuch der Allegorie für Künstler«, und zwar gegenüber einem Kunstmann des Dresdner Kreises. Hagedorn war auch der einzige, dem er später Ein- sicht in das Manuskript gestattete, weil die Schrift allezeit dabei ge- winnen werde. Daraufhin hatte Hagedorn in seinen »Betrachtungen« (1762) Hoffnung gemacht, »dieser Kenner des Altertums und des Schönen werde, so oft er wolle, wie ein Hannibal Caro vormals den Gebrüdern Zuccheri (!), die Erfindung und Mühe dem Künstler er- leichtern können«; er erwartete von ihm eine Verbesserung der Ripa- schen Ikonologie! Aber noch drei Jahre später heißt es: »Ich habe jetzt angefangen, an eine Allegorie für Künstler zu denken« (27. No- vember 1762). Nun, nach Vollendung der Kunstgeschichte, legt er ernstlich Hand an den Abschluß des Werkes, das »viele Jahre hindurch eine Nebenbeschäftigung für ihn gewesen an das er neun Jahre gedacht an dem er, so lange er in Rom sei, nach und nach gearbeitet habe«.

Eine Veranlassung zur Beschleunigung lag vielleicht in der 1763 von dem Buchhändler Constantini in Perugia angekündigten und von dem Abate Cesare Orlandi aus Fermo, dem Verfasser eines Werkes über die Städte Italiens (1772— 1776) bearbeiteten, vermehrten Ausgabe des zuerst 1593, dann 1603 und oft erschienenen Ripaschen Werkes (Iconologia accresciuta d'annotazioni, e di f atti da C. O., in fünf Quar-

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tanten, Perugia 1764— 1767). Das Unternehmen schien also zeitgemäß. Von Ripa urteilt er, seine Belesenheit sei aus Büchern von Sinnbildern (Emblemen) und Pierio Valerianos Hieroglyphen entlehnt, die Bilder aber, die in seinem eigenen Hirn erwachsen, seien dergestalt erdacht und entworfen, als wenn keine alten Denkmäler in der Welt wären. Sie sind in der Tat ohne Wert.

Die Bestimmung für Künstler war von Einfluß auf die Behandlung. Er glaubte, nützlich, brauchbar und leicht könne sie nicht durch all- gemeine Betrachtungen werden, sondern durch Anzeige der besten Bilder. Die Theorie der Allegorie schien ihm wohl mit jener Leistung von 1755 erledigt, das Sammelinteresse war vorherrschend, jede Ver- mehrung seines Registers war ihm jetzt interessanter als eine Ab- klärung der Begriffe oder Gliederung des bunten Stoffes. Er entschul- digte sich damit, daß eine philosophische Betrachtung vom Wesen und Grund der Allegorie die ganze Schrift mehr einer Abhandlung als Sammlung ähnlich gemacht haben würde. Wenn Franke den Stil nicht so angenehm und aufgeweckt fand wie früher, so entgegnete er ihm (Mitte Mai 1766), ein Lehrbuch müsse so sein: der Wert der Aphoris- men des Hippokrates bestehe in der Kürze und Einfalt.

Im ersten Entwurf von 1763 war die Schrift klein, zwei Kapitel, von der Allegorie der Griechen und der Neueren. Er dachte sie Mengs zuzuschreiben, von dessen Urteil und Beifall die Ausführung des Embryo abhängen solle. Als die Kunstgeschichte gar nicht erscheinen wollte, dachte er sie ins Italienische zu übersetzen und selbst zu ver- legen. Er hätte es getan, schreibt er am 30. März 1765 an Murray, wenn nicht teils die Liebe des Vaterlandes, teils eine kleine Eitelkeit der Bewegungsgrund gewesen, nämlich, den Deutschen etwas zugeben, was unsere Nachbarn nicht aufweisen können.

Während seiner freiwilligen Einsamkeit in der tollen Villeggiatur des Sommers 1763 bringt er den Entwurf in eine ganz andere Form so daß es jetzt ein beträchtliches Werkchen in Absicht der Größe sei.

In den wie immer häufigen Auslassungen während der zweijährigen Arbeit bemerkt man öfters Klagen über ihre Beschwerlichkeit eine Übellaunigkeit, die dem Buche kein gutes Prognostikon stellt. Er ist froh, das mühsame Werk, diese ihm sauer gewordene Arbeit, über der er so lange gedacht und gemärtelt, als er in Italien ist, sich vom Halse

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geschafft zu haben. Zwar ist er überzeugt, daß nicht nur unendlich viele Dinge in der Schrift erklärt würden, sondern daß sie seine beste Arbeit sei; besorgt aber, daß ihm das Publikum seine Mühe nicht ge- bührend danken werde. »Meine Arbeit ist übel angewandt.« Er will mit diesem Buche von Deutschland Abschied nehmen. Empfindlich über das Ausbleiben des Dankes für die Bergsche Zuschrift, zieht er die Widmung an Mengs zurück, ebenso gibt er es auf, sie (wie er im August 1764 beabsichtigte) der in Sachsen neugestifteten Akademie der schönen Künste zuzuschreiben. Mürrisch beruhigt er den Verleger in bezug auf die vielleicht erwarteten Autorbelästigungen und hinken- den Boten: »Mit Anwünschung eines gesegneten neuen Jahres über- sende ich Ihnen das Manuskript von der Allegorie, so daß nichts daran mangelt, und ich werde auch keine Zusätze einschicken . . . Der Titel derselben wird gedruckt, wie ich ihn entworfen habe, und zwar ohne meinen Namen, welches ich mir von Ihnen ausdrücklich ausbitte, weil ichdarzu meine Ursachen habe, und weil der Name überflüssig scheinen kann, da ich hoffe, kenntlich genug in der Sdirift zu sein. Es soll auch kein Kupfer weder vorne noch hinten angebracht werden, und wenn sich auch jemand darzu erbieten wollte, soll niemand Hand an die Schrift legen« (22. Dezember 1764). Kurz vorher hatte er sich zu einer Widmung an die Göttinger Sozietät entschlossen. Auf die Ehre ihrer Mitgliedschaft, für die er am 30. März 1765 ein lateinisches Dank- schreiben absandte, legte er keinen geringen Wert, er schätzt sich glücklich, einigen Beifall eines öffentlichen Lehrers der schönen Wis- senschaften in dem edelsten Sitz derselben erlangt zu haben. Er erhielt dreißig Zechinen Honorar und zwölf Freiexemplare, davon gebührte eines natürlich dem würdigen Professor Oeser, ein anderes dem recht- schaffenen Franke, ein drittes Quintus Icilius. Erst im Juli wurde er beruhigt wegen der Furcht, daß das Manuskript Moder oder Feuer verzehrt; als im März 1766 die Exemplare eintrafen, war er anfangs über den schönen Druck ungemein vergnügt, aber diese Freude ver- darben die Druckfehler; der Korrektor habe nicht Griechisch lesen können, »was mich an einem Sachsen befremdet; denn sein Vaterland hat er verraten durch Verwechslung des D und T. Es ist also alle Hoffnung verloren«, schließt er bitter, »Bücher ohne grobe Fehler in Deutschland zu drucken, da nicht leicht eine Handschrift deutlicher als

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die meinige sein wird

Das Publikum benahm sich um so unliebcnswürdiger, da er es bis- her verwöhnt hatte, indem er seine Erwartungen übertraf. Die Allegorie madite dicht hinter der Kunstgeschichte keine gute Figur. Niemandem entging das Verworrene und Lückenhafte des aufgehäuften Vorrats.

Zwar meinte die Neue Bibliothek (III, 217), noch niemandem sei es geglückt, an einer Sammlung und Beurteilung allegorischer Bilder mit so vielem Erfolg zu arbeiten: und auch die Leipziger Neuen Zeitungen fanden, was er geleistet, trotz allem, doch weit schätzbarer als das, was man von dieser Art bereits gehabt habe. Allein das klang wie das Lob des Einäugigen unter Blinden. Die Allgemeine Deutsche Biblio- thek (gez. P.) gab die Unzulänglichkeit des Versuchs zwischen den Zeilen zu lesen: »Es enthält Materialien zur Allegorie für Künstler, von einem Gelehrten gesammelt, der zu sehen wußte, reiche Beiträge zu dem noch unvollkommenen System derselben, viele und mannig- faltige Berichtigungen von Irrtümern in dieser Wissenschaft, über deren Prinzipien man sich bis dahin noch wenig Mühe gegeben, und endlidi sehr große Aussichten und sehr vernünftige Ratschläge für denjenigen, der das fast unabsehliche Feld der alten und neuen Alle- gorie einmal neu durchzuarbeiten Lust und Kräfte haben möchte^.«

Der modernen Phantasie, die in den letzten zwei Jahrhunderten aus eigenen Mitteln einen Wust zutage gefördert hatte, dessen An- blick den Eindruck trostlosester Unfähigkeit und Geschmacklosigkeit machte, schien keine gesündere Nahrung geboten werden zu können als der geläuterte, regelmäßige und ernsthafte Geschmack der be- rühmtesten Künstler des Altertums, zu deren Bekanntschaft ihr einer

1. [An Walther, 2. Hälfte April 1766; III, 176.] Gereinigt von diesen Fledken und mit zahlreichen großen und kleinen Zusätzen vermehrt ist die Allegorie von Dr. Albert Dressel in Rom aus Winckelmanns Handexemplare heraus- gegeben worden. (Leipzig 1867.) [Das erwähnte Handexemplar, 1858 von A. Dressel aus dem Besitz des Fürsten Albani erworben, später in Besitz der Familie Mendelssohn-Berlin, ist zur Zeit verschollen; s. III, 496.]

2. [K. Borinski, Die Antike in Poetik und Kunsttheorie, Leipzig 1924, II, 30 ff.; 208 ff. C. Müller, Die geschichtlichen Voraussetzungen des Symbol- begriffs in Goethes Kunstanschauung, Leipzig 1937, S. 20—85. Zur Wirkung der »Allegorie« auf die Künstler s. H. Tintelnot, Die barocke Freskomalerei in Deutschland, München 195 1, S. 290 ff. und III, 472.]

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der größten Kenner verhalf. »Wieviele Fehler großer Meister«, rief man, »wären vermieden worden, wenn sie ihr Urteil durch Muster geschärft hätten? Die Ausleger martern oft sich und die schönsten Stellen, weil sie die Kunst nicht kennen, weil sie aus Büchern und Nachrichten, nicht aus Bildern und Denkmälern erklären.«

Da unser Zeitalter, wo alles auf abstrakte Begriffe gebracht wird, der Allegorie ungünstig sei, so ersdiien diese Abhängigkeit ganz natür- lich. »Ihre Herrschaft auf der Welt (bemerkten die Göttinger) waren diejenigen früheren Zeiten, da die Bildersprache die allgemeine Sprache war; die verfeinerten Zeiten machten dann aus diesen Bilderzeichen sinnlich schöne Vorstellungen, verschönerten und veredelten zugleich die Allegorien, und so sind sie die Quelle sowohl als die Regel in der Allegorie für alle Zeiten.«

Doch bemerkte Klotz, daß es mehr lobenswerte moderne Allegorien gebe, als Winckelmann zu glauben scheine, und Schlegel (der an Leonardo-Luinis Bescheidenheit und Eitelkeit, an desselben Christus unter den Pharisäern, an die hl. Cäcilie erinnert) schließt: »Die Kunst der Neueren war ihm ein versiegeltes Buch, sonst hätte er sehen kön- nen, daß die großen Meister längst und weit über seine Begriffe ge- leistet hatten, was er von der Malerei begehrt, nämlich die Vorstellung unsichtbarer, vergangener und zukünftiger Dinge.«

Noch weniger fehlte es an Zweiflern, ob der Kunst von der Alle- gorie überhaupt Heil erblühen könne. Caylus wollte aus den Regeln der Klarheit und Präzision die Vermeidung aller Allegorie folgern. Die Zahl der durch Gewohnheit vertrauten und zugänglichen sei so gering, daß sie dagegen keine Instanz bilden könnten; jeder Verstän- dige werde ihm beitreten. Die Göttinger fanden ihn sogar mit seiner eigenen Lehre in Streit: »insofern Schönheit der höchste Zweck der Kunst ist, ist die Allegorie gar kein Gegenstand der Malerei, sondern bloß insofern sie in die Grenzen der Schönheit eintritt.« In der Tat hat er kaum versucht, die Allegorie mit der Schönheitslehre in Verbindung zu bringen.

War nun die Schrift für Künstler bestimmt, so hätte man nicht nur Beispiele, sondern auch Vorschriften für deren Gebrauch gesucht, aber gerade diese vermißte Klotz: es fehle eine feste Theorie. Winckelmann hatte aus einer Äußerung Heynes geschlossen, diese Rezension der

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Acta litteraria (1766, III, 107—142) sei ein ehrenrühriges Pasquill; nie war er so aufgebracht gewesen, er sah seinen guten Namen, das edelste und eigenste Gut eines ehrlichen Mannes bedroht. Er klagt es dem Kardinal, der sich bereit erklärte, seine Ehre zu verteidigen und den Bösewicht zu züchtigen, er erkundigt sich bei Stosch über die Wege, Klotz beim Könige zu belangen, er wollte sich an den Prinzen Albert zu Wien wenden. Bitter rief er: »Was habe ich dem Klotz getan, da ich kaum dessen Namen gehört? Und sollte ich dergleichen von Deut- schen erwarten, denen ich keine Schande gemacht habe? Undank- bares Vaterland!« (An Heyne, 19. März 1767.) Er konnte nichts Be- stimmtes erfahren; das aber stand bei ihm fest: habe Klotz sich in die Kunst eingelassen, da er nichts als sinesische Muschelpuppen in Hol- land sehen können, so verdiene er una lavatura di capo senza sapone (an Schlabrendorf, 3. August 1766).

Die Rezension gab hierin keinen Anlaß. Aber gewiß empfanden die meisten wie Hamann, der den Versuch mit wenig Genüge hatte lesen können, und an Herder 1766 schrieb: »Winckelmann ist gar nicht der Mann seiner Jugend mehr. Seine historischen und praktischen Ein- sichten mögen zunehmen, aber ich finde nicht mehr die philosophische Salbung und das Mark seiner Erstlinge.« Auch Weisse schrieb damals (an Klotz): »Von einem Buch, daran er über zehn Jahre gearbeitet und gesammelt zu haben vorgibt, habe ich mir mehr versprochen.«

Das Beste hat Herder gesagt, in dem »Denkmal«. Winckelmann nehme das Wort Allegorie zu weitläufig. »Es begreift bei ihm alles Bedeutende, selbst die historischen Attribute der Kunstwerke, er schweift selbst ins Gebiet der Allegorie der Sprache, wo sie gar nicht Kunst ist.« Er übersehe, daß jede Kunst ihre eigene Art zu allegori- sieren habe. »Bildsäulen und Münzen, Malerei und Gemmen, Bas- Reliefs und Dichtkunst haben nicht einerlei Grenzen, Gesetze, Freiheit und Gebrauch der Allegorie oder im Verständlichen ihrer Deutung. Endlich sei sie, bei allem Natürlichen der Bilder und Zeichen, der Will- kür und gewissen feinen Konventionen des Verständlichen und der geläufigen Denkart unterworfen.«

Freilich war dieses Buch geschrieben unmittelbar nach einer großen Anstrengung, in einem Zustande der Abspannung. Er hatte unter der Hand gesammelt, alles was im allerweitesten Sinne unter diesen Titel

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ZU gehören schien, eingetragen; als er nun daran ging, ein Buch daraus zu machen, fehlte die Lust wie die Vorbereitung für eine wissenschaft- liche Bearbeitung des Stoffes: es blieb bei Registerarbeit.

Was uns der Verfasser von »allgemeinen Betrachtungen« vergönnt hat, dürfte auf folgende Sätze hinauslaufen.

Als Begriff der Allegorie wird angegeben: alles was durch Bilder und Zeichen angedeutet und gemalt wird; weshalb die Abhandlung auch Ikonologie heißen könne; denn Allegorie sei als Andeutung der Begriffe durch Bilder eine allgemeine Sprache vornehmlich der Künst- ler. Davon wäre freilich Allegorie im herkömmlichen Sinne nur ein Teilbegriff. Von den Hieroglyphen bis zu der Darstellung einer Idee, wie sie etwa im farnesischen Herkules zu finden wäre, ist alles Alle- gorie, sobald nur irgendein Gedanke, gleichviel durch welche willkür- liche oder natürliche Vorstellungsverbindung daran geknüpft, dahinter erraten werden kann. Die Neue Bibliothek tadelte diese Erweiterung der Namenserklärung über den bestimmten Sprachgebrauch hinaus: ein Schriftsteller, den man zum Muster machen müsse, solle in der Wahl der Hauptworte so sorgfältig sein als in der Sache selbst. Er hätte Ikonologie setzen sollen: » Sammlung und Erklärung von Bildern« .

Indes die Erweiterung des Begriffes wäre nichts so Schlimmes, wenn nur eine Einteilung nachfolgte. Aber es fällt ihm nicht ein, daß hier spezifiert werden könne: er subsumiert die Einzelfälle mit Übersprin- gung der Arten unter die Gattung. Dies ist das Grundgebrechen des Buches. »Ohne leitende Grundsätze«, bemerkt Schlegel, »steuert er aufs Geratewohl auf dem weiten Meere der schon vorhandenen oder möglichen Allegorien umher. Das Wesen und die verschiedenen Arten der menschlichen Zeichensprache zu ergründen, die Anlage dazu in unserem Geiste und in der Natur nadizuweisen, hat er versäumt.« Selbst im Gebrauch des Wortes Allegorie glaubte Schlegel einen vier- fachen Wechsel zu erkennen: im Titel sei es Theorie der allegorischen Vorstellungsweise oder Repertorium der Allegorie; »Allegorie der Begriffe« stehe für allegorische Einkleidung; »Allegorie der Götter« für allegorische Abbildung; »Allegorie der Alten« für Erfindung alle- gorischer Darstellungen.

Einigen Winken zur Lehre der Allegorie begegnen wir in dem Ab- sdinitte: Erinnerungen über die Gedanken zu neuen Bildern und über

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die Ausführung derselben. Audi Creuzer, der Winckelmann sonst in dieser Schrift, was Gelehrsamkeit wie Darstellung betrifft, unter sich selbst fand, gesteht, daß die hier geforderten drei Eigenschaften das WesentUche der Theorie enthalten 3.

Die erste ist die Einfalt, d. h. daß das Bild mit so wenig Zeichen als möglich die zu bedeutende Sache ausdrücke und deren unterscheidende Eigenschaften in sich enthalte. Je einfacher das Zeichen, desto begreif- licher ist es. Ein Begriff sollte in einer einzigen Figur vorgestellt werden.

Deutlich sind Allegorien, die durch sich selbst verständlich keine Beischrift nötig, eine nahe Beziehung auf das Abgebildete, das nächste Verhältnis zu ihrem Begriff haben.

Endlich sollen die Bilder lieblich sein, nichts Unanständiges, Häß- liches und Fürchterliches haben, denn die Kunst, deren Endzweck ist zu ergötzen und zu belustigen, soll allezeit edle Bilder suchen. Daher kann sie z. B. keine Bilder der Laster geben. Schönheit und Einfalt finden sich meist beisammen.

Indessen sollen diese Anweisungen uns nicht etwa instand setzen, auf eigene Hand Allegorien zu erfinden. Obwohl vermutlich viele alte Bilder von großer Bedeutung und zum Teil unentbehrliche verlorenge- gangen seien, dürfe man diesem Mangel so wenig mit eigenen Gedan- ken abhelfen, als dem Mangel einer Sprache durch neugemachte Worte.

Es war ihm audi keineswegs entgangen, daß die Allegorie als natür- liche Ausdrucksform des Menschengeistes der Vergangenheit angehöre. »Unsere Zeiten sind nicht mehr allegorisch wie das Altertum, wo die Allegorie auf die Religion gebaut und mit derselben verknüpft war.« Statt aber zu folgern, daß, wo kein Beruf zum Erfinden, da auch kein Bedürfnis des Gebrauchs sein werde, schloß er daraus, daß wir bei der Vergangenheit Anleihen machen müssen.

»Die ältesten Zeichen der Gedanken waren mutmaßlich bildliche Vorstellungen . . . denn die Gedanken malen ist unstreitig älter als dieselben schreiben: somit war die Natur selbst der Lehrer der Alle- gorie, und diese Sprache scheint ihr eigener, als die nachher erfun- denen Zeichen unserer Gedanken.«

3. [Fr. Creuzer, Specimen Observationum ex priscis scriptoribus ad novis- simam Operum J. Winckelmanni editionem, Heidelberg 1809.]

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Er findet diese »in Bildern redende Natur und die Spuren von bild- lichen Begriffen« z.B. in der Übertragung der Gesdilediter auf Worte, zur Bezeichnung der Verhältnisse des Mitteilens und Empf angens, des Wirkens und Leidens, wie bei Sonne und Mond, Himmel und Erde.

Er berührt hier die Hieroglyphen, deren Erklärung aber zu unseren Zeiten ein vergebener Versuch und Mittel lächerlich zu werden sei.

»Auch unter den Griechen wurde von den ältesten Weisen die Wis- senschaft in der Bildersprache eingekleidet . . . und es verhüllte sich dieselbe wie die homerische Pallas in Nebel, um sich schätzbar zu machen. Auch die ersten Philosophen verkleideten ihre Meinungen, sonderlich diejenigen, mit denen sie sich nicht offenbar wagen wollten, in Bilder; was Newton Attraction nennt, hieß Empedokles Liebe und Haß. Einst wurden auch dort die Begriffe der Schönheit den symboli- schen Vorstellungen an denselben nachgesetzt; Schönheit war noch nicht der höchste Endzweck: es gab einen dreiäugigen Juppiter, einen ochsenköpfigen Bacchus, einen vielköpfigen Apoll, eine kopflose Ge- rechtigkeit.«

»Dann als die Weisheit anfing, menschlidher zu werden und sich mehreren mitteilen wollte, tat sie die Decke hinweg, unter der sie schwer zu erkennen war: sie blieb aber verkleidet, doch ohne Ver- hüllung, so daß sie denen, die sie suchten und betrachteten, kenntlich war. Als die Kunst eine schöne Gestalt bekommen hatte, war Homer die vornehmste Quelle, ihr höchster Lehrer.« Und so pries er die homerische Weisheit ganz im Geschmack seines alten Rektors Damm an der Schule zu KöUn an der Spree (vgl. I, S. 43 f.; 177).

Was nun die Wahl und Ordnung der gesammelten Vorräte betrifft, so ist Winckelmann, der sonst nur Systematisches geben mochte, hier so genügsam, bloß ein alphabetisches Register herzustellen, das nicht einmal die Registertugend der Vollständigkeit hat. Er gesteht selbst seine Besorgnis, die Erwartungen nicht erfüllt zu haben: das beabsich- tigte Repertorium auf alle Fälle für die, die allgemeine Bilder suchen, habe er nicht liefern können.

Fragt man nach den Bestimmungsgründen der Auswahl, so fällt das Auge gleich auf die Titelworte »für die Kunst«. Diese Bestimmung gab das Recht zur Ausschließung aller außergriechischen sowie der ganz alten und der späteren Zeiten des Altertums, »da die Religion

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der Griechen und Römer im weitgesuchten Aberglauben anderer Völ- ker umnebelt war«. Aber auch innerhalb dieses Bezirks eröffnet sich dem lernbegierigen Künstler ein Dantescher wilder Wald, in dem er ihm anheimstellt, sich zurechtzufinden. Es bleibt seinem Geschmack überlassen, welche Allegorie er für Siegelringe, Schaumünzen, Stamm- buchdevisen, Festdekorationen, Widmungsvignetten, Randarabesken, oder für Historienmalerei und Monumentalskulptur benutzen will; ja es werden Fälle genug aufstoßen, wo er dem Gelehrten seine Ge- schenke als ganz unbrauchbar zurückgeben wird, da dieser seinen Zu- satz »für die Kunst« offenbar vergessen hatte.

Winckelmann rechnet die Götter Griechenlands mit zu seinem Thema: der Mythus ist eine Art der Allegorie. Aber sollte er hier wiederholen, was Gerhard Vossius und seinesgleichen gesagt hatten? Gewiß nicht, nur diejenige Abbildung der Götter ist er gesonnen zu geben, die selten ist. Aber was soll der Künstler mit diesen seltenen Paralipomena der Mythologie? Die Antiquitäten mögen diesen Wust von Attributen sammeln und erklären, praktisch sind sie, als auf längst verlorenen Ideenverbindungen ruhend, wertlos. Sie stehen wohl nur da, weil Winckelmann gern angebracht hätte, was von seinen Kollek- taneen in der Kunstgeschichte keine Verwendung finden konnte. Diese gelehrten Küchenabfälle bürdet Winckelmann dem zweiten Kapitel der Allegorie auf. »Daß durch dieses Werk«, sagte Blankenburg zu Sulzer, »das Bedürfnis der Künstler nicht befriedigt werde, ist bekannt. Der Verfasser hat sich mehr in Widerlegung und Beriditigung der Erklärungen und Meinungen anderer verloren, als daß er glückliche Bilder für die Darstellung aufgesucht hätte.«

Der Kern des Werkes ist das dritte Kapitel von bestimmten Alle- gorien, vornehmlich allgemeiner Begriffe; hier will er alle nutzbaren Allegorien sammeln. Es sind wenig über hundert Titel, alphabetisch geordnet, deren viele mehr als ein Bild enthalten. Es bleibt dem Leser überlassen, diesen Vorrat in Klassen zu gruppieren.

Allegorien im strengen Sinne sind die wenigsten. Eine Komposition dieser Art ist die Verleumdung des Apelles, bei der man freilich das Pikante persönlicher Beziehungen hinzunehmen muß; die Beschrei- bung hat unter vielen anderen schon Sandro Botticelli zu dem bizarren, zart gemalten Bildchen in den Uffizien gereizt. Allegorien vom rein-

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sten Wasser sind ferner der Tadel mit seinen zwei Ranzen, der voll eigener Fehler auf dem Rücken, der mit fremden Schwachheiten ange- füllte auf der Brust. Die Gelegenheit, der Kairos nach Lysipp, ein Knabe mit Flügeln an den Füßen, der mit den äußersten Zehen auf einer Kugel stand, in der Rechten einen bloßen Degen, in der Linken einen Zaum, an den Seiten des Hauptes mit langen Haaren, hinten kahl. Die Zeit als Greis mit Flügeln, auf eine Hacke gestützt und an den Beinen gefesselt, die Zurückhaltung der flüchtigen Zeit anzudeuten.

Zahlreicher ist die bequemste Art vertreten, Idealfiguren durch Attribute, Symbole oder gar Inschriften, auf Täfelchen etwa, zu Bil- dern von Abstractis zu stempeln. Z. B. die Billigkeit mit Waage und Meßrute; die Hoffnung mit der Lilie als einer der ersten Blumen, und weil die Blüte Frucht verheißt. Das Glück mit Steuerruder und Frucht- horn, weil die Reichtümer durch Schiffahrt kommen. Die Tugend mit einem Täf eichen [xrjSsv ayav beschrieben. Der Ruf mit Flügeln, die unterwärts voll Augen sind, Länder- und Städtefiguren, wie Afrika, dessen Haupt mit dem Fell des Elefantenkopfes bedeckt ist.

Es kann sich aber so treffen, daß das Bild auch als solches Wert hat, daß es uns an sich selbst fesselt, ohne die Frage nach der Bedeutung sofort zu erwecken. Besteht nun zwischen dem einen und dem anderen eine innere Beziehung, keine bloß zufällige der Ideenverkettung, dann kann die Entdeckung des verborgenen Sinns, überraschend und ein- leuchtend zugleich, den Reiz des Bildes wie durch einen hineinfallenden Lichtschein aus der Geisterwelt noch erhöhen.

Bedeutend und lieblich nennt er das homerische Bild frühen Todes: Aurora, die ein Kind im Arm fortträgt. Die Nacht mit fliegendem Gewand voll Sterne über dem Haupt und mit umgekehrter Fackel ist eine Gestalt des erhabenen Schauspiels würdig, das sie bedeutet. Wie artig ist das Bild des Nils von den sechzehn Knäbchen umspielt, welche die sechzehn Fuß seiner Anschwellung bezeichnen. Die Nachlässigkeit oder Sorglosigkeit in einem Menschen, der ein Seil von Schilf dreht, das ein Esel sogleich abnagt, gibt ein artiges Genrebildchen. Die Meditation über die Unsterblichkeit, ein Philosoph in Betrachtung eines Totenkopfes, auf dem ein Schmetterling sitzt, kann man sich im Stil Rembrandts denken. Die hebenswürdigsten Schöpfungen Thorwald- sens, jene Reliefs, in denen reinster griechischer Formenadel mit

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moderner Gemütstiefe in bisher nie geahnter Weise sich verschmilzt, gehören dieser Art der Allegorien an. Hier werden vertraute Figuren der Mythologie auf sinnige Art verwandt und belebt. Winckelmann nennt als ein schönes Bild zu einem Begräbnisdenkmal Psyche, die mit gestütztem Haupte an dem Fuße eines Grabmals sitzt und weint.

Den Bildern, die nicht einen ihnen fremden Geist, sondern den bedeuten, der diesen Körper sich selbst gebaut hat, nähern sich die Darstellungen der Gemütsbewegungen durch Figuren, die von ihnen ergriffen sind. Leidenschaften teilen selbst den Begriffen und Namen, die wir für sie schaffen, etwas von ihrem Geiste mit und schaffen sich einen lebendigen Leib. Der Zorn, sagte Schwind, ist eine Person. Polygnots Furcht hält sich die Hand vor das Gesicht; die Ruhe legt einen Arm aufs Haupt; die Sicherheit legt Kopf und Ohr auf die rechte Hand, während der eine Fuß müßig ausgestreckt ist. Die Schamhaftig- keit zieht sich einen Schleier vors Gesicht; die Betrübnis sitzt mit den Händen ihr Knie umfassend.

Gar nichts einzuwenden wäre gegen solche Allegorien (wenn man sie so nennen dürfte), wo allegorisch nur Angemessenheit bei Wahl von Ornamenten, in Baukunst und in Geräten bedeutet. Winckelmann würde, was man heute Ausdruck der konstruktiven Funktion nennt, Allegorie der Baukunst genannt haben. In diesem Sinne sind ihm die Geräte der Alten allegorisdi von den Lampen an bis auf die Rüstun- gen. Z. B. der Kranz von Oliven um eine Lampe, oder Pallas, die eine Olive ausdrückt, oder eine sitzende Figur, die gegen die Öffnung des Dochtes bläst. Römische Helme mit der Wölfin, Bilder auf Waffen, die in der folgenden Zeit Wappen wurden. Ja, daß der Flußgott Eurotas von Eutychides »flüssige Umrisse« hat, scheine dafür zu sprechen, daß selbst die Zeichnung allegorisch sein könne.

Aber bilden diese Allegorien die Mehrzahl, werden sie vom Sammler besonders begünstigt? Weit gefehlt! Die meisten gehören der Klasse der Symbole und Embleme an. Unter diesen sind einige einfach, ver- ständlich, ansprechend; in der Leier, in zwei ineinandergelegten Hän- den, im Hut, wird man gern den Dichter, die Eintracht, die Freiheit wiedererkennen. Die Wespe auf Archilochus Grab malt den beißenden Scherz. Viele aber sind weithergeholt, spielend, geschmacklos, ja läp- pisch. Der Bock bedeutet die Tragödie, der Storch die Liebe der Eltern

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ZU den Kindern, der Hase Wachsamkeit, ein Knöchel Festigkeit, Hörner Macht und Gewalt, der Esel Unerschrockenheit. Andere sind mehr- deutig: der Mohnkopf bedeutet Schlaf und Fruchtbarkeit, die Rose Verschwiegenheit und Tod, das Heupferd Musik und schlechte Poeten, die Biene Beredsamkeit und eine Kolonie. Was soll ein Maler mit der Verordnung Solons, vor der Brautnacht eine Quitte zu essen? »Zu- weilen«, bemerkt Schlegel, »sollte man denken, es sei ihm nicht um Vorschläge für die Kunst zu tun, sondern um Erfindung einer neuen Hieroglyphenschrift; und einige Male wird man sogar an die abge- schmackten Rebus erinnert.«

Die Bezeichnung von Denkmälern, Tempeln, Grabmälern durch Attribute der Personen, denen sie geweiht sind, gehört ebenfalls zur Allegorie. An ElpenorsGrab setzt Homer ein Steuer; das der Amazone Hippolyta bei Megara hatte die Gestalt eines Amazonenschildes; auf den Giebeln der Jupitertempel standen Adler, ein Hirschkopf über dem Tor eines Dianentempels. Der Drache im Schilde auf der Grab- säule des Epaminondas bedeutet seine Abkunft von der kadmeischen Drachenbrut; der Fußschemel in der Hand derLais am Ufer desPeneus spielt an auf ihren Tod durch eifersüchtige thessalische Weiber. Selbst Amtsinsignien, z. B. der Zensor mit Weihwassergefäß und Ölzweig. Das Bild kann sich auch bloß auf den Namen beziehen, wie der Löwe auf dem Grab des Leonidas, die Schildkröte auf Münzen der Stadt Chelone, die Biene als mutmaßliche Bezeichnung des Münzmeisters Melitos. Der gekrümmte Arm (dY^cbv) bezeichnet Ancona, er ist ein Bild der Lage dieser Stadt. Es werden uns nicht erspart ein Herkules mit der Hydra von Eisen, als Anspielung auf die harten Arbeiten; ein dunkelfarbiger Jupiter wegen der blitzschwangeren Luft, ein Bacchus aus Wein- und Feigenholz.

Da auch das echte Kunstwerk nicht selten zu seinem Verständnis historische Kenntnisse verlangt, so können solche kleine symbolische Beigaben, die eine große Komposition recht wohl verträgt, der Er- innerung zu Hilfe kommen; wie aber dem Werke durch sie ein )) erhabener Geschmack des Altertums« gegeben werden könne, ver- mag man nicht zu fassen. Jene Gestaltenfülle der personifikations- freudigen griechischen Kunst ist im Geschmack der Schönheit; das Erhabene ist dem Unendlichen verwandt und liebt das Formlose.

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Winckelmann aber meint es nicht einmal so. Er empfiehlt Mnemosyne oder die Erinnerung durch eine Berührung des Ohrläppchens mit der Hand zu charakterisieren, weil die Alten das Ohr dessen berührten, dem sie bezeugen wollten, daß sie in seinem Gedächtnis zu bleiben wünschten. Diesem uns ganz fremden, gelehrter Noten bedürftigen Gestus gibt er den Vorzug vor der unendlich anmutigeren Darstellung der Mnemosyne auf der Apotheose des Homer »in einer Frau, die das Kinn mit der einen Hand stützt, wie in ernstlichem Nachdenken ge- schieht«, er findet sie »nicht deutlich und bestimmt genug«. Bei den glücklichsten aller allegorischen Szenen, den Erotenbildern, will er sich nicht aufhalten, weil sie zu denen gehören, »die zwar angenehm und witzig seien, aber keine merkwürdigen Begriffe enthalten«. Er lobt den Kardinal Albani, daß er ein Zimmer in seiner Villa nicht »mit müßigen und leeren Landschaften« wollte ausmalen lassen.

Im zehnten Kapitel ist er so gütig gewesen, »einige gute und brauchbare Allegorien der Neueren« zu konstatieren. Aber wie unvoll- kommene Lichter nur die Finsternis offenbaren, so scheint dieses Ver- zeichnis nur bestätigen zu sollen, »daß die Anzahl von guten neueren Allegorien sehr gering ist«. Freilich wenn er unter sehr vielen von Zuccheri im Palast der Villa d'Este zu Tivoli gemalten Sinnbildern vergebens gesucht hat, so wird man sich nur wundern, daß er da ge- sucht hat. Danaiden auf einer holländischen Münze von 1633 bilden eine vergebene Arbeit. Holzer, ein würdiger Künstler, hat in einem Hause in Augsburg die brüderliche Liebe unter der Fabel des Castor und Pollux vorgestellt. Die Erziehung der Kinder hat Pietro von Cortona in einem Deckengemälde des Palastes Barberini durch einen Bären, der seine Jungen ledkt, angedeutet. Der geschwinde Flug des Merkur ist von Giovan Bologna durch einen Windskopf vorgestellt, auf dem die Figur mit einem Fuße steht. Der vierjährige Ludwig XIV. auf einem von Frankreich und der Vorsehung emporgehaltenen Schild zeigt auf den Gebrauch der alten Franken, die ihre neuen Könige auf einen emporgetragenen Schild setzten und also dem Volke zeigten.

Seine eigenen Vorschläge (Kapitel XI) sdimecken etwas nach Bücher- staub.

»Da Chambrays Malerei, eine weibliche malende Figur, mit ver- bundenem Munde, als stumme Dichtkunst, nidit allgemein gefallen

VERSUCH EINER ALLEGORIE 31I

könne, so schlägt er vor, ihr eine junge schöne Larve auf den Kopf zu legen, die Grazien wie eine Münze auf die Brust zu hängen und über- dies kleine Farbengefäße anzudeuten. Einen Religionsspötter könnte Herkules bilden, welcher dem Apollo seinen Dreifuß nimmt . . . Dem Bild eines gerechten Richters könnte eine Figur ohne Hände zugegeben werden, wie die Statuen der Richter zu Theben in Ägypten waren . . . Der dumme Stolz über eine unverdiente Ehre, die man nicht der Per- son, sondern dem Titel erzeigt, ist in der Fabel des Esels, welcher mit der Statue einer Gottheit beladen ging, vorgestellt, die das Volk an- betet; der Esel aber eignet sich diese Ehre zu . . . Ein verfluchter Ort könnte angezeigt werden durch das Bild, wie kurz vor der Einnahme Trojas die Götter selbst ihre eigenen Bilder auf den Schultern davon- tragen . . . Ein Undankbarer könnte durch eine Figur, welche die Grazien aus einem Gefäß auf die Erde schüttet, sinnlich gemacht wer- den.« Für Fürstengräber schlägt er vor die Apotheose desAntoninus und der Faustina auf Monte Citorio. Für eine hohe Vermählung wird ein bis auf die Farbe ausgeführter Vorschlag nach dem Muster der Hochzeit von Peleus und Thetis auf dem Sarkophag der Villa Albani mitgeteilt. Selbst den von ihm verhöhnten Hallensern schienen Klei- der mit griechischen Buchstaben, ausgeschüttete Grazien bedenklich. Am Schluß ist die Beschreibung des Torso wieder abgedruckt, als habe er den üblen Geschmack des vorhergehenden durch diesen herrlichen

Trank hinunterspülen wollen.

Ein Werk, das mehr Register als Buch war, mußte im Stil der Trocken- heit verfallen, und so stach die Allegorie auch in diesem Punkte merklich gegen seine anderen Werke ab. Damit alles sich vereinige, so wimmelte sie von Druckfehlern, zum Teil fatalen; während die sonst freigebig gespendeten Kupfer diesmal durch Abwesenheit glänzten. Dagegen fing Winckelmann an, immer mehr Wert auf Register zu legen, zu dem der erklärten und verbesserten Stellen alter und neuer Scribenten (wobei unter den neueren Namen fast nur »Widerlegungen ungegrün- deter Vorgeben, irriger Auslegungen und Übersetzungen, Versehen in Zeichnungen, unrichtige Meinungen und Bemerkungen« vorkommen), und zu den »merkwürdigen Sachen« kommt ein drittes der angeführten Denkmäler alter und neuer Kunst. Er rechnete schon darauf, seine Bücher in den Händen der Reisenden in Rom als Nachschlagebücher zu finden.

Die Anmerkungen über die Geschichte der Kunst

Mitten in jene vielbewegten Tage, als der apostolische Antiquar, noch beschäftigt mit den letzten Sorgen für die Monumenti, zwei Prinzen und einen Herzog nebst einem Schwärm niederen Adels auf dem Halse hatte, fiel die Idee und Ausführung eines ganz stattlichen Buches.

Glücklich der Autor, der mit dem Druck zugleich von dem Gegen- stande Abschied nimmt! Er allein kann auf seinen Lorbeeren ruhen, und bald dünkt ihn sein Werk klüger als er selbst. Winckelmann war das nicht beschieden. Ein Werk wie das seine rückt den Autor selbst auf einen Standpunkt, von dem er viel mehr übersieht, als vor der Abfassung. Dazu kamen kleine Fehler unter denen denn doch einige recht ärgerliche waren. So kam es, daß ihn das Buch nicht losließ.

Er hatte seit dem Abgang des Manuskriptes Zusätze gesammelt. (Welches Glück für den Setzer, daß zwischen Rom und Dresden die Alpen lagen!) Die 64er Ausgabe der Kunstgeschichte war nur ein gewissermaßen zufälliger Einschnitt in eine stetige Folge der For- schung und Sammlung. »Daß seine Werke so, wie sie daliegen«, sagt Goethe, »erst als Manuskript auf das Papier gekommen und sodann später im Druck für die Folgezeit fixiert worden, hing von unendlich mannigfaltigen, kleinen Umständen ab. Nur einen Monat später, so hätten wir ein anderes Werk, richtiger an Gehalt, bestimmter in der Form, vielleicht etwas ganz anderes.«

In der nächsten Zeit nach der Überantwortung an die Öffentlichkeit pflegen Gelehrte gegenüber entdeckten Mängeln besonders nervös zu sein. Unbedeutende Auslassungen und Versehen scheinen das Ganze zu schänden; ein neuentdecktes Beispiel, eine bezeichnendere Wendung würde es in eine höhere Rangordnung erheben. So bedurfte es nur eines kleinen Anstoßes, um den dringenden Wunsch einer neuen Auf- lage anzuregen, ihm die alte zu verleiden. »Wir sind heute klüger, als wir gestern waren«, bekannte er Heyne schon am 13. Juli 1765. »Sobald ich Luft bekomme, werde ich eine vollständigere Ausgabe der Ge- schichte der Kunst besorgen.« Und er macht schon Anstalten dazu. Jenen Anstoß gab die gleidhi nach Casanovas Abreise gemachte Ent- deckung des Betruges mit den antiken Gemälden. Er schrieb, wie es

ANMERKUNGEN ÜBER DIE GESCHICHTE DER KUNST 313

scheint, an den Verleger, erfuhr aber, daß bei der sehr starken Auflage an eine zweite Ausgabe so bald nicht zu denken sei (25. Juli 1766). Walther hatte 1200 Abzüge gemacht, die Buchhandlung hatte davon noch bis zum Jahre 1824 auf Lager! Er wollte nun eine öffentliche Erklärung ausgehen lassen; besonders da er von einer französischen Übersetzung hörte (seit Anfang 1765), in betreff deren er aber ver- gebens einigen Unterricht zu erhalten sucht, um vor dem Druck die nötigen Änderungen einzuschicken. Besonders wünscht er die Zurecht- weisung Watelets zu streichen, »weil er diesen liebenswürdigen Mann nachher persönlich kennen lernen, mit ihm kleine Reisen um Rom gemacht, und das versöhnende Geständnis seiner unzulänglichen Vor- bereitung« erhalten hatte. »Ich habe sogar den Polizeileutnant von Paris ersuchen lassen (wahrscheinlich durch La Rochefoucauld), die Er- laubnis zum Druck dieser Übersetzung nicht zu erteilen, bevor ich notwendige Nachrichten zu derselben eingeschickt hätte; demohn- geachtet hat man in dem Land, wo die Höflichkeit soll jung geworden sein, die gewöhnliche Höflichkeit, dem Verfasser von der Übersetzung seines Werkes Nachricht zu geben, beiseite gesetzt« (an Walther und Heyne, 4. Januar 1766). Neujahr 1766 erfuhr er von Walther, diese Übersetzung sei bereits heraus; am 11. Juli schickte ihm der junge Duo ein Exemplar. Gottfried Seil hatte sie für Robert de Chateaugiron angefertigt (Paris, Saillant; Amsterdam, Hareveldt). (Vgl. I, S. 97.)

Er erklärte sich nun einverstanden damit, daß Walther einen Nach- druck dieser Übersetzung noch im Winter 1765 veranstalte. Dieser hatte selbst die Kunstgeschichte im Jahre 1763 bogenweise ins Fran- zösische übersetzen lassen wollen, um das Werk in beiden Sprachen zugleich ans Licht treten zu lassen; aber er hatte keinen tüchtigen Übersetzer gefunden. Winckelmann, der gemerkt hatte, wie unver- hältnismäßig eine französische Übersetzung das Kontingent seiner Leser vermehren würde, fand das Erscheinen seines Buches »in dem Modekleide und in der deutschen Herren und Affen Sprache« jetzt ganz in der Ordnung und bedauerte, daß es nicht eher geschehen. Er erbot sich, damit Walthers Druck vor dem Pariser einen Vorzug habe, beträchtliche Zusätze und Anmerkungen zu machen (4. Januar 1766). Dies ist der Ursprung der »Anmerkungen über die Geschichte der Kunst«.

314 ROMISCHE ZEIT

Aber er hatte kaum zwei Wochen an solchen Einschiebseln gesam- melt, als er die Idee unpraktisdi fand. Der französische Text fehlte ihm, über den die Verbesserungen hätten gemacht werden müssen. Walther werde nicht so lange warten wollen. Er fand es bequemer, die gesammelten Bemerkungen zu einem eigenen Ganzen zu ver- arbeiten, als sie mühsam in den Text zu verweben.

Dies sollte sein letztes deutsches Buch sein, mit dem er von seinem Vaterlande Abschied nehmen wollte. Es sollte aber auch das Beste werden, das irgend aus seiner Feder gekommen. Die Deutsdien hatten gewiß auf diese Ergänzung des Buches, das sie so dankbar aufgenom- men, ein Recht. Dann aber sollten seine Schriften (bei neuen Ausgaben) der Verbreitung wegen »in französisdier Tracht« erscheinen. So fern stand er der geistigen Bewegung Deutschlands, daß er im Begriff war, seiner Sprache Valet zu sagen, in dem Augenblick, als sie, ihren Raupen- stand verlassend, den ebenbürtigen Platz neben den anderen einzu- nehmen sich anschickte.

Die französische Übersetzung betreffend, so sollte sie (wie auch eine erwartete englische) bleiben wie sie war. Nur die Casanovaschen Ge- mälde müssen herausgeworfen werden (an Walther, i8. Januar 1766). Der Vorzug des Waltherschen Nachdruckes sollte nun in Vervoll- ständigung der Register, besonders des dritten der Denkmäler, be- stehen. Ja, es kam noch ein viertes der angeführten und erklärten griechischen Worte hinzu.

Reisende hatten sich in Rom selbst ein Denkmälerregister zur Kunst- geschichte gemacht.

Ostern 1766 sollte der zweite (historische) Teil zum Abgang bereit sein; der erste svstematische war aus dem Gröbsten entworfen. Die Besdiäftigung mit den Fremden von Stande kam störend dazwischen. Um ihn in Ruhe zu vollenden, ging er aufs Land. »Vier Jahre habe er auf diese Arbeit gedacht«, die ein Werk von vier Monaten schien, »und seine Gedanken zu derselben nadi und nach kürzlich angemerkt.« Doch erschienen die »Anmerkungen« nicht wie gehofft in der Michaelis-, sondern in der Neujahrsmesse 1767. Die versprochenen Kupfer waren auf eine Titelvignette, eine ihm gehörige Münze Antigonus I., zusam- mengeschmolzen.

Er verlangte drei Zechinen oder Dukaten (i.März 1766) für den

ANMERKUNGEN ÜBER DIE GESCHICHTE DER KUNST 315

Bogen, weil es eine sehr wichtige, schwere, nötige und nützliche Arbeit sei, da er alles selbst schreibe und die Register verfertige. Diese For- derung fand der Geh. Kommerzienrat übertrieben; jener aber gab zu bedenken (April), daß er nichts dabei gewinne und einen anderen Stand erwählen müsse, wenn er auch in Deutschland von diesen ver- meinten hohen Schreibegebühren leben solle . . . »Gott weiß, wie sauer mir die Arbeit wird; ich wünschte, daß ich reich wäre, um, wie ich es mit meiner ersten Schrift gemadit, alles selbst drucken zu lassen und hernach verschenken zu können. Allein ich soll mich nicht überheben . . . Man gibt ja einem Übersetzer zwei Taler für den Bogen. Die Gütig- keit, mit der das Publikum meine Arbeit aufnimmt, läßt midi hoffen, man werde nach dem Druck den von Ihnen schon bestimmten Preis nicht zu hoch finden, in Erwägung, daß es Originalwerke sind.« Walther wußte sich für das übertriebene Honorar zu entschädigen, indem er das Buch so kompreß druckte, daß die Seite fast ein Drittel mehr enthielt als die Kunstgeschichte (38:29); er beschnitt also jenes um zwölf Dukaten, beinahe ein Viertel. Nimmt man hinzu, daß die Noten unterm Text in der Kunstgeschichte ungleidi mehr Raum weg- nehmen, so ergibt sich aus den Seitenzahlen (431:127), daß der Um- fang der Anmerkungen die Hälfte der ganzen Kunstgeschichte beträgt, ein Umfang, zu dem freilich der Inhalt in keinem Verhältnis steht.

Gewidmet wurde das Werk Wilhelm Stosch, mit dem Motto Qui mores hominum multorum vidit et urbes, »um Gelegenheit zu haben, von unserer geprüfeten Freundschaft, die von höherer Natur ist, ein öffentlich Zeugnis zu geben 4. Wir waren einer für den andern bereits ersehen, und Freunde, wie der erste Mensch wurde, oder wie ein hoher Gedanke und ein erhabenes Bild nicht stückweis, sondern auf einmal in seiner Größe und Reife entstehet.«

Der willkommenste Bestandteil in diesen Nachträgen waren neu- gefundene Denkmäler, die als weitere Beispiele der Stile alter Kunst verwertet wurden: in diesem Punkte war ja die Armut der Kunst- geschidite am empfindlichsten.

4. Von Boerhave sagt Fontenelle: II avoit du goüt pour ces sortes de dedicaces, et il aimoit mieux donner une marque flatteuse d'amitie ä son egal, qua de se prosterner aux pieds d'un grand, dont a peine peut-etre etoil-il aper^u.

3l6 RÖMISCHE ZEIT

Was den älteren Stil betraf, so fand er dessen »deutlichste Merk- male« in der seitdem vom Kardinal Albani erworbenen Pallas, deren Kopf die sogenannte hetrurische Bildung habe, ja, wenn er von Basalt wäre, für eine ägyptische Arbeit gelten könne. Vermutlich sei die Diana von bemaltem Marmor aus Pompeji ebenso alt. Dann der »un- bekleidete Ringer« im Palast Farnese. Während der (niemals abgelöste) Kopf eine bestimmte Person andeute und den allerältesten auf Münzen ähnlich sehe, offenbare sich in der ganzen Figur so viel Wissenschaft mit meisterhafter Arbeit ausgeführt, daß dieselbe der schönsten Zeit der Kunst würdig sein könnte. Endlich die große »Muse« im Palast Barberini (jetzt in München). Die Falten hingen allerdings noch senk- recht, aber die Gesichtsbildung habe regelmäßige Züge der Schönheit, sie werde also auf dem Wege der Kunst zur Vollendung gemacht sein, »den Ageladas, als der wahrscheinliche Meister derselben, betreten hatte«. »Ich will nicht entscheiden, ob die Statuen des Castor und Pollux von Hegesias gearbeitet, die ehemals vor dem Tempel des Jupiter tonans standen, eben dieselben sind, die in kolossalischer Größe auf dem Campidoglio stehen; gewiß aber ist, daß dieselben an diesem Hügel gefunden sind. Es könnte eine gewisse Härte, die der Arbeit des Hegesias eigen war, zu einiger Mutmaßung führen.«

Stilistisch sehr Verschiedenes ist hier zusammengestellt. Pallas und Diana sind archaistische Kultusidole; der Ringer eine schöne Kopie eines der Mörder des Hipparch von Kritias, welche die von Xerxes entführte Gruppe des Antenor ersetzen sollte; den zweiten, dem ein späterer Kopf aufgesetzt war, entdeckte Winckelmann erst nach dem Druck. Die Muse im Palast Barberini ist der majestätische Apollo Kitharoedus in München, der eher den Begriff hoher Grazie versinn- lichen würde; nach der Ungleichheit der Arbeit, die am Gewand ziem- lich handwerksmäßig ist, wird er doch wohl eine Kopie sein.

Eine bedenkliche Bereicherung der folgenden Periode war die Zu- rückdatierung des Myron, den er auf Grund plinianischer Verwirrung vor Phidias setzt. Ganz ähnlich, wie er früher bei Skopas eine ver- einzelte Einschleichung seines Namens bei Plinius gegen alle übrigen Nachrichten dieses und anderer Schriftsteller in die Waagschale warf, um jenen Bildhauer zu einem Zeitgenossen des Phidias zu machen: so ist es hier ein angebliches Epigramm der Erinna über die Kuh,

ANMERKUNGEN ÜBER DIE GESCHICHTE DER KUNST 317

auf Grund dessen er gegen alle Zeugnisse den Myron mit Ageladas gruppiert.

Zwei tönerne Kanephoren bei Cavaceppi sollen als Kopien der bronzenen des Polyklet gelten können, die Verres aus Messina weg- nahm, und zwar wegen einer gewissen Härte, sonderlich im Wurf der Kleidung und in den Falten; die Figur eines Knaben im Palast Barberini, der in den Arm einer anderen, verlorenen Figur beißt, sei möglicher- weise eine Kopie seiner Knöchelspieler. Vielleicht sei es Patroklus, der als Knabe im Streit über dies Spiel seinen Freund Klysonymus unver- sehens tötete.

Da Pythagoras der erste war, der die Haare mit mehr Fleiß aus- arbeitete, so würden Werke mit sogenannten hetrurischem (gezwungen gearbeitetem) oder mit dem wenig ausgearbeiteten Haupthaar (wie die Niobiden) nicht nach seiner Zeit gesetzt werden dürfen.

Das Ringersymplegma derTribuna wird (wie schon auf dem Kupfer von 1557) zur Niobegruppe gerechnet; es sei an demselben Orte aus- gegraben worden; die jüngeren Söhne sollten ja beim Ringen getötet sein, und es scheine erklärlich, aus der Arbeit in Köpfen und Haaren, daß es von demselben Meister sein müsse. In der Meinung, daß die Niobe ein Werk des Skopas sei, bestärkt ihn auch der Abguß eines von Rom verschwundenen Niobekopf es. Nach der weichen Rundung (z.B . am Augenknochen) müsse es eine Wiederholung der Niobe aus dem schönen Stil gewesen sein; vielleicht ein Werk des Praxiteles. Vergleichung beider Köpfe lehre den Unterschied des hohen und schönen Stils.

Einen Begriff von der zweiten oder gefälligen Grazie soll man sich aus den Köpfen der Leukothea im kapitolinischen Museum machen. Der eine (im Zimmer des Fauno rosso) ist ein Ariadnekopf, fein, sehnsüditig, vornehm; mit besonders schöner Einrahmung durch die Haarlocken. Der bedeutendere, für jene »rundlich gehaltenen Formen« besonders lehrreich, ist der bereits in der ersten Ausgabe angeführte wundersame Bacchuskopf, wo jene Lebenskraft, die bei untergeord- neten Naturen in brausender Bewegung hervortritt, in fast beschau- liche Ruhe übergegangen ist.

Einem mehr persönlichen Geschmack überläßt er sich, wenn er von dem kolossalen Antinouskopf zu Mondragone versichert, »er sei von so großer und hoher Kunst, daß es keine Ketzerei scheinen sollte, zu

3l8 RÖMISCHE ZEIT

sagen, es sei dieses Werk nach dem Apollo und Laokoon das Schönste, was uns übrig ist; die Haare und ihre Ausarbeitung hätten im ganzen Altertum nidit ihresgleichen, ja man könne sagen, der Kopf sei eines der schönsten Dinge in der Welt«.

Eine Entschädigung für die geringere Bedeutung mancher Miszellen gewährt die lebendige, zum Teil persönliche Färbung, der Puls des Augenblickes. Das Ich des Verfassers tritt jetzt mehr hervor: er weiß, daß es eine Gemeinde gibt, die seiner Belehrungen harrt, und für die es etwas bedeutet, daß ein Satz von ihm kommt. Er macht Geständ- nisse über den Gang seiner römischen Studien, seine Einweihung in die Mysterien der Schönheit, über seine Versuche und Grundsätze. Er fährt noch kecker als früher über die moderne Skulptur, ja über die größten Maler her; er wirbt für seine Monumenti, für sein Reise- projekt nach Elis.

Einen Nachklang früherer begeisterter Ergießungen erweckte der jüngst entdeckte schöne Panskopf. Diesen »Faun« hat Cavaceppi im April 1763 erworben; Winckelmann fand ihn von so hoher himm- lischer Schönheit, daß er alles übertreffe, was er gesehen und was sein könne. Beständig, sagt er(i6. April 1761), denke ich an denselben, und die Nacht träume ich davon. Er fürchtet, daß er wohl endlich einem Briten zuteil werde. Wer will und kann dergleichen außer dieser Nation bezahlen? »Soviel ist indessen gewiß, daß ich, solange es möglich ist, verhindern werde, daß dieser Kopf aus Rom gehe« (Ende April 1763). Und so findet man ihn denn zwei Jahre später als dessen glücklichen Besitzer; er sollte die Reise nach Berlin mitmachen, war aber diesmal der Gefahr eines unfreundlichen Klimas entgangen (später wanderte er nach München). »Es ist mein Ganymed, den ich ohne Ärgernis nel cospetto di tutti i santi küssen kann« (19. Oktober 1765). Der Künst- ler habe sich über die gewöhnliche Faunsidee erhoben und das Bild einer hohen Schönheit gegeben, über das sich eine unaussprechliche Süßigkeit ergieße, wie sich denn sonderlich in dem halbgeschlossenen Mund eine sanfte Entzückung zu äußern scheine. Man würde nimmer- mehr einen Faun in ihm erkennen, ohne die kleinen hervorkeimenden Hörner. In dem länglichen Oval, dem träumerischen Ausdruck, der seitlichen Neigung liegt ein Hauch von Melancholie und Gefühl der Einsamkeit.

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Einer der neuesten Sammler Roms war der dem Kardinal nahe- stehende Mardiese Rondanini, dessen Palast am Nordende des Corso auch die Gräfin Cheroffini bewohnte. Er ließ 1764 seinen Cortile in der Weise der Paläste Mattei und Giustiniani, freiUdi mit viel schwä- cheren Mitteln, zu einem kleinen Museum von Reliefs, modern ergänzten Torsen, Grabinschriften und Granitschäften herrichten. Über- rascht ist man, hier die mißlungene, letzte Pietä Michelangelos zu finden. Es seien nicht leicht vollkommenere alte Bildnisköpfe zu sehen, als drei Köpfe dieses Marchese, eines älteren Cato, von fast unnach- ahmlicher Kunst, und des schönsten Kopfes des jüngeren Brutus; ferner eine von den beiden wahren Statuen des Augustus; endlich die einzige wahre Statue Alexanders (keine sonst hat den Kopf eigen) usw.

Über die neuere Skulptur spricht er im Ton herausfordernder Ge- ringschätzung. »Die, welche glauben, daß ein Michelangelo, ein Puget, ein Fiammingo, ohne sich verkriechen zu dürfen, neben einem Apol- lonius oder einem Agasias auftreten können, mögen zum Probierstein dieses Vergleiches die Schönheit nehmen. Man fange an, die besten Köpfe der Helden neuerer Kunst zu betrachten; man lege ihnen vor den schönsten Christus von Midielangelo, den berühmten Kopf der Klugheit auf dem Grabmal Papst Pauls III. von Guglielmo della Porta, des vorigen Schüler, ferner den Kopf der beschrienen heiligen Susanna von Fiammingo und den von der heiligen Bibiana des Bernini.« Den Christusköpfen Michelangelos schreibt er eine niedrige und pöbelhafte Gestalt zu. Algardis heilige Agnese sei vielmehr häßlich als schön.

Auch Raffael wird diesmal nicht versdiont. »Die Idee des Kopfes seiner Galathea ist gemein, und es finden sich an allen Orten schönere Weiber, und über dieses hat er seine Figur so gestellt, daß die Brust, der schönste Teil des Weibes, durch den einen Arm völlig verdeckt wird, und das eine sichtbare Knie ist viel zu knorpelicht für ein jugend- liches Alter, geschweige für eine göttliche Nymphe.«

Schlegel hat sich ereifert über einige Ratschläge, die Winckelmann der christlichen Kunst zu erteilen sich unterfängt. Keine Köpfe, meinte dieser, wären unseren Künstlern bessere Modelle zu Figuren gehei- ligter Jungfrauen gewesen, als die der Amazonen, und dennoch sei es niemandem eingefallen. Der Blick der Amazone sei nicht kriegerisch, noch wild, sondern ernsthaft und noch mehr, als es Pallas zu sein pflegt.

320 ROMISCHE ZEIT

»Wir führen«, bemerkt Schlegel, »diesen abenteuerlichen Vorschlag Winckelmanns nur an, um zu zeigen, wie so gar keine Ahnung von dem Wesen der christlichen Ideale er gehabt.« Er würde Juno schick- licher finden. Hier aber hat der heidnische Winckelmann mehr Takt gezeigt als sein romantischer Criticus, der offenbar nur an moderne mit dem Wort Amazone verknüpfte Bilder (etwa des Rubens) gedacht hat. Statuen wie die verwundete Amazone desKapitols und des Braccio nuovo gegenüber erscheint der Vorschlag gar nidit abenteuerlich. Der königliche Stolz der Juno, der strenge Tiefsinn der Pallas, überhaupt das über menschliche Schranken Erhabene der Göttin paßt nidit für eine »geheiligte Jungfrau«. Viel eher das reine strenge Heldenmäd- chen, das, von Begeisterung hingerissen, die ihm einfache Natur aus- füllt, in männlichen Kampf sich stürzt, scheitert, und todesmatt, von Schmerz überwältigt, nun unter der Gestalt des Mitleides wieder Gegenstand jener schmelzenden Empfindungen wird, die es unter der Gestalt der Liebe verschmähte.

Ebenso könnte die altchristliche Darstellung des Erlösers unter dem Dioskurentypus angeführt werden für Annibale, der in seiner Pietä zu Neapel (die man freilich über der Riberas vergißt) »den Heiland als einen jungen Helden ohne Bart gebildet und demselben eine hohe Idea gegeben«, die er von den schönsten Köpfen der Alten genommen habe, um den Schönsten der Menschenkinder vorzustellen. »Wie im Zeus der Bart, das ehrwürdige Haupthaar allein Zeichen des Alters ist: ebenso würdige Begriffe von der Gottheit, als welche keinen Wechsel der Zeit annimmt, hätten unseren Künstlern noch mehr als den Alten eigen sein sollen, und wir sehen gleichwohl in den mehrsten ihrer Bilder des ewigen Vaters einen betagten Greis mit einem kahlen Schädel.«

Endlich sind einige Deutungsvorschläge in dem Büchlein angebracht, die eigentlich in die im selbigen Jahre erschienenen Monumenti gehört hätten; z. B. die Erklärung des sogenannten Cincinnatus (einer Figur, die sich den einen Sdiuh bindet), der aus Villa Negroni nach Versailles kam, auf lason; des sterbenden Fechters auf einen Herold, und zwar Anthemokritos, der von den Megarensern ermordet wurde. Die Um- taufung der Venus des Agorakritos zur Nemesis erklärt er aus dem möglichen Doppelsinn des gebogenen Armes, mit dem die Figur ihr

ANMERKUNGEN ÜBER DIE GESCHICHTE DER KUNST 32I

Gewand vor der Brust in die Höhe hält; diese Bewegung soll bei Venus Züchtigkeit und Scham anzeigen; bei der Nemesis das richtige Maß (ttu^wv, cubitus) der Vergeltung symboHsieren. Das palestrinensische Mosaik stelle die Begebenheiten des Menelaos und der Helena in Ägypten dar.

Über das Rätselwort Polyklets, wonach der schwerste Teil der Arbeit sei, wenn der Ton sich unter den Nägeln setze, bemerkt er: die Modelle in Ton wurden wie jetzt mit einem Modellierstecken gearbeitet . . . die Künstler aber nahmen auch die Finger mit zu Hilfe, und sonderlich die Nägel, einige feine Teile anzugeben und mit mehr Gefühl nach- zuhelfen. Diese feinen und empfindlidien Drucke habe er gemeint.

Ferner hält er es für mehr als wahrscheinlich, daß einige alte Künstler nach der Endigung mit dem Eisen und dem Übergehen mit Bimsstein die Muße und Geduld gehabt hätten, ihre Werke von neuem zu übergehen, indem sie dieselben sanft mit dem Eisen nachgearbeitet, teils um ihnen selbst die letzte Hand zu geben, teils dadurch die Ober- fläche des Nackenden sanft zu machen und die Kunst in ihr völliges Licht zu setzen. Wogegen der Glanz bei unseren Statuen, der durch die Reibung mit Tripel und Blei entstehe, auf die beleuchteten Teile einen so grellen Schein werfe, daß dadurch vielmals der mühsamste Fleiß unsichtbar werde und nicht bemerkt werden könne, weil das starke, zurückprallende Licht unser Auge verworren machte. An Köpfen sei die Seite, welche abgewandt ist, mehrenteils flacher gehal- ten als die andere, z. B. an der Niobe.

Diese und andere Bemerkungen geben uns eine Vorstellung, wie Winckelmann seine Untersuchungen weiterführte.

VIERTES KAPITEL

HOHE GÄSTE UND SCHÜLER

Der Antiquario nobile

Diese Jahre waren in der Altertumspflege Roms eine Zwischenzeit, wo die Regierung weniger als früher oder später Zeit und Sorge übrig hatte für solche Dinge; eine Pause vor der größten Epoche päpstlichen Sammeleifers und römischer Museenschöpfung. Fast das einzige Ereignis dieser Art in den Annalen Clemens XIII. war die Aufstellung der beiden Centauren des Aristeas und Papias auf dem Kapitol. Zu diesen im Jahre 1737 vom Bildhauer Neapolione restau- rierten Prachtstücken kamen noch die beiden in derselben Hadriansvilla gefundenen Mosaike, die Tauben und ein Blumengewinde. Sie galten für das Vollkommenste in dieser Gattung. Der glückliche Besitzer, Prälat FuriettijWar durch sie zu einem Werke De musivis (1752), dem vollständigsten dieser Art, angeregt worden. Benedikt XIV. hatte ihn am 16. April 1741 auf Monte Citorio besucht und Verlangen bezeigt, beide Meisterstücke für sein Kapitolsmuseum zu bekommen. Furietti hielt sein Taubenmosaik für das von Plinius beschriebene des Sosus von Pergamus, das Hadrian in seine Villa mitgenommen haben sollte, blind gegen die Tatsache, daß (ungeachtet der 160 Steinchen auf einem Quadratzoll) von dem Schatten der Vögel im Wasser wenig zu sehen war. Benedikt XIV. hatte dem Prälaten nie den heiligen Purpur gewähren wollen, den dieser längst verdient zu haben glaubte (32 Bücher zählte er auf [1757], deren sieben ihm dediziert seien, 25 ihn loben onde ben vede quant' onore a me si fa). Aber auf einen ] ihm gegebenen Wink meint er, »dies wäre wohl imstande, mir den Purpur zu kaufen, aber ich kenne die Stadt, idi will nicht der Kardinal Centauro heißen«. Erst Clemens XIII. gab ihm 1759 das Kardinalat von Santo Quirico und Santa Giulitta. Aber er wurde bald kindisch und starb den 14. Januar 1764. Der Papst wollte nicht, daß solche Raritäten aus Rom gingen: er beauftragte den Kardinal Albani mit der Erwerbung für das Museum der Vatikanischen Bibliothek; nach

DER ANTIQUARIO NOBILE 323

einer von den Bildhauern Bracci und Cavaceppi gemachten Taxierung zahlte man dem Neffen 1 3 000 Scudi. Das Mosaik wurde am 20. Mai im Kapitolmuseum aufgestellt, das von nun an als geschlossen galt.

Bei so wenig Amtsgeschäften konnte Winckelmann hoffen, nun ganz seiner Muße zu leben. Hawthorne hat die Bemerkung gemacht, daß Zufall und Wechsel sich mehr mit unseren festen Plänen zu schaffen machen als mit unseren lockeren Einfällen. Wer das Unerwartete, Ungeahnte erleben wolle, solle nur den Versuch machen, die Zukunft in eine unabänderliche Gestalt zu zwingen; dann komme das Unvor- hergesehene und breche seinen Plan in Stücke. Wie oft, wenn man ein Verhältnis, eine Beschäftigung endlich aufgelöst zu haben glaubt, kommt ein Ereignis, das sie unaufhörUch macht. Wie oft war der ausersehene und erwartete Hafen der Ruhe ein Ausgangspunkt neuer Irrfahrten.

Der gegenwärtige Antiquar der apostolischen Kammer hatte in würdevoller Ferne vom Ciceronentum nun ganz höheren Zwecken zu leben gehofft. Mancherlei Erfahrungen hatten ihn belehrt, wie wenig Menschen das Opfer seiner Zeit verdienten. Wie leer und nutzlos waren die bisherigen Beziehungen zu Vornehmen (wie Brühl, Berg) gewesen!

Aber nach dem Abschluß des Hubertusburger Friedens taten sich die Schleusen des Fremdenstromes aus Deutschland auf und über- fluteten die Einsiedelei, in der er sich abzuschließen gedachte. Seitab zu treten von diesem Strom war nicht möglich. Es war das erstemal, daß ihm, seit acht Jahren, Deutschland wieder nahetrat. »Ich habe«, schreibt er den 30. März 1765 an Murray, »beinahe in zehn Jahren nichts aus Deutschland gesehen, teils weil hier die gelehrten Waren aus Ihren Gegenden selten sind und spät anlangen, teils weil ich bisher bloß unter Toten und unter Steinen gesessen bin, und es ist kaum ein Jahr, da ich zuerst einige meiner Kleinigkeiten... gedruckt gesehen habe.«

Dann aber war es doch auch etwas, so viele bedeutende Leute aller Zungen zu sich kommen zu sehen, dort, wo sie die Masken abzulegen pflegen, hinter denen sie sich daheim verstecken, ihre Eindrücke über alle die hohen Dinge zu vernehmen, ihren Geschmack zu beeinflussen und so seinen Ideen den weitesten Einfluß zu verschaffen, und das alles bei voller Freiheit, das Spiel jeden Augenblick zu verlassen. »Hier«, sagt ein Reisender jener Jahre, »genießt jeder Fremde die

324 ROMISCHE ZEIT

Freiheit, nach seinem Sinne zu leben; er hat eine stillschweigende Erlaubnis, manche Weltkonvenienzen beiseite zu setzen, die er in jeder anderen großen Stadt nicht ohne Anstandsverletzung vernach- lässigen dürfte; Absonderung ist ihm gestattet, ohne daß er ein Son- derling scheint; vor allem aber hat er den Vorteil, sehr oft einer beträchtlichen Zahl ausgezeichneter, interessanter Personen aus allen Ländern zu begegnen.« Die Schattenseite war nur, daß solche an- geknüpfte Bande bei der Abreise gewöhnlich für immer aufgelöst wurden. »Der Weg hierher, sowie in die Ewigkeit, wird insgemein nur einmal gemacht!«

Aus Winckelmanns damaligem Leben erhält man einen lebhaften Eindruck der kosmopolitischen Bildung der höheren Stände und der internationalen Stellung, die er selbst einnahm. Er verkehrte zu gleicher Zeit und gleich vertraulich mit einem schlesischen Junker, einem französischen Duc, einem englischen Demagogen und einem welschen Kardinal; er schwebte zwischen Berlin und Rom; er schrieb ein Buch in italienischer Sprache und dachte sein Hauptwerk in französischer Bearbeitung neu herauszugeben; er plante Reisen nach Neapel und Deutschland, ja selbst vor Griechenland und Ägypten war er noch immer nicht sicher.

Manche illustre Namen erstiegen damals die hohen Treppen des Palastes Albani und klopften an ein Zimmer im letzten Stock, dem man gleich ansah, daß der Insasse mehr an seinen Ruhm, als an seine fortune dachte. »Homer, Euripides und einige andere Griechen waren seine Bibliothek; aber er hatte ja die Albanische zu seiner Verfügung, nach der sonst niemand fragte. Seine ganze Garderobe bestand aus zwei schwarzen Habits und einem großen Pelz, den er aus Deutschland mitgebracht hatte und im Winter gegen die Kälte brauchte, denn Feuer machte er nur für seine Schokolade. Er hatte niemand zur Bedienung. Sein Mobiliar entsprach dem übrigen; das einzige Stück von Wert war ein Faunskopf, der später im Schlafzimmer des Kar- dinals in der Wla stand.«

Nach solchen Schilderungen hielt man ihn daheim für einen armen Schlucker, und die deutschen Professoren sahen darin die Strafe für seine Abschwörung der lutherischen Religion ^

I. Vivit ibi satis tenui conditione, nempe conditione Ciceronis. Vocant

DER ANTIQUARIO NOBILE 325

Wir verdanken diesen Besuchen eine deutliche Vorstellung von seiner Erscheinung, seinem persönlichen Wesen, seinen Gewohnheiten und Eigenheiten. So schreibt Erdmannsdorf, der Ende 1765 mit dem Fürsten von Dessau nach Rom kam:

»Winckelmann kam täglich um neun Uhr früh, den Fürsten zu begleiten. Er war nicht zu ermüden, auch erfreute er sich einer viel besseren Gesundheit als in den ersten Jahren seines italienischen Aufenthalts. Manche Orte haben wir mit ihm durchstreift, und stets sprach er von allem Beachtenswerten mit derselben Lebhaftigkeit. Wir dehnten unsere Ausflüge gewöhnlich bis drei oder vier Uhr nach- I mittags aus; dann blieb er bei uns, oder wir speisten alle beim Prinzen von Mecklenburg. Sehr oft war das Tafelgespräch die Repetition der Lektion vom Morgen. Wenn ich das Tagebuch durchblättere, das ich damals eilig hinwarf, so begegnen mir tausend interessante Dinge aus seinem Munde. Der Fürst, dem er innig ergeben war, hatte ihn ganz zutraulich gemacht (mis tout a fait ä son aise), so daß er stets in der allerbesten Laune war, wobei er uns durch seine munteren schlagfertigen Erwiderungen ebenso erheiterte, wie er durch seine gelehrten Bemerkungen unterrichtete. Ganz glücklich, in unserer Ge- sellschaft sein zu dürfen, wollte er bei allen Partien in die Umgegend mit sein; in den albanischen Villen zu Castello, Nettuno, wo sein Kardinal die Artigkeit hatte, den Fürsten zu logieren und mit allem Möglichen zu versehen, mußte er die Honneurs des Hauses machen, und er kannte kein größeres Vergnügen, als sich uns zu verbinden. Liebenswürdig war er durch Herzensgüte und einfache, natürliche Sinnesart. Voll Freimütigkeit, sobald er keinen Grund zum Mißtrauen zu haben glaubte, war er mit Freunden ohne Zurückhaltung; er hätte sich aufgeopfert, ihnen zu dienen-.« Dabei war er sich selbst »Magd,

P Diener, Schreiber und Bote«. Diese Schilderung Erdmannsdorfs wird ergänzt durch Heinrich autem Itali Cicerones homines antiquitatis peritos, qui deducunt homines peregrinos in loca antiqua. Habemus libros mukös in hanc artem scriptos. Talem Romae agit vitam, ubi saepe esuriet, nisi forte veniat aliquando prin- ceps, qui pro officio sibi praestito det ei aliquot aureos. J. M. Gesner, Isagoge § 288. Göttingen 1784.

2. [Erdmannsdorf an M. Huber; s. Winckelmann, Histoire de l'art de l'An- tiquite, Leipzig 1781, I, p. CXXXVIII-CXLIIL]

326 RÖMISCHE ZEIT

Füßli. »Er war von mittlerer Größe, ohne sich besonders durch eine wohlgestaltete Figur auszuzeichnen. Seine Gesichtsfarbe war bräunlich, die dunklen Haare fingen 1 756 an sich etwas zu lichten.Er hatte eine nied- rige Stirn, eine etwas gebogene spitze Nase und kleine, schwarze tief- liegende Augen, die ihm auf den ersten Anblick etwas Düsteres gaben; aber um seinen Mund, obgleich er etwas starke Lippen hatte, schwebte ein anmutiger Zug. Wenn sein Gesidit durch ein anziehendes Gespräch oder durch frohe Laune belebt wurde, so war der Ausdruck desselben angenehm und harmonisch. Er hatte eine zwanglose aber edle Haltung und eine rasche Bewegung. Er schnupfte Tabak und war dabei sehr reinlich in seiner Kleidung ohne sichtbare pedantische Ängstlichkeit. Das Deutsche sprach er in sächsischer Mundart, zog aber in Rom das Italienische vor, wenn er damit nicht jemand in Verlegenheit setzte. Seine Stimme war laut, rein und deutlich; die Rede floß schnell von seinen Lippen, außer wenn er lehrte, erklärte oder beschrieb. Er geriet leicht in Heftigkeit und bei Gegenständen seiner Bewunderung in Pathos.« Eine nähere Vorstellung von seinem Unterricht, besonders von dessen systematischer Ordnung, gibt ein von Heinrich Blümner mit- geteilter Brief desselben Schweizers an L.Usteri (24. Dezember 1763): »Jetzt sitz' ich an der Quelle alles dessen, was groß und schön ist, und Winckelmann erklärt mir ihr geheimnisvolles Murmeln. Bald erklärt er mir mit philosophischer Deutlichkeit den verschiedenen Geschmack der Nationen, ihre verschiedenen Epochen, steigt von Gattungen zu Arten und von diesen zu einzelnen Dingen herunter, und ein Geist, sdiwächer als der seinige, folgt ihm dennoch, ohne sich zu ermüden, denn er weiß, in welcher Ordnung er vortragen muß, damit sich die häufigen Ideen nicht verwirren und eine die andere zu gehöriger Zeit wieder erwecke. Aber nadh und nach erhebt sich sein Geist und ergießt sich über sein ganzes Gesicht aus, seine Augen werden blinken- der, und er scheint begeistert wie sein Schutzgott, der vatikanische Apollo; und in diesen Entzückungen, worein ich mit hingerissen werde, irren unsere Augen auf idealischer Schönheit herum, sehen aber nur das gröbste, das übrige empfindet die Seele 3.«

3. [Zürcher Taschenbudi 1884, S. 90. Die vorhergehende Beschreibung nach Eiselein, Werke I, p. CLVIII und nadi "Winckelmann, Histoire de l'art de l'antiquite, Leipzig 1781, I, p. CXXXVII (M. Huber).]

DER ANTIQUARIO NOBILE 327

Winckelmann, der sich einen römisch gewordenen Preußen nannte, hatte sich manches von dem Benehmen und der Ausdrucksweise der höheren römischen Klassen angeeignet. »SchwerHch«, schreibt er seinem alten Schulfreunde Berendis (15. Mai 1764), »wird ein Mensch eine so verschiedene von der alten Gestalt angenommen haben, als in mir, ohne Künstelei, nach und nach durch Umgang mit großen Leuten und vornehmen Personen geschehen ist.«

In Rom erschien er in dem schwarzen Abatenanzug, auf der Villa »in gefärbten Kleidern mit Gold besetzt und mit einer schwarzen Binde«, doch ohne Degen. Er bestellt sich Kanevas zu Sommerkami- solen aus der Schweiz, weil der römische, der von Augsburg komme, zu grob sei und selten weiß genug werde. Im Sommer trug er Stroh- hüte, die er wohl mit schwarzer Seide überziehen ließ, und eine Brille di prima vista, hinter den Ohren befestigt, zur Dämpfung des Lichtes; seit 1760 konnte er ohne Brille nicht mehr lesen, er war normalsichtig.

