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HENRI « \ i mn.’ rar 2b uryen . I : ’ y'yuıY ACHERN I 1 4 ı Yeti ı * j and N ERALRANEN ini .n ER TR ER ’ Yı'je nat 171 vi hi rYYyH } EUR) Pa | De | nr, N YET iheh } \ u a) ’ ’ 12 RR AI KB I Ir ET Bat ER PRIRNDEREANRCAR RRRRS 4 N he Fıyasiıy en Yeypa vhıraı viy I ui Y PROBE tab. 39 MERTAUUHLLENN Lan, N5 ERKANNT NY ' " I; } i yarn sy DAR ATEM IE ir CET WAR) Ya Aal ER Di IN WARE che den la PRICE N) RR u; DR VE y ee I al a RE Ve En Be TE N an 5 | N EN Pe IR SCREEN 36 i In ar, ey) Tr RN, wor ri { a BE Be u DE BE IE ee De eK Be sa ie VA vIyl AN \ ur N NEE RUN N ANEN KANU S WOLLEN) > " N yreyı yıdı ib yuı‘ my Und ‘ \ \ } 3 ENT RL ATLTUUUR N), h ; MR) RN Liarenn in AL E MORU L) DIR Ju I ya De. Ir EC DE un Da 0° RI RL, IRICHTUR UN) y f Ay) L® RER DE I SE EL NEE WELPE AIR IN ESETA RN) f. Ar rar I,h,1 nr Ya RROEIDRHIRULRR UNE Ü Be ri 08 y ray RER IE DARAN ANDERE AILNON tn u, RR ET AN “ve h . 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Bi ja“ N f BRZERR RA II MR EI OR Ta ZUNG U" EL ATOR Be as .. » j dd Fr | yrrtı 10% |) EINEN q ‘ i .* CR Se Be VE Se LIE DR 10 5 BI an Kan N 4 r PR Kid ıda kuanhidng ET AN rd, ) N ' 4 Ylalty di BEER Ba DE TE HR DE EHRE ECG U Knal, De! ira Ka EUER UUN i A “ Dr D { I BE ha 1 95 j 4 R t rd } 4 eh ’ T un. ww“ A ’ ET ann es LIU BEER ka 0 KON Ta U TE SC RR . EA ’ A nt „ı j * ihn LEER ER 7293 Pr, a ZT, 4 x } it * 1 CH P N [2 A 1) i Kıacd \ ALU. var ’ BR Wh 23 I 1 I ı ul 4 DE EN HE ae u ri jur ‘ D hr ' 0 NN „7 14 ‘ “ı Dr ı eg 4 ) ’ Y.2 vya ‘ in \ Re ar DB on re erh N) f ur S ‚s ' I 2. Ba Da Er SE ran eu nah, R: Ne Lt a 0 N u‘ a BB ' a NE EA nd a‘ \ » ' “a ‘ - Re SE Dr rt au Br a Br ale I re wasyalıy) ’ i y ’ .Y DER DE Du SE IR IE Re Er en e Z [m ', N Dar ea ar ar 1rıyıt aha Nag a N u. + i ‘ i VUrıadınd u. Iutgarı ti Va)hı 1. i LEN ‘ lı 4 Du N „ ’ . D i (Eu ER ic We De h Aral \ ‚ H ’ ae ‘ rd 12 134% land KraLaririinech) Dabei: H a 5 t vd s + ı [ee Le De Frame ya P Ni ' ; DT TE IR A SUhIM H 2 E i N ; WE WENN Du ) Ya) RER h ‘ ‘ “x. ’ D ’ hal dd DR.) ds I“ " RER ur RE [ Ni, “arg Ihe A ER LE N Ru 04 vol, Ber bh „up NUN ' \ “nahen TE Fa ARE BR RL DE RE RE DU SSL TRLI DU MG DL UR 39 A che PR IERTNG DrTe "geh u | via a u u a era ve U RE ET E UNE BE De Be SE RS WET ke RUE REN, in RB vv \ he ' h.4 PERUWER s a ee ; j . elsde si 4 ; [ ) ‘ $ a h iriy wer i a ij b ‘ tie ı krieg KA h®# N ‘ ’ [7 N + aaa Ad) Boa Da BR Dun FL Du DET Ba De SET ae TE TE a OT v Brio vVeh ı* HA " ih wcayı NEE EWR van LUCTU RR IE) ' f si Aydıı lad) E 13 Tr 4 ‘ url, ii ae hide LITE EN Ey) . ‘ v er} \ +4 Ir ’ı IKı yo J Ä 1 Pr % hr j i : nie \ PR. Wo, ri Flak Ä EUR. ‘ . \ \ ti \ n p An " Dur i Be N : r 4er 4 Det ’ I“ a1 ‘ “u. . \ ‘ ’ be \ ı ‘ ’ .. * ' ‘ x ’ ’ - s id wa“ f Pre Wu “und ae . . ul KR DLR Zn Bene TEE Be RN Bw N NT) - an x KEe 1 Fan u Br re Arer a ee DEI HL MER DE BE WrEr Te ae . ‘ va wit x ’ u ' „rd RR, rim I BEL DE Mae Ber nee 3 v LEE BEI RC) ICH ir x u ’ ’ ı. ‘ f ’ ‘ ”#* a R Bi Ä . x UM) | Ar v. hl u. . F ; u ' URN meh N. is Ye x Bet SC { ‘ we BR vs ante oa ZU U th Keen Y “ ‘ ” | u t ‚ nnd KB A Wr a Bee k URL EE 0er vr MIR u KAG iu Be AR . \ Du RENNEN A ehr be va DR wre DR EL Ar I U RE CR fr 5 ' Yu as an Nana Ai \ u . ' u Fi iR UEBErer BETEN U UBUR y a URN ö LEDER, En Ö \ 1 = ' ‘ ru Br rer We Era ea ee ee Ir Eh wu kn ven RR U r e k ir \ AIR Da Dar BEE Br BE Be ur er u Ihhrde { f eh N) IM Ü . a P y ‘ N er ‚Yiw a Se » RN w ” . ’ Ne far Kae Be Su ee er N a N U Te . i 3 ca NEAR ORK EN \rwawthtan ‘ ns ' 14 RE N TER RE 4 “ var ° ES RE A " Bm \ “4 ee reranlh % 5 ‘ .. er N Er Pu j . ARE BRETER HIT RR N BSR . LE Bu BE Be NL rn Kal E SIR Er EEE era en Sr a \ \ Ira PER REINER? z URL IE I ar u eG . Kar an u ZU Da das \ A v.; Nox er Do! kan Ayo) ® u ie De j t u gen ah 4 Lan | . W Ya j\ Kun 1m 2 iv I Y PR Y y Zeitschrift für WISSENSCHAFTLICHE ZOOLOGIE begründet Carl Theodor v. Siebold und Albert v. Kölliker herausgegeben von Albert v. Kölliker _ und Ernst Ehlers Professor a.d. Universität zu Würzburg, Professor a. d. Universität zu Göttingen. “2 > It Fünfundsechzigster Band Mit 34 Tafeln und 145 Figuren im Text. LEIPZIG Verlag von Wilhelm Engelmann 1899. ee nn _ . ET ee Inhalt des fünfundsechzigsten Bandes. Erstes Heft. Ausgegeben den 15. November 1898. Untersuchungen über die Entwicklung der Zeichnung des Schmetterlings- flügels in der Puppe. Von M. von Linden. (Mit Tafel I-IIL.) . Über Bau und Farben der Flügelschuppen bei Tagfaltern. Von M. Baer. Vergleichend anatomische Studien über den mechanischen Bau der Knochen und seine Vererbung. Von R. Schmidt. (Mit Tafel IV—V und u Browsen im Text.) . . - . - N Be , Über die Ablagerung des Pigmentes bei Mytilus. Von V. Faussek. (Mit SO LE TEL A NS ee a A Der Darmkanal der Onisciden und Aselliden. Von W.Schönichen. (Mit Beeend arierm Wext) 2.2.0... u. ar. in a: Zweites Heft. Ausgegeben den 23. December 1898. Beiträge zur Anatomie der Landplanarien. Von K. Krsmanovic. (Mit a, VII EA I ee Über Regenerationsvorgänge bei Tubifex rivulorum Lam. mit besonderer Berücksichtigung des Darmkanals u. Nervensystems. Von H. Haase. Be N und 11 Hieim Text.) .. ... 0... 2... Über den Bau und die Entwicklung der Linse. (II. Theil: Die Linse der Reptilien und Vögel) Von C. Rabl. (Mit Tafel XI—XVI u. 72 Fig. = Dell We a N Drittes Heft. Ausgegeben den 14. Februar 1899, Protozoen-Studien. IV. Theil. Flagellaten aus dem Gebiete des Ober- rheins. Von R. Lauterborn. (Mit Taf. XVII u. XVIII).. Histologie der Verdauungswege von Dasypus villosus. Von K. K. Helly. DENE XIX)... en... er (er ee el uud Vuetı keit eiihe a, alle’ Seite 112 143 179 211 257 IV Neue Studien an Cestoden aplacentaler Säugethiere. Von F. Zschokke. (Mit Taf. XX u. XXL): 220000 We Untersuchungen über die Organe der Lichtempfindung bei niederen Thieren. V. Die Augen der polychäten Anneliden. Von R. Hesse. (Mit Taf. XXII—XXVL) . „un 2 Be Die Herkunft des Endocardepithels bei Salmo salar. Von B. Nöldeke. (Mit Taf. XXVILX .......0..20 202 2 e Viertes Heft. Ausgegeben am 18. April 1899. Untersuchungen über die im Magen unserer Hauswiederkäuer vorkommen- den Wimperinfusorien. Von A.Günther. (Mit Taf. XXVIII—XXIX u: 2 Fig. ım Text.) i Über das Urogenitalsystem einiger Schildkröten. Von F. v. Möller. (Mit Taf. XXX XXX)» 2.0. 00.2.0000 2er Die Artbildung und Verwandtschaft bei den Foraminiferen. Entwurf einer natürlichen Eintheilung derselben. Von G. H. Th. Eimer und C.-Fickert. ‘(Mit 45 Fig: m Text.) 0.20 22 So Zur Morphologie der Urniere der Pulmonaten. Von J. Meisenheimer. (Mit Taf. XXXIII u. 4 Fig. im‘ Text.) 2 Ser Beiträge zur Kenntnis der Anatomie der Lorenzini’schen Ampullen bei Acan- thias vulgaris. Von G. Forssell. "(Mit TarIXKo ee Seite 404 446 517 ren Untersuchungen über die Entwicklung der Zeichnung des Schmetterlingsflügels in der Puppe. Von Dr. Gräfin M. v. Linden. (Aus dem zoologischen Institut zu Tübingen.) Mit Tafel I—IIl. Einleitung. Die ersten Untersuchungen, welche sich mit der Frage beschäf- tigen, ob die verschiedenen Farben, deren wechselnde Vertheilung die Zeichnung des Schmetterlingsflügels bestimmt, unmittelbar vor dem Ausschlüpfen des Imago plötzlich auftreten, oder aber, ob sich dieselben allmählich in bestimmter Reihenfolge entwickeln und ab- grenzen, wurden von SCHÄFFER ausgeführt (4). SCHÄFFER wurde zu diesen Untersuchungen durch die Arbeiten WEISMANN’s und EIMER’S veranlasst, in denen gezeigt worden war, dass bei Raupen, bezw. bei Wirbelthieren vor der Ausbildung der definitiven Zeichnung des ausgewachsenen Thieres am Jungen Zeichnungsstufen auftreten, die einen ursprünglicheren Charakter tragen. Für den Fall nun, dass bei dem sich in der Puppe entwickelnden Schmetterling ähnliche Verhältnisse bestünden, hoffte SCHÄFFER aus den in der Ontogenie der Flügel sich folgenden Farbenmustern Schlüsse auf die phylo- genetischen Beziehungen der Schmetterlinge ziehen zu können. Die erzielten Ergebnisse entsprachen seinen Erwartungen jedoch nicht vollkommen, weil in den von ihm beobachteten Puppenstadien bereits die meisten Merkmale der Vanessa urticae-Zeichnung ent- wickelt waren. Im Einzelnen konnte er indessen feststellen, dass die schwarze Randbinde des Hinterflügels, welche die blauen Mondflecke trägt, aus einer Fleckenreihe hervorgeht. Er sah zuerst die blauen Flecke in weißlicher Farbe auftreten, Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXV. Bd. ] 2 M. v. Linden, sich darauf mit scharf begrenzten dunkeln Rändern umgeben, die Anfangs sehr schmal waren, allmählich aber breiter wurden und schließlich zur Randbinde verschmolzen. Auf den Vorderflügeln fand sich dieselbe Binde sofort in der endgültigen Form — als braune Binde mit hellen Flecken — angelegt. Aus der eigenthümlichen Bildungsweise der Randbinde der Hinterflügel schloss SCHÄFFER, dass überall da, wo die Flecken- reihen sich finden, die Hinterflügelzeichnung eine primitivere sei, als bei den Formen mit fortlaufender Randbinde. Außer- dem war SCHÄFFER aufgefallen, dass die Zeichnung auf den Vorder- und Hinterflügeln nicht gleichzeitig auftrat und später nicht gleichen Schritt in der Entwicklung zu halten pflegte. Die Zeichnung der Hinterflügel entwickelte sich langsamer als die der Vorderflügel. Unabhängig von SCHÄFFER stellte van BEMMELEN (1) ähnliche Untersuchungen über die Ontogenie der Schmetterlingszeichnung an. Auch van BEMMELEN fand, dass die Farben des Imago erst in den zwei letzten Tagen vor dem Ausschlüpfen ziemlich plötzlich auf- treten, erklärte jedoch die ScHÄFFER’sche Annahme für unrichtig, dass die Flügel vorher durch ein rings um die Kerne der Hypo- dermiszellen eingelagertes Pigment roth gefärbt seien. VAN BEMMELEN hatte allerdings auch eine solche Röthung der Flügel beobachtet, sobald er dieselben der Puppenhülle entnahm und der Einwirkung der Luft aussetzte, vermochte diese Röthung indessen zu verhindern, wenn er die Flügel in 90°,,igen Alkohol brachte. Innerhalb der Puppenhülle waren die Flügel von weißgelblicher Farbe, die sich beim älteren Insekt in ein zartes Braun verwandelte, »der proximale hintere Theil des Flügels war in diesem Stadium bei auffallendem Licht dunk- ler, der lateral vordere Theil heller gefärbt«. Bei durchfallendem Licht kehrte sich das Bild um. Schon sehr frühzeitig sah vAn BEMMELEN in Binde in n N (EıMmER) eine Reihe weißer von dunkeln Halbmonden begrenzter Flecke auf- treten, welche in der dritten Vorderrand- und den sechs Seitenrandzellen (EIMER) — Zwischenaderzellen I, II, III, IV, V, VI, VII, VIII (vAn BEMMELEN) gelegen waren. Diese Flecke, welche sowohl bei Vanessa urticae als bei Vanessa cardui auftreten, deutete er als Reste einer phylogenetisch alten, allen Nymphaliden gemeinsamen Zeichnung. Beim Imago der verschiedenen Vanessa-Arten bleiben diese Punkte in wechselnder Anzahl bestehen, geben aber dadurch, dass sie während der Puppen- entwicklung des Individuum wiederkehren, wichtige Anhaltspunkte für die,verwandtschaftlichen Beziehungen der Arten. Bei Vanessa cardui war außer den Randflecken auch die Stelle des Flügels, wo sich die Mittelzellader entwickelt, heller als die Umgebung, und Unters. über die Entw. der Zeichnung des Schmetterlingsflügels ete. 3 während diese hellere Flügelstelle bald wieder verschwand, zeigte sich ein aus drei Flecken bestehendes Band in der Mitte des Vorderrandes; gleichzeitig entwickelte sich eine helle Fleckenreihe in den Randzellen des Hinterflügels. Bei Vanessa urticae, wo sich viel weniger ursprüngliche Zeiehnungsverhält- nisse erhalten fanden, als bei cardui, wurden die hellen Flecke in Binde II I (EIMER) durch das Auftreten des bleibenden Roths 36 Stunden vor dem Aus- schlüpfen des Imago verwischt und die schwarzen Flecke der definitiven Zeich- nung bildeten sich dabei nicht über, sondern seitlich von den verschwinden- den primären dunkeln Stellen. Auf das bleibende Roth folgte innerhalb wei- terer 12 Stunden Schwarz und Blau. Ubereinstimmend mit den Ergebnissen der SCcHÄFFER’schen Untersuchung fand vAv BEMMELEN, dass die Färbung auf den Hinterflügeln sich später als auf den Vorderflügeln zu einer Zeich- nung differenzirte.e Während des größten Theils der Puppenruhe waren dieselben zartbraun gefärbt und erst kurz vor dem Auftre- ten der bleibenden Farben’ zeigte sich die erwähnte Randflecken- reihe. Ä Während SCHÄFFER durch seine Untersuchungen zu dem Schluss geführt wurde, dass die Flügelzeichnung der Puppe bereits alle bezeichnenden Merkmale der Imagozeichnung ent- hielte und nur kleinere, allerdings für phylogenetische Schlüsse verwerthbare Abänderungen am Ende der Puppen- ruhe zu Stande kämen, gelangte van BEMMELEN zu dem Ergeb- nis, dass die frisch herauspräparirten Puppenflügel vom Augenblick der Schuppenentwicklung an bis zum Auf- treten der bleibenden Farben, eine Zeichnung zeigen, die von derimaginalen sehr verschieden ist und nur Weniges mit ihr gemein hat. In schroffem Gegensatz zu diesen Anschau- ungen stehen die Ergebnisse der Untersuchungen UrecH’s (6). Dieser sucht zu beweisen, dass die Felderung der Flügelflächen (Farbenbegrenzung) bei Vanessa urticae und io von Anfang an, bevor die bleibenden Farben erscheinen, in voller Schärfe auf- tritt und konstant bleibt. Er schließt hieraus, dass die Fel- derung phylogenetisch viel älter sei, als die specielle Art der Farben des fertigen Schmetterlingsflügels und dass alle Zwischenstufen der Zeichnung in der onto- genetisch abgekürzten Entwicklung übersprungen werden. Dagegen scheint ihm die zeitliche Aufeinanderfolge der wech- selnden Farbtöne, welche keine willkürliche ist, werthvolle Anhalts- punkte für die Stammesgesehichte der Arten zu geben. UrecH be- obachtet bei Vanessa urticae, io, antiopa, atalanta und bei Pieris 1* 4 M. v. Linden, brassicae, dass sich die Farben des Schmetterlings aus weißem oder schwach röthlichem Pigment in folgender Reihe entwickelten: Zuerst kam nach der anfänglich durchweg gleichen Farbe aller Schuppen in den hierfür bestimmten Feldern der Flügelfläche das Gelb zum Vorschein. Einige Zeit später entstand in anderen Par- cellen aus dem Weiß bei Vanessa io Roth bis Rothbraun und zuletzt entwickelte sich an den noch ungefärbten Stellen das Schwarz der Flügel. URECcH fand somit, dass die Farben, d. h. die vom Farb- stoff bezw. den gefärbten Schuppen zurückgeworfenen Lichtstrahlen, in einer Reihenfolge auftreten, welche nach zunehmender Wellen- länge und abnehmender Schwingungszahl bezw. nach abnehmender chemischer und zunehmender Wärmewirkung verläuft, eine Farbenfolge, wie sie nach den EImEr’schen Unter- suchungen (2b) auch in der Phylogenie besteht, und wie sie ähnlich in der Ontogenie der Raupenverfärbung zu beobachten ist. Als be- wirkende Ursache dieser Farbenfolge macht UREcH die Einwirkung eines fortschreitend wärmer werdenden Klimas geltend und knüpft an die Thatsache, dass die Vanessenflügel in den ersten Puppen- stadien hell gefärbt sind, den Schluss, dass auch die phylo- genetisch jüngsten Vertreter der Gattung weißliche Farbe trugen. Ihre heutige Zeichnung könnte dann auf zweierlei Weise entstanden sein: Einmal wäre es denkbar, dass sich das Weiß auf der gesammten Flügel- fläche in Gelb verwandelt hätte, später ein Theil des Gelb in Roth, und endlich ein Theil dieses Roth in Braun oder Schwarz. In der Ontogenie würde sich dann eine abgekürzte Entwicklung in so fern bemerkbar machen, als die verschiedenfarbigen Felder nicht mehr die ganze Reihenfolge von Far- ben durchlaufen, sondern, dass aus dem anfänglichen Weiß gleich die Schluss- farbe auftritt. Wahrscheinlicher dünkt Ureca indessen die zweite Annahme, dass die Endfärbung von Anfang an nur stellenweise in Gelb überging, dass diese Anfangsfärbung bestehen blieb, während andere Theile des Weiß, Roth, Braun oder Schwarz wurden. Gestützt auf diese Beobachtungen versucht URECH aus der helleren und dunkleren Färbung der bei uns heute einheimischen Vanessen, auf deren phylogenetisches Alter zu schließen, . kommt aber dabei zu Resultaten, die den von ScHÄFFER und VAN BEMMELEN sewonnenen widersprechen. Während dieser Letztere fand, dass z. B. Vanessa atalanta in Bezug auf Erhaltung der weißen Fleckenreihe in Binde IH, II (Eimer) des Vorderflügels und der dunkeln Fleckenbinde auf dem Hinterflügel sehr ursprüngliche Verhältnisse zeigt, Vanessa urticae und polychloros dagegen fortgeschrittenere Merkmale tragen, steht nach der Auffassung Unters. über die Entw. der Zeichnung des Schmetterlingsflügels ete. 5 Urec#’s Vanessa atalanta am Ende, urticae und polychloros ziemlich am Anfang seiner Entwicklungsreihe. Es bleibt noch zu erwähnen, dass auch schon für Papilioniden Untersuchungen angestellt worden sind, welche die Entwicklung ihrer Zeichnung in der Puppe klar legen sollten. Die von Erıcn HaaAsE (3) zu diesem Zweck verwendeten Arten waren: P. philenor L., asterias L., machaon L., turnus L., podalirius L. Haase fand, ob- wohl der Mangel an Material ihn verhinderte eine vollständige Ent- wieklungsreihe zusammenzustellen, übereinstimmend mit SCHÄFFER und van BEMMELEN, dass die Zeichnung in frühen Puppen- stadien keineswegs scharf begrenzt ist und beständig bleibt, sondern dass sich dieselbe in der Puppe nach sanz bestimmten Richtungen umbildet. Im Einzelnen ergab sich, dass die Grundfarbe der Flügel in der jungen Puppe bei allen untersuchten Arten zuerst glasklar war, dann ein unreines Weiß wurde, das am Tageslicht in wenigen Stunden nachdunkelte. Die Zeich- nung auf dem Hinterflügel entwickelte sich umgekehrt wie bei Vanessa hier schneller als auf dem Vorderflügel, und war zum Theil weiter ausgedehnt als es beim fertigen Schmetterling der Fall ist. Der Prachtwinkel (EımEr) reichte z. B. bis zum inneren Rand des siebenten Randfeldes.. Die Randmonde bildeten, eben so wie das Analauge einen weißen Kern mit dunkler Fassung. Von dem Prachtbande war nur der außerhalb der Zelle gelegene äußere Grenz- streif sichtbar. Dasselbe bildete noch keine fortlaufende Linie, wurde vielmehr von ungefärbten Rippen durchschnitten. In einem weiter vorgerückten Sta- dium fand sich die Prachtbinde auch über diejenigen Randfelder ausgedehnt, in welchen sie dem Falter fehlt. Wie schon erwähnt, machen sich hier, ab- weichend von den Befunden SCHÄFFER’s und VAN BEMMELEN’s, die neuen Eigenschaften zuerst auf dem Hinterflügel bemerkbar und rücken in einer Weise vor, die, wie HAAsE bemerkt, dem postero-anterioren Entwicklungs- gesetz EIMEr’s, welches für die Ausbreitung der Zeichnung bei anderen Thieren maßgebend ist, entspricht. Wenn auch die Ansichten der Forscher, welche sich mit der Ontogenie der Schmetterlingszeichnung beschäftigt haben, in vielen 1 Aus neuester Zeit stammt eine Arbeit von ALFRED GOLDSBOROUGH MAYER, welche die Entstehung der Flügelzeichnung bei Callosamia promethea L. und Danais plexippus Fabr. behandelt. Da ich kein Material zur Verfügung hatte, um die MAver’schen Ergebnisse auf ihre”Richtigkeit zu prüfen, so be- halte ich mir es für ein anderes Mal vor, auf seine Resultate im Einzelnen einzugehen. Es sei hier nur erwähnt, dass auch MAyvEr auf dem Standpunkt steht, dass während der Puppenruhe erhebliche Veränderungen in dem Zeich- nungsmuster der Schmetterlingsflügel vor sich gehen. (ALFRED GOLDSBOROUGH Mayer, ]. The development of the wing scales and their pigment in butterflies and moths. II. On the color and color-patterns of moths and butterflies. Cam- bridge Mass. U. S. A. June 1896, February 1897.) 6 M. v. Linden, Punkten aus einander gehen, so scheint mir doch schon jetzt fest- zustehen, dass die Flügelzeiehnung in der Schmetterlings- puppe, nicht kurz vor dem Ausschlüpfen des Falters als fertiges Ganzes auftritt, sondern allmählich aus einer Summe von Elementen aufgebaut wird, welche sich sue- cessiv vielleicht in einer für jede Art eigenthümlichen Weise an einander reihen, um schließlich zum Zeichnungs- muster des Imago zu verschmelzen. In den nachfolgenden Untersuchungen habe ich zu ermitteln getrachtet, in wie weit sich bei Entstehung der Zeichnung in der Puppe bestimmte Entwicklungsrichtungen offenbaren und in welcher Beziehung dieselben zu den Entwicklungsgesetzen stehen, welche für die Phylogenie der Schmetterlinge von EımEr aufgestellt worden sind (2 a, b). Bevor ich indessen die Ergebnisse dieser Untersuchungen mittheile, ist es nothwendig kurz zu erwähnen, nach welcher Methode ich zu meinen Resul- taten gelangt bin, und welches allgemeine Schema ich der Zeichnung des Schmetterlingsflügels zu Grunde gelegt habe. Zu meinen Untersuchungen wurden Puppen von den verschiedensten Ent- wicklungsstadien verwendet. Dieselben waren theils in künstlich erhöhter, theils in gewöhnlicher Zimmertemperatur gehalten worden. Die zu verschie- denen Zeiten der Puppenhülle entnommenen Flügel untersuchte ich in 0,60/,iger Kochsalzlösung oder verwendete sie zu Dauerpräparaten. Zur frischen Unter- suchung eigneten sich hauptsächlich die jungen Flügel, welche im Alkohol sehr stark zusammenschrumpften. Die älteren Flügel, die sich leicht zu Dauer- präparaten verwenden ließen, wurden unmittelbar, nachdem sie vom Thiere abgelöst waren, in absoluten Alkohol gebracht, wo sich die Farben am besten erhielten. In schwachem Alkohol lösen sich dieselben leicht, und dies war der Grund, warum ich die von FiscHER angegebene Methode den Flügel dadurch von Falten zu befreien, dass man ihn auf kaltes Wasser legt, nicht anwenden konnte. Erst ganz kurz vor dem Ausschlüpfen des Schmetterlings, wenn der Flügel vollkommen ausgefärbt war, durfte derselbe unbeschadet seiner Farben- pracht, in Wasser oder schwachen Alkohol gebracht werden. Nachdem die Flügel einige Stunden in absolutem Alkohol gelegen waren, wurden sie in venetianisches Terpentin eingebettet, wo der Farbenton des ganzen Flügels etwas dunkler erschien, die einzelnen Farben jedoch keine wesentliche Änderung erfuhren. ; Die eigenthümliche Anordnung der auf dem Schmetterlingsflügel erscheinenden Farben bildet das Zeichnungsmuster desselben. Wir müssen in diesem, nach dem Vorgange EımEr’s, zwischen Grundfarbe und Zeichnung unterscheiden. Die erstere tritt ontogenetisch früher auf als die letztere und ist meist heller als jene. Die Zeichnung wird von Schuppenkomplexen gebildet, die in Binden oder Flecken stehen können. Die Binden verlaufen entweder Unters. über die Entw. der Zeichnung des Schmetterlingsflügels ete. 7 mit der Körperachse parallel über den Flügel und heißen dann, nach der Bezeichnung Eımer’s, Längsbinden, oder sie stehen senkrecht zu dieser Richtung und werden Querbinden genannt. Die von der Grundfarbe des Flügels gebildeten Streifen zwischen zwei Binden heißen Bänder. Ist die Zeichnung des Flügels eine fleckige, so lassen sich meistens die Elemente derselben als Reste oder Bruchstücke von Binden deuten. Die Binden und Flecke, welche die Zeichnung des Flügels be- dingen, erscheinen an ganz bestimmten Stellen der Flügelfläche. Sie sind zum Theil durch den Rippenverlauf bestimmt und können für die von mir untersuchten Arten auf das von Eimer für podalirius aufgestellte Zeichnungsschema zurückgeführt werden. Die elf Längsbinden, welche wir, um die vorkommenden Zeichnungs- elemente zu erklären, sowohl im Vorder- als im Hinterflügel zu Grunde legen müssen, werden von der Flügelspitze an nach der Wurzel gezählt. Dieselben verlaufen entweder deutlich getrennt, oder sie verschmelzen zu größeren Kom- plexen. Die Binden I—V liegen auf der Flügelspitze, die Binden VI—XI innerhalb der Mittelzelle. Binde I befindet sich im Vorderflügel zunächst dem Seitenrand und verläuft parallel mit diesem. Sie setzt sich nicht selten aus zwei zuerst getrennten Streifen zusammen und wandelt sich bisweilen in eine Zackenbinde um, deren ausspringende Ecken in den Endpunkten der Flügel- rippen liegen. Die Breite dieser Binde ist sehr verschieden. Binde II und III legen sich getrennt an, vereinigen sich aber meistens bei weiterer Entwicklung. Binde III schneidet die Gabelzelle an ihrer Basis und hat einen sehr verschieden langen Verlauf. Nach vorn reicht sie stets bis zum Vorderrand, nach hinten erstreckt sie sich bis zum ersten Medianaderast (podalirius), oder sie vereinigt sich viel früher mit Binde II. Binde IV verläuft an der Verzweigungsstelle des ersten Subcostaladerastes und erstreckt sich nach hinten nicht über die Submediana. SieTverschmilzt entweder mit Binde III oder mit Binde V. Die Binde V begrenzt die Discocellularadern nach außen, und reicht nach hinten bis in die sechste Seitenrandzelle, oder wird von der Mediana begrenzt. Gemeinsam mit Binde V verläuft die VI. Binde, welche als innere Begrenzung der Discocellularadern auftritt und sich nach hinten nicht weiter erstreckt als die erstere. Sehr unbeständig in ihrem Auftreten ist Binde VII. Da, wo dieselbe beobachtet wird, liegt sie in der Mittelzelle etwas vor dem Abzweigungspunkt des zweiten Astes der Mediana, dehnt sich jedoch sehr selten auf den hinteren Theil des Flügels aus. Die Binden VIII und IX befinden sich kurz vor, oder an der Verzweigungsstelle der II. bezw. I. Mediana-Äste und verlängern sich nach dem hinteren und vorderen Flügel- rand mehr oder weniger stark. Die Lage der X. Binde scheint durch die ed der beiden in der Mitte der Discoidalzelle sich theilenden Tracheenstämme bestimmt zu sein. Binde XI liegt der Flügelwurzel zunächst und füllt innerhalb der Mittelzelle den von Subeostalis und Mediana gebildeten Winkel aus. Die Verlängerung 6) M. v. Linden, beider Binden nach den hinteren Flügeltheilen ist bei den verschiedenen Schmetterlingen sehr ungleich. Die Zeichnung des Hinterflügels der von mir untersuchten Schmetterlingspuppen weist darauf hin, dass auch hier ursprünglich elf Binden angelegt sind. Dieselben erscheinen jedoch bei älteren Puppen weniger deutlich getrennt, da schon sehr früh Verschmel- zungen und Ausfall einzelner Binden eintreten. Die Bindenverschmel- zungen stehen sehr wahrscheinlich in nahem Zusammenhang mit der eigenthümlichen Gestalt des Hinterflügels, die sich von der des Vorderflügels wesentlich unterscheidet. Bei den Vanessen tritt im Hinterflügel eine größere Bindenzahl auf, als bei den Papilioniden. Parallel mit dem Seitenrand verlaufen, gerade so wie im Vorderflügel, - Binde I und II. Binde III tritt häufig nur als schmaler Streifen auf und ver- schmilzt entweder mit der II. oder IV. Binde. Binde IV ist verschieden breit und vereinigt sich häufig vollkommen mit Binde V, welcher durch die Disco- cellularadern, deren äußere Begrenzung sie bildet, eine relativ bestimmte Lage angewiesen ist. Nach innen werden die Discocellularadern durch Binde VI begrenzt. Binde VII fehlt bei einzelnen Formen (podalirius) vollständig, bei Vanessen und Thais polyxena ist sie mit Binde VI verschmolzen und liegt wie im Vorderflügel vor der Abzweigung des zweiten Costalis-Astes. Binde VIII steht unterhalb der Abzweigung des zweiten, Binde IX und X, die oft ver- schmolzen sind, am Grunde des ersten Costalis-Astes, Binde XI im Winkel, der von der Subcostalis und Mediana gebildet wird. Wie aus dem Folgenden zu entnehmen ist, erfahren diese Binden innerhalb der verschiedenen von mir untersuchten Schmetterlingsarten mannigfache Differenzirungen, sowohl in Bezug auf ihre Ausdehnung als auch auf ihre Lage, welche mit der Flügelform und dem Rippen- verlauf abändert. Die Flügelzeichnung mag jedoch noch so weit fortgeschritten sein, die Merkmale, welche sie mit der Podalirius- zeichnung verbindet, verwischen sich nie so vollkommen, dass sie nicht in einem oder dem anderen Stadium des Puppenlebens wieder zu erkennen wären. Entwieklung der Flügelzeichnung in der Puppe von Papilio podalirius L. Zur Untersuchung der ontogenetischen Entwicklung der Podaliriuszeichnung standen mir verschiedene Puppenreihen der Wintergeneration des Schmetter- lings zur Verfügung. Die Puppen hatten im Kalten überwintert und begannen, nachdem sie einige Zeit im warmen Zimmer gelegen waren, Mitte April sich zu färben. | Schon im Februar öffnete ich einige Puppen und fand, dass der Flügel aus einem vollkommen durchsichtigen Häutchen bestand, das, nachdem es in vene- tianisches Terpentin eingelegt war, bei durchfallendem Licht weißlich, bei auf- Unters. über die Entw. der Zeichnung des Schmetterlingsflügels ete. 9 fallendem Licht gelblich erschien. Das nächstjüngste Stadium, von dem ich Präparate besitze, ist von Mitte März. Der Flügel ist etwas dunkler gelb ge- worden und bereits mit dünnen Schuppen bedeckt, die aber unter dem Mikro- skop farblos erscheinen. Die Flügelhaut ist nicht mehr so durchsichtig wie vorher, es finden sich farblose Gerinnsel zwischen den Reihen der Schuppen- zellen eingelagert, die Schuppen selbst sind noch vollkommen durchsichtig. In einer weiteren Entwicklungsstufe von Mitte April sind die Flügel viel kräftiger geworden, so dass sie leicht der Puppenhülle zu entnehmen sind. Ihre Farbe ist Gelbroth und die Schuppen rollen sich nicht mehr auf, wenn der Flügel in Alkohol gebracht wird. Die Schuppen sind diffus lichtgelblich gefärbt, beson- ders deutlich da, wo später Bänder auftreten, und enthalten, zum Theil wenig- stens, das vorher erwähnte farblose Gerinnsel. In der Flügelhaut finden wir, besonders in der Wurzelgegend, neben dem farblosen Gerinnsel, karminrothes Pigment in Gestalt kleiner Körnchen abgelagert; eine charakteristische Ver- theilung des rothen Farbstoffes auf der Flügelfläche, wie man es bei Vanessa levana (vgl. p. 29) beobachtet, ist jedoch nicht wahrzunehmen. Um diese Zeit machte ich die Beobachtung, dass eine Vermehrung des rothen Farbstoffes ein- trat, wenn die Puppe großer Wärme (auf dem Ofen) ausgesetzt wurde (vgl. dieselbe Erscheinung bei Vanessa levana). Auf anderen Puppenflügeln, welche ebenfalls Mitte April den Hüllen entnommen wurden, sind bereits die Anfänge einer Zeichnung wahrzunehmen vgl. Fig. 1). Die Hauptfläche des Flügels ist röthlich gelb, von dieser Grundfarbe heben sich als leichte Schatten mehrere graugelbe Streifen ab. Zuerst zeigen die Schuppen an diesen Stellen nur eine etwas dunklere Chitinfarbe, später erscheinen Schuppenbasis und Spitze unter dem Mikroskop dunkelbraun pigmentirt, und zwar besonders an den Begren- zungen der dunkeln Streifen. Die Streifen entsprechen ihrer Lage nach den Eımer’schen Binden III, V, VI und VIII des Imago, auch Binde IX ist schon angedeutet. Zuerst werden die Theile der Binden sichtbar, welche im Bereich der Mittelzelle liegen, später erst lassen sich ihre Verlängerungen nach dem Flügelhinterrand und zuletzt diejenigen nach dem Vorderrand erkennen. Diese zuerst angelegten Bindentheile bleiben auch weiterhin am dunkelsten. Unter den einzelnen Binden nehmen V und VI, welche die Discocellularadern begren- zen, eine bevorzugte Stellung ein; sie scheinen vor allen anderen angelegt zu werden und bleiben lange Zeit die dunkelsten. Im Hinterflügel ist bis jetzt nur der dunkelgelbe Kern des Afterauges in Gestalt zweier getrennter strichförmiger Flecke in Seitenrandzelle sieben und acht sichtbar. In Seitenrandzelle drei und vier, besonders aber deutlich in Rand- zelle zwei lassen sich außerdem Stücke des gelben Theiles der Prachtbinde er- kennen. Von den Randbinden, welche E. HaAAsE als erste Zeichnung des Hinterflügels beschreibt, ist bis jetzt noch nichts zu sehen. Sehr bald treten auf dem Vorderflügel die weiteren Binden II und IV auf, und gleichzeitig sehen wir die Verlängerungen der Binden nach dem Hinterrande deutlicher werden (vgl. Fig. 2). Auf dem Hinterflügel sind die Randbinden I und II schon ziemlich deut- lich entwickelt. Fig. 3 stellt eine Entwicklungsstufe der Zeichnung dar, auf welcher der Verlauf der Binden deutlicher zu verfolgen ist, und zwei weitere im Vorderflügel angelegt sind. Binde I ist als feiner dunkler Streif auf der hinteren Hälfte des Seitenrandes sichtbar, reicht aber noch nicht bis zur Flügelspitze. Parallel mit diesem Streif verläuft ein zweiter, der weniger dunkel gefärbt ist und die 10 M. v. Linden. Grenze der ersten Binde nach innen bildet. Diese beiden Streifen ver- schmelzen später zur Binde I des Imago. Binde II hebt sich noch nicht sehr deutlich von der Grundfarbe des Flügels ab und ist in ihrem hinteren Theil in der vierten Seitenrandzelle jetzt schon mit Binde III verschmolzen. Binde III steht am Grunde der Gabelzelle und erstreckt sich nach hinten bis zum ersten Ast der Mediana. Binde IV, welche an der Verzweigungsstelle des ersten Subcostalastes entspringt, erreicht noch nicht den Vorderrand des Flügels und verschmilzt auf einigen Präparaten mit Binde V wenig unterhalb der Me- diana. Am dunkelsten sind noch immer diejenigen Binden gefärbt, welche die Begrenzung der Discocellularadern bilden, sich hinter der Mittelzelle am Ur- sprung des dritten Astes der Mediana vereinigen und indem sie sich gleich- mäßig verjüngen, am Hinterrand des Flügels in der Nähe des Endpunktes der Binde III endigen. Am Verzweigungspunkt des ersten und zweiten Median- aderastes liegen die Binden VIII und IX. Dieselben sind noch sehr schwach gefärbt und vereinigen sich, ebenfalls schmäler werdend, am Hinterrand des Flügels. Nach vorn reichen diese Binden noch nicht über die Mittelzelle hin- aus. Die X. Binde ist durch einen Fleck über der Verzweigungsstelle der ursprünglich die Mittelzelle durchschneidenden Tracheenstämme bezeichnet. Die XI. Binde ist noch nicht sichtbar. Die Zeiehnung des Hinterflügels hat sich nur in so fern verändert, als jenseits und diesseits der Discocellular- adern kleine Anhäufungen dunkler Schuppen zu finden sind, welche die Grund- lage für die das Prachtband begrenzenden dunkeln Binden darstellen. Binde II hat sich etwas nach innen verbreitert. Von großer phylogenetischer Bedeutung ist die Zeichnung der in Fig. 4 abgebildeten Entwicklungsstufe. Die Grundfarbe der Flügel ist lichtgelb, die Farbe der Binden schwarz geworden. Im Vorderflügel sind jetzt sämmtliche für gewöhnlich am Imago auftretenden Binden angelegt, wenn auch ihre Um- bildung in Bezug auf Farbenton und Ausdehnung noch nicht vollendet ist. Von Binde I lassen sich noch deutlich die Grenzstreifen unterscheiden, Binde II III und V VI sind beinahe getrennt geblieben, und Binde X und XI sind besonders am Hinterrand des Flügels sichtbar. Den Vorderrand des Flügels erreichen überhaupt nur Binden I, II und III, die übrigen Binden sind nach vorn durch wenige graue Schuppen verlängert. Während die Zeichnung des Vorderflügels nahezu derjenigen der Winterform unseres Papilio podalirius entspricht, sind in dem Muster der Hinterflügel Veränderungen vorgegangen, die in auffallender Weise an die Hinterflügelzeichnung des nordindischen Papilio glycerion Gray (EIMER, Taf. I, Fig. 2) erinnern. Die beiden strichförmigen Theile, aus wel- chen der Afterfieck besteht, haben sich zu einem einzigen ver- bunden, wenn auch die Trennungslinie noch zu erkennen ist. Die Pracht- binde, welche bisher nur in wenigen Randzellen sichtbar war, ist jetzt von der ersten Randzelle bis zum Afterfleck zu verfolgen und hat eine mehr rothgelbe Färbung angenommen. Sie ist von zwei schwarzen Streifen begrenzt, welche ihrer Anlage nach nicht, wie EIMER annimmt, den Streifen IX, sondern den Binden IV, V und V I entsprechen. Der nach innen liegende dunkle Saum entsteht nämlich aus zwei feinen parallel ver- laufenden Streifen, von denen einer jenseits, der andere diesseits der Discocellularadern liegt. Diese Streifehen verschmelzen und bilden das innerhalb von der Prachtbinde verlaufende Band, welches Unters. über die Entw. der Zeichnung des Schmetterlingsflügels ete. 11 in der Vereinigung mit den drei Wurzelbinden den Afterfleck nach innen begrenzt. Die Binde V VI berührt indessen die Prachtbinde nieht unmittelbar, sie ist von der letzteren durch einen schmalen, der Grund- farbe gleichen Streifen geschieden. Die äußere dunkle Begrenzung der Pracht- binde erscheint mir als Binde IV bezeichnet werden zu müssen. Sie erstreckt sich jetzt nur bis zur fünften Randzelle, verbindet sich aber später in fortgeschritteneren Stadien mit den Binden V und VI. Zwischen der Pracht- binde und den beiden Randbinden verläuft ein schmaler dunkler Streif, der als Binde III betrachtet werden muss, sich aber nur vom Vorderrand bis in die dritte Randzelle ausdehnt. Die beiden Randbinden II und I, welche beide aus sichelförmigen Flecken bestehen, haben sich bedeutend verbreitert. Die hellen Bögen, durch welche sie getrennt waren, sind sehr schmal geworden und in den Randzellen sechs, sieben und acht zum Theil von dunkeln Schuppen bedeckt. In Randzelle sieben und acht haben sich die zu Binde II gehörigen Flecke nach innen bedeutend verbreitert, während Binde I sich über den Schwanz des Flügels ausdehnt und gemeinsam mit Binde II den dunkeln Kern des Afterauges bildet. Dass der dunkle Kern des Afterauges in der That aus Segmenten zweier Binden besteht, ist auf dieser Entwicklungsstufe deutlich zu erkennen, weil noch ein schmaler, heller, bogenförmiger Zwischenstreifen die dunkeln Flecke scheidet. Von sehr großer phylogenetischer Bedeutung erscheint es mir ferner, dass an der Flügelwurzel drei getrennte Binden deutlich zu er- kennen sind. Auf einem Präparate macht es mir den Eindruck, als ob die eine dieser Binden aus zwei ursprünglich getrennten entstanden wäre. Von diesen drei Binden erstreckt sich die erste, wahrscheinlich Binde VIII, bis in die Mittelzelle, sie erreicht, wie die beiden anderen, den Flügelvorderrand in der Nähe der Wurzel. Binde IX verläuft wahrscheinlich gemeinsam mit Binde X der Mediana und deren erstem Aste entlang bis zum Afterfleck, wo sie sich mit Binde VI vereinigt. Binde XI liegt an der Außenseite der Submediana. Der getrennte Verlauf dieser drei oder vier Binden ist desshalb von Interesse, weil ein solcher ebenfalls in der Zeichnung des Papilio glycerion Gray beobachtet wird. Im weiteren Verlauf der Flügelentwicklung innerhalb der Puppe werden die Binden immer dunkler und gewinnen, was besonders im Vorderflügel zu beobachten ist, an Ausdehnung. Binde V VI und IX und X verlaufen jetzt über den ganzen Flügel, Binde III II hat sich bis zur sechsten Seitenrandzelle verlängert; in einem noch weiter fortgeschrittenen Präparat verlaufen die ge- nannten Binden und eben so Binde I ununterbrochen vom Vorder- zum Hinter- rande des Flügels. Auf dem Hinterflügel beobachten wir mit der fortschreitenden Ausbil- dung dunkler Beschuppung ein vollkommenes Schwinden der hellen Bogen- stücke zwischen den Randbinden, ein Verschmelzen der Binden an der Wurzel und eine Rückbildung der Prachtbinde. Ein Präparat, welches von einer im Gewächshaus entwickelten Puppe hergestellt ist, zeigt diese Verhältnisse besonders deutlich. Auf dem Vorder- flügel sind sämmtliche Binden bedeutend gewachsen und zum Theil mit ein- ander verschmolzen, so dass Binden II und III sowie V und VI ein gleichmäßig gefärbtes dunkles Band bilden. Auch die Binden I II III vereinigen sich am Hinterrande des Flügels, und sämmtliche Rippen an der Flügelspitze sind dunkel 12 M. v. Linden, beschuppt. Zum ersten Mal tritt hier Binde VII auf; sie scheint sieh über der Costalader anzulegen und verbreitert sich am Vorderrand. Nach hinten dehnt sie sich bis über die Hälfte der Mittelzelle aus. Binde X und XI sind sehr verbreitert und fast ganz verschmolzen. Die Zeichnung des Vorder- flügels stimmt somit im Ganzen mit derjenigen südlicher Poda- liriusformen überein (EIMER, p. 78). Von größerem Interesse als die Ausfärbung im Vorderflügel scheinen mir die Veränderungen im Zeichnungsmuster, welche den Hinterflügel betreffen. Auch hier hat die schwarze Beschuppung sehr überhand genommen. Am auf- fallendsten erscheint die Rückbildung der Prachtbinde, deren leuchtende Farbe auf die Randzellen drei, vier und fünf beschränkt ist. In den übrigen Feldern sind die rothgelben Schuppen durch schwarze überdeckt, was durch das Ver- schmelzen der Binden IV, V, VI am Vorderrand des Flügels (in der ersten bis dritten Randzelle) zu erklären ist. Auch gegen den Hinterrand zu haben sich die dunkeln Binden verbreitert und den gelben Streifen der Prachtbinde ver- deckt, wenn auch noch kein vollständiges Verschmelzen stattgefunden hat. . Binde III ist im Vergleich zu den vorhergehenden Präparaten sehr kräftig ent- wickelt, Binde I und II sind dagegen verhältnismäßig schmal geblieben. Die Wurzelbinden VIII, IX, X, XI bilden ein einziges Band. Diese Umbildungen im Hinterflügel zeigen uns am besten, wie aus der Glycerionzeichnung diejenige unseres einheimischen Papilio podalirius hervor- gegangen ist. Im Allgemeinen lassen sich für die Entwicklung der Flügel- zeichnung von Papilio podalirius folgende Sätze aufstellen: 1) Die Anlage der Zeichnung von Papilio podalirius erfolgt in Längsstreifen. Die Farbe der Bindenstellen unterscheidet sich vor dem Auftreten der dunkeln Streifen in keiner Weise von der des übrigen Flügels. 2) Die Lage der dunkeln Binden ist eine durchaus bestimmte und scheint mit dem Rippenverlauf in so fern in Beziehung zu stehen, als die Binden meistens an Gabelungspunkten oder an den Begrenzungen von Rippen gelegen sind. 3) Auch im zeitlichen Auftreten der Binden besteht eine Gesetz- mäßigkeit. Im’Vorderflügel sind zuerst die Begrenzungs- binden der Discocellularadern sichtbar und zwar in den im Bereich der Mittelzelle gelegenen Theile. Es folgen die Bin- den VIII, IX, II, I, I. Die mittleren Theile der Binden er- scheinen früher ausgefärbt als die Endstücke, die hinteren Theile früher als die vorderen. Im Hinterflügel ist zuerst das Afterauge und die Prachtbinde sichtbar, dann erscheinen die Randbinden, die Begrenzungen der Prachtbinde und zuletzt die Wurzelbinden. Die das Prachtband nach innen begrenzende dunkle Binde legt sich zuweilen etwas früher an als die äußere, bleibt aber auch häufig in der Entwicklung Unters. über die Entw. der Zeichnung des Schmetterlingsflügels ete. 13 zurück, so dass die äußere Binde mehr zur Geltung kommt. Prachtbinde und -Afterfleck erfahren verschiedene Umgestal- tungen: zuerst legt sich der Afterfleck und der vordere Theil des Prachtbandes an, dieses verlängert sich in einem späteren Stadium bis zum Afterfleck. Die fortlaufende Verbindung wird indessen später dadurch unterbrochen, dass die dunkeln Grenz- streifen breiter werden. Aus der Zeichnungsfolge im Hinterflügel ergiebt sich, dass zuerst die rothgelbe, später die schwarze Farbe auftritt. Aus diesem Grund ist der Hinterflügel auch früher differenzirt als der Vorderflügel, wiewohl die dunkeln Randbinden auf beiden fast gleichzeitig erscheinen. Der Hinterflügel ist außer- dem bälder ausgefärbt, macht in seiner Entwicklung größere Veränderungen durch und zeigt mehr eine fleckige als eine striehförmige Zeichnungsanlage. Auch dadurch, dass ein Verschmelzen der Binden im Hinterflügel in größerem Umfang stattfindet als im Vorderflügel, erscheint die Zeichnung des Hinterflügels mehr fortgeschritten. Verschiedene dieser Eigen- thümlichkeiten mögen auf die abgeänderte Gestalt der Hinter- Hügel zurückgeführt werden, immerhin rechtfertigt dieses Ver- halten die Annahme einer postero-anterioren Entwick- lung, wie sie auch Erich HaAaAsE auf Grund seiner Studien über die Ontogenie der Zeichnung bei Papilionen beobachtet hat. Es bleibt mir noch zu erörtern, wie sich die vorstehenden auf ontogenetischem Wege gewonnenen Ergebnisse zu den Resultaten ver- halten, welche Eımer durch das Studium der Segelfalterzeichnung in ihrer phylogenetischen Entwicklung erhalten hat. Vollkommen neben- sächlich ist wohl die abweichende Deutung, die ich den die Pracht- binde begrenzenden dunkeln Streifen geben zu müssen glaube. Von größerer Bedeutung wird es indessen sein, dass die ontogenetische Entwicklung der Prachtbinde und der Afterzeichnung zu Anschauungen führt, welche nur zum Theil mit den von EımErR vertretenen über- einstimmen. Es besteht allerdings auch in ontogenetisch jüngeren Stadien bei Papilio podalirius eine Verbindung beider Gebilde, aber nicht in den jüngsten. Zu allererst sind, wie bei Alebion beide Zeiehnungen vollkommen getrennt, der Augenfleck legt sich am distalen, die Binde am proximalen Theil des Hinterflügels in gleicher Weise strichförmig an. Ich möchte mich daher nicht der Ansicht anschließen, dass die Afterzeichnung primär durch Abschnürung von der Prachtbinde entstanden sei, sondern mich dahin aussprechen, R Kb 14 | M. v. Linden, dass beide getrennt von einander entstehen, sich dann vereinigen, während die Abtrennung bei dem Übergang von glycerion zu poda- lirius eine sekundäre ist. Durch diese Auffassung wird jedoch an der Thatsache, dass zwischen Papilio podalirius und den vielstreifigen P. alebion Gray und glycerion Gray phylogenetische Beziehungen bestehen, nichts geändert. Auch die Vorderflügel des P. podalirius machen eine typische Alebion-Glycerionentwicklung durch und es dürften diese beiden Entwicklungsstufen nicht einmal sehr weit zurückliegen. Die allerersten Zeiehnungsmuster, die wir auf den Puppen- flügeln von Papilio podalirius antreffen, scheinen nicht der asiatisch- europäisch-afrikanischen, sondern der amerikanischen Formenreihe anzugehören. Die verkürzten und schmalen Binden auf dem Vorder- flügel, das Fehlen der Binde IH, das spätere Erscheinen der Binden auf dem Hinterflügel mit Ausnahme der Randbinden sind Eigen- schaften, welche bei fast allen amerikanischen Formen im fertigen Zustand wiederkehren. Aus diesen Thatsachen darf wohl gefolgert werden, dass die gemeinsame Urform, von welcher einerseits die asiatisch-europäisch und afrikanischen Segelfalter, andererseits die amerikanischen ab- stammen, in ihrer Zeichnung dem agesilaus-protesilaus näher stand, als, wie EIMER annimmt, dem alebion-glycerion. Jeden- falls lässt das Verhalten der Zeichnung in der Ontogenie und in der Phylogenie erkennen, dass die Verwandten unseres Podalirius in der neuen Welt in vieler Beziehung auf einer früheren Stufe stehen ge- blieben sind, als es bei den Nachkommen des alebion-glyce- rion der Fall ist, die im Papilio lotteri ihre höchste Ent- wicklungsstufe erreicht haben. Eimer bezeichnet es als ein wesentliches Endziel seiner Unter- suchungen, den Beweis zu liefern, dass dieselben Einflüsse, welche die Abänderungen der Einzelthiere und welche Abarten erzeugen, auch zur Bildung von Arten führen müssen. Demnach sollten Umgestaltungen in der Zeichnung, wie sie bei den Segel- faltern im Laufe ihrer phylogenetischen Entwicklung unter dem Einfluss eines wärmeren oder kälteren Klimas entstanden sind, durch Einwirkung höherer oder niederer Temperaturen auf die Schmetterlingspuppe bis zu einem bestimmten Grade willkürlich hervorgebracht werden können. In der That haben früher schon von STAnDFUSs und im Winter 1895—-1896 auch auf dem Tübinger Unters. über die Entw. der Zeichnung des Schmetterlingsflügels ete. 15 zoologischen Institut von Dr. FiICKERT und mir angestellte Versuche ergeben, dass die Flügelzeichnung der Puppe unseres podalirius _ nieht unempfindlich gegen solche äußere Reize ist. Die Puppen wurden mehrere Tage lang einer Temperatur von circa 30° C. auf dem Paraffinofen ausgesetzt, und entwickelten sich Ende Februar und Anfang März zum Schmetterling. Die unter den genannten Bedingungen gezogenen Falter unterscheiden sich in ausgespro- chener Weise in Bezug auf die Entwicklungsstufe ihrer Flügel- zeichnung von den Imagines der Wintergeneration unseres podalirius. Die Verschmelzung der Binden OH, III und V, VI auf der Oberseite der Vorderflügel ist nahezu eine vollkommene zu nennen und die allgemeine Zunahme der schwarzen Beschuppung spricht sich auch in der größeren Breite der Binden aus. In diesem Falle unterliegt es somit keinem Zweifel, dass die Zeichnung des Falters durch die künstliche Wärme wirkung in derselben Richtung fortgeschritten ist, in weleher die Zeichnung seiner südlichen Verwandten unter dem Einfluss des Klimas sich entwickelt hat. Dasselbe gilt für die Flügel- form des Falters, deren Entwicklung ich hier nicht weiter berück- sichtigt habe. Entwicklung der Flügelzeichnung in der Puppe von Papilio machaon. _ Die Puppenflügel von Papilio machaon unterscheiden sich schon sehr _ früh von denen des Papilio podalirius durch die größere Konsistenz ihrer Membranen und durch ihre gleichmäßig gelbe Farbe, die sich weder an der Luft noch in Alkohol in Roth oder Rothgelb verwandelt. Bei sehr jungen Puppenflügeln wird dieser gelbe Farbstoff durch Alkohol ausgezogen und zwar um so mehr, je schwächer der dazu verwendete Alkohol ist. Zu allererst sind auch die Flügel der machaon-Puppe farblos, bei weiterer Entwicklung erscheinen die Flügelrippen, sehr bald auch die Flügelfläche gelb, während die Rippen wieder durchsichtig und _ farblos werden. Die gelbe Farbe der Flügelfläche wird durch einen - Stoff hervorgerufen, welcher in Gestalt von kleinen Gerinnseln in der Flügelmembran an der Basis der Schuppen eingelagert ist, und in dünnen Schichten ein weißliches, in diekeren ein gelbliches Aus- sehen hat. Nur bei einem einzigen Präparat von den Flügeln der machaon-Puppe konnte ich neben diesem gelblichen Pigment auch noch rothen Farbstoff beobachten. Obgleich der gelbe Farbstoff in den Puppenflügeln schon sehr bald in großer Menge angehäuft ist, so bleiben die Schuppen selbst verhältnismäßig lange Zeit vollkommen 16 M. v. Linden, farblos und durchsichtig. In späteren Stadien enthalten sie ebenfalls feines Gerinnsel. Im Gegensatz zu Papilio podalirius, dessen Flügel- wurzel nahezu während des ganzen Puppenstadiums roth gefärbt ist, erscheint die Outicula an dieser Stelle bei machaon schon in einer frühen Periode der Entwicklung schwarz. Auch in der ersten Zeich- nungsanlage unterscheiden sich die beiden Papilioniden wesentlich. Während sich nämlich bei podalirius die dunkle Zeichnung des Flügels auf einer vollkommen gleichmäßig gefärbten Flügelfläche entwickelt, beobachtet man bei machaon, noch ehe die schwarze Farbe auftritt, eine Musterung des Flügels, welche der- jenigen des ausgebildeten Schmetterlings nahezu voll- kommen entspricht. Diese Differenzirung der Flügelfläche kommt dadurch zu Stande, dass an gewissen Stellen des Flügels die Schup- ' pen früher ausgefärbt sind als an den andern. Daraus ersehen wir, dass in der That zwischen »Grundfarbe« und »Zeichnung« unter- schieden werden muss, entgegen der Ansicht WEısmannw’s (7b). Die Zeichnung ist nicht nur »in unserer Idee« — wenigstens bei den höheren Schmetterlingsformen — etwas von der Grundfarbe Gesonder- tes, sie erweist sich vielmehr auch als etwas von der Grundfarbe senetisch Verschiedenes. Fig. 6a stellt den Vorderflügel von Papilio machaon auf dieser Ent- wicklungsstufe dar. Ein ziemlich breites, aus kleinen und größeren Flecken zusammengesetztes Band erstreckt sich quer über die Flügelfläche, von der Flügelspitze und dem Vorderrand bis in die Mitte des Hinterrandes. Seitlich reicht es nach innen bis in die Mitte der Discoidalzelle, nach außen bis zum ersten Drittel der Seitenrandzellen. Der eigenthümliche Verlauf des Bandes und die Gestalt des Flügels bedingen, dass dasselbe am Vorderrande viel breiter ist als am Hinterrande. Durch die Flügelrippen und durch verschie- dene sehr hell gefärbte gelbliche Binden wird das Band in kleinere und größere Flecken getheilt. Die hellen Binden liegen, wie aus der Abbildung zu ersehen ist, an denselben Stellen, wo im fertigen Flügel die Binden IV, V, VI und VIII verlaufen. Außer diesen entbehren auch die Stellen, an welchen später die Binden I, II, III und die Wurzelbinden IV, X, XI auftreten, der Deckschuppen und lassen jetzt schon die Gestalt der später schwarzen Zeichnung in ihrem ganzen Verlauf erkennen. Das die Binden I und II trennende gelbe Band des Imago ist durch acht viereckige gelbe Flecke bezeichnet. Ganz ähnliche Ver- hältnisse treffen wir im Hinterflügel Fig. 1. Hier ist die ganze Mittelzelle, je das erste Drittel der dritten bis siebenten Randzelle, das zweite Drittel der beiden letzten und die Gesammtfläche der beiden ersten Randzellen dunkler gelb gefärbt. Von derselben Farbe ist auch das Band, welches beim fertigen Schmetterling die Binden I und II von einander trennt. Die Flecken, aus welchen dasselbe besteht, sind jedoch auf dieser Entwicklungsstufe viel breiter als später, wo sie nur schmale Mondflecken bilden. Wie im Vorderflügel, so unterscheiden sich auch hier im Hinterflügel alle Stellen, wo später dunkle Unters. über die Entw. der Zeichnung des Schmetterlingsflügels ete. 17 Beschuppung auftritt, durch den helleren Ton ihrer Farbe. Nur in den hinteren Theilen der Wurzelgegend findet sich jetzt schon dunkle Beschuppung. Da die Flügelzeichnung vonmachaon durch diese frühzeitige Felderung in der Hauptsache bestimmt ist, so bestehen die Ab- änderungen, welche in der Folge auftreten, darin, dass sich die Grundfarbe entweder über größere Flächen ausdehnt,oderdurch andersfarbige Beschuppung verdeckt und zurückgedrängt wird. Das erste Auftreten dunkler Schuppen im Vorderfllügel der Puppe zeigt uns Fig. 7a. Dieselben stehen auf der Fläche der Binden in dünneren, an deren Begrenzung in dichteren Haufen. Auch die einzelnen Flügeltheile verhalten sich in Bezug auf die erste Vertheilung der schwarzen Schuppen nicht ganz gleichartig. Die hinteren Abschnitte der Binden sind Anfangs dunkler gefärbt als die vorderen, was besonders an den Rand- und Wurzel- binden auffällt. Eigenthümlicherweise beobachten wir bei Papilio machaon, dass nicht wie bei podalirius die Binden V, VI, VIII in der Mittelzelle gelegen, son- dern die Binden II und III des Seitenrandes zuerst dunkel beschuppt werden. Ähnliche Verhältnisse finden sieh im Hinterflügel, wo die Wurzelbinden vor den Randbinden schwarze Schuppen tragen. Im Allgemeinen ist die dunkle Beschuppung im Hinterflügel auf dieser Stufe der Entwicklung be- deutend dünner als im Vorderflügel, und die Binden an der Wurzel sind auf vorliegendem Präparat schon auffallend dunkel gefärbt. Von der zweiten und dritten Randbinde finden sich nur in den hintersten Randzellen deutliche Spuren. In den vorderen sind bis jetzt allein die schmalen dunkeln Grenz- linien sichtbar. Der früher orangegelbe Afterfleck wird mehr und mehr, beson- ders in seinem Centrum, purpurfarbig, er hat an Größe zugenommen und nähert sich, während er erst strichförmig war, allmählich der Kreisgestalt. In geringer Entfernung von diesem Afterfleck an der distalen Grenze des gelben Fleckes, welche die achte Randzelle ausfüllt, findet sich ein Komplex orange- gelber Schuppen, welcher der Gestalt des proximalen Theils des Afterflecks genau entspricht. Zwei größere Flecke gleicher Farbe liegen in Randzelle fünf und sechs innerhalb der II. und III. Binde. Diese Flecken haben die Gestalt eines gleichschenkeligen Dreiecks, dessen Spitze der Wurzel zugekehrt ist. Während bei fortschreitender Entwicklung im Vorderflügel die Binden II und III sich mehr und mehr auch in ihren vorderen Theilen ausfärben, und die hintere Hälfte der ersten Binde sichtbar wird, treten im Hinterflügel an der Grenze der Binden II und III in der zweiten, dritten und siebenten Rand- zelle orangegelbe Schuppen auf, welche in der zweiten Randzelle einen dem Afterfleck ähnlich gestalteten, aber weniger ausgedehnten Komplex, in der sieben- ten Randzelle eine feine strichförmige Zeichnung bilden und in der dritten Rand- zelle zwischen den gelben Grundschuppen zerstreut stehen. In Präparat Fig. S haben die Seitenrandbinden des Vorderflügels I, Il, III schon nahezu ihre endgültige Ausdehnung erreicht. Nur in der Mitte der sie zusammensetzenden Flecken stehen die Schuppen besonders gegen die Spitze zu noch weniger dicht. Binde IV besteht aus einem kleineren Komplex dunkler Schuppen, der mit Binde III zum Theil verschmolzen ist. Die Binden in der Mittelzelle V, VL, VIII sind wohl angedeutet, aber noch sehr dünn beschuppt. Von den Wurzeibinden IX, X, XI sind immer noch die Grenzlinien am deutlichsten Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXV. Bd. > 18 M. v. Linden, sichtbar. Im Hinterflügel hat sowohl das Schwarz wie das Orange an Aus- dehnung gewonnen. Binde II III ist jetzt in sämmtlichen Randzellen durch dichte Haufen orangefarbiger Streifehen begrenzt, welche auch in der Binde selbst zwischen den Schuppen der Grundfarbe in größerer oder geringerer Zahl eingelagert sind. Der Afterfleck hat sich sehr vergrößert und bildet eine Ellipse, deren große Achse in die Längsrichtung der Randzelle fällt. Vom Afterfleck bis zur Flügelwurzel zieht sich ein Streifen, der gleichfalls aus orangefarbigen Schuppen zusammengesetzt ist, die indessen weniger gedrängt stehen. Auch in der Mittel- zelle sind orangegelbe Schuppen zu finden. Der Ton der rothgelben Binde, die jetzt den Afterfleck mit dem ähnlich gestalteten in der zweiten Randzelle verbindet, ist um so dunkler, je dichter die Schuppen über einander gelagert sind; der Afterfleck selbst, der immer am dunkelsten ist, erscheint jetzt geradezu purpurbraun. Im Vergleich zur Prachtbinde von podalirius, mit deren Ent- stehung diese Binde große Ähnlichkeit hat, ist die Färbung der rothgelben Binde von machaon eine viel sattere.e. Hand in Hand mit der rothgelben ‚Beschuppung hat auch das Schwarz an Ausdehnung zugenommen, so dass be- sonders die hinteren Theile der Binden I, II, III deutlich zu sehen sind. Auch die Wurzelbinden sind noch immer in ihren hinteren Abschnitten am dunkelsten. Im Vorderflügel vollziehen sich jetzt keine größeren Veränderungen mehr (vgl. Fig. 9). Die Binden werden wohl im Allgemeinen dunkler und ein- zelne von ihnen (I, II, III) verlängern sich bis zum Vorderrand, der aber selbst noch keine dunkeln Schuppen trägt. Eine neue Eigenschaft zeigt sich in der schwarzen Beschuppung der Seitenrandadern. . Auch im Hinterflügel dehnt sich die dunkle Beschuppung weiter aus, und zwar auf Kosten der rothgelben. Ganz ähnlich wie in der Prachtbinde von podalirius wird der Zusammenhang der orangefarbigen Binde bei machaon dadurch gestört, dass die helleren Schuppen von den dunkeln stellenweise ganz verdeckt werden und nur noch srößere Komplexe wie der Afterfleck, die Flecken in der zwei- ten, sechsten und siebenten Randzelle sichtbar bleiben. Außer den Wurzelbinden, welche sich immer mehr verbreitern, erscheint als Rest einer VI. Binde ein aus schwarzen Schuppen gebildeter strichförmiger Fleck auf der Innenseite der Discoidaladern. Von der Zeichnung des fertigen Schmetterlings unterscheidet sich die zuletzt beschriebene Entwicklungsstufe im Wesentlichen nur darin, dass bei dem Imago sämmtliche Binden tief schwarz und be- deutend breiter sind, dass auch der Vorderrand des Vorderflügels dunkel gefärbt ist und mit den Binden des Seitenrandes der Binde VIII in der Mittelzelle und den Wurzelbinden in Verbindung steht. Eine Verbreiterung erfahren in erster Linie Rand- und Wurzelbinden. Die Binden V, VI, VII in der Mittelzelle verändern ihre Gestalt am wenigsten. In gleicher Weise verändert sich die Zeichnung im Hinterflügel. Roth- gelbe Beschuppung ist nur noch im Afterfleck sichtbar, in den übrigen Rand- zellen haben die schwarzen Schuppen die Oberhand gewonnen. Die Rand- und EEE TETREEE EEE PEN Unters. über die Entw. der Zeichnung des Schmeitterlingsflügels ete. 19 Wurzelbinden sind gleichmäßig ausgeführt und erstrecken sich bis nahe an den Vorderrand des Flügels. Dadurch, dass auch auf den Rippen des Hinterflügels schwarze Schuppen zum Vorschein kommen, ist Binde VI nicht mehr so deut- lich zu sehen wie vorher. Es scheint vielmehr, als ob sich dieselbe in einen am Innenrand der Mediana verlaufenden dunkeln Streifen fortsetzen würde. An Stelle des gelben Bandes, welches die Randbinden I und II III ur- sprünglich trennte, stehen jetzt schmale sichelförmige Flecken, welche durch die dieht mit schwarzen Schuppen besetzten Rippen getrennt sind. Wir sehen, dass auch bei machaon gerade so wie bei poda- lirius die schwarze Beschuppung am längsten braucht, um ihre normale Ausdehnung zu erlangen. Alle Zeichnungscharaktere, welche aus andersfarbigen Schuppen bestehen, sind viel früher voll- endet und erfahren später nur in so fern eine Abänderung als die helleren Schuppen, wie ich wiederholt erwähnt habe, von den dunkeln verdeckt werden können. Sobald die schwarze Beschuppung den unter den jeweils gegebenen äußeren Verhältnissen höchsten Grad ihrer Entwicklung erreicht hat, so ändert die Musterung des Flügels in keiner Weise mehr ab, der Falter ist dann fertig, um seine Puppenhülle zu verlassen. Wenn wir die einzelnen Entwicklungsstufen der Flügelzeichnung von Papilio machaon mit denjenigen von Papilio podalirius vergleichen, so finden wir, neben vielen übereinstimmenden Punkten, dass der erstere Eigenthümlichkeiten aufweist, die darauf schließen lassen, dass er eine höher entwickelte Form darstellt, als Papilio podalirius. Die wesentlichsten Unterschiede, welche in der Entwicklung der Flügelzeichnung beider Falter bestehen und den Ausgangspunkt für phylogenetische Beziehungen bilden müssen, sind folgende: 1) Ehe bei Papilio machaon die dunkeln Schuppen auftreten, entsteht eine der Zeichnung des Imago sehr ähnliche Musterung des Flügels dadurch, dass die Schuppen an sich an einzelnen Stellen pigmentirte Körnchen enthalten, an anderen aber luft- haltig bleiben und somit einzelne Stellen dunkler gelb, andere durchscheinend erscheinen lassen. Bei podalirius ist dagegen die Zeichnung durch das Auftreten der schwarzen Beschup- pung bedingt, da keine Differenzirung in der Grundfarbe des Flügels zu beobachten ist. 2) Die Zeichnungsanlage d. h. die Abgrenzung der verschieden- farbigen Felder im machaon-Flügel ist von Anfang an eine viel bestimmtere; sie ist mehr fleckig als striehförmig. 3) Die Binden in der Mittelzelle des Vorderflügels, welche bei 2* | 20 M. v. Linden, podalirius zu allererst auftreten, und sich längere Zeit hindurch, was Ton und Ausdehnung betrifft, an erster Stelle behaupten, sind bei machaon zurückgebildet. Unter den günstigsten Be- dingungen für Entwicklung dunkler Beschuppung stehen bei machaon die Seitenrand- und Wurzelbinden. Ähnliche Ver- hältnisse beobachten wir im Hinterflügel,'wo bei machaon statt der Randbinden die Wurzelbinden zuerst sichtbar sind. 4) Verschmelzungen von Binden, die bei podalirius erst im Laufe der Puppenentwicklung und zwar in den letzten Stunden der- selben zu Stande kommen, sind bei machaon schon durch die erste Anlage der Zeichnung, noch ehe dunkle Schup- pen auftreten, angedeutet. Gemeinsame Beziehungen in der Entwicklung der Flügel- zeichnung von Papilio machaon und podalirius. 1) Bei beiden Arten sind zuerst die Grenzen der Bänder und Fleeken, welche ihre Zeichnung bestimmen, angelegt und aus- gefärbt. 2) Die hinteren Bindentheile sind früher entwickelt als die vorderen. | 3) Was die Farbenfolge betrifft, so tritt bei beiden Faltern zuerst selb, dann orange und zuletzt schwarz auf. Bei machaon geht das Orange in Purpur über. Die Prachtbinde des podalirius und die rothgelbe Binde des machaon sind zuerst durch getrennt stehende Flecken angedeutet, von denen der Afterfleck zuerst auftritt. Später werden diese Flecken zu einem fortlaufenden Band verbunden, dessen Zusammenhang in der allerletzten Zeit der Puppen- entwicklung durch das Auftreten dunkler Schuppen an ver- schiedenen Stellen unterbrochen wird. ) Die Beschuppung der Flügelrippen oder -Adern wird in den letzten Stadien der Puppenruhe beobachtet, tritt indessen bei machaon früher ein als bei podalirius und erreicht auch eine größere Ausbreitung. Dessgleichen die Beschuppung des Vorderrandes. Die Lage der dunkeln Binden ist bei machaon ebenfalls eine feste, die eben so wie bei podalirius von dem Verlauf der Flügelrippen abhängt. 7) Der Hinterflügel ist bei beiden Faltern früher differenzirt als der Vorderflügel, besonders deutlich bei machaon, der ve = = Unters. über die Entw. der Zeichnung des Schmetterlingsflügels ete. 21 desshalb ein besseres Beispiel für eine postero-anteriore Ent- wieklung abgiebt als podalirius. Es ist merkwürdig, dass diejenigen Binden, welche bei P. podalirius in hervorragender Weise entwickelt sind, sich bei P. machaon am meisten zurückbilden. Besonders gilt dies für die Bin- den V, VI und VII. Es liegt die Frage nahe, ob es nicht verwandte Formen unseres machaon giebt, bei denen die Rückbildung der Mittelzellbinden noch nicht so weit vorgeschritten ist, die einen Übergang zu den Segelfaltern vermitteln könnten. Eimer hat in der Gruppe des turnus eine Reihe von Arten und Varietäten gefunden, welche die genannten Eigenschaften besitzen und hat sie, da er durch seine Studien der Abänderungen, Abarten und Arten der schwalbenschwanzähnlichen Formen der Gattung Papilio zu dem- selben Schluss geführt wurde wie ich, als die ursprünglichsten Ver- treter der ganzen Gattung an die Spitze seiner Entwicklungsreihe gestellt. Ein Blick auf die Tafel I, Fig. 2« zeigt, dass bei den der turnus-Gruppe angehörenden Schmetterlingen, gerade so wie es in der Entwicklung des machaon zu beobachten ist, zuerst die Bin- den V, VI eine Verkürzung und Verschmälerung erfahren, während die übrigen Binden noch verhältnismäßig wohl entwickelt sind. Aber _ auch in den übrigen Zeichnungscharakteren des Papilio turnus L. g'! sind zahlreiche jugendliche Eigenschaften ausgesprochen, die wir bleibend bei podalirius, vorübergehend in der Ontogenie von machaon wiederfinden. 1) Die Binden II, III sind noch nicht fest verschmolzen, es be- steht in der Mitte des Bindenkomplexes eine Trennungslinie, die wie bei der machaon-Puppe besonders an der Flügelspitze verbreitert ist. Auch die Binden IX, X, XI verlaufen bei den Vertretern der turnus-Gruppe getrennt. Die rothgelbe Fleckenbinde auf der Unterseite des Hinterflügels ist noch ziemlich zusammenhängend, beim Weibchen ist die- selbe gelblicher, also ursprünglicher gefärbt, als beim Männ- chen. Erst in der machaon-Gruppe erfährt diese Binde eine Reduktion. | Der Vorderrand der Flügel trägt noch wenig dunkle Beschup- pung und die Flügelrippen sind nur selten dunkel gefärbt. Neben der Vereinigung der Wurzelbinden IX, X, XI erwähnt auch EiMER die Schwarzfärbung der Queradern zwischen V und VI in der Mittelzelle einerseits und II und III andererseits > = 22 M. v. Linden, als einen Hauptunterschied in der Zeichnung der machaon- und turnus-Formen. Ich habe bereits hervorgehoben, dass diese Eigenschaften im Puppenleben des Machaon ziemlich spät auftreten. Die Fleckenreihe, welche die Binden I und II IH trennt, ist bei den turnus-Arten viel breiter, als bei den Angehörigen der machaon-Gruppe und entspricht darin der Zeichnung eines ziemlich jungen Puppenflügels. Selbst die Gestaltsveränderungen, welche die Flecken dieser Binde in der Phylogenie erleiden, bis sie ihre endgültige Form erreicht haben, bilden eine Pa- rallele zu den Umwandlungen, welche diese Flecken in der machaon-Puppe durchmachen. Zuerst sind dieselben viereckig, dann kreisrund oder elliptisch, und endlich halbmond- förmig. IS 5) Den Vertretern der turnus-Gruppe fehlt ferner die schwarze Umrahmung der Mittelzelle im Hinterflügel, welche, wie EIMER beschreibt, bei machaon sphyrus Hübn. als neue Eigenschaft auftritt. In der Puppenentwicklung von machaon beobachten wir diese eigenthümliche Abänderung erst gegen den Schluss. Der junge machaon-Flügel besitzt demnach eine Reihe von Eigenschaften, die für die turnus-Gruppe bezeichnend sind, und durchläuft in seiner Entwicklung zum Imago Zeichnungsstufen, welche denjenigen gleichen, die die Gruppe des ursprünglicheren turnus mit derjenigen des höher entwickelten machaon verbinden. Durch diese Beziehung ist aber bewiesen, dass wie beim Segelfalter, die ontogenetische Entwicklung der Zeichnung des Schwalbenschwanzes ein getreues Bild der Umwandlungen giebt, welche in der Stammesgeschichte der Art ihren bleibenden Ausdruck finden. Entwicklung der Flügelzeiehnung in der Puppe ven Thais polyxena. Wenn wir einen Puppenflügel von Thais polyxena in dessen Membranen bereits Pigmente eingelagert sind, mit einem auf der- selben Entwicklungsstufe stehenden von Papilio podalirius oder P. machaon vergleichen, so fällt uns auf, dass der erstere viel reicher an Farbstoff — hauptsächlich an rothem — ist, als die letz- teren. Unter dem Mikroskop erscheint uns ein solcher Flügel als engmaschiges Sieb. Die Maschen werden von Anhäufungen des Farb- stoffs gebildet, die helleren Stellen, die Löcher des Siebes von den Insertionspunkten der Schuppen in der Flügelhaut. Die Schuppen Unters. über die Entw. der Zeichnung des Schmetterlingsflügels ete. 93 sind indessen nicht in Reihen angeordnet wie bei podalirius und machaon. Noch ehe mit freiem Auge eine bestimmte Zeichnung wahrgenommen werden kann, sehen wir unter dem Mikroskop, dass die Farbstoffe, es ist sowohl rother als gelber vorhanden, nicht gleichmäßig über die Flügel vertheilt sind. Am meisten macht sich dieser Unterschied in der Pigmentvertheilung über die Seitenrand- zellen des Vorderflügels geltend, da der Farbstoff in der Umgebung der Adern in sehr großer Menge, in der Mitte der Zellen in viel dünnerer Vertheilung eingelagert ist. Von der übrigen Flügelfläche sind die hinteren proximalen Theile dunkler gefärbt als der Flügel- rand. Auf dieser, und auch schon auf früheren Entwicklungsstufen erscheint der Flügel, so lange er sich noch in der Puppenhülle be- findet, rosa. In Alkohol absolut. dunkelt die Farbe erheblich nach. Mit freiem Auge lässt sich eine Musterung des Flügels erst dann wahr- nehmen, wenn die in der Flügelhaut abgelagerten Pigmente sich den Schuppen mitgetheilt haben. Es entstehen zuerst schön gefärbte karmin- rothe Flecken und dunkel orangegelbe Streifen (Fig. 10). Die letzteren stehen in Hinter- und Vorderflügel an denselben Stellen, wo vorher die größeren Pigmentanhäufungen beobachtet wurden, sie bilden eine tief in die Randfalten des Flügels einspringende Zackenlinie. Die karminrothen Flecke stehen im Vorderflügel am Grunde der Vorder- rand- und der ersten und zweiten Seitenrandzelle, außerdem in der Mittelzelle unter dem Abgrenzungspunkt der ersten Vorderrandader und über der ersten Tracheenverzweigung. Die orangefarbigen Schup- pen haben im Hinterflügel eine viel größere Verbreitung als im Vorderflügel. Von ihnen wird nicht nur die in der Seitenrandzone verlaufende Zackenlinie gebildet, es befinden sich auch solche auf den innerhalb der Mittelzelle verlaufenden Tracheenstämmen, eben so auf der in der Mitte der achten Randzelle liegenden Trachee und bilden außerdem die Begrenzungen der Randadern. Zum Theil scheint die Farbe der an der Grenze der Randadern stehenden Schuppen in Karminroth überzugehen. Zu größeren Flecken vereinigt stehen die karminrothen Schuppen in der zweiten, vierten, fünften, sechsten, siebenten und achten Rand- - zelle des Hinterflügels am Grunde der durch die orangerothen Schup- pen gebildeten Zacken. Außerdem ist die Costalis an ihrer hinteren Seite, die Subcostalis beiderseits von karminrothen Schuppen begrenzt. Zwei kleinere Flecken liegen über und unter der Mitte der Mediana. Wenn wir berücksichtigen, dass auch in der Mittelzelle des Flügels über den Tracheen orangefarbige Schuppenanhäufungen statt- 24 M. v. Linden, finden und die Flügelrippen, in denen sich auch in diesem Stadium Tracheen befinden, ebenfalls von intensiv gefärbten Schuppen be- grenzt sind, so liegt die Vermuthung nahe, dass die Zeichnung vom Verlaufe der Tracheen abhängig ist. Die Schuppen auf den übrigen noch nicht durch besonders intensive Färbung ausgezeichneten Flügel- theilen sind hellgelb pigmentirt. Die Flügelhaut enthält auch jetzt noch sowohl gelben als rothen Farbstoff, aber in solcher Vertheilung, dass da, wo später schwarze Schuppen entstehen, die rothen, an den Stellen der Grundfarbe die gelben Körnchen eingelagert sind. Präparat Fig. 11 zeigt uns eine fortgeschrittenere Entwicklungs- stufe, in welcher die orangefarbenen Schuppen an Verbreitung ge- wonnen haben. Dieselben beschränken sich im Hinterflügel nicht nur auf die erwähnten Flügeltheile, sondern bilden jetzt auch die Begrenzungen der Discocellularadern und eines Theiles der Sub- costalis und Mediana. Außerdem findet sich, wie aus der Figur ersichtlich, am Grunde der dritten bis siebenten Randzelle und in der Mitte der achten Randzelle ein nach dem Rande zu durch rothgelbe Schuppen abgegrenzter Fleck, dessen Farbe sich von der der übrigen Flügelfläche noch nicht unterscheidet. Im Vorderflügel, in welchem eine ähnliche Verdehking der orangefarbenen Schuppen nicht stattgefunden hat, lassen sich die Anfänge einer Felderung erkennen, welche jetzt noch durch die Differenzirung der Grundfarbe hervorgerufen, die Grundlage zu der Zeichnung des Imago bildet. Es heben sich innerhalb der Mittelzelle vier hellere zum Theil bindenförmig verlängerte Stellen von der dunkleren Flügelfläche ab, welche quer zur Zelle verlaufen und wie ihre Lage und der Vergleich mit späteren Entwicklungsstufen zeigt, den schwarzen Binden V, VI, VII, VIII und IX am fertigen Thiere entsprechen. Diese in ihrer Breite ungleichen hellen Streifen reichen sämmtlich nach vorn bis zum Vorderrand des Flügels. Nach hinten haben sie einen verschieden langen Verlauf. Binde V, VI und VI reichen nur bis zur hinteren Discocellular- bezw. Medianader. VII und IX sind bis zur Submediana zu verfolgen. Mit Hilfe der Lupe lassen sich auch an der Flügelspitze hellere Streifen erkennen, einer am Grund der Gabelzelle und zwei weitere, welche am Seitenrand des Flügels verlaufen. Diese drei Streifen entsprechen den Binden IV IM II und I. Der Seitenrand ist in seiner ganzen Ausdehnung mit längeren Schuppen versehen, die an den Endpunkten der Rippen heller gefärbt und weniger dieht sind als in den Zwischenräumen. Auf dem folgenden die nächst höhere Entwicklungsstufe dar- Unters. über die Entw. der Zeiehnung des Schmetterlingsflügels etc. 25 stellenden Präparate, Fig. 12, finden sich die ersten dunkelgrauen Sehuppen. Dieselben bezeichnen an der Flügelwurzel die Binden X und XI und stehen außerdem in der Binde VIII und am Flügelrand an den Endpunkten der Flügelrippen als längere Büschel. Die Sehuppen, welche diese Fransen bilden, sind jedoch nur bis zur Hälfte ihrer Länge ausgefärbt. Im Hinterflügel tritt die schwarze Beschuppung besonders dicht an der Flügelwurzel in Form von zwei ungleich breiten Binden X und XI auf. Auch in den vorderen Theilen der Discoidalzelle finden sich dunkel gefärbte Schuppen zwischen denen der Grundfarbe. An den Endpunkten der Flügel- rippen stehen dieselben in sehr kleinen Büscheln. Die Beschuppung der übrigen Binden vollzieht sich in sehr kurzer Zeit. Auf dem nächst folgenden Präparat, Fig. 13, sind schon sämmtliche Binden mit dunklen Schuppen versehen. Die Binden schreiten bei Thais polyxena in ihrer Entwicklung von hinten nach vorn vor. Binde XI hat sich auf der vorliegenden Entwicklungsstufe fast ganz mit Binde X vereinigt, nur ein heller Fleck über der Subecostalis bezeichnet die ursprüngliche Trennung der Binden. Binde IX ist, so weit ihr Verlauf innerhalb der Mittelzelle liegt, so ziemlich ausgefärbt; von dem zu Anfang erwähnten karminrothen Fleck, der an dieser Stelle unter der Subeostalis liegt, ist nur noch ein kleiner Theil zu sehen. Der - Verlauf der Binde jenseits der Subcostalis wird durch wenige zer- streut stehende schwarze Schuppen bezeichnet. Bis zum Flügel- vorderrand erstrecken sich bis jetzt überhaupt nur die Binden X und XI. Binde VIII, welche jetzt die breiteste unter den Mittelzell- binden ist, verläuft jenseits der Mediana gemeinsam mit Binde IX. Weniger deutlich ist der Zusammenhang der Binden VII, VI und V nach dem Flügelvorderrand, auch innerhalb der Mittelzelle ist die Beschuppung dieser Binden noch keine so dichte, wie bei den vorher- gehenden. Eine Fortsetzung nach dem Hinterrand des Flügels be- obachten wir nur bei Binde VII. Es liegt nämlich in der geraden Verlängerung der Binde VIII in der sechsten Seitenrandzelle ein dunkelgrau gefärbter Fleck, dessen Zugehörigkeit zur Binde VII aber erst aus dem folgenden Präparat, Fig. 14, zu ersehen ist, wo eine Verbindung dieses fraglichen Schuppenkomplexes mit der Binde zu Stande kommt. Binde IV besteht nur in ihren hinteren Theilen aus schwarzen Schuppen, ihr vorderes Ende wird durch einen rothen Fleck gebildet. Dieser Fleck wird von der zweiten Vorderrandader begrenzt, der dritte Medianaderast bildet die hintere Grenze der Binde. Die an der Flügelspitze gelegenen Binden IH, II und I ver- 36 M. v. Linden, laufen in größeren und schärferen bezw. kleineren und abgerundeteren Flecken vom Vorder- bis zum Hinterrand. In Betreff des Farben- tones besteht zwischen diesen drei Binden kein wesentlicher Unter- schied. Binde III ist am kürzesten und hellsten gefärbt und nahezu ganz mit Binde II verschmolzen. Binde II besteht aus sieben von Rippe zu Rippe verlaufenden sichelförmigen Stücken, deren Öffnung nach dem Seitenrande gekehrt ist, Binde I aus scharfen langen, eben- falls von Rippe zu Rippe reichenden Zaecken. Die beiden Binden sind gleichmäßig ausgefärbt, so dass zwischen hinten und vorn kein Unterschied besteht wie bei podalirius und machaon. Es muss noch erwähnt werden, dass die dunkeln Schuppen der ersten Randbinde zum Theil wenigstens über den orangefarbigen der primitiven Zeich- nung aufgelagert sind. Die dunkeln Büschel an den Endpunkten . der Randadern sind jetzt dichter und die einzelnen Schuppen ganz ausgefärbt. Im Hinterflügel sind die dunkeln Binden noch mehr mit einander verschmolzen als im Vorderflügel. Binde XI verläuft als schmälerer Streifen an der Flügelwurzel, auf diese folgt ein breiter, schwarzer Bindenkomplex, der, wie die drei dunkeln Flecken, in welchen er sich jenseits der Subcostalis fortsetzt, andeuten, aus den drei Binden X, IX und.VIII besteht. X und IX füllen die ganze Mittelzelle aus, während Binde VIII nur die hintere Hälfte derselben einnimmt. Durch ein schmales Band der Grundfarbe wird dieser Bindenkomplex von einem zweiten, welcher den vorderen Theil der Discoidalzelle einnimmt und aus den Binden VII und VI besteht, ge- trennt. In ihrer Verlängerung in der achten und neunten Randzelle verschmelzen beide Bindenkomplexe und bilden für die oberflächliche Betrachtung einen einzigen großen dunkeln Fleck, welcher die beiden letzten Randzellen des Flügels fast ganz ausfüllt. Nur wenn wir näher zusehen, zeigt eine feine gelbe Linie in der achten Randzelle die Entstehungsweise dieser dunkeln Fläche an. Binde V besteht aus kleineren und größeren Flecken, welche am Grund einer jeden Randzelle (von der dritten bis neunten) sitzen. Diese Flecken werden von orangefarbigen Schuppen begrenzt, deren Auftreten in die erste Zeit der Zeichnungsentwieklung der Puppen fällt, und noch an Aus- breitung gewinnen. | | Binde IV ist nicht vorhanden, Binde III scheint am vorderen Theil des Flügels mit II verschmolzen, weiter hinten wird sie durch karminrothe Schuppenkomplexe von Binde II getrennt und bildet eine Reihe kleiner Flecken. Die Randbinden II und I sind ‚namentlich Unters. über die Entw. der Zeichnung des Schmetterlingsflügels ete. 27 am hinteren Flügeltheil sehr kräftig‘,entwickelt. Anfangs sind die beiden Binden durch einen orangefarbigen Streifen von einander getrennt, allein schon in der fünften Randzelle vereinigen sie sich zu einer breiten Zackenbinde. Die weiteren Veränderungen, welche im Vorderflügel noch vor sich gehen, ehe der Schmetterling die Puppenhülle verlässt, geben dem Flügel kein wesentlich verschiedenes Aussehen mehr. Die ein- zelnen Binden verlängern sich bis zum Vorderrand und werden auch zum Theil etwas breiter. Der Vorderrand selbst wird dunkel be- stäubt, eben so die meisten Flügelrippen, so dass eine förmliche Viereekszeichnung zu Stande kommt. Die weiter oben erwähnte Verbindung der VII. Binde mit dem dunkeln Fleck in der sechsten Randzelle wird hergestellt durch die Beschuppung des ersten Median- aderastes, es steht jedoch auch Binde VIII mit diesem Fleck in Ver- bindung. Am Vorderrand tritt nahezu vollkommene Verschmelzung der Binden I, II und Il ein, die sich jetzt auch betreffs ihres Farben- tones in keiner Weise mehr von den übrigen Binden unterscheiden. Auch im Hinterflügel vollziehen sich die Veränderungen der Zeichnung in ähnlicher Weise, sie bestehen auch hier hauptsächlich in einer Zunahme der dunkeln Schuppen. Die Grundfarbe erhält am Ende der Entwicklung der Flügel- zeichnung in beiden Flügeln einen ziemlich viel helleren Ton als am Anfang derselben, eine Veränderung, die durch die Entfaltung des Flügels bewirkt wird. Fassen wir die wichtigsten Punkte in der Entwicklung der Flügelzeichnung von Thais polyxena zusammen, so ergiebt sich fol- sende Übersicht: 1) Ehe sich bei Thais polyxena die bleibende Zeichnung anlegt, kommt eine primitive Farbenvertheilung auf dem Flügel zu Stande, die mit dem Tracheenverlauf in enger Beziehung steht, aus orangegelben und karminrothen Schuppen besteht und den Eindruck einer Zackenzeichnung macht. 2) Die ersten Andeutungen der bleibenden Zeichnung erscheinen in einer Differenzirung der Grundfarbe im Vorderflügel und zwar legen sich die Binden der Mittelzelle zuerst in Form von helleren Streifen an. 3) Die später erscheinende dunkle Beschuppung dieser Binden verbreitet sich von innen nach außen. 4) Im Gegensatz zu den Papilionen findet sich bei Thais polyxena stets der mittlere Theil der Binden, d. h. der in der Mittelzelle 38 M. v. Linden, gelegene Abschnitt derselben am frühesten ausgefärbt; darauf folgen die hinteren und zuletzt die vorderen Abschnitte. Die Randbinden zeigen von Anfang an eine vollkommen gleich- mäßige Beschuppung. 5) Die Binden von Thais polyxena verlaufen nicht in gerader Linie, sondern im Ziekzack über die Flügelfläche. Besonders gilt diese Beobachtung für die Randbinden. 6) Die Bindenzahl im Hinterflügel von Thais ist eine größere ‚als bei Papilio podalirius oder machaon. Seine Zeichnung legt sich wohl etwas später an als im Vorderflügel, ist aber dennoch bälder vollendet. 7) Die Beschuppung der Rippen ist bei Thais viel bedeutender als bei podalirius und machaon. Aus der Zusammenfassung ist zu ersehen, dass Thais polyxena in Bezug auf die Entwicklung ihrer Flügelzeichnung Verhältnisse aufweist, die weder mit der Ontogenie der machaon- noch der poda- lirius-Zeichnung große Ähnlichkeit besitzen und es ist schwer das Zustandekommen der Eigenthümlichkeiten der Thaiszeichnung durch die für die anderen Papilioniden gültigen Zeichnungsgesetze zu erklären. Die fleckige Anlage der bleibenden Zeichnung und der zickzack- förmige Verlauf der Binden lassen neben der ausgesprochenen Ader- beschuppung auf eine sehr abgeänderte Zeichnungsform schließen, die entschieden einen Vanessa-Charakter trägt. Jedenfalls dürfen wir annehmen, dass die erste Zeichnung durch den Verlauf der Tracheen bedingt wird, und es ist von großem Interesse, dass gerade ein Theil dieser Zeichnung in das bleibende Muster übergeht und dadurch das Zustandekommen der letzteren physiologisch begründet. Das Studium der Ontogenie verwandter Formen dürfte uns für die letzen Ursachen der Zeichnung noch weitere Anhaltspunkte geben, und möglicher- weise die Kluft überbrücken, welche jetzt noch zwischen der Thais- zeichnung und derjenigen des Segelfalter und Schwalbenschwanzes besteht. Entwicklung der Flügelzeichnung in der Puppe von Vanessa levana. Die Puppen von V. levana, welche ich zu diesen Untersuchungen verwendet habe, befanden sich zuerst mehrere Wochen hindurch im kalten Gang, in der letzten Zeit der Puppenruhe setzte ich sie auf Unters. über die Entw. der Zeichnung des Schmetterlingsflügels ete. 29 dem Paraffinofen einer Temperatur von ca. 30° C. aus. Die Puppen, welche hier zum Ausschlüpfen kamen, ergaben ihrer Zeichnung nach ein Gemisch von Faltern des levana-, prorsa- und porima-Typus. Noch ehe Schuppen auf dem Puppenflügel von V. levana auf- treten, finden wir, wie bei P. podalirius und mehr noch bei Thais polyxena rothe und gelbe Farbstoffe in den Flügelmembranen abge- lagert. Das rothe Pigment war besonders reichlich an der Flügel- wurzel und am Vorderrand des Flügels angehäuft, der gelbe Farb- stoff war mehr gleichmäßig auf der Flügelfläche vertheilt. An man- chen Stellen des Flügels waren größere gelbe Fetttropfen ähnliche Gebilde zu beobachten. Die nächsten Entwicklungsstufen der Flügel, in welchen die Beschuppung schon vollendet ist, geben ein besseres Bild über die Vertheilung des rothen und gelben Farbstoffes. In diesem vorgerückteren Stadium erscheint uns der der Puppenhülle entnommene Flügel weißlich, bei geeigneter Beleuchtung seideglänzend. In absolutem Alkohol wird er bald röthlich gelb, und behält diese Farbe, in venetianischem Terpentin eingebettet, bei. Die Schuppen sind jetzt noch vollkommen farblos und durchsichtig, so dass die Färbung des Flügels allein durch die erwähnten rothen und gelben Pigment- körner hervorgerufen wird, welche jetzt die Basis der Schuppen rinsförmig umgeben. Die Pigmentzüge folgen somit genau den Schuppenreihen. An einzelnen Flügelstellen befinden sich in der Umgebung der Schuppen hauptsächlich rothe, an anderen vor- wiegend gelbe Farbstoffkörner, wieder an anderen sind endlich beide Pigmentarten gleichzeitig vertreten. Im Allgemeinen ist das helle Pigment gleichmäßiger über die Flügelfläche vertheilt als das rothe. Dies letztere findet sich besonders an der Flügelwurzel im Gebiet der Mittelzelle unterhalb der Subcostalader, auf der letzten Hälfte des Vorderrandes an den Gabelungsstellen der Flügelrippen und an deren Endisungen am Flügelrand (Seitenrand, Eımer). Überhaupt vorzüg- lich an denjenigen Stellen, wo später die schwarzen Flecken und Binden auftreten. Auch in der Mitte der sechs Seitenrand- zellen beobachten wir helle z. Th. in der zweiten, dritten und vierten Zelle von Anhäufungen rothen Pigments begrenzte Stellen. Zwei weitere helle Flecke sind in der dritten Vorderrand- und der Gabelzelle zu sehen. Diese beiden Fleeke, sowie der Fleck in der ersten Seitenrandzelle entsprechen den hellen Punkten in dem Band, das später Binde III von II scheidet. Die übrigen hellen Stellen in den Seitenrandzellen bleiben z. Th. als weiße Flecken in Binde II erhalten. Zum Theil werden sie durch dunkle Schuppen verdeckt. 30 M. v. Linden, Jedenfalls ist dies dieselbe von vAn BEMMELEN bei urticae beobach- tete Fleckenreihe. Im Hinterflügel, in dem sich noch viel weniger Farbstoff ab- gelagert hat, ist das rothe Pigment ebenfalls über die Flügelwurzel, Mittelzelle und den Flügelrand verbreitet. Bei fortschreitender Ent- wicklung der Flügel beobachten wir eine erhebliche Vermehrung des Farbstoffe. Auch die gelben Fetttropfen ähnlichen Gebilde finden sich in größerer Anzahl. Flügelhaut und Schuppen nehmen nun eine hellgelbe Chitinfärbung an, die Schuppen indessen, welche auf Stellen stehen, wo später schwarze Färbung auftritt, erscheinen rauchgrau. In einem weiteren Stadium sehen wir den Hals und die unteren Theile der Schuppen mit mehr oder weniger grobkörnigem gelbgefärbten Gerinnsel angefüllt, das offenbar aus der Flügelhaut eingewandert ist, da in demselben Maße, als sich die Schuppen mit Körnchen anfüllen, der Pigmentreichthum an ihrer Basis abnimmt. Ohne weiter auf histologische Verhältnisse einzugehen, wende ich mich zu derjenigen Stufe der Flügelzeichnung, auf weicher schon eine deutliche Scheidung in verschiedenfarbige Felder beobachtet werden kann. Mit Ausnahme der Wurzel und des Vorderrandes ist die Zeichnung auf der ganzen Flügelfläche scharf ausgesprochen, entspricht jedoch weder in der Art noch in der Vertheilungsweise der Farben derjenigen des fertigen Schmetterlings (vgl. Fig. 15). Es lassen sich neun mehr oder weniger unterbrochene Längsbänder auf dem Vorderflügel unterscheiden, deren Färbung einem hellen Orange-Zinnober entsprechen. Von diesen Bändern liegen 1—3 auf der Flügelspitze und fließen am Hinterrand in ein einziges zusammen. A und 5 liegen rechts und links von der Discoidalader und vereinigen sich unterhalb derselben. 6—9 befinden sich in der Mittelzelle. Von diesen setzen sich 6 und 8 bis zum Hinterrande fort, ohne aber dort zu verschmelzen. In der fünften Seitenrandzelle liest in dem durch Verschmelzung der Bänder 1—3 entstandenen breiteren Bande ein heller Punkt, der deutlich begrenzt ist, und der Lage nach mit dem in früheren Stadien hier beobachteten kleinen hellen Fleck identisch ist. Auch die übrigen früher beschriebenen weißen Flecke in den Zellen des Vorder- und Seitenrandes sind, theilweise wenig- stens, in der zweiten, dritten und vierten Seitenrandzelle noch deut- lich zu erkennen. Auf dem Vorderrand des Flügels befinden sich als Verlängerung der Bänder 4, 5 und 7 zwei viereckige besonders helle Stellen. Die übrigen Felder des Flügels sind mehr oder weniger dicht mit grau Unters. über die Entw. der Zeichnung des Schmetterlingsfllügels ete. 31 erscheinenden Schuppen bedeckt und auch auf den gelben Bändern der Mittelzelle findet sich zerstreute graue Beschuppung. Auf dem Hinterflügel sind sieben rothgelbe Bänder zu unter- scheiden. 1 und 2 bilden die Fortsetzung der auf dem Basaltheil ‚des Vorderflügels verschmolzenen Bänder 1, 2 und 3. Dieselben sind Anfangs zu einem Bande vereinigt, trennen sich aber wieder, um in der Mitte einer jeden Seitenrandzelle einen kreisförmigen Fleck frei zu lassen. Vor und hinter den Flügelrippen sind die Bänder stets verschmolzen. Band 3 des Hinterflügels, welches der Fortsetzung des vierten Bandes im Vorderflügel entsprechen würde, ist zuerst mit 1 und 2 vereinigt, ändert indessen seine Richtung, indem es sich von 1 und 2 lostrennt und mit Band 4 zusammenfließt, welch letz- teres die Verlängerung des fünften Bandes im Vorderflügel darstellt. Band 6 und 7, welche in der Mittelzelle des Vorderflügels liegen, sind im Hinterflügel zu einem einzigen Bande 5 verschmolzen. Das- ‘selbe setzt sich bis zum Hinterrand des Hinterflügels fort und ver- einigst sich hier mit den am Vorderrand und in der Mittelzelle ge- trennt verlaufenden, dann aber verschmolzenen Bändern 6, 7, 8 und 9 des Vorderflügels. Auf den von Bändern freien Theilen der Flügelfläche beobachten wir auch im Hinterflügel mehr oder weniger dichte graue Beschuppung. Die soeben beschriebenen gelbrothen Bänder entsprechen nur zum Theil den später auftretenden schwarzen Binden, weil nicht nur - Stücke von diesen selbst, sondern auch deren gelbe Begrenzungen in ihnen enthalten sind. Die ersten Anlagen der dunkeln Binden des Imago werden durch die graubeschuppten Flecke auf der Flügel- fläche dargestellt. In der mir vorliegenden ziemlich jugendlichen Zeichnungsstufe ist dieselbe am dichtesten an einzelnen Stellen in der Mittelzelle, in der sechsten Seitenrandzelle und am Grunde der übrigen Seitenrandzellen. Auf dem Vorderrand finden wir im Bereich der später auftretenden Binden I und III nur vereinzelte graue Schuppenkomplexe Dadurch nun, dass diese grauen Schuppen ‚dichter werden, und die gelbrothen mehr und mehr überdecken, er- fahren die gelbrothen Bänder an verschiedenen Stellen Unterbrechun- sen, während die dunkeln Binden im selben Maß zusammenhängender werden. In Fig. 16 lassen sich aufdem Vorderflügel bereits elf schwarze Binden erkennen, welche, wie der Vergleich mit der Zeichnung von Papilio podalirius ergiebt, mit den von Eımer bei Papilioniden auf- geführten der Lage nach identisch sind. Die Binden ziehen nicht 392 M. v. Linden, fortlaufend über die ganze Flügelfläche, sie sind vielmehr durch die Flügelrippen besonders in der Wurzelgegend auf größere Strecken unterbrochen. Am dunkelsten sind die Binden XI—IV, von welchen sechs innerhalb, zwei außerhalb der Mittelzelle liegen. Binde XI füllt den von Subeostalis und Mediana gebildeten Winkel aus, setzt sich nach unten in der sechsten und siebenten Seitenrandzelle fort und ist nach oben durch einen kleineren Fleck in dem zwischen Costalis und Subcostalis und einem großen zwischen Vorderrand und Costalis verlängert. Binde X bildet einen fast kreisrunden Fleck innerhalb der Mittelzelle und ist seitlich durch schmale gelbe Bänder, oben durch die mit ihr verschmelzenden Binden XI und IX, unten durch die Mediana begrenzt. Ihre Verlängerung in den Seitenrand- zellen verschmilzt mit der Fortsetzung von XI, eben so scheint der dunkle Fleck in dem Felde zwischen Vorderrand und Costalis nicht nur der Binde XI, sondern auch Binde X anzugehören. Die in der Mitte der Discoidalzelle stark verengte Binde IX setzt sich in die Seitenrandzellen sechs und sieben fort, und verschmilzt in Seitenrandzelle sieben mit XI und X. Die Binde VIII, welche unter- halb der Abzweigung der ersten Subeostalader entspringt, ist von keil- förmiger Gestalt und mit ihrer Spitze der Mediana zugekehrt. Die schwarzen Schuppen sind auf ihr noch spärlich vertheilt. In ihrer Verlängerung trifft diese Binde innerhalb der Seitenrandzellen mit Binde IX zusammen. Auch zwischen Vorderrand und Costalis, Costalis una Subcostalis finden sich dunkle Streifen, die andeuten, dass die Bin- den VIII und IX auch am Vorderrand verschmelzen. Binde VII ist, so weit sie in der Mittelzelle verläuft, ebenfalls keilförmig gestaltet, kehrt aber die Spitze nach oben; die schwarze Beschuppung ist wenig dieht, einen dunkleren Ton zeigt die Binde in ihrer Verlängerung nach dem Hinterrande des Flügels. Diese Fortsetzung wird durch den ersten Ast der Mediana in zwei Theile zerlegt, von denen der eine kleinere im inneren, der andere von der Submediana begrenzte im äußeren Winkel der Medianader und ihres Astes zu liegen kommt. Die obere Begrenzung des kleineren Fleckes wird durch den an dieser Stelle abzweigenden dritten Medianaderast gebildet. Eine Fortsetzung dieser Binde nach der siebenten Seitenrandzelle und dem Vorderrand ist nicht vorhanden. Binde VI bildet die innere Begren- zung der Discocellularadern und berührt mit ihrem oberen Ende die Abzweigungsstelle von oberer Discocellularader und Subcostalis, mit ihrem unteren den Verzweigungspunkt von unterer Discocellu- larader und dem dritten Ast der Costalis. Eine durch wenige graue Unters. über die Entw. der Zeichnung des Schmetterlingsflügels ete.. 33 Schuppen angedeutete Verlängerung der Binde bis zur Abzweigung der ersten Vorderrandader bezeichnet ihre spätere Gestalt. Binde V begrenzt die Discocellularadern nach außen. Die Fortsetzung dieser beiden Binden V und VI nach dem Vorder- bezw. Hinterrand fällt mit derjenigen von Binde IV zusammen. Binde IV ist am Vorder- rand von der Subecostalis begrenzt (zwischen den Abzweigungen der zweiten und dritten Vorderrandader) und dehnt sich nach hinten bis in die sechste Seitenrandzelle aus. Die Flecken, aus welchen die Binde besteht, sind mehr oder weniger scharf begrenzt, meist unaus- gefärbt und reichen noch nicht von Rippe zu Rippe. Der in der sechsten Seitenrandzelle stehende Fleck ist so weit gegen den Seiten- rand zu gerückt, dass man im Zweifel sein könnte, ob derselbe nicht gleichzeitig der Binde III zugehört. An der dritten Seitenrandader zweigt ein blassgrauer Streifen von Binde IV ab, der nach vorn dunkler werdend in der dritten Vorderrandzelle mit Binde III ver- schmilzt. Binde III und II, welche einen parallelen Verlauf haben, bestehen aus zwei Fleckenreihen, welche mehr oder weniger mit einander verschmolzen sind. Die hellen Kerne, welche durch diese Flecken begrenzt werden, geben die in den Seitenrandzellen zwei, drei und fünf bezeichnenden weißen Randpunkte ab. In Seitenrand- zelle fünf ist die Fortsetzung der Binden III II nur durch dunkelrothe, gelbe und wenige graue Schuppen bezeichnet, welche den hellen Kernfleck umgeben. Es macht den Eindruck als ob am ordern die Binden III II und I ein Stück weit verschmolzen wären, sich dann aber trenn- ten, um in der dritten Vorderrandzelle, der Gabelzelle und der ersten Seitenrandzelle weiße Punkte einzuschließen, welche mit den in Binde III II befindlichen die primitive von VAN BEMMELEN zuerst beobachtete Randfleckenreihe bilden. Binde I, d. h. deren innerer Theil, bildet in den Seitenrandzellen zuerst sichelförmige, dann mehr oder weniger kreisrunde Flecken, und reicht bis in die sechste Seitenrandzelle. Einer dieser Flecke ist bedeutend größer als die anderen (in Seitenrandzelle vier). Der äußere Theil derselben Binde besteht aus einem schmalen hellgrauen Streifen, der längs dem Seiten- rande des Flügels verläuft und in der sechsten Seitenrandzelle mit dem inneren Theil der ersten Binde verschmilzt. Auch in der dritten Vorderrandzelle ist Binde I ungetheilt. Am Vorderrand ist die Fär- bung beider Bindentheile keine sehr dunkle. Auf dem Hinterflügel ist die Zahl der dunkeln Binden eine geringere, wir beobachten nur zehn Binden. Von Binde I ist nur der Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXV. Bd. 3 34 M. v. Linden, innere Theil angelegt und die Binden IX und VIII sind zu einer einzigen verschmolzen. Von diesen zehn Binden liegen fünf in der Mittelzelle, fünf auf der Flügelspitze. Binde XI befindet sich wie im Vorderflügel im Gabelungswinkel der Subeostalis und der Mediana. Dieselbe verbindet sich an dem zwischen Costalis und Subeostalis gelegenen Feld mit der Verlängerung von Binde X. Binde IX und VIII dehnen sich gemeinsam verlaufend nach vorn in das Feld zwi- schen Costalis und Subeostalis, nach hinten liest in der achten Rand- zelle ein dieser Binde im Oberflügel zugehörender, im Gabelungs- winkel des ersten und zweiten Medianaderastes befindlicher dunkler Fleck, fehlt indessen in diesem Entwicklungsstadium. Während im Vorderflügel die dieser Binde entsprechende Binde VII von der Binde VI durch ein ziemlich breites gelbrothes Band getrennt ist, wird der die beiden Binden trennende Zwischenraum im Hinter- flügel so klein, dass dieselben bei geringer Verbreiterung verschmelzen müssen. Diese Abweichung ist dadurch bedingt, dass die Gestalt der Mittelzelle in Vorder- und Hinterflügel sehr verschieden ist. Während im Vorderflügel die die Mittelzelle begrenzenden Disco- cellularadern fast senkrecht zur Mediana stehen, bilden sie mit der- selben im Hinterflügel einen sehr spitzen Winkel, so dass das bis zur vorderen Discocellularader reichende Stück der Subecostalis viel kürzer und die Fläche der Mittelzelle kleiner wird. Eine dünne graue Bestäubung an der inneren Grenze der Discocellularadern deutet die Binde VI an. Noch weniger fortgeschritten ist die schwarze Be- ‚schuppung der Binde V, welche an der äußeren Begrenzung der- selben Adern verläuft und in diesem Stadium der Entwieklung aus kleinen Anhäufungen dunkler Schuppen in den Gabelungswinkeln der Randadern besteht. Binde IV beschreibt denselben Weg wie die entsprechende Binde im Vorderflügel und setzt sich aus sieben grauen Punkten zusammen. In Randzelle sechs fehlt der entsprechende Bindenpunkt, in sieben ist er schwach angedeutet. Der dunkle Fleck in Randzelle acht ist, wie es im Vorderflügel zu beobachten war, größer als die vorher- gehenden und steht der Binde III ziemlich nah. Die Binden III II verlaufen auch im Hinterflügel in zwei getrennten Fleckenreihen. Die zwischen jedem dieser nahe zusammenstehenden Punktpaare befind- lichen Kernflecken sind aber nicht heller, sondern dunkler als die Grundfarbe des Flügels. In der sechsten Randzelle fehlt die Fort- setzung der Binde, in Randzelle sieben und acht sind die Flecken- ‚paare zu je einem Punkt verschmolzen. Die erste Binde des Hinter- Unters. über die Entw. der Zeichnung des Schmetterlingsflügels ete. 35 flügels entspricht ihrer Lage und der Gestalt der sie bildenden Punkte nach dem inneren Theil der Binde I des Vorderflügels. Ihre dunkle Beschuppung ist noch sehr dünn, am deutlichsten erscheinen die halbmondförmigen Flecke in der siebenten und achten Randzelle. Wenn wir auf dieser Entwicklungsstufe von Vanessa levana die Zeich- nung des Vorderflügels mit derjenigen des Hinterflügels vergleichen, so muss die Übereinstimmung der vorhandenen Binden beider Flügel sowohl was deren Lage in Bezug auf die Flügelrippen, als auch was ihren Verlauf und ihre erste Anlage betrifft, den Schluss nahe legen, dass ursprünglich Vorder- und Hinterflügel ganz gleich ge- zeichnet waren. Da ferner, wie wir gesehen haben, die kleinen Abänderungen in der Zeichnung des Hinterflügels durch die Ver- schiedenheiten der Flügelgestalt erklärt werden können, so sind wir wohl zu der Annahme berechtigt, dass auch die Gestalt der beiden Flügel bei den Vorfahren der Vanessen eine gleiche war und im Laufe der Zeit eine Reihe von Abänderungen durchgemacht hat, von denen ein Theil wenigstens in der Ontogenie seine Wiederholung findet. Durch die Gestaltsunterschiede des Hinterflügels und die dadurch verursachte Verschiebung der Flügelzeichnung lässt sich auch das frühzeitige Verschmelzen einiger Binden im Hinterflügel erklären, das den Eindruck hervorruft, als sei der Hinterflügel in Bezug auf seine Zeichnung dem Vorderflügel bedeutend voran- geeilt, eine Folgerung, der durch das Zurückbleiben der Zeichnung am Flügelrande widersprochen wird. Fig. 17 stellt eine schon erheblich weiter fortgeschrittene Stufe der Flügelzeichnung von Vanessa levana dar. Die dunkeln Binden reichen jetzt bis zum Vorderrand und bilden dort, indem sie zusammen- fließen, einen schmalen schwarzen Randstreifen. Außerdem hat sich die dunkle Beschuppung vielfach auf die Rippen verbreitet. Inner- kalb der Mittelzelle sind die Binden noch deutlich von einander ge- trennt. Binde XI hat sich gegen die Wurzel zu stark verbreitert und ist mit den Verlängerungen von Binde X und IX außerhalb der Mittelzelle verschmolzen, so, dass die ganze Flügelwurzel und circa !/; des Vorderrandes schwarz bestäubt ist. Die Gestalt der Binden X und IX ist wenig verändert. Die Binden haben sich etwas verbreitert und von den sie trennenden gelbrothen Bändern sind nur schmale Streifen übrig geblieben. Binde VII ist viereckig geworden, indem die schwarze Bestäubung an ihrem unteren Theil zugenommen hat. Von Binde VII ist der Kern jetzt vorwiegend schwarz beschuppt, die Ränder sind dagegen noch gelbroth. Binde VI hat sich auf Kosten 3*F 36 M. v. Linden, des sie von VII trennenden hellen Bandes verbreitert und mit den Binden V und IV vereinigt. Binde II II ist ebenfalls breiter ge- worden und mit dem nach ihr abzweigenden Theil der Binde IV fest verschmolzen, so dass die beiden Binden an derjenigen Stelle, wo dieser Zweig in Birde IV übergeht (Seitenrandzelle drei) zusammen- stoßen. Die Doppelpunkte der Binden III II sind paarweise ver- schmolzen, so dass die Binden in der Flügelspitze wenigstens ein fortlaufendes Band darstellen. Helle Punkte sind in der dritten und fünften Seitenrandzelle sehr deutlich sichtbar. Der größere Punkt in der vierten Seitenrandzelle hat sich dagegen bedeutend verkleinert. Binde I ist am Vorderrand mit II verschmolzen und verläuft fast ununterbrochen bis zur zweiten Seitenrandzelle. Von hier an ist sie in Flecken aufgelöst, welche von kreisrunder bezw. sichelförmiger Gestalt sind. An der Flügelspitze und an dem ersten Ast der Gabel- zelle verschmelzen die beiden Theilstücke, aus welchen die Binde besteht, später verlaufen dieselben wieder getrennt. Der äußere Streifen der Binde I ist in seinem vorderen Theil breiter geworden und bildet in den nächsten Flügelzellen sichelförmige Bögen, deren Öffnungen der Flügelwurzel zugekehrt sind. Die Spitzen des Bogens liegen jedes Mal einer Ader an, die größte Biegung desselben fällt in die Mitte des jeweiligen Flügelfeldes. Von der dritten Seitenrandzelle an besteht die Theilbinde aus schmalen durch die Rippen getrennten Längsstreifen. An den Endigungen der Rippen am Seitenrand be- finden sich lange, schwarze Schuppen, welche sich als dunkle Büschel von dem, den Flügel begrenzenden hellen Fransensaum abheben. Ähnliche Veränderungen, wie wir sie in der Zeichnung des Vorderflügels beobachten, haben sich auch in derjenigen des Hinter- flügels vollzogen (Fig. 36). Auch hier hat die schwarze Beschup- pung überall zugenommen. Besonders dehnt sich dieselbe auf Flügel- wurzel, Mittelzelle, Spitze und Seitenrand des Flügels aus. Die Felder des mittleren und unteren Seitenrandes zeigen am meisten helle Färbung. Die Bindensegmente innerhalb der Mittelzelle sind nahezu vollkommen verschmolzen, dasselbe betrifft jene in der achten, neunten und zehnten Seitenrandzelle, so dass wir hier fortlaufende schwarze Querstreifen erhalten, die sich indessen nur bis zur Binde IV erstrecken. Binde V hat sich sehr verbreitert. Binde IV ist am Flügelvorderrand mit Binde III vereinigt; in der 4. Randzelle tren- nen sich dieselben wieder und verlaufen als zwei getrennte Fiecken- reihen bis zum Hinterrand. Binde IV vereinigt sich hier mit Binde V, während Binde III II mit Binde I verschmilzt. Die Theilstüeke der Unters. über die Entw. der Zeichnung des Schmetterlingsflügels ete. 37 ersten Binde sind außerdem am Vorderrand mit einander verbunden, in ihren hinteren Abschnitten zieht die äußere Theilbinde als schmaler Streif dem Seitenrande entlang. Wie auf dem Vorderflügel, so bilden sich auch auf dem Hinterflügel, die an den Rippenenden stehenden Schuppen der Binde I zu längeren dunklen Fransen um. Die eben beschriebene Puppenzeichnung der in größerer Wärme erzogenen Individuen von Vanessa levana stellt eine Entwicklungs- stufe in der Zeichnung des Schmetterlings dar, welche in verschie- dener Hinsicht an die Zeichnung der Vanessa levana var. obscurior erinnert. Die Zeichnung des Puppenflügels ist theils weiter fort- geschritten, theils ursprünglicher als bei der normalen Vanessa levana. So sind z. B. die Bänder, welche die Binden in der Wurzelgegend von einander trennen, bei Vanessa levana schmäler, die Binden also breiter als bei dem vorliegenden Präparat. Auch die Verschmelzung der Theilbinden der Binde I am Seitenrand des Flügels ist bei levana schon vollkommen, eben so die dunkle Bestäubung der Adern. Andererseits sind die Binden V und VI auf dem Puppenflügel fester verschmolzen als auf dem Flügel der normalen Vanessa levana. Die Zeichnung des Hinterflügels erscheint auf dem Puppenflügel weiter fortgeschritten als bei Vanessa levana var. obseurior. Die Verschmel- zung der Theilbinden der ersten Binde entsprechen mehr dem Muster der Vanessa levana var. porima, nur ist bei porima auch schon ein Zusammenfließen der Binden II IM mit IV und V am Vorderrand des Flügels eingetreten, und Binde II II ist zusammenhängend ge- worden. In Bezug auf die Hinterflügelzeichnung nimmt Vanessa levana eine viel tiefere Stufe ein, indem dieselbe nicht viel weiter ent- wickelt ist als auf dem Puppenflügel des vorhergehenden Präparates. Die dunkeln Schuppen stehen allerdings dichter und die Zeichnung wird dadurch ausgesprochener als auf dem Puppenflügel, aber das Zeichnungsmuster ist bei levana so gut wie unverändert ge- blieben. Wir finden bei levana in der Mittelzelle der Hinterflügel die deutlich getrennten Bindensegmente. Der innere Theil der Binde I ist nur angedeutet, der äußere sehr schmal und von dem inneren durch sichelförmige blau erscheinende Schuppenanhäufungen getrennt. Die Flecken der Binden III und IV stehen noch ziemlich weit aus einander und die Adern sind wenig bestäubt. In Fig. 18 ist die Flügelzeichnung einer levana-Puppe dargestellt, die kurz vor dem Ausschlüpfen des Schmetterlings der Puppenhülle entnommen wurde. Die Zeichnung ist auf beiden Flügeln weiter 38 M. v. Linden, fortgeschritten, als beim vorhergehenden Präparat und kommt der Zeichnung von Vanessa levana var. porima sehr nahe. Die Binden sind in der Mittelzelle fast ganz verschmolzen, der schwarze Streif längs des Vorderrandes hat an Breite zugenommen und Binde VII, welche bisher stets in der Entwicklung weit zurückgeblieben war, erstreckt sich jetzt über die ganze Mittelzelle. Binden II Hund I haben sich so sehr verbreitert, dass ein Verschmelzen nahe bevorzu- stehen scheint, die in der Vorderrand-, Gabel-, ersten und zweiten Seitenrandzelle zurückgebliebenen hellen Punkte entsprechen den primitiven weißen Randpunkten. Die hellen Punkte in Seitenrand- zelle drei und fünf sind kleiner geworden, der Randpunkt in Seiten- randzelle vier ist ganz verschwunden. Die Theilstücke der Binde I haben sich nicht nur an der Flügelspitze, sondern auch in der vier- ten Seitenrandzelle vereinigt. Durch das Dichterwerden der Rippen- bestäubung sind die Binden im Allgemeinen zusammenhängender seworden. Binde I, welche bisher nur an der Flügelspitze aus sichelförmigen Flecken zusammengesetzt war, hat sich jetzt auch auf dem Seitenrand in dieser Weise umgebildet. Endlich sei noch erwähnt, dass die dunkeln Schuppenbündel, welche längs des Seiten- randes am Ende der Flügelrippen stehen, länger nnd dichter gewor- den sind. Auch im Hinterflügel (Fig. 185) hat sich die Zeichnung nach derselben Richtung umgebildet, indem die schwarze Beschup- pung im Zunehmen, die gelbrothe im Schwinden begriffen ist. In der Mittelzelle sind die Begrenzungen der Binden nur noch durch Reihen einzelner gelbrother Schuppen bezeichnet. Auf der übrigen Flügelfläche ist die Trennung der Binden am Hinterrand deutlicher seblieben als auf dem Vorderrand. Am hellsten sind immer noch die Randzellen fünf und sechs. Ich habe schon erwähnt, dass die beschriebene Stufe der Puppen- zeichnung von Vanessa levana viel Ahnlichkeit mit der Zeichnung von Vanessa levana var. porima hat. Die Abweichungen, welche die Zeichnung der Vorderflügel aufweist, übersteigt nicht die Grenze individueller Verschiedenheit. Auch bei Vanessa porima besteht die Neigung der Binden, besonders in der Wurzelgegend beider Flügel, zu verschmelzen, auch hier finden wir die Binde VII in der Mittel- zelle des Vorderflügels, welche bei Vanessa levana oft kaum ange- deutet ist, kräftig entwickelt. Auch auf dem Hinterflügel vereinigen sich bei Vanessa levana var. porima die schwarzen Binden in der- selben Weise, wie wir es auf dem Puppenflügel verfolgen können, und selten finden wir eine ausgedehntere schwarze Beschuppung. Unters. über die Entw. der Zeichnung des Schmetterlingsflügels ete. 39 - Nur in einem Punkt zeigen sich besonders die dunkleren Exem- plare der Vanessa levana var. porima, welche schon den Übergang zu prorsa vermitteln, von meinem Präparate verschieden. Bei porima bildet sich nämlich, ob sekundär oder primär müssen die Unter- suchungen an Vanessa prorsa entscheiden, zwischen Binde V und IV des Vorderflügels ein helles weißgelbes Band, das bei dunkeln Exem- plaren der prorsa vollkommen in Weiß übergeht. Diese Verbreite- rung des auch bei den mir vorliegenden Puppenflügeln bestehenden hellen Bandes ist bei Vanessa prorsa von einem vollkommenen Verschmelzen der übrigen Binden begleitet. Die Beschuppung dieses hellen Bandes sowie der hellen Randpunkte im Vorderflügel ist weniger dicht als auf der umgebenden Flügelfläche. Wenn wir die Resultate kurz zusammenfassen, welche aus einer Zusammenstellung ontogenetischer Entwieklungsstufen der Zeichnung von Vanessa levana erhalten werden, so ergiebt sich Folgendes: 1) In den ersten Stadien einer Differenzirung der Flügeloberfläche - finden sich eine Reihe heller Punkte am Flügelseitenrand, die phylogenetisch wichtigen weißen Randpunkte, welche in wechselnder Zahl in der Zeichnung des Imago stehen bleiben. Später tritt eine scharfe Flügelzeichnung auf, welche durch die charakteristische Vertheilung gelbrother Schuppenkomplexe ge- bildet wird. Was uns jetzt als Zeichnung entgegentritt, bildet später die Grundfarbe des Flügels. Die primitiven Binden werden zum sroßen Theil zu Bändern. 2) Die Binden der Imagozeichnung legen sich zuerst in der Mittel- zelle des Flügels an, sind Anfangs dünn grau beschuppt und deutlich von einander getrennt. Von der Mittelzelle aus ver- breitern sich die Bänder nach dem Hinterrand des Flügels und treten zuletzt am Vorderrande auf. 3) Die Verschmelzung der Binden rückt im Allgemeinen von der Flügelwurzel nach der Flügelspitze, bezw.: dem Seitenrand vor. 4) Beim Auftreten dunkler Beschuppung verhalten sich die ver- schiedenen Flügelfelder nicht gleichartig, manche Bänder sind konstant (zwischen Binde IV und V, I und I), andere gehen im Laufe der Entwicklung verloren (Bänder zwischen den Binden XI bisIV). Inder Seitenrandzelle fünf bleibt die gelbe Beschuppung lange Zeit bestehen, eben so in Binde VI. 5) Die Entwicklung der Hinterflügelzeichnung scheint, obwohl die Zeichnungsanlage hier später vollkommen ist als im Vorderflügel, 40 M. v. Linden, der Vorderflügelzeichnung in manchen Punkten vorauszueilen, besonders in so weit es das Verschmelzen von Binden betrifft. Das Verschmelzen der Binden und ihre Verbreiterung geschieht in ganz derselben Weise, wie wir es bei den verschiedenen Varietäten beobachten, welche die Vanessa levana mit Vanessa prorsa verbinden. Eine Umkehrung der levana-Zeichnung in die der prorsa, wie sie von WEISMANN angenommen wird, findet nicht statt (7b). Der schwarze Fleck auf dem weißgelben Band zwischen Binde IV und V der Vorderflügel von Vanessa prorsa ist nichts neu Entstandenes, es ist ein Überrest des Binden- komplexes IV, V, VI, der sich, wenn die porima-Form über- schritten ist, entweder mehr und mehr zurückbildet, oder von vorn herein nicht zur vollkommenen Anlage kommt. Die übrigen hellen Bänder der prorsa und levana entsprechen sich der Lage nach vollkommen. Aus dem Vergleich ontogenetischer und phylogenetischer Zeich- nungsstufen geht ferner hervor, dass in der Aufeinanderfolge der Zeichnungsmuster keineswegs eine Regellosigkeit besteht. Wenn wir auch die Ursachen noch nicht kennen, die es nothwendig machen, dass sich an einer Stelle das Schwarz ausbreitet, während es an einer anderen weißer Beschuppung Platz macht, so lässt die Gleich- ‘ förmigkeit, mit welcher sich diese Umwandlungen auf beiden Flügeln in der Ontogenie wie in der Phylogenie vollziehen, auf das Vor- handensein physiologischer Bedingungen schließen, welche die Zeich- nung in ihrer vor- oder rückschreitenden Entwicklung, geradezu in bestimmte Bahnen zwingen. Es ist mir unverständlich, wie WEISMANN darin eine Regellosigkeit erblicken kann, dass die helle Binde der prorsa im Hinterflügel in ihrem hinteren Theil aus Schwarz, und in ihrem vorderen Theil aus Braungelb entsteht, während die unter- brochene Fleckenbinde des Vorderflügels sich allein aus der braun- selben Grundfarbe entwickelt, ich sehe vielmehr gerade darin, dass auf Vorder- und Hinterflügel an derselben Stelle, wo vorher ein schmäleres helles Band gestanden hat, eine Reduktion der Schuppen- menge ohne Rücksicht auf deren Farbe eintritt, und dass sich diese Erscheinung bei allen Individuen derselben Art in gleicher Weise wiederholt, eine Gesetzmäßigkeit, wie sie nicht besser ausgedrückt werden könnte. In phylogenetischer Hinsicht bestätigen diese Versuche die An- nahme, dass Vanessa levana die ältere Form ist, aus der durch Ver- mittelung der V. levana var. porima die V. prorsa hervorging. > Unters. über die Entw. der Zeichnung des Schmetterlingsflügels ete. 41 Entwicklung der Flügelzeichnung in der Puppe von Vanessa urticae. Wie bei Vanessa levana, so finden sich auch bei Vanessa urticae zwei Arten von Farbstoff in den Membranen des Puppenflügels ein- selagert. Der eine scheint mehr an der Oberfläche zu liegen und ist von graugelber Farbe, der andere befindet sich, so viel aus Total- präparaten zu ersehen ist, in tieferen Schichten, ist in größerer Menge vorhanden und erscheint karminroth gefärbt. Das rothe Pigment überwiegt im Vorderflügel besonders am Vorderrand und in den proximalen Flügeltheilen, während das gelbgraue Pigment vorzüglich in den Seitenrandzellen des Flügels angehäuft ist. Im Hinterflügel ist ausschließlich rother Farbstoff verbreitet, der gelb- sraue wird nur in Spuren in der achten und neunten Randzelle ge- sehen. Wenn wir den Flügel der Puppenhülle entnehmen, so ist er von blassgelber Farbe, wird aber, wie es auch bei Vanessa levana zu verfolgen war, sehr bald, einerlei ob an der Luft gelassen oder in Alkohol gebracht, rosa. Diese Veränderung tritt nicht mehr ein, sobald die rothgelbe Beschuppung ausgebildet ist. Auf dieser Stufe der Puppenentwicklung ist die Flügelfläche noch nicht durch die Körperfarbe der von ihr getragenen Schuppen in verschiedene Felder - getheilt. Eine Musterung, die indessen der Flügelzeichnung des fer- tigen Insektes sehr ähnlich ist, wird für uns sichtbar, wenn wir bei schräg auffallendem Licht den Flügel betrachten. Wir bemerken dann, dass diejenigen Stellen des Flügels, an denen später schwarze Beschuppung auftritt, bläulich schimmern, während diejenigen, welche später gelb gefärbt sind, jetzt rosa erscheinen. Diesem eigen- thümlichen Verhalten der verschiedenen Flügelstellen liegen schr wahrscheinlich Interferenzerscheinungen zu Grunde, welche den Be- weis liefern, dass die Theile der Flügelfläche, welche später durch ihre Farbe von einander abweichen, schon sehr früh Unterschiede in ihrer physikalischen Beschaffenheit aufweisen. Eben so wie bei Vanessa levana beobachten wir, ehe eine bleibende Zeichnung auftritt, eine Musterung des Flügels, die dadurch zu Stande kommt, dass die Grundfarbe an einigen Stellen der Flügelfläche dunk- ler wird, und an anderen heller bleibt (Fig. 19). Noch ehe aber diese Felderung zu Stande kommt, sehen wir in der ersten bis sechsten Seitenrandzelle im Vorderflügel hellere nach außen durch dunklere Flecke begrenzte strichförmige Stellen auftreten, die den Randpunk- ten VAN BEMMELEN’s entsprechen. Die Verdunkelung der Grundfarbe 49 M. v. Linden, an einzelnen Stellen des Flügels geschieht ganz allmählich, und zwar nimmt der Farbenton der entstehenden Bänder von innen nach außen und von hinten nach vorn an Tiefe zu. Bei Vanessa levana hatten sich auf diese Weise neun gelbrothe Bänder entwickelt, bei Vanessa urticae finden sich deren nur vier. Die ersten drei Bänder, welche sämmtlich jenseits der Mediana in einem einzigen breiten Band zu- sammenfließen, entsprechen ihrer Lage nach den Bändern 1, 3 und 6 der Vanessa levana. Dass eines dieser urticae-Bänder durch Ver- einigung mehrerer levana-Bänder entstanden wäre, ist nicht er- sichtlich. Eher ließe sich das sehr breite Band 4 in dieser Weise deuten, welches, wie bei levana Band 7, gerade unterhalb dem Abzweigungspunkt des ersten Medianaderastes gelegen ist und viel- leicht einen Theil des achten Bandes in sich begreift. In dem Ab- schnitt der Bänder 1, 2, 3, wo dieselben zu einem einzigen breiteren Bande vereinigt sind, finden sich zwei hellere Punkte in der vierten und fünften Randzelle, die indessen mit den Randpunkten nicht identisch sind. Im Hinterflügel findet sich ein breites rothgelbes Band an Stelle der getrennt verlaufenden levana-Bänder 1 und 2. | Die von den gelbrothen Schuppen freigelassenen Felder in Hinter- und Vorderflügel sind für die schwarzen Schuppen der blei- benden Zeichnung bestimmt und unterscheiden sich in ihrer Anlage dadurch von levana, dass sie von Anfang an viel schärfer begrenzt sind, und sich in der Folge weder in Gestalt noch Ausdehnung sehr verändern. Aus diesem Grunde ist es verständlich, wenn URECH die Puppenzeichnung von Vanessa urticae als eine dem Imago voll- kommen ähnliche und während der Entwicklung konstant bleibende bezeichnet. In derselben Weise, wie vorher die Verdunkelung der Grund- farbe, so dringt auch die schwarze Beschuppung von innen nach außen und von hinten nach vorn vor (vgl. Fig. 20). Die ersten dunkeln Schuppen beobachten wir im Vorderflügel an der Flügel- wurzel und auf dem hellen Punkt, welcher in Randzelle fünf das selbrothe Band unterbricht. Im Hinterflügel dehnen sich dieselben über die Mittelzelle und den hinteren Theil der achten Randzelle aus. Vereinzelt finden sie sich auch am Grund der ersten und zweiten und in der neunten und zehnten Randzelle. Außer der dunkeln Zeichnung beobachten wir am Seitenrand des Vorder- und Hinterflügels in jeder Randzelle zwei feine, parallel Unters. über die Entw. der Zeichnung des Schmetterlingsflügels ete. 43 verlaufende hellgelbe Streifen. Im nächsten Präparat Fig. 21 unter- scheiden wir im Vorderflügel fünf dunkel beschuppte Flecken, die Bindensegmente darstellen. Die sechste Binde, welche ihrer Lage nach dem Bindenkomplex XI—IX entspricht, reicht von der Flügel- wurzel bis zum ersten Drittel der Mittelzelle. Der folgende lang- sestreckte Fleck, der über der Abzweigung des ersten Medianader- astes liegt und mit Binde VIII identifieirt werden muss, ist mit einem zweiten dunkeln Fleck in der sechsten Randzelle in Bezie- hungen zu setzen, der auch bei Vanessa levana vorkommt, aber dort bedeutend größer ist, als bei urticae. Die auch bei Vanessa levana wenig ausgebildete Binde VII ist hier in ihren hinteren Theilen mit Binde VIII verschmolzen, in ihren vorderen ist sie ganz geschwunden. Von Binde VI ist nur ein schmaler Streif als innere Begrenzung der Diseocellularadern vorhanden, während Binde V so sehr verbreitert ist, dass es den Anschein hat, als ob ein Theil der Binde IV mit ihr verschmolzen wäre. Eine Verlängerung der Binden V VI findet sich in Seitenrandzelle vier und fünf in Gestalt der früher erwähnten, vereinzelt stehenden dunkeln Flecken. Die nächste Binde, welche viel weniger dunkel gefärbt ist, als die vorhergehenden, erscheint als Binde IT I, reicht aber nicht weiter als bis in die zweite Randzelle. Binde I, die nur in ihrem hinteren Abschnitt dunkler gefärbt ist, bildet von der Gabelzelle bis in die letzte Seitenrandzelle eine Reihe kleiner nach außen durch eine gerade Linie begrenzter Bogen- stücke. Keine der dunkeln Binden erreicht bis jetzt den Vorderrand des Flügels, und auch die gelbrothen Bänder tragen an dieser Stelle viel hellere Schuppen. Die oben erwähnten, parallel verlaufenden, ‚hellgelben Linien, welche den Flügelseitenrand begrenzen, sind jetzt zu einem breiteren Streifen verschmolzen. Im Hinterflügel hat sich die dunkle Beschuppung verhältnis- mäßig stärker ausgebildet als im Vorderflügel. Nicht nur, dass - die im vorigen Präparat mit schwarzen Schuppen versehenen Stellen nahezu vollkommen ausgefärbt sind, dieselben lassen sich jetzt auch bis zur rothgelben Binde verfolgen und stehen hier an der Grenze besonders dicht. Wenn wir die so entstandene Zeichnung auf die der Vanessa levana beziehen wollen, so müssen wir die dunkeln ‚Stellen in der Flügelzelle als Komplex der Binden XI—VI, die weniger dicht mit dunkeln Schuppen versehenen Theile des Flügels, welche sich von den Discocellularadern bis zu dem gelbrothen Band ‚erstrecken, als Verschmelzungsprodukt der Binden VI—III bezeichnen. 44 M. v. Linden, Binde II scheint verloren gegangen zu sein, Binde I ist in der zweiten bis achten Randzelle durch dieselben eigenthümlich gestalteten Flecke vertreten, wie im Vorderflügel. Auch im Hinterflügel haben sich die beiden gelben, parallel verlaufenden Begrenzungslinien des Seiten- randes in einen breiteren Streifen verwandelt. Die Veränderungen, welche sich bis zur nächst höheren in Fig. 22 abgebildeten Zeichnungsstufe vollziehen, bestehen in Folgendem: Im Vorderflügel färben sich die Binden gleichmäßig aus und werden breiter und länger, d. h. sie reichen jetzt bis zum Vorderrand, wenn sie auch hier immer noch weniger satt pigmentirt sind. Die Bin- den XI, X, IX, VIII verschmelzen am Hinterrand des Flügels, die erste Binde lässt die Zeichnungselemente, aus denen sie entstanden ist, nicht mehr erkennen, ist gleichmäßig ausgefärbt und viel breiter geworden. Im Hinterflügel besteht bis auf den Vorderrand kein Unter- schied mehr im Ton der schwarzen Binden. Mit Binde I ist dieselbe Veränderung vorgegangen wie im Vorderflügel, das gelbrothe Zwischen- band ist, weil die Binden ihre ursprüngliche Begrenzung überschritten haben, schmäler geworden, hinten ist dieselbe verkürzt, weil sich jetzt auch der Hinterrand mit zahlreichen dunkeln Schuppen be- deckt hat. Im fertigen Flügel Fig. 23 treffen wir dieselben Veränderungen, aber bei dunkleren Varietäten besonders noch in erhöhtem Maße. Das die Binden XI, X, IX und VIII trennende Band ist auf einen schmalen Streif reducirt, ebenso das Band zwischen VI V und II II. Am Hinterrand hat sich die dunkle Beschuppung bis zum Ende der Binde I, die weiter nach innen gerückt ist, verlängert, so dass der Hinterrand des Flügels nun ebenfalls dunkel gesäumt ist. Am Vorder- rand sind die Binden alle mit einander verschmolzen. Binde HIHI vereinigt sich außerdem mit der sehr verbreiterten Binde I und wird am Vorderrand von jener nur noch durch einen kleinen, hellen Fleck getrennt. Dieser liegt über der Gabelzelle und entspricht möglicher Weise einem der primitiven Randpunkte. Binde I reicht nach außen bis zum Seitenrand. Im Hinterflügel haben sich die dunkeln Schuppen so sehr vermehrt, dass von dem rothgelben Band nur ein kleiner Theil übrig geblieben ist. Die Formen, welche unter dem Einfluss großer Kälte- srade auf die Puppe gezogen werden, zeichnen sich durch noch stärkeres Überhandnehmen schwarzer Beschuppung aus. Es vereinigen sich bei ihnen auch noch die Binden VI, V, IV und IH, H und I und Unters. über die Entw. der Zeichnung des Schmetterlingsflügels ete. 45 erzeugen auf diese Weise die merkwürdige Aberration der ichnusoides. Im Hinterflügel wird das gelbrothe Band durch schwarze Schup- pen vollständig verdeckt. Die Wärme bewirkt umgekehrt heller gefärbte urticae-Formen. Die durch künstliche Wärme und Kälte erzeugten Aberrationen von Vanessa levana und Vanessa urticae verhalten sich somit gerade so wie diejenigen von Papilio podalirius zu Papilio machaon: in beiden Fällen erfährt bei den weniger fortgeschrittenen Formen levana und podalirius die dunkle Beschuppung unter dem Einfluss von höheren Wärmegraden eine Zunahme, während dieselbe bei den in ihrer Flügelzeichnung weiter entwickelten Faltern urticae und machaon unter denselben äußeren Verhältnissen eine Reduk- tion erleidet. Auch in manchen Punkten, in welchen sich die Entwicklung der Flügelzeichnung während des Puppenlebens von Vanessa levana und urticae unterscheidet, bilden die beiden Vanessen, wie aus der fol- senden Zusammenstellung zu ersehen ist, eine Parallelreihe zu poda- lirius und machaon. 1) Die urtieae-Zeichnung weicht dadurch von der der levana ab, dass sie schon in jungen Stadien sehr scharf begrenzt ist. 2) Es treten von Anfang an weniger Binden auf und diese ver- schmelzen noch zum Theil im Laufe der Entwicklung. 3) Die Binden bei urticae sind bis auf die Wurzel- und die äußerste Randbinde viel kürzer als bei levana und müssen fast als langgestreckte Flecken bezeichnet werden. 4) Bei urticae ist außer dem hellen Fleck am Vorderrand des Flügels keiner der primitiven Randpunkte übrig geblieben. Die gemeinsamen Eigenschaften, welche die Puppenzeichnung beider Vanessen aufweist, sind kurz zusammengefasst folgende: 1) Die primitivste Flügelzeichnung besteht aus hellen, dunkel be- srenzten Randflecken. 2) Beide Flügel sind, ehe die dunkeln Schuppen auftreten, ge- mustert, Vanessa urticae deutlicher als Vanessa levana. 3) Die dunkeln Schuppen verbreiten sich von hinten nach vorn und von innen nach außen. 4) Bei beiden Arten kann eine Vermehrung dunkler Schuppen eintreten, jedoch unter, wie früher erwähnt, verschiedenen äußeren Einflüssen. 46 M. v. Linden, Allgemeine Zusammenfassung. Es war der Zweck dieser Arbeit endgültig festzustellen: 1) Ist die Zeichnungsanlage auf den Flügeln in der Schmetter- lingspuppe eine von Anfang an der fertigen Zeichnung entsprechende, oder aber sind ihre Anfänge von dieser verschieden, mit anderen Worten: erscheint die imaginale Zeichnung der Schmetterlinge plötz- lich, oder entwickelt sich dieselbe ganz allmählich ? 2) Lassen sich zwischen der Ontogenie der Flügelzeichnung und zwischen ihrer phylogenetischen Entwicklung, wie sie durch EIMER bei den Papilioniden beschrieben worden ist, Beziehungen aufstellen, welche die Eımer’schen Zeichnungsgesetze bestätigen und den Forde- rungen des biogenetischen Gesetzes entsprechen ? 3) Kommen bei der ontogenetischen Entwicklung der Flügel- zeichnung bestimmte Entwicklungsrichtungen zum Ausdruck, sowohl was Zeichnung als was Farbenfolge anlangt? Bezüglich der ersten Frage zeigen die Untersuchungen, dass sich die Schmetterlingszeichnung ganz allgemein aus einer Reihe von Elementen zusammensetzt, welche im Laufe der Puppenentwicklung nach einander entstehen und sich erst kurze Zeit vor dem Aus- schlüpfen des Falters zur Imaginalzeichnung vereinigen. Es bestä- tigen sich somit die Angaben SCHÄFFER’S und VAN BEMMELEN’S gegenüber der Behauptung URECH’s. Diese allmähliche Entwicklung der Zeichnung prägt sich am deutlichsten bei denjenigen Formen aus, die phylogenetisch als weniger fortgeschritten zu betrachten sind. Alle Falter, welche schon auf einer höheren Entwicklungsstufe stehen, zeigen frühzeitig eine Musterung der Flügelfläche, welche große Ähnlichkeit mit der ferti- gen Zeichnung hat und zum Theil wenigstens durch die verschieden- artige physikalische Beschaffenheit der Schuppen hervorgerufen wird. Diese erste Flügelmusterung bringt nur die Gattungsmerkmale, nicht aber Artkennzeichen der Falter zum Ausdruck. Sämmtliche Ergebnisse weisen darauf hin, dass die Flügelzeich- nung in der Schmetterlingspuppe im Laufe der Zeit Umwandlungen erleidet, welche die Zeichnungsgesetze EIMER's und die von ihm darauf gegründeten verwandtschaftlichen Beziehungen der Papilioni- den auf das schönste bestätigen. Die Untersuchungsergebnisse be- weisen ferner, dass die Forderungen des biogenetischen Gesetzes auch durch das Puppenstadium der Schmetterlinge bestätigt werden. Unters. über die Entw. der Zeichnung des Schmetterlingsflügels etc. 47 Im Einzelnen fand sich: 1) Dass zwischen Grundfarbe und Zeichnung ein durch ihr zeitlich getrenntes Auftreten bedingter Unterschied zu machen ist. 2) Längszeichnung stellt in der Ontogenie wie in der Phylogenie die niederste Entwicklungsstufe dar. Zu allererst treten schmale Längsbinden auf (vgl. Papilio podalirius Fig. 1, 2). Diese können später seitlich verschmelzen, in Flecke zerfallen, und sich schließlich zu einer Querzeichnung verbinden. Es ist anzunehmen, dass bei den ursprünglichsten Falterformen, den Ahnen, z. B. der podalirius-Gruppe, eine noch größere Bindenzahl bestanden hat, als durch EImEr für die heute lebenden Formen gefunden wurde. 3) Die Imaginalzeichnung des Papilio podalirius durchläuft in ihrer Entwicklung die alebion- und glycerion- Stufe, ein Beweis für die Entstehung der Arten durch Genepistase. Unter den Vanessen fand ich bei Vanessa levana die primitivste Zeichnungsform, hier ist Längszeichnung noch am deutlichsten aus- geprägt, die Bindenreste sind noch am längsten. V. urticae und polychloros zeigen statt der Längsbinden Flecken, die auf eine von hinten nach vorn sich vollziehende Bindenverkürzung zurückzu- führen sind. 4) Die Ausfärbung des Flügels und das Verschmelzen von Binden vollzieht sich auf der Flügelfläche in den meisten Fällen von hinten nach vorn und von innen nach außen. Flügelrand und Flügelrippen erhalten in allen Fällen ihre definitive Färbung zu allerletzt. 5) Wir beobachten in der Mehrzahl der Fälle, dass der Hinter- flügel dem Vorderflügel in der Entwicklung der Zeichnung voraus eilt, dasselbe gilt für die Oberseite beider Flügel gegenüber ihrer Unterseite. 6) Die Lage und der Verlauf der Binden ist von der Gestalt der Flügel abhängig, was schon daraus hervorgeht, dass die imaginale Zeichnung des Hinterflügels von der des Vorderflügels meistens er- -heblich abweicht, während aus ihrer Ontogenie auf eine ursprünglich gleichartige Zeichnungsanlage zu schließen ist, wie sie heute unter den ‚Neuropteren. bei analoger Flügelform noch erhalten ist: In ein- zelnen. Fällen (Binde V, VI) ist die Lage der Binden von dem Ver- lauf der Tracheen abhängig und verschiedene Beobachtungen lassen mich vermuthen, dass die Entstehung der primitiven Längsstreifung der Schmetterlinge überhaupt auf eine ursprüngliche neuropteren- ähnliehe. Aderung der Flügel zurückgeführt werden muss. Beweise dieser Behauptung werde ich demnächst zu erbringen suchen. 48 M. v. Linden, Aus meinen Ausführungen geht ferner hervor, dass sich die Farbenfolge auf dem Puppenflügel in derselben Weise vollzieht, wie von URECH beobachtet worden ist, in derselben Weise, wie es EIMER auch für die Phylogenie der Schmetterlinge nachgewiesen hat. Zuerst tritt Hellgelb, dann Orange, Karmin, Zinnober, Braunroth und zuletzt Schwarz auf. Blau, welches nur als optische Farbe vorkommt, erscheint natürlich noch später als Schwarz, weil es zu seiner Ent- stehung der dunkelgefärbten Schuppen als Unterlage bedarf. Die Schuppenfarben, deren Ontogenie und deren Wesen ich schon seit Jahren näher studirt habe und worüber ich bald Ein- sehenderes veröffentlichen werde, sind theils durch die Anwesenheit von Farbstoffen, theils durch die Struktur der Schuppen bedingt und wir werden sehen, dass gerade das Zusammenwirken dieser beiden Faktoren die Ursache der beobachteten Gesetzmäßigkeit in der Farbenfolge ist. Je weiter wir überhaupt die Untersuchungen ausdehnen, um so nothwendiger erscheinen die Forderungen der Eımer’schen Theorie: dass die Thiere vermöge ihrer Konstitution nur nach wenig bestimmten Richtungen abändern können, dass das Variiren durch die Einwirkung äußerer Einflüsse auf den Organismus bedingt wird und dass die Arten durch Stehenbleiben der Lebewesen auf einer bestimmten Stufe der Entwicklung durch Genepistase entstehen. Tübingen, im Mai 1898. Litteraturverzeichnis, 1. van BEMMELEN, Über die Entwicklung der Farben und Adern auf den Schmetterlingsflügeln. Tijdschrift der Nederlandsche Dierkundige Ver- eniging. 2. Serie. Deel II. Aplevering 4. | 2. Tu. Eımer, a) Die Artbildung und Verwandtschaft bei den Schmetterlingen. I. u. II. Theil. Jena 1889 u. 1895. b) Orthogenesis der Schmetterlinge, ein Beweis bestimmt gerichteter Entwicklung und Ohnmacht der natürlichen Zuchtwahl bei der Art- bildung. Die Entstehung der Arten. II. Theil. Leipzig 1897. 3. E. HAASE, Untersuchungen über die Mimiery auf Grundlage eines natür- lichen Systems der Papilioniden. Kassel 1891. I. Thl. Entwurf eines natürlichen Systems der Papilioniden. 4. C. SCHÄFFER, Beiträge zur Histologie der Insekten. Zoologische Jahrbücher. Abth. für Anatomie. Bd. IH. 4. Heft, Unters. über die Entw. der Zeichnung des Schmetterlingsflügels ete. 49 5. STANDFUSS, Über die Gründe der Variation und Aberration des Falter- stadiums bei den Schmetterlingen mit Ausblicken auf die Entstehung der Arten. Leipzig 1894. 6. URECH, Beobachtungen über die verschiedenen Schuppenfarben und die zeitl. Suecession ihres Auftretens (Farbenfelderung) auf den Puppenflügel- chen von V. urticae und lo. Zool. Anzeiger Nr. 380. 1891. 7. WEISMANN, a) Studien zur Descendenztheorie. Leipzig 1874. b) Neue Versuche zum Saisondimorphismus der Schmetterlinge. Zool. Jahrbücher. Abth. f. System. 1895. Erklärung der Abbildungen. Auf sämmtlichen Tafeln ist der Vorderflügel mit a, der Hinterflügel mit b bezeichnet. Tafel I. Fig. 1-5. Entwicklung der Zeichnung von Papilio podalirius. Vergröße- rung 3—4fach. Fig. 6—9. Entwicklung der Zeichnung von Papilio machaon. Vergröße- rung 3—4fach. Tafel II. Fig. 10—14. Entwicklung der Zeichnung von Thais polyxena. Vergröße- rung 4—5fach. Fig. 15—18. Entwicklung der Zeichnung von Vanessa levana. Vergröße- rung 6—Tfach. Tafel III. Fig. 19—23. Entwicklung der Zeichnung von Vanessa urticae. Vergröße- rung 4fach. Zu meinem lebhaften Bedauern konnte ich zur Herstellung der Tafeln nur sehr mangelhafte Reproduktionen der Originalzeichnungen zur Verfügung stellen. Da diese Arbeit indessen der französischen Akademie als Preisarbeit einge- reicht worden ist und eine ehrenvolle Erwähnung erhalten hat, so war es auf Grund der Statuten nicht möglich die Originale selbst zurückzuerhalten. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXV. Bd. 4 Über Bau und Farben der Flügelschuppen bei Tagfaltern. Von Dr. M. Baer in Stuttgart. ' (Aus dem zoologischen Institut zu Tübingen.) Den Erörterungen über das Zustandekommen der verschiedenen Schmetterlingsfarben muss eine kurze Beschreibung des feineren Baues der Schmetterlingsschuppen vorausgeschickt werden, denn Färbung und Schuppenstruktur stehen zu einander vielfach in enger Beziehung; ja in vielen Fällen erklärt eben der histologische Bau die Farben- erscheinung der Schuppen. Die Ergebnisse meiner histologischen Untersuchungen stimmen im Allgemeinen mit denjenigen früherer Untersucher, wie MAYER u. A. überein. Danach besteht die Schuppe in der Hauptsache aus zwei Schichten, einer oberen, im Vergleich zur folgenden dieken Chitin- platte mit den Schuppenskulpturen und einer unteren, dünnen, zar- ten, durchaus homogen erscheinenden Schicht, welche der Schuppen- unterseite ein glattes oder höchstens leicht runzeliges Aussehen verleiht. MAYER nennt diese Schicht »Plasmahaut«. Ob beide Schichten ihrer stofflichen Zusammensetzung nach verschieden sind, d.h. Chitin- bildung bloß an der Schuppenoberseite stattgefunden hat, während die Schuppenunterseite ihre protoplasmatische Natur beibehielt, erscheint mit Rücksicht auf die Entwicklung der Schuppe aus einer Ausstülpung der oberen Wand einer Epi-(Hypo-)dermiszelle immerhin fraglich, denn es leuchtet nicht ohne Weiteres ein, wesshalb nicht auch an der der Flügelhaut zugekehrten Seite dieses Zellfortsatzes, also der Schuppenunterseite, Chitinbildung stattfinden sollte. Ich werde dess- halb in der Folge für diese Schicht statt »Plasmahaut« die Benen- nung »basale Lamelle« gebrauchen. Über Bau und Farben der Flügelschuppen bei Tagfaltern. 51 Sicher ist, dass diese Lamelle niemals pigmentirt, sondern stets glashell und homogen erscheint. | Die Skulpturformen sind außerordentlich mannigfaltig. Es soll darauf — so weit dies für unsere Zwecke nöthig erscheint — bei der Einzelbeschreibung der verschiedenen Schuppen eingegangen und hier nur einiges Allgemeine darüber angeführt werden: bekanntlich zeigen die meisten Schuppen von der Fläche gesehen Längsstreifung; nicht selten sind die Längsstreifen unter sich wieder durch Quer- streifen verbunden, so dass die Schuppenoberfläche gefeldert aussieht. Das gestreifte Aussehen wird hervorgerufen durch mehr oder weniger hohe Chitinleisten oder Rollen, welche auf guten Querschnitten als zierliche, bald stumpf abgerundete, bald zugespitzte Zähnchen über die Chitinplatte hervorragen, ein Bild, das lebhaft an die Zähnelung eines Uhrrädchens erinnert. Mit sehr starken Vergrößerungen betrachtet, lösen sich die Leisten häufig in dichtgestellte, in regelmäßigen Reihen angeordnete Kügel- chen, Knöpfehen, Zäpfchen, Kegelchen oder auch Birnehen auf. Zu- weilen trifft man auch wirkliche Leisten, die auf ihrem Firste einen Besatz kleinster Knöpfchen tragen. In anderen Fällen erscheint die Schuppenoberfläche unregelmäßig zerklüftet, bezüglich mehr oder weniger grob gekörnt. Es soll hier gleich darauf hingewiesen werden, dass in pigmen- tirten Schuppen in der Regel diese Skulpturen die Hauptträger der Pigmente sind. Die eigentliche Chitinplatte ist häufig pigmentfrei oder nur ganz matt getönt. Endlich erkennt man auf Schuppenquerschnitten, dass die Chitin- platte der Länge nach von parallel verlaufenden Kanälchen durch- zogen wird. Dieselben sind dreikantig, eine Kante der Schuppen- oberfläche zugewendet, die Basis der Unterseite parallel. Die Färbungen der Schmetterlinge müssen in drei Haupt- gruppen unterschieden werden: Unter die erste Gruppe fallen die echten Farben, d. h. solche, die ein wirkliches, meist in den Schuppen abgelagertes Pigment zur Grundlage haben!. Die zweite Gruppe umfasst die optischen Farben, die zunächst nicht durch Pigmente erzeugt werden, sondern auf Interferenzvorgängen ! Untersuchungen darüber, ob diese Farben reine oder Mischfarben sind, wurden nicht angestellt (vgl. A. 6. MAyER, von dem überhaupt eingehende Untersuchungen über das Wesen der Schmetterlingsfarben gemacht worden sind, welche ich aber hier nicht näher berühren kann). 4*F 52 M. Baer, beruhen. Sie entstehen durch verschiedene Brechung des Lichtes, oder besser durch Verschiebung der im weißen Sonnenlicht enthal- tenen farbigen Strahlen an einander und der daraus hervorgehenden farbigen Zerlegung derselben durch die Schuppen. Dabei ist aber nicht zu vergessen, dass auch bei der Erzeugung dieser Farben- erscheinungen — mit einziger Ausnahme des optischen Weiß (Weiß niederer Ordnung) — wirkliche Pigmente eine gewisse Rolle spielen. Allein die hier in Betracht kommenden Schuppen, bezüglich Schuppen- pigmente, weisen für sich allein ganz andere Farbentöne auf als die mit ihrer Beihilfe erzeugten Interferenzfarben. Sie bilden wesent- lich nur den zum Zustandekommen der Interferenzerscheinungen nöthigen reflektirenden Hintergrund (vgl. hierzu und zum Folgenden auch die WALTER’schen Ausführungen). Dritte Gruppe: Farben, die durch das Zusammenwirken von Farbstoffen und optischen Farben zugleich entstehen, also eine Kom- bination, eine Mischung beider darstellen. I. Pigmentfarben. Diese Gruppe umfasst sämmtliche Farbentöne mit Ausnahme von Blau und Violett, die in allen Fällen als optische Farbe auf- treten, sowie des größten Theils der grünen und eben so eines Theils der weißen und schwarzen Farben. Die Pigmente sind entweder diffus oder körnig. Im ersten Falle ist das Chitin als solches ge- färbt, im letzten Falle sind Pigmentkörner in dasselbe eingelagert. Im großen Ganzen kommen körnige Pigmente seltener zur Beob- achtung. Es handelt sich dabei fast regelmäßig um satte Färbungen der Einzelschuppen, wie sie besonders bei den Pieriden vorkommen, bei denen die Beschuppung weit weniger dicht ist als bei anderen Familien, dem entsprechend die Einzelschuppen viel satter gefärbt sein müssen, wenn die Gesammtwirkung eine kräftige sein soll. Es fällt übrigens dem Untersucher häufig recht schwer, zu entscheiden, ob er wirklich körniges Pigment vor sich hat, oder die körnige Be- schaffenheit nur durch sehr satte aber diffuse Färbung körniger Skulpturen vorgetäuscht wird. IA. Diffuse Pigmente. Die Einzelschuppen (mit Ausnahme wiederum der Pieriden) sind in der Regel nur sehr wenig gefärbt, häufig nur matt getönt. Die satten Färbungen, wie sie uns makroskopisch auf den Falterflügeln entgegentreten, kommen zu Stande durch außerordentlich dichte Über Bau und Farben der Flügelschuppen bei Tagfaltern. 53 Über- und Aneinanderlagerung der Schuppen (ef. Farbe des Blutes und der Blutzellen). Hierher gehören: Lehmgelb (von Junonia orithya). Es sind in erster Linie die zu regelmäßigen dichten Längs- und Querstreifen angeordneten Kegel- chen der Schuppenoberfläche, die eine hellgelb — bräunliche Färbung aufweisen. Dieser Farbstoff ist als solcher ausziehbar. Auch bei Catonephele numilia liegt der diffuse matt strohgelbe Farbstoff haupt- sächlich in den sehr zarten körnigen Skulpturen; die eigentliche Chitinplatte ist nur leicht mattgelb getönt. Mattgelb von Delias belisama. Strohgelbes Pigment ausschließ- lich in den Skulpturen. Graubraun von Junonia laomedia. Auch hier sind die Skulp- turen, Längs- und Querstreifen, ausschließlich die Träger des Farb- stoffes. Auffallend satt graubraun gefärbt ist der Schuppenstiel. Das über die Pigmentlagerung Gesagte gilt auch für die Mattbraunen Schuppen von Danais chrysippus, die ocker- braunen Schuppen desselben Falters und die Rostbraunen Schuppen von Vanessa urticae. Bei all diesen Schuppen setzen sich — wie fast überall — die Querstreifen aus Knöpfehen zusammen. Bei Vanessa urticae sind diese Knöpfchen. außerordentlich dicht gestellt, wodurch die Schuppen sehr satt ge- färbt erscheinen. Das Schuppenpigment ist durch heißes Wasser leicht, durch Salzsäure als orangerother Farbstoff ausziehbar, eben so in Salpetersäure ohne Farbenveränderung, während Ammoniak rasch und vollständig scharlachrothes Pigment auszieht. Die Glänzend rothbraunen Schuppen von Catonephele numilia zeigen sehr zierliche, dichte Längsstreifung und zarte Knöpfchen- querreihen. Der hellbraune Farbstoff liegt vorzugsweise aber nicht ausschließlich in den Skulpturen, die Schuppenplatte ist matt getönt und bei genauer Betrachtung sind feine Pigmentkörner von etwas dunklerer Färbung in derselben zu erkennen. Der Glanz wird zweitfel- los durch die feinen Skulpturen hervorgerufen. Auch die Schwarzbraunen Farbentöne beruhen auf wirklichen Farb- stoffen. Dies muss besonders hervorgehoben werden, da es recht schwierig ist, darüber klar zu werden, ob die Töne nicht wenigstens theilweise auf optischem Wege erzeugt werden. Für mich waren ausschlaggebend die häufig frei zwischen den Schuppen gefundenen schwarzbraunen Pigmentschollen. Es sind vor Allem die eigen- thümlich geformten Skulpturen der hier in Betracht kommenden Schuppen, welehe dem Untersucher Zweifel über die Natur der Farbe 54 2 M. Baer, hervorzurufen geeignet sind, wie aus folgenden Beispielen hervor- sehen dürfte. | Dunkelsehwarzbraun von Hebomoia glaueippe. Die Einzel- schuppe erscheint bei schwacher Vergrößerung dunkelgrau mit einem Stich ins Braune; das basale Sechstel ist farblos, der Stiel bräunlich aschgrau. Der Farbstoff ist zweifellos ausschließlich in den Skulp- turen abgelagert. Diese stellen dar: Hohe dachartig zugespitzte Längsstreifen und niedrige konvergirende Querstreifen. Beide tragen auf ihrem Firste regelmäßige Reihen schwarzbrauner Birnehen, und zwar sind — wie an Querschnitten ersichtlich — diejenigen der Querleisten etwas größer als die der Längsleisten. Man erhält nun den Eindruck, dass gerade diese Birnchen die Schuppen als Ganzes in ausgesprochener Weise verdunkeln, gleichsam beschatten; sie bil- den gleichsam eine dünne Schicht schwarzen Staubes über der Schuppenoberfläche. Schwarzbraun von Delias belisama. Die Skulpturen der rauch- braun gefärbten Schuppen stimmen wesentlich mit denjenigen von Hebomoia glaucippe überein, bloß sind die Querstreifen mit ihren Birnehen viel dichter gestellt. w. Ganz die gleichen Einrichtungen liegen auch dem Grau von Delias belisama und D. egialea zu Grunde. Selbst- verständlich stehen hier die Streifen und insbesondere die Birnchen weit weniger dicht. Der Schuppenstiel ist mattgrau gefärbt. Orange (Afterleck von Pap. machaon). Man nimmt zwischen den Schuppen häufig orangerothe Farbstoffschollen wahr. Die Chitin- platte ist mattgelb, die ziemlich hohen Längsleisten und breiten. ge- gitterten Zwischenfelder sind gelbbraun gefärbt. Salpetersäure zieht einen gelben Farbstoff aus, der sich bei Ammoniakzusatz unverändert erhält (ÜRECH). | | Orangeroth von Rhodocera rhamni (Flecken der Vorderflügel- oberseite). Die Chitinplatte ist mattgelb. Die grobkörnigen zu Längs- streifen dicht zusammengelagerten Skulpturen sind gelb gefärbt. Dieser Farbstoff lässt sich mit Salzsäure leicht ausziehen und stellt Harnsäure oder ein Derivat derselben dar (UrecH). In diekeren Lagen ist er orangeroth. Karminroth (Prachtbinde von Papilio antheus).. Die Einzel- schuppen sind ziemlich satt gefärbt. Der Farbstoff, ein wirkliches Karminroth, ist durch Ammoniak leicht ausziehbar. In Salzsäure wird er gelb, geht aber bei Ammoniakzusatz wieder in Roth über. Über Bau und Farben der Flügelschuppen bei Tagfaltern. 55 Es sind die Chitinplatte nur matt, die Skulpturen hingegen, breite Längsreihen kugeliger Körnchen, sehr satt gefärbt. Leuchtend roth von Catagramma pitheas. Die schuhlöffelartig der Länge und Quere nach umgebogenen, zart längs- und quer- sestreiften Schuppen sind diffus fleischroth gefärbt. Die Farbe tritt besonders lebhaft hervor, wo zwei oder mehr Schuppen über einan- der liegen. Ausgezogen erscheint der Farbstoff in diekeren Lagen dunkelorange. Glänzendroth von Callicore marchalii. Rosenrothe längsge- streifte Schuppen. Die Längsstreifen sind aus quergestellten Erhaben- heiten zusammengesetzt. Skulpturen und Platte sind pigmentirt. Rothgold glänzend von Polyommatus virgaureae. Wie allen anderen glänzenden oder leuchtenden Färbungen, so liegen auch dieser zart längs- und quergestreifte Schuppen zu Grunde. Ihre Farbe ist selbbraun oder ockerbraun. Sie ist durch heißes Wasser, leichter durch Salzsäure ausziehbar, eben so durch Ammoniak. Durch Zusatz von koncentrirter Schwefelsäure wird die ammoniakalische Lösung zuerst rosenroth und dann farblos. Braunroth von Junonia orithya. Braunrothes, ausziehbares Pigment in den ziemlich weitgestellten Längsleisten der Schuppen- oberfläche. ‘ Endlich gehört hierher das Weiß höherer Stufe der Pieriden, während die meisten üb- rigen weißen Farben als optische angesehen werden müssen. Aber auch in den weißen Schuppen der Pieriden ist nicht ausschließlich weißes Pigment vorhanden, sondern es handelt sich dabei stets um eine Mischung von weiß und gelb. Im auffallenden Lichte erscheinen die Schuppen milch- oder schneeweiß, im durchfallenden Lichte und eben so in Kanadabalsam eingebettet, mattschwefelgelb. Indessen selinst es bei den meisten Arten durch heißes Wasser, leichter durch Salzsäure, ein weißes krümeliges Pigment, zuweilen für sich allein, häufiger zusammen mit einem gelben Farbstoff zu gewinnen (Üreon). Alle diese Farbstoffe sind — wie URECH nachweist — Harnsäure oder Derivate derselben. Das Pigment hat wiederum hauptsächlich in den Skulpturen seinen Sitz. | IB. Körnige Pigmente fand ich ausschließlich bei Pieriden. Die Pigmentkörner liegen — worauf schon hingewiesen wurde — meist dieht gedrängt in der ganzen Chitinplatte, daher die satte Färbung der Einzelschuppen. 56 M. Baer, Die Skulpturen treten hier häufig zurück oder scheinen vollkommen zu fehlen. Es gehören hierher: Citronengelb von Rhodocera rhamni. Der Farbstoff ist in Wasser löslich und giebt die Murexidprobe (UREcH). Schwefelgelb von Delias egialea. Chromgelb von Delias belisama. Erzeugt durch reichliches strohgelbes Pigment. Rothgelb von Anthocharis nn Pigment löslich in heißem Wasser, Salzsäure und Ammoniak (UREcH) und Gelbroth von Callosune achine. Wie Querschnitte deutlich zeigen, ist bei an Falter die stark hervortretende Längsstreifung der Schuppen auf eine enge Fältelung der ganzen Schuppenplatte zurückzuführen. | Anhangsweise müssen hier einige grüne Färbungen besprochen werden. Es sind dies ein echtes grünes Pigment und das Grün von Anthocharis cardamines. SPULER behauptet, dass Grün nicht auf Pigmentirung beruhe, son- dern stets optische Farbe sei. Dies ist nicht richtig. Man findet nämlich bei Tagfaltern gar nicht selten Grünfärbungen, denen ein grüner Farbstoff zu Grunde liegt. Allein dieser Farbstoff ist niemals in Schuppen abgelagert, sondern es ist stets die Flügelmembran allein grün gefärbt. Schuppen fehlen an solchen Stellen, oder sie sind farblos und durchsichtig. Fehlen die Schuppen, so findet man statt ihrer eine regelmäßige dichte Behaarung vor. Grün gefärbte Schup- pen fand auch ich niemals. Eine Grünfärbung der Flügelmembran wurde gefunden bei Papilio antheus, P. phoreas, P. agamemnon, Colaenis dido und Danais celeona. | Dabei handelt es sich stets um ein helles Grasgrün bis Gelbgrün, das rasch abblasst und in frischem Zustande sich leicht ausziehen lässt. Nach SpuLer’s Angaben hat GRIFFITHS einen in säuerlichen Lösungen grünen Farbstoff in den Schuppen grüner Falter nachgewie- sen und als ein Derivat der Harnsäure von der Formel C,,H>NsO;, analysirt. Ich habe die Schuppen mehrerer dieser Arten unter- sucht und dabei stets gefunden, dass das Grün eine optische Farbe ist. Dieser Befund veranlasste mich, die Angaben von GRIFFITHS selbst nachzulesen, wobei ich fand, dass derselbe nicht die Schuppen für sich allein untersuchte, sondern fraglichen Farbstoff durch Aus- kochen des ganzen Flügels in kochendem Wasser gewann. Es sind nun zwei Möglichkeiten gegeben: Entweder ist auch hier ein grünes Pigment in der Flügelmembran vorhanden, oder aber das in den Über Bau und Farben der Flügelschuppen bei Tagfaltern. 57 grünen Schuppen vorhandene Pigment — meist ein Gelb oder Braun, das bei der Erzeugung des optischen Grün mitbetheiligt ist — geht bei der Behandlung mit Säure in ein wirkliches Grün über. Zum Anstellen von eigenen Versuchen fehlten mir die nöthigen Mengen Materials. Die gelbgrüne Färbung auf der Hinterflügelunterseite von Anthocharis cardamines wurde fälschlich auf echtes grünes Pigment zurückgeführt. Dies ist eben so verfehlt, als wenn man sie auf op- tischem Wege entstanden auffassen wollte. Dieses Grün ist eine reine Mischfarbe, erzeugt durch gleichmäßige Vermischung (Neben- einanderlagerung) satt kanariengelber Schuppen mit schwarzen oder richtiger graubraunen Schuppen. Il. Gruppe. Optische Farben. Es dürfte besonders dem Nichtphysiker recht schwer fallen, zu entscheiden, auf welchen physikalischen Grundlagen die optischen Farben der Schmetterlingsschuppen beruhen. Das Nächstliegende wäre ja anzunehmen, dass in erster Linie die Skulpturen der Schuppen der farbigen Reflexion des weißen Lichtes dienten, dass also die gleichen Verhältnisse gegeben seien, wie sie den Farbenerscheinungen schief geschnittener und fein polirter Perlmutterplättchen oder dem Irisiren von Knöpfen ete. zu Grunde liegen!. Auf diese Weise ließe sich vielleicht die Schillerfarbe einer Apatura u. a. erklären, Farben, die sich mit der Richtung der einfallenden Lichtstrahlen ändern, ja ganz verschwinden, bezüglich einer andern — Pigmentfarbe — Platz machen, — für das Blau zahlreicher Lycaeniden, Morphiden, Papi- lioniden, Ornithopteren und anderer, eben so für das Violett, Grün und andere optische Farben dieser Falter sind die Skulpturen sicher- lieh nicht von Bedeutung; denn 1) findet bei diesen Farben ein eigentlicher Farbenwechsel bei Veränderung der Eipfallsrichtung des Lichtes gar nicht statt, oder wo er stattfindet, erklärt er sich auf ganz andere Weise, und 2) — und darauf hat schon ScHArtz aufmerksam gemacht — fehlen die Skulpturen oder sind nur sehr undeutlich vor- handen bei den prächtigsten optischen Farben, während andererseits bei Schuppen mit den ausgesprochensten und wunderbarsten Skulp- turen von Interferenzerscheinungen keine Rede sein kann. Nach 1 Die Ansicht WALTERr’s, dass es sich in allen diesen Fällen bei den Schmetterlingsfarben um Oberflächenfarben handle, dürfte doch wohl etwas zu weit gehen; er selbst giebt ja auch zu, dass seiner Auffassung das Verschwin- den der Schillerfarben in Benzol und Schwefelkohlenstoff entgegensteht. 58 | M. Baer, meiner Ansicht sind es hauptsächlich »Farben dünner Plättchen«, dann wohl auch »Farben trüber Medien<, mit denen man hier zu rechnen hat; d.h. es wären diese Farben nach dem gleichen Prin- cip zu erklären, wie die Farbenerscheinungen der Seifenblasen oder die optischen Farben der Vogelfedern, das Blau, mit dem sich blanker Stahl in der Hitze überzieht, die Farben verwitterter Gläser ete. Die verschiedenen Farben sind dabei einfach abhängig von der Dicke der durehsichtigen Schicht. Bei gewissen (weißen und silberfarbenen) Schuppen kommen auch Luftschichten in Betracht. Durch trübe durchscheinende Medien vor einem dunklen Hintergrunde entstehen — um auch für »Farben trüber Medien« einige Beispiele anzu- führen — die Farbe blauer Augen, das Blau der Hautvenen u. A. SPULER unterscheidet zweierlei Arten von optischen Farben: solche, die durch die besonderen Verhältnisse einer Schuppe ent- stehen, und solche, zu deren Hervorbringung zwei Schuppen nöthig sind. Ich erkläre mich mit dieser Eintheilung vollkommen einver- standen, zumal ich mich, noch bevor ich SpuLer’s Arbeit gelesen hatte, zur Aufstellung derselben entschlossen hatte. So sind z. B. die Bedingungen für Blaufärbung eine dünne durchsichtige Schicht über einer dunkeln Farbstoffunterlage. Beide Schichten können nun in einer Schuppe vorhanden sein oder aber es entspricht jeder Schicht eine besondere Schuppe. Die verschiedenen optischen Farben sollen wiederum an Bei- spielen des Näheren erörtert werden. IT A. Optische Farben durch eine Schuppe erzeugt. Glänzend blau der Lycäniden (Bithys sichaeus). Man findet hier längsgestreifte Schuppen dachziegelartig über einander gelagert. Ihre Färbung ist auf ein körniges, in der Chitinplatte gelegenes Pigment zurückzuführen; sie ist am sattesten an der Schuppenspitze, um nach der Schuppenbasis hin allmählich in ein mattes Grau überzugehen. Die oberste Chitinschicht ist durchsichtig und farblos. Eine zweite der Flügelhaut aufliegende dunkle Schuppenlage kommt für die Erzeugung des Blau kaum in Betracht. Wird nun das unter- suchte Flügelstück auf dem Objekttisch so gelagert, dass das Licht vom Vorderrande der Schuppe, also vom Seitenrande des Flügels her einfällt, so zeigt bloß das vordere Achtel bis Siebentel der Einzel- schuppe den hellblauen Glanz des Falters, der Rest der Schuppe ist slanzlos dunkeloliv-schwarz. Fällt hingegen das Licht von der Stiel- seite der Schuppe, also in umgekehrter Richtung ein, so erscheint Über Bau und Farben der Flügelschuppen bei Tagfaltern. 59 deren vordere Partie dunkel, die gestielte Basis in hellblauem Glanze. Fällt endlich das Licht vom Seitenrande der Schuppe her auf diese ein, so erscheinen Schuppenspitze und Basis verdunkelt, und bloß die mittlere Schuppenpartie zeigt glänzendes Blau. Diese Erschei- nung erklärt sich einfach daraus, dass die Schuppe in ihrer Längs- und Querrichtung nach unten umgebogen ist, und zwar am aus- sesprochensten in ihrer vorderen Hälfte, so dass ein medianer Längsschnitt einer Schuppe etwa die Form einer Schusterahle auf- weisen würde („——). Hieraus erklären sich auch leicht die ver- schiedenen Farbentöne, welche der Falter bei Betrachtung unter verschiedenem Winkel darbietet. Wesentlich anders liegen die Ver- hältnisse bei dem Schiller-Azurblau von Apatura (iris)!. Die trockenen Schuppen erstrahlen bei schwacher Vergrößerung in einem prachtvoll glänzenden Veilchenblau, vorausgesetzt, dass das Objekt so gelagert ist, dass das Licht so ziemlich von der Stielseite der Schuppe her einfällt, unter einem Winkel von mindestens 45°. Bei veränderter Einfallsrichtung der Lichtstrahlen, sodann — wie alle Interferenzfarben — in Kanadabalsam und im durchfallenden Lichte, verschwindet das Blau und macht der wirklichen Farbe der Schuppe, matt chokoladebraun, Platz. Die Schuppen tragen auf ihrer Ober- fläche dicht gestellte Längsreihen zarter kegelförmiger Chitinhöcker- chen, in denen ausschließlich das diffuse Pigment vorhanden ist. Die untere Schicht der Schuppe ist vollkommen farblos und durch- sichtis. Es liegt also hier die dunkle Pigmentschicht über der durchsichtigen, und desshalb nehme ich, in Übereinstimmung mit SPULER, an, dass die farbige Zerlegung des Lichtes (Schillern) an den Skulpturen erfolgt. Den einfachen optischen Farben muss auch Weiß niederer Stufe zugezählt werden. Untersucht wurde das Weiß von Limenitis sibylla und anderer Falter. Die Schuppen weißer Flügelstellen sind längsgestreift. Sie zeigen im auffallenden -Liehte milchweißen bis mattgelben Glanz, stellenweise auch Perl- mutterfarben, können aber in Kanadabalsam eingebettet nicht mehr aufgefunden werden, der sicherste Beweis dafür, dass sie keinen Farbstoff enthalten?. Dieses Weiß ist also rein optische Farbe. In 1 Ich habe die Schuppen dieses Falters lange und sorgfältig untersucht, ohne dass es mir gelungen wäre, etwas Neues herauszufinden; und doch ver- muthe ich, dass sich zuletzt das Verhalten bei verschiedener Einfallsrichtung der Liehtstrahlen auf ganz einfache Einrichtungen zurückführen lässt. ?2 URECH konnte einen weißlichen Stoff ausziehen, der aber ohne Zweifel der Flügelhaut entstammt. 60 | M. Baer, vielen Fällen wird — wie LEyYDIG nachgewiesen hat — das Weiß und besonders auch das Silberweiß durch eine Luftsehicht innerhalb der Schuppen erzeugt, in anderen Fällen sind es besondere Schichtungs- verhältnisse des Schuppenchitins, welche die Interferenzerscheinung hervorrufen. Schwarz. Ich konnte lange nicht schlüssig darüber werden, zu welchen Farben das Schwarz zu rechnen sei, denn wenn auch in allen schwarz erscheinenden Schuppen ein ausziehbares, meist umberbraunes, zuweilen auch olivenfarbenes oder rauchbraunes Pig- ment nachgewiesen werden kann, so kommen andererseits an den meisten dieser Schuppen gleichzeitig Interferenzerscheinungen zur Beobachtung. Dieser Umstand veranlasst mich, das Schwarz hier zu besprechen!. Alle von mir untersuchten schwarzen Schuppen sind stark skulp- tirt, dicht längsgestreift, oder die Längsstreifen stehen weniger dicht, und dazwischen sind Querreihen kleinster Kügelchen gelegen. Stets sind die Skulpturen am sattesten (dunkel, selbst schwarz) gefärbt. Die Färbung der eigentlichen Chitinplatte ist eine viel mattere honiggelb bis rauchbraun. Dazu kommen bei manchen Faltern, so z. B. bei priamus, dunkle Pigmentkörner. Die Interferenzerschei- nungen dürften richtig auf trübe Medien zurückzuführen sein. IIB. Optische Farben durch zwei verschiedene Schuppen hervorgebracht. Das Silberblau von Papilio asterias (Hinterflügeloberseite) wird durch zwei über einander gelagerte Schuppenarten erzeugt. Die Schuppen der oberen Lage sind längsgestreift und vollkommen durch- sichtig, nur am Stiele mit perlmutterartigem Schimmer; wird nun aber die Unterlage verdunkelt, z. B. durch Berußen der Objektträger- unterseite, oder einfacher durch Abhalten des durchfallenden Lichtes, so erscheinen sie schön blau. Diese dunkle Unterlage wird auf dem Falterflügel durch eine Lage dunkelbrauner Schuppen gebildet (zweite Lage). | Violett von Kallima rumia. Dieses Violett geht unter sehr spitzem Winkel betrachtet in Hellgrau über. An dem Zustande- kommen dieser Farbenerscheinung sind wieder zweierlei Schuppen betheiligt. Eine untere Lage diffus rauchbraun gefärbter Schuppen I SCHATZ, ÜRECH u. A. führen das Schwarz ausschließlich auf Pigmen- tirung des Schuppenchitins zurück. Über Bau und Farben der Flügelschuppen bei Tagfaltern. 61 sehr dieht zusammengedrängt und mit ihren Seitenrändern sich viel- fach überragend, und über derselben in vielfach unterbrochenen Reihen große farblose durchsichtige oder doch stark durchscheinende Schuppen. Diese letzteren sind für die Erzeugung des Violett jeden- falls ausschlaggebend, wenngleich die pigmentirten Schuppen der unteren Lage auch für sich allein an ihrer Oberseite blauvioletten Glanz zeigen. Ein sehr auffälliges Bild bietet die Skulptur beider Schuppenarten: Regelmäßig vierseitige Pyramiden sind, Ecke an Ecke, die Spitze nach oben, zu Längsreihen an einander gereiht, die beiden freien Ecken mit denjenigen der Nachbarreihen durch zarte Querstreifen verbunden. Zu entscheiden, ob nicht auch hier die Skulpturen bei der Erzeugung der Interferenzerscheinungen thätig sind, dürfte sehr schwer sein; diese Annahme darf aber insbesondere für die untere Schuppenlage nicht von vorn herein verneint werden. Das vom Violett der Kallima Gesagte hat im Allgemeinen auch für das Blauviolett einer anderen Nymphalide, Hypolimnas salmaeis Geltung: Große glasige farblose Schuppen in dichter Aneinander- lagerung über braunen Pigmentschuppen, letztere stellenweise mit perlmutterblau glänzender Oberseite. Die Skulpturen der farblosen Schuppen sind hier von denjenigen der Pigmentschuppen verschieden. Bei den ersteren findet man Würfelchen so zusammengelagert, dass je acht zusammen ein Rechteck bilden, bei letzteren Längs- und Querreihen aus Birnchen zusammengereiht. Auch dem Glänzenden Blau der Morphiden (Morpho anaxibia) liegen zweierlei Schuppen zu Grunde: Stark durchscheinende blassröthliche, aber in Kanadabalsam vollkommen unsichtbare Schuppen, welche die gröbste Längsstreifung aufweisen, die überhaupt beobachtet wurde, und unter diesen chokoladebraune fein längs- und quergestreifte Schuppen, deren Querstreifen wiederum aus kleinen Längsleistehen sich zusammensetzen. Aber auch hier tritt uns wieder der Umstand entgegen, dass die Pigmentschuppen mit ihrer Oberseite ein pracht- volles optisches Blau erzeugen. Ob es sich dabei, wie ScHATz ver- muthet, um Interferenz trüber Medien handelt, oder ob diese Schup- pen über dem Pigment mit einer dünnen durchsichtigen Schicht ausgestattet sind, konnte ich nicht entscheiden, doch scheint mir Letzteres wahrscheinlicher. Nun erzeugen ja die Schuppen der oberen Lage auf dunklem Hintergrunde auch für sich allein Farbenerschei- nungen, allein diese Farben sind bei Weitem nicht so lebhaft als die Interferenzfarben der unteren Schuppenlage. Dieser Umstand lässt mich vermuthen, dass die ersteren bloß dazu dienen, die von den 62 | M. Baer, unteren Schuppen ausgehenden Farben zu verstärken, oder ihnen einen bestimmten Farbenton beizumischen, oder dass sie den außer- ordentlich lebhaften Glanz des Falters zu erhöhen bestimmt sind. Ill. Gruppe. Farbenerscheinungen, entstanden durch Kombination von Pigment und optischen Farben. Seidenblau von Papilio ulysses. Über einer dichten Lage längs- gestreifter durch Einlagerung rauchfarbiger Pigmentkörner dunkel- braun gefärbter Schuppen liegen in häufig lückenhaften Reihen roth- gelb bis ziegelroth gefärbte Schuppen, die schon bei fünfzigfacher Vergrößerung grobe gitterförmige Skulpturen erkennen lassen. Das rothe Pigment hat in der Chitinplatte seinen Sitz und verleiht dem Blau dieses Falters den Schimmer ins Grüne. Röthlich-Violett (Callosune jalone). Auf dunkelgrauem Unter- srunde (Schuppen) finden sich zweierlei Schuppen neben einander: die einen — und diese sind in großer Überzahl vorhanden — zeigen so ziemlich das Rothviolett der Flügelspitze und zwischen diese ein- gestreut solche, die ein prachtvolles tiefes Azurblau darbieten. Unter- sucht man zunächst die rothvioletten Schuppen, so überzeugt man sich leicht von dem Vorhandensein unregelmäßig geformter, dicht selagerter Körner von karmin- bis tief rosenrother Farbe; das Violett oder besser das Blau dieser Schuppen ist Interferenzerscheinung. Die azurblau erscheinenden Schuppen sind in ihren tieferen Chitin- schichten vollgepfropft mit groben dunkelgrauen Pigmentkörnern, ihre Oberschicht ist pigmentfrei und glasig. Man hat somit hier eine Farbe, entstanden zunächst durch Mischung rothvioletter und blauer Schuppen. Das Rothviolett stellt eine Kombination von Farbstoff (Roth) mit optischer Farbe (Blau) dar. Das Azurblau kommt in der bekannten Weise, dunkler Untergrund und darüber eine dünne durchsichtige Schicht, zu Stande. Smaragdgrün von priamus. Über der schwarzen Beschuppung, wie sie auf dem ganzen Vorderflügel dieses Falters ausgebreitet sich vorfindet, liegt im Bereiche der grünen Prachtstreifen eine Schicht hochroth orangefarbener, mit sehr zarten aber dicht gestellten Längs- streifen versehener Schuppen. Wie eingebettete Schuppen erkennen lassen, beruht die Rothfärbung auf einem diffusen in dünnen Schichten citronengelben Farbstoff, welcher in allen Chitinschichten der Schuppe sehr gleichmäßig vertheilt ist und nur in der basalen Lamelle zu fehlen scheint. Man hat also hier wie beim Violett der Callosune ein. Zusammenwirken von Farbstoff — Gelb und Interferenzfarbe Blau — Über Bau und Farben der Flügelschuppen bei Tagfaltern. 63 vor sich. Die Ausscheidung der blauen Strahlen aus dem weißen Lichte erfolgt in der gelben Schuppe selbst und zwar muss die Sehuppe als Ganzes, nicht bloß eine bestimmte Schicht derselben, hierbei wirksam sein, denn auf dunklem Grunde zeigt sowohl die Ober- als auch die Unterseite dieser Schuppen das Grün des Falters. Es lag sehr nahe, mit dem Grün des priamus die Prachtfarben seiner beiden Abarten, das glänzende Goldgelb des eroesus und das Graublau der urvilliana zu vergleichen. Dabei stellte sich heraus, das in den hier in Frage kommenden Schuppen beider Abarten als Grundfarbe ganz das gleiche Pigment enthalten ist, wie in denjenigen des priamus. Die Schuppen des croesus erscheinen im durchfallenden Lichte srün, zuweilen mit orangefarbenen Rändern, auf dunkler Unterlage slänzend bronzefarbig; in Kanadabalsam zeigen sie ganz dieselbe Grundfarbe, Citronen-orangegelb, wie die grünen Schuppen des Pri- amus. Die Schuppen der urvilliana sind im durchfallenden Lichte soldgelb, auf dunklem Untergrunde, also im auffallenden Lichte slänzend graublau, in Balsam eingebettet wiederum gelb wie die der beiden anderen Falter, nur ist die Farbe nicht so satt wie bei jenen. Frägt man sich nun, worauf die Verschiedenheit dieser Farbenerschei- nungen zurückzuführen sei, so muss es zunächst die verschiedene Dieke der Schuppen sein, welche sie bedingt, bei croesus und ur- _ villiana kommt hierzu aber noch etwas Anderes (ef. unten). Die geringste Schuppendicke kommt dem Gelb des croesus zu, hierauf folgt das Grün des priamus, dem sich dann das Blau der urvilliana anschließt. Unter spitzem Winkel betrachtet, geht das Grün des priamus und das Blau der urvilliana in die Grundfarbe bezüglich in Kupferfarbe über. Das Goldgelb auf den Vorderflügeln des eroesus in ein grün- lickes Grau. Diese Erscheinung beruht wiederum auf einer vor- handenen Umbiesung der Schuppen in ihrer Längs- und Querrichtung nach unten. Dieselbe ist bei priamus nur gering, stärker ausge- sprochen bei urvilliana, am stärksten bei eroesus, hier so stark, dass beim Auflegen eines Deckglases alle Schuppen zerbrechen. Dieser Verkrümmung darf man es — abgesehen von den Dickenunterschieden der Schuppen — wohl mit zuschreiben, dass, trotzdem im Bereiche der goldglänzenden Stellen bei eroesus bezüglich der blauen Felder bei urvilliana die bekannten gelben Schuppen über eine dunkle Schuppenlage zu liegen kommen, es nicht zur Erzeugung von Grün kommt. 64 M. Baer, Über Bau und Farben der Flügelschuppen bei Tagfaltern. Diese Befunde geben die Veranlassung, die Verhältnisse zwischen Gelb und Grün näher zu prüfen. Die U-Flecke und gelben Rand- flecke auf dem Hinterflügel des priamus bieten hierzu die schönste Gelegenheit, indem hier reines Gelb und Grün unmittelbar an einander grenzen: das Gelb ist reine Pigmentfarbe. Auf dunklem Hintergrunde erzeugen die gelben Schuppen genannter Stellen an sich nieht Grün, wohl aber wenn dieselben Eigenschaften (vielleicht Trübung durch Luft) annehmen, welche Interferenzwirkung hervorzurufen im Stande sind. Stuttgart, im Oktober 1898. Benutzte Litteratur, 1. BRÜCKE, Physiologie der Farben. Leipzig 1887. 2. A.B. GrRIFFITHS, Recherches sur les couleurs de quelques inseetes. (Compt. Rendus Acad. Paris. Vol. CXV. 1892. p. 958.) 3. H. HEMMERLING, Über die Hautfarben der Insekten. Bonn 1878. 4. H. J. KoLge, Färbung der Insekten. (Einführung in die Kenntnis der In- sekten. Berlin 1893. p. 47.) >. 5. F. LeypiıG, Bemerkungen über Farben der Hautdecke etc. bei Insekten. (Archiv £. mikr. Anat. Bd. XII. 1876. p. 536.) 6. Derselbe, Über den feineren Bau der Arthropoden. (Archiv für Anat. und Physiologie. 1856.) 7. Derselbe, Zur Anatomie der Insekten. (Ebenda. 1859.) 8. A. G. MAvER, On the color and color-patterns of moths and butterflies. (Cambridge Mass. U. S. A. February 1897. Biologisches Centralblatt. XVII. Nr. 6. 15. März 1898.) 9. E. ScHATz, Familien und Gattungen der Tagfalter. II. Theil. 1885. p. 29. 10. C. SEMPER, Beobachtungen über die Bildung der Flügel, Schuppen u. Haare bei Lepidopteren. (Diese Zeitschr. 1857. Bd. VIII. p. 326.) 11. A. SPULER, Zur Phylogenie der einheimischen Apatura-Arten. (Stettiner entomol. Zeitung. 1890. p. 267.) 12. F. UrRECcH, Beiträge zur Kenntnis der Farbe von Insektenschuppen. (Diese Zeitschr. Bd. LVII. p. 305.) 13. B. WALTER, Die Oberflächen- oder Schillerfarben. Braunschweig 1895. Vergleichend-anatomische Studien über den mechani- schen Bau der Knochen und seine Vererbung. Von R. Schmidt, prakt, Thierarzt in Elbing, (Aus dem zoologischen Institut zu Tübingen.) Mit Tafel IV und V und 6 Figuren im Text. Wenn eine mechanische Kraft auf einen Körper wirkt, so wirkt sie nicht auf jedes Theilchen desselben mit der gleichen Stärke. Die Kraft vertheilt sich vielmehr innerhalb des Körpers in ganz bestimm- ten Richtungen und in diesen wiederum in bestimmten unter einander verschiedenen Größenwerthen. Soll ein Balken zum Stützen einer Last verwandt werden, so muss sein Material so beschaffen sein, dass die Kohäsion seiner Theilchen in den Richtungen der Kraft- übertragung einen der jeweiligen Kraftgröße entsprechenden Wider- stand entgegenzusetzen vermag (rückwirkende Festigkeit... CULMANN, der Begründer der graphischen Statik, hat nun die Wirkungslinien der Kraft konstruirt, die Größe der Kraftäußerung für jeden Punkt derselben berechnet und gezeigt, dass ein allein in diesen Linien gesetzter Widerstand von genügender Größe, die Tragfähigkeit eines Balkens auf derselben Höhe erhält, wenn auch die außerhalb der Linien liegende Balkenmasse fortgenommen wird. Dasselbe ist der Fall, wenn auf einen Balken ein Zug ausgeübt wird (absolute Festig- keit) (2). Zahl und Stärke dieser Spannungslinien oder »Trajektorien« ist von der Größe der Last und der Art des Materials (Kohäsion) ab- hängig, die Richtung der. Trajektorien von der Form des Trage- balkens. aa | Femur und Humerus stellen einen kranförmig gebogenen Trag- balken dar. Für einen solehen hat CuLmann folgende Trajektorien konstruirt (Fig. a [jnach 3, Fig. 9, Taf. II). An der-konkaven Seite Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXV. Bd. b) 66 R. Schmidt, wirkt vornehmlich der Druck der Last. Hier sammeln sich die senk- recht von der konvexen Seite entspringenden Drucktrajektorien, um sich im geraden Schafte eng gedrängt der Oberfläche anzulegen. Im selben Sinne verlaufen die vertikal zur Druckseite aufsteigenden Bogen der Zugtrajektorien an der konvexen Seite des Kranes. Beide Systeme schnei- ve ‘ den sich unter stets Sn A. rechten Winkeln (.), auch in der Achse (a) des Tragebalkens. Diese ist die Verbin- 9.00 dungslinie der Schwer- - punkte sämmtlicher Querschnitte. Sie wird von den Zug- und /L,6 Druckkurven unter Winkeln von 45° ge- schnitten. Ein massiver Träger kann ohne Verminderung seiner Leistungsfähigkeit durch einen hohlen Balken ersetzt werden, wenn in seinem Innern ein feines Bälk- chengerüst in diesen Trajektorien auf- gebaut wird. Dadurch wird der Träger leichter, und Material erspart, zwei Vor- züge, welche durch CuLMmAnn in der Bautechnik weiteste Verbreitung gefunden haben. Als der Züricher Anatom HERMANN voN MEYER in der naturforschenden Ge- sellschaft zu Zürich die Zweckmäßigkeit des Spongiosabaues der Knochen an Präparaten erklärte, war auch Prof. CuL- MANN zugegen. Dieser bemerkte zu seiner Überraschung, dass die Spongiosabälkchen in denselben Linien auf- gebaut sind, welche er für ähnlich geformte Körper bei ähnlicher Inanspruchnahme zu konstruiren gelehrt hatte!. Damit war die große Entdeckung der mathematischen Bedeutung der Spongiosa- Architektur gemacht. | Zwar hat schon GALILEI? auf die mechanische Bedeutung der Fig. a. 1 Nach J. WOLFEF. 2 Nach RAUBER. Vergl.-anat. Studien über d. mech. Bau d. Knochen u. seine Vererb. 67 Knochengestalt hingewiesen, und DumAnmer! (1743), Lover (1805), BouRGERY (1832), Warp (1838), Wyman (1849), EnGeL (1851) und Hunmpary (1858)? haben den Bau der schwammigen Knochensubstanz zur Mechanik in Beziehung gestellt. Bei Weitem eingehender als seine Vorgänger erläuterte H. v. Meyer den mechanischen Bau der Spongiosa (1867). Seine genauen Darstellungen (1) ermöglichten OuL- MANN seine Entdeckung, dass der Knochenbau mathematischen Ge- setzen entspreche. J. WoLFF aber war es vorbehalten, die diesbezüg- liehen Kenntnisse zu erweitern und vor Allem der Wissenschaft und der Praxis dienstbar zu machen. In seinem »Gesetz der Transforma- tion der Knochen« fasst WoLFF eine große Reihe werthvoller Arbeiten über Knochenbau, Knochenwachsthum und Deformitätentherapie zu- sammen, die er in den Jahren 1868 bis 1892 veröffentlicht hatte. Verfasser versteht unter dem Gesetz der Transformation der Knochen »dasjenige Gesetz, nach welchem im Gefolge primärer Abänderungen der Form und Inanspruchnahme, oder auch bloß der Inanspruchnahme der Knochen, bestimmte, nach mathematischen Regeln eintretende Umwandlungen der inneren Architektur und eben so bestimmte, den- selben mathematischen Regeln folgende sekundäre Umwandlungen der äußeren Form der betreffenden Knochen sich vollziehen« (3, p. 2). »Da jede Arbeit als die Wirkung einer Kraft anzusehen ist, so können _ wir das Transformationsgesetz auch als die Lehre von der Wirkung — der Transformationskraft auffassen« (p. 96). Trotz mannigfacher Angriffe von Seiten der Vertreter der bislang gültigen » Drucktheorie« blieb WoLrr’s Lehre unerschüttert, erwarb sich stetig neue Anhänger und bildet heute die Grundlage der funktionellen Orthopädie. Die V. VOLKMANN-HUETER’Sche Drucktheorie aber, welche das gerade Gegentheil annahm, nämlich dass der Knochen auf Druck durch Schwund, auf Entlastung durch Anbildung reagire, und darauf die ganze Formgestaltung desselben zurückzuführen sei, ist haltlos geworden. Dass den Forderungen der graphischen Statik auch im Pferde- - skelett Genüge geschieht, weist EICHBAUM (6) in einer sehr eingehen- den Arbeit nach (1890). ZscHokkE (4) streift in seiner Preisschrift (1892) neben dem statischen Bau des Pferdes den des Rindes, Hundes, Esels, Löwen, Menschen, Affen, Bären und Seehundes, wenn auch nur ganz kurz. Seine Abbildungen sind zum Theil sehr klar und können denen WoLrr’s an die Seite gestellt werden. Humerus und Radius des Wales, Schwanzwirbel der Chiropteren, die Tibia des 1 Nach ZSCHOKKE, 2 Nach J. WOoLFF. 5* 68 R. Schmidt, jungen Elefanten bilden den Gegenstand einer vergleichenden Unter- suchung SOLGER’S (7). Da bisher eine Arbeit, welche sich das Studium der Knochen- architektur auf vergleichend-anatomischer Grundlage zur Aufgabe macht, noch nicht vorliegt, eine solche aber wegen der recht ver- schiedenen Inanspruchnahme der Gliedmaßen in der Wirbelthierreihe vielversprechend erscheint, glaubte ich durch meine diesbezüglichen Untersuchungen eine fühlbare Lücke um so mehr ausfüllen zu sollen, als auf diesem Wege zugleich Aufschlüsse über die Vererbung des mechanischen Baues der Knochen zu erwarten standen. Zur Beurtheilung der architekturellen Verhältnisse eignen sich Humerus und Femur am besten, einerseits wegen ihrer analogen Form (Kran), andererseits in Folge ihrer homologen Thätigkeit. In der Hauptsache wandte ich meine Aufmerksamkeit dem Baue der dem Schulter- bezw. Hüftgelenke zugekehrten Abschnitte derselben zu, insbesondere so weit diese Knochen zur horizontalen Fortbewegung der Körpermasse durch Belastung mit derselben benutzt werden. Ehe ich aber auf den Knochenbau selbst eingehe, ist eine Betrach- tung der physiologischen Grundformen der Funktion der Glied- maßen bei den verschiedenen Thieren am Platze. An der Vordergliedmaße tritt die Verschiedenartigkeit des Ge- brauchs in den Vordergrund. Neben der Belastung auf festem Boden tritt bei den Pinnipediern die Schwimmbewegung auf, die bei den Cetaceen die ausschließliche geworden ist. Wiederum eine ganz an- dere ist die Inanspruchnahme der Humeri der Vögel und Chiropteren, anders diejenige der Affen und des Menschen, anders die der graben- den Thiere. | Solche Unterschiede finden sich bezüglich der Hintergliedmaße weniger zahlreich. Sie dient neben der Belastung durch den Körper bei der Fortbewegung den Fledermäusen zum Aufhängen ihres Kör- pers, den Pinnipediern zu Schwimmbewegungen. Größere Verschieden- heiten bewirkt die Winkelstellung des Femur zu der Körperachse des Thieres. Der Winkel ist am größten bei dem Menschen, der desshalb aufrecht steht. Verhältnismäßig groß ist derselbe bei den Bären, die gleichfalls aufrecht zu gehen vermögen. Beim Pferde ist der Winkel zwischen Darmbein und Oberschenkelbein auf 90° ge- sunken. Bei Talpa europaea und Echidna hystrix stehen Humerus wie Femur senkrecht zur Längsachse des Körpers; bei Dasypus sigas bilden sie mit der Vertikalen nicht ganz einen rechten Winkel, Vergl.-anat. Studien über d. mech. Bau d. Knochen u. seine Vererb. 69 bei Ornithorhynchus paradoxus ist er wenig größer. Beide Knochen steh n zugleich lothrecht zur Horizontalen. Während dieser Winkel sich an der Vordergliedmaße nach hinten öffnet, ist dies an dem Hinterbeine gerade umgekehrt. Ferner ist der auf einem nur kurzen Halse sitzende Gelenkkopf des Humerus nach hinten gerichtet; das Caput femoris richtet sich dagegen mit seinem stark ausgebildeten Collum medianwärts. Zum Studium der Architektur der Knochen entnahm ich bei einer Reihe der verschiedensten Vertebraten dem Humerus sagittale, dem Femur frontale Längsfournirblätter etwas seitlich der Mittel- linie, 1,0—0,3 mm dick. Meine Untersuchungen erstreckten sich über folgendes Material: Rana, Testudo, Salamandra, Anas, Bufo, Anser, Lacerta, Gallus, Meleagris, | Dipus aegyptiacus, Columba, Lepus timidus, Buteo, » euniculus, Halmaturus, Felis domestica, Sus scrofa, Canis familiaris, Bos taurus, Mustela martes, Ovis aries, > foina, Capra hircus, > putorius, Cervus elaphus, _ » erminea, » capreolus, | > vulgaris, Equus caballus, Lutra vulgaris, Delphinapterus albicans, Meles taxus, Bradypus tridactylus, Ursus arctos, Myrmecophaga jubata, » spelaeus, Sciurus vulgaris, Phoca vitulina, Myoxus glis, Talpa vulgaris, Mus decumanus, Vesperugo pipistrellus, » musculus, Sorex pygmaeus, Homo sapiens. Was zunächst bei einer vergleichend-anatomischen Betrachtung in die Augen springt, ist die verschiedene Feinheit und die verschiedene Dichte der Spongiosaelemente. Beide sind nicht allein bei verschiedenen Thieren, sondern sogar in den einzelnen 70 R. Schmidt, Regionen eines und desselben Knochens auffallendem Wechsel unter- worfen. Stets nehmen Zartheit und Zahl der Bälkchen gleichmäßig zu oder ab!. Einige Gegenüberstellungen werden dies verdeutlichen. Man vergleiche nur die sehr schönen Abbildungen, welche ZSCHokkE (4) auf Taf. I, IV und VI vom Pferde liefert mit meinem Fournirschnitt aus dem Femur des Rindes (Taf. IV, Fig. 1). Während das Pferde- femur sehr zahlreiche Röhrchen und Bälkchen aufweist, die bei ge- ringer Stärke eng gedrängt bei einander stehen, zeigt die Spongiosa des Oberschenkelbeines des Rindes mehr die Plättchenform, indem entweder die Bälkchen mehr oder weniger seitlich zusammengedrückt erscheinen, oder in Gestalt von Plättchen in einander übergehen, so dass sich die eigentlichen Linien der Trajektorien weniger scharf ausprägen. Ihre Zahl ist kaum halb so groß, ihre Dicke mehr als ‚die doppelte im Vergleich zu denen des Pferdes. Dasselbe Wechsel- verhältnis zwischen Zahl und Stärke der Spongiosa-Elemente geht aus einem Vergleiche meiner Abbildungen des Femur eines Schafes und des Armbeines des Hundes hervor (Taf. IV, Fig. 4 und 5). Bei zu- nehmendem Alter zieht sich die Knochenmasse mehr und mehr auf die stärkeren Trajektorien zurück; diese verdicken sich, die schwä- cheren werden resorbirt. Dadurch gewinnt die Architektur an Deut- lichkeit; es gehen auch hier geringere Zahl und geringere Zartheit der Bälkchen Hand in Hand, das beweist ein Blick auf die Fig. 2 und 3 auf Taf. IV, welche Fournirschnitte aus den oberen Enden der Oberschenkelbeine eines alten und eines jungen, ausgewachsenen Hirsches darstellen. Die Menge und Stärke ihrer Gewebstheile be- dingt die Feinheit der Spongiosamaschen. Betrachtet man die Maschen- feinheit im Verhältnis zur Größe des ganzen Knochens, so kann man verschiedene Thiergruppen aufstellen, die auch bezüglich weiterer Strukturverhältnisse von Interesse sein werden. I. Die feinsten Spongiosamaschen besitzt der Höhlenbär (Fig. 6), dessen ganzes Femur von einer äußerst zierlichen, in deutlichen Linien angeordneten Spongiosa durchzogen ist. Es sind dies reine Bälkehen. Nur in der Diaphyse lehnen sich Plättchen an die Com- pacta an. Eine Markhöhle fehlt. Die Unterschiede der Architektur in den verschiedenen Gegenden des Knochens sind nur gering. Aus recht zarten Maschen setzt sich die Spongiosa des Pferdes zusammen. Gegen das Gelenk werden die Elemente stärker, gegen die Markhöhle gleichmäßig feiner. Auch der Mensch hat viele und dünne Bälkchen i Letzteres bestätigt auch Roux (8). Vergl.