Obwohl er, wie man annehmen muß, oft stärker studierte als in Deutschland, z. B. im Winter 1759 um vier Uhr aufstand und sich auch jetzt »keiner behutsamen Diät unterwerfen« wollte, so hatte sich seine Gesundheit doch in Italien befestigt. Schon 1757 bemerkt er, daß er zugenommen habe. Die Nachtschweiße waren verschwunden. Er schlief »wie ein kleiner Junge, tapfer und ohne aufzuwachen«. »Der Wein ist mein Fehler.« Aber »zuviel trinken, welches manchmal geschieht, ist mir eine Arznei«. Er klagt, daß er zuweilen zuviel esse, manchmal aber wünscht er auch etwas besser zu essen; »indessen ist die Freiheit, welche ich genieße, der Zucker, welchen ich über alles streue, auch über ein paar Stauden Salat, welche ich mir zuweilen des Abends mache«, denn er stehe ungemein gut mit seinem Appetit (28. Juli 1759). »Ich würde«, schrieb er am 9. März 1757 anFranke, »das schöne Land noch mit mehrerer sinnlicher Wollust genießen, wenn mich meine Begierde zu lernen ruhen ließe.« Aber zuweilen widmet er »eine Stunde, und wenn es ihm kommt, auch einen Tag der Lust und Freude«. »Denn du mußt wissen, daß ich zuweilen artige Essen zu geben gelernt habe. Für meine Erben habe ich nicht zu sorgen, und da wir eine unendliche Ewigkeit werden ernsthaft sein müssen, so will ich in diesem Leben nicht den Weisen anfangen zu machen, und vielleicht kommt es daher, daß ich nicht scheine zu veraltern, wie die

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Leute mir wollen glauben machen.« (15. Mai 1764.) Er ließ sich dann gern gehen, machte sich »über seine Zufälle selbst lustig«; denn: »in meinem Leben sind lustige Streiche vorgegangen« (4. Mai 1764). So sehen wir ihn in Casanovas Gesellschaft erscheinen im Familienkreise des Exgondoliers Momolo, des Scopatore santissimo, und bei Polenta, Schweinsrippe und römischem Landwein kein Spielverderber sein. Aber (erinnert er gelegentlich einer vermeintlichen Satire) »dem- ohngeachtet, ist nichts Lächerliches in meinem Leben«. Doch konnte er 1764 den Lagrima nicht mehr so trinken wie 1758, sein Kopf war »zu schwach« »das Gewebe meines Gehirns ist nicht mehr wie es war; es ist noch närrisch genug, aber es ist auch etwas weiser gewor- den« (an Franke, 28. Januar 1764). Im Jahre 1766 glaubte er »aus untrüglichen Kennzeichen den Eintritt ins Alter zu empfinden«, doch mache ihm dies keine unruhigen Nächte . . .

Winckelmann, der gelegentlich ein Stück mit der Unterschrift Ex Museo auctoris, z. B. für das Titelblatt der »Anmerkungen« stechen ließ, hatte in dem engen Räume, wo er »eingekerkert lebte«, außer schönen Gipsen auch einige ganz hübsche Originalstücke beisammen, die fast sämtlich Geschenke des Kardinals waren. Die Perle war der Panskopf (s. oben S. 318), der aber im August 1767 noch nicht auf- gestellt war, weil er keine Handbreit Raum fand. Ferner der Kopf eines schönen jungen Helden mit zwei Löchern für Hörner, angeblich Herkules' Sohn Hyllus. Zwei Köpfe von grünlichem und schwarzem Basalt glaubte er als »das höchste Ziel der Kunst in so stahlhartem Stein« ansehen zu dürfen, von so außerordentlicher Glätte, daß sich keine Rinde angesetzt hatte, und in den Haaren von fast unnachahm- licher Kunst. Die in den Monumenten bekanntgemachten Reliefs des Philoktet (120), des indischen Bacchus (57) und des Aias mit der Kassandra (141) gehörten ihm ebenfalls. Von kleinen Sachen begegnet uns eine etruskische Patera mit Efeuornamenten, jene große Silber- münze Antigonus L, deren Kopf er für Pan hielt, eine Glaspaste mit Herkules und lole, ein Agathonyx, Theseus überfallen von Centauren, das Karneolfragment einer Viktoria mit dem Namen des Solon und eine Anzahl Terrakotten, Mosaik- und Gemäldestücke. Diese schenkte er Mechel, aus dessen Nachlaß sie nach BerHn kamen. Im dortigen Antiquarium sieht man eine umrahmte Gipstafel, in die neun solche

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Fragmente eingelassen sind mit der Aufschrift: Fragments de basreliefs, de stuc, de peinture, et de mosaiques antiques donnes par l'illustre Windcelmann ä son ami Chr: de Mediel ä Rome en 17664.

Nordische Edelleute

Ein deutscher Landsmann in Rom, in einem öffentlichen Amte, eine literarische Berühmtheit, und beide Amt und Ruhm auf das sich beziehend, was die Fremden nach Rom führte, was von Jahr zu Jahr mehr zur höheren Bildung gerechnet wurde, ein solcher Mann konnte kein gelehrtes Einsiedlerleben führen. Aber wenn auch, so müßte man bezweifeln, ob Winckelmann, wie Cartesius, der Mann gewesen wäre, sich mit seinen Meditationen vor der Welt zu verstecken. Ihn führte ein rednerisch-pädagogischer Mitteilungstrieb immer wieder unter Men- schen; »derSchulmeistertrieb meldete sich« (anFranke,Dezember 1763).

Doch war der Verkehr mit den Großen für ihn kaum eine Versu- chung. Auch gibt es keinen Ort, wo man dieser Eitelkeit leichter widersteht, als Rom, keinen, wo man weniger gestimmt ist, andere als real-persönliche Vorzüge gelten zu lassen. Er nennt den vertrauten Umgang mit den hohen Herren eine große Schule der Zufriedenheit, wenn man es sonst sein könne oder wolle. Die wahre Fröhlichkeit sei nicht ihr Anteil, ja sie müßten unglücklich sein, weil sie das höchste menschliche Gut, die Freundschaft, nidit schmecken könnten. »Dieses«, meint er (15. November 1766), »ist eins von den obgleich nicht merklichen Gegengewichten, die Gott auf die andere Wagschale, der Hoheit gegenüber, gelegt hat, und hat diesen hohen Genuß den Weisen ohne Hoheit vorbehalten. Denn Freundsdiaft ist nur unter Menschen von gleichem Stande.«

Will man einen Anfangspunkt setzen für jenen Fremdenstrom aus dem Norden, so wird es der Winter sein, in dem Watelet mit seiner Begleitung nach Rom kam. Zuerst begegnen uns mehrere Edelleute, die in verschiedenem Sinne Sachsen heißen können, kursächsische, angelsächsische, niedersächsische.

Im Dezember 1763 erschien in Rom ein junger Mann von hoher

4. [1940 nidit mehr nachweisbar; s. III, 590.]

330 ROMISCHE ZEIT

schlanker Figur, mit lebhaften, geistvollen Augen, »ein sehr würdiger Kavalier«. Es w^ar Friedrich Ludv^ig, der vierte Sohn des dänischen Oberhofmarschalls, seit diesem Jahre auch Minister Friedrichs V.. Adam Gottlob Grafen MoJtke. Er brachte als Geschenk neun Bände der »Bibliothek der schönen Wissenschaften« mit, in denen "Winckel- mann nicht nur seine »kleine Lumpen« zum ersten Male gedruckt sah, sondern auch die Rezensionen, besser Elogen, seiner Schriften: »er könne sich nicht beklagen«, gestand er Weisse (28. Dezember 1763, 4. Januar 1764), »daß ihm Unrecht von den Journalisten geschehen; sie seien alle sehr glimpflich mit ihm verfahren; diese ihm rühmlichen Beurteilungen müßten mehr Aufmerksamkeit erweckt haben als die Schriften selbst, welche in jenen mit einem Lobe angekündigt seien, woran die Freundschaft mehr als der eigene Wert Anteil habe«.

Der junge Moltke (1745— 1824) hatte eine fünf Jahre dauernde Reise ins Ausland unternommen. In Leipzig war er Geliert und Ernesti nahegetreten; diesem half er bei seinen Arbeiten und erhielt dafür die Kollegienausgabe des zehnten Buches des Quintilian dediziert^. Eine deutsche Übersetzung desselben Buches von seiner Hand hat J. H. Schlegel 1776 in Kopenhagen herausgegeben. Im Hause seines Vaters fehlte es nicht an künstlerischen Anregungen. Der alte Moltke, der als armer mecklenburgischer Edelmann nach Dänemark gekommen war und als des Landes reichster Gutsherr starb, galt als tätiger Förderer der Künste und Wissenschaften. Er veranstaltete Niebuhrs arabische Reise sowie mehrere Nordlandsfahrten; durch ihn erhielt Klopstock beim Könige Zutritt und jene Pension, die ihm unabhängig sich und den Musen zu leben gestattete. In seinem Hause gingen die Maler und Bildhauer Kopenhagens, meist Fremde, aus und ein. Er sammelte jene ausgewählte Galerie niederländischer Meister, die noch jetzt eine Zierde dieser Hauptstadt ist. In ihr bemerkt man audi eine Anzahl von Gemälden, die der junge Moltke während der Reise kaufte, auf der wir ihn hier treffen. Er fügte den Namen Ruijsdael, Teniers und Van der Werff die Namen Dietricy, Grenze und Mengs hinzu.

Moltke unterhielt nach seiner Rückkehr die Verbindung mit dem römischen Gelehrten. Er überraschte Winckelmann aus England mit

5. [J. Claussen, Briefe an den Grafen Ludwig Moltke, in: Zeitschrift der Gesellschaft für schleswig-holsteinische Geschichte 1900, 29, 335—342.]

NORDISCHE EDELLEUTE 331

der höchst prachtvoll gedruckten Glasgower Prachtausgabe des Homer, mit Clarkes Text, vier Bände in Folio (1756— 1758), bei dessen Anblick die alte Schwärmerei für schöne griechische Drucke wieder auflebte. Dieser schrieb am 5. November 1765: »Ich habe ein wahres kindisches Vergnügen über dieses herrliche Geschenk; und da ich dasselbe bestän- dig vor mir liegen habe, so belustigt sich Auge und Gemüt ohne Unterlaß; und wenn ich auch nicht Muße habe zu lesen, so schaue ich wenigstens den prächtigen Druck an.«

Friedrich Ludwig Moltke wurde später Mitglied der deutschen Kanzlei in Kopenhagen, dann dänischer Gesandter am bischöflichen Hofe in Eutin und 1793 Dekan des Lübecker Domkapitels; als es 1803 aufgehoben wurde, zog er nach Altona, wo er 1824 starb.

Im Februar 1765 erfuhr Winckelmann mit höchster Überraschung, daß ein deutscher Fürst von seiner Kunstgeschichte gegen alle Men- schen rede, als dem ersten Buche, das er in vernünftigen Jahren gelesen. Bisher glaubte er, alle deutschen Fürsten dächten wie jener, der »nicht begriff, wie man deutsch, und im Deutschen gut schreiben könne«; es werde ihnen übel, wenn sie nur Deutsch lesen hörten. Es war der Prinz Ludwig Eugen Johann von Württemberg (1731— 1793), der zweite Sohn Karl Alexanders und jüngere, aber ungleiche Bruder des bekannten Herzogs Karl Eugen. Er war anfangs Soldat gewesen und auf einer Reise in die Netze des Versailler Hofes gefallen, hatte dort Dienst genommen und u. a. im Siebenjährigen Kriege als Volontär gegen Friedrich gekämpft. Dann gab er das Kriegshandwerk auf, ver- mählte sich mit Sophie Albertine Gräfin von Beichlingen und wurde (wie Winckelmann sagt) ein weiser Mann; er zog sich auf ein Landgut bei Lausanne zurück, wo er sechs Jahre mit den dortigen Rittern vom Geist verkehrte und der Erziehung seiner drei Töchter lebte. In der Zeit der Revolutionskriege ist er doch noch aus dieser langen Muße auf den Thron erhoben worden. Er war ein redlicher, gütiger, sehr leutseliger Herr, den Geschäften abgeneigt und den Freuden der Tafel ergeben. In Lausanne war es, wo Riedesel seine Bekanntschaft machte. »Ich hätte«, schreibt ihm Winckelmann am 30. März 1765 zurück, »nimmermehr geglaubt, daß ein deutscher Prinz ein syste- matisches deutsches Buch lese, wenn Sie es nicht wären, der es schreibt. Dieses zeigt, außer dem Begriff einer hohen Würdigkeit, den Sie mir

332 ROMISCHE ZEIT

von diesem Herrn geben, zugleich einen Patrioten unserer Nation an. Ich darf es also wagen, Sie zu ersuchen, meine Wenigkeit diesem durchlauchtigsten Prinzen untertänigst zu empfehlen. Ich wünschte, daß ich dieses selbst persönHch in Rom, in Ihrer Gesellschaft tun könnte. «

Diese deutsch loyale Aufwallung stellt für die im Herbst des Jahres bevorstehende Invasion von Serenissimi Besänftigung republikanischen Tyrannenhasses in Aussicht. Ein Irrstem kam vorausgeschwärmt. Winckelmann sollte zum ersten Male einen jener Volkstribunen und Tyrannenmörder in Fleisch und Blut kennenlernen, mit denen er von jeher, aber nur aus weiter Ferne, sympathisiert hatte.

John Wilkes (1727— 1797) war in jenem Zeitalter der Kabinetts- wirtschaft ohne Zweifel das originellste Exemplar des Demagogen in Europa. Er befand sich damals in einer Art Verbannung. Dies, sowie daß er in Rom allein an ihn gewiesen war (wahrscheinlich durch Firmian in Mailand), bestimmte "Winckelmann zu dem Vorsatz, diesen Feind der jetzigen Regierung in England . . . und zweiten Milton so zu unterrichten wenn er Gefühl habe , wie ein solcher Mann es verdiene. Wilkes hatte sich in Leyden klassische Bildung erworben und selbst anakreontisch-catullische Lieder herausgegeben und übersetzt.

Er war nur durch die törichte Verfolgung von selten einer unbe- liebten Regierung (den Siebenjährigen Krieg der Regierung Englands mit Wilkes nennt es Lord Mahon) der Freiheitsmann und Brutus geworden, zu dem ihn weder Charakter, noch Talent, noch Grund- sätze befähigten. Als Mensch war er zwar nicht durchaus achtbar, aber interessant. Ein Wüstling, aber ein warmer Freund, von unerschöpf- licher Laune im Umgang, und im Streite mit Rechtsgründen, Sophismen und Pasquillen wie mit dem Degen von kaltblütiger Verwegenheit, dabei ein gutmütiger Mensch. Obwohl er, wie er selbst sagte, der häßlichste Mann in England war, so »vergaß doch manche Schöne über dem Zauber seiner Unterhaltung das sinistre Schielen und die unglückliche Physiognomie«; er sagte zynisch, »he wanted nothing to make him even with the handsomest but half an hour at starting«. Ja während von seinem Blättchen, seinen Prozessen und Duellen niemand mehr weiß, verdankt er jener Häßlichkeit seine Unsterbhch- keit durch die Karikatur Hogarths.

NORDISCHE EDELLEUTE 333

Nach einer stürmisdien Jugend, deren Szenen auf dem Landsitze Medmenham Abtei (wo Rabelais' Fay ce que voudras über dem Tor stand) spielen, mußte es ihm wünschenswert erscheinen, einen ein- träglichen Posten zu bekommen, etwa als Gesandter in Konstantinopel oder als Gouverneur von Kanada. Seine Bewerbungen scheiterten, wie er glaubte, durch den Premier, Lord Bute. Als der Rücktritt seines Gönners Temple und Pitts seinen Aussichten ein Ende machte, beschloß er, ein Patriot zu werden. Er gründete 1762 The North Briton, der durch sein*e unerhörte Heftigkeit und die Bezeichnung der Minister und Seiner Majestät mit ausgeschriebenen Namen populär wurde. Die Kritik eines königlichen Parlamentsabschiedes in Nr. 43 (23. April 1762), ein schales und giftiges Machwerk, veranlaßte seine Verhaftung, die jedoch alsbald aufgehoben werden mußte, weil Wilkes Parlaments- mitglied war. Er verklagte den Unterstaatssekretär; aber bei Wieder- eröffnung der Session (15. November) erfolgte eine zweite Anklage wegen eines frechen Gedichtes, einer Parodie von Popes Essay on man und des Warburtonschen Kommentars dazu. Diesen Essay onwomen hatte er zum Hohn dem Lord Sandwich dediziert; der Bischof von Gloucester sollte den Kommentar geschrieben haben. Das Parlament verurteilte die Nummer 43 zur Verbrennung durch den Henker und stieß ihn aus; der Gerichtshof ächtete ihn. Das Volk verhinderte die Exekution mit dem Ruf: Wilkes and Liberty for ever! In einem Duell schwer verwundet, zog er sich nach Frankreich zurück, wo eine zärtlich geliebte Tochter lebte, die er in einem Kloster erziehen ließ.

Auf dieser Kontinentreise kam er nun auch nach Rom, und zwar während des Karnevals, am 14. Februar 1765. In acht Tagen hatte Winckelmann Gelegenheit, »sehr genau mit ihm bekannt zu werden . . . mich däucht,ich habe ihm gefallen, denn erlegte allen republikanischen Stolz ab und bat mich inständig, denselben Tag bei ihm zu essen, welches ich ihm aber abgeschlagen habe« (Mitte Februar 1765). Nicht nur Bekanntschaft, sondern »ich kann sagen Freundschaft« habe er mit dem weltbekannten Wilkes geschlossen.

Am 21. reiste er nach Neapel. »Dieser zweite Milton . . . wird von der Liebe dergestalt beherrscht, daß er eine schöne Person aus Venedig, die sich Corradini nennt . . . von Paris mitgenommen, um mit derselben einige Zeit in Neapel zu leben.« Nach einem anderen Briefe ist sie

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aus Parma, nach einem dritten aus Bologna. »Schade, daß das schöne Kind eine Tänzerin abgegeben hat (auch in Wien und Stuttgart). Sie hat das mehrste beigetragen, den englischen Konsul in Venedig faiht zu machen. Sie hat ihre eigene Equipage und lebt wie eine große Dame, aber alles auf Wilkes Kosten, also ist dieses ein teurer Bissen. Sie gingen mit vierzehn Postpferden von hier nach Neapel« (an Heyne, 30. März, und an Stosch, 8. Juni 1765).

Man schlug Winckelmann vor, mit nach Neapel zu kommen, und er gesteht, daß er in Versuchung gev^esen. »Es hat mir dieselbe viel Vertraulichkeit gemacht ... Es könnte geschehen, daß ich ihm und seiner Schönen im Herbst einen Besuch machte . . . Beide wollen Zim- mer für mich in Neapel bereit halten ... Er hat daselbst . . . ein bequemes Haus auf einer angenehmen Höhe, von dem Geräusch entfernt, auf ein Jahr genommen, um seine Geschichte von England from the revolution zu endigen und eine neue Ausgabe von Churchills Werken zu besorgen.« Jene Geschichte nannte er ein Werk für seinen Ruhm und Geldbeutel; Churchills Ausgabe war ein Vermächtnis des verstorbenen Freundes. Er wollte der Welt zeigen, wie er Churchill geliebt, und welche Macht die, so er geliebt, auch nach ihrem Hin- gange über ihn besaßen. Beim Abschiede hatte ihm Winckelmann eine Alabasterurne geschenkt, auf die Wilkes eine lateinische Inschrift zu Ehren Churchills setzte; er bestimmte sie derWestminsterabtei (Carolo Churchill | amico jucundo I poetae acri | civi optime de patria merito P. i Joannes Wilkes). In Briefen an seine Tochter beschreibt er sich als von Morgen bis Abend mit Buch und Feder in der Hand; auf das Wohl des Kindes leert er täglich ein Glas vor ihrem Bildnis^.

Wer es mit englischen Ministem, Parlamenten und Tribunalen auf- nimmt, ist darum noch nicht einer venezianischen Tänzerin gewachsen. In Rom erzählte man sich, die schöne Corradini sei plötzlich ver- schwunden und gleichzeitig sämtliche Handschriften ihres Freundes, mit denen sie schon auf dem Wege nach London sei. Ein junger Schotte von Winckelmanns Bekanntschaft, Boswell, habe dabei geholfen. Aber Wilkes, der am 27. Juni nach Marseille absegelte, stellte alles in Ab-

6. [Vier Briefe Windkeimanns an Wilkes aus den Jahren 1765 und 1767 veröffentlichte C. Sdiüddekopf, Zeitschrift für bildende Kunst 1888, 23, 138—142; s. III, 81, 98, 260, 289.]

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rede. Noch 1767 sandte er von Paris »eine sdiredilidie Sdirift wider LordChatham«. Später ist er noch dreimal ins Unterhaus gewählt und dreimal für untüchtig erklärt worden, drang doch endlich hinein, ja er wurde Alderman und 1774 Lordmayor von London, welches Amt er mit Beifall, immer aber im Sinne rücksichtsloser Reform verwaltete.

Nach diesem Beispiele von schnell erworbener Freundschaft, Bereit- willigkeit zu »Unterricht«, Reisekameradschaft und Geschenken darf man indes nicht glauben, daß der Präsident so leicht zu haben gewesen sei. Nein, solche Fälle waren eine ganz besondere Gunst.Winckelmann machte sich damals bereits kostbar. Den meisten Fremden war er unzugänglich, vielen wurde er es nach der ersten Audienz. Sehr schlimm lief z. B. bei ihm an der von Bianconi empfohlene Graf von Callenherg (1744— 1795), Erbherr auf Muskau (seine Tochter war es, die den Grafen ekler heiratete). Callenberg war keiner von den schlimmsten, er reiste doch mit Virgil und Horaz in der Tasche, statt mit Rousseau und Crebillon; er wurde in Florenz Akademiker bei den Apatisti. Aber sein Vergehen war freilich unverzeihlich. »Mir ist kürzlich begegnet, was Cicero von sich sagt, da er als Quästor aus Sizilien zurückkam. Ein junger sächsischer Graf kam zu mir ... er hatte allererst in Bologna erfahren, daß ich in der Welt sei und etwas geschrieben habe, er wußte nicht was; er glaubte aber, es sei alles in lateinischer Sprache, und hiermit hatte die Unterredung ein Ende . . . Mit solchen Leuten kann ich nur einmal reden« (an Heyne, 30. März 1765). Bianconi war seit 1764 in Rom als kursächsischer Gesandter; denn da seit dem Tode Augusts IIL die Kurfürsten nicht mehr Könige von Polen waren, so hatte die Vertretung Sachsens durch den Kardinal- Protektor jener Krone aufgehört. Er lebte aber meist in Siena, wo seine Töchter erzogen wurden, bei der geistreichen und liebenswürdigen Marchesa Chigi.

Für solche gab es geduldigere Ciceronen, und einer dieser Art hatte sich kürzlich in Rom auf getan, ja war dort durch Winckelmann selbst eingeführt worden, der ihn in der Folge öfters als seinen Stellvertreter empfahl (27. Juni 1767, an L. Usteri). Johann Friedrich Reijfenstein (aus Ragnit in Litauen, 1719— 1793) kam als Begleiter des nachherigen dänischen Kammerherm Friedrich Ulrich Grafen Lynar 1762 nach Rom und faßte bald den Entschluß, sich hier bleibend niederzulassen,

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und zwar, wie Winckelmann als auf fallend bemerkt, »ohne die Religion verändert zu haben«. Sein Name begegnet uns in allen Korrespon- denzen der folgenden dreißig Jahre; kein Mann von Stande, kein Künstler, der nicht mit Dank seiner Gefälligkeit als Führer, als Kommissionär bei Kunstankäufen, als Vermittler bei Kopien, und vor allem seiner so freundschaftlichen, ja »väterlichen, uninteressierten Verwendung« für aufstrebende Talente gedächte. Dabei kopierte er selbst in Pastell und stellte mancherlei technische Versuche an, z.B. mit Glaspasten für Kameen von vielfarbigen Lagen, enkaustischer Malerei, kurz, er war ein vielgeschäftiges Männchen: »der ehrliche Reiffenstein«, schreibt Winckelmann an P. Usteri (8. April 1767), »verliert sich in Kleinigkeiten, unternimmt vieles und bringt nichts zu Ende«.

EndHch im Herbst 1764 begrüßte Winckelmann in Rom seinen ersten preußischen Landsmann, den Freiherrn, späteren Grafen Fried- rich Wilhelm von Schlahrendorf (geb. 1743 zu Breslau, gest. 1803), der mit seinem Hofmeister, Herrn von Klöber, von England kam. Ein Brief Wilkes brachte den ersten Riß in seinen Entschluß, mit keinem aus dem undankbaren Deutschland mehr eine Stunde zu verlieren. »Die beiden Reisenden sollen den guten Erfolg Ihres Briefes erfahren, ohne welchen ich ihnen schwerlich meine Zeit gewidmet haben würde.« Er leistete ihm alle möglichen Dienste; für eine Buchschuld schickte ihm der Vater, dirigierender Minister in Schlesien, vierunddreißig Scudi. Obgleich die anima beata del nostro amato S. in der Folge wenig Lebenszeichen von sich gab, so wollte Winckelmann doch dies- mal zufrieden sein, von dem würdigen, dem teuren und werten Mann wenigstens »die Versicherung guten Andenkens« zu erhalten, und dieses war bei Schlahrendorf keine Phrase. »Ich bin voll von Sachen«, schreibt Winckelmann den 10. Dezember 1766, »die ich in Ihren Schoß ausschütten, aber nicht schreiben kann.« Schlahrendorf wurde später Kammerherr und Erboberlandbaudirektor in Schlesien. Als er, der erste seines Standes, den lächerlichen Titulaturen förmlich entsagte (1795), fragte man, was er für andere als jakobinische Gründe gehabt haben könne; er antwortete: Warum fragt man mich nicht, weshalb ich bei meinen vielen neuen Gebäuden die alten abgeschmackten Schnörkel verbanne?

Eine seiner letzten Bekanntschaften, wo nicht die letzte, war der

BEZIEHUNGEN ZU PREUSSEN 337

Basler Christian von Mechel (geb. 1737), »Kupferstecher des Rates und der Universität Basel«, der sieben Jahre in Paris gearbeitet hatte (von wo er ein allerliebstes Blättchen, Amour mena9ant nach Vanloo mitbrachte) und im Sommer 1766 nach Rom kam, um für ein Werk über die Münzen seines Landsmannes Hedlinger zu sammeln (erschie- nen 1776). »Es ist derselbe ein begüterter Mann und reist mit vieler Würdigkeit in Italien.« Er soll Winckelmanns Porträt nach Angelika in groß Folio gestochen haben 7. Später errichtete er in Basel eine Kunsthandlung, eine Zeichen- und Kunstschule, gab Holbeins Werk, einen räsonierenden und illustrierten Katalog der Düsseldorfer Galerie heraus und ordnete die Galerie des Belvedere. »Unter dem engen Altar der Freundschaft«, schreibt ihm Winckelmann (7. September 1766), »ist unsere Verbindung von mir beigelegt, wo derselben ein immer- währendes, reines Feuer unterhalten wird, unter der Aufsicht der Tugend.«

Beziehungen zu Preußen

Im Juli 1765 schrieb die anima beata einen Brief in sehr wenig seliger Stimmung aus Halle a. S., der Winckelmann in große Heiterkeit versetzte. Bilder seiner Studentenjahre stiegen vor ihm auf: welcher Schicks alshumor, daß Schlabrendorf, nachdem er alles das genossen, wonach er, Winckelmann, damals in dunklen Wünschen getrachtet, nun hinterher die akademische Speise verdauen sollte, die ihm, der aus seiner alten Mark doch einen robusten Appetit mitgebracht hatte, zwischen den Zähnen hängengeblieben war.

Der König hatte es übel vermerkt, daß sein Geheimer Staatsminister das Söhnchen ohne seine ausdrückliche Erlaubnis auf die große Tour geschickt hatte. Er befahl, ihn »zur Kränkung« auf die Universität zu senden. »Selig sind Sie«, tröstet ihn Winckelmann am 9. August, »nach den Lehren des Evangelii: wenn ihr nicht werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen. Wenn dieses Ihr uaxepov upöxepov dazu hilft, wünsche ich Ihnen zu der Folge Glück, bedaure aber den Weg dazu.« (Vgl. I, S. 109.)

7. [Der Stich wurde wohl ebensowenig wie der von Reiffenstein geplante (s. III, S. 88) ausgeführt; jedenfalls nicht nachweisbar.]

338 RÖMISCHE ZEIT

Wie fern lag die Zeit schon, wo er, ein dreißigjähriger Mann, sein Vaterland ohne Schmerz für immer verlassen hatte! Nie hatte er das dort Erduldete vergessen. Seine Bitterkeit wslt aufs höchste gestiegen, als die Kriegsflamme Sachsen, sein zw^eites Vaterland, verheerte; sie wandte sich auch gegen den großen König, den »Verheerer«, der »als ein Herostratus unserer Zeit sich durch Vernichtung der Altertümer in Dresden habe merkwürdig bei der Nachwelt machen wollen« ^

Bei allen diesen Ausfällen ist doch offenbar, daß Windkeimann sich als geborener Preuße immer noch gewissermaßen als Angehörigen des Königs fühlte, daß ihm zu wiederholten Malen der Wunsch aufstieg, von dem »größten Menschen in der Kunst seinesgleichen zu regieren« (Hamann) sich anerkannt zu sehen, nicht um äußeren Vorteils willen, nur um »diesem großen Manne zu zeigen, daß ein geborener Untertan etwas Würdiges hervorgebracht hat« (17. Dezember 1763).

»Einen großen Mann«, schrieb er Stosch den 25. August 1759, »ja den größten Mann unglücklich zu sehen, muß der mehresten Menschen Mitleiden erwecken, geschweige denn derer, die ihm als dessen geborene Untertanen gleichsam eigen sind.« Doch sieht man auch an diesem Beispiel, daß die Geringschätzung Friedrichs gegen deutsche Dichtung und Wissenschaft keineswegs entmutigend wirkte. »Er blieb«, sagte man damals, »seiner eigenen Nation fremd und hatte an der Verede- lung derselben, welche sein Zeitalter ebenso ehrwürdig machte, wie das Zeitalter Ludwigs XIV. gewesen, keinen anderen Anteil, als daß er Deutschland zur Eifersucht reizte, sich durch eigene Erhebung an seiner Verachtung zu rächen. «

Zu drei verschiedenen Zeitpunkten griff der Gedanke an Berhn in Winckelmanns römisches Leben ein. Zuerst 1761 beim Ankauf des Stoschischen Museums.

8. [I, 300; II, 112.] Ci capitö la nuova della mai immaginata sconfitta di quel distruttore del genere umano, e l'allegria ne fu universale, e ognuno ci riconosce la mano superiore la quäle puö sommergere il tiranno quando e giunto all' ultimo segno del suo oltraggio (30. Juli 1757). Si vede evidente- mente die Dio e in ajuto degl'oppressi da un tiranno scellerato. Gia si augura il smembramento de' suoi stati e non gli restar niente che la Marchia arenosa e sterile ... I Ducati di Magdeb. e Halberstadt possono indennizzare il Re (di Polonia) [13. August 1757]. An M. A. Bianconi. [Vollständiger Text in 111,398 f.]

BEZIEHUNGEN ZU PREUSSEN 339

Die nordischen Fürsten hielten sich bekanntlich damals nicht bloß politische, sondern auch literarische Korrespondenten. Warum sollte es nicht der Mühe wert sein, auch in Rom wie in Paris einen solchen zu haben? Friedrich sollte »einen gewissen Gleim (= Grimm), einen deutschen Poeten in Paris, mit einer anständigen Pension unterhalten, um ihm alle nova litteraria et artificialia zu berichten« (7. Dezember 1764). Wie, wenn sich der König von ihm römische Briefe hätte gefallen lassen? Diesen Einfall hatte er, als er eine Beschreibung der Villa Albani an Stosch in London schickte, die er für die »Berlinische Bibliothek« geeignet hielt. Der König hatte »mit vielem Lob von der Description gesprochen und den Besitzer um den Preis dieses Musei fragen lassen«; noch immer hielt er römische Künstler, z. B. Stein- schneider in Atem, hatte eben eine Diana malen lassen. Winckelmann dachte sich, daß dem königlichen Käufer des Musei »Anmerkungen, Erklärungen und Verbesserungen über den Katalog in italienischer Sprache« nicht unwillkommen sein würden. »Ich kann nicht umhin, den großen Mann, der nach der Geburt das größte Recht an mich hätte, zu verehren: und ich erbiete mich, diesem Monarchen Berichte von Entdeckungen der Altertümer in italienischer Sprache, mit Be- trachtungen über dieselben, sowohl in Absicht der Kunst als der Altertümer insbesondere zu übersenden, und dieses ohne alle Absicht, von was für Art dieselbe auch sein könnte. Nur müßte ich gewiß sein, daß diese Schriften unmittelbar in seine Hände selbst kämen und daß mein Hof nichts davon erführe. Ich versichere Sie, es sollte Ihnen keine Schande machen, denn da ich die Feinheit dieses Herrn kenne, so würde ich dieser gemäß zu schreiben suchen, und ich glaube, daß ich sogar dessen Geschmack in der Kunst verbessern und gewiß machen könnte. Ich verlange nur ein zuverlässiges Zeichen, daß dergleichen Aufsätze demselben angenehm sein würden, so würde ich damit anfangen; und nachher ein anderes Zeichen, daß ihm das erste zu Händen gekommen, so würde ich fortfahren. Der Grund davon ist dieEitelkeit, der ich nicht gänzlich entsagen kann« (an Stosch, 10. April 1761).

Es ist nicht bekannt, ob der König dies Erbieten mitgeteilt erhielt; »man hatte damals keine Zeit, an Sachen der Kunst zu gedenken«; vielleicht steht doch der folgende Vorschlag nicht ohne Beziehung dazu.

340 ROMISCHE ZEIT

Mit eifersüchtiger Verachtung sah Winckelmann auf Gozkofsky, den »betrügerischen« Unterhändler, dessen sich der König bei Ge- mäldekäufen bediente. Der erste Vorschlag, den Winckelmann gemacht hätte des Mengsischen Ganymed , wäre freilich ein bedenklicher Anfang seines Kommissariats gewesen.

Es war im Februar 1763, kurz nach der Rückkehr aus Ostia (s. oben, S. 31), als Usteri über seine Gesinnung im Fall eines Antrags vom Berliner Hofe bei ihm anfragte. Daß eine solche Anfrage aus Zürich kam, hing so zusammen. Sulzer (1720— 1779), seit 1750 Mitglied der Berliner Akademie, hatte zur Herstellung seiner Gesundheit einen Urlaub in die Schweiz erhalten: ein Lungenleiden und der Gram über den Tod seiner geliebten Willy hatte begonnen, seinen athletischen Körper zu untergraben. Dort in der Heimat war zwischen ihm und den Zürcher Freunden viel von Winckelmann die Rede. Dieser hatte in Rom noch keine Anstellung, und man kannte seine Bereitwilligkeit, eine gute Stelle in Deutschland anzunehmen. Bei nahe bevorstehendem Frieden begann man in Berlin wieder an Berufungen zu denken. Sulzer »ließ ihm seine Hochachtung und sein Verlangen, ihn bald wieder aus Italien zurückzusehen, in den verbindlichsten Ausdrücken bezeugen«.

Dieser allgemein als Charakter hochgeschätzte und wegen seiner Unterhaltungsgabe beliebte Schweizer stand zwar dem König nicht persönlich nahe, dieser hatte ihn, obwohl er ihn schätzte, nie gesehen, erst kurz vor seinem Tode, als er ihn zum Direktor der philosophischen Klasse gemacht, am Silvester 1777, ließ er ihn rufen 9. Dagegen hatte Sulzer, auf mittelbare Weise, durch den englischen Gesandten Mitchell und durch den Marquis d'Argens auf Berufungen Einfluß; er brachte mehrere seiner Landsleute an Berliner Lehranstalten und in die Aka- demie, z. B. Merian und Lambert, überhaupt bildeten in dieser seit dem Mathematiker Leonhard Euler die Sdiweizer ein Hauptelement. Es lag in Sulzer der Trieb, alles Strebende zu fördern, alles Deplacierte an seinen Posten zu bringen. Theolog von Profession, Naturforscher durch Neigung, war er erst als Hauslehrer zu Magdeburg in die poetischen Bestrebungen der Zeit hineingezogen worden, und zwar

9. II lui restait encore une honneur ä recevoir et un plaisir ä goüter, avant que de voir disparaitre la scene de monde. (£loge de Sulzer.)

I

BEZIEHUNGEN ZU PREUSSEN 34I

durch den Kreis jener gemütvollen Freunde und Sänger (wie Gleim), die sich in Laublingen, an den arkadischen Ufern der Saale, um den Pfarrer Lange und seine Doris sammelten. Sulzer, ein ganz enzyklo- pädisch und teleologisch angelegter Kopf, von akademisch-administra- tiver Richtung, vermochte auch der Dichtung und Kunst, wie bisher der Naturwissenschaft, nur von moralischen und gemeinnützigen Gesichtspunkten aus Interesse abzugewinnen. Er studierte nicht nur in Bibliotheken und im Buche der Natur, er fand Lehrstühle der Philosophie auch in den Werkstätten und Ateliers, in den Kontors und Regierungskollegien, bei Gärtnern und Bauern. Als er nun sein lange erstrebtes Ziel, die Akademie, durch Maupertuis' vom Kirchenrat Sack gewonnene Fürsprache erreicht hatte, machte er die feinere Zergliederung der Seele und die Erforschung des Keimes der Künste in ihr zum Mittelpunkt seiner Forschungen. Seit 1756 war er durch Combes Dictionnaire des Beaux-Arts auf den Gedanken einer Theorie der schönen Künste gekommen, d. h. einer Ästhetik und Poetik, dem Zeitgeschmack gemäß aufgelöst in ein Lexikon (seit 1771), die Frucht freier Pausen der leidensvollen zweiten Hälfte seines Lebens.Vielleicht wünschte er Winckelmann für die Kunstartikel (wie Bodmer für die poetischen) zur Seite zu haben. Er hatte ein klares Bewußtsein von der Würde der Kunst und ihrer Bestimmung, ein Teil des National- lebens, ein Element der öffentlichen Erziehung zu werden. So war es in Griechenland, wo die Gesetzgebung um die Beförderung des guten Geschmacks und die Abwehr des schlechten sich bekümmerte. Wie er in der Rede De l'energie dans les ouvrages des Beaux-Arts ausführt, die er in demselben Jahre las, wo Winckelmann den Ruf erhielt, wird die Kunst durch den Zweck bloßen Vergnügens, oder, wie zu jener Zeit, als Dienerin der Prachtliebe, herabgewürdigt und sinkt zu einem Schatten herab. Wenn die Philosophie uns über die moralischen For- derungen erleuchtet, so soll die Kunst, an Phantasie und Herz sich wendend, jenem Licht die Kraft hinzufügen, welche die nackte Wahr- heit nicht hat. Die großen Muster jeder Vollkommenheit, die der Moralist mit Mühe dem Verstände vorführt, gibt der Künstler dem Auge zu sehen. Die Plastik bildet die Seele in Marmor und Erz, denn der Leib ist die sichtbar gewordene Seele, und die Seele ist ein Bild des höchsten Wesens. Aber nur die Griedien haben gefühlt, daß nicht

342 ROMISCHE ZEIT

bloß menschliche, sondern sogar göttliche Eigenschaften dem Auge empfindbar gemacht werden können. Der Reiz für die Anstrengungen des Genies sei die Ehre, etwas zur Erhebung einer ganzen Nation beizutragen.

Dieser Gesichtspunkt war richtig und edel und ganz in Winckel- manns Sinne, er verliert nichts von seinem Werte dadurch, daß Sulzer, wie Goethe sagte, ins Land der Kunst nur gereist, nicht aber darin geboren und erzogen war, nie darin gelebt, gelitten und genossen hatte.

Auf Winckelmann, der eben aus der besten römischen Gesellschaft bei seinem neuen Gönner Spinelli zurückkam, machte diese Eröffnung einen gemischten Eindruck. »Ich kann nicht leugnen«, schreibt er am 20. Februar und am 18. März 1763 an L. Usteri zurück, «daß mir bei Überdenkung des Sulzerischen Vorschlags allezeit ein kleiner Wider- wille wider mein Vaterland aufsteigt.« »Die Wahrheit zu sagen, es zieht mich kein starker Magnet nach Deutschland.« Der vornehmste Grund sei die Liebe zur Freiheit: »ich bin wie ein wildes Kraut, mei- nem eigenen Triebe überlassen, aufgewachsen, und ich glaubte im- stande gewesen zu sein, einen anderen und mich selbst aufzuopfern, wenn Mördern der Tyrannen Ehrensäulen gesetzt würden.« Der römische Staat, ein Land, »wo niemand befiehlt und niemand ge- horcht«, war gewiß der Antipode von Preußen! Was den Dresdner Hof betrifft, so sei er demselben ebensowenig als Preußen verbunden, da das wenige, was er in Rom genossen, nämlich seit vier Jahren jähr- lich hundert Taler, eine Beisteuer des Beichtvaters sei, den er deshalb, und dies sei sein einziges Bedenken, sehr beleidigen würde; aber hier sagte er nicht die Wahrheit, denn er wußte (an Berendis, 29. Januar 1757 u. a.), daß jene Pension aus der Privatschatulle des Königs kam.— Er fürchtete die Sparsamkeit Friedrichs, die ihn nötigen werde, eine geringe Figur zu machen.

Das Fatalste an Berlin waren ihm die am Hofe eingenisteten Fran- zosen. »Was würde ich in Berlin für eine schlechte Figur machen, wo kein Gelehrter eine machen kann, zumal gegen d'Alembert, den der König jetzt kommen läßt, und gegen andere Franzosen, die in der Akademie daselbst herrschen und den Ton angeben!« (17. Dezember 1763.) Die mathematischen Wissenschaften, die in jener Akademie obenan standen, die Philosophie der Belle Wolfienne Formeys, ihres

BEZIEHUNGEN ZU PREUSSEN 343

Sekretärs, hatten wenig Verlockendes. Der dortige Pariser Geschmack in Malerei und Skulptur war allen Italienern ein Dom im Auge. Sonst galt Berlin in Rom für die schönste deutsche Stadt, der junge Principe D.Bartolomeo Corsini, der 1753 dort war, erzählte, Theater, Arsenal und Schloß würde man auch in Rom bewundern.

Einen kleinen Kreis von Verehrern hätte er wohl an der Spree ge- funden. Moses, Nicolai (»geschätzte Namen«), Sulzer, Merian (»teure Männer«) verehrten ihn als Kunstautorität, und indem sie sich in seine Lehren hineinzudenken suchten, kamen sie auf ihre eigenen ästhetischen Probleme. Von des »werthen« Moses Schriften läßt er sich einBändchen (den Phädon) kommen: er nennt ihn »eines von den besten Büchern, welche ich gelesen habe, schade, daß er ein Deutscher ist, würde der Potsdamische Held sagen« (14. September 1763, an L. Usteri).

Winckelmann meint, wenn Sulzers Anschlag sich verwirkliche, so müsse die erste Sache in Berlin sein, den Marquis d'Argens für einen unwissenden Esel aufs höflichste zu erklären; solche Leute seien ein Schandfleck aller gelehrten Gesellschaften (20. Februar 1763). Er dachte dabei an den Wisch über die Malerschulen (S. 57). Dieses wäre indes übel angebracht gewesen gegenüber einem Manne, der sich fast dreißig Jahre lang Friedrichs Gunst zu erhalten gewußt hat, der bei völliger Unerfahrenheit in Hofmanövern, fern von Kabalen, nur sei- nen literarischen Versuchen lebte; als Schriftsteller freilich nur ein amüsanter bequemer Schwätzer, bei dem die Feder, die er einst aus Not ergriffen, nicht wieder zur Ruhe kommen wollte, wobei er alle seine Kenntnisse aus Bayle holte. Von dem Abenteurer im Abend- und Morgenlande war wenig mehr übriggeblieben in dem kränk- lichen hypochondrischen Gelehrten als die Lebhaftigkeit seines funken- sprühenden Gesprächs, sonst war er »gut bis zur Schwäche, arglos bis zur Leichtgläubigkeit, ein bonhomme am Hof«, aber (nach Formey) der redlichste, dienstfertigste Freund der Schriftsteller. Ihm verdankte Sulzer jenen Urlaub, und Ernesti, Rabener, Geliert, Reiske ihre Audienzen in Sanssouci.

Lieber verweilte Winckelmann bei dem Gedanken, daß Friedrich II. den Einfall haben möchte, selbst nach Italien zu kommen und dann auf ihn als Cicerone angewiesen sein werde. »Ich hoffe nodi«, sdireibt er den 15. Mai 1764 an Berendis, »den König in Preußen hier genau

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kennenzulernen, denn er hat an d'Alembert geschrieben, daß ihn nur die jetzigen Umstände von Polen verhinderten, nach Italien zu gehen.« Er hatte diese Nachricht von Watelet, dem d'Alembert eine Abschrift des Briefes geschickt. Der König war nicht nur des Krieges, sondern zuweilen auch der Politik müde ^°.

Nach Friedrichs eigenen Äußerungen sollte man glauben, daß Italien nicht soviel Reize für ihn besessen habe, um ihn ernstlich an eine Römerfahrt denken zu lassen. Als seine Schwester, die Markgräfin von Bayreuth, diese Reise macht, schreibt er nach Florenz, wie er sich Italien vorstellt, vergleicht sich indes mit dem Fuchs in der Fabel und mit dem alten Galeerensklaven, der von seiner Ruderbank die freien Leute mit Geringschätzung betrachtet, und entwirft sich ein Bild von Italien und Rom, im Stil des furchtbaren Sonetts Vittorio Alfieris: Vuota, insalubre region che stato ti vai nomando. Italien ist eine alte Kokette, die sich noch für schön hält und allerdings durch einige Schönheitsreste zu ahnen gibt, was sie einst gewesen. Außer den Spuren römischer Größe, außer den Schätzen, die frommer Betrug und Aberglaube Europa abgepreßt, und außer den Meisterwerken augusteischer und leoninischer Zeitalter gebe es heute nur noch die Soprani, schlechte maestri, elende Maler, Bildhauer, die noch unter ihnen sind, einen Papst, der zum Almosenier der Könige geworden, ohnmächtige Kleinstaaten, viel Arglist, Witz, aber keinen Genius, ein Volk, bestimmt für das Sklavenjoch des ersten Eroberers, ein gött- liches Klima, schlechte Gesellschaft, viel Reichtum bei Geizigen, Mönche und Pfaffen aller Sorten, viel Zelotismus und keine Religion, viel Unwissenheit und Vorurteil: kurz das Italien von heute gleiche dem Leos X. wie eine schlechte Kreidezeichnung einem Gemälde Guidos.

Mit Rom, meinte er, werde wohl das übrige Italien keinen Vergleich aushalten; er könne sich denken, wie seine Denkmäler uns den Welt- erobererzeiten nahe rückten, so daß dort ihr Ruhm, ihre Denkweise auf uns überzugehen sdieine. Aber wenn Frankreich, Deutschland, Spanien, England und Polen die Geschenke der Vorfahren zurück-

lo. Am 4. November 1765 schreibt er an die sächsische Maria Antonia: Ah! Madame, que V. A. R. continue de cultiver les arts; c'est le seul bien reel dont on puisse jouir dans le monde. II faut dire du reste, comme Salomon: Tout est vanite.

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forderten (schreibt er auf die Schilderung der Osterwoche), so würde der Heilige Vater mit samt dem heiligen Kolleg in den Ruinen des Campo Vaccino wohnen müssen, Kirchen mit Strohdächern haben, und die Leier mit saquebute die einzige Musik sein.

Der König liebte italienische und noch mehr deutsche Musik; er fand Geschmack an den Baumeistern des Cinquecento; nur in den bildenden Künsten fühlte er ganz französisch. Der Baron von Knobels- dorf, der Erbauer des Opernhauses, hatte auf seiner italienischen Reise (1738) entdeckt, daß die Franzosen mehr Talent für die Skulptur als für die Malerei hätten, er verehrte Vanloo und de Troy, von Italienern sei nur Solimena noch der alten Zeiten würdig. Bouchardon, Adam und Pigalle hätten die Skulptur zur Vollendung gebracht. Die Feld- herrnwalhalla auf dem Wilhelmsplatz wurde solchen Franzosen über- tragen. Was würde der König gesagt haben, wenn er den Ausdruck »unverschämte Urteile« von dem Urteil eines Russen von Stande über seinen Merkur von Pigalle gelesen hätte, ein Geschenk Ludwigs XV. ! Winckelmann wünschte in der Freiheit Roms einmal zu dem Könige in solchem Ton sprechen zu können. »Ich wollte hier, wo ich mit dem Ton der Freiheit sprechen kann«, heißt es in einem Brief an Stosch vom 15. November 1766, »in vierundzwanzig Stunden einem Prinzen, sonderlich aus Deutschland, wo alle, die nicht Ausländer sind, zittern, mehr Wahrheiten sagen als derselbe, ich will nicht sagen gelesen, aber gehört. Sie glauben aber nicht, wieviel mehr Eindruck eine ungev^ohnte Sprache einem Prinzen macht, als eine Postille. Wollte Gott, ich könnte hier den Prinzen sehen, mit welchem ich außer seiner Kriegs- schule zu sprechen wünschte.«

Im Jahre 1755 fand der König zu seinem Erstaunen, daß er eine gute Gemäldesammlung in Potsdam besaß, eine angenehme Pro- menade für ihn bei schlechtem Wetter. In der Rotunde stand die Familie des Lykomedes, das Stoschische Museum und die Münzen. Das Polignacsche Kabinett hatte er 1742 für zwanzigtausend Taler gekauft. Auf ein Kompliment Voltaires schrieb er wörtlidi zurück:

Pourquoi remuer ä grands frais De Virgile, Horace, et d'Homere?

Les decombres de Rome entiere, Leur esprit et leur caractere,

Ce marbre et cette antique pierre? Plus estimables que leurs traits,

Et pourquoi diercher les portraits Se retrouvent tous dans Voltaire.

34^ RÖMISCHE ZEIT

Später ließ er durch Bianconi (27) Statuen und Brustbilder auf- kaufen (25. Juli 176^), Cavaceppi hatte sie zu ergänzen.

Das Sulzersche Projekt war schwerlich vor des Königs Ohren ge- bracht worden, und überhaupt scheinen keine weiteren Schritte gemacht zu sein; Winckelmann sah es als beseitigt an, besonders nach seiner Anstellung, warf es sogar weit weg, nicht ohne Bitterkeit. Wie Berg schrieb, ging im Herbst 1763 in sehr guten Berliner Häusern die Rede »der König in Preußen lasse mich für seine Akademie kom- men, und ich sei bereits unterwegs, woran gleichwohl der König, so wenig als ich Lust dazu bezeigt hätte, gedacht haben wird, zumal ich ein Deutscher bin, der ihm nur zum Erschießen gemacht zu sein scheint« (30. November 1763). Besonders ärgerlich war ihm der dabei gebrauchte pöbelhafte Ausdruck, daß er darum suppliziert habe. Da er besorgt, diese unbegründete Rede möchte nach Dresden dringen, so bittet er Franke, aus seinem Munde das Gegenteil zu behaupten. »Mit was für einem Herzen«, ruft er aus (18. August 1764), »würde ich mich von dem höchsten Freunde (Albani) trennen können!« In Berlin, wo ein französischer Despotismus in der Akademie herrsche, könne er nicht hoffen, wie in Göttingen, deren Mitglied zu werden: eben habe der König wieder für die neue Kriegsschule lauter Franzosen ver- schreiben lassen, wie Toussaint (10. August 1765). »Und wenn mir auch vom Könige selbst ein Ruf käme«, schreibt er den 16. Juli 1764, »so glaubte ich so eitel zu sein, mich aus übriger Liebe gegen Sachsen zu bedanken.« Er schätze die Luft mehr, als Essen und Trinken.

Ruf nach Berlin "

Inzwischen arbeiteten dort oben ohne sein Wissen Freunde in seinem Interesse. Im Jahre 1765 starb der königliche Bibliothekar, der Ge- heimrat Gaultier de la Croze, mit dessen Amt auch die Aufsicht über das Kabinett der Altertümer und Medaillen verbunden gewesen war. Die Bibliothek war in den letzten Jahren des kränklichen alten Herrn

II. [H. Degering, Eine Berufung an die Kgl. Bibliothek im Jahre 1765/66 nach Briefen und Akten der Preußischen Staatsbibliothek, in: Aus der Hand- schriften-Abteilung der Preußischen Staatsbibliothek, Berlin 1922, S. 1—54-]

RUF NACH BERLIN 347

in Unordnung geraten und auch vom Könige vernachlässigt vi^orden; so wurde, wie Wilken mitteilt, seit 1749 bei jedem Jahresschluß ein bedeutender Überschuß von dem Kurator zur Disposition des Königs und meist gegen dessen eigenhändige Quittung an den Hofstaatsrent- meister abgeliefert. Die Bibliothek stand noch immer (seit 1661) im Seitengebäude des Schlosses nach dem Lustgarten zu, in dem großen Saale über der Hofapotheke, denn der Platz, wo sie später stand, wurde erst 1774 gekauft, und der als des Königs alte Kommode be- kannte Bau von Boumann, nach einem Entwürfe Fischers von Erlach für das Eingangsgebäude der kaiserlichen Burg, 1780 vollendet.

Der König beabsichtigte nun, jene beiden Stellen zu trennen. Eine Kabinettsordre vom 24. Juli 1765 überträgt das Kustodenamt dem seit elf Jahren an der Bibliothek beschäftigten Hofrat Stosch, der es schon seit 1761 besorgt hatte; er befahl ferner am 25. Juli dem Staatsminister Dorville, »einen gelehrten und zur Aufsicht und Unterhaltung einer öffentlichen Bibliothek recht sehr kapabeln und in den Wissenschaften geübten Mann in Vorschlag zu bringen und allenfalls in Holland auf- zusuchen«. Noch vor dem Eingang des Berichtes (der im Februar 1766 erfolgte) kam eine Anfrage bei Winckelmann. Der bekannte Obrist Quintus Icilius (Winckelmanns Kommilitone aus Halle) war es, der ihm durch den Buchhändler Friedrich Nicolai schreiben ließ. Es hieß, der König habe ihm die erledigte Stelle des Aufsehers der Bibliothek und des Münz- und Altertümerkabinetts zugedacht. Diese Stelle, die nur fünfhundert Taler trug, wollte er mit einer außerordentlichen Pension Winckelmann annehmlicher machen; er könne, schrieb Nicolai, die beträchtlichsten Bedingungen machen, weil der König ihn hoch- schätze und längst zu tun gewünscht, was er jetzt tut. Er gibt ihm ferner zu verstehen, daß der König fünfzehnhundert Taler bis zwei- tausend zu geben entschlossen sei. Das hatte nun der König gewiß nidit gesagt; diese Andeutung war eine nicht recht begreifliche Leidit- fertigkeit jenes abenteuerlichen Obristen, der seinen wunderlichen Namen einer dem Könige abgewonnenen Wette verdankte.

Auch wenn man sidi erinnert, daß Anträge in Gestalt von Proble- men eine ganz andere Beurteilung erfahren, als wirkliche, so ist man doch überrascht, Winckelmann, der am 13. April geschrieben, es seien weder Anscheinungen noch Gründe, Rom gegen sein Vaterland zu

34^ RÖMISCHE ZEIT

verwechseln, als nun wirklich jener Brief am 29. August 1765 in Rom eintraf, so ohne jegliches Bedenken zugreifen zu sehen. Ob eine kleine Belästigung, die er kurz vorher vom heiligen Offiz erfahren, mit im Spiele war? Er bekennt (10. August 1765), damals zum erstenmal in Rom bei übler Laune gewesen zu sein; denn »bei seiner schweren Arbeit sei ihm auf Befehl des Papstes von der heiligen Inquisition nach vorhergegangener Vereidigung eine schwere und höchst ver- drießliche Arbeit, die in kurzer Zeit geendigt werden müsse, auf- getragen worden (ein Index); aber dem Befehle des Tribunals dürfe man nicht widersprechen«. Wie dem auch sei, er vergaß von Stund an nicht bloß die Franzosen der Akademie, das despotische Joch und die märkische Sandwüste, sondern auch die Ewige Stadt, seinen alten Kar- dinal und die eigenen Pläne. Schon am 31. August schrieb er zurück: »Ich habe den hohen Ruf überleget und nehme ihn an.« Der erhabenste und redlichste Freund, der ihm alles in allem war, der in seinem hohen Alter in seinen Armen zu sterben gewünscht hatte, kann zwar diese besorgliche Trennung nicht verschmerzen, er wünscht ihm ab- zuraten; allein die Ehre und Vorteile sind allzu überwiegend, als daß eine Einwendung stattfände: »er sieht der Liebe des Vaterlandes in mir nach«. Von dem italienischen Monumentenwerk hatte der Abdruck einer Platte schon begonnen, es sollte nun in Berlin ans Licht treten. Plötzlich entdeckte er in sich einen bisher schlummernden Patriotis- mus: »Ich empfinde jetzt zum erstenmale, wie mächtig die Liebe des Vaterlandes ist, in welches ich mit den größten Ehren zurückgerufen werde, . . . die mir vorher unbekannt war und sein konnte, da es mir außer dem Vaterland wohl ergangen ist, sonderlich in Rom« (an Nico- lai, 4. September 1765). Wieder wie einst bei dem Rufe nach Kassel erinnert er sich, daß sein innerer und natürlicher Beruf sei, ein Lehrer der Jugend zu sein, und dies wolle er nun werden mit Hintansetzung aller seiner Zeit und Bequemlidikeit, er wünscht nichts eifriger, als allgemein und einem jeden insbesondere nützlich sein zu können.

Was endlich die Bedingungen betrifft, so war es, als ob er die Be- rufung schon in der Tasche habe, und der ökonomische König ihm hätte sagen lassen: Fordere nur! Damit durch Hin- und Widerschreiben keine Zeit verlorengehe, nahm er gleich das in Aussicht gestellte Maximum zweitausend. Dazu die nötigen Reisekosten, und zwar soll-

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ten sie nicht bloß versprochen, sondern wirkHch Übermacht werden; femer Aufschub bis zum Frühjahr, Ankunft im Mai 1766, um nicht, verwöhnt durch zehn Jahre Aufenthalt unter einem gütigen sanften Himmel, in der strengsten Kälte reisen zu müssen. Er verlangt endlich die eigenhändige Unterschrift des Königs unter seine Bestallung, zum ungezweif elten Beweis für den Papst. Er sieht das Stoschische Kabinett schon unter seinem Schlüssel; die Aussicht auf das an Stoschs Seite zu genießende Vergnügen ist ohne Ende. »Was wird mit meinem Glück können verglichen werden!« Er wünscht Nachricht, wie er sich in der ersten Unterhaltung mit dem Könige zu verhalten habe; »denn auf die erste Figur, welche ich erscheinen lasse, wird sehr viel ankommen. Das Unglück ist, daß derselbe wird gezwungen sein, deutsch mir mir zu sprechen« (30. August 1765). Anfang Oktober rechnet er ungesäumt abzugehen. Ja er malt sich schon aus, Rom nach dem Druck des Werkes wenigstens auf einige Monate wiederzusehen.

Winckelmann hatte vom sächsischen Residenten Bianconi den Auf- trag erhalten, einen Diamantenschmuck für die Kurfürstin- Witwe mitzunehmen, der auf dem Monte di Pietä versetzt gewesen und für tausend Scudi eingelöst worden war.

Dieser Zustand dauerte sieben Wochen: fünfzig Tage lang sah sich Winckelmann an als Bibliothekar Friedrichs, als Nachfolger Lorenz Begers im alten Schloß an der Spree. Da kam am 18. Oktober 1765 ein Brief, der diesen Bau der Zukunft mit einem Schlage zertrümmerte. Der König, als der Vortrag aus Winckelmanns Brief geschehen, hatte sich an der Forderung von zweitausend Talern gestoßen und gesagt, »für einen Deutsdien sind tausend Taler genug«. Der König hatte übrigens damals an den Wunden des Krieges zu heilen, er wollte der Stadt Berlin die russisch-österreichische Brandschatzung, zwei Mil- lionen, bezahlen, er verwandte nach und nach vierzig Millionen auf die Herstellung seiner ausgesogenen, verödeten Lande.

Winckelmann fühlte sich um so tiefer verletzt, da ihm jene For- derung von Nicolai, als eine Sache, worüber sich der König bereit- erklärt habe, in den Mund gelegt worden war. Nach dem offenen Jubel hatte die Enttäuschung etwas tief Beschämendes: er empfand es als Zurücksetzung seiner Person, seines Berufes und seiner Nation. Gegen Nicolai: »Ehe man einen Mann quäl mi son io aufsprengt.

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hätte man seiner Sache sollen gewiß sein.« Gegen Quintus Icilius: »Er wird sich vielleicht schämen zu schreiben, weil er mich nicht genau kennen kann.« Gegen den König: »Er weiß nicht, daß man einem Menschen, welcher Rom gegen BerHn verläßt und sich nicht anzutragen nötig hat, wenigstens so viel geben müsse als jemandem, welcher von dem Eismeere, von Petersburg gerufen wird . . . Ich verlasse nicht das Eismeer, wie Euler, oder die Froschpfützen von Holland, wie Katt, sondern den schönsten Ort der Welt . . . Doch sollte er wissen, daß ich mehr als ein Algebraist Nutzen schaffen kann, und daß die Erfahrung nur von zehn Jahren in Rom weit kostbarer sei als eben soviel Jahre Ausrechnungen von Verhältnissen von parabolischen Linien, die man zu Tobolsk so gut als zu Smyrna machen kann . . . Ich kann mit eben- soviel Recht sagen, was ein Kastrate in einem ähnlichen Fall in Berlin sagte: Ehbene! faccia cantare il suo generale!« (19. Oktober 1765.) Er vermutete, der König verwechsele ihn mit einem ehemaligen Auditeur vom Prinz-Heinrichs-Regiment aus Spandau, Ewald, einem Dichter von Epigrammen, »einem irren Menschen«, der ihn »nackt und bloß« 1759 in Rom aufgesucht und viel geplagt, endlich gar verführt hatte, um ihm aus seiner Not zu helfen, »sich in das Bekehrungsgeschäft zu mengen«, es war sein erster und wie es scheint auch letzter Missions- versuch.

»Ich nahm den Ruf aus Liebe zum Vaterlande an.« »Der König hätte versichert sein können, einen eifrigen Patrioten an mir zu haben, dem der Unterricht der Jugend, mit Hintansetzung aller Bequemlichkeit, am Herzen gelegen hätte« (26. Oktober 1765). »Wenn des Königs Absicht wäre, einen Samen des wahren Geschmacks bei sich auszu- streuen oder einen zuverlässigen Richter über Sachen, die die Kunst betreffen, in der Nähe zu haben, so sollte man erwägen, daß ich einzig in dieser Art kann angesehen werden. Denn es werden sich nicht leicht, wie es bei mir geschehen, alle Umstände vereinigen, einen Deut- schen in Rom zu bilden, und dieses kann mit allen Schätzen der Welt nicht bewirkt werden. Der König müßte betrachten, wieviel es ge- kostet hätte, einen Menschen in dieser Absicht reisen zu lassen, welcher dennoch halbgebacken zurückgekommen sein würde. Hätte er mir wenigstens 1500 Taler geboten« (8. Februar 1766, an Stosch).

Darnach traten freilich Erwägungen hervor, welche die Über-

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raschung und der Rausch nicht hatte zum Wort kommen lassen. Wie hatte er vergessen können, daß seine Entwürfe nur in Rom auszu- führen waren, daß es eine Lebensbedingung seines täglichen Denkens und Forschens war, im Riesenbuch römischer Museen und Villen zu blättern, daß er zu spät dort oben gewahr geworden wäre, wie man nicht ungestraft unter Palmen wandele, ein Jahrzehnt römischer Frei- heit genossen habe! Kurz, daß er schon viel zu tief eingewurzelt war, um noch eine Verpflanzung vertragen zu können. »Daß ich einem blendenden Schein ausgewichen bin«, schreibt er Hagedorn (i.März 1766), »würde Sie weniger befremden, wenn Sie Rom wie ich ken- neten.« »Gott fülire mir allezeit die Freiheit zu Gemüte, die ich hier genieße!« »Ich hätte eine Torheit begangen.« Und er wußte nicht einmal, daß er simpler Bibliothekar, ohne Museum, geworden wäre, daß er zu der Beschäftigung zurückgemußt hätte, an die er so viele schmerzlich beklagte Jahre verloren, gegen die er sich in Rom so be- harrlich gesträubt hatte.

Zwar die Freunde, z. B. Stosch, gaben die Hoffnung noch nicht ver- loren; aber im Mai 1767 wurde die Stelle besetzt. »Es wird itzo bei euch bekannt sein«, heißt es in einem Brief an die Schweizer Freunde vom 12. Mai 1767, »daß der König der Preußen einen völlig unbekann- ten französischen Frate Benediktinerordens zum Oberbibliothecario in Berlin kommen läßt, zur Kränkung der Deutschen, wie sie es ver- dienen; unterdessen schmerzt es mich, dergleichen zu hören. Der König hat diesem Pfaffen die Erlaubnis sogar von hier aus auswirken müssen, und der Weihbischof von Breslau hat des französischen Königs eigen- händigen Brief hierüber an ihn geschrieben, an den Papst geschickt.«

Das Schönste ist, daß dieser neue Bibliothekar nur ein Mißverständ- nis war. Der König hatte mit Interesse die Lettres philosophiques sur les physionomies (1748) des Lyoner Domherrn Jacques Pernety ge- lesen und bei einem Finanzier dieses Namens sich nach selbigem er- kundigen lassen; dieser behauptete, es sei sein Bruder; sofort erhielt er den Auftrag, ihm die erledigte Stelle anzubieten. Dieser Bruder aber war der Benediktiner Anton Joseph, Verfasser eines Werkes über ägyptische und griechische Mythologie. Des Klosters satt, nahm er den Ruf an und erhielt seine tausend Taler Gehalt aus den Geldern der Akademie. Er fühlte sich selbst am unrediten Platze und wurde

352 RÖMISCHEZEIT

von Stosdi so lange gequält, bis er seinen Abschied nahm (1783) und nach Paris zurückkehrte (gest. 1801).

Das ist die Geschichte der Beziehungen Winckelmanns zu dem großen Könige. Es stand geschrieben, daß beide wenigstens einmal auf ihren Bahnen sich nahe kommen sollten. Der Schöpfer von Sans- souci wurde eines Tages auf den Gedanken gebracht, den Lehrer der Kunst in seine Hauptstadt zu ziehen, er ließ ihn fallen, weil jener sich zu hodi taxierte. Er berief an seiner Stelle infolge einer Personal- verwechslung einen unbrauchbaren französischen Möndi.

Der Kardinal Stopp ani

Man kann sich denken, daß Winckelmann den Antrag des Preußen- königs vor den neugierigen Römern nicht geheim hielt. Da er sofort annahm, so kann er zuerst nicht daran gedacht haben, ihn zur Auf- besserung seiner diesseitigen Verhältnisse zu benutzen, »dem Hofe etwas abzudringen«. Er sah, wie »fast ganz Rom teil an seinem Ent- schluß nahm«, wie man dort »mehr als irgend geschehen war, eine Achtung gegen ihn merken ließ, die er kaum erwartet hatte«. »Ich hoffe«, schrieb er den 26. Oktober 1765, »aus dieser mißlungenen Sache meinen Nutzen zu ziehen, da sogar diejenigen Personen, denen ich wenig glaubte bekannt zu sein, meine Abreise von hier zu hinter- treiben wünschen.« Er glaubt, daß u. a. seine genaue Kenntnis römi- schen Grund und Bodens hierzu beigetragen habe.

Daß S. Heiligkeit etwas für ihn tun werde, stand um so weniger zu erwarten, da sie den Kopf voll Sorgen und Kummer hatte für ihre Schmerzenskinder, die Jesuiten. Aber Albani besprach sich mit dem einflußreichen Stoppani, Kardinalbischof von Palestrina, und dieser erklärte sich bereit, Winckelmann noch eine Pension von 100 oder 120 Scudi aus seinen eigenen Mitteln zu zahlen.

»Man hat gesuchet«, schreibt er am 10. Oktober 1765 Riedesel, »mich hier zu behalten, und der würdigste unter allen Kardinälen, Stop- pani, hat mir durch den Kardinal Alexander eine ansehnliche Pension angetragen. Ich kannte denselben vorher wenig und habe zu Pale- strina . . . nach gedaditem Antrage Freundschaft mit demselben ge-

DER KARDINAL STOPPANI 353

macht. Wenn Sie Bekanntschaft mit einem Kardinale suchen, wird dieses der einzige für Sie sein; machen Sie sich alsdenn auf einige Stellen aus dem Horaz gefaßt, denn er kann ihn auswendig.« Bei dem Besuch in Palestrina entdeckte er in der Villa Barberini ein altes Kriegsschiff, das er aufs genaueste zeichnete (Monumenti 207).

Auch Clemens XIII. ließ ihm unter der Hand vorteilhafte Anträge tun; eben jene Anwartschaft auf die vatikanische Kustodenstelle nebst Pension, sowie auf des abgelebten Chevalier Vettori (der ihn aber überlebte) Stelle über die Altertümer in der Vaticana (die 1770 Ama- duzzi erhielt) und endlich das nächste Kanonikat am Pantheon, das nach Abzug einer Pension für den alten Herrn, der es abtreten würde, etwa 140 Scudi eintragen sollte und bloß zum Sonntag verpflichtete. Dies alles zusammen würde sein jetziges Gehalt (320) auf 560 Scudi gebracht haben. »Sollte eine Stelle bei der Vaticana völlig offen kom- men, hätte ich 200 mehr, folglich 760 Scudi« (anStosch, 12. April 1766).

Giovan Francesco Stoppani, der letzte in der Reihe der Winckel- mann-Kardinäle (seit 1753), geboren aus mailändischem Adel 1695, früher Nuntius bei Karl VI., hatte sich seit 1747 in der Presidenza von Urbino, dann als Legat hier und in Ravenna den Ruf eines ge- rechten und freigebigen Statthalters erworben. Urbino verdankte ihm die Gründung des Inschriftenmuseums (Museo lapidario). Der große Palast der alten Herzöge, seit dem Tode des letzten vom Stamme der della Rovere, Francesco Maria IL (163 1) leer gestanden, schien ihm der geeignete Raum, die in Stadt und Land zerstreuten und zusehends zugrunde gehenden Insdiriften zu bergen. Den Anstoß zu der Idee gab die Sammlung des berühmten Fabretti, die sich noch zu Urbino in den Händen seiner Erben, vier Damen, befand; diese machten dem Legaten eine förmliche Schenkung. Am 17. Juni 1755 hatte er die ganze Fabrettische Kollektion beisammen.

Der Urbinate Raffaelo Fabretti (geb. 1619, gest. als Präfekt des vatikanischen Archivs zu Rom 1700, begraben in der Minerva) hatte einst die Landschaft Latiums zu Pferde nach Inschriften durchzogen, Höhlen durchkrochen, Felsen erklettert, ja man erzählte, daß sein treuer Gaul gelernt hätte, wenn antike Steine sich zeigten, dem Reiter durch Stehenbleiben einen Wink zu geben. Er war zu seiner Zeit der erste Antiquar Roms, obwohl er in der Kunst (nach Windcelmann)

354 ROMISCHE ZEIT

wie die früheren alle bei aller Gelehrsamkeit wenig Einsicht zeigte.

Es war im Jahr 1754, als Stoppani dem Giovanni Battista Passeri zuPesaro seinen Plan mitteilte, die geschriebenen Steine aus der ganzen Legation zu sammeln und in dem Bergnest (metropoli de' sassi) durch ihn würdig aufstellen zu lassen. Beide schrieben nun an Bekannte und Freunde in und außerhalb der Provinz; die Urbinaten gaben alles her, was sie hatten; in namenlosen Örtchen fand man Basen von Kaiser- statuen, Aren, die einst dem spurlos verschwundenen Pitinum und Urbinum Metaurense angehört hatten. Vier Basen, die der Erzbischof zu Pilastern der Domkathedrale verwenden wollte, erwarb der Legat für 25 Scudi.

Die Aufstellung dieser kostbaren Zeugnisse der Vorzeit (deren Zahl sich bald auf 640 belief) geschah an den Wänden der Galerie des Cortile, die durch Pilaster in 22 große Specchi geteilt wurden. In der ersten Galerie befanden sich die 88 Reliefs aller militärisch-mathe- matischen Maschinen, die einst Valturio für Herzog Federigo gearbeitet; Stoppani ließ 17 hinzufügen. Man unterschied Votivinschriften, kaiser- liche und konsularische, militärische, bauliche, Amts-, Ehren- und Grabinschriften; dazu kamen die christlichen Inschriften und sym- bolischen Reliefs des fünften und sechsten Jahrhunderts. Auf dreißig Marmortischen standen Urnen und Votivaren, Basen zwischen Säulen, Torsen in Nischen; im Hof ragte der Koloß des Jupiter aus San Lorenzo in Campo (Suasa).

Wie überrascht ist man, zwischen diesen abgelegenen Bergen, in die nur der Kultus Raffaels hinauflockt, hinter den massigen Türmen mit den weiten luftigen Loggien dazwischen, jene Arkadenpracht des Cortile sich öffnen zu sehen, des Werkes des Luciano da Lovrana aus der besten Zeit der Renaissance, und darin ein solches gelehrtes Mu- seum, das ganz das Werk von Provinzialkräften war.

Winckelmann setzte große Hoffnungen auf diesen neuen Gönner; die Verbindung trug sehr dazu bei, ihn von dem Gedanken an eine »Änderung« abzubringen. Schon damals hieß es in Rom, daß der Kar- dinal aller Wünsche zum künftigen Besitz des Heiligen Stuhles habe. Auch der kaiserliche Agent schreibt an Kaunitz, er habe die Herzen von ganz Rom. Stoppani galt für geschickt zu regieren, er kannte die Höfe und ihre Interessen, er sprach gut, in Konversationen pflegten

DER KARDINAL STOPPANI 355

sich die Ersten um ihn zu sammeln. »Außerdem sehen wir«, schreibt Winckelmann am 6. Februar 1768, die Wendung der Dinge prophe- zeiend, die sich dann an den Namen Ganganelli knüpfte, »dem Tode des Papstes entgegen, welcher eine erstaunende Veränderung in dem ganzen Systema der Verhältnisse der Staaten gegen den römischen Hof und sonderlich in der Religion, so wie die Sachen itzo stehen, hervorbringen muß; und da alle Wünsche auf den würdigsten Kar- dinal Stoppani, meinen Wohltäter gehen, so kann ich mich itzo nicht ohne Nachteil entfernen.« Er sollte dann die Kosten zu einer Unter- nehmung auf Elis hergeben, diesem Lieblingsprojekt der letzten Jahre Winckelmanns, fü*r das er auch den Herzog von La Rodiefoucauld gewonnen hatte. Er war überzeugt, daß diese Expedition an einen Ort, wohin noch kein Gelehrter oder Kunstverständiger gedrungen war, unsere Kenntnisse in der griechischen Kunst wie in der Gelehr- samkeit und Geschichte dieser Nation erweitern werde. Die Reise müßte unternommen werden mit einer Vollmacht der Pforte, wie sie Fourmont hatte, an allen Orten graben zu lassen. Fourmont habe in den Trümmern von Amyklae, die er von fünfzig Leuten aufgraben ließ, seltene, ja die ältesten bekannten griechischen Inschriften ent- deckt. Was sei aber in Absicht der Werke der Kunst das ganze Lace- dämonische gegen die einzige Stadt Pisa in Elis, wo die olympischen Spiele gefeiert wurden. Hier waren Statuen aller Helden und be- rühmten Personen der Griechen aufgestellt. »Ich bin versichert, daß hier die Ausbeute über alle Vorstellung ergiebig sein, und daß durch genaue Untersuchung dieses Bodens der Kunst ein großes Licht auf- gehen würde ^^.«

Winckelmann hinterließ seinen Plan als Vermächtnis der Zukunft; erst nach hundert Jahren ist er verwirklicht worden, aber nicht mit dem Gelde der Fremden. Eine Fügung des Geschicks wollte, daß un- verhoflterweise seinem Vaterland, dem unter Kaiser Wilhelm wieder geeinigten Deutschen Reiche, die Ausführung dieses Testaments zufiel, als schönste humane Bekrönung der eben errungenen politisch-militä- rischen Erfolge.

Wirklich fehlten Stoppani im Konklave von 1769 nur wenige Stim-

12. [Werke (Eiselein) V, 263; vgl. IV, 42 f. J. Gerstenberg, Die Wieder- gewinnung Olympias als Stätte und Idee, Baden-Baden 1949, S. 19—28.]

35^ RÖMISCHE ZEIT

men an der vorgeschriebenen Zahl. Aber die antijesuitische Strömung ging damals so hoch, daß ihm sein früherer Beitritt zum Breve gegen Parma (1768) den Verdacht der Begünstigung dieses Ordens und die französische Exklusive brachte. Seitdem lebte er zurückgezogen und starb am 18. November 1774, der letzte seines Stammes.

La Rochefoucauld und der Graf von Star gar dt

Der vom Alten Fritz keine zweitausend Taler wert geachtete Ge- lehrte hatte wenig Zeit, seiner Verstimmung nachzuhängen. Statt daß er nach dem fernen deutschen Hof hinaufreiste, kamen, wenn auch nicht der König, doch eine ganze Reihe kleinerer Fürsten zu ihm nach Rom und begehrten seine Dienste. Und so bekam er doch, wenn auch in freier Weise, einen Geschmack von Hofwesen und Herrendienst. Mit den Studien war es freilich vorderhand aus: es kostete Mühe, die schon in Bewegung gesetzten Arbeiten nur keinen Stillstand erleiden zu lassen. Doch war es nicht Eitelkeit und Gewinn allein, was ihn be- wog, sich der zeitraubenden Rolle des Antiquario nobile zu bequemen, ja für ein Jahr fast ganz in ihr aufzugehen. Sein Genius schickte ihm Exemplare, zu denen man auch als Menschen Beziehungen haben konnte. Für Welt-, Zeit- und Menschenkenntnis war dieses unruhige Jahr vom Oktober 1765 bis zum Oktober 1766 immerhin nicht ohne Gewinn.

Es war noch keine Woche vergangen seit dem Brief von Berlin, da erschien, am 26. Oktober, Monseigneur Melon im Palast Albani, um Winckelmann einen Schwärm von reisenden Franzosen zuzuführen. Es war der junge Louis Alexandre, Herzog von La Rochefoucauld- Guyon (1743— 1793), ein Neife des Kardinals Frederic Jerome, mit Begleitung: ein Sekretär Morellet, der Mineralog Desmarest, Aufseher der königlichen Manufakturen, Verfasser der Conjectures sur les tremblements de terre, mit dem Winckelmann noch später, 1766 und 1767, über antike Steinarten korrespondierte; endlich ein junger Lyoner Maler. Zum Glück waren sie »ihrer Nation, wie er sie kannte, nicht völlig ähnlich«. Er suchte den jungen Duc in seiner Wohnung bei Trinitä de' Monti auf und fand in dem ihm sehr warm empfoh-

LA ROCHEFOUCAULD UND DER GRAF VON STARGARDT 357

lenen den »süßesten, gesittetsten und gelehrtesten jungen Mann, den er je kennen gelernt« (15. November 1765). Sogleich äußert sich sein angeborener seltener Schulmeistertrieb, er findet, daß er nie vergnüg- ter ist, als wenn er unter den Reisenden würdige Menschen nadi seinem Sinn findet; er beschheßt nun, soviel es immer die Zeit zuläßt, aus demselben einen Antiquar zu machen, der wenigstens mehr lernen solle als Watelet, das Orakel des Herrn von Hagedorn und anderer Deutsdien. »Franzosen von diesem Schlage ziehe ich allen Engländern vor.« Wirklich dauerte diese Verbindung über des jungen Mannes Römerfahrt hinaus. Er brachte ihm von Neapel Zeichnungen neu- gefundener Bilder (der lo) mit; dagegen die ihm ans Herz gelegte Expedition nach Velia (von Pästum aus) betreffend, bewies er seinem Lehrer, daß die Neugier die Kosten nicht trage, da nur noch Stadt- mauern übrig seien, und aus Mangel gebahnter Wege die fünftägige Reise zu Schiff gemacht werden müsse. Dagegen ließ er ihm im Februar 1766 hundert Scudi zur Unterstützung der Monumenti zurück, be- förderte deren Vertrieb in Frankreich und erbot sich (1767), wenn Winckelmann nach Paris kommen wolle, eine Gesellschaft für die griechische Reise zusammenzubringen, von der jener die Hauptperson sein solle, und zwar auf Kosten des Hofes.