-anat. Studien über d. mech. Bau d. Knochen u. seine Vererb. 71 in seinem koxalen Femurende (Fig. 13). Die einzelnen Bälkchen sind zum Theil drehrund, zum Theil seitlich zusammengedrückt, so dass Plättchen entstehen. Letzteres ist namentlich bei den »Haupt- drucktrajektorien« (s. u.) der Fall und nimmt im höheren Alter ab, wie ein Vergleich meines Sägeschnittes aus dem Femur einer 72jäh- rigen Frau (Fig. 13) mit der Wourr’schen Abbildung (3) eines gleichen Schnittes aus dem Femur eines 31jährigen Mannes zeigt. Beim Hunde und beim Schweine stehen die Spongiosa-Elemente gleichfalls ziemlich dicht, namentlich bei ersterem (Fig. 5, 11 und 17); sie zeigen bei beiden die Form massiver Bälkchen. II. In weit geringerem Grade ist dies bei der folgenden Gruppe von Thieren zutreffend, zu der die Wiederkäuer gehören. Die Anzahl der Trajektorien ist eine beschränktere; dafür sind sie stärker als bei einem der Thiere der vorigen Gruppe. An Stelle der Röhrchen- bildung herrscht die Bildung solider Plättchen ‚vor. Hierher gehören das Rind, das Schaf, die Ziege, der Hirsch und das Reh, zu denen sich noch das Känguruh gesellt (Fig. 1, 2, 3, 4, 7 und 12). Hirsch und Reh unterscheiden sich von Rind, Schaf und Ziege durch den ge- raderen und deutlicheren Verlauf ihrer Trajektorien. Dabei sind die Spongiosamaschen namentlich gegen die Markhöhle etwas weiter. Etwas abseits stehen Humerus und Femur des Känguruh durch eine Anzahl drehrunder, verschieden starker Trabekeln, welche zwischen der Markhöhle und der eigentlichen, diehteren Spongiosa liegen. III. Damit bildet das Känguruh den Übergang zu der dritten Thiergruppe, mit gröberer Spongiosa, d. i. den typischen Vertretern der Carnivoren, nämlich den Felidae und Mustelidae, Felis domestica, Mustela martesi, M. foina, M. putorius, M. erminea, M. vulgaris, Lutra vulgaris und Meles taxus. Die Bälkchen sind sämmtlich drehrund; Plättehenbildung findet sich nicht, eben so fehlen Röhrchen. Unter den hierher gehörigen Thieren kommt die feinste Spongiosa dem Dachse zu, der sich in dieser Hinsicht stark dem Hunde nähert. IV. Noch einfacher ist der Spongiosabau bei den Nagern, wie Eichhörnchen, Siebenschläfer, Maus, Ratte, Springmaus. Die Trabekeln haben an Zahl bedeutend abgenommen; ihre Dicke ist (im Verhält- nis zur Größe des Knochens) gewachsen (Fig. 9). Die Verbindung mit der vorhergehenden Gruppe vermitteln die Leporiden; besonders das Kaninchen besitzt eine zartere Spongiosa. V. Die Vögel kommen in dieser Reihe hinter die Reptilien i Fig. 10. 72. R. Schmidt, und Schwanzlurche zu stehen, welche sich mit ihrer Spongiosa- architektur eng an die Nagethiere anschließen, so z. B. Lacerta viridis, Testudo graeca (Fig. 16), Salamandra maeculosa. VI. Die lufthaltigen Knochen der Vögel enthalten eine eben so spärliche wie einfache Spongiosa. Die wenigen Bälkchen sind dreh- rund, sehr dick und weisen eine nur geringe Zahl von Anastomosen auf (Gans, Ente, Huhn, Truthuhn, Taube und Bussard). Die proximalen Enden der großen Röhrenknochen der Anuren (Ranidae, Bufonidae) entbehren der Trabekeln vollkommen. Die Gelenkoberfläche geht direkt in die Compaeta der Diaphyse über. Der Binnenraum ist frei von Knochensubstanz. Ganz allgemein lässt sich der Satz aufstellen, dass der Spon- sjiosabau relativ um so gröber wird, je kleiner das be- treffende Thier ist. Mit dem Alter nehmen Feinheit und ' Diehte der Elemente gleichfalls ab, wie aus den Fournir- schnitten des Femur eines alten und eines jungen Hirsches (Taf. IV, Fig. 2 und 3) ersichtlich ist. Dass die Verhältnisse auch in den ver- schiedenen Regionen desselben Knochens wechseln, ergiebt ein Ver- gleich der wenigen, starken Balken im Caput mit den zahlreichen, feinen Bälkchen des Trochanter major des Femur der 72jährigen Frau in Fig. 131. WırH. Roux (9, p. 304) giebt an: »Hinsichtlich der Art der Funktion ist es von gestaltender Bedeutung für die Spongiosa, ob die Funktion bloß im Widerstand gegen ruhende Spannung oder sesen Bewegung, also gegen Stoß besteht: Einwirkung lebendiger Kraft (Stoß) scheint die Bildung enger, ruhende na PL Tz die Bildung weiter Maschen zu veranlassen.« Mögen nun pathologische Änderungen der Knochenarchitektur scheinbar einem solchen Gesetze Folge leisten, so ist dies doch nicht für die normalen Fälle zutreffend. Es seien nur einige Beispiele herausgegriffen, die dem geradeswegs widersprechen. Man stelle Hirsch und Schaf einander gegenüber. Im ganzen Leben jenes tritt der Gebrauch der Gliedmaßen unter »Einwirkung lebendiger Kraft« in den Vordergrund. Der Hirsch müsste also nach Roux enge Spongiosamaschen besitzen. Ganz anders das Schaf, welches in der Domestikation ein ruhigeres Leben führt, also das Verlangen »ruhen- der Druckspannung« nach Möglichkeit erfüllt; dasselbe müsste dem- gemäß weite Maschen aufweisen. Gerade das Umgekehrte ist der ı Für die freundliche Überlassung desselben statte ich Herrn Professor Dr. DissELHORST, Halle, auch an dieser Stelle meinen verbindlichsten Dank ab. Vergl.-anat. Studien über d. mech. Bau d. Knochen u. seine Vererb. 73 Fall. Aus Fig. 2 und 4 geht hervor, dass die Maschen des Hirsches weiter sind als die des Schafes. Dessgleichen versinnbildlicht uns die zartmaschige Spongiosastruktur des Stallschweines (Fig. 11) die ruhende Druckspannung, die weit gröbere der stets sprungbereiten Fe- lidae und Mustelidae die lebendige Kraft. Eben so haben die langsam kriechenden Schwanzlurche eine gut ausgebildete Maschenspongiosa, die sich hüpfend fortbewegenden Ecaudata gar keine Spongiosa. Nieht minder auffällig als die Unterschiede der Maschenweite ist die außerordentlich verschiedene Ausdehnung der Spongiosa in der Diaphyse, trotzdem ich in der Litteratur keine Angaben darüber gefunden habe. Es zeigt sich zunächst, dass die feinere Architektur sich auch tiefer in die Diaphyse hinein erstreckt, so dass sie z. B. bei Gruppe 1 einen mehr oder minder großen Theil der- selben einnimmt. Die Markhöhle von Ursus spelaeus wird ganz, die der Dogge fast ganz von Spongiosa eingenommen. Auch im Femur des Pferdes und Menschen reicht dieselbe tief hinab. Bei den Thiergruppen 2—6 zieht sich die Spongiosa immer mehr nach den Epiphysen zurück, die selbst stetig kleiner werden, so dass die Spongiosa bei den Vögeln auf einen sehr engen Raum beschränkt ist. Der Dachs, dem unter den untersuchten Raubthieren die zarteste Architektur eigen ist, dehnt seine Spongiosa auch relativ weit in die Diaphyse aus. In Einklang mit dem in höherem Alter gröber _ werdenden Spongiosabau steht, dass die Markhöhle gleichzeitig an Ausdehnung zunimmt. Das Armbein der Walthiere entbehrt einer Markhöhle, da die ganze Diaphyse von Trabekeln durchzogen ist (Fig. 14). Die Humeri des Ameisenbären und des Faulthieres sind nahezu vollständig mit einer sehr feinmaschigen Spongiosa angefüllt. | Die Abgrenzung der Spongiosa gegen die Markhöhle geschieht namentlich bei den Wiederkäuern, denen sich auch in dieser Hinsicht das Känguruh anschließt, durch eine jener Plattenbildungen, zu denen die Spongiosa der Thiere dieser Gruppe überhaupt neigt. _ Nirgends sonst findet sich eine so scharfe Grenze wieder. Sie legt sich in Gestalt eines einheitlichen, massiven Kuppeldaches, das von rundlichen Löchern durchsetzt ist, die die Weite der Spongiosamaschen haben, auf das Knochenmark. Eine Andeutung einer solchen Abgren- zung durch eine Platte findet sich beim Schwein, das diesen Thieren bezüglich seiner Spongiosa bereits als sehr nahe stehend angeführt wurde. Im Übrigen markiren in Gruppe I, bei Pferd, Bär und Mensch die regelmäßig verlaufenden, gedrängten Bälkchenzüge eine Grenze. 714 R. Schmidt, An Stelle des Kuppeldaches haben wir hier einen aus Sparren errich- teten gothischen Spitzbogen. Bei den Carnivoren jedoch ragen die Bälkchenenden oft spitz in die Markhöhle hinein, indem sie gegen dieselbe lichter werden. Es mangelt hier also eine scharfe Grenze, wenn auch die Bälkchen in einer gewissen Höhe aufhören. Den Nagethieren und den Vögeln fehlt jede Begrenzung. - In der Wachsthumsperiode ändert sich dieselbe, wie meine Abbildung des Femur eines noch nicht völlig ausgewachsenen Kän- guruh beweist, in welchem sich bereits eine plattenförmige Begrenzung bildet, während vereinzelte Bälkchen noch zwischen dieser und der Markhöhle stehen (Fig. 7). Zuweilen durchqueren ähnliche Platten, Züge oder. Balken die Markhöhle an verschieden weit von der Regio spongiosa gelegenen Stellen. Ich habe dieselben bei Mensch, Hund, Rind und Eichhörnchen angetroffen. ZSCHOKKE fand sie beim Kalbe und bil- dete sie ab. Man hat diese Querzüge als Reste angesprochen (4, p. 50), welche der Bildungsknorpel an der Epiphysen-Grenzzone während des Wachsthums hier zurückgelassen habe. Da ich aber ihren Bau bei den drei Hauptthiergruppen stets mit der Formation der betref- fenden Art der Spongiosaabgrenzung gegen das Mark übereinstimmend fand, d.h. bald als starke Platte mit rundlichen Löchern, bald mehr sich in Faserzüge auflösend, bald nur als einzelne Balken, bei den Raubthieren jedoch gar nicht, so könnte man derartige Reste höchstens auf diese Spongiosagrenzen zurückführen. Innerhalb der eigentlichen Markhöhle durchweben oft äußerst feine Knochenbälkchen anscheinend regellos das Mark. Sie sind wegen ihrer Zartheit und meist geringen Anzahl wenig widerstands- _ fähig und desshalb beim Entfernen des Knochenmarks leicht zu über- sehen. Ich entdeckte diese »Spinnwebenspongiosa« zuerst in dem stark gekrümmten Humerus eines Ziehhundes, wo ihre Bälkchen die größte Stärke und Länge besitzen. Es gelang mir, sie später dann auch im Femur des Menschen und sehr sparsam in dem der Katze zu finden. Ihre drehrunden, schlanken und elastischen Bälk- chen ziehen sich durch die ganze trajektorienfreie Diaphysenhöhle,; sowie die Nebenmarkhöhlen (s. u.) im Trochanter maj. und Collum fem. hin, indem sie sich reichlich unter verschiedenen Winkeln ver- ästeln und kreuzen und in der Gegend der Diaphysenmitte und im Verlaufe der Gefäße häufen, die sie zuweilen geradezu dicht um- spinnen. Stets vergesellschaften sie sich dem weichen Mark; das gelbe der erwachsenen Wiederkäuer enthält nicht einmal Spuren, Vergl.-anat. Studien über d. mech. Bau d. Knochen u. seine Vererb. 75 wie ich mich durch Lösen desselben in Benzin überzeugen konnte. ZSCHOKKE thut, ohne genauere Angaben zu machen, dieser Bälkehen kurz Erwähnung (4, p. 49). Die beschriebenen Spongiosaelemente sind nun innerhalb des Knochens derartig angeordnet, dass nicht allein ihr Verlauf dem der von CULMANN gezeichneten Zug- und Druckkurven, sondern auch ihre Stärke den von diesem für die Spannungsgröße berech- | | rap neten Zahlenwerthen entspricht. Die Natur hat den Knochen so \B & zweckmäßig aufgebaut, dass erst en IS z unsere hochentwickelte Technik IND das volle Verständnis dafür er- % 2 schließen konnte. Für den Men- schen und das Pferd sind die architektonischen Verhältnisse in eingehendster Weise von WOLFF, EICHBAUM und ZSCHOkKKE (3, 4 und 6) beschrieben worden. Die- selben Linien nehmen die Spon- 'giosatheilchen im Wesentlichen überhaupt bei allen Thieren ein. Durch jedes der abgebildeten a Im) % a SG, 25% Fournirblätter kann man sich c: die Überzeugung von dem den | CuLmann’schen Trajektorien ent- Fig. b. sprechenden Verlaufe der Zug- und Druckkurven, sowie der rechtwinkligen Kreuzung derselben in der Knochenachse verschaffen. Zur Erläuterung diene oben- stehende schematische Zeichnung eines frontalen Fournirblattes aus . dem Femur eines ausgewachsenen Hundes (Fig. 5; vgl. Fig. a. BC stellt die Achse des Knochens, A .M die des Schenkelhalses dar; — A MC ist der »Schenkelhalswinkel« (hier 127°). Bei e löst sich die Compaecta g in Zugbälkchen auf, die in mehr oder minder hohen Bogen zur konkaven Seite aufsteigen, die Achse unter Winkeln von 45° schneidend. Einen weniger gleichmäßigen Verlauf nehmen die Druckbälkchen, welche aus der Substantia compacta der medianen Seite entspringen. Jedes Bälkchen kreuzt sich mit einem entsprechen- den der gegenüberliegenden Seite in der Achse unter 90° (I « Fig. « 76 R. Schmidt, und 5). Man scheidet unter ihnen drei Abtheilungen. Die stärksten und dichtesten steigen von 5 nach « fast gerade auf. Da die Corti- calis gleichsam durch das Zusammentreten der Bälkchen entstanden gedacht werden kann (s. den parallelen Kurvenverlauf im Kranschafte), so ist es verständlich, dass dieselbe hier rasch an Dicke abnimmt. Von e erheben sich einzelne lichtere Bälkchen weniger steil bis in die Höhe der Grube für das Ligamentum teres. Von d steigen bogige Züge gegen die konvexe Knochenrinde empor. Beide Linien- systeme, Zug- und Druckkurven, lassen sich auch in den Trochanter verfolgen (2). Im Femur wie im Humerus der Vierfüßer nehmen die augen- fälligsten Trajektorien die von der konkaven Seite des Collum zu der am höchsten gelegenen Stelle des Caput aufsteigenden Bälkchen ein (@ d), welche ich mit »Hauptdrucktrajektorien« bezeichnen möchte, da sie die größte Belastung zwischen Gelenk und Compacta vermitteln. Sie besitzen einerseits weitaus die größte Dicke und stehen trotzdem verhältnismäßig dicht, andererseits ist ihr Verlauf ein nahezu gerader. Da diese Bälkchen von der sich dadurch ver- jJüngenden Corticalis abgespalten gegen die Höhe der Gelenkungs- fläche ausstrahlen, ist es selbstverständlich, dass sie bei größerer Ausbildung eines Gelenkhalses eine etwas geneigtere Stellung zur Knochenachse einnehmen müssen, der sie bei dem nur angedeuteten Halse des Humerus, z. B. beim Rinde (Fig. 12) parallel verlaufen, gleichsam eine geradlinige Fortsetzung der Diaphysenwand bildend. Auch die Größe des Schenkelhalswinkels beeinflusst die Neigung dieser Bälkchen. Zahl und Feinheit der Elemente wechselt nach den oben angegebenen Gruppen, so dass z. B. die Hauptdrucktrajek- torien in dem kleinen Känguruhfemur absolut dieker sind, als in dem riesigen Oberschenkelbein des Höhlenbären. Daneben ist zu be- rücksichtigen, dass die Funktion des Femur beim Känguruh dadurch eine andere ist, dass dasselbe nur auf den Hinterbeinen steht, die Vordergliedmaße weder in der Statik noch in der Mechanik einen Theil der Körperlast übernimmt. Die Balken der Hauptdrucktrajektorien sind unter einander nicht Anm.: Als Beitrag zu Roux’s Untersuchungen (8) möchte ich darauf ver- weisen, dass diese Trajektorien bei Ursus spelaeus durch runde Bälkchen (Spon- giosa trabeculosa), beim Pferde bald mehr durch Röhrchen (Spongiosa tubulosa completa prope pilosa incompleta), bald mehr durch Plättchen (Spongiosa tubulosa incompleta prope lamellosa), beim Känguruh durch breitgedrückte Bälkchen (Spongiosa trabeculosa paene lamellosa) dargestellt werden. Vergl.-anat. Studien über d. mech. Bau d. Knochen u. seine Vererb. 77 gleichmäßig; stark. Die diekeren stehen in der Mitte. Je mehr man nach den Seiten geht, um so dünner werden sie (Fig 5 gegen e und d hin). Gegen ihre Endigungsstelle (bei @) breiten sie sich fächer- förmig aus. Dabei nimmt der Durchmesser etwas ab, ihre Zahl durch dazwischen geschobene zu (vgl. Fig. 2 und 13). Das Einschieben sekundärer Bälkchen geschieht von der noch an fast allen Präparaten und Abbildungen erkennbaren Epiphysengrenzzone (E, Fig. d) an. An. Knochen, welche dem Druck der Körperlast entzogen sind, fehlen auch die Hauptdrucktrajektorien. Dies ist z. B. am Humerus des Delphins der Fall (Fig. 14). Denselben Mangel zeigt die Mikro- photographie eines Fledermausarmbeines auf Fig. 15. Hier gehören sleichfalls die Humeri der Vögel und des Maulwurfs her. Die Endigungsstelle der Hauptdrucktrajektorien (a, Fig. 5) hat Roux mit dem Namen »Druckaufnahmeplatte« belegt, eine Be- zeichnung, welche neben dem Hinweis auf die gesonderte physiologische Stellung derselben auch auf den anatomischen Bau hindeutet, wenn man unter »Platte« etwas durch eine ebene Fläche Begrenztes ver- steht. Ihre Dicke geht nämlich allmählich in die der umgebenden Zonen über. Ihre größte Stärke besitzt sie regelmäßig in ihrer Mitte, wo der Gelenkkopf zur Knochenachse seinen höchsten Punkt erreicht. In Fig. 5 ist dies der Punkt X, die Mitte der Platte «a, an der die Belastungskraft angreift. A B ist ein Loth auf der Knochen- achse 5 C. Nach X ziehen auch die stärksten der Hauptdruck- trajektorien. Im hohen Alter scheint die Druckaufnahmeplatte an Dicke zu verlieren (s. Fig. 13), wie dann ja alle einzelnen Spongiosa- trajektorien, als deren Ausdruck wir schließlich die Druckaufnahme- platte aufzufassen haben, zarter werden und theilweise der Resorption anheimfallen, was sich jedenfalls von der geringeren Inanspruchnahme der Gliedmaßen im Alter herschreibt. Die Lage der Druckaufnahme- platte ist ausnahmslos die bezeichnete. Wenn die bisher erörterten Verhältnisse eine größere Veränder- - liehkeit vermissen ließen, so findet sich eine solche bei einem Ver- gleich der Zugkurven. Abermals erkennt man eine Abhängigkeit von der Entwicklung eines Collum. Die Zahl und die Länge dieser Trajektorien wächst mit der Länge dieses. Desshalb sind sie be- sonders schön im Femur des Menschen, des Höhlenbären und des Hundes ausgebildet (Fig. 13, 6 und 5). In geraden Humeri sind sie dagegen stark verkürzt. Ist ein Humerus jedoch so stark gekrümmt, wie man das bei den meisten Hunderassen findet (s. Fig. 5), dann reichen die Bälkchen bis zum andern Ende der Verbiegung, d.i. in 78 R. Schmidt, dem abgebildeten Knochen bis über die Schaftmitte hinab. Das Arm- bein des Fischotter ist noch mehr gebogen als das des Hundes. Darum laufen an der konvexen Seite fünf bis sechs Reihen von Zugkurven neben einander die ganze Diaphyse entlang (Fig. 8). Der Humerus des Seehundes ist dem des Fischotters der äußeren Form wie inneren Architektur nach außerordentlich ähnlich. Auch hier hat man zwei bis drei Reihen solcher Zugkurven. Sie sind gleichfalls ausgesprochen in den Armbeinen des Dachses und des Hausschweines (Fig. 11). Diejenigen Bälkchen, welche die Röhren beider Knochen des Hundes, des Humerus des Dachses und des Höhlenbären-Oberschenkel- beines füllen, zeigen besonders etwas seitlich der Mittellinie eine sehr deutliche Architektur (Fig. 5 und 6). Von der konkaven zur konvexen Seite und umgekehrt steigen in sehr regelmäßigen Kurven sich rechtwinkelig kreuzend zwei Bälkchensysteme auf. Sie reichen im Humerus so weit wie die Zugkurven und die Krümmung. An den Wänden entlang füllen sie den Knochen mit spiraligen Win- dungen. Ich stelle sie ErchBAum’s »Leistenvorsprüngen« an die Seite und fasse sie als ein System höchst vollkommener Ver- steifungselemente auf. Andeutungen solcher Kurven zeigen die ziemlich lichten Bälkchen, weiche die Humerus-Diaphyse des Fisch- otters durchziehen. Sie sind jedoch keineswegs identisch mit jenen Leistenvorsprüngen, die sich weit verbreitet und namentlich in der Gegend finden, wo Ernährungslöcher die Knochenwandung der Mark- höhle durchbohren. In dem unteren Abschnitte der Fig. 7, des Oberschenkelbeines vom Känguruh, sind mehrere abgebildet. Dass die regelmäßigen Bälkchenzüge in der That Versteifungen segen Biegung bilden, beweist ihr ausschließliches Vorkommen bei den Cetaceen (Fig. 14) und ihre reichlichen Kurven im Seehunds- humerus. Beim Delphin ist die ganze Spongiosa in diesen Linien aufgebaut, die auch nicht den kleinsten Raum für eine Markhöhle übrig lassen. Wie Rovx (6), war auch mir der Gedanke aufgestoßen, wesshalb denn in den Partien des Knochens, wohin die graphische Statik keine Trajektorien verlegt, und wo WOoLrr (3) seine »neutrale Faser- schicht« mit rechtwinkeliger Bälkchenkreuzung verlangt, nicht ge- eigneter Weise eine Markhöhle ohne Bälkchen besteht. Als ich daraufhin nach solehen Hohlräumen suchte, fand ich sie auch, und zwar stets an demselben Orte, der WoLrF’s neutraler Zone entspricht, im Collum femoris des Menschen zwischen den Zug- und Druckzonen. Diese »Nebenmarkhöhle« entsteht hier erst in hohem Alter (Fig. 13), Vergl.-anat. Studien über d. mech. Bau d. Knochen u. seine Vererb. 79 wenn die Knochen spröder werden, der Gebrauch sinkt und die Spongiosa zu schwinden beginnt. Es besteht in der neutralen Zone Querspannung, weil der Knochen aus elastischem Materiale aufgebaut ist, daher die »neutrale Faserschicht«. Sobald im Alter die Inan- spruchnahme sinkt, das Material an organischer Substanz einbübßt, und der Elastieitätskoöfficient kleiner wird, verringert sich die Quer- spannung, und die zarten Bälkchen dieser Gegend fallen der Re- sorption anheim. Bei’ alten Menschen ist noch eine zweite Nebenmarkhöhle im Trochanter major in der gleichen Weise angelegt. An diesem Orte besteht beim Rind eine kleinere, im Tubereulum majus hingegen (Fig. 12) eine sehr große Nebenmarkhöhle, die sich auch beim Schweine findet (Fig. 11). Die Angaben Roux’s über die »intermediäre Epiphysen- scheibe« (Z, Fig. 5b), welche übrigens ZscHokkE bereits 1892, also 1 Jahr vor F. v. RECKLINGHAUSEN (9, p. 302) beschrieb, kann ich . bestätigen. Sie besteht im Femur und Humerus des Hundes (Fig. 5) ähnlich der beim Pferde aus drei parallelen, sehr dünnen Knochen- lagen im Abstande von !,—1 mm. Ihre Formgestaltung scheint sich mir meist nach den Trajektorien zu richten, indem sie da am weite- sten nach oben vorgerückt ist, wo die direkteste und größte Be- lastung durch die geradesten, zahlreichsten und stärksten Bälkchen _ dargestellt wird. Wo die größte Kraft übertragen wird, befindet sich der stärkste Wachsthumsreiz. Dadurch wird an dieser Stelle die Epiphysenscheibe am weitesten vorgeschoben. Doch müssen dabei noch andere Ursachen mitspielen, wie z. B. das frühere oder spätere Verschmelzen von Trochanter maj. und Caput. Eine Zusammenfassung der anatomischen Thatsachen ergiebt Folgendes. Die Humeri und Femora aller Vierfüßer, welche ihre Körpermasse auf festem Boden durch Belastung der Gliedmaßen mit derselben fortbewegen, haben dieser Inanspruchnahme entsprechend . die Architektur, welche CuLmAnn für den oberschenkelähnlichen _ Kran konstruirt hat, und WoLrr für das Femur hominis, EicHBAUm und ZSCHOkKE für das des Pferdes beschrieben (vgl. Fig. « und b). Den Untersuchungen Roux’s über die Verschiedenheit der Spongiosa- elemente und ihre Ursachen kann nicht in allen Punkten beige- pflicehtet werden; insonderheit lehren meine vergleichenden Unter- suchungen, dass im geraden Gegensatz zu Roux’s Angaben lebendige Kraft, d. i. »Aneinanderpressung der Gelenkflächen durch oft wieder- holte rasche und kräftige Muskelkontraktionen« (Stoß im Sprung), in 80 R. Schmidt, vielen Fällen die Bildung weiter Spongiosamaschen zu veranlassen scheint (vgl. Fig. 2 nnd 4, Taf. IV). Diese Vierfüßer reihen sich nach ihrem Spongiosabaue in Gruppen an einander. Zu Gruppe I gehören der Höhlenbär, das Pferd, der Hund, der Mensch und das Schwein, Thiere mit zahlreichen, dünnen Spongiosabälkchen, die weit in die Diaphyse hinabreichen und sich durch gedrängte Trajektorien ziemlich scharf gegen das Knochenmark abgrenzen. Gruppe II bilden die Wiederkäuer (Rind, Schaf, Ziege, Hirsch, Reh) und das Känguruh. Die Spongiosa ist weniger fein, die Trabekeln weniger zahlreich, zum Theil lamellös. Die Markhöhle ist vergrößert und von der Spongiosaregion durch eine Knochenplatte mit rund- lichen Löchern von der Weite der Spongiosamaschen der Thiere ge- schieden. Als Gruppe II folgen die Felidae und Mustelidae mit ziemlich derben Spongiosabälkchen in geringer Anzahl, die sich nur wenig an den Seiten in die Diaphyse erstrecken und eine nur undeutliche Abgrenzung gegen das Mark besitzen. Wie groß die Beständigkeit der Form und Spongiosa-Architektur innerhalb derselben Gattung ist, erweisen die Präparate der fünf Marderarten. Dieselben sehen sich zum Verwechseln ähnlich. Die Nager, Gruppe IV, und die Reptilien und Schwanzlurche Gruppe V, zeigen noch gröbere Architektur, die noch weiter gegen die Gelenkfläche zurückweicht, ohne eine Markgrenze erkennen zu lassen. Zuletzt kommen in Gruppe VI die Vögel mit ihren luft- haltigen Oberschenkelbeinen und der äußerst spärlichen Spongiosa dicht unter der Gelenkfläche. Im Allgemeinen wird der Spongiosabau relativ um so gröber, je kleiner das betreffende Thier ist. Wird dagegen die mechanische Inanspruchnahme eine andere, wie in den Humeri der Vögel, der Fledermäuse, der graben- den Thiere (Talpa, Myrmecophaga), oder bei den Schwimmern (Testudo, Lutra, Phoca, Delphinapterus), so verändert sich auch der Bau der Spongiosa. Zunächst fehlen allen diesen Thieren die eigentlichen »Hauptdrucktrajektorien«, welche bei obigen sechs Gruppen die deut- lichsten sind. Die Ursache ist der geringe, zum Theil fehlende Druck der Körperlast. Bei den mit reichlicher Spongiosa versehenen Wasserthieren sind die Übergänge der funktionellen Anpassung der Archi- tektur am besten zu studiren. Der Fischotter, welcher sich auch auf Vergl.-anat. Studien über d. mech. Bau d. Knochen u. seine Vererb. 81 dem Lande oft und nicht ungewandt bewegt, zeigt noch deutliche Hauptdrucktrajektorien (Fig. 8). Beim Schwimmen werden aber die Gliedmaßenknochen auf Biegung beansprucht. Desshalb bietet Lutra vulgaris die ersten Andeutungen der oben beschriebenen » Versteifungs- kurven, SATCLOSN. le 130° 4. | Equuscaballus (Lastpferd) | 110,5°) 62 |112° | 85,7 52, Bosstaurus 2. nm 119° 19. 1178 18,5 6. 1,Dus scrofa dom „ar: 114° 41,1 |115,5°, 39,4 1.2 Ovis-aries a... a 117°. | 30,87 127872 72357 8 | CGapraxhırensenee 0: 115° 1223 32 9. | Cervus elaphus juv. .... | 107,5°| 45,3 |116° | 39,5 10. » » Senzr. m. 114° 39,0 11. Ziehung ee 109 | 38 137° | 40 1:2.;|. Dachshund er rar er 107° 22,6 | 135° 20,7 13.) Melesstaxusee me a 115% 21,1 11252 22 14. | Felis domestica....... 123° 13°%)198° 15,8 15... Mustelaomartese 2 72 128° 10. 2,1108 12,1 162 » Oman. a 127°. „=9,87 Issue 172 -Butormus@foetidus ae 2 121° 9,0119 17,1 18. | Lutra, vulgaris 7... 127,52. 18,99) 125277409 19.7. Lepusstimiduse 220.52 114° | 147 os 20. rkeuniculus, Mara 1099212 50728 10,2 212 aHalmateruss 22... 1115522 18,17) 7932 44 22. Bhocaayatulınar 2... 128° 080 23. | Delphinapterus ...... 114,5° 44,8 JuLIUs WoLFF’s Lehre von der Transformationskraft (s. Einl.) ist heute die Grundlage der mechanistischen Auffassung des Knochen- baues geworden. Wo höhere Anforderungen an die funktionelle Thätigkeit der Knochensubstanz gestellt werden, da bildet sich der Knochen an, entsprechend der Größe der Inanspruchnahme. Bei Ent- lastung tritt Schwund des Knochens ein. Anbildung und Schwund der Substanz besteht meist neben einander. Desshalb ist das kraft- leitende Material in Ort, Masse und Richtung genau nach der Stelle, der Größe und dem Wege der wirkenden Kräfte gefügt. Form und Inanspruchnahme ändern die Größe und Richtung der Kräftespannung im Knochen und dementsprechend die Architektur. Diese Trans- formationen hat WOoLFF an einer ganzen Reihe orthopädischer Prä- parate nachgewiesen. Dass die Architektur sich auch in der Thier- reihe einerseits nach der Knochenform, andererseits nach der Art des Gebrauches richtet, habe ich im vorhergehenden Abschnitte gezeigt. Trotzdem es aus allen neueren Erfahrungen hervorgeht, dass Vergl.-anat. Studien über d. mech. Bau d. Knochen u. seine Vererb. 85 Kräftespannung, also Druck und Zug, durch Inanspruchnahme Knochen- anbildung bewirkt, kann sich mancher Forscher noch nicht ganz von den Anschauungen der »Drucktheories freimachen, dass Druck das Wachsthum der Knochen hemmt. Dieser Zwiespalt spiegelt sich auch in der Arbeit von Dr. CESARE GHILLINI im Arch. f. klin. Chir. Bd. 46, 1893: »Exerimentelle Untersuchungen über die mechanische Reizung des Epiphysenknorpels« wieder. GHILLINI fühlt sich auf Grund von Versuchen an jungen Kaninchen veranlasst, für die v. VOLKMANN- HuETER’sche Drucktheorie einzutreten. Da seinen Schlussfolgerungen meines Wissens bisher nicht widersprochen ist, die Grundlage vor- liegender Arbeit aber das Wourr’sche Transformationsgesetz bildet, so erscheint es angemessen, gerade an der Hand der Versuche GEILLINT’s die Überlegenheit der Lehre WoLrF's zu erweisen. GHILLINI reizte den Epiphysenknorpel im Wachsthum begriffener Kaninchen durch aseptisches Einpflanzen von Elfenbeinstiften in den- selben. Er begleitet die Schilderung der auftretenden Veränderungen durch genaue Zahlenangaben und gute Figuren. Bei Ausmessung der letzteren wie auch aus den Zahlen der angegebenen Längen- differenzen (p. 845) ergiebt sich, dass bis zum dritten Monat der operirte Knochen geringeres Längenwachsthum als der gesunde auf- weist. Nach zwei Monaten ist der Elfenbeinstift bereits in starker Resorption begriffen. Vom dritten bis fünften bis achten Monat aber wächst der operirte Schenkel absolut schneller, der gesunde auffallend langsam, so dass die Längendifferenzen abnehmen. Dazu kommt noch die Verbiegung, welche das Längenwachsthum beeinträchtigt. Diese, so wie die Drehung um die Längsachse! sprechen für schiefe Belastung, deren Ursache in der Verlegung der Last auf den nicht operirten Condylus zu suchen ist. Damit tritt hier stärkeres Wachs- thum durch vermehrten Funktionsreiz ein, und desshalb »eine Senkung des inneren Condylus<, die jedoch nur eine relative genannt werden _ kann. Es stehen also die Vorgänge in Einklang mit WoLrr’s Gesetz, nieht wie GHILLINI meint mit der Hurrer’schen Theorie. Dafür spricht ebenfalls die Verlegung der Markhöhle nach der ope- rirten Seite und die Diekenzunahme der Wand der anderen, belasteten Seite. Ferner stimmt das geringe Längen- und Diekenwachsthum der Tibia und des Femur nebst seinen Condylen damit überein. GHIL- LINI spricht zwar von »Schwund«, hat ihn aber nirgends nachweisen 1 Pronation und Supination, s. MOELLER, »Klinische Diagnostik der Lahm- heiten«. 86 R. Schmidt, können. Es bestand eben nicht Schwund, sondern Zurückbleiben in der Entwicklung der Gliedmaße durch Niehtgebrauch. Bezüglich desWachs- thums sind bei GHILLınts Versuchen folgende Punkte zu beachten: 1) Normales Wachsthum (in der Abnahme begriffen). 2) Auch ohne Entzündungserscheinungen Entlastung des operirten auf Kosten des gesunden Schenkels. 3) Verändertes Wachsthum durch veränderten Funktionsreiz. 4) Differenz des Funktionsreizes und des Wachsthums zwischen beiden Knochen mit dem »Einheilen« des Stiftes größer werdend, indem der Funktionsreiz am operirten Knochen zunimmt, das Wachsthum, auch das normale, am gesunden dagegen abnimmt, so dass der zurückgebliebene den gesunden Knochen in der Größe einzuholen beginnt. Die von GHILLINI beschriebenen und abgebildeten schiefen und verbogenen Säulen der »hydropischen« Zellen, so wie die Theilung des Epiphysenknorpels an der Stelle des Elfenbeinnagels am achtzehnten Tage nach der Operation lassen sich ohne Schwierigkeit als durch künstliches Zur-Seite-Schieben der Knorpelmasse beim Eindringen des Fremdkörpers entstanden denken. GHILLINI »stimmt in einem Falle mit J. WoLFF überein«, dass stärkerer Druck und Zug die Knochensubstanz vermehrt, geringerer Druck Abnahme bewirkt. Im Übrigen »stehen seine Befunde im Einklang mit den Resultaten von v. VOoLKMANN und HUETER<. In der That lassen sich aber alle seine Befunde Una Zug durch die Transformation der Knochen erklären. Es schien mir ferner nicht mit dem Transformationsgesetze über- einzustimmen, dass die Corticalis sich an den Durehtrittsstellen der Ernährungsgefäße »plötzlich in auffallendem Grade verdickt, dann aber eben so schnell wieder abnimmt«, wie. EICHBAUM an- giebt (6). Ich habe die ganze Reihe der mir zur Verfügung stehenden Thiere daraufhin nntersucht (allerdings außer dem Pferde, von dem mir nur die oberen Knochenhälften zur Hand waren), and habe bei keinem derselben etwas Ähnliches gefunden. Eine ziemlich schnelle Diekenzunahme der Compacta in der Diaphyse zeigt allein der Hu- merus des Delphin, wie oben angeführt. Bei diesem treten die er- nährenden Gefäße jedoch fern von dieser Gegend in den Knochen ein. Dagegen konnte ich mich in jedem einzelnen Falle davon über- zeugen, dass die durch die Durehbohrung herabgesetzte Widerstands- kraft der Corticalis durch innen angesetzte Knochenleisten oder -Wülste wieder hergestellt wird. Dieselben sind aber jedes Mal nur Vergl.-anat. Studien über d. mech. Bau d. Knochen u. seine Vererb. 87 wenig auffallend, entsprechend der nur geringen Schwächung der Wand. In Fig. 17 ist ein solcher Ernährungskanal mit seinen Leisten aus dem Femur des Schweines dargestellt. Direkte Selbstgestaltung des Zweckmäßigen finden wir als Aus- druck der Funktion bei Betrachtung der Gelenkformen. Hier sehen Transformationsgesetz und Vererbung erworbener Eigenschaften Hand in Hand. Letztere soll in einem besonderen Abschnitte Berück- sichtigung finden. Hier soll es sich nur darum handeln, zu zeigen, dass die Gelenktheile in ihrem Bau durch die in ihnen wirkenden Kräfte bestimmt sind, dass also auch bei ihnen das die Spannung vermittelnde Material in Ort, Menge und Form genau nach der Stelle, der Größe und dem Wege der Kräftespannung gefügt ist. J. WOLFF stellt bereits den Satz auf: »Die Knochenform ist lediglich der Ausdruck der Knochenfunktion« (3, p. 94). Der Gelenkkopf von Humerus und Femur kann verschiedene Formen haben. Während derselbe am Humerus gewöhnlich bei den Vierfüßern von vorn nach hinten gerichtet und etwas länglich geformt ist, stellt sich der kugelige des Femur quer zur Körper- achse. Bei den fliegenden und grabenden Thieren ist die Längs- achse des Caput humeri zwei- bis viermal so groß als die Quer- achse. Dabei steht sie quer zur Körperachse. Hingegen ist das Caput humeri der Fledermaus mehr kugelig geformt, das Tuber- culum groß, so dass der Knochen einem Femur sehr ähnlich sieht (vgl. Fig. 15). Die Flugbewegung der Fledermäuse ist eben eine wesentlich andere als die der Vögel. Die Gestalt des Gelenkkopfes des Oberschenkelbeines ist weniger Verschiedenheiten unterworfen. Sie zeigt Übergänge zwischen der Kugelform (Mensch) und der Waizenform (Rind). Die Richtung des Längsdurchmessers bleibt die- selbe bei allen Thieren, laufenden, kletternden, springenden, graben- den, fliegenden, schwimmenden, denn die Bewegungsrichtung der Hintergliedmaße bleibt bei diesen Gebrauchsweisen die gleiche. Bezüglich der funktionellen Gestalt des Gelenkkopfes müssen bei Humerus wie Femur zwei Gegenden unterschieden werden. Zunächst kommt die Druckaufnahmeplatte in Betracht (a, Fig. 5), die Stelle der Gelenkkopffläche, welche den Druck der Last empfängt, der von ihr durch die Hauptdrucktrajektorien weiter geleitet wird. Es ist bei Beschreibung der Architektur bereits darauf hingewiesen, dass an der Stelle größter Kraftwirkung (in X, Fig. b) die Druckaufnahmeplatte ihre größte Dicke hat, und dass daselbst 88 R. Schmidt, die steilsten, geradesten und stärksten der Hauptdrucktrajektorien stehen. Nach den Seiten vermindert sich mit der geringer werdenden Belastung auch die Stärke der Stützelemente. Der höhere Druck hat für die Knochensubstanz auch einen höheren Wachsthumsreiz ab- gegeben, der Knochen ist in X dem Drucke geradezu entgegenge- wachsen. Desshalb ist X der am weitesten vorgeschobene Punkt der Gelenkfläche. Von jedem anderen Punkte derselben würde ein Loth auf die Knochenachse näher nach M fallen als das Loth X B. Dass die Gelenkfläche von X nach allen Seiten mehr und mehr abfallen muss, rührt eben so gut wie die abnehmende Dicke der Druck- aufnahmeplatte und der Hauptdrucktrajektorien von der abnehmenden Belastung her. Die weitere Form des Gelenkkopfes ist durch den Verlauf der Trajektorien bestimmt, wie der äußerst gelegene Trajektor die äußerste Begrenzung des Kranes und des Knochenschaftes ist. Man kann die Besrenzungslinie a (Fig. 5) als die letzte Zugkurve, die von D nach c als die letzte Druckkurve auffassen, besonders bei einem Vergleich mit Fig. a. In dem Punkte, wo die Kraftspannung — 0 ist (0,0 ın Fig. a, D in Fig. 5), gehen beide in einander über. Es ist dies die Fovea capitis, in der sich das Ligamentum teres anheftet. Die Lastwirkung, die Funktion ist es also, welche die äußere Gestalt, die Wandstärke und die Architektur des Gelenkkopfes bedingt. Dasselbe Prineip beherrscht den Bau der Gelenkpfanne. So verschieden die Gestaltung des Gelenkkopfes ist, ist es auch die der Pfanne, denn zwischen beiden besteht Kongruenz der sich jeweilig berührenden Flächen. Nur bei äußerster Beugung und Streckung des Gelenkes berühren sich die Flächen nicht in allen Theilen. Die Gelenkpfanne umspannt bei Bewegung bald mehr den vorderen, bald mehr den hinteren Theil des Kopfes. Im Verhältnis zn diesem ist die Pfanne des Schulterblattes kleiner als die des Beckens. Je weiter die Pfanne den Kopf umfasst, um so beschränkter ist im Allgemeinen die Bewegungsrichtung, um so mehr aber auch das Ge- lenk bei der ihm eigenthümlichen Funktion gefestigt. Da durch das Hüftgelenk ein erheblicher Kraftaufwand für den Fortschub vermittelt werden muss, wird auf diese Weise die Gefahr einer Luxation in hohem Grade vermindert. Die klinischen Erfahrungen bestätigen dies. Dafür geschieht die Bewegung der Hintergliedmaße vornehm- lich in der Richtung der Medianebene; die kleine Pfanne der Scapula gestattet noch andere Bewegungen. Vergl.-anat. Studien über d. mech. Bau d. Knochen u. seine Vererb. 89 Was die Spongiosa-Architektur der Gelenkpfanne an- langt, so ist zu beachten, dass, da bei der Bewegung die Pfanne des Hüft- und Schultergelenkes bald mehr den hinteren, bald mehr den mittleren, bald mehr den vorderen Theil des Caput umfasst, die Druckaufnahmeplatte die Kraftwirkung demgemäß bald mehr auf den vorderen Theil der Pfanne überträgt (Fortschub), bald mehr auf den mittleren (Stützen) oder auf den hinteren (Aufsprung). Der Knochenpfeiler pflanzt also seinen Druck in den vorderen Abschnitt der Gelenkpfanne in der Richtung nach vorn, in den hinteren nach hinten fort; dazwischen liegen die Übergänge. Der Spongiosabau ist aus dem Grunde ein strah- liger, radiärer, wie ihn Fig. c im Becken und Fig. din dem Gelenktheil des Schulterblat- tes der Katze schematisch vor Augen führen. Auf Taf. VI, Fig. 1 bringt ZSCHORKE (4) eine sehr gute Abbildung des Sagittalschnittes durch das Schulterblatt des Pferdes, von der Fig. e ein schematisirtes Bild siebt. In x setzt sich der Gelenkkopf an. Von der Gelenkfläche strahlen nach vorn (v) die Bälkchen der Schubkraft, nach oben (m) die mitt- leren für das Stützen, nach hinten (7) diejenigen, welche das Auffangen der Last besorgen. Je weiter die Gelenkpfanne den Gelenkkopf umgreift, je mehr diver- giren die äußersten Bälkchen bei v und h von einander, z. B. mehr bei Fig. c vom Becken, als bei Fig. d und e vom Schulterblatt. Bei den meisten Wirbelthieren be- wirkt die Hintergliedmaße den Fortschub; die Vordergliedmaße dient hauptsächlich dem Auffangen der Last. Auf diese Weise wird es erklärlich, dass in Fig. e die Bälkchen bei A stärker, zahlreicher und gerader in der Richtung der Compacta liegen, als sich dies bei den mittleren und vorderen geltend macht. Wie am Gelenkkopfe vermögen wir an der Gelenkpfanne nicht allein die Spongiosa-Architektur als eine durch die Funktion bedingte zu erkennen, sondern auch deren gesammte Formgestaltung. Als Fig. d. 90 R. Schmidt, Beispiel möge die weite und tiefe Gelenkhöhle des Hüftgelenks herangezogen werden. Die Flächenansicht bietet folgendes Bild (Fig. f). Der obere Theil der Wölbung (vS%) bildet den oberen bezw. unteren Bogen zweier Parabelkurven, deren gemeinsame Ab- seissenachse (x) durch den Punkt S als Scheitel geht, dem in der Statik der Mittelpunkt X (Fig. d) der Druckaufnahmeplatte des Caput anliegt. Die orale Parabel (So) ist stärker gekrümmt, die caudale flach geschweift (S%). X Von v und A gegen die Ineisura acetabuli (J), welche von der z- Achse halbirt wird, fal- \ caudaı eu die Kurven gleich zZ stark. ab, amdınider | knöcherne Ring tritt gegenüber dem knor- pelig fibrösen Saum des Labrum glenoidale zurück, bis an der In- Fig. f. eisura nur noch das brückenartige Ligam. transversum die Gelenkhöhle zum Abschluss bringt. Der punktirte Kreis bei D giebt die Stelle an, in welcher bei der dargestellten Ansicht das Licht durchscheint, da hier die Knochenplatte außer- ordentlich dünn ist. Diese Stelle entspricht dem Punkte D in Fig. . Das Lig. teres verläuft von D, der Fovea capitis nach J. Da der Punkt stärkster Kraftwirkung (X) am Gelenkkopfe der weitest vorgeschobene ist, fällt es von vorn herein auf, dass der sta- tisch entsprechende Punkt S am weitesten zurückliest. Es ist dies trotzdem die Stelle geringster Inanspruchnahme der Gelenkpfanne. Denn die funktionelle Selbstgestaltung richtet sich nach der physio- logisch stärksten Kraft. Diese liest aber in der Mechanik. In S wirkt allein die Körperlast, gegen vo und 7 hin multiplieirt sich bei der Ortsbewegung die Körpermasse mit der Geschwindigkeit (Be- wesungsantrieb) und ergiebt so eine höhere Kraft. Beim Fortschub der Last verschiebt sich die Druckaufnahmeplatte nach v, der Schenkel richtet sich nach vorn; beim Auffangen der Last richten sich Platte und Schenkel gegen 4. Es ist sonach S der Punkt der geringsten Inanspruchnahme des Bogens vS%. Von S aus nimmt nun die Funktionskraft verschieden zu. Die in Bewegung befindliche Körper- oral. T: 1) t ventral. ) Vergl.-anat. Studien über d. mech. Bau d. Knochen u. seine Vererb. 91 masse wird durch die Hintergliedmaße in der Regel nicht aufgefangen. Beim Pferde z. B. tritt eine solche Inanspruchnahme in bedeuten- derem Maße nur beim plötzlichen Stutzen im Lauf oder vor einem bergabrollenden Wagen ein. Ihre Hauptthätigkeit besteht in dem Antrieb zur Bewegung. Es nimmt desshalb die Inanspruchnahme der Gelenkpfanne von S nach vo schneller zu als von S nach A, beide Male in steigender Progression. Dieser Funktion ist die Knochen- masse in Form zweier parabolischer Figuren angepasst, von denen die oral gelegene steiler, die aborale flacher ist. Das Auffangen der Last durch die Vorderbeine geschieht von vorn nach hinten. An der Schulterblattpfanne finden sich dieselben beiden Parabelkurven, von denen die hintere (bei A, Fig. e) stärker gebeugt ist. In demselben Grade, wie die Spongiosa-Architektur und die innere Form der Gelenkhöhle, ist die Wandstärke bezw. die äußere Gestalt derselben von der Funktion abhängig. Der Krümmung der Parabelschenkel gemäß nimmt auch die Wandstärke zu. Demzufolge ist die Wand bei $ (Fig. f) am dünnsten. Von v und % ventralwärts wird die Inanspruchnahme gering. Der Knochen wird durch Knorpel ersetzt. Dem Parabelscheitel gegenüber, an der Incisura acetabuli (J), besteht nur noch eine Brücke aus Bindegewebe. Diese unteren Ab- theilungen der Pfanne kommen einzig in Betracht, wenn der Schenkel lose in dem Acetabulum hängt. Ferner erklärt es sich aus dem ver- minderten Gebrauch, dass die Wandstärke am Rande abnimmt. In Fig. f bei D ist eine durchscheinend dünne Wandstelle des Ace- tabulum punktirt. Wie bereits angegeben, entspricht dieselbe der Fovea capitis (D, Fig. 5) und dem 0,0 Punkte des CurmAann’schen Kranes (Fig. a). Dies ist der Drehpunkt des Gelenkkopfes. Eine sehr geringe Inanspruchnahme erfährt dieser Ort bei Auswärtsstellung der Beine, wozu z. B. Pferde durch das Uriniren veranlasst werden. Letzteren Gegenden gegenüber ist der Gebrauch bei S (Fig. f) ein bedeutender, demnach auch die Wandstärke. Man beobachtet an diesem Orte meist eine Knochenauflagerung, eine äußerliche Wulst. Auch am Schulterblatte (Fig. e und d) ist da, wo die stärkste Kraft wirkt und sich die größte Gelenkflächenkrümmung mit den dieksten Spongiosabälkehen nachweisen lässt, die Wand der Gelenk- fläche am stärksten. Auch die Wand, in welche die Bälkchen von hier einstrahlen (}), ist dicker als die gegenüberliegende (2). Diese Verhältnisse sind in der Thierreihe beständig, wie aus der vergleichend-anatomischen Betrachtung derselben hervorgeht. Sie 2 R. Schmidt, treten um so deutlicher in die Erscheinung, je größer die Ausschrei- tungen des Gelenkes sind, und ein je größerer Kraftaufwand dabei semacht wird. Würde man wiederum Generationen auf statische Beanspruchung beschränken können, so müssten diese Formen ver- schwimmen. Gemäß der verschiedenen Größe des Hüftgelenkwinkels der Thiere bei ruhigem Stehen kommt die Parabelachse mit S und J verschieden zur Längsachse des Beckens bei den einzelnen Thieren zu liegen (Fig. f). Beim Menschen ist die Incisura acetabuli an der Breitseite des Foramen ovale gelegen und gegen die Symphyse des Scham- und Sitzbeines gekehrt. Bei der hinten sehr niedrig gestell- ten Hyäne liegt sie an derselben Stelle, wendet sich aber gegen den Ramus horizontalis ossis pubis. Die Ineisura der Cervidae im Suleus obturatorius des Foramen ovale ist caudo-medial gegen das Os ischii gerichtet. Diese Stellung ist bei den Thieren die vorherrschende. Die Knochenwulst im Parabelscheitel (bei S, Fig. f) ist sehr stark bei Sus scrofa ferus, recht beträchtlich bei Bos urus, deren stark entwickelte Spina ossis ischii schon auf eine die der anderen Thiere überwiegende Muskelthätigkeit an der Hintergliedmaße hinweist. Sus scrofa dom. und Tapirus americanus haben keine so deutlich be- srenzte Wulst; auch fehlt der Muskelkamm. Eben so verhalten sich Ovis, Capra, Camelus, Bos taurus und B. bubalus, Bison americanus, Cervus tarandus, Antilope Addax, A. Gnu, Auchenia Alpacea, Camelo- pardalis Giraffa. Dieselbe Wulst ist bei Cervus elaphus, C. Axis, C. capreolus und Antilope rupicapra wenig mehr entwickelt als bei den letztgenannten. Ihnen schließt sich der Wolf an, dem Dogge und Hühnerhund in dieser Hinsicht nachstehen. Hydlene striata und cro- cuta haben eine sehr breite und dicke Wulst. Eine große Welle stellt dieselbe bei Ursus maritimus, Ursus arctos und Hippopotamus vor. Weiter nach vorn verlegt ist sie bei dem Becken der Katzenarten und dem Becken des englischen Hengstes. In die Darmbeinsäule verliert sich der Parabelscheitel z. B. bei dem Walross und dem Känguruh, so dass man hier an der gewohnten Stelle zwischen Darm- und Sitzbein keine Wulst findet. Je mehr also das Hauptbewegungsmoment auf die Hinterglied- maße verlegt wird, d. h. je ausgesprochener und kraftvoller der Fort- schub der Körpermasse nach vorn erfolgt, desto weiter schiebt sich auch die verdickte Wandstelle nach vorn. Wenn der gesammte Bau der Gelenkenden in so vollkommener Weise den Anforderungen des Transformationsgesetzes, also den An- forderungen der Funktion entspricht, muss man Roux (9) beipflichten, Vergl.-anat. Studien über d. mech. Bau d. Knochen u. seine Vererb. 93 dass die funktionelle Anpassung ein Princip der direkten Selbst- gestaltung des Zweckmäßigen darstellt. Es handelt sich dabei um Ernährungs- und Wachsthumsvorgänge, um »Überkumpensation des Verbrauchten durch den trophischen Reiz der Funktion« (s. w. u.). Fick, TORNIER und Arby erklären die Form der Gelenkungs- flächen als durch Ausschleifung entstanden (12 u. 13). Mag immer- hin bei Bildung derselben trotz der zähen Synovialis ein Ausschleifen mit im Spiele sein, was sich kaum leugnen lässt, so erklärt dieses doch nur die Gestaltung der sich berührenden Gelenkflächen, nicht aber auch die Spongiosa-Architektur und die Wandstärke der Gelenkenden. Die Theorie des Ausschleifens verdeutlicht z. B. die Entstehung der Gelenkhöhlenfläche der Ulna für die Walze des Humerus, das Trans- formationsgesetz aber daneben noch die des Spongiosabaues und wesshalb sich diese Höhle gerade an der dicksten Stelle der Ulna befindet. Ein Bau, der so bis ins feinste seinem Zwecke entspricht und entsprechen muss, soll er anders diesen erfüllen, kann nicht erst intra vitam durch den Gebrauch entstehen, sondern muss sich in der An- lage bereits beim Embryo finden. Die Vererbung des Knochenbaues streifen J. WOLFF (3), ZSCHORKKE (4), W. Roux (9) und A. BER- nAys (14). Die vergleichende Anatomie wird bei der Untersuchung erblicher Architektur in der Thierreihe von der Ontogenie zu der Phylogenie, also dem Studium der Veränderungen im Säugethierskelett während der phyletischen Entwicklung, übergehen. Erst ein Ver- gleich der Befunde im Entwicklungsleben des Individuums mit denen der Art liefert ein treues Bild der Vererbungsfähigkeit der Architektur der Knochen. Embryologisch kann ich das bestätigen, was oben genannte Forscher für den Menschen bezw. Pferd und Rind angegeben haben, und dies auf eine Reihe anderer Arten ausdehnen. Es stand mir folgendes reichhaltige Material zur Verfügung. 1) Foetus homin. im 6. Monat. Mai» » von 7 Monaten. ° She >» von Felis domestica von 6 Wochen. 4) » » » » Se » 3) » Bos taurus » 52 cm Länge. 6); >08 > >» 9 Wochen. Dan :» en > >12 » 94 R. Schmidt, 8) Foetus von Bos taurus von 20 Wochen Se > MWOyisaniesı » 6 > 10,02 ss, erste 11) » » » » > » DE > » Sus scrofa dom. von 4 Wochen 13) » » » » » 9 » 14), © » Equus caballus » 36 » ya » Mus decumanus. 16) >» » Lepus timidus. 17) Neugeborener Dachshund. 18) » Katze. In den meisten Fällen wurden Humerus und Femur vier bis zehn Wochen lang mit der von WALDEYER empfohlenen Chlorpalladium- Salzsäure behandelt und dann in Paraffin geschnitten. Die Reihen färbte ich theils mit Hämalaun, theils mit Fuchsin. J. WoLFF wies 1870 nach, dass sich die Spongiosa-Archi- tektur schon vor Inanspruchnahme des Knochens ausbildet. BERNAYS fand dasselbe bei der Entstehung der Gelenkformen. Beides gilt jedoch nicht für den Menschen allein, sondern für die von mir unter- suchten Säuger überhaupt. Der Bau der Spongiosa ist bei den Em- bryonen nicht ein getreues, verkleinertes Abbild des der erwach- senen Individuen; er ist nur in den Hauptzügen derselbe. Zug- und Druckbälkchen konvergiren bereits gegen einander, die Querbälkehen verbinden dieselben senkrecht. Der Knochen macht während des intra-uterinen Lebens einen Entwieklungsgang durch, der die Archi- tektur allmählich klarer und feiner aus ihm herausarbeitet. Der Verlauf der Spongiosabildung im embryonalen Leben vor jeder Inanspruchnahme, ja selbst vor Ausbildung arbeitsfähiger Muskelfasern, ist folgender. Die Anfangs kompakte Diaphyse löst sich nach dem Eintreten der Periostalknospe in rechtwinklig ange- ordnete Spongiosamaschen auf, deren Hauptstränge parallel der Knochenachse gegen die Epiphysen vordringen, um sich hier schließ- lich einander zuzubeugen. Die Periostalknospe bricht stets an der Stelle durch, welche später die größte Wandstärke besitzt, d. i. nicht immer in der Mitte des Knochens (s. SCHWALBE, 15). Die Spongiosa der Diaphysenmitte wird darauf resorbirt, eine Markhöhle entsteht, während die Spongiosa an der Diaphysenoberfläche sich verdichtet und mit der vom Periost aus gebildeten Knochenschicht zur Compaeta vereinigt. Je weiter die Markhöhle um sich greift, um so gröber Vergl.-anat. Studien über d. mech. Bau d. Knochen u. seine Vererb. 95 aber auch geordneter wird die Spongiosa. Da diese Grundzüge der Architektur sich ausbilden, ehe noch die Muskelelemente kontraktil sind (HENKE, BERNAYS u. A.), kann die Ursache nicht unmittelbar im Gebrauch zu suchen sein, in direkter Selbstgestaltung durch funktio- nelle Anpassung. Das will sagen, der Spongiosabau ist ererbt. Die phylogenetische Entwicklung der Architektur siebt uns dasselbe Bild. Die Diaphyse der Anuren ist auf weite Strecken von kompakter Knochensubstanz erfüllt. Die Reptilien und die ihnen auch im Knochenbau des Humerus und Femur nahe ver- wandten Schwanzlurche weisen eine unverhältnismäßig dieke Corti- calis auf, die nur für eine sehr enge Markhöhle den Raum freigiebt. So kommt es, dass bei den stark gebogenen Knochen des Oberarmes und Oberschenkels der Schildkröten die Markhöhle völlig verschwun- den, die Diaphyse massiv ist. Die Vögel stehen in der Entwicklungs- reihe auch in Hinblick auf ihren Knochenbau ‘abseits. Die Mono- tremen konnte ich leider nicht untersuchen. Die Beutler (Fig. 7) besitzen einen hochentwickelten Knochenbau, wenn auch die Dia- physencompacta noch eine auffallende Stärke besitzt. Dieser Um- stand springt bei den rückgebildeten Walen noch mehr in die Augen. Ihnen fehlt überdies eine trajektorienfreie Markhöhle (Fig. 14). Der Knochenschaft der Sirenen ist sogar vollständig solide. Von den Nagern an nimmt die Architektur einen mächtigen Aufschwung. Die Corticalis wird fester und dünner, die Markhöhle größer, und die Architektur der Spongiosa zierlicher und bestimmter. Den Gipfel der Entwicklung bildet der Mensch. Auch die Paläontologie giebt einigen Aufschluss über die Entstehung der Architektur der Knochen; wenn auch selbst gründ- liche Forscher wie CuvIEr (17) ihrer gar nicht Erwähnung thun, finden sich doch hier und da Angaben, dass den Paläontologen »massive Röhrenknochen« aufgefallen sind. ZiTTEL (19) giebt an: »Sämmtliche Skelettknochen der Dinoceraten sind massiv.« Die Dinoceraten star- ben bereits im Eocän aus. Des Weiteren sagt derselbe Forscher: »Die langen Knochen aller Proboseidier entbehren der Markhöhle.« Nach STEINMAnN und DOEDERLEIN (18) »vermag die strati- sraphisch-paläontologische Forschung nur das relative, nicht aber das absolute Alter einer Steinschicht und der darin enthaltenen Fossilien festzustellen«. Das relative Alter genügt für das Verständnis der Struk- turentwicklung der Knochen. Die Röhrenknochen der älteren Dino- ceraten sind also massiv, die der auf einer höheren Entwicklungsstufe stehenden Proboseidier haben dagegen keine massive Diaphyse mehr, 96 R. Schmidt, aber auch noch keine Markhöhle, sind also mit Spongiosa angefüllt. Dasselbe Verhalten zeigt Ursus spelaeus, von dessen Diaphysen- spongiosa ich in Fig. 6 eine photographische Aufnahme beifüge. STEINMANN erklärt den Höhlenbären, ein Thier größer als der Eisbär und Grizzly, für eines der bezeichnendsten Thiere des euro- päischen Diluvium oder der Quartärformation. Die Architektur, so weit sie hier interessirt, giebt folgendes Bild. Nach den Gelenkenden zu ist das Spongiosagewebe außerordentlich dieht und zart. Die Corticalis nimmt von hier aus rasch zu, so dass sie in der Diaphysen- mitte den von gröberer Spongiosa ganz erfüllten Markhöhlenraum auf einen kleinen Raum zusammendrängt. Von dem Querdurch- messer von vorn nach hinten kommen hier 19,2 mm auf die Sub- stantia compacta, 11,9 mm auf die Substantia spongiosa, von dem von rechts nach links 28,0 mm bez. 18,9 mm. Die Dieke der Wand ist jedoch in der Abnahme begriffen, denn in ihrer inneren Fläche hat sie sich in eine ganze Anzahl Blätter aufgelöst, die sich zu Spon- giosa umzubilden im Begriffe stehen. Die weiter nach innen gelegenen Blätter sind von Löchern durchsetzt, welche ihnen den Charakter der Spongiosamaschen verleihen. In den näher der Wand stehenden Blät- tern nehmen die Löcher ab. Die Spongiosa steht in der Mitte der Diaphyse lichter als anderswo. Hier wirkt bereits Resorption. Unseren heute lebenden Bären fehlt die Diaphysenspongiosa; der Knochen ist abgesehen von seiner entsprechenden Kleinheit auch schlanker. Die Stützelemente sind gleichsam mehr koncentrirt. Doch ist die Markhöhle auch hier auf einen nur geringen Raum beschränkt. M Unter Zugrundelegung der Untersuchungen Roux’s, »der Kampf der Theile im Organismus« (16, p. 249 ff.) und »Beitrag I zur Ent- wicklungsmechanik des Embryo« (9, p. 485—512), und J. WoLFF's (3, p. 75—78) erlauben uns Ontogenie und Phylogenie folgende Vor- stellung von der Entstehung der Spongiosaarchitektur. Der Knochen war ursprünglich ein massives Gebilde (Dinocera- ten bis zum Eocän), das eine besondere Architektur erst nach langen Generationen bei stets wiederkehrend gleichem Gebrauch erhalten konnte. In diesem soliden Tragebalken brachte die Inanspruchnahme diejenigen Zellen, welche in der Richtung stärkerer Spannungen lagen, durch trophischen Funktionsreiz und Überkompensation des Verbrauchten den anderen, nebenliegenden Zellen gegenüber in Vor- theil (Roux). Je mehr sich die Trajektorien (s. Einleitung 1) stärken. desto mehr wird das Zwischengewebe entlastet. Diesem wird Arbeit Vergl.-anat. Studien über d. mech. Bau d. Knochen u. seine Vererb. 97 und damit Funktionsreiz und Nahrung zu Nutzen jener Zellen ent- zogen; diese büßen an vitaler Energie ein und verfallen der In- aktivitätsatrophie. Sie werden schließlich ganz verdrängt; es ent- stehen Lücken und endlich ein Maschengewebe (Proboscidier und Ursus spelaeus, Testudo und Sirenen, Fig. 6 und 16). Je älter das Thier individuell und phyletisch ist, um so deutlicher und zweck- entsprechender tritt die Architektur auf. Sie erreicht beim Menschen ihre ‘höchste Entwicklung. Da die Knochentheilehen an dem Orte seringster Kraftspannung zuerst schwinden, bildet sich zuerst in der Mitte der Diaphyse ein Spongiosanetz (Eintreten der Periostalknospe bei den Embryonen), das hier auch wieder zuerst zu schwinden be- sinnt (Höhlenbär.. Dann löst sich der Knochen in immer weiterem Umkreise in Spongiosazüge auf; s. Fig. 18 den Frontalschnitt aus dem Oberschenkelbein eines menschlichen Fötus von sieben Monaten‘. Die Maschen sind noch eng, die Trajektorien zart. In der weiteren Entwicklung werden die Bälkchen in der Schaftmitte des Knochens lichter, schließlich resorbirt, und es entsteht eine kleine Markhöhle, die bald an Umfang zunimmt, wie aus Fig. 20, einem Rinderfötus von 20 Wochen, und Fig. 21, einem Pferdefötus von 36 Wochen, ersichtlich ist. In Fig. 20 ist die knorpelige Epiphyse geschrumpft, in Fig. 21 fehlt sie. All diese Fortschrittsstufen bedürfen für ihre phyletische Ent- wicklung großer Zeiträume. Nach vielen Generationen werden die durch die Funktion erworbenen vortheilhafteren Strukturverhältnisse auf die Nachkommenschaft vererbt, d. h. entstehen schon embryonal ohne Reiz. Heute finden sich die Grundzüge der Spongiosa-Archi- tektur besonders beim Menschen bereits auf sehr frühen Stufen der embryonalen Entwicklung. Daneben bestehen Erscheinungen, die wir als Spuren phyle- tischer Weiterentwicklung zu deuten genöthigt sind. Dazu gehört in erster Linie die größere Klarheit der Architektur bei zunehmen- dem Alter (s. p. 71 u. 83), und weiter wären hierher vielleicht die die Markhöhle durchquerenden Spongiosabälkchen und -Platten zu stellen (p. 73). Eben so dürften die weiter unten beschriebenen »Transformationslamellen« hier unterzubringen sein. Man ist wenig- stens versucht, sie an die Seite jener Knochenlamellen zu stellen, welche von der Corticalis des Höhlenbären losblättern und p. 96 als ! Die Embryonen des Menschen stellte mir Herr Privatdocent Dr. SARWEY von der hiesigen Frauenklinik in liebenswürdigster Weise zur Verfügung. Zeitschrift £. wissensch. Zoologie. LXV., Bd. 7 98 R. Schmidt, Fortschritt in der Entwicklung einer funktionellen Architektur ge- schildert wurden. Genau eben so gestaltete Blätter lösen sich von der Innenwand der Compacta des Menschen in höherem Alter. ZSCHOKKE macht den Versuch (4, p. 44 ff.), eine entwicklungs- mechanische Erklärung der Bildung der fötalen Spongiosa-Architektur zu geben. »Die Gefäße verlaufen im Allgemeinen in der Richtung des einwirkenden Druckes.< — »Weder Verengerung der Gefäß- lumina, noch Cirkulationsstörung werden sich einstellen; gegentheils, ein zeitweiliger Druck dürfte, einer Massage gleichkommend, die Cirkulation eher noch befördern. Aus gleichem Grund mögen auch die ersten Kapillarschlingen veranlasst worden sein, ihren speci- fischen Lauf einzuschlagen, so dass nicht die Vererbungskraft, sondern die momentanen statisch-mechanischen Verhältnisse die Gefäß- anordnung in den jungen Knochen bestimmen. Steht es nun aber fest, dass die Knochenmasse sich im Allgemeinen parallel den Ge- fäßen anlagert, so muss folgerichtig sich jene auch in der Richtung des Druckes formiren.« So einfach und einleuchtend diese Erklärung erscheint, wird sie doch dadurch hinfällig, dass einmal die Gefäße der vielen von mir untersuchten Epiphysenknorpel keineswegs in der Richtung des einwirkenden Druckes verlaufen!, sondern meistentheils die Drucklinien in allen Richtungen kreuzen, andererseits eine Archi- tektur in ihren Hauptzügen (s. o.) bereits vor der Möglichkeit eines Druckes besteht. Die späteren Spannungsrichtungen sprechen sich schon in den Knorpelsäulen und Richtungsbalken aus, denen die Knochenbildung folgt. SPENcER’s »Prineip der funktionellen Altera- tion der Blutzufuhr«, welches durch Roux seine Widerlegung fand (20), scheint die Veranlassung zu ZSCHORKE’sS Anschauung gewesen zu sein. Den erörterten Vererbungsgrundsätzen entspricht es ferner, dass nach EicHBAUMm’s Angaben (6) »die diekste Stelle der Diaphysen- Corticalis immer an der Stelle des ersten Ossifikationskernes« liegt. Die Wand des Knochenschaftes erreicht dort ihre größte Stärke, wo sie ihre größte Inanspruchnahme erfährt, d. i. wo sich die meisten und stärksten Trajektorien in ihr vereinigt finden. Höhere Inan- spruchnahme ist von größerer Anbildung, und diese von früherer Vererbung gefolgt. Indem die Periostalknospe hier ins Innere des ı Die Gefäßrinne in Fig. 12 z. B., welche im Caput nahe der Epiphysen- srenzzone die Trajektorien durchquert, findet sich auch bei Embryonen. Vergl.-anat. Studien über d. mech. Bau d. Knochen u. seine Vererb. 99 Knochens durchbricht, wird hier auch am längsten Knochen gebildet (ef. p. 94). Das spätere Ernährungsloch (EıcaBAum) liegt jedoch durchaus nicht an dieser, also der dicksten Stelle der Compaecta (vgl. p. 86). Auch in Fig. 17 wächst die Wandstärke noch unter- halb des Ernährungsloches an. Viele andere Präparate bestätigen dies. Wie die Architektur der Spongiosa uns somit als eine ererbte entgegentritt, so drängt sich uns die Überzeugung von der ererbten Form der Gelenke auf. Dieselbe gelangt gleichfalls früher zur Aus- bildung, als sie in Gebrauch genommen werden, ja ehe überhaupt kontraktionsfähige Muskeln vorhanden sind, wie HENKE und REYHER und A. BErnAays nachgewiesen haben (14). Dessgleichen fand ich bei dem Embryo des Pferdes, von dem Fig. 21 stammt, die Wand- stärke sowie die Spongiosa-Architektur in den Gelenkpfannen der Scapula und des Beckens denen des ausgewachsenen Thieres ent- sprechend angelegt (cf. Fig. e). Die. Gelenkköpfe sind dagegen in der Thierreihe mehr oder minder lange nach der Geburt knorpelig. Wir schließen nunmehr: Die Funktion ist es, welche die Ursache der gesammten Gelenkformation mit all ihren einzelnen Feinheiten ist. Die Vererbung dieser Gelenk- formen arbeitet der Funktion in die Hände. Die gröberen Grundzüge des Baues sind bei der ersten Inanspruchnahme nach der Geburt bereits vorhanden. Gleich mir gelangt G. ToORNIER (12) durch seine Untersuchungen und Versuche zu dem Satze: »Das Gelenk wird durch die Funktion gebildet.< Ebendahin äußert sich Roux: »Die funk- tionelle Anpassung stellt ein Prineip der direkten Selbstgestaltung des Zweckmäßigen dar« (18). J. WoLrF spricht sich in demselben Sinne aus, wenn er die Funktion als das Primäre, die Form als das Sekun- däre bezeichnet (3 und 22). Dagegen sagt A. WEISMAnN (23): »Gewiss, es sieht ganz so aus, als modele sich das Gelenk genau nach der Bewegung um, aber es ist nicht so«, und nimmt damit Stellung gegen TORNIER’S Aus- schleifungstheorie. Die Gelenkform gehe der Funktion voraus und bedinge sie desshalb. Nicht das Ausschleifen bilde das Gelenk, son- dern es seien Selektionsprocesse (p. 57, 58). — Dem kann man doch nicht ohne Weiteres beipflichten. Entspricht das fötale Gelenk in den Grundzügen seines Baues, d. i. in der Form der Gelenkflächen, der Stärke der Wand und der Architektur seiner Spongiosa, den An- forderungen der im späteren Leben auf dasselbe wirkenden Kräfte, so vermag man zur Erklärung dieser Thatsache nicht die Selektion 7 100 R. Schmidt, herbeizuziehen. Diese verborgenen Feinheiten, welche die funktio- nelle Inanspruchnahme, die mathematisch genau berechenbare Kraft durch Transformation gebildet hat und noch täglich neu bildet, sind erworbene Eigenschaften, die erblich geworden sind. Phylo- genetisch und embryologisch verfolgen die Transformationen densel- ben Weg. Sie selbst stehen aber stets unter der unmittelbaren Herr- schaft der Funktion. Es ist also diese, welche das Gelenk bildet. Die Gelenkform ist etwas durchaus Sekundäres. Überdies muss WEISMAnN wohl zugestehen, dass die Funktion die Ursache der Form der Gelenke ist. also das Primäre, wenn die Beispiele zahllos sind, wo sich die veränderte Funktion gleichsam vor unseren Augen die Gelenkform selbst baut bezw. umbaut. Man sehe nur die Jahrbücher der Orthopädie durch! Stets wird zuerst die Funktion eine andere, sei es durch Entzündungsprocesse, seien es schief geheilte Frakturen, nicht eingerichtete Luxationen und dergl. mehr, seien es selbst Deformitäten im engeren Sinne, hereditäre Klumpfüße, habituelle Skoliosen ete. (s. die Arbeiten von J. WOoLFF, HELFERICH, RIEDINGER, KORTEWEG, PREYER u. A. m.). Eines der schönsten Beispiele ist das Präparat einer nicht ge- heilten Fraktur der Tibia mit kompensatorischer Hypertrophie der Fibula, welches WoLrr (3, Taf. III, Fig. 49; Text p. 52) abbildet und das von Roux im »Kampf der Theile« (16, p. 15) und in seinen Untersuchungen über die »Elementartheile der Spongiosa« (9, p. 293) verwandt wird. Aktivitätshypertrophie hat den Gelenkkopf der Fibula, welche die Arbeit der Tibia mit übernommen hat, fast um das Dop- pelte vergrößert. Auch die Architektur der Spongiosa und die Zu- sammensetzung ihrer Elemente hat sich der neuen Funktion angepasst. Ein anderes Beispiel giebt Fig. 19. Es ist ein Schnitt aus einem mit tuberkulöser Arthritis deformans behafteten Humerus der Ziege. In Folge der schmerzhaften Entzündungsvorgänge zwischen Tuber- culum majus und Caput wurde der ganze Schenkel so weit möglich entlastet. Dadurch ist die allgemeine Inaktivitätsatrophie hervor- gerufen, die namentlich bezüglich der Compacta in die Augen springt. Da bei dem chronischen Verlauf des Leidens die Belastung des Knochens nicht gänzlich ausgesetzt werden konnte, belastete das Thier die hinteren Partien des Gelenkes, um die erkrankten Theile zu schonen. Der Humerus bildete dabei mit der Scapula einen kleineren Winkel als sonst. Durch diese veränderte Funktion hat sich die Gelenkfläche nach hinten verschoben, wo sich Knochenmasse angebildet hat, die in der Form und inneren Architektur den Vergl.-anat. Studien über d. mech. Bau d. Knochen u. seine Vererb. 101 Anforderungen des Transformationsgesetzes entspricht. Mit der Druck- aufnahmeplatte haben sich die Hauptdrucktrajektorien gleichfalls ver- lagert. Die Gegend der normalen, jetzt entlasteten Hauptdrucktrajek- torien zeigt ausgedehnte Resorption. Die neue Markhöhle bildet sich in dieser Richtung vor. Dass die Funktion sich das Gelenk bildet, ist auch von anthro- pologischem Interesse!. Der eigenartige Gebrauch ist es, welcher die Verlagerung der Gelenkflächen verursacht, welche bei dem modernen Menschen die spitze Schuhform, bei den vornehmen Chi- nesinnen das Einschnüren der Füße in Binden, bis der Fuß einer Kralle gleicht, veranlasst. Während dadurch die Gelenkflächen nach innen oder nach unten verlagert werden, geschieht dies bei den Olivenkletterern der Mittelmeerländer und jenen Reitervölkern, welche in den Bügel nur die gespreizte große Zehe stecken, nach außen. Dass die Gelenke unter das Gebiet der funktionellen Anpassung fallen, ist also keineswegs so fernliegend. Dafür aber, dass sich die Funktion nach der einmal gegebenen Gelenkform richten müsse und . mit dieser begnügt, dafür giebt es kein Beispiel. Zum Schluss möge einiger Besonderheiten Erwähnung gethan werden, welche zwar nicht in direkt organischem Zusammenhange mit dieser Arbeit stehen, aber in der Litteratur noch keinen Platz gefunden haben. Es ist dies in erster Linie die von mir bereits angezogene »Transformationslamelle« (p. 97). Nach langer Maceration der dem Knochen entnommenen Säge- schnitte löst sich von der dem Marke zugekehrten Fläche der Sub- stantia ossea, der Corticalis eben so wie der Spongiosa, ein Blättchen von !/o—!/),; mm Dicke. Dasselbe ist hochgradig biegungselastisch und macht makroskopisch den Eindruck von Knochengewebe; die zähe Elastieität ist man auf Rechnung der geringen Dicke zu schrei- ben geneigt. Beim Dünnerschleifen der Sägeschnitte selbst nicht macerirter Knochen bleibt an denselben Orten das nämliche Blättchen stehen; es schleift sich nicht mit. Mehr noch fällt dieses Verhalten bei den von Humerus und Femur der Taube und des Hermelins her- gestellten Präparaten auf, welche nicht gesägt, sondern von beiden Seiten abgeschliffen worden waren, um einen Fournierschnitt in der Mitte übrig zu lassen. Die Zähigkeit des Blättchens zeigte 1 E. BrAaArTz (28), H. Pvoss (27), H. WELCKER (25), MORAcCHE (26). 102 R. Schmidt, sich hier bis zu dem Grade, dass es beim Schleifen vollständig erhalten blieb. An dem nicht ganz 1 mm dicken Knochenschliff war die Markhöhle von beiden Seiten durch dieses durchscheinende Blättchen geschlossen. Es hat nicht bei allen Thieren dieselbe Elastieität. Bei Rind, Hirsch und Ziege z. B. schleift es sich leichter. Das des Hundes ist außerordentlich fein und konnte ich es beim Schleifen nicht, wohl aber, wenn auch nur schwer, am macerirten Knochen feststellen. Dem Menschen scheint es zu fehlen. Da dies Knochenblättchen jedenfalls zu Transformationen des Knochens in Beziehung steht, seien es individuelle oder phyletische, möchte ich dasselbe mit »Transformationslamelle« bezeichnen, in Hinblick auf die anderen Lamellen, aus denen sich die Compacta aufbaut. Der Transformationslamelle der Taube legt sich das feine, reich von Adern durchzogene Häutchen des Luftsackes unmittelbar aber ziemlich locker an. In der Schleifbarkeit steht die Transformations- lamelle zwischen Knorpel .und Knochen. Zur mikroskopischen Untersuchung erwies sich die Hämalaun- färbung als unbrauchbar. Fuchsin wurde gut angenommen, gab aber kein klares Bild. Sehr gute Ergebnisse lieferte das Einbetten der Lamelle in heißen, stark eingedickten Kanadabalsam, nachdem die Blättchen in Benzin abgewaschen waren. Das mikroskopische Bild erklärt die bisherigen Befunde. Die härteren Transformationslamellen von Rind, Hirsch und Ziege bestehen fast nur aus Knochengewebe mit sehr schön entwickelten Knochen- körperchen und Havers’schen Kanälchen. Bei Coiumba livia und Mustela erminea, sowie Sus scrofa domestica mischt sich Bindegewebe hinein, das oft elastischen Charakters ist. Dazwischen tritt knorpelähn- liches Gewebe auf (Fuchsinfärbung) mit größeren oder kleineren Zell- sruppen (Osteoblasten oder Osteoklasten?), besonders bei der Taube und dem Frosch. Das Eichhorn steht hierin den Marderarten nahe, das Känguruh reiht sich auch hier den Wiederkäuern an. Um auf reinen Zug beanspruchte Knochen zu untersuchen, da ZSCHORKE (4) bei Knochengewebe nur Druckwiderstand zugeben will, fertigte ich Längsschliffe von Sehnenknochen der Vögel (z. B. Meleagris gallopavo) an. Unter dem Mikroskop zeigen sich dieselben aus einer großen Menge verdickter Längsstränge zusammen- gesetzt, die ziemlich regelmäßig unter Winkeln von 45° Anastomosen aussenden. Das Ganze ist einer enggedrängten Spongiosa nicht un- ähnlich, doch besteht außer den Längssträngen auch das Zwischen- Vergl.-anat. Studien über d. mech. Bau.d. Knochen u. seine Vererb. 103 sewebe aus echtem Knochen; das Gewebe der Stränge ist aber fester sefügt. Die Knochenkörperchen sind groß und deutlich. Alle sind schlank spindelförmig und mit ihrer Längsachse genau in die Richtung des Sehnenzuges gelagert. Ihre Fortsätze gehen rechtwinklig ab, um sich mit denen der nebenliegenden Reihe so zu verbinden, dass das Bild von Leiter- sprossen entsteht. Mithin haben wir hier echtes Knochengewebe unter dem Einfluss reinen Zuges von höchst zweckentsprechendem Bau. _ Zu den Knochen, welche mit dem Skelett nicht in genetischem Zusammenhange stehen, gehört ferner der Penisknochen der Pinnipedier und Carnivoren. Da er dieselbe Inanspruchnahme erfährt, wie die Röhrenknochen, d. h. dem Druck und der Biegung passiven Widerstand entgegensetzen muss, gelangte ich zu der Ansicht, dass er eine dementsprechende Struktur, vielleicht eine spongiosaerfüllte Markhöhle aufzuweisen habe. Ein Längsschnitt bestätigt dies. Der Knochen besitzt ein spitzes umgebogenes Ende, von der Form des Gießkannenknorpels. Das andere Ende ist keulenartig verdickt. In ihm befindet sich eine ziemlich ausgedehnte Markhöhle, die sich stetig verjüngend in den engen Knochenabschnitt fortsetzt. Nur die weite Abtheilung der Markhöhle enthält Spongiosa, die andere ist nur mit rothem, weichem Knochenmark angefüllt. Die Spongiosa besteht aus mehreren starken und zahlreichen sehr zarten Bälkchen, die sich vielfach kreuzen. Erstere sind vornehmlich in der Längsrichtung gelagert. Die Archi- tektur ist jedoch keine so ausdrucksvolle, wie die der Röhrenknochen Dafür können diese auch in der Entwicklungsgeschichte auf große Zeitläufte zurückblicken. Auf eine außerordentlich zierliche und zweckmäßige Spongiosa- architektur machte mich Herr Professor Dr. EIMER aufmerksam. Die Knochen der Schädeldecke der Eulen bestehen aus meh- reren Lagen sehr dünner Plättehen. Im Stirnbeine sind es in der Medianebene deren vierzehn. Sie sind 1/;—1 mm von einander ent- fernt und durch lothrechte Bälkchen mit einander verbunden. Man hat den Eindruck vieler Stockwerke mit Säulengängen. Die Höhlen des Schädels sind auf diese Weise gleichsam mit Spongiosa erfüllt, da die zwischen der innersten und der äußersten Knochenplatte liegenden Blätter von kleinen Löchern durchbrochen sind. Der Zweck dieser Einrichtung dürfte ein doppelter sein. Der Knochen wird vermöge dieser Architektur widerstandsfähiger gegen 104 R. Schmidt, Stoß, der sich nicht direkt auf die inneren Organe, namentlich Hirn und Auge, fortpflanzen kann. Dieser Spongiosabau erhöht jedoch nicht nur die Festigkeit der Knochen, sondern macht dieselben auch sehr leicht. Denn die Höhlen sind mit Luft angefüllt, die durch die Nasengänge mit der Außenwelt in Verbindung steht. Daher kommt es, dass der Schädel dieser Raubvögel trotz seines Umfanges und seiner mechanischen Leistungsfähigkeit bei der Nahrungsaufnahme ein so erstaunenswerth geringes Gewicht aufweist. Rückblick. Vorliegende Untersuchungen haben vornehmlich Humerus und Femur zum Gegenstand. Dem Studium des Knochenbaues in der Thierreihe müssen physiologische Betrachtungen der Glied- maßenfunktion vorausgehen. Neben der Belastung auf festem Boden ist die Schwimmbewegung bei Pinnipediern und Cetaceen, die Flugbewegung der Vögel und Chiropteren zu beachten; ferner die Inanspruchnahme der Humeri bei den grabenden Thieren, bei den Menschen, Affen, Faulthieren ete. Von Wichtigkeit ist die Winkel- stellung des Knochens zur Körperachse, z.B. bei Mensch, Pferd, Maulwurf und Schnabelthier. Vergleichend-anatomisch fällt in erster Linie die verschiedene Feinheit und verschiedene Dichte der Spongiosaelemente auf. Danach lassen sich sechs Thiergruppen aufstellen, die auch für die übrigen Einzelheiten des Spongiosabaues dieselben bleiben. Im Allgemeinen ist der Spongiosabau relativ um so gröber, je kleiner das betreffende Thier ist. Mit dem Alter nehmen Feinheit und Dichte gleichfalls ab. Zartheit und Zahl der Bälkchen stehen stets in demselben Verhältnis zu einander. Dem Satze Roux’s, dass lebendige Kraft enge, ruhende Druckspannung weite Maschen ver- lange, widersprechen mannigfache Beispiele aus der Thierreihe. Auch die Ausdehnung der Markhöhle ist sehr verschieden in den sechs Thiergruppen, dessgl. die Abgrenzungsweise der Spongiosa gegen dieselbe. Als Reste dieser Grenzformen finden sich in der Markhöhle oft Querplatten oder -balken aus Spongiosa. Zuweilen enthält sie ein sehr feines Gewebe, die »Spinnweben- spongiosa«. Diese findet man nur im weichen Knochenmark, namentlich die dieses durchziehenden Blutgefäße tragend. Die Architektur richtet sich immer nach der Funktion. Wird der kranförmige Knochen wie ein Kran beansprucht (Be- Vergl.-anat. Studien über d. mech. Bau d. Knochen u. seine Vererb. 105 lastung auf festem Boden), so weist er auch die Trajektorien des Curmann’schen Kranes auf (vgl. die Fig. « und 5 mit einander). Unter den Druckkurven stehen die »Hauptdrucktrajektorien« an Wichtigkeit voran. Sie verbinden die Druckaufnahmeplatte mit der Corticalis. Die Zugkurven sind je nach der Form des Knochens und seines Gelenkhalses veränderlich. Bei Hund, Dachs und Höhlenbär besteht ein System höchst vollkommener »Ver- steifungselemente« in der Diaphyse, abgesehen von den Leisten- vorsprüngen. Außer der eigentlichen Markhöhle kommen noch »Nebenmarkhöhlen« im Collum, Trochanter und Tubereulum vor. Innerhalb derselben Gattung ist die Knochenform und Archi- tektur gemäß der gleichen Inanspruchnahme sehr beständig. Ändert sich dagegen die Inanspruchnahme, wie beim Fliegen, Graben oder Schwimmen, so ändert sich auch der Spongiosabau (Fig. 14 und 15). Unter die äußeren Formverhältnisse, welche Veränderungen des Spongiosabaues verursachen, fällt die Gestaltung des Collum. Die Größe des Winkels und die Länge des Schenkelhalses lassen sich jedoch nicht, wie LAUENSTEIN meint (11), zur Funktion in Beziehung bringen (s. statist. Tab.). Auf die Größe des Schenkelhalswinkels und in Folge dessen auf die Architektur der Spongiosa hat das Alter des Individuums einen Einfluss. Auch nimmt mit dem Alter die Bälkchenzahl ab, die Spongiosa lamellosa wandelt sich in Spongiosa trabeculosa um, so dass die Architektur klarer wird. Die entwicklungsmechanische Auffassung des Knochenbaues be- ruht auf Wourr’s Lehre von der Transformationskraft. Trotz- dem tauchen noch hin und wieder die Anschauungen der Drucktheorie auf. So bei den Untersuchungen Dr. CEsARE GHILLINT’s im Arch. £. klin. Chir. Bd. XLVI. Dennoch erklären sich GHıLLınT’s Versuche nur aus dem Transformationsgesetz. Diesem entspricht es ferner, dass die Corticalis um das Ernährungsloch nicht plötzlich stark an- wächst (EICHBAUM), sondern die beeinträchtigte Festigkeit der Wand nur durch eine übergelagerte Knochenspange wieder hergestellt wird. Auch das Gelenk ist ein Ausdruck der Funktion. Hier - gehen Transformationsgesetz und Vererbung erworbener Eigenschaften Hand in Hand. Der Bau der Gelenktheile ist durch die in ihnen wirkenden Kräfte bestimmt. Das die Spannung vermittelnde Material ist in Ort, Masse und Form genau nach der Stelle, der Größe und dem Wege der wirkenden Kräfte gefügt. Die äußere Form der Ge- lenkenden, hauptsächlich Richtung und Länge des größten Durch- 106 R. Schmidt, messers, richtet sich nach der Bewegungsweise des Gelenkes. Die Gestalt, die Wandstärke und die Architektur der Spon- gsiosa des Gelenkkopfes wie die der Gelenkpfanne sind durch die Kraftwirkung, d. i. die Funktion bedingt. Diese Erfahrung liefert jedes einzelne Gelenk. Ein Vergleich der Thiere unter einander bestätigt dieselbe, indem Veränderungen der Funktion von den entsprechenden Veränderungen des Baues begleitet sind. Es handelt sich hierbei um funktionelle Anpassung. Unter- stützend wirkt das Ausschleifen der Gelenkflächen (ToRNIER), erklärt aber für sich allein nicht die übrige Form, die Wandstärke und die Spongiosa-Architektur. Ein Bau, der so bis ins Feinste seinem Zwecke entspricht und entsprechen muss, soll er anders diesen erfüllen, kann nicht erst ad hoe durch den Gebrauch entstehen, sondern muss sich in seinen Grundzügen bereits beim Embryo zeigen. Um einen Einblick in sein Entstehen zu erhalten, muss die Ontogenie und schließlich die Phylogenie zu Rathe gezogen werden. Da sich der Spongiosabau und die Gelenkform in ihrem Grund- riss bereits vor Ausbildung arbeitsfähiger Muskelfasern anlegen, sind sie ererbt. Die Phylogenie inel. Paläontologie entwickelt dasselbe Bild der Entstehung der Spongiosa-Architektur, das sich uns in der Individualentwicklung bietet. Die durch die Funktion erworbenen Bigenschaften sind erblich geworden. WoLrr, Rovx und Tor- NIER bezeichnen desshalb mit Recht die Funktion als das Primäre, die Form als das Sekundäre. Dem widerspricht A. WEısmann. Nach ihm soll die Gelenkform die Vorbedingung der Funktion sein. Aber die beschriebenen, ver- borgenen Feinheiten des Knochenbaues, welche die funktionelle In- anspruchnahme, die mathematisch genau berechenbare Kraft durch Transformation gebildet hat und noch täglich neu bildet, sind erblich gewordene, erworbene Eigenschaften, die sich nicht durch Selektionsprocesse erklären lassen. Wenn wir die Transformationskraft vor unseren Augen die Ge- lenke in ihrem gesammten Bau einer fremden Funktion bis zur höchsten Vollkommenheit anpassen sehen (WoLrr u. A.), mit welchem Rechte soll sie dann bei den Vererbungsvorgängen ausgeschaltet werden? Stets entspricht die Spongiosa-Architektur der Funktion, nicht immer richtet sich die Funktion nach der Architektur. Die Funktion beherrscht die letztere, nicht umgekehrt. WOoLrrF erklärt vermöge seines Transformationsgesetzes, dass durch die Funktion die > Vergl.-anat. Studien über d. mech. Bau d. Knochen u. seine Vererb. 107 Architektur in den Knochen »hineingerechnet« sei. Nach A. Weıs- MANN wäre jedoch die Funktion in den Knochen hineingerechnet. Da müsste ja z. B. nach einem schief geheilten Knochenbruch eine Funktion in den meisten Fällen überhaupt unmöglich sein, weil die durch »Selektion« herangebildete Architektur zerstört ist, in welche die Funktion hineingerechnet war. Weit vollkommener muss nach unserer Auffassung die Welt erscheinen. Die Funktion bildet durch Transformationen und deren Vererbung eine normale Architektur so frühzeitig aus, dass - das Junge bei seiner Geburt für den normalen Gebrauch geeignete Gliedmaßen vorfinde. Kommt es nun mit einer Deformität zur Welt, die ihm vielleicht bei der Geburt zugefügt worden ist, da tritt die Funktion trotzdem in ihre Rechte; denn die Muskeln und Bänder an dem deformen Gliede funktioniren. Die Funktion tritt jetzt ganz selbständig als Baumeisterin auf und bessert den Schaden in gleich einfacher wie zweckmäßiger Weise, wiederum mathematischen Ge- setzen gehorchend, aus (J. WoLFF 3 und 22). Vergleichend-anatomische Untersuchungen des Knochenbaues lie- fern das Ergebnis, dass die Transformationskraft im Dienste der Funktion den Individuen Eigenschaften erwirbt, deren Vererbungsfähigkeit die Stammesgeschichte und der Ver- lauf der Individualentwicklung der Thiere in gleicher Weise darthun. Das Material, welches mir für meine Untersuchungen zur Ver- fügung stand (s. p. 68, 69 u. 93, 94), entstammt theilweise dem hiesigen Schlachthause und wurde dann möglichst frisch in Behandlung ge- nommen. Eben so wurden mir durch Vermittelung des zoologischen Institutes Fledermäuse, Ratten, Wiesel und Maulwürfe frisch zugestellt. Zum andern Theil durfte ich mein Material Skeletten und Spiritus- objekten der zoologischen Sammlung der Universität entnehmen. Die Pferdeknochen gelangten erst in recht fragwürdigem Zustande in meine Hände. Dass ich ein im Stuttgarter zoologischen Garten ge- fallenes Känguruh untersuchen konnte, verdanke ich dem besonderen Interesse des Herrn Professor Dr. Eimer. Den sehr werthvollen Oberschenkelknochen des diluvianischen Höhlenbären stellte mir Herr Professor Dr. Fraas aus der reichen Sammlung des Kgl. Naturalien-Kabinetts in Stuttgart bereitwilligst-zur Verfügung, wofür ich auch an dieser Stelle meinen verbindlichsten Dank ausspreche. Um die Spongiosaarchitektur deutlich zu machen, folgte ich dem 108 ii R. Schmidt, Beispiele WoLrr’s und entnahm dem Femur Frontal-, dem Humerus Sagittal-Fournierblätter etwas neben der neutralen Achse. Die An- wendung der Handsäge gestattete mir nur solche von 2—3 mm Dicke, die ich dann auf der Breitseite eines guten Schleifsteines auf ca. 0,5—0,3 mm verdünnte. Die durch das Spalten erhaltenen Knochenhälften, sowie die Fournierblätter wurden durch einen recht kräftigen Wasserstrahl vom Mark nach Möglichkeit gereinigt, um nach zwei- bis dreiwöchentlicher Maceration nochmals demselben Verfahren unterworfen zu werden. Dann kamen sie auf drei Tage in 96%/,igen Alkohol, um 1 bis 2 Wochen lang (die der Wiederkäuer 3 bis 4 Wochen) in Benzin entfettet zu werden. Besondere Schwierigkeiten bereiteten die alten Skeletten und Spiritusobjekten entnommenen Präparate. Im Allgemeinen war aber die Mühe der Herstellung von der Knochengröße abhängig (Pferd — Spitzmaus), der Markkonsistenz (Hund — Hirsch), dem Alter und endlich der Maschenweite der Spongiosa. Bei der außerordentlichen Feinheit der Bälkchen und der Brüchigkeit der Kreidemasse des Höhlenbärenknochens war es unmöglich, trotz Imprägnirens mit Leimsubstanz einen dünnen Schnitt herzustellen. | Zu Abbildungen verwandte ich nur Präparate, welche die unter- schiedlichen Werke noch nicht, oder doch nur unvollkommen gebracht haben. Dieselben sind auf photographischem Wege hergestellt, sämmt- lieh in natürlicher Größe. Fig. 15 ist eine Mikrophotographie, hergestellt mit Zeiss Ocular 2, Objektiv a Die schematischen Fig. &—f habe ich den natürlichen Verhältnissen mögliehst entspre- chend gezeichnet. Fig. « ist eine Wiedergabe der Kranzeichnung CuLMAnN’s (bei WOLFEF, 3). Die vorliegende Arbeit wurde im zoologischen Institut der Uni- versität Tübingen im Studienjahre 1897/98 angefertigt. Es ist mir eine angenehme Pflicht, meinem hochverehrten Lehrer, dem Vorstande des Institutes, Herrn Prof. Dr. EImEr für das meiner Arbeit entgegengebrachte Interesse, sowie die gütige Überlassung des theilweise recht werthvollen Materials meinen innissten Dank auszusprechen. Herrn Dr. FickerT, I. Assistent am zoologischen Institut, dess- gleichen Herrn Privatdocent Dr. Hesse und Fräulein Dr. Gräfin Mara voN LinDeEn, II. Assistent am zoologischen Institut, bin ich für freund- liche Rathschläge Dank schuldig. Herrn Professor Dr. Jun. WoLrr in Berlin, dessen Vorlesungen zuerst mein Interesse für die Knochenarchitektur weckten, fühle ich Vergl.-anat. Studien über d. mech. Bau d. Knochen u. seine Vererb. 109 mich nicht minder verpflichtet für die in liebenswürdigster Weise mir zur Verfügung gestellte Litteratur. Tübingen, im April 1898. Litteraturverzeichnis. HERM. v. MEYER, »Die Architektur der Spongiosa«. REICHERT und DU Bois- ReymonD’s Archiv. 1867. CULMANN, »Die graphische Statik«. 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LESSHAFT, »Die Bedeutung des Luftdruckes für das Gelenk«. eod. 1. ZUCKERKANDL, »Notiz über den Mechanismus des Handgelenks«. eod. 1. Erklärung der Abbildungen, Tafel IV. | Fig. 1. Frontales Längsfournierblatt aus dem Femur des Rindes. Fig. 2. Frontales Längsfournierblatt aus dem Femur eines alten Hirsches. Fig. 3. Frontales Längsfournierblatt aus dem Femur eines jungen Hirsches. Fig. 4. Frontales Längsfournierblatt aus dem Femur des Schafes. a ah >” Lan Be 2 I le nn nr EEE buatd 3 EEE EEE EEE ZEEEBELN WEDEBLZE ÖLE LEGBRRDEN DE ETN N ie ea) . Vergl.-anat. Studien über d. mech. Bau d. Knochen u. seine Vererb. 111 Fig. 5. Fig. 6. Fig. 7 Fig. 8. Fig. 9. Fig. 1 Fig. 1 Fig. 12. Fig. 13. Fig. 14. rus albicans. Fig. 15. Sagittales Längsfournierblatt aus dem Humerus des Hundes. Linkes Femur des Höhlenbären, aufgesägt (Diaphyse). Femur des Känguruh, aufgesägt. Sagittales Längsfournierblatt aus dem Humerus von Lutra vulgaris. Sagittales Längsfournierblatt aus dem Humerus von Mus deeumanus. . Sagittales Längsfournierblatt aus dem Humerus von Mustela martes. . Sagittales Längsfournierblatt aus dem Humerus von Sus scrofa dom. Tafel V. Sagittales Längsfournierblatt aus dem Humerus des Rindes. Frontales Längsfournierblatt aus dem Femur einer 72jährigen Frau. Sagittales Längsfournierblatt aus dem Humerus von Delphinapte- Sagittales Längsfournierblatt aus dem Humerus von Vesperugo pipistrellus. Mierophotogr. Zeıss 16/1. Fig. 16. Fig. 17. Frontales Längsfournierblatt aus dem Femur von Testudo. Frontales Längsfournierblatt aus dem Femur von Sus scrofa dom. Fig. 18. Frontales Längsfournierblatt aus dem Femur eines menschlichen Fötus von sieben Monaten. Fig. 19. formität). Sagittales Längsfournierblatt aus dem Humerus einer Ziege (De- Fig. 20. Frontales Längsfournierblatt aus dem Femur eines Rinderfötus von " 20 Wochen. Fig. 21. 36 Wochen. Frontales Längsfournierblatt aus dem Femur eines Pferdefötus von Über die Ablagerung des Pigmentes bei Mytilus. Von Vietor Faussek (Petersburg). Mit 3 Figuren im Text. 1. Den Anstoß zur vorliegenden Untersuchung gab mir die wohl- bekannte Arbeit von Log (1) über den Heliotropismus der Thiere, in - welcher er auf die wunderbare Analogie zwischen den Reaktionen niederer Thiere auf das Licht und den Bewegungen, welche durch dasselbe bei Pflanzen hervorgerufen werden, aufmerksam machte, was ihm auch den Grund gab von dem »Heliotropismus<« der Thiere zu reden und bei ihnen einen positiven und negativen Heliotropismus zu unterscheiden. Mir kam es dann in den Sinn, ob wir nicht auch bei den Leukocyten, den freien Zellen des Organismus, ein Vor- handensein heliotropischer Reizbarkeit vermuthen könnten, um so mehr, da eine ehemotropische schon bei ihnen entdeckt worden war; eine heliotropische Reizbarkeit könnte z. B. in jenen Fällen eine Rolle spielen, wenn das Licht eine Verstärkung der Hautpigmentirung hervorruft. Nach einer sehr verbreiteten, wenn auch von einigen Forschern bestrittenen, Ansicht, bildet sich das Pigment, welches sich in der Hautepidermis bei Vertebraten befindet, nicht daselbst, sondern geht in dieselbe aus den tiefer liegenden Schichten, dem Corium über, wobei es in einigen Fällen gerade durch Leukocyten übertragen wird; bei einigen anderen Thieren (z. B. bei Echinodermen) ver- schlingen die Leukocyten in die Leibeshöhle injieirte Fremdkörperchen und tragen dieselbe in die Haut, was einem Autor den Grund zur An- nahme gab, dass die Ursache einer solchen Bewegung das Licht sei, welches auf sie »some guiding influence« ausübe (DurHAam). Die heliotropischen Bewegungen der Pflanzen und Thiere werden haupt- Über die Ablagerung des Pigmentes bei Mytilus. 