La Rochefoucauld wurde 1782 Mitglied der Akademie der Wissen- schaften; bei der Versammlung der Notabein und der Generalstaaten war er als Vertreter der Stadt Paris einer der ersten, die sich dem dritten Stande anschlössen. Er brachte am 27. Juni 1789 die Frage der Freiheit der Neger auf die Tagesordnung, stimmte für Abschaffung der Orden, aber für Beibehaltung des Katholizismus als Staatsreligion. Später mit der Umsturzpartei zerfallen, wurde er auf dem Wege nach den Wassern von Forges vor den Augen seiner Mutter und Frau er- mordet, der die Elenden vorher zwanzigtausend Frcs. für sein Leben abgepreßt hatten.

Als Winckelmann am 14. November dieser Gesellschaft die Villa zu Castello zeigte, kam eine andere, tags zuvor eingetroffene Karawane dazu, die sich um einen Graf en Stargardt, kaiserlichen Offizier, scharte. Unter diesem Namen war der Prinz Georg August von Mecklenburg- Strelitz (1748— 1785) verborgen, der jüngste Bruder des regierenden Herzogs Adolf Friedrich und der Königin Sophie Charlotte von Eng-

35^ RÖMISCHE ZEIT

land. Ihn hatte, wie alle seine Geschwister, Winckelmanns Jugend- freund, der Propst Genzmer in Stargardt, erzogen. Graf Moltke, dem er einen Brief und ein Geschenk seiner Schwester aus England nach Paris überbrachte, hatte ihm jenen Glasgower Homer mitgegeben. Besonders hoch nahm es Winckelmann auf, daß der »liebenswürdige« siebzehnjährige Prinz ihn gleidi nach seiner Ankunft und gar in der Villa aufgesucht habe, und daß er Rom ein ganzes Jahr genießen wollte. Dies »allerliebste Kind« hatte (nach einem im Besitz des Herrn Spalding in Neustrelitz befindlichen Miniaturbild) eine schlanke, schmächtige Figur, ein sanftes blaues Auge, ein feines, nicht gerade gefälliges Gesicht.

Der Kardinal entließ ihn seiner Arbeit in der Vaticana, der Prinz schloß sich an ihn wie ein Sohn; er selbst kam nun allmorgendlich nach der Via della Croce in das Haus des Bankiers Barazzi, um den Prinzen zum Giro abzuholen. »Ich sehe«, schreibt er am 5. November 1765, »diesen durchlauchtigen Zögling an als ein Pfand, das mir von denen, die mir ihn empfohlen, und von allen, die an demselben teil- nehmen, anvertraut ist, und er ist mir Freund, Sohn, Schüler und Spießgeselle. Idi kehre mit demselben zu meiner verflossenen Jugend zurück, und der Unterricht geschieht in Lachen und Scherzen.« Der Königin von England wurden nun Winckelmanns Schriften von Dres- den aus übersandt. »Es ist eine Dame von erhabenen Eigenschaften, die beständig liest und eine wahre Patriotin ist« (an Walther, i. März 1766). Kästner machte für ihr Bild die Verse:

Der Tugend Bild, das Menschen froh beglüdct, Das ist das Bild, das hier entzückt.

Stolz fühlt Germanien bei ihr:

Der Brite hat sie doch von mir.

Gleich in den ersten Tagen, Ende November 1765, bei einer Fahrt vor Porta Salaria, hatte der Prinz das seltene Vergnügen, mit Winckel- mann einen tags vorher gemachten Fund noch auf der alten Stelle zu sehen. Es war im Weinberg Verospi, in den sallustischen Gärten, »wo man jedesmal, wenn gegraben wurde, Altertümer gefunden hatte«. Auf ovalen Sockeln sah man zwei junge Mädchen in halber Lebens-

LA ROCHEFOUCAULD UND DER GRAF VON STARGARDT 359

große, leider ohne Köpfe, in einem sehr dünnen leichten Gewand, halb liegend, die eine Hand auf den Boden stützend, die andere vor- wärts gestreckt, wie wenn sie Würfel ausgeworfen hätten. Der Mar- mor war der feinste parische, die Figuren von hoher, ausnehmender Schönheit, vielleicht Werke der besten Zeit. Da von den Würfeln keine Spur zu sehen war, wohl aber ein Bogen, so verfiel Winckel- manns Phantasie auf die Idee zweier Amazonenkinder, die anfangen, sich mit dem Bogen zu üben und jetzt nach der Übung ausruhen und spielen. Später freilich erinnerte er sich, daß sie den Knöchelspiele- rinnen des Kardinals Polignac (jetzt in Berlin) in Größe, Lage und Kleidung vollkommen ähnlich sähen; auch zwei Kinder fielen ihm ein, die vor drei Jahren Lord Hope erstanden hatte, wo das verspielende betrübt neben dem gewinnenden stand, das voller Fröhlichkeit da- saß; er hatte Amor und Ganymed darin vermutet (Apollon. Argon. 3, 117). Daneben kam ein großer Leuchter zum Vorschein, auf der drei- eckigen Basis waren Zeus und der junge Herkules in Relief; diesen Marmorkandelaber kaufte der Prälat Zelada, ein aufsteigendes Ge- stirn unter den römischen Sammlern. Die Mädchen sowie die Gruppe Amor und Psyche (S. 39) erwarb der damals in Rom weilende General von Walmoden aus Hannover, der Sohn der bekannten Gräfin von Yarmouth. Er hatte schon viel Geld in alte Denkmäler gestreut, die ihmAbbacini undCavaceppi ergänzten. Winckelmann meint, er werde der erste sein, der dergleichen in seinem Lande sehen lasse. Unter den vielen geschnittenen Steinen, die er zusammengesucht, war auch der schöne Kameo mit dem Kopf des Caligula. Walmoden rühmte Winckel- manns Gefälligkeit gegen lernbegierige Freunde der Künste des Alter- tums ^3.

Acht Monate währte der Besuch des Prinzen, während deren Winckel- mann täglich mit ihm ging und eine lange Zeit, wo er denn doch endlich merkte, »daß es nicht angewandt sei«. Und als der Prinz von seinem Abstecher nach Florenz zurückkam, wollte er nicht mehr mit ihm gehen und erschien höchstens noch zur Tafel. Dieser Prinz starb früh, als österreichischer Feldmarschall, unvermählt, seine Leiche

13. [Zwei Briefe Windcelmanns an Walmoden aus dem Jahr 1767 ver- öffentlichte R. Doebner, Neue Jahrbücher für das klassische Altertum 1899, 377-381; s. III, 231, 336.]

360 RÖMISCHE ZEIT

wurde erst vor einigen Jahren aus Ungarn nach dem Erbbegräbnis zu Mirow gebracht (nach Mitteilungen von Hermann Kindt in Neu- strelitz) ^4.

Der Fürst voji Dessau

Keine unter den Begegnungen der letzten Jahre hat Winckelmann inniger beglückt, freudiger aufgeregt, als die am Schluß des Jahres 1765 mit dem Fürsten von Dessau. Er war der einzige regierende Fürst, dem er nahetreten sollte. Schon ein Halbjahr hatte er ihn mit Spannung erwartet: »ich kann demselben, da er aus einer unvergleichlichen Schule kommt, Geschmack und Lust zutrauen.« »Indem ich dieses schreibe (an Heyne, 28. Dezember), kommt der würdige regierende Fürst von Anhalt Dessau, der gestern hier angelangt ist, in mein Zimmer.« »Es war des Abends ziemlich spät, er kam, von einer einzigen Person be- gleitet, zu Fuß zu mir, um unerkannt zu sein, allein mit einem Stabe in der Hand, und wartete in des Kardinals Vorkammer, bis ich mich von diesem losgemacht hatte. Ich bin von Dessau, sagte er, und habe Ihres Beistandes nötig, lieber Winckelmann. Hundertmal küßte ich ihm die Hände auf diese Worte, denn ich erkannte ihn aus dem Bilde seines Vaters« (Januar 1766).

Es war ein fünfundzwanzig) ähriger Mann von hoher, kräftiger Gestalt, »scharfbezeichnenden Zügen, voll natürlicher durch eigen- tümliche Güte gemilderter Lebhaftigkeit«. Der Vater, dessen sidi Winckelmann so gut erinnerte, war ein Sohn des alten Dessauers, Leopold Maximilian, einer von fünf Brüdern, die sämtlich preußische Generale waren. Er eroberte Glogau, focht bei Mollwitz, überrumpelte Breslau und wurde auf der Wahlstatt von Czaslau Feldmarschall. Er war früher ein niditrauchender Genosse des TabakscoUegii gewesen,

14. In der großherzoglidien Bibliothek in Neustrelitz befindet sich noch das dem Prinzen gesdienkte Exemplar der »Description« [Verbleib unbe- kannt], mit des Verfassers Beischrift aus Hesiods Werken und Tagen. (V. 36if.)

E^ Y^P '^'^'^ "^^^ cj[xixpöv km. OfAixpü) xaxaOeio

Kai Oafxa tout' epBoi?, zo-ja xev ji^y^ ^°^'^ '^^ y^voito.

DER FÜRST VON DESSAU 361

WO er keine Pfeife zum Schein in den Mund nehmen wollte, und wenn der König für den Tabak disputierte, so verfocht er die Prädestination gegen den alten Herrn.

Der Sohn Leopold Friedrich Franz (1740— 1 817) hatte einen Teil des Siebenjährigen Krieges als Freiwilliger an der Seite des Onkels Moritz mitgemacht, aber nach der Schlacht bei Kolin wegen Krank- heit, oder weil er an Friedrichs Glück verzweifelte, den Dienst verlassen und nadi der Volljährigkeitserklärung durch den Kaiser mit zwanzig Jahren die Regierung übernommen. Dieser Entschluß kam ihn und seinen Untertanen teuer zu stehen; das kleine Land wurde wie Fein- desland behandelt und hatte bis zu einer Million Kriegssteuern zu zahlen. Der Fürst bezahlte sie selbst, wobei er seine ererbten Juwelen samt dem Silberzeug verkaufte. Dann aber beschloß er ein Friedens- fürst zu werden, und da die ihm vom Oheim Dietrich gegebene Er- ziehung — eben eine fürstliche Erziehung nach damaliger Schablone war, so unternahm er es, sich selbst für seinen Beruf zu erziehen. Er gehörte zu den Fürsten, die die Heilung der Wunden des Krieges, die Hebung der Volksbildung und Milderung der rohen Sitten durch Künste und Wissenschaften als ihre Mission betrachteten. »Das Schöne mit dem Nützlichen« war sein Wahlspruch. Als Lehrer seines Lebens verehrte er Rousseau, Geliert und Lavater. Im Park zu Wörlitz befand sich eine Pappelinsel, dem Genfer Bürger geweiht, »der den Witzling zum gesunden Verstand, den Wollüstling zum wahren Genuß, die irrende Kunst zur Einfalt der Natur, Zweifler zum Trost der Offen- barung mit männlicher Beredsamkeit zurückwies«. Unter Gellerts Büste stand: »Heil dir, du hast mein Leben, die Seele mir gerettet du.«

Zu diesem Plan fürstlicher Selbsterziehung gehörte auch die große Reise, die er unter dem Namen eines Grafen von Sandersleben machte. Begleiter war sein jüngerer Bruder, Hans Jürgen, der Oberhofmeister von Behrenhorst, ein natürlicher Sohn des alten Dessauers, und der junge sächsische Baron Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorf (1736 bis 1800), sein »einziger Vertrauter, Ratgeber und Herzensfreund« ^^

15. [Lebendige Einblicke in den Verkehr der fürstlichen Reisegesellsdiaft mit Winckelmann gewähren die Tagebücher Behrenhorsts (E. von Bülow, Aus dem Nachlaß von G. H. von Behrenhorst, Dessau 1845 f.; U, 23—118) und die Aufzeichnungen und Briefe Erdmannsdorfs, auszugsweise veröffent-

362 RÖMISCHE ZEIT

Da die Reise der Absicht dienen sollte, den Wohlstand des Landes durch bessere Kultur zu heben, so wandte man sich zuvörderst nach England, das vom volkswirtschaftlichen und gewerblichen Gesichts- punkte studiert wurde. Öfter nannte er es sein zweites Vaterland. Er schöpfte dort die Vorliebe für Gartenkunst und Gotik, die er später in mancher kleinen Kirche seines Landes anbrachte, während auf Erdmannsdorf die eben erschienenen, vielbesprochenen Prachtwerke über Palmyra und Athen einen solchen Eindruck machten, daß er seine bisherige behagliche Indolenz abschüttelte und die alte Baukunst zum Studium seines Lebens erkor, das sich fortan zwischen Bereisung der vorhandenen Reste und einer Übersetzung des Vitruv teilen sollte. Von dieser brachte er nur drei Bücher fertig, sein Freund A. Rode übernahm die Vollendung.

Die zweite Reise ging nach Italien. Erdmannsdorf kannte es schon seit 1761, wenigstens bis Florenz. Er hatte Winckelmann einen schönen Dante mit nach Rom nehmen sollen, den ihm L. Usteri in Venedig übergeben; sich aber »in Florenz dermaßen in Schulden gesetzt, daß er ausweichen mußte«; der Kammerherr von Werthern rettete das Buch unter den zurückgebliebenen Sachen.

Der Herzog war der erste, der Rom ganz nach Winckelmanns Herzen sah, ein Phönix der Prinzen, das Muster der Prinzen und Menschen. Schon weil er die Ewige Stadt acht Monate wert achtete. »Er reiset nach Art der alten Weisen.« »Dem ärmsten Maler, welcher nach Rom kommt, kann derselbe ein Beispiel sein, jeden Augenblick zu nützen. Er ging in die geringsten mythologischen Kleinigkeiten hinein und erhob sich bis zum Erhabenen der Kunst ... Er hat hier keinen Augenblick verloren zugebracht, so und nicht anders als wenn er den strengsten Aufseher über sich gehabt hätte.« Er und Erdmannsdorf schienen von den Ergebnissen ihrer Studien einst ihr Brot verdienen zu wollen. Ein solches Beispiel riß die Begleitung mit fort Hans Jürgen, »ein Bild der echten deutschen Redlichkeit und des alten Schlages, ehe wir Bastarde und Affen wurden«, tat dasselbe; als dieser

licht in den Mitteilungen des Vereins für Anhaltische Gesdiidhite 1880, 2, 17—49, 117— 161; Neudruck, mit andern Dokumenten, in: Winckelmann, Ausgewählte Schriften und Briefe, hsg. von W. Rehm, Wiesbaden 1948, S. 349—365; s. auch Briefe III, 480 f.]

DER FÜRST VON DESSAU 363

Später nach Paris ging, mußte er auf Winckelmanns Erinnerung feier- lich versprechen, »nicht auszuarten«.

Der Fürst sdiloß sich ihm ganz auf, teilte ihm alle seine Gedanken, audi die Wünsche, Pläne und Entwürfe zur Versdiönerung seines Landes mit, und er, Freudentränen vergießend und sich Glück wün- schend, einem solchen Fürsten nahegekommen zu sein, gab sich ihm ganz und mit der unbefangensten Offenheit hin. »Wir wurden«, er- zählte der Fürst, »so heiter und gesprächig, als wenn wir schon lange miteinander umgegangen wären.« Sie blieben bis nach Mitternacht beisammen; sie wurden eins und schlössen einen Freundschaftsbund.

Der Fürst war verlobt mit der Markgräfin Louise Henriette Wil- helmine von Brandenburg-Schwedt, der Tochter seinerTante Leopoldine Marie, und da diese bei Friedrich in Gunst stand, so hoffte man von nun an versöhnlichere Gesinnungen. »Die ihm verlobte Schönheit«, schreibt Winckelmann im Jahr 1766, »welche ich aus ihrem Bilde kenne, kann sich versichert halten, einen Gemahl an ihm zu haben, so wie ich ihn als Freund und Menschen kenne. Ich habe vor Freuden geweinet, einen so edlen Zweig aus einem wilden Stamm und einen Fürsten und patriotischen Deutschen zur Ehre unseres Volkes zu kennen . . . Ein Prinz, der ein Kaiser sein sollte, so wie er ein Menschen- freund ist . . . Er ist von Natur geschaffen, ein würdiger Bürger und Freund zu sein, und diesen Endzweck der Natur erfüllt er und erhöht ihn durch seine Geburt, durch seine Gestalt und durch seine ein- nehmende Herunterlassung. Er ist nicht imstande, lasterhaft zu sein , . . Kein edler Herz kann in einem sterblichen Leibe wohnen, die Gottheit selbst würde in seiner Gestalt und Seele eingekleidet nichts verlieren; ja man könnte sagen: von Gott selbst gezeugt, aus Gott geboren, gott- ähnlich, denn alle menschlichen Tugenden sind im höchsten Grade in dessen edler Seele vereinigt.«

Mit Ankäufen ging es diesmal sparsam; er ließ sich malen; aber als strenger Wirt besorgt er, sein eigenes Vergnügen gereiche zum Nach- teil seines Landes. Die den Lustsitz zu Wörlitz zierenden Statuen und Gemälde, Erinnerungen an Rom und Pompeji, Kaiserbüsten und Kopien von Cavaceppi, brachte Erdmannsdorf von einer späteren Romfahrt (1770) mit. Eine schöne Vase, eine Statuette des trunkenen Herkules, die Albani schenkte, das war alles. »Er sagt: In England

364 RÖMISCHE ZEIT

kann man ein ordentlicher Mensch werden, in Frankreich geht man unter, in ItaHen sind es Natur und Kunst, das Altertum in seinen herr- lichen Gebilden und die Ruinen einer untergegangenen Welt, was den Geist erhebt und nährt, wenn auch das Herz leidet.«

Zu diesem Kreise gesellte sich ein Engländer, der für uns inter- essanter ist, als die sämtliche besternte Gesellschaft, ein Schriftsteller, dessen Romane ihm mehr als irgendeinem Anspruch auf den damals vielbegehrten Namen des Originalgenies gaben. Der eine war schon in die Welt ausgegangen und man pflegte ihn mit Fragen darüber zu quälen, er versicherte dem Fürsten, daß er ihn selbst nicht verstände. Zu dem andern lieferte die Reise, auf der wir ihn hier treffen, die Eingebungen: es ist Yorick. Als er den Tristram Shandy vollendet, war er durch Blutspeien dem Tode nahegekommen, die Ärzte schickten ihn nach Neapel. »Ich habe«, schrieb er den 20. Dezember 1763, »mein Tintenfaß geleert und richte mein Antlitz nicht nadi Jerusalem, sondern nach den Alpen. Ich sehe wohl, ich muß noch einmal vor dem Tode ausreißen, solange ich die Kraft habe; ich werde nach Neapel gehen und sehen, ob die dasige Luft meine arme baufällige Hütte wieder instand setzt.« Der Herzog hatte Sterne schon in England kennengelernt, er kam mit ihm nach Rom; aus Florenz schrieb er den 18. Dezember: »In fünf Tagen werde ich den Vatikan betreten und allen Heiligen im Pantheon vorgestellt werden.« Neapel tat ihm so wohl, daß er bald neuen Lebensstoff in sich fand und hoffte, zehn Jahre seinem Leben zugelegt zu haben. Bei den Kirchenfesten brachte er die Gesellschaft durch seine Einfälle oft in nicht geringe Verlegenheit.

Am Neujahrstage kam die englische Kolonie in Bewegung durch einen Todesfall, bei dessen Kunde man sich wunderte, daß er erst jetzt eingetreten sei. Der König von England, Jakob III., geboren im großen Jahre 1688, war gestorben. Bei der Totenfeier in Gesü las man über der Tür die Worte: Religionis ergo I ab avitis regnis exulare coactus I exul ipsa Religio | parentat. Eine Kongregation von Kardinälen be- schloß, seinen Erstgeborenen, den Prinzen Karl Eduard, nicht anzu- erkennen. Nur zwei Kardinäle, Orsini und Guglielmi, außer den Gesandten von Frankreich und Malta besuchten den »Baron Douglas«, nur Guglielmi nannte ihn Maestä. Die Römer aber waren empört, daß ein Papst diesem Hause, dem tragischen Opfer der Religion, den letzten

DER FÜRST VON DESSAU 365

Stoß gebe; sie riefen der Karosse des großen Grafen Douglas nach: Evviva il Re d'Inghilterra ! Vostra Maestä stia sicura die Dio puö piü del diavolo. Als der Prätendent pro rege Carolo III. Messe lesen ließ, verbannte der Papst alle Direktoren der Kirdie. Die Jesuiten rieten hierzu, weil ihre englischen Missionen damals guten Fortgang hatten.

Um jene Zeit war unser Freund, wie er selbst in Briefen an Walther und Franke aus dem Januar 1766 sagt, der geplagteste Mensch in Rom . . . »Der Prinz von Mecklenburg will ohne mich nicht aus dem Hause gehen; ich muß zwei Stunden essen, da ich mit einer Viertel- stunde fertig werden könnte . . . Alle (jener, Dessau und der Herzog La Rochefoucauld) wünschen, daß ich um jeden den ganzen Tag wäre. Mein Herr will seinen Anteil an mich auch nicht fahren lassen, und alle Fremde (denen man wenigstens einige Gefälligkeit erzeigen muß) kommen mit Briefen an mich, und auf soviel andere muß ichdes Wohl- standes wegen antworten. Ich behalte sehr wenig Zeit für meine eigene Arbeit übrig, welche gleichwohl alle meine Zeit erfordert. « Er machte damals auch die Bekanntschaft des toskanischen Gesandten Baron von S. Odile, bei dem er zuweilen aß.

Und doch, als diese achtmonatige Gewohnheit abgebrochen wer- den sollte, wäre er am liebsten mit seinem Fürsten fortgezogen. »Hätte mich der leidige Feind nicht geritten, ein italienischer Autor zu wer- den, ich wäre gewiß mit demselben aus Rom gegangen« (4. Oktober 1766). Und da ein Besuch in allernächster Zeit in Aussicht genommen wurde, so fürchtete er, seine Knochen zwischen Berlin und Dessau zu lassen.

Der Fürst schrieb an ihn wie an einen Freund, von seinem Glück als Bräutigam, als Gatte. So am 8. August 1767 zwei Wochen nach der Hochzeit: »Ich schließe diesen Brief in Gegenwart meiner Prinzessin. Sie ist schöner als alle alten Köpfe, und in ihrem Charakter, der stets das vorzüglichste ist, übersteigt sie das höchste Ideal. Ich kann mich hierbei des Ausdruckes bedienen, den Sie über die Kunst beim Apollo angebracht haben: wenn man was zu gut beschreibt, fürchtet man gemeiniglich, es dem zu zeigen, der es beurteilen soll; ich freue mich aber um so mehr, Sie einstens hier zu sehen, damit Sie an dem Glück, das ich mit meiner Prinzessin genieße, Anteil nehmen können.« Diese Ehe galt gleichwohl nicht für glücklich, weil bei aller Verehrung

366 RÖMISCHE ZEIT

und zuvorkommenden Erfüllung der Wünsche »die Charaktere nicht zusammenpaßten«. Die Wahrheit ist, daß sie nicht seine erste Liebe war. Er hatte vorher ein Verhältnis gehabt mit einem schönen, lieb- reichen, sanften, anspruchslosen bürgerlichen Mädchen. Er wollte die Regierung seinem Bruder abtreten und nach England gehen. Fried- rich (den er mehr gefürchtet zu haben gestand als Napoleon) vi^ar dazwischengetreten.

Sein Begleiter Erdmannsdorf hatte die römischen Monate benutzt, sich von Clerisseau in die antike Baukunst einführen zu lassen. Wör- litz wurde nach seinem Plane gebaut (1769); der Fürst wäre imstande gewesen, ein gotisches Schloß aufzuführen. »Er trat«, sagt A. Rode, »mit allen Künsten in Bund, diesen sumpfigen, unansehnlichen Ort, welcher bis dahin nur ein düsteres Jagdschloß hatte, zu einem Auf- enthalte umzuschaff en, der über Deutschland hinaus mit Bewunderung genannt wurde.« Karl August und Goethe kamen oft hierher zu Hof- festen und Jagden. »Er ist eine der schönsten Seelen, die ich kenne«, schrieb dieser, »so rein und lauter, man wird besser bei ihm.« An Goethe fand der Herzog auszusetzen, daß er Kunst und Natur über die Menschheit setze, nur die sinnliche Seite am Menschen hervor- hebe und um die sittlich-religiöse Bildung des Volkes sich gar nicht kümmere.

Als er den Tod Winckelmanns erfuhr, sagte er zu der Herzogin: »Louise, ich habe einen einzigen Freund verloren, und du einen An- beter, der nicht zu ersetzen ist«; und Erdmannsdorf die Hand reichend: ))'wir wissen, was wir an ihm hatten«. Von niemandem sprach er lieber, und wie ein dankbarer Schüler, »mit einer Art frommer Begeisterung«.

Der Fürst Franz regierte neunundfünfzig Jahre lang. Er war so glücklich, sein Land im Ruf der Aufklärung und des Wohlstandes vielen anderen voran zu sehen. Aber er überlebte alle seine Brüder und Kinder, und es war ihm beschieden, am Abend seines Lebens eine viel furchtbarere Heimsuchung seines Ländchens durch die Kriegs- geißel zu erleben, als die, deren Anblick ihm einst seinen Lebensplan eingegeben hatte. Wievielmal ist das anhaltische Bataillon aufgerieben worden ! Noch einmal verkaufte er sein Silbergeschirr, sciiloß Theater und Kapelle. Seine feste Würde nötigte dem Korsen Achtung ab, den er in Hofuniform und mit dem Sdiwarzen Adlerorden empfing.

DER ERBPRINZ VON BRAUNSCHWEIG 367

Noch im Sterbejahre, als er sich alt und lebenssatt nach Luisium zu- rückgezogen hatte, ließ er sich aus Winckelmanns '^ Sdiriften vorlesen und erzählte von ihm.

Der Erbprinz von Braunschweig

Kurz vor der Abreise des Friedensfürsten wurde ein wenige Jahre älterer deutscher Prinz in Rom angekündigt, der aber bereits auf der Schaubühne der Geschichte eine glänzende Rolle gespielt hatte. Es war Karl Wilhelm Ferdinand (1735— 1806), der Schwestersohn Fried- richs IL Oft hatte man ihn im letzten Kriege im heißesten Kugelregen gesehen; ermahnt, als künftiger Regent sich zu schonen, hatte er ge- antwortet: Mein Vater hat noch mehr Söhne, die einst regieren können. Bei Hastenbeck hatte er mit dem Degen in der Hand eine Batterie wiedergenommen. Da gab ihm der Oheim das Zeugnis, er habe ge- zeigt, daß ihn die Natur zum Helden bestimmt:

O vous, jeune heros, dans un äge debile, Comment avez-vous pu dans ce siecle sterile,

En tout abätardi, Vous elever tout seul ä cote des Turennes, Des Weimars, des Condes, et des grands capitaines

Par un vol si hardi . . . Ce heros, dont l'esprit unit des sa jeunesse Le solide au brillant l'ardeur ä la sagesse.

Est de mon propre sang.

Er hatte Friedrichs große blaue Augen, musikalische Neigungen, Spar- samkeit und Vorliebe für französische Bildung. Auf der großen Tour, die er nach dem Frieden unternahm, fesselte

16. Seine gewiß besonders originellen und liebenswürdigen Briefe sind von dem Nachfolger verbrannt worden. In der austrocknenden Luft des Hofes wird eben jeder Ausdruck menschlich-warmer Beziehungen zum Fürsten, selbst wo er wie hier als aufrichtige Verehrung erscheint, als unziemlich empfunden. Auch Vergötterung hat sich an die vom Hofmarschallamt geneh- migten Riten zu binden. [Vgl. I, 488 f.; 623; III, 498.]

368 RÖMISCHE ZEIT

ihn in Italien besonders die Musik: in den Konzerten zu Sanssouci spielte er die erste Geige. Auch ein vollkommener Schauspieler war er: auf dem Liebhabertheater des Prinzen Heinrich in Rheinsberg machte er die französischen Komödianten neidisch. In Braunschweig war eine italienische Oper, die sich mit der Dresdner messen konnte. Er hatte seinen Musiklehrer Petsch auf der Reise bei sich und lud sich Nardini nach Braunschweig ein.

Die Reise ging über Paris und Turin. In Florenz hatte er sich zu- frieden bezeigt, daß Winckelmann ihn führe. Er reiste unter dem Namen eines Grafen von Blankenburg, aber mit dem Aufwand eines regierenden Fürsten: »der Glanz des Braunschweiger Hof es, sein Name, die Verwandtschaft mit Friedrich II. bestimmte die ganze Form dieser Reise: der Prinz empfing Huldigungen auf derselben, die dem Emp- fang eines Königs glichen.« Am meisten gefiel er sidi in Paris, wo er vom Hof und der Blüte des Adels gefeiert wurde, als Held großer Jagdpartien und fetes champetres er konnte sich der Sprache der Galanterie bedienen, wie ein petit marquis. Als einst bei einem sokra- tischen Symposion in Helvetius' Salon jemand seine Ähnlichkeit mit dem Prätendenten Stuart bemerkte, äußerte Marmontel: avec quelques traits de plus de cette ressemblance le prince Edouard auroit ete roi d'Angleterre, über welches Kompliment der Prinz errötete.

Am i8. Oktober 1766 traf er in Rom ein. Der Hof erwies ihm alle ersinnliche Aufmerksamkeit, die einem protestantischen Fürsten be- zeigt werden konnte, besonders wegen seiner Beziehungen zu England. Im Vatikan traktierte ihn der Majordomus, Monsignor Rezzonico, und überreichte ihm bei Besichtigung der Mosaikfabrik eine musivische Kopie der Galathea Raffaels, eine Büste Scipios, und zehn Bände Piranesi. Der Papst bestimmte ihm zum Begleiter den Marchese Massimi, für den er sich aber mit vielen Artigkeiten bedankte und Winckelmann vorzog. Die römische Chronik erzählt von grandiosen Konversationen und altri signorili trattenimenti, die ihm zu Ehren der hohe Adel veranstaltete. Der Kardinal Albani, als Plenipotenziario des Reiches, gab ihm am 23. Oktober in der Villa ein Diner, »das der Prinz bewunderte, aber noch mehr die Schätze der Villa«. Seine schöne kraftvolle Gestalt, die feinen französischen Manieren, auf deren Kor- rektheit er so viel Gewicht legte, die gründlichen Kenntnisse, sein

DER ERBPRINZ VON BRAUNSCHWEIG 369

Interesse an den römischen Mirabilia, die Zediinen, so er mit vollen Händen ausstreute (generosita), eroberten ihm aller Herzen. Die Italiener glaubten in ihm eine eingewurzelte Abneigung gegen die Franzosen zu lesen; aber schon Mirabeau (der ihn keinen gewöhn- lichen Menschen nennt) bemerkte seine Finesse: er war ein Zögling des geistlichen Hofmannes Jerusalem, der sein ebenso leidenschaftliches wie zurückhaltendes Wesen einem Feuer verglich, das in einem feuerfesten Gewölbe eingeschlossen sei.

»Kürzlich«, schreibt Winckelmann am 4. November 1766, »habe ich ein paar Wochen beständig um den braunschweigischen Achilles (auch Tydeus nennt er ihn), den Erbprinzen sein müssen ... Es sind ihm hier alle öffentliche Ehrenbezeigungen widerfahren, die dessen Ruf, Stand und persönliche Eigenschaften heischen.« Er kam regelmäßig alle Morgen, erzählt Pockels, um mit ihm seine antiquarische Wande- rung zu machen. Diese Spaziergänge dauerten bis zum Nachmittag, und audi dann noch blieb er bei dem Prinzen, speiste täglich mit ihm, und das Gespräch betraf fast immer die schöne Kunst. »Ich bin«, fährt Winckelmann fort, »ziemlich weit in der Bekanntschaft mit demselben gekommen, so daß, da er sich merken lassen, Lust am laufen zu haben, einer den anderen müde zu machen gesucht hat, und wir haben zuweilen vor Müdigkeit in einer Stunde nach einem langen Laufe nicht essen können.« So eifrig war er, daß man ihn (wie der Kardinal an Kaunitz schreibt ^7) kaum zu sehen bekam; »vom Tages- grauen bis zur Mahlzeit, und von da weiter zum Abend, streift er mit sehr wenig Gefolge umher, weil wenige von seiner zahlreichen Dienerschaft gleichen Schritt mit ihm halten können. Er geht zu Fuß, sieht alles im einzelnen an und ist unermüdlich.« Der Prinz war ein guter Beobachter und empfand neue Eindrücke lebhaft, das Gewöhn- liche wie das Auffallende weckte eine Menge Gedanken in ihm.

Bisher war er mit solchem Aufwand gereist, daß die vom alten Herzog Karl ausgesetzte stattliche Summe nicht ausreichte. In allen großen Städten wurden Lohnlakaien in Menge gemietet und in die braunschweigische Livree gesteckt, sehr reichliche Douceurs gegeben, und das meiste in Zechinen bezahlt. So ging es in Rom natürlich nicht

17. [Wien, österreichisches Hauptstaatsarchiv; Haus-, Hof- und Staats- archiv.]

37° ROMISCHE ZEIT

fort: sobald er sich als Prinz zeigte, sah er sich augenblicklich von gemeinen und vornehmen Bettlern umringt. Winckelmann riet ihm, einen Zivilanzug anzulegen; und in diesem ließ er sich damals malen, »in weißlichem Rock, mit schwarzer Soubise, roter Weste und schwar- zen Beinkleidern«.

Ungeaditet jenes Eifers blieb des Führers Stimmung gegen den Braunschweiger stets kühl, vielleicht kühler als er verdiente. »Ich glaube«, schreibt er Stosch am 15. November 1766 in einem Briefe, den er keiner menschlichen Seele zu zeigen bittet, »daß er mich leiden könne, und ich bin in dessen Bekanntschaft so weit gekommen, als es dessen zurückhaltendes Wesen und dessen zurüdchaltender Sinn er- lauben . . . Wir haben Reisen zu Fuß von sieben bis acht Stunden in einem Striche gemacht, wo notwendig muß geredet werden, und wo ich mich nicht enthalten können, diesem Herrn vielmals zu wieder- holen, daß ich meinen Zustand mit dem seinigen nicht verwechseln wolle. Unterdessen sind wir und vier Personen von Tivoli« (wo er unter Führung Monsignor Carraras die Villa Hadrians drei Stunden lang mit dem Plan in der Hand betrachtet hatte) »zurückgefahren ohne daß jemand nur eine Silbe gesprochen hätte, und auf dem Heimwege war alles Ja und Nein. In Lustbarkeiten, die ihm zu Ehren angestellt wurden, und wo alleWeiber von Stande eingeladen wurden, hat keine einzige einen guten Abend von ihm gehört. Das Herz ist gut aber nicht empfindlich, und die Seele weiß nichts von Fröhlichkeit. Der Weg ihn aufzumuntern scheint der Widerspruch, welches mir beim Essen mehrmals gelungen ist; aber ich muß fürchten mit meinem hitzigen Kopf zu weit zu gehen. So sind eure Helden! Gedankt sei unserem Geschick, daß weder Sie noch ich nötig haben ihnen zu dienen.« Er reiste von Rom nach Neapel, aber keine Stadt gefiel ihm mehr als Venedig und Mailand. Nach seiner Rückkehr, schreibt jener weiter, »und um ihm den letzten und Gnadenstoß zu geben und zu machen, daß er in etlichen Tagen kein Wort spricht, wird er gezwun- gen sein in einer feierlichen Versammlung der heiligen Arcadia Canti, Sonetti und Idylli auf sein Lob vorlesen und absingen zu hören«.

Als er fortging, er war der letzte der Fürsten, war Winckelmann dieses Verkehrs herzlich müde. Er will seinen Zürchern Briefe bogen- lang schreiben, aber nicht etwa Nachrichten von Unterredungen mit

DER ERBPRINZ VON BRAUNSCHWEIG 371

Prinzen, die nicht die Beschäftigung freier Menschen sein sollen; zehn Fürstenkinder, ruft er Mechel zu (14. Dezember 1766), mögen in ihr Nichts zurückgehen für einen einzigen würdigen freien Basler Bürger, Künstler und Freund!

Karl Wilhelm Ferdinand war nicht der Mann, Freundschaft einzu- flößen. Er verachtete die Menschen wie sein Ohm, und sah im Glauben an ihre Redlichkeit mehr Gutmütigkeit als Weltkenntnis; die Liebe des Volkes gegen einen Fürsten nannte er eine leere Grille; Fürsten könnten keine Freunde haben; die ihm nahegetreten waren (wie Behrenhorst) hielten ihn keiner Liebe fähig. Aber er verbarg seine eisige Kälte unter den ausgesuchtesten geselligen Formen, die an Affektation streiften: wer ihn nicht kannte, konnte seine tiefen Ver- beugungen und Komplimente für Spott halten. Goethe fand, daß er mit Präzision, ja Eleganz spreche, aber man merke seine Absicht so zu sprechen, und das rechte Wort fehle ihm oft. Dabei teile er sich wenig mit: il a les meilleurs fagons du monde, mais aussi ce ne sont que f agons. Während er sich sonst von den noblen Passionen in rühmlicher Weise frei hielt, opferte er desto mehr der Liebe. Nachdem er vor der Reise seine Frau nach London geführt, um dort ihre Entbindung abzuwarten, brachte er nach der Geburt des Erbprinzen aus Rom die schöne Gräfin Branconi mit, die auch sein Vater noch bewunderte, Goethe gar lieblich fand, und deren Gunst Lavater in hohem Maße genoß. Aber mit dieser und den folgenden Mätressen verkehrte er auf dem Fuß der strengsten Etikette. In seinem Naturell lag eine Mischung von Tapferkeit und Galanterie, wie beim Marschall von Sachsen oder bei Heinrich IV. (Mirabeau nennt ihn einen wahren Alcibiades), aber ohne das Genialische in beiden, denn er war ein Pedant der Galanterie wie des Dienstes. Für alle, die nicht von Kind auf in diese Förmlichkeiten hineingewachsen waren, war der abgemes- sene Gang des Lebens an seinem Hofe von tödlicher Langeweile. Goethe schildert, immer auf französisch, was er und sein Herzog ausstehen mußten unter den langen Sitzungen in der Oper, an Tafel, auf Bällen, wo man über nichts nichts sage, und der Geist allmählich verdumme.

Die Schule Roms und Winckelmanns ist dem Lande Braunschweig wenig zugute gekommen. Da er sich zur ersten Aufgabe gemacht

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hatte, die von seinem Vater dem Lande vermachte Schuldenlast von zwölf Millionen abzutragen (er übte sein Regentenamt nach strengen Pilichtbegriffen), so mußte er die äußerste Einschränkung üben. Er lernte sich beharrlich in Braunschweig langweilen und brachte mit Hilfe Feronces seine Finanzen wirklich in Ordnung. Aber die präch- tige Galerie von Salzdahlum, eine Schöpfung Anton Ulrichs (1691), verfiel, die Bilder verschenkte er, die Lustschlösser wurden durch spärliches Ausflicken gleichsam nur hingehalten.

Winckelmann hat der Prinz stets ein gutes Andenken bewahrt. Er nahm ihm seine Offenheit wohl auf; denn jener pflegte bei solchen Gelegenheiten den Fürstenkindern Wahrheiten zu sagen; er hatte »diesem würdigen Prinzen oft wiederholt, daß nicht ich, sondern er unglücklich sein könne unglücklich, weil große Herren das höchste menschliche Gut, die Freundschaft, nicht schmecken können« (4. und 15. November 1766). Der Prinz schrieb ihm eigenhändig aus Venedig und verlangte die Fortsetzung des Briefwechsels. Er ließ sein Porträt in der Galerie zu Salzdahlum aufstellen, und sein Tod machte ihm einen tiefen Eindruck. Noch im höchsten Alter erinnerte er sich dieser Reise bis auf Kleinigkeiten; er ließ sich gern Neues von Italien erzählen und gab Reisenden Anweisung, was sie in Italien, und wie sie es zu sehen hätten.

Wie er einst als Jüngling an der höchsten Glorie Preußens tätig teilgenommen, so war ihm beschieden, von dessen Fall persönlich am schrecklichsten betroffen zu werden. Sein langes Leben endete mit einem Schluß von erschütternder Tragik, als der unglückliche Feldherr nach der Schlacht bei Auerstedt »mit dem Scherben des Hauptes« flüchtig umherirrte und nicht einmal in seinem Lande sterben durfte.

Frau Margarita Mengs

Unter den vielen Gestalten, die wie die halberhabenen Figuren am Postament einer Statue sich um die Hauptperson unserer Erzählung sammeln, befinden sich, zum Leidwesen des Chronisten, fast gar keine Frauen . . . Wir bewegen uns eben im Schatten des Vatikan, wo nur selten Personen dieses Geschlechts von ungewöhnlichen Reizen oder

FRAU MARGARITA MENGS 373

außerordentlichem Verstand sich behauptet haben. Das achtzehnte Jahrhundert hat keine Rosa Vanozza und keine Olympia PamfiH . . . Einmal aber geschah es doch, daß in die Nähe unseres Abate, fast bis in den Rayon seines Herzens, eine Frau vordrang. Die Geschichte ist nicht erbaulich, sie könnte ohne Schaden ungeschehen geblieben sein; doch da sie einmal da ist, so muß sie erzählt, nicht aber gelesen werden, namentlich nicht von schönen Leserinnen.

In jenem ersten Jahre, als Winckelmann das Mengsische Haus v^^ie sein eigenes ansah, hatte die schöne, damals fünfundzv^^anzigj ährige Frau auch ihren Anteil an der Anziehungskraft der Casa des Pincio. Manche, die in Rom gelebt haben, gedenken gern der teilnehmenden Sorge, die Frauen des römischen Mittelstandes selbst für vorüber- gehende Gäste übrig haben. In der Beschränkung der Frau auf die Wirkungssphäre des Hauses, in der treuen Hingabe an Gatte und Kinder, merkt man dort noch Reste jahrtausendealter italischer Sitte. Auch Mengs' Frau gehörte zu denen, die nadi des Apostels Wort selig werden durch Kindergebären. Diese Heirat war eine rechte Künstler- heirat. Es war bei jenem zweiten Besuche in Rom, im Jahre 1748, er suchte das Gesichtsmodell für eine Madonna, als ihm eines Tages ein wunderschönes armes Mädchen begegnete, bei dessen Anblick er rief: Ecco la Madonna che tanto cerco. Sie hieß Margarita Guazzi, eine Gestalt ähnlich jenen, die Raffael bei seinen Madonnen und in den Nebengruppen des Heliodor als Muster dienten. Noch hatte sie nicht Modell gesessen; sie kam in Begleitung der Mutter; zwischen dem achtzehnjährigen Mädchen und dem zwanzigjährigen deutschen Maler wurde nicht früher von Liebe als von Hochzeit geflüstert. Zwei Heroen der Malerei waren Mengs' Namenspatrone gewesen, die Kinderstube eine Zeichenschule, der Eintritt in die Gemäldegalerie sein Eintritt in die Welt; Freiheit, Ehre, Teilnahme am Leben hatte er sich ermalt: so war auch das erste Frauenzimmer, das er kennenlernte, ein Modell, und dies erste Modell ward seine erste und letzte Liebe

(1749)-

Bei der Abreise nach Florenz hatte Winckelmann versprochen, ihr einmal zu schreiben. Ein Entwurf des ersten Briefes, des ersten wie er sagt, den er überhaupt an das schöne Geschlecht schreibt, in fehler- haftem Italienisch, vom September 1758, ist der einzige Rest dieser

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Korrespondenz. Auch der Gegenstand des Briefes sind die toscanisdien Schönen; die hübschen Mädchen von Siena und die Anmut ihres sanften Dialekts gefallen ihm weit besser als das gerühmte bei sangue der Florentinerinnen, ihre gorgia und ihr libertinaggio.

Frau Mengs war im Herbst 1761 mit Mann und Kindern nach Spanien gereist. Ende 1763 kam sie plötzlich, unangekündigt zurück. Veranlassung der Reise war die Herstellung ihrer in Madrid gefähr- deten Gesundheit in der heimatlichen Luft. Winckelmann empfand als Zeichen der Freundschaft, daß der Gatte sie unter seine besondere Obhut gestellt, in vorkommenden Fällen seinen Beistand empfohlen hatte. In Dingen von Diskretion diente er ihr, statt des gewöhnlichen Schreibers, als Geheimsekretär, denn bei all ihrem gusto delicato e raffinato konnte sie nicht schreiben. Die schöne (jetzt Petersburger) Kamee mit Perseus und Andromeda, ein Präsent ihres Gatten, scheint ihn anfangs beinahe so viel zu beschäftigen wie die Besitzerin: »der schönste Stein auf der Welt . . . von so hoher Schönheit, daß ihm das schärfste Glas nichts nimmt, sondern die Figuren werden zu schönen Statuen ... er kostet aber tausend Zechinen, die der Maler bezahlet, weil er dem Könige von Spanien zu teuer war« (24. Mai 1764). Am 15. Mai 1764 steht er im Begriff, »mit einer schönen Frau, der Ehe- genossin meines Mengs . . . auf einige Zeit auf das Land zu gehen«. Doch am 24. ist er schon wieder zurück, und einen Monat später (23. Juni) ist sie völlig hergestellt. Aber einige Wochen darauf (13. Juli) »hat die Mengs von neuem einen Anstoß von Melancholie, welches mir meine beste Zeit verlieren macht; doch hoffe ich, dieselbe in der letzten Hälfte des folgenden Monats zurück nach Spanien zu schicken«. Sie reiste Mitte September wirklich mit ihren vier Töchtern ab und kam glücklich in Madrid an, »nachdem sie« (fügt er spöttisch hinzu) »ihm hier und auf der Reise Ehre gemacht, auch darin, daß sie ihn in der Verschwendung zu übertreffen sucht«.

Wie wenig gleichgültig ihm aber ihr Kommen und Gehen war, geht daraus hervor, daß ihn nur der verheißene Besuch ihres Gatten »über die Abreise seiner Mengs getröstet habe«. Die Folge des Besuches war ein lebhafter Briefwechsel mit der Frau und eine engere Anziehung des Freundschaftsbandes mit dem Gatten: »die schöne Römerin« war »der gemeinschaftliche Knoten ihres Bandes«. »Es begegnet sidi

FRAU MARGARITA MENGS 375

(26. Juli 1765) von dieser Zeit an alle Posttage ein Brief mit dem ihrigen an mich, in welchem ihr geliebter Mann den Schluß schreibt.« »Mit meinem Mengs ist die alte Freundschaft durch dessen Frau nicht allein wiederhergestellt, sondern scheint den höchsten Grad der Ver- traulichkeit erreicht zu haben, so daß er wünscht, das liebste, was er hat, den Genuß seiner Freundin, mit mir teilen zu können« (19. Juni 1765). »Die Zahl meiner Freunde ist nunmehr auf drei Personen ein- geschränkt, auf Sie (Riedesel), auf Stosch und auf Mengs und dessen Frau, die ich beide als eins betrachte.«

Über jene Teilung des Liebsten verrät er uns später in Briefen an Stosch, H. Füßli und BeVendis vom Februar, Juni und Juli 1765 fol- gende seltsame Dinge, die auf Mengs' bis zur Härte und Roheit despotische und reizbare Natur ein widerwärtiges Licht werfen. »Ich wurde damals zu allererst in das weibliche Geschlecht verliebt; und wie hätte ich einer so hohen Schönheit, wie meine Freundin ist, und die mir allein auf meine Seele befohlen war, widerstehen können? . . . So schön sie ist, habe ich dieselbe vorher sehr gleichgültig angesehen, bis ihr Umgang, welcher durch den Freund selbst auf mich allein eingeschränkt war, Vertraulichkeit erweckte, die, den letzten Genuß ausgenommen, nicht größer sein kann; so daß wir außer Rom mehr als einmal auf eben dem Bette Mittagsruhe hielten.« Dann erfährt man, daß Mengs auf die Nachricht von ihrer Unpäßlichkeit Ver- mutungen über deren Ursache gehabt hatte und ihr das höchste Zeugnis seiner Liebe geben wollte, indem er dem Freunde »alle seine Rechte auf dieselbe abtrat, mit dem Verlangen, die Keuschheit dem Leben nachzusetzen«. Ein Glück für alle drei war die »Tugend« des Freundes und die Genesung seiner Frau: von der Vollmacht, die, wie Winckelmann selbst besorgte, ihn notwendig zuweilen gereut haben müsse, wurde also nie Gebrauch gemacht. Aber nach der Rückkehr Margarethens, und nachdem er die zärtlichen Briefe jenes an sie (»wie an eine Liebste«) gelesen, bestand Mengs auf einer Erneuerung des seltsamen Vertrages für die Zukunft. »Es hat die Freundin voraus gewisse Artikel, die eine hohe und vielleicht nicht bekannte und niemals geübte Freundschaft betreffen, unterschreiben müssen, und ich habe mich verpflichtet, nicht aus Rom zu gehen, was mir auch für Erbietungen gemacht werden . . . Nunmehro will er, daß die Frau an

37^ RÖMISCHE ZEIT

mich wie an ihren Liebsten schreibe, und er selbst wünschte, daß er die geheimsten Wollüste mit mir teilen könne, worin die Frau selbst ihm ein heiliges Versprechen tun müssen; und dies soll geschehen, wenn er zurück nach Rom gehen wird, das man binnen zwei Jahren hofft.« Aber kurz darauf wurde die Entdeckung jenes Gemäldebetrugs »die Ursache eines ewigen Bruches«.

Die Ausdrücke, in denen er von diesem Zustande spricht, fallen durch ihre Kälte auffallend ab gegen den Ton, in dem er von männ- lichen Freunden zu reden pflegt. Das Herz hatte daran wenig Anteil. Es war eine Erregung der Einbildungskraft, in der Einsamkeit und Muße einer sommerlichen Villeggiatur. Es ist deshalb ganz unwahr- scheinlich, daß die Sehnsucht nach dieser Frau es war, die ihn von der bald zu erzählenden Reise über die Alpen zurücktrieb. Als jener Zustand abgelaufen war, hatte er ganz vergessen, daß er geliebt habe. »Da viele Leidenschaften ihre Stärke selbst im Stillschweigen aus- drücken, welches also auch vermutlich in der Liebe, die ich nicht kenne j geschehen kann, so schließe ich als ein Unerfahrener aus der Kürze auf die Stärke derselben in Euch« (9. Juli 1767). Sonst wäre diese Geschichte auch gar zu niederschlagend. Bei seinem ersten und letzten Erlebnis in Frauenliebe wäre als Peitho nicht Aphrodite oder Minerva aufgetreten, auch Merkur nicht, sondern Äskulap.

Es ist in dieser Geschichte etwas Abstoßendes, das es aber auf dortigem Boden vielleicht weniger war. Der Italiener unterscheidet sich noch heute, wie in früheren Zeiten, vor dem keltischen Romanen durch Sinn für Ehe und Familie; aber seine Behandlung dieses Ver- hältnisses berührt oft noch fremder als das gallische Wesen: jene geistige Verklärung der Liebe, die das Mittelalter gebracht, ist an ihm, wie die ganze Romantik, rasch und ohne tiefe Spuren vorüber- gegangen. Auch darin verleugnete der Italiener seine Ahnherren nicht, daß er sich unbedenklicher als andere jener Art von Sprache bediente, deren Gewohnheit neben anderem Sdhopenhauer bestimmte, »Scham- losigkeit« als Grundzug des italienischen Charakters zu bezeichnen. So liest man noch in Winckelmanns Briefen von Scheidungsprozessen in den höchsten gesellschaftlichen Klassen, die diesseits der Alpen schon seit mehreren Generationen das öffentliche Anstandsgefühl in Abgang gebracht hatte. Diese Prozesse gehörten mit zu dem noch

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immer tief mittelalterlichen Gepräge Roms. Im Jahre 1740 prozes- sierte die einzige Tochter des reichen Doria in Genua, verheiratete Tursi, nach zwölfjähriger Ehe gegen ihren Gatten, gewann in einer Kongregation von einundzwanzig Kardinälen mit elf gegen sieben Stimmen den Prozeß, und es ward rescribiert: Consulendum Sanctis- simo pro dispensatione matrimonii rati et non consummati. Der Sakristan der Kirche des Angelo Custode, wo sie die Messe zu hören pflegte, ließ die Festglocken läuten; die Tamboure zogen vor ihre Wohnung im Palast de Angelis, nach dem Haus ihrer Eltern etc. Als sie darauf ihre geistlichen Exerzitien machte, fand sich das Kloster San Egidio belagert von Werbern, die unternehmen wollten, im Hin- bhck auf ihre Mitgift die grundhäßliche Jungfrau- Witwe zu trösten. So erzählt der Abate Valesio in seinem römischen Tagebuche.

Auch eine der früheren Geliebten des Kardinals Albani, die be- rühmte Antiquariessa, Anna Grimaldi, geborene Gozzadini aus Bologna, war zur Zeit des Besudies des Kurprinzen SoUizitantin eines solchen Prozesses. Ein Unstern wollte, daß jetzt, ein Vierteljahrhundert später, der erhabene Greis und erste Kardinaldiakon mit dem lächerlichsten aller Ehescheidungsprozesse in Verbindung kam, der selbst in Rom je erlebt worden ist. Die schöne Vittoria, die erste Tochter einer alten Geliebten, der Gräfin Checca Cheroffini, die auch im Mengsischen Parnaß einen Ehrenplatz bekommen hatte, drohte seit 1763 nicht mehr so schön zu bleiben. »Auch Vittoriuccia«, meldet Winckelmann Rie- desel im April 1763, »fängt an zu fallen . . . Ihre Züge werden grob; die Backenknochen, welche bei ihr von Natur stark sind, werden sichtbarer, und es wird mit der Zeit nichts bleiben als die Augen und der Mund.« Da fand sich noch zur rechten Zeit eine vorteilhafte Partie, eine Mesalliance freilich, Giuseppe Lepri, appaltatore generale della Camera pontificale. Er war »der artigste, redlichste Mensch«, zwar ohne Geburt, aber er hatte sich in Geschäften ein Vermögen von einer Million hunderttausend Scudi gemacht, und durch Anleihen bei ver- schiedenen Gelegenheiten die päpstliche Regierung verpflichtet. Später hören wir, daß der römische Adel den Parvenü nicht in seine Zirkel lassen wollte, und der Papst sich ins Mittel legen mußte, indem er die Gräfin sich zum Fußkuß vorstellen ließ und ihr einen Karneolrosen- kranz mit Goldmünzen verehrte, was nur Standespersonen zuteil wird.

37^ RÖMISCHE ZEIT

Die Hochzeit wurde im Karneval 1764 gefeiert. Sechs Monate darauf reiste Lepri plötzlich nach Venedig, Vittoria ging zu ihrer Mutter, und ein Prozeß begann. Diesmal ging aber die Forderung der Scheidung vom Manne aus: die Frau gab die Klage zurück; dodi man war über- zeugt, daß sie beidemale grundlos war, man argwöhnte, daß die Barona heimlich einen anderen liebte, nur seltsamerweise einen Sänger, wo der dort arglistig herbeigeführte Schein offenkundige Tatsache und sogar kanonisches Ehehindernis war. Diesmal wurde entschieden, daß beide ein Ehepaar bleiben sollten.

Winckelmann galt bei vielen für einen Weiberfeind. Daß er im achtundvierzigsten Jahre zum ersten Male in das weibliche Geschlecht verliebt gewesen, ist gewiß ein merkwürdiges Faktum, angetan auf Wesen und Leben eines Menschen, der es von sich meldet, ein eigen- tümliches Licht zu werfen. >>Idi bin«, schreibt er Franke beim Tode von dessen Frau, den 18. Januar 1766, »niemals ein Feind des andern Geschlechts gewesen, wie ich ausgeschrieen werde; aber meine Lebens- art hat mich von allem Umgange mit demselben entfernt; ich hätte mich verehelichen können, und vielleicht wäre es geschehen, wenn ich mein Vaterland hätte wiedersehen können, wozu nunmehro alle Hoffnung verschwunden ist; aber verehelicht würde ich niemals so weit gekommen sein. Doch jetzt fällt mir es kaum ein, und diese Enthaltsamkeit macht, daß ich der vielen Arbeit und dem emsigen Fleiße gewachsen sein kann.«

Das lebhafte Freundschaftsgefühl, das ihn so oft beglückte, war gewiß Ursache, daß ihm seine Einsamkeit selten zum Bewußtsein kam. Die rührende Stelle in einem Briefe an Stosch steht ziemlich allein: »Denn in Ihnen habe ich, wie Andromache zum Hektor sagte, zugleich den liebreichen Vater, den getreuen Bruder, und was sonst bis ans Herz geht (Ilias 6, 429 f.), da ich keine Anverwandten auf der Welt übrig habe, welches vielleicht ein einziges Exempel ist« (2. April 1767). Obwohl ihm die Freundschaft kein dauerndes, ruhiges Glück ver- schaffte, denn die Freunde hatte er nur vorübergehend bei sich, und sein reizbarer Sinn machte dies Gefühl oft mehr zur Leidens- als Freudenquelle. Wenn er die »geringsten Gefälligkeiten« auf s lebhafteste empfand (15. August 1766), so konnte ihm doch auch bei der un- bedeutendsten Vernachlässigung der Vorsatz entstehen, »in der Über-

FRAU MARGARITA MENGS 379

Zeugung, daß Freundschaft ein Wort ohne Begriff sei, zu vergessen und vergessen zu werden«.

Vielleicht hatte jene Gleichgültigkeit gegen die Weiber nicht bloß ihren Grund in seinem Lebensgange, sie hing zusammen mit einer entschiedenen, ästhetischen wie sinnlichen Bevorzugung männlicher Schönheit vor der weiblidien. Seine Beschreibungen antiker Kunst- werke beziehen sich fast alle auf männliche Gestalten. Nur männliche Schönheit vermag ihn in Enthusiasmus zu versetzen. In der Kunst- geschichte war er zuerst an dem Problem vorbeigegangen; in einem Briefe deutet er an, auf wie breiter Begründung sein Urteil ruhe. »Der Beweis kann von den Tieren anheben, unter welchen ohne Widerspruch das männliche schöner als das weibliche ist; und in Absicht auf uns hat die Erfahrung gelehrt, daß in jeder Stadt mehr schöne junge Leute als schöne Weiber sind, und ich habe niemals so hohe Schön- heiten in dem schwachen Geschlecht, als in dem unserigen gesehen. Was hat denn das Weib Schönes, was wir nicht auch haben? Denn eine schöne Brust ist von kurzer Dauer, und die Natur hat dieses Teil nicht zur Schönheit, sondern zur Erziehung der Kinder gemacht, und in dieser Absicht kann es nicht schön bleiben. Die Schönheit ist sogar Männern noch im Alter eigen, und man kann von vielen alten Männern sagen, daß sie schön sind; aber niemand hat eben dieses von einer alten Frau gesagt« (an P. Usteri, 27. Juni 1767). »Hätte ich anders gedacht«, hatte Winckelmann schon im September 1763 an L. Usteri geschrieben, »wäre meine Abhandlung von der Schönheit nicht aus- gefallen, wie sie geraten ist.«

Am ehelichen Glück seiner Freunde nahm er den lebhaftesten Anteil. Als ihm Berg von seinen Flitterwochen schreibt, versichert er, »ich wäre imstande, einige Tagereisen zu machen, um Zeuge von allem zu sein«, und ebenso, als sein alter Berendis »glücklicher ist, als er es verdient«.

Man darf jedoch nicht glauben, daß Winckelmann ein Asket gewesen sei. Schon seine vertrauten Beziehungen zu Stosch junior, Montagu, Casanova, Hancarville, Wilkes u. a. würden schließen lassen, daß er in diesem Stück, wie man zu sagen pflegte, kein Pedant war. In den zwei letzten Dritteln seiner römischen Zeit eignet er sich etwas die landes- übliche Leichtigkeit in Behandlung solcher Verhältnisse an. Er bekennt

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(3. Oktober 1761), zuweilen verliebt zu sein; ja er unterhält den Kardinal von seinen »Amours«. Es war alte Sitte, bei berühmten Hetären Konversation zu machen. »Ich habe«, schreibt er Schlabrendorf den 18. Juni 1766, »der schönen Viscioletta (kleine wilde Kirsche), die ich öfters, aber in allen Züchten besuche, gesaget, daß einer meiner Freunde, da er aus Rom gegangen, nichts mehr bedauert, als eine so hohe Schönheit nicht mit Bequemlichkeit sehen zu können, oder viel- leicht gar nicht gesehen zu haben.« Sie erscheint auch in Casanovas Memoiren, der sie einem Kardinal abspenstig gemacht haben will.

Es ist bereits angedeutet worden, daß die Ursachen jener Gleich- gültigkeit gegen das andere Geschlecht bei ihm vielleicht tief in die Sinnlichkeit und ihre Irrtümer hinabreichten. In der ersten Auflage dieses Werkes (II, 2, S. 338) waren einige naive briefliche Äußerungen zusammengestellt, die allerdings den Verdacht erwecken, daß er auch in anderem als preiswürdigem Sinne Grieche gewesen sei. Siebrauchen hier nicht noch einmal aufgetischt zu werden ^^ Es ist eine weitver- breitete Annahme, daß er hierin ein Verwandter Platens, Johannes von Müllers und selbst noch Größerer gewesen ist. Man könnte mit dieser angeblichen Homosexualität die Tatsache in Verbindung bringen, daß er der letzte Sproß einer aussterbenden Familie war und daß sein Vater an Epilepsie litt und starb. Indes die pathologische Frage liegt ganz außerhalb der Kompetenz des Verfassers. Die, welche das Bestehen einer solchen angeborenen Verirrung der Natur außer in sehr seltenen Fällen bezweifeln, werden auch hier zufällige Ursachen der Umgebung und Lebensweise für die Erklärung zureichend finden.

18. [I, 266, 290, 315, 356, 417, 431; s66. II, 59y 72, 74, 75, 80, 177, 183, 344» 349-111, 112, 170; 488 f.]

FÜNFTES KAPITEL

DIEMONUMENTI

Die Anfänge der Monumenti

Während der Fürstenbesuche hatte der vielbegehrte apostolische Antiquar jeden freien Tag, jede einsame Stunde an die letzten, zeit- raubenden Mühen für ein* großes Werk verwandt, das ihn nun schon seit fünf Jahren in Anspruch nahm. Die Keime dieses Werkes fallen in die Zeit nach jener Arbeit, die ihn in die archäologische Deutungskunst hineingezogen hatte, dem Stosdiischen Katalog. Während der bewegten Jahre, in welche die Reisen nach Neapel fielen, war dies Werk das Ziel seiner Wünsche gewesen, für dessen gelehrte Ausstattung er von neuem eine Menge Bücher durchgelesen, für dessen Illustration er »keine Kosten gespart und kümmerlich gelebt hatte«. Ursachen ver- schiedener Art, besonders seit dem Entschluß, jedem Kapitel ein Kupfer beizugeben, hatten den Zeitpunkt des Erscheinens wiederholt hinausgerückt. Abhandlungen sind oft schneller geschrieben, als Platten gestochen. Jedesmal hatte sich dabei der Plan erweitert: um den neuen, eigentümlichen Kern, die Inedita, kristalUsierten sich nach und nach die Quintessenzen früherer Arbeiten, der Gemmenbeschreibung, der Schönheitslehre, der Periodenlehre, so daß dies Werk der Brennpunkt wurde, in dem alle seine Forschungen und Betrachtungen sich sammel- ten. Das Jahr der Vollendung war sein fünfzigstes Lebensjahr, und er hatte die bestimmte Ahnung, daß dies sein vollständigstes Wort an die Welt auch sein letztes sein werde, sein Absdiied, nach dem er in sich selbst einkehren wolle. Schon Ende 1763, am 7. Dezember, sendet er Stosch die Ankündigung dieser seiner »letzten Arbeit in dieser Welt«. Das Werk unterscheidet sich dadurch von allen bisherigen und macht eine neue Epoche in seinem literarischen Leben , daß es in vollständigerem Sinne als irgendein früheres die Frucht des italienischen Bodens war, auf dem sein Verfasser nun ganz eingewurzelt war. Freilich war auch bei jenen anderen der Stoff lediglich von hüben geliefert worden, aber der Geist der Behandlung war von drüben

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mitgebracht. Dieses Werk dagegen war nicht bloß in welscher Sprache geschrieben; auch in Denkart und gelehrten Sitten war er ganz auf italienisches Wesen eingegangen.

In der Geschichte der Kunst war des Autors eigentümliche Begabung und Bildung, unterstützt von der Gunst der Umstände, zu voller Wirkung gekommen. Jetzt zogen ihn aber äußere Gründe in andere Bahnen; nachdem er mehrere ohne Erfolg zu gehen versucht, fand er endlich doch eine neue breite Straße des Ruhmes.

Es gab Teile der Wissenschaft, für die er weder Geschick noch Geschmack besaß. Sein lateinischer Stil hatte sich weder die goldene Zeit zum Muster genommen, noch von Solöcismen u. a. Flecken rein- gehalten. Die römische Topographie schien ihm ein erschöpftes Feld, eine Penelopearbeit. Um Inschriften hatte er sich wenig bekümmerte Für Vergleichung von Handschriften und Konjekturalkritik hatte er so wenig Talent wie Neigung. Auch Münzen und Mythologie inter- essierten ihn mäßig.

»Die Altertümer der Orte, der Lagen, Gegenden und alten Über- bleibsel der Gebäude« habe er absichtlich beiseite gelassen, »weil vieles ungewiß ist, und weil das, was man wissen und nicht wissen kann, von mehr als einem Scribenten hinlänglich gründlich abgehandelt worden«; da diese Kenntnis auch ohne alles Genie erlangt werden könne, so habe er nur so viel auf seinen Weg mitgenommen, als er selbst finden und untersuchen konnte.

Aber gerade solche Dinge waren es, durch die man in der literarischen Republik Bürgerdiplome, Titel und Würden erwarb. In der italieni- schen Gelehrtenwelt waren historische Ideen, künstlerische Beurteilung noch unbekannte Größen: nur mit entlegener Gelehrsamkeit, durch Herbeischaffung massenhaften Rohstoffes aus dunklen Schachten, durch schwierige Künste konnte man es zu Ehren bringen.

In Rom erwartete man schon in den ersten Jahren, daß Winckel- mann sich mit etwas Griechischem zeige, um sein durch das Zeugnis von zwei oder drei gelehrten Freunden beglaubigtes Ansehen zu

I. Je ne sais par quelle fatalite les inscriptions, qui sont les pieces las plus authentiques et les plus necessaires pour l'histoire des monumens, se trouvent presque toujours plus degradees qua le raste das edifices. (Winckelmann an Clerisseau, 1767 [III, 348].)

DIE ANFANGE DER MONUMENTI

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besiegeln. So hörten wir von Projekten zur Herausgabe von Hand- schriften der Vaticana, z. B. des Libanius, »um den Großsprechern in Rom das Maul zu stopfen«. Gewiß gab es hierfür keinen günstigeren Gegenstand, denn es fehlte an Gelehrten seiner Art, es stand in der griechischen Literatur schlechter, als man auswärts glaubte, ja die kritische Kenntnis der griechischen Sprache bestand nur allein in ihm. In dieser Richtung lagen jene Glossare zu griechischen Dichtern, wovon das angefangene zum Äschylus noch vorhanden ist, ferner eine begonnene Abschrift aus dem palatinischen Codex der Anthologie^. Aber er fand, daß er »damit unendlich viel Zeit verlieren« werde; er hatte andere Dinge zu tun. Als er fünf Jahre später den Posten an der Vaticana erhielt und von dem Register der griechischen Codices die Rede war, hätte er freilidi »hinter diese Geheimnisse« kommen kön- nen; noch einmal hofft er, »künftig auch mit etwas Griechischem in der Welt zu erscheinen« (4. Juni 1763).

Da ging ihm plötzlich ein Lidit auf (Sommer 1765), wie er seine Gelüste, auch etwas zu holländern, befriedigen könne, ohne vom Wege der Kunst abzugehen, ja gerade durch sie. Ohne große Mühe schien sich eine reichliche Ernte von Erklärungen und Verbesserungen der alten Griechen durch Denkmäler zu eröffnen. Bald gab es »fast keinen alten Scribenten, der nicht an verschiedenen Orten verbessert und in ein neues Licht gesetzt war durch Hülfe der alten Werke, die ich liefere« (12. Mai 1765); es seien einige hundert Stellen der Art. So eingenommen war er von diesen Entdeckungen, daß er sie in der Vorrede als den zweiten und gewichtigeren Grund derVeröffentlichung seines Werkes bezeichnete.

Mit den Münzen hatte er sich anfänglidi gar nicht einlassen mögen, weil es schwer sei, noch jetzt neue Entdeckungen zu machen, audi weil er gesehen, daß Menschen ohne alle Wissenschaft eine große Kenntnis in diesem Fache erlangten. Das von Venuti beschriebene Münzkabinett der Vaticana fand er schlecht. Noch am 20. November 1757 rechnet er Münzen zu den Dingen, um die er sich nicht bekümmere, wie über- haupt um alles, was »kein sonderliches Licht in der Zeichnung gibt«. Dies änderte sich, als ihm der Zufall ihren Nutzen für die Kunst-

2. [Pariser Nachlaß vol. 59, 332—387: Aesdbylus CTibal S. 99; vgl. I, 325; 581); vol. 60, 168—243: Anthologie (Tibal S. loi f.; vgl. I, 105, iio; 528).]

384 RÖMISCHE ZEIT

geschichte aufschloß. In demselben Winter kaufte ein junger Maler von einem Bauer für etliche Bajocdii zwei sizilianische Münzen mit zwei Köpfen, die »wunderbar und göttlich schön sind«. Bei dem Hierokopf war ihm merkwürdig die Bezeichnung des Augenlichts durch ein Loch und des Sternes durch eine erhabene Linie. Von da an datieren seine Münzstudien. Archinto mußte »viele Anläufe ausstehen, ihm die Gelegenheit zu einigen eigensinnigen römischen Prinzen zu machen«. Im Mai 1758 sitzt er ganze lange Tage in dem farnesischen Münzkabinett auf Capo di Monte. Er läßt nach griechischen und sizilischen Münzen bis auf Alexander, nach ägyptisch- oder syrisch- griechischen nach dessen Zeit suchen. Bald traute er sich zu, auch hier »Richter sein zu können«, d. h. in griechischen Münzen, wo es auf Schönheit ankommt, »denn er trieb dieses Studium nur, insofern es zum Schönen der Kunst, zur Zeichnung und zum Stil der Zeiten, be- sonders dessen Chronologie gehörte . . . Auch in diesem Studio wird man sich nicht in Kleinigkeiten verlieren, wenn die Altertümer be- trachtet werden als Werke von Menschen gemacht, die höher und männlicher dachten als wir«. Ein Münzkenner ist er nie geworden. Wenn der gelehrte Teil dieser Disziplin aus Büchern zu erlernen sei, so bestehe doch das meiste in praktischer Erfahrung, die sich nicht auf dem Papier entwerfen lasse, und darin schäme er sich nicht zu beken- nen, daß er nicht allezeit richtig urteilen könne; nun aber sei der Be- trug nicht in griechischen Münzen, sondern in kaiserlichen. Er hielt z. B. die Gonzagasdie Münze mit dem Kopf des Virgilius Maro und dem R. EPO für alt. Doch fand er zuweilen (September 1759), »daß er in Münzen, die ihm zur Erklärung gebracht wurden, klüger sei als andere, die ihr Werk daraus machen wollten«.

So beschloß er, auch diese bisher bloß als Hilfswissenschaft der Ge- schichte geltende Disziplin mit der Kunst in Verbindung zu setzen. Er kündigt eine Abhandlung über Münzen an, aus der Barthelemy etwas lernen werde, und teilt es diesem selbst im Juli 1760 mit. Er arbeitet in diesem Sommer an einer lateinischen »Erklärung von alten und niemals bekannt gewordenen griechischen Münzen«, die übrigens alle in gedruckten Schriften untergebracht worden sind. Er ließ dergleichen zeichnen; Nachträge zu den Stoschischen Gemmen, wo ihm »verschie- dene merkwürdige Sachen entwischt waren«, sollten sich anschließen.

DIE ANFÄNGE DER MONUMENTI 385

Diese Schrift werde als Vorläufer der Kunstgeschichte dienen, um in dieser sidi kürzer fassen zu können (Mitte Juli 1760).

Dann waren es die Ernennungen zum Mitglied der Akademien von Cortona und London, die ihn auf eine gelehrte Abhandlung in einer anderen als der deutschen Sprache denken ließen. Den Hetruriern glaubte er am willkommensten »schwere und teils unbekannte Punkte der Mythologie« zu bringen (zuerst den 27. März 1761). Dies mußte natürlich in italienischer Sprache geschehen; überhaupt werde er, wenn er länger in Rom lebe, für die Zukunft das Deutschschreiben, auch beim besten Willen, aufgeben müssen. Seine Sprache werde ihm fremd. Er sei, bekennt er Weisse (April 1761), nicht sehr regelfest. »Ich habe keine deutschen Schriften zu lesen; gut zu reden habe ich ebenso- wenig Gelegenheit, und man wird mich mit meinem Plunder unter die Sprachverderber setzen.« »Sollte ich (ruft er den 3. März 1762, an J. J. Volkmann) noch fünfzig Jahre leben, wollte ich nach meinem großen Werke kein anderes deutsches Werk in Italien anfangen.« »Der Herr«, heißt es in jenem Briefe an Weisse weiter, »dem ich diene, ist sehr empfindlich, daß ich fortfahre, in meiner Muttersprache zu schrei- ben. Dum vivis Romae etc. sagt er, und er hat nicht ganz Unrecht. Ich habe versprochen, mit der Geschichte der Kunst aufzuhören.«

Da nun die welschen Akademien sich viel mit Bekanntmachung von Funden beschäftigten, so konnte er sich jener Pflicht in Rom in be- quemer Weise entledigen. Er erzählt Geßner (20. Juni 1761) von einer in einigen Monaten erscheinenden kleinen Schrift: »Nachrichten von den Entdeckungen der Altertümer in Rom, die während dem Auf- enthalte des Verfassers gemacht worden, mit einigen Kupfern«.

Aber auch die Abhandlung über die Schönheit eignete sich zu einer Dedikation an Italiener. Er faßte den Gedanken (16. April 1763), ihre Übersetzung dem Kardinal Rezzonico zuzuschreiben.

Für die Londoner Akademie hätte er eine lateinische Abhandlung schreiben müssen. Er will (10. April 1761) in einer (schon entwor- fenen) lateinischen Schrift von der Kunst vor den Zeiten des Phidias, d. i. von den ältesten Zeiten der Griechen, der englischen Gesellschaft der Altertümer seinen Dank abstatten. Vielleicht fällt sie zusammen mit der in Paris (4257) und in der Bibliothek zu Savignano auf- bewahrten Dissertation De ratione delineandi Graecorum artificum

386 RÖMISCHE ZEIT

primi artium saeculi ex nummis antiquissimis dignoscenda. Auch die in Savignano erhaltene kritische Abhandlung Conjectanea in aliquot Graecorum auctores et monumenta war für diesen Zweck geschrieben 3.

Ausführung der Monumenti

Indem alle diese Entwürfe sich um einen Mittelpunkt kristallisierten, entstand das zweite große Hauptwerk Winckelmanns, die Monu- menti. Jede Münze sollte zur Erklärung mit einem noch nicht be- kannten Bassorilievo begleitet werden, eine vorläufige Dissertation über die Kenntnis des Stils vor Phidias vorangestellt werden.

Es war ein Werk in italienischer Sprache, bestimmt für Italiener, ein Zoll der Dankbarkeit gegen das Land, dem er, was er hier lehrte, schuldete, bestimmt, ihnen den Ertrag seines wissenschaftlichen Lebens in einer genießbaren Form darzubieten; ausgeführt unter den Augen seines Kardinals und mit dem Beistande gelehrter römischer Freunde. Auf sie war berechnet die Auswahl der »dunkelsten Mythologie«, der schweren Punkte in den Gebräuchen und der alten Geschichte, der »seltenen Vorstellungen«, in denen »erudizione« steckte. Daher die Bevorzugung der Denkmälerklassen, die der Deutung Rätsel aufgeben.

Dieser Plan gewann feste Gestalt im Frühjahr 1761; damals spricht Winckelmann von ihm in Briefen an die Akademie von Cortona, an J. J. Volkmann und an Stosch. Am i. Mai 1762 berichtet er L. Usteri, Franke und dem Verleger Walther, die Anlage habe sich erweitert; jeder Artikel bekommt seine Kupfer: »folglich wird es ein kostbares Werk in Absicht auf mich werden«. Der Plan erweiterte sich mit merk- würdiger Raschheit. Im Mai sind es fünfzig Kupfer, im Dezember über hundert, im Juni 1763 wenigstens einhundertundfünfzig, Ende 1765 zweihundert. Am Vorabend seines vierundvierzigsten Geburts- tages, am 8. Dezember 1762, kündigt er den Entwurf eines italieni- schen Werkes an unter dem Titel »Erklärung schwerer Punkte in der

3. [vol. 57, 1—6; Tibal S. 23—31; Reinschrift in Savignano, Biblioteca acca- demica, Winckelmann-Nadilaß I, i; s. die Nachweise II, 396 f. Conjectanea: Savignano, Winckelmann-Nadilaß II; Briefe III, 77, 80, 83, g6\ 458 f. mit Nachweis.]

AUSFÜHRUNG DER MONUMENTI 387

Mythologie, den Gebräuchen und der alten Geschichte, alles aus un- bekannten Denkmälern des Altertums«. Das Erscheinen war erst auf denHerbst 1763 angesetzt, dann auf Ostern 1764; da kam eineStörung.

Zu fortwährenden Erweiterungen reizte der Beifall, der den Ent- würfen von maßgebender Seite zuteil wurde. Er hatte den Geschmack der Italiener getroffen. »Man sagt mir, daß niemand anders der- gleichen zu machen imstande sei.« Der Kardinal, dem er die Abschnitte nach und nach vorlas, erbot sich im ersten Eifer, den Druck, aus- schließlich der Kupfer, auf seine Kosten zu besorgen (i.Mai 1762). Für Jahre war dies ein edelster »Zeitvertreib«. »Mein Freund macht mit aller Strenge den Zensor, doch bittet er bei jedesmaliger Erin- nerung um Vergebung.« Auch Contucci und dem zweiundsiebenzig- j ährigen Baldani wurde es vorgelesen, als »einem großen Gelehrten, von feiner Einsicht und einem scharfen Richter, il quäle cerca il pelo neir uovo«. Einmal, es war in Castello im August 1763, brach der kranke alte Herr in die Worte aus: Sentite! gl' Inglesi vi metteranno una statua: cosa piü bella, e insigne non e comparsa nell' antichitä (9. August 1763). Dann sollten nodi Bottari und Giacomelli für die letzte Feile (l'ultimo raffinamento) aufgeboten werden. Sogar der Papst fand großes Wohlgefallen an einem ihm vorgelesenen Stück (S. Santitä gradi infinitamente questa lettura). Der Gedanke an solche Zuhörer war nicht ohne Einfluß auf die Haltung des Buches.