113 sächlich durch die stärker brechbaren Strahlen des Spektrums hervor- serufen, die ultra-violetten Strahlen mit eingerechnet; und es ist wohl bemerkenswerth, dass, wenn unter Einfluss von Licht die Pigment- ablagerung verstärkt wird, so geschieht es auch hauptsächlich durch die Wirkung der stärker brechbaren, und namentlich ultra-violetten Strah- len. So wird das »Einbrennen« der Haut des Menschen hauptsächlich durch die stärker brechbaren Strahlen (die ultra-violetten) erzeugt (HAMMER). Wenn folglich die Pigmentablagerung mit Hilfe der Leuko- cyten vor sich geht, die in ihren Bewegungen durch das Licht geleitet würden, so wäre die große Bedeutung ultra-violetter Strahlen in diesem Processe ein Beweis dafür, dass auch die heliotropischen Bewegungen der Leukocyten sich dem allgemeinen Gesetze von der hauptsäch- lichsten Bedeutung der ultra-violetten Strahlen unterordnen. Dieser Gedanke wurde von mir in einem Artikel, welcher 1894 in der Zeitschrift »Russkoje Bogatstwo« erschien, ausgesprochen. 2, Von dem Wunsche geleitet mich zu überzeugen, in wie weit diese Vermuthung gerechtfertigt ist, machte ich ‘während meines Aufenthaltes auf der Zoologischen Station zu Neapel 1895—96 eine Reihe von Experimenten über den Einfluss des Lichtes auf die Fär- bung bei einigen Lamellibranchiaten!. Selbstverständlich wäre es natürlicher und zweckentsprechender gewesen, ähnliche Experimente an denjenigen Thieren, oder ihnen sehr nahe stehenden, auszuführen, bei denen gerade ein Einschleppen von Pigment in die Epidermis durch Leukocyten beschrieben wird, und hauptsächlich an solchen, welche bekanntermaßen durch Einfluss von Licht dunkler werden, wie z. B. der Proteus. Aber mein Aufenthalt auf einer marinen zoo0- logischen Station bewog mich, mir Objekte in der örtlichen Meeres- fauna zu suchen; und so nahm ich als Ausgangspunkt eine Bemer- kung RypDer's über die Pigmentirung der Auster. RyDer theilt die Beobachtungen ScHiepr’s über Austern mit, bei welchen die rechte Schale entfernt wurde und welche in dieser Lage bis zwei Wochen am Leben blieben; dabei lagerte sich Pigment in der Epidermis auf der ganzen Oberfläche der so entblößten rechten I Ich ergreife hier gern die Gelegenheit Herrn Prof. DoHRN sowie den an- deren Mitgliedern des Vorstandes der Zoologischen Station in Neapel, insbe- sondere Herrn Prof. P. Mayer, Prof. H. EısıG und Dr. Lo-Bıanco für ihr höchst liebenswürdiges und zuvorkommendes Verfahren mir gegenüber während meines fast zweijährigen Aufenthaltes in Neapel meinen verbindlichsten Dank auszu- sprechen. Zeitschrift f. wissenseh. Zoologie. LXV. Bd. 5 114 Vietor Faussek, Mantelfalte ab, so wie auf der oberen, äußeren Kiemenfläche, so dass das ganze Thier eine dunkelbraune Färbung annahm. Der Autor war zu dem Schlusse gelangt, dass die Entwicklung des Pigmentes in dem Mantel und den Kiemen eine Folge eines anormalen Lichtreizes (stimulus of light) der entblößten Körperfläche sei, und dass im na- türlichen Zustande der Mantelrand, der einzige pigmentirte Theil des Körpers, gerade desswegen pigmentirt ist, weil es der einzige Körper- theil ist, welcher gewöhnlich und immerwährend dem Einflusse der Lichtstrahlen ausgesetzt wird. Solche Beobachtungen entsprachen ziemlich gut meinem Zwecke, und desswegen begann ich mit der Wiederholung des ScHieprT’schen Experimentes an Austern. Dabei aber brach ich nicht die ganze rechte (flachere) Schale ab, sondern nur einen Theil derselben so, dass ein großer Theil der rechten Mantelfalte und überhaupt des ganzen, des Schutzes der Schale beraubten, Körpers des Thieres ungehindert beleuchtet werden konnte. Das Abbrechen der Schale führte ich nur bis zur Grenze des Schließmuskels fort, denselben nicht berührend, so dass das Thier immerhin seine Schale schließen konnte und eigentlich keine Körperverletzung erlitt. Die so operirten Austern hielt ich in zwei Aquarien: die einen in einem kleinen, niedrigen, welches nahe am Fenster stand und während des ganzen Tages mehr oder weniger stark beleuchtet war; die anderen in einem gleichen Aquarium, neben dem ersten, ein wenig weiter vom Fenster; dieses Aquarium aber war beständig von einem festen Holzkasten mit ziemlich dieken Wänden bedeckt. Folglich war der Unterschied in der Beleuchtung beider Gruppen von Austern srößer, als er in den meisten Fällen in den gewöhnlichen Bedin- gungen im Meere sein kann. Beide Aquarien wurden fortwährend von Seewasser durchströmt. In diesen Bedingungen lebten die Austern sehr gut und konnten wochenlang am Leben bleiben. Die ersten Veränderungen, welche eintraten, betrafen die Körperform selbst und die Form des Mantels. In normalen Verhältnissen liegen die beiden Mantelfalten dicht der Innenseite der entsprechenden Schale an und der Rand derselben überragt nie den Rand der Schalen. Bei theilweise zerstörter Schale konnte der Mantel nicht seine regelmäßige Lage beibehalten. Die rechte Mantelfalte verkürzte sich und zog sich bis zum Rande der abgebrochenen rechten. Schale zurück, wobei ihre Ränder sich mehr oder weniger umbogen; oder aber sie bog sich im Gegentheil nach außen über, streekte sich bedeutend in die Länge und bedeckte die ee! a RT N AN a 7 I) Über die Ablagerung des Pigmentes bei Mytilus. 215 äußere Seite der rechten Schale (Fig. 3). In beiden Fällen blieben die Kiemen ganz unbedeckt vom Mantel. Die linke Mantelfalte behielt ihre Lage gleichfalls nicht bei, d. h. sie blieb nicht eng an die Innen- fläche der linken Schale geschmiegt. Sie löste sich mehr oder we- niger von der Schalenfläche los, bog sich nach oben (die Auster blieb wie gewöhnlich mit der linken Schale auf dem Grunde liegen), ihr Rand wurde faltig, und bog sich oft mehr oder weniger stark nach innen. Die sekretorische Thätigkeit des Mantels hörte dabei nicht auf. Die äußere Mantelfläche der Auster sondert die Perlmutterschicht der Schale ab; diese Ab- sonderung wurde auch jetzt fortgesetzt. Bei der rechten Mantel- falte, welchesich unre- gelmäßig zusammen- z0g und verkürzte, führte diese Verkür- zung gleichfalls zu einer unregelmäßigen Ablagerung der Perl- mutterschicht in Form von unregelmäßigen Körpern oder Bläs- chen. An der linken Mantelfalte bedeckten sich die Stellen, wel- chesich vonder Schale losgelöst und nach Fig. 1. oben oder nach innen Fig. 1—3. Austern mit der theilweise abgebrochenen rechten Schale, . nach einigen Wochen Aufenthalt im Aquarium. Man sieht die unregel- 1 : gebogen hatten, mit mäßige Lage der rechten Mantelfalte, welche sich über den Rest der einer dünnen Perl- rechten Schale ausstreckt (Fig. 3) und die Neubildung der Perlmutter- . A RO Fi 5 Ä mutterschicht, welche une (1 22) das Aussehen eines dünnen, durchsichtigen und farblosen Plättchens, einem Glimmerplättehen ähnlich, hatten. Die Schicht, welche normaler- weise für den Bau der Schale dient, löst sich jetzt von ihr los und bildet eine dünne Nebenschicht der Schale, welche sich von ihrer Innen- fläche erhebt (Fig. 1, 2A). Es kam manches Mal vor, dass der Mantel, nachdem er sich von der Schale losgelöst und schon eine dünne Perl- mutterhaut gebildet hatte, sich noch weiter zusammenzog und von Neuem vom Rande zurücktrat. Dann lagerte sich an seiner Außen- Sg“ 116 Vietor Faussek, fläche neue Perlmutterschicht ab, so dass an dem Rande der linken Fig. 3, (Erkl. von Fig. 2 u. 3 s. Fig. 1.) Schale, von ihrer Innenfläche ausge- hend, sich parallel neben einander zwei dünne Perlmutter- wände hinzogen!. In jenen Fällen, wo dierechte Mantel- falte sich über die Oberfläche der ab- gebrochenen Schale hinzog, vollzog sich gleichfalls an ihrer Außenfläche (d. h. der früheren Außen- fläche, welche jetzt aber der Schale an- lag) eine Ablage- rung einer ununter- brochenen Perlmut- terschicht, welche in diesem Falle auch der äußeren Fläche der rechten Schale auflag. So fährt also bei der Auster, der ein Theil der Schale zerstört worden ist, der Process der Schalenbildung zum Theil noch fort. Die Bildung der Perlmutter- schicht durch die äußere Mantel- fläche wird nicht unterbrochen, wobei der Mantel selbst eine un- regelmäbige Lage einnimmt, auch ı Fig. 1—3, welche die äußere Gestalt, die die Austernschalen nach der beschriebenen Operation anneh- men, wiedergeben, sind für mich von Herrn MERCULIANO in Neapel nach der Natur gezeichnet worden, welchem ich es für meine Pflicht halte, hiermit meinen Dank auszusprechen. Über die Ablagerung des Pigmentes bei Mytilus. 117 die von ihm abgelagerte Perlmutterschicht unregelmäßige Anhäufungen und Überdachungen bildet. Damit begnügt sich die Thätigkeit des Mantels: die Wiederherstellung der Kalkschicht der Schale erfolst nicht, obgleich ja der Mantel vollständig unverletzt bleibt. Rypkr erwähnt in seiner Mittheilung, dass die der rechten Schale beraubten Austern Versuche zu ihrer Neubildung machten; das was ich beobachtete, beschränkte sich, wie erwähnt, auf eine Absonderung sehr dünner Perlmutterplatten: eine weitere Regeneration der Schale seschah nicht, wenn auch die Austern — wie es bei einigen Experi- menten geschah — wochenlang lebten. Jedenfalls waren diese Erscheinungen nicht das Ziel meiner Untersuchung, waren nebensächlich, und ich konnte ihnen nicht viel Aufmerksamkeit widmen; doch hielt ich es für nöthig sie zu erwäh- nen, da sie ein Interesse vom Standpunkte einer Erforschung der mechanischen Existenzbedingungen des Organismus haben, und jener Veränderungen, welche in denselben durch rein mechanische Bedin- sungen hervorgerufen werden können. Im gegebenen Falle rief das Fehlen eines Theiles des Stützapparates des Thieres — als welches jedenfalls die Schale der Auster anzusehen ist — verschiedenartige Krümmungen, Formveränderungen und Störungen in der Symmetrie im Körper des Thieres hervor. In jenen Fällen — ihrer waren nicht viele, zwei oder drei —, wenn ich die ganze rechte Schale entfernte, beobachtete ich auch eine charakteristische Symmetriestörung im hinteren Körpertheile des Thieres, an jener Stelle, wo die Fortsetzung des freien Randes der beiden Mantelfalten sich als zwei nicht hohe Hautfalten auf der Rückenseite des Thieres fortziehen. Ich beob- achtete nämlich ein Auswachsen der linken Falte (der Fortsetzung der linken Mantelfalte), welches auf die rechte Seite des Thieres gerichtet war; an der Oberfläche dieser Falte lagerte sich Perl- mutter ab, und an ihrer freien Fläche bildeten sich ziemlich lange Fühlerfaden. Zum direkten Ziele meiner Untersuchungen — zur Frage über den Einfluss des Lichtes auf die Pigmentirung des Thieres — über- gehend, muss ich vor Allem sagen, dass ich vollständig negative Resultate erzielte, und dass die Angaben RYDEr-ScHIEDT's sich durch- aus nicht bestätigten. In normalen Verhältnissen sind bei den Austern der Bucht von Neapel der Rand des Mantels und in geringerem Maße die Kiemen pigmentirt. Die Quantität des abgesonderten Pig- mentes ist sehr verschieden, und im Verhältnis dazu ändert sich auch die Färbung der pismentirten Theile bedeutend: von einer leicht 118 Vietor Faussek, bräunlichen, oder selbst gelblichen Färbung beginnend, kann sie ganz dunkel, kohlenschwarz werden. Am stärksten ist immer die hintere Hälfte jedes Mantelrandes pigmentirt, sein hinteres Ende; vom hinteren Ende nach vorn rückend, sehen wir die Pigmentirung immer schwä- cher werden, bis sie am vorderen Ende des Mantels ganz verschwindet. Die Kiemen sind gewöhnlich schwächer pigmentirt, als der Mantel) und haben eine mehr oder weniger deutlich ausgesprochene braune Färbung; der Grad ihrer Pigmentirung entspricht immer vollständig dem Grade der Pigmentirung des Mantelrandes. Wenn der letzte schwarz pigmentirt ist, so können auch die Kiemen in ihrem hinteren Drittel oder Viertel fast eine dunkelbraune bis schwarze Färbung annehmen, wobei ein Streifen schwarzen Pigmentes sich gleichfalls am freien Rande der Kiemen hinzieht. Im Allgemeinen ist die Ver- theilung des Pigmentes am Mantelrande eine sehr unregelmäßige: die Breite des pigmentirten Streifens kann sehr verschieden sein; oft ist das Pigment fleckenartig vertheilt, so dass der Mantelrand ein geschecktes Aussehen erhält. Manches Mal ist der rechte Mantel- rand stärker pigmentirt als der linke, welcher der Schale anliegt, mit welcher sich das Thier am Boden anheftet. So zeigten die Austern, die ich aus dem Meere bekam, sehr verschiedene Stufen der Pigmentirung des Mantelrandes; die Einwir- kung des Lichtes aber, oder das Fehlen desselben rief keine Ver- änderungen in der Pigmentirung hervor. Austern mit abgebrochener rechter Schale, welche im Verlaufe von einigen Wochen einer grellen Beleuchtung ausgesetzt waren, wie ihn der Mantelrand in natürlichen Bedingungen wohl nie erleidet, zeigten keinerlei Veränderungen in der Pigmentirung dieses Randes: sie blieben eben so wenig oder eben so stark pigmentirt wie sie vorher waren (über Fälle von Schwund der Pigmentirung s. unten). Ein ganz eben so negatives Resultat gab ein umgekehrtes Ex- periment: Austern mit abgebrochener rechter Schale, die im Dunkeln gehalten wurden [mit denselben weiter unten beschriebenen Aus- nahmen), wurden nicht bleicher oder minder pigmentirt als die der Schalen beraubten Austern, welche ihnen parallel in vollem Lichte sehalten wurden. Nach zwei bis drei und mehreren Wochen konnten die Austern, welche mit abgebrochenen Schalen, die einen im Dun- keln, die anderen bei vollem Licht gehalten worden waren, der Pig- mentirung nach nicht unterschieden werden. Wie zwischen den ersten, so waren auch zwischen den zweiten schwach und stark pigmentirte Exemplare. Über die Ablagerung des Pigmentes bei Mytilus. 119 Der Mangel von Licht hatte überhaupt keine Wirkung auf die Pigmentirung der Austern, auch wenn ihre Schalen nicht gebrochen waren. Ich hielt unverletzte Austern in einem dunkeln Aquarium, welches mit einem Holzkasten bedeckt war, zwei und sogar vier Monate lang, und sie erschienen nach Ablauf dieser Zeit normal pigmentirt. Eine unnormale Pigmentablagerung, d. h. eine Ablagerung der- selben auf Stellen, welche in gewöhnlichen Bedingungen unpigmentirt waren, konnte ich dennoch manchmal bei meinen Experimenten beobachten. Und zwar konnte ich in jenen Fällen, wenn die rechte Mantelfalte, wie erwähnt, sich über das Fragment der rechten Schale ausdehnt, beobachten, dass ihre äußere (früher innere) Fläche, welche nun der äußeren Umgebung ausgesetzt war, etwas dunkler wurde, sich über den Rand hin proximal leicht pigmentirte, d. h. in einem solchen Theile des Mantels, welcher normal nie pigmentirt ist. Wahr- scheinlich gab ein solcher Fall von Pigmentirung des Mantels die Gelegenheit für die Mittheilung von SCHIEDT-RyDEr. Aber eine solche Pigmentablagerung an der inneren Mantelfläche, bei ihrer Umbiegung, vom Rande höher hinauf, beobachtete ich gleicher- maßen bei Austern, welche dem Lichte ausgesetzt worden waren, als auch bei den im Dunkeln aufbewahrten. Das Licht hat in diesem Falle für die Pigmentablagerung keine Bedeutung, die richtige Erklärung der Pigmentirung werden wir bei Beschreibung unserer Untersuchungen an Mytilus sehen. Viel häufiger konnte ich die entgegengesetzte Erscheinung beob- achten, eine Entfärbung der Austern und ein Schwinden des Pig- mentes. Sowohl die operirten, als auch, wenn auch seltener, die völlig normalen Austern (d. h. solche mit unverletzten Schalen) ent- färbten sich oft nach zwei bis drei Wochen ihres Lebens in Aquarien mit durchfließendem Seewasser, ohne eine Spur ihres Pigmentes zurückzubehalten. Aus dem Meere genommen hatten sie den nor- malen Pigmentstreiffen am Mantelrande gehabt, auch die Kiemen waren leichthin pigmentirt gewesen und hatten eine bräunliche Fär- bung besessen. Während ihres Aufenthaltes im Aquarium verschwand der braune Streifen am Mantelrande vollständig, und derselbe wurde ganz farblos. In gleicher Weise verloren auch die Kiemen ihre bräunliche Färbung und wurden farblos oder weiß; das ganze Thier nahm einen albinotischen Charakter an, wurde farblos, weißlich, schien sogar durchsichtig. Ein solches Thier war immer ausnahmslos heller als jede soeben aus dem Meere genommene Auster und unterschied 120 Vietor Faussek. sich von ihr bedeutend, denn im Meere bei normalen Bedingungen kommt bei den Austern ein so vollständiges Schwinden des Pigmen- tes nicht vor. Aber auch diese Erscheinung eines künstlichen Albinismus hängt nicht vom Vorhandensein oder Fehlen des Lichtes ab; farblose Austern traf ich sowohl im dunkeln als auch im hellen Aquarium. Eher ist das eine pathologische Erscheinung, welche viel- leicht mit der Atrophie der Gewebe zusammenhängt. Atrophische Er- scheinungen konnte ich überhaupt bei in Aquarien gehaltenen Austern in Form von Schrumpfung und Volumenabnahme, Atrophie der am Mantelrande sitzenden Fühlerfäden beobachten, wobei bei den albi- notischen Austern gleichfalls gewöhnlich eine Atrophie der Fühler zu beobachten war. So konnte ich also bei Austern, bei welchen die rechte Schale abgebrochen war, zwar manches Mal eine Pigsmentirung der inneren (jetzt nach außen gerichteten) Oberfläche des Mantels über den Rand hinaus konstatiren; diese Pigmentirung hing aber nicht vom Einflusse des Lichtes ab und ging eben so gut in der Finsternis als im Lichte vor sich. Das Licht hat keinen Einfluss auf die Pigment- ablagerung bei den Austern. 3. Weitere Experimente derselben Art wurden von mir an Mies- muscheln (Mytilus) ausgeführt. Auch diese behandelte ich wie die Austern, d. h. ich brach ihnen einen Theil der Schale ab. Aber in Folge der Organisationsverhältnisse von Mytilus wurde diese Ope- ration von größeren Verletzungen des Thieres begleitet, als bei den Austern. In Folge der stark entwickelten Epieuticula, welche die Schale mit dem Mantelrande verbindet, wurde beim Abbrechen eines Schalenrandes (mit einer Zange) auch der Mantelrand verletzt. Obgleich ich beim weiteren Abbrechen der Schale versuchte, vorsichtig mit einem Skalpell den Mantel von der Schale zu lösen, so misslang mir dies doch gewöhnlich, der Mantel wurde mehr oder weniger zer- rissen, und am häufigsten riss der Mantelrand an der ganzen Aus- dehnung des abgebrochenen Schalenrandes ab. Um die Schale auch nur auf eine einigermaßen größere Fläche abzubrechen, musste unum- sänglich auch der hintere Schließmuskel mehr oder weniger verletzt werden. So hatten denn alle dem Experimente ausgesetzten Mies- muscheln einen mehr oder weniger stark verletzten Mantel (an einer Körperhälfte) und hinteren Schließmuskel. Das Experiment wurde dadurch aber nicht behindert: die so verletzten Mytilus lebten noch Über die Ablagerung des Pigmentes bei Mytilus. 191 viele Wochen sehr gut und zeigten sonst keine Unterschiede von normalen. Überhaupt bietet Mytilus, Dank seiner Lebenszähigkeit, ein gutes Objekt für physiologische Untersuchungen. Wenn, nach dem Abbrechen der Schale, der Mantelrand auf eine srößere oder geringere Entfernung hin abgerissen war, so zog sich der übrig gebliebene Theil des Mantels ein wenig zurück, oder häufiger bog sich der freie (verletzte) Theil nach außen und rollte sich in eine Röhre zusammen. Die Außenseite dieser Röhre (d. h. die innere Fläche des Mantels) pigmentirte sich dabei manches Mal ein wenig, wurde gelb, und der Mantel nahm an dieser Stelle eine Farbe an, wie wir sie bei einem angebissenen und an der Luft gelb sewordenen Apfel sehen. Auch in diesem Falle hing die Pigment- ablagerung der entblößten Mantelfalte von der Beleuchtung nicht ab. Eine Ablagerung einer Perlmutterschicht an der Außenfläche des Mantels, wie wir es bei den Austern sahen, kam bei Mytilus nicht vor. Überhaupt wurde ein Versuch der Schale zu regeneriren bei so behandelten Mytilus nur in geringem Maße beobachtet und fand seinen Ausdruck nur in der Bildung einer braunen häutigen Membran, welche von dem abgebrochenen Rande der Schale ausging und sich an seiner Innenfläche befestigte. Eine solche Membran zog sich mehr oder weniger weit längs dem abgebrochenen Rande der Schale hin, ohne aber größere Breite zu erreichen. In dem Falle, wenn an der Seite der abgebrochenen Schale der Mantelrand heil geblieben war, zog sich die Haut zwischen dem letzten und dem Schalenrande hin, und man kann sie als eine verstärkte Epieuticulabildung auf- fassen. Doch vermag ich nicht mit Bestimmtheit zu sagen, ob sich eine solche Haut nicht auch durch die Thätigkeit des Mantels nach Entfernung des Randes, nämlich durch den Rand des abgerissenen Mantels bilden konnte: anfangs richtete ich geringe Aufmerksamkeit auf diese Frage; nachher, als sie mich interessirte, hatte ich nicht genug Material zu ihrer Lösung. Der Mantel, welcher der unver- letzten Schalenhälfte anlag, behielt vollständig seine ursprüngliche Lage und Beziehung zur Schale bei. Einige Theile der Körperfläche bei Mytilus sind intensiv pig- mentirt, wobei die Vertheilung und der Grad der Pigmentirung bei den Miesmuscheln viel beständiger ist als bei den Austern. Der Mantelrand ist jederseits an seinem hinteren Drittel stark pigmen- tirt, wird zur Mitte hin heller und am Vorderende ganz farblos. Am hinteren Körperende verbinden sich die beiden Mantelfalten mit ein- ander, und in dem Winkel ihrer Verbindung ist zwischen ihnen eine 122 Vietor Faussek, dünne Haut gespannt, welche von ihrer Außenseite (welche der Außen- welt zugewendet ist) pigmentirt ist, während sie von der Innenseite pigmentfrei ist. Auch der dünne Körperstreifen auf der Rücken- fläche über dem Perikardium, über dem Anus und der Vereinigungs- stelle beider Mantelfalten ist stark pigmentirt; dieser pigmentirte Hautstreifen wird entblößt und von Wasser umspült, wenn die Schale am hinteren Ende klafft. Der Fuß ist gleichfalls pigmentirt, aber nicht auf seiner ganzen Oberfläche: nur der vordere Theil desselben, der sich aus der Schale hervorstrecken kann, ist pigmentirt; der hintere Theil, welcher immer in der Schale bleibt, ist farblos, und die Grenze zwischen der pig- mentirten und nicht pigmentirten Hälfte ist eine ziemlich scharfe. In sroßer Menge ist gleichfalls Pigment in den Kiemen abgelagert; aber in Folge der Dünnheit ihrer Wände sind sie nicht so grell gefärbt, wie die dieken Ränder des Mantels. Endlich ist dasselbe Pigment, welches den Mantel und die Kiemen färbt, in geringer Quantität auch im Epithelium des Darmes, wenigstens im vorderen Theile desselben, abgelagert. | Über den histologischen Charakter der genannten Organe und des in ihnen abgelagerten Pigmentes werde ich nicht sprechen, da meine Beobachtungen in dieser Hinsicht noch nicht beendigt sind. Ich will nur erwähnen, dass das Pigment auf den mikroskopischen Präparaten das Aussehen von gold-gelben Körnern und Körperchen verschiedener Größe hat und sich weder im Alkohol, noch in den, in der histologischen Technik angewandten Säuren löst. Im Mantel- rande bilden die Pigmentkörner dichte Anhäufungen in den distalen Theilen der cylindrischen Epithelzellen, dann findet man sie in Form gröberer Konkremente zwischen den Epithelzellen, wahrscheinlich in Wanderzellen eingeschlossen, darauf auch im Bindegewebe unter der Epidermis zerstreut. In den Kiemen sind gleichfalls die Zellen des Kiemenepithels pigmentirt; außerdem findet man daselbst eine große Anzahl umfangreicher Leukoeyten, welche mit Pigmentkörnern über- laden erscheinen. Wie erwähnt hat dieses Pigment unterm Mikroskope eine gelbe Farbe; bei Aufbewahrung in Alkohol nimmt auch der Mantelrand eine braungelbe Färbung an. Bei den lebenden neapolitanischen Miesmuscheln aber sind alle farbigen Theile der Haut dunkel violett- braun, stellenweise fast m schwarz übergehend, aber immer eine violette Nuancirung beibehaltend und mit starkem Metallglanze. Diese »Oberflächenfarbe« scheint nicht nur mit dem Pigmente allein, son- Über die Ablagerung des Pigmentes bei Mytilus. 123 dern auch mit irgend welchen Eigenschaften der lebenden Zellen selbst in Verbindung zu stehen. Dieses kann man daraus ersehen, dass man manches Mal Miesmüscheln mit gelblichen Kiemen, ohne jeden violetten Ton antrifft, und doch erweisen sich diese Kiemen mit Pigment überladen. Folglich hängt der violette Ton und der Metallglanz nicht vom Pigment selbst ab. > Bei meinen Experimenten konnte ich manches Mal bemerken, dass die Miesmuscheln mit abgebrochener Schale sehr schnell ihre Farbe verloren: am nächsten Tage nach der Operation verloren sie dann ihre violette Färbung und ihren metallischen Schimmer und erschienen viel bleicher, von gelber oder hellbrauner Färbung. Ähn- liehe schnelle Veränderungen der Färbung konnte ich auch manches Mal nach Einspritzung von Karminpulver in den Mantel oder Fuß beobachten, und zwar sehr bald, etwa am nächsten Tage. Schnitte durch den Mantelrand zeigten aber bei solchen Exemplaren keine bemerkenswerthe Pigmentabnahme, und folglich musste diese augen- fällige Veränderung in der Färbung nicht vom Pigmente, sondern von irgend welchen Veränderungen in den Geweben selbst herrühren: wirklich wies das schnelle Hellerwerden auf einen sehr krankhaften Zustand hin, welcher augenscheinlich durch die Verletzung hervor- gerufen worden war: solche Miesmuscheln starben nach ein oder zwei Tagen. Solche schnelle Veränderungen in der Färbung konnten sowohl am Lichte als auch in der Finsternis vor sich gehen. Die- jenigen Miesmuscheln, welche die Operation gut überstanden — und die meisten thaten das — behielten ihre normale Färbung bei, und wenn sie im Aquarium gut weiter lebten, so blieb ihre Färbung eben so kräftig und intensiv, wie in der Natur. Ein schnelles Schwinden der normalen Färbung konnte bei den sterbenden Miesmuscheln nicht nur im Mantel, sondern auch im Fuße beobachtet werden, wobei der Mantel manches Mal eine normale Nuaneirung beibehielt, während der Fuß bleicher wurde. Bekanntlich kommen unter den Miesmuscheln, welche in Massen als Nah- rungsmittel verwendet werden, manchmal giftige Exemplare vor, deren Genuss Er- rankung und sogar den Tod zur Folge hat. VIRCHOWw, welcher die Vergiftungsfälle durch Miesmuscheln in Kiel untersuchte, fand, dass die ihm als giftig zuge- sandten Miesmuscheln, und von deren Giftigkeit er sich durch Versuche über- zeugen konnte, sich durch große Bleichheit der Färbung auszeichneten. VIRCHOW stellt dieses Merkmal in Verbindung mit der Giftigkeit und hält es für eine Atrophieerscheinung. — R. VIRCHow, Über.die Vergiftungen durch Miesmuscheln in Wilhelmshaven. Berliner klin. Wochenschr. 1885 Nr. 8. Nachdem ich so bei einigen Dutzend Miesmuscheln eine Schale 124 Vietor Faussek, abgebrochen hatte, so dass ihr Mantel und ihre Kiemen auf eine be- deutende Fläche entblößt und allen äußeren Einflüssen ausgesetzt waren, theilte ich sie in zwei Gruppen und hielt die eine Gruppe in der Finsternis, die andere bei hellem Tageslichte. Auch bei diesen Experimenten sah ich, wie bei den Austern, keine Spur einer Ein- wirkung des Lichtes auf die Pigmentirung des Thieres. Eine viel- wöchentliche helle Beleuchtung rief eben so wenig eine stärkere Pigmentablagerung hervor, wie ein vielwöchentlicher Aufenthalt in der Finsternis eine Verminderung desselben. (Ich hielt erwachsene und kleine Mytilus mit unverletzter Schale vier Monate lang in einem dunklen Aquarium, und sie bewahrten bis zuleizt ihre normale Pig- mentirung.) Die Miesmuscheln, welche ein gesundes Aussehen hatten, erschienen stark pigmentirt mit einem fast schwarzen, violett-braunen hinteren Mantel- und Kiemenrande, welcher mit Pigment überladen war, einerlei ob sie im Dunkeln oder bei hellster Beleuchtung lebten. Unter der Einwirkung des Lichtes sah man weder eine stärkere Pig- mentirung der normal pigmentirten Fläche, noch ein Auftreten von Pigment in jenen Theilen, z. B. des Mantels, welche normal unpigmen- tirt sind. Nur am abgeschnittenen Rande des Mantels, welcher sich umgebogen hatte und in Genesung stand, bemerkte man eine leichte selbe Färbung, ein Auftreten von Pigment dort, wo es früher fehlte; doch dieses geschah eben so in der Finsternis, wie am Lichte. Ich machte noch ein folgendes Experiment. Wie erwähnt, ver- einigen sich am hinteren Ende beide Mantelfalten mit einander und im Winkel zwischen ihnen ist eine dünne dreieckige Haut gespannt. Die äußere Seite dieser Haut ist stark pigmentirt, die innere ist gänzlich pigmentfrei. Nachdem ich die Schale abgebrochen und den hinteren Schließmuskel durchschnitten hatte, schnitt ich von einer Seite den Mantelrand an, bog ihn um und befestigte ihn auf eine Korkscheibe so, dass auch das genannte Häutchen mit der Innenseite nach außen gerichtet war, und folglich, im Gegensatz zu den ge- wöhnlichen Verhältnissen, dem hellen Lichte ausgesetzt wurde. In einer solchen Lage blieb das Thier sechs Tage lang, doch konnte man kein Dunkelwerden, keine Pigmentirung auf der inneren (be- leuchteten) Seite der Zwischenhaut bemerken. Gegen das letzte Experiment könnte man erwidern, dass die Zeit zu demselben zu kurz gemessen war (obgleich ein entsprechendes Experiment an der Haut eines Menschen der weißen Rasse ausgeführt, eine Pigmentirung derselben in noch kürzerer Zeit hervorrufen würde), jedenfalls aber überzeugten mich alle meine verschiedenartig kom- Über die Ablagerung des Pigmentes bei Mytilus. 125 binirten Experimente davon, dass auch bei Mytilus das Licht auf die Bildung und Ablagerung des Pigmentes keinen Einfluss hat. Eine verstärkte Beleuchtung ruft keine starke Pigmentablagerung hervor, eben so wenig wie ein Fehlen des Lichtes eine Abnahme des Pig- mentes bewirkt. Die Bildung und Ablagerung von Pigment im Orga- nismus der Austern und Miesmuscheln geschieht ohne jede Mitwirkung des Liehtes und wird durch irgend welche andere Ursachen regulirt. Die Beobachtungen und Schlüsse SCHIEDT's erwiesen sich als falsch und zur Lösung der Frage über die Möglichkeit einer heliotropischen Reizbarkeit der Leukocyten im Verein mit ihrem Pigment-Ein- schleppungsvermögen erwiesen sich die von mir gewählten Objekte als ungeeignet: wenn auch bei den Miesmuscheln die Leukocyten viel- leicht das Pigment in die Epidermis ablagern, so reagiren sie jeden- falls dabei nicht auf das Licht. 4. Niehtsdestoweniger schien mir eine vollständige Unabhängigkeit der Pigmentirung von Mytilus von den äußeren Einflüssen sehr unwahrscheinlich. Gerade bei Mytilus fällt eine große Regelmäßig- keit und Beständigkeit in der Vertheilung des Pigments in die Augen, sowie ihre Abhängigkeit vom Bau der Schale und der Lebens- weise des Thieres. Die Miesmuschel ist immer mit ihrem vorderen, schmalen Ende dem Gegenstande, an welchen sie mit dem Byssus befestigt ist, mit ihrem hinteren, breiten Ende dem Lichte und dem Meere zugewandt. Wenn die Miesmuscheln, wie gewöhnlich, haufen- weise, zu Dutzenden sich an irgend einen unterseeischen Gegenstand befestigen, so sind sie alle mit ihrem schmalen Vorderende zur Ober- fläche des Gegenstandes gewendet, mit ihrem hinteren Ende aber nach außen; ihre Vorderenden sind dieht an einander gedrängt, die hinteren Enden stehen aus einander. Wenn das Thier seine Schale öffnet, so klafft sie hinten am weitesten, wo auch der Mantelrand hinausragt; zum Vorderende zu wird der Spalt immer enger. So ist hauptsächlich das hintere Ende des Thieres allen äußeren Einflüssen ausgesetzt. Das Licht, welches durch die enge Spalte der Schale dringt, muss vor Allem das hintere Körperende beleuchten, die hintere Hälfte des Mantelrandes, welche nach außen ragt, den hinteren Theil der Kiemen und der Rückenfläche des Thieres, welche zwischen den Schalenhälften entblößt wird. Darum schien es mir auch anfänglich, dass bei Mytilus gerade die Theile des Körpers pigmentirt sind, welche in natürlichen Lebensbedingungen dem Einflusse des Lichtes 126 Vietor Faussek, am meisten ausgesetzt sind: da ja auch beim Fuße gleichfalls nur der Theil pigmentirt ist, welcher sich aus der Schale hervorstreckt. Bei der Auster schien der Charakter ihrer Pigmentirung nicht in einer so großen Übereinstimmung mit den natürlichen Beleuchtungs- bedingungen des Körpers zu stehen, wie bei den Miesmuscheln. Doch zeigten die Experimente an Thieren, welche eines Theiles der Schale beraubt waren, und deren Körper folglich in vollständig außergewöhnlichen, unnatürlichen Beleuchtungsbedingungen sich be- fand, so wie auch das Verhalten der Thiere im Finstern, dass die Pig- mentirung unabhängig vom Einflusse des Lichtes ist. Darauf kam ich auf einen anderen Gedanken: die am stärksten pigmentirten Körper- theile von Mytilus sind diejenigen, welche von der Schale am wenigsten beschützt werden und dem Einflusse der äußeren Umgebung am meisten ausgesetzt sind. Diese Theile sind am intensivsten beleuchtet, das ist freilich wahr; aber sie werden zu gleicher Zeit am stärksten vom Wasser bespült, bekommen frischeres Seewasser, als die tief in der Schale verborgenen Körpertheile.. Die Nahrungsaufnahme von Mytilus, wie auch der anderen Lamellibranchiaten, geschieht, wie bekannt, vollständig passiv: das Thier öffnet die Schale, so dass das Wasser, welches die Höhle der Schale ausfüllt, mit dem Außen- wasser kommunieirtt. Die Bewegung der Wimpern des Wimper- epithels des Mantelrandes und der Kiemen ruft dabei einen ununter- brochenen Wasserstrom hervor vom hinteren Körpertheile nach vorn, zur Mundöffnung, wobei ein Theil des Wassers in den Darm tritt. Durch die Bewegung des Wimperepithels wird das in der Schale befindliche Wasser immer erneuert. Die Spalte zwischen den Schalen- hälften ist am Vorderende viel schmäler als am hinteren Ende, und wird noch dabei am vorderen Ende durch die sich an einander legenden Mantelränder geschlossen, wobei noch, wenn die Thiere gruppenweise bei einander sitzen, ihre Vorderenden einander dicht genähert sind; der beständige Zustrom von Wasser geschieht daher vom hinteren Ende der Schale, wo durch eine breite Spalte die Mantelränder nach außen ragen. So stehen der hintere Theil des Mantelrandes und die hinteren Enden der Kiemen im besseren Verhältnisse zum Zu- tritt des frischen Meerwassers, als der übrige Theil der Körperober- fläche. Wenn wirklich diese Ursache auf die Pigmentirung des Körpers wirken sollte, so müsste, wenn es uns gelingen sollte, das Thier in umgekehrte Verhältnisse zum Zutritt des frischen Wassers zu bringen und dem vorderen Theile des Körpers einen Vortheil in Bezug des Über die Ablagerung des Piementes bei Mytilus. 197 Zutrittes von frischem Wasser vor dem hinteren Theile zu geben, die Ablagerung des Pigmentes am Vorderende vor sich gehen, wel- ches nun am meisten vom Wasser bespült wird, z. B. am vorderen Theile des Mantelrandes. Zu diesem Zwecke machte ich folgendes Experiment. Nachdem ich eine Miesmuschel aus dem Wasser genommen hatte, wobei das Thier seine Schale sehr fest zuklappte, brach ich mit einer Zange den Rand einer Schalenhälfte am Vorderende ab, so dass sich hier eine schmale Spalte bildete, welche dem Wasser Zutritt bot. Ich umwickelte und verband darauf die Schale fest mit einem Faden, so dass das Thier die Schale nicht wieder öffnen konnte. Darauf steckte ich das Thier mit dem hinteren Ende bis zur Hälfte in Wachs und befestigte dasselbe sorgfältig in der gemachten Grube, indem ich nach Möglichkeit die Ränder der Grube ausglich und verklebte und sie an die Wände der Schale anheftete. In ein großes Stück Wachs, wie es von den Skulptoren gebraucht wird, steckte ich ungefähr 20 Miesmuscheln und ließ es auf den Grund des Aquariums sinken. So steckte ein jedes Thier mit seinem hinteren Ende tief im Wachs und konnte seine Schale gar nicht öffnen. Am vorderen Ende aber war der Rand der Schale abgebrochen und gewährte dem frischen Wasser freien Zutritt; wenn folglich auch die Bewegung des Wimper- epithels auf dem Mantel und den Kiemen — wie es auch gewiss in Wirklichkeit war — von hinten nach vorn vor sich ging, so traf das frische Seewasser dennoch zuerst den vorderen Theil des Man- tels und ging dann erst zum hinteren Theil über. Diese Experimente begann ich im März 1896; das erste Mal nahm ich ungefähr 20 Miesmuscheln und steckte sie, wie beschrie- ben, in das Wachs. Einigen gelang es den Fuß aus der Schale zu befreien und aus dem Wachs hinauszukommen: ich fand sie, als ich am Morgen auf die Station kam, auf dem Boden des Aquariums; doch da sie fest umbunden waren, konnten sie die Schale nicht öffnen, und ich befestigte sie von Neuem. In den ersten Tagen schon starben einige Thiere. Das Experiment dauerte drei Wochen, und in dieser Zeit starb ungefähr der dritte Theil der Thiere. Nach dieser Zeit wurden alle am Leben gebliebenen Thiere herausge- nommen und untersucht, wobei eine Schalenhälfte entfernt wurde. Das Experiment ergab das erwartete Resultat: bei allen Exemplaren hatte sich der vordere Mantelrand leicht pigmentirt und eine gelb- liehe Färbung statt seines normalen farblosen, weißlichen Aussehens, 128 ) Vietor Faussek, angenommen. Bei einem Exemplare nahm dabei der ganze vordere Mantelrand eine stark violette Nuance an. Für ein zweites Experiment nahm ich 40 Miesmuscheln, brach einen Theil der Schale ab und verband sie wie oben beschrieben; doch nur einen Theil derselben steckte ich mit dem hinteren Ende in Wachs, die übrigen ließ ich einfach auf dem Boden des Aqua- riums liegen. Das Experiment begann am 24.—25. April. Bis zum 19. Mai (in mehr als drei Wochen) starben 19 Stück. Von den übrigen wurden zehn genommen und untersucht. Sie wiesen folgende Veränderungen auf. Der Mantelrand bei Mytilus, welcher von RAwıTz ausführlich beschrieben worden war, besteht aus zwei Falten, einer äußeren und einer inneren, welche durch eine Furche getrennt sind. Die Innenfalte bildet am hinteren Ende des Mantels fingerförmige Auswüchse, welche dem Mantelrande an dieser Stelle ein gefranstes Aussehen geben: diese Auswüchse sind stark pigmentirt, und von ihnen hängt hauptsächlich die dunkel violett-braune Färbung des hinteren Endes vom Mantel ab. Am vorderen Theile des Mantel- randes sind beide Falten nicht so scharf ausgeprägt und die Innen- falte hat hier keine Auswüchse: höchstens ist sie stellenweise leicht sezähnt. Was vor Allem bei den Miesmuscheln auffiel, welche drei Wochen gebunden mit einerseits abgebrochenem vorderen Schalenrande lagen, waren charakteristische Veränderungen in der Form des vorderen Mantelrandes, auf der Seite der abgebrochenen Schale; die Innen- falte hatte stark an Umfang zugenommen, war höher geworden, trat mehr hervor, und an ihrem Rande bildeten sich Falten und Auswüchse, denen ähnlieh, welche an der Innenfalte des hinteren Mantelrandes sich befinden. Natürlich waren dieser Auswüchse oder Zähne nicht so viele wie am hinteren Rande, und ergaben sie keine so stark ausgeschnittenen, fransenförmigen Kontouren, nichtsdestoweniger aber wiederholten sie im Allgemeinen den Charakter der genannten Aus- wüchse des hinteren Endes des Mantelrandes. | So ist die Innenfalte des vorderen Endes des Mantelrandes durch das Experiment fransig geworden, wie sie sonst nie in natürlichen Verhältnissen ist. Als die Thätigkeit des hinteren Mantelrandes unter- brochen war, und die Aufgabe des letzteren künstlich auf den Vordef- rand übertragen wurde, entwickelten sich in diesem Struktureigen- thümlichkeiten, welehe der hinteren Mantelhälfte eigenthümlich sind, Ich erhielt jene sonderbare Erscheinung, welcher LoeEg (3) den Namen Heteromorphose beigelegt hat: eine Bildung eines gewissen Organs Über die Ablagerung des Pigmentes bei Mytilus. 129 auf einer ungewöhnlichen Stelle des Organismus, hervorgerufen durch veränderte äußere Einflüsse. Freilich haben wir in diesem Falle weder eine Regeneration noch eine Neubildung eines Organs vor uns; dennoch stellt der Umstand, dass der Vorderrand des Mantels bei Mytilus, wenn er in Existenzbedingungen versetzt wird, welche normal dem hinteren Rande eigenthümlich sind, auch die morpho- logischen Eigenthümlichkeiten des letzten anzunehmen bestrebt ist, einen typischen Fall von Heteromorphose dar. Was die Pigmentirung des Mantelrandes betrifft, so erschien bei allen untersuchten Exemplaren derselbe mehr oder weniger pigmen- tirt, bekam eine bräunliche Färbung oder einen violetten Schimmer. Bei einem oder zwei Exemplaren war die Pigmentirung nicht be- deutender als die, welche man bisweilen auch in der Natur findet. Bei allen übrigen aber war der Vorderrand bedeutend stärker pig- mentirt als in natürlichen Bedingungen. Besonders lehrreich waren die Fälle, wenn zwischen dem wie gewöhnlich pigmentirten hinteren Ende des Mantels und dem sich neu pigmentirenden vorderen Rande ein hellerer Zwischenraum blieb. Wie oben erwähnt, wird die dunkle Pigmentirung des Mantelrandes allmählich nach vorn zu schwächer, wird in der Mitte des Mantels heller und verschwindet ganz in der vorderen Hälfte. Auf einigen Exemplaren meines Experimentes konnte man sehen, wie die Pig- mentirung der hinteren Hälfte des Mantelrandes nach vorn zu all- mählich schwächer wurde, und dieses Schwächerwerden schritt regel- mäßig bis zu jener Stelle vor, wo der vordere Rand der Schale abgebrochen war. Von dieser Stelle an befand sich der Mantelrand in veränderten Lebensbedingungen, welche in ihm eine Heteromor- phose und eine Ablagerung von Pigment hervorriefen — hier wurde die Pigmentirung des Mantelrandes wieder stärker, um von Neuem zum Vorderende hin allmählich abzunehmen. Längs dem Mantelrande hatten sich so zwei Stellen, zwei Centren verstärkter Pigmentablage- rung gebildet; das eine ursprüngliche, natürliche, alte Centrum — am hinteren Ende des Mantelrandes, — das andere künstliche, neue, am "hinteren Ende jener Stelle des vorderen Mantelrandes, welche von der Schale entblößt worden war und nun frei vom Wasser bespült dalag. Zwischen diesen zwei pigmentirten Streifen (von welchen der hintere, natürliche, selbstverständlich viel intensiver als der vordere, künstliche, war) blieb ein heller Zwischenraum, welcher weniger Pigment enthielt; so erhielt ich eine solche Pigmentvertheilung im Mantelrande, wie sie nie in der Natur vorkommt und augen- Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXV. Bad. 9 130 Vietor Faussek, scheinlich durch die Bedingungen des Experimentes hervorgerufen wurde. Irgend welche bemerkbare, in die Augen fallenden, Verände- rungen in Betreff der Pigmentirung der Kiemen konnte ich nicht finden. Gleichfalls pigmentirte sich im Mantel in seinem entblößten vorderen Theile nur der Rand; der Mantel pigmentirte sich nicht über den Rand hinaus. Die Heteromorphose und Pigmentirung des vorderen Mantelrandes ging sowohl bei den mit dem hinteren Ende in Wachs gesteckten Miesmuscheln, als auch bei denjenigen, bei welchen die Schale ein- fach fest umbunden war, vor sich; im ersten Falle entwickelte sich die Pigmentirung doch stärker. Einige Miesmuscheln dieses Experimentes lebten bei mir bis zum 1. Juni, folglich über einen Monat; doch war weder die Hetero- morphose, noch die Pigmentirung des Mantels bei ihnen stärker als bei den Miesmuscheln entwickelt, welche ich nach drei Wochen unter- suchte. Diese Veränderungen gingen eben in der ersten Zeit der veränderten Lebensbedingungen vor sich, ihre weitere Entwicklung verlangsamt sich. Der hintere Mantelrand blieb bei diesen Experimenten in dem- selben Grade pigmentirt, wie vor dem Beginne derselben. Durch dieses Experiment gelang es mir bei Mytilus im vorderen unpigmentirten Ende des Mantelrandes eine ziemlich reiche Pigment- ablagerung hervorzurufen. Freilich blieb der vordere Rand dennoch sehr bleich, mit dem hinteren Rande verglichen; es wäre auch schwer es anders zu erwarten; die Pigmentirung des Mantels von Mytilus entwickelt sich allmählich, und das Pigment häuft sich in langen Perioden an. In drei Wochen eine eben so starke Pigmentirung des vorderen Mantelrandes zu bekommen, wäre dasselbe, wie zu glauben, dass ein Europäer durch Sonnengluth in einen Neger verwandelt wer- den könnte. Immerhin gelang mir das, was ich wollte und was ich voraussetzte: eine Ablagerung von Pigment im vorderen Rande des Mantels durch äußere Einflüsse hervorzurufen, und zwar durch frische Wasserzufuhr nicht zum hinteren, sondern zum vorderen Körper- ende. Darauf gelang es mir die Experimente abzuändern und dieselben Resultate zu erzielen. Ich bemerkte, wenn ich beim Abbrechen der Schale den Mantel einriss, so dass die hintere Hälfte des Mantel- vandes von der vorderen getrennt war, dass der vordere Abschnitt sich verhältnismäßig stark pigmentirte und immer stärker gefärbt Über die Ablagerung des Pigmentes bei Mytilus. 131 erschien, als der entsprechende Theil des vorderen Randes der an- deren, unverletzten Seite. Darauf machte ich mit Vorbedacht einige Experimente in dieser Richtung. Ich brach die Schale im vorderen Theile derselben ab und trennte durch einen tiefen Schnitt das vordere, nicht pigmentirte Ende des Mantelrandes vom hinteren Ende; oder ich brach die Schale am hinteren Ende ab und machte auch hier einen tiefen Einschnitt; manches Mal entfernte ich sogar den hinteren Theil des Mantelrandes (der einen Seite) vollkommen und ließ nur den vorderen, unpigmentirten Theil übrig. Einige Mal verband ich nach dieser Operation die Schale mit einem Faden, vor Allem den vorderen Theil des Mantels dem Wasserstrome aussetzend; in anderen Fällen ließ ich die Muschel, nachdem ich den Mantelrand angeschnit- ten hatte, ruhig auf dem Grunde des Aquariums liegen. Bei allen diesen Kombinationen erhielt ich ein und dasselbe Resultat: wenn der Mantelrand von seinem hinteren Ende getrennt ist, vollzieht sich bei ihm eine energischere Pigmentablagerung. Solch ein vorderes Mantelsegment wird nach zwei bis drei Wochen gelb oder bräunlich, und erscheint jedenfalls bedeutend stärker pigmentirt als der ent- sprechende Theil des vorderen Mantelrandes der anderen Seite, an welcher kein Schnitt vollführt worden war. Oft wird in diesen Fällen die Pigmentirung des vorderen Randes von dem Erscheinen eines violetten Schimmers begleitet; in einem Falle erhielt ich einen vorderen Mantelrand von so tief violetter Schattirung, mit einem so starken metallischen Glanze, dass er sich kaum vom hinteren unter- schied; die violett-braune Färbung des hinteren Mantelendes zog sich fast ohne Unterbrechung bis zum vorderen Körperende; in natürlichen Verhältnissen kann man nie etwas dem Ähnliches beob- achten. Der weitere Verlauf meiner Experimente lehrte mich, dass die Durchschneidung des Mantels viel sicherer eine Pigmentirung des vorderen Mantelrandes hervorruft als die Verbindung der Schale und das Abbrechen des vorderen Endes derselben. Bei den letzteren Experimenten konnte ich manches Mal eine stark ausgeprägte Hetero- morphose des vorderen Randes beobachten — ein Wachsthum der Innenfalte und Bildung von Auswüchsen — ohne entsprechende Pig- mentablagerung: der Vorderrand blieb bleich und farblos. Beim Durch- schneiden des Mantels pigmentirte sich der abgetrennte Vorderrand fast immer. | Bei der Ablagerung von Pigment im vorderen Abschnitte des Mantelrandes nach seiner Abtrennung lief der Process gleichfalls vom 9%* 133 Vietor Faussek, hinteren Ende desselben beginnend und nach vorn zu schwächer werdend ab; der Process der Pigmentablagerung im abgesonderten vorderen Theile des Mantelrandes geht analog dem Processe vor sich, welcher sich im ganzen Mantelrande abspielt. Dabei erschien das hintere Ende des vorderen Abschnittes des Mantelrandes oft stärker pigmentirt, als das vordere Ende des hinteren Abschnittes, so dass man denselben Wechsel von stärker und schwächer pigmentirten Stellen des Mantelrandes beobachten konnte, wie bei den Experi- menten mit vorn abgebrochener und umbundener Schale (mit unbe- schädigtem Mantelrande). Nachdem ich so eine Möglichkeit ssfnnakn hatte, künstlich im Mantelrande von Mytilus eine Pigmentablagerung zu erzielen, wandte ich mich wieder der Frage zu, welchen Antheil bei diesem Processe das Licht haben könnte. Zu diesem Zwecke hielt ich die so ope- rirten Miesmuscheln — d. h. solche mit angeschnittenem Mantelrande und auch mit vorn abgebrochener Schale — parallel, die einen am Lichte, die anderen im Finstern. Außer den Aquarien, welche in meinem Zimmer von Holzkasten bedeckt standen, benutzte ich auch einen auf der Neapolitanischen Station für ähnliche Experimente vor- handenen dunklen Raum. Die Resultate waren die erwarteten: bei der Durchschneidung des Mantels vollzog sich die Pigmentablagerung im vorderen Theile bei tiefer Finsternis eben so schnell und intensiv, wie im Licht. Dieses Experiment bestätigte nur die Resultate früherer Experimente, dass bei Mytilus das Licht gar keinen Einfluss auf die Bildung und Ablagerung des Pigmentes habe. Welche äußere Ursachen haben nun Einfluss auf die Pigment- bildung und reguliren seine Ablagerung in der Körperoberfläche? Oder hängt vielleicht die Pigmentablagerung gar nicht von äußeren Ursachen ab und wird nur durch innere Processe des Organismus regulirt? Mir scheint es, dass die oben beschriebenen Experimente, was die untersuchte Form, d. h. Mytilus betrifft, eine genügende Ant- wort auf diese Frage geben. Bei Mytilus sehen wir eine starke Pigmentablagerung in jenen Theilen der Körperoberfläche, welche dem Zuflusse von frischem Wasser am meisten zugänglich sind. Aber da dabei in jedem Falle nicht das Wasser selbst die bewirkende Ursache ist, auch wohl nicht die mechanische Bedeutung seiner Be- wegung, aber aller Wahrscheinlichkeit nach die Hauptbedeutung dem im Wasser gelösten Sauerstoffe zuzuschreiben ist, so sind diejenigen Körpertheile am stärksten pigmentirt, welche der direkten Wirkung des Sauerstoffs am meisten ausgesetzt sind und in welchen die Ath- Über die Ablagerung des Pigmentes bei Mytilus. 133 mung der Zellen der Haut und ihre Sauerstoffaufnahme am ener- gischsten vor sich geht. Und da bei Mytilus der Zufluss von frischem Wasser vom hinteren Körperende aus vor sich geht, so erscheint das hintere Ende des Muschelrandes und die hintere Hälfte der Kiemen, welche der Einwirkung des Sauerstoffs am zugänglichsten sind, auch am stärksten pigmentirt. Die Vertheilung des Pigmentes im übrigen Körper widerspricht gleichfalls nicht dieser Erklärung. So ist z. B. der Fuß der Miesmuschel in jenem Theile pigmentirt, welcher aus der Schale hinausgestreckt wird und welcher, verschiedene Bewe- sungen vollführend, vom Wasser reichlich umspült werden kann; derjenige Theil aber, welcher beständig in der Schale bleibt, ist nicht pigmentirt, und die Grenze zwischen diesen beiden Theilen ist ziemlich scharf. Dieser Unterschied muss sich allmählich entwickeln, da bei den ganz kleinen Mytilus, wenn sie nach der Metamorphose der Larve ein oder einige Millimeter groß sind, der Fuß noch gar nicht pigmentirt ist, und auch der ganze Organismus fast kein Pigment enthält. Die Bildung und Ablagerung des Pigmentes geschieht all- mählich mit dem Wachsthum zunehmend, und z. B. im Fuße an jener Stelle seiner Oberfläche, welche dem Einfluss des frischen Wassers (des Sauerstoffs) am meisten ausgesetzt ist, d.h. in jenem Theile, welcher sich aus der Schale hervorstreckt. Eben so wenig wider- spricht dieser Erklärung der Umstand, dass im Epithel des Darmes eine Ablagerung von demselben Pigmente, wie im Mantelrande vor sich geht, wenn auch in viel geringerer Menge; das in den Darm tretende Wasser enthält natürlich noch Sauerstoff, wenn auch in geringerer Menge, aber jedenfalls genug, um eine Pigmentablagerung hervorzurufen. Man könnte sagen, dass in jenen Experimenten, wenn die Funk- tion des hinteren Mantelrandes unterbrochen oder erschwert ist, wie bei den Experimenten mit dem Umbinden der Schale oder dem An- schneiden des Mantels, dass in diesen Fällen eine Art Regeneration des hinteren Mantelrandes auf Kosten des vorderen vor sich geht, und dass die Pigmentirung diese Regeneration begleitet. Aber wohl schwerlich wäre diese Erklärung richtig. Wenn die Schale fest um- bunden ist und der vordere Rand einer Schale abgebrochen ist, dann beginnt wirklich der vordere Mantelrand den Charakter des hinteren Randes anzunehmen; es vollzieht sich ein Auswachsen der inneren Falte, eine Bildung von Einbuchtungen und Auswüchsen auf. der- selben, das was ich oben als Heteromorphose bezeichnete. Eine solche Heteromorphose aber kann auch manches Mal nicht von Pig- 134 Vietor Faussek, mentablagerung begleitet sein. Im Gegentheil, wenn der vordere Abschnitt des Mantelrandes durch einen tiefen Schnitt von dem hin- teren getrennt ist, und der letzte sogar manches Mal ganz entfernt ist, die Schale aber nicht verbunden ist und das Thier frei seine Schale öffnen und schließen kann, dann geht die beschriebene Heteromorphose im vorderen Mantelsegmente nicht vor sich, nach der Heilung der Wunde nimmt er die Form des hinteren Randabschnittes nicht an — überhaupt geschieht nichts, was man als eine Regeneration des hin- teren Theiles des Mantelrandes an seinem vorderen, abgetrennten Abschnitte, auffassen könnte. Nichtsdestoweniger ist die Pigment- ablagerung eine sehr bedeutende. Folglich kann man manches Mal eine Heteromorphose ohne Pigmentablagerung und viel häufiger eine Pismentablagerung ohne alle Struktur- und Formveränderungen des Mantelrandes beobachten; so haben wir gar keinen Grund, die Pigmentablagerung einem Regenerationsprocesse zuzuschreiben, der im Mantel vor sich geht; eine solche Regeneration kommt hier nicht vor. Ich stelle mir die Processe, welche im Mantel vor sich gehen, folgendermaßen vor. Bei Mytilus zieht sich nach SABATIER dem Mantelrande entlang ein venöser Blutsinus, welcher das Blut aus dem Mantel sammelt. Bei anderen Lamellibranchiaten, z. B. bei Anodonta (siehe VosT und Yung), zieht sich längs dem Mantelrande ein Blut- sefäß, welches aus der hinteren Aorta entspringt. Bei Mytilus ist, nach SABATIER, keine hintere Aorta vorhanden und der Mantel be- kommt sein arterielles Blut aus den großen Gefäßen der vorderen Aorta. Wie dem auch sei, dem freien Mantelrande entlang zieht sich ein großes Blutgefäß oder ein Sinus; zu gleicher Zeit wird der hintere Mantelrand von einem frischen Wasserstrome bespült, wobei die Bewegung der Wimpern des Wimperepithels am Mantelrande den Wasserstrom zum vorderen Körperende zu treibt. Wenn das Blut irgend welche Stoffe enthält, welche man Pigmentbildner nennen könnte und welche Pigment unter Einfluss von Sauerstoff bilden, so wird das Blut im hinteren Theile des Blutgefäßes des Mantelrandes in vortheilhafterer Lage zur Sauerstoffzufuhr (zum frischen Wasser) sein, als im vorderen, und folglich wird sich auch hier mehr Pigment ablagern, als am vorderen Ende des Mantels. Wenn jedoch die vorn abgebrochene Schale fest umbunden ist, und besonders wenn, wie bei meinen Experimenten, der hintere Theil der Schale in Wachs steckt und vom Zufluss frischen Wassers ausgeschlossen ist, so wird das Blut im Randgefäße sich mit dem sauerstoffhaltigen Wasser nur in Über die Ablagerung des Pigmentes bei Mytilus. 135 der vorderen Hälfte des Mantelrandes begegnen, von der Stelle be- sinnend, wo die Schale beschädigt ist, und folglich wird hier auch die Pigmentablagerung beginnen — wie ich es ja auch bei meinen Versuchen sah. In jenen Fällen, wenn ein tiefer Einschnitt in den Mantelrand semacht wurde, war das Blut, welches sich in der vorderen Hälfte des Randgefäßes, wahrscheinlich direkt aus den Geweben des Mantels ansammelte, noch nicht der Einwirkung des Sauerstoffs ausgesetzt sewesen und hatte folglich seine pigmentbildenden Stoffe nicht ver- loren; in diesen Fällen begann am Vorderrande unverzüglich eine Pigmentablagerung. Das Blut, welches in normalen Bedingungen schon in dem hinteren Theile des Randgefäßes vom Sauerstoff beeinflusst wurde, würde jetzt mit dem sauerstoffhaltigen Wasser nur im vorderen Theile des Randgefäßes zusammentreffen, wohin es direkt aus den Geweben des Mantels gelangte; die Pigmentablagerung beginnt dabei vom hinteren Ende des vorderen Mantelabschnittes, d. h. von jener Stelle, wo der Blutstrom zuerst mit dem Strome des Meerwassers zusammenstößt. Eine ähnliche Erklärung ist auch für die Pigmentirung der Kiemen zulässig. Das hintere Ende der Kiemen wird vom frischen Wasser früher, als das vordere Ende, bespült, und ist desswegen be- sonders stark pigmentirt; längs dem freien Rande jeder Kieme zieht sich eine Furche, in welcher die Wimpern des Wimperepithels einen ununterbrochenen Strom erzeugen: die Wände dieser Furche sind besonders stark pigmentirt. Zu Gunsten meiner Erklärung spricht, wie ich glaube, das unlängst be- wiesene Vorhandensein eines besonderen oxydirenden Fermentes im Blute der Lamellibranchiaten. PıErı und POrRTIER fanden, dass das Blut und das Gewebe der Kiemen und Lippentaster bei verschiedenen Lamellibranchiaten (Artemis exoleta, Mya arenaria, Tapes pullastra, Ostrea edulis, Pecten jacobaeus, Peetuneulus glycymeris, Anodonta cygnea) eine oxydirende Wirkung aufweist (es ruft in einer Guajacollösung eine blaue Färbung hervor; eine gesättigte Guajacollösung in Wasser mit einer gleichen Quantität von aus den Kiemen genommener Flüssigkeit gemischt, nimmt die Farbe von lie de vin an). Die Autoren erklären diese Reaktion durch das Vorhandensein eines besonderen oxydirenden Fermentes (ferment oxydant). PıErı et PORTIER, Sur la presence d’une oxydase dans les branchies, les palpes et le sang des ac&phales. Compt. Rend. Acad. Sc. Paris. T. CXXIIL — Es ist klar, dass die Wirkung dieses Fermentes — worin sie auch bestehen mag — am energischsten an jenen Stellen sein wird, wo der Sauerstoff am meisten Zutritt hat. 136- - Vietor Faussek, 5. Eine Beziehung zwischen der Pigmentablagerung einerseits und dem Zuflusse von frischem Wasser und der Lage der Blutgefäße im Mantel andererseits existirt nicht allein bei Mytilus unter allen Lamellibranchiaten, wie es eine gewisse Regelmäßigkeit und Gesetz- mäßigkeit in der Vertheilung der Färbung bei den Repräsentanten dieser Gruppe beweist. Die Pigmentvertheilung von Mytilus kann man als typisch für eine ganze Reihe anderer Repräsentanten der Lamellibranchiaten ansehen: am stärksten pigmentirt ist der hintere Theil des Mantelrandes und die hintere Hälfte der Kiemen in Ver- bindung mit dem größeren Zutritte von frischem Wasser zum hinteren Theile des Körpers. Ich konnte mich darüber an einer ganzen Reihe von Formen aus der Bucht von Neapel überzeugen. "Pinna lebt mit dem vorderen Theile im Sande vergraben; der hintere Theil steckt offen vertikal nach oben gerichtet. Das hintere Ende des Mantelrandes ist braun und schwarz pigmentirt; das vordere Ende ist hell. Besonders auffallend ist der Unterschied in den Kiemen: die hintere Hälfte der Kiemen ist intensiv pigmentirt, oft ganz schwarz; die vordere Hälfte ist bleich, hellbraun. Im Allgemeinen ist, wie bei den Austern, der Unterschied in der Pigmentirung zwischen den verschiedenen Individuen ziemlich groß; die Kiemen können am hinteren Ende alle Übergänge von fast farblosen bis fast schwarzen aufweisen. Über die Pigmentirung der Auster (Ostrea) haben wir oben ge- sprochen; trotz großen Schwankungen in der Quantität des Pigmentes, sind dennoch immer der hintere Theil der Kiemen und die hinteren Enden der Mantelränder am stärksten pigmentirt. Die Auster lebt unbeweglich, mit der linken Schale am Grunde befestigt; wenn die rechte Schale geöffnet ist, schieben sich die Mantelränder etwas hervor. Wenn die Pigmentirung des Mantelrandes von seiner Be- leuchtung abhinge (wie es RYDER-SCHIEDT glaubten), so wäre es un- erklärlieh, warum bei der Auster die hinteren Enden der Mantel- Yänder stärker pigmentirt sind, da die Mantelränder bei horizontaler Lage des Thieres, wenn die Schale geöffnet ist, gleichmäßig auf ihrer ganzen Ausdehnung beleuchtet werden. Doch ein solcher Cha- rakter der Pigmentirung ist ganz verständlich, wenn man in Betracht zieht, dass auch bei der Auster, obgleich beide Enden des Körpers — das vordere und hintere — gleichmäßig dem Zuflusse des Wassers zugänglich sind, der Wasserstrom, hervorgerufen durch die Arbeit -* Bet Über die Ablagerung des Pigmentes bei Mytilus. 137 des Flimmerepithels, vom hinteren Ende zum vorderen geht, und das Blut, welches in das Blutgefäß des Mantelrandes eintritt, unterm Überfluss des Sauerstoffes am hinteren Ende des Mantelrandes von seinen Pigmenterzeugern befreit wird. Auf die Pigmentirung des Mantels von Avicula tarentina richtete meine Aufmerksamkeit eine Zeichnung von PoL1, in seinen »Testacea utriusque Sieiliae«, wo der Mantelrand dieses Thieres an seiner ganzen Oberfläche gleichmäßig gefärbt erschien. Doch diese Abbildung erwies sich als falsch; bei zwei von mir untersuchten Exemplaren war der Mantelrand nur an der hinteren Hälfte fleckig pigmentirt; das vordere Ende war nicht pigmentirt. In den Kiemen schien kein Pigment zu sein; nur der freie Kiemenrand — d. h. der Rand, wo ein ununterbrochener Wasserstrom vom hinteren Ende zum. vorderen fließt — war in der hinteren Hälfte pigmentirt. Der Charakter der Pigmentablagerung bei Ostrea, Pinna und Avieula bietet viel Ähnlichkeit dar, bei allen drei Formen ist das Pigment in kleinen Quantitäten braun, in größeren schwarz. Seine Anhäufung in der hinteren Hälfte der Kiemen und dem hinteren Mantelrande ist sehr ungleich, und die Farbe dieser Theile schwankt zwischen leicht bräunlich bis kohlenschwarz. Manches Mal erscheint die Pigmentablagerung am Mantelrande fleckenartig. Eine eigenartige Abweichung von dem erwähnten Charakter der - Pigmentablagerung bietet der Mantel von Peeten jacobaeus (und wahr- scheinlich auch anderer Peeten-Arten). Hier ist der Mantelrand nach innen gebogen und bildet eine Art Vorhang, welcher nach innen senkrecht zur Schalenwand gerichtet ist und den Eingang verschließt, wenn die Schale geöffnet ist. Dieser Vorhang ist an seiner ganzen Oberfläche gleichmäßig pigmentirt, in der Mitte etwas stärker als an beiden Enden, und an der Innenseite stärker als an der Außen- seite; im Widerspruch mit dem, was über die oben erwähnten Formen gesagt worden war, ist kein Unterschied in der Pigmentirung des „vorderen und hinteren Endes zu bemerken. Die Kiemen sind gleich- ' mäßig an ihrer ganzen Oberfläche pigmentirt, vielleicht nur etwas dunkler am hinteren Ende. So findet man bei Pecten jene typische dunklere Färbung am hinteren Ende des Mantelrandes nicht. Doch eine solche Abweichung von der allgemeinen Regel der Pigmentirung kann durch die Lebensweise und die Gewohnheiten von Pecten erklärt werden. Pecten gehört zu den wenigen Lamellibranchiaten, welche einer schnellen und leichten Ortsveränderung fähig sind, was er auch benutzt und ein sehr bewegliches Leben führt. Wie bekannt 138 Vietor Faussek. kann Peecten, mit den Schalenhälften klappend, schwimmen oder im Wasser flattern; im neapolitanischen Aquarium kann man sehen, dass die Peeten in ihrem Bassin, wenigstens zu gewissen Stunden, in beständiger Bewegung sind. Bald reißt sich der eine, bald der andere Pecten von der Stelle los, wo er lag, klappt schnell seine Schale auf und zu, hebt sich, beschreibt im Wasser eine unregel- mäßige Kurve oder sogar eine gebrochene Linie, und sinkt wieder zu Boden; kaum dass der eine geendet, fliegt schon der andere: ein sehr hübsches Schauspiel. Bei einem solchen Fluge, wenn das Thier seine Schale klappt, wird der Mantelrand stark und gleichmäßig von Wasser bespült. Hier wird folglich die Wirkung des langsamen Wasserstromes längs dem Mantelrande vom hinteren zum vorderen Ende, von der wir oben sprachen, ausgeschlossen, — des Stromes, welcher ausschließlich durch die Bewegung des Wimperepithels hervor- gerufen wird und welcher die schlechtere Sauerstoffzufuhr im vor- deren Theile erzeugt. Bei Pecten wird der Mantelrand auf seiner sanzen Ausdehnung, wenn auch nicht beständig, so doch mit kurzen Unterbrechungen, stark vom Wasser bespült; danach ist er gleich- förmig an seiner ganzen Oberfläche pigmentirt; dieser Fall ist dem analog, was wir von der Pigmentirung des Fußes bei Mytilus sahen, wo jener Theil desselben pigmentirt ist, der sich aus der Muschel hervorstrecken kann und Bewegungen im Wasser vollführt. Lima ist, gleich Pecten, eine sehr bewegliche Form und weicht in der Pigmentirung des Mantels gleichfalls von dem Typus der hauptsächlichen Pigmentirung der hinteren Körperhälfte ab. Aber in der Pigmentirung der Kiemen ist dieser Typus scharf ausgeprägt. Bei Lima inflata sind die Kiemen farblos, unpigmentirt (wenigstens dem Aussehen nach), aber längs dem freien Kiemenrande, dort wo ein Wasserstrom vom hinteren Ende zum vorderen strömt, zieht sich ein scharf pigmentirter Streifen von rothbrauner Färbung; er zieht sich nur an der hinteren Kiemenhälfte hin, wird allmählich heller und verschwindet in der vorderen Hälfte. Bei Lima hians sind die Kiemen von röthlich-oranger Färbung und wiederum ist die hin- tere Hälfte der Kiemen intensiver gefärbt, als die vordere und längs dem Rande zieht sich ein röthlicher Streifen, welcher nach vorn zu verschwindet. Dieser pigmentirte Streifen längs dem freien Rande der Kiemen ist für viele Lamellibranchiaten charakteristisch. Wie bekannt zieht in den Kiemen der Lamellibranchiaten, in den Fällen, wenn ihre Kiemenblätter nicht frei bleiben, wie bei Mytilus, sondern zu einer Über die Ablagerung des Pigmentes bei Mytilus. 139 Platte zusammenwachsen, längs dem freien Rande der Kiemen ein Längsgefäß; zu gleicher Zeit bildet dieser Rand eine Rinne, in welcher der Wasserstrom vom hinteren Ende zum vorderen fließt. So erhalten wir Bedingungen analog denjenigen, welche wir im hin- teren Ende des Mantelrandes beobachten — es vollzieht sich gleichfalls eine energische Pigmentablagerung in Form eines Randstreifens. Bei unseren Süßwassernajaden ist die Pigmentirung des Mantels der allgemeinen Regel untergeordnet: am hinteren Ende des Mantels, da, wo seine Ränder sich vereinigen, um zwei Öffnungen oder Spalten zu bilden, welche zum Ein- und Austritt des Wassers dienen, sind die Ränder dieser Spalten von der Innenseite dank einer intensiven Pigmentablagerung schwarz gefärbt; überhaupt ist der Mantelrand in seiner hinteren Hälfte stark pigmentirt. (Doch weicht die Färbung der Najadenkiemen von der oben gegebenen Regel ab; der freie Kiemenrand ist nicht pigmentirt, und die hintere Hälfte der Kiemen ist nicht intensiver, als die vordere gefärbt.) Was die Siphoniaten betrifft, welche keinen freien Mantelrand haben, und bei welchen der Mantel mit seinen Rändern zusammen- gewachsen und nach hinten in lange Röhren oder Siphonen aus- gezogen ist, so kann man auch hier dieselbe Gesetzmäßigkeit er- kennen. Die den äußeren Einwirkungen am meisten zugänglichen Körpertheile sind hier die Enden der Siphone — und sie sind ge- wöhnlich am stärksten pigmentirt (Venus, Solen, Tapes). Bei Pho- las, welcher sein ganzes Leben in in Stein gegrabenen Gängen ver- bringt, ist der Körper ganz farblos, durchscheinend, die Enden der Siphonen aber sind intensiv pigmentirt, schwarz. Charakteristisch ist gleichfalls bei einigen Siphoniaten (Venus verrucosa, Tapes decus- sata) das Vorhandensein eines schmalen Pigmentstreifens, welcher in der hinteren Hälfte stärker ausgeprägt ist und sich auf dem Mantel jederseits parallel dem Schalenrande hinzieht. Dieser Streifen zieht parallel dem jetzt nicht mehr existirenden Mantelrande, welcher mit dem gegenüberliegenden Rande verwachsen ist, und ist jener Pig- mentablagerung homolog, welche sich am hinteren Ende des freien Mantelrandes bei den Asiphoniaten bildet. Aller Wahrscheinlichkeit nach begleitet auch hier dieser Pigmentstreifen das Mantelgefäb. 6. Die von mir vorgelegte Erklärung erleuchtet zur Genüge auch jene nicht häufigen Fälle von Pigmentablagerungen auf ungewöhn- lichen Stellen, wie ich sie im Beginne meiner Experimente an Ostrea 140 Vietor Faussek, und Mytilus beobachten konnte, und welche sowohl im Finstern, als am Lichte vor sich gingen. Bei Ostrea traten in den Fällen, wenn die rechte Mantelfalte umklappte und sich über das rechte Schalen- fragment ausstreckte, an der inneren Mantelfläche (welche jetzt nach außen gekehrt war) höher als der Mantelrand, d. h. proximal, manch- mal Streifen von schwarzem Pigmente auf; ihre Bildung kann wahr- scheinlich durch den verstärkten Zutritt frischen Wassers und Sauer- stoffs zu diesem Theile des Mantels, welcher gewöhnlich tief in der Schale liegt, erklärt werden. Bei Mytilus beobachtete ich, nachdem der Mantelrand abgerissen war, bei der Heilung des übriggebliebenen Randes ein Gelbwerden und eine leichte Pigmentirung. Weahrschein- lich wurde der Blutkreislauf längs dem geheilten Mantel mehr oder weniger wieder hergestellt und der freie Zutritt von frischem Wasser rief eine Bildung und Ablagerung von Pigment hervor. So zwingen mich sowohl die Resultate meiner Experimente, als auch Beobachtungen über die normale Pigmentirung verschiedener Formen in der Natur, anzunehmen, dass bei den Lamellibranchia- ten die Pigmentirung verschiedener Körpertheile durch den Grad des Zutrittes von frischem (sauerstoffhaltigem) Wasser in Verbindung mit der Vertheilung der Blutgefäße regulirt wird. Wie weit dieser Schluss auch über die Grenzen der Klasse der Lamellibranchiaten Gültigkeit haben kann, können nur neue Untersuchungen lehren. Bei der nächststehenden Thier- gruppe, den Gasteropoden, spielt dieser Faktor wahrscheinlich auch eine Rolle. Wenigstens bleibt bei einigen neapolitanischen Gastero- poden (Arten der Gattungen Haliotis, Natica, Doris) die Fußsohle, mit welcher das Thier beständig am Substrat befestigt ist, ganz farb- los, während die obere Fläche des Fußes, welche beständig von Wasser bespült wird, intensiv pigmentirt ist. Wie die chemische Zusammensetzung der thierischen Pigmente in. verschiedenen Fällen verschieden ist, so müssen auch die Be- dingungen ihrer Bildung von verschiedenen Faktoren abhängig sein; in jedem einzelnen Falle muss der eine oder andere Faktor oder ihre Summe eine Rolle spielen. Der Zutritt von Sauerstoff kann einer dieser Faktoren sein!. Bei den Lamellibranchiata scheint er i Dass dieser Faktor auch bei den Mollusken durchaus keine beständige, absolute Bedeutung hat, kann man z. B. aus solchen Fakten ersehen, dass, während bei Mytilus und anderen Lamellibranchiaten die Kiemen reich an Pigmentablagerungen sind, die Kiemen der Cephalopoden (Sepia, Loligo) ganz bleich, unpigmentirt sind. Über die Ablagerung des Pigmentes bei Mytilus. 141 die Hauptrolle bei der Bildung der Färbung des Thieres zu spielen. Es ist auch sehr wahrscheinlich, dass eine solche Rolle’ des Sauer- stoffs im Ablagerungsprocesse des Pigmentes nicht auf die Lamell- branchiata allein beschränkt bleibt. In dieser Richtung besitzen wir schon einige Beobachtungen. LoEg (2,4) beobachtete in dem Dottersacke eines Knochenfisches (Fun- dulus) die Entwicklung von Pigmentzellen, welche ursprünglich regellos zer- streut waren, sich nachher aber um die feinsten Gefäße legten, eine Hülle um dieselben bildend. Diese Anhäufung der Pigmentzellen um die Gefäße erklärt LoEB durch die Annahme der Sauerstoffwirkung (im Dunkeln bildeten sich viel weniger Pigmentzellen, aber sie !agerten sich dennoch um die Blutgefäße — das Licht wirkte auf die Bildung, nicht aber auf die Vertheilung des Pig- mentes). Bei den Schlangen bilden sich, nach den Beobachtungen ZENNER’s an Tropidonotus natrix, pigmentirte Streifen und Flecken beim Embryo längs dem Laufe der embryonalen Blutgefäße. Dort, wo auf früheren Entwicklungsstadien die rothen feinen Gefäße durchschimmerten, dort erscheinen später die ihnen der Lage nach entsprechenden pigmentirten Streifen und Flecken. Vielleicht nimmt auch hier der atmosphärische Sauerstoff Theil in der Pigmentablage- rung dem Laufe der Blutgefäße entlang. Siehe gleichfalls die Angaben BIEDER- MANN’s über Pigmentzellen, welche die Blutgefäße bei den Amphibien begleiten, und über den Einfluss des Sauerstoffs auf das Breiterwerden der Chromato- phoren. (BIEDERMANN, Über den Farbenwechsel der Frösche. Arch. f. die ge- sammte Physiologie. Bd. LI. 1892.) St. Petersburg, November 1897. Litteratur, DurHAm, On wandering cells in Echinoderms. Quart. Journ. Microse. Science. Vol. XXXIII. 1891. FAusseX, Biologische Studien. II. Die Reizbarkeit der niederen Organismen in ihrem Verhältnis zu den Sinnesorganen der Thiere. Russkoje Bogatstwo 1894. (Russisch.) HANMER, Über den Einfluss des Lichtes auf die Haut. Stuttgart 1895. Lozg, 1) Über Heliotropismus der Thiere und seine Übereinstimmung mit dem Heliotropismus der Pflanzen. Würzburg 1890. 2) Untersuchungen über die physiologischen Wirkungen des Sauerstofi- mangels. Archiv für die gesammte Physiologie. PrLüger. Bd. LXII. 1895. 3) Untersuchungen zur physiologischen Morphologie der Thiere. I. Über Heteromorphose. Würzburg 1891. 142 Vietor Faussek, Über die Ablagerung des Pigmentes bei Mytilus. LoEg, 4) A contribution to the physiology of coloration. Journ. of Morph. 1893. RAwıtz, Der Mantelrand der Acephalen. II. Theil. Jenaische Zeitschr. für Naturw. Bd. XXIV. 1890. RyDer, Diffuse pigmentation of the epidermis of the oyster due to prolonged exposure to the light. Proceedings of the Academy of natural sciences of Philadelphia 1892. p. 350. SABATIER, Anatomie de la moule commune. Annales des Sciences Nat. Zoolog. Ser. VARSEI VE 1817. VoGT u. Yung, Lehrbuch der praktisch.-vergleichenden Anatomie. Bd. I. 1888. ZENNEK, Die Anlage der Zeichnung und deren physiologische Ursachen bei Ringelnatterembryonen. Diese Zeitschr. Bd. LVIII. 1894. Der Darmkanal der Onisciden und Aselliden. Von Walther Schönichen. Mit Tafel VI und 2 Figuren im Text. Die vorliegende Untersuchung ist das Resultat von Studien, die ich während des Wintersemesters 1897/1898 im zoologischen Institute der Universität Halle angestellt habe. Der aufrichtige Dank für das Interesse, welches mein hochverehrter Lehrer, Herr Professor Dr. GRENACHER, meiner Arbeit entgegengebracht hat, mag an der Spitze dieser Abhandlung seinen Platz finden. Zu ganz besonderem Danke bin ich aber dem Assistenten des zoologischen Institutes, Herrn Privatdocent Dr. BRAnDES, verpflichtet. Ganz abgesehen davon, dass er mir bei dieser Arbeit ein nie er- müdender, stets aufs lebhafteste interessirter Berather war, hat er mich während meiner ganzen Studienzeit mit größter Liebenswürdig- keit an seinen mannigfachen Untersuchungen Theil nehmen lassen, und mir so eine Fülle von Anregung geboten. Das Material, so weit es die heimischen Species Onzescus murarius, Porcellio scaber, Armadillidium vulgare und Asellus aquatı- cus betrifft, stammt aus den Kellern des hiesigen Institutes und aus Tümpeln der Halleschen Umgegend. Die Landasseln hielten sich in nichtglasirten, thönernen Gefäßen sehr gut, falls immer für genügende - Feuchtigkeit gesorgt war. Die Wasserasseln ließen sich in einem größeren Glasbassin ebenfalls bequem überwintern. Eine Anzahl mariner Isopoden, die Dr. BrRAnpes während seines letzten Aufent- haltes in Neapel gesammelt und für histologische Zwecke konservirt hat, verdanke ich der Güte dieses Herrn. Die Konservirung geschah theils mit Sublimat, theils mit der Bovzrr’schen Pikrin-Essigsäure. Obwohl die erstere Methode eine mannigfaltise Tinktion der Präparate mit Anilinfarben gestattet, 144 Walther Schönichen, von denen ich Doppelfärbungen mit Methylgrün und Bismarckbraun, Eosin oder Säure-Fuchsin sehr empfehlen kann, so ist doch die Pikrin-Essigsäure von mir bevorzugt worden, da sie die histologi- schen Elemente klarer und schärfer erkennen lässt. Bei Färbung mit Hämalaun und Boraxkarmin zeigten die Pikrinessigsäure-Präparate sehr gute Bilder. Die sonstige Mikrotechnik war die gewöhnliche. Nur wurde als Einschlussmittel nicht, wie sonst üblich, Kanadabalsam, sondern Ricinusöl benutzt, das wegen seines kleineren Brechungsko£fficien- ten feinere histologische Details besser zur Anschauung gelangen lässt. Der Verdauungstractus der heimischen Asseln ist schon oft und unter den verschiedensten Gesichtspunkten untersucht worden. Schon BRAND und RATZEBURG! wussten, dass im Darme der Onisciden auf einen dünnen Ösophagus ein rundlicher Magen folgt, an den sich ein »reihig gekörnter« Darm, der eine Dorsalrinne trägt, anschließt. FREY und LEUCKART? haben zu diesen drei Theilen noch das Rectum entdeckt, während LEREBOULLET? noch einen fünften Abschnitt, den Sphinkter, unterschieden hat. Einer genauen Kenntnis der topographischen Verhältnisse des Asseldarmes hat vor Allem die Chitinbewaffnung des Kaumagens große Schwierigkeiten in den Weg gelegt. LEREBOULLET? hat diese Armatur - zuerst genauer beschrieben und zwar bei den Landasseln, während Sars! das Gleiche bei Asellus geleistet hat. Allein die Unter- suchungen dieser Forscher waren, da sie ohne die moderne Mikrotom- technik ausgeführt waren, noch unzulänglich, ein Mangel, den Ipe® in einer eben so fleißigen, wie exakten Arbeit beseitigt hat. Schließ- lich hat noch RosenstAapr® über den Kaumagen von Asellus einige Angaben gemacht. Was die Histologie des Asseldarmes betrifft, so haben FrEy und LEUCKART? zuerst die Zusammensetzung dieses Organs aus vier ! BRAnD und RATZEBURG, Medicinische Zoologie. Bd. II. 1811. ® Frey und LEUCKART, Lehrbuch der Anatomie der wirbellosen Thiere. 1847. 3 LEREBOULLET, Me&moire sur les Crustac&s de la famille des Cloportides. Mem. Soc. Mus. Hist. nat. Strassbourg. T. IV. 1853. 4 G. OÖ. Sars, Histoire naturelle des Crustac&s d’eau douce de Norv£ge. Christiania 1867. a 5 M. Ipe, Le tube digestif des Edriophthalmes. La Cellule. T. VIII. 1892. 6 ROSENSTADT, Beiträge zur Kenntnis der Organisation von Asellus aquati- cus. Biolog. Centralbl. Bd. VIII. 1888. 7.1:°e. Der Darmkanal der ÖOniseiden und Aselliden. 145 Geweben: Tunica intima, Epithel, Tunica propria und Museularis erkannt. Auch haben sie bereits gewusst, dass die letztere Gewebs- schicht aus rechtwinklig sich kreuzenden Ring- und Längsfasern be- steht. In das feinere Detail aller dieser Gewebslagen sind erst spätere Forscher, in erster Linie LEREBOULLET und IE, eingedrungen. Vor Allem hat die Epithellage das Interesse der Wissenschaft in hohem Maße gefesselt. Leypıe!.ist der Erste gewesen, der auf die Epithelzellen des Mitteldarmes aufmerksam gemacht hat. Er beschreibt sie als große Blasen mit riesigen Kernen, die an ihrer Membran eine dieke, granuläre und radiärstreifige Zone besitzen. Auch fand er bisweilen mehrere Kerne in einer Zelle. Später entdeckte Hver? in der Epithelschicht Fibrillenreihen und sprach schon 1883 die Ansicht aus, dass in diesen Gebilden die einzigen Grenzelemente der Epithel- zellen zu sehen seien, dass diese also mit einander in Verbindung stünden. HuEr war ferner auch der Erste, der amöboide Verästelungen der Kerne im Mitteldarme der Asseln beobachtete. Später hat van BAMBERE? diese Verhältnisse genauer studirt und kam zu dem Schlusse, dass es sich hier nur um Kunstprodukte handele. Allein seine Untersuchungen blieben unbeachtet. Und so ist es erklärlich, dass ZIEGLER und voM RATH* und vor diesen schon OARNOY> in den Kernverästelungen amitotische Kerntheilungsfiguren sehen konnten, während Lee die fraglichen Gebilde für dauernde Kernspindeln hielt. Schließlich haben Ryver und PEnNnIınGTton’ beobachtet, dass derartig verästelte Kerne mit einander verschmelzen, und diesen Vorgang als nicht geschlechtliche Kernkonjugation gedeutet. Diese letztere Arbeit hat sogleich von mehreren Seiten den 1 LEYDIG, Zum feineren Bau der Arthropoden.. Archiv f. Anat., Physiol. Jahrg. 1855. — Lehrbuch der Histologie des Menschen und der Thiere. 1857. — Untersuchungen zur Anatomie und Histologie der Thiere. Bonn 1883. 2 L. HuET, Nouvelles recherches sur les Crustac&s Isopodes. Journ. de P’Anat. et de la Phys. T. XIX. 1883. 3 C. H. van BAMBERE, Des deformations artificielles du noyau. Archiv de Biolog. T. VII. 1887. * H.E. ZIEGLER und ©. vom RATH, Die amitotische Kerntheilung bei den Arthropoden. Biol. Centralbl. Bd. XI. 1891. 5 J. B. Carnov, La eytodierese chez les Arthropodes. La Cellule. T. 1. 1885. 6 A. B. Lex, La regression du fuseau cearyocinetique. La Cellule. T. XI. 1895. 7 J. A. Ryver and M. E. Pennington, Non sexual conjugation of the adjacent cells of an epithelium. Zool. Anz. Bd. IX. 1894. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXV. Bd. 10 146 Walther Schönichen. lebhaftesten Widerspruch erfahren. Zuerst hat SCHIMKEWITSCH! von Neuem gefunden, dass es sich hier um pathologische Erscheinungen, die durch unvorsichtige Behandlung der Därme erzeugt werden, han- delt. Außerdem weisen ConkLin? und MAcMurric#? die sonderbaren Ansichten über die Kernverschmelzungen energisch zurück. Die beiden letzteren Forscher gehen auch des Näheren auf den Bau des Mitteldarmepithels ein. Die Resultate, zu denen CONKLIN kommt, sind sehr wunderlicher Art. Ich werde gelegentlich meiner Darstellung darauf einzugehen haben. MAcMurrich’s Untersuchungen sind viel gründlicher; er erkennt zum zweiten Male die syneytiale Natur des Mitteldarmepithels. Im Übrigen läuft ihm eine Reihe von wesentlichen Irrthümern unter; auch erschöpft seine Mittheilung den Gegenstand nicht völlig. | Gleichzeitig mit der Publikation MAcMURrRICH’s erschien eine vorläufige Mittheilung über den gleichen Gegenstand von mir#, in der ich in Bezug auf die Beschaffenheit des Darmepithels zu gleichen Resultaten, wie jener amerikanische Forscher, gelangt bin. In vielen anderen Punkten aber muss ich durchaus abweichende Anschauungen vertreten. Die ausführliche Veröffentlichung meiner Untersuchungen, die ein Gesammtbild des Asseldarmes in topographischer wie histo- logischer Hinsicht bieten soll, dürfte nach dem Vorhergesagten nicht unberechtigt erscheinen. Der Darmkanal der Asseln zerfällt in vier Abschnitte: Öso- phagus, Kaumagen, Mitteldarm und Reetum, eine Eintheilung, die bereits FReY und LEUCKART richtig erkannt hatten. Der von LERE- BOULLET angenommene fünfte Abschnitt, der am Ende des Mittel- darmes gelegene Sphinkter, ist nichts als eine stärkere Ausbildung der Ringmuskulatur des Darmes und daher nicht als eine besondere Abtheilung aufzufassen. Der Ösophagus ist ein kurzes, unregelmäßig eylindrisches Rohr, das von der Mund- öffnung schräg nach oben aufsteigt, um sich unter einem Winkel von 1 SCHIMKEWITSCH, Zur Frage über die Incestzucht. Biol. Centralbl. Bd. X VI. 1896. 2 E. G. CoxkLin, The relation of nuclei and eytoplasm in the intestinal cells of Land-Isopods. Amer. Natural. 1896. 3 MACMURRICH, The epithelium of the so called midgut of the terrestrial Isopods. Journ. of Morphol. Vol. XIV. 1897. 4 W. ScHÖNICHEN, Über den Bau des Asseldarmes. Zeitschr. f. Naturw. Bd. LXX. 1897. Der Darmkanal der Oniseiden und Aselliden. 147 otwa 120 Grad an den Kaumagen anzusetzen (Fig. 1 oe). Sein Quer- schnitt (Fig. 2) zeigt, wie schon LEREBOULLET und später HuET gesehen haben, vier tiefe, schmale Längsrinnen, von denen zwei dorsal und zwei ventral verlaufen. Begrenzt ist das Lumen des Ösophagus von einer dünnen, chi- tinigen Intima, welche eine völlig homogene und strukturlose Haut darstellt (Fig. 2), Auf diese Membran folgt, deutlich von ihr ab- gegrenzt, eine im Ösophagus (Fig. 2 %) dünne, im Kaumagen hin- sesen (Fig. 5—7 Ah) mächtig entwickelte Zone, die den Anblick einer sallertigen Masse gewährt. In ihr finden sich häufig zarte Fäden und große Vacuolen. Ich möchte dieser Gewebslage eine bedeutende Rolle bei der Häutung zuschreiben und sie mit der Schleimschicht homologisiren, die nach den Untersuchungen von RENGEL! bei In- sekten die Häutung des Darmes bewirkt. Gestüzt wird diese An- sicht durch die Thatsache, dass das darunterliegende Epithel schon wieder eine feine Cuticula abgeschieden hat. Die Epithelschicht selbst zeigt auf Schnitten zunächst eine große Anzahl kleiner Kerne von runder oder ovaler Gestalt, welche nur wenige — etwa vier bis fünf — Nucleinkörner aufweisen. Meistens sind diese Kerne in zwei Reihen angeordnet. Durch die Epithellage ziehen nach allen Richtungen sich kreuzend zahlreiche Fasern; nach dem Darmlumen zu ist sie durch eine deutlich hervortretende Linie, welche die Anlage der neuen Cutieula repräsentirt, begrenzt. Die beschriebenen Fibrillenzüge sind bisher stets für die Durch- schnitte von Zellmembranen gehalten worden, so dass man also das Ösophagus-Epithel sich aus zahllosen, sehr dünnen Cylinderzellen zusammengesetzt dachte. Ich kann diese Behauptung nicht stürzen, möchte aber doch auf die Möglichkeit hinweisen, dass das vorliegende Epithel ein Syneytium sei, das von zahlreichen Stützfasern durch- guert ist. Für diese Annahme könnte zunächst die große Ähnlich- keit, die zwischen dem — nach BALBIANI? ein Syneytium repräsen- tirenden — Darmepithel der Myriapoden und dem vorliegenden Ob- jJekte besteht, sprechen, sodann aber auch die Thatsache, dass das Mitteldarmepithel der Asseln selbst einen syneytialen Charakter 1 C. RENGEL, Über die periodische Abstoßung und Neubildung des ge- sammten Mitteldarmepithels bei Hydrophilus, Hydrousu. Hydrobius. Diese Zeitschr. Bd. LXIII. 1898. 2 BALBIANI, Etudes anatomiques et histologiques sur le tube digestif des Cryptops. Arch. Zool. Exper. T. VIII. 1880. 10* 148 - Walther Schönichen, besitzt. Allein die große Anzahl der überaus kleinen Einzelelemente macht eine sichere Entscheidung in diesem Falle unmöglich. Die Basis für die Epithelschicht ist die Tunica propria (Fig. 2 p). Diese ist wie die Intima eine strukturlose Membran, die kontinuir- lich die Außenwandung des Ösophagus umkleidet. Ihre Dicke ist wechselnd, ohne sich aber je zu einer beträchtlichen Stärke zu erheben. Entsprechend seiner Aufgabe, die Nahrungsstoffe in den Kau- magen gelangen zu lassen, ist der Ösophagus reichlich mit Muskulatur versehen, deren Elemente sämmtlich quergestreift sind. Sie besteht zunächst aus einer Ringmuskelschicht (Fig. 2 rm) und einer darüber- liegenden Längsmuskellage (Fig. 2 im). Außerdem aber treten noch — besonders an die Lateralwände — Muskelbündel an den Ösophagus heran (Fig. 2 m). Diese letzteren, welche von der Chitinpanzerung des Körpers entspringen, zeigen die höchst merkwürdige Erscheinung, dass sie unter Auflösung in die Primitivfibrillen die Epithelschicht des Ösophagus durchsetzen, um an dessen Intima sich zu inseriren. Dabei lassen sie bis zu ihrer Anheftungsstelle eine deutliche Quer- streifung erkennen. Diese schon von IpEe erwähnte merkwürdige Thatsache steht keineswegs isolirt. FRENZEL! hat von den Muskeln des Decapoden- Darmes die gleiche Erscheinung behauptet. Und erst neuerdings hat am Ösophagus der Nauplien der Lepaden Cuun? Muskeln abgebildet, die in das Epithel eintreten. Im Texte allerdings findet diese selt- same Erscheinung keine Erwähnung. Angeführt sei auch, dass nach FaAusseX®? das Darmepithel der Emerobia von Tracheenästchen durch- Setzt wird. Die Dorsalwand des Ösophagus geht eben so wie die Lateral- wände direkt in den nächstfolgenden Abschnitt des Darmkanals, d. h. in den Kaumagen über. Auf der Ventralseite dagegen finden sich einige Gebilde, die eine Art von Verschluss vorstellen und bei den Onisciden und Aselliden Verschiedenheiten aufweisen, während die bisher erörterten Verhältnisse beiden Familien in gleicher Weise zukommen. Bei der Wasserassel besteht dieser ventrale Verschluss-Apparat i FRENZEL, Über den Darmkanal der Crustaceen. Archiv f. mikr. Anat. Bd. XXV. 1885. 2 Cnuun, Die Nauplien der Lepaden. Bibliotheca Zoolog. Heft 19. Lief. 2. 1897. 3 FAusser, Beiträge zur Histologie des Darmkanales der Insekten. Diese Zeitschr. Bd. XLV. 1887. Der Darmkanal der Oniseiden und Aselliden. 149 (Textfig. 1 va, Fig. 3 va), den nur SArs erwähnt, aus zwei sich beider- seits von der Medianlinie erhebenden Wülsten, deren vordere, halb- kugelartig hervortretende Enden einen reichen Besatz von langen, feinen Borsten tragen, die offenbar einen Reusenapparat repräsentiren. Nach hinten zu vereinigen sich beide Wülste, so dass das ganze Gebilde die Gestalt eines V besitzt. Die aus dieser Vereinigung re- sultirende Erhabenheit zeigt auf ihrer Oberseite einen iongitudinalen Grat, der nach hinten zu verstreicht, um sich jedoch von Neuem . wieder zu erheben (Textfig. 1 B g). Seiner ganzen Länge nach ist er mit einer Garnitur kleiner Borsten ausgestattet. Bei den Landasseln ist der beschriebene Apparat etwas modi- fieirt. Auch hier findet sich zwar das V-förmige Gebilde (Fig. 1 va), doch erhebt sich zwischen dessen Schenkeln noch ein zweites Paar von Wülsten, die nach hinten zu mit dem ersten Paare zusammen eine anfangs ziemlich flache Platte bilden (Fig. 5 p/). Auf der letzteren erhebt sich aber bald, in ähnlicher Weise wie bei Asellus, ein Grat, der anfangs mit einer sehr scharfen (Fig. 6 g), später dagegen ab- serundeten Kante nach der Dorsalseite schaut. An der Stelle seiner höchsten Erhebung zeigt er einen spärlichen Besatz äußerst kleiner Börstehen. Nach hinten zu verstreicht sowohl der Grat als auch die ihn tragende Platte. Der Kaumagen liegt vollständig im Kopfsegmente und stellt ein unregelmäßig ellipsoi- des Gebilde dar. An seinem hinteren Ende ist er schräg abgeschnit- ten in der Art, dass die Länge der Ventralwand die der Dorsalseite um das Doppelte übertrifft. Außerdem ist der Magen dorsoventral zusammengedrückt, d. h. seine Länge ist beträchtlich größer als seine Höhe. Bemerkenswerth sind noch zwei starke Ausbuchtungen, die sich am oralen Ende der Dorsalwand in lateraler Anordnung befin- den, und ferner eine auf der Ventralseite gelegene, halbkugelige Vorwölbung. Viel mannigfaltiger als die äußere Gliederung des Kaumagens ist das in seinem Inneren befindliche Relief. Bei den Land- und Wasserasseln ist dieses aus den gleichen Stücken gebildet, doch sind im Einzelnen zahlreiche Abweichungen vorhanden, die eine getrennte Beschreibung nothwendig machen. Bei Asellus erhebt sich über der Medianlinie der Ventralseite ein mächtiger Longitudinalwulst (Textfig. und Fig. 3 «m). Dieser stellt Anfangs eine dünne Lamelle dar, die oben eine scharfe Kante 150 N A u; m‘ = 2 C D g. 10. Kaumagen des Asellus in toto. schnitte im Niveau der punktirten Linien in Textfig. 1b. va, Verschlussapparat des Osophagus; g, Grat auf diesem; im, Infero-Medianum; z/, Infero-Lateralia; /, Lateralia; sm, Supero-Medianum; sl, Leberöffnung; ri, Ringlamellen, A—G sind Quer- Walther Sehönichen, trägt (Textfig. 1 D im). Allmählich aber nimmt er an Höhe und Breite zu, seine dorsale Kante zeigt eine Abrundung und schließlich springt er nach hinten zu kegelförmig frei vor, um die Einmündungstelle der Leberschläuche zu überdecken (Textfig. 1 E—G im). Auf seinem Kamme und an dem frei vor- ragenden Ende trägt dieser Wulst eine reiche Garnitur von Borsten. An seinen Seitenflächen befinden sich zwei langgestreckte Aushöh- lungen (Textfig. £), die von der- ben, mit feinen Rillen versehenen Chitinplatten ausgekleidet sind. Für das beschriebene Gebilde möchte ich die Bezeichnung »/n- ‚fero-Medianum« vorschlagen, eine Benennung, mit der NAuck! das analoge Organ des Brachyuren- Magens belegt hat. Überhaupt werde ich nach Möglichkeit der von NAUCK eingeführten Nomen- clatur folgen, um dadurch zu zeigen, dass die Reliefbildungen des Asselmagens im Magen der Decapoden durch homologe Stücke vertreten sind. Rechts und links von dem Infero-Medianum befinden sich — ebenfalls ventral — zwei Longi- tudinalwülste, die /»fero-Lateralia (Textfig. und Fig. 3 :2). Diese er- heben sich weit vor dem Beginne des Medianwulstes unmittelbar hin- ter dem Ende des Ösophagus und i NAUcK, Das Kaugerüst der Bra- chyuren. Diese Zeitschr. Bd. XXXIV. 1880. Der Darmkanal der Oniseiden und Aselliden. 151 laufen in ihrem Anfangstheile den Schenkeln des Schlundwulstes paral- lel, hinter dessen Scheitel sie sich bis auf eine minimale Entfernung einander nähern. Bis zu dieser Stelle sind sie versehen mit einer Reihe genau parallel gekrümmter, dieker Borsten, die mit ihren freien Enden nach der Medianlinie gekehrt sind. Auf Zupfpräparaten zeigen diese Gebilde bei schwacher Vergrößerung prächtige, tief me- Textfig. 15 (Erklärung Textfig. 1a). tallisch blaue Interferenzfarben. Außerdem befinden sich auf den von der Medianlinie abgewendeten Böschungen der Infero-Lateralia zahlreiche kurze Stiftchen. Gleich hinter ihrer Annäherungsstelle erheben sich die in Rede stehenden Reliefbildungen fast unmittelbar zu einer beträchtlichen Höhe und nehmen gleichzeitig eine divergirende Richtung an, in der sie bis zu ihrem Ende verharren. In diesem Abschnitte sind die dem Infero- Medianum- zugekehrten Böschungen der /nfero-Lateralia so steil, dass die Kämme der letzteren nach der Medianlinie zu über- hängen. Diese überhängenden Kanten sind anfangs ziemlich scharf, nach hinten zu aber zeigen sie eine immer breiter werdende Rundung, die mit feinen Borsten besetzt ist. Außerdem befinden sich unterhalb der vorspringenden Kante gegenüber den Aushöhlungen des Median- 152 Walther Sehönichen, wulstes zwei ebenfalls longitudinal verlaufende und mit Transversal- rillen versehene Furchen. Die der Medianlinie abgekehrten Seiten der Infero-Lateralia steigen in sanfter Böschung zur Ventralwand des Kaumagens hinab. Neben dieser ventralen Chitinarmatur besitzt der Kaumagen auch an seinen Seitenwänden Chitingebilde, die den Namen » Zate- ralia« führen mögen. Diese bestehen bei Asellus aus einem stark vorspringenden Stücke, das sich direkt am Anfange des Kaumagens erhebt und nach allen Seiten hin kugelig abgerundet ist (Textfig. und Fig. 3 2). Oben trägt es zwei Reihen außerordentlich großer, nach hinten schauender Dornen (Fig. 4), von denen sieben auf die erste Reihe, zwölf auf die zweite entfallen. Diese Dornen, welche schon SArs beobachtet hat, sind nichts Anderes als hervorragend stark entwickelte Borsten. Von den letzteren Gebilden trägt die Oberfläche der Zateralia eine reichliche, nach allen Richtungen stachelnde Gar- nitur, unter der sich alle zu den beschriebenen Dornen überleitenden Stadien befinden. Nach hinten entsenden die Zaieralia einen Aus- läufer, der in Gestalt eines schmalen, niedrigen Wulstes allmählich bis zum Boden des Kaumagens hinabsteigt. Während seiner ganzen Erstreckung trägt dieser Fortsatz eine Reihe kräftiger, nach hinten gekehrter Borsten. Auch die Dorsalseite des Kaumagens besitzt ihre besondere Aus- rüstung, das Supero-Medianum (Textfig. und Fig. 3 sm). Dieses Ge- bilde stellt eine Einstülpung des Magenepithels dar, die in Form einer — hinten und an beiden Seiten freien — Zunge in das Lumen des Kaumagens und des beginnenden Mitteldarmes hineinragt. Die beiden lateralen Kanten dieser dünnen Lamelle verlaufen ziemlich serade von vorn nach hinten; die analwärts blickende Kante da- gegen zeigt in ihrem mittleren Theile einen tiefen, halbkreisförmigen Ausschnitt, so dass sich am Hinterende des Swpero-Medianums zwei Zipfel unterscheiden lassen. Jeder dieser Zipfel ist durch einen der Ebene des Supero-Medianums parallelen Spalt in zwei über einander liegende Platten zerlegt, so dass man auf Präparaten, die den Kau- magen in toto zeigen, am Ende der Dorsallamelle vier Zipfel unter- scheiden kann. LEREBOULLET hat das Superomedianum wegen seiner viereckigen Gestalt »/amelle quadrangulairex genannt. Zu er- wähnen bleibt noch, dass die vier Zipfel der Dorsallamelle mit kräf- tigen, nach hinten gekehrten Dornen versehen sind, während die ganze Unterseite mit winzigen, in Gruppen zusammenstehenden Börstchen besetzt ist. Der Darmkanal der Onisciden und Aselliden. 153 Schließlich befinden sich an dem — wie bereits oben erwähnt — schräg abgeschnittenen Ende des Kaumagens zwei unbedeutende Epitheleinstülpungen, die den Abschluss des letzteren gegen den Mitteldarm kennzeichnen. Diese Wülste (Textfig. r2) beginnen beider- seits der — unter dem nach hinten vorspringenden Zapfen des /n- ‚fero-Medianums gelegenen — Leberöffnung, steigen in schräg nach vorn gerichtetem Verlaufe an den Lateralwänden empor und ver- einigen sich dorsalwärts von dem Supero- Medianum ganz in der Nähe seiner Anheftungsstelle.. Sie bilden also zwei — bis auf den ventralen, durch die Leberöffnung gebildeten Spalt — völlig ge- schlossene Ringe, so dass die von IpE ihnen beigelegte Bezeich- nung »/Zamelles annulaires« sehr zutreffend ist. Bemerkt sei noch, dass bei Asellus die ringförmigen Lamellen mit feinen Borsten ver- sehen sind. Wie schon oben hervorgehoben wurde, besteht die Chitinbewaff- nung des Kaumagens bei den Landasseln im Wesentlichen aus den- selben Stücken wie bei Asellus. Die feineren Unterschiede seien nur für die Species Porcellio scaber angegeben. Die Berücksichtigung der übrigen Species Oniscus murarius und Armadilldium vulgare ist um so eher überflüssig, als die Reliefbildungen im Kaumagen der verschiedenen Landasseln bis auf gänzlich irrelevante Minutiositäten übereinstimmen. Das Infero- Medianum ist bei Porcellio eben so gebaut wie bei Asellus, nur fehlt hier die Borstengarnitur. Stärkere Abweichungen zeigen die Infero-Lateralia (Fig. 1 und 7). In ihrem vorderen Theile stoßen sie nämlich mit einander zusammen und überdecken durch diese Verwachsungsstelle die vordere Spitze des Infero-Me- dianums. Sodann hängen ihre Kämme viel stärker nach der Median- linie zu über, als dies bei Asellus der Fall ist, so dass das Infero- Medianum auch in seinem hinteren Theile von ihnen überdacht wird. Ferner springen sie, ähnlich wie der Medianwulst, mit einem freien Fortsatze nach hinten vor; auch entbehren sie des Borstenbesatzes. Dafür besitzen sie auf den der Medianlinie abgekehrten Böschungen je eine mit Rillen versehene Cuticularverdiekung. Die Lateralia sind kräftig entwickelt. Sie entsenden nach hinten zwei Ausläufer, deren unterer etwas kürzer ist als der obere (Fig. I und 5—7 /). Borsten oder Dornen sind nicht vorhanden. Dagegen findet sich an der unteren Seite der kürzeren Fortsätze je eine Cuticularverdiekung, welche mit der des Infero-Medianums korre- spondirt und gleich dieser mit Rillen versehen ist. Fig. 7 zeigt 154 h Walther Schönichen, diese Reibplatten in der Nähe ihrer Endigung, wo sie mit einander verschmelzen. Das Supero-Medianum ist nicht mit Dornen versehen. Auch ent- sendet es nach hinten zu nur zwei Zipfel, und nicht wie bei Asellus vier. Von den rinsförmigen Wülsten ist nur zu erwähnen, dass sie der Beborstung entbehren. Alle die beschriebenen Reliefbildungen sind umkleidet mit einer mehr oder weniger starken Chitinhaut, der Tunica intima, welche mit der des Ösophagus kontinuirlich in Zusammenhang steht. Unter ihr lagert, wie es bereits beim Ösophagus geschildert wurde, eine Schicht, die aus einer hyalinen, gallertartigen Masse besteht (Fig. 5 bis 7 A). Diese hat meist eine ziemlich beträchtliche Dieke und zeigt wie im Ösophagus Einschlüsse von Fäden und Vacuolen. Auch die Epithellage (Fig. 5—7 e) stimmt mit der des Ösophagus vollkommen überein; und es bleibt nur zu erwähnen, dass ihre Mächtigkeit und ihr Kernreichthum in geradem Verhältnisse steht zu der Stärke der sie überlagernden Outicula. Die Basis für das Epithel bildet die feine und strukturlose Tunica propria (Fig. 5—7 p). Die Muskulatur des Kaumagens besteht aus zweierlei Elementen. Erstens giebt es — hauptsächlich am Boden des Magens — Fibrillen, deren beiderlei Ansatzpunkte sich an der Magenwand befinden (Fig. 5 und 6 m,). | Andererseits entspringen zahlreiche Muskelbündel von der Chitin- haut des Körperpanzers, um unter Durchbohrung des Magenepithels an dessen Intima sich anzuheften. Derartige Fibrillen treten vor Allem an die Dorsalwand des Kaumagens heran. Diese Muskel- bündel, die nur mit ihrem einen Ende an die Magenwandung ge- fesselt sind, entspringen aber keineswegs sämmtlich von der -Cutieula des Panzers. Vielmehr lagert unterhalb des Kaumagens ein Gebilde, das reichliche Gelegenheit zur Anheftung von Muskeln darbietet. Bei Asellus besteht dieses aus einer massiven, chitinigen Platte, die durch ein reiches, chitinisirtes Balkenwerk an die Körperwand angeschlossen ist. Bei den Landasseln dagegen hat dieses Gebilde die Form eines zusammengepressten Rohres (Fig. 6 st), das sich nach vorn zu in zwei immer schmäler werdende, röhrenartige Ausläufer zertheilt, die erst neben dem vorderen Abschnitte des Ösophagus endigen. Dieser Stützapparat trägt eine starke, massive Longitudinal- leiste, die den nach den Seitenwänden des Kaumagens verlaufenden Muskelbündeln eine vorzügliche Insertionsstelle gewährt (Fig. 5 u. 60). Bei Ipe findet sich dieser Apparat bereits kurz erwähnt. Der Darmkanal der Oniseiden und Aselliden. 155 Um schließlich das morphologische Bild des Kaumagens zu ver- vollständigen, habe ich noch einer eigenthümlichen Bildung Erwähnung zu thun, die den Landasseln zukommt und bisher nicht berücksichtigt wurde Kurz vor dem Scheitelpunkte des den Schlundabschluss bildenden, V-förmigen Wulstes, rechts und links von der zu letzterem sehörenden Platte (Fig. 6 p/), wird nämlich das Magenepithel von je einem Kanal durchbohrt, der sich schräg nach vorn erstreckt. Diese — im Querschnitt (Fig. 5 &) spaltförmigen — Röhren laufen parallel den Ausläufern des oben beschriebenen hohlen Stützapparates (Fig. 5 st). Zwischen dem letzteren und den Kanälen befinden sich eisenthümliche Zellen, die eine auffallend schmale Cylindergestalt besitzen und theilweise wellenartige Krümmungen zeigen (Fig. 5 u. 6). In seinem oberen, dem Kaumagen zugewendeten Theile ist der Spalt von den gewöhnlichen Bindegewebszellen eingeschlossen. Im Inneren ist er mit einer derben chitinigen Cuticula ausgekleidet. Die sonderbare Anordnung der den Kanal abschließenden Epithel- zellen lässt vermuthen, dass hier ein Organ mit besonderer Funktion vorliegt. Bezüglich der Art dieser Funktion ziehe ich das Geständnis eines »ignoramus« einer gewagten Hypothese vor. Erwähnt sei nur, dass CLaus! bei den Arguliden zwei vom Magen entspringende, transversale Gänge beschreibt, welche sich in den Seitentheilen des Schildes in zahlreiche Schläuche zertheilen. Vielleicht liegt bei den Asseln ein homologes Organ vor. Was die Funktion des Kaumagens angeht, so wird zunächst in ihm die aufgenommene Nahrung des Weiteren zerkleinert. Diesem Zwecke dienen in erster Linie die Zateraka und die ventrale Chitin- bewaffnung. Bei den Landasseln befinden sich ja am /rfero-Medianum, an den /nfero-Lateralia und an den Lateralia, bei der Wasserassel dagegen nur an den beiden erstgenannten Reliefbildungen korrespon- dirende Reibplatten, durch welche die Nahrungsstoffe wie in einer Mühle zermalmt werden können. Ferner findet im Kaumagen eine intensive Mischung des Nahrungs- materials mit dem Drüsensekrete der Leberschläuche statt. Durch die tiefen Horizontalrinnen, die zwischen dem /nfero-Medianum einer- seits und den Infero-Lateralia andererseits verlaufen, kann das Lebersekret nach vorn fließen, ein Vorgang, den CLaus? bei Apseu- des Latreillöi am lebenden Thiere beobachtet hat. 1 Craus, Über dieEntwicklung der Arguliden. Diese Zeitschr. Bd.XXV. 1875. 2 CLAUS, Über Apseudes und die Tanaiden. Arbeiten aus dem zool. Inst. zu Wien. Bd. V. 1884. 156 Walther Sehönichen, Damit aber die Nahrungsstoffe genügend Zeit haben, sich mit den Drüsensäften zu vermengen, müssen Vorrichtungen vorhanden sein, die ein vorzeitiges Übertreten der Nahrung in den Mitteldarm verhindern. Diesem Zwecke dient wohl in erster Linie das Supero- Medianum, das gleichsam als Klappe fungirend einen völligen Ver- schluss des Kaumagens herstellen kann. Bei Asellus wird diese Wirkung noch durch die reichen Borstenbesätze wesentlich unterstützt. Schon hier möchte ich auf die Richtigkeit der bereits von LERE- BOULLET aufgestellten Behauptung hinweisen, dass im Kaumagen weder eine Sekretion noch eine Resorption statthaben kann, wie dies MACMURrRICH glaubt postuliren zu müssen. Gegen MACMURRICH spricht erstens das Fehlen jeglicher Poren in der derben Intima, zweitens der — nach dem Urtheile sämmtlicher Autoren — ekto- dermale Ursprung des Kaumagens und drittens die Unmöglichkeit, dass ein nur wenige Millimeter messendes Stück des Verdauungs- kanales selbst bei intensivster Thätigkeit genügendes Material für Centimeter lange Geschöpfe liefern kann. Alle diese Momente spre- chen dafür, dass der Hauptsitz der Verdauung erst in dem folgenden Darmabschnitte, d.h. in dem Mitteldarme, zu suchen ist. Der Mitteldarm nimmt bei Weitem den größten Theil des Darmrohres ein. Er er- streckt sich vom Ende des Kaumagens in gerader Linie nach hinten und geht kurz vor der Afteröffnung nach einer starken Einschnürung in das Rectum über. Im gefüllten Zustande ist er ein eylindrisches Rohr, dessen Durchmesser bei Asellus ein konstanter bleibt. Bei den Landasseln hingegen zeigt der vordere Abschnitt des Mitteldarmes eine Erweiterung (Fig. 1 d). Öffnet man den Mitteldarm einer Landassel durch einen Längs- schnitt in der Laterallinie (Fig. 1), so gewährt seine Innenfläche bei schwacher Vergrößerung den Anblick einer gepflasterten Straße, wobei vor Allem die Längsreihen deutlich hervortreten. An der Dorsal- seite ist die schachbrettartige Felderung unterbrochen durch zwei Longitudinalrinnen, die durch eine Lamelle getrennt sind. Diese letztere erhebt sich, wie die Schnittserien lehren, dicht hinter dem Ende des Kaumagens als eine einfache Epithelduplikatur, die sich aber allmählich mehr und mehr abschnürt, so dass ihr Querschnitt etwa birnförmig wird (Fig. 12). Nach dem analen Körperpole zu verbreitert sie sich endlich in eine elliptische Platte, welche im Quer- schnitt ein umgekehrtes T mit sehr langem Querbalken darstellt und Der Darmkanal der Onisciden und Aselliden. 157 die Rinnen fast vollständig überdeckt. Diese Platte zieht sich nach hinten zu in eine lanzettliche Spitze aus, die kurz hinter der Mitte des Darmrohres endigt. Zugleich mit ihr finden auch die Rinnen ihr Ende. Von der erwähnten Spitze aus verläuft eine Anzahl der Zell- reihen in der Richtung mehrerer paralleler Parabeln (Fig. 1), so dass das so entstandene Bild dem optischen Längsschnitte dureh einen pflanzlichen Vegetationskegel nicht unähnlich sieht. Auf.der Ventral- seite befindet sich im Anfange des Mitteldarmes ein transversal ver- laufender, schmaler Wulst, der durch eine Duplikatur des Epithels gebildet wird und beiderseits verstreicht, ohne die Dorsalwand zu erreichen. Diese Lamelle bezeichnet das Ende des ersten Mitteldarm- abschnittes, der durch die in ihm gelegene Einmündung der Leber- schläuche charakterisirt ist. Letztere hat etwa die Form eines T mit sehr diekem Querbalken und befindet sich unter dem analwärts vor- springenden Zapfen des I/nfero-Medianums (Textfig. s?). Den zweiten Mitteldarmabschnitt kann man bis zum Ende des dorsalen Rinnenpaares rechnen. Der dritte Theil, der sich nur durch das Fehlen der Dorsalfurchen von dem vorhergehenden unterscheidet, reicht bis zum Ende des Mitteldarmes. Ipe und MAcMurricH haben im Wesentlichen die gleiche Eintheilung angenommen, nur heben sie nicht hervor, dass der durch die Lebermündung charakterisirte Ab- schnitt als besonderer Theil aufzufassen ist. Die beschriebenen Verhältnisse gelten im Ganzen auch für Asellus. Nur fehlen bei dieser Species die beiden dorsalen Längsrinnen. IDE hat zwar die Behauptung aufgestellt, die letzteren wären bei der Wasserassel durch eine in der Einzahl vorhandene, breite Furche ersetzt; doch habe ich auf meinen Serien niemals ein derartiges Gebilde auffinden können, und ich glaube, dass Ine durch ein weiter unten zu beschreibendes, pathologisches Phänomen irregeführt worden ist. Demnach lässt sich also für den Mitteldarm des Asellus die für die Landasseln aufgestellte Eintheilung nicht aufrecht erhalten. Was den histologischen Aufbau des Mitteldarmes angeht, so liegt die Tunica intima dem Darmlumen am nächsten. Sie ist eine feine, glashelle Chitinmembran, die ohne Unterbrechung mit der Intima des Kaumagens zusammenhängt und kontinuirlich den ge- sammten Mitteldarm auskleidet. Wenn man durch Kochen der Därme in Kalilauge die Intima isolirt, so zeigt sie bei stärkerer Vergrößerung eine reiche Anzahl von deutlichen Poren. Diese Gebilde sind bisher noch nieht auf- 158 Walther Schönichen, sefunden worden; im Gegentheil hat MacMurricH ihr Vorhandensein sänzlich in Abrede gestellt und auf diesen negativen Befund eine Hypothese über die Funktion des Mitteldarmes gegründet, die ich weiter unten einer Kritik unterziehen werde. Ich habe diese Poren übrigens auch auf Schnitten gesehen, an Stellen, wo sich die Intima von der unter ihr gelegenen Gewebsschicht abgehoben hatte und seitlich umgeklappt war. Dass mir hier eine Verwechslung mit — ‚der Intima anhaftenden — Plasmapartikelchen untergelaufen wäre, ist ausgeschlossen. Denn die Poren erschienen auf solchen Präpa- raten als gänzlich ungefärbte, durchsichtige Pünktchen, während die Plasmareste, wenn sie überhaupt vorhanden waren, stets eine Tinktion mit den angewandten Farbstoffen zeigten (Fig. 8). Es wäre möglich, dass ConKLIn gegen meine Behauptung, ich habe die Poren zuerst gesehen, Einspruch erhöbe, da auch er an der Intima Poren beschrieben und abgebildet hat. Diese sollen sich zu srößeren, mit Sekret erfüllten Röhren vereinigen, die sich in das Plasma der Epithelschicht öffnen. Nach der beigegebenen Abbildung kann kein Zweifel sein, dass hier eine Verwechslung mit gewissen zur Epithelschicht gehörenden Gebilden vorliegt, von denen weiter unten des Näheren die Rede sein wird. Die Intima, die bei der Häutung abgestoßen wird, ist ein Pro- dukt der unter ihr lagernden Epithelschicht. Die Zellelemente der letzteren zeichnen sich durch eine auffallende Größe aus, so dass sie schon mit bloßem Auge als feine Pünktchen zu unterscheiden sind. Dadurch erhält der Darm ein »reihig gekörntes« Aussehen, wie es Branpr und RAtzegurg bezeichnet haben. Der Übergang von dem kleinzelligen Epithel des Stomodäums zu dem großzelligen des Mittel- darmes ist gänzlich unvermittelt. Schon bei schwacher Vergrößerung fallen die Zellgebilde des Mitteldarmes durch ihre »deutliche Kernformation« auf, eine That- sache, die bereits Frey und LEUCKART hervorgehoben haben. Im normalen Zustande zeigen die riesigen Kerne eine kugelige bis elli- psoide Gestalt. Sie enthalten eine große Anzahl stattlicher Chromatin- körner und ein bis zwei Nucleolen. Chromatinkörner und Nucleolen sind suspendirt in der Kernflüssigkeit, die durch eine feine Membran von dem Plasma geschieden ist. Manche Kerne sollen nach COoNKLIN nicht vollständig von einer Kernhaut umgeben sein, und es sollen an derartigen Stellen Übergänge zwischen den Chromatinkörnern der Kerne und den Mikrosomen des Plasmas stattfinden. Ich habe nie etwas Derartiges finden können und glaube, dass ConKLIN sich, wie Der Darmkanal der Oniseiden und Aselliden. 159 in vielen anderen Punkten, so auch in diesem geirrt hat. Erwähnt sei noch, dass sich die Kerne, wie schon LEREBOULLET und Huer berichten, durch Druck leicht aus der Epithelschicht heraus- pressen lassen. Von seiner normalen Gestalt zeigt der Kern häufig Abweichungen, die darauf schließen lassen, dass er ein äußerst flüssiges Aggregat darstellt. In vielen Fällen bestehen diese Formveränderungen nur in leichten Einschnürungen, die offenbar durch die Kontraktion der den Darm einschließenden Muscularis erzeugt werden. Durch die Zusammenziehung der einzelnen Muskelbündel wird nämlich, wie auf Schnitten zu ersehen ist, die Epithelschicht in zahlreiche Falten ge- lest, die auch dem Kerne eine leichte Formveränderung abnöthigen (Fig. 14). Oft ist der Kern aber sehr stark eingeschnürt, oft auch außerordentlich in die Länge gestreckt und selbst geweihartig ver- ästelt, wobei die Chromatinkörner in lange Fäden ausgezogen sein können. Ja, in vielen Fällen treten die Kerne sogar in ihre Nach- barzellen über, um mit deren Kernen eine Verschmelzung einzugehen. HvErT hat diese Erscheinung zuerst beobachtet und daraus auf eine amöboide Beweglichkeit der Kerne und ihrer Nucleolen ge- schlossen. Allein van BAMBERE hat in einer ausführlichen Abhand- lung den Nachweis geliefert, dass alle diese Formveränderungen sich künstlich durch Deformation der Kerne mittels der Präparirnadel erzeugen lassen. Eben so haben später ScHINmKEWITSCH, CONKLIN und MACMURRICH gezeigt, dass bei vorsichtiger Behandlung des Materials niemals derartige abnorme Kernfiguren zu beobachten sind. Auch meine Untersuchungen haben das gleiche Resultat ergeben. Die Därme von Individuen, die mit heißem Sublimat fixirt wurden, zeigten keinerlei Formveränderungen der Kerne, während frisches, ohne Sorgfalt behandeltes Material stets eine große Anzahl von Kern- verästelungen aufwies. Daraus ergiebt sich zunächst, dass die schon Eingangs erwähnten, abenteuerlichen Deutungen von LEE und RYDER und PENNINGTON _ imig sind. Ersterer glaubte, es lägen »persistent gewordene Kern- spindeln«< (!) vor. Das amerikanische Forscherpaar meinte eine ungeschlechtliche Conjugation der Zellen eines Gewebes (!) entdeckt zu haben. Die Thatsache der pathologischen Kernverästelung hat noch zu einem anderen Irrthume Veranlassung gegeben. CArnoY deutet nämlich die Einschnürung und Verzweigung der Kerne als Anzeichen einer amitotischen Kerntheilung, und ZIEGLER und vom RarH folgen 160 Walther Schönichen, ihm auf diesem Wege. Selbst ConkLıv giebt für diejenigen Fälle, wo schwach biskuitförmige Kerne in zwei Zellen liegen, das Vor- kommen von Amitosen zu. Unter solchen Umständen ist es nicht zu verwundern, wenn ZIEGLER und voM RATH sich nach einem Rege- nerationsherd umschauen; und sie beschreiben in der That einen solchen ganz vorn am Beginne des Mitteldarmes und lassen ihn aus ‘ kleinkernigen Zellen bestehen. Demgegenüber ist zunächst zu entgegnen, dass im Mitteldarme der Asseln eine Zellvermehrung überhaupt nicht stattfindet. Mac- MvurrIcH hat durch exakte Zählungen und Messungen bewiesen, dass das Wachsthum des genannten Organs lediglich durch eine Ver- srößerung und nicht durch eine Vermehrung der Einzelelemente fortschreitet. Bei jugendlichen Individuen sind also die epithelialen Jellelemente sehr klein und nehmen mit dem Alter allmählich an Volum zu, wodurch Länge und Durchmesser des Mitteldarmes eine Streckung erfahren müssen. Diese Untersuchungen von MACMURRICH sind für die Behaup- tungen von ZIEGLER und VoM RATH verhängnisvoll, und es ließe sich höchstens noch der Gedanke an eine — durch senile Degene- ration hervorgerufene — Kernfragmentation aufrecht erhalten. In der That macht MAcMurrIcH die Angabe, dass die letztere Er- scheinung auf Totalpräparaten des geöffneten Darmes zu beobachten sei. Auch bildet er Zellelemente ab, in denen neben einem großen Mutterkerne mehrere kleine Tochterkerne liegen. Ich selbst habe ähnliche Bilder häufig beobachten können und bin durch sorgfältigen Gebrauch der Mikrometerschraube zu der Überzeugung gelangt, dass die angeblichen Tochterkerne nichts Anderes sind als die Kerne der dem Darme anliegenden Coelom- und Muskelzellen. Damit dürfte gezeigt sein, dass weder direkte Kerntheilungen noch Kernfragmentationen im Mitteldarme der Asseln vorkommen; vielmehr sind die Erscheinungen, die als Amitosen gedeutet werden könnten, entweder Kunstprodukte oder durch die Kontraktion der Muscularis hervorgerufene, temporäre Formveränderungen der Kerne. Der von ZIEGLER und voM RıATH beschriebene Regenerationsherd dürfte nichts Anderes als das kleinkernige Epithel des Magens sein. Das Protoplasma der Zellelemente des Mitteldarmes ist eine sehr fein granulirte Masse, die sowohl in frischem Zustande, als auch nach der Fixirung eine Anzahl großer Vacuolen zeigt (Fig. 9). Diese Vacuolen, die entweder resorbirte Nahrungsstoffe oder Sekrete ent- Der Darmkanal der Onisceiden und Aselliden. 161 halten, dürfen nieht verwechselt werden mit Hohlräumen, die ledig- lich eine pathologische Erscheinung darstellen. Schon IpE hat bei Asellus im Darmepithel große Vacuolen be- obachtet und abgebildet, die sich selbst über mehrere Zellen erstrecken sollen. Und MaAcMurrich beschreibt von Armadillidium und Idotea ähnliche Gebilde, die durch einen flockigen, färbbaren Inhalt ge- kennzeichnet sind und den Kern deformiren und ge&en die Basal- wand der Zellschicht pressen. Auch ich habe bei Asellus dieselbe Erscheinung in größter Ausdehnung beobachten können. Vaeuolen, die sich über fünf Zellen hinweg erstreckten, waren keine Selten- heit; und häufig zeigten Querschnitte eine durch die Vacuolen er- folgte Abtrennung der Intima, die sich über drei Viertel des ge- sammten Darmumfanges ausdehnte. Ich glaubte zunächst ein mit der Häutung zusammenhängendes Phänomen vor mir zu haben. Doch da der durch die Vacuolen ab- gehobenen Intima stets allerlei Plasmareste anhaften (Fig. 10 .), und andererseits die bei der normalen Häutung abgelegte Intima niemals derartige Anhängsel zeigte, so widerlegte sich diese Ansicht von selbst. Bei näherem Nachforschen ergab sich schließlich, dass ein Zell- schmarotzer jene Abhebungen verursacht. Der Parasit, von dem sich häufig auch Eneystirungsstadien mit Sporozoiten vorfanden, ist amöbenartig gestaltet (Fig. 10 und 11) und beeinflusst das Wachs- thum des Kernes, indem er ihn deformirt und gegen die Basalwand der Zellelemente drängt. Die Entwicklung dieses Parasiten habe ich nicht näher untersucht; hervorgehoben sei nur noch, dass er einen runden, mit einer Anzahl stark lichtbrechender Körnchen er- füllten Kern beherbergt (Fig. 10). Zweifellos gehört dieser Schma- rotzer in die Gruppe der Sporozoen und wahrscheinlich in die Familie der Coeceidien. Bei Asellus haben die Zellschmarotzer zu einem Irrthum Anlass gegeben. Ipe behauptet nämlich, wie bereits oben erwähnt wurde, dass bei dieser Species auf der Dorsalwand des Mitteldarmes eine tiefe Rinne vorhanden sei. Er hat aber, wie der von ihm abge- bildete Querschnitt zeigt, zwei durch Parasiten blasig vorgewölbte Zellen, die zufällig symmetrisch zu der dorsalen Medianlinie lagen, für die Ränder einer Rinne gehalten. Auch in anderen Fällen, glaube ich, stellen als Sekreträume gedeutete Vacuolen ähnliche pa- thologische Erscheinungen dar. Erwähnt sei nur, dass CLaus! im i CLAus, Über Lernaeascus und die Philichthyden. Arbeiten aus dem zool. Inst. zu Wien. Bd. VII. 1888. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXV. Ba. 11 162 Walther Schönichen, Darmepithel von Lernaeascus blasig vorgewölbte Zellen beschreibt, die in ihrem oberen Theile eine — zu einem runden Ballen zusammen- sedrängte — Ansammlung von Körnchen enthalten. Die dazu ge- hörende Abbildung legt die Vermuthung nahe, es möchte sich auch in diesem Falle um eine Infektion durch einen Zellschmarotzer handeln. Außerdem finden sich bei Armadillidium noch Plasmaeinschlüsse, die in Form von kleinen, gelblichgrün gefärbten Körnchen den Kern in großer Anzahl umlagern. MaAcMurkrich hält diese Gebilde für — durch senile Degeneration hervorgerufene — Zerfallprodukte der Zellen, doch liegt in ihnen offenbar ein Pigment vor, wie es schon mehrfach in Darmzellen, auch in solchen, wo von einer Histolyse nicht die Rede sein kann, beobachtet wurde. So enthalten nach OrAaus die Mitteldarmzellen von Apseudes Latreillii kleine Körnchen. BucHHoLz! beschreibt in den Darm- zellen von Hemioniscus zahlreiche winzige Tröpfehen. Die gleiche Erscheinung ist bei Aega durch Raruke? beobachtet worden. LEypIg3 und CrAaus geben übereinstimmend an, dass im Magenepithel von Argulus foliaceus konstant ein schwarzes Pigment lagere. SPANGEN- BERG* hat im Darmepithel von Branechipus stugnalis winzige, orange- rothe Tröpfehen beobachtet. Chun fand im Darm der Nauplien der Lepaden in der Mitte der Zellen Pigmentkörnchen. FRENZEL® sah in den Darmepithelzellen der Bombyz-Raupe kleine, gelbliche Krümel. Fritze® behauptet, dass bei den Zphemeriden die Zellen des Mittel- darmes einen bräunlichen Stoff enthalten, der sich in Form fester, unregelmäßig geformter Körnchen über den ganzen Mitteldarm ver- theilt vorfindet. Schließlich hat neuerdings BRANDES’ in den Epithel- zellen der Bauchtasche des Trematoden Gastrothylax, die er für Analoga der Darmepithelzellen ansieht, ebenfalls einen grüngelb- lichen Farbstoff beschrieben und die Vermuthuug ausgesprochen, dass hier ein Carotin-Farbstoff vorliege. 1 BucHHoLz, Hemioniscus. Diese Zeitschr. Bd. XLV. 1887. ? RATHKE, Beiträge zur Fauna Norwegens. Nova acta Leopold. Bd. XX. 3 LeyDIG, Über Argulus foliaceus. Diese Zeitschr. Bd. II. 1850. * SPANGENBERG, Zur Kenntnis des Branchipus stagnalis. Diese Zeitschr. Bd. XXV. 1875. 5 FRENZEL, Einiges über den Mitteldarm der Insekten. Archiv für mikr. Anat. Bd. XXVI. 1886. 6 Frıitze, Über den Darmkanal der Ephemeriden. Berichte d. naturf. Ges. zu Freiburg. Bd. IV. 1888. 7 BRANDES, Die Gattung Gastrothylax. Abhandl. d. naturf. Ges. zu Halle. Bd. XXI. 1897. Der Darmkanal, der Onisciden und Aselliden. 163 Was die chemische Natur der Körnchen aus dem Mitteldarme von Armadillidium angeht, so lassen sich über sie bisher nur nega- tive Angaben machen. Dass es sich nicht um einen Fettkörper handelt, wird durch die Beständigkeit jener Substanzen gegen Xylol bewiesen. Auch ein Carotinfarbstoff kann nicht vorliegen, da die für Carotin charakteristische Schwefelsäurereaktion ein negatives Re- sultat lieferte. Bei Weitem wichtiger als diese von mir nur bei Armadilhidium beobachteten Plasmaeinschlüsse sind eigenthümliche Fibrillen, die sich in den Mitteldarmzellen sämmtlicher heimischen Asselarten vorfinden. Diese Gebilde hat Levpıe offenbar zuerst gesehen und als »radiärstreifige Randzone« beschrieben. Später hat HurET sie an Macerationspräparaten aufgefunden und als zur Intima gehörend be- trachtet, während Ipe sie für protoplasmatisch hielt. Die Fibrillen sind zarte Säulen von mehr oder weniger großem Durchmesser, die von der Epithellage aufsteigen und unter mannig- faltigen Verästelungen an die Intima herantreten (Fig. 13 und 9). Ihre Lichtbrechung ist besonders in den dem Darmlumen zugekehrten Zweigen der der Intima außerordentlich ähnlich, so dass man glauben könnte, es handele sich um Chitingebilde. Die Thatsache jedoch, dass sie sich im Gegensatze zur Intima mit Eosin, Bismarckbraun und anderen Plasmafarbstoffen tingiren, zeigt, dass die Chitinisirung mindestens keine vollständige sein kann. Jedenfalls sind die Fibrillen Protoplasmaprodukte, da sie nach MaAcMvrRICH bei jugendlichen Individuen noch nicht die ganze Höhe der Zellen durchsetzen und erst durch späteres Wachsthum die In- tima erreichen. CoNKLIn hält sie für elastisch und kontraktil. Allein da weder bei ConkLın selbst noch sonst irgendwo sich ein Beleg für diese Annahme auffinden lässt, so ist sie als unhaltbar fallen zu lassen. Vielfach bleiben die Fibrillen auch unverzweigt (Fig. 14). Oft auch streben sie in größerer Anzahl nach einem Punkte der Intima zusammen (Fig. 15). Im Inneren der Zellelemente sind meist nur wenige Fibrillen zu beobachten. Um so zahlreicher sind sie an den Seiten zu finden. Sehr deutlich wird dieses Verhalten durch Schnittserien illustrirt. Immer sind an den Zellen, deren Kern durch den Schnitt mit ge- troffen wurde, fast keine Fibrillen zu sehen, während sie in Zellen, die seitlich geschnitten wurden, ein enges Spalier bilden (Fig. 12 u. 13). Schon Hurr hat ausgesprochen, dass die Fibrillen die einzigen Grenzelemente des Mitteldarmes seien. Er sagt: »Elle (die Intima) 11* 164 | - - Walther Schönichen, envoi au travers de celle-ei (Epithelschicht) dans les intervalles m@mes, qui separent les elements epitheliaux de petits tractus, de petites colonnes qui l’unissent & la tunique conjonetive propre. Les colonnes forment de veritables pallisades disposees en rangees lineaires...... Ils (die Epithelzellen) paraissent &re en continuite de substance ä travers les colonnes en palissade qui les limitent sans les separer.« Diese Äußerung Hurr’s ist aber unbeachtet geblieben, und erst neuerdings haben MACMURRICH und ich gleichzeitig und unabhängig von einander nachgewiesen, dass in der That die Fibrillen die ein- zigsten Grenzelemente sind, kurz, dass das Mitteldarmepithel der Onssciden und Aselliden ein Syneytium repräsentirt. Gegen diese Behauptung scheint zunächst die Thatsache zu sprechen, dass der Mitteldarm im Flächenpräparate das Bild von scharf von einander geschiedenen Zellen darbietet (Fig. 1). Diese Grenzlinien sind aber, wie die Schnittserien aufs überzeugendste darthun, nichts Anderes als Rinnen, die von oben her — einander rechtwinkelig kreuzend — in die Epithelschicht eingesenkt sind (Fig. 9, 14 und 19). Zudem verlaufen diese Rinnen gar nicht immer genau entlang der Zellgrenzen, sondern es finden sich auch Stellen, wo sie sich über die Mitte der Zellen, d. h. über den Kern hinweg, legen (Fig. 16). Schließlich sind die Grenzlinien auch nur bei Oberflächeneinstellung sichtbar. Bei tiefer Einstellung verschwinden sie vollständig und statt ihrer treten die Fibrillenreihen auf. Diesem Beweise für den syneytialen Charakter des Mitteldarm- epithels, den MACMuRRICH als einzigsten aufgeführt hat, vermag ich noch einige andere zur Seite zu stellen. Zunächst erweisen sich sämmtliche Macerationsmittel als vollkommen wirkungslos. Ver- dünnte Kalilauge vermochte die Epithelzellen nicht zu isoliren und ließ nach längerer Einwirkung stets nur die nackte Intima zurück. Ferner zeigten Darmstücke, die monatelang in Drittel-Alkohol ge- legen hatten und häufig in der Flüssigkeit geschüttelt waren, nicht die leiseste Spur einer Maceration. Auch die Behandlung mit Silber- nitrat ließ keine Zellgrenzen hervortreten. Neben diesen negativen Argumenten, die für sich allein natür- lich keinerlei Beweiskraft beanspruchen könnten, lassen sich auch noch positive aufführen. Sehr wichtig ist in erster Linie das Über- treten der Kerne in die Nachbarzellen. Dieses Phänomen ist näm- lich nicht nur an Kernen, die direkt lädirt wurden, zu beobachten, sondern, wenn der Darm an einer Stelle verletzt wird, so erfahren Der Darmkanal der Onisciden und Aselliden. 165 sämmtliche in der Umgebung gelegenen Kerne, ohne direkt alterirt zu sein, durch die bei der Läsion entstandene Druckveränderung eine Deformation, die bis zu einem Hinübertreten in die Nachbarzellen gesteigert sein kann. Aus dieser Thatsache folgt erstens wiederum, dass der Kern außerordentlich flüssig sein muss, da eine bloße Druckveränderung ihm einen Gestaltswechsel abnöthigt. Sodann aber lässt sich aus ihr der Schluss ziehen, dass die Zellelemente mit einander in innigster Verbindung stehen müssen, und dass sich zwischen ihnen keine trennenden Membranen befinden können. Denn die Annahme von RYDER und PENNINGToN, es werde bei dem Hinübertreten der Kerne aus einer Zelle in die andere die trennende Zellwand durch eine Art physiologischer Speeialisirung (!) (any rate of physiological speeciali- sation«) aufgelöst, dürfte keiner Widerlegung bedürfen. Eben so wenig scheint mir die Behauptung ConkLiın’s, die Zellen seien durch unsichtbare Membranen getrennt, diskutirbar. Bewiesen wird schließlich der syneytiale Charakter des Mittel- darmes durch das Studium von Tangentialschnitten (Fig. 17). Auf diesen ist mit absoluter Sicherheit zu erkennen, dass die Plasma- körper der Epithelzellen durch die Fibrillenspaliere hindurch mit einander in Verbindung stehen. Es sind also die Epithelzellen nur oben und unten von Mem- branen begrenzt, während sie seitlich von Fibrillenreihen umgeben sind; und zwar hat jedes Einzelelement sein Fibrillengehege für sich, so dass also je zwei Fibrillenreihen parallel neben einander verlaufen. Diese Verhältnisse sind besonders gut auf Tangentialschnitten zu er- kennen an Stellen, wo nur die Intima durch den Schnitt vom Epithel abgetrennt wurde. Man sieht alsdann sehr schön, wie die Ansatz- stellen der Fibrillen sich als Doppelreihen feiner Pünktchen auf dem Intimastücke markiren (Fig. 18). Auch auf Querschnitten ist, wenn die Intima vom Epithel losgelöst und seitlich umgeklappt ist, häufig zu beobachten, dass die an ihr haften gebliebenen Fibrillenreste in Doppelreihen zusammenstehen. Erwähnt sei noch, dass sich die Fibrillengehege sehr hübsch zur Anschauung bringen lassen, wenn man einen frischen Darm unge- öffnet «n toto einer Färbung mit Methylenblau aussetzt. Alsdann tingiren sich die Fibrillen intensiv blau und bieten dem Beobachter ein sehr instruktives Bild. Demnach sind die das Mitteldarmepithel zusammensetzenden Elemente nicht wie sonst im Thier- und Pflanzenreiche kleine, rings 166 Walther Schönichen, abgeschlossene Kämmerchen, sondern Käfige, die ich in meiner vor- läufigen Mittheilung mit dem Namen »Gitterzellen« belegt habe. Häufig sind diese Gitterzellen nicht nur seitlich mit Fibrillenspalieren umgeben, sondern es ist auch, wie auf Tangentialschnitten ersichtlich wird, ihr Inneres von solchen Gebilden durchzogen (Fig. 17). Dadurch wird die Abgrenzung der einzelnen Zellen gegen einander oft gänz- lich illusorisch gemacht. Die Aufgabe der Fibrillen ist offenbar, für die Intima an Stelle der fehlenden Seitenmembranen der Epithelzellen Stützen zu bilden!. Meistens stehen die Fibrillen senkrecht auf der Basalmembran. Wenn aber durch die Kontraktion der Musecularis das Epithel in Falten gelegt ist, so nehmen sie theilweise eine der Basalmembran parallele Richtung an (Fig. 14). Auf der Flächenansicht erweckt dies den Anschein, als strahlten die Fibrillen vom Centrum der Zellen nach den Seiten zu aus, so dass LEYDIG diese Erscheinungen sehr wohl als »radiärstreifige Randzonen« deuten konnte. Die einzelnen Gitterzellen sind meist würfelartig gestaltet, doch finden sich auf der Ventralseite und im hinteren Abschnitte des Mitteldarmes Abweichungen von dieser Form. Die Zellen sind dort höher und stellen sechsseitige Säulen dar, wodurch das Gewebe den Anblick einer Bienenwabe erhält. An den Dorsalrinnen dagegen haben die Gitterzellen die Form von Rechtspathen, während sie in den sonstigen histologischen Verhältnissen genau den übrigen Zell- elementen des Mitteldarmes gleichen (Fig. 12). Aus der Thatsache, dass das Mitteldarmepithel ein Syneytium ist, erklären sich die an ihm beobachteten Erscheinungen ganz un- gezwungen. Da Scheidewände zwischen den einzelnen Zellen fehlen, so kann sich eine Druckveränderung über einen weiten Bezirk des Epithels erstrecken und die oben beschriebenen Kerndeformationen erzeugen. Auch noch ein anderes Phänomen. das ZIEGLER und voM RATH wohl auch als Produkt amitotischer Theilungsprocesse gedeutet haben mögen, findet jetzt eine einfache Erklärung. Schon LEYDIG hat nämlich im Assel-Mitteldarme auffallend große Zellen mit mehreren Kernen beobachtet. Ferner hat LEREBOULLET auf einer den Darm im Flächenbilde zeigenden Figur Kerne gezeichnet, zwischen denen keine Zellmembranen verlaufen. In diesen Fällen handelt es sich ! MACMURRICH erinnert ganz mit Recht an die von BERGH (Über Stütz- fasern in der Zellsubstanz einiger Infusorien. Anat. Hefte. Bd. VII. 1896) bei Infusorien beschriebenen Stützfasern. Der Darmkanal der Oniseiden und Aselliden. 167 um nichts Anderes, als dass die Rinnen der Intima, die im Flächen- bilde Zellgrenzen vortäuschen, stellenweise ausgeglättet sind. Die Thatsache, dass der Mitteldarm der Asseln ein Syneytium ist, ist übrigens keineswegs so isolirt dastehend, als mir anfänglich schien. Und ich bin der Meinung, dass wenigstens bei den Arthro- poden die Epithelien des Verdauungstractus sehr häufig syneytialen Charakter besitzen. So behaupten WEBER! und FRENZEL? überein- stimmend, dass die Zellen der Leberschläuche bei den Asseln der Seitenmembranen entbehren. Das Gleiche berichtet FRENZEL von den Leberzellen der Decapoden. Derselbe Forscher giebt von Sceyllarus an, dass bindegewebige Stränge zwischen die Epithelzellen des Darmes eindringen. Auch bei Astacus sollen diese Gebilde vorhanden sein und auf Schnitten oft die ganze Breite der Zellen einnehmen. Es ist mir nicht im mindesten zweifelhaft, dass hier ganz ähnliche Fibrillengehege vorliegen als bei unseren /sopoden, eine Ansicht, die durch eine Betrachtung der FRrENnzEL’schen Figurentafel fast zur Gewissheit erhoben wird. Weiter beschreibt HALLER? im Darme der Laemodipodes filiformes polyedrische Zellen mit mehreren Kernen, während Fraısse* im Darmepithel von Entoniscus Cavolin! und Craus5 im Magendarm der Phronimiden keine Zellgrenzen zeichnen, ohne allerdings im Texte auf diesen negativen Befund hinzuweisen. Vom Darmepithel der Myriapoden hat BALBIANI geäußert, es sei ein Syneytium. Die Zellen der — über der Muscularis des Emerobia- Darmes gelegenen — Bindegewebsschicht sind nach FAussEek nicht durch Membranen geschieden. In seiner berühmten Arbeit über die Entwicklung der Musciden sagt KowALEwsKY*: »Im Mitteldarme der jungen Musciden-Larve liegen Zellgruppen, die nicht durch Zell- grenzen getrennt sind«, während er an einer anderen Stelle von Kernen spricht, die »in einem feinkörnigen Stroma« liegen. Nach i WEBER, Mitteldarmdrüse der Crustaceen. Archiv für mikrosk. Anat. Bd. VII. 1867. 2 FRENZEL, Über den Bau und die Thätigkeit der sog. Leber der Crustaceen. Mitth. aus der Zool. Station zu Neapel. Bd. V. 1884. 3 HALLER, Beiträge zur Kenntnis der Laemodipodes filiformes. Diese Zeit- schrift. Bd. XXXIII. 1880. 4 FRAISSE, Entoniscus Cavolini. Arbeiten aus dem zool. Inst. der Univ. Würzburg. IV. 1878. 5 CLaus, Der Organismus der Phronimiden. Arbeiten aus dem zool. Inst. zu Wien. Bd. II. 1879. 6 KOowALEWSKY, Beiträge zur Kenntnis der nachembryonalen Entwicklung der Musciden. Diese Zeitschr. Bd. XLV. 1887. 168 Walther Schönichen, FRENZEL! finden sich im Enddarme der Larve von Tenebrio molitor zweikernige Zellen. Von demselben Objekte giebt RENGEL? an, dass die Epithelmutterzellen ohne wahrnehmbare Grenzen sind. Schließlich hat Levpıg zwischen den Drüsenzellen zahlreicher Insekten Proto- plasmabrücken nachgewiesen. Hervorgehoben sei auch noch, dass nach BrRANnDEs das Darmepithel der Trematoden als Syneytium auf- zufassen ist. Demnach hat es den Anschein, als wäre das Vorkommen von Syn- cytien oder von Plasmaverbindungen zwischen den Zellen eines Ge- webes keineswegs eine Seltenheit. Vielleicht ist zu einem einheitlichen Funktioniren der Zellen eines Gewebes nothwendig, dass zwischen ihnen auf irgend eine Weise ein inniger Kontakt besteht. Doch sei dieser Gedanke hier nur kurz angedeutet, da das mir bekannte Thatsachenmaterial noch zu gering ist, um zu Schlüssen allgemeineren Inhaltes zu berechtigen. Jedenfalls bildet die obige Zusammenstellung eine weitere Stütze für die Intentionen SCHUBERE’s?, der den Zu- sammenhang aller Zellen im thierischen Organismus nachzuweisen sich bemüht hat. Übrigens habe ich selbst bereits die Därme einiger anderer Arthropoden geschnitten und flüchtig untersucht und z. B. bei Antlocra, Caprella und Locusta ganz ähnliche Gitterzellen wie im Darme der Asseln gefunden. | Von dem Asseldarme bleiben mir noch einige wichtige Verhält- nisse zu erörtern. Wie oben erwähnt entsenden die. einzelnen Fi- brillen Verzweigungen nach der Intima. Gewöhnlich ist deren Zahl nicht sehr groß. Bei den Landasseln zeigen aber die Zellen auf Schnittserien vielfach eine außerordentliche Menge kleiner Bälkchen, die senkrecht auf der Intima stehen und, wie die Betrachtung der Präparate mit Immersionssystemen lehrt, die letzten Verzweigungen der Fibrillen darstellen. Unter dieser Bälkchenzone lagert meist eine Schieht diehteren Protoplasmas (Fig. 9, 16). Diese Erscheinungen finden sich nicht bei allen Individuen, und bei einigen sind sie nur auf einen Theil der Epithelzellen be- schränkt, während sie bei anderen über den ganzen Mitteldarm ver- 1 FRENZEL, Über Bau und Thätigkeit des Verdauungskanales der Larve des Tenebrio molitor. Berlin. entom. Zeitschr. Bd. XXVI. 1882. 2 RENGEL, Über die Veränderungen des Darmepithels bei Tenebrio moli- tor während der Metamorphose. Diese Zeitschr. Bd. LXII. 1896. 3 SCHUBERG, Über den Zusammenhang verschiedenartiger Gewebezellen im thierischen Organismus. Sitzungsber. der Würzburger phys.-med. Gesellsch. Jahrg. 1893. Der Darmkanal der Oniseiden und Aselliden. 169 breitet auftreten. In erster Linie aber ist wichtig, dass über der Bälkehenzone sich fast immer Abhebungen der Intima finden, die weder durch die Präparationsmethode noch durch Parasiten, wie dies oben von Asellus beschrieben wurde, hervorgerufen sein können. Häufig sind diese Abhebungen so zahlreich, dass von den etwa 45 Zellelementen, die auf Querschnitten das Darmlumen umschließen, 15 bis 20 ihre Intima abgestoßen haben (Fig. 8). Alle diese Umstände nöthigen mich dazu, die beschriebenen Ge- bilde als zum Häutungsprocesse gehörig zu betrachten. Die Bälkchen wirken vielleicht in ähnlicher Weise wie die Härchen, die nach Braun! bei Asitacus die Häutung verursachen, und es wird durch sie der Zusammenhang zwischen Intima und Epithelschicht gelockert, so dass die erstere durch einen einfachen Plasmadruck oder durch die — von den Kontraktionen der Muscularis bewirkten — Darmbewe- gungen frei wird. Gestützt wird diese Ansicht durch folgende Beob- achtung: Ab und zu finden sich auf den Schnittserien Zellgruppen, deren Intima abgelöst ist (Fig. 8), die aber über der Bälkchenzone bereits wieder eine neue Chitinschicht ausgeschieden haben. Die Bälkehen werden jedenfalls nach Beendigung der Häutung wieder rückgebildet (Fig. 8 %). Für CoxkLıy ist die Bälkchenzone eine wahre ÜUrux gewesen. Auch er hat sie auf seinen Serien beobachtet und sie in verschiedener ‘Weise gedeutet. Fand er sie auf Schnitten, die die Mitte der Zellen getroffen hatten und die Bälkchen dieht unter der Intima zeigten, so hielt er sie für Nahrung, die Fortsätze nach dem Kern entsendet (!). Waren dagegen die Zellen mehr seitlich geschnitten, etwa in der Art, wie es meine Fig. 19 zeigt, so hielt ConkLin die Fibrillen für Poren der Intima, ein Irrthum, auf den bereits oben hingewiesen wurde. Ganz anders gestaltet sich der Häutungsprocess bei Asellus. Während er nach FrIEDRIcH’s? Untersuchungen bei den Landasseln, besonders bei den weiblichen Individuen, nur im Frühling und Sommer zur Brunstzeit am erwachsenen Thiere stattfindet, wieder- holt er sich bei der Wasserassel etwa alle 20 bis 25 Tage und spielt sich in der Art ab, dass das Thier seine Körperpanzerung in zwei Theilen, einem vorderen und einem hinteren, auszieht. Mit dem - vorderen Stücke wird gleichzeitig die Intima des Stomodaeums ge- 1 BRAun, Über die histolog. Vorgänge bei der Häutung von Astacus. Arbeiten aus dem zool. Inst. der Univ. Würzburg. Bd. II. 1875. 2 FRIEDRICH, Die Geschlechtsverhältnisse der Oniseiden. Zeitschr. f. Naturw. Bd. LV1. 1883. 170 Walther Schönichen, häutet, während mit dem analen Theile die Intima des Reetums und des Mitteldarmes gehäutet wird. An Individuen, die, während sie sich zur Häutung anschickten, fixirt und zu Schnittpräparaten verarbeitet wurden, konnte niemals eine Bälkchenzone wie bei den Landasseln beobachtet werden. Ich fand aber in einigen Fällen die frisch abgestoßene Intima noch im Darmlumen liegend. Merkwürdiger Weise zeigte sie sich besetzt mit ‚zahlreichen, feinen Fibrillen, die nur auf der dem Epithel zugekehrten Seite lagerten (Fig. 11). Gleichzeitig bemerkte ich, dass das Epithel, das schon wieder eine zarte Intima ausgeschieden hatte, auffallend dünne Fibrillen aufwies (Fig. 11 und 21). Da nun an der nicht abgestoßenen Intima des Mitteldarmes nie- mals eine Spur eines Borstenbesatzes nachzuweisen ist, so können die ihr nach der Abstoßung anhaftenden Gebilde nur als Produkte ‘einer Häutung der epithelialen Stützfibrillen gedeutet werden. Dem- nach hat man sich die Mitteldarmhäutung von Asellus etwa folgender- maßen vorzustellen: Die Stützfibrillen sind theilweise chitinisirt zu denken; und zwar kann entweder ihr plasmatischer Theil von einer feinen Chitinröhre eingehüllt sein, oder es ist ihr oberer, der Intima anhaftender Abschnitt chitinisirt. Bei der Häutung findet zwischen dem plasmatischen und chitinigen Theile der Fibrillen eine Locke- rung statt, wodurch eine Abstoßung der gesammten Intima bewirkt wird. Es ist also der Häutungsprocess bei den /sopoden bei Weitem einfacher als bei den Decapoden, wo nach den Untersuchungen von BRAUN die Intima durch besonders zu diesem Zwecke gebildete Härchen abgelöst wird. Noch viel komplicirter gestaltet sich die Häutung des Insektendarmes, wo, wie RENGEL erst neuerdings an dem Beispiele einiger Wasserkäfer gezeigt hat, eine Ausstoßung des ganzen Darmepithels stattfindet. Von den am Aufbau des Mitteldarmes betheiligten Geweben sind noch die Tunica propria und die Muscularis zu besprechen. Die erstere ist eine dünne, strukturlose Membran, die sich kontinuirlich unter der Epithelschicht ausbreitet und deren Basis bildet. Jeden- falls ist auch sie wie die Intima ein Ausscheidungsprodukt des Mitteldarmepithels. Dafür spricht, wie MAcMurrıcH hervorhebt, zunächst ihre kontinuirliche Erstreckung und vor Allem die Thatsache, dass ihr eine Hypodermis fehlt. Von der Tunica propria entspringen die Stützfibrillen des Epithels und verursachen auf ihr häufig Ver- diekungen. Außerhalb der Tunica propria lagert die Muscularis. Diese ist Der Darmkanal der Onisciden und Aselliden. 171 von IDE sehr eingehend erforscht worden. Sie besteht aus einer Ring- und Längsmuskelschicht, deren Elemente sämmtlich quergestreift sind. Die Ringmuskulatur, die unterhalb der Längsmuskeln liest, ist im. vorderen Theile des Mitteldarmes stärker entwickelt als in dessen mittlerem Abschnitte. Im letzten Viertel des Mitteldarmes nehmen die Ringmuskeln an Zahl und Stärke allmählich zu und treten im vor- und drittletzten Körpersegmente zu einem kräftigen Sphinkter (Fig. 1 s) zusammen. Hinter dem Sphinkter an dem kurzen Endtheile des Mitteldarmes zeigen sie wieder ihre gewöhnliche Ent- wicklung (Fig. 1). Die Längsmuskulatur, welche oberhalb der Ringmuskeln lagert, fehlt in der Medianlinie der Dorsal- und Ventralseite des Darmrohres. Die einzelnen Longitudinalfasern sind nicht sehr lang, sondern nach kurzer Erstreckung gehen sie in ihre Nachbarfasern über. Be- merkenswerth ist noch, dass am Sphinkter die Längsfasern unter die Ringfasern treten, ein Verhalten, das BALBIAnI in ähnlicher Weise bei Cryptops beobachtet hat (Fig. 1). Charakteristisch sind für die Mitteldarmmuskeln die zahlreichen Anastomosenbildungen, die sie besonders gegen das Rectum hin zeigen. Derartige Brücken finden sich sowohl zwischen den Längsfasern, als auch zwischen den einzelnen Ringmuskeln. Und auch zwischen Längs- und Ringmuskeln bestehen Anastomosen. Am Darme der Aega habe ich alle diese Verhältnisse in wunderbarer Klarheit be- obachten können. Histologisch bestehen die Muskel-Anastomosen theils aus quer- gestreifter, kontraktiler Substanz, theils sind sie undifferenzirt, also plasmatischer Natur. Fast immer enthalten sie einen oder mehrere Kerne. Entdeckt sind die Anastomosen am Mitteldarme der Asseln von Hver. Ipe hat sie später sehr eingehend studirt. Ähnliche Er- scheinungen beschreibt GAMmRoTH! am Chylusdarm der Caprellen, HALLER am Darm der Zaemodipodes Jiliformes, LEYDIG? am Darm der Daphniden und BALBIANI am Myriapoden-Darm. Es erhebt sich nunmehr die Frage, auf welche Funktion lassen die beschriebenen histologischen Eigenthümlichkeiten des Mitteldarmes schließen. Die älteren Autoren bis zu ConkLIn haben diese Frage übereinstimmend dahin beantwortet, dass dem Mitteldarme der Asseln A | 1 GAMROTH, Beitrag zur Kenntnis der Naturgeschichte der Caprellen. Diese Zeitschr. Bd. XXXI. 1878. ? LevyDiG, Naturgeschichte der Daphniden. Tübingen 1860. 172 Walther Schönichen, die Funktionen der Resorption und Sekretion zuzuschreiben seien. Frey und LEUCKART nennen die Epithelzellen des Mitteldarmes ge- radezu »Drüsenzellen«. Die gleiche Bezeichnung findet sich in Donurn’s! klassischer Arbeit über die Embryologie des Asellus. Auch LEREBOULLET behauptet, der Mitteldarm diene der Sekretion. HuET hat die Richtigkeit dieser Angaben alsdann durch Verdauungsver- suche erhärtet. Er fand, dass Mitteldarmstücke die Fähigkeit be- sitzen, Fibrin zu zerstören. Und da er vorher konstatirt hatte, dass das Lebersekret nur Stärke und in geringem Maße auch Fett zu ver- dauen im Stande ist, so ist damit der Nachweis geliefert, dass das Mitteldarmepithel ein eiweißverdauendes Ferment ausscheidet. Schließ- lich hat auch ConkLin die Meinung ausgesprochen, dass der Mittel- darm gleichzeitig secernire und resorbire. Und nicht allein bei den /sopoden, sondern auch bei anderen Krusterfamilien wird die Verdauungsarbeit in den zwischen Magen- ende und Reetumanfang befindlichen Darmabschnitt verlegt. Nach FRENZEL dient bei den Decapoden Mittel- und Enddarm der Re- sorption; nach DOHRN? secerniren die Zellen des Darmes von Pranıza mazillarıs, nach CvAaus? findet bei Dranchipus, Artemia und den Arguliden Sekretion und Resorption im Darme statt. Diesem Consensus autorum gegenüber hat MAcMurkrich letzthin die Behauptung aufgestellt, der Mitteldarm nehme keinerlei Antheil an der Verdauungsarbeit, sondern es sei seine einzigste Aufgabe, die unverdaulichen Nahrungsreste vom Magen zum After zu leiten. Die histologischen Eigenthümlichkeiten der Zellelemente glaubt MaAc- MURRICH durch die Annahme erklärt, dass beim erwachsenen Thiere der Darm einer senilen Degeneration anheimfalle Diese allen bis- herigen Ansichten zuwiderlaufenden Behauptungen machen es mir zur Pflicht, sie einer Kritik zu unterziehen. Zunächst glaubt MacMuvurrichH, der Mitteldarm sei nichts Anderes als der Anfang des Proctodaeums, sei also ektodermalen Ursprungs und in Folge dessen zu den Verdauungsfunktionen unbrauchbar. Dem gegenüber ist einzuwenden, dass die ektodermale Herkurft des Mitteldarmes bisher keineswegs sichergestellt ist. Durch die 1 DoHrn, Die embryonale Entwicklung des Asellus. Diese Zeitschr. Bd. XVII. 1867. 2? DOoHRN, Entwicklung und Organisation von Praniza maxillaris. Ebenda. Bd. XX. 1870. 3 CLAus, Über die Organisation und Entwicklung von Branchipus und Artemia. Arbeiten aus dem zool. Inst. zu Wien. Bd. VI. 1886. Der Darmkanal der Oniseiden und Aselliden. 173 klassischen Untersuchungen von REICHENBACH! ist ja allerdings für Decapoden nachgewiesen, dass nur ein kleines Stück des Darmes entodermalen Ursprungs ist. Ferner hat man nach der grund- legenden Arbeit von Donrn einige Berechtigung zu der Vermuthung, dass der Mitteldarm des Asellus ektodermaler Herkunft sei. Und sowohl BOBRETZKY? als auch NussBAum® haben sogar bestimmt be- hauptet, dass der Darm von Oniscus größtentheils ektodermal sei. Dem widerspricht aber die Angabe von REINHARDT!, dem letzten Bearbeiter dieses Gegenstandes, dass bei Porcellio der Mitteldarm ausschließlich aus dem Entoderm gebildet werde. Die Embryologie giebt uns also bisher keinen sicheren Aufschluss über die Herkunft des Mitteldarmes der Asseln, und wir sind daher darauf angewiesen, aus der Histologie des in Rede stehenden Organs einen Rückschluss auf dessen Abstammung -zu machen. Der ge- waltige Unterschied zwischen dem Kaumagen und dem Reetum einer- seits und dem Mitteldarme andererseits nöthigt zu der Annahme, dass diese Abschnitte. des Verdauungskanals verschiedenen Ursprungs sind. Die ektodermale Herkunft des Kaumagens und des Rectums ist aber nun über jeden Zweifel erhaben; und hieraus folgt, dass für den Mitteldarm ein entodermaler Ursprung außerordentlich wahr- scheinlich ist. Vor Allem aber spricht für diese Ansicht noch die weitgehende Übereinstimmung, die zwischen den zweifellos entoder- malen Leberzellen und den Mitteldarmzellen besteht. Wie dem auch ‚sei, jedenfalls muss MAcMURRICH, wenn der Mitteldarm nicht ver- dauen soll, den Sitz der Verdauung in den Kaumagen verlegen. Vom Kaumagen aber ist, wie schon oben erwähnt wurde, ein ektodermaler Ursprung völlig sichergestellt. MAcMurrıicH kommt also mit seinem ersten Einwande vom Regen in die Traufe, zumal der Kaumagen auch wegen seiner histologischen Struktur zur Verdauungsthätigkeit völlig untauglich ist. Zu seiner sonderbaren Ansicht ist MAcMurrich wohl haupt- sächlich dadurch gekommen, dass er die Intima des Mitteldarmes für porenlos hält. Dass diese negative Angabe nicht den Thatsachen entspricht, ist schon bei der Besprechung der Intima von mir aus- 1 REICHENBACH, Studien zur Entwicklungsgeschichte des Flusskrebses. Abhandl. der SEnckenp. Ges. Bd. XIV. 1886. 2 BOBRETZKY, Zur Embryologie des Oniseus murarius. Diese Zeitschr. Bd. XXIV. 1874. | | 3 NussBAUM, L’embryologie de l’Oniseus murarius. Zool. Anz. Jahrg. 1885. 4 REINHARDT, Zur Ontogenie des Porcellio scaber. Zool. Anz. Jahrg. 1887. 174 Walther Schönichen, geführt worden; und es dürfte auch dieses Argument als irrig er- wiesen sein. Ferner glaubt MAcMurrIcH aus den Resultaten von Fastver- suchen den Schluss ziehen zu müssen, dass der Mitteldarm sich nicht an der Verdauung betheilige. Er ließ Individuen der Species Arma- dillidium vulgare 14 Tage lang fasten und fand, dass während dieser Zeit die — auch von mir in den Mitteldarmzellen dieser Species be- schriebenen, gelblich-grünen — Körnchen keinerlei Veränderungen erfahren hatten. Ganz abgesehen davon, dass eine 14-tägige Fastenzeit für Asseln zu kurz ist, ist demgegenüber zunächst zu erwidern, dass jene gelb- lich-grünen Körnchen gar nicht als Reservestoffe zu deuten sind. MaAcMuvrrichH hält sie auch selbst gar nicht dafür, sondern sagt an einer anderen Stelle seiner Arbeit ausdrücklich, sie seien durch se- nile Degeneration entstandene Zerfallprodukte der Zellen. Es ist also völlig unverständlich, wie MAcMuvrRrIcH aus der Unveränderlich- keit jener Plasmaeinschlüsse auf die Untauglichkeit des Mitteldarmes zur Verdauung schließen kann. Ich habe übrigens Asseln in einem mit feuchtem Löschpapier gefüllten Gefäße monatelang hungern lassen. Ein Vergleich der Mitteldärme von ausgehungerten und gut genährten Individuen ergab, dass bei den ersteren die oben beschriebenen Vacuolen in viel ge- ringerer Anzahl vorhanden waren als bei den letzteren. Dadurch war der Druck innerhalb der Epithelzellen stark herabgesetzt, und die Intima war in Folge dessen in zahllose kleine Falten gelest. Dieses positive Ergebnis dürfte zu dem Schlusse berechtigen, dass man die Vacuolen als resorbirte Nahrung anzusehen hat, was wiederum ein Beweis für die verdauende Thätigkeit des Mitteldarmes sein dürfte. MaAcMuRrRICH hat ferner zur Stützung seiner Ansicht noch Fütte- rungsversuche mit Kochenille angestellt. Aus diesen hat sich ergeben, dass nur in der Umgebung der Lebermündung dieser Farbstoff von den Zellelementen aufgenommen wurde, während im eigentlichen Darmepithel keine Spur einer Tinktion zu finden war. Ich halte auch dieses Argument nicht für beweisend. Denn zunächst glaube ich den Mitteldarmzellen ein eklektisches Vermögen zuschreiben zu müssen. Sodann aber möchte ich darauf hinweisen, dass jedenfalls auch mechanische Hindernisse das Eindringen des Farbstoffes verhindern müssen. Die Poren sind vielleicht, abge- sehen von der Umgebung der Lebermündung, zu enge, um den Der Darmkanal der Oniseiden und Aselliden. 175 Farbstoffkörnchen den Durchgang zu gestatten. Vor Allem aber wird das Sekret, das, wie die Versuche von Huerr bewiesen haben, vom Mitteldarme produeirt wird, bei seinem Austritte dem Eindringen der Kochenillekörnehen ein unüberwindliches Hindernis entgegen setzen. Um die Berechtigung dieses Einwandes zu erweisen, sei hier ein Satz ceitirt, in dem Craus- das Resultat von Karminfütterungsver- suchen, angestellt an Artemia, zusammenfasst: »Der Farbstoff konnte nicht in das Darmepithel eindringen, da letzteres ein schleimiges Sekret abscheidet, in dem die Beweglichkeit der Farbstofikörnchen sehemmt wird.« Schließlich weist MacMurricH noch darauf hin, dass bei vielen parasitischen Isopoden der Mitteldarm eine Verkümmerung erfährt, und zieht daraus den Schluss, dieses Organ könne nur eine unter- geordnete Funktion besitzen. Auch hiergegen lassen sich Einwände erheben. Bei den parasitischen Species verkümmert nicht nur der Mitteldarm, sondern der ganze Verdauungstraetus und in erster Linie der Kaumagen, der überflüssig geworden ist, da jene Geschöpfe nur füssige Nahrung aufnehmen. Nähere Untersuchungen über diesen Gegenstand fehlen zwar zur Zeit noch, doch ist es durchaus wahr- scheinlich, dass in Anpassung an das Schmarotzerleben die Ver- dauungsfunktion theilweise auch in den entsprechend umgewandelten Kaumagen verlegt ist. | Damit dürfte gezeigt sein, dass sämmtliche Argumente MAcMur- RICHS unhaltbar sind. Und es ist endgültig festgestellt, dass der Mitteldarm der Asseln den Funktionen der Resorption und Sekretion - gleichzeitig dienstbar ist. Für diese Ansicht spricht ja auch der histologische Bau dieses Organs. Es sei nur erinnert an die Poren der Intima, an die Riesengröße der Kerne und ihrer Nucleolen, an die Vacuolen im Plasma der Zellen und an den innigen Zusammen- hang der epithelialen Einzelelemente, alles Faktoren, die auf eine sekretorische oder resorbirende Funktion hindeuten. Erwähnt sei auch, dass, wie schon WEBER beobachtet hat, im Lumen des Mittel- darmes häufig Stärkekörner zu finden sind. Da nun nicht anzuehmen ist, dass diese Gebilde mit dem Kothe unverdaut ausgeschieden wer- den, so könnte auch diese Erscheinung auf eine Theilnahme des _ Mitteldarmes an der Verdauung hinweisen. Die zahlreichen Rinnen, die rechtwinkelig einander kreuzend die Innenseite des Mitteldarmepithels durchziehen, dienen offenbar zur Oberflächenvermehrung. Denn es wird, wie eine einfache geo- metrische Überlegung zeigt, die Oberfläche des Darmes um das 176 Walther Schönichen, Doppelte vermehrt, wenn die Tiefe der Rinnen nur den vierten Theil von der Höhe der Epithelzellen beträgt, eine Bedingung, die in den meisten Fällen erfüllt sein dürfte. Auch die beiden tiefen Dorsalrinnen könnte man zunächst aus dem Prineipe der Oberflächenvermehrung erklären. Allein die spalten- förmigen Öffnungen, durch die sie mit dem Darmlumen kommuni- eiren, sind besonders in ihrem hinteren Theile viel zu eng, als dass sie größeren Mengen von Nahrungsstoffen den Durchgang gestatten könnten. Und in der That trifft man auch auf Schnittserien nur außerordentlich selten Fremdkörper innerhalb der Rinnen an. Dem- nach ist es, wie auch HvEr zugiebt, nicht wahrscheinlich, dass die Dorsalrinnen der Resorption dienen. Diese Erwägungen haben bereits LEREBOULLET zur Aufstellung einer anderen Hypothese veranlasst. Er sieht in den Dorsalfurchen Leitungswege des von den Leberschläuchen abgesonderten Sekretes. Allein auch diese Auffassung lässt sich mit den Thatsachen nicht in Einklang bringen. Denn die Leberschläuche münden in eine tiefe, ventrale Ausstülpung des Darmes, während die Rinnen dorsal gelegen sind. Die Lebersekrete müssten also das Lumen des Dar- mes diametral durchwandern, um nach dem. dorsalen Furchenpaare zu gelangen. Wie unberechtigt die Auffassung LEREBOULLET’S ist, seht schon aus der Thatsache hervor, dass das Lebersekret, wie oben näher ausgeführt wurde, nach vorn in den Kaumagen abfließt. Man kann also in dem dorsalen Rinnenapparat wohl kaum etwas „Anderes sehen, als einen Darmtheil, der lediglich eine sekretorische Funktion besitzt. Erwähnt sei noch, dass CLaus! am Darme der Nebaliden eine ebenfalls dorsal gelegene Falte beschreibt, die nach hinten zu immer stärker wird, um sich am Beginne des Afterdarmes als ein selbstän- diger Blindsack abzuheben. CrAus verlegt in diesen Apparat die Ausscheidung eines flüssigen Sekretes und weist auf die Möglichkeit hin, es könne dieses Exkret vielleicht Harn enthalten. Möglicher- weise sind die Doppelrinnen des Landasseldarmes mit dem ent- sprechenden Gebilde des Nebaliden-Darmes morphologisch und physio- logisch zu homologisiren. Ich mag dieser Vermuthung nicht besonders das Wort reden; aber ich möchte doch den Hinweis nicht unter- drücken, dass zwischen dem über dem Darme gelegenen Blutgefäß- ı CLAus, Über den Organismus der Nebaliden. Arbeiten aus dem zool. Inst. zu Wien. Bd. VIII. 1889. Der Darmkanal der Oniseiden und Aselliden. 177 systeme und dem Rinnenapparat eine gewisse Beziehung zu bestehen scheint, indem der letztere dort, wo sich das Rückenherz in einen Gefäßplexus auflöst, ebenfalls sein Ende findet. Das Rectum endlich stellt ein außerordentlich kurzes Rohr dar, das sich auf das letzte Körpersegment beschränkt, und dessen Durchmesser viel kleiner als der des Mitteldarmes ist. Nach hinten kommunicirt es mit der Außenwelt durch einen schmalen Longitudinalspalt, den After. Der histologische Bau des Enddarmes ist dem des Ösophagus vollständig gleich, so dass ich auf die Beschreibung des letzteren Organs ver- weisen darf. Die Intima hängt vorn mit der Intima des Mitteldarmes, hinten{mit der Cuticula des Körperpanzers kontinuirlich zusammen. Der Übergang des großzelligen Mitteldarmepithels in das kleinzellige Rectalepithel ist gänzlich unvermittel. Die Muscularis besteht aus einer Ringsmuskellage, die von einer Längsmuskelschicht überdeckt wird. Außerdem finden sich zahlreiche Muskelfasern, die von der Körperwandung an das Rectum herantreten (Fig. 1 r). Wenn ich zum Schlusse noch die Hauptresultate der vorliegenden Arbeit in einem kurzen Resume zusammenfassen darf, so ist es in erster Linie mein Bestreben gewesen, die zahllosen Widersprüche, die sieh unaufgeklärt in der Litteratur vorfanden, zu beseitigen. Sodann habe ich versucht, ein Gesammtbild des Asseldarmes zu ent- werfen, wobei ich besonderes Gewicht auf eine klare Schilderung des Kaumagens gelegt habe, eine Aufgabe, der bisher sämmtliche Forscher aus dem Wege segangen sind. Außerdem aber hoffe ich, durch die Entdeckung der vom Kaumagen der Landasseln sich ab- zweigenden Kanäle, durch die Auffindung der Poren an der Intima des Mitteldarmes, durch die Beobachtung der Häutung des Darm- kanals sowie durch den endgültigen Beweis der syneytialen Natur des Mitteldarmepithels unsere Kenntnis vom Asseldarme in wesent- lichen Punkten erweitert zu haben. Halle (Saale), Ende Mai 1898. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXV. Ba. 12 178 Walther Schönichen, Der Darmkanal der Oniseiden und Aselliden. Erklärung der Abbildungen, Tafel VI. Fig. 1. Darmkanal von Porcellio (theilweise lateral geöffnet. oe, Öso- phagus; km, Kaumagen; va, Verschlussapparat des Ösophagus; im, Infero-Me- dianum; vl, Infero-Lateralia; /, Lateralia; sm, Supero-Medianum; d, Mitteldarm; s, Sphinkter; r, Rectum. Fig. 2. Querschnitt durch den Ösophagus des Asellus. :, Intima; AR, Häu- tungszone; e, Epithel; p, Tunica propria; rm, Ringmuskeln; Zn, Längsmuskeln; m, Muskeln von der Körperwand. Fig. 3. Schema des Kaumagens von Asellus. g, Grat des ösophagealen Verschlussapparates. Die übrigen Bezeichnungen cf. Fig. 1. Fig. 4 Dornen der Lateralia aus dem Kaumagen von Asellus. Fig. 5. Querschnitt durch den vorderen Abschnitt des Kaumagens von Porcellio. pl, Platte des ösophagealen Verschlussapparates; %, Kanal; si, Stütz- apparat; o, Leiste an diesem; m, Längsmuskeln (ef. Fig. 1 und 2). Fig. 6. Querschnitt durch den vorderen Abschnitt des Kaumagens von Porcellio, etwas hinter Fig. 5. g, Grat des ösophagealen Verschlussapparates. Sonstige Bezeichnungen cf. Fig. 5. Fig. 7. Querschnitt durch den hinteren Theil des Kaumagens von Por- cellio (Bezeichnungen wie vorher). Fig. 8. Querschnitt durch den Mitteldarm von Oniscus. Intima ist ab- gehoben. Bei % ist eine neue ausgeschieden. Fig. 9. Mitteldarmepithelzellen von Oniscus (Querschnitt). Fig. 10. Mitteldarmepithel von Asellus mit Parasit (Querschnitt). Fig. 11. Querschnitt durch den Mitteldarm von Asellus mit der abge- stoßenen Intima im Lumen. Fig. 12. Querschnitt durch den dorsalen Rinnenapparat von Oniscus. Fig. 13. Mitteldarmepithelzellen von Oniscus (Querschnitt). Fig. 14. Mitteldarmepithelzellen von Oniscus, in Falten gelegt. rm, Ring- muskeln; Zn, Längsmuskeln. Fig. 15. Mitteldarmepithelzellen von Oniscus (Längsschnitt). Fig. 16. Mitteldarmepithelzelle von Oniscus (Querschnitt). Fig. 17. Tangentialschnitt durch das Mitteldarmepithel von Porcellio. Fig. 18. Endpunkte der Fibrillen auf der Intima. Fig. 19. Mitteldarmepithelzellen von Oniseus, im Querschnitt. Fig. 20. Mitteldarmepithelzellen von Asellus, im Querschnitt. Fig. 21. Mitteldarmepithelzellen von Asellus, im Querschnitt, zarte Fi- brillen. Beiträge zur Anatomie der Landplanarien. Von Dr. Kosta Krsmanovic (aus Sarajevo). . (Graz.) Mit Tafel VII und VII. Im Sommersemester 1897 übertrug mir Herr Prof. Dr. v. GRAFF die Untersuchung zweier Exemplare der von P. und F. Sarasın auf Celebes erbeuteten und in seiner Monographie als Nr. 131 Geoplana steboldi nov. spec. zu beschreibenden Landplanarien. Das eine Exem- plar stammt von Loka; es ist 32 mm lang bei einer größten Breite von 2,74 mm, seine Geschlechtsöffnung ist 5,5 mm vom Hinterende entfernt und es stimmt in jeder Beziehung mit den typischen in v. Grarrs Taf. XIX, Fig. 6 u. 7 gezeichneten Exemplaren der Geo- plana sieboldi überein. Das zweite Exemplar dagegen war das kleinste der vom Lom- pobatang stammenden breiteren und mehr abgeplatteten Varietät (v. Graff’s Taf. XIX, Fig. 9 u. 10), von welcher in der Monographie schon die geringe Entfernung der Geschlechtsöffnung vom Hinterende hervorgehoben wird. In der That lag hier bei einer Körperlänge von 16 mm und einer größten Breite von 2,92 mm die Geschlechts- öffnung bloß 1,5 mm vom Hinterende entfernt. Die Untersuchung ergab eine Anzahl anatomischer Unterschiede, so in der Ausbildung - der dorso-ventralen Muskeln, der Drüsen, des subeutanen Nerven- plexus, in der Größe der Augen, vornehmlich aber im Baue der Kopulationsorgane zwischen beiden von mir untersuchten Exemplaren, welche es gerechtfertigt erscheinen lassen, die Lompobatang-Varietät als selbständige Species von G. sieboldi v. Graff abzutrennen. Ich schlage dafür den Namen Geoplana steenstrupi vor. Diese Arbeit führte ich im zool.-zootom. Institute der Universität Graz aus, wobei mir Herr Prof. Dr. v. Grarr und Herr Prof. Dr. Zeitschrift f, wissensch. Zoologie. LXV. Bd. 10 180 Kosta Krsmanovig, Bönnig hilfreich zur Seite standen und ich benutze die Gelegenheit, um diesen meinen Lehrern für ihre Anleitung und Unterstützung meinen herzlichsten Dank auszusprechen. Über die Methode der Untersuchung ist nur Weniges zu sagen. Da ich nur konservirtes Material zur Verfügung hatte, so musste ich mich darauf beschränken, Schnittserien anzufertigen, welche theils mit Alaunkarmin, theils mit Hämatoxylin-Eosin oder nach der van Gızson’schen Methode gefärbt wurden. Von den beiden letzteren Verfahren wandte ich das erste mit Erfolg dort an, wo es sich um die Differenzirung verschiedener Drüsen handelte, das zweite, wenn es galt, mesenchymatöse und muskulöse Elemente scharf zu scheiden. Erwähnt möge noch sein, dass ich mein Augenmerk hauptsäch- lich auf die Eruirung anatomischer Verhältnisse richtete, wobei ich aber auch histologische Thatsachen nicht unberücksichtigt ließ, so- bald es der Erhaltungszustand meiner Objekte gestattete. Anatomie und Histologie. 1. Körperbedeckung. Alle Beobachter stimmen darin überein, dass die Ventralfläche der Turbellarien von Cilien bekleidet wird; in Bezug auf die Rücken- fläche divergiren die Angaben einzelner Autoren. Manche wie Mo- SELEY (15), Denpy (3) und Loman (14) haben die Cilien nur auf der Ventralfläche gesehen, andere dagegen, so v. KENNEL (8), BERGEN- DAL (1), IwımA (6), haben sie auch an der Rückenfläche wahrge- nommen. Nach CnIcukorr (2) bedecken die Cilien ursprünglich den ganzen Körper, sie verschwinden jedoch mit dem zunehmenden Alter der Thiere. Bei Geoplana steenstrupi vermochte ich distinkte Cilien sowohl auf der Bauch- als Rückenfläche nachzuweisen, doch waren die der Dorsalseite dünner und kürzer; bei Geoplana sieboldi hin- gegen bedeckte das Epithel der Rückenfläche nur ein zarter Saum, welcher sich nicht in einzelne Flimmerhaare auflösen ließ, ich be- zweifle jedoch nicht, dass sich auch bei Geoplana steboldi Cilien auf der ganzen Körperoberfläche vorfinden. Diese Cilien werden von einem 18--19 u hohen Cylinderepithel getragen, das auf der Rücken- und Ventralfläche von fast gleicher Höhe ist. Messungen ergaben eine Differenz von nur 1 u zu Gunsten des dorsalen Epithels. Die rundlichen oder ovalen, durchschnittlich 4,38 u großen Kerne liegen in den Zellen der Rückenfläche basal, in denen der Ventralfläche sind sie hingegen mehr gegen die Mitte gerückt. Beiträge zur Anatomie der Landplanarien. 181 Nach IrsımA’s (6) Beobachtungen gehen bei Planaria polychroa protoplasmatische Fortsätze von den Epithelzellen aus, welche die Basalmembran durchbohren, sich im Mesenchym verlieren und so eine »organische Verbindung zwischen dem Epithel und dem Körper- inneren« herstellen. Meine Befunde weichen von denen IrsmA’s ab. Bei beiden Formen lagen die Epidermiszellen der Basalmembran dicht auf, pro- toplasmatische Fortsätze fehlten. Die von MoseLey (15) bei Ahynchodemus und Bipalium im Körperepithel gefundenen einzelligen Drüsen fehlen den von mir untersuchten Formen und ich vermuthe, dass es sich auch bei Rhyn- chodemus und Bipalium um die Ausführgänge tiefer im Farenehym selesener Schleimdrüsen handeln dürfte. In die Epithelzellen sind zahlreiche stäbchenförmige, lang- gestreckte, homogene, stark lichtbrechende Stäbchen eingelagert, die, wie für die Trieladen des süßen Wassers bekannt ist, in Drüsen sebildet werden, welche unterhalb des Hautmuskelschlauches ge- legen sind. ItsımA (6), wenn ich ihn recht verstehe, und Loman (14) be- trachten diese Rhabditenbildungszellen (Stäbehendrüsen) als Binde- sewebszellen, während WoopworrH (16) und ÜHICHKOrFF (2) den- selben einen ektodermalen Ursprung geben. Nach Moserey (15) und WoopworTH (16) sollen diese Stäbchendrüsen durch einen Fortsatz der Bildungszelle mit dem Epithel in Verbindung stehen, welcher die Stäbchen dem Epithel zuführt. Im Gegensatz hierzu haben IryımA (6) und CHIcHKorr (2) keine solche Verbindung gesehen. Nach ihnen nehmen die ausgebildeten Rhabditen gruppenweise oder einzeln den Weg durch das Mesenchym. Ich muss allerdings gestehen, dass auch ich keine solchen »Stäbchen- straßen« gesehen habe, trotzdem möchte ich mich nicht ohne Weiteres der Anschauung Irsıma’s. anschließen, um so mehr als mir Herr Prof. Dr. Bönmie mittheilt, dass er bei Planaria gonocephala sehr deutliche Ausführgänge an den Stäbehendrüsen gesehen hat. Auch über die Lage der Rhabditen im Epithel herrscht keines- wegs Einigkeit. Während WoopworrH (16) für sie eine intercellu- lare Lage annimmt, liegen sie nach Irsıma (6) und CHICHKOFF (2) intracellulär. Letztere Behauptung scheint mir die riehtigere zu sein. Sowohl bei Geoplana steenstrupi als auch sieboldi sind die 18 u langen, gleichmäßig dicken (eirca 1,4 u), an beiden Enden zugespitzten, zuweilen s-förmig gebogenen Rhabditen über die ganze Körperober- 13* 182 | Kosta Krsmanovig, fläche vertheilt. Sie fehlen nur am vorderen Körperende, wie schon MoseEL£EyY (15) bei Ahynchodemus und Bipalium beobachtet hat, sowie an den Seitenrändern des Thieres. In den Epithelzellen der Ventral- seite sind sie bei Geoplana sieboldi allerdings, wenn auch in erheb- lich geringerer Menge vorhanden; dagegen vermisste ich sie vollständig im Kriechsohlenepithel der Geoplana steenstrupi, doch ist zu bemerken, dass Rhabditenbildungszellen in dieser Region allerdings gefunden worden sind. Aus diesem Grunde und mit Rücksicht auf Befunde bei Geoplana sieboldi erscheint es mir immerhin möglich, dass ihr Nichtvorhandensein an dieser Stelle nur ein zufälliges ist. In den Epithelzellen der Ventralfläche von Geoplana sieboldi liegen neben den typischen Rhabditen noch spindelförmige, granu- lirte Körper, die Herr Prof. v. GRAFF für Sekret erythrophiler Drüsen erklärt (Fig. 11 ed). Ich vermisste derartige Gebilde dagegen bei Geoplana steenstrupi. Da ich die Thiere im lebenden Zustand nicht beobachten konnte, kann ich mir auch keine feste Anschauung über die Bedeutung der Stäbchen bilden, jedoch scheint mir die von v. KENNEL ausgesprochene Meinung, dass dieselben zum Fange der Beute dienen, das Richtige getroffen zu haben; vielleicht besitzen sie bei den Landplanarien noch die Funktion, die Thiere wenigstens etwas vor der ungünstigen Einwirkung der Trockenheit zu schützen, mdem sie den Körper mit einem schleimigen Überzug bedecken, welcher für einige Zeit wenig- stens einen Schutz gegen das Vertrocknen bieten dürfte. 2. Basalmembran. Dieselbe stellt eine 1,4 u dieke Membran dar, welche sich bei Anwendung der van GIEson’schen Methode ziemlich intensiv roth färbt. Auf der Ventralfläche ist sie viel stärker als an den übrigen Partien. IrsımA (6) und CHICHKOoFF (2) betrachten diese Membran als ein Produkt der Mesenchymzellen, während WooDworTH (16) eine epi- dermoidale Herkunft annimmt. Nach v. Kenner (8), Denpy (3) und WoopworTH (16) ist die Basalmembran strukturlos und homogen; ein granulirtes Aussehen besitzt dieselbe zufolge CHICHKorF's (2) Beobach-. tungen. IıyımA (6) schließt sich in dieser Hinsicht den erstgenannten Autoren an, betont allerdings, dass sie unter Umständen auch eine körnige Struktur annehmen kann. Ich muss gestehen, dass ich von einer derartigen Beschaffenheit nichts wahrnehmen konnte, sie er- schien mir stets strukturlos und homogen. Der letztere Beobachter bildet einen Fall ab, wo die Basalmembran nach innen unregel- Beiträge zur Anatomie der Landplanarien. 183 mäßige, ansehnliche, zapfenförmige Erhebungen zeigte. Woop- WORTH (16) bemerkte bei Phagocata ein gezähneltes Aussehen der Basalmembran. Ich habs gleich CuIcHKorr (2) von solchen Fort- sätzen nichts sehen können und finde die Basalmembran durchwegs glatt begrenzt. | An dieser Stelle sei noch ein interessanter Befund bei Geoplana sieboldi besprochen. Hier ist die Basalmembran an jenem Körper- theil, an dem sie den Kopulationsapparat umschließt, eigenthümlich modifieirt. Wie aus der Fig. 11 mdbm zu entnehmen ist, besteht sie hier aus einem äußeren Saum, welcher sich mit Hämatoxylin blau färbt und aus einer 23 « hohen roth gefärbten Schicht von sehr feinkörnigem Aussehen, die sich nach innen in zahlreiche Streifen zerspaltet. Diese Streifen gehen in Bindegewebsfasern über, durch- setzen die Ring- (rm) und Längsmuskelschicht (Zm) des Hautmuskel- schlauches und verlieren sich im übrigen Mesenchym. Auf der Ventralfläche erstreckt sich diese Membran so weit als der Kopula- tionsapparat reicht, während sie dorsal über dem Penis gefunden wird. Auch ist sie ventral erheblich dieker. Nach vorn und hinten seht sie allmählich in die gewöhnliche Basalmembran über. 3. Muskulatur. Die Muskulatur zerfällt in den Hautmuskelschlauch und die Parenehymmuskulatur. Ersterer umfasst alle jene Muskelschichten, die nach außen von dem peripheren Nervenplexus gelegen sind, letztere dagegen alle innerhalb des Plexus befindlichen Muskellagen. Der Hautmuskelschlauch beider Arten setzt sich aus drei Schichten zusammen, nämlich von außen nach innen fortschreitend aus eirkulär, diagonal und longitudinal verlaufenden Faserschichten. Am schwäch- sten entwickelt ist die Ringmuskelschicht, etwas stärker ausgebildet sind die sich unter spitzem Winkel kreuzenden Diagonalfasern. Die dritte Schicht, die der Längsmuskeln, formt die Hauptmasse des Hautmuskelschlauches; auf Querschnitten erscheint sie in ovale Bündel angeordnet, welche, wie man auf Flächenschnitten sieht, mittels einiger Fasern unter einander in Verbindung stehen. Die größeren Muskel- bündel zerfallen zuweilen, wie aus der Fig. 1 kml und Aml, (Geoplana steenstrupi) hervorgeht, in kleinere, die nur durch sehr dünne Züge mesenchymatösen Gewebes von einander getrennt werden. Wenn auch in beiden Arten die Zahl und gegenseitige Lagerung der Muskelschichten eine vollkommen übereinstimmende ist, so er- geben sich doch in so fern erhebliche Ditferenzen, als bei Geoplana 154 Kosta Krsmanovic, steenstrupi der gesammte Hautmuskelschlauch und daher im ent- sprechenden Maße auch die einzelnen Schichten erheblich kräftiger ausgebildet sind als in Geoplana steboldi.. Bei der letztgenannten Art ist der Hautmuskelschlauch auf der ventralen Seite in der ganzen Länge des Thieres erheblich dicker als auf der dorsalen; anders liegt die Sache bei Geoplana steenstrupi, in so fern hier im ersten Viertel das umgekehrte Verhältnis obwaltet, in den übrigen Körperpartien finden wir auch hier die gleiche Ausbildung wie bei Geoplana sieboldı:. Erwähnt möge noch werden, dass bei beiden Formen in den seitlichen Partien die Muskulatur überhaupt am schwächsten ist, wie aus Fig. 1 hervorgeht. Die Parenchymmuskulatur setzt sich aus dorso-ventralen, longi- tudinalen und transversalen Fisern zusammen. Von diesen sind die longitudinalen auf die Ventralseite beschränkt, sie liegen hier dicht unterhalb der Hauptmasse des Nervensystems (Fig. 1 Zmv). Ober- und unterhalb des Darmes (Fig. 1 mid und mim), sowie unterhalb der ventralen Longitudinalfasern (bei mto) sind querverlaufende musku- löse Elemente zu beobachten; in Übereinstimmung mit v. KENNEL (8) glaube ich, dass es sich um abgebogene dorso-ventrale Muskelbündel handelt, da dieselben kurz vor dem Körperrande theils dorsal, theils ventral abbiegen und sich niemals in die Randpartien des Haut- muskelschlauches einzusenken scheinen. Für Planaria polychroa wird die geäußerte Auffassung von IıyımA (6) und CHICHKOrF [?2) allerdings bestritten; da ich die genannte Süßwassertriclade nicht selbst untersucht habe, bin ich nicht in der Lage, anzugeben, ob die gedachten Fasern thatsächlich, wie Iısıma und CHICHKOFF angeben, quer verlaufen; es wäre ja immerhin möglich, dass in dieser Be- ziehung bei den einzelnen Arten ein verschiedenes Verhalten vorliegt. Die dorsoventralen Fasern (mdv), welche bei Geoplana steen- strupi nicht unerheblich stärker entwickelt sind als bei Geoplana sie- boldi, bilden mehr oder weniger lockere Bündel, welche sich zum Theil so innig an den Darm anlegen, dass sie physiologisch den Zweck einer speceiellen Darmmuskulatur zu leisten vermögen. Die einzelnen Fasern verästeln sich an beiden Enden und treten in die Schichten des Hautmuskelschlauches ein; ich vermochte sie hier nur bis in die mitt- lere also Diagonalfaserschicht zu verfolgen und muss es daher zweifel- haft lassen, ob sie sich an die Basalmembran inseriren oder nicht. Positiv behauptet wird die Insertion dieser Fasern an der Basal- membran nur von CHICHKOFF (2) für Planaria lactea und von Lang (9) für Gunda segmentata. Beiträge zur Anatomie der Landplanarien. 185 Wenn ich meine Befunde mit denjenigen von Moszrey (15) und v. KEnnEL (S) vergleiche, so ist zunächst hervorzuheben, dass die beiden genannten Forscher in den Hautmuskelschlauch Schichten einbeziehen, die ich der Körpermuskulatur zurechnen muss. MoseE- LEY (15) unterscheidet bei Aihynchodemus und Bipalium äußere Ring- muskeln, äußere Längsmuskeln, innere Ringmuskeln und innere Längs- muskeln. v. Kenner (8) zufolge sind nur drei Schichten vor- handen; die äußere Ringmuskelschicht, welche MosELEy beschreibt, hat dieser Forscher nicht auffinden können, Meine Resultate bei Geoplana steenstrupi und Geoplana sieboldi lassen sich besser mit denen Moseury’s (15) als mit denen von v. KEnneEu (8) in Überein- stimmung bringen, nur ist bei den von mir untersuchten Geoplaniden, wie aus dem früher Gesagten hervorgeht, noch eine Schicht vor- handen, nämlich die Diagonalfaserschicht. Einiges sei noch über die Histologie der Muskelfasern beigefügt. Bei Geoplana steenstrupi lässt sich an fast allen Muskelfasern eine diehtere, stärker lichtbrechende und intensiver färbbare Rindenschicht von einer centralen feinkörnigen deutlich unterscheiden. In die letztere ist der Kern eingebettet. Das Bild erinnert mithin außerordentlich an die Muskelfasern der Hirudineen. Es ist aber hervorzuheben, dass diese Differenzirung nicht immer deutlich zu erkennen ist, ja bei Geoplana sieboldi waren außerordentlich wenige derartige Muskel- fasern vorhanden, die meisten von ihnen waren nur von jener Sub- stanz gebildet, die in dem ersterwähnten Fall die Rindenschicht darstellt. Diese Verschiedenheit im Bau der Muskelfasern bei den Trieladen ist nicht neu, sie wurde schon von Lane (9), Iyıma (6), WoopwoRrTH (16) und JANDER (7) gesehen. CHIcHKorr (2) allein hat dieselbe niemals auffinden können, er meint daher, dass die früheren Beobachter einer Täuschung unterlegen seien. Eine derartige Ver- schiedenheit im Bau der Muskelfasern besteht aber ganz entschieden; ob dieselbe von Bedeutung für die Leistung der Muskeln ist, ist schwierig festzustellen, aber wohl möglich. Sehr interessant scheint mir die Lagebeziehung des Kernes zu sein, in so fern die Kerne bei jenen Muskeln, welche eine centrale Sarcoplasmaschicht besitzen, in dieser liegen, ähnlich wie es bei den Hirudineen der Fall ist. Es ist möglich, dass die übrigen Muskelfasern in Verbindung mit Myoblasten stehen, wie das von JANDER (7) behauptet wird; ich kann mir in dieser Beziehung kein Urtheil anmaßen, da die von mir befolgten Methoden speciell für diesen Zweck wenig vortheil- hafte waren. 186 Kosta Krsmanovi£, 4. Drüsen und Mesenchym. Nach der Art des Sekretes haben wir im Körper unserer Geo- planiden mehrere Arten von Drüsenzellen zu unterscheiden. v. Kenner (8) spricht in seiner Abhandlung nur von einer Art von Drüsen, nämlich Schleimdrüsen. Iıusıma (6) beschreibt schon zweierlei Drüsengruppen: die Schleim- und Speicheldrüsen, bemerkt aber selbst, diese beiden Drüsengruppen nur nach dem Ausmündungs- orte getrennt zu haben. Die Schleimdrüsen münden nach ihm an der Körperoberfläche nach außen und zwar hauptsächlich am Rande der Ventralfläche; als Speicheldrüsen bezeichnet er diejenigen Drüsen, welche am freien Ende des Pharynx ausmünden; »im Bau und Ge- stalt,« sagt Iyıma, »sind sie (nämlich die Speicheldrüsen) nicht im geringsten von den schon beschriebenen Schleimdrüsen zu unter- scheiden<. CHICHKOFF (2) hat als Erster die Trennung beider Drüsen- arten vollständig durchgeführt. Die Speicheldrüsen besitzen nach ihm eine mehr oder weniger runde Gestalt und immer nur einen einzigen, kurzen Ausführungskanal, die der Schleimdrüsen ist dagegen variabler. Die Speicheldrüsen sollen ihr Sekret in den Darmkanal selbst ent- weder direkt durch Ausführungsgänge oder durch das Mesenchym hindurch ergießen. Die Art der Ausmündung der zweiten Drüsen- gruppe, nämlich der Schleimdrüsen, stimmt mit der von Irsıma an- gegebenen überein. Die Schleimdrüsen liegen bei den beiden von mir untersuchten Geoplana-Arten zerstreut im ganzen Körper (Fig. 1 cyd) zwischen allen Organen; sie sind von ovaler Gestalt, besitzen ein grobkörniges Aussehen und einen großen Kern, welcher stets einen deutlichen, eosinophilen Nucleolus umschließt. Die Speicheldrüsen sind mehr oder weniger rundlich, ihr Inhalt ist erheblich feinkörniger als der der Schleimdrüsen. Charakteristisch ist das verschiedene Verhalten der beiden Drüsenarten gegen Farbstoffe. CHICHKOFF (2) fand, dass sich die Schleimdrüsen intensiv mit Karmin, die Speicheldrüsen dagegen schwach oder gar nicht mit diesem Farbstoff tingiren. JANDER (7) stellte fest, dass zum Nachweis der Schleimdrüsen Häma- toxylin, der Speicheldrüsen dagegen Orange-G sehr geeignet ist. Meine nach der van GıEson’ schen Methode behandelten Präparate zeigten dem ganz entsprechend blau gefärbt die Schleimdrüsen und gelb gefärbt die Speicheldrüsen. Die Schleimdrüsen münden auf der ganzen Körperoberfläche aus. Die Mehrzahl öffnet sich auf der Ventralfläche (cyd,) und den seitlichen Beiträge zur Anatomie der Landplanarien. 187 Partien nach außen, immerhin ist aber auch die Zahl derjenigen, die auf der Dorsalseite ausmünden, nicht unerheblich. Die Speichel- drüsen ziehen längs des Körpers zur Insertionsstelle des Pharynx und von hier aus durchsetzen sie den Pharynx der Länge nach. Über ihren Ausmündungsort werde ich bei der Besprechung des Pharynx selbst sprechen. | Der Angabe CnHicHkorr’s (2), dass die Speicheldrüsen durch Ausführungsgänge sich in den Darm selbst öffnen, muss ich für meine Objekte entgegentreten. CHICHKOFF selbst giebt in seinen Zeichnungen kein deutliches Bild davon, sondern zeichnet Speicheldrüsen, die sich der Darmwand fast parallel anlegen, ihre Einmündung in den Darm wird durch die beigegebenen Abbildungen keineswegs erwiesen; da- segen scheint mir ImımAa (6), dem zufolge diese Drüsen erst im Pharynx ausmünden, meiner Ansicht nach das Richtige zu treffen. Ich will an dieser Stelle auch noch darauf hinweisen, dass ÜCHICHKOFF'’s (2) Behauptung, es erstreckten sich die Ausführungsgänge der Schleimdrüsen nicht bis zur Körperoberfläche, mir nicht stich- haltig erscheint, ich pflichte vielmehr den entgegengesetzten Angaben Irsıma’s (6) vollständig bei. Außer diesen beiden Drüsenarten fand ich sowohl bei Geoplana steenstrupi, als auch bei Geoplana steboldi noch eine dritte Art, welche bei beiden Formen ein abweichendes Verhalten sowohl in Bezug auf die Lage als auch hinsichtlich des Sekretes aufweist. Bei Geoplana steenstrupi sah ich dieselbe auf eine nur kleine Partie des Körpers beschränkt; sie beginnt hier etwa 3 mm hinter dem Vorderende und endet in einer Entfernung von 5 mm von die- sem. Diese Drüsen liegen am zahlreichsten direkt unterhalb des peripheren Nervenplexus zwischen diesem und den dorsalen Trans- versalmuskeln (Fig. 1 ed) und gleichen völlig den von Prof. v. GRAFF bei zahlreichen Landplanarien aufgefundenen erythrophilen Drüsen, deren Sekretballen ja schon oben aus dem Epithel der Kriechsohle beschrieben wurden. Ihre Ausführungssänge ziehen auf geradestem Wege zur Körperoberfläche, indem sie den Hautmuskelschlauch durchbohren. Sehr häufig besitzen diese, speciell mit Eosin stark tingirbaren Drüsen mehrere Kerne, und ich vermuthe, dass solche mehrkernige Zellen durch Verschmelzung einer Anzahl einkerniger entstanden sind, wofür auch die Thatsache spricht, dass diese Drüsen nicht selten reich verästelt erscheinen (Fig. 2). Im Gegensatz zu Geoplana steenstrupi häufen sich die gedachten Drüsen bei Geoplana sieboldi in größerer Menge nur im Vorderende 188 Kosta Krsmanovic, an, und zwar an den Randpartien und an der Ventralfläche. Sie sind hier stets einkernig und von ovaler Gestalt, ihr Sekret be- steht aus erheblich gröberen Körnern als bei der früher besproche- nen Art. Die Ansichten über die Struktur des Mesenchyms bei den Trieladen sind bekanntlich sehr getheilte.e Nach v. KEnNEL (8) besteht das- selbe bei Zihynchodemus terrestris und Geodesmus bilineatus aus einer feinkörnigen Grundsubstanz, in welcher zahlreiche Kerne und Fasern liegen, Iıyıma (6) fand es aus verästelten und unter einander ana- stomosirenden Bindegewebszellen zusammengesetzt. Die Fortsätze der Bindegewebszellen erscheinen nach IısımA (6) bald »als feine Linien, bald verbreitern sie sich zu Platten«. Die Lückenräume des Netzwerkes waren bei manchen Thieren »klar«, bei anderen mit »gleichmäßig vertheilten, ungefärbten Körnchen erfüllte. Ein ähn- liches Verhalten haben auch Loman (14), DENDY (3), CHICHKOFF (2) ‚und neuerlich JANDER (7) für ihre Objekte bestätigen können. Diesen Angaben habe ich nur wenig hinzuzufügen. Das Mesen- chym ist auch bei meinen beiden Formen von reticulärem Bau, wie dies die Fig. 9 (me) deutlich zeigt. Die Ausläufer der Zellen ver- binden sich zum Theil unter einander, zum Theil umspinnen und umgreifen sie in Form von Fasern und Platten, wie ich des Näheren bei der Besprechung des Penis aus einander setzen will, die musku- lösen Elemente. Die Maschenräume werden höchst wahrscheinlich von einer wenig färbbaren, homogenen Substanz erfüllt. In der Gegend des Kopulationsapparates von Geoplana sieboldi findet sich eine eigenthümliche Differenzirung des mesenchymatösen Gewebes, welches bei der Betrachtung mit mittlerer Vergrößerung eine Art Platte, circa 1 mm breit und 1,8 mm lang, darstellt, die in einiger Entfernung vor dem Kopulationsapparate anhebt und sich nach hinten etwas über denselben erstreckt. Die feinere Struktur dieser Platte ist außerordentlich schwierig zu eruiren. Bei Anwendung stärkerer Systeme bietet sie häufig ein feinkörniges Aussehen dar, und die feinkörnige Grundsubstanz wird von dickeren und feineren Fäserchen durchzogen, welche sich netzartig verflechten (s. Fig. 11 dgp). An anderen Stellen dagegen ist von der erwähnten feinkörmigen Grund- substanz nichts zu bemerken, hier besteht sie, so viel ich sehen konnte, bloß aus außerordentlich eng verwebten Fäserchen, die aller- dings ihrerseits wieder von ungemein kleinen Körnchen gebildet zu werden schienen. Die Kerne, die sich in der Platte vorfinden, sind theils rundlich, theils von unregelmäßiger Gestalt. Von der Um- Beiträge zur Anatomie der Landplanarien. 