Sehr wichtig für die Überwältigung der ersten und größten Schwie- rigkeiten war die dreijährige Hilfe eines Freundes und Malers. Gio- vanni Battista (Alvise?) Casanova, geb. 1730 in Venedig, gest. 1795 in Dresden, ein Bruder des bekannten Abenteurers, hatte in Dresden, wo schon der Vater im Dienste des Hofes gearbeitet, unter Silvestre und Dietrich seine Studien gemacht und war 1752 mit einer Pension von dreihundert Talern zu seiner Vervollkommnung unter Mengs' Leitung nach Rom gegangen. Er war dort sein Hausgenosse und galt für den besten unter seinen Schülern, ja für den besten Zeichner in Rom, be- sonders durch seine Kenntnis der Anatomie. Über seine Befähigung als schaffender Künstler gab man sich selbst damals keinen Einbil- dungen hin, Hagedorn, der ihn nach Dresden berief, meint, seine Werke würden wohl nie in den ersten Galerien gesucht werden; dagegen war er ein Akademie-Professor, wie er sein soll. Auch Winckelmann, der

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ihn seinen Freund nennt, empfahl ihn Hagedorn am i8, Februar 1764 für Dresden aufs wärmste. »Ich stelle Ihnen nur zu überlegen vor, daß er der beste Zeichner in Rom ist, weldies sehr viel gesagt ist; ein Mann, der seine Wissenschaft geometrisch versteht, der das Geheimste der Kunst durchgeschaut hat und den sein großes Talent zu allem, vv^as er wdil, geschickt macht . . . Ein einziger Casanova kann mehr Nutzen schaffen, als alle die armen Ritter, die durch Heinecken nach Dresden gezogen und unverdient unterhalten worden sind.« Er empfahl ihn z.B. Heinrich Füßli als Führer in Galerien, »um ihm nach dessen großer Kenntnis das Verhältnis der Gemälde zu öffnen«. Er hatte eine Kopie der Transfiguration im Auftrag Lord Baltimores geliefert, die zum Geschenk für den König bestimmt war und neben den Kartons zu Hamptoncourt aufgestellt wurde. Im September 1763 wollten sie zu- sammen nach Urbino reisen; im August 1764 zeichnete er Winckel- manns Profil 4.

Casanova war für die Zeichnung der Monumenti gewonnen worden und schoß einen Teil der Stecherkosten vor; auch in den Gewinn wollten sie sich teilen. »Die Zeichnungen«, schreibt Winckelmann den 12. Oktober 1763, »sind alle von Casanova, folglich können dieselben nicht anders als gut werden.« Als er den Ruf an die Dresdner Akademie erhielt, hatte er, »der mit aller Bequemlichkeit zu arbeiten liebte«, etwa die Hälfte fertig. Er reiste im September 1764 mit seiner hoch- schwangeren Frau (der leichtfertigen Toditer Rolands, des franzö- sischen Gastwirtes am Spanischen Platz) ab, ohne sich bei dem Freunde sehen zu lassen, doch nicht ohne für Ersatz zu sorgen.

Rätselhaft und wohl nur aus jener von Machiavell besungenen un- eigennützigen Lust an Betrug (si soave e l'inganno ec. Mandragola III) erklärlich ist, daß Casanova, während er seinem gelehrten Freunde so wichtige Dienste leistete, die doch ein Interesse an dem Unternehmen voraussetzten, zu gleicher Zeit ihn durch jene gefälschten antiken Gemälde lächerlich machte (S. 249). und selbst unter seinen Beiträgen zu den Monumenti mußte Winckelmann »viele Sachen ausmerzen, Be- trügereien, die der Schelm mir aufgehängt hatte, vertilgen«. Wie vieles

4. [Nachweise II, 489; 502. Die Originalzeichnung (Museum der bildenden Künste Leipzig) abgebildet bei A. Schulz, Die Bildnisse J. J. Winckelmanns, Berlin 1953, Abb. 5; ebd. S. 55 f.]

AUSFÜHRUNG DER MONUMENTI 389

wurde ihm nun verdächtig. Die Zeichnungen schienen überhaupt fatti come Dio vuole. Einige Stücke von geringer ErhebHchkeit wurden ausgeworfen; viele Platten von neuem gezeichnet und gestochen. Natürlich wurde »der zum Schelm gewordene oder vielmehr dazu ge- borene Casanova« nun von dem Werke ausgeschlossen (21. Januar 1765). Dies war ein harter Stoß für das Unternehmen. Winckelmann war nun ohne Zeichner. Die Kosten lagen auf ihm allein.

Unter diesen Umständen erfüllte es ihn mit einer Art Schaden- freude, als sehr bald nach Casanovas Abgang ein ärgerhcher Prozeß gegen den bisher unbescholtenen Maler angestrengt wurde. Er hatte von Bologna aus einen Wechsel, eine Schuldverschreibung, ausgestellt von Belisar Amidei über 3850 Scudi, nach Rom gesandt. Belisar prote- stierte den Wechsel und verklagte Casanova bei dem Senator wegen Fälschung. Eine öffentliche Vorladung vom 15. Dezember 1766, bei Vermeidung entehrender Strafe, sich ad locum curiae notum zu be- geben, zu einer Zeit, als Casanova schon zwei Jahre im Dienste des Hofes stand, konnte nur die Absicht haben, wie der kursächsische Minister schreibt, d'assurer le deshonneur de Casanova; denn dieser erfuhr davon erst Monate später und gerüchtweise. Winckelmann spricht außerdem von mehreren Diebstählen. »Diese schönen Taten haben sich nach seiner Abreise nach Dresden entdeckt, wo er einige Frist genießt, bis der Prozeß von hier wird dorthin Übermacht wer- den« (7. Dezember 1764). Er wurde am 16. Mai 1767 wirklich ver- dammt. Das Urteil zu zehn Jahren Galeere wurde an den vornehmsten Plätzen Roms angeschlagen. Eine Aufklärung dieser Sache habe ich nicht finden können; der Minister Bianconi legte beim Senator Protest gegen das Verfahren ein, da der alleinige Richter Casanovas der Kur- fürst sei; er forderte die Kassation des Urteils; aber der Staatssekretär wollte sich auf nichts einlassen. Wie Boden später (6. Juli 1768) an Klotz schreibt, pflegte Casanova in Dresden Winckelmann in der schlimmsten Weise zu schildern.

Dieser Zwischenfall kam schließlich dem Werke zustatten; ihm ver- danken wir die Monumenti in ihrer jetzigen Gestalt. Zwar für Mengs' angetragene Hilfe wurde gedankt: »ich hätte es lieber ins Feuer ge- worfen, als zu jenem Zuflucht zu nehmen«. Er glaubte, daß Mengs mit Casanova sich zu jenem Betrüge vereinigt habe; wenigstens der

390 RÖMISCHE ZEIT

Ganymed war ja Mengs' Werk. Bald schreibt er: »Ich und das Werk verliert nichts dadurch, sondern es gewinnt und wächst . . . alle Tage an Kupfern und an Gelehrsamkeit« (S.Dezember 1764). Er sah sich nun auf eigene Füße gestellt: »ich muß sehen, wie ich es mit eigenen Kräften bestreiten mag« (21. Januar 1765). Statt es zu kürzen, wenig- stens in der Illustration, sieht man ihn gleich am Anfang des neuen Jahres 1765 beschäftigt, »neue Denkmäler zu suchen und zeichnen zu lassen«. Im Anfang des Sommers arbeiten drei, später vier Kupfer- stecher und zwei Buchdruckpressen; Ende August konnte zum Abdruck der ersten Platte geschritten werden, als der Ruf nach Berlin eine Unterbrechung brachte. Die Platten, die er hätte mit über die Alpen schleppen müssen, machten fast drei Zentner. Seit dem September arbeiteten auch zwei Kupferpressen; zunächst wurden nur 400 Exem- plare abgezogen. Die Zahl der Tafeln stieg endlich auf 216.

Aber auch mit den Erklärungen ging es nun etwas umständlicher. Das Lesen der alten Scribenten begann zum »zweiten oder dritten Male«; er verwundert sich selbst über die verborgene Gelehrsamkeit in dieser Arbeit. Der Text sollte im Herbst druckfertig sein: im Juni 1765 war beschlossen worden, zwei Folianten daraus zu machen. In der typographischen Ausstattung konnte er sich zum ersten Male ganz seiner Prachtliebe überlassen: Folio, verschwenderischer Rand, unverbraudite Schriften ähnlich denen der Frobensdien Basler Drucke. Er meint, das Papier (für die beabsichtigte Auflage von 1 000, die auf 630 herabgesetzt wird) betrage allein 1000 Scudi. Der Preis wurde auf vier Dukaten oder Zechinen gesetzt, die im März 1766 auf fünf bis sechs, und in der letzten Stunde, im Januar 1767, auf acht erhöht wurden.

Zum ersten Male am 25. Juli 1766 wird die Absicht ausgesprochen, den Monumenten eine neue bündige Bearbeitung der Kunstgeschichte vorauszuschicken unter dem Titel II trattato preliminare del disegno e della bellezza. Aber das Italienische erwies sich, trotz dem feinen Baldani, so mangelhaft, daß die zwölf ersten Bogen umgedruckt wer- den mußten, ein Verlust von über hundert Scudi. Nun wurde ein »sprachverständiger Florentiner, ein sehr guter Bekannter noch aus Dresden her«, für zwei Zediinen wöchentlich gewonnen, den Text in Absicht der Sprache durchzusehen, von neuem abzuschreiben und die Korrektur zu besorgen; mit ihm arbeitete der Verfasser unter Seufzen

AUSFUHRUNG DER MONUMENTI 39I

täglich einige Stunden, »alles bis aufs Kardien durchzusehen« (i i. Ok- tober 1766).

Die Schweizer wünschten sein Bildnis gegenüber dem Titel zu sehen, aber dies wurde Mechel gegenüber am 27. September 1766 abgelehnt: »Mein Bildnis kann mein Werk nicht zieren; es würde mir billig als eine törichte Eitelkeit ausgelegt werden, da ich selbst der Verleger bin.«

Der Ausgang wurde endlich auf Ende Januar 1767 bestimmt; aber der damals bewunderte Stich des Antinous, dessen Zeichnung allein sechs Zechinen kostete, brachte noch eine letzte Verzögerung bis zum April. In diesem italienischen Wonnemonat sah er das Schmerzens- kind denn endlich vor seinen Augen und erstaunte selbst, »daß er ein so großes und weitläufiges Werk auf seine Kosten ohne Subscribenten habe zustande bringen können« (11. April 1767). Freitag nach Ostern wurde es Seiner Heiligkeit überreicht.

Wer eine Ahnung hat von den Schwierigkeiten, dem Zeitaufwand und den Kosten eines solchen Unternehmens, wird immer wieder mit Goethe staunen, daß er »als ein armer Privatmann leistete, was einem wohlgegründeten Verleger, was akademischen Kräften Ehre machen würde«.

Auch hier sieht man wieder, wie die überall längst bestehende Tei- lung der Arbeit in Rom ignoriert werden konnte. Daß der Autor zu- gleich sein Verleger sein muß, war dort etwas ganz Gewöhnliches.

Nicht ohne Pein kann man freilich die Mühen und Ängste, die Ver- luste an Zeit mit ansehen, die der Autor über sich nehmen muß. Jahre- lang wird das Buch fast in jedem Brief erwähnt, aber nur, um von soldhen Sorgen zu erzählen, die dem Autor abgenommen werden soll- ten. Selbst die Schriftstellerarbeit hatte er sidi durch die Übersetzung ins Italienische verdoppelt. Der gelehrte Stoff allein, die Forschung würde für ein Lebenswerk reichen: in wie wenigen Jahren wurde er zusammengebracht! Aber ebensoviel Arbeit anderer Art muß die voll- endete Rundung des Vortrags, die Präzision und Klarheit des Aus- drucks in der fremden Sprache gekostet haben. Denn der Fremdling hat die einheimischen Schriftsteller in dieser Materie überflügelt.

Wie seine Arbeitskraft und Geschicklichkeit muß man doch auch die Gunst der Umstände anerkennen, die nie vorher und nachher bei einem ähnlichen Werke so zusammengewirkt haben. Die seit langer

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Zeit aufgehäuften Inedita, die bisherigen falschen Begriffe der Aus- legung, die günstige Stellung als päpstlidier Antiquar, das Interesse zahlreicher in Europa zerstreuter Freunde alles kam ihm entgegen. Der Selbstverlag hatte das Gute, daß er ganz frei waltete, mit keinem bedenklichen Verleger (und wer hätte hier die Geduld behalten) über seinen fortwährend sich ändernden, wachsenden Plan zu verhandeln brauchte.

Was den Selbstverlag betraf, so hatte ihn der kluge Franke gleich gewarnt. Man befürchtete einen holländisdien Nachdruck; der Kardinal bemühte sich durch seine Freunde in Holland und Frankreich um ein Privileg gegen eine französische Übersetzung. Aber jenes Bedürfnis, jede aufblitzende Idee eines Buches oder Änderung des Planes am näch- sten Posttag in alle Länder, wohin er Briefe schrieb, zu verkünden, erwies sich hier, wie Offenheit meist, als politisch. Die Freunde fingen an, sich so für das Buch zu erwärmen, daß er bald fast in jedem Lande einen hatte, der den Vertrieb bereit war in die Hand zu nehmen. Die Anziehungskraft des Gegenstandes, die durch das historische Werk hochgesteigerte Meinung von der Leistungsfähigkeit des Verfassers, die Teilnahme an seinen dürftigen Umständen machte seine Bitten unwiderstehlich. Viele steuerten zu den Kosten des Druckes bei. La Rochefoucauld ließ bei seiner Abreise ein Geschenk von hundert Scudi zurück. Stosch sandte im Juli 1766 auf seine Bitte hundert Zechinen, die bereits im Mai 1767 zurückgezahlt werden konnten. Der »wür- dige« HoUis ließ durch Jenldns um ein Exemplar bitten mit dem Befehl, sofort zehn Guineen auszuzahlen. Die deutschen Fürsten kamen da sehr zu rechter Zeit.

Die Vorrede zur Kunstgeschichte, aus dem Juli 1763, brachte am Ende bereits einen Hinweis auf das große Werk. Schon im November 1763 sandte Winckelmann gedruckte Anzeigen in die Schweiz und bat. Liebhaberlisten zu sammeln. Im Juni 1763 läßt er durch Barthelemy in Paris Nachricht von dem Werk geben; dieser und Desmarest über- nahmen die Besorgung für Frankreich. Die Zürcher nahmen elf, Meciiel bestellte vierzehn Exemplare, im ganzen sandte er vierzig in die Schweiz, die er selbst mit der größten Sorgfalt padcte. Hamilton, der seine Dienste zum Vertrieb des Werkes in England antrug und es in seinem eben erscheinenden Vasenwerke herausstreichen ließ, meinte.

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er müsse wenigstens dreihundert Exemplare auf England rechnen, und den Preis auf vier Guineen setzen (anStosch, lo. Dezember 1766). In England sei die italienische Sprache bekannt. Er wollte an Adam schreiben, daß er beim Empfang jener Exemplare zwölf hundert Guineen mit einem Male auszahle (was aber Winckelmann auch von einem Freunde nicht verlangen zu dürfen glaubte); am besten sei es, er gehe selbst nach England, um mit einem Male ein Kapital zu machen. In Berlin sollte erst Schlabrendorf »den Ruffiano machen«; Stosch tat es für Preußen und' Sachsen, wo der Verfasser »wichtige Ursachen hatte, kein Niederlage zu madien«. Als sich in Berlin Schwie- rigkeiten wegen des Vertriebes herausstellten, bot er Nicolai auf neun Exemplare ein Freiexemplar an (auf vierzig war gerechnet), aber durch Stoschs »unendliche Bemühungen und nimmer zu verdankende Gefälligkeit« wurde alles gut. Die Kiste, welche die Exemplare für den König mit einem kurzen deutschen Schreiben, für den Prinzen Heinrich, »welcher es verlangt hat«, und für Stosch enthielt, sandte er franko bis Ancona, von wo sie monatelang über Venedig und Augs- burg reisten. Stosch überreichte dem König das Werk, »und alles, was ich geschmiert habe«, in roten Corduan gebunden ^ Friedrich hatte weitläufig mit dem Herzog von Anhalt über ihn gesprochen. Auch auf dem Landhause des Prinzen Ferdinand bei Berlin, wo Stosdi im Sommer 1767 zu Gast ist, war viel von dem Werke die Rede ge- wesen; Herr von Bielefeld wollte für den Vertrieb in Deutschland sorgen. In Kopenhagen bestellte Wiedewelt vierzehn Exemplare, Moltke sechs. Münchhausen in Hannover erbat drei, v. Berg in Liv- land nahm »großen und großmütigen Anteil«. Aus Brüssel verlangte Graf Cobenzl das Werk durdi die Post^. Sogar nach Konstantinopel wurden einige abgefertigt.

Er glaubte, alles mögliche tun zu müssen, den größten Vorteil das erste Jahr zu machen. Er hegte große Erwartungen, »er habe ein

5. [18 14 als Dublette, zur Sdbonung, der Bibliothek der Berliner Akademie der bildenden Künste überwiesen und seit 1943 durch Auslagerung vermißt. Winckelmanns mehrfach erwähnter, mit Absicht in deutscher und nicht in französischer Sprache niedergeschriebener Brief ist verschollen.]

6. [10. Juni 1767; III, 273. Den Briefwechsel Winckelmanns mit Cobenzl edierte A. Pinchart, Compte rendu des seances de la Commission royale d'Histoire, 4. Serie, 1883, XI, 193—204; s. Briefe III, 272, 283, 354, 368.]

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Kapital von loooo Scudi gemacht« (i. Juli 1767); für den Abgang sei ihm nicht bange; dies Buch müsse sich für alle Gelehrten notwendig machen: wer die gelehrten Altertümer und die zur Kunst gehören, lernen wolle, habe weiter kein Buch vonnöten. »Der Gewinst dieser schweren Arbeit soll das Kapital auf mein Alter sein, das ich gottlob noch nicht empfinde« (an Berendis, 26. Juli 1765). Er hofft nun, sein Leben in Rom beschließen zu können; es möge ihm absterben, wer da wolle; auch den Posten an der Vaticana glaubt er nun aufgeben zu können.

Die Hoffnungen auf schnellen Absatz erwiesen sich freilich als eitel. Schon im Juni 1767 klagt er über Langsamkeit des Vertriebes. Anfang 1768 hatte er sich schon darein ergeben, daß kein starker Abgang zu erwarten sei; es sei ein Buch, das sich vielleicht nur nach zehn Jahren verkaufen werde.

Zwar mit dem Nachdruck blieb er verschont; aber sonst wurde ihm keines der Leiden erspart, die ein Nichtkaufmann bei einem solchen Wagnis über sich nimmt. Welche Frachtunkosten, welcher Schnecken- gang der Sendungen, welche Mißverständnisse! Ihm fehlte das Tem- perament und die Methode des Geschäftsmannes; er verlangte stets zu viel oder zu wenig; da er fast nur mit Freunden zu tun hatte, so übte er entweder oder beanspruchte mehr Edelmut, als in soldien Dingen angebracht ist. Ein seltsamer Verleger, der »das Geld so wenig achtet als seine Schuhe!« Welche Zeit verlor er mit »Kollationieren« der Exemplare: »ich zerreiße andere Exemplare«, schreibt er den Zürchern, »um Euch, den Auserlesenen unseres Geschlechts, so viel an mir ist, etwas Auserlesenes zu senden« (18. April 1767). Sonst besorgte das Packen der befreundete Kaufmann Barazzi in Via della Croce, sein Ratgeber im Geschäftlichen. Aber er schickte auch mehr Exemplare als bestellt waren, z. B. Wiedewelt sechzehn statt vierzehn, »für einige sich vielleicht noch meldende Liebhaber, weil ich in dem Kasten annoch Raum fand«. Die nachträgliche Erhöhung des Preises, ohne Zustimmung der Subscribenten, machte ihm große Angst; er sei durch andere »übertäubt« worden; möchten nur die Freunde glauben, »der Preis sei durch das Werk bezahlt, der Nutzen aus demselben halte dem hohen Preise die Waage«. Indes hier konnte er getrost sein. »Die Schweizer sind mit mir zufrieden, die Franzosen noch mehr; also hoffe

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ich auch, werden es die Dänen, meine ältesten Freunde, sein« (an Wiedewelt, 9. September 1767).

Auch er selbst war mit sich zufrieden; und diese Zufriedenheit galt ihm als Zeichen von einem gewissen (d. h. unzweifelhaften) Wert der Arbeit. Bis zu ihrer Vollendung hatte er die Freunde gebeten, ihm ihr Lob aufzuheben. Es sollte das Denkmal sein des zwölfjährigen Weilens auf dem Boden der ewigen Roma, der Sacra Italia, sein Exegi monu- mentum.

Das Werk besteht aus zwei Teilen. Aber der erste, dessen Umfang ein Drittel des anderen beträgt, wurde erst spät in den Plan aufgenom- men und nicht einmal in der Fassung des Titels berücksichtigt. Es war eine neue Bearbeitung eines älteren, an Inhalt und Geist ganz ver- schiedenen Werkes der Kunstgeschichte, damit den Italienern hier das gesamte wissenschaftliche Lebenswerk des Verfassers vorliege.

Aufmerksame Leser seiner früheren Werke waren erstaunt, ihn in einer so ganz neuen Rolle auftreten zu sehen. Denn was er sonst als seinen Vorzug bezeichnet hatte, die Beurteilung der Denkmäler vom Gesichtspunkt der Kunst wird förmlich abgelehnt; und sogar als Vor- zug seiner Sammlung bezeichnet, »daß, während die bisherigen nur leicht zu erklärende Denkmäler aufnahmen, und durch Gefälligkeit der Komposition und Eleganz der Zeichnung bestimmt wurden, hier nur schwer erklärbare, ja von anderen Gelehrten als unauflösliche Rätsel aufgegebene ausgewählt sind, und zwar in der Absicht, den dargestellten Gegenstand ins Licht zu setzen und darin verborgene Gelehrsamkeit zu enthüllen«.

Selbst Inedita, deren Verdienst aber bloß in der Zeichnung oder in der Vollendung (finimento) der Ausführung bestand, wurden aus- geschlossen. Sonst (bemerkt er) würde das Werk auf das Doppelte des jetzigen Umfanges gekommen sein. Daher machen die Basreliefs über die Hälfte aus (112), ein Viertel und mehr die Gemmen (60). Der Rest verteilt sich unter Statuen, Büsten, Statuetten und Gemälde (von allen diesen je sieben); sechs Mosaiken, elf Vasen, ein Silbergefäß, zwei Spiegel und eine Münze.

Allerdings schlössen sich beide Gesichtspunkte nicht ganz aus. Es konnte nicht fehlen, daß mancherlei Proben aus allen Epochen der Zeidmung hineinkamen. Wir erhalten altägyptische und neuäg)^ptische

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Werke, etruskische Gemmen, altgriediisdie und archaistische Reliefs, Werke des hohen und des schönen Stils usf. Deutsche Leser fanden in den Kupfern mit Dank »die Belege und Urkunden zu seinen bis- herigen Schriften«. »Das Lesen der deutschen Schriften Winckelmanns (bemerkt Heyne) war bisher sehr beschwerlich. Man sah Winckel- mann eine Menge Kunstwerke in und außer Rom nennen, rühmen, beschreiben, darüber urteilen und daraus folgern, ohne daß man Vor- stellungen davon wenigstens in Kupfern hatte. Sein Werk befriedigt unsere Wünsche.« Indes war dies Zufall, denn nicht einmal die wenigen Stücke, auf die er die Stilcharakteristik in der Einleitung gründete, wurden aufgenommen. Nur in einem Punkte hat Winckelmann seinem alten Prinzip, der Schönheit, ein Opfer gebracht. Einige seiner Lieb- lingsstücke, Werke des schönsten Stils, hat er in der ausführlichen Manier der Schule Joseph Wagners stechen lassen: es ist das Antinous- relief der Villa Albani, der An tinouskopf der Villa Mondragone (179 f.), der ihm selbst gehörende Panskopf (69), der »Leukothea«-Kopf des Kapitols (55), der sterbende Alexander (115) und eine Statue: der Sauroktonos (40). Einmal wenigstens in seinem Leben wollte er das, was er von der Griechenschönheit bezeugt hatte, würdig illustrieren; und so hat er, was ihm schon im ersten römischen Jahre vorschwebte, als er die Statuen des Belvedere stechen lassen wollte, im letzten voll- bracht gesehen.

Dies war aber auch alles. Gleich beim Erscheinen des Werkes wun- derte man sich allgemein, wie es Winckelmann möglich war, bei der Besprechung von zweihundert alten Werken über die Kunst ganz zu schweigen. War es deshalb, weil sich »sein deutscher Kopf nicht teilen konnte«? Aber die Beschäftigung mit diesen Werken scheint ja solche Bemerkungen aufzudrängen. Sogar Leute von ausschließlich gelehrter Richtung, wie Zoega und Visconti, sind in dieser Beziehung reicher.

Die Sammlung enthielt z. B. sehr vollständige Proben der antiken Reliefmanieren, von der ägyptischen en creux und der ältesten griechi- schen an, wo das Relief nur ein mit Hilfe der Skulptur wiedergegebenes Gemälde ist. Es waren da hieratische aller Abschattungen, einige der hohen Zeit, darunter eines wert, dem Parthenonfries an die Seite ge- stellt zu werden, dann Kleinode voll zartester Vollendung; in Plastik übertragene Gemälde; Kompositionen von prozessionsartiger Einfalt

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bis zu den überladenen Madiwerken der Kaiserzeit, mit runden, vom Hintergrund losgelösten, neben- und hintereinander sich drängenden Figuren vollgestopft. Wie lehrreich für die Bildhauer w^äre hier ein Kapitelchen über den Reliefstil gewesen.

Die Mehrzahl dieser Reliefs gehörte zu Sarkophagen: für diese Kunstgattung ist Rom Hauptort. Aber über die Beziehung ihrer Szenen auf die Bestimmung des Sarkophags findet sich nicht eine Bemerkung.

»Wir Deutsche«, schrieb man 1768 von Göttingen, »hätten es ihm Dank gewußt, wenn er uns die Kunst an den Werken mehr entwickelt, und besonders an den in erhabener Arbeit über die Anlage, die Aus- führung, die Anordnung und Zusammensetzung und selbst über die Zeichnung sich mehr herausgelassen hätte . . . Unrichtige Zeichnungen der alten Künstler sind in den Beschreibungen nirgends bemerkt, auch nicht Urteile über die Stellung und den Ausdruck der Figuren, über Anordnung und Zusammensetzung, so ungesdiickt und abenteuerlich sie oft ist 7.«

Überblidit man nun die nach solchen Gesichtspunkten gemachte Auswahl von weit über zweihundert Denkmälern, so muß freilich der ehrgeizige Anfänger solchen Reichtum des Inedierten und Unerklärten mit Neidesaugen betrachten.

Glück ist bei derartigen Unternehmungen immer eine Bedingung. Die letzte Sammlung römischer Basreliefs waren P. S. Bartolis Admi- randa Romanorum antiquitatis, 1693; die von ihm übersehenen und die im Laufe des achtzehntenjahrhunderts zutage gekommenen Werke waren für Winckelmann aufgehoben geblieben. So viel hatte sich an- gesammelt, daß er von den in seinen Jahren entdeckten Werken (ob-

7. Ähnlich Klotz Acta lit. V, ii5£E.: Quis enim non a W. imprimis expec- tabat Judicium de ingenio artificum, de linearum indole, demanuum elegantia? aut quis melius de his omnibus judicare poterat, eo viro, qui tot monimen- torum sapienti contemplatione oculorum aciem quasi exercuerat, ingeniique in spectandis operibus et puldiritudine sentienda et judicanda elegantia optimis praeceptis et exemplis confirmaverat? Sed ejusmodi disputationes fere frustra quaesivimus. Parcissime attingitur ratio ea, quae artificio con- junctior est. Mihi quidem videtur vir praestantissimus Italorum studiis inserviisse, quibus copiosae eruditionis speciem magis placere constat ingeniosa illa et amoena venustate.

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wohl fast kein Monat ohne ein solches Geschenk verging) kaum ein Dutzend aufzunehmen Anlaß fand. Dazu kam die Bequemlichkeit der Benutzung, »die Gewohnheit täglichen Umgangs «.Lessing und Goethe haben den Verdacht der Parteilichkeit für die Werke seines Herrn aus- gesprochen; die Zahl der Albanischen Denkmale, die das Register auf- weist, beträgt allerdings 114, während das Kapitol mit 62, die Villa Borghese mit 50 auftritt. Auch wird jedes Albanische Altertum, wenn sich irgendein Anknüpfungspunkt auftreiben läßt, wenigstens einmal genannt; die mehrmals unternommene Beschreibung der Villa ist in dieses Werk übergegangen; indessen sind unter den publizierten nur 48, und bekannt ist der Reichtum dieser Sammlung an gelehrten Werken. Winckelmann hatte diese Schätze seit seinem Eintritt ins Albanische Haus eifersüditig für sich gehütet (s. II, S. 169 f.).

Für die Ordnung konnte natürlich nur der Grundsatz der Auswahl maßgebend sein: der Gegenstand bildete den Einteilungsgrund; wie bei den Gemmen folgen sich: Mythologie der Götter, historische bis zur Heimkehr des Odysseus; Geschichte Griechenlands und Roms; endlich Sitten, Gebräuche und Künste. Einige Antiquitätenkapitel wer- den im Zusammenhang erörtert, z. B. die Bühnenaltertümer Kap. 9 zu Nr. 189—196, und die Schiffsaltertümer zu Nr. 207.

Die Kupfer

Der am wenigsten glänzende Teil der Publikation war das, was am meisten Geld und Zeit, Sorge und Ärger gekostet hatte. Freilich hatte Winckelmann keinen Wille und Schmidt, keinen Morghen und Strange zur Verfügung. »Die Kupferstecher in Italien«, schreibt er den 16. No- vember 1758, »sind fast alle mittelmäßig.« Doch nicht bloß die Eleganz des Stichels, auch die Genauigkeit der Zeichnung ließ viel zu wün- schen übrig.

Winckelmann fordert hier selbst die Kritik heraus, da er im Buche ungenaue Zeichnungen seiner Vorgänger streng tadelte (z.B. 130), und in der Genauigkeit des Sehens einen Vorzug seiner Erklärungen fand. Heyne rügte sogleich, »daß die Größe und Beschaffenheit der Denkmäler nur zuweilen etwas genauer bestimmt sei«; schhmmer und

DIE KUPFER 399

befremdlich bei dem Verfasser einer Schrift von Ergänzungen war die Nichtangabe der restaurierten Teile in den Stichen. Zoega fand, daß das Werk hierdurch einen großen Teil seines Nutzens einbüße, besonders da dieser Mangel nicht durch Beschreibungen ersetzt werde, die für den gelehrten Gebrauch großenteils statt der Abbildungen dienen können.

In dem Albanischen Relief der Hochzeit des Kadmus und der Har- monia (28) stammt die ganze irrige Erklärung (Mars und Venus) aus der Aneignung der Idee des Restaurators, wobei dann die sich auf- drängenden Gegeninstanzen aus den Launen des Künstlers erklärt werden. Die von ihm auf der herrhchen archaistischen dreiseitigen Ära der Villa Borghese (15) entdeckte Juno Martialis, deren Zange eine Evolution antiker Taktik bedeuten sollte, war Vulkan, dessen langer Mantel den Ergänzer verleitet hatte, eine Göttin daraus zu machen. Auch den kriegerischen Bacchus (6) hat der Ergänzer auf dem Gewissen, der (und Winckelmann nach ihm) die Nebris für einen Panzer nahm.

In einigen wird die große Ungenauigkeit entschuldigt durch die Unmöglichkeit, das hoch an einer Kasinofassade eingelassene Relief in der Nähe zu betrachten. Bei dem Borghesischen Prometheus- und Pandorarelief (82), wo Winckelmann erst mit dem Glase die Ergän- zungen bemerkte und auch dann seine Erklärung nur zweifelnd gab, ist der Stich so falsch, daß er gar keine Vorstellung vom Original gibt; Welcker erkannte darin die Verbindung von Vulkan und Venus. Eben- so untreu war das wohlerhaltene Relief daselbst (135), die Zurück- führung von Hektors Leiche nachTroja, das vielmehr die Bestattungs- feierlichkeit darstellt. Die Inschrift Zethos, Antiope und Amphion auf dem Borghesischen Orpheusrelief (8$) konnte Zoega erst bei der Herabnahme von der Mauer des Kasinos im Jahre 1808 als modern erkennen, womit diese ganze Deutung zusammenfiel.

Was die Stiche betrifft, so sind sie der Mehrzahl nach mittelmäßig. Es macht einen kläglichen, fast komischen Eindruck, nach den hohen Worten im Text diese Bilder anzusehen, die jene doch eingegeben haben sollen. Man hat es ihnen nachgerühmt, daß sie von der modi- schen Grazie französischer Zeichner frei seien. Dies ist richtig: aber sie sind auch ohne die Grazie der Antike. Sie bleiben selbst hinter dem

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Maßstab damaliger Zeit zurück. Freilich pflegten die Italiener seit dem XVI. Jahrhundert den Verehrern der Antike das Niederträch- tigste zu bieten, was den edlen Namen Kupferstich verunehrt.

Allerdings müssen sie unter seiner speziellen Aufsicht gemacht wor- den sein; deutlich angegeben ist z. B. das griechische Profil (in einer Anzahl hat die Linie eine leidite konvexe Krümmung), die tiefen großen Augen, der schmale Mund, das volle Kinn; auch in der Ge- wandung, bei sachlich wichtigen Gebärden, in einigen Stildharakteri- stiken (z. B. des archaistischen) ist seine Leitung erkennbar. Die ganz verschiedene weiche, warme Manier in den nach Bartoli wieder- gegebenen Gemälden (114., 118.) beweist, daß man die malerische Manier, die den Stechern geläufig war, absichtlich vermied, wo sie nicht paßte, wofern dies nicht alte Platten waren.

Aber man sieht es den Stechern an, daß sie ohne eigenes Gefühl des antiken Stils, nach Vorschriften, jene Details nachgeahmt haben, wäh- rend sie sich sonst ganz ihrer Routine überließen.

Verschiedene Hände sind zu unterscheiden. Winckelmann ließ ja einmal gleichzeitig vier Stecher für sich arbeiten. Im allgemeinen nimmt der Wert ab mit der Größe der Figuren. Die Mehrzahl der Reliefs und Gemmen (1—7, 9—13, 15 usf.) sind bloß umrissen, ohne Schattierung, auf horizontal schraffiertem Grund; die Muskeln mit leichten Nadelstrichen angedeutet. Die Linien sind hart, stark, ohne Fluß, daher das Zerknitterte, Zerzauste (chiffonne) der Zeichnung. Da- bei hat der Stecher die Erklärung, die ihm mitgeteilt war, auf die Reproduktion oft in seltsam täppischer Weise einfließen lassen: eine Munterkeit in Wendungen und Gesten, ein grimmiger, kläglicher, drohender, süßlicher Blick entfließt seiner Nadel.

Eine andere Hand ist in Stücken wie 50, 87, 95, 116, 124, 134, 183 und in den meisten Vignetten erkennbar. Die Figuren sind mit leichter, kräftiger Nadel ausgeführt, sie runden sich gut ab mit Hilfe starker Schlagschatten, und der Stecher hat sich eine Manier des antiken Typus gebildet, bei der nur gewisse wunderliche Verzeichnungen ste- hend sind, z. B. Verkleinerung der Extremitäten fast bis zur Ver- schrumpfung (72). Eine breite, fast elegante Nadel zeigen 57, 108, 127, 141.

Bei einigen besonders hochgeschätzten Reliefs sind die Figuren mit-

METHODE DER DEUTUNG 401

tels dreifacher Schraffierung und Punkten in feiner Abstufung schat- tiert. So die Niobide 150, Kapaneus 109, Diogenes 72 f., Juno 54. In sehr wenigen ist der Charakter des Marmorreliefs ohne die sonst durchgängige und immer etwas flaue Manier, mit Sauberkeit und Schärfe nachgeahmt, z.B. bei dem neapelschen Relief der Helena (115); vgl. 21, 51, 183. Es wäre möglich, daß er auch hier fertige Platten vorfand. Von Stosch erhielt er, wie es scheint, deren acht.

Die erwähnten, bloß ihrer Schönheit wegen aufgenommenen und im größten Maßstab mitgeteilten Köpfe und Statuen sind von Nic- colo Mogalli (geb. 1723), einem talentvollen, seit 1750 in Rom leben- den Kupferstecher, der auch für die Galerien von Florenz, Portici und für das Kircherianum arbeitete. Es scheint derselbe zu sein, den Winckel- mann in seinem beständigen Solde hatte (23. Januar 1768). Sie sind sorgfältig gezeichnet und nicht übel gestochen; doch überstieg es das Vermögen jener Zeit, sich der ganz an den letzten Malerschulen her- angebildeten flauen Manier zu entäußern und der Marmorstrenge und Marmorblässe anzupassen. Überall fehlen bezeichnende Züge, z.B. bei dem Leukotheakopf (85) die Schwellung des Stirnknochens und die Horizontalfalten des Halses.

Sonst waren diese Blätter für den gelehrten Gebrauch zu ungenau, und für die genießende Betrachtung, als Einladung zu näherer Be- kanntschaft (was z. B. die herkulanischen erfüllten), zu abstoßend ungefällig, zum Teil bis zum Rohen.

Methode der Deutung

Außer dem Glück war es die Methode, der das Werk seinen Erfolg verdankte. Auf die Methode war er gekommen bei der Bearbeitung des Stosdhischen Verzeichnisses.

Die erste Maxime war, daß die Alten in ihren Werken, sonderlich Reliefs von mehreren Figuren, keine müßigen oder »bloß idealischen« Bilder entworfen haben, d. h. solche, die keine bestimmte, bekannte Geschichte vorstellen. Nicht als wenn Erfindungen, Spiele der Laune (cose inventate a Capriccio) ganz fehlten. Bacdianale, Tänze usf. seien auszunehmen. Aber es müssen unverkennbare Anzeichen solcher

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Phantasien da sein. Da die Malerei nach Simonides eine stumme Dicht- kunst ist und nach Plato ihr Wesen die Fabel ([j-'ji>o?) , so muß der Künstler, der als Dichter auftreten will und der dichterischen Be- geisterung freien Spielraum geben, ebenfalls Gegenstände der Fabel wählen. Die Stoffe antiker Bildwerke sind also im mythischen Zyklus von der Theogonie an bis zum Ende der Odyssee zu suchen. Auch durch die Angaben öffentlicher Kunstwerke im Pausanias fand Winckel- mann den Grundsatz bestätigt, daß die Quelle der Künstler Homer sei. Nur hat man in der Folge den Zusatz nötig befunden, daß sie allezeit der ihrer Zeit nächstliegenden Wandlung der Sage, z. B. der tragischen oder der alexandrinischen, sich anschlössen; »daß sie keines- wegs die homerischen oder epischen Sitten darzustellen beabsichtigten«.

Eine Ausnahme machen die Taten Alexanders, die öffentlichen Kai- serdenkmäler, die sagenhafte römische Urgeschichte und die Bilder der Münzen.

Dieser Grundsatz bedeutete für die damalige Archäologie, beson- ders die italienische, eine förmliche Revolution. Viele Szenen, die heute jedermann so geläufig sind wie die biblische Geschichte, waren bis dahin durch ein festgewurzeltes Vorurteil auf die wunderlichste Art mißdeutet worden. Man suchte die Gegenstände des Reliefs allgemein in römischer Geschichte und Sitte.

In dem Raub der Töchter des sikyonischen Königs Leukipp durch die Dioskuren auf einem Sarkophag der Villa Medici (6i) sah man den Raub der Sabinerinnen. In der großen kapitolinischen »Urne des Septimius Severus« mit einer symmetrisch gehaltenen Darstellung des Achill auf Skyros fand Piranesi dasselbe Ereignis nebst dem darauf folgenden Friedensschluß zwischen Romulus und T. Tatius; derselbe entdeckte in dem flehenden Priamus (134) den Triumph des Romulus über König Akron und des letzteren Totenklage. In der Ermordung der Polyxena durch Neoptolemus (144) sah jener abenteuerliche neapolitanische Scharlatan, der Basilianermönch Joh. Chrystomus Scarfö, Lucrezia und Tarquin. Eine Gruppe des Mars und der Venus mit römischen Köpfen galt für Coriolan, der den Bitten seiner Mutter nachzugeben im Begriff steht. Nur in einem Fall mußte eine Szene nach vielfachen Wanderungen innerhalb der griechischen Welt der römischen Sage zurückgegeben werden: die Hochzeit des Peleus und

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der Thetis im Palast Mattei (iio), die eine Zeitlang für einen be- sonders guten Griff Winckelmanns galt (da dies gefeierte Ereignis bisher noch auf keinem Denkmal bemerkt worden war), ist neuer- dings mit Wahrscheinlichkeit »Mars und Rhea Sylvia« benannt wor- den.

Eine Reihe glüddicher Erklärungen, die sich sofort ergaben, zeigte, wie ein richtiges Prinzip ohne große Mühe auf eine Menge Wahr- heiten führen kann, wo man sonst mit allem Scharfsinn, Phantasie und Gelehrsamkeit nur Irrtum auf Irrtum häuft.

Zu ihnen gehört die Entdeckung der Geschichte des Protesilaus und der Laodamia auf dem Barberinischen Sarkophag (123), wo Beger die Geschichte der Alkestis gesehen hatte. Eine gute Intuition war der vom Blitz getroffene Kapaneus auf einem Albanischen Relief (109), die später durch eine Gemme mit dem am Hinterkopf sichtbaren Blitz bestätigt wurde. Ähnliches Lob verdient ein kleines, sehr vollendetes Fragment im Besitz des Auslegers, wo er (nach Zoega) »mit unge- wöhnlichem Scharfblick« den Triumph des Bacchus über die Indier ahnte, ohne die vollständig erhaltene Replik im CoUegio Inglese zu kennen (jetzt im Museo Chiaramonti). Besonders einleuditend war die Erklärung des Corsinischen Silbergefäßes (nach Paciaudi die Be- fragung des Orakels der Fortuna zu Antium) als Urteil des Areopags überOrest (32). Nennenswert sind auch das Fragment mit dem Frevel an Kassandra (141), das letzte Opfer des Oedipus (104), die Geschichte der Medea im Hofe des Palastes Lancelotti (90 f.) und die (vollstän- digste) Darstellung der taurischen Iphigenienfabel im Palast Accarom- boni (149). Die gelehrteste Erklärung aber war die Entdeckung der Fabel der Alope auf dem Sarkophag an der Vorhalle des Kasinos in Villa Pamfili (92), in der Beger Kephalus und Prokris gefunden hatte; nach Welcker »die einzige bis jetzt bekannte Darstellung der Fabel der Alope, und wir schöpfen diese Fabel aus einer einzigen Erzählung des Hygin«.

Andere Funde waren schon durch frühere Schriften vorweggenom- men, besonders auf geschnittenen Steinen (II, S. 324). Zwei Gemmen, die bereits herausgegeben waren und deren Erklärung er wohl erst nach Abschluß der Kupfer fand, kommen im Eingangstraktat vor, der angebliche Tantalus mit Ganymed (LVI), und Herkules mit Omphale,

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Ptolemäus Auletes genannt (LVIII). Den herrlichen Karneol mit dem Kampf um den Leichnam des Patroklus (128) lieferte das ludovisisdie Kabinett, zu dem er allein in Rom im Jahre 1763 einen Zugang ge- funden hatte, und das ihm selbst die florentinische und farnesisdie Sammlung zu übertreffen schien. Die Kamee mit Achills Klage um seinen Freund (129) gehörte der Cheroffini. Der Typus der Nemesis (25) und die gequetschten Pankratiastenohren waren bereits in der Description und in der Allegorie angebracht worden.

Diese und einige andere Erklärungen hatte die Kritik im Auge, wenn sie rühmte, »wieviel Erläuterungen ungemein glücklich geraten seien und das Gepräge des Genius hätten. Es sei ein Vergnügen wahr- zunehmen, wie auf einem erhabenen Werke, nach einmal erratenem Sujet, gleich als an einem Faden sidi alles nach und nach in seinen kleinsten Nebenfiguren ganz natürlich entwickle«. »Mit schnellem Blick«, sagt Welcker, »mit hoher Einsicht in das Altertum in seinen verschiedenen Weisen und von großer Belesenheit, bei großem Vorrat, worin die unklaren Stücke selbst durch die Gesellschaft oft verständ- lich werden, und bei der Gelegenheit täglichen Umgangs mit den meisten der Werke, die er edieren wollte, erwarb sidi Winckelmann ohne Zweifel das Verdienst, Verständnis und Schätzung der Basreliefe eröffnet zu haben.«

Man denkt hier an Goethes Wort, wie oft zu einem wissenschaft- lichen Erfolg die Erbschaft eines Irrtums gehöre. Es kam nur an auf Belesenheit in griechischer Sage: mit einem Einfall war die Hauptsache getan: kunstvolle Operationen waren selten nötig. Es war noch eine Epoche der Konquistadoren. Die römischen, gesdiichtlichen und novellistischen Deutungen hat dies Werk zuerst angegriffen und zu- gleich ganz und gar beseitigt. »Heute«, sagt der genannte Forscher, »weiß jedermann, wie selten in den Bildwerken des Altertums das Geschichtliche ist, wie selten insbesondere Szenen des Lebens der berühmtesten Privatpersonen oder auch die Begebenheiten der außer- ordentlichen und romantischen Art unter unbekannten Personen, selt- same und rührende Fügungen des Zufalls, wie sie die griechischen Epigramme häufiger dem Andenken bewahrten, sich dargestellt fin- den.« Dieser Umschwung ist Winckelmanns Werk.

Mit der Zeit wird es immer schwerer, sich die Bedeutung und Wir-

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kung eines so epochemachenden Buches angemessen vorzustellen. Seine Wahrheiten erscheinen immer weniger als Taten, weil sie Gemeingut und Gemeinplatz geworden sind; seine Fehler immer mehr als grobe Sünden, weil die Zeiten eben durch ihn, der sie begangen, weiser ge- worden sind. Es ist lehrreich auch für die heutigen Forscher, die Ursachen dieser sehr zahlreichen Fehler zusammenzustellen.

Die Quelle von Deutungsfehlern kann schon in der Theorie selbst liegen, d. h. im Systemgeist. Winckelmann hat die Forderung, die Kunstwerke aus der Mythologie zu erklären, überspannt; er sucht Mythenszenen auch in Bildern aus dem täglichen Leben und wieder- kehrender Kultushandlungen, und ohne bestimmten Anhalt. Schon Klotz durfte ihm entgegenhalten, daß viele der von Plinius aufgeführten Statuen nach einem bloßen Genremotiv hießen der Schaber, der Speerträger, der Scheibenschleuderer, die Knöchelspielerinnen etc. Zoega hat gerade im Gegensatz zu den oft gesuchten und willkürlichen Deutungen seines Vorgängers den Grundsatz der Frequenz von Mo- tiven aus dem gewöhnlichen Leben zur Geltung gebracht.

Wie er in der aldobrandinischen Hochzeit die des Peleus und der Thetis erblickte, so muß ein schönes griechisches Grabrelief mit dem Abschied eines Kriegers (72 im Palast Ruspoli) lason und Medea oder Auge und Telephus vorstellen, wobei es ihm gelingt, eine Reihe Ein- zelzüge der hyginischen Fabel darin wiederzuerkennen. »Winckel- mann«, bemerkt schon (zu 120) die Neue Bibliothek der schönen Wissenschaften, »verschwendet viel Mühe und Gelehrsamkeit, um einen Philoktet zu finden, da wo die einfachste allegorische Vorstellung in die Augen fällt: Opfer eines Kriegers für glückliche Rückkehr.« In Bildern eines Mahls, die so häufig auf Grabreliefs wiederkehren und oft auf Leichenmahle gedeutet wurden (19 f.), brachte ihn ein Pferde- kopf auf das Roß Arion, und die beiden Gatten wurden zu Ceres und Neptun, die in Roßgestalt jenes Wundertier erzeugten. Eine Gruppe tanzender Frauen (147) ist Elektra, von Klytämnestra gezwungen, den Jahrestag von ihres Vaters Tod zu feiern. Auf einem erotischen Vasengemälde, wo der Jüngling dem Mädchen einen Apfel reicht (99), findet er Theseus mit dem Knäuel und Ariadne mit der Tänie. Das alte Wandgemälde eines Opfers in der Villa (177) wagt er auf Grund des Fundes am Palatin und nach einer vagen Ähnlichkeit mit dem

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Gesicht der Livia, der Gemahlin, und der Oktavia, der Tochter des Augustus, für das Marsopfer bei Horaz (Od. III, 14, 5) zu erklären. Solche Auslegungen veranlaßten alsbald den seitdem unzählige Male wiederholten Tadel, »daß sich Winckelmann durch seine glänzende Phantasie zuweilen verführen lasse« (Bibl. des sciences. ä la Haye 1767 p. 46g{i.). Bekanntlich wird dieser Vorwurf gewöhnlich da er- hoben, wo man vielmehr den Mangel an Phantasie tadeln sollte. Die Phantasie, welche über wenig Gedanken verfügt (wie z. B. die von Schwärmern, Sektenhäuptern, Systemmachern, Parteifanatikem und anderen Leerköpfen), ist in ihren Verknüpfungen beschränkt und folglich zu Wiederholungen verdammt; sie hat weniger Aussicht, das Wahre zu treffen, als eine Phantasie, die über einem reichen, geord- neten Material waltet. Aber hier wird die Phantasie übersehen, weil das, was sie herausbringt, mit der Wirklichkeit zusammentrifft.

So beißt sich Winckelmann in gewisse Züge, Attribute als Schlüssel der Erklärung fest. Bekanntlich ist das Diadem der Leukothea, dem Odysseus nach dem Schiffbruch bei den Phäaken geschenkt, ein breites Band, das um die Stirn geht. »Es würden sich allzuviele Leukotheen finden«, bemerkt die AUgem. Deutsche Bibliothek. Dieses xp-^Bep-vov aber war (nach Visconti) keine ausschließliche Eigentümlichkeit der Leukothea, und (nach Zoega) überhaupt keine Binde, sondern eine weibliche Kopfbedeckung, eine Art Schleier. Er sieht in dem Fuß- schemel ein Zeichen übermenschlicher Würde, obwohl er sich bei Figuren jeder Rangklasse findet. Die wichtige Entdeckung der Pan- kratiastenohren verführt ihn, solche auch in normalen Ohren zu sehen; darauf gründet sich die Erklärung des griechischen Grabreliefs (62) als Pollux' Kampf mit Lynkeus, obwohl die kegelförmige Mütze des Dioskuren fehlte. »Die Ohren«, bemerkt die Allgemeine Deutsche Bibliothek, »sind weder zerrissen, noch stumpf, noch gequetscht, nur ein wenig bestoßen, platt und von runder, fast gar nicht charakterisierter Gestalt.«

In vielen Fällen hat Winckelmann die Erfordernisse eines Beweises nicht beachtet. Der Reiz eines Originaleinfalls, die Hoffnung, einer ihn gerade beschäftigenden Szene oder Figur in Marmoren begegnen zu müssen, die Assoziation einer ihm vorschwebenden Dichterstelle mit irgendeinem Zug im Bilde (als Anregung höchstens zu einem

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Lösungsversuch): dies alles kann sein Urteil entscheiden: dann wird alles gewaltsam unter die Hypothese gebeugt.

Gerade auf solche Funde aber durch einen glücklichen Zufall legte er besonderen Wert. »Durch das einzige Wort 'Apoxpejwv in dem Schohasten des Pindar fand ich die wahre Bedeutung der irrig soge- nannten Statue des Q. Cincinnatus und in derselben den lason.« Aber was soll man sagen, wenn er in der Büste eines Herkules als Olympia- sieger (171), bloß wegen des Alters, des großen Stils, der aria nobile und eines Ölkranzes den Xenophon erkennt, weil dieser, da er opfernd den Tod seines Sohnes Gryllus bei Mantinea erfuhr, den Kranz ab- nahm, ihn aber wieder aufsetzte, als man hinzufügte, daß er den Heldentod gestorben sei? Eine Probe, wie er imstande war, in eine komplizierte Szene, die ihm aus anderen Darstellungen geläufig war, eine ganz fremde Geschichte hineinzulesen, ist die Deutung der Ent- deckung des Achill auf Skyros in der Villa (87) auf Meleager, der nach hartnäckigem Sträuben den Bitten seiner Gattin Kleopatra nadigibt, die von seinen Oheimen belagerte Stadt zu verteidigen. In der Hodi- zeit des Kadmus und der Harmonia (28), der ersten menschlichen Hochzeit, bei der die Götter erschienen, sieht er die Liebschaft des Mars. Ebenso wunderlich findet er in einem Vasenbild (159), wo die Friedenspallas dem müden Herkules den Göttertrank reicht, Ulyß, der von Pallas in einen runzligen, zitternden und gekrümmten Greis ver- wandelt wird. Die Behauptung, daß es nichts Ungewöhnliches sei, eine ganz fremde Gruppe in die Mitte einer Komposition einzufügen (mittels der er diesen schweren Teil des Alopesarkophags beseitigen will), gründet sich auf Mißdeutung von vier Denkmälern.

Die Phantasie, die in den vorher angeführten Beispielen so leicht- beflügelt schien, zeigte sich bei anderen Gelegenheiten schwerfälliger. Wie mochte ihm nicht einfallen, daß die Gemme mit dem Namen des Teukros (Tratt. prel. XCL) Demosthenes war, dessen kürzlich in Herculaneum gefundenes authentisdies Bildnis er selbst herausgegeben hatte! Wie konnte er die natürliche und naheliegende Erklärung des Nilhauptes (81) anführen und doch an die abenteuerliche Erklärung als Prometheus sich klammern, bloß wegen des Wortes DPONOIA Sehr nahe stand er der Entdeckung des Menander in dem Marius der Villa Negroni: er nennt die Statue seines Gegenstücks, des Posidipp,

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daselbst bei Gelegenheit jenes Dichters; vielleicht brachte Visconti diese Stelle auf die Spur.

Mandie Irrtümer waren jedoch bei der Unzulänglichkeit des Appa- rates unvermeidlich. »Die Manier«, bemerkt Welcker, »die verschie- denen Momente, Nebenpersonen und Nebenumstände auszudrücken und anzubringen, ist sehr eigen und ... in sehr vielen Dingen, in dieser Entfernung, wie hieroglyphisch, und mußte erst durch eine Menge erratend getroffener Umstände und Daten faßlicher werden, so wie die Sitten, worauf sich die Vorstellungen beziehen, fester zusammen- gestellt, in einem Bilde gefühlt, und ein gehäufterer Vorrat von den nicht in einzelnen Klassen von Schriftstellern, sondern überall zer- streuten Winken und Lehren der Alten, und dabei aus so vielen Win- keln und öderen Stellen zusammengetragen werden, ehe man fordern durfte, daß Sicherheit im Erklärten und nicht zu Erklärenden statt- finden sollte.«

So verschwendet Winckelmann viel Gelehrsamkeit, um in der großen Herkulesschale (64 f.) die weiblichen Figuren zwischen den Abenteuern zu erklären. Es sind nur Personifikationen der Örtlichkeiten; die Attribute fehlen, weil das Abenteuer sie hinreichend bestimmt; sie sollen die Felder der einzelnen Szenen auseinanderhalten.

Zoega blieb es vorbehalten, in den angeblichen Hören der drei- seitigen albanischen Ära (47 f.) tanzende Hierodulen zu entdecken. Visconti fand in der archaistischen Venus des barberinischen Kande- labers eine Spes (30), im Plato mit Schmetterlingsflügeln (169) Mor- pheus, in Achill und Penthesilea auf der farnesischen Gemme (97) Theseus, der die Helena raubt, in Orest und Pylades zu S. Ildefonso Schlaf und Tod.

Eine andere Reihe von Irrtümern hatte freilich keinen andern Grund als Flüchtigkeit, Ungeduld, wie Zoega meinte.

Ein fataler Streich passierte ihm mitKybele (8) imKapitolsmuseum, die schon 1737 vom Abate Giorgi richtig als verschnittener Erzpriester (Archigallus) herausgegeben worden war. Drei moderne Gemmen ließ er sich aufbinden, den Zorn des Achill (i 26), den Satyr des Teukros (p. XIV, Descr. II, 1494, der von Stosch an Guay und dann an Carlisle kam), und den Chalcedon mit dem Reif Spieler, eine Arbeit Johann Pichlers, mit dem sein damaliger Besitzer Jakob Byres nicht nur

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Winckelmann betrog, sondern auch einen reichen Käufer, wozu Vis- conti bemerkt: la memoria di si fortunata impostura merita conservarsi

(vgl. II, S. 332 f.). Ein halbes Jahrhundert nach dem Erscheinen des Werkes zählte

C. Cardinali vierzig irrige Erklärungen auf; dazu kämen dreißig Be- richtigungen und Zusätze, die fünfzehn andere zweifelhaft machten. (Effem. di Roma 1822, S. 308.)

Innerhalb dieser gewonnenen Grenzen griechischer Götter- und Heldensage bewegt sich der Forscher ziemlich frei und planlos. Gelehrsamkeit (erudizione) war der Paß zum Eintritt in das Werk; je krauser der Bart am Schlüssel, desto besser; je entlegener und öder der Ort des Schriftwerkes, wo er gefunden, desto kostbarer die Ent- deckung. Besonders wohl ist ihm, wo er mehrere Auslegungen von verschiedener Wahrscheinlichkeit ausstellen kann. Vorgänger werden angeführt, nicht zu zeigen, wie die Wahrheit sich Bahn bricht, sondern um jene niederzuschlagen. Ein Altertumsforscher kann zwar nicht zu gelehrt sein; aber Gelehrsamkeit darf nicht (wie das Schöne) zwecklos sein. Zwar hatte er kurz vorher sehr gut gesagt: »Die Gelehrsamkeit soll in Abhandlungen über die Kunst der geringste Teil sein, wie denn dieselbe, wo sie nichts Wesentliches lehrt, vor nichts zu achten ist, und alsdann wie bei seichten Rednern oder bei schlechten Saitenschlägern das Husten zu sein pflegt, nämlich ein Zeichen des Mangels^.« Der Antiquare und Literatoren Treiben schmeichle dem Müßiggang und der uns angeborenen Trägheit zum eigenen Denken. Auch versichert die Vorrede, »der Verfasser habe mit seinen Materialien einen viel größeren Bau aufführen können, wenn er die Gelehrsamkeit statt mit den Fingern, mit dem Sacke aussäen gewollt« ; aber selbst wohlwollende und ebenso gelehrte Leser fanden in seinen besten Artikeln »viele und schöne gelehrte Sachen ohne strengen Zusammenhang mit dem Gegen- stande« (Zoega II, 88). Winckelmann hatte eben den Geschmack der Italiener im Auge; aber deutschen Gelehrten konnte er nicht impo- nieren. »Er ist (bemerkte die Neue Bibliothek der schönen Wissen- schaften VI, I, 76) zwar von der unglücklichen Gewohnheit der italienischen Antiquare, platte Wiederholungen von trivialen mytho-

8. [Werke (Eiselein) II, 233; III, 36; VII, 38; Monumenti antichi inediti, Roma 1767, 1, p. XXIV.]

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logischen und antiquarischen Dingen anzustellen, weit entfernt; seine Gelehrsamkeit, die er beibringt, hat allezeit das Gepräge des Seltenen Sonderbaren und meistens auch das Eigentümliche; aber doch nähert er sich dem Geschmack der Italiener zu sehr in Aufhäufung und Auf- türmung einer zuweilen fruchtlosen Gelehrsamkeit, welche an und für sich nichts erläutert, viel eher die Aufmerksamkeit zerstreut, dem Scharfsinn und der Beurteilungskraft schädlich ist, einer lebhaften und herumstreifenden Einbildungskraft durch Darbietung so vieler Gegen- stände, unter denen sich immer irgend einiges Verhältnis und eine Verbindung zeigt, nachteilig wird und wenigstens zu einer gelehrten Eitelkeit oder zu einer gelehrten Sdhwelgerei verführen kann.« »Gleich als wenn die Luft Italiens«, schrieb Heyne in der Lobschrift, »diesen Einfluß hätte, ergriff ihn die Krankheit der Zeichendeuterei und Wahrsagekunst in der Altertumskunde; er fing an, nicht mehr zu erklären, sondern zu raten, nicht ein Ausleger des Altertums, sondern ein Seher zu sein.« Lippert fand (in einem Brief an Klotz) etwa fünfzig bis sechzig kleine Fehler darin, »die aber alles nichts gegen die großen und ganz neuen Gedanken, deren wohl tausend sind, gerechnet wer- den können«.

Am wenigsten Beifall erntete er daheim in dem, worauf er sich in merkwürdiger Selbsttäuschung am meisten einbildete: der Erklärung und Verbesserung alter Texte durch Denkmäler. Die Acta litteraria fanden sie unnötig und gewaltsam; die Göttinger urteilten, »daß er zu sehr den Sprachgebrauch und andere Auslegungs- und kritische i Regeln einem Einfall oder einer Vorstellung aufopfere, die aus einem einzigen, oft zweideutigen und ungeschickten Denkmal geschöpft sei. Die Begierde, aus Monumenten und Steinen erklären und verbessern zu wollen, ist zu sichtbar, und ebenso sichtbar ist die "Wirkung davon, daß ihm alles entwischt, was seiner Mutmaßung selbst die Wahrsdiein- lichkeit nimmt, wenigstens sie schwächt.«

Bei einer Sammlung, deren Einteilungsgrund im Gegenstande lag, erwartete man auch Bemerkungen über Mythologie zu finden. Aber die Götterlehre war ihm, wie Plato, eine Märchensammlung für große Kinder, altertümliche Novellen zur Ergötzung und Belehrung der Vorwelt von klugen Leuten ersonnen; und wo er aus diesem Caput mortuum etwas herauszieht, sind es Allegorien. Die AUegoristerei, die

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uns bis dahin nur unkünstlerisch erschien, wird nun auch zum Irrlicht der Auslegung. In dem Nilkopf (8i), den er zu Prometheus macht, sollen die hinaufkletternden Putten (die ihm doch aus der Statue des Belvedere bekannt waren) Leute symbolisieren, die aus verwegener Neugier die geheimen Beschlüsse der Vorsehung zu ergründen wagen. Psyche, die sich müde auf eine Hacke stützt (34), bedeutet die Gemüts- ruhe beim Ackerbau, als der nützlichsten, edelsten Beschäftigung, die der Seele Fähigkeit und Raum gibt für Betrachtung und Belehrung.

Heyne wunderte sich, daß "V^^nckelmann die alten Schriftsteller so ganz unterschiedslos gebrauche, in einem Atem Orpheus und Seneca, Homer und Apulejus, ohne die älteste symbolische Vorstellungsart, die wirkliche Götterlehre und die philosophische Allegorie späterer Zeiten auseinanderzuhalten. Die ihre Naturanschauungen in durch- sichtigen Personifikationen verkörpernde Urzeit, die gestalten- und farbenreiche epische Zeit, die den Niederschlag der Mythenbildung nacherzählende, systematisierende und zuletzt mit der einst feind- seligen Philosophie vermengende Spätzeit kommen alle durcheinander zum Wort. So trägt Winckelmann das Verschmelzen der Gottheiten aus dem Zeitalter der Religionsmengerei in die Mythologie zurück, z.B. des Bacchus und Mars (21). Seine Hauptquelle war Hennings Genealogischer Schauplatz.

Bezeichnend ist, daß er das Werk mit einem Kapitel von geflügelten Gottheiten eröffnet. Alle Götter seien ursprünglich geflügelt und mannweiblich. »Denn die Natur und das Wesen der Gottheit, als von der Materie abgezogen und entfernt, ist über unseren begrenzten Ver- stand erhaben, der sie vermöge seiner Einschränkung auf Vorstellungen sinnlicher Dinge nur begreifen kann unter Symbolen, die das uner- schaffene und unbegreifliche Wesen mit sozusagen greifbaren, den Sinnen angepaßten Formen bekleiden; daher die ersten Stifter der falschen Religionen und ersten Philosophen, welches Diditer waren, um sich dem rohen Verstand der ungebildeten Völker anzubequemen und ihm ein höchstes Wesen zu lehren, welches sich zu den Menschen herabläßt, es in menschlicher Ähnlichkeit darstellten. Sie statteten jene Wesen mit Kräften aus, welche sie Tieren und verschiedenen Wirkun- gen der Natur entnahmen.« Hiergegen bemerkt Gerhard, daß man aus dichterischen Beiwörtern nicht auf den Kunstgebraudi schließen

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dürfe; daß die Bezeichnung geistiger Erhebung, unsteten Wesens und anderer ethischen Eigenschaften durch Flügel der Kunstsprache ebenso fremd sei als der Dichtersprache natürlich. Erst als aus dem Orient dieser tierische Zusatz der Menschengestalt nach Griechenland ein- gewandert war, habe man Fabeltiere damit ausgestattet, Schreckens- dämonen, wunderbare Schnelligkeit dämonischer Wesen dadurch bezeichnet und hier und da auch wohl Götterbilder damit versehen, welche Sitte dann von Korinth nach Etrurien überging.

Die vielfache Unlebendigkeit des Inhaltes mußte sich in der Trocken- heit des Stils fühlbar machen. Nach dem Fegefeuer so vieler Revisionen kam der Stil zwar geläutert, aber auch etwas abgeschliffen hervor. Die italienische Sprache gestattet weniger Kühnheit des Ausdrucks und Freiheit der Bewegung als die deutsche; ihr Geschmack ist in Darstel- lung und Stil vorsichtiger. Einem Publikum im fernen Vaterlande gegenüber, von dem er unabhängig war und wenig hörte, konnte er sich ungebunden bewegen. Die Monumenti waren für römische Leser bestimmt, sie passierten sogar den Zensor der Minerva und Magister S. Pal. Apost. Man glaubt es dem Buch anzumerken, daß daraus Monsignoren, Kardinälen und dem Papste selbst vorgelesen worden ist. Er nennt einmal die Gelehrten troppo arditi, welche die Cherubim von den ägyptischen Flügelwesen ableiteten; die alten Religionen »falsche Religionen«; gebraucht Ausdrücke, wie monumenti del culto ridicolo de' gentili (12 f.), lobt die decenza in einer Darstellung der Liebschaft des Mars, »die auch das skrupulöseste Schamgefühl nicht verletzen kann«, spricht von »Menschengedanken, die weiter gehen als unsere Lage verstatte, statt sich dem zu ergeben, der uns regiert«. Der Stil hat nidit die körperliche Fülle und Farbe der deutschen Schriften; es ist etwas darin von der wasserklaren, gefälligen, abgemes- senen, etwas zopfigen Eleganz prachtvoll gedruckter Texte zu Galerie- werken.

Die stattlich angelegten Register gehörten auch etwas zu den welschen Trompeten mit Gelehrsamkeit. In der Dresdner Schrift war noch kein Register, im Stoschischen Katalog ein sehr unvollständiges: in der Kunstgeschichte kommen zwei über verbesserte und erklärte Stellen und zitierte Werke hinzu; in der Allegorie ist ein drittes über die Denkmäler; in den Anmerkungen ein viertes griechischer Worte.

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Die Monumenti enthalten außer der Disposition der Eingangsabhand- lung, die bis in die neunte Unterabteilung geht, vier Register auf ein- undachtzig enggedruckten Folioseiten. Sie waren freilich auch bestimmt für die Bequemlichkeit (»man muß doch auch auf die Müßiggänger in der Welt denken«, 22. Juli 1767): aber sie sind zugleich die Krönung eines Buches, in dem kaum ein Satz zu finden ist, der nicht dem Index irgendein Zitat, eine antiquarische Kuriosität, einen widerlegten Autor, eine verbesserte Stelle, eine angeführte Antikaglie liefert.

Kurz, während sonst in Büchern dieser Art die Untersuchungen mit Sorgfalt und Geduld geführt, aber in breiter und verworrener Form vorgelegt wurden: so ist hier die Handhabung der wissenschaftlichen Werkzeuge flüchtig, die Wiedergabe der Denkmäler, die Anführung der Schriftsteller ungenau, aber die stilistische Arbeit, die Anordnung und Registrierung, endlich Papier und Druck mit äußerster Sauberkeit und Eleganz besorgt.

»Doch genug über den Pantoffel an der Venus des Apelles!« so schloß die »Neue Bibliothek« ihre lange Rezension. Denn in Deutsch- land war dieser Ton von Anfang an der herrschende. In Italien hatte das Buch, wie zu erwarten (nachParisot), einen succes d'enthousiasme. Wie schienen die eigenen Leistungen dagegen staubiger, meschiner, leerer Plunder! Der Kardinal versicherte, »daß wir bis auf diese Arbeit gleichsam blind gewesen seien in den Altertümern«. Paciaudi nennt die Denkmäler bewundernswert und selten, die Erklärungen sinnreich und gelehrt. Winckelmann hatte sdion im Oktober 1763 »die Ehre gehabt, zu Castel Gandolfo S. Heiligkeit in einer großen Gesellschaft ein Stück, den Tod Agamemnons, vorzulesen welches ganz un- gewöhnlich ist. Ich stand neben demselben und erhielt seinen gewöhn- lichen reichen Segen.« Der Papst »wollte ihm sehr wohl«. Die Deutschen bemerkten nidit ohne Eifersucht, daß er vieles getan, »um den Beifall und die Bewunderung italienischer Gelehrten sich zu erwerben«. Doch auch in Deutschland hatte man daraus zu lernen; aber während man sich gegenüber den früheren Schriften (mit Aus- nahme der Allegorie) nur empfangend und bewundernd aussprach, las man dieses sogleich mit Kritik. Es waren ja nicht mehr Aufschlüsse über Geheimnisse der Kunst, aus Denkmälern, die man nicht kannte, es waren Philologica, hierin war man kompetent; und für die Aus-

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legung der Kunstwerke hatte man in den Kupfern die Handhabe zu eigenem Urteil. Die höchste Verehrung des Verfassers störte die deutschen Gelehrten nicht in ihrer löblichen Manier, der Leistung von Anfang bis zu Ende ganze, halbe und Viertelsschnitzer anzustreichen, wenn man sich auch schließlich gestand: »wir merken sehr wohl, daß wir mit unserer frostigen Bedächtlichkeit nie zu soviel anderen herr- lichen Entdeckungen gelangt sein würden, zu welchen Winckelmann seine kühne, feurige Einbildungskraft und sein, auch da, wo wir uns ruhig verhalten würden, nachgrübelnder Verstand geführt hat.«

Ein größeres Lob als alle Urteile der Meister spricht dem Werke seine Wirkung. Erst seit dem siegreich durchgeführten Grundgedanken »kann man (nach Welcker) der archäologischen Erklärung eine gewisse Grundlage zugestehen«. Das Meisterwerk archäologischer Auslegung, Zoegas Bassirilievi (1807 ff.) ist aus einer Revision der Monumenti hervorgegangen, mittels exakter Befolgung der Winckelmannschen Methode, die Zeichnungen der Reliefs zu sammeln und dann alle Schriftsteller durchzulesen. »Alle Denkmale des Werkes fast ohne Ausnahme«, sagt Weider, »sind mehr oder weniger im Stich wieder- holt oder in der Erklärung berichtigt oder werden zur Erklärung anderer Monumente und zur Vergleichung in unzähligen Stellen angeführt, so daß vielleicht nie wieder ein ähnliches Buch eine so ausgedehnte und eingreifende Wirkung äußern wird.« Viele treffende Erklärungen haben wir dem Stachel zu danken, den seine sinnreichen, aber unhaltbaren Vermutungen dem Nachdenken gaben.

Trattato preliminare

Der erste Teil des Werkes, durch römische Paginierung als Einleitung und als außerhalb des Themas stehend bezeichnet, wurde erst spät in den Plan aufgenommen. Einen »glücklichen Vorsatz« nennt es Goethe, »in der vorausgeschickten Abhandlung das Werk über die Kunst- geschichte, das ihm schon im Rücken lag, stillschweigend zu verbessern, zu reinigen, zusammenzudrängen und vielleicht sogar teilweise auf- zuheben«.

Winckelmann hatte bei der Kunstgeschichte schon ganz zu Anfang

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eine gleichzeitige italienische Ausgabe ins Auge gefaßt. Im Frühjahr 1757 sprach er von dem Plan, alles in Rom nach und nach zu über- setzen und dann durch Sachverständige verbessern zu lassen; im September 1757 hat er bereits den Anfang gemacht. Eine Nebenabsicht sei, »das Studium der elenden Antiquariorum in Rom über den Haufen zu werfen . . . Man könne von Kunst nicht original schreiben, ohne diesen Schwärm (quella schiera de' scartabellatori di parole) auf dem Halse zu haben, die dort die beste Schrift herunterwerfen könnten« (Mitte September 1757). Für jenen Zweck war das mythologische Werk geeignet, das sie auf ihrem eigenen Terrain angriff und mit ihren eigenen Waffen schlug.

Sechs Jahre später, im April 1763, taucht der Plan wieder auf, die Abhandlung von der Schönheit mit den besten Stellen aus der Kunst- geschichte ins Welsche zu übersetzen; wird aber erst drei Jahre darauf, doch ohne die beabsichtigte Dedikation an den Kardinal Rezzonico, und jetzt als Einleitung der Monumenti ausgeführt. II Trattato preliminare del disegno e delia bellezza heißt der Titel in der ersten Ankündigung (25. Juli 1766). Er wollte ihn später besonders in Oktav abdrucken lassen und eine französische Übersetzung in Rom besorgen.

Dieser Plan war der Zwillingsbruder der 1766 geschriebenen «An- merkungen«. Jene Zusätze, die er am liebsten in einer neuen Ausgabe der verpfuschten Pariser Übersetzung entgegengestellt hätte, fand er hier Gelegenheit, mit der Quintessenz des alten Werkes zu verweben.

Der Traktat ist eine Zubereitung der Kunstgeschichte zunächst für römische Leser, für italienischen Geschmack und italienische Bedürf- nisse. Was nicht zur Einsicht in die Zeichnung dient, ist weggelassen, z. B. die Abschnitte über das Mechanische, die Gewandung. Wieder- holungen sind vermieden; Abschnitte, die dodi nur konstatierten, daß über die Kunst der betreffenden Nationen nichts zu sagen sei, sind billig gestrichen, freilich auch die hymnenartigen Beschreibungen. In den lehrhaften Teilen hat der Vortrag mehr Zusammenhang, Eleganz und Bequemlichkeit. Italiener lieben ja auch in Dramen und Romanen nicht die germanische Fülle der Episoden und Nebenrollen. Einst hatte Winckelmann aus Studien von Jahren eine Historie von einem Finger Dicke machen wollen; dies ist hier, nach dem Durchgang durch jene zwei Quartanten, gelungen.

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Indes ganz aus einem Guß wurde der Traktat doch nicht. Statt der hinausgetanen alten Stüclve kam eine Menge neuer Zusätze und Epi- soden am andern Ende wieder herein, nämlich fast sämtliche »Anmer- kungen«. Sie stehen weder dem Umfang noch dem Gehalt nach zu dem Urtext im Verhältnis. Von der Beschreibung des Torso z. B. ist nichts aufgenommen, wohl aber eine Abhandlung über das co in dessen Inschrift. Der Apollo und Laokoon werden mit ein paar Zeilen über die Aktion abgetan, dagegen wird bei Gelegenheit des Sauroktonos breit über pubertas gehandelt. Eine Ironie des Zufalls war, daß er, der früher Blainville verspottet hatte, weil er den Strick am far- nesischen Stier das für Kenner Schönste daran genannt hatte, nach zehn Jahren nun selbst fast nichts weiter an der Gruppe zu loben weiß, als »die große Fertigkeit und Feinheit des Meißels in Neben- sachen, wie dem Deckelkorb und dem darüber geworfenen Mantel«.

Die schwebende Frage über das Verhältnis des etruskischen zum altgriechischen Stil ist wenig gefördert. Da er entdeckt hatte, daß Werke mit den aufgestellten Merkmalen des etruskischen Stils alt- griechisch oder archaistisch seien, so war die dringende Aufforderung gegeben, eine strenge Scheidelinie zu versuchen. Aber er hat keine finden können: »ich unterstehe mich noch jetzt nicht (i. September i766,Vorrede zu den Anmerkungen), unwidersprechlich zu behaupten, daß einige erhobene Arbeiten, die hetrurisch scheinen, nicht von dem ältesten Stil der Griechen sein können«. Indessen obwohl Literatur und Mythologie den Etruskern von den Griechen gekommen seien, wie man denn die griechische Göttersage auf etruskischen Denkmälern besser als auf ihren eigenen verfolgen könne, so hält er doch die Kunstblüte jener für älter als die hellenische. Etwas skeptischer ist er geworden; es gibt in Rom keine altetruskische Statue mehr; die Annahme eines dritten, durch Nachahmung griechischer Werke ver- besserten etruskischen Stils wird, mitsamt den ihm angeblich zugehöri- gen drei Florentiner Bronzen fallengelassen, aber das altgriechische Leukothearelief, die borghesische (15) und die kapitolinische Ära (38) gelten noch für etruskisch. Für die Schilderung des Stils sollen freilich nur die Gemmen gebraucht werden, sie sind wie das von einem abgetriebenen Wald übriggebliebene Buschwerk: diese scarsezza der Denkmäler ist ein Appell an die Nachsicht: aus wenigen Brettern eines

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gescheiterten Schiffs läßt sich kein Boot bauen. Das Gemälde des Charakters dieses Volkes, das den Italienern vielleicht unangenehm sein konnte, ist gestrichen, und dafür eine wertlose Erzählung von den Wanderungen der Pelasger und Griechen zur Zeit des Lykurg eingeschoben. Die Vasen waren schon früher den Etruskern ab- gesprochen worden; seit kurzem hatte er ihnen ein tieferes Studium zugewandt, elf waren in dem Werke selbst publiziert. Warum fehlt also in einer Abhandlung von alter Zeichenkunst jede Bemerkung über ihre Zeichnung, wenn sie doch als die der Blütezeit griechischer Malerei und ihrer Vorstufen anzusehen ist?

In der griechischen Partie kann man sehen, wie rastlos er seit dem Erscheinen der Kunstgeschichte bemüht gewesen war, die Leere der Denkmäler auszufüllen; doch auch Irrtümer haben sich eingeschlichen. Neu ist die Aufstellung einer Übergangsperiode, die von der 60. Olym- piade bis auf Phidias gehen soll (un' epoca delF avviamento e del passaggio dell' arte del disegno allo stato della perfezione, p. 66). Dieser Übergangsstil knüpft sich besonders an Myron (S. 316).

Die Beispiele dieses Übergangsstiles zeigen eine Reihenfolge. Am altertümlichsten schien ihm die Pallas Albani (S. 316); dann die zwei farnesischen Ringer (denn seit den »Anmerkungen« hat er den zweiten, bisher durch den späteren Kopf unkenntlich, hinzugefunden). Es folgten die sogenannte barberinische Muse, die Dioskuren der Kapitols- treppe, endlich eines der seltenen unzweifelhaft altgriechischen Werke in Rom, die giustinianische »Vestalin« oder Hestia.

Wie soll man sich aber den Unterschied dieser Übergangszeit von der Blütezeit vorstellen, wenn er (freilich, wie er selbst meint, etwas kühn) in zwei steifen altertümlichen Kanephoren Cavaceppis (70) den Stil Polyklets findet? Und warum hat er die Pallas Albani gestrichen und das griechische Grabrelief (62) übergangen?

Damals machte manch sich's leichter als später, Werke berühmter griechischer Meister wiederzuerkennen. Winckelmann glaubte mit mehr oder weniger Wahrscheinlichkeit, die Muse des Ageladas, die Dioskuren des Hegesias, den Hermaphrodit des Polykles, wenigstens eine sehr genaue Kopie des praxitelischen Sauroktonos (in Villa Borghese) und ein Silbergefäß desZopyrus (87) aufgefunden zu haben.