189 gebung einzelner Kerne singen eine größere Anzahl der erwähnten diekeren Fasern aus und ich erhielt den Eindruck, dass es sich hier- bei nicht um zufällige Lagebeziehung der Fasern und Kerne handelte, sondern möchte vielmehr annehmen, dass die ersteren Reste von zu diesen Kernen gehörigen Zellleibern darstellen. In Anbetracht dessen, dass an einzelnen Stellen ein direkter Zusammenhang zwischen den Randpartien der Platte und dem umliegenden Mesenchymgewebe besteht, bin ich geneigt anzunehmen, dass die ganze Platte selbst speciell differenzirtes Mesenchymgewebe darstellt. Es ist auch weiter- hin hervorzuheben, dass sie mit der hier (worauf ich schon früher hingewiesen habe) eigenthümlich modifieirten Grundschicht in inniger Verbindung steht. Die Bedeutung dieser Platte sowie der oben be- schriebenen, in derselben Region zu beobachtenden Verdiekung der Basalmembran scheint mir darin zu liegen, dass sie den Kopulations- apparat vor Verletzungen, namentlich von der ventralen Seite her, zu schützen geeignet erscheint. 9. Verdauungsorgane. Die Entfernung des Mundes vom vorderen Körperpole beträgt bei Geoplana steenstrupi 9,5 mm, bei Geoplana steboldi 15,5 mm, er liegt also ungefähr in der Körpermitte und am hinteren Ende der Pharyngealtasche. Das Epithel der Pharyngealtasche besteht durchaus von der Mundöffnung angefangen bis zur Insertion des Pharynx aus platten Zellen, die der Cilien entbehren und in denen ich nur dann und wann deutliche Kerne nachweisen konnte. Ein stellenweises Fehlen der Zellen, wie es von CHICHKOFF (2) für manche Süßwasser- tricladen beschrieben wird, habe ich niemals bemerkt. Auf die Epithelschicht folgt eine Muskellage, welche als eine direkte Fortsetzung der Längsmuskeln des Hautmuskelschlauches auf- zufassen ist, die Ringmuskeln desselben enden dagegen in der Um- gebung des Mundes. Hinsichtlich der erwähnten Längsfaserschicht ist zu bemerken, dass dieselbe nicht an allen Orten gleich dick ist, sondern in der vorderen Partie der Tasche aus mehreren Schichten, in der hinteren dagegen nur von einer einzigen gebildet wird. Hierzu gesellen sich noch ein bis zwei Lagen Ringmuskeln, die jedoch nur das vordere Ende der Pharyngealtasche umgeben und sich weiterhin in den Pharynx fortsetzen. Der Pharynx ist bei beiden Formen von rein eylindrischer Ge- stalt, seine Länge beträgt bei Geoplana steenstrupi 1,3 mm, der Breiten- 190 Kosta Krsmanovie, durchmesser 1,1 mm, die entsprechenden Maße sind für Geoplana steboldi 1,2 mm und 1,4 mm. Hinsichtlich seines Baues unterscheidet er sich wenig von dem- jenigen der Süßwassertrieladen. Von außen nach innen fortschreitend _ treffen wir (Fig. 10) auf folgende Schichten: Epithelialschicht (ep), Basalmembran, äußere Längs- (alm) und äußere Ringmuskelschicht (arm), locker angeordnete Längsmuskeln, welche mit Ringmuskeln untermischt sind (Ir), eine breite bindegewebige Zone (me), innere lockere Ringmuskelschicht mit Längsmuskeln untermischt und Epithel des Lumens. Das äußere Epithel des Pharynx hat eine sehr verschiedene Be- urtheilung erfahren. MoseELey (15), v. KEnNeL (8), Lang (9), Irsıma (6) berichten bald von einem flachen, homogenen, bald von einem körnigen Epithel, in welchem sie keine Kerne und keine Zellgrenzen nach- zuweisen vermochten. WOo0oDWORTH (16) und ÜHICHKOFF (2) wiesen die Zellgrenzen nach, erklärten aber wiederum das Epithel für kern- los. Erst JANDER (7) verdanken wir eine eingehende und den That- sachen entsprechende Beschreibung dieser Schicht. Er stellte fest, dass die Epithelzellen bei Embryonen oder bei sich regenerirenden Pharynges eine kubische Gestalt besitzen, dass diese sich ändert, in so fern die Zelle sich in die Länge streckt und mit ihrem basalen Theile zwischen die tiefer gelegenen Schichten rückt und hierbei wandert auch der Kern in den basalen Zellfortsatz. Da Geoplaniden von JANDER nicht untersucht worden sind, habe ich meine Aufmerksamkeit speciell auf diesen Punkt gerichtet und kann JAnDER’s Resultate bestätigen, in so fern auch hier die Epithel- zellen aus einem äußeren, plattenartigen Theil, welcher kurze Cilien trägt, und einem kernhaltigen Fortsatz bestehen. Letzterer reicht bis in die äußere Ringmuskelschicht, wie aus der Fig. 10 Af zu ersehen ist. | Die Basalmembran, welche wir an der äußeren Fläche des Pharynx unterhalb der Zellplatten (ep) bemerken und die natürlich von den kernhaltigen Fortsätzen der Zellen — und nur solche habe ich gesehen — durchbohrt wird, entspricht in ihrer Struktur voll- ständig jener des Körpers, sie ist mithin strukturlos. Direkt unterhalb der Basalmembran (dx) liegt die 3—4 Schichten starke äußere Längsmuseularis (am). Auf sie folgt eine etwas stärkere Ringmuskelschicht, welche durch radiär verlaufende Muskel- fasern (ram,), Schleimdrüsenausführgänge (cyd,) und endlich durch die kernhaltigen Fortsätze der Epithelzellen in einzelne Bündel zerlegt Beiträge zur Anatomie der Landplanarien. 191 wird, welches Verhalten aus Fig. 10 deutlich hervorgeht. Wie schon erwähnt, sind diese beiden Schichten direkte Fortsetzung jener Muskellagen, welche den vorderen Theil der Pharyngealtasche um- geben. Weiter nach innen wird der Pharynx von locker angeordneten Längs- und Ringmuskeln durchzogen (Zrm), die ein etwas stärkeres Kaliber als die Fasern der oben besprochenen Muskelschichten be- sitzen; ihr Ursprung von der Parenchymmuskulatur kann keinem Zweifel unterliegen. An der Ansatzstelle des Pharynx zweigen von diesen Muskeln einige schräg zum Hautmuskelschlauch ziehende Fasern ab und stellen den Musculus retractor pharyngis dar. Alle Schichten des Pharynx werden von mesenchymatösem Ge- webe durchzogen, eine besondere Mächtigkeit erlangt dasselbe jedoch nur in der mittleren breiten Zone, welche die äußere und innere Pharyngealmuskulatur trennt. Das Mesenchym des Pharynx besitzt gleich dem Körpermesenchym einen ausgesprochen retikulären Cha- rakter; die Maschen des Netzwerkes sind in der Mitte des Pharynx weit, gegen die Oberfläche verengern sie sich mehr und mehr. Nach JANDER (7) werden bei Gunda ulvae alle Muskelfasern »von einer Scheide aus bindegewebiger Gerüstsubstanz« umhüllt, »die als ein schmaler, blauer Ring scharf gegen die gelb gefärbte kontraktile Substanz absticht« und ähnlich verhält es sich auch bei Dendrocoe- lum lacteum, wie aus der Fig. 26 JAnDER’s hervorgeht. Diese Bindegewebszone wird reichlich von Drüsenausführgängen durchsetzt, die Drüsenkörper selbst liegen außerhalb des Pharynx theils vor, theils hinter demselben. Bis auf CHIcHKorr (2) wurde die Gesammtheit dieser Drüsen als Speicheldrüsen bezeichnet, so sprechen Lane (9), Irsıma (6) und LEHNeErRT (12) nur von Speichel- drüsen. CHICHKOFF war der Erste, welcher zweierlei Drüsen unter- schied: »glandules muqueuses« und »glandules salivaires«. Die ersteren verhalten sich nicht anders als die Schleimdrüsen, welche an der Körperoberfläche ausmünden; des Baues der letzteren wurde ebenfalls schon früher gelegentlich der Besprechung der Drüsen im Allsemeinen Erwähnung gethan. Lane (9) zufolge münden die Speicheldrüsen bei Gunda seg- mentata an der ganzen Oberfläche des Pharynx, hauptsächlich an dessen freiem Ende nach außen. Irma (6) bemerkt, dass bei den von ihm untersuchten Formen das Mündungsfeld der Drüsen aus- schließlich auf die Lippe des Pharynx beschränkt ist. Für Dendro- coelum lacteum hat JANDER (7) ein derartiges Verhalten bestätigen x 192 Kosta Krsmanovic, können. ÜHICHKOFF’s (2) Beobachtungen decken sich in so weit mit denen Lang’s, als auch er die Ausmündung der Drüsen über die gesammte äußere Pharynxoberfläche feststellen konnte. Am Rand des Pharynx und den angrenzenden Theilen des Pharynxlumens sollen sich jedoch nur Speicheldrüsen nach außen Öffnen. JANDER’s Untersuchungen haben diese ÜHICHKOFF’schen Angaben im Wesent- lichen bestätigt. Die Hauptausmündungsstelle der Schleim- und Speicheldrüsen wäre nach JANDER (7) der freie Rand des Pharynx. Von hier aus greifen die Mündungen der letzteren nur »auf den distalen Abschnitt der äußeren und der inneren Oberfläche über, während die Mündungen der Schleimdrüsen auf der inneren Ober- fläche nur um ein Weniges, auf der äußeren Oberfläche jedoch bis zum Grunde des Pharynx über sie hinaus reichen«. Meine Befunde stimmen im Allgemeinen mit den Resultaten JANDER’s überein. Die Schleimdrüsen (cyd,) münden an der gesammten äußeren Oberfläche, hauptsächlich aber am Rande, die Speichel- drüsen (aspd) am Rande und an der distalen Hälfte der Außenfläche des Pharynx aus. Ein Übergreifen dieser Drüsenmündungen auch auf die Innenfläche, wie dies CHICHKOFF (2) und JANDER (7) an- geben, findet weder bei Geoplana steenstrupi noch bei Geoplana steboldi statt. Beiderlei Drüsengänge verlaufen nicht getrennt, son- dern eng durch einander, »in engster Wechsellagerung«, wie JANDER sich ausdrückt. | Auf die Drüsenzone folgt eine Muskelschicht, welche abwech- selnd von Ring- und Längsmuskeln gebildet wird. An sie schließt sich das innere Epithel an, welches bei beiden Arten sehr schlecht erhalten war, ich vermag daher nicht zu entscheiden, ob die Zellen mit Cilien versehen sind oder nicht. Schließlich sei noch der Radiärfasern (Fig. 10 ram) gedacht, welche die stärksten muskulösen Elemente im ganzen Pharynx re- präsentiren; ihr Querdurchmesser beträgt durchschnittlich 5 u (ram), der anderer Muskelfasern eirca 1,8 u. Sie verästeln sich an beiden Enden (ram,) reichlich und dringen mit diesen zwischen die äußeren und inneren Muskelschichten ein; Genaueres über ihre Insertions- punkte habe ich nicht feststellen können. Was den histologischen Bau der Pharyngealmuskulatur anlangt, so kann ich auf das verweisen, was ich bei der Besprechung der Parenchymmuskulatur darüber gesagt habe. Der Darm besteht, wie bei allen Trieladen, aus drei Hauptästen, einem vorderen und zwei hinteren, von denen Seitenäste abgehen, Beiträge zur Anatomie der Landplanarien. 193 welche sich, nach den Schnitten zu urtheilen, noch einmal dichoto- misch theilen. Die Darmzellen sind hohe, eylindrische, am basalen Ende ver- jüngste Zellen, welche einer deutlichen Membrana propria aufsitzen; eine solche wurde auch von Lane (9) für Gunda segmentata und von Iısıma (6) für Dendrocoelum lacteum, Planaria polychroa und - Polycelis tenwis nachgewiesen, v. KENNEL (8) (Rhynchodemus terrestris und Geodesmus bilineatus), LOMAn (14) (Bipalium) und LEHNERT (12) (Bipalium kewense) hingegen vermissten dieselbe. Eine Eigenmusku- latur fehlt dem Darm und ich befinde mich in dieser Hinsicht in Übereinstimmung mit allen oben angeführten Beobachtern, nur LEHNeERT (12) hat den Eindruck gewonnen, »als wären namentlich die ventral gelegenen Darmzellen einem feinen Gespinst von Muskel- fasern angeheftet«. Die Darmzellen selbst sind mehr oder weniger stark vacuolisirt, der Inhalt der Vacuolen besteht aus größeren und kleineren Körn- chen, welche sich bei Doppeltinktion verschieden färben. Die Kerne liegen im basalen Theil oder auch in der Mitte der Zellen und ent- halten ein größeres oder kleineres Kernkörperchen. Zwischen den beschriebenen Zellen finden sich noch kürzere, dafür aber breitere, die mit stark lichtbrechenden Körnchen erfüllt sind und von den gewöhnlichen Darmzellen meist förmlich überwölbt werden. Das konstante Vorkommen dieser Zellen, ihr charakteristisch gefärbter Inhalt führt mich zu der Auffassung, dass es sich hier um Drüsenzellen handelt und nicht um gewöhnliche Darmzellen, welche von stark lichtbrechenden Nahrungskörperchen erfüllt werden. v. KEnNEL (8) fasst gleich mir diese Zellen ebenfalls als Drüsen- zellen auf, während IrsmA (6) und CHIicHKOFF (2) meinen, dass es sich auch um assimilirende Zellen handle, welche von Ölkugeln er- füllt werden. 6. Nervensystem und Sinnesorgane. Das Nervensystem der Trieladen hat durch v. Kenner (8), Isıma (6) und CHrcHkorr (2), besonders aber durch Lane (10, 11) eine eingehende und umfassende Darstellung erfahren. Den Resul- taten dieser genannten Forscher habe ich allerdings nicht sehr Wesentliches hinzuzufügen, doch ergeben sich manche Einzelheiten, welche mir der Erwähnung nicht unwerth erscheinen. v. Kenner (8) war der Erste, welcher in dem Vascularsystem Moszuey’s das eigentliche Nervensystem erkannte. Dasselbe besteht 194 Kosta Krsmanovig, nach ihm aus dem Gehirn, welches ohne scharfe Grenze in die Längsstämme übergeht. Lane (11) zufolge ist das Gehirn der Landtrieladen »nichts weiter, als ein kräftiger, entwickelter Theil der Längsstämme mit ihren Kommissurene. Bei Gunda segmentata, einer Meerestriclade, stellte LAnG (11) im Gehirn eine obere, vordere Partie, die senso- rielle, und eine untere, hintere, die motorische, fest. Von der ersteren entspringen die Nervi optieci und die Tastnerven, deren er drei Paare anführt. Die beiden Partien werden durch motorisch-sensorielle Fasern mit einander verknüpft; zu ähnlichen Resultaten gelangten auch IryımA (6) und späterhin CHICHKOFF (2). An dem centralen Theil des Nervensystems meiner beiden Land- planarien vermag man eine vordere, kürzere, massigere und eine hintere, schmächtigere, durch das ganze Thier sich erstreckende Partie zu unterscheiden, wobei aber hervorzuheben ist, dass die Tren- nung keine scharfe ist, es gehen vielmehr beide Abschnitte allmählich in einander über. Der erstere stellt das Gehirn dar, der letztere die beiden Längsstämme oder Seitenstämme. Es sei vor Allem hervorgehoben, dass ich eine deutliche Tren- nung des Gehirns in zwei Partien — eine obere sensorielle und eine untere motorische — nicht feststellen konnte, das Vorhandensein dorsaler und ventraler Kommissuren in diesem Gebiete veranlasst mich aber trotzdem anzunehmen, dass eine solche, wenn auch nicht deut- lich ausgeprägte Trennung wirklich vorhanden ist. Bei Geoplana steenstrupi reicht das Gehirn fast bis zu den beiden Keimstöcken, bei Geoplana sieboldi hingegen geht dasselbe schon eirca 0,7 mm vor diesen in die Seitenstämme über. | Die beiden Gehirnhälften werden, wie schon erwähnt, durch dor- sale und ventrale Kommissuren mit einander verbunden; im vorderen Gehirnabschnitt liegen sie in kürzeren Abständen von einander als im hinteren, die ventralen sind erheblich stärker als die dorsalen. In Folge der diehten Lagerung der Kommissuren hat es zuweilen den Anschein, als handle es sich nicht um diskrete einzelne Faserbündel, sondern vielmehr um eine Platte von Nervensubstanz, welche sich zwischen den beiden Gehirnhälften ausspannt. An drei Stellen schoben sich bei Geoplana steenstrupi zwischen die dorsalen und ventralen noch mittlere Kommissuren ein. Da dieselben von den dorsalen sowie ventralen Faserzügen gleich weit entfernt waren, dürfte es sich kaum um abgespaltene Partien, sondern um selbständige Faser- züge handeln. Beiträge zur Anatomie der Landplanarien. 195 Der motorisch-sensoriellen Kommissur Lane’s (11) dürften nur schwach ausgebildete Faserzüge entsprechen, die da und dort in schräger, dorsoventraler Richtung das Gehirn durchsetzen. Die Seitenstämme, welche nur durch ventrale Kommissuren ver- bunden werden, weichen entsprechend der zunehmenden Breite der Thiere je weiter nach hinten desto mehr aus einander. Hinter dem Geschlechtsapparat konvergiren sie und vereinigen sich schließlich an der hintersten Körperspitze. Wie die Fig. 3, welche einen Theil eines Flächenschnittes von Geoplana steenstrupi wiedergiebt, zeigt, spalten sich die Kommis- suren (ce) häufig, treten unter einander in Verbindung und stellen so ein unregelmäßiges, bald weit-, bald engmaschiges Netzwerk zwischen den Längsnervenstämmen (st) her; ähnliche Beobachtung haben auch Lang (11), Issıma (6), CHICHKOFF (2) bei Süßwassertrieladen gemacht. Sowohl von dem Gehirn als auch von den Längsnervenstämmen entspringen dorsal, ventral und seitlich verlaufende Nerven (Fig. 1 sx), welche sämmtlich an den dicht unter dem Hautmuskelschlauch ge- legenen Nervenplexus (Fig. 1 rp) herangehen, der bei Geoplana steenstrupi erheblich stärker ausgebildet ist als bei Geoplana steboldt. Iısıma (6) giebt an, dass die Anordnung der von den Längs- nervenstämmen ausgehenden Seitennerven im Allgemeinen derjenigen der Kommissuren entspricht; ich habe eine solche regelmäßige Be- ziehung zwischen Seitennerven und Kommissuren weder bei Geoplana steenstrupi noch bei Geoplana sieboldi feststellen können. Von dem Nervenplexus entspringen außerordentlich zahlreiche, feine Nerven (Fig. 1 pr), welche die Schichten des Hautmuskel- schlauches durchsetzen; ich vermochte dieselben nur bis zur Basal- membran zu verfolgen, dann entzogen sie sich den Blicken. Ein Theil der Augennerven schien mir ebenfalls aus dem Nervenplexus hervorzugehen, in einigen Fällen erhielt ich aber den Eindruck, als durchsetzten die mit den Sehorganen in Verbindung stehenden Faser- züge nur den Plexus. Die nach innen von dem letzteren gelegenen Organe werden augenscheinlich durch Faserbündel innervirt, die direkt von den früher erwähnten dorsalen und seitlichen Nerven abzweigen, ich habe wenigstens niemals centralwärts verlaufende und von der inneren Seite des Plexus ausgehende Nerven auffinden können. Histologie des Nervensystems. Da die Längsnervenstämme einfachere Verhältnisse darbieten ziehe ich es vor, die Histologie derselben vor der des Gehirns zu, Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXV. Bd. 14 196 Kosta Krsmanovig, besprechen. Auf Querschnitten zeigen dieselben bei beiden Formen einen spongiösen Bau, welcher auch allen früheren Untersuchern aufgefallen ist. Die Größe der Maschen ist eine außerordentlich verschiedene, am weitesten sind sie im Allgemeinen in den peri- pheren Partien, außerordentlich eng dort, wo wir die sogenannte Punktsubstanz finden. Diese ist hauptsächlich an jenen Stellen an- gehäuft, wo Nerven entspringen oder Kommissuren vorhanden sind. Wie ich mich überzeugen konnte, ist in den Maschenräumen eine homogene Substanz enthalten, die sich außerordentlich schwach färbt und daher schwierig wahrnehmbar ist. In einem Theile der kleineren Maschenräume speciell in denjenigen, welche als Punktsubstanz (»is) bezeichnet werden, vermochte ich die Durchschnitte feiner Fasern zu erkennen, die ich allein als Nervenfasern in Anspruch nehmen möchte; das früher erwähnte, stark färbbare Netzgerüst, welches eben ‚die Maschenräume umschließt, sowie die wenig färbbare Substanz fasse ich dem zufolge als Stützsubstanzen auf. Entgegen der Behauptung Lang’s (9), dass die Ganglienzellen sich nur an der Peripherie der Längsnervenstämme finden, muss ich her- vorheben, dass sie auch im Inneren der Maschenräume, also der Nervenstämme selbst gelegen sein können. Sie sind meist von ziem- lich erheblicher Größe, unipolar oder bipolar (Fig. 8A zeigt zwei solche); ihre runden oder ovalen Kerne färben sich nur mäßig stark. Außer den Ganglienzellen findet man noch zahlreiche kleinere, runde oder ovale stark färbbare Kerne, welche zweifellos dem Stützgerüst angehören. Die sogenannten Substanzinseln (Fig. 3 si), welche von allen Beobachtern, die sich mit dem Nervensystem der Trieladen beschäf- tigt haben, beschrieben worden sind, fehlen auch Geoplana sveboldi und steenstrupi nicht, sie sind bei der letzteren Form erheblich massiger entwickelt als bei der ersteren. Sie bestehen auch hier aus bindegewebigen und muskulösen Elementen, die die Nerven- substanz durchsetzen; in ihrer Umgebung sammeln sich sehr gern Ganglienzellen an, wodurch diese inselartigen Einlagerungen noch erheblich vergrößert werden. | Der Gehirntheil unterscheidet sich in seinem Baue von dem der Längsnervenstämme im Wesentlichen nur dadurch, dass hier die ner- vösen Elemente, also die Ganglienzellen, in größerer Menge vorhan- den sind, und dass die Stütz- und Hüllsubstanzen mehr in den Hintergrund treten. Das Netzwerk, welches von den letzteren ge- bildet wird, ist viel dichter, weitere Maschenräume sind seltener und Beiträge zur Anatomie der Landplanarien. 197 diese umschließen dann zumeist Ganglienzellen; durch diese Häufung und diehtere Aneinanderlagerung der Elemente erscheint wenigstens auf den ersten Blick der Bau ein komplieirterer und wenig leicht zu analysirender zu sein. Die Augen (Fig. SB) liegen längs des ganzen Körperrandes, vorn sind dieselben dichter angeordnet als hinten. Ihre Größe ist bei der Geoplana steenstrupi veränderlich, der Längendurchmesser varüirt zwischen 38 und 91 u, derjenige der Breite zwischen 35 und 60 u; bei Geoplana sieboldi ist hingegen kaum ein merklicher Unter- schied in der Größe vorhanden, der Längendurchmesser schwankt hier zwischen 75 und 88 «u, der Breitendurchmesser zwischen 70 und 78 u. Die Augen bestehen aus einem Pigmentbecher (pg), welcher nach außen geöffnet ist. Er umschließt eine ansehnliche Zahl kolben- förmiger Gebilde (%), die eine Differenzirung in eine Rinden- und eine Markschicht erkennen lassen, von denen sich die erstere mit Hämatoxylin, die letztere mit Eosin intensiv färbt. Ich verweise auf die Fig. 8 B und C. Weitere Struktureigenthümlichkeiten konnte ich nicht ermitteln. Der verjüngte Theil des Kolbens, welcher der Becher- öffnung zugewendet ist, war stets abgerissen, eine Verbindung mit der vor der Becheröffnung befindlichen Fasersubstanz, in welcher auch Kerne enthalten sind, konnte in keinem Falle beobachtet werden. Eine ganz ähnliche Beschreibung der Augen giebt H&sse (5) von Rhynchodemus terrestris. Er weist darauf hin, dass die Augen. dieser Species eine weitgehende Übereinstimmung mit denen von Dendro- coelum lacteum besitzen. Eine Verbindung der Kolben mit vor dem Becher befindlichen Sehzellen hat auch Hesse nicht wahrgenommen; mit Rücksicht auf die Befunde dieses Forschers an Trieladen des süßen Wassers müssen wir jedoch eine solche annehmen. Sinnesgrübchen habe ich weder bei Geoplana steenstrupi noch bei Geoplana sieboldi finden können. Dieser Umstand verdient be- sonders hervorgehoben zu werden, da bei allen bisher darauf unter- suchten Geoplana-Arten solche nachgewiesen worden sind. 7. Geschlechtsorgane. Im Bau des Geschlechtsapparates zeigen Geoplana_ steenstrupi und Geoplana sieboldi große Übereinstimmung, nur im Baue des Kopulationsapparates lassen sich beträchtliche Unterschiede nach- weisen. In Folge dessen wird eine getrennte Besprechung der beiden Arten nur bei der Beschreibung des Kopulationsapparates 14* 198 Kosta Krsmanovig, sich als nothwendig erweisen. In der Nomenklatur der Theile des Kopulationsapparates folge ich der von v. GRAFF (4) gegebenen Darstellung. Männliche Geschlechtsorgane. Die zahlreichen, kleinen, bläschenförmigen Hoden sind bei bei- den Formen auf die Ventralseite der Thiere beschränkt und auch hier treffen wir sie nur in den seitlichen Partien an, nämlich zwi- schen den Längsnervenstämmen und dem Körperrande, im Mittelfelde fehlen sie vollständig (Fig. 1 te). Sie beginnen bei Geoplana steenstrupi in einer Entfernung von ca. 2,8 mm hinter der vorderen Körperspitze, ein wenig größer ist dieselbe (ca. 3,3 mm) bei Geoplana sieboldi und von hier aus reichen sie bis an die hintere Körperspitze. In Folge der iiberaus dichten Lagerung der Hoden ist die Zahl jedoch, wie schon oben angedeutet wurde, eine sehr bedeutende; bei Geoplana steenstrupi traf ich bei- spielsweise in einem Flächenschnitte von nur 0,7 mm Länge jeder- seits nicht weniger als 16 derselben an (Fig. 3 te). Eine sehr feine, kernlose Tunica propria (tp) umgiebt die ein- zelnen Hoden und trennt sie von dem umliegenden Gewebe; ich befinde mich mithin in Übereinstimmung mit Isma (6), welcher für Planaria polychroa, Dendrocoelum lacteum und Polycelis tenws das Gleiche behauptet. Von einer dicken Bindegewebskapsel, wie sie von v. KEnNEL (8) für Zhynchodemus terrestris und Geodesmus bili- neatus und von CHICHKOFF (2) für Planaria polychroa und Planaria ‚fusca beschrieben wird, habe ich nichts erkennen können, eben so wenig gelang es mir, die dicke Umhüllungsmembran zu sehen, welche MosELEY (15) beschreibt. An die Tuniea propria schließt sich das ein- oder mehrschichtige Lager ansehnlicher, großkerniger Zellen an, die zuweilen in mito- tischer Theilung begriffen waren. Der weitere Inhalt der Hoden- bläschen bestand aus Spermatozoen, Spermatocyten und Haufen kleinerer und größerer Zellen, sogenannter Spermatogemmen. Die Entwieklung der Spermatozoen aus den Spermatogonien habe ich nicht verfolgt, da die Kleinheit der Elemente die Untersuchung überaus schwierig gestaltete. Die Spermatozoen selbst sind von fädiger Gestalt und lassen einen Kopf- und Schwanztheil deutlich erkennen; der erstere, welcher sich mit Hämatoxylin, wie gewöhn- lich, sehr intensiv färbt, ist von spindeliger Gestalt; die Länge der Spermatozoen beträgt 60 u. Beiträge zur Anatomie der Landplanarien. 199 Über die Art und Weise der Verbindung der Hodenbläschen mit den Vasa deferentia gehen die Meinungen der Autoren aus ein- ander; manche von ihnen nehmen an, dass die Hoden mittels feiner Kanäle, die ich Vasa efferentia nennen will, in die Vasa deferentia sich öffnen, so v. KENNEL (8) (für Geodesmus bilineatus), Lan (9), Denpy (3), WoopworrtH (16) und CHICcHKoFF (2), während Andere die Ansicht vertreten, dass das Sperma zunächst in Mesenchymlücken und von hier aus in die Vasa deferentia gelange. Dieser Ansicht huldigt IrsımA (6), wenn er auch für einzelne Hoden eine direkte Kommunikation mit dem Vas deferens zugesteht. Bei Rhynchodemus terrestris würden sich nach v. Krxnev’s (S) Darstellung »alle ein- zelnen Hoden in einander öffnen« und nur die hintersten würden mit den ausführenden Kanälen in Verbindung treten; eine derartige direkte Kommunikation der Hoden unter einander weist übrigens auch IıyımA (6) nicht ganz von der Hand. Bei Geoplana steenstrupi und seeboldi münden meiner Unter- suchung zufolge die aus den Hodenbläschen entspringenden, zarten Vasa efferentia jederseits in einen unterhalb der Längsnervenstämme selegenen Kanal, der jedoch nicht dem Vas deferens der Autoren entspricht, ich nenne ihn das Sammelrohr (Fig. 13 rvd), und dieses erst steht mittels kurzer Kanäle in Verbindung mit dem oberhalb des Längsnervenstammes verlaufenden, eigentlichen Vas deferens (od), welches in die Samenblase einmündet. Die Wandung der Vasa efferentia wird von einem platten, cilien- losen Epithel gebildet, diejenige der Vasa deferentia hingegen setzt sich aus kubischen oder cylindrischen Zellen, welche mit starken Cilien versehen sind, zusammen (Fig. 13). Die Tunica propria der Hoden geht auf die Vasa efferentia über, ob sie sich jedoch auch auf die Vasa deferentia fortsetzt, ist mir zweifelhaft geblieben. Dess- sleichen muss ich es dahingestellt sein lassen, ob die letzteren eine Eisenmuskulatur besitzen oder nieht; mit Sicherheit vermochte ich eine Ringmuscularis nur an dem der Samenblase zunächst gelegenen Abschnitt der Vasa deferentia wahrzunehmen. Die in ihrem Verlaufe gewundenen Vasa deferentia, welche durch reichliche Anhäufung von Spermatozoen in ihrer hinteren Partie stark erweitert waren und sogenannte »falsche Samenblasen« bilden, biegen bei Geoplana sieboldi unter ziemlich scharfem Winkel dorsal- wärts, um zum Kopulationsapparat zu gelangen; bei Geoplana steen- strupi ist keine derartige scharfe Biegung vorhanden; in beiden Fällen münden die Vasa deferentia getrennt in die Samenblase ein. 200 Kosta Krsmanovic, Wie schon erwähnt wurde, zeigen die beiden Formen hinsicht- lich der Gestalt und auch im feineren Bau des Kopulationsapparates sanz erhebliche Verschiedenheiten, die eine getrennte Besprechung der beiden Formen nöthig machen. Der eiförmige, überaus muskulöse, ca. 1,6 mm lange und ca. 1 mm breite Penis von Geoplana steenstrupi liegt ziemlich genau in der Längsachse des Thieres. Der sehr kurze, freie Theil desselben, die Penisspitze (Fig. 4 c), wird von einem niedrigen, bewimperten, pa- rallel zur Höhenachse fein gestreiften Epithel bekleidet, welches eine direkte Fortsetzung des Atriumepithels ist (Fig. 5 cep). Denselben histologischen Charakter zeigt auch das Epithel des distalen Theiles des Ductus ejaculatorius (dep. Weiter nach vorn tritt an seine Stelle ein Drüsenepithel, welches sich bis zu der in den vordersten (proximalen) Theil des Penis eingeschlossenen Samenblase (Fig. 4 vs) fortsetzt. Die der letzteren zunächst liegenden drüsigen Elemente des Ductus ejaculatorius sind von flaschenförmiger Gestalt, 21 u hoch, 7 u breit und enthalten ein homogenes Sekret; näher der Penisspitze sind die Drüsenzellen erheblich kleiner, 7 u hoch und 6 u breit, ihr Sekret besteht aus kleinen Körnchen (Fig. 4 dep). Das Epithel des hinteren Abschnittes der Samenblase, deren Wandung vielfache Faltungen aufweist, besteht aus hohen, keulen- förmigen, von einem körnigen Inhalt erfüllten Drüsenzellen. Im vor- deren Abschnitt ist die Epithelschicht niedriger und ihre Zellen ver- lieren allmählich den drüsigen Charakter und schließlich findet sich an der Übergangsstelle der Samenblase in das Vas deferens ein cilien- loses Plattenepithel. Die Anordnung der Muskulatur im Penis ist eine verhältnis- mäßig einfache. Die Ringmuskelschicht des Hautmuskelschlauches, welche an der Geschlechtsöffnung umbiegt (Fig. 4 rm), setzt sich auf den freien Theil des Penis fort, scheint jedoch an der Ausmündungs- stelle des Ductus ejaculatorius zu enden, wenigstens habe ich hier niemals derartige Muskeln unterhalb des Epithels gesehen. Nach v. Kenner’s (8), Insıma’s (6) und CHicHkKorrs (2) Angaben soll eine derartige Muskelschicht dagegen bei den von diesen Forschern unter- suchten Formen vorhanden sein. Von der Längsmuskulatur des Hautmuskelschlauches zweigt ein Theil ab, welcher (Fig. 4 /m,) den ganzen Penis sammt der Samen- blase umfasst, ein zweiter Theil (7m) dagegen geht auf den freien Theil des Penis über und setzt sich auch auf den Ductus ejaculato- Beiträge zur Anatomie der Landplanarien. 301 rius fort (np). Diese Muskeln sind nicht einfach parallel zu einander angeordnet, sondern bilden ein lockeres Flechtwerk (Fig. 5 Zmp). Zwischen den beiden besprochenen Längsmuskelschichten liegt die mächtige Eigenmuskulatur des Penis, die aus sich durchkreuzen- den Sehiehten von Ring- sowie Längsmuskeln besteht und zwar sind die ersteren in der distalen Hälfte des Penis erheblich stärker ent- wickelt als in der proximalen (vgl. Fig. 4). Von der Ventral- sowie Dorsalseite treten schrägverlaufende Muskelbündel in den Penis, welche von der Längsmuskulatur des Hautmuskelschlauches abzweigen und als Retraktoren des Penis dienen (Fig. 4 rem). Das zwischen den Muskeln befindliche Mesenicbym bietet ein sehr komplieirtes Aussehen dar. Es besteht aus ansehnlichen, reich verästelten Zellen (Fig. 5 me), deren Ausläufer theils plattenförmig, theils faserig sind. Da diese platten- und faserförmigen Ausläufer sich ihrerseits wieder theilen, Aste abgeben und mit einander ana- stomosiren, kommt es zur Bildung eines dichten Gerüstwerkes mit bald engeren, bald weiteren Maschenräumen; in der Umgebung der Muskelfasern ist das Geflecht so eng, dass die Fasern selbst förmlich in Scheiden eingeschlossen werden. Gegen den Ductus ejaculatorius hin ändert sich der Charakter des Gewebes in so weit, als hier die Bindegewebsfasern eine mehr parallele Anordnung zeigen (Fig. 4 und 5 dz,) und so leicht eine Ringmuskelschicht vortäuschen können und dies um so mehr, weil zwischen diesen dickeren Fasern sich ein reiches Geflecht feinster Fäserchen vorfindet (Fig. 5 dz,). Mit Hilfe der van GIEson’schen Färbung gelingt es ohne Weiteres, den Nach- weis zu führen, dass es sich thatsächlich um Bindegewebe handelt. Besser vielleicht noch als aus der gegebenen Beschreibung erhellt die Struktur dieses Gewebes aus der betreffenden Figur und ein Vergleich mit den bezüglichen Abbildungen (Fig. 25, 27, 28) JANDER’S (7) wird die große Übereinstimmung, welche hinsichtlich der Struktur des Mesenchyms bei den Trieladen des süßen Wassers und Geopla- niden herrscht, scharf hervortreten lassen. Aus der schematischen Fig. 7 erkennt man leicht die charakteri- stischen Verschiedenheiten des Penis von Geoplana sieboldı gegen- über dem von Geoplana steenstrupi. Aus der betreffenden Figur geht hervor, dass bei Geoplana sieboldi eine mächtig entwickelte, insbe- sondere in ihrer hinteren Partie vielfach gefaltete Penisscheide (Fig. 7 ps) vorhanden ist, die einen großen Theil des Raumes des Atrium genitale in Anspruch nimmt und in deren Grunde sich die 202... Kosta Krsmanovi£, Penisspitze (c) erhebt, während der etwas schräg liegende, eiförmige Penis (p) an Größe hinter dem von Geoplana steenstrupi erheblich zurücksteht. Seine Länge beträgt ca. 0,95 mm, seine Breite 0,65 mm. Das Epithel, welches die äußere Fläche der Penisscheide be- deckt, besteht aus kubischen, eilientragenden, nieht drüsigen Zellen mit rundlichen oder ovalen Kernen; ein ähnliches Epithel kleidet auch die Innenfläche der Penisscheide, also den Kopulationskanal (Fig. 7, 9 epps) aus, nur entbehrt dieses der Cilien. Im Duetus eja- culatorius (Fig. 7 de), sowie in der hier sehr kleinen, kugeligen Samenblase (Fig. 7 vs), die in dem vorderen Theile des Penis ge- legen ist, treffen wir ein Cylinderepithel an, welches, so viel ich er- kennen kann, ebenfalls nicht drüsig ist, allerdings vermag ich dies nicht mit voller Bestimmtheit zu behaupten, da der Erhaltungszustand ein recht ungünstiger zu nennen war. Die Muskulatur des Kopulationsapparates bietet bei dieser Species im Wesentlichen ganz dieselben Verhältnisse dar, wie bei Geoplana steenstrupi.. Auch kier finden wir, dass ein Theil der an der Ge- schleehtsöffnung umbiegenden Längsmuscularis des Hautmuskel- schlauches sich abzweigt und den ganzen Kopulationsapparat sammt Samenblase umschließt. Ein anderer Theil der Längsmuskulatur schlug sich bei Geoplana steenstrupi direkt auf den Penis über, kier geht derselbe, wie leicht begreiflich und aus Fig. 7 /m, ersichtlich, zu- nächst auf die Penisscheide über und setzt sich von hier aus auf den Penis selbst fort. Die Dieke der einzelnen Fasern variirt recht erheblich, manche von ihnen wiesen einen Durchmesser von 0,9 u, andere 2,8 u (Fig. 9 Im). Die Ringmuskulatur des Hautmuskelschlauches ließ sich an der äußeren Fläche der Penisscheide bis zur Öffnung des Kopulations- kanales verfolgen und hörte an dieser Stelle, so viel ich eruiren konnte, auf. Eine Ringmuskelschicht bemerkte ich entgegen dem Verhalten bei Geoplana steenstrupi hier unterhalb des Epithels des Ductus ejaculatorius; eine Verbindung derselben mit der soeben er- wähnten Ringmuskelschicht scheint nicht zu bestehen, dagegen konnte sie auch in der Umgebung der Samenblase konstatirt werden, von wo aus sie sich auf den anschließenden Theil der Vasa defe- rentia fortsetzte. Die Eigenmuskulatur des Penis ist nicht scharf von der der Penisscheide zu trennen, sie besteht, wie bei Geoplana steenstrupi, aus Längs- und Ringmuskeln, von denen die letzteren erheblich stärker ausgebildet sind als die ersteren. Beiträge zur Anatomie der Landplanarien. 2303 Das mesenchymatöse Gewebe tritt im Penis der Muskulatur gegenüber an Masse sehr zurück, stärker entfaltet ist dasselbe in der Penisscheide. Hier besteht dasselbe, so weit es zwischen dem Epithel des Kopulationskanales und der Längsmuseularis (Fig. 9 /mp) ge- legen ist, aus ziemlich parallel gerichteten Fasern (bz,), die ihrerseits sich wiederum in feine Fäserchen auflösen lassen. Dieselben durch- setzen auch die Längsmuskelschicht und gehen in ein Gewebe über, das aus einer homogenen Grundsubstanz besteht, welche von stark färbbaren, aber ziemlich dünnen Fibrillen durchsetzt wird (d2,) und in die zahlreiche, stark färbbare Kerne eingeschlossen sind. Nach außen von dieser Mesenchymschicht liegt ein in Folge der zahlreichen und verhältnismäßig großen Lückenräume lockeres Bindegewebe (b2,), das aus reich verästelten Zellen besteht, deren Ausläufer mit einander anastomosiren und weiterhin auch in die Grundsubstanz der Bindegewebsschicht 52, direkt übergehen. Die Ausläufer selbst er- scheinen nicht als solche breite Platten, wie es der Fall ist bei G@eo- plana steenstrupi, sondern weisen einen mehr faserigen Charakter auf; diese Unterschiede treten in den Fig. 5 und 9 deutlich hervor. In einiger Entfernung von der Penisspitze, vereinzelt auch in den übrigen Theilen des Penis, bemerkte ich zwischen den Muskel- bündeln liegend einzellige Drüsen, deren Ausführgänge sich sämmtlich in der Umgebung des Ductus ejaculatorius in den Kopulationskanal öffneten. Derartige Drüsen vermisste ich vollständig in dem Penis von Geoplana steenstrupi, bei dieser Art besitzt allerdings das Epithel des Duetus ejaculatorius einen drüsigen Charakter. Weibliche Geschlechtsorgane. Die beiden dieht oberhalb der Seitenstämme gelegenen, eiför- migen Keimstöcke sind bei Geoplana steenstrupi circa 1°/, mm, bei Geoplana sieboldi circa 3°/, mm vom Vorderende der Thiere entfernt. Nach Moserky (15), v. KEnNeEL (8) und Iısıma (6) werden dieselben allseitig von einer dünnen Tunica propria umhüllt, ich habe eine solche bei meinen beiden Formen nur an der ventralen Fläche vorgefunden. Die größeren Keimzellen liegen im Centrum, sowie in jenem Theile der Keimstöcke, der dem Oviduet zunächst gelegen ist, die kleineren nehmen eine periphere Lage ein und häufen sich besonders an dem vorderen Pole des Keimlagers an. Das Plasma dieser Zellen ist von feinkörniger Beschaffenheit, kleine, stark lichtbrechende Kügelchen, die sich in den größeren Zellen oft in erheblicher Zahl vorfinden, glaube ich als Dotterkörner deuten zu müssen; der zumeist 204 Kosta Krsmanovic, excentrisch gelegene Kern enthält ein ziemlich weitmaschiges, un- regelmäßiges Gerüstwerk, sowie einen Nucleolus, zuweilen sind deren auch zwei vorhanden. Zwischen den Keimzellen bemerkte ich zahlreiche Kerne, be- züglich Zellen, die zum größeren Theil dem umgebenden Mesenchym glichen, ein kleinerer Theil ähnelte jungen Keimzellen. MosELey (15), v. KEnser (8) und Lane (9) neigen der Ansicht zu, dass diese Ele- mente dem Bindegewebe zuzurechnen sind; Irma (6) dagegen vertritt die Ansicht, dass der größte Theil dieser Zellen als Abortiveier zu betrachten sei; sie würden Irsıma zufolge dazu bestimmt sein, den übrigen Keimzellen Nährmaterial zuzuführen, oder ihnen als Nähr- material zu dienen. WoopwoRrTH (16) und CHICHKOFF (2) stimmen den Ausführungen des genannten Forschers bei, ich selbst habe nichts beobachtet, was in dieser Richtung von Bedeutung wäre. Die Oviducte legen sich mit trichterartiger Erweiterung an die äußere und ventrale Seite der Keimstöcke an. Anfänglich verlaufen sie annähernd parallel, den Längsnervenstämmen auflagernd, bis zur Pharyngealgegend; von hier am nähern sie sich mehr und mehr und vereinigen sich endlich bei Geoplana steenstrupi direkt hinter dem Atrium (Fig. 4 od,), bei Geoplana sieboldi (Fig. 7) in einiger Entfer- nung von demselben zum Eiergang (eig). Dieser wendet sich dann in einem leichten Bogen nach oben und geht in den Drüsengang (drg) über, welcher in das Atrium genitale einmündet. Bei Geoplana stveboldi liegt die Einmündungsstelle des Drüsenganges in der hinteren Wand des Atrium genitale, bei Geoplana steenstrupi ist sie weiter dorsalwärts verschoben, so dass der Drüsengang hier direkt von oben her sich in das Alan öffnet (Fig. 4). Die Wand der Oviducte wird von einem Wimperepithel gebildet: die Cilien dieser Zellen sind nach hinten gerichtet und in sehr charakteristischer Weise spiralig gedreht, wie schon von MosELEy (15), von v. KENnNEL (8), sowie den Untersuchern der Süßwassertricladen angegeben wird. Die wohl ausgeprägte Muscularis der Oviducte setzt sich aus Ring- und Längsfasern zusammen (Fig. 6 rm, Im). Das die Oviducte umgebende Mesenchymgewebe erhält dadurch ein eigenthümliches Aussehen, dass die Kerne desselben in einiger Entfernung vom Oviduct (Fig. 6 me) sehr regelmäßig, kranzartig an- seordnet sind, wie am besten auf Querschnitten zu erkennen ist. Diese eigenthümliche Anordnung der Kerne haben InımA (6) und CHICHKOFF (2) bei Dendrocoelum lacteum ebenfalls gesehen und sie hat dieselben zur Annahme verleitet, dass die Wandung der Oviducte Beiträge zur Anatomie der Landplanarien. 305 aus zwei Zellschichten bestehe: einer inneren und einer äußeren. Eine solehe Zellschicht besteht wenigstens bei meinen beiden Formen nicht, sondern es handelt sich um engmaschiges Mesenchymgewebe; die regelmäßige Anordnung der Kerne vermag ich allerdings nicht zu erklären. a Bis zum Drüsengange zeigen die Oviducte und der Eiergang keine merkliche Änderung ihres Verhaltens. Im Drüsengange er- reichen die Epithelzellen eine beträchtliche Höhe und werden durch die Ausführgänge der in der ganzen Umgebung befindlichen Drüsen- zellen (Fig. 4 und Fig. 7 dr) zu schmalen Streifen zusammengedrängt. Von den Oviducten gehen in regelmäßigen Abständen kurze, dorsalwärts gerichtete Seitenäste ab. v. KEnNEL (8) bemerkt richtig, dass der erste derartige Ast in unmittelbarer Nähe des Keimstockes gelesen ist, der letzte an der Vereimigungsstelle der Oviducte zum Eiergang. Diese Äste hat auch bereits MosELev (15) gesehen, ihre Bedeutung aber nicht erkannt. v. KEnnEL war es, welcher ihren Zusammenhang mit den Dotterstöcken nachwies und weiterhin bei Dendrocoelum lacteum feststellte, dass dieselben an jener Stelle, wo sie mit den Dotterstöcken in Verbindung treten, von einer großen Zelle verschlossen werden, welche einen sehr feinkörnigen Inhalt und sehr große Vacuolen enthält. Er fasste diese Zelle als ein » Drüsen- gebilde sui generis« auf. IrnımAa (6) bestätigte v. KenNnEL’s Beob- achtung. Loman (13) konstatirte bei Bipalium ephippium, Geoplana nasuta und Rhynchodemus megalophthalmus an den betreffenden Stellen mehrere eigenthümliche Zellen mit einem wasserhellen Inhalt und einem großen Kerne. Dieselben sollen ein schleimiges Sekret liefern, welches sich der Dottersubstanz beimischt. Die diesbezüglichen Befunde bei meinen beiden Formen weichen von den obigen Angaben und auch unter sich ab, so dass eine ge- trennte Besprechung nöthig erscheint. Da die Bilder bei Geoplana steboldi deutlichere waren, will ich sie zunächst besprechen. Die die Oviducte mit den Dotterstöcken verbindenden Gänge - werden, wie aus Fig. 12 ersichtlich, von platten Zellen gebildet, die einen stark färbbaren, kleinen Kern enthalten. Das Lumen des Ganges erfüllen kaum färbbare, plattenähnliche Gebilde, die, so viel ich sehen konnte, den beschriebenen Epithelzellen angefügt sind (pf). Uber die Beziehungen dieser Platten zu den Zellen bin ich mir nicht vollständig klar geworden, ich halte es jedoch für nieht unmöglich, dass sie aus der Verschmelzung von Cilien hervorgegangen sind und diese Anschauung hat eine um so größere Wahrscheinlichkeit, als 206 Kosta Krsmanovic, sich an den entsprechenden Zellen von Geoplana steenstrupi that- sächlich dieke, cilienartige Fortsätze vorfinden. Das den Dotter- stöcken zugewandte, verjüngte Ende des Ganges wird zunächst von zwei kleinen, keilförmigen Zellen (aod’) fast vollständig verschlossen; in der Umgebung dieser kleinen Zellen liegen erheblich größere, wahrscheinlich sind es deren vier, welche ein feinkörniges Proto- plasma besitzen, und einen deutlichen, ziemlich stark färbbaren Kem enthalten; einmal schien ein solcher Kern in Theilung be- sriffen zu sein. Einige der Zellen enthielten eine Vacuole, die entweder einen nur geringen Durchmesser besaß (aod”), oder aber eine so bedeutende Ausdehnung erreicht hatte (aod”’), dass sie den srößeren Theil der Zelle erfüllte. Ich deute die Vaeuolisirung der Zellen als einen Degenerationsprocess und meine, dass die Zellen die Aufgabe haben, die Verbindung der Dotterstöcke mit den Ovi- dueten so lange zu verhindern, bis die Keimzellen und Dotterzellen ihre volle Entwicklung erreicht haben, dann würde eine Auflösung der Zellen statthaben und die Dottersubstanz könnte durch den Verbindungsgang in den Oviduct gelangen. Bei Geoplana steenstrupi werden die Verbindungssgänge zwischen den Oviducten und den Dotterstöcken von kubischen Zellen gebildet, welche an ihrer freien Oberfläche einige wenige (zwei bis drei), lange, protoplasmatische, eilienähnliche Fortsätze (Fig. 6 cpf), die gegen den Dotterstock gerichtet sind, tragen. Leider waren bei dem von mir untersuchten Exemplar die Dotterstöcke noch nicht vollständig ent- wickelt, sondern erst in der Anlage vorhanden. Zwischen den Zellen nun, die ich als Dotterzellen deute (dz) und dem Verbindungskanal bemerkte ich eine Anzahl kleiner Zellen mit großen Kernen (aod’) und homogenem Protoplasma. Diese Zellen würden sich in der Folge bei weiterer Entwicklung der Dotterstöcke zu den Verschlusszeilen ausbilden. Die vielfach gewundenen und verästelten, in ihrer Hauptmasse in der ventralen Körperhälfte gelegenen Dotterstöcke von Geoplana steboldi beginnen etwa 1 mm vor den Keimstöcken und reichen von hier bis an das hintere Körperende. Die sie bildenden, großen, in Folge der dichten Lagerung im Umriss polygonalen Zellen enthalten ziemlich grobe Dotterkörner, die das Plasma der Zellen schließlich fast vollständig verdrängen. Die Kerne dieser Zellen sind von ansehnlicher Größe (Au), kugelig und umschließen einen großen Nucleolus. Wie schon erwähnt sind diese Organe bei Geoplana steenstrupi nur in der Anlage vorhanden; ich fand besonders im hinteren Theil der Thiere Zellhaufen und Zellstränge, die unter einander nicht in Beiträge zur Anatomie der Landplanarien. 207 Verbindung standen, stets bemerkte ich derartige Zellkomplexe an jenen Stellen, wo von den Ovidueten die früher erwähnten »Ver- bindungsgänge« abzweigten. Die Zellen, welche diese Stränge und Haufen bilden, unterscheiden sich in mehrfacher Beziehung von den Dotterzellen der Geoplana steenstrupi.. Ihr Plasma war von fein- körniger Beschaffenheit und enthielt kleine, intensiv färbbare Körn- chen; zuweilen beobachtete ich auch kleinere oder größere Vacuolen (Fig. 6v) im Plasma dieser Zellen. Häufig waren in ihnen zwei Kerne nachweisbar, die zuweilen (2) so dicht neben einander lagerten, dass sie aus der Theilung eines Mutterkernes hervorgegangen zu sein schienen. Aus allem Dem schließe ich, dass die Dotterstöcke bei diesem Thiere erst in der Entwicklung begriffen sind. Schließlich erübrigt es mir noch, einige Worte dem Atrium ge- nitale zu widmen, welches bei Geoplana sieboldi (Fig. 7) erheblich ausgedehnter ist als bei Geoplana steenstrupi (Fig. 4). Bei der ersteren Form wird der vordere Theil des Atriums von der Penisscheide in Anspruch genommen, bei der letzteren ragt die dicke Penisspitze in dasselbe hinein. Hier liegt die Geschlechtsöffnung am hinteren Ende des Kopulationsapparates, gerade unter der Einmündung des Drüsen- ganges, während bei Geoplana steboldi das Atrium genitale an seinem vorderen Ende nach außen mündet (Fig. 4 und 7). Ausgekleidet wird bei beiden Formen dieser Raum von einem mit Wimpern versehenen Epithel, welches durch den Genitalporus direkt in das Körperepithel übergeht. In der nächsten Umgebung der Geschlechtsöffnung, sowie an der dorsalen Fläche des Atriums besteht das Epithel aus hohen, eylindrischen Zellen, sehr platt sind dieselben dagegen an der hinteren Wand. Wie schon erwähnt wurde, biegen an der Geschlechtsöffnung die Rings- und Längsmuskeln des Hautmuskelschlauches um; von demjenigen Theil derselben, welcher die vordere Atriumwand umgiebt und auf den Penis übergeht, wurde das Nöthige bei der Besprechung des Penis mitgetheilt; von dem zweiten Theil, welcher auf die hintere Atriumwand umbiegt und den Drüsengang, sowie die dorsale Atrium- wand umfasst, ist zu bemerken, dass ich Ringmuskeln nur in dem dem Genitalporus zunächst gelegenen Abschnitt der Atriumwand finden konnte, im Übrigen dagegen nur die Längsmuskeln antraf. 8. Exkretionsorgane. Eine nähere Beschreibung derselben muss ich unterlassen, weil ich nur hier und da einen durchschnittenen Kanal sah, an welchem 208 Kosta Krsmanovig, Umstand allerdings der Erhaltungszustand meiner Objekte Schuld tragen dürfte. Zum Schluss habe ich noch zweier Parasiten, die ich bei Geo- plana steenstrupi gefunden habe, zu gedenken. Es sind dies eine Gregarine (Monocystidee) und ein Nematode. Die erstere findet sich im Mesenchym zwischen den verschiede- nen Organen. Sie ist von eiförmiger Gestalt, 150 «u lang, 120 u breit. Die Pellicula sowie die Ektoplasmaschicht sind dünn, aber deut- lich erkennbar; das Entoplasma entbehrte gröberer Einlagerungen und erschien mir von bald feinkörniger, bald netzartiger (wabiger) Struktur (Fig. 14). Der scharf kontourirte, kugelige Kern, dessen Durch- messer zwischen 45 « und 50 «u schwankte, enthielt einen ansehn- lichen Binnenkörper (dx), welcher zumeist eine excentrische Lage einnahm. Entweder besaß derselbe eine homogene Beschaffenheit und färbte sich dann gleichmäßig intensiv, oder es ließen sich an ihm eine centrale und eine periphere Schicht unterscheiden, welch’ letztere alsdann aus radiär gestellten, intensiv tingirbaren, dicht neben ein- ander liegenden Stäbchen bestand, während der centrale Theil sich erheblich schwächer färbte. | Der erwähnte kleine Nematod lag zum Theil im Längsnerven- stamme, welcher hierdurch in einiger Ausdehnung zerstört worden war, zum Theil aber in dem umgebenden Mesenchymgewebe. Eine weitere Untersuchung dieses Parasiten habe ich nicht vorgenommen. Graz, im Juli 1898. Litteraturverzeichnis, 1. D. BERGENDAL, Zur Kenntnis der Landplanarien. Zool. Anz. Bd. X. 1887. 2. D. G. CHICHKOFF, Recherches sur les Dendrocoeles d’eau douce (Triclades). Archives de Biologie Tome XII. Liege 1892. 3. A. Denpy, The anatomy of an australian landplanarian. Trans. Royal. Society Victoria. 1889. 4. L. v. GRAFF, Über die Morphologie des Geschlechtsapparates der Land- planarien. Verhandl. der deutschen zool. Gesellschaft 1896. p. 75. 5. R. Hesse, Untersuchungen über die Organe der Lichtempfindung bei nie- deren Thieren. Diese Zeitschr. Bd. LXII. Leipzig 1897. 6. I. IısımA, Untersuchungen über den Bau und Entwicklungsgeschichte der Süßwasser-Dendrocölen (Trieladen). Diese Zeitschr. Bd. XL. Leipzig 1884. Beiträge zur Anatomie der Landplanarien. 309 7. R. JANDER, Die Epithelverhältnisse des Trieladen-Pharynx. Zool. Jahrb. Abth. für Anatomie und Ontogenie der Thiere. Bd. X. Jena 1897. 8. J. v. KEnnEL, Die in Deutschland gefundenen Landplanarien, Rhyncho- desmus terrestris O. F. Müller und Geodesmus bilineatus Meecznikoff. Arbeiten aus dem zool.-zootom. Institute in Würzburg. Bd. V. Würz- burg 1882. 9. A.Lang, Der Bau von Gunda segmentata. Abdruck aus den Mittheilungen der Zoolog. Station zu Neapel. Bd. III. 1. u. 2. Heft. 10. —— Das Nervensystem der marinen Dendrocölen. Ebenda. Bd. I. 4. Heft. 11. —— Untersuchungen zur vergleichenden Anatomie und Histologie des Nervensystems der Plathelminthen. Das Nervensystem der Tricladen. Ebenda. Bd. III. 1. Heft. 12. H. LEHNERT, Beobachtungen an Landplanarien. Archiv für Naturgeschichte. 51. Jahrg. Bd. I. Berlin 1591. 13. J. C. C. Lomas, Über neue Landplanarien von den Sundaä-Inseln. Zool. Ergebnisse einer Reise in Niederländisch Ost-Indien. Herausgegeben von Dr. Max WEBER. Leiden 1890—1891. 14. —— Uber den Bau von Bipalium Stimpson nebst Beschreibung neuer Arten aus dem Indischen Archipel. Bijdragen tot de Dierkunde uitgeven door heet Genootschap Natura artis Magistra te Amsterdam. 14. Afle- vering. 1887. 15. H. N. MosELEy, On the Anatomy and Histology of the Landplanarians of Ceylon. Phil. Trans. Royal-Society. London 1874. 16. W. M. WooDWORTH, Contributions to the Morphology of the Turbellaria. I. On the structure of Phagocata graeilis Leidy. Cambridge 1891. Erklärung der Abbildungen, Tafel VII und VIII. Sämmtliche Figuren sind mittels des Apge’schen Zeichenapparates ent- worfen worden. Zur Untersuchung wurde ein SEIBERT’sches Mikroskop benutzt. Fig. I. Querschnitt durch Geopluna steenstrupi n.sp. Hämatoxylin-Eosin. Entworfen Oe. 1, Obj. I. Gezeichnet Oe. I, Obj. III. co, Kommissur; cyd, Schleim- drüsen; cyd,, ihre Ausführgänge; D, vorderer Hauptdarm; da, Seitenäste des Darmes; ed, erythrophile Drüsen; Aml, hml,, Längsmuskeln des Hautmuskel- schlauches; ndv, dorsoventrale Muskelfasern; m/v, ventrale longitudinale Paren- chymmuskeln; mid, mtm, mtv, transversal verlaufende Parenchymmuskeln; np, Nervenplexus; od, Oviduct; pr, vom Nervenplexus abgehende Nerven; pts, Punkt- substanz; r/z, Stäbehendrüsen; s», Seitennerven; st, Längsnervenstamm; te, Hoden. Fig. 2. Erythrophile Drüsen (ed) von Geopluna steenstrupi n. sp. Hämat.- Eosin. Entworfen Oe. I, Obj. III. Gezeichnet Oc. II, Obj. IV. Fig. 3. Flächenschnitt von Geoplana steenstrupin.sp. Alaunkarmin. Ent- worfen Oe. I, Obj. III. Gezeichnet Oe. I, Obj. III und V. co, Kommissur; cyd, Schleimdrüsen; da, Seitenast des Darmes; pis, Punktsubstanz; si, Substanzinseln; sn, Seitennerven; st, Längsnervenstamm; Ze, Hoden; Zp, Tunica propria. Fig. 4. Medianer Längsschnitt durch Geoplana steenstrupi n. sp. Alaun- karmin. Entworfen Oec. 0, Obj. I. Gezeichnet Oe. I, Obj. III. dz,, faseriges Bindegewebe; da, Seitenäste des Darmes; de, Ductus ejaculatorius; dr, Drüsen, welche in den Drüsengang einmünden; drg, Drüsengang; eig, Eiergang; gö, Ge- schlechtsöffnung; Zn}, Ins, Längsmuskeln des Hautmuskelschlauches, welche an der Geschlechtsöffnung umbiegen; Znp, innere Längsmuscularis des Penis; np, 910 Kosta Krsmanovitd, Beiträge zur Anatomie der Landplanarien. Nervenplexus; od, Vereinigungsstelle der beiden Oviducte; rem, Retractoren; rm, Ringmuskeln; vd, Vas deferens; vs, Samenblase. Fig. 5. Perisspitze von Geoplana steenstrupi n. sp. im tangentialen Längs- schnitt. VAN GIESoN. Entworfen Oe. 0, Obj. V. Gezeichnet Oe. I, Obj. VI. bz,, fase- riges Bindegewebe; cep, Epithel des Penis; de, Ductus ejaculatorius; dep, Epithel des Ductus ejaculatorius; /mp, innere Längsmuscularis des Penis; me, Mesenchym. Fig. 6. Oviduct von @eoplana steenstrupi n. sp. im Querschnitt. Hämat.- Eosin. Entworfen Oe. II, Obj. V. Gezeichnet Oc. II, Obj. VI. aod’, Endzellen des Verbindungsganges; cpf, eilienähnliche, protoplasmatische Fortsätze; dz, Dotterzellen; Zn, Längsmuskeln; me, Mesenchym; n, Kerne; od, Oviduet; rm, Ring- muskeln; saod, Verbindungsgang zwischen dem Oviduct und dem Dotterstock; v, Vacuolen. Fig. 7. Schema des Geschlechtsapparates von Geoplana sieboldi v. Graff. c, freie Penisspitze; cc, Kopulationskanal; de, Ducetus ejaeculatorius; dr, Drüsen; drg, Drüsengang; eig, Eiergang; gö, Geschlechtsöffnung; Ami, Längsmuskeln des Hautmuskelschlauches; Zu, ms, Längsmuskeln des Hautmuskelschlauches, welche an der Geschlechtsöffnung umbiegen; od, Oviduct; od,, Vereinigungsstelle beider Oviducte; », Penis; ps, Penisscheide; rn, Ringmuskeln; vd, Vas deferens; vs, Samenblase. Fig. 8A. Ganglienzellen aus dem Seitenstamme von Geoplana steenstrupi 'n. sp. Hämat.-Eosin. Entworfen und gezeichnet Oe. I, Obj. VI. Fig. 8B u. C. Auge von Geoplana steenstrupi n. sp. B, Längsschnitt, (, Querschnitt durch die Sehkolben. Hämat.-Eosin. Entworfen Oe. I, Obj. V. Ge- zeichnet Oc. I, Obj. VI. %, Kolben; pg, Pigment. Fig. 9. Ein Stück der Penisscheide von Geoplana sieboldi v. Graff im Längsschnitt. van GIEson. Entworfen Oe. 0, Obj. V. Gezeichnet Oe. I, Obj. VI. cc, Kopulationskanal; bz}, dza, dz3, Bindegewebe; epps, Epithel der Penisscheide ; Im, eigene Längsmuskeln der Penisscheide; /mp, innere Längsmuscularis der Penisscheide. Fig. 10. Ein Theil der äußeren Pharynxwand von Geoplana sieboldi v. Graff im Längsschnitt. VAN GIESON. Entworfen Oe. 0, Obj. V. Gezeichnet Oe. I, Obj. VI. _ alm, äußere Längsmuskeln; arın, äußere Ringmuskeln; aspd, Ausführungsgänge der Speicheldrüsen; dm, Basalmembran; cyd, Ausführungsgänge der Schleim- drüsen; ep, Epithelialplattenschicht; %f, kernhaltige Fortsätze; /m, Längs- und Ringmuskeln; me, Mesenchym; ram, ram,, Radiärfasern. Fig. 11. Stück eines Längsschnittes von Geoplana sieboldi v. Graff aus der Gegend des Kopulationsapparates. VAN GIESONn. Entworfen Oe. 0, Obj. V. Ge- zeichnet Oc. I, Obj. VI. 5yp, Bindegewebsplatte; cyd, cyd, Schleimdrüsen und ihre Ausführungsgänge; ed,, Sekret erythrophiler Drüsen; Aml, Längsmuskeln des Hautmuskelschlauches; Amr, Ringmuskeln des Hautmuskelschlauches; mbm, modi- fieirte Basalmembran ; mdv, dorsoventrale Parenchymmuskeln; me, Mesenchym; qm, Transversalmuskeln des Parenchyms. Fig. 12. Oviduet mit dem Verbindungsgange von Geoplana sieboldi v. Graff im Längsschnitt. VA GIESoN. Entworfen Oe.0,0bj.V. Gezeichnet Oe. II, Obj. VI. aod', Endzellen des Verbindungsganges; aod", aod”’, Verschlusszellen; dz, Dotter- zellen; rn, Kerne; od, Oviduct; pf, plattenförmige Fortsätze; v, Vacuolen. Fig. 13. Stück eines Längsschnittes von Geoplana sieboldi v. Grafi. Hämat.- Eosin. Entworfen Oec. II, Obj. I. Gezeichnet II, Obj. III. cyd, cyd,, Schleimdrüsen und ihre Ausführungsgänge; ep, ventrales Epithel; Aml, Längsmuskeln des Haut- muskelschlauches; Amr, Ringmuskeln des Hautmuskelschlauches; »:.dv, dorsoven- trale Parenchymmuskeln; m/v, ventrale längsverlaufende Parenchymmuskeln; np, Nervenplexus; nvd, Sammelrohr, st, Längsnervenstamm; vd, Vas deferens. Fig. 14. Gregarine aus Geoplana steenstrupi n. sp. im Querschnitt. Alaun- karmin. Entw. Oc. II, Obj. IV. Gez. Oec. Il, Obj. VI. dn, Binnenkörper; n, Kern. Über Regenerationsvorgänge bei Tubifex rivulorum Lam. mit besonderer Berücksichtigung des Darmkanals und Nervensystems. Von cand. rer. nat. H. Haase. (Aus dem Zoologischen Institut der Universität Marburg.) Mit Tafel IX—X und 11 Figuren im Text. Einleitung. In den letzten Jahren ist die Frage stark in den Vordergrund getreten, ob die Neubildung von Organen, wie sie bei der Fort- pflanzung durch Theilung und Knospung, sowie bei der Regeneration verloren gegangener Körpertheile stattfindet, mit den embryonalen Vorgängen übereinstimmt, oder ob dies nicht durchgehends der Fall ist. Verschiedene Beobachtungen weisen darauf hin, dass ein- zelne Organe bei der Theilung, Knospung und Regeneration auf andere Weise als in der Ontogenie entstehen. Derartige Angaben sind für Amphibien, Tunicaten, Echinodermen, Bryozoen, Anneliden und Turbellarien gemacht worden, und wenn sie auf Wahrheit be- ruhen, woran nach den übereinstimmenden Angaben einer ganzen Reihe von Forschern nicht gezweifelt werden kann, so ist daraus zu schließen, dass die von der ontogenetischen Bildungsweise abweichende Entstehung der Organe eine ziemlich große Verbreitung besitzen muss, und eine größere jedenfalls, als man bis jetzt weiß, da man diesen Vorgängen noch keine sehr eingehende Aufmerksamkeit ge- schenkt hat. Ein Organsystem, welches bei den regenerativen Processen, wie sie mit der Theilung, Knospung und dem Ersatz verloren gegange- ner Körpertheile (Regeneration im Allgemeinen) verbunden sind, sich von den embryonalen Vorgängen in seiner Bildungsweise häufig zu unterscheiden pflegt, ist der Darmkanal. Als F, von WAGNER für Zeitschrift £. wissensch. Zoologie. LXV. Bd. 15 212 H. Haase, Lumbriculus varıegatus angab, dass nach Verlust des Vorder- und Hinterendes, sowohl der Vorder- wie auch Enddarm nicht, wie zu erwarten war, vom Ektoderm, sondern vielmehr vom Entoderm neu gebildet werde, musste diese von der allgemeinen Auffassung ab- weichende Angabe naturgemäß zur Nachprüfung auffordern. Eine solche wurde durch die Untersuchungen RIEvEL’s an verschiedenen Anneliden, OpAryotrocha, Nais, Lumbrieus, vorgenommen, welche zu Ergebnissen führten, die mit denjenigen F. von WAGNER’s im Ganzen übereinstimmten. Durch die Befunde an verletzten Würmern drängte sich geradezu die Frage auf, wie die entsprechenden regenerativen Vorgänge bei den auf natürlichem Wege sich theilenden Würmern verliefen. Es handelte sich hierbei um die Neubildung des Vorder- und Enddarmes, sowie der neu zu bildenden Theile des Nervensystems, besonders des oberen Schlundganglions. Um diese Vorgänge bei den leicht zugänglichen Arten (Nais, Chaetogaster, zu studiren, begann ich meine Untersuchungen. Es stellte sich aber dann das Bedürfnis heraus, die Beobachtungen über die Neubildung des Vorder- und End- darmes, sowie besonders auch des oberen Schlundganglions und des Bauchmarks nach Verlust des Vorder- und Hinterendes bei einer anderen Art, als den von RIEvEL untersuchten zu wiederholen und weiter zu führen, zumal die Angaben des genannten Autors auf Widerspruch gestoßen waren. Aus diesem Grunde wandte ich mich auf Anrathen des Herrn Prof. KORSCHELT den unten zu schildernden experimentellen Untersuchungen an Zubifex rivulorum Lam. zu. Außer der Neubildung des Vorder- und Enddarmes und deren völliger Ausbildung bis zum normalen Verhalten, beabsichtigte ich auch den Ersatz der verloren gegangenen Theile des Nervensystems zu untersuchen. Diese Absicht erfuhr aus sogleich zu erwähnenden Gründen eine gewisse Verschiebung, indem ich mich mehr der Frage nach der Herkunft des Vorder- und Enddarmes widmete; doch setzte ich dabei gleichzeitig meine Untersuchungen über die nervösen Ele- mente fort, konnte denselben aber leider nicht so viel Zeit widmen, als von Anfang an für dieselben in Aussicht genommen war. Meine Experimente erstreckten sich über die Zeit vom Sommer 1596 bis zum Frühjahr 1898. Die Zahl der von mir untersuchten Würmer beläuft sich auf annähernd 8— 900. Meinem hochverehrten Lehrer Herrn Prof. Dr. E. KORSCHELT spreche ich auch an dieser Stelle für seine liebenswürdige Anleitung und Unterweisung’ meinen innigsten Dank aus. Über Regenerationsvorgänge bei Tubifex rivulorum Lam. ete. 313 Litterarisches. Während ich meine Untersuchungen noch ausführte, zeigte es sich, dass eine möglichst genaue, Schritt für Schritt vorgehende, Verfolgung des Regenerationsprocesses am Darmkanal einer bestimmten Art trotz der schon vorliegenden Angaben recht erwünscht sei, denn zu den Befunden RıEvEr’s gesellten sich in kurzer Zeit verschiedene sanz anders lautende von MICHEL und HEPRE, sowie von einer Seite hinzu, von der man es am wenigsten hätte erwarten sollen, nämlich von F. von WAGNER. Um letztgenannten Forscher zunächst zu er- wähnen, der sich um die ganze Frage der Regeneratien des Darm- kanals durch seine erste Mittheilung besondere Verdienste erworben hat, so schränkte er nunmehr seine früheren Angaben bedeutend ein, wenigstens was die Abweichung des Regenerationsvorganges von der Ontogenie betrifft. Während er früher zu dem Ergebnis gelangte, dass »bei Lumbriculus die regenerative Entstehung des Vorder- und Enddarmes der embryonalen Entwicklung nieht entspricht, indem sie hier vom Ektoderm, dort vom Entoderm ausgeht«, findet er jetzt, dass »die in Rede stehen- den Vorgänge aus der Liste derjenigen Regenerations- processe, die dem embryonalen Geschehen nicht entspre- chen, zu streichen sind«. Zu der von seinen früheren Angaben abweichenden Auffassung gelangt von WAGNER desshalb, weil sich bei seinen fortgeführten Untersuchungen an Zumbriculus herausstellte, dass zwar Anfangs der entodermale Darm mit dem äußeren Epithel zusammenwächst, und hier eine Öffnung gebildet wird, dass diese jedoch der definitiven Mundöffnung nicht entspricht, sondern nur eine provisorische Bedeutung hat. Späterhin verlöthen nämlich Ektoderm und Entoderm an der ursprünglichen Durcehbruchsstelle abermals und nunmehr erfolgt hier »eine deutliche und unverkennbare fortschreitend tiefer greifende Einsenkung des Ektoderms, durch welche die neue Verlöthungsstelle immer mehr und mehr nach innen verlagert wird. Damit ist die Bildung eines typischen Stomodäums eingeleitet und ein definitiver Mund entwickelt, welcher mit der früher bestandenen provisorischen Mundöffnung nichts gemein hat«. Zur Erläuterung dieser Darstellung giebt vov WAGNER die weiter unten (auf p. 233) beigefügte Figur, deren Wiedergabe für die spä- teren Ausführungen nützlich sein wird. In wie fern ich mit voN WAGsER’s Auffassung übereinstimme oder nicht, soll weiter unten des Näheren erörtert werden. 15* 214 H. Haase, Während von WAGneEr’s neuere Darstellung der Regenerations- vorgänge des Darmkanals von seiner früheren und von RIEVvEL’s Schilderung nur wenig abweicht, ist dies dagegen im hohen Maße der Fall bei der von HErkE gegebenen Schilderung. Dieselbe bezieht sich auf Narden. Nach Entfernung des Vorder- und Hinterendes soll sich sowohl der Vorder- wie Enddarm in Form einer knospen- artigen Anlage aus dem schon vorher stark gewucherten Ektoderm bilden. Der solide Zellstrang, als welcher die Anlage des Vorder- und Enddarmes erscheint, wächst nach der Durchschneidungsstelle des alten Darmes hin, um sich mit ihm zu vereinigen. »Dieser Zellstrang bekommt späterhin ein Lumen, welches bald mit einer im Ektoderm entstehenden Einbuchtung zusammenfließt, so dass nun am Kopfende der Mund mit dem Pharynx und am Schwanzende der Anus mit dem Enddarm regenerirt und dadurch die vollständige Kommunikation der Darmhöhle mit dem umgebenden Medium wieder hergestellt ist.« Man sieht, dass diese Ergebnisse von den Angaben von WAGNER’s und Rırver’s völlig abweichen. Eher würden sie mit denjenigen von MicHEL zu vereinigen sein. Diese beziehen sich auf Nepkthys und Allo- lobophora foetida, bei denen nach dem Verluste des Hinterendes die Neubildung des Enddarmes nicht von den noch vorhandenen Darm- theilen, sondern von einer Wucherung des Körperepithels ausgehen soll. Micuer scheint hierüber, wie im Allgemeinen über die Rege- nerationsvorgänge bei den Anneliden, sehr ausführliche Untersuchungen angestellt zu haben, deren Ergebnisse für die hier behandelten Fragen jedenfalls von Bedeutung sein werden, doch liegen bisher nur die vorläufigen Mittheilungen vor, die sich zum großen Theil auf Lumbrieiden, also auf Objekte beziehen, bei denen die Vorgänge weniger einfach verlaufen und schwerer zu beurtheilen sind. Man wird daher Mıcner’s ausführliche Arbeit abwarten müssen. Immer- hin lässt sich aus dem Vorliegenden schon jetzt entnehmen, dass nach MiıcnHer's Auffassung die Regeneration des Darmkanals bei Nephthys und Allolobophora auf andere Weise verläuft, als dies durch von WAGner’s und RIEvVEL’s Untersuchungen festgestellt wurde, zumal MıcHEL in einer späteren Mittheilung ausdrücklich von einem Bestehenbleiben der hinteren Öffnung (des Anus) nach der Durch- schneidung spricht. Weit weniger als bezüglich des Darmkanals gehen im Hinblick auf die Regeneration des Nervensystems die Meinungen aus ein- ander. Schon die älteren Untersuchungen SEMPER’s an den sich Über Regenerationsvorgänge bei Tubifex rivulorum Lam. ete. 215 durch Theilung vermehrenden Limicolen hatten das Nervensystem durch Wucherung des äußeren Epithels (Ektoderms) entstehen lassen. Dies ist auch nach den wenigen Angaben, welche RIEvEL über diesen Punkt macht, bei den Naiden der Fall. HEPKE beschreibt bei denselben Würmern die Neubildung des gesammten Nervensystems aus dem Ektoderm. Nach ihm entsteht das obere Schlundganglion am Vorderende der neuen Ektodermkappe aus zwei knospenartigen Verdiekungen, welche »etwas dorsolateral von der Längsachse des Thierkörpers liegen und sich später erst vereinigen«. Die Schlund- kommissuren und das Bauchmark entstehen ebenfalls aus Ektoderm- verdiekungen. MicHet leitet die nervösen Elemente von jener bereits oben er- wähnten Wucherung des Ektoderms ab, die allerdings gleichzeitig die Anlagen der übrigen neu zu bildenden Organe liefert. Zur völlig sicheren Entscheidung der Frage, wie sich die bei der Regeneration stattfindenden Bildungsvorgänge zu dem embryo- nalen Geschehen verhalten, wäre es nöthig, diese beiderlei Vorgänge bei ein und derselben Species zu studiren. Da nun die Embryonal- entwicklung des Tubifex rivulorum im Bezug auf die hier behan- delten Organe nicht bekannt ist, so sieht man sich genöthigt, mög- lichst nahestehende Formen zum Vergleich heranzuziehen. Bevor ich auf meine eigenen Untersuchungen eingehe, möchte ich desshalb einen kurzen Überblick der besonders in Frage kommenden Angaben aus der Entwicklungsgeschichte der Oligochäten geben, da die Kenntnis dieser Entwieklungsvorgänge für die Beurtheilung der mit- zutheilenden regenerativen Processe jedenfalls von Wichtigkeit ist. Entwicklungsgeschichtliches. a. Vorderdarm und Enddarm. Die hier in Betracht kommenden hauptsächlichsten entwicklungsgeschicht- lichen Untersuchungen sagen ziemlich übereinstimmend aus, dass bei den Anneliden ein (ektodermales) Stomodäum und Proktodäum vorhanden ist. Wie weit sich das erstere erstreckt, erscheint in den einzelnen Fällen zweifelhaft. Eine Untersuchung, welche den sehr wünschenswerthen Vergleich zwischen den regenerativen und ontogenetischen Vorgängen direkt ermöglichen soll, wird auf dem hiesigen zoologischen Institute von anderer Seite ausgeführt. Bezüglich des Pharynx sind die Angaben verschieden, obwohl sich die Mehrzahl der Autoren für dessen ektodermalen Charakter ausspricht. E. B. WıLr- SON kommt in dieser Beziehung zu folgenden Resultaten, die sich auf Zumbri- eıden beziehen. >»It is therefore clear that the stomodaeum gives rise only to the pharynx, and that the oesophagus, with its caleiferous glands, is derived from the archenteron« und (p. 414) »The proctodaeum is very long delayed in 216 H. Haase, development, only making its appearance near the end of foetal life, when the body has an elongated form and concreseence of the germ-bands is nearly complete. It is formed as a hollow invagination of ectoblast which pushes its way between the hinder ends of the mesoblastie bands, and soon fuses with the archenteron wall.« Von besonderem Interesse erscheinen mir die Angaben von L. Route, weil es sich hierbei um einen limicolen Oligochäten ZEnchytraeoides Marioni handelt. RouLE sagt (p. 183): »La bouche et l’anus prennent naissance par deux depressions ectoblastiques qui vont ä la rencontre de l’endoblaste; les cellules qui font partie de l’endoblaste dans la region de rencontre, se detrui- sent de maniere & fair communiquer la cavit& intestinale avec les deux in- vaginations. La depression buccale ou stomodaeum constitue le pharynxz, et la depression anale ou proctodaeum forme un petit reetum court et assez etroit.< p. 362: »Le rectum et le pharynx sont done produits par l’eetoblaste et non par l’endoblaste comme Ms. LEMOINE semble le croire.« Ich kann es mir nicht versagen, untenstehend eine Kopie nach RouLe’s Fig. 134 hier beizufügen, weil dieselbe besser als Worte seine Angaben er- läutert und auf das Schlagendste den Unterschied mit den später zu schildern- = T— —T wer Sn oe Se, er TR 9% ZGEEN IP URUUFRFTIRN E IS N ER a m renn __ etaete & a me en ee mu / N —— an | mes ET Ve ne = Fee ten —— AED ertserad FLUR EET ZEN MRSEEER Bi [ZZ Textüig. 1. den Regenerationsvorgängen hervorhebt, immer vorausgesetzt natürlich, dass die Embryonalentwicklung des Tubifex in dieser Hinsicht mit der von Znchy- traeoides übereinstimmt, was man wohl anzunehmen berechtigt ist. Man er- kennt an dieser Figur, dass der Pharynx (ph) ziemlich weit nach hinten reicht und ähnliche Verhältnisse zeigt, wie diejenigen von Zubifex, welche ich von einem normalen Wurm in Fig. 9, Taf. IX dargestellt habe. Obwohl ich bei diesem vergleichenden Überblick iiber die Ontogenie des Darmkanals hauptsächlich möglichst nahestehende Anneliden, d. h. also die Oligochäten, heranziehen möchte, muss ich doch noch die jetzt eben vor der Drucklegung meiner Arbeit erscheinende, höchst eingehende Entwicklungs- geschichte der Capielliden von EısıG erwähnen, weil sie mit großer Genauig- keit die Entstehung eines umfangreichen ektodermalen Vorderdarmes nachweist. Eısıe schildert Stadium für Stadium die allmähliche Herausbildung des Vorder- darmes, der sich in einen vorderen und hinteren Abschnitt (Stoma und Osophagus) sondert und bis zum neunten Segment des Wurmes reicht. Hier ist also der ektodermale Vorderdarm besonders umfangreich. Eısı6 nimmt auch auf die Entwicklungsvorgänge des Vorderdarmes bei Über Regenerationsvorgänge bei Tubifex rivulorum Lam. ete. 317 Oligochäten Bezug und sagt sehr richtig, dass man den allgemein vom Entoderm hergeleiteten sog. Ösophagus eigentlich nicht als solchen, sondern besser als vorderen Abschnitt des Mitteldarmes bezeichnen solle. Vom entwicklungs- geschichtlichen Standpunkt ist diese Auffassung entschieden zu billigen. Ein sehr umfangreiches und verhältnismäßig weit nach hinten reichendes Stomodäum fand BEDDARD bei Acanthodrilus multiporus. Nach seiner Beschrei- bung ist dasselbe sehr gut vom entodermalen Mitteldarm unterschieden, abge- sehen davon, dass es in früheren Stadien noch blind gegen ihn abgeschlossen war. Sowohl die Struktur, die Größe, das Färbungsvermögen und die vorhan- dene oder fehlende Bewimperung, wie das Verhalten zu dem umgebenden Meso- derm unterscheidet das Stomodäum vom Mitteldarm. Es erstreckt sich durch die vier ersten Körpersegmente und liefert nach BEDDARD’s Darstellung den recht umfangreichen Pharynx. Weniger ausgedehnt ist das ebenfalls durch eine ektodermale Einstülpung entstehende Proktodäum. Nach den Befunden der genannten Forscher, welche den betreffenden Ver- hältnissen eine eingehende Untersuchung widmeten, ist also der Vorderdarm mit Einschluss des Pharynx bei den Oligochäten ektodermaler Natur. Zu dieser Auffassung gelangte auch VEJDovsky bei dem Studium der Entwieklungs- geschichte von ZRhynchelmis, doch ändert er seine Ansicht später und leitete nunmehr den Pharynx vom Entoderm her. In seinen entwicklungsgeschicht- lichen Untersuchungen sagt er (p. 316): »Über die Entstehung des Stomodäum habe ich mieh bereits früher ausgesprochen, es nimmt nur das erste Segment ein. Dass der Ösophagus seinen Ursprung dem Hypoblaste verdankt, habe ich auch bereits im „System und Morphologie der Oligochäten“ dargelegt. Die Ein- stülpung des Epiblastes zur Bildung des Proktodäums im hinteren Körperende findet erst in sehr späten Entwicklungsstadien statt und nimmt anfänglich nur das letzte Segment an der dorsalen Seite ein. An älteren Würmchen verlängert sich der Enddarm auch bis in das zweite (vorletzte) Segment und ist leicht durch seine hyalinen, dünnen Wandungen und das verengte Lumen von dem eigentlichen Magendarm erkennbar. Diese Verhältnisse des Enddarmes sind leicht bei allen Lumbrieiden nachzuweisen.« >»Am schwierigsten ist die Frage über die Herkunft des Pharynx zu beant- worten. Ich habe früher (Syst. u. Morphol. d. Oligoch.) nachzuweisen versucht, dass dieser Theil des Darmtractus dem Epiblaste seinen Ursprung verdankt, da ich die stomodäale, Anfangs an das erste Segment sich beschränkende Einstül- pung als Pharynx bezeichne. Diese Einstülpung sollte sich später in die nach- folgenden Segmente erstrecken und mit dem verengten ösophagealen Theile, der dem Hypoblaste seinen Ursprung verdankt, in Verbindung treten. Dieser Auffassung scheinen die von der Oberfläche betrachteten Präparate zu ent- sprechen. Allein die Untersuchung von Schnittserien durch jüngere Stadien unterstützt vielmehr die Ansicht, dass auch das Pharynxepithel aus den modi- fieirten Hypoblastzellen sich aufbaut.« | Man sieht hieraus, dass bei den von VEJDOVSKY untersuchten Arten die Herkunft des Pharynx nur mit Schwierigkeit festzustellen war. Die Thatsache, dass VEJDOVSky dem Pharynx früher selbst ektodermalen Ursprung zuschrieb, wird zunächst noch, bis für die betreffenden Arten neuere Angaben vorliegen, der Vermuthung Raum gewähren, dass es sich vielleicht doch, trotz der später abweichenden Angaben, um eine Entstehung aus dem Ektoderm handeln möge. Man wird diese Vermuthung nicht ungerechtfertigt finden, wenn man die vor- her angeführten, nach dieser Richtung sehr bestimmt lautenden Angaben der 918 H Haase, erstgenannten Autoren in Betracht zieht. Übrigens wird, wie ich schon früher bemerkte, für einen völlig einwandfreien Vergleich zwischen den regenerativen und embryonalen Vorgängen, nur eine Untersuchung dieser beiderlei Vorgänge an ein und derselben Species ausschlaggebend sein. So lange man dieselbe nicht besitzt, wird man sich an die bisher vorliegenden Litteraturangaben halten müssen, wie dies hier geschieht. b. Oberes Schlundganglion und Bauchmark. Wie beim Vorder- und Enddarm, so möchte ich auf die Entstehung des Nervensystems in der Embryonalentwicklung bei den Oligochäten, und so weit es erforderlich erscheint, auf diejenigen der Polychäten kurz eingehen, da es mir von großem Interesse zu sein scheint, auch hier einen Vergleich mit der Bildungsweise, besonders des oberen Schlundganglions, bei der Regeneration bezw. Knospung zu ziehen. Bei der Entstehung des Nervensystems handelt es sich besonders um die beiden Punkte, ob das obere Schlundganglion und das Bauchmark aus paarigen Anlagen hervorgehen, und ob diese beiden Theile des centralen Nervensystems getrennt von einander oder im Zusammenhang ange- lest werden. Wie sich später zeigen wird, interessirt bei der Regeneration vor allen Dingen die letzte Frage, obwohl auch zur Beantwortung der ersteren ein Beitrag geliefert werden wird. Nach den bisher für die Anneliden gegebenen Darstellungen, wie sie z. B. in dem Lehrbuche von KORSCHELT und HEIDER und in der zusammenfassenden Schilderung von R. 8. BERGH niedergelegt sind, ist man geneigt, das obere Schlundganglion auf eine (paarige oder unpaare) dorsale Ektodermverdickung und das Bauchmark auf eine eben solche ventrale Wucherung zurückzuführen. Die Frage, ob die Anlage des oberen Schlundganglions mit derjenigen des Bauchmarks von Anfang an in Verbindung steht, oder ob beide einen getrenn- ten Ursprung haben, wird von den Autoren verschieden beantwortet. Während HATScHEr’s Befunde an Oligochäten für einen Zusammenhang des Gehirns mit dem Bauchmark sprechen, lässt KLEINENBERG bei den Zumbr:- ciden beide getrennt entstehen, welche Auffassung sich auch aus seinen späte- ren Untersuchungen an Polychäten, sowie besonders auch aus denen von GOETTE und SALENSKY ergiebt. Von den auf Oligochäten bezüglichen Untersuchungen möchte ich zunächst die von ROULE an Znchytraeoides anführen. Wie ich seine Darstellung ver- stehe, geht das obere Schlundganglion aus einer dorsalen Ektodermwucherung hervor, die früher als die ventrale, zum Bauchmark werdende Verdickung auf- tritt und sich erst nachträglich mit dieser vereinigt. Diese Auffassung ergiebt sich auch aus RouLr’s schematischer Darstellung p. 351; doch fällt mir dabei auf, dass in der ebenfalls schematischen Figur auf p. 163 eine seitliche Ekto- dermverdickung als »plaque ce£phalique<, d. h. als Gehirnanlage bezeichnet wird. Unwillkürlich erinnert dies an Bildungszustände des Gehirns, wie sie bei der Regeneration von Tubifer auftreten. Im Gegensatz zu RouLe’s Angaben stehen die von Wırson an Zumbr:- ciden gewonnenen. Wenn RouLE das obere Schlundganglion unabhängig vom Bauchmark sich bilden sah, und dieses aus einer unpaaren median gelegenen Anlage hervorgehen ließ, sagt Wıuson: »My preparations show clearly, I think, that the entire nervous systeme has a double (bilateral) origin and is formed by a process of concrescence, and further more, that the foundation of the Über Regenerationsvorgänge bei Tubifex rivulorum Lam. ete. 319 cerebral ganglion of each side is simply the thickened anterior extremity of the corresponding neural row< (p. 415). Und weiter: »In its first recognizable condition the nervous system is represented by a short neural row Iying at the surface of the germ-band on each side the body. Each row terminates behind in a neuroblast; anteriorly it passes up at the side of the mouth and apparently lost in the general ectoblast.« Schon die Angaben dieser beiden Forscher lassen erkennen, wie sehr die Meinungen über die Entstehung des Nervensystems selbst bei.den Oligochäten von einander abweichen, denn während RouLE die Anlage als unpaar darstellt, schildert WILSon sie vielmehr als paarig. Ein weiterer Unterschied liegt darin, dass ROouULE das Gehirn dorsal und unabhängig vom Bauchmark entstehen lässt, während es sich nach WıLson offenbar im Zusammenhang mit dem Bauchmark und lateral bildet. VEJDoVsKyY’s ausführliche Untersuchungen über die Bi klineereschiohte der Oligochäten bringen bezüglich der hier interessirenden Fragen keine Ent- scheidung; zwar ist die frühe Anlage des oberen Schlundganglions von ihm beobachtet worden, doch vermag ich über den Zusammenhang des Gehirns mit dem Bauchmark aus seiner Darstellung nicht mit Sicherheit zu entnehmen, wie sich dasselbe verhält. VEJDOVSKY spricht zwar von einer ventralen Lage der- jenigen Zellen, welche die erste Anlage des oberen Schlundganglions darstellen, und demnach würde sich ein Zusammenhang derselben mit dem Bauchmark leicht ergeben, ähnlich wie er nach Wırson’s Auffassung vorhanden ist, doch vermag ich nicht zu sagen, ob dies thatsächlich auch VEJDovskyY’s Meinung ist. R. S. BERGH, der sich wie WıLson sehr eingehend mit der Frage der Entstehung des Bauchmarks aus den Neuroblasten und Neuralreihen beschäf- tigte, hebt ausdrücklich hervor, dass die Anlage des oberen Schlundganglions selbständig, d. h. unabhängig von jener des Bauchstranges aus einer paarigen Ektodermverdickung oberhalb des Schlundes ihren Ursprung nimmt. Auf die Bedeutung dieser Angaben im Hinblick auf die bei der Regene- ration von mir gemachten Angaben möchte ich weiter unten noch näher zurück- kommen. Material und Methode. Die Würmer, welche ich zu meinen Untersuchungen verwandte, stammen sämmtlich aus einem in der Nähe des Dorfes Marbach bei Marburg selegenen Tümpel. Dieselben kommen hier in solcher Menge vor, dass oft der Boden des Gewässers vollständig roth er- scheint. Man findet sie hier das ganze Jahr hindurch, nur wenn das Wasser sich mit einer Eisdecke überzieht, pflegen auch die Würmer sich tief in den Schlamm zu vergraben, aus dem sie im Frühling sehr bald wieder hervorkommen. Bei der eigenartigen Lebensweise der Thiere ist es nicht schwer, dieselben monatelang in Gefäßen aufzubewahren. Ich verfuhr dabei derart, dass ich mit den Würmern zugleich Schlamm aus dem Tümpel herausschöpfte, und beides zusammen in ein Glasgefäß brachte. Hatten sich hier die erdigen Bestandtheile zu Boden gesetzt, so sah 220 H. Haase, man, wie die Tubifieiden ganz ihrer Lebensweise in der freien Natur entsprechend, sich an einer bestimmten Stelle des Behälters in einem Knäuel angesammelt hatten. Im Sommer verschaffte ich mir stets in Zwischenräumen von wenigen Tagen frisches Material. Vor Beginn des Winters sammelte ich größere Quantitäten, und wenn ich jede Woche das Wasser wechselte und dafür sorgte, dass die Gläser immer ziemlich gleichmäßiger Temperatur ausgesetzt waren, so konnte ich sie den ganzen Winter hindurch vollständig frisch erhalten. Zum Zweck der Operation brachte ich eine Anzahl Würmer in eine größere Glasschale, aus der ich sie dann mittels eines Platin- spatels auf einen Objektträger übertrug. Hierbei verfuhr ich derart, dass ich die Würmer am Hinterende zu fassen suchte, und sie nun schnell auf dem Glase entlang zog, so dass sie vollständig aus- gestreckt waren. In dieser Stellung verharrten sie meistens mehrere Minuten, ohne sich zu rühren, wodurch es mir sehr leicht fiel, die Zahl der Segmente, welche entfernt werden sollten, mit der Lupe zu bestimmen, um dann diese mit einem scharfen Skalpell abzutrennen. Am Vorderende entfernte ich bei den für das Studium der Neubildung des Darmes und Nervensystems bestimmten Würmer 4—6, am Hinter- ende eine unbestimmte Zahl von Segmenten, jedoch nie mehr als ein Viertel der ganzen Länge. Nach dem Durchschneiden erfolgte ein sofortiges Zusammenrollen. Anfänglich habe ich öfter versucht, die Würmer vor der Operation mittels Chloroform oder Chloroformwasser zu betäuben, ohne jedoch bessere Resultate zu erzielen, im Gegen- theil starben mir derartig behandelte Würmer verschiedentlich wohl in Folge zu langer Einwirkung der Chemikalien. Die operirten Thiere wurden in verschiedener Weise aufbewahrt. Theils hielt ich sie in reinem Wasser, theils brachte ich sie in Schlamm. Der Unterschied, der durch diese Behandlungsweise her- vorgebracht wurde, war ein ungewöhnlich großer, denn während die iin Schlamm befindlichen Exemplare schon nach einigen Wochen voll- ständig regenerirt waren, dauerte dies bei den im Wasser befind- lichen mehrere Monate, ja sehr oft geschah es, dass sie nur die Wunde mit einer durchsichtigen Kappe verschlossen und dann über- haupt nieht weiter regenerirten, dass sie vielmehr vom Hinterende anfıngen, abzusterben. In Folge dessen habe ich später die Würmer nur unter den Bedingungen gehalten, wie sie auch in der freien Natur zu leben pflegen. Der Einfluss der Jahreszeit auf den Verlauf der Regeneration ist bei Zubifex kein so großer wie er z.B. für die Lumdricıden von Über Regenerationsvorgänge bei Tubifex rivulorum Lam. etc. 321 verschiedenen Forschern angegeben wird. Vom Frühjahr bis Herbst, einschließlich, kann man mit Sicherheit darauf rechnen, dass schon nach Verlauf von 12—14 Tagen eine vollständige Neubildung des Kopfes erfolgt ist, während zur Regeneration des Afters nur 7—9 Tage erforderlich sind. Im Winter dauern diese Vorgänge 16—18 bezw. 10—12 Tage, so dass also kein erheblicher Unterschied vor- handen ist. | Für die Regeneration von Schwanzenden ist das Aufbewahren in reinem Wasser gar nicht zu empfehlen, da ich auf diese Weise nur in sehr seltenen Fällen gute Resultate bekommen habe. In noch höherem Maße, wie bei den regenerirenden Vorderenden, schnüren sich hier Segmente vom Hinterende ab, es findet also eine Selbst- amputation statt, auf die ich weiter unten noch näher eingehen werde. | Bei der Amputation des Hinterendes verfuhr ich ähnlich wie beim Kopf, ohne jedoch die Anzahl der abzutrennenden Segmente mit der Lupe näher zu bestimmen, mehr als !/,—!/, des Thieres habe ich nie entfernt, meist etwa 10 Segmente. Die Würmer wurden täglich nachgesehen und die etwa abgestorbenen Exemplare aus den Gläsern entfernt. Um beim Herausnehmen der zum Konserviren bestimmten Würmer nicht jedes Mal sämmtliche Thiere zu stören, vertheilte ich sie im Gefäß in mehrere Gruppen, deren Lage durch die von ihnen sebildeten Röhren leicht aufzufinden war; auch brachte ich aus dem- selben Grunde nie mehr wie 50 Exemplare in ein Glasgefäß. Be- sondere Schwierigkeiten bereitete mir Anfangs die Herstellung un- versehrter Präparate des Enddarmes, da mir in Folge von steinigem Darminhalt die Schnitte sehr oft zerrissen. Um dies zu vermeiden, brachte ich die Würmer vor der Operation so lange in reines Wasser, bis ich annehmen durfte, dass sie den Darminhalt vollständig ent- leert hatten, was bei der großen Durchsichtigkeit der Tubreiden leicht festzustellen ist. Hierauf operirte ich die Thiere in der oben geschilderten Weise, um aber ein Wiederaufnehmen von neuer Nahrung zu verhüten, schnitt ich ihnen gleichzeitig 1—2 Segmente vom Vorder- ende ab. Durch diese Methode habe ich selbst von ganz jungen Stadien gute Bilder bekommen. Als Konservirungsmittel diente mir Sublimat, das mich gute Re- sultate erzielen ließ. Zum Zweck der Konservirung schnitt ich theils die regenerirten Enden ab und übertrug sie in die Konservirungs- Hüssigkeit, theils brachte ich die Thiere ganz in ein Uhrgläschen und überschüttete sie hier mit dem vorher auf 70—80° erwärmten 222 H. Haase, Sublimat, worin die Würmer etwa 10 Minuten verblieben. Sie wurden dann mit Wasser kurze Zeit ausgewaschen und allmählich unter Jod- zusatz in 96°/,igen Alkohol überführt. Von den verschiedenen Färbmitteln erwies sich der im hiesigen Institut gebräuchliche, nach einer modifieirten GRENACHER’schen Vor- schrift bereitete Boraxkarmin als besonders vortheilhaft. Die Färbung ließ sich durch geeignetes Ausziehen mit angesäuertem Alkohol so reguliren, dass eine differente Färbung der verschiedenen, besonders der ektodermalen und entodermalen bezw. mesodermalen Schichten und vor Allem aber eine gleichbleibende Färbung der einzelnen Objekte erreicht wurde, was die Beurtheilung derselben, sowie be- sonders der verschiedenen Regenerationsstadien sehr erleichterte. Die in Paraffin eingebetteten Objekte wurden in Schnitte von 6—8 u Dicke zerlegt. Die Orientirung der in Sagittalschnitte zu zerlegenden Würmer gestaltete sich dadurch sehr einfach, dass sie sich meist nach der ventralen Seite zu krümmten. Vollständig aus- sestreckte Thiere wurden nach Lage von Rücken- und Bauchgefäß orientirt. Zum Studium des Darmes wurden hauptsächlich Sagittal- schnitte, für die des Nervensystems besonders Querschnitte angefertigt. Alle Zeichnungen wurden in bekannter Weise mit dem Prisma ent- worfen. Regeneration des Vorder- und Hinterendes. Ehe ich auf die hauptsächlich von mir erwähnten Organe (Darm- kanal und Nervensystem) eingehe, möchte ich meine auf die Regene- ration des Vorder- und Hinterendes im Allgemeinen bezügliche Beobachtung mittheilen. | So viel ich feststellen konnte, ist über das Regenerationsver- mögen von Tubifex Genaueres bisher nicht bekannt geworden. Eine Bemerkung darüber findet sich bei H. RAnDoLPH, die gelegentlich der Frage über Herkunft und Bedeutung der Neoblasten nur beiläufig auf Tubifex zu sprechen kommt: »In Zubdrfexz the presence of neo- blasts shows a well-marked adaptation for regeneration. The reaction of the organism however, is not rapid, the blood-vessels close less quickly or less completely than in Zumbdr:rculus, causing coagulation in the growing end and giving to the whole worm a pale appearance.< Bei dieser Gelegenheit möchte ich gleich der Neoblasten ge- denken, welche im Übrigen für die von mir behandelten Fragen wenig in Betracht kommen. RANDOLPH sucht nachzuweisen, dass die Neo- blasten bei der Regeneration eine große Rolle als Bildungsmaterial Über Regenerationsvorgänge bei Tubifex rivulorum Lam. ete. 223 spielen; in den einzelnen Segmenten der Würmer vorhanden, dienen sie im Falle einer Verwundung derselben dazu, die verloren ge- gangenen Theile wieder ersetzen zu helfen. Ich habe die Neoblasten regelmäßig beobachtet und fand sie am Hinterende, besonders in etwas späteren Stadien, wenn die eigentliche Ausbildung des Regenerates ihren Anfang nahm. Das häufige Auf- treten der Neoblasten in den hinteren Regionen könnte vielleicht durch die umfangreicheren Neubildungen erklärt werden, welche hier erfolgen, so wie RANDOLPH dies auffasst, doch habe ich dieser Frage, wie erwähnt, kein besonderes Studium widmen können. Eingehendere Versuche sind von BüLow und früher von BonnErT über den Tudifexz nahestehenden Zumbriculus angestellt worden, die zu dem Resultat führten, dass, wenn man von den vordersten Seg- menten eine bestimmte Zahl abschneidet, die man leicht an den Borsten kontrolliren kann, stets gerade so viel Segmente wieder ent- stehen, wie entfernt wurden, keines mehr, keines weniger. Sind z. B. fünf weggeschnitten, so werden fünf regenerirt, sind drei abge- schnitten, so entstehen wieder drei ete. Die abgeschnittenen Segmente sind nicht lebensfähig. Weiter unten heißt es dann in der Arbeit von BüLow: »Zum Schluss will ich noch einmal auf die ungemein große Regenerationsfähigkeit der ZLumbriculi hingewiesen haben. Wie wir erinnern, hatte BOonNnET einen dieser Würmer in 26 Stücke zerlegt, »dont la plupart ont repris, et dont plusieurs sont devenues _ des animaux complets<. Die einzelnen Theilstücke müssen schon recht klein gewesen sein, bei einem Thier von mittlerer Größe ca. 2 mm. Ich habe diesen Versuch nun zwar nicht in der Form an- gestellt, dass ich einen ganzen Wurm in so viel Theilstücke zerschnitt, sondern es sind nur immer gelegentlich Beobachtungen gemacht worden. So erzielte ich z. B. mehrere Male bei sorgfältiger Pflege aus Stücken von vier bis fünf Körpersegmenten ganze Thiere. Waren sie acht oder neun Segmente groß, so konnte man sicher annehmen, aus ihnen vollständige Würmer zu erhalten.< Aus diesem Wenigen geht ganz klar hervor, dass das Regenerationsvermögen von Lum- brieulus in der That ein außerordentlich großes sein muss. Ähnliche Versuche, wie die für Zumbriculus beschriebenen, sind in neuester Zeit mehrfach an Zumbricus angestellt worden, ich ver- weise hier auf die Arbeiten von MoRGAN und HESCHELER, sowie auf diejenigen von JOEST und KORSCHELT. Die beiden erstgenannten Autoren konnten im Laufe ihrer Unter- suchungen nachweisen, dass einige Zumbricus-Arten fähig sind, einen 224 H. Haase, neuen Kopf zu bilden, wenn dieselben bis neun oder zehn Segmente verloren haben, wobei jedoch zu bemerken ist, dass nicht sämmtliche Segmente neu gebildet werden, sondern dass die Zahl der regenerirten mit der Länge der amputirten Anzahl stetig abnimmt. Hinter dem 15. Segment hört die Neubildung eines Kopfes auf und nur in Aus- nahmefällen konnte eine Regenerationsknospe auftreten, die sich indessen nicht weiter entwicklungsfähig zeigte. Dem Hinterende wird von beiden Autoren eine viel größere Reproduktionskraft zu- geschrieben. Diese Befunde sind nun in letzter Zeit bedeutend erweitert wor- den, indem KORSCHELT zeigte, dass die Regeneration des Kopfes sich weit über das 15. Segment hinaus erstreckt, und dass die Neubildung von Segmenten eine bedeutend größere ist, als von MORGAN und HESCHELER angegeben wurde; ferner erstrecken sich diese Unter- suchungen auch auf das Verhalten kleiner Theilstücke aus den ver- schiedensten Körpergegenden, und es wird auch für diese gezeigt, dass sie im Stande sind, sowohl am Hinter- wie auch am Vorderende beträchtliche Regenerate zu bilden. KORSCHELT kommt zu folgendem Resultat: »Das Regenerationsvermögen hat sich auch durch die spä- teren Versuche als ein sehr weitgehendes erwiesen. Im Übrigen geht noch aus denselben hervor, dass thatsächlich Theilstücke aus allen Körpergegenden die Fähigkeit des Ersatzes verloren gegangener Körpertheile bis zu einem gewissen Grade besitzen, wobei zu be- merken ist, dass in bestimmten Gegenden, besonders am Kopt- und Schwanzabschnitt diese Fähigkeit stark herabgemindert erscheint. « MoRGAN hat in einer zweiten Arbeit ähnliche Angaben gemacht. So eingehend, wie die oben erwähnten Autoren habe ich die Frage nach dem Regenerationsvermögen von Zubifex nicht verfolgt. Die Hauptaufgabe meiner Versuche lag darin, festzustellen, ob die Würmer bei der Regeneration des Vorderendes neue Segmente bilden, und wie die neuen Organe in den alten Segmenten entstehen, sodann wie viele Segmente man vom Vorderende abtrennen dürfte, um noch eine Wiederherstellung des Kopfes zu erzielen. Außerdem habe ich auch einige Versuche mit kleinen Theilstücken, die etwa eine Länge von fünf bis zehn Segmenten hatten, angestellt. Ganz in Übereinstimmung mit RanpoLpm konnte ich feststellen, dass die Regenerationsfähigkeit von Tubrfex zwar eine große ist, dass die Regeneration jedoch nicht so schnell verläuft, wie dies bei Lumbriculus der Fall ist. Nach der Operation tritt kein sehr baldiger Wundverschluss ein, was wohl mit der weniger stark ausgebildeten Über Regenerationsvorgänge bei Tubifex rivulorum Lam. ete. 395 Muskulatur von Tudifex zusammenhängt. Beobachtet man durch- schnittene Thiere unter der Lupe, so bemerkt man sehr deutlich, dass bei der Operation ein ziemlich erheblicher Bluterguss stattfindet; allem Anschein nach hält die Blutung noch eine geraume Zeit an, da man in ganz jungen Stadien immer verhältnismäßig große Reste geronnenen Blutes findet. Der Wundverschluss verläuft bei Zudsfex folgendermaßen: Nach dem Durchschneiden tritt, wie erwähnt, ein heftiger Bluterguss ein. Die Körperwand wird durch die Kontraktion der Muskulatur verkürzt, wodurch bewirkt wird, dass der Darm ein Stück über dasselbe hinaus- ragt. Ein Verschluss der Blutgefäße wird dadurch hervorgebracht, dass das Körperepithel sich einwärts krümmt, sich gegen den Darm lest und damit die Öffnung abschließt, ferner, dass das austretende Blut gerinnt, und damit ein Weiterausströmen verhindert. Inzwischen hat auch der Darm begonnen sich zurückzuziehen, wodurch er nun- mehr völlig in das Innere des Körpers zu liegen kommt, und das Körperepithel über ihn hinwegzieht. Diese Vorgänge verlaufen am Vorder- und Hinterende ungefähr in gleicher Weise. Nach Verlauf von ein bis zwei Tagen kann man einen vollstän- digen Verschluss der Wunde wahrnehmen, und zugleich sehen, wie das abgeschnittene Ende mit einer durchsichtigen Kappe von Narben- sewebe überzogen wurde. Der Beginn der Regeneration wird durch das Auftreten eines kleinen, kegelförmigen, vollständig durchsichtigen _ Aufsatzes angezeigt, der sich deutlich von dem übrigen Körper ab- hebt. Im Laufe der nächsten Tage ist ein stetes Wachsen des Rege- nerates zu konstatiren. Letzteres nimmt allmählich die Breite der normalen Segmente ein, und gliedert sich am Vorderende in zwei bis drei Segmente, womit dann nach meiner Beobachtung das Wachsthum hier zunächst abgeschlossen ist. Wie die unten mitgetheilten Versuche zeigen, trat (wenigstens im Verlauf von drei Monaten, Januar bis April) nur die Bildung von drei, nie aber von mehr vorderen Seg- menten ein. Am Hinterende wurde in derselben Beobachtungszeit eine größere Zahl von Segmenten neu gebildet. Die regenerirten Theile sind noch lange an ihrer größeren Durchsichtigkeit von den übrigen Partien zu unterscheiden. Im Allgemeinen geht auch bei Tubifex die Regeneration verhältnismäßig schnell vor sich, denn meist schon nach 15 Tagen hat sich ein neuer Kopf gebildet, während die Neubildung des Afters bereits nach acht Tagen vollendet sein kann. Beginnen die Würmer abzusterben, was bei denjenigen nach Verlauf einer bestimmten Zeit eintreten muss, denen das Vorderende 226 H. Haase, abgetrennt ist, und die keinen neuen Mund gebildet haben, so giebt sich dies meist dadurch zu erkennen, dass sie anfangen, vom Hinter- ende aus Segmente abzuschnüren. Diese Selbstamputation tritt aus- schließlich am Schwanzende ein, und zwar dergestalt, dass sich auf der Grenze zweier Segmente eine Furche bildet, die immer tiefer einschneidet und zur allmählichen Abschnürung dieses Theiles führt. Gewöhnlich wiederholt sich der Vorgang so oft, bis das Thier völlig zu Grunde geht. Bei dieser Selbstamputation werden indessen nicht nur die im Absterben begriffenen letzten Segmente abgestoßen, son- dern noch einige lebensfähige davon mitbetroffen, um, wie dies auch JoEST für die Lumbrieiden annimmt, eine Infektion des noch übrigen gesunden Theiles zu verhindern, sowie um ein Zerreißen, das durch die Kontraktion der Muskulatur von beiden Seiten aus erfolgen muss, zu ermöglichen. Nachfolgend theile ich eine Anzahl von Versuchen mit. Versuch 1. Am 7. Januar wurden 25 Würmern die ersten sechs Kopfsegmente abgetrennt. Nach der Operation wurden dieselben direkt in Schlamm gebracht. Am 14. Januar waren die Thiere sämmtlich lebend, auch hatte sich schon ein kleines, durchsichtiges Regenerat gebildet. Letz- teres vergrößerte sich im Laufe der nächsten Zeit recht bedeutend, und hatte sich bis 24. Januar in zwei bis drei Segmente gegliedert. Die Würmer wurden bis zum 21. April gehalten, ohne dass bis dahin eine weitere Anlage von Segmenten zu bemerken gewesen wäre. Versuch 2 - 25 Würmern wurde am 7. Januar das erste Körperdrittel ent- fernt. Am 14. Januar konnte eine große Lebensfähigkeit der Thiere festgestellt werden, auch hatte sich die Wunde mit einem durchsich- tigen Gewebe geschlossen; von einem Regenerat war indessen nichts zu bemerken. Am 2. Februar wurden die Objekte genau untersucht, doch konnte weder von einem Regenerat, noch von einer Mundbildung etwas konstatirt werden. Wohl in Folge der Unfähigkeit Nahrung aufzunehmen und eines dadurch bedingten abnormen Zustandes, fingen die Würmer im Laufe der nächsten Zeit an, einige Segmente vom Hinterende abzuschnüren. Die Selbstamputation schritt sodann immer weiter fort, so dass am 22. März sämmtliche Würmer abgestorben waren, ohne ein Regenerat gebildet zu haben. Über Regenerationsvorgänge bei Tubifex rivulorum Lam. ete. 227 Versuch 3. Am 16. Februar wurden 30 bis 40 Theilstücke, welche fünf bis zehn Segmente umfassten, und der vorderen Körperhälfte entstammten, in Wasser gebracht. Der Wundverschluss war an beiden Enden nach einigen Tagen eingetreten. Schon am 18. Februar waren verschiedene Exemplare gestorben, andere fingen an, Segmente zu amputiren. Am 19. Februar waren zwei Drittel aller Stücke abgestorben, der Rest konnte noch bis zum 21. Februar gehalten werden. Versuch 4. 30 bis 40 Theilstücke aus der hinteren Körperhälfte von gleicher Länge wie beim vorigen Versuch. Das Ergebnis ein gleich ungünstiges. Versuch 5. Zwölf Würmern wurden am 22. Februar die ersten zehn bis zwölf Segmente abgetrennt. Am 26. Februar hatte sich die Wunde am Vorderende in bekannter Weise geschlossen; ein Regenerat war noch nicht vorhanden; doch konnte letzteres am 5. März bei einigen Exem- plaren konstatirt werden. Dasselbe wuchs in der nächsten Zeit bis zu einer Länge von zwei bis drei Segmenten heran. Eben so wie bei Versuch 1 konnte auch hier keine größere Anzahl neu gebildeter Segmente festgestellt werden. Versuch 6. Die beim Versuch 5 abgeschnittenen vorderen Segmente wurden direkt nach der Operation in Schlamm gebracht. Am 8. März konnte am hinteren Ende dieser Vorderstücke die Neubildung verschiedener Segmente beobachtet werden, deren Zahl sich bei verschiedenen Thieren bis 31. März bedeutend vergrößerte. Ein Exemplar von zwölf Segmen- ten hatte 40 Segmente neu gebildet, ein anderes von zehn Segmenten deren 46, zwei von je elf Segmenten hatten 30 bezw. 35 Segmente regenerirt. Versuch 7. Am 5. März wurden zwölf Würmern die ersten zehn Segmente abgetrennt. Am 7. März war die Wunde geschlossen, doch hatte sich noch kein Regenerat gebildet, letzteres war am 12. März als kleiner Kegel am Vorderende wahrzunehmen. Bis zum 21. April ließen sich an diesen kurzen Regeneraten nur zwei Segmente fest- stellen. Ä Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXV. Bd. 16 228 H. Haase. Versuch 8. Die in Versuch 7 abgeschnittenen vorderen Segmente wurden direkt in Schlamm gebracht. Auch hier bildeten sich am Hinterende neue Segmente, deren Zahl sich bis zum 21. April auf etwa 20 belief. Versuch 9. Am 19. März wurden zwölf Würmern die vorderen Segmente, einschließlich der Geschlechtssegmente abgetrennt. Ein Regenerat war bis 21. April nur bei zwei Exemplaren als kleiner Conus nach- zuweisen. Versuch 10. 20 kleine Theilstücke, die vier bis zehn Segmente umfassten und aus der vorderen Körperhälfte stammten, wurden am 19. März in Schlamm gesetzt. Nach einigen Tagen war beiderseits ein voll- ständiger Wundverschluss eingetreten. Zehn Tage später wiesen einige Theilstücke am Hinterende ein kleines Regenerat auf. Am 5. April waren die Objekte bis auf vier gestorben, die noch eine seraume Zeit lebten, ohne indessen am Vorderende ein Regenerat zu bilden. Versuch 11. Am gleichen Tage wurden eben so kurze Stücke wie bei Ver- such 10 der hinteren Körperhälfte entnommen. Das Ergebnis war das gleiche. Versuch 12. Am 19. März wurden 20 Würmern die vordere Hälfte abgetrennt. Der Wundverschluss war nach einigen Tagen vollständig eingetreten; ein Regenerat war bis 21. April nicht nachzuweisen. Aus den von mir angestellten, in der Zahl und Anordnung frei- lich wenig ausgedehnten und möglicherweise auch von der Jahreszeit (Januar bis April) nicht besonders begünstigten Versuchen scheint hervorzugehen, dass das Regenerationsvermögen von Tubifez rivu- lorum kein so großes ist, wie dies für verwandte Formen beobachtet wurde. Nach meinen Versuchen bilden sich bei der Regeneration des Vorderendes nicht wieder so viel Segmente neu, wie abgeschnitten werden, sondern es werden immer nur bis zu drei Segmenten wieder ersetzt. Schneidet man den Würmern bis zehn Segmente ab, so geht die Neubildung des Kopfes verhältnismäßig bald und regelmäßig vor Über Regenerationsvorgänge bei Tubifex rivulorum Lam. ete. 299 sich, während sich in den Fällen, in denen ich den Thieren mehr als zehn Segmente fortgenommen hatte, nur vereinzelte Regenerate bildeten. Entfernte ich den Versuchsthieren die vordere Körperhälfte, so sah ich überhaupt sich niemals ein Regenerat bilden, letzteres war auch der Fall, wenn ich noch mehr Segmente entfernte. Das sind also Ergebnisse, ‚welche sich in Übereinstimmung mit denjenigen be- finden, wie sie von MORGAN und HESCHELER an den Lumbrieiden sewonnen und auch durch die Versuche von KORSCHELT bestätigt wurden, nur dass sich Tudrfex nicht so widerstandsfähig erwies, wie das speciell für die Lumbrieiden durch KORSCHELT gezeigt wurde, denn die Versuche mit kleinen Theilstücken verliefen nicht so günstig, wie dies für Zumbrieulus und die Lumbriciden angegeben ist. Regenerate habe ich bei ihnen immer nur am Hinterende auf- treten sehen, wo sie allerdings eine ziemlich große Zahl von Seg- menten betragen konnten; am Vorderende habe ich dagegen keine Gelegenheit gehabt, Neubildungen zu beobachten, sei es nun, dass überhaupt keine solchen von Zubifexz gebildet werden, oder dass eine längere Beobachtungszeit und eine größere Zahl von Versuchen hierzu erforderlich ist. Für kurze Vorderenden konnte ich eine große Regenerations- fähigkeit feststellen. Stücke von sechs bis zehn Segmenten Länge lebten monatelang weiter und regenerirten schnell das aus einer sroßen Zahl von Segmenten bestehende Hinterende, so dass man vielleicht zu der Annahme berechtigt ist, dass sie bei genügend langer Beobachtung sich zu normalen Thieren ausgebildet haben würden. Die Neubildung des Vorderdarmes. Nach dem Abtrennen des vorderen Körperendes vollzieht sich sehr bald der Wundverschluss in der früher geschilderten Weise, und es entsteht eine helle, durchsichtige Kappe von Narbengewebe. In diesem Stadium verharren die Thiere längere Zeit. Ein schon etwas fortgeschritteneres Stadium zeigt Fig. 1. Bald fangen die am Vorder- ende des alten Darmes gelegenen Zellen an, sich zur Theilung anzu- schicken, wie aus der Struktur der hier gelegenen Kerne hervorgeht. Das Körperepithel überzieht gleichmäßig das ganze Vorderende; der Darm ist um ein gutes Stück von jenem entfernt, und an seinem Vorderende sieht man die Zellen besonders dicht gedrängt; an dieser Stelle findet man später eine große Zahl von Mitosen. Zwischen Darm und Körperdecke sieht man mesodermales Gewebe sich hinziehen. Die, Gestalt des Thieres ist eine gleichmäßig walzenförmige. Wie 16* 230 H. Haase, schon oben erwähnt, tritt am Vorderende stets eine Neubildung von zwei bis drei Segmenten ein; eine Anlage der neuen Organe in den vordersten alten Körpersegmenten, wie dieselben von RIEVEL bei Lumbriciden beobachtet wurden, habe ich niemals gesehen. Diese neuen Segmente kann man noch lange Zeit an ihrer hellen Farbe von den alten unterscheiden. Je weiter das Wachsthum schreitet, um so mehr differenzirt sich auch das Regenerat, und um so deut- licher tritt die charakteristische Kopfform zu Tage. Im Stadium der Fig. 2 treten am Vorderende des Darmes viele Theilungsfiguren auf, wie dies andere Präparate zeigen. Während der Darm in Fig. 1 sich noch mehr in der Mitte des Körpers befand, so sieht man ihn hier schon nach der Ventralseite zu gerichtet. Auch bemerkt man an derselben Figur, wie die Zellen nach hinten zu sich mehr anhäufen und damit ist bereits die erste Anlage des Pharynx angedeutet. Langsam nähert sich der Darm dem Körper- epithel, bis er nur noch durch einen schmalen Zwischenraum von ihm getrennt ist (Fig. 3). Im Darmepithel sind noch immer Mitosen in größerer Zahl vorhanden. Die Auftreibung und Wandverdickung, welche wir sehr bald als die Anlage des Pharynx kennen lernen werden, hat sich bedeutend vergrößert und tritt jetzt deutlicher her- vor. Auch der bisher noch vorhandene Zwischenraum zwischen Körperepithel und Darm schwindet allmählich, und der Darm legt sich nunmehr unmittelbar an das Körperepithel an. Kurz bevor dies jedoch eintritt, fängt das Körperepithel an dieser Stelle der Ventralfläche an, sich ein wenig nach innen einzusenken. Diese leichte Einsenkung wird bald etwas tiefer, bis sie mit dem ihr entgegenwachsenden Darm in Verbindung tritt (Fig. 5). Die Zellen des Körperepithels heben sich scharf von denen des Darmes ab, einestheils dadurch, dass die Grenze durch eine feine Linie bezeichnet wird, und sodann durch ihr stärkeres Färbungsvermögen, was beides aus der Fig. 5 zu erkennen ist. Während der geschilderten Vorgänge ist die Entwicklung des Pharynx bedeutend vorgeschritten. Vor allen Dingen tritt an der dorsalen Wand des vorderen Darmabschnittes eine starke Verdiekung auf, die durch eine reichliche Vermehrung der Zellen an dieser Stelle entstand (Fig. 3 und 4). Die Darmhöhle erweitert sich in dieser Gegend beträchtlich und zwar hauptsächlich dadurch, dass sie in die dorsale Zellenwucherung eine nach hinten zu gerichtete Aus- buchtung hineinschickt. Auf diese Weise entsteht eine von hinten nach vorn gerichtete Falte an der dorsalen Wand (Fig. 5). Durch Über Regenerationsvorgänge bei Tubifex rivulorum Lam. ete, 331 diese Umbildung der Darmwand tritt der Pharynx allmählich recht deutlich hervor. Mit fortschreitender Regeneration entwickelt sich der beschriebe- nen Falte gegenüber an der ventralen Seite des Darmes ebenfalls eine, aber viel weniger beträchtliche Zellenwucherung. Ein ähn- licher Vorgang wie an der dorsalen Seite wiederholt sich hier, indem ebenfalls eine Falte zur Ausbildung gelangt (Fig. 5, 7), die der dor- salen gegenüber, aber etwas weiter nach hinten liest. Außer diesen beiden bilden sich im Verlauf der Regeneration noch mehrere kleine Falten, die indessen nicht immer so deutlich hervortreten, wie die beiden eben beschriebenen (Fig. 8). Es sei gleich an-dieser Stelle erwähnt, dass zu dem deutlichen Hervortreten des Pharynx auch seine sich jetzt allmählich ausbildende Muskulatur mit beiträgt. Das mesodermale Gewebe lest sich vor Allem an der Dorsalseite dem zum Pharynx ausgeweiteten Darmepithel immer dichter und in srößeren Mengen an (Fig. 4—8), so dass durch Vermehrung dieses Gewebes allmählich die für den Pharynx so außerordentlich charakte- ristische Muskulatur zur Ausbildung gelangt. Während der besprochenen und noch zu schildernden Vorgänge erfährt das vordere Körperende jene Umgestaltung (Fig. 3—6), welche besonders durch die hier erfolgende Neubildung der Segmente be- dingt ist und die zu der Ausbildung der charakteristischen Kopfform führt, wie sie in Fig. 6—9 hervortritt. Das Vorderende ist jetzt kegelförmig gestaltet; oberhalb des Schlundes ist das Gehirn zur Ausbildung gelangt, auf welches später noch zurückzukommen sein wird. Die Einstülpung des Körperepithels senkt sich, wie erwähnt, etwas mehr in die Tiefe (Fig. 6). Die Zellen des Darmes sind in diesen späteren Stadien durch ihre stärkere Färbbarkeit deutlich vom Körperepithel zu unterscheiden. Außerdem lässt ein noch immer vorhandener feiner Kontour die Erstreckung des Darmes her- vortreten (Fig. 6). Die Figuren 6 und 7 stellen ein Stadium kurz vor dem Durch- bruch der Mundöffnung dar, und zwar handelt es sich, worauf noch besonders hinzuweisen sein wird, nicht um einen vorläufigen, son- dern um den bleibenden Mund. Zu dieser Zeit, wenn sich die Mundöffnung zu bilden im Begriff steht, beginnen sich die vorher er- wähnten Unterschiede zwischen Darm und Körperepithel zu ver- wischen. Die feine Linie zwischen beiden muss naturgemäß weg- fallen und der Unterschied in der Färbung bleibt zwar noch eine 232 H. Haase, Zeit lang erhalten, wird aber doch bald recht unbestimmt. Immerhin kann man auch an solchen Sagittalschnitten, welche bereits die Ver- bindung der Darmhöhle mit der Außenwelt zeigen, unter Umständen noch das Darmepithel von dem eingestülpten Körperepithel unter- scheiden. Die Fig. 8 zeigt einen Sagittalschnitt eines regenerirten Kopf- endes 16 Tage nach der Operation. Die Mundöffnung ist gebildet, und das der Zeichnung zu Grunde liegende Präparat lässt mit ziem- licher Sicherheit erkennen, dass die epitheliale Einstülpung so weit reicht, wie sich an der Ventralseite die drei helleren und runden, etwas gegen das Lumen gelegenen Kerne erstrecken. Diese gehören zu der Einstülpung. Dorsal scheint sich der ektodermale Theil nicht so weit ins Innere zu erstrecken. Man darf mit ziemlicher Sicherheit annehmen, dass nach dem erfolgten Durchbruch der Mundöffnung ein weiteres Hineinwachsen oder Einsenken des Körperepithels nicht mehr stattfindet, denn der Pharynx ist fertig ausgebildet und überhaupt zeigt das jetzt erreichte Stadium bereits eine völlige Übereinstimmung mit dem normalen Verhalten des unverletzten Wurmes. Um dies hervortreten zu lassen, gebe ich in Fig. 9 den Sagittalschnitt vom Vorderende eines solchen, an welchem man die Übereinstimmung ohne Weiteres erkennen wird, wenn man von unbedeutenden individuellen Verschiedenheiten und der beim normalen Thier natürlich weiter fortgeschrittenen Differen- zirung der Pharynxwand absieht. Aus meinen Untersuchungen ergiebt sich mit Bestimmtheit, dass der Pharynx nach Verlust der vorderen Darmpartien aus dem ento- dermalen Theile des Darmes neu gebildet wird. Ich glaube, dass die vorstehende Schilderung und die mitgetheilten Zeichnungen hier- über keinen Zweifel lassen. Zu dem entodermalen Pharynx kommt eine nur wenig umfangreiche Einstülpung des (ektodermalen) Körper- epithels hinzu (Fig. 6 und 7), welches die Mundhöhle bildet. Meine an Tubrfex gewonnenen Ergebnisse decken sich ziemlich mit den von RIEvEL an Nais und den Lumbriciden erzielten Resul- taten; zumal mit dem ersteren Wurm ist die Übereinstimmung be- züglich des Pharynx eine große; jedoch hat RızveL bei der Rege- neration des Vorderendes von Nazis proboscidea von irgend welchen ektodermalen Einsenkungen nichts bemerkt, sondern er lässt viel- mehr das entodermale Darmepithel mit dem (ektodermalen) Körper- epithel direkt ohne Einsenkung verschmelzen. Ob der Vorgang bei Nars thatsächlich abweichend verläuft, oder ob die nur geringe Über Regenerationsvorgänge bei Tubifex rivulorum Lam. ete. 233 ektodermale Einsenkung möglicherweise nur nicht zur Beobachtung gelangte, wie man vielleicht vermuthen könnte (man vel. z. B. RisvEr's Fig. 10, Taf. XII), lässt sich hier nicht entscheiden. Der Schwer- punkt von Rırver’s Darstellung liegt überhaupt nicht nach dieser Richtung, sondern in der entodermalen Entstehung des Pharynx und in dieser Beziehung stimmen meine Untersuchungen an Tubifex mit den seinigen an Na:s überein. Erwähnen möchte ich hier noch, was übrigens theilweise auch aus meinen Fig. 6—8 hervorgeht, dass die Ektodermeinstülpung in manchen Fällen etwas tiefer, in anderen weniger tief sein kann, niemals aber umfangreicher als in Fig. 7 ist, so weit wenigstens meine Erfahrungen reichen. Es wäre also denk- bar, dass bei anderen Arten und Gattungen die epitheliale Einsenkung noch weniger umfangreich oder gar nicht vorhanden ist, wie dies eben nach RızvEr bei Nais proboscidea der Fall sein soll. ' Ebenfalls mit obigen völlig übereinstimmend sind von WAGNER’s Befunde an Zumbrrculus variegatus, wie sie sich aus seiner neueren Veröffentlichung ergeben. Vergleicht man die von ihm mitgetheilte Figur mit Rıever’s und meinen Ab- bildungen von Nais und Tubifex, so ergiebt sich die mit d bezeichnete An- schwellung des vorderen Darmendes zweifellos als Anlage des Pharynx zu erkennen, wie auch die schon aus- gebildete Kopfform und das ebenfalls bereits vorhandene obere Schlundgan- glion (94) bestätigen. Die von mir an Tubifex angesteilten Beobachtungen er- Textfig. I. fuhren im vergangenen Frühjahr durch voN WAGner’s zweite Veröffentlichung eine mir sehr erfreuliche Be- stätigung, denn im Gegensatz zu Rırver’s Befund hatte ich schon damals die Einstülpung des Ektoderms aufgefunden. Auch nach von WAGNER's Untersuchung kommt zu der Pharynxanlage noch eine kurze Ektodermeinsenkung (st) hinzu, aber der Pharynx ist jedenfalls auch bei der Regeneration von Lumbriculus entodermaler Natur, wie man auch aus von WAGner’s vorläufig allerdings nur ganz kurz mit- getheilten Ergebnissen entnehmen muss. Davon, dass die zuerst gebildete Öffnung eine provisorische ist, die sich später wieder schließt, worauf nunmehr erst die Einsenkung des Ektoderms und damit die Bildung der bleibenden Mundöffnung erfolgt, wie von WAGNER den Vorgang für Zumbriculus darstellt, ist 234 H. Haase, bei Zubifex sicher nichts vorhanden. Nachdem ich von WAGNER's hierauf bezügliche Angaben kennen gelernt hatte, nahm ich nochmals eine erneute Prüfung der von mir angefertigten Schnittserien, sowie neue Experimente vor, doch erhielt ich stets das oben geschilderte Ergebnis, dass sofort durch Verschmelzung des vorderen zugespitzten Darmendes mit der ektodermalen Einstülpung die bleibende Öffnung gebildet wird. Abgesehen hiervon bringen meine Untersuchungen an Tubifex wie gesagt eine Bestätigung von VON WAGNER’s Angaben über Lumbriculus, wenn ich mich auch nicht mit der ihnen im Schluss- satz gegebenen Deutung einverstanden erklären kann, wovon weiter unten noch zu sprechen sein wird. Durchaus nicht stimme ich in meinen Ergebnissen mit denen von HEPKE über die Regeneration des Vorderdarmes der Na:iden überein, eben so wenig wie sich diese mit RIEvVEL’s und VON WAGNER’S Angaben über Nars und Lumbriculus vereinigen lassen. Wie schon Eingangs erwähnt wurde, lässt HEPKE den Vorderdarm einschließlich des Pharynx aus einer soliden Ektodermwucherung des Vorderendes entstehen, die sich strangartig nach hinten erstreckt und später eine Höhlung erhält, nachdem sie mit dem Vorderende des entodermalen Darmes in Verbindung getreten ist. Da diese Befunde sich weder mit den meinigen, noch mit denen von RIEVEL und VON WAGNER vereinigen lassen, ihnen vielmehr ganz unvermittelt gegenüber stehen und da ich sie außerdem für nicht genügend begründet ansehen muss, ‚wobei ich besonders an die als Beweis beigegebenen wenig über- zeugenden Abbildungen denke, so gehe ich auf eine Besprechung derselben nicht weiter em. Bereits nach der Fertigstellung und Niederschrift meiner Arbeit erschien der zweite Theil von HESCHELER’s Untersuchungen über die Regenerationsvorgänge bei den Lumbrieiden, worin er auch die Neu- bildung des Vorderdarmes behandelt. Obwohl die Vorgänge der Re- generation des Vorderendes bei den Lumbrieiden offenbar weit kom- plieirter und daher schwieriger zu deuten sind, vermag man aus HESCHELER's Darstellung dennoch zu entnehmen, dass sie sich allem Anschein nach mit den von mir beobachteten besser als mit RIEvEL'sS Angaben vereinigen lassen. HESCHELER fand bei der mit einer Neu- bildung weniger Segmente einhergehenden Regeneration des Vorder- endes eine im Ganzen nicht sehr tiefe Ektodermeinstülpung, an welche sich der aus alten Darmepithelien hervorgehende umfangreiche Pha- rynx anschließt. In großem Einklang befinden sich die bei der Regeneration des Über Regenerationsvorgänge bei Tubifex rivulorum Lam. ete. 335 Vorderdarmes von Zudifex ablaufenden Vorgänge mit denjenigen, bei der ungeschlechtlichen Fortpflanzung von Chaetogaster diaphanus. Hier bildet sich der Pharynx durch eine entodermale Aussackung der ventralen Darmwand und wächst zu einer unpaaren Anlage mit paarigen nach vorn gerichteten Schenkeln heran, welche sich in zwei seringfügige Ektodermeinsenkungen öffnen und später" zum unpaaren Mund und Pharynx vereinigen. Der Vorderdarm ist also mit Aus- nahme eines kleinen, die Mundöffnung enthaltenden ektodermalen Theiles, dem Entoderm zugehörig. Man sieht hieraus, sowie aus der übrigen Darstellung von Bock’s und aus seinen Abbildungen, dass thatsächlich eine große Überein- stimmung mit den Regenerationsvorgängen am Darmkanal von Tubrfez, Nais und Lumbdriculus vorhanden ist, abgesehen von der Paarigkeit des entodermalen Vorderendes, welche durch die besonderen hier ob- waltenden Verhältnisse erklärlich ist. ! Ob im Übrigen die Vorgänge bei der Regeneration und Theilung des Vorderdarmes bei den Anneliden so sehr übereinstimmen, muss nach den Angaben anderer Forscher, z. B. denen von Kenner’s über Ctenodrilus pardalis, zweifelhaft erscheinen, da bei der Theilung dieses Wurmes ein ektodermales Stomodäum in ziemlichem Umfang auftritt. Entsprechend lauten. die neueren Angaben von MALAQUIN über die Teilung von Felograna und Salmacina, bei denen ebenfalls eine Ektodermeinstülpung auftritt und nach MArAquın’s Aussage auch den Pharynx liefert. Es kann hier nicht meine Aufgabe sein, diese Vorgänge bei der Theilung weiter zu verfolgen, doch darf man vielleicht annehmen, dass auch in dieser Beziehung erneute Untersuchungen weitere Über- einstimmungen aufdecken werden. Ziehe ich jetzt bezüglich des Vorderdarmes aus meinen eigenen Angaben und denjenigen der genannten Autoren das Resultat, so lautet dasselbe so, dass der Vorderdarm mit Ausnahme einer kleinen vordersten Partie entodermaler und nicht wie in der Ontogenie ektodermaler Herkunft ist. Vergleicht man dieses Ergebnis mit den entwicklungsgeschicht- lichen Befunden an verwandten Formen, so ergiebt sich sofort der Unterschied. Wie ich in dem kurzen ontogenetischen Überblicke zeigte, wird der Vorderdarm verwandter Anneliden (Oligochäten) auf das Ektoderm zurückgeführt, wobei ich besonders auf die beigegebene Figur RouLe’s von Enchytraeoides hinweise (Fig. I, p. 216). Hier gehört der Pharynx nach Rourer’s ausdrücklicher Angabe dem 236 H. Haase, Stomodäum zu, ähnlich wie bei Allolobophora und Acanthodrilus nach WırLson und BEDDARD, und die morphologische Gleichwerthigkeit des ektodermalen, normal entstandenen Pharynx mit dem entodermalen, bei der Regeneration geschilderten, ergiebt sich ohne Weiteres durch Vergleiehung jener Figur RouLe’s mit meinen Abbildungen (Fig. 6—9). Die Neubildung des Enddarmes. Ähnliche Vorgänge wie nach dem Abtrennen des Kererähdles vollziehen sich beim Durchschneiden des Hinterendes. Die Körper- wand krümmt sich einwärts und legt sich gegen den Darm. Die Ränder des letzteren krümmen sich ebenfalls nach innen und der Darm beginnt sich zu verkürzen. Ist endlich der völlige Verschluss desselben eingetreten, so hat er sich auch so weit kontrahirt, dass er vollständig in das Körperinnere zu liegen kommt. Das Körper- ‚epithel seinerseits hat sich unterdessen mehr und mehr zusammen- gebogen, eine Verwachsung hat bereits stattgefunden und man sieht nunmehr schon ein kontinuirliches Epithel das Hinterende ab- schließen. Aus dem Gesagten ergiebt sich, dass bei Tubifex ein vollstän- diger Verschluss des Darmes eintritt, und dass über denselben das Körperepithel ununterbrochen hinwegzieht. Ein ähnliches, nur be- reits etwas späteres Stadium ist in Fig. 11 abgebildet. Derartig einfach verläuft der Vorgang jedoch nur, wenn man die Würmer sofort in Schlamm bringt; setzt man sie dagegen in reines Wasser, so gestalten sich die Dinge etwas anders. Wie schon her- vorgehoben, regeneriren die Würmer unter diesen Verhältnissen gar nicht oder nur sehr schwer. Der Wundverschluss geht viel lang- samer vor sich, womit ein länger andauernder und sich hieraus er- sebender Bluterguss in direktem Zusammenhange steht. Während man bei den im Schlamm aufbewahrten Thieren auf Schnitten nur hin und wieder geronnenes Blut auffindet, so ist dies hier Regel, dasselbe überzieht als feste Kruste das ganze Hinterende, so weit sich die Wunde erstreckt. Später tritt diese geronnene Blutmasse dem Beobachter als ein mehr pfropfartiges Gebilde entgegen, indem man keine Spur eines zelligen Baues unterscheiden kann, höchstens können Reste zer- fallener Zellen dieser Masse beigemischt sein. Unter der im Zer- fall begriffenen Masse schließen sich dann, ähnlich wie oben be- schrieben, das Körper- und Darmepithel immer mehr zusammen, und allmählich wird der Pfropf abgestoßen. Die letzten Reste eines Über Regenerationsvorgänge bei Tubifex rivulorum Lam. ete. 297 solchen sind in Fig. 10 abgebildet, der hier nur noch den mit p be- zeichneten Theil darstellt, unter welchem man die neugebildeten Zellen schon entwickelt sieht: Der Darm hat sich noch nicht ganz kontrahirt; es ist keine scharfe Grenze zwischen dem Epithel des- selben und dem Ektoderm zu erkennen. Das Präparat entstammt einer Serie von Schnitten, welche durch einen 18 Stunden nach der Ope- ration abgetödteten Wurm angefertigt wurde. Nach so kurzer Zeit hat sich der Darm in diesem Falle noch nicht von der Oberfläche zurückgezogen, so dass eine Verbindung zwischen ihm und dem Kör- perepithel zu bestehen scheint, aber ich möchte ausdrücklich hervor- heben, dass diese Verbindung keine bleibende ist, denn später zieht sich der Darm, ähnlich wie dies auch beim Vorderende geschieht, vom Epithel zurück. Unter Umständen kann durch den erwähnten Pfropf zerfallenden Gewebes der Verschluss und das Zurückziehen des Darmes, sowie in Verbindung damit sein Abheben vom Körper- epithel weit über das normale Maß verzögert werden. Der Pfropf ist in diesem Falle nicht nach außen abgestoßen worden, sondern er wurde beim Einkrümmen der Wundränder eingeklemmt und auf diese Weise bleibt längere Zeit scheinbar eine Verbindung der Darmhöhle mit der Außenwelt bestehen, eine Öffnung, die nur durch diesen Pfropf verschlossen ist. In solchen Fällen wird der normale Verlauf der Regeneration längere Zeit aufgehalten. Diese eigenthümliche Art des Wundverschlusses tritt, wie hervorgehoben, nur bei einer un- geeigneten Behandlungsweise der Würmer auf, und muss daher wohl als eine krankhafte Erscheinung angesehen werden. Von einer aus einem umfangreichen Zellmaterial gebildeten Regenerationsknospe, wie sie bei den Lumbrieiden gefunden wird, und wie sie z. B. MıcHer bei den von ihm untersuchten Würmern fand, kann bei Tubifex nicht die Rede sein. Die Neubildung von Zellen beim Wundverschluss ist eine nur unbedeutende; von einem Narbengewebe kann eigentlich kaum gesprochen werden, denn schon in sehr kurzer Zeit, zumal bei normalen Lebensverhältnissen, sieht _ man die Körperschichten in einem von dem gewöhnlichen Verhalten kaum erheblich abweichenden Zustande. Auf dem in Fig. 11 abgebildeten Stadium fängt nun der Darm an zu wachsen, und sich gegen das Körperepithel hin zu erstrecken, ein Vorgang, der sich verschiedenartig gestalten kann; entweder sehen wir eine Art von Spitzenwachsthum eintreten, wie dies in Fig. 13 abgebildet ist, was indessen als der seltenere Fall bezeichnet 238 H. Haase, werden muss, oder der Darm behält seine keulenförmige Gestalt bei, wie Fig. 12 dies zeigt. Die von H. RAnDoLpH bei Zumbriculus beschriebenen Neoblasten treten bei der Regeneration stets auf, haben jedoch zu der Neubil- dung des Bauchstranges und des Enddarmes keine Beziehung. Ich möchte bei dieser Gelegenheit erwähnen, dass meine auf die meso- dermalen Theile bezüglichen Beobachtungen nicht genügen, um einen Beitrag zu der Frage zu liefern, in wie fern hier eine völlige Neu- bildung, oder nur eine Vermehrung bereits vorhandener Gewebs- elemente stattfindet. ‚Im Falle der Darm mit spitzem Ende gegen die Körperwand vorwächst, verbreitert er sich ebenfalls, sobald er an dieser angelangt ist. In beiden Fällen schmiegen sich dann Darm- und Körperepithel eng an einander, worauf die Verlöthung beider Schichten und sodann der Durchbruch nach außen erfolgt. Damit ist also die Verbindung der Darmhöhle mit der Außenwelt hergestellt. Ein Stadium kurz nach dem eben geschilderten Vorgang stellt Fig. 14 dar, bei der einerseits die Zellschichten durch die Färbung sehr deutlich von einander zu unterscheiden sind, und andererseits auch noch ein feiner Kontour das Darmepithel von dem des Körpers trennt. Die dunklere Färbung des Körperepithels und die hellere des Darm- epithels, sowie der trennende Kontour war auch außerordentlich deut- lich auf anderen Präparaten, so z. B. der Serie zu erkennen, nach welcher die Fig. 15 angefertigt ist. Da diese Stadien für die hier be- handelte Frage sehr wichtige sind, schenkte ich denselben meine ganz besondere Aufmerksamkeit und fertigte von ihnen eine große Zahl von Schnittserien an. Sie zeigten alle übereinstimmend dieselben Verhältnisse. | . Die von RIEvEL an Nais und Ophryotrocha gemachte und durch verschiedene Figuren (Fig. 3, 6, Taf. XII) erläuterte Beobachtung, dass bei dem Durchbruch das Darmepithel durch die Öffnung nach außen tritt, und etwas über das Körperepithel hervorsteht, konnte ich bei Tubifex nicht machen. Nach erfolgtem Durchbruch fängt das Körperepithel an sich lang- sam nach innen einzusenken, und den neuen After zu bilden. In Fig. 16 ist das Resultat dieses Vorganges dargestellt. Die ein- gestülpte Partie des Körperepithels lässt sich Dank der stärkeren Färbbarkeit desselben sehr leicht feststellen und die Grenze zwischen ihr und dem Darmepithel ist ohne Weiteres zu erkennen. Übrigens gleichen diese Verhältnisse beim regenerirten Wurm bereits denjenigen Über Regenerationsvorgänge bei Tubifex rivulorum Lam. ete. 239 eines;normalen unverletzten Thieres, denn auch bei diesen setzt sich ein kurzes, offenbar ektodermales Stück durch sein stärkeres Fär- bungsvermögen vom übrigen Darm ab, wie die zum Vergleich bei- gegebene Fig. 17 eines normalen Hinterendes von TZubifex zeigt. Ausdrücklich bemerken möchte ich, dass die Verschmelzung des Darmepithels mit dem Körperepithel und der Durehbruch der Öffnung stets dem Auftreten der ektodermalen Einstülpung vorangeht, und dass also nicht ein nach innen geschlossenes Proktodäum vorhanden ist, wie man dies vielleicht nach der Bildung des Stomodäums (Fig. 5—7) erwarten könnte. Vergleichen wir die Neubildung des Enddarmes mit der des Vorderdarmes, so sehen wir, wie dieselbe ziemlich entsprechend ver- läuft. In beiden Fällen tritt nach dem Durchschneiden ein Zurück- ziehen des Darmes ein, worauf dann derselbe wieder bis an das Körperepithel heranwächst. Berühren sich beide, so erfolgt der Durchbruch und nach demselben eine Einstülpung, die dort zur Bil- dung des Stomodäums, hier zu der des Proktodäums Veranlassung giebt. Bekanntlich sprieht man bei den Anneliden den im letzten oder den beiden letzten Segmenten gelegenen Darmabschnitt, welcher sich durch sein engeres Lumen deutlich von dem Mitteldarm ab- srenzen lässt, als Enddarm an. Bei Tubifex ist dieser Enddarm nach meinen Untersuchungen ektodermalen Ursprungs. Bezüglich des Enddarmes komme ich also zu dem Ergebnis, dass derselbe bei der Regeneration in gleicher Weise wie bei der Em- bryonalentwicklung, gebildet wird, wobei ich annehme, dass dem kurzen Enddarm dieselbe embryonale Entwicklung zukommt, wie sie für andere Anneliden beobachtet worden ist. Ich verweise in dieser Beziehung auf die vorausgeschiekte Übersicht der ontogenetischen Vorgänge. Vergleiche ich nunmehr meine Beobachtungen mit denjenigen anderer Forscher über die Regeneration des Enddarmes, so bieten sich zunächst die von RıEvEL dar. Wie schon früher erwähnt, lässt er den Enddarm aus dem Entoderm, d. h. durch bloße Verlöthung des Darmepithels mit dem Körperepithel und nachherigem Durch- bruch entstehen. Nach seiner Auffassung ist also eine Verschieden- heit des regenerativen mit dem embryonalen Vorgang vorhanden. Dies war auch früher durch F. von WAGNER für Lumbriculus aus- gesprochen worden. Rıever’s hier in Frage kommende Beobachtungen beziehen sich außer auf Ophryotrocha auf Nais, d. h. einer dem Tubifex recht nahe 240 H. Haase, stehenden Form. Ohne mir in Bezug auf Nais ein maßgebendes Urtheil erlauben zu wollen, da ich diese Gattung nicht in den Kreis meiner Untersuchungen ziehen konnte, möchte ich es doch für mög- lich halten, dass RıeveL in Bezug auf den Enddarm seine Beobach- tungen nicht weit genug fortgesetzt und in Folge dessen nur die ektodermale Einsenkung nicht aufgefunden oder als solche erkannt hat. Ich möchte dies aus einer von ihm mitgetheilten Zeichnung (Fig. 7, Taf. XII) und aus einer Schnittserie durch das regenerirte Hinterende von Nais schließen. RIEVEL selbst spricht davon, dass sich »späterhin der After etwas zurückzieht«. Seine Fig. 7 scheint mir ein Stadium zu sein, welches zwischen meine Fig. 15 und 16 zu stellen wäre und die erwähnte Schnittserie bestätigt das Vorhanden- sein einer allerdings wohl nur sehr kurzen ektodermalen Einsenkung. Nach der von HEPKE gegebenen Schilderung kommt der End- darm zwar vom Ektoderm her, aber trotzdem kann ich mich für Tubifee mit seiner Darstellung nicht einverstanden erklären und möchte außerdem die Gültigkeit derselben für Nais anzweifeln, da aus RIEvEL’s Untersuchung hervorgeht, dass die Vorgänge bei Naes und Zubifex in sehr übereinstimmender Weise verlaufen, während sie nach HEPRE sich wesentlich anders abspielen müssten. Wie bei der Regeneration des Vorderdarmes lässt HEPRE auch bei der des Enddarmes eine solide Wucherung auftreten, die gegen das Entoderm hinwächst, sich mit ihm vereinigt und durch ihre Aus- höhlung den Enddarm aus sich hervorgehen lässt. Derartiges habe ich nie zu Gesicht bekommen und auch Rızver’s Beschreibung der betreffenden Vorgänge stimmt damit in keiner Weise überein. Übrigens scheint Hezrke von der Bildung des Enddarmes etwas Ähnliches, wie ich bei Tubifex, gesehen zu haben, indem er zu obiger Darstellung noch den folgenden Zusatz macht: »Nach sehr kurzer Zeit bekommt nun diese hintere Intestinalanlage in derselben Weise wie die des Kopfes ein Lumen, welches mit dem des alten Darmes in Verbindung tritt. Gleichzeitig bildet sich auch an der äußeren Fläche der Ektodermkappe dort, wo nach innen zu die Basis des Intestinalstranges liegt, eine kleine Einbuchtung, welche immer tiefer wird, bis sie schließlich nach Perforation der betreffenden letzten Zellschieht als fertige Analöffnung die Kommunikation zwischen Darmhöhle und Außenwelt vermittelt.« | | Die Untersuchungen von RANDOLPH und MıcHEL über die Re- senerationsvorgänge am Hinterende der Oligochäten beziehen sich mehr auf andere Punkte (RAnpoLeH) oder weichen von den bisher Über Regenerationsvorgänge bei Tubifex rivulorum Lam. ete. 241 segebenen Darstellungen sehr stark ab (Mıcner), wesshalb ich auf dieselben hier nicht näher eingehen möchte. Dagegen muss ich die in neuester Zeit erschienenen Unter- suchungen von M. vox Bock hervorheben, da sie mir besonders wichtig erscheinen. Er sagt über die Bildung des Enddarmes: »Die Bildung des neuen Afters erfolgt auf die denkbar einfachste Weise: nachdem die dorsale Brücke zwischen beiden Zooiden durchgerissen ist, schließt sich die Wunde sofort durch den Hautmuskelschlauch, welcher sich um das abgerissene Darmende des Vorderthieres fest zusammenpresst und so ein stumpf abgerundetes Schwanzende bil- det. In dieser Stellung verwächst der Hautmuskelschlauch einfach mit den Rändern des abgerissenen Darmes. Ich habe wiederholt soeben abgetrennte Vorderthiere darauf hin untersucht, ob irgend eine ektodermale Einstülpung erkennbar sei, jedoch nichts Derartiges ge- funden.< Man sieht, dass diese Darstellung mit derjenigen Rırver’s eine völlige Übereinstimmung zeigt. von Bock versichert ausdrücklich, dass er von einer ektodermalen Einsenkung nichts bemerken konnte. Auch zeigen seine Abbildungen mit denen Rırver's eine große Ähn- lichkeit. Will man nicht annehmen, dass nicht etwa später doch noch eine Einsenkung des Körperepithels auftreten könnte, so wird man die Gleichheit der Rıever’schen und von Bock’schen Resultate anerkennen müssen. "Ähnliche Verschiedenheiten wie in Bezug auf die Neubildung des Vorderdarmes bei den sich theilenden Anneliden scheinen auch bezüglich des Enddarmes vorhanden zu sein, indem nach den älteren Autoren von KEnnEL’s und ZEPPELIN’s bei der Theilung des Uteno- drilus pardalis und monostylos der Enddarm durch eine recht ansehn- liche ektodermale Einstülpung geliefert werden soll. Die Neubildung des oberen Schlundganglions und des Bauchmarks. Weit schneller als die oben geschilderte Neubildung des Vorder- darmes geht die Regeneration des oberen Schlundganglions vor sich. Wenn der Darm bei seinem Wachsthum das Körperepithel noch nicht erreicht hat, sieht man in dem neugebildeten Gehirn bereits die Punktsubstanz auftreten. Wir sahen, wie nach dem Durch- schneiden der Würmer der Darm erst ein Stück über das Körper- epithel hinausragte, um sich später wieder langsam zurückzuziehen, worauf dann eine rege Zellwucherung an dem Vorderende auftrat ‚und im Zusammenhang damit ein stetes Wachsen nach dem Körper- epithel hin erfolgte. Derartige Vorgänge finden bei der Bauchkette 242 H. Haase, nicht statt, dieselbe bleibt unverändert in ihrer früheren Lage und wird von dem über sie hinwegziehenden Körperepithel in das Innere eingeschlossen, ohne dass ein Zurückziehen nach hinten hin erfolgte; auch findet hier nach meinen Beobachtungen keine Neubildung von Zellen statt. Meine Untersuchungen wurden an Längs- und Quer- schnitten angestellt, die mir beide gleich gute und oft sich gegen- seitig ergänzende Resultate lieferten. Den ersten Anstoß zur Bildung des Gehirns sehen wir auffallender Weise in einer ganz ventral gelegenen Wucherung des Körperepithels auftreten und nicht, wie man eigentlich der Lagerung des ausge- wachsenen Gehirns entsprechend vermuthen sollte, an der dorsalen Seite. In einem derartig jungen Stadium kann man deutlich wahr- nehmen, wie das ventral gelegene Körperepithel in Folge reger Zell- theilung stark zu wuchern beginnt und bald sieht man hier, wie Zellen in das Körperinnere hinein gedrängt werden. Diese Stelle des Körperepithels ist sofort an der stärkeren Färbbarkeit der hier gelegenen Zellen erkennbar; auch unterscheiden sich die Kerne dieser Zellen durch ihre bedeutendere Größe. Mitosen sind hier zahlreich vertreten. In etwas späterem Stadium beginnt auch zu beiden Seiten der ventralen Wucherung eine lebhafte Vermehrung der Epithelzellen, d. h. die ektodermale Verdickung breitet sich mehr nach beiden Seiten aus, wodurch sich von selbst ergiebt, dass die Verdickung auch dorsalwärts vorrückt, ohne indessen schon die dorsalen Partien einzunehmen. Diese seitlichen Wucherungen sind übrigens bei 7u- bifex nicht durch eine Muskellücke von der ventralen zuerst vor- handenen Verdickung getrennt, wie dies von Bock für Chhaetogaster beschreibt, so dass man hier nur von einer einzigen zusammen- hängenden Wucherung sprechen darf. In meiner Beschreibung trennte ich die seitlichen Wucherungen von der ventralen einmal desshalb, weil diese früher vorhanden ist, und sodann, weil auf den vorderen Quer- schnitten älterer Stadien die seitlichen Verdickungen auftreten, die ventrale Wucherung jedoch fehlt und erst auf den folgenden Schnitten sich wieder findet. An der Hand einiger Figuren möchte ich den Vorgang schildern. In Fig. 18 sieht man das ventrale Körperepithel in Wucherung be- sriffen und die seitlichen Partien betheiligen sich ebenfalls daran. Es ist bereits eine größere Masse von Zellen nach innen gedrängt worden und diese haben sich hier zu umfangreichen Komplexen an- sehäuft. Das Ganze strebt bereits nach der Dorsalseite hin. Allent- Über Regenerationsvorgänge bei Tubifex rivulorum Lam. ete. 343 halben ist der Zusammenhang mit dem ventralen Körperepithel noch vorhanden. Dagegen hebt sich die Zellwucherung scharf von den dorsalen und dorso-lateralen Partien des Epithels ab. In meinen Fig. 18 und 19 tritt dies vielleicht weniger deutlich hervor. Es kommt dies davon her, dass auf diesen Querschnitten in Folge der starken Abrundung des Vorderendes das Epithel auf dem Schnitt mehrschichtig erscheint. Von irgend einer Wucherung dieser dor- salen und dorso-lateralen Partien ist jedoch in keiner Weise die Rede. Mit dem fortschreitenden Wachsthum des Regenerates, wie sie die Ausbildung der Kopfform mit sich bringt, tritt auch eine allmäh- liche Verlagerung der Wucherungsstelle ein und zwar derart, dass die seitlichen Partien mehr nach vorn, die ventralen mehr nach hinten gelagert erscheinen. Auf Querschnitten trifft man dement- sprechend zuerst die seitlichen und auf den folgenden Schnitten die ventrale Wucherung an. Eine Verbindung der ventralen Verdickung mit den lateralen Partien bleibt indessen immer bestehen, was sich auf Querschnitten mit Sicherheit nachweisen lässt. Aus diesen Theilen der Zellwucherung gehen dann später die das Gehirn mit dem Bauchmark verbindenden Kommissuren hervor. Die eben geschilderten Verhältnisse veranschaulichen die neben- stehenden Textfiguren IIT—VI, welche aus einer einzigen Schnittserie ausgewählt wurden. Fig. III stellt einen Schnitt dar, der mehr durch die vordere Körpergegend geführt worden ist; man sieht auf demsel- ben den Darm angeschnitten und zu beiden Seiten den Rest der lateralen Wucherungen, die auf den vorher- gehenden Schnitten umfangreicher sind. Von hier aus streben Zellen nach der Dorsalseite dem Gehirn zu, das auf diesem Schnitt nicht getroffen ist. Auf den nicht abge- bildeten folgenden Schnitten ver- schwinden die seitlichen Wucherun- gen, dagegen zeigen sich zu beiden Seiten ventral gelagert einige sroße Zellen, die als Verbindungszellen zwischen Gehirn und Bauch- mark anzusprechen sind. Auf dem vierten von dem in Fig. IH dargestellten Schnitt aus gerechnet, tritt dann die ventrale Wuche- rung auf, die in Fig. IV (w) wiedergegeben ist. Den nächsten Sehnitt Zeitschrift £. wissensch. Zoologie. LXV. Bd. 17 344 H. Haase, veranschaulicht Fig. V. Die aus dem Körperepithel ausgewanderten und dem Bauchmark zustrebenden Zellen sind hier noch deutlich zu erkennen, und unterscheiden sich von denjenigen der alten Bauch- kette durch die bedeutendere Größe und längliche Form ihrer Kerne. Auf den nächsten Schnit- ten verschwindet dann allmählich die ventrale _ Wucherung und auf den noch weiter nach hinten zu gelegenen Schnitten ist schließlich das alte Bauch- mark allein vorhanden (Fig. VI). Die Gegend der ven- tralen Wucherung ent- spricht ungefähr dem vor- deren Ende des Bauch- marksund dieVermuthung liegt nahe, dass letztere mit der Wucherung in di- rekter Verbindung stände und sogar sie erst ver- anlasste. Verschiedentlich hatte ich Gelegenheit zu of -6s beobachten, wie sich von dem alten Bauchmark aus Bündel von Nervenfasern noch eine Strecke weit gegen das vordere Körper- 530 epithel hin erstreckten, bm doch war es mir nicht Textfig. V. möglich, eine Verbindung mit dem Epithel selbst mit Sicherheit festzustellen. Es erscheint mir nicht ausgeschlossen, dass trotzdem vielleicht eine solche Verbindung besteht, und dass sie mir nur in Folge der von mir zur Anwendung gebrachten und mög- licherweise für die Darstellung dieser feineren histologischen Ver- hältnisse nicht ausreichenden Konservirungs- und Färbmethode ent- sangen wäre. Ich möchte dies ausdrücklich hervorheben, weil es mir sehr wohl möglich erscheint, dass erst durch die bald nach dem — ZN — AR RR N = Über Regenerationsvorgänge bei Tubifex rivulorum Lam. ete. 45 Verschluss der Wunde eintretende Verbindung des Bauchmarks mit dem Körperepithel überhaupt der Anstoß zur Neubildung der Nerven- elemente gegeben wird. Ob diese meine Vermuthung indessen auf Wahrheit beruht, vermag ich freilich nicht sicher zu sagen. Eine Neubildung von Zellen am alten Bauchmark und damit ein Wachs- thum desselben gegen das Körperepithel hin habe ich nicht beob- achtet; die Regeneration der Bauchkette erfolgt durch die Zellen der ventralen Wucherung. Die Beziehungen des Bauchmarks zu der ventralen Wucherung sehen ähnlich wie aus den Querschnitten (Fig. II—VI) auch aus den Längsschnitten her- vor (Fig. 23 u. 24, Taf. X). Fig. 23 lässt die ventrale Wucherung deutlich er- kennen, von der aus einige Zellen, die auch hier durch ihre bedeuten- dere Größe von denen des alten Bauchmarks sich scharf trennen las- sen, mit diesem sich zu vereinigen im Begriff stehen. In Fig. 24 ist bereits eine vollständige Verschmelzung der bei- Textfig. VI. derseitigen Zellen ein- getreten, so dass sich hier keine Grenze zwischen den neugebildeten und denen der alten Bauchkette mehr erkennen lässt. Man hat den Eindruck, dass die dem alten Bauchmark sich zufügenden Zellen diesem ursprünglich ziemlich locker anliegen, um sich allmählich fester mit ihm zu verbinden. Sie ordnen sich schließlich an der Ventralseite an, worauf über ihnen die Ausbildung der Punktsubstanz vor sich geht. Hiermit ist dann die Neubildung des unteren Schlundganglions im Wesentlichen beendigt. Eine Verbindung des Gehirns mit dem Bauchmark durch nervöse Zellen, aus denen später die Kommissuren hervorgehen, führt uns Fig. VII vor Augen. Dieselbe zeigt das obere Schlundganglion in einem Stadium, in dem es noch durch eine Ektodermwucherung mit dem Körperepithel in Verbindung steht, während das Bauchmark von demselben völlig getrennt ist. Fig. VIII giebt den mittleren 17* 246 H. Haase, Schnitt dieser Serie wieder; auf der anderen Seite muss sich natür- lich dasselbe Bild wiederholen, wie es in Fig. VII dargestellt ist; wir finden auch dort auf dem betreffenden Schnitt eine ununter- brochene Reihe von Zellen, die sich vom Gehirn an dem Darm vorbei SROCOISTDET TFT Textfig. VII. CIOIOTO MO, on ORT [© o% 0/02. = ROSE ec STORE 0% Textfig. VII. zum Bauchmark ziehen, und hier später ebenfalls die entsprechende Kom- missur bilden. Während der be- sprochenenWachsthums- vorgänge der Bauchkette hat auch die Neubildung des Gehirns bedeutende Fortschritte gemacht. Die in Fig. 18 noch vorhan- dene ventrale Wuche- rung ist auf dem in Fig. 19 abgebildeten Quersehnittnicht mehrzu sehen. Auf diesem Sta- dium erhält das Gehirn den Zuwachs an Zellen allein aus den beiden la- teralen Wucherungen des Körperepithels. Diesel- ben sind auf dem Schnitt deutlich zu erkennen, und die aus beiden aus- sewanderten Zellmassen haben sich mehr nach der Dorsalseite zu ver- einigt, so dass die später für das Gehirn charakte- ristische auf Querschnit- ten halbmondförmig er- scheinende Gestalt schon deutlich sichtbar wird. Während diese Vorgänge sich vollziehen sieht man die Zellen in fortwährender Theilung begriffen. In Fig. 19 sind zwei karyokinetische Figuren gerade noch an der Wucherungs- stelle selbst vorhanden. Über Regenerationsvorgänge bei Tubifex rivulorum Lam. ete. 247 Eine Andeutung von Punktsubstanz ist noch nicht wahrzunehmen, dieselbe tritt erst in dem nächsten Stadium in ihren ersten An- fängen auf (Fig. 20). Die beiden Wucherungen sind jetzt noch deut- lich vorhanden, das Gehirn stellt schon eine viel kompaktere Masse dar, deren Ausbildung in Fig. 21 noch weiter fortgeschritten ist. Die Nervenzellen haben sich mehr dorsal angeordnet, während die ventrale Seite von der hier schon sehr deutlich hervortretenden fibril- lären Substanz eingenommen wird. Immer noch sieht man die Zellen in reger Theilung, ein Zeichen, dass das Wachsthum noch in stetem Fortschritt begriffen ist. Die Zufuhr von Zellen aus den beiden lateralen Wucherungen, die in Fig. 21 noch deutlich hervortritt, fängt mit der nunmehr statt- findenden endgültigen Ausbildung des Gehirns allmählich an, sich zu verringern, womit mehr und mehr der Zusammenhang des oberen Schlundganglions mit dem Körperepithel gelöst wird. Die Punkt- substanz ordnet sich regelmäßig an der Ventralseite des Gehirns an und über ihr liegt die Masse der nervösen Zellen (Fig. 22). An Stelle der in Fig. 1S—21 abgebildeten, aus den beiden Wucherungen auswandernden Zellmassen sehen wir jetzt die beiden Schlundkom- missuren verlaufen. Als letzte Bildung tritt schließlich in dem Ge- hirn noch eine mediane ziemlich tief einschneidende Furche auf, die dasselbe in zwei symmetrische Hälften theilt, womit dann das obere Schlundganglion seine Ausbildung erlangt hat. Es ist noch ein Wort über die Verlagerung der Bildungsstelle des oberen Schlundganglions hinzuzufügen; wie schon erwähnt, ist dieselbe ein Ergebnis des Auswachsens der vorderen Körper- partie, verbunden mit der Neubildung einiger Segmente. Dieses Auswachsen nach vorn bringt mit sich, dass die ventrale Wucherungs- stelle zunächst ungefähr in ihrer Lage verbleibt, die seitlichen hin- gegen und mit ihnen die Anlage des Gehirns nach vorn verschoben werden. Es bleibt nunmehr eine ganze vordere Partie des ven- tralen Epithels von der Verdickung frei; und hier, vor der ventralen Wucherung, kann jetzt der Darm (in der früher beschriebenen Weise) mit dem Epithel zur Bildung des Mundes in Verbindung treten. Ehe diese letztere vor sich geht, haben sich die neuralen Organe zum großen Theil bereits ausgebildet, stehen aber immerhin noch im Zusammenhang mit dem Körperepithel. Die weitere und endgültige Ausbildung des Gehirns, sowie die Differenzirung des vorderen Theils der Bauchkette im Hinblick auf die hier neu entstehenden Ganglien zu verfolgen, lag nicht in meiner Absicht. 248 H. Haase, Die Neubildung der hinteren Partien des Bauch- markes möchte ich nur kurz berühren, da ich sie nicht sehr ein- gehend verfolgte, aber immerhin einige interessante Stadien zu Gesicht bekam. Nachdem die Verheilung des durchschnittenen Hinterendes in der oben beschriebenen Weise erfolgt ist, sah ich das Bauchmark ganz in der Nähe des das Hinterende abschließenden Epithels endigen. Neoblasten findet man in etwas späteren Stadien zuweilen dem stumpfen Ende der Bauchkette dicht angelagert. Ich will damit nicht sagen, dass sie. zur Neubildung der nervösen Elemente bei- tragen, denn ich vermöchte dafür keinen Beweis zu liefern; auch scheint mir die Regeneration des Bauchmarks auf andere Weise zu erfolgen und zwar geht dieselbe, so viel ich sah, ziemlich spät vor sich. Nachdem der After bereits gebildet war, bemerkte ich ventral von diesem eine nicht sehr umfangreiche Wucherung des Epithels (Fig. IX w). | Mit dieser schien mir ee 7, die Ganglienkette in Ver- Fa bindung zu stehen, jeden- eg3ttesnmes falls setzte sie sich bis ziemlich nahe an diese Wucherung fort. In der Fig. IX sieht man das Bauchmark auf diese Wucherung zu gerichtet und einzelne Zellen, die ihr entstammen könnten, S schienen das Bauchmark Textlig. IX. mit der Wucherung zu | verbinden. Der Enddarm ist auf diesem Schnitt nicht getroffen, dagegen sieht man die Stelle des Afters (a) angedeutet. Man kann nicht anders annehmen, zumal wenn man diese Verhältnisse mit denen am Vorderende vergleicht, dass hier eine Lieferung von Zellen des Körperepithels an das Bauchmark erfolgt. Eine derartige Verbindung des sich regenerirenden Bauch- marks mit dem Körperepithel des Hinterendes, und hier gelegene mehr oder weniger umfangreiche ektodermale Wucherungen werden auch von HEPkE bei Nais und von von Bock bei der Theilung von Chaetogaster beschrieben. Etwas unerwartet und überraschend waren mir nach diesen =—g = 1O% It 5: {et Über Regenerationsvorgänge bei Tubifex rivulorum Lam. ete, 249 Beobachtungen die Bilder aus späteren Stadien. Ich vermuthete, hier ebenfalls das Bauchmark bis ans Körperende verfolgen zu können und hier mit dem Körperepithel in Verbindung stehen zu sehen. Dies war jedoch bei den von mir durch spätere Regenerationsstadien an- gefertigten Schnitten nicht der Fall. Die beistehende Fig. X lässt erkennen, wie das Bauch- mark (dm) in ziemlicher Entfernung vom After («a) endet, und an dieser Stelle mit dem Epithel in Verbindung steht, da sich hier eine Wuche- rungsstelle (z) befindet. Fig. XI zeigt die Endigung des Bauch- marks und dessen Ver- bindung mit einer Wu- cherung des Epithels Textfig. X. noch weiter nach vorn gelegen. Die hinteren Partien des Bauchmarks geben sich eben so wie im vorhergehenden Falle als neugebildet zu erkennen, da in ihnen die Fasermasse noch völlig fehlt. CB BOOTE GDEOCHSRLÄT: TESTSEITE FALDEIREIN TIEFE SEHE > Textfig. XI. In beiden Fällen zeigt sich das Hinterende des Wurmes- rege- nerirt, d. h. es hat sich im ersteren Falle eine geringere, im letzteren Falle eine größere Zahl von Segmenten neugebildet, wie aus der Beschaffenheit der hier gelegenen Gewebe und Organe hervorgeht. In den beiden Figuren (X und XI) ist die 250 H. Haase, Stelle, wo das Regenerat beginnt, durch eine vertikale Linie (reg) angedeutet. Das beschriebene Verhalten des Bauchmarks vermag ich mir aber nicht anders zu erklären, als dass es mit dem Wachsthum des Hinterendes nicht gleichen Schritt hält, sondern hinter den aus- wachsenden hinteren Partien des Körpers zurückbleibt. Es muss dann wohl ein allmähliches Vorrücken der Wucherungsstelle gegen den After hin nachträglich erfolgen, d. h. die Neubildung' des Bauch- marks folgt dem Auswachsen des Hinterendes erst allmählich nach, wenn die wenigen Stadien, welche ich zu Gesicht bekam, den Vor- gang so zu erklären gestatten, wie ich annehmen muss. Aus meinen Beobachtungen geht hervor, dass das Gehirn seine Entstehung im Wesentlichen einer paarigen Wucherung des Körper- epithels verdankt, während das Bauchmark seinen Ursprung in einer vorderen und hinteren median gelegenen Ektodermverdickung hat. Vergleicht man mit meinen Ergebnissen die Befunde, welche andere Autoren bei der Regeneration gemacht haben, so erhellt daraus die allen gemeinsame Thatsache, dass die nervösen Elemente ihren Ursprung dem Körperepithel verdanken; die Art und Weise jedoch, in der die Bildung derselben vor sich geht, ist nach der Schilderung der einzelnen Forscher eine verschiedene. Die ektodermale Bildung des Gehirns konnte RıEVEL bei seinen Untersuchungen an Nais proboscidea feststellen, dagegen lässt er die Neubildung der unteren Schlundganglien durch Vermehrung der Zellen des alten Bauchmarks vor sich gehen. Ob aber die Anlage des Gehirns paarig ist, darüber spricht er sich nicht näher aus, überhaupt hat er der Regeneration des Nervensystems keine besondere Beach- tung geschenkt und behandelt dieselbe nur ganz nebensächlich. Herke giebt als Endresultat seiner Arbeit an Nais Folgendes an: »Auch der gesammte Nervenapparat einschließlich der Spinal- ganglien entsteht aus dem Ektoderm, und zwar bildet sich am Kopf- ende das Gehirnganglion aus zwei knospenartigen Verdickungen der neuen Ektodermkappe, welche etwas dorso-lateral von der Längs- achse des Thierkörpers liegen und sich später erst vereinigen; an diese Gehirnanlagen schließen sich die der beiden Schlundkommissuren jederseits als wulstartige Ektodermverdickungen an und gehen dicht hinter dem Schlunde in eine stärkere, neurale Ektodermverdickung über, welche die Anlage des Bauchstranges repräsentirt. Die Zellen dieser letztgenannten Ektodermverdiekung treten mit dem alten Bauchstrange, der seinerseits, im Gegensatz zu dem alten Darm, keine neuen Zellen producirt hat, an der Amputationsstelle in feste Über Regenerationsvorgänge bei Tubifex rivulorum Lam. ete. 351 Verbindung. Von diesen Anlagen entsteht die cerebrale und neurale zuerst, die der Kommissuren dagegen etwas später.« Beide Autoren lassen also das Gehirn aus dem Körperepithel hervorgehen, dagegen weichen ihre Ansichten über die Bildung der Bauchkette von einander ab, denn während RıEvEu sie durch Neu- bildung von Zellen des alten Bauchmarks selbst entstehen lässt, spricht HEPKE diesem jede Produktion von Zellen ab, vielmehr rücken nach ihm aus einer Ektodermverdiekung Zellen dem alten Bauch- strange entgegen, treten mit diesem in feste Verbindung und führen so zur Neubildung dieses Organs. Diese Angaben von HEPKE ent- sprechen im Ganzen den von mir geschilderten Vorgängen-an Tubifer. Bezüglich der Entstehung des oberen Schlundganglions ist in so fern ein Unterschied vorhanden, als dasselbe nach HErke’s Darstellung aus »dorsolateralen Wucherungen« hervorgeht, während ich es bei Tubifexz aus den mehr ventralen Partien sich anlegen sah. Bei der Theilung des Ctenodrilus pardalis bildet sich nach von KEnneEL das obere Schlundsanglion paarig aus. Von SEMPER wird die Bildung des Bauchmarks für Nars als eine unpaare Ektodermver- diekung beschrieben, zu der noch mesodermale Elemente hinzukommen, während das Gehirn aus einer paarigen Ektodermwucherung entsteht. Über die Bildung des Gehirns bei der Theilung hat von Bock Untersuchungen an COhaetogaster diaphanus angestellt. Er kommt zu dem Endresultat, dass das Centralnervensystem, bestehend aus oberem Schlundganglion, Schlundkommissuren und Bauchmark, aus einer ektodermalen Zellwucherung hervorgeht unter Betheiligung der Ganglienzellen des alten Bauchmarks. In den Zwischenräumen zwischen dem großen dorsalen Längsmuskel und dem Seiten- muskel, und in noch viel stärkerem Maße zwischen dem letz- teren und dem Bauchmuskel wachsen nämlich vom Ektoderm aus Zeilenwucherungen in die Leibeshöhle hinein und vereinigen sich mit dem ebenfalls in starker Zellwucherung begriffenen Bauchmark- ganglion der Knospungszone. Von dieser einheitlichen Zellmasse wächst nun jederseits ein Strang nach dem Rücken zu und verdickt sich an seinem Ende keulenförmig zur Anlage des oberen Schlund- sanglions, welches auch sogleich mit dem der anderen Seite über dem Darm dureh eine Kommissur in Verbindung tritt. Das Bauch- mark wächst sowohl in der Knospungszone als am freien Schwanz- ende, theils durch die Vermehrung seiner eigenen Zellen, theils durch die sich mit diesen vereinigenden paarigen Ektodermeinwucherungen in die Länge. 252 „3 BE ‘Haase, Meine oben gegebene Darstellung von der Bildung .des oberen Schlundganglions zeigt, dass diese Vorgänge bei der Regeneration von Tubifexz eine große Übereinstimmung mit denen zeigen, wie sie sich nach von Bock bei der Theilung von O’haetogaster abspielen. Besonders auffallend ist hierbei die Herkunft der Wucherungen von ventro- lateralen Partien. Etwas abweichend gestaltet sich nur die Verbin- dung mit dem Bauchmark. Nach den Befunden der angeführten Autoren unterliegt es keinem Zweifel, dass bei der Regeneration, sowie auch bei der Theilung die Neubildung der gesammten nervösen Elemente aus dem Körperepithel hervorgeht, abgesehen davon, dass auch das Bauchmark, wie dies von Bock für Chaetogaster und RIEVEL für Nars angiebt, neue Zellen gebildet hat. Die Lage der beiden Wucherungen scheint in den einzelnen Fällen eine etwas verschiedene zu sein, in keinem einzigen Falle geht sie von der Dorsalseite aus, wie man dies nach der Lage ‘des ausgebildeten Gehirns wohl vermuthen könnte. Bei allen For- schern finden wir ebenfalls eine paarige Anlage des Gehirns an- gegeben, während für das Bauchmark die Meinungen getrennt sind. Nach von Bock ist dieselbe für C’haefogaster eine paarige, während HEPKE und SEMPER sie als eine unpaare beschreiben, was auch mit meinen eigenen Befunden an Tubifex ganz übereinstimmt. Mit den embryologischen Vorgängen, wie sie oben von mir ge- schildert wurden, stimmt die Entwicklungsweise des Nervensystems in so fern überein, als bei beiden das Ektoderm durch Wucherung die Veranlassung zur Bildung desselben giebt. Wenn das Bauchmark ontogenetisch einen paarigen Ursprung besitzt, wie dies verschie- dentlich nachgewiesen wurde, so stimmt dies mit den Befunden bei der Regeneration nicht überein, da hier nur eine unpaare Wucherung des Körperepithels vorhanden ist, die das Material zum Aufbau der Bauchkette liefert. Das obere Schlundganglion entsteht jedenfalls bei der Regeneration aus paarigen FEktodermwucherungen, eine Bildungsweise, die wohl auch für die Embryonen der Oligochäten als die gewöhnliche anzunehmen ist. Anders verhält es sich mit der ventralen Lage dieser Wucherungen, die eine Abweichung von dem embryonalen Geschehen darstellen dürfte, so weit man dies aus den freilich noch wenig genau bekannten ontogenetischen Vorgängen entnehmen darf. In ziemlich seitlicher Lagerung trifft man die An- lagen des Gehirns bei den Zumödriciden [WıLson), während bei Enchytraeoides allerdings die Anlage des oberen Schlundganglions dorsal liegen soll (RouLe). Ich verweise bezüglich der hier in Über Regenerationsvorgänge bei Tubifex rivulorum Lam. etc. 2353 Betracht kommenden ontogenetischen reine auf den weiter oben (p. 218) gegebenen Überblick. Bezüglich der Verbindung des oberen Schlundganglions mit dem Bauchmark sieht man bei der Regeneration von Tubifex von Anfang an einen Zusammenhang beider bestehen. Solches ist bekanntlich auch für die ÖOntogenie angegeben worden (Wırson); obwohl es andererseits ja auch nicht an Stimmen fehlt, nach denen ein solcher Zusammenhang Anfangs nicht vorhanden ist. Ich habe versucht auch hier einen Vergleich zwischen den regene- rativen und ontogenetischen Vorgängen zu ziehen, aber die wenig übereinstimmenden Angaben der Autoren oder die geringe Kenntnis der betreffenden embryonalen Verhältnisse erschweren derartige Ver- sleiche außerordentlich, und sie werden erst mit Erfolg durchführbar sein, wenn man möglichst bei ein und derselben Art Ontogenie und Regeneration kennt. Marburg im März 1898. Litteraturverzeichnis. 1. F. E. BEDDARD, a) »Monograph of the Order of Oligochaeta.« Oxford 1895. — b) »Researches into the Embryologie of the Oligochaeta.« Quart. Journ. Mier. Sc. Vol. XXXIII. 1892. 2. R. 8. BErGH, a) »Vorlesungen über allgemeine Embryologie.« Wiesbaden 1895. — b) »Neue Beiträge zur Embryologie der Anneliden.« Diese Zeitschr. Bd. L. 1890. — c) »Die Entwicklungsgeschichte der Anne- liden.> | Ill I ! | IN N j N —_ SEES (N /} j Nil ai AO In Brenn 08 OD me ER HIN! IN NN) 0080 on Textfig. 2. -durch Vergrößerung der Radiärlamellen. — Von besonderer Wichtigkeit 266 Carl Rabl, ist auch die Bildung des Ringwulstes aus dem Linsenepithel, sowie die Thatsache, dass die Zellen des Ringwulstes schon von den frühe- sten Stadien an eine polare Differenzirung erkennen lassen. Die Bildung der Linse von Lacerta viridis stimmt, so weit ich aus meinen etwas dürftigen Beobachtungen schließen darf, in allen wesentlichen Punkten mit jener von Lacerta agilis überein. Bei einem Embryo mit 25 bis 26 Urwirbeln war die Linsengrube auf beiden Seiten noch offen; bei einem Embryo mit 28 Urwirbeln war sie auf einer Seite geschlossen, auf der andern noch offen; bei einem Embryo mit 33 Urwirbeln war das Linsenbläschen schon vollkommen vom Ektoderm abgelöst und stellte ein annähernd kugeliges Gebilde dar, dessen Wände überall gleich dick waren. Das Ektoderm war über dem Linsenbläschen verdickt. In dem Raum zwischen Linse und Augenblase, sowie zwischen Linse und Ektoderm lagen ziemlich viele Mesodermzellen. Bei einem Embryo mit 34 bis 35 Urwirbeln war die mediale Wand des Linsenbläschens schon etwas dicker als die laterale. — Weiter reichen leider meine Beobachtungen hier nicht. Dagegen habe ich noch zwei ältere Embryonen von Lacerta vivipara und einen von Anguis fragilis untersucht. Der jüngere Embryo der erstgenannten Art hatte eine Länge von 2 cm. Der Äquatorialdurch- messer der Linse betrug ungefähr 0,59 mm, die Dicke des Ring- wulstes 0,04 mm, die Zahl der Radiärlamellen 105, also erheblich weniger als bei Lacerta agilis. — Der ältere der beiden Embryonen war 3,5 cm lang. Seine Linse hatte einen Äquatorialdurchmesser von 0,70 mm, die Dicke des Ringwulstes betrug 0,05 mm, die Zahl der Radiärlamellen, wie früher, 105. — Der Embryo von Anguis fragilis hatte eine Länge von 5,5—6,0 em. Der Äquatorialdurch- messer der Linse betrug 0,59 mm, die Dicke des Ringwulstes unge- fähr 0,036 mm, die Zahl der Radiärlamellen 90. Vollständiger als in Beziehung auf die letztgenannten Arten sind meine Beobachtungen über die Entwicklung der Linse von Tropido- notus natrix, jedoch auch lange nicht so vollständig, wie hinsichtlich Lacerta agilis. Ich habe im Ganzen sieben Stadien untersucht, von denen sich die ersten sechs ziemlich eng an einander anschließen, während das letzte einem erheblich weiter entwickelten Embryo ent- nommen ist. Bei dem jüngsten von mir untersuchten Embryo hatte die Linsen- anlage das Aussehen der Fig. 12, Taf. XI, stand also ungefähr auf derselben Stufe wie in den Stadien der Fig. 2 oder 3 von Lacerta agilis. Ich halte auch bei der Ringelnatter das Epithel der Linsen- Über den Bau und die Entwicklung der Linse. I. 367 srube für einschichtig; denn wenn auch eine nicht geringe Zahl von Kernen dem Lumen des Säckchens genähert liegt, so sind das doch wieder zum großen Theil solche Kerne, die eben aus einer Theilung hervorgegangen sind oder sich zu einer solchen anschicken. Weitaus die Mehrzahl der Kerne ist auch hier an der basalen Seite der Wand gelegen. — Bei einem etwas älteren Embryo war die Linse schon im Begriff, sich vom Ektoderm abzuschnüren; auf der einen Seite war die Einstülpungsöffnung nur noch auf einem Schnitte zu sehen, auf der anderen war sie schon ganz geschlossen; aber auch hier bestand noch ein breiter Zusammenhang mit dem Ekto- derm. — In dem folgenden Stadium war die Öffnung auf beiden Seiten vollständig geschlossen, das Linsenbläschen hing aber noch mit dem Ektoderm zusammen. Es erschien auf dem Querschnitte kreisrund, und seine mediale Wand war schon um eine Spur dicker als die laterale. — Das folgende Stadium habe ich in Fig. 13 ab- gebildet. Die Verbindung des Linsenbläschens mit dem Ektoderm hatte sich auf beiden Seiten vollständig gelöst. Die mediale Wand war ungefähr 2'/;mal so diek als die laterale; ihre Zellen hatten also begonnen zu Fasern auszuwachsen. Weitaus die Mehrzahl der Kerne stand an der basalen Seite. In beiden Wänden war die Menge der Theilungsfiguren eine überaus große. Unter ihnen gab es nament- lich in der Linsenfaserwand nicht wenige, deren Achse senkrecht gegen die Oberfläche gerichtet war. Und doch bleibt die Wand be- 'kanntlich auch später einschichtig. Es ist dies von einiger Wichtig- keit in allgemein entwicklungsgeschichtlicher Beziehung. Wie mir scheint, hat man nämlich bisher bei der Beurtheilung gewisser entwicklungsgeschichtlicher Vorgänge etwas allzu starken Nachdruck auf die Stellung der Theilungsachsen gelegt; ich kann mich selbst von diesem Fehler nicht frei sprechen. Freilich wissen wir nicht, in welcher Weise sich später die Tochterzellen, die aus solchen Thei- lungen hervorgehen, wieder in das einschichtige Epithel einordnen; indessen ist es möglich, dass die Theilungsebene nicht immer senk- recht auf der Theilungsachse steht. — Eine andere Erscheinung, die "an einzelnen Schnitten durch das Linsenbläschen in diesem Stadium auffällt, besteht darin, dass zuweilen in der Höhle, und zwar be- sonders häufig mehr oder weniger dicht an der lateralen Wand, einzelne im Zerfall oder in Degeneration begriffene Zellkerne gelegen sind. In solchen degenerirenden Kernen ist das Chromatin zu sehr stark lichtbrechenden, rundlichen Körnern zusammengeballt, ganz _ ähnlich, wie ich es früher von Torpedo und vom Axolotl beschrieben 268 Carl Rabl, habe. Diese degenerirenden Kerne stammen wahrscheinlich von Tochterknäueln oder jungen Tochterkernen ab, die bei der Theilung dem Lumen etwas zu nahe gekommen sind. Einmal habe ich auch in der That einen Tochterknäuel im Begriff getroffen, aus der Wand des Bläschens ins Lumen zu treten. Ich glaube nicht, dass dieser Austritt der Kerne erst in Folge der Fixirung geschieht, denn sonst könnte man an ihnen nicht alle möglichen Stufen der Degeneration bis zum völligen Schwunde der chromatischen Substanz finden. Bei dieser Gelegenheit möchte ich auf die gewiss allen Embryologen be- kannte Thatsache hinweisen, dass man auch im Lumen des Hirn- und Rückenmarksrohres gar nicht selten junge oder in Degeneration begriffene Zellkerne findet. Irgend eine tiefere Bedeutung kann ich aber dieser Erscheinung trotz ihrer weiten Verbreitung nicht zu- schreiben. Bei einem etwas älteren Embryo einer Ringelnatter stand die Linse ungefähr in dem Stadium, das ich in Fig. 6 von der Eidechse abgebildet habe. Vielleicht war die Entwicklung der Linsenfasern sogar noch etwas weiter gediehen. Das Epithel zeigte in so fern eine Eigenthümlichkeit, als seine Dicke am Äquator und darüber hinaus bis zum Übergang in die Linsenfasern kontinuirlich anstieg. Eine Andeutung dieses Verhaltens war übrigens schon in dem in Fig. 13 abgebildeten Fall zu sehen. Später tritt diese Erscheinung noch etwas deutlicher hervor, und man könnte sieh daher vielleicht _ versucht fühlen, in ihr eine Andeutung einer Ringwulstbildung zu erblicken. . Indessen halte ich eine solche Auffassung nicht für richtig; denn bei einem typischen Ringwulst nimmt die Dicke des Epithels nach hinten zu wieder ab; hier aber steigt sie kontinuirlich an. Auch begegnet man einer ähnlichen Diekenzunahme bei Linsen, die es nie zur Ausbildung eines Ringwulstes bringen. Übrigens ist dieser Zustand von ganz kurzer Dauer. Bei dem letzten, von mir unter- suchten Ringelnatterembryo, dessen Linse in Fig. 14 bei schwacher Vergrößerung wiedergegeben ist, war sie vollständig geschwunden und das Epithel an der ganzen Vorderfläche bis zum Äquator von der gleichen Dicke; am Äquator ging es, ohne dass es zuerst zur Bildung eines Ringwulstes gekommen wäre, direkt in die Linsenfasern über. Der Embryo dürfte in Beziehung auf seine allgemeine Organi- sation ungefähr auf derselben Höhe gestanden haben, wie der Eidechsenembryo, dessen Linse in Fig. 9 abgebildet ist. Der Unter- schied dieser beiden Linsen springt sofort in die Augen; er betrifft nicht bloß den feineren Bau, indem bei der Schlange auch nicht die Über den Bau und die Entwicklung der Linse. II. 369 leiseste Spur eines Ringwulstes zu sehen ist, sondern auch die äußere Form, indem die Linse der Schlange nahezu kugelig, die der Ei- dechse vorn sehr stark abgeplattet ist, sowie denn überhaupt hier der Unterschied zwischen Äquatorialdurchmesser und Achse ein sehr auffallender ist. — An der Grenze des Epithels haben sich die Zellen schon zu meridionalen Reihen geordnet, wie aus dem Anschnitt der Linse, der in Fig. 15 abgebildet ist, hervorgeht. Es muss also auch schon zur Bildung von Radiärlamellen gekommen sein; indessen ist ‚davon begreiflicherweise auf einem Meridionalschnitt nichts zu sehen. Über die Entwicklung der Reptilienlinse legt in der Litteratur verhältnismäßig wenig vor. KeEssLer! hat einige Stadien von La- eerta — die Art ist nicht genannt — und eines von Vipera berus untersucht. Die ,‚Wand des Linsenbläschens soll Anfangs, wie dies KESSLER auch für das Huhn angiebt, mehrschichtig sein. Die Um- bildung dieses mehrschichtigen Epithels in ein einschichtiges soll an der äußeren Wand des Bläschens in derselben Weise erfolgen, wie beim Huhn. Ich werde darüber im nächsten Kapitel referiren. Dagegen sollen »die Entwicklungsvorgänge in der proximalen Wand der Linsen- blase einen etwas abweichenden Verlauf«s nehmen. Es sollen näm- lieh die Zellen, nachdem sie bereits spindelförmig ausgewachsen sind, noch in drei bis vier Schichten über einander liegen, während sich beim Huhn zu dieser Zeit schon eine Kernzone herzustellen be- gonnen hat. Die Umbildung der Zellen zu Fasern soll auch »nicht gleichzeitig und gleichmäßig, wie beim Hühnchen« erfolgen, sondern in der Weise, dass zunächst nur die peripherischen, in der Nähe des Äquators liegenden Zellen zu Fasern auswachsen, wälfrend die cen- ‚tralen »zum Theil spindelförmig, zum Theil unregelmäßig geformt und gebläht erscheinen<. »Man könnte versucht sein,« fährt KEssLER fort, »letzteres als Wirkung mangelhafter Härtung anzusehen; da- gegen spricht aber nicht nur das übrige Aussehen der Präparate, welche entschieden als gelungen gehärtet bezeichnet werden dürfen, sondern auch der Umstand, dass bei den eben so behandelten ent- sprechenden Stadien vom Hühnchen und den anderen Thieren solche gebläht aussehende Formen sich nicht vorfinden, sowie der andere, dass dieselben bei älteren Stadien von der Eidechse, in denen doch das gehörige Durchdringen der Erhärtungsflüssigkeit wahrscheinlich noch schwieriger ist, gleichfalls fehlen.« Aus diesen Angaben schließe 1 LEONHARD KESSLER, Zur Entwicklung des Auges der Wirbelthiere. Leipzig 1877. 270 Carl Rabl, ich, dass KEssLer schon nahe daran war, den Unterschied zwischen centralen und zu radiären Lamellen geordneten Fasern zu erkennen. Dieser Unterschied ist ja, wie aus meinen Fig. 7 und 9, Taf. XI, hervorgeht, bis zu einem gewissen Grade auch an Meridionalschnitten erkennbar. Entschieden unrichtig aber ist es, wenn KESSLER sagt: »Die Faserbildung schreitet nur sehr langsam centralwärts vor; auch bei schon recht alten Embryonen findet man immer noch eine Anzahl nicht umgebildeter Elemente; um diese centrale Masse liegen die Fasern, nach der Peripherie hin stetig an Länge zunehmend .... in äußerst regelmäßiger koncentrischer Anordnung; jede Faser reicht mit ihrem distalen sowohl als mit ihrem proximalen Ende bis an die Linsenachse« ete. KESSLER musste also annehmen, dass sich die Fasern zunächst an der Peripherie bilden, dann im Centrum, später aber wieder an der Peripherie. Koranvı! hat die Linsenbildung der Eidechse an drei Embryonen untersucht. Der jüngste, von 2,6 mm Länge, zeigte eine Linsengrube, deren Wand aus cylindrischen Zellen bestand, »die in mehreren Reihen zu liegen kamen«. Bei dem zweiten Embryo, von 3,5 mm Länge, war die Linsenanlage noch nicht ganz abgeschnürt; auch von ihr giebt KorAnyI an, dass die Wand der Blase aus »mehreren Reihen eylindrischer Zellen bestand. Bei dem dritten Embryo von 4 mm Länge war die Linse vom Ektoderm ganz abgeschnürt. Auch C. K. Horrmann ? giebt an, dass die Wand des Linsen- bläschens bei Lacerta Anfangs aus zwei bis drei Schichten besteht. Das Epithel soll später einschichtig werden, mit Ausnahme des Ring- wulstes, an dem es auch später noch mehrschichtig bleiben soll. Von den Zelltheilungsfiguren der jungen Linse bemerkt HoFFMANN ganz richtig, dass sie »durchaus ventrieular« gelegen sind und Anfangs sowohl in der medialen, als in der lateralen Wand vorkommen. Später aber hat sie auch HOFFMANN nur in der lateralen Wand ge- funden. »Sobald nämlich die Zellen der hinteren Lage (d. h. der medialen Wand) sich je in Fasern von axialer Richtung zu verlängern anfangen, hören in dieser Schicht die Mitosen auf, und Hand in Hand damit verkleinert sich auch allmählich der ursprünglich ziem- lich große Linsenhohlraum.« Die Abbildungen, die HOFFMANN seiner ı A. KorAnyı, Beiträge zur Entwicklung der Krystalllinse bei den Wirbel- thieren. Intern. Monatsschr. f. Anat. u. Histol. Bd. III. 18S6. ? C. K. HorrmAnn, Bronn’s Klassen und Ordnungen des Thierreichs. Bd. VI. III. Abth. 1890. Über den Bau und die Entwicklung der Linse. II. 371 Besehreibung beigiebt, sind leider so schematisch, dass man ihnen keine Beweiskraft zuerkennen kann. Nach dem Gesagten stimmen alle bisherigen Untersucher darin überein, dass die Wand des Linsenbläschens der Reptilien Anfangs aus mehreren. Schichten von Zellen besteht, während ich die Auf- fassung vertrete, dass sie von allem Anfang an einschichtig ist. Nun ist es, wie ich gern zugebe, oft recht schwer mit Sicherheit zu sagen, ob ein Epithel einschichtig oder mehrschichtig ist. Wenn ich das Epithel des Linsenbläschens der Eidechse und der Ringelnatter für einschichtig halte, so stütze ich mich, wie ich hier nochmals kurz zusammenfassen will, auf folgende Gründe: erstens liegen weitaus die meisten Kerne an der basalen Seite der Wand des Bläschens; zweitens sind die Kerne, welche nicht diese Lage haben, der großen Mehrzahl nach solche, die entweder Spuren einer beginnenden oder einer eben abgelaufenen Theilung zeigen, oder die in voller Theilung begriffen sind; drittens — und dies hängt mit dem zweiten Argu- mente zusammen — liegen in einschichtigen Epithelien die Kerne, wenn sie sich theilen, stets an der freien Seite des Epithels. Dies ist so konstant, dass es geradezu ein Mittel an die Hand giebt, in zweifelhaften Fällen die Frage, ob ein Epithel einschichtig oder mehrschichtig sei, mit Sicherheit zu entscheiden. Nun sind auch im Linsenbläschen der Reptilien die Theilungsfiguren nie an der basalen, sondern stets mehr oder weniger weit an der freien Seite gelegen. — Diese Argumente wurden von keinem der bisherigen Untersucher _ beachtet und daher sind alle, wie ich glaube, in denselben Fehler verfallen. B. Bau. Die Linse der Reptilien zeigt eine außerordentliche Mannigfaltigkeit der Form, eine Mannigfaltigkeit, wie sie in ähnlicher Weise nur bei den Vögeln wiederkehrt. Ich gebe zunächst eine Übersicht der untersuchten Arten: 1. Ordnung: Crocodilia, Krokodile. i llisatoridae ...... Alligator mississipiensis. 2. Ordnung: Chelonia, Schildkröten. Be... 2... Emys europaea, Teichschildkröte. Berdae...-.... Testudo graeca, griech. Schildkröte. 3. Ordnung: Saurii, Echsen. Rhynchocephalia ... .. Hatteria punctata. 272 Carl Rabl, Ascalabotae, Geckonen . Platydactylus mauritanicus. Lacerta viridis, Smaragdeidechse. Lacerta faraglionensis, Faraglione-Eidechse. Lacerta agilis, Zauneidechse. Lacerta muralis, Mauereidechse. Lacertidae, Eidechsen . Chamaeleonidae, Chamä- [Chamaeleo vulgaris, leons yes Seineoideae, Sandechsen nn ver au) Walzeneideehse, Anguis fragilis, Blindschleiche. Ptychopleurae, Seiten- 1 Pseudopus Pallasii, Scheltopusik. taltereanssl zuraier: 4. Ordnung: Ophidia, Schlangen. 1, jEryx jaculus, Rollschlange. Python molurus, Tigerschlange. Tropidonotus natrix, Ringelnatter. | Trop. natrix var. sparsus. -|Elaphis quaterradiatus, Streifennatter. Zamenis viridiflavus, Zornnatter. Viperidae, Ottern. .... Vipera aspis. Pythonidae, Riesensch Colubridae, Nattern. . Alle untersuchten Thiere waren erwachsen oder nahezu erwach- sen, mit Ausnahme des Alligators, von dem ich zwei junge, 25,3 cm lange Exemplare untersuchte, sowie einiger junger griechischer Schildkröten von 9 bis 10 em Länge. Von letzterer Art habe ich aber auch ein erwachsenes, 16,5 em langes Exemplar untersucht. Die Linsen wurden fast durchwegs so konservirt, dass der rein präparirte Bulbus zunächst auf eine halbe Stunde in die Fixirungs- flüssigkeit (Platinchlorid-Sublimat oder Pikrinsäure-Sublimat) gelegt, dann im Äquator durchschnitten, und nun die vordere Bulbushälfte allein noch ungefähr 24 Stunden in der betreffenden Flüssigkeit ge- lassen wurde. Nur von Eryx jäculus wurden die Bulbi gleich in toto fixirt. — Die Linsen von Hatteria, Python und Elaphis stammten von alten Spiritusexemplaren. Die im Folgenden mitgetheilten Skizzen sind alle bei der gleichen Vergrößerung gezeichnet; sie sind sämmtlich so orientirt, dass die äußere Fläche nach links, die innere nach rechts gewendet ist. Die Linsen der beiden jungen Alligatoren (Fig. 3) fielen zunächst durch ihre Größe auf; ihre äußere Fläche war viel weniger gewölbt, als ihre innere, und der Krümmungsradius.der ersteren mehr als ein Zeitschrift f. wiss. Zoologie. Bd. LXV. Zar Sartre 973. 10 | a Textfig. 5. Griechische Schildkröte (Testudo graeca). \ / = Textfig. 4. Teiehschildkröte (Emys europaea). Textfig. 3. Alligator mississipiensis. \ on \ 2 ' De \ N Textäig. 6. Gecko (Platydactylus mauritan.). Textfig. 7. Smaragdeidechse (Lacerta viridis.) ZEN / N N Textüg. 10. Textfig. 8. Textfig. 9. Faraglione-Eidechse (Lacerta faragl.).. Zauneidechse (Lacerta agilis). Mauereidechse (Lacerta muralis). Alle Figuren bei gleicher Vergrößerung. Textfig. 11. ss. extnot2: / Walzeneidechse (Gongylus ocellat.). N. : % Scheltopusik (Pseudopus Pallasii). Textfig. 14. Chamäleon (Chamaeleo vulgaris). Textfig. 13. Blindschleiche (An- guis fragilis). ei Textfig. 15. Ringelnatter (Tropidonotus Textfig. 16. Textfig. 17. natrix). Zornnatter (Zamenis viridiflav.). Viper (Vipera aspis). Alle Figuren bei der gleichen Vergrößerung. Über den Bau und die Entwicklung der Linse. II. 273 _ Drittel länger, als der der letzteren. Der Äquator war abgerundet, aber immerhin leidlich gut markirt. | Bei Emys (Fig. 4) besitzen beide Flächen der Linse ungefähr den gleichen Krümmungsradius; jedenfalls ist die Differenz, wenn eine solche besteht, keine große. Bei Testudo (Fig. 5) ist die äußere Fläche viel flacher als die innere, und die ganze Linse viel weniger diek, als bei Emys. Der Äquator tritt bei beiden Arten deutlich hervor. Die Linse des Gecko (Fig. 6) zeigt eine gewisse Ähnlichkeit mit der des Alligators, nur ist sie mehr kugelig und der Aquator in Folge dessen weniger scharf markirt. Immerhin ist auch hier der Wölbungsunterschied der beiden Flächen deutlich erkennbar. Die Linsen der vier untersuchten Eidechsenarten (Fig. 7 bis 10) tragen die Familienähnlichkeit ihrer Träger deutlich zur Schau; sie bilden eine gegen die bisher betrachteten Formen gut begrenzte Gruppe. Überall ist der Unterschied zwischen äußerer und innerer Fläche sehr groß; der Äquator bildet stets einen breiten, mehr oder weniger abgerundeten Wulst. Die Unterschiede zwischen den ein- zelnen Arten sind gering; so ist z. B. die Linse von Lacerta viridis (Fig. 7) und in geringerem Grade auch die von Lacerta muralis (Fig. 10) in der Mitte der Vorderfläche etwas flacher, als bei Lacerta asılis (Fig. 9), und faraglionensis (Fig. 8). Die Linsen des Scheltopusiks (Fig. 11), der Walzeneidechse (Fig. 12) und der Blindschleiche (Fig. 13) zeigen mehr oder weniger stark den Eideehsencharakter: Beim Scheltopusik und der Blind- schleiche ist die Linse außen nahezu plan und der Wulst, den der Äquator hervorwölbt, ist bei keiner Eidechse so mächtig entwickelt, als beim Scheltopusik. Ganz eigenartig ist die Linse des Chamäleons (Fig. 14) geformt; ihre äußere Fläche ist weniger ausgedehnt, als ihre innere und der Wulst, welcher beide am Äquator mit einander verbindet, fällt nach hinten steiler ab als nach vorn; in dieser Hinsicht verhält sich also die Linse des Chamäleons genau entgegengesetzt der der Eidechsen und Verwandten. Während daher bei diesen die Äquatorialebene vor das Centrum der Linse fällt, fällt sie beim Chamäleon hinter dasselbe. Eine Sonderstellung unter den Linsen der Reptilien nehmen diejenigen der Schlangen ein. Sie scheiden sich selbst wieder in zwei Gruppen. Die eine wird von den Linsen des kleinäugigen Eryx Jaculus repräsentirt und charakterisirt sich dadurch, dass beide Flächen der Linse ziemlich gleichmäßig abgeflacht sind, die andere umfasst die Linsen der Nattern und Vipern und charakterisirt sich durch die 274 Carl Rabl, starke Vorwölbung der Vorderfläche. Diese ist bei Tropidonotus natrix (Fig. 15) und Zamenis viridiflavus (Fig. 16) geradezu kugelig, während die Hinterfläche fast plan erscheint; bei Vipera aspis da- gegen (Fig. 17) sind beide Flächen ungefähr gleich stark gewölbt. Alle Schlangenlinsen haben mit einander gemein, dass der Äquator in keiner Weise markirt ist. Dadurch unterscheiden sie sich schon äußerlich von den Linsen aller anderen Reptilien. Im Folgenden sind die Maße einiger Linsen und die aus denselben berechneten Indices zusammengestellt: Äquatorialdurchm. oh Achse in mm Index Alligator mississipiensis ...... 