Die mehr geahnten Begriffe der beiden Grazien glaubte er nun

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durch Denkmäler, und zwar Frauengestalten, beurkunden zu können. Da er für den hohen herben Stil vor Phidias die barberinisdie Muse hatte, so schien sich ganz in der Nähe, in einer anderen Muse des Quirinalgartens (jetzt im vatikanischen Museum), ein Gegenstüdc zu bieten; leider war es ein unbedeutendes Werk der Kaiserzeit.

Die Theorie der Schönheit war so tief in dem geistig-physischen Charakter ihres Urhebers gegründet, daß man wesentliche Änderungen nicht erwarten kann. Die Einfalt oder Einheit der Zeichnung wird durch l'indefinito wiedergegeben, dies bedeutet Idealität und Affekt- losigkeit. Von den Linien heißt es diesmal, si dipartono dalla rettitudine, e si convertono in elittiche, formate da tante parabole, che tendono a diversi altri centri. Die Linienlehre und die Lehre vom Ausdruck werden als Artbegriffe der Schönheit untergeordnet und als bellezza materiale, o lineare, bellezza morale bezeichnet.

Die Modifikationen sind merkwürdig. Eine Abwendung vom Ide- alismus liegt in der hier zum ersten Male ausgesprochenen Behauptung, daßNioben und Apolle auch heute noch unter uns herumgehen (S. 237), »daß gewisse Köpfe von Gottheiten, die empfangen zu sein scheinen in einem von der Beobachtung der Natur abgezogenen Geist und wie zur Beschämung der Natur selbst (che a taluno sembrarne possono concepite con l'intelletto astratto dall' osservazione deUa natura, e ritratte come per isvergognar ciö di die la natura fa mostra), vielleicht nichts sind als Bildnisse von Personen, die vor alten Zeiten gelebt haben« ein gewagter Satz, denn es handelt sich hier um dichterisch- mythische Charaktere, die sich im Laufe der Zeiten künstlerische Darstellungsformen angepaßt haben; daß diese irgendeinmal mit einem Individuum zusammengetroffen sein sollten, wäre wunderlich.

Sonst ist in den Wein der deutschen Schrift etwas Wasser gegossen. Der Vergleich der Schönheit mit dem »aus der Materie durchs Feuer gezogenen Geist, welcher sich suche ein Geschöpf zu erzeugen nach dem Ebenbild der im Verstand der Gottheit entworfenen ersten ver- nünftigen Creatur«, dies Auftreten des Logos zwischen den falschen Göttern würde dem Magister des hl. apostolischen Palastes vielleicht bedenklich erschienen sein. Die Worte von des vernünftigen Geistes ursprünglichem Verlangen, sich über die sinnliche in die geistige Sphäre der Begriffe zu erheben, was ihm in der zweiten Sdiöpfung

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der Kunst gelinge, die den harten Stoff besiegt und begeistet, nachdem ihr die religiösen Dichterbegriffe Flügel geliehen solche hohe Worte würden den Italienern zu germanisch geklungen haben. Daher die nüchterne Wendung, daß der Instinkt der Menschen die Mängel der Natur ergänzen (supplire) möchte, sich über ihr Los erheben und, was sie unvollendet läßt, verbessern, wobei die vom Aberglauben erhitzte (riscaldata) Phantasie der Heiden mithelfe.

Daß aber sein Geschmack in diesen letzten Jahren wirklich, im Einklang mit dem Vorsatz zu physikalischen Studien überzugehen, auf den Naturalismus hinsteuerte, machen die am Schluß auftauchenden epikureischen Götterphantome wieder zweifelhaft, wo das Ideal zu einem metaphysischen Schemen und in Worten gesdiildert wird, bei denen jedem griechischen Bildhauer, wenn er den Galimathias ver- standen hätte, unheimlich geworden wäre 9.

Und während er bisher bei Besprechung der Typen mit den Satyrn, dem Apoll, dem borghesischen Genius, dem Merkur begann, und die Zwitterformen in zweite Linie stellte, so rücken jetzt die schönen Eunuchen an erste Stelle. Durch deren Beobachtung werde nämlich die jugendliche Form (d. h. die Einheit der Umrisse) von dem großen Künstler noch verfeinert (raffinata) und fixiert (si rende costante appo loro). Der erhabenste Begriff jugendlicher Schönheit kommt also den Formen solcher Bacchus- und Apollostatuen zu, die uns, nach der ihnen auch von den Dichtern erteilten Verbindung beider Geschlechter, eine gemischte und zweideutige Natur zeigen, die sich durdi Völligkeit und stärkere Ausschweifung der Hüften und durch die zarten und rundlichen Glieder der Verschnittenen den Weibern nähere.

9. La sublime idea di quegli artefici era come di crearne dell' essenze dotate di sufficienza astratta e metafisica, la superficie delle quali servisse di corpo apparente ad un essere etereo condensato agli estremi suoi punti, e rivestito di sembianza umana si, ma senza partecipare della materia di cui e composta rumanitä, ne de' suoi bisogni [Trattato präliminare p. XL] .

Porto d^Anzo

Die Anstrengungen und Aufregungen des Jahres 1766 hatten Winckelmann arg zugesetzt. Die so verschiedenartige und aufreibende Arbeit an dem Buch mußte gleichzeitig getrieben werden mit Fremden- führung und einer Korrespondenz, die ihm nachgerade über den Kopf wuchs. So fand sich im Anfang des Jahres 1767 sein nun fünfzig] ähriger Kopf etwas angegriffen. Wieder hatte sich das alte Übel eingestellt, er war von öfteren Schwindeln befallen. Darum soll er sich auf dem Lande erholen, die sanfte Meerluft genießen. Der Vertrieb der Monu- menti konnte wegen des noch rückständigen Stichs des Antinous vor April nicht beginnen. Für das schönste Gestade am ganzen Mittel- ländischen Meer hielt er die Küste von Nettuno.

Porto d'Anzo war das gewöhnliche Ziel der Familie Albani nach dem Karneval, in den Tagen vor Ostern; denn im Sommer wird diese Küste wegen der von den Pontinischen Sümpfen herandringenden Fieberluft unwirtlich. Seit 1761 war Winckelmann dort erschienen; er pflegte dann der greisen Fürstin Therese Gesellschaft zu leisten. Sie war die Witwe Carlo Albanis (gest. 1724), eine geborene Borromeo, Tochter des Grafen Carl von Arona, Vizekönigs von Neapel, und einer Barberini; die Mutter Orazios, des Stammhalters, durch dessen Heirat mit Marianne Mathilde Cybö-Malaspina die Albani mit den modene- sischen Este verschwägert wurden und des Kardinals Giovan Francesco.

Damals wurde die Seevilleggiatur zum ersten Male auf mehrere Wochen ausgedehnt, wie nie bisher genoß er diese elysäische Gegend, weil er sich selbst vollkommen genoß. »Meine Beschäftigung«, schreibt er den 2. April 1767, »besteht hier in beständigem Lesen alter Scri- benten, in Absicht auf den dritten Band (der Monumenti). Des Morgens stehe ich vor Tage auf, mache Feuer im Kamine von Myrtenholze, welches hier das häufigste ist, und alsdann die Cioccolata. Lese drei Stunden, gehe längs dem Ufer der See, und in den angeneh- men Villen auf der Höhe des Ufers. Zu Mittag wird gut gegessen, in Gesellschaft einer alten Frau (meiner alten Prinzessin), die aber für allerlei Gesellschaft gesdiaffen ist. Meldet sich der Schlaf, wird Mittagsruhe gehalten . .

PORTO D ANZO 42I

»Dieses ist der Ort meiner Seligkeit, und hier wünschte ich Sie (Franke) zu sehen, um mit Ihnen längs dem stillen Ufer der See, unter dem mit Myrten bewachsenen hohen Gestade, sorgenlos zu schleichen, und auch, wenn das Meer wütet und tobt, dasselbe unter einem Bogen des alten Tempels des Glücks oder von dem Balkon meines Zimmers selbst, ruhig anzuschauen. Ein solcher monatlicher Aufenthalt und Geist und Herz stärkender Genuß der schönen Natur und der Kunst über- wiegt den Glanz aller Höfe und ihres geräuschvollen Getümmels« (6. Februar 1768).

Die latinische Hafenstadt Antium mit ihrem Fortunaorakel und Äskulaptempel war ein Lieblingsauf enthalt der römischen Kaiser. Hier hatten Cicero und August ihre Villen. Die Reste der Villen des Nero, der wie Claudius da geboren war, sind auch nach der Zerstörung, die sogleich über alle seine Anlagen erging, und durch die Trümmer der Severischen Villa, die in sie hineingebaut wurde, erkennbar geblieben. Antium erlag im Mittelalter wie Ostia den Raubzügen der Sarazenen. An der Stelle weithin verstreuter, leichter Landhäuser erhoben sich nun über Stätten der Verwüstung Burgen und Türme. Auf den Sub- struktionen einer Villa, wie man glaubt Ciceros, steht im Wasser Astura, wo die Herren des Kolosseums, die Frangipani, hausten, und Konradin verraten wurde. Es ist das Schloß, das am südlichen Ende der weiten Kurve des Ufers jenseits der kristallenen Fläche emporragt. Hierher machte Winckelmann im Frühjahr 1764 einen Ausflug mit Watelet. In denselben dunklen Zeiten nisteten sich in den Trümmern des auf hohem Kap gelegenen Neptuntempels neapolitanische Fischer ein, und bis auf den heutigen Tag haben die Frauen von Nettuno ihre buntfarbige, gold- und silbergestickte, von den neapolitanischen Inseln stammende Tracht bewahrt:

Le Donne di Nettuno vede sul lito

In gonna rossa col turbante in testa. (Tassoni.)

Schon in den Tagen Alexanders VI., der das Kastell baute für seinen Sohn Roderich, begann man in den nordwärts gelegenen Ruinen der Hafenstadt zu stöbern und fand den Apollo, den der Neffe Sixtus IV., der Kardinal Julius della Rovere, in seinem Garten bei S. Pietro in

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Vincoli aufstellte und dann mitnahm in das Belvedere des Vatikans. Seitdem bauten sich in dem engen, nur durch ein Tor zugänglichen Städtchen die Cenci, Pamfili und andere kleine Paläste. Unter Paul V. Borghese wurde der berühmte Fechter entdeckt; die Pamfili, die den Hafen wiederherstellten, zogen von dorther den Antikenschmuck ihrer Villa di bei respiro auf dem Janiculus. östlich von der Villa Doria bauten sich die Costaguti, auf den Trümmern des Kapitols von Antium, ihre geräumige Villa (jetzt Borghese). Dabei fand man ein solches Chaos von kostbaren Marmoren, großen Säulen, Bronzelampen, Münzen und Statuen, daß die Rede aufkam, diese Villa ruhe auf einem Fundament von Statuen. Merkwürdig war die vollkommene Erhaltung aller am dortigen Ufer aufgefischten Metallsachen, z. B. der Mithri- datesvase im Kapitol, des corsinischen Silbergefäßes; man schrieb sie der Feinheit und Tiefe des Sandes zu, in den die Gegenstände einsinken. Noch mehr kam Porto d'Anzo in Aufnahme, seit der Papst Inno- cenz XII. Pignatelli einen neuen Hafen, östlich vom alten, herzurichten versucht hatte, den Zinaghi baute. Diese Anlage (die sich freilich als verfehlt erwies) wurde feierlich eingeweiht durch päpstliche Heim- suchung im Jahre 1700. Rom war damals, trotz des schlimmen Wetters, verödet; die aufgeweichten Landstraßen bedeckten Gefährte aller Art; sie mußten oft durch Büffel aus dem Schlamm herausgearbeitet wer- den; ein meilenlanger Zug von Prälaten, Damen, Studenten, Curialetti, Abaten, Mönchen und Malern, meist zu Fuß, mit Regenschirm und bis übers Knie in den Kot sinkend . . . Der Papst nebst fünf Kardinälen wurde von den Dorias fürstlich bewirtet; die Serenaden improvisierte der lustige Kardinal Ottoboni. Der alte Herr aber saß stundenlang auf der Ringhiera des Palastes und schaute zu, wie das Meer bald seine Wogen gleich Reitergesdiwadern gegen das Land führte, bald gleich einem wilden Hexensabbat durcheinander] agte.

Die fünf Kardinäle lustwandelten am flachen Ufer, wo die Brandung an der reich mit Myrten, ölsträuchern und Akanthus bewachsenen Terrasse eine Sandfläche angespült hatte, die so fest und glatt ist wie der gestampfte Kiespfad eines Parkes, und besprachen unter dem rhythmischen Rauschen der andringenden Wogen die Chancen des neuen Konklavs, wenn der König von Spanien sterben würde. Plötz- lich sahen sie sich angesichts einer Schar von Büffeln, die, gereizt durch

PORTO D ANZO 423

ihre Sdharlachmäntel, sich zum Angriff ordneten. Ein hübsches Maler- motiv, diese Szene eiliger Flucht, auf die jene Mäntel nicht berechnet waren.

Unter diesen Kardinälen war auch Giovan Francesco Albani, der noch im selben Jahre mit der Tiara aus dem Konklave hervorkam. Ihn begleitete Msgr. Francesco Bianchini, der apostolische Antiquar. Das liebliche Gestade blieb dem Papste in Erinnerung, und seinem Prälaten die weiten Ruinenfelder nebst den Erzählungen der Leute von den gemalten Sälen, Mosaikböden und Marmorfiguren, die dort beständig gefunden und zerstört würden. Die Albani erwarben nun dort ein Grundstück, und der junge Alexander baute eine Villa (171 1), zu deren Portikus die Ruinen Säulen lieferten. Sie lag in der Nähe des Theaters, wo Nero gespielt hatte; erfand nodi die Szene undOrchestra mit ihrer kostbaren Marmorbekleidung, die später zum Glanz der Villa vor Porta Salara beisteuerte, die schwarzen Statuen des Jupiter und Äskulap, die Basis mit den Namen der Künstler des Laokoon u. a. Ihm folgten die Corsini (1743), deren Villa auf den Trümmern des Fortunatempels zu liegen scheint.

Auf der Turmplatte der Villa, deren Fassade sidi treppenförmig ver- jüngt, genießt man den Blick über die ganze Küste; wie eine Riesen- schlange legt sich das Meer in weitem Halbkreis um das Land, von denVolskerbergen bis zur Tibermündung hin. Gegenüber » das märchen- hafte Kap derCirce, welches als Insel wie ein großer Saphir homerisch- sagenvoll herüberfunkelt, die fernen kleinen Ponzaeilande, die ihre blauen Gipfel wie Blumenglocken kaum aus den Wellen erheben, hundert weiße Segel, welche kommen, gehen und dahinschwinden, der melancholische Gesang der Fischer, Flöten- und Harfenklänge« (Gre- gorovius).

Hier war es also, wo Winckelmann Erholung suchte und Stärkung zu neuen Unternehmungen. Nach der einen Seite kann er sich in dem Gerolle der Kaiservillen verlieren, in Grotten träumen, wo die Bran- dung unablässig widerhallt, im Arco muto, einem Durchstich, wo man einst geschwelgt hatte, geborgen vor der Sonnenglut, und um die Reste des alten Molo schwimmen und rudern, die wie das Wrack eines längst gestrandeten Schilfes aus dem Wasser hervorragen. Oder er wandert am flachen Ufer nach Osten, wo meilenweit, bis Astura, Villen-

424 ' RÖMISCHE ZEIT

trümmer sich reihen, deren Mauern zuweilen wie saubere Grundriß- zeichnungen sichtbar sind unter dem Spiegel des Wassers, das fort- während farbige Marmortäf eichen, Muscheln, Mosaikstifte und Mosaik- fragmente auf den Sand wirft.

SECHSTES KAPITEL VIERTE REISE NACH NEAPEL

Neue Beziehungen im Süden

Seit jenem Pasquill (II, S. 466 f .^ hatte es Winckelmann aufgegeben, je wieder nach Neapel und Portici zu kommen. Er war nicht nur gewiß, die Türen des Museums und seiner »guten Freunde« verschlossen zu finden, er fürchtete auch für seine Knochen. Von Don Rocco besorgte er »eine Tracht Schläge, wo nicht was Ärgeres; im letzteren Falle schwiege der Kläger, und im erstem behält die Prügel, der sie bekom- men hat . . . Dies könnte außer Neapel begegnen, und mehr als einer würde auf mich lauern« (4. August 1767). »Verstohlenerweise« aber wollte er nicht kommen; »es würde einer Torheit ähnlich sehen, als ein Verbrecher unter fremdem Schutze dahin zu gehen, wohin mich weder Pflicht noch Notwendigkeit rufen.«

So nahm er denn auch auf die Neapolitaner keine Rücksicht weiter. Im Trattato hatte sich mehr als eine Gelegenheit geboten, den Ver- fasser des Pasquills, den Marchese Bernhard Galiani, zu »striegeln«, der z.B. den Myron zu einem Zeitgenossen des Pompejus gemacht hatte.

Ebenda wurde der Wert der neapolitanischen Gemälde mit Schärfe vorgenommen. Der größte Teil rühre von Freigelassenen her: diese Entwürdigung (avvilimento) der Malerei im Römischen Reich aber sei mit Ursadie ihres Verfalls gewesen; deshalb habe sie zur Kaiser- zeit tiefer als die Bildhauerei gestanden.

Gerade nun aber traten ihm persönliche und sachliche Aufforderun- gen nahe, nach Neapel zu kommen; unerwartet ebneten sidi die Wege durch eine Person, die seit der letzten Reise am dortigen Hofe er- schienen war; auch außerhalb der verschütteten Städte taten sich Anziehungspunkte auf.

Der neue englische Gesandte, Sir William Hamilton (1730— 1803) war in wenigen Jahren (seit 1764) nicht nur eine höchst einflußreiche Person bei Hofe und bei dem jungen König geworden, sondern auch ein Mittelpunkt des antiquarischen Kommerz. Trotz der Strenge, mit

426 RÖMISCHE ZEIT

der man noch immer Privatausgrabungen wehrte, hatte sich bereits ein ansehnHches Museum im britischen Gesandtschaftshotel zusammen- gefunden. In erster Linie standen Denkmäler einer Gattung, für die das Königreich der ergiebigste Boden war, die aber Winckelmann auf den drei ersten Reisen wenig beachtet hatte. Als er mit Sir William in Beziehungen trat, waren dessen Vasen schon gezeichnet, und der Stich hatte begonnen.

Diese Beziehungen wurden vermittelt durch den Prinzen von Mecklen- burg (Oktoberi 766). Doch kannte ihn Hamilton längst aus den Erzäh- lungen eines Franzosen, der seit einiger Zeit bei ihm lebte und die Heraus- gabe des Vasenwerkes besorgte. Sein Interesse für den Vertrieb der Monumenti in England war vielleicht nicht ohne dieNebenabsicht, Wink- kelmanns Mitwirkung für die Beschreibung seiner Vasen zu gewinnen.

Dieser Franzose, dessen wirklichen Namen und Geburtsort niemand von seinen dortigen Freunden kannte, hieß Pierre Frangois Hugues, geboren zu Nancy 17 19 (gest. zu Padua 1805). Er gehörte zu jener Species Abenteurer, die, wie Stosch und Montagu, mit den allgemeinen Merkmalen ihrer Gattung Kunstsinn und Durst nach Gelehrsamkeit verbanden ^ Er hatte sich schon in Deutschland, Frankreich und Spa- nien herumgetrieben, als er Ende der fünfziger Jahre auch in Rom ersdiien. In Berlin hatte er auf der Hausvogtei gesessen, wo er seine Politique calculee drucken ließ. »Der Prinz von Württemberg befreite ihn, bezahlte für ihn und nahm ihn zu sich. Er wollte später um die Prinzessin von Brasilien anhalten und zu dem Zweck Corsica mit Gold unterwerfen. Der Abenteurer ging von Paris mit Vollmacht und Kreditbriefen dahin ab. Seine Mätresse verriet das Geheimnis. Der König sandte Mr. de Pusieulx zu dem Prinzen, der sich schämte und

I. O Peinture, Art vraiment divin! c'est ä toi qua je dois la consolation, la seule consolation que j'eprouvai dans ces tristes jours oü, jouet du caprice de la fortune, des basses intrigues des courtisans et de l'ambition des princes, je voyois comme Damocles l'epee fatale continuellement suspendue sur ma tete ... Tu sus en repandant tes charmes sur tant d'inquietudes, me faire goüter qiielque repos, dans la salutaire obscurite qui me cachoit ä tous les yeux, et tu m'aurais appris ä mepriser la vaine ambition, si le coeur qui s'y est une fois livre pouvoit echapper aux chaines pesanteuses qu'elle impose. CoUection II, p. 9. Im Eingang zur Schilderung der Stanzen Raffaels, die er hier auf Hamiltons Kosten anbrachte.

NEUE BEZIEHUNGEN IM SÜDEN 427

einen Vertrauten abschickte, der jenen in Marseille festhielt.« Darauf erschien er in Rom unter dem Namen du Han; Winckelmann hatte einiges aus seiner Gemmensammlung im Katalog angeführt; er erfuhr nun, jener sei eigentlich ein Comte de Grafenegg. Er verfaßte eine Beschreibung der Stanzen Raffaels, besonders der Schule von Athen, in der er den Charakter der einzelnen griechischen Philosophen und ihrer Lehren nachweisen wollte. Plötzlich wurden seine Sachen ver- siegelt und versteigert; 8000 Scudi Schulden hatte er gemacht, seine Baronie war ein Luftschloß; er entwich nach Livorno. Später hieß es, man habe ihn auch aus Venedig ausgewiesen, die angebliche Frau sei mit einem Mönch durchgegangen; er heiße d'Hancarville und sei aus der Normandie; nun sei es mit ihm aus. Winckelmann spricht von ihm wie von einer verflossenen Größe: »das ist das Schicksal dieses Men- schen von großen Talenten«.

Plötzlich, im Oktober 1763, tauchte er in Neapel auf, anfangs »in betrübten Umständen«; bald aber hat er sich bei dem gutmütigen Sir "William eingenistet. Er brachte ihn auf die Idee des Vasenwerkes, dessen Herstellungskosten 40000 Dukaten betrugen. Hamilton ver- traute ihm dessen Herausgabe an, mit der einzigen Bedingung, für Schönheit der Ausführung und Treue der Zeichnung zu sorgen. Er eilte damit, weil er bei dem Transport nach England für diese zer- brechliche Ware Schaden besorgte. Den Gewinn überließ er dem Baron; er soll sich auf 20000 Pfund belaufen haben. Vorläufig er- schienen nur die Kupfer; d'Hancarville wünschte für den Text Winckel- manns Bemerkungen zu benutzen. Im März sandte er die ersten Ab- drücke nach Porto d'Anzo, damit er »seine Erinnerungen über die- selben gebe«; und sofort erhielt er »alle Kupfer, so wie dieselben ab- gedruckt werden« (27. Juni 1767). Dieser erste Band kostete zwölf Dukaten^. Winckelmann war sehr überrascht, zum ersten Male Figuren wie Zieraten »mit dem höchsten Fleiße und mit dem wahren Ver- ständnis in der Zeichnung der Alten genau nachgeahmt« zu sehen; überdies war jedes Gefäß mit dessen eigenen Farben abgedruckt, der- gestalt, daß hier ein Schatz griechischer Zeichnung und der deutlichste

2. CoUection of Etniscan, Greek and Roman Antiquities, from the Cabinet of the hon^le. W™. Hamilton. Naples 1766. Aus zwei Bänden wurden vier, und jeder doppelt so groß, als anfangs beabsichtigt war.

428 RÖMISCHE ZEIT

Beweis der Vollkommenheit ihrer Kunst zu finden sei. »Dieses Werk übertrifft an Pracht alles, was bisher von alten Denkmalen in Kupfer erschienen ist 3.«

Anfangs schrak er zurück vor dem Gedanken, sich mit diesen Vasen herumzuschlagen, die noch ganz andere Nüsse zu knacken gaben als die Sarkophage. »Wenn ich mich in eine solche Arbeit einlassen wollte, käme ich in Ewigkeit aus der Märtelei nicht heraus.« So schrieb er am 24. Januar 1767 Stosch; aber am 29. erklärte er sich schon Riedesel gegenüber »nicht ungeneigt, sich in eine Erklärung dessen Gefäße einzulassen«. Nach Ostern wollte er kommen, um sich mit dem Eng- länder darüber zu besprechen. Diese Reise wurde vertagt, weil ihn der Vertrieb der Monumenti noch an Rom band, auch wollte Hamilton selbst im November nach Rom kommen.

Der nächste Gewinn der neuen Verbindung war die Aussöhnung mit dem Hof, d. h. mit Tanucci. Die Übersendung eines schön gebun- denen Exemplares der Monumenti war das Siegel derselben. Der Mini- ster a ciglia ispide antwortete »sehr höflich«; und da Winckelmann mit zwei Worten den Angriff der dortigen Pedanten berührte, sagte er sich mit einer leichten diplomatischen Wendung von diesen und ihren schalen Pasquillen los (le inimicizie ercolanesi, le lascio essere, ma ricevo etc.; 14. Juli 1767). Auch Lady Orford, eine Dame von 45 000 Scudi Renten, hatte wirksam für ihn gesprochen; »es wird die- selbe zu meiner Achtung bei ihm nicht wenig beitragen«. Am drin- gendsten waren dieEinladungen des» Aventurier«. Erst glaubte Winckel- mann, anstandshalber etwas spröde sein zu müssen. Der Briefwechsel mit ihm sei in Absicht des englischen Ministers unvermeidlich, aber seine Briefe seien »so feurig gewesen, daß auch ein frostiger katholi- scher Schottländer freundlich auf dieselben hätte antworten müssen« (2. Juni 1767). Er sandte auch »sehr richtige Zeichnungen der letzten pompe janischen Entdeckungen«, und so schien sich sogar nach dieser Seite hin der Horizont etwas aufzuhellen. Schon sieht er im Geist eine »Nachridit von den neuesten pompe janischen Entdeckungen und dem Hamiltonschen Museum« vor sich, die unter Freunde verteilt und Stosch gewidmet werden soll; die Dedikation werde endigen mit den Worten: Du allein bist mir statt Tausender (2. April 1767). Nun heißt

3. [Werke (Eiselein) III, 383.]

RIEDESEL UND SIZILIEN 429

jener »unser d'Hancarville«; doch hält ihn die Betraditung seines noch nicht wieder erlangten guten Namens zurück, die Einladung anzu- nehmen: er hätte nicht umhin gekonnt, bei ihm zu wohnen; aber: »ich merke, sein Herz ist nicht böse, und er fühlt Freundschaft und nötigt zu derselben« (2. Juni 1767).

Riedesel und Sizilien

Noch stärkere Lockungen nach dem Süden kamen von einem »wür- digen deutschen Pilgrim«, der seit Anfang 1767 seine »beständige Für- sprache« bei dem Minister war. Johann Hermann Riedesel, Freiherr zu Eisenbach und auf Altenberg (1740— 1785), ein Sohn des preußi- schen Generalleutnants Joh. Volbrecht, wurde später Kammerherr und von Friedrich IL seiner diplomatischen Geschicklichkeit wegen geschätzt; er starb als außerordentlicher bevollmächtigter Gesandter am kaiserlidien Hofe; Lamberg nennt ihn in seinen Memoiren estimable ä tous egards pour l'esprit et pour les moeurs^.

Die Beziehungen zu ihm waren erst aus der Ferne Freundschaft ge- worden. Winckelmann hatte ihm Ciceronendienste geleistet; aber als er später erkannte, welch warmen Verehrer er sich in dem jungen Edelmann erworben, wie treu und fein er auf seine Denkweise ein- gegangen war, machte er sich Vorwürfe, »daß er ihm nicht genug Vertraulichkeit bezeigt . . . daß er sich um ihn weniger verdient ge- macht habe als um andere« (22. Februar 1765). Seine Antworten zeigen eine gerührte Überraschung über die ihm neuen, Herz und Selbstliebe in gleicher Weise berührenden Bekenntnisse des Barons. »Sie lassen sich so weit unter sich selbst und unter mich herunter, daß ich wahr- haftig nicht weiß, wie ich antworten soll« (12. Oktober 1763). »Wie soll ich Ihnen und mir selbst ein Genüge tun auf ein Schreiben, das mich mit ungewöhnlicher Freundschaft beseligt. Briefe, wie die Ihrigen sind, habe ich noch von niemand erhalten« (17. April 1765).

4. [W. Rehm, Johann Hermann von Riedesel, in: Götterstille und Götter- trauer, Bern 1951, S. 202—247. Neudrucke von Riedesels »Reise nach Sicilien und Großgriechenland« und seiner »Reise nach der Levante« Jena 1830 und, mit Lebensbild von E. E. Becker, Darmstadt 1939— 1940, zwei Bände.]

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Winckelmann bezeugt ihm, daß er die Schönheiten Roms mehr als andere schmecken und empfinden gekonnt; er sei einer von den sel- tenen Reisenden, einer unter Tausenden, der das Schöne gleichsam von Natur kenne. Sein erster Brief aus Florenz war ihm ganz aus der Seele geschrieben über das Trod^ene, Harte und Übertriebene toskanischer Malerei. Auch hatte er zu niemandem »mit so ungebundener Freiheit« sprechen können, z.B. Kennerbetrachtungen anstellen über »schöne junge Männer«. Kurz, ähnliche Empfindungsvi^eise und Verehrung waren der Grund dieser Freundschaft. »Er ist mein Freund, und mein Herz wallt ihm entgegen, so oft ich an ihn gedenke ... Er ist ein Patriot nicht weniger als ich, ob er gleich von Franzosen erzogen und zu Paris geraume Zeit gewesen ist« (an Heyne, 23. Januar 1768).

Wenn nun Winckelmann fand, daß seine Neigung zu Riedesel in der Abwesenheit zunahm, was ein Merkmal der wahren Freundschaft sei: so merkte auch Riedesel bald, daß er von jenem Besuche Eindrücke davongetragen, die ihn nach dem Süden zurückriefen, Keime empfan- gen, die zu ihrer Entfaltung einen zweiten, aber viel weiter aus- zudehnenden Besuch verlangten. Sizilien, Athen, die Levante waren nun sein Ziel. Im Sommeri 7 64 kündigt er seine Rückkehr an; Winckel- mann umschweben Bilder von tausend reizenden Vergnügungen in seiner Gesellschaft; er mochte an Neapel gar nicht denken, ohne sich da in Riedesels Gesellschaft zu sehen. Mengs' Platz sollte, bis er komme, unbesetzt bleiben. Ihn werde er finden als den Alten, vielleicht mit ein paar Runzeln mehr, aber »der Freude geweiht im Schöße der Freundschaft« (20. Oktober 1764). Einige Sachen außer Rom, die er von neuem betrachten wollte, verspart er mit Fleiß auf seine Ankunft. Diese Briefe haben einen eigenen warmen, getragenen Ton; diesmal hat sich die Empfindung nicht im Gegenstand vergriffen.

»Warum denn so lange geschwiegen? ... Es ist wahr, mein letzteres Schreiben erforderte keine Antwort; Sie haben mich aber bereits ver- wöhnt, und da man beständig besorgt ist um das, was man liebet, so befürchte ich, daß Sie sich nicht wohl befinden; denn ich glaube nicht, daß Ihr Stillschweigen andere Gründe haben könne. Zuweilen er- neuert sich mein gewöhnlicher Traum, daß Sie auf dem Wege sind und bald mündlich antworten werden; denn wenn man mit offenen Augen träumet, verfliegen die Bilder nicht so leicht, wie in dem Über-

RIEDESEL UND SIZILIEN 43 I

gange vom träumenden Sdilafen zum Wachen geschiehet; sonderlich ein so angenehmer Traum, wie jener ist, den ich unterhalten will, so- lange ich nur die geringste Möglichkeit sehe« (19. Dezember 1764).

Als aber Riedesel durch Rom kam, war der andere in Porto d'Anzo: so reiste er nach Sizilien, ohne ihn gesprochen zu haben, obwohl die gelehrte Vorbereitung zu der Reise nach dessen Ratsdilägen gemacht war.

Als Winckelmann vor sieben Jahren über alte Baukunst schrieb, glaubte er, außer den Trümmern von Girgenti habe die Zerstörung alle sizilianischen Bauwerke weggefegt. Von Altertümern anderer Art scheint er nie vernommen zu haben. Eine sizilianische Reise war da- mals keine Kleinigkteit. Fahrbare Wege gab es nicht: man reiste zu Pferd und in Sänften; der Staat unterhielt Soldaten zum Schutz der Reisenden. Riedesel war der erste, der die Insel mit kunstwissen- schaftlichen Gesichtspunkten durchzog, betrachtete und für die Welt entdeckte. Auf des Freundes Bitten sandte er von jedem Ort seines Aufenthaltes eine ausführliche Beschreibung, »und zwar in deutscher Sprache, welches ihm besser im Französischen gelungen wäre«. Diese Briefe offenbarten Winckelmann ein unbekanntes Land. Sie kamen von einem Manne, der dasselbe suchte, liebte und empfand wie er. Schon die Nachricht vom Zeustempel zu Girgenti, über den Winckel- mann selbst einst die Beschreibung Mylnes bekannt gemacht hatte, zeigte, daß »er mehr und gründlicher als andere sehe . . .: wollte Gott, ich hätte Sie begleiten können«. Über alle Erwartung fand er seine Ahnung bestätigt, »daß in Sizilien sehr viel zu entdecken sei, was d'Orville als ein bloßer Schriftgelehrter nicht finden können und audi dem welschen Mönch (Pancrazi) unentdeckt geblieben« (an Heyne, 12. August 1767).

Ganz andere Erfahrungen als die Engländer machte Riedesel über sizilianische Gastfreundschaft, die er zu den »Überbleibseln der Grie- chen« rechnet. Er fand bei denen, an die er empfohlen war, »Reichtum, guten Tisch, Höflichkeit und Freundschaft ohne Zwang, mit vieler Aufrichtigkeit begleitet«. In allen Städten entdeckte er irgendeinen oder mehrere der Ortsaltertümer Kundige, die ihn überall hinführten. So in Girgenti Don Ettore, Baron von Sant' Anna, der die Zeich- nungen und Erklärungen im Pancrazischen Werk gemacht und sich

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nun dort verehelicht und niedergelassen hatte. Den Don Giov. Ficani, dessen Bewirtung, Begleitung und Fürsorge zur Fortsetzung der Reise er rühmt, veranlaßte der deutsche Freiherr eine Summe von hundert Scudi jährlich vom Stadtrat zur Erhaltung der Altertümer zu erwirken. In Syrakus trifft er im Conte Gaetani einen im Griechischen und in der Stadtgeschichte wohlerfahrenen Mann, der den Theokrit mit feinstem Geschmack ins Italienische übersetzt hat. Der Bischof von Catania, Vintimiglia, hat seine Bibliothek öffentlich gemacht, sie enthält sämt- liche Werke von Voltaire, Rousseau, Helvetius.

Getreulich referiert Riedesel über die Schönheit der Weiber; und als er die Frauen von Monte Trapani sieht mit ihrer weißen Haut, ihren feurigen schwarzen Augen und griechischem Profil, da versteht er, warum auf dem Berge Eryx ein Venus-Tempel stand. Ähnliche For- men entzücken ihn in Girgenti, Syrakus, am Ätna, an der ganzen süd- lichen und östlichen Küste, so daß also in Sizilien, umgekehrt wie im Neapolitanischen, das weibliche Geschlecht vor dem männlichen den Vorzug habe. Die Ansicht Winckelmanns von dem feinen, scharf- sinnigen, talentvollen Wesen der mittäglichen Völker findet er be- stätigt, doch vermißt er das Phlegma.

Der dorisdie Tempel zu Segesta, die drei Ruinen von Selinunt, wer- den untersucht und gemessen. Wie Winckelmann in Pästum, fühlt er deutlich die Schönheit der Einfalt und der Sparsamkeit in Zieraten, wo das Auge nur durch die Übereinstimmung der wenigen aber edlen und harmonischen Teile zum Ganzen entzückt werde. Wenn er den Riesentempel von Agrigent in seiner einstigen Herrlichkeit sich vor- stellt, die Größe der Säulen, die zierliche Form, die Festigkeit in den Pilastern, die schöne Bildhauerarbeit, so scheint er ihm ein viel edleres Gebäude als Sankt Peter gewesen zu sein, und das prächtiger und schöner in die Augen gefallen sein müsse. Die Herrlichkeit der nun viel besungenen Blicke vom syrakusischen Theater über die Stein- brüche, vom Theater Taorminas, vom Augustinerkloster zu Girgenti hat er zuerst entdeckt und in tiefempfundenen Worten ausgedrückt. Wenn er da von Syrakus statt Tempeln und Tyrannenhäusern nichts sieht als eine leere Küste und einen dem Meere gleichen Hafen, und wenn er von Ätna bis nach Kalabrien hinüberblickt, dann ruft er: »ein glücklicher Tag in diesem Leben ist besser als hundert Tage des Ruh-

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mes nach dem Tode; und ein Freund im Leben mehr wert als hundert Bewunderer unserer Nachkommen«.

Am meisten reizten Winckelmann die Nachrichten von den Museen. Riedesel fand eine Vasensammlung im Jesuitenkolleg zu Palermo, eine Münzsammlung beim Bischof Lucchesi in Girgenti nebst vier goldenen Schalen; dreihundert Vasen bei den Benediktinern in Catania; für das vollständigste und schönste Museum aber in Italien, vielleicht in der Welt, hielt er das des Prinzen Biscari ebenda. Vierhundert Vasen, viele, fast alle, würdig gezeichnet und beschrieben zu werden. Dieser Prinz hatte das unter der Lava begrabene Catania entdeckt und durchforscht; im Amphitheater war er völlig herumgegangen; eine Beschreibung der Altertümer mit Kupfern hatte er unter der Feder.

Riedesel erklärt ihn für den vollkommensten Menschen in Sizilien. »Er ist einer der seltensten Menschen, welche Geburt, Vermögen und Kenntnis nur um der Seinigen und anderer Nebenmenschen willen, nicht aber für sich allein erhalten zu haben glauben. Die Prinzessin ist das Ideal einer Hausfrau; die zwei Söhne und die Tochter vor- trefflich erzogen, höflich, musikalisdi, französisdi redend. Ganz Catania betet die Familie an; die Armen finden Trost und Schutz, die Reichen Gesellschaft und, wenn sie es verdienen, Freundschaft in dem Hause: diese Familie allein verdient die Reise nach Sizilien.«

Dies alles, besonders aber die Vasen, bestimmte Winckelmann, zu der beabsichtigten neapolitanischen Reise einen Anhang zu machen. Die Reisebriefe riet er L.Usteri (22. Juli 1767), nicht in der Bibliothek der schönen Wissenschaften erscheinen zu lassen, sie würden zerrissen werden; er bat, sie mit einer Vorrede in der Schweiz herausgeben zu dürfen, wo sie auch 1771 in Zürich erschienen. Aber er wollte Riedesel nun selbst folgen. In Sizilien war noch jungfräulicher Boden. Auch Hancarville ging damals mit einer alten und neuen Geschichte Sizi- liens um. Winckelmann wünschte, Zeichnungen von den besten Ge- fäßen zu haben; aber wie waren Zeichner zu bekommen? »Ich kann Ihnen nicht verhalten zu sagen, daß mir die Lust erweckt wurde, wenig- stens einen Teil von Sizilien zu sehen, und dieses würde die östliche Seite sein, wenn der Prinz Biscari die Erlaubnis erteilte, einige von dessen Gefäßen abzeichnen zu lassen. Denn von den Benediktinern zu Catania hoffe ich dieselbe von hier aus zu erhalten« (28. Juli 1767).

434 ROMISCHE ZEIT

Ende September sollte es fortgehen, anfangs bloß von Messina bis Catania und Syrakus, dann auch nach Girgenti. Er beschloß, seinen eigenen, seit zwei Jahren von ihm unterhaltenen Zeichner mitzu- nehmen, der ihm ja nichts als das Leben koste, von jeder Stunde Rechenschaft gebe und in einer Stunde mehr mache, als andere in einem Tage. »Dieser Mensch«, schreibt er an Riedesel im erwähnten Brief, »wäre bereit, auch in den Tod für mich zu gehen, wie ich davon Proben habe.« Ist es der im Testament bedachte Abate Piremei, oder der Zeichner des Antinousreliefs, N. Mosman, oder der im hand- schriftlichen Verzeichnis derMonumenti genannte Gio. Antonio? Nach- dem er ausgelesen, was ihm »dienlich« war von den Vasen, »die besten und schwersten«, wollte er nach Neapel zurückkehren und jenen dort lassen. »Ich glaube, diese Kosten können wie auf Interessen gelegtes Geld angesehen werden.«

Dieser Plan wurde damals vereitelt durch die Nachricht von der Romreise Kaiser Josephs II. mit dem Großherzog von Toskana und der Königin von Spanien. Als diese wieder abbestellt wurde, war es zu spät; man vertagte die sizilische Fahrt auf das Frühjahr 1768. Winckelmann war bestimmt gewesen, den Kaiser zu führen, der in der Villa Albani wohnen wollte.

Sir William Hamilton

Am 19. September 1767 also war es endlich so weit, daß Winckel- mann zum vierten Male nach dem Süden abfuhr. Anfangs hatte er, um die Nachtrast in Piperno und Fondi zu vermeiden (il morboso aere di Fondi), und auch dem Kurier seine Knochen nicht preiszugeben, einen Weg durch die pontinischen Sümpfe ausgedacht, einen Weg, der gleichsam mit Blumen bestreut sei, von Terracina zu Pferde oder zu Fuß bis Molo di Gaeta. »Wegen der Fahrt durch die Sümpfe, die etwa zehn Stunden dauert, habe ich alles bereits richtig gemacht, und man wird mich auf der halben Fahrt mit frischen Fischen daselbst bewirten« (7. August 1767). Schließlich nahm er doch die Post.

Hamilton und Hancarville, Riedesel und Lady Orford hatten ihn eingeladen. Er wohnte und bei dem falschen Baron. »In Neapel

SIR WILLIAM HAMILTON 435

habe ich bei einem der größten Aventuriers eine eigene Kammer, die mit sogenannten hetrurisdien Gefäßen, welche mir eigentümlich ge- hören, ausgeziert ist, und von demselben für mich vermehrt werden« (6. Februar 1768).

Dieser letzte Besuch in Neapel war der längste, er währte zwei Monate. Auch der heiterste und ausgiebigste war es. Er ist nicht, wie früher, behängt mit anderen Reisenden. Der Aufenthalt verlief sehr ruhig, angenehm und nützlich; diesmal habe er Neapel völlig nach sei- nem Sinne genossen. Auch nach der Heimkehr (als sein römisdier Schneider einen Unterschied von zwei Finger breit im Umkreis fand) glaubte er sich niemals besser befunden zu haben.

Viel trug dazu bei das Hamiltonsche Haus, das schon ein Zug in Neapels Leben geworden war, ein Mittelpunkt des Fremdenverkehrs und »die größte Quelle der Unterhaltung und Belehrung« in jener Stadt (Wraxall). Es war allabendlich für Fremde jeder Nation offen, und Winckelmann erschien, so oft er konnte. Fast jedesmal war Kon- zert da, wo die Lady (nicht die zwanzig Jahre später dort auftretende schöne Hetäre), mit dem Beifall selbst der Einheimischen, das Piano spielte. Duclos, der im selben Jahre dort war, fand hier das glücklichste junge Ehepaar, ein wahres Gemälde patriarchalischen Lebens. Hamil- ton, seit 1755 mit ihr vermählt, verdankte ihr seinen Reichtum, denn er hatte nichts als einen großen Namen und er liebte dies zu sagen. Sie starb 1782.

Sir William war ein schlanker, hagerer Mann, von dunklem Haar, starker Adlernase; ein Reisender vergleicht seine Erscheinung mit der des Rolando im Gil Blas, aus den Zügen spreche Verstand und Vor- nehmheit. Dabei war er ein Mensch von glücklichstem Temperament und sehr leicht zu amüsieren. Er war ein Milchbruder des damaligen Königs von England. Er hatte die Schlacht von Fontenoy (1745) mit- gemacht. Sein Eifer für Wissenschaften und für Sport hielt sich die Waage. Tagelang brachte er in den Forsten des Reiches zu mit dem tollsten robustesten Jäger des Landes, dem jungen König Ferdinand, er war von den Gesandten der best angesdiriebene. Stundenlang fischte er in der Sommersonnenglut bei Castellamare. »Die Gabe sich jedem gefällig zu zeigen«, bemerkt Tischbein, der die Herausgabe seiner zweiten Vasensammlung veranstaltete, »besaß er im höchsten Grade,

43^ RÖMISCHE ZEIT

und mit seiner offenen Geradheit zog er alle Menschen auf eine so ein- nehmende Art an sich, daß in der großen Zahl seiner Bekannten jeder sein bester Freund zu sein glaubte. Von Großen und Geringen wurde er geliebt und geschätzt; auch gehörte er wirklich jedem an und gab sich freundlich hin. Er erzählte sehr launig und lachte über die Ver- kehrtheiten in Meinungen und Betragen der Menschen. Was er sagte, war kernig und fast immer im lustigen Gesellschaftston«.

Schon damals erklärte ihn Duclos für den besten Cicerone Neapels; er finde für alles Zeit, ein genauer Beobachter der Altertümer, der Natur und der Künste. Er hatte den Ätna und die liparischen Inseln in Begleitung eines Malers Pierre Patris wissenschaftlich bereist. Auch Winckelmann machte mit ihm und dem Abenteurer kleine Reisen. Er hatte sich schon in Rom auf seinen Umgang gefreut: er sehnte sich nach jemandem, »mit dem man vernünftig über das Altertum sprechen könne, der nicht Gewissensskrupel und Religionsbetrachtungen in die Quere hineinbringe, wie jener, den wir kennen, der Brausewind« (21. Juli 1767). Es ist der Kardinal, der seit kurzem Anzeichen gab, »fanatisch und bigott« werden zu wollen. Er hatte ihm eine Warnung zukommen lassen, dem vor dem heiligen Uffiz bangte, »dem fürchter- lichsten Gerichte über Menschenkinder« (22. Juli 1767); es stellte sich heraus, daß es sich um eine Verletzung der Fastengebote handle. Er nennt Hamilton »den größten Bilderkrämer unter allen Lebenden«. Aber dessen Vorschlag, ein Werk » aller merkwürdigen gesdinittenen Steine« zu unternehmen, das ihn vielleicht ein ganzes Jahr besdiäftigt hätte, lehnte er ab. Im Februar 1768 kam Hamilton mit seiner Frau nach Rom; Winckelmann führte ihn aber nur an die vornehmsten Orte; dagegen gab er zu gleicher Zeit Lord Stormont, britischem Ge- sandten in Wien, wöchentlich zwei Tage.

Goethe gibt uns (in der »Italienischen Reise«) einen Blidc in das ge- heime Kunst- und Gerümpelgewölbe Sir Williams. »Da sieht es denn ganz verwirrt aus; die Produkte aller Epochen zufällig durcheinander gestellt: Büsten, Torse, Vasen, Bronzen, von sizilianischen Achaten allerlei Hauszierat, sogar ein Kapellchen, Geschnitztes, Gemaltes, und was er nur zufällig zusammenkaufte. In einem langen Kasten an der Erde, dessen aufgebrochenen Deckel ich neugierig beiseite schob, lagen zwei ganz herrliche Kandelaber von Bronze. Mit einem Wink machte

SIR WILLIAM HAMILTON 437

ich Hackerten aufmerksam und lispelte ihm die Frage zu, ob diese nicht ganz denen in Portici ähnlich seien. Er winkte mir dagegen Still- schweigen; sie mochten sich freilich aus pompejischen Grüften seit- wärts hierher verloren haben. Wegen solcher und ähnlicher glücklicher Erwerbnisse mag der Ritter diese verborgenen Schätze nur wohl sei- nen vertrautesten Freunden sehen lassen.«

Unter allen diesen Antikaglien aber hatte er seine besondere Gunst den Vasen zugewendet. Diese zeigte er am liebsten, »indem er die Ein- fachheit und doch so große Innigkeit der Darstellung rühmte«. Tisch- bein sah ihn einst, in voller Gala, vom Hofe kommend, mit großem Ordensbande und Stern, einen Korb voll Vasen tragen. Ein zerlumpter Lazzarone faßte das eine Öhr des Korbes, und der Minister das andere. Die Guineen setzten die Schatzgräber in Bewegung, alte verstaubte Famihenstücke suchten das Tageslicht; einst brachte ihm ein Priester aus Apulien eine ganze Sammlung. »Sie können sich nicht vorstellen«, schreibt Martorelli im Mai 1766 an Olivieri, »was für köstliche Sachen dieser Minister kauft, Denkmale unseres griechischen Vaterlandes, wie sie Athen selbst nicht hat; so raubt uns Geldgier diese Schätze! U<

So angesehen er indes bei Hofe war: bei Ausgrabungen mußte audi er Vorsicht gebrauchen. Im August 1766 wird Tanucci ein attentato assai grave angezeigt. Mitten in den tifa tischen Gebirgen, zehnMiglien oberhalb Capua, wohin man nur auf ungebahnten Wegen gelangt, in dem Orte Formicola, sind auf Antrieb reicher Fremden Scavi gemacht und etrurische Vasen von ausnehmender Schönheit und Seltenheit ge- funden worden. Es ergab sich, daß Hamilton mit seiner Frau inkognito angekommen war und zwei Tage bei einem Carlo da Pisa gewohnt hatte. In Casale di Tregghia, dem alten Trebia, wo man schon vor sieben Jahren beim Graben nach Bausteinen Grüfte mit Vasen gefun- den hatte, die jener Carlo besaß, »ließ Hamilton in seiner Gegenwart Gräber eröffnen, teils um die Bauart derselben zu sehen, teils um zu versuchen, ob sich auch in Gräbern an so unwegsamen Orten der- gleichen Gefäße fänden«. Man fand ein Grab mit dem ausgestreckten Gerippe; über dem Haupt hingen Vasen an Nägeln, andere standen zu Füßen und zu Häupten des Toten. Das Grab zeichnete Hamilton (Col- lection II, S. 57), die Vasen nahm er mit; im Juli kam er in einem ein-

5. [Pesaro, Biblioteca Oliveriana.]

I

438 RÖMISCHE ZEIT

spännigen Calessino zurück und wiederholte an verschiedenen Orten diese Untersuchungen. Da Pisa wurde nun verhaftet und nur auf wiederholte Fürsprache des Gesandten freigelassen; dieser erklärte, er habe bei einem Landaufenthalte, aus Interesse für etrurische Ge- schichte, nach solchen Denkmalen gefragt, und ein Bauer habe ihm soldie, wie man sie oft beim Ackern finde, gezeigt, es seien aber nur Knochen, Eisenringe und ganz ordinäre Gefäße darin gewesen.

Die Vasen

Überrechnete man, wieviel von diesen kostbaren Resten im Lauf der Jahrhunderte von Bauern gefunden und zerschlagen worden war, weil sie Schätze darin vermuteten, so konnte einem ganz wehe zumute werden. So häufig kamen sie zutage, daß sie auf die Formen der ge- wöhnlichen Gefäße dortiger Dörfer, deren Eleganz allen Fremden auffiel, einen sichtbaren Einfluß geübt hatten.

In der Stadt waren sie immer, seit diesem Jahrhundert mehr als früher geschätzt worden, sie dienten als Zimmerschmuck; einige vom Adel hatten förmliche Sammlungen angelegt. Die älteste bekannte war die des angesehenen Hauses Valletta (litterarum quasi restauratores nennt sie Martorelli), das wegen Verarmung im Jahre 1720 seine Statuen an einen englischen Arzt für 11 00 Dukaten, die Bibliothek nebst 45 Vasen an die Oratorier für 14000 Dukaten und zuletzt seine große Vasensammlung an den Kardinal Gualtieri verkaufte^. Sogar die Fälschung hatte sich ihrer bemächtigt; von jenem Venezianer Pietro Fondi liefen eine Menge nachgeahmte umher (S. 250).

Bisher war es dort niemanden eingefallen, diese Schätze zu ver- öffentlichen oder wissenschaftlich zu behandeln. Daß dies möglich sei, ahnten die Neapolitaner erst, als die Toskaner sie als Denkmäler ihrer etruskischen Vorzeit für sich beanspruchten, also seit Bonarrotis Aus- gabe der Etruria Regalis, und noch mehr seit Gori die Gelehrten

6. Ein Exzerpt Ws. Ex. Ms. Stosdiiano mit der Überschrift Iter Neapoli- tanum enthält die Notiz: Ibidem in domo Consalui de Bernardo Vasorum genera antiqua circa CXLVIII parva magnaque. [Savignano, Biblioteca acca- demica: Winckelmann-Nachlaß VII, i, 2.]

DIE VASEN 439

Italiens für sein Museum Etruscum in Bewegung setzte. Bottari fand 1734 in Neapel so viele, daß er nicht das Herz hatte, mit Zeichnungen anzufangen, hundert und aber hundert in einem einzigen Hause; aber Matteo Egizio sei der einzige, der etwas davon verstehe. Als beliebtes Dekorationsstück guter Häuser stellte man sie auf Konsolen, über die Türsimse, in Glasschränke, wie Porzellan und böhmischen Kristall. Regelmäßig sah man sie in den Zimmern der Musiker und der Advo- katen. Am geschätztesten waren die von Nola, wegen ihrer leichten Form (leggierezza) und des schwarzglänzenden, sammetartigen Firnis; die von Capua und Calvi sollten im Rustico der Arbeit den toskani- schen gleichen.

Auf den früheren Reisen hatte Winckelmann die Sammlungen des Grafen Feiice Maria Mastrilli und des Hauses Porcinari gesehen. Jene enthielt 342 Stücke von ausgezeichneter Erhaltung, fast alle figuren- reich, jede hatte ihr Gegenstück in Größe, Form und Qualität. In der großen Galerie des Hauses Mastrilli sah man zwölf große ovale Wand- gemälde in vergoldeten Rahmen, denen nach allen Seiten feingeschnitzte Arme entsproßten, als Träger der Vasen. Die größten standen auf Basen, abwechselnd mit Büsten und Bronzen. Diese Sammlung hatte der Marchese Giuseppe di Palma geerbt, er bat, sie dem König schen- ken zu dürfen; da man aber die Absicht des verarmten und mit den Erben prozessierenden Barons merkte, so antwortete man mit Maß- regeln gegen ihre Ausführung. Hamilton, der auch die Porcinarische Sammlung kaufte, stand damals wegen 75 Vasen in Unterhandlung.

Wäre das Sammelinteresse des Königs nicht ganz durch Herculaneum in Anspruch genommen worden, so würde zwischen 1738 und 1759 gewiß eine Vasensammlung entstanden sein ebenso grandios wie die des bourbonischen Museums. Karl III. besaß schon 1738 ein kleines Kabinett; er hatte Marcel Venuti aufgefordert, etwas darüber zu schreiben. Auf die Bemerkung, daß schon Gori einen Band heraus- gegeben habe, hatte er gesagt: Ebbene, voi ne farete un altro. Als aber später (1752) Bajardi den Ankauf von dreihundert, darunter sehr großen und szenischen Vasen, vorschlug, lachte man ihn aus; man hielt sie für eine Verunstaltung des Museums.

Die Vallettasche Sammlung fand von Rom aus ihrenWeg in die Öffent- lichkeit durch die Werke von Montfaucon und Gori. Clemens XII.,

44° RÖMISCHE ZEIT

der sie 1737 erwarb, hatte sie in der Vaticana aufstellen lassen, auf des Mardiese Capponi Vorschlag, der schon 1734 an zweihundert in ab- gelegenen Zimmern des Palastes entdeckt hatte; vielleicht die aus Chiusi, die ein Geschenk des Bischofs Bargagli waren. Der Kardinal Quirini ließ 1744 ein Zimmer für die Vasen herrichten.

Winckelmann hatte früher die Beziehungen dieser Tongemälde zu Griechenland geahnt; aber er war zu sehr beschäftigt mit den römi- schen Skulpturen und dem Museum von Portici, um sie für die Ge- schichte griechischer Zeichnung studieren zu können. Mengs, dessen künstlerischer Blick ihren hohen Wert schnell erkannte, hatte seinen kurzen Aufenthalt in Neapel im Jahre 1759 benutzt zur Erwerbung eines Schatzes von 300 Stück, die später auch in die Vaticana kamen. Alle Unbefangenen erkannten die griechische Arbeit, aber niemand verfiel auf die Tatsache, daß sie aus den Manufakturen des Mutter- landes und seiner Inseln in Italien eingeführt seien. Die Italiener waren von dem Vorurteil des etrurischen Ursprunges schwer abzubringen. Auch Riedesel nahm an, die sizilischen Griechen hätten die Vasen- malerei von den Etruskern und Campanern gelernt, wie wir die Por- zellanmanufaktur von den Chinesen; die etruskische Tonerde sei Mode gewesen wie heute die Meißner; aber sie hätten die Zeichnung ver- bessert: denn alle Gegenstände seien griechischer Sage und Geschichte entnommen, und durchgängig zeigten sie den guten Geschmack, die edle Einfalt und Zierlichkeit der alten Griechen, ja einige den Stil der besten Zeit.

Sdion in der ersten Ausgabe der Kunstgeschichte sprach "Winckel- mann sie den Etruriern ab, denen sie die Toskaner »zur Ehre ihrer Nation zuzueignen gesucht hatten«. Auf keiner habe man bis jetzt etrurische Schrift gefunden, und die unverhältnismäßige Mehrzahl stamme aus dem Neapolitanischen; wenn man an die alte Verbreitung der Etrurier erinnere, so übersehe man, daß die Richtigkeit der Zeich- nung und die den Zeiten des Apelles eigene Anmut (nadi Bonarroti) nur zu den späteren Zeiten der Kunst passe. Da sie nun meist in Campanien gefunden waren, so bringt er sie bei der Kunst dieses italischen Stammes unter. Diese Campaner waren »ein Volk, denen ein sanfter Himmel, weldien sie genossen, und der reiche Boden, welchen sie bauten, die Wollust einflößte«. Die Griechen, als sie sich dort nie-

DIE VASEN 441

derließen, führten auch ihre Künste ein; »sie werden«, fügte er später hinzu, »dieCampaner, ihre Nachbarn mitten im Lande, belehrt haben.«

Auch die Neapolitaner wollten von dem etruskischen Ursprung nichts wissen. MastriUi nannte sie campanische, Martorelli griechische, der Sizilianer Don Salvatore di Blasi zu Palermo bemerkte schon 1745 gegen Gori, daß man sie, wenige ausgenommen, grecosiculi nennen müsse, und zwar auf Grund der griechischen Inschriften, der unter- italienischen Kolonien und ihrer Münzen, und der Übereinstimmung der neapolitanischen Vasen mit den sizilischen.

Seit der Herausgabe der Kunstgeschichte waren viele neue zum Vorschein gekommen, und man war aufmerksamer gewesen, sie zu sammeln. In den »Anmerkungen« spricht Winckelmann bestimmt aus, daß er sie zum Teil für griechische Arbeit halte, die in Großgriechen- land verfertigt war.

Im Trattato weist er ein Argument zurück, das die Etruskologen aus der angeblichen Übereinstimmung einiger mit den hetrurischen Opfer- schalen von Erz (den Spiegeln) hergenommen hatten, z. B. in den Figuren der Faunen mit Pferdeschwänzen. Diese Übereinstimmung gelte nur von Vasen der ordinärsten Art; sonst sei der Stil ganz ent- gegengesetzt, Schlankheit zuweilen bis zum Langen und Magern (scarnite), während der etruskische Stil stark und übertrieben sei (risentito e caricato).

In den letzten, der posthumen Ausgabe der Kunstgeschichte ein- verleibten Bemerkungen, für die er die Hamiltonsche Sammlung be- reits benutzt hatte, gibt er freilich wieder zu, daß sich in den archa- ischen Vasen »die Zeichnung der Tyrrhenier oder ältesten Hetrurier, als derenNachkommen dieCampaner anzusehen seien«, erhalten haben könne. Denn ihr Stil sei dem hetrurischen ähnlich. Aber die hetruri- schen Werke, die er im Auge hat, waren eben griechisch-archaische Marmorwerke. Die Vasen des schönen Stils schienen ihm offenbar zu gut auch für die Campaner: wolle man die Ehre dieser Arbeit ihnen lassen, so werde es ihnen nicht schaden, »sie als Schüler griechischer Künstler anzusehen«.

Sein letztes Wort ist (KG III, 4, 33), »daß die mehrsten vermöge ihrer Eigenschaften griechischen Meistern zugewiesen werden dürfen. Da wir nun oft an Zeichnungen deutlicher als an ausgeführten Gemäl-

44^ RÖMISCHE ZEIT

den den Geist der Künstler, ihre Gedanken, nebst der Art dieselben zu entwerfen, wie auch die Fertigkeit wahrnehmen, mit der die Hand ihrem Verstände zu folgen und zu gehorchen fähig gewesen ist, als wohin die Absicht kostbarer Zeichnungsammlungen gerichtet sein soll: so wird diese Absicht noch edler erreicht mit solchen bemalten Ge- fäßen, indem diese wirkliche Zeichnungen . . . die einzigen aus dem Altertume noch übriggebliebenen Zeichnungen sind«.

Außer der meisterhaften und zierlichen Linienführung (es gibt Figuren, die »in einem Disegno Raffaels einen würdigen Platz haben könnten«) ist »die Raschheit, mit der die Linien mit dem Pinsel end- gültig gezogen [mit einem spitzigen Instrument leicht eingeritzt] werden müssen, der größte Beweis von der allgemeinen Richtigkeit und Fertigkeit auch dieser Künstler in der Zeichnung. Da man ins- gemein keine Absätze oder angehängte und von neuem angesetzte Linien findet, auch in dieser Arbeit keine Änderung oder Verbesserung stattfindet, so muß eine jede Linie des Umrisses einer Figur un ab- gesetzt gezogen sein, welches in der Eigenschaft [bei der Beschaffen- heit] dieser Figuren beinahe wunderbar erscheinen muß.«

»Diese Gefäße sind, wie die kleinsten geringsten Insekten die Wun- der in der Natur, das Wunderbare in der Kunst der Alten, und sowie in Raffaels ersten Entwürfen seiner Gedanken der Umriß eines Kopfes, ja ganze Figuren mit einem einzigen unabgesetzten Federstrich gezogen, dem Kenner hier den Meister nicht weniger als in dessen ausgeführten Zeichnungen zeigen: ebenso erscheint in den Gefäßen mehr die große Fertigkeit und Zuversicht der alten Künstler als in den anderen Wer- ken. Eine Sammlung derselben ist ein Schatz von Zeichnungen.«

In den letzten Jahren vor dieser Reise nach Neapel hatte Windcel- mann die Vasen vom antiquarischen Gesichtspunkte aus zu behandeln begonnen. Unter den in ungenügenden Zeichnungen veröffentlichten elf Vasen der Monumenti mag etwa die Hälfte riditig erklärt sein: Theseus, Sinis und Peirithous (98), Theseus, der Minotaur und Ariadne (100), Thetis dem Achill die Waffen bringend (131), Orest und Pylades (146), Zeus und Hermes vor dem Fenster der Alkmene (190). Nr. 22 ist nicht Helios und Selene, sondern Helios und Eos, aus deren Stirnband der Zeidiner Hörner gemacht hatte. Nr. 99 »Theseus und Ariadne « ist eine einfache erotische Szene (S.405 ) . Nr. 143 » Astyanax

DIE VASEN 443

und Andromache« ist Archemoros' Leiche im Schöße der Mutter; über Nr. 159 s. S.407; was er in der »Ära traforata« (181) für Löcher hält, sind Blutflecke. In dem Gelage Nr. 200 nimmt er für einen Kande- laber, was ein Kottabosständer war (vgl. H. Heydemann Annali deir Istituto i868p.2i7ff.). Die in der Kunstgeschichte (III, 4, 3 6 ff .) er- klärte Vase des britischen Museums stellt einen Raub der Leukippiden dar, sie ist seit der Auffindung der Inschrift durch Gerhard unter dem Namen der Vase des Meidias bekannt.

Was ihre Bestimmung anlangt, so nennt er Opfer, sonderlich der Vesta, Bewahrung der Asche der Toten, Siegespreise, Zieraten wie unser Porzellan, und Kinderspielzeug (für die kleinsten Gefäße).

Zu einer eingehenderen kritischen Benutzung der Vasen für die Erkenntnis der Stilfolge griechisdier Kunst ist Winckelmann nicht gekommen; aber wahrscheinlich würde er sie unternommen haben, wenn ihm längeres Leben beschieden gewesen wäre. Darauf führen Andeutungen des d'Hancarvilleschen Textes, in denen er als der un- erreidibare Meister der Kunstgeschichte gefeiert wird 7. Hier wird es als der eigentümliche Wert dieser Sammlung vor allen ähnlichen von Marmoren, Bronzen, Münzen und Gemmen bezeichnet, daß sie die Fortschritte der Malerei und der Zeichnung anzeige, vom Beginn bis zu ihrem Fall. Wie auf einer geographischen Karte könne man ihren Gang sehen und sozusagen alle Schritte verfolgen, die der Kunstfleiß in dieser gefälligsten aller schönen Künste gemacht habe. Er macht den Versuch, diese Schritte an der Hand unserer Nachrichten über die griechische Malerei festzustellen.

Auch sonst sind in dem Text dieses Werkes die bekannten Winckel- mannschen Ansichten mit denen des Herausgebers verwoben, die aber zuweilen Spuren seiner mündlichen Mitteilungen verraten. D'Hancar- ville setzt die ältesten Vasen mit den Tierfiguren vor die Gründung Roms; die Epoche der Vollendung reiche bis zur Eroberung Capuas;

7. C'est que les Curieux peuvent lire une infinite d'observations impor- tantes, appuyees d'exemples le plus dioisis, vus avec le goüt qu'on peut desirer, et montres avec rintelligence et l'erudition qui peuvent les rendre utiles et interessans pour les Amateurs, les Artistes et les Gens de lettres. Ceux qui trouveront que nous n'avons pas assez fait, ou fait assez bien, et qui ne connaitront pas les ouvrages dont nous parlons, nous auront au moins l'obligation de leur en avoir indique de meilleurs que les notres.

444 ROMISCHE ZEIT

als Endtermin dieser Manufaktur gilt ihm die Eroberung Korinths, weil durch die reiche griechische Beute das kostbare Material in Ge- fäßen aufkam. Er glaubt, daß die Tongefäße, die nach Plinius so hoch bezahlt wurden, höher noch als die murrhinischen, nidit aus den da- mals bestehenden Manufakturen (wie der zu Arezzo) hervorgingen, sondern aus Gräbern, und mit unseren großgriechischen identisch waren, die man nicht nachahmen konnte, weil ihre Technik seit Jahr- hunderten verloren war. Ihrem Ursprünge aus dem Mutterlande ist er nahe auf der Spur; wie Mythologie, Geschichte, Kostüm und Sitten griechisch sind, so läßt auch ihr Stil stets dessen jedesmaligen Zustand in Hellas spüren. Sie beweisen zweifellos den ununterbrochenen Ver- kehr zwischen Groß- und Kleingriechenland. Vom Beginn der Malerei bis zu der Zeit, wo Italien den Römern Untertan wurde.

Durch Hamilton wurden die Vasen in Neapel förmlidi Mode. »Etwas Prachtvolleres«, schrieb Martorelli den lo. Mai 1766 an Olivieri, »hat man in Europa noch nicht gesehen, in jedem Betracht: welche antike Schönheit, was für eine Zeichnung, welch ein Ausdruck! Solche Schätze schenkt nur unsere Campagna!« Der Duca di Carafa Noja begann auch, diesen Kunstzweig seiner reichen Sammlung anzugliedern; er brachte etwa dreißig zusammen, die er stechen ließ, aber aus Geld- mangel nicht herausgeben konnte; als der Druck endlich bis Seite 52 gelangt war, starb er (1769). Der Hof kaufte sein Museum und ließ es nach Capo di Monte bringen. Das schönste und gelehrteste Stück stellte den Kampf um den Leichnam des Patroklus in einigen zwanzig Figuren dar. »Jetzt«, schreibt Martorelli, »kleiden sich hier Kavaliere und Damen all' etrusca und alla greca; auch die Wagen und die Zim- merverzierungen müssen in diesem Geschmack sein^.«

8. Zwischen die Herausgabe des ersten und zweiten Bandes des Hamilton- schen Werkes fiel Winckelmanns Tod. D'Hancarville ließ zum Andenken des Freundes eine Kupfertafel stedien, die G. Bracci zeichnete: ein Columbarium mit runder Liditöffnung im Gewölbe, in der Mitte ein Marmorsarkophag mit zwei Löwenköpfen und der Inschrift:

D.M.

lOAN. WINCKELMAN

VIR. OPT. AMIC. CARISS.

PET. D HANCARVILLE.

DOLENS FECIT.

ORCO. PEREGRINO.

Pompeji im Jahre ijöj

Diesmal war Winckelmann nach Neapel gegangen nicht zu längerem Aufenthalt, sondern um die sizilianische Reise vorzubereiten. Aber als sich unerwarteterweise Menschen wie Altertümer gar nicht so unzugänglich zeigten wie er gefürchtet, wurde dieser Plan vertagt. »Da ich die Schwierigkeiten, die ich mir sonderlich in Absicht des Zu- tritts zum Museo und den pompejanischen Entdeckungen vorzustellen hatte, nicht unüberwindlich fand, zeigte ich mich bei Hof, wo ich gnädig aufgenommen wurde. Da ich wider mein Vermuten ein gutes Anscheinen sah, Frieden zu machen sowohl mit dem Hofe als mit anderen Personen, die beleidigt schienen, stand ich ab von der weiteren Reise« (Dezember 1767). Tanucci fand er über alle Erwartung seinen Wünschen geneigt. Er ließ es bei einem leichten Verweise bewenden. »Er hielt mir in Gegenwart aller ausländischen Gesandten, die bei ihm gegessen hatten, jedodi mit lachendem Munde, dasjenige vor, was in dem Sendschreiben anzüglich ist, und versagte mir die Fortsetzung des herkulanischen Werkes« (5. Dezember 1767) die er aber später doch erhielt.

Am tiefsten verletzt schien Martorelli wegen der überaus beißenden (mordacissima) Satire auf sein noch immer nicht freigegebenes Tinten- faß; ob er solche wahrhaft sächsische Verleumdung (tanta maledicenza sassona veramente) verdient habe, fragte er Olivieri 9. Und noch dazu habe jener ihm Freundschaft geheuchelt und sein Buch übertrieben gepriesen. Natürlich vermochte er nun in den ihm geschenkten Monu- menti durchaus nichts Neues zu finden: etwas Unglücklicheres habe er nie gesehen; nichts Dankbareres gebe es, als dagegen zu schreiben. Aber auch er ließ sich besänftigen. Wenigstens sehen wir, wie er wie- der pompe janische Notizen nach Rom schickt; und Winckelmann, der ihm übrigens ungelogen das Zeugnis ausstellen konnte, »daß er in Neapel das Griechische rege zu machen gesucht habe«, und daß sein Buch über die Kolonien in Neapel, »eine erstaunende Gelehrsamkeit und ganz neue fremde Kritik enthalte«, spricht in einem Briefe an ihn vom 5. Januar 1768 die Hoffnung aus, »daß seine neue Kunstgeschichte nicht weniger des Neapolitaners Beifall finden werde, wie die Monu-

9. [In Pesaro, Biblioteca Oliveriana nicht nachweisbar; s. III, 563. 1

44^ RÖMISCHE ZEIT

menti«, und bedauert (am 8.), daß ihm ein Martorelli fehle, um sich mit ihm über seine Erklärungen alter Stellen zu besprechen, und die von jenem gegebenen zu vernehmen.

Freilich w^urde ihm doch mehr als früher aufgelauert. »Ich muß mich stellen, als wenn ich nidits mit sehr großer Aufmerksamkeit ansehe, welches aber dennoch geschiehet. Es kostet aber mehr Zeit, indem ich nach Portici gehe, unter dem Vorwande, mir Bewegung zu machen und meine dortigen Bekannten zu besuchen, und spreche als- dann wie im Vorbeigehen im Museo an« (24. Oktober 1767). »Die törichte Eifersucht geht so weit, daß man mir nicht erlaubte, mit ge- messenen Sdiritten zu gehen, weil man glaubte, daß ich Maße nähme, wie ich in der Tat nahm. Ich war daher nicht zu bewegen, ihnen die Bedeutung einer ganz ausnehmend schönen und zugleich gelehrten Statue zu sagen; sie kann ewig nicht ergänzt werden, ohne deren Be- deutung zu wissen, die schwerlich jemand anderes angeben wird. Ich hätte es aber getan, wenn man mir erlaubt hätte, einen bloßen Kontur von derselben zu nehmen« (23. Januar 1768). »Ich lasse Sie nunmehr urteilen«, schreibt er Franke am 5. Dezember 1767, »ob ich bei meinen deutschen Schriften etwas gewinnen können, nur allein in Betrachtung meiner letzten neapolitanisdien Reise; es hat mir dieselbe mehr ge- kostet als alles, was mir der Buchhändler gegeben hat. Ich bin nur allein wenigstens zwanzigmal in Portici gewesen; . . . Pompeji ist an drei Meilen, und diese Reise habe ich viermal gemacht. Der anderen Reisen nach Cuma, Bajä, Caserta etc. nicht zu gedenken.«

In Pompeji spürte man seit einem Jahre das Walten einer geschickten Hand, La Vegas, der nach Webers Tode eingetreten war. Man arbeitete an einem Punkte, wo die äußersten Enden, die Anfänge und die letzten Zeiten der Stadt beisammen lagen, wo sich im kleinsten Räume die disparatesten Charakterzüge und Eindrücke einer griechisch-römischen Stadt zusammendrängten.

Zu verwundern ist, daß man erst nach sechzehn Jahren darauf kam, an dieser Stelle zu schürfen. Die Mauer, mit der das Theater sich an die Burg lehnt, ragte in der Vigna des Vincenzo Grassi ziemlich hoch aus dem Boden hervor. Am 28. Juli 1764 zeigte sich, daß man in einem Theater war; man stieß auf den wenige Fuß unter der Erde verbor- genen obersten Umgang mit seinen Pilastern und erkannte den halb-

POMPEJI IM JAHRE 1767 447

kreisförmigen Abfall der Sitzreihen. Den Herbst über suchte man nach der Bühne; man fand Anzeichen einer in Gang gewesenen Restauration, wurde aber durch die mofeta am Vordringen zur Orchestra gehindert. Am I . Dezember kam die marmorbekleidete Scena mit Königstor und Nischen zutage.

Hinter und über diesem Theater der römischen Kolonie erhob sich die Akropolis der alten oscisch-hellenischen Stadt, mit den Trümmern ihres dorischen Tempels. Dieser Tempel lag, wahrscheinlich seit dem Erdbeben unter Nero, in Trümmern; es hatte an Geld und Lust ge- fehlt, ihn wieder aufzurichten. Aber ganz in der Nähe war in den letzten Jahren vor der Katastrophe ein modernes Heiligtum erstanden, ein altertümelndes neben dem alten, ein Isistempelchen, voll fremder, orientalischer Symbole, bilderreich-zierlich, überladen und bunt, »wie's frömmelnder Geschmack sich lieben mag«. Dort gewaltige Quadern und Trommeln von Tuff, ohne Mörtel aneinandergefügt; hier Ziegel mit Stuckreliefs; dort ein Rechnen auf Jahrtausende, hier ein Bau wie die Dekoration für ein Kirchweihfest. Dort der altdorische Geist ewiger Gesetzmäßigkeit und Harmonie, hier das barocke Spiel einer ganz neuer Reizmittel bedürftigen Andächtelei.

Schon im Juli 1765 kannte man den Portikus des Forum trianguläre; aber erst im Oktober 1767 hört man wieder von Aufdeckung der Stufen des eigentlichen Tempels und dem Brandopferaltar. Man glaubte, die- ser Tempel sei, wegen der dünnen Bedeckung, von den Bauern beim Pflanzen der Bäume zerstört worden, eine gründliche Ausgrabung sei nicht der Mühe wert.

Seit Mitte Dezember 1764 bewegte man sich in der Umgebung des Iseums; im Oktober 1766 war dessen Ausgrabung vollendet. Zuerst fand man Teile vom Tempelhof oder Peristyl, mit stuckbekleideten, kannellierten Säulen und sehr ausgedehnter Wandmalerei. Da das Plünderungssystem noch immer bestand, so ließ Canart im März fünf- zehn Stück dieser »Arabesken« herausschneiden, nachdem sie Casanova vorher an Ort und Stelle aufgenommen hatte. Mitten im Peristyl fand man eine mit Stuckpilastern, Fries und Ziegeldach versehene Kapelle, in der eine Isisstatue mit vergoldetem Kranz, Armbändern und reich- bemaltem Saum stand; davor war ein großer Altar; zwei kleine zwi- schen den Säulen des Portikus. Die Gemälde waren im alexandrinischen

44^ RÖMISCHE ZEIT

Geschmack: die Nilansichten mit Krokodilen und Pygmäen, der Knabe Harpokrates wiesen auf Ägypten hin. Im Mai erschien ein ähnlich ver- ziertes Kapellchen, das, wie man vermutete, für Einweihungsriten be- stimmt war. Die hübschen Reliefs der Außenseite Venus und Mars, Merkur und die Nymphe brachten endlich den Gedanken zum Durchbruch, dies wohlerhaltene Ganze an Ort und Stelle zu erhalten, per la curiositä dei forestieri. La Vega bestimmte den Minister, von dem unbedingt lautenden Gebot, alles wegzunehmen, in diesem Falle abzustehen. Man rechtfertigte die Verkürzung des Museums mit der Wertlosigkeit jener Arbeiten. Canart befestigte die Stuckflächen im Oktober 1765 mittels sechzig Sdiwalbenschwänzen.

In der Tat war alles, was man hier fand, seltsam genug (singolare). Flüchtig, keck, wie das leicht zu formende Material einlud, war das neuägyptische Sanktuarium zur Erbauung so verwöhnter Leute auf- gebaut worden, kokett wie ein neugotisches Kapellchen mit seinem stilgemäßen Flitterkram. Konnte man sich früher schon in die luftigen Paläste der »Grotesken« nicht hineinfinden, so gab es hier noch härtere Bissen zu verdauen. Die Grotesken waren auch da, aber in Stuckrelief. Man fand in einer Nische der Hintermauer der Cella einen wein- bekränzten Bacchus mit gefärbten Augen und vergoldeten Haaren, Hals- und Armbändern, Stiefeln und Fell; eine Venus, die beim Steigen aus dem Bad sich die gelbgemalten Haare ausdrückt; es fanden sich Vergoldungen am Körper, das Gewand war blau; ferner grünemaillierte Idole mit blauen Brauen und Wimpern der eingesetzten Augen. Zwei flacherhabene Gipsfiguren der Isis im Purgatorium hielt Winckelmann für die ältesten Nachahmungen ägyptischer Werke unter den Römern. »Selten« schien es ihm, daß der Künstler des Gipsreliefs Perseus und Andromeda »sich einfallen lassen, die Hand jenes Helden, die das Haupt der Meduse hält, völlig freistehend zu arbeiten«, wie das noch vorhandene Eisen zeige. Mitten auf dem großen Eckpilaster des Tem- pels war eine kleine Giebelfassade nebst Seitennische aufgeklebt. Das merkwürdigste war ein Akrolith, ein Holzkörper mit Marmorextre- mitäten. Man fand einen weiblichen Kopf, einen linken Arm, eine rechte Hand mit Bronzesistrum, und zwei Füße. Diese Teile waren nicht abgebrodien, sie lagen an ihrer richtigen Stelle, der Körper aber war verschwunden verkohlt.

POMPEJI IM JAHRE I 767 449

Man sah, wie die Katastrophe des Vesuvs die Hexenküche dieser frommen Gaukler in voller Tätigkeit überrascht hatte. Auf dem Altar lagen verbrannte Knochen, in einem viereckigen Loche des Hofes Reste frommer Gaben, die die Priester verspeist hatten. Feigen, Datteln, Pinienäpfel, Nußschalen. Niemand durfte hoffen, die Bestimmung dieser Geräte zu ergründen, von Bronze, Blei, Eisen, Ton, Alabaster, Glas und Knochen, aller dieser Lampen, Dreifüße, Eimer, Becken, Kessel, Kochtöpfe, Vasen, Näpfe, Schälchen, die zum Komfort der eingewanderten Götter des Ostens nötig gewesen waren. Auch in Winckelmanns Hände verloren sich fünf von den kleinen grünglasierten Osirisidolen.

Das Erfreulichste waren zwei Wandgemälde in den an den Tempel stoßenden Zimmern, vielleicht Priesterwohnungen. Die «Ankunft der lo in Ägypten« wurde am 23. November 17Ö5 in Gegenwart des jungen Königs aufgedeckt; das zweite, eine Szene zwischen lo, Merkur und Argus war geringer. Diese Gemälde erfüllten nach Winckelmann den Wunsch, »nach jenen kleinen und ausgeführten Bildchen auch größere Stücke von einem freieren Pinsel und keckerer Manier zu sehen«. Sie sind gemalt mit einem feurigen, markigen, kundigen Pinsel; gewählte, plastisch reine Formen darf man freilidi nicht suchen.

Als Winckelmann Pompeji besuchte, war man gerade mit der Auf- deckung eines großen Gebäudes beschäftigt, das vor dem Theater am Abhänge des Hügels lag, auf dem die Stadt erbaut ist. Seit dem Okto- ber 1766 hatte man hier eine Reihe von Zimmern entdeckt, die um einen großen viereckigen Peristyl lagen, mit rotstuckierten Tuffsäulen. Darin fanden sich Gerippe von Menschen, die Reste einer Frau in einem mit Gold durchwirkten Zeug; in einem Kerker Fußeisen für zehn Gefangene und vier Skelette; ferner ein Pferdeskelett mit seinem ganzen Geschirr; Arm- und Beinschienen, Wehrgehänge, vor allem prachtvolle Bronzehelme. »Diese Helme haben mit denjenigen, die uns bekannt sind, gar nichts gemein. Sie sind alle mit erhabenen Figuren verziert, und auf einem derselben sieht man, was zuTroja in der Nacht nach der Eroberung dieser Stadt vorgegangen« (an Wiedewelt, 19. De- zember 1767). Die Neapolitaner hielten das Gebäude für eine Kaserne, Winckelmann für ein Gymnasium, andere für eine Markthalle, seit Garrucci gilt es als Gladiatoren-Kaserne.

450 ROMISCHE ZEIT

Im September 1766 fand man noch eine zweite Kapelle, merkwür- dig durch Erhaltung zweier tönerner Zellenbiider, etwas über Le- bensgröße mit bemalten Kleidern; zwischen ihnen, auf demselben Podium, eine Pallasbüste und eine Flasche, davor ein Altar. Man nannte sie Jupiter und Juno, Winckelmann hielt sie für Äskulap und Hygiea.

Mit dem allen durfte er nun vor der Hand nidit hervorkommen, so schwer es ihm ankam. »Ich muß vor jetzt alles auf dem Herzen und Magen behalten, um mir nicht künftig den ferneren Zutritt zu ver- sdierzen . . . Ich muß wohl den Pythagoräer machen, um nicht aus Portici gejagt zu werden« (9. und 19. Dezember 1767). Zu ihrer Zeit würden alle diese Dinge erscheinen; dann »wenn ich femer keine Lust haben werde, nach Neapel zu gehen«. Denn was in Neapel in den letzten Jahren zum Vorschein gekommen, war so bedeutend und viel- verheißend, daß er beschloß, von nun an alle Jahre zweimal die Reise dorthin zu machen (6. Februar 1768).

Der Ausbruch des Vesuvs

Noch um einige Tage wurde der diesmalige Besuch verlängert infolge der Vesuveruption. Seine Gefährten auf den Exkursionen ließen alles im Stich, um Zeugen zu sein dieses im laufenden Jahrhundert in solcher Furchtbarkeit noch nicht vorgekommenen Phänomens. Das Museum wurde geschlossen.

»Ich habe das Glück genossen, den schrecklichen Ausbruch des Vesuvs zu sehen, und vier verschiedene Nädite auf dem Berge selbst nicht ohne Gefahr zu betrachten.« »Dieser einzige Ausbruch des Vesuv würde die Reise bezahlt machen; denn wer es nicht gesehen, kann sich von diesem schrecklich schönen Schauspiel keinen Begriff machen« (Dezember 1767).

In Sachen des Feuerbergs war Sir William Autorität. Der Hof hatte mehr als einmal mit der Abfahrt nach Portici oder dem Aufbruch von da gewartet, bis er über den Eintritt und die Richtung des Ausbruchs sein Gutachten abgegeben. Duclos, mit dem er den Berg zum zwei- undzwanzigsten Male erstieg, zeigte er eine Sammlung sämtlicher

DER AUSBRUCH DES VESUVS 451

vesuvianisdier Produkte; jener meinte, er könne Professor der Natur- geschichte werden.

Nach einer fünfjährigen Pause hatte seit dem Januar 1766 ein neues Drama begonnen. Die bis zur obersten Öffnung angesammelte Lava spaltete an mehreren Stellen den Gipfel; am 28. März gegen Sonnen- untergangwar nach Donner und Erdbeben ein Strom hervorgebrochen, der fünfzehn Schritte in der Stunde machte, am 30. folgte ein Nadi- schub, wobei der Krater Steine bis zu zweihundert Fuß Höhe empor- schleuderte. Taglich stieg Hamilton hinauf, die Nacht des 28. brachte er ganz oben zu; am 12. April waren Lalande und Boscovich mit; am IG. November der Herzog Karl Wilhelm Ferdinand. Nach dem Ge- schichtsschreiber dieser Ereignisse, della Torre, war es die sechsund- zwanzigste Eruption seit der unter Titus.

Von Ende 1766 bis zum März 1767 hatte der Krater in seinem Schlund fortwährend Lava und Steine emporgeworfen, aber außen nur die Rauchsäule gezeigt. Seitdem aber trat der Eruptionskegel (mont- agnuola) am Gipfel hervor und war von nun an in fortwährendem Wachsen begriffen. Anfang Oktober war die Lava bis oben hinauf- getreten, ein dumpfes Tosen im Schöße des Berges, hörbar in den Ort- schaften, kündigte das Herausdrängen der eingeschlossenen Masse an.

Am 19., montags früh, als Winckelmann gerade mit dem Baumeister Vanvitelli nach Caserta gegangen war, trat die Katastrophe ein, deren Erzitterungen sich bis zu jenem Lustschloß hin erstreckten: »es krachte alles in unserm Hause, da der Auswurf geschah, und das ganze Land war mit Asche bedecket, welche ein Steingrieß ist, und dem schwarzen Streusande ähnlich ist«. Um die zwanzigste Stunde itahenischer Uhr vernahm man bis Neapel dumpfe Schläge im Berge, ähnlich einer Kanonade; die schwarze Rauchpinie erhob sich aus der Mündung und zog vom Levante getrieben nach Sorrent und den Inseln zu. Gegen Anbruch der Nacht war die Lufterschütterung so stark, daß selbst in Neapel die Fenster zitterten, geschlossene Türen anschlugen und auf- gingen; dabei spürte man einen brenzlichen Geruch. Gegen Mitter- nacht spaltete sich der Berg von oben herab, ein Lavastrom trat hervor und teilte sich in zwei Arme, nach Ottajano und Resina zu. Hamilton, der sich gerade im Tale zwischen Vesuv und Somma, dem Atrio del Cavallo befand, war genötigt, sich in vollem Lauf vor der aus dem

452 ROMISCHE ZEIT

Riß hervorstürzenden und das Tal mit wenig verminderter Schnellig- keit durcheilenden Lava zu retten.

In der Richtung, die die Lava diesen und den folgenden Tag nahm, nach San Jorio (Giorgio) a Cremano zu, hatte der Marchese Berio ein hübsches Kasino, das seit fünf Jahren Lady Orford mit ihrem Floren- tiner Kavalier, Don Giulio Mozzi, bewohnte. Hier stellte der Pater della Torre seine Beobachtungen an. Auch Winckelmann hatte öfters da gesessen und übernachtet; aber am Morgen des 20. wurde es der Lady unheimlich. Sie eilte nach Gaeta und wollte Winckelmann in Caserta abholen. Zum Glück verfehlte sie ihn, er hätte sonst mit- gemußt; er reiste am anderen Morgen in der Frühe ab, ohne von ihrer Ankunft gehört zu haben.

An diesem Tag verdunkelte sich die Sonne, der Berg hüllte sich in Dampf, in dem die Feuerlinie der Lava durchschien. Um drei Uhr nachts vernahm man ein fürchterliches Rollen (gorgogliamento), wie von einem ungeheuren Kessel siedenden Pechs, in den man Wasser gießt. Jedermann glaubte, erzählte della Torre, der Berg werde von den eingekerkerten glühenden Massen in Stücke zersprengt und in die Luft geschleudert werden. Wirklich riß er um sechs Uhr nachts von oben bis zur Mitte auseinander, und ein viel stärkerer Strom trat her- vor, ging über den alten weg und überholte ihn. Es war am Piano delle Ginestre, wo sich auch 1812, 1822 und 1858 der Vesuv öffnete.

Am Tag nach dieser schrecklichen Nacht ging Winckelmann nach Neapel zurück und abends noch nach Portici, in Gesellschaft Riedesels und d'Hancarvilles, »nebst drei Bedienten mit Fackeln und Führern«. Die Sonne stand glanzlos (pallido e smorto) am wolkenlosen Himmel, das unterirdische Getöse hatte sich gelegt; nachts war der Berg ruhig. Aber die Lava setzte ihren Weg rasch fort. Ein Arm, der sich nach Torre del Greco abzweigte, kam bald zum Stillstande; der Hauptstrom ging nach dem Meere zu, füllte ein achtzig Palmen tiefes Tal aus, sandte zwei Nebenflüsse nach Portici und Resina zu, rückte dann auf S. Jorio los, schloß die Kapelle S. Vito ein und machte vor dem Kasino Halt. »Die feurigen Ströme sind dermaßen schrecklich, daß, wenn sie sich nicht geteilet hätten und ein tiefes Tal angefüllet, wäre es um Portici und um das Museum geschehen gewesen.«

In dieser Nacht ergriffen die Bewohner von Resina die Flucht. Man

I

DER AUSBRUCH DES VESUVS 453

erinnerte sich, daß die Lusthäuser von Portici und Granatello auf dem Hauptarm der Eruption von 163 1 erbaut waren, die bis ins Meer vor- drang. Ein Arm des jetzigen Stromes ging zwischen jenen zwei alten Dämmen her. »Wir waren dieselbe Nacht der Gefahr entgegengezogen und tranken fröhHch auf dem Schloßplatz zu Portici unter dem Ge- tümmel der Flüchtenden, weil wir in den Häusern, die bebten und krachten, nicht sicher waren.«

»Wir hatten, um bis zur Mündung zu kommen, über schreckliche Berge von alter Lava zu klettern, bis wir an die neue Lava gelangten, die wir unter der oberen verhärteten Rinde laufen sahen. Endlich aber, nach dem allerbeschwerlichsten Weg von zwo Stunden, den ich als ein guter Fußgänger in meinem Leben gemacht habe, mußten wir . . . die brennend heiße Lava übersteigen, welches unser Führer sich weigerte zu tun, und da kein Mittel war ihn zu bewegen, nötigte ihn der Stock, und de Han (oder Hancarville, welches sein rechter Name ist) ging mit einer Fackel voran, und wir folgten mit zerplatzten Schuhen, so daß uns auch die Sohlen unter den Füßen verbrannten. Da wir an die Mündung kamen, fanden wir dieselbe mit der glühenden Lava ver- mischt, so daß die Öffnung nicht kenntlich war. Hier war ich der erste, der sich auszog, um mein Hemde zu trocknen, und meine Begleiter taten desgleichen. Während dieser Zeit leerten wir ein paar Flaschen Rossoli aus, und da wir trocken waren, suchten wir den Rückweg, welcher aber gefährlicher war als der Hingang« (24. Oktober 1767).

Am 22., donnerstags, wiederum Gebrüll, Rauchpinie, rotglühende Sonne und Bimssteinregen. Winckelmann vergleicht dieses Getöse der Beschießung einer Festung mit dem allergröbsten Geschütz; es regnete zu Neapel kleinen Bimsstein so dick als Schneeflocken, so daß die Sonne verfinstert war. Die Nacht auf den 2 3 . brachte er zum zweiten Male oben zu. »Gestern (den 23.) war der Berg ruhig; aber heute fällt unaufhörlich ganz feiner Bimsstein, und wir befinden uns wie in einem dicken Nebel; doch so, daß man an dem dicken Rauch, welcher von den Öffnungen aufsteigt, sehen kann, wo die feurige Lava herunter- fließt.«

Dies war das Schlußtableau seiner vier Fahrten nach Neapel. Damals hoffte er also noch gar oft wiederzukommen. Aber noch vor Ablauf eines Jahres war er nicht mehr im Lande der Lebendigen. Es war sein

454 RÖMISCHE ZEIT

letzter großer Eindruck italienischer Natur. Dort als er am Verderben bringenden Höllenfluß stand, sorgenlos, lebensfroh wie je, ging der Todesengel an ihm vorüber, der ihn wenige Monate später plötzlich, im tiefen Frieden der Natur heimsuchte.

SIEBENTES KAPITEL LETZTE ENTWÜRFE UND LETZTE REISE

Neue Aussichten

Denkt man sich in den Zustand eines Mannes hinein, der die alte Kunst gewissermaßen als seine Domäne betraditen konnte und das ganze Gebiet ihrer Denkmäler überwachte, auch auf diese Denkmäler ein System und ein Werk gegründet hatte, einen solchen Mann mußte dieses Jahr und diese Reise in einen wunderlichen Zustand versetzen.

Bisher galt ihm Rom als Metropole von Kunst und Altertum, aber als Metropole, die wie das alte Rom zugleich der Staat war. Das Inventar römischer Villen und Museen war die Basis seiner Lehren gewesen. Jetzt taten sich Länder auf, deren Flora und Fauna von den römischen Familien und Arten ganz verschieden war: die dorisch-griechische Bau- kunst in Sizilien, hinter der in ahnungsvoller Ferne Athen, Elis stan- den; die großgriechischen und sizilianischen Vasengemälde. Hier war statt einer verschwindend geringen, zum Teil zweifelhaften Auswahl griechischer Originalwerke eine reidie Folge echt hellenischer Zeich- nungen in wünschenswertester Kontinuität. Welche Fülle seltener Sagen, eigentümlicher Sitten und Gebräuche gegenüber dem zusam- mengeschmolzenen und durch den Sinn der Spätzeit getrübten Vorrat römischer Sarkophag-Reliefs. Dem gegenüber am anderen Ende nun das ausführlichste Bild des Kunst- und Formenwesens der Kaiserzeit, ihres Luxus und Aberglaubens, ihrer Villen, Theater, Tempel. Noch nie hatte man Römisches und Griechisches, Hellenisches und Helle- nistisches so scharf sich gegenübertreten gesehen.

Mit einer etwas gemischten Empfindung muß er doch diesen sich nachträglich auftuenden Segen betrachtet haben. Er hatte sich früher überredet, daß von Pompeji nichts Rechtes zu erwarten sei; Sizilien hatte er sich als Wüstenei vorgestellt. Und nun öffneten sich ganz neue Welten:

Ach das Leben ist am Ziele

Und die Kunst noch kaum begonnen!

45^ RÖMISCHE ZEIT

Aber wenn er auch zuweilen von Ruheverlangen sprach, er war noch vollkommen rüstig und bereit, alle Arbeit auf sidi zu nehmen, die zur Ausbeutung dieser neuen Schachte erfordert wurde. Wenn er auch ge- wollt hätte, er hätte es nicht fertiggebracht, als untätiger Zuschauer dazusitzen. Wer sich öffentlich über eine Sache ausgesprochen hat, nimmt neue Aufschlüsse mit ganz besonderer Lebhaftigkeit auf. Da- her der Trieb, alles was ihm zu Gesicht kam, oder worüber ihm auch nur geschrieben wurde, sogleich zu veröffentlichen; ein Zustand der Graphomanie, würde man heute sagen.

Unter den Neapolitanern kannte er keinen, »der eine vollständige Beschreibung ihrer Entdeckungen zu geben imstande wäre«. Die dor- tigen Vasen hatte zwar schon ein anderer übernommen. Aber Sizilien war nodi nicht besetzt. Doch er brauchte gar nicht einmal zu reisen: in Rom selbst tat sich genug auf, er durfte kaum suchen, nur sich besinnen.

Es waren die Bahnen der archäologischen Journalistik, in die wir ihn einlenken sehen. Seine jetzige Behandlung dieser Sachen hätten ihren angemessensten und bequemsten Niederschlag in Bulletins, An- nalen gefunden. Welche seltsame Linie hatte also seine gelehrte Lauf- bahn beschrieben! eine Spirale von innen nach außen. Als er begann, standen ihm keine Denkmäler für historische Übersichten und ästhe- tische Theorien zu Gebote; damals unternahm er, den Malern seiner Zeit die griechischen Werke zu schildern und zur Nachahmung vor- zuhalten. Dann, im Lande der Kunst angekommen, ließ er die Be- ziehung auf die Gegenwart fallen und schuf, mit unzureichendem Material, halb ahnend, ein geschichtliches Bild. Und jetzt, als dies Material sich einzustellen, als die Fülle des Echten ein sicheres Auf- treten zu versprechen schien, fing das Einzelne an, ihn bloß als solches zu interessieren; das System aber blieb, wie es einmal Gestalt ge- wonnen hatte. Die Anregungen aus der Kunst seiner Zeit, aus der Gedankenwelt seiner jugendlichen Studien verflogen und verklangen allmählich; der Ort drängte ihm seine Sitten auf . Winckelmann endigte also, wird mancher sagen, wo er hätte anfangen sollen. Mit allgemeinen Sätzen, mit dem »Wesentlichen der Kunst«, dem »Systema«, der Quintessenz begann er, mit Sammlungen und Beschreibungen endigt er.

Nur behielt er doch ein Widerstreben gegen das Miszellenhafte, gegen die Zersplitterung des gelehrten Gazettiers. Seine alten Pläne

NEUE AUSSICHTEN 457

ließen ihn nicht los, sie nötigten das Neue, sich ihnen einzufügen. Dies war auch durch äußere Rücksichten empfohlen. Da der Neapler Hof »durchaus nichts geschrieben haben wollte«, so bot eine neue Aus- gabe der Kunstgeschichte einen Platz, wo derartige Mitteilungen nicht sogleich in die Augen fielen. In ihre dehnbaren Kapitel sollte alles Neue eingeschoben werden. Bei dem anderen großen Werke brauchte man solche Einsdiiebungen nicht einmal zu machen, man konnte ein- fach Fortsetzungen folgen lassen. Die sizilischen Vasen hätten gewiß einen dem ersten Band der Monumenti ähnlichen Reichtum seltener und gelehrter Vorstellungen geliefert; aber er hatte keine Geduld zu warten bis zur Ausführung der verschobenen Reise; er brachte auch aus dem, was ihm zur Hand war, bald ein neues Hundert heraus.

Diese Tätigkeit bekommt etwas Kurzatmiges, Fieberhaftes. Jene Sammlung des Geistes, die aus den Tatsachen erst nach langwierigen, verschwiegenen Überlegungen durch vielfältige Zwischenglieder, das gewinnt was sie ausspricht und mitteilt sie ist vorbei: Entdeckungs- reisen, Zeichnen, Stechenlassen, Blättern nach gelehrten Schlüsseln, darum dreht sich jetzt alles. Es ist ein Zeichen geistiger Überreizung, wenn Gedanken auch nach gemachtem Abschluß unwillkürlich und unaufhaltsam fortarbeiten. Zu den drei Werken, sämtlich Bearbeitung und Fortsetzungen alter, die ihn gleichzeitig beschäftigen und Sorgen sehr verschiedener Art verlangten, kam noch eine bisher immer im Wachsen begriffene Korrespondenz (er fertigte mehr Briefe ab, als eine ganze Universität in corpore), endlich Reisepro jekte nach Sizilien, Neapel, Griechenland und Deutschland, die ihn fortwährend hin und her zogen. In diesem Zustand befand er sich im letzten Jahre seines Lebens: nichts wies auf ein Ermatten hin; sein Leben, seine Tätigkeit schien eine gesteigerte, ununterbrochene Bewegung anzunehmen. »Wie- viel wichtige Projekte gehen mit ihm verloren!« schrieb Weisse an Klotz Anfang Juli 1768. »Ich habe nicht leicht einen Brief von ihm erhalten, worin er mir nicht von einem neuen Vorhaben geschrieben, wozu er die Materialien bereits liegen hätte.«

Der dritte Band der Monumenti

Ein Vierteljahr vor dem Erscheinen der Monumenti, als der Druck im vierten Register war, und dem Autor zum ersten Male wieder frei stand, »die Brust zu erweitem und Atem zu schöpfen«, taucht plötz- lich der Gedanke eines dritten Bandes auf. Kein Wort war bisher ge- fallen, daß noch ein weiterer Band in Aussicht stehe, nichts war in den zwei ersten, was diese eines Zusatzes bedürftig erscheinen ließ. Aber der einmal in Bewegung gesetzte Mechanismus konnte nidit sofort stillestehen. Winckelmann konnte nun keinen Gang durch einen Palast oder eine Villa mehr machen, ohne eine Nummer für weitere monumenti inediti zu entdecken. Auch der Geist buchhändlerischen Geschäftes war über ihn gekommen. Endlich hatte er sich treffliche Zeichner und Stecher herangezogen. Der Beifall, den das Werk fand, ermunterte zur Fortsetzung.

Im Januar 1767 stand der Plan einer solchen Nachlese fest, die aber das Werk künstlerisch weit übertreffen, »mit aller möglichen Pracht erscheinen« sollte. Einige Denkmäler, die hierzu einluden, mögen die erste Veranlassung gewesen sein. In der Weise der schönen Blätter Mogallis im zweiten Band sollten eine Reihe römischer Juwelen, audi die keine neue Erklärung darboten, in würdiger Weise gestochen wer- den. Z. B. die Ficoronische Cista aus Palestrina im Jesuitenkolleg; die Barberinische, jetzt Portland- Vase samt der großen kapitolinischen »Urne des Septimius Severus«, in der sie gefunden war; die Marmor- schale mit der Ruhe des Herkules in der Villa Albani; ebenda die Äsopbüste; das grandiose Relief des Palastes S. Croce mit der Hoch- zeit des Neptun und der Amphitrite (in München); die Urne mit Aktäon in Villa Borghese.

Die Reise nach dem Süden verspradi eine gute Ernte: die schönsten und schwersten Vasen von Catania sollten die Masse bilden. Als die sizilische Reise vertagt ward, wurde das Unternehmen nicht vertagt. Aus Neapel brachte er manches mit, einige der schönsten Vasen der Sammlungen Hamilton und Porcinari (Orest von den Furien ver- folgt). In der Villa des Vedius Pollio am Posilipp fand er ein »außer- ordentlich schönes erhabenes Werk von seltenem Inhalt«. In Pozzuoli ließ er die große von asiatischen Städten dem Kaiser Tiberius geweihte

DER DRITTE BAND DER MONUMENTI 459

Basis aufnehmen; in der Kirche S. Chiara das als christHcher Sarkophag dienende Rehef Protesilaos Laodamia. Della Torre gestattete eine Kopie der Schale von Achatonyx im farnesischen Museum, die aus dem Mausoleum Hadrians stammte und nach Uhden (1835) Ägypten im Schmuck der Fruchtbarkeit nach der Überschwemmung darstellt.

Die unerschöpfliche Villa Albani gewährte noch eine Nachlese von ungefähr fünfundzwanzig Stück; darunter war eine hodibedeutende Pallas, die noch jetzt die eine Spiegelnische der Galleria nobile sdimückt; die Trophäen über den Türen, das Relief des Morpheus, der Atlas, die Kaiserallokution, die Weinbereitung, Herkules bei den Hesperiden u. a. In verödeten Villen, auf staubigen Treppen und in düsteren Höfen römischer Paläste suchte er nicht vergebens. Besonders in Villa Pamfili wurde viel gezeichnet, z. B. ein Relief mit Hekuba. Im Belvedere von Frascati wurde die Apollostatue aufgenommen. Die Kunsthändler, Belisar, Jenkins, Dehn steuerten bei. Die vatikanische und die alba- nische Bibliothek lieferten noch Zeichnungen nach alten Gemälden, einige von Ghezzi. San Lorenzo vor den Mauern entnahm er den Sar- kophag des Kardinals Guglielmo Fieschi mit dem dem dritten Jahr- hundert angehörenden Relief der Vermählungsfeier. Auswärtige Freunde versprachen Beiträge; so findet man u.a. die vier Goldschalen des Bischofs Lucchesi zu Girgenti, den betenden Knaben der Terrasse von Sanssouci, die Amazonen- Vase in Wien und zwei bacchische Vasen daselbst. Von der in den Besitz des Dr. Mead gekommenen Terrakotta mit dem Bilde des Demosthenes fand sich noch ein Gipsabguß.

Die Vorbereitungen dieses dritten Bandes beschäftigten ihn ununter- brochen bis an seinen Tod. Er wollte »all sein Vermögen daran wen- den«. Die Mehrzahl war sicher bereits aufgenommen, Mogalli hatte die Zeichnungen erhalten und in Angriff genommen. Sogar die Vignet- ten oder Fregi (Gemmen, Trophäen) waren schon festgestellt. In Porto d'Anzo wurden die alten Scribenten durchsucht. Der Band sollte an Wichtigkeit dem ersten nichts nachgeben; ja die etwa im Druck und in der Arbeit nicht erfüllten Erwartungen, »das woran er aus Mangel an Kräften nicht hatte reichen können«, ersetzen. Er wollte »nichts von Gelehrsamkeit in Altertümern auslassen, damit dieses Werk ein Inbegriff von allen möglichen Sachen werde«, und er hoffte, daß es durch »diese Wissenschaft ein ganz neues Systema bekommen

460 RÖMISCHE ZEIT

werde« . . . »Ich muß midi selbst wundern«, schreibt er Heyne am 23. Januar 1768, »über die seltenen und mehrenteils schwer zu er- klärenden Werke, die sich noch immer finden.«

Er wollte die Zahl Hundert nicht überschreiten, im Mai hatte er etwa dreißig aus einer dreifachen Zahl seltener und unbekannter Denk- mäler ausgelesen. Es sind noch vier Verzeichnisse erhalten, die sich in den französischen Kriegen auf die Bibliothek der Ecole de medecine zu Montpellier verloren haben, von denen mir die Güte von Eduard Reuß in Straßburg Abschriften verschaffte ^ Unter den anfangs aus- gewählten und dann wieder ausgeschiedenen befinden sich: die Büste des Isokrates, die Bronze von Sanssouci, der Satyrkopf im Kapitol (Galleria 14 ein lebhafter alter Kopf mit drohendem Blick); der Karneol mit dem Kopf des Sextus Pompejus und dem Namen des Agathangelos, der Polyphem im Palast Mattei, das Tempelrelief und die Schmiede in Villa Negroni, die sogenannte Elektra der Villa Pamfili, die Serapisara, die als Basis des roten Fauns im Kapitol dient, die Spitze des Barberinischen, jetzt im vatikanischen Garten befindlichen Obelisken; die sogenannte Leda auf dem Schwan bei Strozzi, welche aber Cyrene sei, u. a. m.

Zuletzt standen über neunzig Denkmäler fest. Im Manuskript ist jedem ein Quartblatt gewidmet, mit einer italienischen Überschrift, die aber oft zu unbestimmt ist (z. B. 49 Sepolcri, 8 2 Scagliare il gia- velotto, 77 Terra cotta del S. Morison, 23 Ornamenti, 40 Cameo di Jenkins). Eine sachliche oder historische Ordnung ist nicht vorhan- den. Auf diese Blätter sind dann Stellen aus alten Schriftstellern ein- getragen, von einer einzigen bis zu zwanzig; Bemerkungen sind selten. Daß das Werk die Archäologie in ähnlicher Weise wie die ersten Bände gefördert haben würde, war wohl eine Selbsttäuschung. Die merkwürdigsten Stücke waren die farnesischen Kameen, ferner die aus den Katakomben in seinen eigenen Besitz gekommene (auf achtzig Zechinen geschätzte), Theseus von den Centauren im Schlaf über- fallen, eine dritte mit der Geschichte der Hypsipyle, und die Hamil-

I. [Nr. 433. Osservazioni ed estratta d'antidiitä. Bibl.Albani. Nachweise II, 522. Zeichnungen zu den Monumenti inediti haben sich, aus dem Besitz der früheren Preußischen Staatsbibliothek Berlin, in der Universitätsbibliothek Tübingen erhalten; s. III, 521 f.]

ZWEITE AUSGABE DER KUNSTGESCHICHTE 4ÖI

tonsche Vase mit dem Raub der Leukippiden (S. 443), die das Aller- höchste der Zeichnung sein sollte von dem, was uns irgend in den Werken des Altertums übriggeblieben ist. Sonst sind aus jenen Stellen kaum bemerkenswerte Erklärungen herauszufinden. Von den Denk- mälern gelang mir etwa siebzig festzustellen.

Zweite Ausgabe der Kunstgeschichte

Aber dieses Unternehmen war nur eine Erholung neben der anderen Arbeit, die sich seit dem Frühjahr 1767 seiner bemächtigt hatte. Auch nach Neapel begleitete sie ihn. Ein unwiderstehlicher Trieb war über ihn gekommen, sein bestes Werk umgeschaffen nach einer durch fünfjährige unausgesetzte Forschung und Erfahrung erweiterten Ein- sicht der Welt zu übergeben. Es war unerträglich, sich die Kunst- geschichte mit allen mählich hervorgetretenen Mängeln, Lücken und Flecken, in der Welt umlaufend vorzustellen. Die Zutaten für eine neue Auflage hatte er sich nicht enthalten können, in den »Anmerkun- gen« voranlaufen zu lassen; aber das war nur ein Palliativ; ebenso die italienische Epitome. Wieder war es die Kunde von einer Übersetzung, die den Anstoß gab. Der Maler Heinrich Füßli hatte die »Gedanken über die Nachahmung« und die Abhandlung von der Empfindung des Schönen ins Englische übersetzt; im April 1767 sdirieb man von Zürich, daß er nun auch die Kunstgeschichte vornehmen wolle.

Sofort fing er an, Anmerkungen für jene Übersetzung aufzusetzen, erklärte sich erbötig, ganze Kapitel umzuarbeiten. Im Juni ist diese »Ausbesserung und Vermehrung der Kunstgeschichte« schon seine vornehmste Beschäftigung, ihn »däuchte, daß endlich etwas Vollkom- menes ans Licht treten könne«. Die englische Übersetzung kam nicht zustande. Aber der dringende, unabweisliche Wunsch reifte, eine zweite Originalausgabe herzustellen. »Da ich in meiner Kunstgeschichte von neuem gestörlet, um dieselbe zu einer britischen Übersetzung zu- zurichten, ist es mir ergangen wie dem, der ein Gebäude ausbessern will, wo anstatt tausend Talern Anschlag zehntausend erfordert wer- den; denn wenn man anfängt, den Bau nur im geringsten zu bewegen, erschüttert das ganze Werk« (18. Juli 1767). Er wartete nicht einmal,

402 RÖMISCHE ZEIT

bis die bereits erschienenen »Anmerkungen« in Rom ankamen (No- vember i76y), die doch in die neue Ausgabe verwebt vi^erden mußten. Viel mehr, als er geglaubt hatte, floß ihm aus den Beobachtungen der letzten Jahre zu. »Ich wundere mich selbst«, schrieb er Riedesel den 14. Juli 1767, »über die seltenen Abhandlungen, die sich mir dar- bieten.«

Aber ein schwer zu beseitigendes Hindernis stellte sich dem Plan entgegen: das Recht des Verlegers der ersten Ausgabe und der An- merkungen. Er wußte, daß Walther einen großen Teil von jener noch auf Lager hatte. Er mußte umgangen werden. Zuerst wandte er sich an die Zürcher. Er erbot sich gegenüber P. Usteri (27. Juni), »ein völlig durdigearbeitetes Exemplar ohne Entgelt zu überschicken mit dem Beding, anstatt der mehresten Kupfer andere aus dem italienischen Werk stechen zu lassen, oder nach anderen von mir besorgten Zeich- nungen«. Allein es wäre eben doch ein Nachdruck gewesen. Winckel- mann machte zwar geltend, daß er das Werk, auch ohne die einzu- schaltenden »Anmerkungen«, fast um ein Drittel vermehrt habe, und die Zusätze seien nicht leichter als der Einschlag; mußte aber doch zu- geben, daß aus der Einfügung der »Anmerkungen«, ohne die sie nichts Vollständiges sein könne, »der größte Handwerksverdruß er- wachsen müsse«. Er schreibt den 22. Juli 1767 an L. Usteri: »Unseres Füßli Besorgung (-nis) über eine neue Ausgabe der Geschichte sehe ich sehr wohl ein: denn Walther ist mächtig in dem Reiche der Buch- händler. Unterdessen wird es über lang oder kurz zu einem zweiten Drucke kommen müssen.«

Er machte hierauf einen Versuch bei den Berlinern, durch Stosch (18. Juli). »Ich bin so verliebt in diese Arbeit, daß ich dieselbe niemals aus der Hand lege . . . Ich will also die >Anmerkungen< einschieben und Kupfer dazu stechen lassen und neue Register verfertigen; und also zubereitet soll eine neue Ausgabe erscheinen. Diese wünschte ich auf meine Kosten drucken zu lassen, und zwar in Berlin, wo ich bei meiner Anwesenheit die Anstalten dazu machen könnte. Zur Aus- führung dieses Anschlages würde ein Buchhändler unentbehrlich sein, welchem man einen Teil des Gewinnes zuschlagen müßte, damit der- selbe der Besorgung des Druckes als auch des Vertriebes sich unter- zöge.« Und am 25. Juli: »Walther wird sich dem Teufel ergeben; er

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kann sich aber zufrieden geben und hat Zeit genug gehabt, seinen Druck zu verkaufen, und da er mich schändHch hintergangen hat in dem Honorario für die Arbeit, so will ich weiter weder mit ihm, nodi mit einem anderen Buchhändler mich auf solche Art einlassen.«

Ohne die Antwort von Berlin abzuwarten, schrieb er an dem Buch unermüdet; ließ Kupfer stechen; sein ganzes Herz hing ja daran; in der Julihitze beschäftigte ihn die Arbeit dergestalt und mit so vielem Vergnügen, daß er einmal binnen acht Tagen keinen Fuß aus dem Hause setzte. Die Ausgabe wuchs auf zwei starke Quartbände an.

Die Antwort, die Stosch im September sandte, war nicht tröstlicher als die aus Zürich. Auch in Berlin fürchtete man, Walthers Privileg möchte sich selbst auf eine »ganz und gar umgearbeitete Auflage erstrecken«, auf eine, »die ein ganz ander Werk sein werde«.

Aber er war nun schon zu weit gegangen. »Ich kann sagen, die Welt würde etwas verlieren, wenn dieses Vorhaben nicht ausgeführt werden sollte.« Es ist, als hätte ihn geahnt, daß er keine Zeit zu verlieren habe; als habe er sein Haus bestellen, dies sein bleibendes Denkmal um jeden Preis, so wie er es als Scheidender billigen konnte, der Nach- welt vermachen wollen.

So entschloß er sich denn, mit bitteren Klagen über die in Deutsch- land herrschende Tyrannei, die den Lauf der Wissenschaften hemme, über »Gildenzunft«, selbst den Verlag zu übernehmen, und sollte auch kein einziges Exemplar auf der Leipziger Messe verkauft werden dürfen. Die Druckkosten berechnet er auf fünfhundert Taler. Da er aber »wohl einsah, daß er, ohne durch die Hände jener Gildenzunft zu gehen, nicht am besten fahren werde«, so sollte die Absicht dieser Ausgabe auf Länder gehen, »wo keine Gilden sind und wo Bücher einen freien Kauf haben« . . . Eine französische Übersetzung sollte in Berlin gemacht werden, der Druck aber (nachdem Holland aufgegeben war) in Rom, in der Propaganda unter seinen Augen geschehen. Er wünschte auch, die Pariser Übersetzung zu verdrängen, an die er nicht ohne Ekel gedenken könne, denn nicht leicht sei je eine Schrift in der Übersetzung übler mißhandelt worden. Ganz neue, große und schöne Kupfer sollten sie zieren. Aber er konnte sich nicht gedulden, bis man dort einen Übersetzer gefunden hatte; er entschloß sich, ihr eigen- händig das »Modekleid« zugeben, »sie aus dem gröbsten zu übersetzen

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und die Arbeit nachher von mehr als einer Person in Italien übersehen zu lassen« (5. und 12. Dezember 1767).

Das war freilich eine starke Geduldsprüfung, eine wahre »Marter«. »Zu dieser Dolmetschung (9. Dezember 1767, an Moltke) meiner eigenen Gedanken fühle ich in mir keinen sonderlichen Beruf; ich könnte auch meine Zeit besser anwenden: aber hier in Rom ist kein anderer Weg. Es ist ein bitterer Bissen auf lange Zeit.« Der Anfang wurde gemacht, aber die Geduld ging ihm aus: »Bald werde ich die Feder in der Hand zerstauchen, so sehr fängt mir an, das Geschäft des Autors lästig und unangenehm zu werden, ein Gesdiäft, das bei Gott niemanden leicht fett machen wird« (an Wiedewelt, 19. Dezember 1767).

Er warf die widerwärtige Arbeit von sich und bat Stosch inständig, ihm einen geschickten Mann in Berlin (utriusque linguae doctum) aus- zumachen, der die Übersetzung auf des Autors Kosten übernehme. Die Arbeit solle ihm angenehm sein, da er hundert verschiedene Dinge lernen werde. Ostern hoffe er, einen Teil der Handschrift zu schicken. Es war die Rede von dem Akademiker Toussaint, dem Verfasser der Moeurs, der an der Ecole militaire stand; auch an Merian und Sulzer dachte man; Stoschs Vetter, der königliche Bibliothekar, erbot sich zum Beistand. Die Zitate werde er in Rom zurückbehalten, »damit nicht etwa ein Kopist des Übersetzers eine Abschrift heimlich nach Holland schicke, denn diese Beweisung der angeführten Schriften könne nur Gott allein angeben, wenn sie ausgelassen seien« (26. Februar 1768). Es scheint, daß diese Übersetzung nach Winckelmanns Tode begonnen wurde ^.

Obwohl das Werk keineswegs, wie er behauptete, so umgeschmol- zen war, »daß von dem gedruckten nichts bleibe«, denn die alten Abschnitte blieben meist unverändert stehen: so fand er doch nötig, das Ganze umzuschreiben; »es kostete eine unglaubliche, erstaunliche Arbeit«. Er hoffte, es vor der Reise zu endigen. Bald schien er sich in der ersten Ausgabe »nichts geleistet zu haben . . Das Werk ist völlig

2. Merian schreibt an Raspe in Kassel den 25. Januar 1769: On fait ici une nouvelle traduction frangoise de l'Histoire de l'Art du feu Abbe W., sur un manuscrit de l'auteur, qui a heureusement ediappe ä cet Archange etc. [Kassel, Landesbibliothek; s. III, 551.]

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neu anzusehen ... Ich schlage (6. Februar 1768) das Buch zuweilen nur auf, um fröhhch zu sein; denn ich bin völlig mit mir zufrieden. Ich verstand noch nicht zu schreiben, da ich mich an dieselbe machte; die Gedanken sind noch nicht gekettet genug; es fehlet der Übergang von vielen in diejenigen, die folgen, worinne die größte Kunst bestehet. Die Beweise haben nicht alle mögliche Stärke, und ich hätte hier und da noch mit mehrerem Feuer schreiben können. Diese Mängel hat mich das große italienische Werk gelehrt, da das Theater weit gefährlicher war, wo ich aufzutreten gedachte, und der Höchste hat Segen und Gedeihen gegeben.«

Daß diese zweite Kunstgeschichte das Doppelte des Umfanges der ersten bekam, und insofern allerdings »ein ganz anderes Werk« ge- worden war, kann nicht wundernehmen. Ein Werk, das nach einem so systematisch-umfassenden Plan angelegt ist, das kein Abschluß, weder eines Forscherlebens, noch einer wissenschaftlichen Periode ist, das vielmehr das Studium eröffnet, ist selbst einer der größten Im- pulse des Wissens. Zahllose Beobachtungen in Denkmälern und Büchern, die sonst auf die Erde fallen würden, oder in Miszellen und Fundberichten zerstreut, werden nun von einem gegliederten Ganzen angezogen.

Das Verhältnis des neuen Werkes (das leider in einer schlechten Wiener Ausgabe [1776], auf die sich die Dresdener [1809— 18 15] gründen mußte, weil das Original nicht mehr aufzufinden war, in die Hände des Publikums kam) zu dem alten ist nicht ganz so, wie es nach Winckelmanns Äußerungen scheinen sollte 3. Als neue Lösung der Aufgabe von höherer Einsicht aus, ja selbst als Verarbeitung der neuen Zusätze mit dem früheren Kern kann es kaum bezeichnet werden. Das Neue wird nur in das Fachwerk des Alten an passenden Stellen ein- geschoben, obwohl der Zusatz oft umfangreicher ist als der Kern. Windielmann hat sein altes Haus nicht abgebrochen und mit den alten und neuen Steinen ein größeres, schöneres aufgeführt: er hat nur das Mobiliar seines etwas eilig eingerichteten Hauses vermehrt.

Die Erweiterung besteht zum Teil in archäologischen Einzelheiten und Paragraphen, aus denen, wenn er so fortgefahren hätte und ihnen Vollständigkeit und Gleichmäßigkeit gegeben, ein Lehrbuch derArdiä-

3. [Vgl. I, 462 f.; III, 470, 539.]

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ologie geworden wäre; dabei wurden neue Entdeckungen bevorzugt. So wird die Reihe der idealen Typen durch neu beobachtete Beispiele vermehrt. Z.B. der indische Bacchus, der edelgeformte alteSilen (Satyr mit dem Bacchuskind), die zeusartigen Typen der Meergötter, der Centauren; ferner die Venus (von Capua), die Roma, Ceres und Proserpina auf syrakusischen Münzen, die Amazone, die Larven.

Es sind ferner hinzugekommen Ausführungen über die Komposi- tion und deren Gesetz der Sparsamkeit und Ruhe, gegen den moder- nen Tumult und Kontrapost (V, 4, 14— 16); über provinzielle und koloniale Kunst und deren Minderwertigkeit (VIII, 3, 12 f); über die Stellung mit übereinandergeschlagenen Beinen als Zeichen der Ruhe oder auch Betrübnis (V, 3, 10); über geschlossenen und offenen Mund (V, 5, 26); über einzelne Teile, z. B. Knie (V, 6, 5); gegen Vitruvs Ab- leitung der Bauverhältnisse von denen des Menschen (V, 4, 5); über Parenthyrsos (V, 3, 23). Eine innere Weiterbildung der Doktrin hat nicht stattgefunden. Es sind nur einige Pinselstriche der logischen und rhetorischen Darstellung. Die Kunst des älteren Stils wird verglichen mit der alten Heldendichtung, deren Lob nicht mit der sanften Leier stimmt (VIII, i, 17). Hier steht der Vergleich des Eindruckes großer Freiheitstaten mit dem des Meeres (Band I, 259).

»Die Großmut ist nach der Ansicht griechischer Künstler gepaart mit der Einfalt; Achill zeigt mitten im jähen Zorn und in der Un- erbittlichkeit eine offenherzige Seele ohne alle Verstellung und Falschheit; auf dem Gesicht der Helden zeigt sich kein spitzfindiger, leichtfertiger oder listiger, noch weniger höhnischer Blick, sondern die Unschuld schwebt mit einer zuversichtlichen Stille auf demselben.« »Die Kunst hat mit Athen immer einerlei Schicksal gehabt.« »Die Tyrannei und die Kunst stimmen nirgends zusammen.« Der einzige Krieg, in dem die Künste nicht gelitten, ja sich mehr als je hervor- getan haben (Olymp. 80,4) wird verglichen mit »den kleinen Zwisten, die bei der Liebe zu entstehen pflegen, indem diese mehr verfeinem und verbinden«. (IX, 2, 3.)

In der Lehre vom Ideal wird noch bestimmter betont, daß es keineswegs ein Durchschnittstypus der Gattung sei: der Künstler er- scheint noch freier schaltend in Auswahl und Zusammensetzung der Teile verschiedenartiger Wesen. Die weibliche Form sei nach der Lehre

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des Aristoteles die vollkommenere; und wie im Trattato wird das zwitterhafte Ideal dem rein männlichen vorgezogen. Ein Oxymoron scheint der Satz, daß es auch ein Ideal des Häßlichen gebe (IV, 2, 25). Aber Ideal ist hier im weiteren Sinn zu verstehen, als Gegensatz zum Wirklichen, in diesem Sinn ist das Idealschöne nur ein Teil seines Umfanges.

An Medea und Klytämnestra in Vollführung ihrer Schreckenstaten wird gezeigt, wie die Frauen bei den Alten nie aus der Eigenschaft ihres Geschlechtes gehen (V, 3, 16); am Bilde der Hekuba, daß man Sdiönheit mehr als Wahrheit im Auge hatte; an Kaisermonumenten, daß man auf öffentlichen Werken keine ausgelassenen Leidenschaften darstellte.

»Es verhält sich hier, wie mit den Leidenschaften selbst, die, wie Chrysippus der Stoiker lehrte, dem Lauf von jähen steilen Orten ähnlich sind, der, wenn man einmal ins Laufen gekommen, sich weder aufhalten läßt, noch zurückzuziehen verstattet; denn da, wie Horaz sagt, die Seelen selbst in den elysischen Feldern weniger auf die zärt- lichen Gedichte der Sappho als auf die des Alkäus aufmerkam sind, weil dieser von Schlachten und von verjagten Tyrannen singt, sind wir von Jugend auf mehr vom wilden Getümmel und vom tobenden Geräusch, als von friedlichen Begebenheiten und vom stillen Wandel der Weisheit eingenommen; daher der junge Zeichner williger vom Mars in das Schlachtfeld, als von der Pallas zu einer stillen Gesellschaft der Weisen geführt wird. Die Lehre der Ruhe und Stille in Ent- werfung der Bilder ist diesem, wie aller Jugend die Lehre der Tugend, widersinnig, aber notwendig; und sowie nach Hippokrates die Ge- nesung des Fußes die Ruhe ist, muß dieselbe auch bei solchen Künst- lern bei der Ruhe anfangen.«

Die umfangreichen Einschiebsel des geschichtlichen Teiles gehören mehr dem politischen Hintergrund und der Künstlergeschichte an, ob- wohl alle bemerkenswerten, seit der ersten Ausgabe entdeckten Denk- mäler irgendwo angebracht sind. Der Apparat zur Stilgeschichte ist gegen die »Anmerkungen« und den Trattato so gut wie nicht ver- mehrt worden.

Der bedeutendste Zusatz ist die Besprechung der großen Maler und die Erörterung des hieratischen Stils (VIII, i, 19—24). Die sogenannte

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Muse des Ageladas (Apollo, S. 316) soll zeigen, wie man sich den Stil des Kanadius vorzustellen habe, der seinen Meister Polyklet nicht er- reichte (also die Weise der voraufgehenden Generation vertrat), »weil er entweder nicht an die Vollkommenheit seines Meisters reidien können oder aus Eigensinn bei der harten Manier der vorigen Künst- ler geblieben sei«. Die Epoche des Phidias ist »die Zeit, wo man in der Kunst weniger die alten als neuen Werke schätzte, wovon das Gegenteil unmittelbar nach gedachter Künstler Zeit und mit Recht geschah«; der olympische Zeus heißt »das größte und vollendetste Werk der Kunst«. Polyklet ist der »erhabene Dichter in der Kunst, welcher die Schönheit seiner Figuren über das wirkliche Schöne in der Natur zu erheben suchte«. Bei Gelegenheit der Niobe ist die Bezeich- nung dessen, der die mediceische Gruppe für eine Kopie hielt, als »jemandes, der nicht Kenntnis genug hat«, gestrichen. Der Bronze- apoll der Villa Albani soll »für eben das Werk (den originalen Sau- roktonos) des Praxiteles gehalten werden können«. Alexanders Regie- rung war der Zeitpunkt der höchsten Verfeinerung der Kunst: an die Stelle der Freiheit traten Einfluß und Freigebigkeit. Neu ist der Ab- schnitt über Alexanders Bildnisse (X, i, 27—33).

Das Werk, wie es im wesentlichen vollendet war, als der Tod den Verfasser ereilte, konnte hiernach kein Kunstwerk aus einem Guß sein. Die Teile sind ungleich nach Quantität und Qualität. Die neuen Einschiebsel nehmen oft mehr Raum ein, als sie neben dem alten Kern verdienten. Das erste Werk war ein Geschichtsbild, gegründet auf die in Jahrhunderten angesammelte Denkmälerwelt Roms; dem einzelnen war sein Raum angewiesen nach einem festen Maßstab des Wertes. Was jetzt hinzukam, war zum Teil das archäologische Journal der Gegenwart. Dort hatte der Geschichtsschreiber aus Materialien, die bisher noch in keines Kopf zusammengekommen waren, ein Ganzes geschaffen, das den Trieb des Wachstumes in sich selbst trug. Das Werk war geschrieben noch im Nachzittern der ersten Berührung, mit genialer Intuition; aber der Stoff war rasch zusammengerafft. Nun kam die eingehende Beobachtung, mit der Reife des durch Erfahrung gewonnenen Kennerblickes, mit jener Lässigkeit, die, auf ein fertig dastehendes Ganze gestützt, sich im einzelnen verlieren darf.

Was indes das Buch an Ebenmäßigkeit und Rundung verlor, gewann

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es außer an Vollständigkeit auch an Lebendigkeit. Neben jenem schöp- ferischen Hauch, der durch den alten Kern geht, haben wir in den Zusätzen die Frische und Freude der neuen Entdeckung; wir begleiten den ruhelosen Forscher in den letzten Jahren seines Lebens durch Rom und die Campagna, Neapel und Pompeji, bis zur letzten Reise; es feh- len darin selbst die letzten Zeilen nicht, die er schrieb, als ihn schon der Mörder umschlich. Und so ist das Werk nach Goethes Worten »ein Lebendiges für die Lebendigen geschrieben, ein Leben selbst«.

Und unter was für Umständen hat er sich dieses Denkmal errichtet, unter welchen Zerstreuungen entstand ein Werk, in dem so wenig Zerstreutheit ist. Es wird unternommen für eine englische Über- setzung, die ein Schweizer Maler in London besorgen will. Weil es weder in Leipzig, noch in Zürich, noch in Berlin verlegt werden kann, entschließt er sidi, das deutsch gedachte Buch französisch herauszu- geben; die Übersetzung soll in der preußischen Residenz gemacht wer- den, der Druck aber in der römischen Propaganda stattfinden. Das hinterlassene Manuskript kommt nach Wien und erscheint hier durch fremde Hand Jahre nach seinem Tode. »Vielleicht geht ein Jahrhun- dert vorbei«, schrieb er Volkmann am 1 6. Juli 1764, »ehe es einem Deutschen gelingt, mir auf dem Wege, welchen ich ergriffen, nach- zugehen, und welcher das Herz auf dem Flecke hat, wo es mir sitzt.«

Deutsche Reisepläne

Die Umstände, unter denen Winckelmann sein Ende ereilte, sind so seltsam, daß es vielen geschienen hat, er sei von einem Verhängnis verfolgt und ins Verderben getrieben worden. Die letzte Reise ist und bleibt rätselhaft: man begreift weder, was ihn zwei Jahre lang denn so lange bemerkt man die fieberhafte Erregtheit bei dem Gedanken mit solcher Gewalt nach Deutschland zog, noch was ihn dann noch unwiderstehlicher und noch grundloser zurücktrieb.

Indes dieser Mann war so offen in Mitteilung seiner Vorsätze und Empfindungen, daß man gewiß sein kann, wenigstens die in den Be- reich des Bewußtseins fallenden Triebfedern zu erfahren. Tatsache ist, daß er sich in den letzten Jahren von der lebhaftesten Sehnsucht er-

470 ROMISCHE ZEIT

griffen sah, das Land wiederzusehen, das ihm nur als »Land der Mär- telei« in Erinnerung stand, von dem er bis dahin kaum je in ver- söhntem Ton gesprochen hatte, v\^o ihn kaum etv^as anderes inter- essieren konnte, als hier und da ein in Rom erworbener Freund. In Rom dagegen hatte er alles, was er schätzte und bedurfte. Die Liebe zur Heimat war es also nicht; gestand er doch selbst bei dem Berliner Ruf, daß er jetzt zum ersten Male die Stimme der Liebe des Vater- landes in sich höre, die ihm zuvor unbekannt gewesen sei.

Seine Stellung in Rom, so angesehen und unangefochten er dort war, so sehr sie seinem Geschmack und seinen Bedürfnissen entsprach, war doch weder materiell bequem, noch selber sicher für die Zukunft. Da- her lieh er deutsdien Einladungen allezeit ein williges Ohr. Er stand dicht vor den Fünfzigen. Da kommt die Zeit, wo »Ruhe das höchste Gut« wird; »wo wir was Gut's in Ruhe schmausen mögen«. Der Ge- danke an das über kurz oder lang zu erwartende Ableben seines greisen Albani verband sich wiederholt mit dem Gedanken »alles in Rom auf- zugeben«. Davon spricht er schon im Sommer 1764; er gedachte wohl, noch einige Reisen zu machen und dann »in Zürich sein Leben zu be- schUeßen«. Aber als er Präsident der Altertümer geworden und also seine Tage in Rom beschließen sollte, setzte sich sofort die Idee fest, nun sein Vaterland wenigstens auf einer Urlaubs- und Besuchsreise noch einmal wiederzusehen (an L. Usteri, 22. Mai 1763).

Je dunkler und dürftiger sein Leben in Deutschland gewesen war, um so menschlicher war der Wunsch, nun mit Namen und Titel dahin zurückzukehren, wo er einst als Schulmeisterlein bei einem Super- intendenten vergebens antichambriert hatte. Wie es wahr ist, daß man im Glück nicht ungern vergangener Mühsal sich erinnert: so sieht der hochgestiegene Mann einmal gern den Ort wieder, wo er mit den Bauemkindern unter der Linde gespielt und dem Pastor den Chorrock nachgetragen hat.

Gewiß ist, daß durch die Beschäftigung mit diesen Anträgen, die er zum Teil angenommen hatte, durdi die Monate dauernde Aussicht der Heimkehr, der Gedanke an Deutschland für seine Phantasie ein Fer- ment und zuletzt wie eine Anfechtung geworden war. Er mußte ver- wirklicht werden, auch wenn kein Ruf in der Schwebe, kein ernst- hafter Zweck auf dem Tapet war.

DEUTSCHE REISEPLANE 471

Dieser Gedanke gewann noch an Reiz durch die beschwerlichen Arbeiten, an deren Ende er eine Erholung verdiente und bedurfte. Die Übersetzung, der Selbstverlag des großen Kupferwerkes machte die Arbeit an den Monumenti ermüdender als die früheren. »Die viele Arbeit macht mich stumpf« (lo. September 1766). Daher er fort- während nötig hat, das Bild jener Reise aufzurufen, »wenn er sidi diese Last vom Halse geworfen haben wird«. Sie ist »das Schloß, wor- an er baut«. Sie liegt ihm mehr am Herzen, »als aller Ruhm, den er sich aus dem Werke versprechen könnte: ich will dieses mir bevor- stehende Vergnügen statt aller Vergeltung meines mühsamen Lebens ansehen: ja ich wünschte, sonst nicht gelebt zu haben« (15. August 1766). »Ich sterbe vor Ungeduld, diese Zeit zu erleben, wo ich sie erlebe« (27. Mai 1767).

Die literarischen Pläne, sofort nach Beendigung der Korrektur auf- tauchend, bewiesen, daß in Rom für ihn keine Ruhe zu finden sei. »Ich komme nicht eher zur Ruhe, als bis ich blind w^erde; von einer Märtelei in die andere« (an Berg, 25. Juli 1767). Eine solche Arbeit, deren man nicht mehr Herr ist, gewährt keine Befriedigung mehr, sie reibt auf, obwohl dies im fieberischen Zustand nicht zum Bewußtsein kommt. »Es ist die höchste Zeit, mich selbst und mein Leben zu ge- nießen« (4. November 1766). Er will sich erholen, »es mag auf der Reise nach Basel oder unter den Türken geschehen, damit der Appen- dix vom Leben nicht beklagt vorbeigehe« (anMechel, S.August 1767).

Eine Abendstimmung wird fühlbar, in der Bilder der Ruhe jenseits der Alpen durcheinanderspielen mit Bildern der anderen wahren Ruhe. »Bei meiner schweren Arbeit hebe ich die Augen auf gegen die Berge, wo mir hoffentlich bei Euch auf einige Zeit wohl sein soll; so wie der arme Indianer jenseits der Gebirge Ruhe zu finden hofft« (27. Septem- ber 1766). Dann sollen ihm die Alpen aus Verlangen kleine Hügel scheinen. »Endlich wird die Ruhe kommen an dem Orte, wo wir uns zu sehen und zu genießen hoffen, woran ich ohne die innigste Be- wegung und ohne Freudentränen nicht gedenken kann. Dahin will ich, wie ein leichter Fußgänger, so wie ich gekommen bin, aus der Welt gehen. Ich weihe diese Tränen, die ich hier vergieße, der hohen Freundschaft, die aus dem Schöße der ewigen Liebe kommt« (6. Februar 1768, an Franke). Schon am Abend vor seinem 47. Geburtstag, am

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S.Dezember 1764, stellte er sich »höchstens noch ein zehn Jahre in Aussicht, bis er zu seinen Vätern gehen werde«, »\^^r sind ein Schat- ten des Nichts!« (8. August 1767.) Er arbeitet heftig, sein Lebenswerk in würdiger Gestalt zu hinterlassen.

So erhält man fast den Eindruck, daß er einer Katastrophe ent- gegengehe, die jene Macht, die unser Leben beherrscht, auf die eine oder andere Weise herbeiführen werde. Bilder des Wiedersehens um- schwebten ihn. Vor allem war es Stosch, der ihm so manche Beweise der Freundschaft gegeben und ihn zuletzt noch durch jene Bemühun- gen, ihn nach Berlin »zu sich zu ziehen«, »über alles erfreut hatte«. Er könnte nicht ruhig sterben, ohne ihn gesehen zu haben (19. Dezem- ber 1767). Er malt sich hundert schöne Bilder, »unter welchen die Um- armung meines Freundes das lebhafteste und schönste ist«. Daher ist Berlin das erste Ziel dieser Reise. Nicht Dresden, nicht Sachsen, sein zweites Vaterland, nicht die Schweiz. Sich dem großen Könige dar- zustellen, sagt Goethe, war sein Stolz. Nach Berlin kam Dessau, wo- hin auch Stosch vom Herzog eingeladen werden sollte. »Diesen gött- lichen Mann wiederzusehen und zu genießen, ist einer von den Gründen, die mich reizen, eine Reise nach Deutschland zu tun« (an Berendis, I. Juli 1767). War er doch schon in Versuchung gewesen, mit Herzog Franz aus Rom zu gehen. Beim Abschied hatte dieser gebeten, ihn in Dessau zu besuchen, um Zeuge der Anwendung erlangter Einsichten, Kenntnisse und Erfahrungen zu sein, die er zur Verschönerung seines Landes, zum Wohl seiner Untertanen zu machen gedachte. Von Dessau aus sollte dem Erbprinzen von Braunschweig in Salzdahlum ein Be- such abgestattet werden. Eine seiner letzten brieflichen Bekannt- schaften war der Minister von Münchhausen, der ihn nach Hannover einlud, und so wollte er denn auch in Hannover »anbeten gehen«; dem Vater und Erhalter deutscher Wissenschaft wollte er die Hände küssen, »unserem würdigsten Vater der Musen, dem, den alle deut- schen Zungen als den höchsten Erwecker, Beschützer und Belohner der Talente unserer Nation besingen«. Und dann war Göttingen mit Heyne zu nahe. Den Prinzen von Mecklenburg sollte er in dessen Quartier zu Wien besuchen, dieser gedachte, ihn über Dresden und Berlin zu begleiten. Unbequem war es, daß Sachsen auf dem Wege lag, nicht bloß wegen des Kommerzienrates, dem er auf dieser Reise

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einen Streich zu spielen gedachte. Erst wollte er die Reise durch Sachsen eilfertig machen, ohne Dresden zu sehen; oder er wollte über Dresden nur »hinlaufen«. Nur an Franke konnte er nicht vorbeigehen.

Wie verkannte er hier seine alten Freunde ! Goethe, damals Student in Leipzig, erzählt, wie er und seine Bekannten mit Jubel vernahmen, daß der große Winckelmann unterwegs bei Oesem eintreten und also auch in ihren Gesichtskreis kommen werde. »Wir machten keinen An- spruch, mit ihm zu reden; aber wir hofften, ihn zu sehen, und weil man in solchen Jahren einen jeden Anlaß gern in eine Lustpartie ver- wandelt, so hatten wir schon Ritt und Fahrt nach Dessau verabredet, wo wir in einer schönen, durch Kunst verherrHchten Gegend, in einem wohl administrierten und zugleich äußerlich geschmückten Lande, bald da, bald dort aufzupassen dachten, um die über uns so weit er- habenen Männer mit eigenen Augen umherwandeln zu sehen. Oeser war selbst ganz exaltiert, wenn er daran nur dachte.«

Den Schweizer Freunden endlich war der Rückweg bestimmt, der vielleicht über Brüssel und Paris genommen werden sollte; Stosch hatte sogar von England gesprochen. An Mechel, den jüngsten Freund in Basel, gedenkt er »beständig mit offenen und geschlossenen Augen« (21. Januar 1767). Den abziehenden P. Usteri wünschte er »von gan- zem Herzen in das Vaterland der Tugend, Freundschaft und Vernunft begleiten zu können ... Sie und Ihr Gefährte haben das Verlangen nach demselben unaussprechlich gemacht, und ich stehe auf und lege mich nieder mit dem Bilde zwei so werter Freunde . . . Wird Gott meinen letzten Wunsch mit Erfüllung krönen, so soll in Zürich ein sechsseitiger Altar der Freundschaft aufgerichtet werden, mit eben so viel Namen bezeichnet; bei demselben wollen wir zugleich dem Genius opfern, und ich will demselben dort meine Pflicht bezahlen« (7. September 1766). Besonders wohlgetan hatte ihm das Lob des »pindarischen« Fragmentisten (Herder), den er nach der Schreibart für einen Schweizer hielt, und für einen Freund, »weil er der Freund- schaft zuviel eingeräumt«; das Lob, für das er sidi »allerverbindlichst« bedankt, sei »schön gedacht, es möge der Wahrheit ähnlich sein oder nicht« (13. Januar 1768).

Im Gefühl, daß seine arbeitsvolle Pilgerschaft dem Ende zueile, wollte er sich also einen kleinen Triumph gönnen, das Echo des Ruhmes

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hören. »Es ist ihm Weihrauch genug gestreut worden«, hatte Weisse schon im September 1766 an Klotz geschrieben. Und endhch nach dem bewegten Jahre 1766 war es in Rom sehr einsam und leer ge- worden, besonders als eine Verstimmung mit seinem besten Freunde, dem Kardinal, eintrat. »Ich bin jetzt einsam wie ein Eremit, um mir den bevorstehenden Genuß zu vergrößern (an Stosch, 27. Mai 1767).

Noch einmal schien die Waage zu schwanken. Riedesel lud ein zur Reise nach Griechenland und Kleinasien. Dieser Gedanke war kurz vorher wieder angeregt worden durch einen jungen Marseiller Kauf- mann Guys, der Griechenland durchwandert und in Konstantinopel gelebt hatte, »wo er sich mehr mit Büchern als mit Redinungen ab- gegeben«. »Er erbietet sich, zu solcher Reise alles was er kann bei- zutragen. Er hört nicht auf, mir von den hohen Schönheiten zu schrei- ben, er wünscht, daß ich dieselben sehen und beschreiben möchte« (2. Juni 1767). »Ich bin geteilt«, schreibt er Riedesel (17. Juni 1767), »zwisdien Ihnen und dem entfernten Freunde, zwischen Griechenland und dem väterlichen Himmel. In diesem großen Streite, wo tausend reizende Bilder schnell in mir vorüberfahren . . Jedenfalls hofft er, bei einem von beiden Freunden, »die Welten und Monarchien nicht ersetzen noch vergüten können, sein Leben, fern von Begier- den, von Kummer, von Ehrsucht zu besdiließen«. Aber die Bequem- lichkeit siegte: »es würde töricht sein, in den Jahren, wo man Ruhe suchen soll, sich, ohne Dank zu verdienen, soviel Mühsalen aussetzen zu wollen« (21. November 1767). Am 10. Mai 1768 schiffte sich Riedesel zu Neapel auf einem englischen Fahrzeug nach Smyma ein.

Einige Schwierigkeit stand auch vom Hofe wegen des Urlaubs zu erwarten. Die Erlaubnis zur griechischen Reise könne er mit einem Worte erhalten, ja die Erlaubnis, nach Ägypten zu reisen, würde »weniger schwer als nach Berlin hin halten; aber hier befürchtet man irrig, ich werde nicht zurückkommen«. Es war ihm peinlich, den Kar- dinal in seinem hohen Alter auf ein Jahr zu verlassen. Aber diese Schwierigkeiten dachte er schlimmsten Falles, wenn sie nicht zu heben seien, »durchzubrechen«, denn er habe wenig zu verlieren. »Es wird eigenmächtig geschehen, was nicht mit guter Art kann erlangt werden« (23. Januar 1768). Die Berliner Ausgabe der Kunstgeschichte und die

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Förderung der Unternehmung auf Elis waren für Hof und Römer die ostensiblen Zwecke.

Da kam am 23. März 1768 unvermutet die »uneingeschränkte Er- laubnis« zur Reise. Er meldet es sofort Schlabrendorf, dem Fürsten von Anhalt und Stosch, diesem »mit wahrer Wollust und gleichsam trunken von Freundschaft, mit unbeschreibHcher Sehnsucht, ihn im Vaterland zu umarmen«. »Niemals habe ich Ihnen (Franke) mit mehr Fröhlichkeit der Seele geschrieben.« Man erfährt jetzt auch, daß sidi ein Gefährte gefunden hat in Bartolomeo Cavaceppi, der die Reise teils ihm zu Liebe mitmachen wolle, teils zum Besten seiner Gesund- heit; wie er selbst sagt, »aus Neigung, fremde Länder und neue Gegen- stände zu sehen«; hauptsächlich aber, um in Berlin und Dessau Ge- schäfte mit seinen restaurierten oder kopierten Statuen zu machen. »Ich bringe ihn mit mir, wenn ich Sie (Franke) in Nöthnitz besuche, um Ihnen einen wahrhaftigen ehrlichen Römer zu zeigen.«

Auf den 10. April 1768, einen Sonntag, wurde die Abreise fest- gesetzt. Die Linie war Venedig, Verona, Augsburg, München, Wien, Prag, Leipzig; doch wollte man an keinem dieser Orte mehr als ein paar Tage bleiben. Nach Mitte Mai wollte er in Dessau sein, Ende Juni in Berlin und spätestens im Herbst in der Schweiz.

Am Vorabend der Abfahrt besprach er sich mit dem Kardinal- Kämmerling Carlo Rezzonico wegen seines interimistischen Stellver- treters im Kommissariat der Altertümer. Er schlug ihm seinen Freund, den Abate Giovan Battista Visconti, vor. Hiervon gab er diesem noch kurz Nachricht in einigen mit Bleistift auf ein Kartenblatt geschrie- benen Zeilen. Sie lauten:

Neir angustia del tempo che preme Gio. Windkelmann prende egli con questo congedo dall' lU.nio Sig. A.[bate] Visconti pregandolo di presentarsi all' Em.o Camerlengo il quäle e inteso di tutto.

Dieses Billet wird noch heute im Hause Visconti als teure Reliquie auf- bewahrt, denn es war bestimmt, den Übergang des von nun an zu früher nie geahnter Wichtigkeit emporsteigenden Kommissariats in diese Familie zu bezeichnen. Der Stellvertreter wurde auf die Nach- richt von des Freundes Tode sofort sein Nachfolger.

Letzte Reise

»Wir nahmen«, schreibt Cavaceppi^, »unseren Weg zunächst nach Loretto, wo wir nach Verrichtung unserer Andacht denTesoro besahen. Als zwei Männer, deren einer nur auf gelehrte Untersuchungen, der andere nur auf die Schönheiten seiner Kunst ausging, fanden wir wenig Vergnügen an dem Betrachten der erstaunlichen Zahl von Diamanten, Perlen u. dgl. Kostbarkeiten; dagegen fesselten uns die vielen schönen, kunstreichen Kameen, unter welchen sich indes nur wenige wirklich alte Steine befinden. Mein Reisegefährte würde viel- leicht einige derselben beschrieben und erklärt haben.« Der Bildhauer gedenkt mit keiner Silbe eines der bedeutendsten Werke italienisdier Skulptur der Renaissance, des Marmorschmucks der Casa santa, von Sansovino, Tribolo u. a.

Sie setzten ihren Weg nach Bologna fort, wo Cavaceppi, ebenso blind für die Area des hl. Dominikus von Niccolo Pisano mit dem Engel Bonarrotis und für die Reliefs des Domportals, nur bemerkt, »daß hier die Malerei, vielleicht zu stolz auf ihren Ruhm, die Schwester- kunst fast gänzlich verdrängt zu haben scheine; denn eine einzige Gruppe Algardis ausgenommen, habe er nichts Bemerkenswertes gefunden«. Desto reichere Nahrung der Wißbegierde finden sie, als sie einige Tage später in Venedig ankommen in den Altertümern des Vor- saals der Bibliothek, in den ehernen Rossen der Fassade von S. Marco. Die im wahren erhabenen Stil und in der besten Zeit der Kunst gearbeitete Statue des M. Agrippa im Hofe des Palastes Grimani sei dieselbe gewesen, die Agrippa auf das Pantheon setzen ließ, wie Cavaceppi durch eine Vergleichung des Maßes des Piedestals auf diesem Gebäude mit der unteren Fläche der Statue feststellte; sogar die Lödier der Zapfen paßten.

»Von Venedig begaben wir uns nach Verona, wo es unser erstes Geschäft war, das berühmte Museum Maifei zu besichtigen. Aber die Wahrheit zu sagen, fand ich hier in Ansehung der Kunst wenig Bedeu- tendes, und ich wunderte mich, wie man verschiedene Sachen für alte ausgab, die sicher von neueren Betrügern gemacht waren. Doch wurde

4. [Winckelmanns Briefe an seine Freunde, ed. K. W. Dassdorf, Dresden 1780, II, 358-372.]

LETZTE REISE 477

uns dieser Aufenthalt noch angenehm und unterhaltend, als wir in dem Hause Bevilacqua Büsten und Köpfe fanden von erstaunlicher Kunst, einen toten Niobiden, der an Schönheit dem in der Villa Medici gleichkam, und endlich vier antike Kinder, von so schöner und weicher Arbeit, daß sie schon allein das Vorurteil gegen die Kinder der Alten widerlegen konnten.« Diese Notizen vergegenwärtigen uns Winckel- manns letzte Kunstgespräche; diese kleinen norditalienischen Museen enthielten die letzten Antiken, auf denen seine Augen verweilt haben. Or incomincian le dolenti note. Als die beiden Reisenden eine Stunde in die Tiroler Berge eingefahren waren, bemerkte Cavaceppi plötzlich, daß Winckelmanns Züge einen ganz veränderten Ausdruck angenommen hatten. Dieser rief: »Sehen Sie, mein Freund, was für eine entsetzliche, schaurige Landschaft! Diese unermeßlich empor- steigenden Berge!« Und bald darauf: »O welch eine abgeschmackte Bauart! Sehen Sie nur diese spitzzulaufenden Dächer!« Solche Ausrufe erfolgten mit einer Heftigkeit des Tones, die nicht bloß beleidigten Geschmack, sondern den tiefsten Ekel und Abscheu verriet. Und dies alles kam so brüsk, daß der Welsche anfangs glaubte, er wolle sich einen Scherz machen. Er redet ihm nun entgegen; und nicht ohne auf den sonderbaren Rollentausch anzuspielen, daß er, der Italiener, gegen den Deutschen den Tiroler Bergen und den spitzen Dächern eine Schutzrede halten müsse, sprach er von den Gefühlen der Größe und Majestät, von der Angemessenheit der Spitzdächer an Klima und Schnee. Er zeige sich mit solcher, das Reisevergnügen störenden Ver- stimmtheit nicht als Philosoph, bemerkt er weiter, und zitierte Catul- lische Verse gegen Grillenfängerei. Daß aber hier aller Spaß aufhöre, merkt er, als jenen ästhetischen Kontroversen auf einmal die Erklärung folgt, »er habe keine Ruhe, wenn er die Reise fortsetze«, und die Bitte, nach Welschland umzukehren. Und davon vermochte ihn weder Tadel, noch Ermunterung abzubringen; unter »verdrießlichen und fast kindischen Gesprädien« ging die Fahrt fort bis Augsburg und München: so rätselhaft war Cavaceppi Winckelmanns Zustand, daß er, der doch tagelang ihn anhörte und beobachtete, mehrmals sich fragte, ob nicht eine Geistesstörung vorliege. Die stehende Antwort war: Laßt uns nach Rom zurückkehren! »Wir wollen«, sagte ich, »wieder dahin gehen, aber zu seiner Zeit. Rom ist unendlich schön, und wir

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wollen wie Verliebte nach ihm seufzen, um nachher den Genuß desto lebhafter zu fühlen.«

In München war es zum ersten Male, daß er wo nicht Freunde, doch Verehrer traf; man konnte hoifen, der Verkehr mit Menschen werde seine Melancholie verscheuchen; man erwies ihm mancherlei Ehren; das Geschenk einer Gemme machte ihm viel Vergnügen; aber der Zustand wollte nicht weichen. Verstimmt, mit allem unzufrieden, ließ er sich noch bis Regensburg mitschleppen. Hier aber sprach er seinen festen Entschluß aus, Cavaceppi zu verlassen und allein zurück- zureisen. Nun wurde dieser aufgebracht und redete ihm ins Gewissen: er dürfe einen Freund nicht im Stich lassen, der ihm zuliebe die Reise in ein fremdes Land unternommen habe, dessen Sitten und Spradie ihm ganz unbekannt seien; welchen Schwierigkeiten und Verlegen- heiten setze er ihn aus. Jener aber rechtete nicht mehr; in gänzlicher Erschlaffung wiederholte er bloß, »daß er wohl einsehe, wie unrecht er tue, er fühle aber einen übermächtigen Zug in sich, dem er nicht widerstehen könne; er vermöge von seinem Sinn nicht abzugehen«. Er schrieb nun dem Kardinal seine Rückkehr und deren Gründe und batMogalli,ihm seine Wohnung instand zu setzen. Noch einmal suchte ihn Cavaceppi, als die Briefe schon fort waren, bei der Ehre zu fassen, zog alle Saiten auf, bittere, zärtliche, ernste; erreichte aber nur, daß er sich entschloß, ihn noch bis Wien zu begleiten, freilich ein großer Umweg. Winckelmann hatte Briefe des Kardinals an die Kaiserin und den Grafen Kaunitz. Er erhielt eine Audienz bei Ihrer Majestät in Schönbrunn, der er jene Schreiben ihres Geschäftsträgers überreichte; sie beschenkte ihn mit einigen goldenen und silbernen Denkmünzen. Wie Lippert erfuhr, mußte er ihr versprechen, übers Jahr wieder- zukommen, ihr Kabinett in Ordnung zu bringen. Er sah auch den sächsischen Residenten von Pezoldt, der ihm Lipperts Werk zeigte, und »er hat (schreibt Lippert im Juli 1768 an Klotz) alles gebilHgt und sagte, daß ich einer seiner alten und besten Freunde sei, den er von Herzen liebe und hochschätze, und wenn er übers Jahr wieder- käme, wolle er mich in Dresden besuchen«. Der stolze Fürst Kaunitz, der die schönen Künste pflegte, Künstler auszeichnete und förderte und besonders vor neuen technischen Ausdrücken Respekt hatte, ließ sich herab, ihm in seiner langsam bedächtigen Weise vorzustellen: »wie

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können Sie das Herz haben, Ihren Freund zu verlassen, der mehr um Sie als um sich selbst in Sorgen ist. Bedenken Sie, daß er nun allein weite Länder durchreisen soll, deren Sitten und Sprache ihm unbekannt sind«. »Als wir aber sahen, wie er unbeweglich auf seinem Vorsatze blieb und blaß, mit erloschenen Augen, zitternd, stumm und verwirrt dastand, scheuten wir uns, ihn noch mehr zu ängstigen. Ich reichte ihm die Hand und sagte: Lieber Freund, Sie tun übel; aber weil es Ihnen so gefällt, so tragen Sie nur Sorge für sich selbst, Gott befohlen.« Er hatte darauf einen Fieberanfall und hütete einige Tage das Bett.

In Briefen bekennt er, »mit einer großen Schwermut befallen zu sein, die mehr als einen Grund habe. Er habe sich die größte Gewalt angetan, vergnügt zu sein; aber mein Herz spricht nein, und der Widerwille gegen diese weite Reise ist nicht zu überwältigen«. Er sei (meldet er M. A. Bianconi, 8. Mai 1768) infastidito del lungo penoso viaggio e della Germania medesima. Er schreibt am 14. Mai aus Wien an Stosch und den Herzog »mit der innersten Wehmut. Da mir dieser sehnlichste Wunsch vergällt ist, so bin ich überzeugt, daß für mich außer Rom kein wahres Vergnügen zu hoffen ist.«

Forscht man nach den Ursachen dieses bedauernswerten Zustandes, so bieten sich nur Vermutungen dar. Zugrunde lag ohne Zweifel eine tiefe nervöse Abspannung, die sich seit lange vorbereitet hatte und bei diesem Anlaß zum Ausbruch kam. Im März 1768 war er wieder »sehr mit Schwindeln befallen«, die ihn erinnern, »sein Haus zu bestellen«. Die Augen nötigen ihn zur Schonung. Der Magen sei, heißt es am 23. März 1768 an Franke, »so schwach durch die außerordent- liche Anstrengung des Winters, daß er etwas befürchten müsse, wenn er die Reise nicht bald antreten könne«.

Selbst bei jener Trunkenheit im Vorgefühl der vermeintlichen Won- nen, denen er entgegengeht, ist Überreizung im Spiele. Wurde ihm nun der Gegenstand, der jene fieberhafte Tätigkeit unterhielt, plötzlich entzogen, so mußte bei dem geringsten Gegenstoß herabstimmender Ursachen ein Umschlag erfolgen. Diesen Schock brachten die Reise- strapazen. Sie waren dazu angetan, einen Menschen in jenem Zustand stumpf zu machen gegen jeden Genuß. Ehe er irgendeinen seiner Freunde begrüßen konnte, mußte er sich wochenlang in Postkutschen zusammenrütteln lassen. Er selbst verweilt hierauf am meisten, auf

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der beschwerlichen Reise. Es sei nicht möglich, mit der nötigen Bequemlichkeit die Reise zu machen und fortzusetzen, folglich sei sie kein Genuß. Der Genuß der Ruhe würde bei Ihnen, mein Freund (Stosch), nur von kurzer Dauer sein, und ich müßte auf meiner Rückreise in hundert Städten anhalten, und ebenso oft von neuem zu leben anfangen (14. Mai 1768). So verzweifelt er, irgendwelches Vergnügen zu finden, weil er es mit tausend Beschwerlichkeiten erkaufen müsse.

Es ist also die Unterbrechung der ruhigen, bequemen römischen Lebensgewohnheiten, das römische Heimweh; und es sind mir ähnliche wunderliche Paroxysmen bekannt, in die deutsche Künstler, die sich dort eingelebt hatten, beim Überschreiten der Alpen verfielen. Je unbehaglicher sein früheres Leben gewesen war, desto inniger hatte er sidi mit tausend kleinen Wurzelfasern in südliche Zustände und Umgebungen festgeheftet, desto tiefer trat ihm sein deutsches Leben in den Schatten eines langen Märtyrertums zurück, obwohl er sich in klaren Augenblicken wohl gestand, daß er nicht immer gar so un- zufrieden gewesen sei. Das physische Unbehagen, welches in der milden italienischen Frühlingslandschaft und in jenen kunstreich- altertümlichen Städten nicht fühlbar wurde, trat sogleich hervor, als der Eintritt in die Einsamkeit und Rauheit der Tiroler Pässe die Vorstellung Norden, Deutschland plötzlich zur räumlich gegenwärtigen Tatsache machte. Rom, römisches Leben und Glück war in unermeß- liche Ferne gerückt, Deutschland, an das er stets mit Widerwillen gedacht, hatte ihn wieder. Es war wie der Schauder des Genesenen vor den Örtlichkeiten, Geräten und Beschäftigungen seiner Krankheit; wie der Abscheu des von düsterer Schwärmerei Geheilten, dem der Wahn in einem seiner Opfer und in dessen wunderlich widriger Denk- und Sprechweise wieder begegnet. Das Vaterland, das er so oft gescholten, schien ihn, als er es wieder betreten wollte, zürnend von sich zu stoßen.

Wie anders, wie gesund, wie selig, wie tatenlustig hätte er sich jetzt befunden, wenn er Riedesels Einladung gefolgt wäre! Dann hätte er sich jetzt auf südlichen Meeren geschaukelt, die Odysseus durchstrichen, und griechische Inseln aus blauen Spiegeln aufsteigen sehen.

Zugeben muß man, daß die angeführten Ursachen keine ganz be- friedigende Erklärung geben. Es bleibt etwas Rätselhaftes zurück. Ist

ENDE 481

es die Ahnung einer auf dieser Reise drohenden Gefahr, eine Stimme, die ihm zuraunt, daß er Rom nur verlassen habe, um seinem Unter- gange entgegenzugehen? Er muß nach Rom zurück, wie Orest nach dem heiUgen Hag zu Delphi; da läuft er, ganz im Sinn der alten Schicksalsidee, dem Verhängnis in die Arme.

Ende^

Soll man dich nicht aufs schmählichste berauben. Verbirg dein Gold, dein Weggehn, deinen Glauben.

(Goethe)

»Idi suche«, schreibt Winckelmann den 14. Mai an Stosch von Wien, »in wenigen Tagen mit der Landkutsche auf Trieste, und von da zu Wasser nach Ancona abzugehen.« Wahrscheinlich kam dann jener Fieberanfall; wenigstens fuhr er erst am 28. ab und kam am i. Juni, eine Viertelstunde vor Mittag, ganz allein mit der Postkutsche in Triest an, w^o er im großen Gasthof am Petersplatz abstieg und im zweiten Stock das Zimmer Nr. 10 bezog. Zwei Fenster hatten die Aussicht auf den inneren Hafen, Mandrachio genannt, eines in den Hof. Sieben Sdiritt von seiner Tür war der Eingang zu einem kleinen Nebenzimmer Nr. 9; hier war vor zwei Tagen, zu derselben Stunde, wo Winckelmann Wien verließ, ein Mensch ohne Geld und Gepäck aus Venedig ein- gekehrt.

Winckelmann setzte sich gleich nach seiner Ankunft mit zur Wirts- tafel. Zu seiner Seite fand er einen Italiener, im Anfang der Dreißig, in sehr abgeschabtem Anzug, doch ein Gentleman, wie es schien, mit Zopf; zwischen schwarzen Haaren, die an der Seite in Papilloten, sah ein dickes, bräunliches Gesicht, mit niederer Stirn und kleiner Nase hervor; aus grauen Augen musterte er neugierig den Ankömmling.

Dieser erkundigte sich sogleich beim Wirt hinsichtlich einer Schiffs- gelegenheit nach Venedig; der Italiener mischte sich ein und nannte

5. [D. von Rossetti, J. Winckelmanns letzte Lebenswoche, Dresden 181 8; dazu: Versuch einer Allegorie. Säcularausgabe ed. A. Dressel, Leipzig 1866, S. 166—170: Memorie. Neues Aktenmaterial veröffentlichte F. Noack in: Bel- vedere 1929, 8, 304— 308. 1

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den Schiffer Stephan Ragusini. Winckelmann bat, ihm dessen Fahrzeug zu zeigen, was derltaUener nach der Tafel vom Fenster aus tun wollte; auf weitere Bitten geleitete er ihn nach dem Hafen. Der Padrone Stefano hatte noch seine volle Ladung nicht; aber man erfuhr von einem anderen, Viezzoli, der segelfertig sei; er war nicht zugegen; so gingen sie zurück und hielten Siesta. Gegen fünf Uhr kamen sie wieder und fanden ihn; Winckelmann versprach ihm zwei Dukaten, wenn er Sonnabend, den 4., oder spätestens Sonntag in See gehe. Beide sprachen dann im Cafe vor, machten vom Gasthof aus einen Gang durch die Stadt, und der Gelehrte verplauderte die Dämmerstunde auf dem Zimmer des Italieners, wo er auch sein Abendessen, aus Brot und Wein bestehend, einnahm.

Nachdem auf diese Art die Bekanntschaft eröffnet war, schloß sich Winckelmann ganz dem glatten Welschen an, der ihm allerlei Gefällig- keiten erwies und Gänge für ihn tat, nicht um Gottes willen. TägHch eine ganze Woche lang gingen sie frühmorgens spazieren, dann ins Cafe, saßen zusammen bei Tafel, trafen sich zum zweitenmal im Cafe, machten ihre Abendpromenade, und jedesmal nahm Winckel- mann sein Vesperbrot auf des anderen Zimmer.

Dieser, Francesco Arcangeli, aus Campiglio bei Pistoja, war ein ganz gemeiner Mensch. Seit dem sechzehnten Jahre Koch in Florenz, dann in Wien, wo er seinen Herrn bestahl, seit einem Jahre von einer dreijährigen Eisenstrafe im Gnadenstockhaus zu Wien losgekommen, hatte er sich eine öffentliche Person aus Wien zugesellt und in Venedig niedergelassen; er war jetzt zum zweiten Male in Triest; wahrschein- lich ging er auf Gaunerstreiche aus.

Man hat gefragt, wie es Winckelmann möglich gewesen, einem Menschen dieser Stufe nicht nach dem ersten Gespräch den Rücken zu kehren, einem Lump, der sich in der Untersuchung ganz als eine »enervierte, lascive Bedientenseele« enthüllte, ohne jede Bildung und sittliche Begriffe.

Winckelmann wollte in Triest inkognito sein, er empfand keine Sehnsucht, Triester Notabein zu begrüßen und von ihnen Kompli- mente entgegenzunehmen. Es verlautet zwar kein Wort mehr von krankhaften Zuständen, aber man darf nach jenem Fieber eine Rekon- valeszentenmattigkeit annehmen. Nach der Hetze der letzten acht

ENDE 483

Wochen, wo alle seine Gedanken auf Rom gerichtet waren, ist ihm die bequemste, dunkelste Gesellschaft die gelegenste, einer mit der man sich in der Unterhaltungssphäre derBarbierstuDen und Spezereien bewegte. Vornehme Itahener, besonders Römer, bedürfen solcher Kammerdiener, Friseure, Köche, mit denen sie auf familiärem Fuß leben, die ihnen durch Kenntnis ihrer Bedürfnisse und geschmeidige Dienstfertigkeit unentbehrhch werden, ihre kindische Neugier stillen nach dem was der Nachbar, der Fremde tut, was man auf der Piazza ausschreit oder sich zuflüstert, Sklaven, Haustiere, die sie auch so behandeln, deren Verlust sie aber oft mehr erschüttert als der ihrer Verwandten. Von der Kluft, die sonst den Gebildeten von dieser Klasse trennt, ist dort keine Spur. Man hat auch bemerkt, »daß geistreiche Männer auf Reisen nicht immer wählerisch im Umgang seien, daß es mit zum Reiz des Reiselebens gehöre, in Bekanntschaften zu wechseln, und in alle Kreise sich hinabzulassen und zu erheben« (Häring).

Wählerisch war Winckelmann also nicht, die Anpassung trieb er sehr weit, doch nicht so weit, daß er sich zu erkennen gegeben hätte. Er wollte jenem nur in seiner Eigenschaft als Reisender bekannt sein, von Name, Stand sollte er nichts erfahren. Sein eigentliches Selbst sollte unausgepackt stehenbleiben. Es scheint als habe es ihn unter- halten, dem neugierigen Kerl (dessen Neugier er nur zu harmlos aus- legte) Rätsel aufzugeben. Dieser mußte etwas Besonderes in ihm wittern, für dessen Erratung ihm aber die Anhaltspunkte fehlten: in seiner Bedientenerfahrung war nichts, das ihn befähigte, jenen unter- zubringen. Ein Budi in einer ihm unbekannten Schrift (es war Homer) machte ihm Signor Giovanni verdächtig. Er entschloß sich endlich, ihn geradezu nadi seinem Namen zu fragen, angeblich auf Antrieb des Wirtes. Winckelmann versicherte ihm, er sei kein uomo sospetto, ne di mal aflare; er zeigte ihm seinen Wiener Paß und Empfehlungs- briefe an Bankiers in Görz und Venedig. Als habe er dem Welschen recht als geheimnisvolle Person erscheinen wollen, ging er so weit, ihm von seiner Audienz bei Maria Theresia zu erzählen. »Er sei nach Wien gesandt worden, um ihr eine Kabale zu entdecken; man habe ihn dort sehr gut aufgenommen, in eben der Kleidung, die er anhabe, sei er zu der Kaiserin über die Hintertreppe und durch das Frauen-

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zimmer vorgelassen worden und habe mit ihr ganz allein gesprochen; Kaunitz habe ihm eine goldene, die Kaiserin eine goldene und zwei silberne Schaumünzen geschenkt.«

Der Gauner, nachdem er ihn drei Tage umschlichen und beobachtet, hatte endlich den Zielpunkt eines Anschlages gefunden. Am folgenden Morgen, auf der Promenade, am 5. Juli, lockte er ihm das Versprechen ab, ihn diese Münzen sehen zu lassen, was auch vor Tische geschah. So etwas machte Winckelmann, der sein Geld vor ihm verbarg, wie allen Kunstfreunden das Zeigen ihrer Sachen, Freude.

Arcangeli war noch kein Mörder, und zwei Goldmünzen von zehn bis siebzehn Dukaten Gesamtwert scheinen kein hinreichender Beweg- grund, zum Mörder zu werden. Aber alles, was zwischen beiden vorging in diesen Tagen, schien wie ausgedacht, in dem Italiener jene Obsession hervorzurufen, die zum Verbrechen führt. Gold und Raub sind im Kopfe eines soldien Menschen eng verknüpft. Im Verhör machte er wirklich geltend, daß jener die größere Schuld trage, weil er ihm die Münzen gezeigt (e lui e piü colpa che tutto coli' avermele mostrate). Es war eine höhnische Versuchung, eine verwegene Heraus- forderung zum Verbrechen, also ein Unrecht gegen ihn, der so viel für ihn gelaufen war. Gold, das höchste Ziel seiner Wünsche, glänzte ihm hier in einer nie gesehenen Größe entgegen, es waren Goldstücke, wie man sie von einer Kaiserin bekommt, unter mysteriösen Umständen; eine Gier, sie sein zu nennen, ergriff ihn, nicht so sehr aus Habsucht, als aus Lüsternheit (per vaghezza).

Daß Winckelmann ihm als Opfer seiner Geschicklichkeit und Über- legenheit bestimmt sei, davon war er von Anfang an überzeugt. Nach der Art, wie jener sich benahm, wenn er Tabak kaufte oder sonst etwas bezahlte, kam er ihm als nicht besonders gewandt vor (uomo non troppo accorto). Die Art, wie er ihm seine Hofgeheimnisse aus- geschwatzt, frappierte ihn dermaßen, daß er ihm seine Unklugheit vorgehalten haben will; eine solche bei Italienern unerhörte Indiskre- tion ließ ihn (trotz jener diplomatischen Mission) als uomo di poco conto erscheinen. Abenteurer, Spieler und Gauner betrachten Einfalts- pinsel als die ihnen nach dem Naturrecht angewiesene Beute.

Das tägliche Beisammensein und das unaufgelöste Geheimnis nötigte Arcangeli, sich unablässig mit seiner Person zu beschäftigen. Die Mission

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in Wien brachte ihn auf die Vermutung, daß er ein Spion, die Münzen, daß er ein Jude sei oder vielleicht gar ein Lutheraner, weil er nicht zur Messe gehen will und an den Kirchtüren den Hut nicht lüftet. Lauter Charaktere, mit denen man, in betreff einer Coltellata, nicht so viel Umstände zu machen braucht wie mit rechtschaffenen Leuten und Cristiani. Auch kennt ihn ja niemand.

Erst sollte das Schiff den 5. abgehen; dann ließ er sich für den 7. vom Schiffer zehn Paoli Aufgeld geben. Warum aber nahm er nicht den Landweg, da er in Triest gar nichts zu tun hatte? Vielleicht war er das viele Fahren müde, er freute sich auf eine Seefahrt. Deshalb wartet er lieber einige Tage. Vielleicht hat es ihn beruhigt, daß er sicher ist, in einigen Tagen in Rom zu sein, daß sich nun kein Hindernis, keine freundschaftlich hartnäckigen Vorstellungen mehr zwischen ihn und seinen Wunsch stellen. Er hat das Meer vor sich, hinter seiner Fläche lagen Venedig, Ancona. Er liest im Homer, schreibt an der Kunst- geschichte, er kann sich denken, ehe der Mond sich fülle, werde er wieder so im Casino von Porto d'Anzo sitzen.

Die drohende Abreise trieb jenen zum Entschluß. Am Abend des

7. Juni kauft er Schlinge und Messer; doch bei Winckelmanns zutrau- lichem Geplauder während des Vesperbrotes entfällt ihm der Mut, das Verbrechen an diesem Abend auszuführen. Aber am Morgen des

8. stärkt er sich durdi einen einsamen Spaziergang und tritt dann zu ihm ins Zimmer. Winckelmann hatte Oberkleider, Halsbinde und Perücke abgelegt und saß am Schreibtisch; er hatte soeben Anweisungen für die neue Ausgabe der Kunstgeschichte geschrieben; über Ordnung der vier Register, Druck der nomina propria nicht mit größeren Buchstaben, Setzung der Allegata untereinander, nicht einander gegen- über. Er erhob sich und ging ihm entgegen, die Rede kam auf die endgültig heute abend bevorstehende Abreise. Er war in gehobener Stimmung, daß endlich der Tag erschienen sei. Er spradi von Rom und machte während des Gesprächs schriftliche Bemerkungen. Er lud Arcangeli sogar dorthin ein, erzählte vom Palast Albani, den er ihm zeigen wolle; da werde er ihm beweisen, wer er eigentlich sei, und wie allgemein gekannt und geachtet. Zwei Mägde, die nacheinander ins Zimmer kamen, hörten ein Gespräch in heiter-freundlichem Ton. Dieser neue Vertrauenserguß bestärkte Arcangeli in seiner gering-

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schätzigen Meinung von ihm. Er ging auf sein Zimmer und kam mit Messer und Schlinge zurück, vorgebend, sein Schnupftuch vergessen zu haben. Er fragte ihn, ob er die Goldmünzen heute (wie er früher gesagt) an der Wirtstafel zeigen wolle? Winckelmann antwortete, nein, er wolle kein Aufsehen madien (non voglio fare pubblicitä). Warum er denn nicht sagen wolle, wer er eigentlich sei? »Non voglio farmi conoscere.« Damit setzte er sich an den Tisch, Arcangeli den Rücken zukehrend. Dieser Tisch stand zwischen den beiden Fenstern nach der Seeseite zu. Jetzt war der Augenblick gekommen. Winckelmann fuhr fort, an jener Anweisung für den Drucker zu schreiben: »5) Es soll . . .«^.

Da warf ihm jener plötzlich die Schlinge um den Hals und zog sie mit allen Kräften zusammen. Aber der andere sprang auf und stieß den Mörder fort, der nun mit gezücktem Messer auf ihn eindrang. Er faßte in das Messer, wobei er sich in die Hand schnitt, mit der anderen Hand packte er seinen Gegner an der Brust. So drängte er ihn bis über die Mitte des Zimmers der Tür zu. Und nun wäre er bei seiner überlegenen Größe und Stärke doch des Elenden Herr geworden, der vor Angst zitterte; aber sie glitten aus und Winckelmann fiel unglück- lich, auf den Rücken. Jenem blieb das Messer frei, mit dem er nun seinem Opfer mehrere Stiche versetzte. Der Kellner Harthaber hörte unten im Speisezimmer Stampfen und einen schweren Fall, er lief hinauf und horchte: er vernahm ein Ächzen und Röcheln, er öffnet die Tiir und sieht den Mörder auf einem Knie, beide Hände auf des anderen Brust. Sobald er des Dieners ansichtig wird (er kniete der Tür zugewandt), springt er auf, stößt jenen von der Tür fort, läuft ohne Rock und Hut eilig hinunter und davon.

»Die uns aufbewahrten Nachrichten über die nächstfolgenden Minu- ten«, sagt Häring, »gehören zu dem Entsetzlichsten, was uns je in einem Kriminalfall aufgestoßen ist«. Harthaber ging auf den Ver- wundeten zu, um ihm zu helfen, dieser erhob sich, auf die Frage, was geschehen sei, öffnete er das Hemde und zeigte ihm die Wunden: guarda, guarda, cosa mi ha fatto. Leider bemerkt jener nicht den Strick, der ihm die Kehle zuschnürte, und mit den Worten, er möge auf dem Zimmer bleiben, bis er den Wundarzt rufe, eilt er fort.

6. [Gesdiidite der Kunst des Altertums, Wien 1776, S. XXII.]

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Winckelmann allein gelassen, in Todesängsten, halb erdrosselt, aus fünf Wunden blutend, schleicht ins erste Stockwerk hinab, auf die Wirtsstube zu. Das neunzehnjährige Stubenmädel Therese, die in die Küche geht, hört eine leise, gedämpfte Stimme: Jesus! Jesus! Sie dreht sich erschrocken um und sieht eine Schreckensgestalt mit blauunter- laufenem Antlitz, blutend an Brust und Händen, die ihr entgegen- wankt, zuwinkt und ihren Namen nennt. Aber es fällt ihr nicht ein, daß sie ihm helfen könne; sie läuft voll Entsetzen hinunter und erzählt, der Fremde breche Blut, rennt nach dem Arzt, dem Beichtvater, in die Messe, wo sie ihre Leute weiß.

Winckelmann ging nun auf die Türe des Wirtszimmers zu, fand sie aber verschlossen; er kehrt um, und mit der Linken das Treppen- geländer anklammernd, steht er da, die Rechte an die Wunde pressend. Mägde kommen herauf und bleiben stehen, ihn voll Grauen anstarrend, sie glauben, er habe in einem Anfall von Wahnsinn selbst Hand an sich gelegt. Drei Männer, die nach und nach ankommen, machen es nicht besser: der eine stürzt wieder nach dem Beichtvater, dem folgenden wird übel und schwindlig; ein dritter, ein Bedienter, glaubt, die blutige Schlinge seien die heraushängenden Gedärme und läuft zu seinem Herrn hinauf. Es war ihm freilich nicht mehr zu helfen; aber welche unnötigen Qualen der Angst, der Hilflosigkeit! Endhch kam ein vernünftiger Mensch, ein Kammerdiener, der ihm die Schlinge löste. Jetzt aber stellt sich die tödliche Schwäche ein infolge des Blutverlustes. Man setzt ihn aufs Sofa, der Wundarzt kommt und legt den Verband an; er fragt, die Wunden betrachtend, ob sie tödlich seien. Der Wundarzt antwortete, zwei seien es vorzüglich. Winckelmann schwieg. Sie breiteten eine Matratze auf den Boden und zogen ihm seinem Wunsche gemäß Schuhe und Strümpfe aus.

Bisher war er in seiner Todesnot nur von Mägden, Kellnern, Lakaien umgeben gewesen. Jetzt erschien ein gebildeter Mann, der Cavaliere Cajetan Vannucci aus Livorno, der zu seiner Seite niederkniete und Aufschlüsse zu erhalten suchte. Anfangs konnte der Verwundete vor Mattigkeit nicht sprechen; ein Riechfläschchen stärkte ihn; er sagte: mi ha assassinato quello che abitava accanto la mia stanza. Darauf wies der Ritter den anwesenden Bargello an, den Mörder verfolgen zu lassen. Ein Kapuziner kam, hörte ihm Beichte und bHeb bis zuletzt

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an seiner Seite. Hierauf erschien die gerichtliche Kommission und dann ein Priester mit den Sakramenten. Zuerst geschah die heihge Ölung, weil es zu Ende zu gehen schien; dann erholte er sich wieder und empfing die heilige Eucharistie. Er verlangte Schreibzeug, konnte aber die Feder nicht führen. In Augenblicken der Kraft legte man ihm Fragen vor; auf die nach Namen, Stand und Alter erklärte er, er könne wegen Beängstigung nicht spredien, deutete aber auf das Felleisen, wo man seinen Paß finden werde; daraus werde man erfahren, wer er sei. Dann wandte er sich nach der anderen Seite. Doch brachte er mit großer Mühe die wesentlichen Umstände des Mordes heraus; weitere Fragen nach seiner Person lehnte er ab mit den Worten: Lasciatemi, non posso parlare, dal mio passaporto lo rileverete.

Er diktierte nun sein Testament. Über all sein Vermögen, seine Rechte und Ansprüche solle nach dem Gutdünken des Kardinals Albani, seines gnädigsten Herrn und Gönners, ganz frei verfügt werden. Mit Ausnahme einiger Legate: dreihundertundfünfzig Du- katen, um die der Sänger Annibali wisse, für den Kupferstecher Mogalli, hundert, die bei dem Maler Maron deponiert seien, für den Abate Piremei, zwanzig für den Armenfonds in Triest, zehn Scudi für Totenmessen und zwei Dukaten für Andreas Harthaber. Diese letzte- ren Legate, ebenso wie der Eingang des Testamentes, wo er seine Seele dem allmächtigen Gott, der heiligsten Jungfrau und allen Heiligen empfiehlt, waren ihm von dem Kapuziner angegeben worden. Zu unterzeichnen vermochte er das Testament nicht. Sechs Stunden, bis vier Uhr, dauerten diese Qualen, während die Sonnenglut des italieni- sdien Junitages über Stadt und Meer lag; dann starb er. Die Sektion ergab, daß unter den fünf Brustwunden vier tödlich und zwei raschtödlich waren. Außer der Verletzung der Lunge war das Zwerch- fell zweimal durchschnitten, ein Teil des Magens war durch die eine Öffnung gedrungen, auch der Magen war leicht verletzt. Man fand bei ihm eine goldene Uhr, einen Goldring mit Karneol, ein paar Knöpfe ebenso, eine in Silber gefaßte Lupe, einen römischen Maßstab, zwei grünseidene Beutel, in einem einundachtzig kaiserliche Dukaten, im anderen siebenundzwanzig Goldstücke verschiedenen Gepräges. Außerdem fand man Briefe, von Toussaint aus Berlin (26. Januar), vom Erbprinzen (28.), von Moltke (10. Februar), von Münchhausen

ENDE 489

(17. April), zwei vom Prinzen Georg aus dem Lager (15. und 19. Mai) 7. Seine Reisebibliothek bestand in Homer, Plautus, Marti al und dem durchschossenen Handexemplar der Kunstgeschichte, nebst einer Liste von zweiundsechzig Subskribenten auf die Monumenti. Die Leiche wurde am 9. Juni 1768 ohne Trauergepränge in die Pfarrkirche gebracht und in der gemeinen Grabstätte einer Brüderschaft beigesetzt, von wo seine Gebeine in das allgemeine Beinhaus wanderten. Nicht einmal seine Reste sollten also von dem Lose alles Staubes für eine Weile zugunsten liebender Erinnerung abgesondert werden. Später errichtete ihm Rossetti in jener Kirche ein Kenotaph. Der Mörder wurde bald darauf ergriffen und endigte am 20. Juli 1768 an dem- selben Wochentag und zu derselben Tagesstunde auf dem Platz vor dem Fenster, wo er den Mord begangen, auf dem Rade.

Gewiß ein schrecklicher Lebensschluß. Wenn man diese Geschichte in Rossettis aktenmäßiger Darstellung liest, so ist es immer wieder, als verbreite sich ein Schatten über das ganze Leben. Es sind nicht die körper- lichen Schmerzen allein; es ist das Fallen von solcher Hand, es ist die Trostlosigkeit eines Endes in solcher Umgebung, in solcher Einsamkeit. Fern von allen, die ihn kennen und lieben; keine Macht der Welt vermag ein bekanntes Auge herbeizurufen, in das das seinige beim Scheiden blicken kann. Bediente eines Wirtshauses, Gerichtspersonen, die jede Minute, wo die erlöschende Flamme noch einmal aufglimmt, abpassen, ihn mit Fragen zu quälen. Schatten von Mönchen und Priestern, mit Symbolen einer Religion, die ihm Balsam hätte sein können; aber diese Religion war nur eine Maske für ihn gewesen, sie stand seinem Herzen fern. Zwar ihm ließen Schmerz und Schwäche keinen Raum für die reflektierten Qualen aus dem Bewußtsein seines Loses. Für uns aber scheint diese Pein noch zu wachsen durch die Betrachtung, daß der ihn umschleidiende Mörder so lange sein täglicher Umgang war. »Man entsetzt sich«, sagt W. Alexis, »daß ein solcher Lump es war, der nicht einen Winckelmann ermordete, aber in dessen alleiniger Gesellschaft ein Winckelmann die letzte Woche seines Lebens verbringen mußte.«

7. [Wien, österreichisches Hauptstaatsarchiv; Haus-, Hof- und Staats- archiv: Staatskanzlei, Abt. Wissenschaft, Kunst und Literatur, Fasz. 4, S. 95, 95 "V']

490 ROMISCHE ZEIT

Man denkt nun daran, wie einsam er überhaupt im Leben stand. Es war niemand übrig von seiner Familie, und nie hatte er neue Bande geknüpft; sein Vaterland hatte er aufgegeben; die väterliche Kirche hatte er verhandelt gegen eine, der er nur äußerlich angehörte. Er war Weltbürger, er dachte, wenn er schrieb, an die Gemeinde der Kunst- freunde. Und nun endet er an der Grenze beider Nationen, in einer welschen Stadt, die zum Reich gehörte; nicht, wie man ihm gewünscht hätte, in der hohen Stadt, wo sein Herz war, wie jener, der sein Schicksal ahnend, dort hinkam,

and bought, with prize of purest breath a grave among the eternal.

Eigene Gedanken drängen sich auf, die man kaum aussprechen mag, bei diesem gräßlichen Zufall, der sein Leben zerriß. »Und daß dazu noch selbst die Ideale, die zwo lieben Schatten Winckelmanns in seinem Leben, Ruhmliebe und gewährte Freundschaft die schreckliche Hand bieten mußten!« Dies sind Herders Worte. Er, der zu denen gehörte, die wie Viktor Hehn das italienische Volk liebgewonnen hatten, sollte fallen von der Hand eines Italieners, in dem Augenblicke, wo er, zurückgestoßen von einer dunklen Macht, als er sein Vaterland wieder- sehen wollte, den Boden italienischer Zunge betrat. Er, der von altgriechischen Tyrannenmördern mit Verehrung sprach, fällt vom Messer eines Welschen, der zu anderen Zeiten auch ein politischer Mörder hätte werden können.

Jene Macht, die über dem Menschenleben waltet, die allgegenwärtig ist in seinen äußeren Zufällen wie in den Bewegungen des tiefsten Innern, sie hatte ihn erst unter Hemmungen aller Art erzogen, dann aber, nach fast vierzig Prüf ungs jähren, ihm alles von Gütern und Preisen des Lebens, dessen seine Natur fähig war, reichHch gewährt, erfüllte Wünsche, Erkenntnis, Schaffen, Achtung, Ruhm, Freiheit, Lebensgenuß, Freundschaft; alles hatte sich in dreizehn Jahren zu- sammengedrängt. Dies Maß war nun voll, nach dreizehn Jahren war das letzte Sandkorn verronnen. Und wie er damals aus Dunkelheit und Dienstbarkeit mit einem Schritt in ein neues, freies, fruchtbares Leben hineinversetzt worden war, in dem er, wie in einer neuen

ENDE 491

Geburt, sich erst das Leben anzufangen schien: so sollte nun auch der Übergang von dieser Sonnenhöhe des Lebens in die Nacht, wo niemand mehr wirken kann, ein plötzlicher sein, und wiederum knüpft er sich an eine Reise über die Alpen. Jener unwiderstehliche innere Zug, der ihn einst nach Rom brachte, seiner Bestimmung, seinem Glück ent- gegen, er trieb ihn jetzt in die Netze des Todes.

Indes diese ernsten und zu keinem Ziele führenden Betrachtungen können wir uns ersparen. Was waren jene Schreckens vollen Stunden mehr als ein Traum, ein Delirium, ein Nichts, verglichen mit dem Herrlichen, was er gelebt, geschaut und gedacht hatte.

»So war er denn auf der höchsten Stufe des Glückes, das er sich nur hätte wünsdien dürfen, der Welt verschwunden. Ihn erwartete sein Vaterland, ihm streckten seine Freunde die Arme entgegen, alle Äußerungen der Liebe, deren er so sehr bedurfte, alle Zeugnisse der öffentlichen Achtung, auf die er so viel Wert legte, warteten seiner Erscheinung, um ihn zu überhäufen. Und in diesem Sinne dürfen wir ihn wohl glücklich preisen, daß er von dem Gipfel des menschlichen Daseins zu den Seligen emporgestiegen, daß ein kurzer Schrecken, ein schneller Schmerz ihn von den Lebendigen hinweggenommen. Die Gebrechen des Alters, die Abnahme der Geisteskräfte hat er nicht empfunden, die Zerstreuung der Kunstschätze, die er, obgleich in einem anderen Sinne vorausgesagt, ist nicht vor seinen Augen ge- schehen. Er hat als Mann gelebt und ist als ein vollständiger Mann von hinnen gegangen. Nun genießt er im Andenken der Nachwelt den Vorteil, als ein ewig Tüchtiger und Kräftiger zu erscheinen: denn in der Gestalt, wie der Mensch die Erde verläßt, wandelt er unter den Schatten.« (Goethe.)

Der Spätkluge (wie er selbst sich gern nannte) war nun viel zu früh einem reichen vollen Leben und Wirken entrissen worden, in seinem einundfünfzigsten Jahre! Es ist ein merkwürdiges Zusammentreffen, daß eben diese Zahl 51 auch die Lebensdauer einiger der Größten des neueren Italiens bezeichnet, zum Teil Begründer seines geistig- politischen Lebens: Carl Albert von Savoyen (1798— 1849), Camillo Cavour (1810— 1861) und Napoleon (1769— 1821).

Er glaubte an eine Freundschaft, »die aus dem Schöße der ewigen Liebe stammt«. Dieses Gefühl, das er so bereitwillig auf SterbHche

492 RÖMISCHE ZEIT

Übertrug, ist auch ihm nach seinem Tode gewidmet worden; seiner ist mehr gedacht worden als vieler, die gleichen und höheren Anspruch auf das Andenken der Nachwelt hatten.

Er lebt in Gott, dem Urquell des Schönen, dem ewigen Lichte, dessen Abglanz er hier gesucht und geahnt hat.

A. BIBLIOGRAPHISCHER HINWEIS

Folgende Quellen -Werke sind von Justi, ohne nähere bibliogra- phische Angaben, wiederholt benutzt worden:

J. J. Barthelemy: Voyage en Italie, Paris 1801 (deutsch 1802). J. J. Björnstahl: Briefe auf seinen ausländischen Reisen, Leipzig 1780, I, IL Madame du Boccage: Lettres, contenant les voyages en France, en Angleterre, en Hollandais et en Italic, faits pendant des annees 1750, 17 $7 et 17 sS, Dresde 1771. Ch. Burney: Musical tour or present State of Music in France and Italy, London 1771. P. J. Grosley: Nouveaux Memoires ou Observations sur V Italic et les Italiens, Londres 1764, 1— III; 1770% I— IV. Briefe über die Kunst von und an Herrn von Hagedorn, hsg. von T.Baden, Leipzig 1797. J. J. Jagemann: Briefe über Italien, Weimar 1778— 1785; I— III. J. G. Keyssler: Neueste Reisen, Hannover 1751^, I— IL Briefe Deutscher Gelehrten an den Herrn Geheimen Rath Klotz, Halle 1773, I— IL J. J. Lalande: Voyage d'un Frangois en Italic, fait dans les annees 17 6 $,17 66, Paris i786%I— VI. A.R.Mengs: Opere, Publicate dal Cav. dAzara, Roma 1787. Lettres de P. Paciaudi au Co?nte de Caylus, ed. A.Serieys, Paris 1802. D. Rossetti: II sepol- cro di Winckelmann in Trieste, Yenezia. 1823. C. Fr. von Rumohr: Italienische Forschungen, Berlin 1827, I, Kapitel i und 2. A. W. Schlegel: Sämtliche Werke, hsg. von E. Böcking, Leipzig 1847, -^II» 321—387: Rezension von Winckelmanns Werken (1812). J. J. Volk- mann: Historisch-kritische Nachrichten von Italien, Leipzig 1777 bis 1778^, I— III. J. J. Wille: Memoires et Journal, ed. G. Duplessis, Paris 1857, 1-IL

Da die Drucklegung längere Zeit beanspruchte, als vorauszusehen war, konnten, entgegen der im Vorwort gemachten Bemerkung, die Verweise auf Bd. III der Briefausgabe, der inzwischen, 1956, erschienen ist, in den Anmer- kungen, soweit notwendig, mit Angabe von Band und Seite geboten werden. Das in Bd. III, S. 360, Anm. als verschollen bezeichnete Exemplar der Descrip- tion aus dem Besitz des Prinzen Georg August von Mecklenburg -Strelitz befindet sich jetzt, laut Mitteilung von H. A. StoU (Parchim, Mecklenburg), in der Universitätsbibliothek Greifswald. Bd. I, S. 367, unterste Zeile: I, 157. Bd. III, S. 367, unterste Zeile: III, 496.

B. REGISTER DER PERSONENNAMEN

Abbacini III 359

Acquaviva, Kardinal III 3 2

Adam, Gaspard I322

Adam, Lambert Sigisbert I 310, 322

II 94, 420, 439 III 49, 63, 345, 393 Adam (aus Edinburgh) II 370, 393 Adam (Komponist) I 290 Addison I 124, 261, 263, 276, 278,

281, 283 II 198, 457 Adler (Orientalist) III 42 Admon (Steinschneider) III 3 3 1 Adolf Friedrich, Herzog von Meck-

lenburg-Strelitz III 357 Aelian I 41

Aelius Promotus I 389 Aeschines I 40, 164 Aesdiylus I 167, 181 ff., 188, 455

II 321 111176,383

Aesop 1 173 III 458 [III 319

Agasias I 430 II 31, 80, 286, 332 Agathangelos II 331 III 460 Ageladas III 176, 202, 3i6f.,4i7, 468 Agesander II 81 Agorakritos III 3 20 Agostino (Tiermaler) II 125 Agrippa, Cornelius I 433 Agrippa, M. III 476 Agucchi I 460

Albani, Alessandro, Kardinal I 222, 316,333,383 Il38f., 142, 159, 175, 191, 264, 275, 283, 312, 314, 316, 326, 351 f., 354, 359 ff., 365 ff., 372,

375. 383, 385, 388, 394, 4iiff.,4i9.

III 14, 16, 21 f., 28, 30, 36, 40, 42 f., 60, 84, 103, 125, 142, 181, 310, 316, 322, 346, 352, 363, 368, 377,

423, 470» 488 Albani, Annibale II 359 ff., 41 1 Albani, Bernardina geb. Ondedei

11359

Albani, Carlo II 3 59 f. III 420

Albani, Clemens II 378

Albani, Giovanni Francesco, Kardinal

11407,443 111420,423 Albani, Horazio 11359,412 III 420 Albani, Marianne Mathilde

geb. Cybo-Malaspina III 420 Albani, Therese II 411 III 420 Albano (Maler) III 86 Albergotti, Marchese II 310 Alberoni, Francesco, Kardinal II 215 Albert, Prinz zu Wien III 302 Alberti, Leon Battista I 193, 342, 477

II 419 III 203 Albrecht der Bär (Markgraf von

Brandenburg) I 18 [I 24

Albrecht IL, Bischof von Halberstadt Alcubierre, Don Rocco Joachim de

II 223, 226, 268, 447, 456, 464, Aldegrever I 410 [472, 499 III 425 Aldrovandi, Kardinal II 191 Aldrovandi, Ulisse II 53, 146 d'Alembert I 11, 46, 258 III 25, 341, Alexander von Athen II 241 [344 Alexander der Große I 50 II 32, 61,

236,374 111112,183,188,319,384,

396, 402, 468 Alexander VI., Papst II 38 III 421 Alexander VIL (Chigi), Papst II 182 Alexander Severus II 52 [III 45

Alexis, W. II 221 III 489 Alfani, Ciofano II 329, 383 Alfieri, Vittorio II 147, 304 III 344 Algardi I 312, 495 II 31, $6, 100 i.,

181,392 111101,319,476 Algarotti, Francesco I 80, 243, 280,

301, 306, 315, 321, 323, 328ff., 334,

369, 387» 460 f., 468 II 326 III 15, Algeri, Pietro I 209 [168, 291

Alkäus III 67

498

REGISTER DER PERSONENNAMEN

Alkamenes III 176

Allen I 116

Almeda (Gesandter) III 27

Als, Peter II 25

Alvarus II 164

Amadis von Gallien I 1 70

Amaduzzi 11387,472 11147,353

Amidei, Belisar II 329, 3820. III 389,

Amoretti III 283 [459

Arnos Comenius I 41 [111173,218

Anakreon I41, 54, 89, 162 II 321

Anaxagoras I 115, 193, 447> 487

III 165, 176 Andree (Tänzerin) I 209 Andreini, Pietro Andrea I 429 II 306 Anguier, Fran9ois II 108 [I 402

Anna Amalia, Herzogin von Weimar Anna, Kaiserin von Rußland I 399 Anna, Königin von England I 254, Annesi II 393 [278

Annibali, Domenico (Sänger) I 390 Antenor III 316 [1141,412 III 488 Antheus III 189 Antiphon I 164 III 176 Anton, Prinz von Sachsen I 388 Anton Ulrich, Herzog von Braun- schweig III 372 Antonelli, Kardinal II 147, 189 Antonini II 269 Antonio, Giovanni III 434 Antonio, P. II 245, 456 Antonius Pius II 420 Apelles I 346 II 58, 395 III 99, 102 f.,

179 f., 183, 185,306,413,440 Apollinaris Sidonius I 234 Apollodor I 427

Apollonius, Nestors Sohn II 52,71,81 Apulejus III 411 [III 189, 319

Aratus III 189 Arcangeli, Francesco III 482 Arcesilaus III 190 Archilochus III 308 Archinto, Alberigo, Kardinal I 3 54 ff-,

358, 362, 364, 368, 378, 386, 388, 392 II i9f., 132, 135 ff., 141 f., 148, 196, 212, 274f., 277, 295, 312, 351, 410 III 24, 34, 40, 251, 384

Ardiinto, Anselm I 355

Archinto, Manfred I 355

Aretino, Pietro II 296 f.

d'Argens, Marquis III 57, 340, 343

d'Argenson, Marquis I 255

d'Argensville I 342 III 57

Argenti, Gaetano II 204

Ariost I 284 II 26, 28, 18911., 394

Aristeas III 322 [III 40

Aristides I 440 [II 114, 353

Aristophanes I57, 163, 165 f., 174, 188

Aristoteles I 49, 86, 132, 183, 185 11221,428,431 111115,175,277,

Arksten I 145 [467

Arnauld I 490 II 126

Arnim (= Armin) I 233

Arona, Carl, Graf von III 420

Arundel I 429 II 256 [III 40, 44

Assemani, Giuseppe Simone II 220

Assemani, Stefano Evodio III 40 f.

Athanarich I 204

Athaulf I 233

Athenaeus I 164, 427

August, Kurfürst von Sachsen I 29, 222, 290 II 365

(Friedr.) August IL (der Starke), Kurfürst von Sachsen I 228, 237, 292ff., 298, 3i2f., 316, 327, 417

(Friedr.) August III., Kurfürst von Sachsen I 60, 228, 287, 295 f., 301, 306, 315, 323, 325, 327f., 330, 332 f., 341, 386, 389, 423, 451, 486 II 27, 41, HO, 207, 222 III 20, 335

Augustin I 132,454

Augustus (Kaiser) I 393 II 98^ 331, 384,406 III 190 f., 319, 421

Aulus I 473

AyrenhofI II 291

d'Azara, Ritter II 42, 47

REGISTER DER PERSONENNAMEN

499

Bacdielli (Sänger) II 408

Bacciarelli, Marcello I 338

Bacon 186, 208, 261 II 80, 99^ 222

III 116, 157, 200, 216 Bahr, Georg I 304 f. Bahrdt,Dr. I 73 Baillet, Adrien I 134, 281 Bajardi, Ottavio Antonio II 254 f.,

257, 262, 264,412 III 439 Bake (Rektor) I 35, 39, 47 Baldani, Antonio II 158 f., 164, 174,

314,319,388,411 111250,387,390 Baldelli, Onofrio II 326 Baldini, Joh. Franz II 174 Baldinucci I 342 III 98 Baldoriotti III 29 Balestra, Pietro I 3 1 2, 3 19 Baltimore, Lord III 50, 388 Balzac I 161

Bandini, Angelo Maria I 355 II 118, Banierll327 [172, 294f., 298, 473 Barata, Francesco I 3 1 2 Barazzi (Bankier) III 358, 394 Bardon, Dandre I 314, 347 Bargagli, Bischof III 440 Barnes, Joshua Ii64f. II 427 Barocci I413 II 336 III 85 Baron, Michel (Schauspieler) I 292 Baronius II 173 Barriere I 299 Barrow I 117 Barth, Caspar I 162 Barthelemy II 114, 121, 161, 169, 172,

178, 249, 258, 282, 366, 383 III 30,

60,63, 105, 384, 392 Bartoli, Francesco III 3 5 Bartoli, Pietro Sante II 315, 353

11135,83,397,400 Bartolomeo, Fra I 3 3 1 Bartolozzi II 393 Basilius III 191 Batrachos II 432 Batteux I 345

Battoni, Benedetta II 409 Battoni, Pompeo II 43, 187, 190,

394fl., 398, 408 Battoni, Rufina II 408 Baudelot de Dairval II 305 Baumgarten, Alexander Gottlieb I 89 fl., 105, III, 139 if., 199, 202, 211 II 174 III 130, 138, 269, 273 Baumgarten, Siegmund Jakob I 72 f., Bayer, Joh. Jakob I 424 [128,124 Bayle I 8, 39, 1290., 173, 189, 202, 205, 207, 251, 261 II 152 III 343 Bayreuth, Markgräfin von s. Friede- rike Sophie . . . Bayreuth, Markgraf von II 22 Beau, Le s. La Beau Beccari I 330 Beccaria III 56^ zgz Becker, Wilhelm Gottlieb I 248, 319 Bedford, Herzog von I 421 [III 262 Beger, Lorenz I322 111349,403 Behrenhorst, von III 361, 371 Beichlingen, Sophie Albertine Gräfin

von III 331 Bella, Steffano della I 299 Bellarmin, Kardinal I132 II 132 Belleisle, von, Marschall I 122 [III 69 Belli (Sänger) I 289, 366 III 120 Bellicard II 458

Bellini I114 [1199,389 III 212

Bellori, Giovanni Pietro I316, 342 Bellotto, Bernardo (gen. Canaletto) BemboIIii6 [1308,326

Benedikt XIIL, Papst II 14, 21 f., 358

III 24 Benedikt XIV. (Lambertini), Papst I 340, 356, 389. 394 n 19, 38, 132, 137, 171 ff., 175, 181 ff., 191, 274f., 277. 30i> 358, 362, 366, 409 III 17, 24, 26, 45 f., 142, 322 Bentivoglio, Kardinal II 255 Bentley, Richard I 173, 208, 265 Berchem,ClaesPietersz. (Maler) 1 334

500

REGISTER DER PERSONENNAMEN

Berendis, Hieronymus Dietrich I 5, 58» 76, 79» 95^ 108, 145, 151 f., 166, 201, 219, 247, 289, 309, 321, 325, 350 f., 361 ff., 370, 376, 379, 382,

388, 394, 442, 445, 499 II 63, 95, 102, 133 f., 139, 145, 150, ^55^ i9Ö> 198, 217, 225, 245, 265 f., 275, 277, 369, 408, 416 III II, 13, 16, 27, 40, 51, 62, 117, 120, 296, 327, 342 f.,

375» 379, 394, 472 Berenike II 445 Berettini I 312, 453 Berg, Friedrich Reinhold von I 484

II 408, 434, 459 III 74 ff., 87, 299,

323,346,379» 393» 471 Berger, J. W. von I 67, 3 13 Berio, Mardiese III 452 Bernini, Lorenzo I 3090*, 316, 324,

341 f., 453 f., 459 f. II 19, 27, 3 1 f.,

101,182,304,345,392,433 III 58,

84, 188, 215, 291,319 BernouUi I 103 Bessborough, Lord I421 Besser I 336 Bestucheff, Graf I 399 Beyer (Hofmaler) II 25 Beza, Theodor I 284 Bezaire II 420 Biandii, Giovan Antonio II 164 ff.,

174, 252, 294, 387 Bianchini II 52, 187, 281, 364 f., 367,

370,383,388 Bianchini (Francesco) II 148, 358 j.

11135,48,99,423 [11199!^

Bianchini (Giuseppe) II 150, 173, 180 Bianconi (Carlo) II 441 Bianconi (Giovan Lodovico) I 359,

389, 392 f., 487 II 15, 17, 20, 27, 33,73, 87, 139, 187, i94f., 220, 262, 264, 278, 328, 389, 413, 417, 425,

435,441,445,451,456,459 III 15 f-, 22 f., 27, 30 f., 43, 52, 105 f., 117,

250» 254, 335, 346, 349, 389

Bianconi (Jacopo) II 472

Bianconi (Midielangelo) II 17 ff., 169,

195,441 III 16,338,479 Bibiena s. Galli

Bicchierari, Antonio II 393 III 56 Bielefeld, von III 393 Biscari, Prinz III 433 Bissy, Graf von II 192 Björnstahl II 259 Blackwall II 439 Blainville III 416 Blake I 254 Blandiard III 57 Blankenburg III 306 Blankenburg, Graf von s. Karl

Wilhelm Ferdinand, Erbprinz v.

Braunschweig Blasi, Don Salvatore di III 441 Blondel III 17 Blümner, Heinrich III 326 Blume III 41 Boccaccio II 114 Boccage, Madame du II 127, 266 Boden III 389 Bodenstedt I 154

Bodmer, 1178,191,27711168,71,341 Bodt, Jeande I 36, 300 ff., 417 Böcklin, Arnold III 74 Böhmer, Fr. I 231 Boerhave 163,115! III 315 Boethie, Etienne de la I 156 Boetius II 133 III 65 [I315

Böttiger (Böttger), Joh. Friedrich Böttiger, Karl August I 318, 429 Bogatzky I 72 [III 136, 262

Boileau I 170, 189, 278, 281, 336 Boindin I 281 Boissard II 53, 146 Boixieres, de la I 466 Bolingbroke I 78, 244S., 255 Bologna, Giovanni da I 3 1 1 II 30,

IGT, 383 III 310 Bolognetti, Gräfin II 412

REGISTER DER PERSONENNAMEN

501

Bonarotti, Filippo I 298, II 293 Bonducci II 317 [111438,440,476 Boni, Ritter II 395 Bonifaz VIII., Papst III 24 Bonito II 267 Bordoni, Faustina I 290 Borelli I 114, 428 Borghese, Marc Antonio II 3 1 Borghese, Scipione, Kardinal II 30 Borghini I 342 Borgia, Roderich III 421 Borromei, Vitaliano II 291, 326 Borromeo, Gräfin II 360 Borromini I 302 II 430, 433 III 188 du Bos I 460 f., 473 III 157 Boschi, Kanonikus III 39 Boscovich, Roger II 137, 162, 164 Bosio I310 II 180 [III 451

Bossuet I 357 II 166 Boswell I 249 III 94, 334 Bottari, Giovanni I 297, 393, 451, 495 II 99, 132, 134,142,172, 174, 179 f., 191, 206, 297, 365 III 40, 387, 439 Botticelli, Sandro III 306 Bouchard III 27 [291, 345

Bouchardon I 171, 425 III 58, 104, Boucher, Fran^ois I419 II 236 III 61, Bouget, Abbe II 191 [63, 281

Bouhours, Abbe I 282 III 229 Boulainvilliers, Graf de I 80, 256 Boumann, Georg Friedrich III 347 Bourguignon I334 Bouvery II 420

Boysen, Friedrich Eberhard I 6, 41, 66, 93, HO, i39ff., 143, 145, 149,

161,212 [331 ff. ni35

Bracci, Domenico Agostino II 3 29, Bracci, G. II 181, 411 III 444 Bracci, Pietro II 181, 185, 362, 411 Bramante II 51 ff., 358 [III 323

Branconi, Gräfin III 371 Brand I 410 Braschi III 24

Brasilien, Prinzessin von III 426 Breithaupt I 63 Breitinger I 92, 178, 277 Bridgewater, Duchess III 50 de Brosses I328 11119,121 Browning, Elizabeth B. I 53 Brucker II 15 Brudnell, Lord II 440 Brühl, Aloys Friedrich Graf von

II 442 [II 43

Brühl, Friedrich Graf von (Minister) Brühl, Heinrich Graf von I 228 f., 292,

303. 315. 335ff., 341 f., 354f., 419, 421, 442, 486, 488 f. II HO, 220, 323,442 [s. Mniszech

Brühl, Marie Amalie Gräfin von

Brühl, Moritz Graf von (der Jüngere)

Bruleo, F. II 315 [H 443

Brumoy II 427

Brunelleschi III 286

Brunn, Heinrich III 137

Bruno, Giordano I 239, 268 II 24

Brutus I 222 III 161

Buchanan I 265

Buchner I 46

Budde I 63

Buddeus I 202

Bude, Guillaume I 162, 192, 500

Bülfinger I 92

Bülow I201, 214, 352.371

Bülow-Plieschkow,Friedrich von 1 1 50

Bülow-Plieschkow, Friedrich Ulrich Arwed von Ii5of. [I 150

Bülow^-Plieschkow, Heinrich von

Bülow-Plieschkow, Johanna Auguste von, geb. v. Arnim 1 150

Bülow, Familie (Falkenberg) 1 146

Bünau, Heinrich Graf von I 32, 54, 152, 198, 204, 214, 216, 218 f., 227 ff., 247, 250, 284, 288, 342,348, 351 f., 36off., 367, 369, 375, 377, 382 f., 385, 442, 499 f. 1123,27,49, 63, 102, io9f., 115, 119, 122, i24ff.,

502

REGISTER DER PERSONENNAMEN

129, 132 ff., 138, 187, 195, 214,265,

354, 418 III 236 Bünau, der Jüngere I 289, 382 Büsching I 56, 73

Buffon 1116,261,265,275 III 114 f., Buondelmonte II 136 [211

Buonfigli, Benedikt II 52 Burckhardt, Jacob III 165 Burke, Edmund III 202, 204, 207 Burlington, Lord I322 Burnet, Gilbert I 254 [408 f. III 42 Burney, Charles I388 II 222,263, Burney, Francisca III 205 Burscher (Hof kaplan) l234f. Busbeq I 391 Busenbaum II 123 Bute, Lady III 53 Bute, Lord III 333 Butler, Samuel I 278, 280 Byres, Jakob III 408 Byron II 69

Cades, Giuseppe II 3 1

Caesar, Julius I 124, 166 II 98, 255

III 138, 190 Caffarelli (Sänger) II 205 Cagliostro II 206 Callenberg (Bibliothekar) I 58 Callenberg, Graf von III 3 3 5 Callot, Jacques I 299, 325 Camerarius I 40, 162 Camillo II 218, 220, 245, 456, 459 Camoens I 461 Campiglia II 365

Canachus III 161 [I 308, 326

Canale, Antonio (gen. Canaletto) Canale, Giuseppe I 338, 390 Canaletto s. i. Bellotto, Bernardo

2. Canale, Antonio Canart II 235, 459 III 447 f. Canitz I 3 3 6 Canova, Antonio I 310, 317, 319

II 31, 52, 227 III 283, 292

Canovari, Antonio II 226

Cantemir III 127

Canti, Domenico II 383

Cantu II 2 1 3

Cantucci, Raff ael II 125

Capello (Gesandter) II 329

Capoa, Rinaldo di II 410

Capponi, Alessandro Gregorio II 1 49,

161, 175, 181 Capponi, Marchese III 440 Caracayali III 104

Caracciolo II 204 [383 III 444

CaraffaNoia, Duca von II 257, 264, Caravaggio I 446 III 85 Caravita, Duca II 430 Carcani, Pasquale II 259 f. Cardinali, C. III 409 Carl Albert von Savoyen III 490 Carlisle III 408 Carlos, Don II 213 Carpioni, Giulio I 404 f. Carpzow I 253 Carracci, Agostino I 325, 329, 332,

414, 460 II 18 Carracci, Annibale II 18, 43, 87, 146,

III 56, 103, 320 Carracci, Lodovico II 1 8 Carrara, Monsignore III 370 Carriera, Rosalba I 294, 420 II 43 Carstens I 408 Cartesius s. Descartes Casanova, Giovanni Battista I 290,

317, 395, 400 f., 416, 488 11115,84,

90, 249, 312, 3 79 f., 3 87 ff., 447 Casanova, Giovanni Jacopo (der

Abenteurer) II 246, 414 III 328 Casaubonus I 165, 168, 265 Cassiri, Michele III 43 Cassius I 222

Castiglione, Balthasar I 451 III 237 Catasi I 3 1 2 Catel I 234 CatuU 1 165, 190, 284 II 470 III 222

REGISTER DER PERSONENNAMEN

503

Cavaceppi, Bartolomeo I 317 II 94? 304, 381 f., 386, 3 90 f. 11198,3 17 f.,

323, 359. 363,4i7»475ff- Cavaldiini III 34 Cavour, Camillo III 490 Caylus, Graf I 409, 426, 430 II 93,

169, 306, 317, 319, 366, 455, 466 f.

III 60, 63, 99, 104 ff., 108 f., 113 f.,

146, 227, 244, 291, 301 CecchinI, Abbate II 174 Celestino, Monsignore II 245 Cellarius, Cristoph I 63 f., 100, 193 Cellini, Benvenuto I 479 Celsus I 389

Cerisano, Duca di II 145, 189, 196 Cervantes I 280 [III 251

Cesari, Alessandro II 306 Chabrias III 264

Chambray, Roland Freart de I 343 Chamfort I 1^9 III 193 [III 310

Channing, William E. I 249 Chariton I 242 II 115 Charlotte, KönigrinvonEnejland I413 Chateaugiron, Robert de II 3 13 Chatham, Lord III 3 3 5 Chaudet I 310

Chaulieu, Guillaume Amfrye de Chauvelin, Abbe III 25 [1284,412 Cherbury, Herbert von I 76 Cheroffini, Checca, Gräfin II 355,

401, 414 III 49. 319. 377. 404 Cheroffini, Vittoriuccia II 401, 417 Chiabrera II 407 [III 3 77 f.

Chiaveri, Gaetano I 305 ff. Chigi, Agostino, Fürst I 3 16 Chigi, Giov., Marchese II 174, 381 Chigi, Marchesa I 389 III 335 Chlodwig I 230, 234 f. Chodowiecki, Daniel I 400 f., 406 Choiseul (Gesandter) II 137, 169 Christ, Johann Friedrich I 67, 227,

242, 275, 319, 405, 419, 422, 426 f,

431 f., 434 ff-, 477. 491

Christian VI., König von Dänemark

II 107 Christine, Königin von Schweden

I 30, 274, 282, 292, 342 II 98, 120, 358, 387. 406 f. III 44

Chrysostomus II 1 1 5

Chrysippus II 3 1 III 467

Churchill III 3 3 4

Ciampini, Johannes II 147 f., 161,

Cicchi, Biagio IIi26f. [173

Cicero I 31, 46, 50, 141, 174, 232, 254, 302 II 116, 163, 239, 246,309, 461 III 155, 196, 335, 421

Cicognara II 435 III 283

Cimabue I 297 III 98

Clarendon I 233, 500

Clari II 1 1 5

Clarke, Samuel I 165 III 331

Claude s. Lorrain

Claudius (Kaiser) III 421

Clavius I 117

Cleinow, Wilh. Joh. Georg I 49, 149, 216, 236, 239, 247, 351, 353

Clemens XL (Albani), Papst I 322

II 54, 122, 181 ff., 283, 3^2, 358, 361, 369, 406, 408, 411 III 35, 99, 142

Clemens XIL, Papst II 38, 120, 175, 178, 181, 185, 254, 301, 366 III 34,

439 Clemens XIIL, Papst II 117, 168, 246 Clemens XIV. (Rezzonico), Papst

II 51, 276 f. III 34, 37, 368, 385,

415.475 Clemens August, Erzbischof III 17 Clemens, T. Suedius (Tribun) II 460 Clerisseau, Charles Louis II 392 f.,

420 III 63, 366, 382 Clodius I 390 Cluver II 269, 272, 424 Cobenzl, Graf III 393 Cocchi, Arzt II 294 Cochin II 458

504

REGISTER DER PERSONENNAMEN

Cointe, Le s. Le Cointe

Coisevox I 310 II 103

Coke, Thomas II 300

Colbert II 172

Colletta II 267 III 32

Colonna (Majordomus) II 191

Colonna, Vittoria I 387

Combe III 341

Commodus III 191

Comte, Marguerite de III 60

Conca I 455 II 144, 202

Concina, P. II 165

Condillac III 135

Condorcet I 117, 262, 500 III 115

Congreve I 278

Constantin Paläologus I 250

Constantin, Herzog von Sachsen 1 229

Constantini (Buchhändler) III 297

Conti, Michelangelo, Kardinal I 171

II 361 III 271 Contucci, Contuccio II 158 ff., 174,

314 111250,387 Copette, Abbe III 60 Gorilla (Improvisatrice) II 292 Corniuole, Giovanni delle I419 Corneille I 278, 294 II 411 III 281 Corona, Niccoli II 383 [III 333 f- Corradini, Antonio I 312, 319 II 203 Correggio I 289, 307, 311, 3270.,

332 f., 403,470 1142,57 f., 87, 187,

240, 340, 399 III 51, 72, 86, 88, 97,

99, 102 f., 181, 204, 209 Corsini I 108 II 166 Corsini, Bartolomeo, Principe III 3 43 Corsini, Eduard, P. II 170 f. Corsini, Lorenzo, Kardinal II 276, Corsini, Neri, Kardinal II 120 [281 Corsini, Pietro Francesco I 1 1 3 Corsini (Pisaner) II 1 1 2 Cortona, Pietro da I 347 II 303

11185,310 Corvinus (Magister) I 83 Cosimo IL, Großherzog III 165

Costanzi, Carlo II 384

Costanzi, Feiice II 43

Costanzi, Placido II 325

Costanzi, Thoma II 384

Coudray, Fran9ois 1313,476

Coudray, Pierre I 3 1 3

Coustou, Wilhelm d. Ä. (Bildhauer)

I 292, 310, 314 II 103 Coustou, Wilhelm d. J. II 103, 106 Cowley I 278 f., 483 [III 281

Coypel I 3 1 1 III 2 1 1 Cramer, Ulrich von I 95 Cranach, Lucas d. Ä. I 290, 410, 434 Crebillon III 3 3 5 Crescenzi, Marchese II 412 Crescimbeni II 148, 407 Crespi, Kanonikus I 3 3 1 Crespi (Maler) I313 II 176 Creuzer III 304 Cristoforo (Sänger) II 408 Croixmare, Marquis II 43, 341 Cromwell I 200, 204, 500 Cronawetter, Johann I 487 Croze, Gaultier de la III 346 Cumberland, Herzog von I165 III 53 Cunningham, Francis I 407 II 398 Cuvier III 115 Cyprian I 239

Dacier, Frau I 151, 173, 281 Dairval, Baudelot de s. Baudelot Dalberg, Domherr III 87 Damm, Christian Tobias I 39, 40,

42 ff., 47, 177 III 305 Daniel, Gabriel P. I 201 f. Dante I 8, 331 II 113, 191, 394, 407

III 28, 40, 239, 306, 362 Danz, Joh. Andreas I 69, 141 Darnand I 261 Daßdorf I 308, 317 Dati, Guiliano II 183 Dawkins II 420 [459

Dehn, Christian II 279, 385 III 152,

REGISTER DER PERSONENNAMEN

505

Dehn-Rothfelser, Hans von I 290 Demokrit I 194 II 222, 232, 380

III 83 Demosthenes I41, 174 II 229, 232,

457 III 161, 182, 191, 231, 407'459 Dempster, Thomas II 300 Denner, Balthasar I 420, 447 Derizet, Anton III $6 Descartes (Cartesius) I 11, 86, 119,

130 11116,165,171 III 329 Desgodetz II 420, 424 Desmarest (Mineralog) III 63, 356, Desportes I 343 [392

Destouches II 411

Devonshire, Herzog von I 421, 429 f. Dewez 1 391 Diderot I 196, 333, 413 II 72, 79

III 62, 193, 281 f., 291 Diel von Marsigny, Ritter III 249 Diering (Engländer) II 384 Dietrich, Fürst von Dessau III 361 Dietrich (Dietericy), Christ. Wilh.

Ernst I 293, 296, 333 ff., 385, 441,

468,490 II 40 III 15, 330, 387 Dingelstedt III 18 Dinglinger (Goldschmied) I 293 Dio Cassius I 40 Dio Chrysostomus III 179, 212 Diodati II 253 Diodorus II 221 Diogenes I 164 11214,314,374 Diokletian II 420 [III 401

Diomedes III 161 Dionysius (Rhetor) III 186 Dioskorides I 390 f., 428 ff. II 318,

332, 384, 459, 461 f. III 190 Diphilus II 318 Diziani I 339

Dolce, Lodovico I 342, 447 III 203 Dolci, Abbate II 385 Domenichino I 299 II 32, 187, 211,

340, 352 III 103 Domenici I 342

Domitian II 281, 367, 390, 422

Donatello III 286

Donner, Georg Raffael I 398 f., 465,

Doria III 377 [495

Dorsch (Steinschneider) I 424

Dorville (Minister) III 347

Dossi, Dosso II 3 1

Douglas, Graf, s. Jakob III., König

Drake I 96 [v. England

Drakenborch I 208

Dressel, Dr. Albert 1241,361 III 300

Dryden I 279, 345

Dubois (Minister) II 362.

Dubos, Abbe I 342, 344 ff.

Duclos II 198 III 435 f., 450

Dürer, Albrecht I 329, 410 III 164,

Düker I 169 f. [200

Dupaty II 23

Durand III 95, 99

Dyck (Buchhändler) II 333 f., 425

Dyck (Konsul) II 382 [III 123 f.

van Dyck (Maler) II 262 III 95

Eberhard I 72 f.

Ebert, Adolf I 237, 239

Eckard II 130

Eckart von Salza, Fräulein I 1 10

Edelinck I 428

Edelmann I 113

Eeckhout, Gerbrand van den I 291,

Egel, Paul I 3 1 3 [400

Egizio, Matteo II 262 III 439

Egremont, Lord II 391

Eichhorn I 253

Einsiedel, J. G. von II 142

Elbeuf, Prinz I 318 II 210, 223, 465

Elisabeth, Königin von England I 200

Elmo, Antonio dell' II 226

Elzheimer I 334

Empedokles III 230, 244, 255, 305

Engel I 239

Epaminondas I 267 III 161, 182, 309

Ephorus II 221

5o6

REGISTER DER PERSONENNAMEN

Epicharmus III 176

Epiktet I 41, 78, 82, 194, 243 III 296

Epikur I 194, 303 II 221, 232 III 230,

239, 246 d'Epinay, Madame II 246, 248 Erasmus I 31, 40, 162, 170, 192, 267 Erdmannsdorf, Friedrich Wilhelm

von I 296 III 325, 361 ff., 366 Erinna III 316 Erlach, Fischer von III 347 Ernesti, Joh. August I 46, 67, 1 66^ 43 f>

III 330, 343 Espen, Bernhard von III 3 1 Essich I 199

Este, Hippolyt von, Kardinal II 38, Esterhazy, Emerich I 398 [193,367 d'Estrees, Gabrielle I 348 [III 431 Ettore, Don, Baron von St. Anna Eugen, Prinz I 109, 318, 322, 399

II 122 III 278 Euklid 185,113,117,120 Eulenburg, Hof rat I 3 3 8 Euler, Leonhard III 340, 350 Euphranor III 99 [374,427 III 324 Euripides I 42, 165, 183, 192 II 221, Eusebius (röm. Presbyter) II 398 Eustathius I 164 Eutychides III 308 Eutyphron I 193 Everdingen I 334 St. Evremond I 255, 277 Ew^ald III 3 50 Eyck, Jan van I 410

Faber, Tanaquil I 173

Fabretti, Raffaelo 1197,161 III 353

Fabricius, Joh. Albert I 29, 52, 113,

164 f., 216, 239 Fabroni, Kardinal II 116 f. Falconet, Etienne I 310 III 281 Falkland, Lord I 254 FantuzzI, Kardinal III 292 Farnese, Elisabeth II 210

Farnese, Kardinal II 38, 146, 381

Fattori s. Penni, Francesco

Fea, Carlo I350 II 389 111250,283

Fede, Graf II 37

Fehling, Heinrich Christoph I 293,

Felibien, Andre I 342 f. III ^6 [417

Felix I 429

Fenelon 1 170, 255

Ferraro II 383

Ferdinand IL, deutscher Kaiser I 203

Ferdinand der Katholische II 210

Ferdinand, König von Neapel II 2 1 3

III 438 Ferdinand, Prinz von Preußen III 393 Fergusson I 299 II 267 Feronce (Legationsrat; später:

V. Rothenkreutz) III 19 ff., 23, 372 Feroni, Kardinal II 351 Ferreri (Offizier) II 412 Feustel, Hofrat I 248 Fiammingo, Francesco 1312,331,495

II 31, 56, 94, 100 f. 111101,319 Ficani, Don Giovanni III 43 2 Fichte I 484 Ficoroni, Francesco II 23, 149, 159,

161 f., 281, 297, 314, 324, 387 Fielding III 53 [III 48, 142

Fieschi, Guelielmo, Kardinal III 459 Filans^Ieri II 205 V. Finck, Familie I 240 Fiorillo II 395

Firmian, Erzbischof Graf I 33 II 212 Firmian, Karl Graf II 207, 209, 212 f.,

245 ff., 270, 405 III 23, 33, 126 f., Flaminius, Quintus III 189 [331

Flavio II 441

Flavius Anicius Onybrius I 391 Flaxmann I 408 Flemming I 294 II 117, 310 Fletcher I 279 Floris, Franz I 341 Foggini II 179 Fogliani, Mardiese II 214, 254, 257

REGISTER DER PERSONENNAMEN

507

Folard I 236

Fondi, Pietro III 250, 438

Fontana, Joh. II 183, 267 [III 45

Fontanini, Justus II 120, 281, 283

Fontenelle I 40, 120, 133, 172, 276,

330,474 III I57>3i5 Foriere, Pietro II 383 Formey I 490 III 342 f. Forteguerri II 1 1 6 Fossombrone, Pascha von III 28 Fouquier II 367 Fourmont III 355 Fragianni 11128,33 Francavilla, Principe di III 45 Frandii II 392

Francke, August Hermann 158,63,65 Franke, Johann Michael I 75, 151,

235 f., 238, 240 f., 289, 346, 358,

365, 383, 498 II 14, 23 f-. 28. 40, 48 f., 59^95^ 109 f., 118, 133, 145, 149, 155, 159, 170, 177, 196, 249, 298, 353. 363, 369. 405, 408 III 39 f., 42, 49, 127, 266, 298 f., 3275., 346, 365, 378, 386, 392, 421, 446, 471,

473,475,479 Franz L, König von Frankreich Freinsheim I 163 [l266f. III 164 Freron I 479

Fresnoy, du I 345, 347 III 203 Friederike Sophie, Markgräfin von

Bayreuth III 36, 250, 344 Friedrich L, deutscher Kaiser I 230 Friedrich L, König von Preußen

I37, 38,64, 204,293,313 Friedrich IL, König von Preußen I 60, 84, 100, HO, 113, 130, 212, 221, 236, 292, 303, 315, 321 f., 328, 330, 341, 387 II 43,133, 333, 390 III 25, 36, 38, 291, 33 1, 338 f., 342 ff., 349, 351, 356, 361, 363, 366 ff., 393, 429 [III 17 ff.

Friedrich IL, Landgraf von Hessen Friedrich III., deutscher Kaiser I 230

Friedrich V., König von Dänemark II 106 f. III 330

Friedrich Christian, Kurprinz (später Kurfürst) von Sachsen I 291, 325, 330,386 1144,115,194,411 III 15, 127,293

Friedrich der Weise, Kurfürst von Sachsen I 381, 410

Friedrich Wilhelm L, König von Preu- ßen I 36, 64

Friederichs, Karl III 168

Friesen, Graf I 60

Frisch, Johann Leonhard I35

Frohen I 413

Fuenclara, Graf I 60

Füssli, Hans Caspar I 53, 258 f., 399 II 142, 440 III 37, 60, 62, 6$, 73, 88, 120 f.

Füssli, Hans Rudolph III 66, 70

Füssli, Heinrich I 145, 323 II 29, 32, 47, 431, 460, 466 III s6, 66fi., 70, 72, 122 f., 325 f., 375, 388,461

Füssli, Heinrich (Sohn Hans Caspars)

Füssli, Liese III 66 [III 73

Füssli, Rose III 66

Fuga, Ferdinando II 120, 185

Fulss (Oberküster) I 28

Furietti, Giuseppe Alessandro II 38, 411, 459 III 322

Gaburri, Francesco Maria II 293 Gaetani, Conte III 432 Galeotti, Niccolo II 159, 174, 314 Galiani, Bernardo II 465, 470 III 425 Galiani, Fernando II 149, 164, 205, 207, 220, 245, 247 ff., 257, 260, 269,

293, 454, 458, 470 III 26 Galilei I 114 II 185 Galletti, Pietro Ludovico II 149 Galli, Francesco (gen. Bibiena) I 290, Galli, Kardinal III 292 [398

Gallienus II 97 III 161 Galuppi II 409

5o8

REGISTER DER PERSONENNAMEN

Gambara, Veronica I387

Gandini I 338

Ganganelli II 117, 246 III 24, 47, 355

Garampi III 28

Garant! II 275

Gassendi II 171

Gaston, Johann II 306

Gazoles, Graf II 269, 421

Geliert I 87 III 330, 343, 361

Gellius l432f. II 124

Genovesi, Antonio II 205, 246 III 32

Genserich I 233

Genzmer, Gottlob Burchard, Probst

I 6, 30, 47, 58, 112, 122, 125, 148

II 28, 377, 412, 440 III 129, 358 Georg III., König von Großbritannien

und Irland I 148 Georg, Prinz III 489 Georg August von Mecklenburg-

Strelitz I 47, 148 III 3s6i. Gerhard, Eduard II 310, 325 III 262, Gerhard, Paul I 8 1 [284,411,443 Gervinus I 4, 485 II 93 III 120, 278,

284 [67, 93 f., 127, 193, 350, 390 Gesner, Joh. Matthias I 28, 41, 49, Gesner, Konrad I 40, 162 Gessner, Salomon I 192, 269, 277 Gewalt, Anna I 22 [I 395

Geyser, Gottlieb Wilhelm (Maler) Geyser (Kupferstecher) I 399 Ghezzi, Pier Leone, Ritter I 340,

II 126, 128, 154, 165, 28of., 307,

383 111459

Ghiberti I 346 III 205, 210, 286 Giacomelli, Michelangelo I 167

II 112 ff., ii6f., 126, 139, i58f.,

174, 351, 410 III 387 Giacomino (Kammerdiener) II 123 Giacomo (Diener) III 71 Giannone, Pietro II 166, 207, 246 Gibbon I 195 II 177 Ginevro, Fra II 125 Giordano, Girolamo II 257

Giordano, Luca II 202

Giorgi, Antonio, Abbate II 120, 174

de Giorgi, Niccolo I 364 [11147,408

Giorgione I 415

Giotto I 297 II 302 111210,250

Girardon II 94 III 58

Giusti, Giuseppe II 299

Giustiniani II 263

Glafey I 198

Gleichen, Graf von II 209

Gleim I 89, 92, 98, 139 III 88, 341

Gluck III 292

Glykon I495 11101,145,285 III 282

Gobellinus, Johann II 452

Goethe I 4, 9 ff., 80 ff., 117, 124, 153, 157, i74f-, 188 f., 192, 195 f., 252, 276, 292, 296 f., 309, 348, 351, 354, 362, 368 ff., 377, 381, 395 f., 399, 400 ff., 406, 457, 466 ff. II 6s, 79, 92, 150, 198 f., 227, 229, 254, 267, 271, 287, 315, 357, 385, 436, 438 III 74, 76, 90 f., 93, 157, 165, 169, 267, 278f., 283, 312, 342, 366, 371, 391, 404, 414, 436, 469, 472 f-> 490

Götz I 89

Goguet III 95

Goldbeck I 27, 28

Goldonl II 277, 409 III 55

Golzius III 83

Gonzaga, Silvio Valenti II 136 f., 193

Gorani II 136

Gordon, Duke of III 51

Gordon, Thomas I 254 f., 484

Gorgias III 176

Gori, Propst II 93, 134, 169, 208, 249, 252, 255 f., 294, 296 f., 300, 309, 327, 329, 458 III 48, 439, 441

Gotti II 191

Gottsched I93, 113, 129, 277, 308, 445, 490 f. II 425 III 220

Gozkowsky III 340

Grabe I 58

Gracian, Balthasar I336

REGISTER DER PERSONENNAMEN

509

Graevius I 163 f.

Grafenegg, Comte de s. d'Hancarville

Gran, Daniel I 398, 400, 465

Grandi, Ercole I 289 III 292

Grantham, Lord II 397

Granvella, Kardinal II 433

Granville, Lord II 443

Grassi, Francesco II 257

Grassi, Vincenzo III 446

Gravina, Vincenzo I 177 II 204, 256,

Grecourt I 284 [407 f.

Gregor VII., Papst II 130

Gregorovius III 423

Grenze I413 III 330

Greve (Bürgermeister) III 277

Grillo, Herzogin II 291

Grimaldi, Marchesa Anna geb. Goz-

zadoni 11264,412 III 377 Grimm II 186 III 107, 292, 339 Griscavallo I301 [Iiio

Grolmann, Friedrich Georg Ludwig Grolmann, George Arnold I 109 Groni, Giambattista I 325, 338, 340 Gronov, Abraham I 58, 87, 95, 163 f.

II 124, 163, 194 Gropalesi (Goldschmied) III 250 Gros, Le s. Le Gros Grosley II 94, 188, 262, 292, 389, 419 Groß, Frau I 142 Grotius, Hugo I 102, 200, 203 f., 254,

436 III 95 Grün, Anastasius II 217 Gualtieri, Kardinal II 120 III 438 Guardi, Francesco I326 Guarienti, Pietro I 288 f. Guarini, P. 1218,302,354 Guarnacci, Mario II 297, 300 Guay, Jacques I419 111291,408 Guazzi, Margarita s. Mengs, Marga- Guercino III 85 f. [rita

Guerra, Giuseppe III 250 f. Guglieimi, Gregorio I 3 3 8 Guglielmi, Kardinal III 364

Guichardt, Carl Gottlieb (Quintus Icilius) I 59, 60 III 299, 347, 350 Guidi, Alessandro II 157, 407 f. Guiscard, Robert II 34 Gundling, Paul I 37, 63 f., 104, 198, Gunst, van I 145 [203

Gurlitt, Johannes Gottfried I 165, Gusset I69 [355.363»3<^8,383f.,44o Gustav Adolf, König von Schweden Guys (Kaufmann) III 474 [I 250

Habersang, Johann Paul I 466 Hackert, Philipp II 267 III 437 Hadrian (Kaiser) II 38, 3Ö7»373> 39^ III 97, 161, 190, 284, 322, 370, 459 Hadrian L, Papst II 432 Hadrian VI., Papst II 53, 61, 172 Häring III 483, 486 Häser Iii4f. [Schumacher I 409 Hagedorn, Anna Maria von geb. Hagedorn, Christian Ludwig von

I 89, 292, 300, 309, 318, 324, 332, 334, 338 f., 399, 402, 405 f., 408 ff ., 412 ff., 417, 423, 425, 440, 468 f., 486, 488, 497 f. II 46, 93, 95, 322 III 15, 57, 84, 123 f., 130, 258,293,

297, 351, 357, 387^- Hagedorn, Hans Stats von I 409 Hahn, Simon Friedrich I 197, 232 Haid, I. E. III 88 Haller, Albrecht I 115 f., 129 Hamann, Johann Georg I 7, 88, 178,

196, 200, 273, 372, 443, 482, 492 f.

II 154, 380 III 271, 279, 338 Hambden I 254

Hamberger, Georg Erhard I 1 15 ff. Hamilton, Gavin II 396 Hamilton, Lady II 268 III 437 Hamilton, Sir William I 226 II 31, 46, 257, 398 III 49, 54, 392, 425 ff.,

434 ff., 439, 441, 444, 45of., 458, de Han s. d'Hancarville [460 f.

d'Hancarville III 379, 426 f., 429,

5IO

REGISTER DER PERSONENNAMEN

43 3 f-, 443 f-» 452 f- Hannibal II 199 III 297 Hans Jürgen, Prinz von Dessau III 3 6 1 Hanses, von I 128, 145, 200, 254 Happe, von I 37 Hardion I 281

Hardt, Hermann von der I 146 Hareveldt III 313 Harper, Adolf Friedrich I 77 II 16,

25, 282 Harthaber, Andreas (Kellner) III 486, Hartsoeker I 97 [488

Harvey I 21, 114 Hasdrubal III 148 Hase, Carl Benedikt I 125 Hasse, Johann Adolf I 290, 388 Haupt, Th. von II 220 [11205,409 Havelberg, Anselm von I 1 8 Hawthorne I 458 III 323 Hearne I 97 Hedlinger III 337 Heeren I 230, 241 Hegel I211 111209,217,221 Hegesias II 179 111316,417 Hehn, Viktor III 490 Heine, Friedrich I 154 Heineccius I 3 8 [I 3 3 6

Heinecken, Christian Heinrich von Heinecken, Karl Heinrich von I 289,

292, 295, 333,336 ff., 387, 409, 440,

467, 470, 486 ff. II 26, 41 III 251,

388 Heinecken, Katharina Elisabeth von

geb. österreidi I 336 Heinecken, Paul von I 336 Heinrich L, deutscher Kaiser I 230 Heinrich IL, deutscher Kaiser I 230 Heinrich VIL, deutscher Kaiser I230 Heinrich IV., König von Frankreidi

I 197, 267, 344, 348 II 29 III 371 Heinrich VIII. III 54 Heinrich, Prinz von Preußen I 371

111350,368,393

Heinsius, A. I 385 Heinsius, Daniel I 164, 190 Heinsius, Nicolaus I 163, 165 III 41 Heliodor III 373 Heller I 49

Helvetius II 247 111356,432 Hemsterhuis, Tiberius I 127, 168 Henke, Wilhelm III 209 [III 216 Henning III 4 1 1 Henriquez, Kardinal II 398 Henry, Baron II 421 Heraklit I181 II 222, 231 f. Herder I 4, 186, 316, 370, 372, 411,

439, 469, 472, 492 f., 499 II 84, 199, 204, 229, 254, 386 III 18, 89, 91, 129, 256, 258, 263, 269, 279, 302, 473» 490 Herodes Atticus III 191 f. Herodian I 40, 41, 50 Herodot I 41, 174, 179 ff., 184 ff., 251,

266 II 124 III 98, 130, 163, 176 Herostrat I 167 Herrmann, Paul I 3 1 3 Hessenstein, Graf von II 413 Hertenstein I 37 Herzog, G. L. I 113 Hesiod I 29, 41 f., 49, 164 III 360 von Heucher (Leibarzt) I 337 Heusinger, Jos. Michael I 234 Heydemann, Heinrich III 443 Heyne, Christian Gottlob I 29, 107, 241 f., 369, 422, 435 II 44, 79, 114, 133, 262, 295, 356, 437 III 18, 44, 79, 259ff., 264,30iff., 3i2f.,334f., 36i,396,398,4iof., 430^-, 460,472 Hieronymus II 1 1 5 Hillebrand (Beichtvater) II 195, 207 Hillsborough, Lord II 2 1 5 Hippias III 194

Hippokrates I 117, 449 III 155, 255, Hirt, Aloys I 319 [298, 467

Hobbes,Thomas I 120, 270 III 161 Hoffmann, Friedrich I 63, 6$, 115

REGISTER DER PERSONENNAMEN

511

Hogarth, William I 410 f. II 70 III 202 ff., 209, 242, 273, 331

Holbein, Hans d. J. 1329,410111337

Holland, Lord II 391

Hollis II 385 11149,392

Holsten, Lucas II 120, 424

Holzer III 310

Homberg (Leibarzt) I421

Home, Henry III 49 f., 196

Homer I 9, 12, 40 ff., 53, 66^ 88,137, i44f.,i64ff.,i7off., 243,276, 279 f., 329, 368, 427, 455, 458, 462, 467 f., 471,492 II 65, 114, 233, 241, 253 f., 262, 286, 301, 322, 325, 337, 353, 439 III 84, 95, III, 155, 157, 176, 181, 191, 267, 271, 305, 309!, 324, 331» 358, 402, 411, 483, 485, 489

de Hooghe, Romein I 463

Hope, Lord 11391,443 III 51

Horaz I 89, 188, 281, 412, 427, 432 11213,470 111335,353,406

Hörn, Kaspar Heinrich I 98

Houssaye II 103

Hoym, Karl Heinrich Graf von I 228

Huber I 490 III 69, 325 f.

Huchtenburgh III 278

Hudson I 58, 164 II 122

Hübner, Johann I 199

Hübner (Steinschneider) I 293, 419

Huet I 174 [ville

Hugues, Pierre Fran^ois s. d'Hancar-

Humboldt, Alexander von I 265

Humboldt, Wilhelm von III 157

Hume I 202 III 145, 157

Hupfeld I 68

Hurtrel I 3 1 3

Hutcheson, Francis 192,120 III 19Ö

Hutin, Charles I325, 338, 416

Hütten I 432

Hygin III 403

Ickstädt, Adam Friedrich von I g$ Ignarra II 295

Ignazio (Maler) II 125

Imperiali, Giuseppe Renato, Kardinal

II 120, 281 III 31 Innocenz III., Papst II 172 Innocenz VIII., Papst II 51 f. Innocenz X., Papst II 175, 181, 366 Innocenz XL, Papst II 408 [408

Innocenz XII. (Pignatelli), Papst

II 361 III 422 - Innocenz XIIL, Papst II 358, 362 Intieri, Bartolomeo II 205, 247 Isidor III 95 Isokrates I 29,41,266 III 460

Jablonski (Hofprediger) I 37 Jacquier, P. II 137 III 31 Jagemann, Christian Joseph II 295,

^97^ 331 Jahn, Otto I 4 II 6$^ 93, iio III 215

Jakob L, König von England I 200 Jakob III., König von England III 3 64 dujardin I334 [459 f-

Jenkins II 381, 3840. 11139,49,392, Jerome, Frederic, Kardinal III 356 Jerusalem, Joh. Friedr. Wilhelm

I 213 f., 374 III 369 Jöcher I 207 Johann Georg L, Kurfürst von

Sachsen I 291 Johann Georg IL, Kurfürst von

Sachsen I 291 Johann Georg III., Kurfürst von

Sachsen I 291 Johann Georg IV., Kurfürst von

Sachsen I 310 St. John I265 [345

Johnson, Th. I 164 f., 249, 276, 279, Jomelli II 121, 205, 290, 490 f. Jordaens I 446

Joseph, Anton (Benediktiner) III 3 5 1 Joseph IL II 388 III 434 Josephus I 58 Julian 1 164

512

REGISTER DER PERSONENNAMEN

Juliana Ancia I 391

Julien I 310

Julius IL, Papst II 52 f., 82, 186, 392

Julius III., Papst II 54 [III loi

Junius, Franz I 253 III 9$^ 97, 248

Justus, Joseph I 163

Juvara, Philipp II 266 [470

Juvenal I 165, 188, 432, 439 II 143,

Kandier, Joh. Joachim I 3 1 5

Kästner I 93 III 358

Kaiserling, Graf I 3 1 5

Kaiamis III 180

Kaldemarck, Gabriel I 291

Kallimadius I 167 II 262, 286, 295

Kallistratus III 189

Kamauf (Maler) I 397

Kambyses III 145

Kant I $^, 92 III 198, 204, 207, 271

Kanter II 427

Karl der Große 117,48,197,204,428

Karl der Kahle I 428

Karl IV., deutscher Kaiser I 389

Karl V., deutscher Kaiser 1 3 5 5 HI 3 5

Karl VI., deutscher Kaiser I 100, 229

111353

Karl VII., deutscher Kaiser I 122 f., 229,239

Karl L, Herzog von Braunschweig I213 III 19,95, 369, 371

Karl III. von Bourbon I 60 II 43 f., loi, 190, 193, 205, 210, 246, 255, 259, 261, 265 f., 404 f., 421 III 28, 32f., 36, 251, 439

Karl V., Herzog von Lothringen 1 249

Karl XIL, König von Schweden 1 418

Karl Alexander, Prinz von Württem- berg III 331

Karl August, Herzog von Sachsen- Weimar I 402 III 366

Karl Eduard, Prinz von England 111364^,368 [berglll33i

Karl Eugen, Herzog von Württem-

Karl Wilhelm Ferdinand, Herzog von

Braunschweig I 213 III 19, 367 ff., Karneades I 130 [37i»45i>472

ten Kate III 211

Katharina, Kaiserin von Rußland Katt III 350 [200, 333

Kauderb ach, von II 442 Kauffmann, Angelika I 192 II 343,

419 III 87, 89 ff., 337 Kaunitz, Graf II 207, 355 III 354,

369,478,484 Keyßler II 26,53, 284, 388 KhevenhüUer, Graf I 399 Kindt, Hermann III 3 60 Kipping I 67

Kircher, Athanasius II 1 60 Kleist III 66 Kleon III 164 Klinger, Maximilian III 74 Klöber, von III 336 Klopstock I 178, 186, 191, 277, 492,

502 II 106 III 65 f., 88 f., 279, 330 Klotz, Christian Adolf I 250, 416,

423, 425. 427,436,440,492 III 258,

262, 265, 279, 301 f., 389, 397, 405,

410, 457, 474, 478 Knapp, Professor I 6g Knebel I 466 Kneller, Gottfried I 340 Knobeisdorf, Baron von I 303 III 345 Knöffel, Christoph I 303 Knoller, Martin I 400 Köhler I 198, 430 II 306 König, Johann Ulrich von I 336 Konrad der Salier I 230 Konradin von Hohenstaufen III 421 Konstantin (Kaiser) II 435 Kotzebue II 220 Kreudiauff I 402 Kritias III 316

Krubsacius, Friedrich August I 308 f., Krüger, Professor I116 [417

Krusemark I 142

REGISTER DER PERSONENNAMEN

513

Ktesilaos II 179 Kühz, Pastor I 3 5 Küster, Ludolph I 58, 165 Kupetzky, Johann III 66

Labe, Louise I 250 Labere I iio

Labruyere I 273, 282, 444 II 363 Lachmann I 154 Lacoste (Prediger) I 242 Lagomarsini, Hieronymus P. II 163 Lairesse, Gerard de I 466 II 406 Lalande II 53, 215, 224,250,266,292

11156,451 Lamberg 11151,429 Lambert III 340

LamijDr. 11256,258,296,298 III 29, La Mothele Vayer I 155 [53

Lamotte-Houdard 145,172 f. Lamprecht, Kriegsrat I 127, 152 f.,

365,371 Lamprecht, Oberamtmann I 127

Lancret I413 III 63

Lanfranco 1312,415,453

Lange, Doris III 341

Lange, Joachim I 69

Lange, Joachim d. J. Im

Lange, Samuel Gotthold III 341

Lanti, Emil de II 1 69

Lanzi I 405

Lapiccola, Niecola II 393

La Rodiefoucauld, Frangois, Herzog

von I 108, 282 La Rochefoucauld-Guyon, Louis

Alexandre Herzog von III 63 , 3 1 3 ,

355 ff., 365, 392 Larrey I 208 Latour I 294 II 43 Laugier I 302 f.

St. Laurent, Joannan de II 317, 320, Laurenti (Arzt) II 187 [328

Laurenti, Saverio II 409 Lavater III 74, 361, 371

La Vega III 446, 448

Lazzarini I 330 III 28

Lazzeri, Pietro II 120, 158

Le Beau III 105

Lebrun, Charles I 145, 325, 343, 405,

462, 495 III 57 Leclerc I 207, 254 Le Cointe I 235 Le Gros I 495 Lehay, Madame I 424 Lehninger III 62 Leibniz I 22, 36 f., 85 f., 92, loi, 103,

129 f., 197, 208, 231, 292 III 61, Lemoine, Frangois I325 III 57 [288 Lempereur (Maler) II 25 Lenotre I 294 II 32 Lenzi (Tänzer) I 289 II 289 Leo IIL, Papst II 185 Leo X., Papst 1 299 II 52, 262 III loi, Leo der Philosoph II 260 [344

Leochares I411 II 71 Leonardo da Vinci II 204, 329, 334,

394, 403 II 339 III 89, 102, 109,

120, 165, 181, 198, 200, 203, 211, Leonhard, P. II 184 [275,301

Leonidas III 309 Leopold Friedrich Franz, Fürst von

Dessau III 165, 270, 325, 360 f.,

365 f., 472 Leopold Maximilian, Fürst von

Dessau III 360 Leopoldine Marie, Markgräfin von

Brandenburg-Schwedt III 363 Leplat (Artillerieoffizier) II 365 Le Plat, Raymond 1 295, 3 1 1 f ., 3 1 6 ff., Lepri, Giuseppe III 3 77 f. [325

Le Roy II 422 Lessing I 7, 21, 60, 73, 79, 94, 131,

196, 198, 205, 211, 230, 233, 277,

280, 308, 334, 411, 413, 423, 427,

429» 435, 441, 479, 492, 502 II 99 III 50, 6^, 106, 132, 194, 210, 212, 227, 257, 264 ff., 269 ff., 276 f., 279

514

REGISTER DER PERSONENNAMEN

Lesueur, P. I 341 II 137 11131,57

Leti I 218

Levezow I 44

Libanius I 167 II 115 III 383

Lichtenstein, Fürst I 322

Ligeritz (Beichtvater) II 15

Ligorio, Pirro II 420, 422

Limiers, Mr. de II 307

Linden, van der I 1 1 7

Liotard I 330

Lippert, Philipp Daniel I 320, 385

Lippi, Annibale II 29

Lipsius, Justus I 123, 163, 323

Liscov I 3 3 6

Littre (Anatom) I 54

Livia II 365

Livius I 208 II 173, 220

Locatelli, Giovanni Pietro II 148,

174, 180 Locke I 86, 261, 266, 270 II 92, 165,

205 III 39, 156 Lodoli, Carlo I 302 Loen, von I 300

Löscher, Valentin Ernst 161,213,374 Löwendahl, Theodora Eugenie

Gräfin von, geb. von Schmettau

i486 Löwendahl, Woldemar Graf von

1336,486 Lomellin III 59

Longin I 180, 336 f. III 191, 207 Longuelune, Zacharias I 300 Lorenzini, Abbate II 115, 410, 412 Lorrain, Claude I334 1129,371

III 268, 274 Lothringen, Herzog von 1 99, 250 Louise Henriette Wilhelmine, Mark- gräfin von Brandenburg-Schwedt

III 363 Lovrana, Luciano da III 354 Lucatelli, Marchese II 3 1 7 Lucchesi, Bischof 111433,459 Lucian I 29, 153, 11 97

Lucius, Samuel Benedikt I 56 Lucrez I 190 II 233,466,470 III 169 Ludew^ig, Johann Peter von I 63,

97 ff., 140, 197,250,253 Ludovici I 85

Ludwig I., Kaiser I 204 [I 203

Ludwig XL, König von Frankreidi Ludwig XIIL, König von Frankreich

I 200 Ludwig XIV., König von Frankreich I 37> 102, 202, 245, 249, 255 ff., 274, 291 f., 294, 312, 321, 344,462, 468 II 107, 186, 210, 267, 281 III 104, 164, 310, 338 Ludwig XV., König von Frankreich I 287, 310, 315, 322 II 107 III 6} Ludwig d. Ä., Kurfürst von Branden- burg I 24 [II 130 Ludwig, Herzog von Württemberg Ludwig Eugen Johann, Prinz von

Württemberg III 331 Lugo, Antonio de II 174 LuUy I 294

Luther 142,65,69,432 II 99 Lykurg III 417

Lynar, Friedrich Ulrich Graf von Lysias I 164 [II414 III335

Lysipp II 81,86 III 102, 182 ff., 186, 191,307

Mabillon, Jean I loi MacchiavelH I432 11116,248 III 388 Maciucca, Duca Michele Vargas Mader I 465 [II 253

Maecenas II 305 III 190 Maffei, Paolo Alessandro II 148 Maffei, Scipione II 93, 121, 165,

175 f., 187, 252, 326 f., 411 III 87 Magliabecchi II 122 Magnavacca II 359, 364 Magnus (Ophthalmologe) III 206 Mahmud, Sultan II 192 Mahon, Lord III 332

REGISTER DER PERSONENNAMEN

5^5

Maillebois I 123

Maimbourg I 246

Maine, Herzog von 1 132

Mairan I 343

Malebranche I 130, 263

Malvasia, Graf I 172, 342, 346, 393

Mammia II 460 f. [III 84, 102

Manetti, Giannozzo I 192

Manetti, Latino Giovenale III 35

Manfredi, Eustachio I330

Mann, Horace II 280, 291, 297 III 49

Mansart I 301

Mantegna I415 II 51

Maratta, Carlo I 3 29 f., 465 II 148,

187,336,353 in 103 Marbod I 233

Marcantonio (Raimondi) I 446 MarcAurelius II 61, 179, 181, 286,

373 III 191, 222 Marcel (Lehrer der Modegrazie) Marcell IL, Papst III 45 [II 396

Marchi, Francesco de' I 239 Marchi, Girolamo P. II 160 Marchionne, Carlo II 371, 41 8 f. Maria Amalia Christine, Prinzessin

von Sachsen I 60 Maria Antonia, Kurprinzessin (später

Kurfürstin) von Sachsen I 387,421

II 194 III 127,344

Maria Theresia, Kaiserin I 423

III 483

Mariette I 419, 425, 429 f. II 25, 47,

94, 313, 319U 325, 393 f-» 468

III 58, 63 [292

Marini, Gaetano II 358, 472 III 45, Marius (= Menander) I 322, 460

1134,94,221 III 407 Marlborough, Herzog von I 283 Marmontel II 127, 248 III 107, iiö,

368 Maron, Anton I 147 II 398 III 14,

90, 488 [III 294

Marpurg, Friedrich Wilhelm I 59

Marschall, von I 37 Marsy, Abbe de III 208 Martial I 188, 284 II 161 III 489 Martini, Giovanni Battista II 177,

295, 298 Martiniere 1208,234 f. Martorelli, J acopo II 21 9, 225,2510.,

456, 471 III 437 f., 441, 444 ff. Marucelli, Francesco II 294 Masaccio I 394

Masaniello (Revolutionär) II 201 Mascov l23off. [354,384

Massimi, Camillo de', Kardinal II 1 20, Mastrilli, Feiice Maria Graf III 439, Masucci II43, 336 [441

Mattei, Muzio II 353 Matthisson III 73

Mattielli, Lorenzo I 3 23 f., 465 f., 468 Maupertuis III 341 Maximilian IL, Kaiser I 391 Mazzanti (Sänger) II 408 Mazzocchi (eigentl. Mazzoccolo)

Alexius Symmachus II 112, 123,

219, 221, 245, 249 f., 254, 257, 269, Mead, Dr. II 393 III 459 [456,471 Mechau, Joh. Georg I 22 Mechel, Christian von III 328 f., 337,

371, 391 f., 471,473 Mecklenburg-Strelitz, Prinz von

111325,426,472 Medem, von I 242 Medici, Cosimo (IIL) II 30, 120, 293 Medici, Ferdinand, Kardinal II 29 f. Medici, Franz, Kardinal II 120 Medici, Johann Gaston II 293 Medici, Leopold, Kardinal II 306 Medici, Lorenzo I418 [III 97

Medici, Maria I461 Medici, Peter Leopold II 30 Mehus II 21, 270 Meier, Georg I 93

Meissonier I 303 [193

Melanchthon I 24, 29, 40, 140, 162,

5i6

REGISTER DER PERSONENNAMEN

Melitos (Münzmeister) III 309

Melon, Monseigneur III 356

Melozzo da Forli III 98

Menagius I 170

Menander s. Marius

Mencken, Otto I 207 II 122

Mendelssohn, Familie III 300

Mendelssohn, Moses I 42, 45, 59, 75, 493 II 205, 279 111271,343

Mengs, Anton Raff ael I 310, 3 25 f., 328, 333, 338, 388, 419, 470 II 21, 24, 39 ff-» 48 ff., 54, 56 f., 59 ff-, 63, 79, 82 f., 86 ff., 100, 102, 104, 110,134, 140, 177, 194 f., 217, 238, 262, 267, 279» 284, 304, 309, 341, 350, 370, 375, 385, 394 ff., 398 ff'., 404, 406, 415, 457 III 15, 18, 2of., 39, 56, 61 f., 6^^ 71, 84 f., 120, 127, 194 f., 200, 202, 204, 111 i.^ 249, 274, 298 f., 330, 340, 373 ff., 387, 389 f.,

Mengs, Julie II 47 [430, 440

Mengs, Margarita geb. Guazzi II 46 f., 298, 401, 415 f. III 372 ff.

Mengs, Therese Concordia II 47

Merian III 340, 343, 464

Merli, Vincenzo II 220

Mesenguy, P. III 28

Metastasio I 290, 388 II 205, 394,

Metellus II 43 2 f. [407, 409 f.

Metrodor II 221, 232 III 189

Metsu I411

Meyer, Heinrich I 402 III 168, 283

Meyer, Joachim I 22

Meytens, Martin von I 398

Mezerai I 246

MichaeUs 1 140 [104, 149

Michaelis, Christian Benedikt I 68,

Michaelis, Johann David I 41, 66,98,

253,427 Michaelis, Johann Heinrich I 6$^ 68 Michelangelo I 183, 201, 283, 304 f.,

341, 399, 415, 446, 453, 470, 475, 478, 480 f., 488, 492, 495 II 26,

52 f., 57 f., 71, 92,94,101,103,107, i44ff., 175, 182, 302 ff., 345, 350,

354,392,417,430,433 ni56f.,72,

74, 84 f., 99 f., i03f., 165, 177, 203,

212, 221, 248, 285, 319 Michelangelo,?, (aus Turin) II 128 Middleton I 254 Migazzi, Erzbischof III 23, 47 Migliavacca I 390 Mignard III 57 Milizia, Francesco II 266, 304 Miliin I 430 II 284 III 284 Milton I 178, 191, 249, 278 ff. II 127 Mingarelli, Giovan Luigi II 118, 406 Minicuccio II 412 Mirabeau III 59, 369 Mitchell, Gesandter III 340 Mniszech, Marie Amalie Gräfin geb.

von Brühl II 442 [367

Modena, Herzog von II 39, 175 f., Mogalli, Niccolo III 401, 458 f., 478,

488 [411

Moliere I 189, 294 II 129, 212, 249, Moltke, Graf III 358, 393, 464, 488 Moltke, Adam Gottlob Graf II 103

330 [III 330 f.

Moltke, Friedrich Ludwig Graf Mommsen, Theodor III 137 Momolo (Gondolier) III 328 Monier, P. III 95 Monnot (Bildhauer) II 1 8 1 Monsacrati, P. II 125 Montagu, Charles Wortley I 69 III

43 f., 51 ff., 379, 426 Montaigne I 82, 148, 156, 166, 261,

263 ff., 274, 376 II 16, 19, 23, 52,

HO III 41, 156, 251 Monte Leone, Duca di II 223 Montesquieu I 244, 246, 250 ff.,

256ff., 261, 275, 345 II 212, 327,

413 III 36, 114, 139, 160 Montfaucon I 253 II 30, 34, 93, 99,

194, 212, 283 11141,439

REGISTER DER PERSONENNAMEN 517

Myron III 176, 179, 3 16 f., 417, 425

Moore III 54 f.

Morcelli, Stefano II 376

Morei, Michael Joseph II 174

Morellet III 356

Moreri I 133, 202

Morghen (Stecher) III 398

Morghen, Philipp II 224

Morhof I 208

Moricon, Este van II 241 [III 460

Morison (aus Edinburgh) II 439

Moritz, Fürst von Dessau III 361

Moritz, Kurfürst von Sachsen I 290

III 371

Moritz, Marschall von Sachsen I 242

Morto da Feltre I 458

Morus, Thomas II 165 III 287

Moschion I 391

Mosman, N. III 434

Moszinsky I 419

Mothe le Vayer, La s. La Mothe . . .

Moyse de Soul I 164

Mozart III 292

Mozzi, Don Giulio III 452

Müller I 243 III 262

Müller, Johannes von I186 11171,380

Müller, Otfried III 136

Münchhausen, von 1115,423 III 393,

472,488 Münnich, Feldmarschall I 106 Mulgrave I 278 Mummius III 189 Murat II 261 Muratori I 231 II 99, 187, 296 f.,

327 11141,46 Muret I 265 II 160 Murray II 355 III 298, 323 Musschenbroeck I 97 Muzell, Professor II 288 Muzell, Wilhelm, Erbe von Stosch

s. Stosch [II 288

Muzell, Luise Hedwig geb. Stosch Mylius III 203 Mylne, Robert II 420 f. III 43 1

Nagel, Georg Adam II 25

Nani, Bernardo II 167

Nanteuil I 428

Napoleon III 366, 490

Nardini II 385 11136,368

Natoire, Charles III 56

Natter, Lorenz I 419 II 306, 324,

Naucydes III 161 [385

S. Naude, Philipp de I 38

Neander, Michael I 40, 192

Neapolione (Bildhauer) III 322

Negri, Salomon I 6^

Nero (Kaiser) II 61, 81, 131, 232,

437 III 190, 421, 432, 447 Netscher II 446 Newton, Isaac I 38, 97, 119 f., 143,

261, 468 II 116, 151, 165, 249 Nibbyll37 [III 305

Niccoli, Niccolo I192 [326

Niccolini, Antonio, Marchese II 292, Niccolo (gen. il Tribolo) II 52 f.

III 476 Nicolai, Friedrich I 42, 45, 59, 337,

360, 441, 491 III 343, 347 ff-, 393 Niebuh r III 330 Nietzsche, Friedrich III 140 Nieuwpoort I436 Nisard I 267

Nolli, Antonio II 1 59, 3 70 Nolte, Friedrich Rudolph I 137 ff.,

141, 164, 214, 288 St. Non, Richard de II 24 Nonnus I41

Northampton, Lord II 396 Northumberland, Lord I 421 Nugent, Thomas 1 148 Numisius, P. II 223

Odam, Johann Hieronymus II 307 St. Odile, Baron von II 29 III 365 öhlenschläger II 108

5i8

REGISTER DER PERSONENNAMEN

Oelridis 1 93, 248

Oeser, Adam Friedrich I 192, 248,

288, 310, 319, 355, 368, 383 ff.,

395 ff., 417, 440 ,443, 464 ff., 468 f.,

474, 481 II 42, 50, 64, HO, 279

III 120, 299,473 Oeser, Friederike I 399 Oeser, Rosina Elisabeth,

geb. Hohburg I 399 [489

Oesterreich, Matthias I 340,467,487, Olivieri, P. I 390 II 167, 189, 284,

351, 388 III 28, 47» 437. 444 f. Opitz, Martin I 23 Oppenord I 303

Orford, Lady II 441 111428,434,452 Orient, Joseph I 410 Orizzonte II 125,435 Orlandi, Cesare I 288 III 297 Orsi, Kardinal II 212 11129,47 Orsini, F. II 3 89 Orsini, Kardinal III 28, 364 d'Orville 1 167, 242 Ostade I 293

Otto IL, deutscher Kaiser I 235 Otto IIL, deutscher Kaiser I 235 Otto der Rötliche I 235 Ottoboni, Pietro, Kardinal II 144,

148, 281 III 45 f., 422 Ottonelli-Berettini, P. I 342, 347 Otway I 278

Ovid 1190,311,393,427,457 II 333 Oxenstierna (Sohn des Kanzlers) Oya, Sebastian de II 433 [I 282

Paalzow, Gottfried Nikolaus (Bür- germeister) I 142

Paalzow (Rektor) I 6, 30, 35, ^6, 73, 122, 140, 143, 348

Paciaudi, Paolo Maria II 121, 131, 147, 149, 164, 166 ff., 174, 224, 235, 245, 264, 284, 296, 319, 333, 351, 383, 447» 467 ff- ni 29 f., 59, 60, 104 f., 250,403,413

Paderni, Camillo II 218, 224 f., 228,

445 U 448, 450. 459 f-> 463, 469 Pagano II 204, 294 Pagliarini (Buchhändler) II 112, 149,

294 f., 3 17 f. 11127,58 Pajou I 310

Palazzi, Francesco, Abbate II 149, 388 Palestrina, Prinz von III 29 [III 36 Palla, Giambattista della I 342 Palladio I 301 f., 322 11419^,434 Pallavicini (Hofpoet) I 290 [245

Pallavicini, Kardinal I 132 II 216, Pallavicini, Lazzaro Opizio II 191, Palma, Guiseppe di III 439 [246

Palma Vecdiio I 330 Palmerston, Lord II 391 Palmieri II 204

Pamfili, Benedikt, Kardinal II 183, Pamfili, Olympia III 373 [410

Pampani II 410 Pamphilus I 346 II 221 Pancrazi, Maria Maddalena II 327 Pancrazi, P. III 43 1 Pandolfelli, Girolamo II 260 Pannini II 39, 190,435 Papias III 322

Papier, Christian Friedrich I 146 Papier, Dorothea Friederike I 146 Pararedus I 170 Parent III 273 Parison I 166 III 275 Parisot II 6^ III 413 Parma, Herzog von II 262, 264, 333, Parmeggianino I311 III 85 [407 Parrhasios I461 II 237 11199,176, Pascal I 120 [184 f.

Pasiteles III 190 Pasqualino (Musiker) II 412 Pasquini, Abbate I 387 II 135 Passeri, Giovanni Battista II 256, 300

11130,354 Passeri, Niccola II 47 III 47 Passionei, Benedikt II 125

REGISTER DER PERSONENNAMEN

519

Passionei, Domenico, Kardinal I 53, 360 f., 363 ff. II 20, 118, 120 ff., i27f., 130, 136, 138, i4of., 143, 152, 168, 196, 212, 275ff. III 28ff.,

Patris, Pierre III 436 [41» 47

Patrizi, Mardiese II 412

Patrizi, Montorj II 174

Patroclus III 161, 317, 404, 444

Paul III. (Farnese), Papst I 488 II 52, 77, 262 III 35, 88, 319

Paul V. (Borghese), Papst II 51, 125

Paul, Jean III 217 [III 422

Pausanias I 427, 443 II 27, 49, 60, 85, 249, 292, 427 III 118, 259, 402

Pellegrini, Antonio I325

Pellisson I482

Penni, Francesco gen. Fattori III 102

Penz, Georg I410

Pepe, P. II 205

Percy, Lord II 43 [157, 176, 261

Perikles I 450 II 420 III loi, 140,

Permoser, Balthasar I 3 1 3

Pernety, Jacques III 351

Perpinianus II 164

Perrault I 44, 134, 172 II 424

Persius I 71, 165, 188

Perugino I 346, 415

Pescia, Pietro Maria da I 419

Pesne, Antoine II 25

Petrarca I 154, 284, 393 II 177, 407

Petronius Arbiter, Gajus I 188, 284

Petsdi (Musiklehrer) III 368 [II 243

Pezoldt, von III 478

Pfeffinger I 232

Phalaris 1 173, 208

Phidias I 83, 262, 317, 323, 413 f., 471 II 61, 6$, 85 f., 178, 321, 326, 391,427 11197,101,168, 171, 176 f., i79f., 212, 217, 221, 261, 280, 282, 316, 386, 417^-. 4<58

Philander, G. I437 [60 II 215

Philipp V., König von Spanien I 40,

Philipp der Großmütige III 17

Philipp von Orleans I 293 II 305, 362

Philodemos II 2 2 1

Philostratus I 496

Phokylides I 29, 41

Piaggi, Antonio II 2 16 ff., 225, 234,

Piali, Stef ano III 3 6 [456

Pianura, Graf von II 257

Piazzetta I 3 29

Picart, Bernard I 425, II 307

Piccini, Gaetano (Maler) II 205, 310,

Pichler II 3 06, 3 3 o, 3 3 2 [409 f.

Pichler, Anton II 384 [III 408

Pichler, Johann (der Sohn) II 384

Pieri (Kunsthändler) II 328

Pierre (Maler) II 25, 43

St. Pierre, Abbe de I 235

Pigalle l322f. 11158,63,345

Pilaja (Sängerin) I289 II 298

Piles, Roger de I 342 f., 345 ff., 408,

455 11156 f. Pindar I 43, 44, 137, 390 II 241, 303,

407 11178,252,407,473 Pireicus III 275 Piranesi, Giovan Battista II 22, 145,

162, 170, 301, 393, 418, 422, 434ff.

III 36, 368, 402 Piremei, Abbate III 434, 488 Pisa, Carlo da III 437 f. Pisano, Niccolo III 286, 476 Pisistratus I 193 III 161 Pitaval, Gayot de I 282 Pithou I 433 Pitrot I 290 Pius IL, Papst (Aeneas Sylvius Pic-

colomini) II 452 Pius IV., Papst I 379 Pius V., Papst II 54, 131 Pius VL, Papst II 182, 198, 375 Pius IX., Papst II 182 Placidia I 391 Plat, Le, s. Le Plat Platen I384 III 380 Plato I 49, 82, 86, 156, 158, 163, 167,

520

REGISTER DER PERSONENNAMEN

174, 185 ff., 194, 262, 266, 269 f.,

450 II 45, 6s, 85, 87, 89 ff., 97, 116, 126, 249, 287, 337, 339, 353, 444 III 42, 76, 80, 130, 161, 180, 182, 185, 191, 194, 226, 228, 242 f., 254, 280, 287, 402, 408, 410

Platzer, Vetturin II 1 5

Plautius, M. II 3 5

Plautus I 165, 188, 284, 432

Pletho, Gemistos II 92

Plinius d. Ä. I 308, 427, 429, 487

II 38, 85, 96, 232, 331, 427, 432

III 81,95,99, 115, 137, 179 f., 189, 259f., 316, 322, 405, 444

Plotin I 270 III 243

Plutarch I 41, 147, 151, 163 f., 183,

251, 266 f. Pockels III 369

Poelemburg I 293, 334 III 277 Pöppelmann I 298!, 301, 309 Polignac, Melchior von, Kardinal

I 322, 389 II 94, 281 III 345, 359 Politi, Alessandro II 171 PoUaiuolo II 5 1 Pollux I 164

Polybius I 164, 236, 251 II 220, 249 Polygnot III 160, 308 [III 155

Polykles 111189,417 Polyklet I 323, 429 II 81, 86, 90 III

i76f., i79f., 240, 317, 321, 4i7i4<58 Pombal, Marquis von II 168 Pompadour, Marquise von I 419 Pompejus III 425 [III 29T

Pomponazzo 1 193 Pomponius Gauricus III 199 Pomponius Laetus II 173 f. Pope, Alexander I 45, 78, 261, 265,

276, 278 f., 281, 284, 483 Porcinari III 458

Porpora I388 [HI 319

Porta, Guglielmo della II 100 f., 146 Portocarrero, Kardinal II 126 Posi, Paolo II 182

Posidipp II 34 III 407

Posidonius III 190

Potter I 334

Poussin, Nicolas I 145, 343 f., 346, 405, 424, 437, 453 II 77, 128, 340, 352 III 85 f., 89, 103, 268, 274

Pozzi, P. II 399

Pozzo, Stefano del II 353

Pradon II 411

Pratilli, Francesco II 258

Praxiteles I 83, 185, 451, 495 f. II 39, 58, 78 f., 81, 86, 342, 375, 381 III 102 f., 168, 179, 182 ff., 241,

317. 417 Preißler, Georg Martin II 318 Preißler, Johann Justus II 309, 318 Primaticcio I 331 Proklus III 95 Properz 1 165 II 470 Protagoras III 194 Protogenes II 395 III 102 Pückler, Gräfin von geb. Gräfin Cal-

lenberg III 335 Pückler, Graf von III 3 3 5 Pütter I 90, 113, 203 Pufendorf, Samuel I 100, 102, 203 Puget, Pierre I 310 III 58, 319 Pusieul, Mr. de III 426 Puysegur, Marschall I 236 Pyra I 89

Pyrrhus III 192, 487 Pythagoras I 193 III 176, 317 Pytheas I 429

Queirolo (Bildhauer) II 203

Querfurt I 410

du Quesnoy I 3 1 2

Quintilian III 169, 330

Quintus Icilius, Oberst, s. Guichardt,

Carl Gottlieb Quirini (Bibliothekar) III 41 Quirini, Angelo Maria, Kardinal

I 125, 322 II 113, 172, 252 III 440

REGISTER DER PERSONENNAMEN

521

Rabelais III 3 3 3

Rabener I 97, 248, 491 III 343

Racine I in, 170, 294 III 50

Racknitz, von I 369, 386

Raffael I 172, 183, 185, 289, 296, 307, 327, 329, 331, 341, 343 U 346, 394, 398, 410, 414 f-, 424, 437, 446, 451 ff., 455, 467, 470 f-. 480, 489, 491 f. II 18, 26, 42 f., 56 f., 69, 83, 87 f., 103, 144, 237, 262, 337, 340, 358 f., 394, 396, 398, 401 f., 422 III 56 f., 71 f., 79, 83 ff., 97, 99, loiff., 109, 165, 204f., 237, 275, 285, 319, 354, 368, 373, 426, 442

Ragusini, Stephan III 482

Ramdohr II 69

Rameau (Komponist) I 290

Ramler I 345

Ranuccio II. Farnese, Herzog von Parma II 401

Raoux I 446

Rasbach, Georg Ludwig I 28

Raspe II 325, 437 III 464

Rauch, Leo I 288

Rauchmüller, Matthäus I 465, 495

St. Real I 246, 332

Recchi, Luca, Abbate II 174

Reclam (Maler) II 25

Reiffenstein, Johann Friedrich II 385 11188,90, 3 55 ff.

Reimarus, Samuel I 52 II 252

Reiner, Wenzel Lorenz I 400

Reines, Thomas 1 162

Reinhart III 91

Reiske, Johann Jakob I 66, 126, 162, 389,392,441 III 343

Reland I 253

Rembrandt I 3 34 f., 400, 411,446, 496 III 57, 278, 307

Renan III 131

Renard, Graf I 336

Renazzi II 173

Rendorp, Joachim II 3 84

Reni, Guido I 329, 34i, 405, 4^4, 424, 455, 495 II 43, 187, 211, 394 III 85 f., 103, 181, 237, 286, 344

Resta, Sebastiano P. III 98

Restout II 43

Retzow, von, Oberst I 152

Reuß, Eduard III 460

Revett II 420

Reynolds I 344 III 212

Rezzonico, Carlo s. a. Clemens XIV., Papst

Rhodomann, Lorenz I 40, 168

Ribera III 320

Ricci, Amadeo, Kanonikus II 174

Ricci, Giovanni, Kardinal II 29

Richard II 220, 224, 263

Richardson I 342, 345 f., II 26, 49

Richelieu 1 102, 200 [III 276

Richter, Johann Christoph I 385

Richter, Johann Gottfried I 387, 487 III 15 f.

Riedel, Johann Gottfried I 288 f.,

350, 361

Riedesel, Johann Hermann Freiherr von I 419 II 294, 298, 302, 414, 417, 459, 461 III 35, 37, i<56, 331, 352, 375, 377, 428 ff., 433 f-, 44o, 452, 462, 474, 480

Riedesel, Johann Volbrecht Freiherr von III 429

Riedinger (Tiermaler) III 66

Rietzschel, Johann Gottlieb I 385

Rinuccini, Alessandro II 247

Ripa I 4Ö3 III 297 f.

Robertson I 376

Robbia, Luca della II 52

Robinet I 97

Rocca, Angelo II 120 III 30

Rochefoucauld, Kardinal I 1 3 2

Rochefoucauld, La, s. La . . .

Rochefoucauld-Guyon, La, s. La . . .

Rochester I 278, 284

Roda, Manuel de II 404

522

REGISTER DER PERSONENNAMEN

Rode,A. 111362,366 Rode, Bernhard I 407 Rohan II 169, 173 Roland (Gastwirt) III 388 Rolli II 394

Romano, Giulio I 192 II 393 Rondii, Domenico II 257 Rondanini, Mardiese III 319 Ronsard I 170, 191 Roos (Oberkellermeister) II 15 Roos, Philipp Peter I 332 Rosa, Salvator I 334, 347, 458 II 22 Roscommon I 278, 483 III 69 Roselli, Cosimo I415 Rosenroth, Knorr von I 23 Rossetti III 489 Rossi, Bartolommeo II 98 Rossi, Domenico de' I 424 III 88 Rosten I 243 Rotari, Pietro Graf I 3 3 2 Rotenkreutz, von, s. Feronce Roth, Gottfried Christian (Super- intendent) I 49 Rothfischer, Franz I 384 Rousseau, Jean Baptiste 384 Rousseau, Jean Jacques I 261 II 65^ 72, 79, 157 III 65, 68, 335, 361, 432 Roux, Frangois I113 [III 353

Rovere, Francesco Maria IL della Rovere, Giulio, Kardinal III 421 Roy, Le, s. Le Roy Roxburgh, Herzog von III 5 1 Rubens I 446, 461 f., 495 II 239, 396

III 57, 86, 95,97, 320 Rudnik I 89

Ruf US, L. Mammianus II 233 Rugendas (Schlachtenmaler) III 66 Ruggieri, Costantino II 120, 317 Ruhnken, David I 51, 67, 127, 167,

171, 260 II 124 Ruijsdael III 330

Rumohr I 4, 342, 401 II 395 III 153, 156, 209, 215, 217, 227, 269 f., 274

Rusconi III loi Rutinelli, Pietro II 262 Ruysch, Friedrich I 96 Ry, Simon Louis du III 17 Ryssel, Friedrich Jakob von I 125 Ryssel, Johann Jakob von I 125

Sabatini, Marc Antonio II 281, 306,

359fM365, 383, 388 Sack (Kirchenrat) III 341 Sadolet II 116

Sahrer von Sahr, C. I 227, 230 Sala I 395 Saillant III 3 1 3 Sallier I 281

Sallust I 233, 254 f., III 358 Salmasius I316 II 427 Salvi, Nicola II 185 Salviati, Anton. M. II 473 [294f- Salvini, Antonio Maria I 164 II 112, Sammartino (Bildhauer) II 203 Sanchuniathon III 87 Sand, George 1 155 Sandersleben, Graf von, s. Leopold

Friedrich Franz, Fürst von Dessau Sandw^ich, Lord III 333 Sangallo, Giuliano da II 422, 433 Sannazaro I 461 Sansovino I 299 II 100 f., 476 Santarelli II 409 Santini II 393 Sappho III 467 Sarazin I 482 Sarti, Kanonikus II 295 Sarto, Andrea del II 262 III 102, 181 Saurin I 357 Sauros II 432 Savini, Pompeo II 388 Scaliger, Joseph I 23, 162^,165, 169,

200, 208, 265 III 148 Scaliger, Julius Caesar I 172 Scanderbeg, Kardinal, s. Passionei,

Kardinal

I

REGISTER DER PERSONENNAMEN

523

Scarfo, Joh. Chrysostomus III 402

Scarlatti I 290 II 410

Sdieffler I 23

Scheller (Rektor) I 422

Sdielling I 4 III 280

Schiller, Friedrich I 170, 188 III 233,

280 Schiller (Hamburger Buchhändler) Schinkel I 305 [I 34

Schlabrendorf, Friedrich Wilhelm

Graf von 1106,236 III 265f., 302,

336 f., 380, 393,475 Schlegel, August Wilhelm I 4, 381,

458, 460, 462, 465, 485 f., 497

1172,84,196,336,428 111121,183,

257, 263, 284, 301, 303, 309, 3 19 f. Schlegel, J.H. III 330 Schleiermacher I 23 Schlitten, Johann Gerhard I 56 Schlosser, J. G. I 336 Schlüter, Andreas I 36, 38, 399, 495 Schmauß, Professor I 203 Schmettau, Graf von I 421 Schmidt, Georg Friedrich III 6$ Schmidt (Kupferstecher) III 398 Schmidt, Lorenz Im Schnakenburg, Valentin I 143, 144, Scholl, Adolf III 279 [374

Schönberg, von, Hofmarschall I 423 Schöneich (Hausfreund der Familie

Heinecken) I 336 Scholle, Joh. Georg I 49 ff. Schopenhauer II 379 III 83, 255, 376 Schott I 117 III 41 Schrevelius I 170 Schröder, Pastor I 28 Schuppen, Jakob van I 397 f. Schulenburg, Graf von I 37 Schultens, Albert I 60, 68 Schulze, Johann Heinrich I 65 f., 140 Schuster (Buchdrucker) I 49 Schwarzenberg, Erbprinz von I 99 Schweickhart, Adam II 309 [III 6$

Schwenkfeld I 23

Schwerin, von I 3 7

Schwind III 308

Sciarra, Kardinal III 29 f.

Scioppius I 123, 137

Scipio, Cn. Cornelius II 358, 452

III 368 Sconamiglio, Antonio II 465 Scotus, Johannes I 170 Secchi, P. II 160 Seleucus I 467 f. Seil, Georg I 434 Seil, Gottfried 189,95 ff. III 313 Semler, Johann Salomo I 58, 70, 73 Seneca I 266 II 232 III 411 Septimius Severus II 53, 61, 373 III Serao, Franz II 251 [191,402,458 Serezano, Thomas de I 192 Sergardi, Lodovico II 54, 148 Serieys II 169 Serlio II 244, 419 Servandoni I 290, 301, 402 Servet I 239 Seume I 396

S. Severo, Duca von II 203, 219 Sextus I 29 Shaftesbury I 78 f., 186, 254, 261,

265 f., 270 f., 274, 276 III 162, 275 Shaftesbury (der Vater) I 1 89 Shakespeare I 154, 160, 174, 261,

278 f., 284 II III III 74, 277 Sharp II 292 III 51 Shelley II 18

Siemssen (Stallmeister) I 148 Sigismund (Kaiser) I 203 [III 3 87 Silvestre, Louis I 325, 338, 399 Silvius, Aeneas, s. Pius IL, Papst St. Simon I 293 Simonetti, Michelangelo II 52 Simonides III 176, 402 Sirletti, Flavio I 419, 430 Sixtus IV., Papst II 174, 178 III 421 Sixtus V, Papst II 34, 53. 265, 353

524

REGISTER DER PERSONENNAMEN

Skopas II 78, 427 f. III 176, 178 f.,

3i6f. Slodtz, Rene Michael III 208, 291 Slusio, Kardinal II 120 Smith, Adam I 249 II 205 SmoUet III 204 Sokrates I 41, 89, 186, 428, 443

II 89 f., 159 III 165, 176, 194, 211 Solimena, Francesco I 288, 325, 465

II 202, 237 III 345 Solon (Gemmenschneider) I 429

II 305, 318 III 186, 309, 328 Sonntag (Kandidat) I 242 Sophie Charlotte, Königin von Eng- land III 357 f. Sophie Karoline, Prinzessin I 148 Sophokles I 9, 147, 164 ff., 174, 181 f.,

184,188,276,451,455 II 114, 221,

321, 353 III 40, 176, 267, 280 Sophonisbe (Tochter Hasdrubals) III Sosikles II 181 [148

Sosus von Pergamos II 38, 322 Soufflot I 301 Spalding I 73 III 358 Spanheim, Ezechiel I 67, 162, 164 Specchi, Alessandro II 21, 183 Spence I 426 II 99, 396 Spencer, Lady III 49 Spencer, Robert III 49 Spener I 32, 61, 212, 232 Spinelli, Giuseppe II 168, 172, 191,

196, 201, 249, 263, 274, 276 III 26,

3oflF., 45, 47, 342 Spinoza I 67, 120, 348 Spon II 424 Sprengel 1 1 1 4 f .

Stael, Frau von I 4 II 65 III 278, 282 Stahl, Georg Ernst I 63, 65, 115 Stargardt, Graf von s. Prinz von

Mecklenburg-Strelitz Stay,P. II 137 Stazio, Achille II 29 Steaphenson, Chevalier III 51

Steen, Jan I 468

Stein, Friedrich (Kandidat) I 214

Steinbach, Erwin von I 309

Steinbart I 73

Steinhardt, Joh. Daniel I 146, 164

Steinmetz, Joh. Adam I 212 ff., 374

Stella, Jacques I 446

Sterlich, Romuald II 258

Sterling, John I 134

Sterne, Lawrence, s.Yorick

StoU I 29, 113

Stoppani, Giovanni Francesco, Kar- dinal III 47, 3 52 ff.

Stormont, Lord III 436 [II 288

Stosch, Heinrich Siegmund Baron von

Stosch, Philipp Baron von I 375, 429 f., 488 II 159, 279— 288, 304 bis 318, 327, 329, 332, 359, 364, 383 III 84, 149, 408, 426

Stosch, Wilhelm Baron von I 27, 47, 59, 82, 151, 186, 249, 286, 246, 389 II 166, 272, 275, 278, 288, 289, 290,

325, 327, 334, 352, 376, 415, 422, 441 III 14, 16 f., 19, 25, 49, 84, 122, 126, 194, 266, 281, 296, 302,

315, 334, 338, 345, 350 f-, 370, 375,

378, 381, 386, 392 f., 401, 462 f.,

472, 474 f., 479, 481 Strabo II 49, 64, 249 III 144 Strange, Robert II 420, 443 III 398 Stratico, P. II 295 Strauch, Egidius I 202 f. Strodtmann I 432, 435 II 280 Strozzi, Leone II 281, 306, 384 III Strudl I 400 [460

Struensee, Adam I 70 Struv I 232

Stryk, Samuel I 63 f., 99 Stuart, James (Prätendent; später

Jakob III., König von England, s. d.)

II 280, 420, 439 Sturm, Johannes I 32, 193 Subleyras II 41 1

REGISTER DER PERSONENNAMEN

5^5

Suetonius II 250

Suidas I 58 [337

Sulkowsky, Grafen von I 294, 296, Sulzer, Willy I 35, 222, 412, 490

III 306, 340 ff., 346, 464 Svanevelt I 412 Swift, Jonathan I 282, 484, 496 Swinburne (Engländer) II 267 Sydenham I 115 Sylburg, Friedrich I 40

Tacitus I 200, 254, 432

Tallard, Duc de III 57

Tamburini, Kardinal III 29, 41, 47

Tanucci, Bernardo II 189, 201, 206, 212 ff., 257 f., 260, 273, 443, 458, 463, 472 III 24 ff., 428, 437, 445

Tanucci, Marianne II 214

Tanucci, Ricciarda II 2 1 4

Tappert, Esaias Wilhelm I 25, 29 ff.,

Tappert (der Sohn) I139 [33 II 357

Tarsia, Principe von II 251 III 3 1

Tartini (Musiker) II 412

Tasso I 284 II 26, 189

Tassoni III 421

Taylor, Bisdiof I 79, 164

Teller I 73

Temple, Ritter 1 173 III 333

Tencin, Abbe II 361 f.

Teniers I334 III 330

Teodoli, Girolamo, Marchese II 149,

Terborch I411 II 446 III 61 [181

TertuUian I 269

Terwesten I 38

Thackeray I 238

Theoderich II 199

Theognis I 29, 41 f.

Theokrit I 66, 165, 172, 427 III 432

Theophrast 141,49

Theopompus II 221

Theudas I 204

Thierbach (Konrektor) I422

Thiersch, Friedrich II 262

Tholuck I 72, 121

Thomann I 412

Thomasius, Christian I62f., 125, 275

Thomson 1278,412

Thorwaldsen I 324 II 105, 108

III 288, 293, 307 Thou, de I 200 f., 233 Thoyras, Rapin de I 151, 201, 277 Thrasybul II 161 Thubiere III 104 Thukydides I 163 f., 185, 233 Thun, Graf II 2 1 2 Tiberius (Kaiser) I 203, 233, 458 Tibull I 242 Tiepolo II 399 Tillotson I 214 Timanthes I 443 II 237 Timomachus (Maler) III 190 Tindal Im

Tintoretto 1332,405 II 31 Tiraboschi I 3 89

Tischbein, Johann Heinrich III 18 f. Tischbein, Wilhelm I 192 II 21, 46,

208, 385, 394 III 435, 437 Titus III 45 1 Tizian I 328f., 415 II 42, 56, 87, 187,

239, 262, 340, 396, 443 III 57, 72,

86, 88, 99, 177, 203, 28Ö Tölken 11310,333 Toland, John I 74 Tommasi, Carlo de' II 183 Tommasi, Joseph de' II 122 Torelli, Steffano I325, 332,338 Torlonia, Alessandro II 376 Torre, Giovanni Maria della, P.

II 257, 262 ff., 458, 469 III 451 f.,

459 Torrigiani II 274, 351 III 24, 27, 34 Toskana, Großherzog von I 421 Totilas II 38 [III 434

Touche, Guymond de la II 41 1 Toussaint III 346, 464, 485 Traetta II 410

526

REGISTER DER PERSONENNAMEN

Trajan (Kaiser) II 6 1

Trenchard I 254

Trevisani (Maler) I471 II 144

Tribolo s. Niccolo

Troger, Paul I 400

Troye, de III 57, 345

Truchseß, Marschall von I 37

Turenne I 171

Turnbull I 345 III 99

Turnebus III 40

Tursi, geb. Doria III 377

Tuscher II 309

Tydeus II 302

Uden I 6, 52, 122, 137, 147, 149, 218, 237, 288, 342, 350, 360 f., 363, 365, 441, 444, 487, 493 II 48 III 459 Udine, Giovanni von II 51, 242 Uhde-Bernays, Hermann I 396 Unterberger I 400 II 3 1 Urban VIII., Papst II 181, 345, 376, Urgulanius II 35 [452

Ursins, Prinzessin des II 281 Ursinus, Fulvius I 98 II 29, 305 Usteri, Leonhard I 4, 222, 259, 308, 333, 341, 408, 410, 417, 430 II 46, 170, 213, 406, 459, 474 III 23, 30, 40, 44, 68, 71, 73, 76, 96, 295, 326, 335 f-, 340, 342 f., 362, 379, 386, 433, 462, 470 Usteri, P. 111379,462,473 Uz I89

Vaini (Prior) II 384 Valenti, Kardinal II 188, 311 Valentinian III. (Kaiser) I 391 Valerian (Kaiser) III 161 Valeriano, Piero III 298 [III 377

Valesio, Francesco II 149, 281, 408 Valkenburg, Theodor III 277 Valle, Filippo (Bildhauer) II 176, 185 Valletta, Francesco II 257 Valois I 234

Valturio III 354 [337,345

Vanloo, Carle II 43 III i8, 104, 291, Vannucci, Gaetano III 487 Vanozza, Rosa III 373 Vanvitelli, Luigi (Baumeister) II 162,

183, 185, 238, 265 f. III 451 Varallo, Kardinal I 100 Varesi II 29

Varotari, Alessandro I 405 Varro, M. Terentius I 308 Varzant (Holländer) II 3 1 Vasari I 342, 3 74 f., 478 f. II 293 Vasi, Giuseppe II 145, 435 Vasquez, P. II 216 III 14, 29 Vatry I 281 Vedius, Pollio III 458 Veen, Otto van I 461 Vega, La, s. La Vega Velasco, Palomino Y I 342 Velleius Paterculus I433 III 169 Venuti, Filippo II 36, 326, 328 Venuti, Lucrezia II 327 Venuti, Marcello II 210, 223 f., 230,

254, 256, 317, 326, 388, 400, 458

III 36, 293, 383, 439 Venuti, Ridolfino II 174, 180, 326,

365 III 34, 36 ff., 57 Verhoog, Fräulein I 95 Vernet, Joseph II 411 III 274 Veronese, Paul 1307,328 Verres III 192, 317 Verschaflfelt, Peter II 41 1 Vertot I 246

Vespasian II 145, 250, 460 Vettori, Francesco II 148, 169, 297,

305, 314, 326, 329 III 353 Vettori, Petrus Victorius II 148 Vico, Enea I 424

Vico, Giovanni Battista I 204, 245 Viereck, von I 3 7 Viezzoli III 482 Vignola I 302 II 244 Villani I 195 II 177 III 92

REGISTER DER PERSONENNAMEN

527

Villarosa, Mardiese de II 251

Villiers I 322

Vintimiglia, Bischof III 43 2

Virgil I 30, 46, 172, 190, 427, 455

II 36, 68, 213, 422 III 69, 293, 335 Vischer, Peter I410 Viscioletta III 380 Visconti, Ennio Quirini I 430 II 53,

60, 259, 3 19 f., 386, 390 Visconti, Giovanni Battista III 14,

475

Vitriarius, Philipp Reinhard I 236

Vitruv I 302 II 242, 244 flf., 431, 455, 465,470 111362,466

Vitzthum, Graf I 419

Vögelin III 72

Vogel (Schweizer) II 43 2

Volkmann, Johann Jakob I 318, 416 II 266, 270, 298, 382, 399 III 40, 66, 92 f., 126 f., 294, 385 f., 469

Volkmann, Peter Dietrich II 382, 460

Volpi, Joseph Rocco II 174

Voltaire I 8, 37, 63, 72, 76, 84 f., 87, 102, 135, 156, 158, 173, 178, 202, 212, 244 ff., 248, 261, 263, 276, 284, 287, 321, 344, 348, 357, 364 f., 372, 453» 463, 490» 497 11 i9> 127 f., 172, 249» 411 III 18, 25, 50, 52, 181, 345, 432

Volterra, Daniele da II 21, 303

Vorst, Johann I 40, 42

Voß, Isaak 1 163

Voß (Vossius), Johann Christian

Vossius, Gerhard III 306 [I 112, 137

Wachler I 203

Wackerbarth-Salmour, Graf von I51, 386, 388, 394, 419, 442 II 195, 425 Wächtler I 490 [III 15, 20, 22

Wagenfeldt III 278 Wagner, Joseph III 396 Walch, Immanuel II 1 2 1 [III 61

Wales (Wallis), Prinz von 1 289 II 333

Waller I 278

Walmoden, General von II 384 III 359

Walpole, Robert I 254 II 441

Walther (Hofbuchhändler) I 107, 117, 288, 304, 360, 395, 432 II 95, 318,408,457 III 16, 44, 117, 121 ff., 126 f., 266, 300, 313 ff., 358, 365»

Warburton III 53, 333, 462 [386

Wasserschiebe II 104

Watelet, Claude-Henri de I 408 III 58ff., 313, 329, 344, 357, 421

Watteau I 334, 413, 420, 446 II 236

Webb, Daniel II 42

Weber, Karl II 445, 449, 459, 464 f.

Weigel, Rudolf I 383, 417

Weirotter, Franz Edmund III 60

Weiße, Christian Felix I416 II 325, 334,405,424 111126,293,302,330,

385,457,474

Welcker, Friedrich Gottfried II 260 III 399, 403 f., 408, 414

Wengler, von (Hof rat) I 418

Werff, van der I 420, 491 III 330,

Wernicke, Nikolaus I22 [414

Werthern, von (Kammerherr) III 362

Wesseling I 168 II 124

West, Benjamin II 357, 397

Wichmann, Ludwig I 20

Wicquefort I 208

Wiedemann, Ludwig I 293

Wiedewelt, Hans II 102 if., 139, 273, 308, 354, 380, 387, 399, 419, 445 III 43, 123, 285, 393 ff., 449, 464

Wiedewelt, Just II 103

Wieland, Christoph Martin I 213, 400 III 66

Wilhelm L, deutscher Kaiser III 355

Wilhelm VIII., Landgraf von Hessen- Kassel III 17

Wilhelm von Oranien I 201 II 384

Wilkes, John II 198, 472 III 49, 331 ff., 336, 347, 379

528

REGISTER DER PERSONENNAMEN

Wille, Johann Georg I 490 II 46, 48, 50, 399» 400, 405, 466 III 40, 61, 6s, 67 U 87, 120, 122 f., 398

Winckelmann, Anna Maria geb. Meyer I22

Winckelmann, Martin 122,354 II 45

Winning, Gottfried 1138

Winterfeld, Erich Heinrich I 146

Witt, Cornelius de I 190

Wolf, Friedrich August I 4, 72 f., 830., 95 f., 103, 129 II 171

Wolf, Hieronymus I 40

Wolf, Johann Christian I 23, 69

Wood II 420, 428

Woolston I 74

Wo tton, William I 173

Wouwerman I 334

Wraxall III 435

Wright 1135,98

Wunderlich I 114

Wyndham, Chevalier II 395

Wyttenbach I 260

Xenophon I 49, 158 f., 174, 185 f.

II 117 III 161, 182, 185, 407 Xerxes III 316

Yarmouth, Herzogin von 1 113 III 359

York, Herzog von II 452 III 38, 51 Yorick (Lawrence Sterne) III 364

Zabaglia, Niccolo II 182

Zachariä I 1 1 3

Zanetti 1335,430

Zannotti, Giov. Pietro I 297, 330

Zappi (Dichter) II 148

Zarilli, Mattia II 251, 257, 470, 472

Zedier 1 146, 203, 206

Zelada, Prälat III 359

Zeller, Christian I 72

Zeno I 130 II 221, 229, 232, 272

III 250 Zetho III 399 Zeune, Joh. Karl I 436 Zeuxis III 99, 175, 200, 212, 215 Ziethen I 213

Zimmermann, Robert III 134 Zinaghi III 422 Zoboli II 39

Zoega III 396, 399, 403, 405 f., 408 f., Zoile III 271 [414

Zopyrus 111190,417 Zuccari I 342 II 337 Zuccheri (Gebrüder) III 297, 310 Zucchi II 393 Zwingli III 6$

C. REGISTER DER ORTSNAMEN

Albano 11255,378,455 III 48

Amberg II 15

Amsterdam III 313

Amyklae HI 355

Ancona II i8, 289 III 481, 485

Antium III 421

Argos III 180

Arneburg I 138

Astura III 421, 423

Athen II 278, 440 f. 111163,157,177,

455» 466 Augsburg I 362, 393 II 15, 194, 226, 237 111475,477

Bajä 11421,461 III 445

Basel III 471

Kloster Berge I 83, 205, 212 f.

Berlin I 35, 47 f., 52, 127, 148, 163, 175, 370 f. 11144,93,270,318,324, 338» 341, 350 f-. 39°» 462 f., 472» 474 f.

Bologna 1393,470 II 17 111103,476

Bolsena III 149

Bozen II 15

Braunschweig 1 145, 150

Dorf Bretsdi I 146

Brixen II 15

Brüssel III 473

Buma III 445

Camaldoli II 125, 128 III 28

Campo Vaccino II 383

Capo di Monte II 439, 443, 458

III 384 Caprarola II 378 Capri II 2 1 7 Capua II 266 III 466 Caserta II 208, 265 f. III 445, 451 f. Castello III 78, 325, 357, 387 Catania III 434, 458

Cisterna II 198

Cori i. d. Campagna II 422

Cortona II 299 III 149, 385 f.

GutDahlen 1368,382

Delphos III 163

Dessau III 472 f., 475

Dresden I 7, 12, 51, 60 ff., 69, 217, 241, 287 if., 296, 298, 309, 316 f., 323, 325, 342, 352 f., 362 f., 367, 371, 385, 388 ff., 390, 392, 394, 399, 408, 417, 440 f., 443, 459' 461, 466, 470 f., 478, 488, 494 II II, 15, 20, 42, 48, 50, 54, 102, iio, 177, 195, 207, 240, 262, 278 f., 282, 298, 313,

318,344, 399» 425 f-, 450 11139,85, 93, 117, 127, 136, 158, 163, 205, 236, 248, 256, 259, 297, 346, 387, 390,412, 465, 472 f., 478 Dresden-Neustadt I385

Eger II 15 Eisenadi I 362, 365 f.

Elis 111318,355,455,474 Erfurt I 122 Kloster Ettal II 16

Rittergut Falkenberg 1 146 Florenz I 289, 488 II 57, 66^ 85, 95, 98, 159, 208, 275, 278, 282, 287 ff.,

^9% 307 f-, 3"f-, 314 ff-, 318 f., 322, 333, 334, 340, 351 f., 396, 490, 41Ö, 439, 442 f., III 46, 92, 102, 123, 149, 164, 185, 253, 368, 373,

Fondi III 434 [430

Frankfurt 1 122

Frascati 1187,125,353,375 11172,75

Fulda I 123

[III 413 Castell Gandolfo II 283, 353, 450

530

Gelnhausen 1 123

Gesualdo II 226

Girgenti 11271,334,421,430,

111431,434,459 Görz III 483

Göttingen I350 111297,472 Gragnano (Stabiä) 11223,447

Hadmersleben I 122, 127 f., 136, 139, 145, 153 f., 161

Hall (Tirol) II 15

Halle I $6, 60, 64, 69, 87,91,95, 106, III, 122, 127 f., 139, 144 f., 148, 161, 205, 212, 218, 374 II 207 111138,337,347

Hamburg I 52, 137 III 127

Hannover III 472

Havelberg I 146, 148

Herculanum 1394,471 1112,43, 82, 194, i97> 208, 226 ff., 232, 237, 240, 243, 250, 252, 256, 263, 269, 455, 457, 464 ff., 471 III 67, 73, 105, 166, 248, 253, 401, 407, 445

Innsbruck II 15 Isdiia II 461

Jena 1 112 ff., 122, 161, 205, 212

Karthago III 148 Kassel III 126, 348 KöUn a. d. Spree III 305 Konstantinopel III 191 Korfu II 441 Korinth III 163 Kreta III 174

Leipzig I 107, 145, 217, 354, 392, II 425 III 117, i23f.,469, 473, 475

Dorf Leubnitz I 378

Livorno II 264, 291, 441

London II 325 f., 393, 417 III 339, 385,469

REGISTER DER ORTSNAMEN

Loretto II 18 III 476

Magdeburg I 145 Mailand II 247 Malomocco II 17 Marathon III 175 Messina III 434 Mestre II 15 Modena III 46 Molo di Gaeta III 434 Mondragone II 128 Monte Porzia II 128 Morea II 441 München II 425 III 477 f.

Neapel I 392, 394 II 12, 43, 62, 95, 104, III, 169, 193, 195 ff., 206, 208, 213!, 216 f., 227, 252, 257 f., 265, 270, 277, 288, 290, 318, 340, 352,

434, 438 f., 442 f., 451, 453, 458 f-. 463, 4690. III 43, 6sfi., 92, 120, 123, 126, 154, 173, 254, 381, 425, 430, 434 f., 442, 445, 450 ff-, 457 f-. 461, 469

Neuburg a. d. Donau II 15

Nettuno III 325, 420

Nöthnitz I 49, 116, 151, 216, 236, 241, 243, 286, 288, 3i5ff.,359, 442

II 20, HO, 120 ff., 134 f., 246

III 475

Osterburg 1 109, iii, 126 Ostia III 340 Ottajano III 451

Pästum II 269 f., 272, 429 ff., 439

III 66, 173,357,432 Palestrina III 353 Paris I 122 ff., 138 II 298, 319, 341,

396 III 63, 77, 120, 122, 291, 313,

357, 363, 392, 430, 463, 473 Pesaro III 152 Piperno III 434

REGISTER DER ORTSNAMEN

531

Pisa II 291 III 355

Pompeji II 223, 225, 239, 243, 445,

447 f., 450, 461 ff. III 83, 152, 190,

428, 446, 449, 455» 469 Portici II 198, 206, 226 f., 232, 245,

250, 264, 388, 399, 430> 443 f., 450.

461,471 Porto d'Anzo I 27 II 283, 353, 375,

389 111420,431, 459. 485 Potsdam 1321,365 f. III 58 Pozzuoli II 201, 461 III 458 Prag III 475

Rathenow I 142

Regensburg II 15 III 478

Resina II 223, 225, 463, 465 III 451

Rom I 122, 142, 147, 149, 186, 188, 209, 214, 258, 286, 289, 297, 318 f., 321, 346, 350, 352, 356 f., 359 f-' 3650., 370 ff., 375, 377» 383» 386, 390, 393 ff., 432» 470» 472 f., 487» 489, 491 f., 498, 500 II II ff., 15 f., 19 ff., 26 ff., 40 ff., 48 f., 66, 84, 96, 100, 104, HO, 116, 119, 152, 155, 158, 169, 194, 197, 199, 207 f., 214, 226, 249, 273 ff., 284, 288, 290, 3i2ff., 316, 3i8f., 326, 329, 334,

352, 354 ff., 3<59» 378, 381 f., 385, 396, 402, 408, 413, 417, 420, 422, 424ff., 437, 440, 442, 451, 458 III 51, 6s, 70, 72 ff., 77 f., 81, 83 f., 88, 92, 94 f., 99 f., 117 f., 127, 134, 141 f., 151, 165, 168, 189, 206,238, 249 f., 253 f., 258 f., 266, 294, 296 f., 311, 313, 318, 324, 326, 332f., 335, 339 f-» 345, 347 ff-, 3^2, 3<55, 382, 385, 394, 39<^, 415, 428, 430, 445, 455 f., 462 f., 469 ff., 477, 479 ff.,

483, 491

Aqua Claudia II 421

Aqua Marcia II 421

Aqua Julia II 266 [325,358

Akademie von S. Luca II 98, 177,

Amphitheatrum Castrense II 3 8 1

Antoninische Bäder II 34, 436

Antoniussäule II 182

Aula dell'Agricoltura II 366

Bogen des Constantin II 181, 358

Bogen des Dolabella II 34

Septimiusbogen II 59

Campo de' Fiori II 132, 143, 145

Campo Vaccino II 24, 421

Caracallathermen II 146, 436

Casa des Pincio III 373

Collegio S. Ignatii II 158 III 458

Collegio Inglese III 403

Collegio Romano II 158, 160, 387 III 250

Collegio Salviati II 410

Collis Hortulorum II 2 1

Columbarium der Livia II 365

Diokletianische Thermen II 433

Engelsburg III 46

Esquilin II 354

Fontana Feiice III 146

Fontana Trevi II 185

Sallustische Gärten III 142

Grab der Mammia II 447

Hadriantempel II 437

Hof Mattei III 146

Katakomben II 365

Kapitolstreppe 111146,417

Kolosseum II 183, 423

Lateran II 178

Loggien Raff aels II 239

Lungara II 120

Mausoleum der Constantia II 371

Monte Cavallo II 122, 354

Monte Citorio III 3 1 1

Monte PincIo II 21, 28 f., 47, 120, 123,354 III 45

Palatinische Hügel II 262, 302, 421 III 405

Pantheon II 271, 423 III 353

Pasquino II 149

Peterskuppel II 429

532

REGISTER DER ORTSNAMEN

Ponte rotto II 424 Porta Pia II 137, 354 Porta del Popolo II 19 Porta Salara II 412 III 294, 358, Pompejustheater II 143 [366

Quirinal II 120, 140, 158, 283, 353f. Quirinalgarten III 418 [III 165 Rotunde des Vatikans II 143 Septizonium des Septimius Severus Strada de Leutari II 410 [II 53 Teatro Alibert (genannt Teatro delle Dame agli orti di Napoli) II 410

Teatro Tor Argentina II 290, 409 f. Teatro Tordi Nona II 408 Sibyllentempel II 36 Spanische Treppe II 2 1 Trajanssäule I481 Tribuna III 218, 317 Tusculum 11128,421 Vespasiantempel II 437 Via de'Baulari II 144 Via della Croce III 358 Via Consularis Flaminia II 1 8 Via Nomentana II 354, 372 Via Salaria II 370 Viminalll354 [III 152

Zwölf-Götter-Brunnen im Kapitol

Bibliotheken:

Albanische Bibliothek III 324, 459 Angelica II 120, 216 III 292 Barberinisdie Bibliothek II 115, 422

Bibliothek S. Bartolomeo II 164 Bibliothek Casanatensis II 120 Bibliothek Corsini II 120 Bibliothek Kardinal Renato Impe- riali II 120 III 45 f. Bibliothek der Jesuiten II 1 20 Minerva-Bibliothek II 120 Bibliothek Passionei II 120, 197, 216,315

Sapienza II 120, 144 Bibliothek Sforzi II 118 Vaticana II 20, 48, 115, 187, 217, 278, 297 III 40, 42, 45, 83 f., 117, 353» 358, 383, 394, 459

Kirchen:

S.Agnese II 354, 371 f.

S.Andrea della Valle II 144

S. Balbina II 367

S. Carlo II 144

S. Chiara III 459

Chiesa nuova des hl. Philipp Neri

II 409

S. Croce II 354

S. Dorotea in Trastevere II 184

Basilika S. Eusebio II 398

S. Gallo II 144, 146

S. Girolamo della Caritä II 409

S. Ildefonso II 98

S.-Januarius-Kapelle II 2 1 1

Kapuzinerkirche I 455 [III 459

S. Lorenzo vor den Mauern II 43 2

S.Maria degFAngeli II 183

S.Maria in Cosmedin (genannt

Bocca della Veritä) II 362 III 14

S. Maria Maggiore II 176, 354

S. Maria del Popolo III 100

S. Maria in Trastevere II 1 80, 43 2 f.

S. Maria in Via lata II 362

S. Martino ai Monti II 77

S. Nicolo in Carcere II 422

S. Paolo vor den Mauern II 184

Peterskirche II 266, 345, 369, 434

11139,51

S. Pietro in Montorio II 47

Trinitä de' Monti II 21, 52, 354

III 356

S. Trinitä de' Pellegrini II 144 Augustinerkloster II 2 1 6 Kloster S. Egidio III 377 Garten des Chiostro von S. Croce II 381

REGISTER DER ORTSNAMEN

Museen und Sammlungen: Villen und Paläste:

533

Albanische Sammlung II 390, 393,

422

Kabinett Barberini II 3 14

Belvedere II 49 ff-, 54, 77, Soff.,

90, HO, 286, 313, 342 III 118, 130,

396, 411, 459

Sammlung Bonarotti II 1 80

Borghesisdies Kasino II 372

Campidoglio II 24,965., iio, 177,

285 11177,316

Sammlung Capranica II 29

Sammlung Carpegna II 1 80

Kabinett Chigi II 314

Museo Chiaramonti II 51 III 403

Kabinett Colonna II 3 14

Sammlung Corsini II 1 80

Farnesina I 446 II 47, 261 f., 264,

404, 459

Galerie Giustiniani I 420

Museo Capitolino II 19, 98ff., iio,

177 f., 180, 274, 278, 396 III 143,

146, 39Ö. 4Ö0

Kirdherianum II 314

Lafrerische Sammlung II 29

Museo Lapidario II 300, 358

Kabinett Ludovisi II 3 14, 372

III 404

Museum Rolandi Magnini

III 142

Galerie Medici II 10 1, 372

Minerva II 362

Münzkabinett II 264

Museum Odescalchi II 3 1 5

Pamfilisches Kasino II 372

Museo Torlonia III 152

Sammlung Vettori II 1 80

Stanzen des Vatikan II 238

Vigna Caserta II 367

Vigna Strozzi II 367

Vigna Tomasini II 29

Vigna Verospi III 142, 341, 358

Villa Albani II 47, 57, 74, 334, 3<^4, 369» 372, 388, 392,394,4130., 458, 473 III 62, 72, 105, 143, 151, 178, 218, 266, 311, 339, 396, 398, 434,458,468

Villa Barberini II 451 f. III 353

Villa Borghese II 21, 47, 96, 125, 285 f. III 51, 146, 396, 398 f., 417,

Villa Cesi II 422 [458

Villa Cicciaporci II 137

Villa Cicero II 125, 447

Villa Domitian II 451

Villa d'Este II 34

Villa Farnese II 297

Villa Papa Giulio II 54

Villa Giustiniani II 34

Villa Hadrian II 37, 125, 175, 366, 411, 420 f. III 142, 322

Villa Ludovisi II 3 2f., 96, 100, 286,

Villa Mattei 1134,285,419 [299

Villa Medici II 21, 29, 47, 90, 100, 381

Villa Negroni II 34, 98 III 407, 460

Villa Pamfili III 403, 459 f.

Villa Ruffinella II 421

Severisdie Villa III 421

Palast Albani alla quattro fontane II 158, 353, 379, 451 III 86, 294, 324, 356, 485

Palast Accaromboni III 403

Palast Barberini II 285 III 142,

Palast Borghese III 151 [3i6f.

Palast der Cancelleria II 19, 138, 142 ff., 148, 195,433

Palast Cesi II 337

Konservatorenpalast 11175,433

Palast der Consulta II 120, 122

Palast Corsini II 1 80

Palast S. Croce III 458

Palast Farnese II loi, 144 f., 226, 387,433 III 316

534

REGISTER DER ORTSNAMEN

Palast Giustlniani bei St. Johann Lateran II 97 III 152

Palast Grimani III 476

Palast Lancelotti III 403

Palast Massimi II 144, 387

Palast Mattei II 97 III 403, 460

Palast Odescaldii II 315

Palast Pretorio II 327

Palast Reario II 120

Palast Rospigliosi II 394

Palast Ruspoli III 405

Palast Sacchetti II 177

Palast bei der Sapienza und S. Eustadiio II 60

Palast Spada II 144

Palast Verospi II 387

Palast Vidoni II 144

Salurno II 15, 17 Salzdahlum III 472 Salzwedel I 48 f., 74, 146, 149, 214 f, Sanssouci I322 III 459 f. Rittergut Sdiönberg I 151, 352 Schönbrunn III 478 Seehausen 147,99, io9' i3Sf., i44f., 148, 152, 161, 181, 215, 2i8f., 454 Siena II 291 III 374 Sorrent II 261 III 451 Sparta III 174

Spello III 46

Stendal I 17 ff., 34, 38, 48, 146, 148 f.,

164, 166, 216 f. II 357 III 90 Syrakus 111192,434

Taranto II 272

Terracina II 197 III 434

Tivoli II 35 f., 418 III 48, 146, 236,

Trient II 15 [310.370

Triest 111481,485,488

Urbino II 458 III 388

Valencia III 148

Velia II 272, 440 III 357

Velletri II 198

Venedig II 15 f., 25, 206, 434 III 103,

372. 475, 481,483*485 Verona III 475 f. Versailles I 462 II 265 III 191 Viterbo II 440 Volterra II 291 III 149, 152

Wien I 390, 399, 417, 465 III 459, 465, 469, 472, 475, 478 f., 481, 485

Zürich III ÖSi 122, 433, 461, 463, 469 f., 473

INHALTSVERZEICHNIS

ZWEITES BUCH Römische Meisterjahre (1763 1768)

Erstes Kapitel. Das apostolische Antiquariat 11

Lage und Stimmung 11. Der Landgraf Friedrich von Hessen 17. Hof und Kirche unter Clemens XIII. 24. Der Kardinal Spinelli 30. Das Kommissariat der Altertümer 34. Das Scrittorat an der Vaticana 40. Costantino Ruggieri 45. Engländer 48. Fran- zosen ^$. Die Schweizer 64. v. Berg und die ihm gewidmete Schrift 74. Angelika Kaufimann 87.

Zweites Kapitel. Die Geschichte der Kunst des Altertums . . 92 Vorläufer der Kunstgeschichte 94. Anregungen neuerer Kunst- geschichte 97. Der Graf Caylus 104. Buffon 114. Der erste Entwurf der Kunstgeschichte (1756— 1759) 117. Zweite Bearbei- tung (1759— 176 1) 125. Ordnung der Kunstgeschichte 128. Historischer Teil 136. Die Kunst der Ägypter 141. Die Kunst derEtrusker 149. Ursachen des Vorzuges der Griechenkunst 152. Einfluß der Freiheit 160. Perioden der Kunst 166. Die zwie- fache Grazie 179. Die Kunst unter den Römern 188. Ästhetik der Skulptur 194, Kanon 199. Schönheitslinie 202. Das Ideal 209. Griechischer Typus 217. Charakter und Bildnis 221. Aus- druck und Handlung 226. Mystizismus 234. Kritik der Schön- heitslehre 244. Von der Malerei der Alten 248. Sprache und Stil 252. Aufnahme der Kunstgeschichte 257. Lessing 263. Weg der Kunstgeschichte durch Europa 278. Vergangenheit und Zukunft 285.

Drittes Kapitel. Nachträge und Nadiklänge 291

Das Jahr 1764 291. Versuch einer Allegorie 297. Die Anmer- kungen über die Geschichte der Kunst 312.

Viertes Kapitel. Hohe Gäste und Schüler 322

Der Antiquario nobile 322. Nordische Edelleute 329. Beziehun- gen zu Preußen 337. Ruf nach Berlin 346. Der Kardinal Stoppani 352. La Rochefoucauld und der Graf von Stargardt 356. Der Fürst von Dessau 360. Der Erbprinz von Braunschweig 367. Frau Margarita Mengs 372.

Fünftes Kapitel. Die Monumenti 381

Die Anfänge der Monumenti 381. Ausführung der Monumenti 386. Die Kupfer 398. Methode der Deutung 401. Trattato preliminare 414. Porto d'Anzo 420.

Sechstes Kapitel. Vierte Reise nach Neapel 425

Neue Beziehungen im Süden 425. Riedesel und Sizilien 429. Sir William Hamilton 434. Die Vasen 438. Pompeji im Jahre 1767 445. Der Ausbruch des Vesuvs 450.

Siebentes Kapitel. Letzte Entwürfe und letzte Reise .... 455 Neue Aussichten 455. Der dritte Band der Monumenti 458. Zweite Ausgabe der Kunstgesdiichte 461. Deutsche Reisepläne 469. Letzte Reise 476. Ende 481.

A. Bibliographischer Hinweis 495

B. Register der Personennamen 497

C.Register der Ortsnamen 529

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DATE DUE