4,43 3,92 125 Jimys europaear ann... ne 2,45 1,90 1128 Mestudo sraceanı a. ee 2,04 1,54 1,64 Platydaetylus mauritanieus. ..... . 3,47 3,09 1,42 laeortar vanıdısp mer 0092 2,06 1,41 > > faraohonensis? Den 2:25 1,53 1,47 RE I. N ee 2,09 1,51 1,38 > areas er. 1,94 1,28 #51 PseudopusBalaı mn. 22.0.8 3,60 2,30 1,56 Gonsylus oeellatus 22 22 1,98 1,43 1,38 Amos rapıise a er. 2 a 1,38 0,93 1,48 Chamaeleo vuleanısı? 2a ne 3,68 22 1,35 Propidonotusanarıx m. ve 2,2 1,94 1.19 Zamenis vanıdılayusm... 2.0. 2,87 2,60 1,10 Mipera aspıse nen nn all 1,95 1,25 Der Index ist also bei den Schlangen am kleinsten, bei den Sauriern mit Ausnahme des Gecko am größten. Die mitgetheilten Zahlen sind keine Mittelwerthe, sondern be- ziehen sich immer nur auf je eine Linse der betreffenden Art. Was die relative Größe der Linse, d. h. ihre Größe im Verhältnis zur Größe des ganzen Körpers, betrifft, so scheinen keine ganz fixen Beziehungen zu bestehen. Allerdings trifft man gewöhnlich innerhalb einer eng begrenzten Gruppe, etwa einer Familie, bei den größten Arten die größter, bei den kleinsten die kleinsten Linsen; so besitzt beispielsweise unter den Eidechsen die größte Form, Lacerta viridis, die größten, die kleinste, Lacerta muralis, die kleinsten Linsen. Ähnliches gilt von den Nattern; die Zornnatter (Zamenis viridiflavus) besitzt viel größere Linsen, als die viel kleinere Ringelnatter. Aber Über den Bau und die Entwicklung der Linse. II. 2375 es bestehen auch sehr auffallende Ausnahmen von dieser Regel; so besitzt unter den Seincoiden die Blindschleiche viel kleinere Linsen, als der erheblich kleinere Gongylus, und eben so ist es seit Langem bekannt, dass manche Schlangen, wie z. B. Eryx jaculus, durch auf- fallend kleine Augen und Linsen ausgezeichnet sind. Sehr merkwürdig ist die außerordentliche Größe der Linsen des kleinen Gecko. Ein Platydactylus mauritanicus hat etwa die Größe einer mittelgroßen Lacerta agilis und doch haben seine Linsen ein Volum, das das der Linsen dieser Eidechse sicher um mehr als das Sechsfache übertrifft. Es müssen also wohl noch ganz besondere Momente für die Größe der Linse maßgebend sein. Ich werde. auf diesen Gegenstand später wieder zurückkommen. Es wäre auch von Interesse, auf das Verhältnis zwischen Größe der Linse und Größe des ganzen Auges und weiterhin auf das Ver- hältnis zwischen Größe des Auges und Größe des ganzen Körpers zu achten. Leider habe ich aber versäumt, darüber etwas Genaueres zu notiren. Die Linse des Allisators besitzt hinten eine ziemlich lange horizontale, vorn eine ungefähr eben so lange vertikale Naht. Die Linsen von Emys und Testudo besitzen keine Naht. Beim Gecko ist allem Anscheine nach auch keine Naht vorhanden; wenn eine solche vorhanden sein sollte, so kann sie jedenfalls nur sehr kurz sein. Bei allen anderen, von mir untersuchten Sauriern fehlen die Nähte bestimmt. Die Linsenfasern treten also, wie bei allen Formen ohne Nähte, sich allmählich verschmälernd, vorn und hinten direkt an die Linsenachse heran. Bei den Schlangen sind vorn und hinten kurze Linsennähte vorhanden; wie überall, steht die vordere Naht - senkrecht auf der hinteren. — Wie bei den Selachiern und Amphi- bien sieht man auch bei den Reptilien dort, wo Linsennähte vor- kommen, von ihnen regelmäßig gestellte Strahlen auslaufen, die auch hier nichts Anderes als Spalten vorstellen, die bei der Konservirung entstanden sind und mehr oder weniger tief zwischen die Radiär- lamellen der Linse eindringen. Nach diesen allgemeinen Bemerkungen über Form, Größe und Aussehen der Linse wende ich mich wieder zur Beschreibung ihres feineren Baues. Da aber dieser in den einzelnen Ordnungen der Reptilien, namentlich was das Verhalten des Epithels betrifft, unge- mein große und tiefgreifende Verschiedenheiten aufweist, so geht es nicht gut an, eine einheitliche Beschreibung zu geben und ich werde daher die einzelnen Gruppen getrennt besprechen. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXV. Bd. 19 276 Carl Rabl, Ich beginne mit der Beschreibung des Linsenepithels des Alli- gators. Von abgelösten Epithelfetzen der Alligatorlinse erhält man Bilder, welche in hohem Grade an die früher beschriebenen Bilder der Froschlinse erinnern. Ich habe es daher unterlassen, eine Ab- bildung davon zu geben. Das Epithel ist wieder in der Mitte der Vorderfläche am dünnsten, die Zellareale am größten und die Kerne sind demnach hier am weitesten von einander entfernt. Gegen den Äquator wird das Epithel dicker, die Zellen nehmen allmählich Cylinderform an und setzen schließlich eine Bildung zusammen, ähn- lich jener, welcher wir am Äquator der Batrachierlinse begegnet sind. Nur sind die Zellen beim Alligator sehr viel höher; während &ie z. B. bei Rana esculenta, wo sie unter allen Batrachiern am höchsten sind, nur eine Höhe von 0,025 mm besitzen, messen sie beim Alli- gator 0,06 mm. — Es ist dies der Anfang eines Ringwulstes, wie wir ihn später in viel vollkommenerer Form bei den Sauriern an- ‚treffen werden. Beim Frosch und der Kröte waren die Kerne der Cylinderzellen tief unten an der Linsenfaserseite der Zellen, die wir bekanntlich im Hinblick auf die Entwicklung der Linse als freie bezeichnen müssen, gelegen. Beim Alligator sind sie etwas von dieser Seite abgedrängt, aber immerhin liegen sie ihr noch näher, als der basalen. Sie sind ungemein dicht gestellt, finden daher nicht alle in gleicher Höhe Platz und enthalten ein sehr feinmaschiges Chromatingerüst. Die Zellgrenzen sind auf Meridionalschnitten überaus scharf und man erkennt leicht, dass die Zellen so gebogen sind, dass sie ihre Kon- kavität nach hinten kehren. Gegen die Epithelgrenze nehmen sie eine schiefe Stellung an und gehen schließlich in die Linsenfasern über. An einigen Epithelfetzen konnte ich mich überzeugen, dass sich die Zellen hier ganz ähnlich, wie bei den Selachiern und Am- phibien zu meridionalen Reihen zusammenordnen; jedoch bin ich nicht im Stande zu sagen, wie viele Zellen hier zu einer solchen Reihe zusammentreten. Die Epithelgrenze liest beim Alligator dicht hinter dem Aquator. Ganz ähnlich wie beim Alligator verhält sich das Epithel auch bei den Schildkröten; nur ist es an der ganzen Vorderfläche erheb- lich höher. Bei Emys europaea beträgt seine Höhe in der Nähe des vorderen Poles 0,01 mm, am Ringwulst 0,04 mm; die Differenz ist also geringer als bei den anuren Amphibien. Nichtsdestoweniger ist der Ringwulst erheblich besser entwickelt als die damit vergleichbare Bildung der Amphibien. Die Kerne der Zellen liegen stets in der Über den Bau und die Entwicklung der Linse. II. DIT Nähe der Linsenfaserseite derselben; sie enthalten ein zartes Gerüst, dessen Balken am Ringwulst der Mehrzahl nach quer verlaufen, so dass die Kerne dadurch mehr oder weniger quergestreift erscheinen. — Einen Schnitt durch den Ringwulst und die Kernzone von Emys habe ich auf Taf. XII, Fig. 3 bei schwacher Vergrößerung abgebildet; ein- zelne Zellen des Ringwulstes sind in Fig. S bei starker Vergrößerung zu sehen. Auch bei Emys sind, wie beim Alligator, die Zellen so gebogen, dass sie ihre Konkavität nach hinten kehren. Die Epithel- grenze liegt hier genau am Äquator. A Testudo graeca zeigt ganz ähnliche Verhältnisse. Bei einem jungen, 9 oder 10 cm langen Exemplar betrug die Dieke des Epi- thels in der Mitte der Vorderfläche 0,01 mm, am Ringwulst 0,07 mm; bei einem erwachsenen, 16,5 em langen Exemplar dort 0,007, hier 0,11 mm. Es hatte also die Dieke am vorderen Pol abgenommen, am Ringwulst zugenommen. Die Zellen des Ringwulstes waren bei dem erwachsenen Exemplar gerade gestreckt; nur in seiner vorderen Hälfte zeigten sie eine leichte Biegung mit nach hinten gerichteter Konvexität. Lage und Aussehen der Kerne waren die gleichen, wie bei Emys. Dagegen lagen bei dem jungen Exemplar die Kerne der Mehrzahl nach etwa in halber Höhe der Zellen. An einer Äquatorialschnittserie durch eine Linse von Emys, welche sammt dem Ciliarkörper geschnitten war, konnte ich ein eigenthümliches Verhalten des Ringwulstes beobachten, das mir von einiger Wichtigkeit zu sein scheint. Jedem Ciliarfortsatz entsprechend fand sich nämlich an der Oberfläche des Ringwulstes ein seichter, aber ganz deutlicher Eindruck und die Zellen des Ringwulstes waren so gestellt, dass sie mit ihren unteren Enden gegen die Zwischen- räume zwischen den einzelnen Ciliarfortsätzen konvergirten. Die Linsen von Hatteria, welche ich zu untersuchen Gelegen- heit hatte, stammten von einem alten Spiritusexemplar und waren sehr schlecht erhalten. Ich kann daher über sie nur sehr wenig berichten. Das Epithel war bis auf unförmliche Reste vollkommen zerstört; aber ich glaube doch, aus diesen Resten den Schluss ziehen - zu dürfen, dass auch bei Hatteria ein Ringwulst vorhanden ist. Der Gecko schließt sich in dem Verhalten des Linsenepithels viel inniger an die Krokodile und Schildkröten, als an die höher stehenden Saurier an. Das Epithel ist in der Mitte der Vorderfläche ungemein dünn, kaum 0,005 mm dick, wird dann gegen die Peri- pherie ganz allmählich höher und erreicht am Ringwulst eine Höhe von 0,062 mm. Es ist also hier mehr als zwölimal so hoch als am 195 278 Carl Rabl, vorderen Linsenpol. Einige Zellen des Ringwulstes sind auf Taf. XII, Fig. 7 bei starker Vergrößerung wiedergegeben. Mit der Höhe der Zellen nimmt ihre Breite allmählich ab; die Zellareale werden also vom vorderen Linsenpol gegen den Ringwulst kleiner. Die Kerne, die in meinen Präparaten, vielleicht in Folge der nicht sehr ge- lungenen Konservirung, gelappt erscheinen, liegen in allen Zellen, mit Ausnahme der ganz flachen, ziemlich dieht an der Linsenfaser- seite; nur ab und zn macht ein Kern davon eine Ausnahme. Die Zellen des Ringwulstes sind, wenigstens zum Theil, mäßig nach hin- ten gebogen, kehren also ihre Konkavität nach vorn. An der hin- teren Grenze des Ringwulstes stellen sie sich schief. Die Epithel- erenze entspricht ziemlich genau dem Äquator. Wie ich an einem Tangentialschnitt sehe, ordnen sich hier die Zellen zu meridionalen Reihen. Ich bin aber nicht im Stande, darüber etwas Genaueres mitzutheilen. Alle anderen Saurier zeichnen sich durch einen mächtigen Ring- wulst aus; aber die einzelnen Familien und Arten zeigen hierin nicht unerhebliche Verschiedenheiten. Was zunächst die Eidechsen betrifft, so bietet das Epithel bei den vier untersuchten Arten folgende Eigen- thiimlichkeiten. Wie bei allen bisher untersuchten Formen ist es in der Mitte der Vorderfläche, nahe dem vorderen Linsenpol, am dünn- sten; die Zellen sind hier so flach, dass ihre Dicke kaum mit Sicher- heit zu messen ist. Ich schätze sie auf 0,0008 bis 0,001 mm. Die Diekenzunahme erfolgt, wenn auch allmählich, so doch sehr rasch, so dass die Höhe der Zellen z. B. bei einer Lacerta viridis in einer Entfernung von etwa 0,5 mm vom Pol bereits 0,015 mm und noch etwas weiter außen schon 0,03 mm beträgt. Bei mäßig weiter Pupille, also ungefähr von einem Durchmesser von 1,25 mm, ist dieses Epithel noch unbedeckt. — Nun wachsen die Zellen sehr rasch in die Höhe und bauen dadurch allmählich den Ringwulst auf. Dieser erreicht bei allen Arten etwas vor dem AÄquator seine größte Höhe; er ist also der Linse nicht direkt von außen her aufgesetzt, sondern von außen und vorn. Nachdem der Ringwulst seine größte Dicke er- reicht hat, nehmen die Zellen wieder an Höhe ab und diese Ab- nahme schreitet kontinuirlich bis zur Epithelgrenze fort. Wie mir scheint, erfolgt die Abnahme etwas rascher, als die Zunahme; groß ist aber der Unterschied nicht. Alle geschilderten Eigenthümlichkeiten sind an Fig. 2, Taf. XII, welche den Ringwulst von Lacerta viridis bei schwacher Vergrößerung zeigt, gut sichtbar. Ein Vergleich mit Fig. 3, welche den Ringwulst der Teichschildkröte bei derselben Über den Bau und die Entwicklung der Linse. 11. 279 Vergrößerung zeigt, lehrt die große Verschiedenheit zwischen beiden kennen. Bevor ich aber auf die Beschreibung des feineren Baues des Ringwulstes eingehe, will ich noch das Verhalten der Zellen an der Epithelgrenze besprechen. Es gelingt ziemlich leicht, sich gute Präparate von der Epithelgrenze zu verschaffen. Man braucht bloß eine sehärtete und gefärbte Linse aus Alkohol auf kurze Zeit in Wasser zu legen, um den Ringwulst mit einer Nadel oder feinen Pincette von den Linsenfasern abheben zu können. Ist das-Präparat gut gelungen, so grenzt es sich nach hinten mit einer scharfen, ge- raden Linie ab. Ich habe solche Präparate von Lacerta viridis und muralis angefertigt und von beiden die gleichen Bilder erhalten; ein Präparat von der erstgenannten Art ist der Fig. 1, Taf. XII zu Grunde selest. Nach links zu sind die Zellen noch unregelmäßig polygonal, wobei ganz besonders häufig dreieckige Formen vorkommen. Dann aber, in der Mitte des Bildes, ordnen sie sich rasch zu meridionalen Reihen, indem sie zugleich sehr breit und flach werden. Ihr Dicken- durchmesser oder, richtiger, der Durchmesser in der Richtung des Meridians beträgt kaum den fünften Theil des Durchmessers in querer oder äquatorialer Richtung. Trotz der prineipiellen Übereinstimmung dieses Bildes mit dem der Amphibien springt doch der Unterschied zwischen beiden sofort in die Augen. Bei den Amphibien sind _ äquatorialer und meridionaler Durchmesser der Zellen an der Epithel- grenze ungefähr gleich groß, bei den Eidechsen aber außerordentlich verschieden. Wie viele Zellen zur Bildung einer meridionalen Reihe zusammentreten, ist schwer zu sagen; an dem abgebildeten Stück sind acht bis zehn zu sehen. Aber es ist zu bedenken, dass sich zuletzt die Zellgrenzen sehr schief stellen, so dass sie von der Ober- fläche nicht oder nicht mehr deutlich zu sehen sind. Ferner kommt noch in Betracht, dass, wie wir noch an Schnitten kennen lernen werden, die Zellkerne rasch tiefer rücken, so dass es bei der Unter- suchung eines Präparates von der Oberfläche her sehr schwer, wenn nicht geradezu unmöglich wird, zu sagen, wie die Kerne auf einander folgen. Übrigens ist die Frage nach der Zahl der Zellen einer meridionalen Reihe nur von nebensächlicher Bedeutung; das Wich- tigste ist, dass auch bei den Sauriern an der Epithelgrenze eine Zone meridionaler Reihen nachzuweisen ist. Die Zellkerne stehen in diesen Reihen ziemlich unregelmäßig hinter einander; wenn sie auch zuweilen in einer Reihe regelmäßig 280 Carl Rabl, alterniren, so lässt sich doch oft in der benachbarten keinerlei Gesetz- mäßigkeit erkennen. Die Epithelgrenze liegt bei den Eidechsen stets ziemlich weit hinter dem Äquator. Der Ringwulst besteht aus Fasern, die nach dem Gesagten nichts Anderes sind, als verlängerte Epithelzellen. Die Fasern sind mehr oder weniger radiär gestellt und man hat sie daher bekanntlich auch als Radiärfasern bezeichnet. Sie besitzen nicht durchwegs den gleichen Bau. Am vorderen und hinteren Ende des Ringwulstes sind sie einfacher gebaut, als in der Mitte. Vorn, wo sich der Ringwulst in das gewöhnliche Epithel fortsetzt, sind sie meistens mehr gerade gestreckt und, wenn sich auch schon ein Unterschied zwischen freier und basaler Seite erkennen lässt, so ist derselbe doch noch gering; hinten, also in der Nähe der Epithelgrenze, sind die Fasern etwas dieker und sehr gewöhnlich so gebogen, dass sie ihre Konkavität nach vorn kehren; der Unterschied zwischen freier und basaler Seite ist hier deutlicher als vorn. In der Mitte, dort also, wo der Ring- wulst den höchsten Grad seiner Ausbildung erfährt, sind die Fasern gleichfalls gewöhnlich so gekrümmt, dass die Konkavität nach vorn sieht; jedoch trifft man auch Stellen, wo die Fasern mehr $-förmig sebosen sind, oder aber gar keine deutliche Krümmung erkennen lassen. Die Zellkerne liegen stets dem äußeren oder Kapselende der Fasern, also der basalen Seite der Zellen, näher als dem inneren. Sie entfernen sich vom vorderen Ende des Ringwulstes an immer mehr von der Oberfläche, sind in der Mitte des Ringwulstes am tiefsten gelegen und nähern sich gegen das Hinterende wieder mehr der Oberfläche. Sie bilden also auf einem Meridionalschnitt einen - Bogen (vgl. Fig. 2, Taf. XID), der nicht genau der Oberfläche paral- lel läuft. In der Mitte des Ringwulstes liegen sie ungefähr an der Grenze zwischen äußerem und mittlerem Drittel, oder auch zwischen erstem und zweitem Viertel der Fasern. Sie haben indessen nicht durchwegs die gleiche Lage (vgl. Fig. 2, 4, 5 u. 6); manchmal ent- fernt sich ein Kern etwas weiter von der Oberfläche und kommt in halbe Höhe des Ringwulstes zu liegen; ja es kann sogar vorkommen, dass er der inneren Fläche näher liegt als der äußeren. Jedoch sind das nur seltene Ausnahmen. Die Kerne sind fast ausnahmslos kugelig, färben sich mit Häma- toxylin oder Kochenillealaun weniger intensiv als die Kerne des niedrigen Epithels der Vorderfläche und die Kerne der eigentlichen Über den Bau und die Entwicklung der Linse. II. 381 Linsenfasern, und enthalten ein zartes Gerüst mit einzelnen nucleolen- artigen Verdickungen. Wie namentlich die Untersuchung des Ringwulstes von Lacerta muralis und faraglionensis ergiebt, reicht jede Faser von der äußeren bis zur inneren Oberfläche desselben, und es kann daher keinem Zweifel unterliegen, dass der Ringwulst einem einschichtigen Epithel sleichzusetzen ist. Eben so wenig kann es zweifelhaft sein, dass jede Faser nur einen einzigen Kern enthält. Das Protoplasma der Fasern färbt sich außen stets dunkler als innen, ein Umstand, der allein schon für eine polare Differenzirung der Fasern spricht. Zuweilen färbt sich eine einzelne Faser dunkler als die unmittelbar benachbarten. Die Intensität der Färbung nimmt von außen gegen den Kern rasch ab; unterhalb des Kerns wird aber das Protoplasma wieder dichter und tingirt sich wieder stärker, um weiter nach unten abermals rasch zu verblassen (vgl. Fig. 4 u. 5). — Der innere, vom Kern bis zu den eigentlichen Linsenfasern reichende Abschnitt der Fasern zeigt bei den verschiedenen Eidechsenarten einen verschieden hohen Grad der Differenzirung. Am einfachsten ist er bei Lacerta muralis beschaffen. Ich habe einige Fasern aus der Mitte des Ringwulstes dieser Eidechse in Fig. 6 abgebildet. Man bemerkt, dass das Gefüge des Protoplasmas nach unten lockerer wird, dass es sich in dünne Balken oder zarte Fäden auflöst, welche helle Räume umschließen, die augenscheinlich von einer klaren, homogenen Substanz erfüllt sind. Gar nicht selten sind diese Enden kolbenförmig angeschwollen, oder sie können auch, wiewohl selten, abwechselnd dünner und dicker werden. Dem unteren Ende der Fasern sitzt sehr häufig, manchmal ganz allgemein, ein kleines kugeliges Gebilde auf, das ganz den Eindruck eines Sekrettropfens macht und in seinem hellen, vollkommen wasser- klaren Inhalt eine größere oder geringere Menge von Körnchen ent- halten kann. Diese Tropfen sind sehr oft durch eine scharfe Linie von der eigentlichen Faser abgegrenzt. Alle diese Eigenthümlichkeiten sind bei Lacerta faraglionensis noch weiter ausgebildet als bei Lacerta muralis. Hier sind die Fasern in der Mitte des Ringwulstes ausnahmslos kolbig angeschwollen oder von Stelle zu Stelle spindelförmig aufgetrieben. Die Auftreibungen wechseln mit dünneren Stellen oder Vertiefungen ab, in die sich die Kolben oder Spindeln benachbarter Fasern legen. Auf diese Weise wird eine möglichst vollständige Raumerfüllung erzielt. An der Fig. 5, welche solche Fasern aus der Mitte des Ringwulstes der ge- 282 Carl Rabl, nannten Eidechse zeigt, sieht man überdies in der Mitte der Faseın einen dickeren Protoplasmastrang nach abwärts ziehen, von dem un- gemein zarte Fäden auslaufen, die die Kolben oder Spindeln nach verschiedenen Richtungen durchsetzen. Dasselbe gilt auch von den Ringwulstfasern von Lacerta agilis und viridis. Von der letzteren Art sind einige Fasern in Fig. 4 abgebildet; sie stammen aber nicht aus der dieksten Stelle des Wulstes. Die spindelförmigen Anschwel- lungen beginnen hier schon in geringer Entfernung vom Kern; dann können schmächtigere Stellen folgen, darauf abermals Auftreibungen, die schließlich in die Endkolben übergehen. Die Fasern sind außer- ordentlich innig durch einander geschoben, und darauf ist es wohl zu beziehen, dass man ihre Kontouren nicht kontinuirlich über die ganze Länge derselben verfolgen kann. Wie bei Lacerta faraglio- nensis zeigt auch bei Lacerta viridis der ganze centrale Theil des Ringwulstes in Folge des geschilderten Baues seiner Fasern ein ‚eigenthümlich blasiges Aussehen. Einen weiteren Einblick in den feineren Bau der Ringwulst- fasern erhält man durch die Untersuchung von Querschnitten der- selben, wie man solche auf Tangentialschnitten durch den Äquator einer Linse bekommt. Drei solche Schnitte durch den Ringwulst von Lacerta agilis sind auf Taf. XII, Fig. 13a —c abgebildet. Der erste (Fig. 13a) ist (bei einer Schnittdieke von 0,0075 mm) der vierte aus einer solchen Serie. Die Zellen sind sehr scharf und durch dicke Wände von einander abgegrenzt, so dass das Bild einige Ähnlichkeit mit dem eines pflanzlichen Gewebes erhält. Die Querschnitte der Fasern stellen zumeist unregelmäßige, fünf- oder sechseckige Felder dar, in denen man ab und zu einen Zellkern trifft; in den übrigen bemerkt man in der Mitte oder ungefähr in der Mitte eine derbere Protoplasma-Anhäufung, die von groben Körnchen durchsetzt ist, und von welcher zarte, gleichfalls von Körnchen durchsetzte Balken aus- gehen, die radiär gegen die Peripherie ziehen. Der zweite Schnitt (Fig. 132) ist der achte der Serie; er zeigt keine Kerne mehr, sondern lediglich die erwähnten polygonalen Felder mit centraler Protoplasma- anhäufung und radiären Ausläufern. Der dritte Schnitt (Fig. 13 e) ist der 16. der Serie und trifft schon die Fasern nahe ihrem unteren Ende. Statt der polygonalen Felder sieht man hier kreisrunde oder ovale, durch helle Zwischenräume von einander getrennte und durch relativ dünne Wände nach außen abgeschlossene Gebilde, in denen aber die Anordnung des Protoplasmas noch wesentlich dieselbe ist wie auf den früheren Schnitten. Die Bilder sind leicht verständlich, Über den Bau und die Entwicklung der Linse. II. 383 wenn man sich die Verhältnisse vergegenwärtigt, die man auf Meri- dionalschnitten beobachtet (vgl. Fig. 4). Es wurde oben erwähnt, dass man gewöhnlich in der Mitte der Fasern einen derberen Strang verlaufen sieht, von dem feinere Fäden nach der Peripherie ziehen. Dieser derbere Strang ist auf den Schnitten der Fig. 13a—e als eentrale Protoplasmamasse zu sehen. Was das Bild der Fig. 13 ec betrifft, so kann es wohl keinem Zweifel unterliegen, dass wir die sroßen Kreise auf kolbige oder spindelförmige Anschwellungen, die klemen Kreise und Ellipsen dagegen auf schmächtigere Stellen der Fasern zu beziehen haben, wie solche mit jenen Anschwellungen ab- wechseln. Die Dicke des Ringwulstes ist bei den einzelnen Eidechsenarten verschieden. Bei Lacerta muralis beträgt sie 0,16 mm, bei Lacerta faraglionensis 0,224 mm, bei Lacerta agilis 0,23 mm und bei Lacerta viridis 0,25 mm. Sie ist also bei der kleinsten Form am kleinsten, bei der größten am größten. Sehr merkwürdig verhalten sich in Beziehung auf den Bau des Ringwulstes die mit den Eidechsen verwandten fußlosen oder stummel- füßigen Formen, wie die Blindschleiche (Anguis fragilis), die Walzen- eidechse (Gongylus ocellatus) und der Scheltopusik (Pseudopus Pal- . lasii). Am einfachsten ist der Ringwulst der Blindschleiche gebaut. Seine Fasern sind verhältnismäßig kurz und die Kerne derselben liegen dem inneren Ende näher als dem äußeren; auch stehen sie lange nicht so dicht, wie bei den Eidechsen, was damit zusammen- hänst, dass die Fasern relativ breit sind. Der äußere Abschnitt der Fasern ist also hier länger als der innere. Dieser zeigt auch nie die eigenthümliche blasige Beschaffenheit, welche die Ringwulstfasern der Eidechsen charakterisirt. Dadurch nähert sich das Bild etwas dem der tiefer stehenden Reptilien, und man darf vielleicht sagen, dass der Ringwulst der Blindschleiche im Vergleich mit dem der Eidechsen einen rudimentären Charakter zur Schau trägt. — Dem inneren Ende der Fasern sitzen, namentlich gegen die hintere Grenze des Ringwulstes, wieder jene eigenthümlichen Gebilde auf, von denen früher gesagt wurde, dass sie eine gewisse Ähnlichkeit mit den Sekrettropfen von Drüsenzellen besitzen. Nur sind dieselben bei der Blindschleiche weniger kugelig als vielmehr in die Länge ge- streckt, und zugleich, wie übrigens meistens auch bei den Eidechsen, dureh eine scharfe Linie vom inneren Faserende abgesetzt. Dadurch bekommt es den Anschein, als ob der centrale Abschnitt der Fasern in zwei Theile gegliedert wäre. 384 Carl Rabl, Wie bei den bisher betrachteten Formen ist auch bei der Blind- schleiche der Ringwulst schief von außen und vorn her auf die Linsen- fasermasse aufgesetzt, und dies bringt es mit sich, dass es auf Aquatorialschnitten zuweilen aussieht, als ob die Kerne des Ringwulstes nicht in der Nähe des unteren Endes, sondern vielmehr in der Mitte der Fasern lägen. Wie bei den Eidechsen sind auch bei der Blind- schleiche die Fasern so gebogen, dass sie ihre Konkavität nach vorn kehren. — Die Dicke des Ringwulstes beträgt 0,08 mm. Viel besser ist der Ringwulst bei Gongylus ocellatus entwickelt. Seine Fasern sind nicht bloß erheblich länger als bei der Blind- schleiche, sondern — und dies springt bei der Untersuchung der Präparate zunächst in die Augen -— es liegen auch die Kerne der Fasern sehr weit außen, zum Theil fast dicht unter der Kapsel, so dass also der innere Abschnitt der Fasern ungleich länger ist als der äußere. Übrigens stehen auch hier nicht alle Kerne in gleicher Höhe, und es kommt hier häufiger als sonst vor, dass einzelne Kerne sehr weit aus der Reihe ihrer Genossen heraustreten. Trotz der großen Länge des inneren Abschnittes der Fasern ist derselbe aber doch bei Weitem nicht so hoch differenzirt als bei den Eidechsen; man kann vielmehr nur. eine Andeutung jener blasigen Bildungen erkennen, welche für den Ringwulst der Eidechsen so charakteristisch sind. — Die Dicke des Ringwulstes beträgt bei Gongylus 0,13 mm. Ein höchst interessantes Verhalten zeigt der Ringwulst des Seheltopusik. Ich habe ein Stück desselben auf Taf. XII, Fig. 10 abgebildet. Der Ringwulst zeichnet sich hier durch die überaus zahlreichen blasigen oder kolben- und spindelförmigen Anschwellungen der Fasern aus, die durch die ganze Dicke des Ringwulstes ziem- lich gleichmäßig vertheilt sind. Es kann hier eine Faser schon unmittelbar unter der Kapsel oder in sehr geringer Entfernung davon mit einer Anschwellung beginnen; aus einer solchen Anschwellung setzt sie sich dann gewöhnlich als ein sehr dünner, dem Anscheine nach sehr kompakter Strang weiter nach abwärts fort, schwillt dann noch ein zweites oder selbst ein drittes Mal an und geht schließlich in einen langen, schmalen Kolben über, der bis an die Unterfläche. des Ringwulstes reicht. Es ist mir übrigens nie gelungen, eine ein- zelne Faser auch wirklich vom einen bis zum anderen Ende zu ver- folgen. Ich habe mir damit viel Mühe gegeben und unter Anderem auch eine Serie ziemlich dicker Schnitte hergestellt, die in Glycerin aufgehellt wurde. Aber auch dabei habe ich nicht mehr erfahren, als an den in gewöhnlicher Weise in Dammarlack eingeschlossenen Über den Bau und die Entwicklung der Linse. II. 385 Schnitten. Nichtsdestoweniger halte ich es für überaus wahrschein- lich, dass auch hier jede Faser von der äußeren bis zur inneren Fläche des Ringwulstes reicht. Ich schließe dies nicht bloß aus der Analogie mit dem Verhalten der anderen Saurier und nicht bloß daraus, dass auch beim Scheltopusik am Anfang und Ende des Ring- wulstes zweifellos jede Faser die beiden Oberflächen erreicht, son- dern namentlich daraus, dass die Zahl der Kerne im Allgemeinen sehr gut mit der Zahl der Faserenden an der äußeren Oberfläche übereinstimmt. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass auch- hier jede Faser nur einen einzigen Kern enthält. Die Kerne sind beim Schelto- pusik viel mehr im Ringwulst zerstreut als bei den anderen Sauriern. Sie sind auch hier der Mehrzahl nach kugelig oder mäßig oval, und liegen theils in den spindelförmigen Anschwellungen, theils, wiewohl seltener, in den strangförmigen Einziehungen der Fasern. Die Anschwellungen haben im Wesentlichen denselben Bau, wie bei den übrigen Sauriern. Auch hier findet man ein feines Gerüst von Fäden, die nach allen Richtungen die Fasern durchsetzen. Ungemein reich sind die Fasern an Körnchen, die, wie es scheint, zum großen Theil an oder in den Fäden des Gerüstes sitzen. — Die Dicke des Ringwulstes beträgt 0,31 mm. Weitaus den mächtigsten Ringwulst unter allen von mir unter- suchten Sauriern besitzt das Chamäleon. Derselbe unterscheidet sich zunächst schon dadurch von dem aller anderen Saurier, dass er erst hinter dem Äquator seine größte Dicke erreicht; diese beträgt 0,58 mm. Von da nimmt seine Dieke nach vorn sehr langsam, nach hinten sehr rasch ab. Im feineren Bau hält der Ringwulst ungefähr die Mitte zwi- schen dem der Eidechsen und dem des Scheltopusik. Wie hier, beginnt ein Theil der Fasern schon dicht unter der Kapsel mit einer spindel- förmigen Anschwellung, während die übrigen ungefähr so aussehen, wie bei den Eidechsen. Am unteren Ende gehen die Fasern in mächtige Kolben über, welche eine eigenartig glasige Beschaffenheit besitzen. Im Übrigen erscheint der größte Theil der Fasern bei schwacher Vergrößerung ungemein fein granulirt, bei starker aber von einem äußerst zarten Fadenwerk durchsetzt. — Eine Stelle des Ringwulstes ist durch die Anordnung und Krümmung der Fasern beson- ders ausgezeichnet. Es ist das die Stelle, an welcher die vordere, fast plane Fläche der Linse nach hinten umbiegt (vgl. Textfig. 14 u. 20). Gegen diese Stelle konvergiren die äußeren Enden der Fasern von vorn und von hinten, und die Fasern, die noch der vorderen Linsen- fläche angehören, sind hier in sehr dünne, lange Fortsätze ausgezogen. 286 Carl Rabl, Die Fasern besitzen hier eine fast ganz homogene Beschaffenheit und färben sich an den basalen Enden sehr intensiv mit Hämatoxylin. Weitere Aufschlüsse über das Verhalten der Ringwulstfasern bekommt man durch die Untersuchung von Äquatorialschnitten. An solchen sieht man, dass sich die Fasern mit ihren kolbigen, unteren Enden von Stelle zu Stelle, und zwar wie es scheint, in regelmäßigen Abständen, gegen einander kehren, so dass es zur Bildung von eigen- thümlichen Wirbeln kommt, ähnlich denen, welchen wir bei den Vögeln in viel ausgesprochenerem Grade begegnen werden, woselbst diese Erscheinung auch eine eingehendere Beachtung finden soll. Die im Vorhergehenden mitgetheilten Werthe für die Dicke des Ringwulstes geben nur eine ganz ungenügende Vorstellung seiner Mächtigkeit. Eine bessere Vorstellung erhält man, wenn man die relativen Werthe berechnet. Ich bin dabei in der Weise vorgegangen, dass ich die Dieke des Ringwulstes auf einen Äquatorialdurchmesser von 100 berechnete. Da ich aber die Dicke des Ringwulstes nur an den Schnitten messen konnte, beim Einbetten. der Präparate in Paraffin aber immer eine ziemlich beträchtliche Schrumpfung eintritt, so musste ich die Äquatorialdurchmesser noch einmal an den Schnitten messen. Dabei erhielt ich folgende Zahlen: | Dicke des Ägquat. Ringwulstes Durchm. Verhältnis ın mm In mm Alligator mississipiensis 0,06 : 3,60 = 1,66 : 100 Emys europaea..... 0,04. 2,22 SO Destudorssaeea > 2. . 50,11 :: 2,227 En Platydactylus mauritan. 0,062: 3,08 2204208 Lacertaysarıdıss. 2... 0,25 2: 2,54 0 BI 7 >... faraglionensis:.. .0,224.:. 1,97 ZZ > acer 0,23. : 1,807 Ze Een > amalisees rn: 0,16 .:: 1,897 Ss Pseudopus Pallasüü ... # 0,31 : 3,02 102657 7200 Goneylus ocellatus. .. . » 0,13:..:5 196 Es Anguis fragilis ..2 22. 0,08 .: 1,20. -— VspBrzeai Chamaeleo vulgaris. . : 0,58 .2.2.3,20 7 Sp zz Aber auch diese Berechnung giebt noch keine ganz brauchbare Vorstellung von der relativen Mächtigkeit des Ringwulstes. Denn es ist klar, dass sich derselbe bei gleicher Dieke über eine größere oder kleinere Fläche ausbreiten und daher auch einen größeren oder Über den Bau und die Entwicklung der Linse. 1. 987 seringeren Antheil an dem Aufbau der ganzen Linse nehmen kann. Ich habe daher ein Verfahren eingeschlagen, welches in früherer Zeit die praktischen Geometer benutzten, um den Flächeninhalt schwer zu berechnender Areale zu bestimmen, ein Verfahren, das dann be- kanntlich von Ar. v. HUMBOLDT angewendet wurde, um die Verthei- lung von Wasser und Land auf der Erde zu ermitteln, und das später auch vielfach von den Physiologen in Anwendung gezogen wurde. Ich habe von jeder Linse einen Meridionalschnitt, der möglichst genau durch die Achse ging, auf einen Karton gezeichnet und in die Skizze den Ringwulst eingetragen; dann habe ich die Zeichnung ausgeschnitten und zuerst im Ganzen, dann den Ringwulst für sich gewogen. Aus den gefundenen Gewichten habe ich das Verhältnis des Ringwulstes zu der ganzen Linse berechnet. Dasselbe stellte sich folgendermaßen: Verhältnis des Ringwulstes zur ganzen Linse auf dem Meridional- schnitt: Emys europaea 1,80 : 100 Testudo graeca 4,94 : 100 Lacerta viridis 12.83... 100 » agılis 13,92 : 100 Pseudopus Pallasi 14,28 : 100 Gongylus ocellatus 10,81 : 100 Anguis fragilis ungef. 7,9 : 100 Chamaeleo vulgaris 33,73 : 100 Das heißt also: Auf einem Meridionalschnitt beträgt.der Ring- wulst bei Emys europaea !/,, der sanzen Linse, bei Testudo graeca 1/90, bei Anguis fragilis ungefähr ', bei Gongylus ocellatus unge- fähr !/,, bei Lacerta viridis nicht ganz 1/,, bei Lacerta agilis und Pseudopus Pallasii etwa !/, und beim Chamäleon !/;. Textfig. 18. Linse von Testudo graeca. Eine gute Vorstellung von der verschiedenen Mächtigkeit des Ringwulstes der Reptilien geben auch die beifolgenden Skizzen, welche Meridionalschnitte durch die Linsen von Testudo graeca 288 Carl Rabl, (Textfig. 18), Lacerta viridis (Textfig. 19) und Chamaeleo vulgaris (Textfig. 20) zur Anschauung bringen. Ich bemerke dazu, dass das Epithel in der Nähe des vorderen Linsenpoles zu dick gezeichnet ist, und dass, was sich eigentlich von selbst versteht, die Linien nicht einzelne Fasern, sondern nur den Verlauf derselben zur Dar- stellung bringen len. Die Linse der Schlangen unterscheidet sich von der aller anderen Reptilien durch den gänzlichen Mangel ei- nes Ringwulstes. Ob- N wohl sich aber hierin —_ = ZN alle Schlangen ganz —_ en gleich verhalten, schei- den sie sich doch nach der Beschaffenheit des Linsenepithels wieder in zwei sehr differente Gruppen. Die eine wird durch die kleinäugige Rollschlange (Eryx ja- culus) repräsentirt, die andere durch die Nat- tern (Colubridae) und Vipern (Viperidae). Bei Eryx jaculus verhält sich das Epi- thel wesentlich so, wie bei den urodelen Am- phibien; in der Mitte | ER fe. 19. der an: ist es Stönsa yon Tacerın Tatil ungemein dünn, etwa 0,001 mm dick, also nicht dieker als bei den Eidechsen. Erst gegen die Peripherie wird es allmählich dieker und am Äquator oder vielleicht schon etwas vor demselben erreicht es seine größte Dieke; aber auch diese be- trägt nur 0,009 mm, ist also nicht den vierten Theil so groß, als bei Emys europaea, wo wir das niedrigste Epithel unter allen Rep- tilien angetroffen haben; ja sie ist nicht einmal so groß, wie beim Axolotl. Wenn ich den Äquatorialdurchmesser auf 100 ansetze, so würde die relative Dieke 0,75 betragen, also noch tief unter der des ET SS EEE REITER NIECETTOLNT TEN ART WETTE TEEN? 5% EEE TE En use EEE RT LEE N RL LER % REED RO ET ES Rei Rs N R SERIE ae" N g ERTER * SE N R ae RT « ER 2 EN x £ Rn 5 ge REN EN N EN SE 3 x REN MEREN RS ES SERIEN N MEN 5 BR N x S ER ET Re VEREIN BEN RR EEE FRE ER er ’ Er S Über den Bau und die Entwicklung der Linse. I. 289 Alligators stehen. Von einem Ringwulst oder auch nur einer An- deutung eines solchen kann also hier nicht die Rede sein. Ganz anders ist es bei den Nattern und Vipern. Hier ist das Epithel gerade dort am dieksten, wo es sonst am dünnsten ist: in der Mitte der Vorderfläche. Es hat hier bei der Zornnatter (Zamenis viridiflavus) eine Höhe von 0,12 mm, bei der Ringelnatter (Tropi- donotus natrix) eine solche von 0,1 mm, bei der von mir untersuchten Ringelnattervarietät (Tropidonotus sparsus) eine solche von 0,115 mm und bei Vipera aspis eine solche von 0,036 mm. Auf eine Achse von 100 berechnet, würde das bei Zamenis 5,21, bei der Viper 2,81 ergeben. Es ist daher klar, dass die Kugel- form der Linse dieser Schlan- gen nur zum allergeringsten Theil auf Rechnung dieser Epithelformation gesetzt wer- den kann, dass sie vielmehr in erster Linie auf der Form der Linsenfasermasse selbst beruhen muss. . Im Detail verhält sich das Epithel der Nattern folgendermaßen: Von der Mitte der Vorderfläche an wird es ganz langsam gegen den Äquator und darüber hinaus niedriger und bildet . erst, wenn es 2 eine Texte. 20. Höhe von 0,014—0,015 mm Linse von Chamaeleo vulgaris. herabgesunken ist, in die Linsenfasern um. Die Zellen sind am vorderen Linsenpol und in seiner Umgebung sehr schlanke Cylinderzellen (Fig. 14, Taf. XII), deren Höhe die Breite um das Zehn- bis Zwölffache übertrifft. Am Äquator sind sie kurz prismatisch und ihre Höhe übertrifft die Breite nur etwa um ein Drittel. Die Kerne sind durchwegs kugelig, passen sich also der Form der Zellen nicht an und liegen am Äquator und in der Peripherie der Vorderfläche dicht unter der Kapsel, also tief PITIEIRRESL 00T, ZIDEENNEN = g 0 # I; an der basalen Seite. Gegen die Mitte der Vorderfläche rücken sie allmählich gegen die freie Seite und können sogar in der Nähe des 290 Carl Rabı, vorderen Poles dieser näher, als der basalen liegen. Auch liegen sie hier nicht in einer Reihe, wie am Äquator, sondern entfernen sich bald mehr, bald weniger weit von der Oberfläche (Fig. 14). Der Zellleib ist nach den Seiten sehr scharf begrenzt, ohne dass eine Membran vorhanden wäre. In der Umgebung des Poles sind die Cylinderzellen ungemein mannigfaltig geformt; man trifft spindel- oder flaschenförmige, oder auch ganz unregelmäßig gestaltete Elemente bunt durch einander. Bei der Konservirung entsteht zuweilen zwi- schen der Kapsel und dem Epithel in der Nähe des vorderen Linsen- poles ein Raum, der von einer klaren Flüs- sigkeit erfüllt ist, in der eine große Menge von Körnchen suspen- 4 \ dirt sein kann. Diese HR \ Körnchen sind in der WEG \ | Regel in Reihen ge- ordnet, die senkrecht gegen die Kapsel zie- hen (vgl. Fig. 14). Dies ist gewiss nur eine Folge davon, dass sich das Epithel bei der Konservirung von der Kapsel zurückgezogen hat. — Das Protoplasma der Zellen färbt sich mit Hämatoxylin oder Kochenillealaun ziem- ich gleichmäßig und sieht bei schwacher Vergrößerung fast ganz homogen aus; bei starker Vergrößerung kann man aber an ihm eine zarte Längsstreifung wahr- nehmen. : Die von mir untersuchte Viper verhält sich in allen geschilderten Eigenthümlichkeiten fast genau eben so, abgesehen davon, dass, wie schon erwähnt, die Zellen am vorderen Linsenpol viel niedriger sind. Auch haben die Zellen hier viel weniger mannigfaltige Formen und ihre Kerne liegen fast ganz an der freien Seite. Aber schon in ge- ringer Entfernung vom Pol rücken sie mehr in die Mitte und in der ze u un Textfig. 21. Linse von Zamenis viridifavus. Über den Bau und die Entwicklung der Linse. II. 291 Peripherie der Vorderfläche liegen sie, wie bei den Nattern, dicht unter der Kapsel. An der Epithelgrenze sind die Zellen bei den Schlangen eben so, wie bei allen anderen Wirbelthieren, in meridionale Reihen geordnet; nur ähnelt das Bild mehr dem der Amphibien, als dem der Ei- dechsen. Die Umbildung der Epithelzellen zu den Linsenfasern seht bei jenen Formen, welche einen wenig entwickelten Ringwulst besitzen, wie beim Alligator und den Schildkröten, sehr einfach vor sich. Wie dies gewöhnlich zu geschehen pflegt, nehmen die Zellen an der Epithelgrenze zunächst eine schiefe Stellung an und wachsen dann an ihrem inneren und bald darauf auch an ihrem äußeren Ende bandartig aus. Die Kernzone zeigt dabei beim Alligator ein etwas anderes Verhalten, als bei Emys. Beim Alligator zieht sie von der Epithelgrenze nur eine sehr kurze Strecke nach hinten, biegt dann nach vorn um und wendet sich schließlich in einem großen, nach vorn konkaven Bogen centralwärts. Bei Emys dagegen (Fig. 3) zieht sie zunächst dicht unter der Oberfläche der Linse sehr weit nach hinten, biegt dann in spitzem Winkel nach vorn um und wendet sich schließlich in der Gegend der Äquatorialebene allmählich tiefer. Bei Testudo endlich zieht sie gleich von der Epithelgrenze an in die Tiefe (Textfig. 18). Bei den Formen mit mächtig entwickeltem Ringwulst, den Eidechsen und ihren Verwandten, erfährt die Umbildung der Epithel- zellen zu den Linsenfasern eine interessante Modifikation. Zunächst erscheinen auf Meridionalschnitten die hintersten Zellen des Ring- wulstes mehr oder weniger sichelförmig mit starker, nach vorn ge- richteter Konkavität. Dann werden die Zellen mehr dreieckig, mit nach außen gerichteter, schmaler Basis und nach innen und vorn gerichteter Spitze. Dabei zieht sich die Spitze in einen Fortsatz aus, der sich unter den nächst vorderen Zellen nach vorn schiebt. So wachsen die Zellen mehr und mehr zu Fasern aus, die sich nun zu- nächst gerade strecken und schließlich eine mit der Konkavität nach abwärts sehende Krümmung erfahren. Die jüngsten Fasern sind dabei am Kapselende verdickt, so dass sie auf dem Schnitt eigentlich langgestreckten Dreiecken ähnlich sehen. — Alle diese Eigenthümlich- keiten sind auf dem Schnitt durch die Linse von Lacerta muralis, der anf Taf. XII, Fig. 12 bei 570facher Vergrößerung gezeichnet ist, sehr deutlich zu sehen. Das Protoplasma der Zellen und jungen Fasern erscheint ungemein fein granulirt. Die Kerne wenden sich Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXV. Bd. 20 292 Carl Rabl, an der Epithelgrenze in die Tiefe, strecken sich dabei mehr und mehr in die Länge und werden schließlich ganz platt. Die Kern- zone zieht ungefähr parallel mit der unteren Fläche des Ringwulstes (Fig. 2) nach vorn bis gegen den Äquator und wendet sich hier, indem sich die Kerne zerstreuen, in die Tiefe. Wesentlich das gleiche Bild, wie von den Eidechsen, erhält man auch von der Blindschleiche und mit einer ganz geringfügigen Modifi- kation von Gongylus. Dagegen bietet der Scheltopusik ein etwas anderes Bild (Fig. 11). Hier sieht die Epithelgrenze fast wie um- gekrämpelt aus und dadurch entsteht unter dem Hinterende des Ring- wulstes ein ziemlich ansehnlicher Hohlraum, der mit einem grob- körnigen Gerinnsel erfüllt ist. Mit dieser Umkrämpelung des Randes hängt es wohl auch zusammen, dass man hier eine nicht unbeträcht- liche Menge halbkreisförmig oder parabolisch gekrümmter Zellen oder junger Fasern findet. Auch mögen damit zum Theil die eigen- thümlichen bauchig aufgetriebenen Zellformen, denen man hier be- gegnet, zusammenhängen. In mehreren der jungen Fasern dieser Figur, sowie auch der Fig. 12, vermisst man die Kerne; dies hat lediglich in der geringen Dieke der Schnitte (0,0075 mm) den Grund. Das Chamäleon zeigt in dem geschilderten Verhalten eine große Ähnlichkeit mit dem Scheltopusik; nur zeichnen sich die Zellen und jungen Fasern hier durch eine ganz besondere Größe und Massig- keit aus. Die Schlangen verhalten sich in Beziehung auf die Art der Umbildung des Epithels zu den Linsenfasern wesentlich so, wie die urodelen Amphibien, und die Bilder, welche man davon an Meridional- schnitten erhält, erinnern so sehr an das früher vom Salamander ge- sebene, dass ich es unterlassen konnte, solche Präparate von den Schlangen zu zeichnen. Stets wachsen die Zellen zuerst an ihrem unteren Ende in die Länge und die Kernzone zieht von der Epithel- grenze zunächst eine Strecke weit nach hinten, um sich mehr oder weniger weit hinter der Äquatorialebene in die Tiefe zu senken. Darin stimmen alle Schlangen mit einander überein, mögen die Linsen so flach, wie bei Eryx, oder so kugelig, wie bei den Nattern sein. Bei Zamenis zieht die Kernzone zwar gleichfalls zuerst nach hinten, biegt aber dann nach vorn um, um sich indessen auch hier noch hinter der Äquatorialebene in die Tiefe zu senken. Bei Vipera aspis und Eryx jaculus liegt die Epithelgrenze vielleicht noch etwas vor dem Äquator, bei den Nattern dagegen hinter demselben. Nirgends aber ist, wie schon erwähnt, der Äquator äußerlich markirt. Über den Bau und die Entwicklung der Linse. II. 293 Gerade so, wie im Verhalten des Epithels bieten die Reptilien auch in dem Verhalten der Linsenfasern eine viel größere Mannig- faltigkeit als die Selachier und Amphibien. Wie schon aus den früher über die Entwicklung der Linse von Lacerta agilis mitgetheilten Thatschen hervorgeht, haben wir auch an der Reptilienlinse Oentral- fasern, Übergangsfasern und Haupt- oder Grundfasern zu unterscheiden. Die Centralfasern sind ungeordnet, bei den Übergangs- fasern beginnt eine regelmäßige Anordnung Platz zu greifen und die Hauptfasern bauen die radiären Lamellen auf. Die letzteren bilden stets die Hauptmasse der ganzen Linse. | Es ist mir wiederholt gelungen, von Reptilienlinsen vollständige, ungebröckelte Schnitte zu erhalten, und ich habe mich an diesen überzeugt, dass die Masse der Centralfasern stets eine geringe ist. Diese Centralfasermasse liegt keineswegs immer genau im Centrum der Linse; sie kann vielmehr mehr oder weniger weit nach hinten verschoben sein. Bei den Nattern scheint dies sogar die Regel zu sein (vgl. Textfig. 21). Sie besteht aus Zellen, welche ihrer Form nach kaum auf die Bezeichnung von Fasern Anspruch machen können. Ihre Querschnitte sind rundlich oder polygonal, meistens aber ganz unregelmäßig, und ihre Länge beträgt zuweilen nicht viel mehr als ihre Dieke. Die größten Centralfasern besitzt das Chamäleon, wie denn überhaupt die Oentralfasermasse hier mächtiger ist, als bei den anderen von mir untersuchten Sauriern. In allen Fällen, in denen die Centralfasern gut erhalten sind und die Linse im Inneren nicht - gebröckelt ist, sind noch deutliche Kernreste in den Oentralfasern zu er- kennen, wenn man als solche die hellen ovalen Räume bezeichnen will, die sich in ihnen an Stelle der Kerne finden. Aber nur beim Chamä- leon nehmen diese Kernreste noch die Farbe an, während sonst überall die chromatische Substanz vollkommen geschwunden ist. Dadurch nimmt die Linse des Chamäleon eine Sonderstellung nicht bloß unter den Linsen der Saurier, sondern unter denen der Reptilien über- haupt ein. Die Übergangsfasern setzen, wie bei den Embryonen, eine ver- hältnismäßig schmale Zone zusammen. In dieser nehmen die Fasern allmählich prismatische Formen an und beginnen sich zu Lamellen zusammenzuordnen. Diese beginnenden Lamellen weisen zahlreiche Theilungen auf. Auch die Übergangsfasern enthalten stets Kernreste, die sich aber, mit Ausnahme des Chamäleons, nirgends mehr färben. Dessgleichen enthalten auch die zu Radiärlamellen vereinigten Hauptfasern stets Kernreste. Aber auch hier besitzen nur die des : 20* 294 Carl Rabl, Chamäleons noch durchwegs chromatische Substanz; sonst ist diese in der Mehrzahl der Fasern vollständig geschwunden. Die Erschei- nungen des Chromatinschwundes und der Rück- oder Umbildung der Kerne sind in Beziehung auf ihre gröberen Verhältnisse meist leicht zu verfolgen. Man sieht, dass sich das Chromatin mit zunehmen- dem Alter der Fasern immer mehr zusammenzieht, so dass sich um dasselbe ein heller, vollkommen farbloser Hof bildet, dessen Größe in demselben Maße wächst, als sich das Chromatin verdichtet. Schließlich schrumpft dieses auf ein kleines, kugeliges, scheinbar homogenes, ungemein intensiv gefärbtes Korn zusammen, das in dem ovalen, hellen Hofe gewöhnlich eine excentrische Lage hat und das alsbald spurlos verschwindet. Nur in seltenen Fällen konnte ich auch in den hellen Höfen tieferer Fasern bis gegen die Übergangs- zone hin noch ein punktförmiges, aber ganz blasses Korn nachweisen. Die Radiärlamellen zeigen mit wenigen Ausnahmen eine viel größere Regelmäßigkeit in der Anordnung und dem Verlauf, als bei den Amphibien. Ich gebe zunächst eine Übersicht ihrer Zahl bei den von mir untersuchten Arten und bemerke dazu, dass die in Klammern angeführten Zahlen sich auf ein zweites, bezw. drittes oder viertes Exemplar derselben Art beziehen: | Zahl der Radiärlamellen: Alligator mississipiensis ..... 955 (905) Emys europaearı. 2.2.2 241 (238) Testudosraeca. ge. 2 = 199 (170, 1747178): Hatteria punctata. - 2.27 287 Platydactylus mauritaniecus ... 260 Lacertavinas ... nee, 0. 139 (132, 134) De ee 114 (119, 123, 128) > nass. ee ee 107 >- , faraslionensis . 2... 101 Pseudopus DPallası. van 190 Gonsylus ocellatus .. „22.7. 103 Anzais' fraeilisı.. 0.0008 93 (102) Chamaeleo Yyalearıs 7. 22 174 Eryaesjaculuis...wn irn: 201 i Die erste Zahl bezieht sich auf ein erwachsenes, 16,5 em langes, die anderen (in Klammern) auf junge, 9—10 em lange Thiere. Über den Bau und die Entwicklung der Linse. II. 395 Python; moluues».12.02 ... ca. 1100 Tropidonotus natrix .... . . 244 (ca. 254) > hatrix,var.sparsus 254 Zamenis viridiflavus ... . . . 276 (283) Elaphis quaterradiatus. .. . . 315. a b e d Textfig. 22 a—e!. e Alligator mississipiensis. An dieser Übersicht fällt vor Allem auf, dass die Zahl der Radiärlamellen bei den untersuchten Reptilien eine verhältnismäßig geringe ist; eine Ausnahme machen nur der Alligator und unter den Schlangen Python. Sonst hält sich die Zahl fast durchwegs zwischen 100 und 300. Naheverwandte Arten, wie z. B. die vier untersuchten Eidechsenarten und die drei Natternarten zeigen in der Zahl der 1 Die Textfiguren 22—27 sind bei derselben Vergrößerung gezeichnet, wie früher die entsprechenden Querschnittsbilder der Linsenfasern der Selachier und Amphibien. 296 Carl Rabl, Radiärlamellen eine weitgehende Übereinstimmung und zwischen der Ringelnatter und ihrer Varietät besteht in dieser Hinsicht kaum eine Differenz. Die Linse des Alligators ist nicht bloß durch die große Zahl der Radiärlamellen, sondern auch noch dadurch ausgezeichnet, dass man in ihr ungemein häufig auf Theilungen, Intercalationen und Unregelmäßigkeiten der mannigfachsten Art stößt; nur Verschmel- zungen zweier Lamellen habe ich nie gefunden. Die merkwürdigsten Unregelmäßigkeiten zeigen uns die Textfig. 225 und d; es kommt hier zu einer Vermehrung der Lamellen, jedoch ist es schwer zu sagen, ob und wo eine Theilung oder Intercalation stattfindet. Eine ziemlich typische Intercalation führt uns die Fig. 22e vor Augen. In Fig. 22c sehen wir eine Eigenthümlichkeit, wie sie uns schon bei Bufo und Rana begegnet ist. Fig. 22a endlich zeigt uns eine Faser, welche die doppelte Breite gewöhnlicher Fasern besitzt und welche sich zugleich durch einen entsprechend großen Kern auszeichnet. Derartige Fasern kommen beim Alligator sehr oft vor; dagegen habe ich nie eine Faser gefunden, welche sich über drei Lamellen er- streckte. Nie kommt es vor, dass eine solche Faser eine Verschmel- zung zweier Lamellen einleitet; vielmehr sind die beiden Lamellen, die sie verbindet, nach außen stets wieder getrennt. | Textfig. 23. Textfig. 24. Emys europaea. Platydactylus mauritanicus. Ungleich regelmäßiger sind die Radiärlamellen der Schildkröten angeordnet. Bei Testudo habe ich zwar sowohl Theilungen, als Inter- calationen, ja einmal sogar eine Verschmelzung zweier Lamellen gesehen, aber diese Unregelmäßigkeiten sind sehr viel seltener, als beim Alligator. Bei Emys habe ich weder eine Theilung, noch eine Intercalation finden können; freilich konnte ich hier die Lamellen nicht sehr weit centralwärts verfolgen. Die Fasern sind sehr breit und dünn (Textfig. 23); die dünnsten liegen unmittelbar unter der Oberfläche. Über den Bau und die Entwicklung der Linse. II. 297 Bei Hatteria habe ich zweimal eine sichere Intercalation gesehen; im Übrigen ist aber auch hier die Anordnung der Radiärlamellen eine überaus regelmäßige. Die Breite der Fasern ist erheblich größer, als bei Emys, und übertrifft sogar die des Triton cristatus noch beträchtlich. Bei den Eidechsen und ihren Verwandten erreicht die Regel- mäßiskeit der Anordnung der Lamellen den höchsten Grad und die Bilder, die man von Äquatorialschnitten erhält, sind geradezu von überwältigender Schönheit. Nie habe ich hier eine Theilung oder Intercalation gesehen und die Lamellen verlaufen stets ungetheilt von der Übergangszone bis zur Oberfläche. Die Breite der Fasern ist überall eine sehr beträchtliche und wenn auch die absolute Breit bei Hatteria größer ist, so ist doch die relative Breite, d. h. die Textfig. 25. Textfig. 26. Lacerta faraglionensis. Zamenis viridiflavus. Breite im Verhältnis zur Größe der ganzen Linse, bei den Eidechsen entschieden viel größer. Dabei sind die Fasern ungemein dünn. Von den vier untersuchten Eidechsenarten besitzt Lacerta faraglio- nensis (Textfig. 25) die breitesten Fasern; nur um ein Geringes schmäler sind sie bei Lacerta viridis, und wieder um ein Geringes schmäler bei Lacerta agilis und muralis. Die Faserbreite des Gecko (Textfig. 24) ist trotz der außerordentlichen Größe der Linse geringer, als die der Mauereidechse; sie ist auch etwas geringer, als die des Scheltopusik. Etwas größer als diese, ist die des Gongylus, etwas geringer dagegen die der Blindschleiche; nichtsdestoweniger ist sie bei letzterer relativ größer, als bei Pseudopus, ja selbst größer, als bei den Eidechsen. Die Blindschleiche besitzt eben ungemein kleine Linsen. Die merkwürdigsten Eigenthümlichkeiten zeigen die Linsenfasern des Chamäleons. Bei keinem Saurier, ja bei keinem Reptil über- haupt, finden sich so zahlreiche Unregelmäßigkeiten, wie hier; man 298 Carl Rabl, könnte geradezu von Verwerfungen der Lamellen sprechen. Oft wechselt die Breite innerhalb einer Lamelle von Faser zu Faser. Dieselben Unregelmäßigkeiten zeigen aber auch die Fasern in Be- ziehung auf ihre Dicke; wenn diese auch im Allgemei- nen größer ist, als riern, so wechseln doch Fasern von außerordentlicher Feinheit mit solchen von großer Dicke. Ein anschauliches Bild dieser Ver- hältnisse giebt die Textfigur 27. Un- ter diesen Umstän- den ist es natürlich sehr schwer, die Breite der Fasern genau zu bestimmen; ich glaube aber doch nicht weit fehlzugehen, wenn ich sage, dass dieselbe im Mittel ungefähr so groß ist, wie bei der Blindschleiche. Die Schlangen haben durchwegs ziemlich schmale Fasern. Am breitesten sind sie bei Elaphis und Zamenis (Textfig. 26), dann folgt die Ringelnatter, darauf die Viper und die schmalsten Fasern besitzen Eryx und Python. Die Anordnung der Lamellen ist bei den Schlangen eine sehr regelmäßige; immerhin scheinen aber Unregelmäßigkeiten häufiger vorzukommen, als bei der Mehrzahl der Saurier; so habe ich zZ. B. bei Eryx einmal eine Theilung einer Lamelle gesehen und mehr- mals habe ich bei verschiedenen Schlangen Unregelmäßigkeiten ähn- lich der in Textfig. 22c vom Alligator gezeichneten beobachtet. Die nebenstehende Skizze (Textfig. 25) giebt eine Übersicht der Faserbreite der Reptilien bei 250facher Vergrößerung; um die Unterschiede schärfer hervortreten zu lassen, sind jedes Mal drei Faserbreiten aufgetragen. Vieles von dem, was früher von den Radiärlamellen der Selachier und Amphibien gesagt wurde, gilt auch für die Reptilien und ich kann daher ganz kurz darüber hinweggehen. Ich bemerke nur, dass auch hier die Dicke der Lamellen, also auch die Breite der Fasern, von innen nach außen allmählich ansteigt 'vgl. Textfig. 1 u. 2), dass Textfig. 27. Chamaeleo vulgaris. bei den anderen Sau- Über den Bau und die Entwicklung der Linse. II. 299 auch hier die Fasern in der Mitte ihres Verlaufes, also in der Äqua- torialebene, am breitesten sind und nach den Enden sich verschmälern und dass endlich auch hier die oberflächlichsten Fasern die dünnsten sind. Ganz allgemein kommt es vor, dass sich die eine oder andere Lamelle, oder auch eine Gruppe von Lamellen stärker färbt, als die übrigen; man beobachtet dies sowohl bei der Färbung in toto, als bei der Sehnittfärbung. Es dürfte dies vielleicht weniger auf chemischen Binterschieden ; der . __... einzelnen Lamellen, als auf rein mechani- schen Momenten be- ruhen. Das Aussehen der Fasern ruft den Ein- Alligator mississipiensis Emys europaea Testudo graeca TI I A Ze — —— Hatteria punctata, Platydactylus mauritian. le 1 Lacerta viridis eemer sroßen 7 TI TTTe a eslionekels Plastiestät derselben » agilis hervor. Die Grenz- — ——— » muralis linien, die man auf Pseudopus Pallasii Aquatorialschnitten u 14 Gongylus ocellatus Mehtäkonnen gerade ._.., - , ern Bestreekt, aber auch :___.__., », a nach innen oder außen gebogen sein Eryx jaculus ——— Python molurus (vgl. Textfig. 23 bis 36) 7 | SE PET Tropidonotus natrix zZ). uwelen S1 sie in einer Lamelle ee en Elaphis quaterradiatus nach außen. in einer ea ya Zamenis viridiflavus ) unmittelbar benach- ° Vipera aspis Textfig. 28. barten nach innen gebogen. Ganz besonders plastisch scheinen die Linsenfasern des Chamäleons zu sein und ich möchte in diesem Sinne die über- raschende Vielgestaltigkeit der Faserquerschnitte dieser Form deuten. Mit dieser Plastieität der Linsenfasern hängt die große Weichheit der ganzen Linse zusammen, die gewiss Jedem, der Reptilienlinsen in der Hand gehabt hat, aufgefallen ist. Man muss daher auch bei der Konservirung von Reptilienlinsen sehr behutsam vorgehen, um nicht hinterher Zerrbilder der Fasern zu bekommen. Der Verlauf der Fasern innerhalb der Lamellen ist in jenen Linsen, welche Nähte besitzen, so, wie in den meisten Amphibien- und Selachierlinsen, und es gilt also auch für sie das früher für die 800 Carl Rabl, Selachier gegebene Schema. In den Linsen ohne Nähte, also in erster Linie in den Linsen der Saurier, ziehen die Fasern, mit Aus- nahme der jüngsten, welche nicht bis an die Achse heranreichen, von der vorderen Hälfte der Achse zur hinteren; sie treten also direkt bis an die Achse heran. In beiden Fällen sind die Fasern in der Äqua- torialebene am breitesten und werden nach vorn und hinten schmäler, im ersten Fall weniger, im zweiten mehr. Die Radiärlamellen sind in den Linsen mit Nähten windschief verbogen, in den Linsen ohne Nähte dagegen rein meridional gestellt. Von der Krümmung der Fasern geben die Meridionalschnitte der Textfig. 18 bis 21 eine bessere Vorstellung, als sie eine ausführliche Beschreibung zu geben vermöchte. Ich hebe nur hervor, dass bei den Schlangen die Fasern ungemein stark und gleichmäßig gebogen sind und fast reine Kreisbogen beschreiben, die nur hinten etwas steiler abfallen als vorn. Höchst auffallend ist die Krümmung der Fasern beim Chamäleon; die Fasern ziehen fast gerade gestreckt in ungemein flachen Bogen durch die Linse und fallen nur vorn und hinten steil gegen die Achse ab. In der Nähe der Achse habe ich eine netzförmige Zeichnung wahrgenommen, die auch auf der Skizze wiedergegeben ist und die vielleicht auf ein eigenthümliches Ver- halten der Faserenden zu beziehen sein dürfte. Über die Kapsel habe ich nur wenig zu sagen (vgl. die Fig. 4 bis 10, Taf. XI). Sie ist bei allen Reptilien über dem Epithel und dem diesem zuzurechnenden Ringwulst dicker, als an der Hinterfläche. Aber sie ist nicht bei allen Formen gleich dick. Verhältnismäßig dick ist sie beim Alligator und bei Emys (Fig. 8 und 9); bei letzterer habe ich in der Mitte der Vorderfläche 0,0025 mm, am Äquator 0,004 mm und an der Hinterfläche 0,002 mm gemessen. Bei Testudo ist sie vorn 0,004 mm, am Äquator 0,003 mm und hinten höchstens 0,0015 mm diek; vorn besteht sie deutlich aus zwei Schichten: einer sehr dünnen äußeren und einer dieken inneren. Von den untersuchten Sauriern hatte nur der Gecko eine ähnlich dieke Kapsel; hier war zwischen der Mitte der Vorderfläche und dem Äquator kaum ein Unterschied zu merken; überall betrug die Dieke ungefähr 0,004 mm. An der Hinter- fläche war sie aber auch hier ungemein dünn. Am Äquator machte sie den Eindruck, als ob sie geschichtet wäre (Fig. 7). Manchmal, wie z. B. bei Emys, färbt sich die Kapsel innen dunkler, als außen, wodurch gleichfalls der Eindruck einer Schichtung hervorgerufen werden kann. Bei den Eidechsen ist die Kapsel stets sehr dünn, so dünn, dass sie kaum mit Sicherheit zu messen ist. Am Äquator ist Über den Bau und die Entwicklung der Linse. II. 301 sie ungefähr eben so dick, wie in der Mitte der Vorderfläche. Bei Lacerta viridis und faraglionensis schätze ich sie an beiden Stellen auf ungefähr 0,0018 mm; hinten beträgt die Dieke höchstens 0,001 mm. Bei Pseudopus ist die Kapsel vorn 0,004 mm dick, wird dann in demselben Maße dünner, als das Epithel dicker wird, und misst am Äquator etwa 0,0025 mm. Beim Chamäleon ist die Kapsel so dünn, dass ich sie nicht sicher messen konnte; ich schätze sie am Äquator auf höchstens 0,001 mm. Die Linsenkapsel der meisten Schlangen ist etwas dicker, als die der Saurier. Bei der Zornnatter beträgt die Dieke an der Vorderfläche 0,003 mm, am AÄquator 0,004 mm, hinten höchstens 0,002 mm. Bei der Viper ist die Kapsel viel dünner; ihre Dicke beträgt vorn und am Äquator wenig über 0,001 mm. Viel dieker ist sie dagegen wieder bei Eryx; hier ist sie in der Nähe des vorderen Linsenpoles dicker als am Äquator, verhält sich also in dieser Hinsicht ähnlich wie bei Pseudopus; vorn beträgt der Durch- messer 0,0045 mm, am Äquator 0,003 mm; hinten ist er ungefähr so sroß, wie bei der Zornnatter. Jedenfalls ist bei den Schlangen die Kapsel hinten dicker, als dies sonst zu sein pflegt. Die Litteratur über die Linse der Reptilien ist außerordentlich dürftig. Der Erste, der eine genaue Beschreibung derselben gab, war HEINRICH MÜLLER. Er hat auch den Ringwulst der Reptilien- linse entdeckt und in seiner Arbeit »Über das Auge des Chamäleon« ! kurz beschrieben. Der Ringwulst der Vögel war, wie noch im näch- sten Kapitel aus einander gesetzt werden wird, damals schon lange bekannt. Über die Linse des Chamäleon schreibt H. MÜLLER: »An der Krystalllinse ist nächst der starken Wölbung (2,8 mm Achse bei 3,6 mm äquatorialem Durchmesser) dieselbe Formation bemerkens- werth, welche ich bei Vögeln beschrieben habe. Die koncentrische Faserung geht hinter dem Äquator in eine Schicht radial gestellter, palissadenartiger Fasern über, welche ihrerseits nach vorn in das sogenannte Epithel der Kapsel übergehen, indem sie niedriger und breiter werden. Dieser Ring radialer Fasern ist hier noch mehr ent- wickelt als im Falkenauge, indem diese je mit einem Kern versehenen Fasern eine Höhe von über !/; mm erreichen und nicht nur weit nach hinten, sondern noeh mehr nach vorn reichen. Es ist nämlich der Bezirk, in welchem polygonale epithelartige Zellen liegen, höchstens ! HEINRICH MÜLLER, Über das Auge des Chamäleon mit vergleichenden Bemerkungen. Würzburger naturwiss. Zeitschr. III. 1862. Enthalten in: Ge- sammelte Schriften H. MÜLLER’s, herausgeg. von OTTO BECKER. Bd. I. 1872 p. 144—166. 302 Carl Rabl, !, mm groß, also viel kleiner, als die Pupille.. Bei Lacerta agilis ist diese bei Schildkröten und Schlangen fehlende vogelähnliche Linsenform auch vorhanden, weniger als beim Chamäleon, aber immer noch stärker, als bei manchen Vögeln, z. B. Eulen.< Auf eine Kritik dieser Angaben brauche ich nach dem oben Gesagten nicht einzu- gehen, aber ich müchte doch die große Übereinstimmung derselben mit meinen Befunden hervorheben. Eingehender hat sich Hexte! mit der Linse der Reptilien be- schäftigt. Er hat nicht bloß den Ringwulst genauer untersucht, son- dern hat auch jenes eigenthümliche Epithelpolster entdeckt, welches die Linse der Nattern und Vipern charakterisirt; nur greift er zu weit, wenn er diese Epithelformation den Schlangen überhaupt zu- schreibt. Dass es auch Schlangen giebt, denen sie fehlt, wusste HeEntE nicht. Den Ringwulst der Reptilien beschreibt HENLE ge- _ meinsam mit dem der Vögel und meint, »dass sich die Fasern der- selben durch große Gleichförmigkeit auszeichnen, so dass nicht ein- mal die Fasern des Ringwulstes der Vögel und der Reptilien anders, als durch eine etwas größere Widerstandsfähigkeit der letzteren, von einander unterschieden sind«. Da er sich in der ganzen Beschreibung immer nur auf die Vögel bezieht und auch alle Abbildungen, welche das feinere Detail der Ringwulstfasern zeigen sollen, den Vogellinsen entnommen sind, so werde ich erst im nächsten Kapitel genauer auf diese Angaben eingehen. Merkwürdig ist, dass HenLe das Epithel- polster der Natternlinse mit dem Ringwulst der Eidechsenlinse ver- gleicht und geradezu als solchen bezeichnet, freilich einmal mit der einschränkenden Bemerkung: »wenn man ihn so nennen darf«. Die Beschreibung des Epithelpolsters ist durchaus richtig, mit Ausnahme der Bemerkung, dass »die zu prismatischen Stäbchen ausgewachsenen Epithelzellen«, »noch vor dem Äquator auf die Mächtigkeit gewöhn- licher Pflasterepithelzellen redueirt« sind. Dies trifft für die Vipern- linse ungefähr zu, nicht aber für die Natternlinse; aber die Vipern- linse hat HextLE nicht untersucht. HENLE fügt dann noch hinzu: »Während also die Fasern des Ringwulstes in ihrer Gesammtheit bei den übrigen Reptilien einen gegen beide Ränder zugeschärften Reif darstellen, setzen die entsprechenden Fasern der Schlangen eine auf die Vorderfläche der meridionalen Fasersubstanz aufgepasste gewölbte Platte mit zugeschärftem, kreisförmigem Rande zusammen.« Was die allgemeine Form der Linse betrifft, so ist sie bei HENLE 1 J. HEnLE, Zur Anatomie der Krystalllinse. Abhandl. der kgl. Ges. der Wiss. zu Göttingen. Bd. XXIII. 1878. Über den Bau und die Entwicklung der Linse. II. 303 nicht richtig dargestellt. Die Linsen von Lacerta agilis und Anguis fragilis stellen bei ihm vorn und hinten gleich stark gewölbte Körper, die Linse von Tropidonotus natrix eine reine Kugel dar. Von der letzteren bemerkt er übrigens in einer Anmerkung, dass sie »fast kugelig« sei. Auch mit den von HENXLE gegebenen Maßen kann ich mien nicht einverstanden erklären. Die Linse von Läcerta agilis soll einen Äquatorialdurchmesser von 1,25 mm, die von Anguis fragilis einen solchen von 1,60 mm und die von Pseudopus Pallasii einen solchen von 3,30 mm besitzen. Zwei von diesen Maßen bleiben ziem- lieh weit hinter den von mir gefundenen zurück, eines, die Blind- schleiche betreffend, geht weit über das von mir gefundene hinaus. Die Blindschleiche soll also eine größere Linse besitzen, als die Eidechse; man braucht nicht erst zu messen, um sich vom Gegentheil zu überzeugen. Ich gebe gern die Möglichkeit zu, dass ein Anderer bei anderer Konservirung auch etwas andere Maße finden wird, als ich gefunden habe; aber ich bin überzeugt, dass die Differenzen nicht sehr groß sein können. HENLE scheint die Linsen nicht in situ ge- härtet, sondern schon vor dem Fixiren aus dem Auge entfernt zu haben. So weiche Linsen, wie die der Reptilien, können aber dabei leicht ihre natürliche Form ändern. Seit der Arbeit HenLe’s ist meines Wissens nichts mehr über den feineren Bau der Reptilienlinse erschienen. Auch C. K. Horr- MANN bezieht sich in seiner im Jahre 1890 erschienenen Bearbeitung der Reptilien in Bronn’s Klassen und Ordnungen des Thierreiches bloß auf H. MÜLLER und HENnLE. Dagegen verdient hervorgehoben zu werden, dass THEODOR BEER! in einer kürzlich erschienenen Arbeit über »Die Accommodation des Auges bei den Reptilien< von einer Reihe von Formen Bilder von Meridionalschnitten durch die Linse und die vordere Hälfte des Bulbus gegeben hat, die in vorzüglicher Weise die allgemeine Form der Linse, das Verhältnis des Ringwulstes zur Linsenfasermasse und, bei den Nattern, das Epithelpolster der vorderen Linsenfläche zur Anschauung bringen ?. 1 THEODOR BEER, Die Accommodation des Auges bei den Reptilien. PFLÜGER’s Arch. f. d. ges. Physiologie. Bd. LXIX. 1898. Giebt Durchschnitte von Varanus griseus, Emys lutaria, Alligator mississipiensis, Coluber aesculapii und Eumeces Schneideri. > Kürzlich ist eine Arbeit von OsawA unter dem Titel »Beiträge zur Lehre von den Sinnesorganen der Hatteria punctata« erschienen (Arch. f. mikr. Anat. Bd. LII. 1898), welche auch Einiges über die Linse bringt. Offenbar waren die von OsawA untersuchten Hatteria-Linsen sehr viel besser konservirt als die, welche mir zur Verfügung standen. Nach OsawA zeigt der Ringwulst von 804 Carl Rabl, IV. Vögel. A. Entwicklung. Die Entwicklung der Linse der Vögel habe ich bis zur Ringwulstbildung ungefähr gleich vollständig an der Ente und am Huhn untersucht. Ich folge in der Darstellung zunächst den Beobachtungen an der Ente und gebe eine genauere Darstellung der Ringwulstbildung vom Huhn. Im Stadium von 16 Urwirbeln zieht das Ektoderm noch ganz slatt und ohne Verdieckung über die primäre Augenblase hinweg; ja, es ist über dieser sogar dünner, als an der Ventralseite des Kopfes. Dagegen erscheint es im Stadium von 18 Urwirbeln schon deutlich verdickt und wir müssen daher in dieses Stadium den Anfang der Linsenbildung verlegen. Die Linsenplatte, wie wir das verdickte Ektoderm wieder nennen können, ist aber weder nach oben, noch nach unten irgendwie scharf begrenzt. In diesem Stadium ist die Gehörgrube schon tief eingesenkt, der Eingang derselben aber noch weit offen und ohne Tendenz, sich zu schließen. Von einer Riech- grube ist nichts zu sehen. Im Stadium von 20 Urwirbeln ist das Ektoderm über der Augen- blase eben merklich flacher als sonst, aber noch ohne Spur einer Vertiefung. Die Kerne stehen in der Linsenplatte etwas dichter, als sonst im Ektoderm. Die Theilungsfiguren liegen sämmtlich an der freien Seite. Zwischen Linsenplatte und Augenblase findet sich ein spaltförmiger, ganz zellenfreier Raum. Das Mesoderm hört an der dorsalen Fläche der Augenblase auf; ventralwärts finden sich über- haupt nur wenige, symmetrisch rechts und links in einiger mu von der Mittellinie gelegene Mesodermzellen. Der jüngste Embryo, der eine Einstülpung der Linsenplatte zeigte, hatte 23 Urwirbel. Gleichzeitig hat sich die laterale Wand der Augenblase einzusenken begonnen. Ich habe das rechte Auge dieses Embryo auf Taf. XIII, Fig. 1 wiedergegeben. Weitaus die Mehrzahl der Kerne der Linsenplatte liegt der basalen Seite viel näher, als der freien; in der Nähe dieser, dicht unter der Oberfläche, findet man zahlreiche Theilungsfiguren; zwei davon sind auch an dem ab- Hatteria eine »starke Ausbildung<«; ich möchte dies nach der von ihm gegebe- nen Skizze etwas abschwächen und lieber »ziemlich stark« sagen. In der schematischen Abbildung des Ringwulstes auf Taf. XVII, Fig. 14 zeichnet OsawıA die Kerne der Ringwulstfasern ganz am basalen Ende; es würde dies ein etwas ungewöhnliches Verhalten sein. Übrigens habe ich keinen Grund, an der Richtigkeit dieser Angabe zu zweifeln, zumal die Arbeit im Ganzen den Stempel großer Genauigkeit an sich trägt. Über den Bau und die Entwicklung der Linse. II. 305 gebildeten Schnitte zu sehen. — Die Linsengrube wird rasch tiefer und im Stadium von 25 Urwirbeln hat sie das Aussehen der Fig. 2, Taf. XIII. Die Grube ist nicht nach allen Richtungen gleichmäßig vertieft, sondern erscheint, ähnlich wie bei den Amphibien und Reptilien, dorsalwärts tiefer, als ventralwärts. Die Wand der Grube ist außerordentlich dick und die Kerne liegen in ihr, wie früher, der basalen Seite näher, als der freien. Dicht unter der Oberfläche be- merkt man wieder zahlreiche Theilungsfiguren; in dem abgebildeten Schnitte waren nicht weniger als vier zu sehen, und zwar zwei im Stadium der Tochtersterne und zwei im Stadium der Tochterknäuel. Alle Figuren liegen in der dorsalen Hälfte der Grube; in der ventralen ist ihre Zahl auch in den benachbarten Schnitten eine viel geringere. Von den vier Theilungsfiguren des abgebildeten Schnittes sind drei so ge- stellt, dass die Theilungsachse senkrecht gegen die Oberfläche gerichtet ist. — Es erhebt sich nun wieder die Frage, ob man das Epithel der Linsengrube als einschichtiges oder mehrschichtiges aufzufassen habe. Ich gebe zu, dass die letztere Auffassung Manches für sich hat, und dass sich ein absolut sicherer Beweis für das Gegentheil nicht erbringen lässt. Wenn ich auch hier das Epithel für ein- schichtig halte, so stütze ich mich, wie bei den Reptilien, erstens darauf, dass weitaus die Mehrzahl der Kerne der basalen Seite der Wand genähert ist, und zweitens darauf, dass die Theilungsfiguren immer und ausnahmslos dicht unter der freien Fläche stehen, also dieselbe Lage haben, wie in einschichtigen Epithelien. Die vertikale Stellung der Theilungsachsen kann mich nach dem, was ich schon in dem vorigen Kapitel darüber gesagt habe, in dieser Auffassung nicht irre machen: wir wissen eben nicht, wie sich nach vollzogener Theilung die neugebildeten Zellen zwischen ihre Genossen einordnen. — Zwischen der basalen Fläche der Wand der Linsengrube und der late- ralen Wand der Augenblase findet sich wieder der schon früher be- merkte zellenfreie Spaltraum, der sich jetzt über und unter der Linsen- grube zu einem, auf dem Querschnitt dreieckigen Raum erweitert hat, an den aber das Mesoderm der Umgebung nicht heranreicht. — In diesem Stadium hat sich die Eingangsöffnung der Gehörgrube schon zu verengern begonnen, und außerdem bemerkt man, wie übrigens schon im Stadium von 23 Urwirbeln, an der Stelle, an der sich später die Riechgrube entwickelt, eine flache Ektodermverdickung. Im Stadium von 26 Urwirbeln zeigt die Linsengrube, abgesehen davon, dass sie tiefer geworden ist, keine wesentliche Veränderung. Bei den zwei Embryonen dieser Urwirbelzahl, die ich untersucht 306 Carl Rabl, habe, war sie übrigens nicht ganz gleich entwickelt, indem sie bei dem einen erheblich tiefer war als bei dem anderen. Ähnliche Differenzen zeigten diese Embryonen auch in der Ausbildung der Gehörgruben. Im Stadium von 29 Urwirbeln bietet die Linsenanlage das auf Taf. XIU, Fig. 3 wiedergegebene Bild. Sie stellt einen dorsalwärts gerichteten Sack vor, der sich nach unten und außen öffnet. An der dem Lumen zugekehrten Wand dieses Sackes trifft man wieder sehr zahlreiche Theilungsfiguren, und zwar, wie früher, mehr in der dor- salen als in der ventralen Hälfte. Die Eingangsöffnung des Linsen- säckchens hat jetzt einen größten Durchmesser von 0,04 mm. — In diesem Stadium ist die Eingangsöffnung des Gehörbläschens schon erheblich enger geworden. Außerdem hat sich jetzt die Riechplatte zu einer seichten Grube eingesenkt. Embryonen mit 30 und 31 Urwirbeln zeigen im Vergleich mit dem eben erwähnten keine wesentliche Veränderung. Auch im Sta- dium von 32 Urwirbeln ist der Fortschritt gegenüber dem zuletzt betrachteten Stadium nur ein geringer. Ein Vergleich der Fig. 3 und 4 lehrt, dass dieser Fortschritt darin besteht, dass das Linsen- säckchen größer und die Einstülpungsöffnung kleiner geworden ist. Diese beträgt jetzt 0,02—0,03 mm. Auch jetzt zeigt die dorsale Hälfte des Säckchens ein lebhafteres Wachsthum als die ventrale, und da- mit stimmt auch die Vertheilung der Theilungsfiguren überein. Übri- gsens sind diese in manchen Schnitten auch sonst so zahlreich, dass die Innenseite des Säckchens zuweilen geradezu von ihnen übersäet erscheint. — In diesem Stadium hat sich die laterale Wand der Augenblase von der Wand des Linsensäckchens etwas zurückzuziehen begonnen, und zwar in der Weise, dass auf dem Querschnitt zwei ungefähr dreieckige Räume sichtbar werden (vgl. Fig. 4). Demnach zeigt der Raum, welcher später vom Glaskörper eingenommen wird, bei den Vögeln im Beginn seiner Entwicklung genau dieselbe Form wie bei den Fischen, Amphibien und Reptilien. — Bei Embryonen dieses Alters beginnt sich auch die Retina bereits zu differenziren. — Das Gehörbläschen steht jetzt nur mehr durch eine enge Öffnung mit der Oberfläche in Verbindung. Die noch immer flache Riechgrube ist dorsalwärts etwas tiefer als ventralwärts. Ein Embryo, der in Beziehung auf seine Sinnesorgane genau eben so weit entwickelt war, stammte aus einem Ei, das 72 Stunden bebrütet war. Die Ablösung des Linsenbläschens vom Ektoderm macht nun rasche Fortschritte. Bei einem Embryo mit 33 Urwirbeln war die Über den Bau und die Entwicklung: der Linse. II. 307 Einstülpungsöffnung nur mehr 0,015 mm weit und bei einem Embryo mit 35—36 Urwirbeln war die Ablösung bereits vollzogen. Aber es war noch deutlich sowohl am Ektoderm, als an der äußeren Wand des Linsenbläschens die Stelle zu erkennen, wo die Ablösung erfolgt war (vgl. Fie. 5, Taf. XIII). In den Ektodermzellen waren an der betreffenden Stelle einige dunkel gefärbte Körnchen zu sehen, und &anz ähnliche Körnchen fanden sich auch in der lateralen Wand des Linsenbläschens. Überdies zeigte das Lumen des Bläschens an dieser Stelle eine trichterförmige Aussackung. Zwischen Ektoderm und Linsenbläschen lagen frei in dem Spaltraum einige Zellen von rund- licher oder ovaler Form, deren Protoplasma von dunkeln Körnchen so vollgepfropft war, dass der Kern dadurch ganz verdeckt wurde. Diese Zellen stammen, wie meine Beobachtungen am Hühnchen lehren, zweifellos von dem Stiel des Bläschens. Sie gehen später spurlos zu Grunde. Bei einem zweiten, gleich weit entwickelten Embryo konnte ich eine ähnliche Zelle auch in der Höhle des Bläschens finden. Die beiden Wände sind jetzt schon verschieden gebaut; die mediale Wand ist dieker und erhebt sich in Form eines flachen Polsters gegen das Lumen. Die Zellen sind an dem freien, dem Lumen zugewendeten Ende in die Länge gewachsen und färben sich hier etwas intensiver als an dem entgegengesetzten Ende. Damit hat die Umbildung dieser Zellen zu Linsenfasern begonnen. Auch jetzt enthalten noch beide Wände des Bläschens Theilungsfiguren in großer Menge; indessen sind ‘diese in der lateraien Wand schon viel zahlreicher als in der medialen. Der lange oder Äquatorialdurchmesser beträgt jetzt 0,205 mm, der kurze oder die spätere Linsenachse 0,14 mm. Der Raum zwischen Linse und Augenblase hat sich beträchtlich erweitert und zeigt dieselbe Form wie bei den niederen Wirbelthieren; in ihm finden sich nur spärliche verästelte Zellen. — Zu dieser Zeit steht das Gehörbläschen nur mehr mittels eines dünnen Stieles, der ein sehr enges Lumen einschließt, mit der Körperoberfläche in Verbin- dung. Linsenbläschen und Gehörbläschen lösen sich also bei der Ente ungefähr zu gleicher Zeit vom Ektoderm ab. — Die Nasen- erube hat sich erheblich vertieft, zeigt aber im Übrigen nichts Be- sonderes. | Ein Embryo, dessen Urwirbel ich nicht gezählt hatte, der aber in Beziehung auf seine Sinnesorgane genau eben so weit entwickelt war, wie der eben erwähnte, stammte aus einem Ei, das 96 Stunden bebrütet war. Aus einem Vergleich mit dem früher Gesagten kann man entnehmen, wie unsicher es ist, den Entwicklungsgrad der Embryonen Zeitschrift £. wissensch. Zoologie. LXV. Pd. 21 308 Carl Rabl, während der ersten Tage nach der Dauer der Bebrütung zu be- stimmen. Nachdem sich das Linsenbläschen vom Ektoderm abgelöst hat, wächst es sehr rasch weiter; dabei ist das Wachstkum Anfangs am Äquator viel lebhafter als in der Richtung der Achse. Bei einem Embryo mit 39—40 Urwirbeln betrug der Äquatorialdurehmesser 0.265 mm, die Achse 0,15 mm und die Dicke der medialen Wand 0,1 mm. Das Lumen des Bläschens ist auf dem Querschnitte sichel- förmig geworden. Bei einem Embryo mit 43 Urwirbeln zeigt die Linse auf dem Meridionalschnitt das in Fig. 6, Taf. XIII wieder- gegebene Bild. Der Äquatorialdurchmesser beträgt jetzt 0,33 mm, die Achse 0,24 mm und die Dicke der medialen Wand 0,15—0,16 mm. Diese Wand stellt eine linsenförmige Platte dar, die weit ins Lumen vorspringt und dasselbe verengt. Im centralen Theil dieser Platte stehen die Kerne lange nicht so dicht wie in der Peripherie; auch sind sie mehr kugelig, während sie sich nach der Peripherie zu all- mählich in die Länge strecken. Theilungsfiguren kommen in ihr, abgesehen von ihrer ganz peripherischen Zone, nicht mehr vor; die Theilung der. Zellen hört also kurze Zeit, nachdem die Umbildung zu Linsenfasern begonnen hat, auf. Die jungen Linsenfasern lassen, wie bei allen bisher betrachteten Formen, einen sehr deutlichen Unter- schied zwischen freiem und basalem Ende erkennen; das freie, dem Lumen des Bläschens zugewendete Ende färbt sich mehr oder weniger intensiv mit Kochenillealaun, das freie bleibt blass und zeigt auch ein mehr blasiges Aussehen. Die innersten Fasern sind nahezu gerade gestreckt; in der Peripherie aber krümmen sie sich so, dass ihre Konkavität nach außen gekehrt ist. Ungefähr in der Mitte der medialen Wand haben sich die basalen Enden der Fasern etwas zurückgezogen und man bemerkt hier, dass es bereits zur Bildung einer Linsenkapsel gekommen ist. Die laterale Wand des Bläschens ist am Aquator eben merklich dieker als in der Mitte. Die Kerne stehen in ihr zum größten Theil an der basalen Seite; in der Nähe der freien, dem Lumen zugekehrten, trifft man wieder Theilungs- figuren in außerordentlich großer Zahl. Es kann kaum einem Zweifel unterliegen, dass sich bei der Konservirung an der Linse dieses Em- bryo die mediale Wand von der lateralen abgehoben hat, und dass dadurch der Hohlraum des Bläschens vergrößert wurde. Bei einem Embryo von 45 Urwirbeln liegen mediale und laterale Wand nahe an einander und weichen nur am Äquator von einander ab. Die Linsenfaserwand ist daher an ihrer medialen Fläche nahezu plan, Über den Bau und die Entwicklung der Linse. II. 309 wogegen die laterale um so stärker vorspringt. Durch diese Eigen- thümlichkeiten erklären sich auch die Differenzen in den Maßen; diese betragen bei dem letztgenannten Embryo im Äquator 0,36 mm, in der Achse 0,22 mm, während sich für die Linsenfasern eine Länge von 0,18 mm ergab. Das Linsenepithel ist zu dieser Zeit an der Epithelgrenze noch nicht zu meridionalen Reihen geordnet. Embryonen mit 45 Urwirbeln sind ungefähr 5 Tage alt, vor- ausgesetzt, dass man, wie ich das immer zu thun pflege, die Enten- eier von Hühnern bebrüten lässt. Es ist mir nicht gelungen, auch noch bei älteren Embryonen mit Sicherheit die Urwirbel zu zählen, und ich kann daher den Entwicklungsgrad derselben nicht mehr, wie bisher, durch Angabe der Urwirbelzahl bestimmen. Übrigens hat dies nicht viel auf sich; denn erstens nimmt die Zahl der Urwirbel ge- wiss nur sehr wenig zu, und zweitens gleichen sich bekanntlich die Differenzen, denen man während der ersten Tage der Bebrütung begegnet, später mehr und mehr aus. Man kann daher in späteren Stadien mit einiger Sicherheit den Entwicklungsgrad durch die An- gabe des Alters charakterisiren. Der nächste Embryo, dessen Augen ich untersuchte, war unge- fähr 6 Tage alt; er hatte, nach Platinchlorid-Sublimathärtung eine größte Länge von 14 mm. Seine "Linsen hatten einen Äquatorial- durchmesser von 0,83 mm und eine Achse von 0,42 mm; das Epithel war in der Mitte der Vorderfläche nicht ganz 0,01 mm, am Äquator 0,03 mm dick. An der Epithelgrenze war eine schmale, höchstens 0,035 mm breite Zone nachweisbar, in der die Zellen begonnen hatten, sich zu meridionalen Reihen zu ordnen. Diese Reihen trugen indessen noch nicht jene außerordentliche Regelmäßigkeit zur Schau, welche sie später und bei erwachsenen Thieren charakterisirt. Der folgende Embryo war 6 Tage 22 Stunden alt. Die Durch- messer der Linse waren schwer mit Sicherheit zu bestimmen, weil sich das Epithel, wie dies bei den meisten älteren Embryonen zu geschehen pflegt, von der Linsenfasermasse ziemlich weit abgehoben hatte. Ich kann daher die Durchmesser nur schätzungsweise angeben. Für den Äquatorialdurehmesser fand ich einen Werth von 0,87 mm, für die Achse einen solchen von 0,53 mm, oder nach Abzug des Lumens von 0,48 mm. Die Dicke des Epithels betrug am Äquator nicht ganz 0,04 mm, und in der Mitte der Vorderfläche ungefähr so viel wie früher. Hier lagen die Zellkerne schon in einfacher Reihe, wäh- rend sie sich gegen die Peripherie allmählich häuften. Die Zone der meridionalen Reihen an der Epithelgrenze war etwas breiter geworden 21* 310 Carl Rabl, und die Reihen selbst schienen um eine Spur regelmäßiger zu sein als früher. Die Fasern besitzen noch durchwegs Kerne, und diese sind auch im Centrum der Linse der Mehrzahl nach langgestreckt; kugelige Kerne trifft man hier jetzt viel seltener als bei jüngeren Embryonen. Die Kerne sind um so dichter gehäuft, je näher dem Epi- thelrande sie stehen. Auf Meridionalschnitten, welene möglichst genau durch die Mitte der Linse gehen, bilden sie in ihrer Gesammtheit einen flachen Bogen, dessen Konkavität nach hinten sieht. Der Bogen ist um so dicker oder breiter, je näher der Achse. — Einen Theil eines Meridionalschnittes habe ich auf Taf. XII, Fig. 7 abgebildet. Durch den Umstand, dass die Zellen des Linsenepithels bis zur Epi- thelgrenze kontinuirlich an Höhe zunehmen, könnte man leicht zu der Auffassung geführt werden, dass schon jetzt die Bildung des Ringwulstes begonnen habe. Ich halte aber eine solche Auffassung nicht für richtig. Bei einem Ringwulst nimmt zwar auch die Dicke des Epithels zunächst kontinuirlich zu, dann aber, gegen die Epithel- srenze, nimmt sie wieder ab, so dass sich dadurch der Ringwulst, wenn auch nicht sehr scharf, so doch immerhin in ganz bestimmter Weise gegen die Linsenfasermasse absetzt. Der nächste Embryo war 8 Tage 3 Stunden alt. Das Epithel hatte sich von der Linsenfasermasse nur sehr wenig abgehoben, so dass es mir möglich war, mit ziemlicher Sicherheit die Maße abzunehmen. Der Äquatorialdurchmesser betrug 1,16 mm, die Achse 0,68 mm, die Dicke des Epithels in der Mitte der Vorderfläche höch- stens 0,01 mm, am Äquator 0,04 mm, und hinter demselben, unmittel- bar vor dem Übergang in die Linsenfasermasse, 0,056 mm. Im Übrigen hatte die Linse wesentlich dasselbe Aussehen wie früher; nur waren am Äquator die Kerne der Epithelzellen etwas von der basalen Seite abgerückt, und zwar um so mehr, je näher der Epi- thelgrenze. Die Krümmung der Zellen am Äquator und der Linsen- fasern war dieselbe wie früher. Der nächste Embryo war 10 Tage 6 Stunden alt. Seine Lin- sen hatten einen Äquatorialdurchmesser von 1,35 mm, eine Achse von 0,82 mm, das Epithel war in der Mitte der Vorderfläche 0,008 mm, am Äquator 0,036 mm und unmittelbar vor der Epithelgrenze 0,06 mm dick. Von einem eigentlichen Ringwulst kann auch jetzt noch nicht gesprochen werden. Einen Theil eines Meridionalschnittes habe ich auf Taf. XIII, Fig. 8 abgebildet. Es war überall eine Kapsel vor- handen, die sich hinten in großer Ausdehnung von der Oberfläche der Linse abgehoben hatte. Dies war der letzte, von mir untersuchte Über den Bau und die Entwieklung der Linse. II. 311 Embryo, dessen Linsenfasern noch durchwegs Kerne besaßen. Im Centrum der Linse zeigten sie aber schon jene Veränderungen, welche zum Kernschwunde führen. Sie waren ungemein klein, fast punkt- förmig, und färbten sich sehr intensiv und gleichmäßig. Wie schon in den früheren Kapiteln aus einander gesetzt wurde, wird dureh die Bildung der meridionalen Reihen die Bildung der Radiär- lamellen eingeleitet. Ich habe nun die zweite Linse des zuletzt ge- nannten Embryo in AÄquatorialschnitte zerlegt und mich “überzeugt, dass in der That schon in der Peripherie der Linsenfasermasse radiäre Lamellen vorhanden waren; aber sie waren noch ungemein kurz und ziemlich unregelmäßig. Ich schätze ihre Länge auf nicht mehr als 0,07 mm. Da der Durchmesser der ganzen Linsenfasermasse unge- fähr 1,2 mm beträgt, so nehmen also dieselben noch einen sehr ge- ringen Antheil an dem Aufbau derselben. Ihre Zahl zu bestimmen war mir leider nicht möglich, da die Schnitte nicht genau senkrecht zur Achse geführt waren. Der jüngste, von mir untersuchte Embryo, der eine Ringwulst- anlage besaß, war 13 Tage 20 Stunden alt. Der Aquatorialdurch- messer der Linse betrug 1,6 mm, die Achse ungefähr 1,12 mm. Das Epithel bestand an der ganzen Vorderfläche aus 0,01 mm hohen, kubischen Zellen mit relativ großen, kugeligen Kernen. Erst gegen die Peripherie wurden die Zellen allmählich höher und erreichten schließlich eine Höhe von 0,05 mm. Von da nahm die Höhe bis zur Epithelgrenze, wo sie 0,035 mm betrug, wieder allmählich ab, und zwar rascher, als sie zugenommen hatte. Das Epithel war also an der Epithelgrenze niedriger geworden. Die Zellen waren in der Ring- wulstanlage so gebogen, dass ihre Konkavität nach vorn gewendet war. Sie standen hier so dicht, dass die Kerne nicht in einer Höhe Platz fanden; indessen waren sie doch zumeist in halber Höhe der Zellen oder um eine Spur der basalen Seite näher als der freien ge- legen. — In diesem Stadium haben die innersten Linsenfasern schon die Kerne verloren; die kernlose Masse hat einen Durchmesser von etwa 0,35 mm. Der älteste Entenembryo, dessen Linsen ich untersuchte, war 17 Tage 20 Stunden alt. Die Maße waren folgende: Aquatorialdureh- messer 2,3 mm, Achse 1,5 mm, Dicke des Epithels am vorderen Pol 0,008 mm, am Äquator 0,07 mm, und an der Epithelgrenze 0,036 mm. Sein Ringwulst war schon viel besser entwickelt (vgl. Taf. XIII, Fig. 9). Die Zellen desselben sind zu kurzen, mäßig gebogenen, mit ihrer Konkavität nach vorn gerichteten Fasern ausgewachsen; ihre 912 Carl Rabl, Kerne sind oval und unterscheiden sich dadurch noch von den kuge- lisen Kernen der Ringwulstfasern der erwachsenen Thiere. Sie sind wie früher so dicht gestellt, dass sie nicht in einfacher Reihe Platz finden; indessen sind sie doch wieder der Mehrzahl nach in halber Höhe des Ringwulstes gelegen. Nach hinten, gegen die Epithelgrenze, nimmt die Dicke des Ringwulstes sehr rasch ab, und die Kerne ord- nen sich mehr und mehr zu einer einfachen Reihe; nach vorn wird der Ringwulst nur ganz langsam niedriger, schließlich aber, nachdem er ins gewöhnliche Epithel der Vorderfläche übergegangen ist, ordnen sich auch hier die Kerne in eine einfache Reihe, die der freien, der Linsenfasermasse zugekehrten Seite näher liest als der basalen. Die kernlose, centrale Masse von Linsenfasern hat jetzt einen Durchmesser von ungefähr 0,77 mm. Darauf folgt eine schmale Zone, in der man die verschiedenen Stufen des Kernschwundes beobachtet, und den Schluss macht eine sehr breite Zone, in der die Kerne noch keine Veränderung zeigen. — Die zweite Linse dieses Embryo habe ich in Äquatorialschnitte zerlegt. An diesen war vor Allem eine Zunahme in der Länge und Regelmäßigkeit der radiären Lamellen zu konsta- tiren. Ihre Länge betrug ungefähr 0,37 mm; dann kam eine schmale, etwa 0,15 mm breite Übergangszone, und den Rest bildete die Central- fasermasse, für die sich, wie früher, ein Durchmesser von wenig über 1 mm ergab. Die Radiärlamellen waren namentlich in der Nähe der Peripherie der Linse durch dieke Kittlinien von einander getrennt. Ihre Zahl betrug 832; wir werden sehen, dass diese Zahl gut mit der der erwachsenen Ente übereinstimmt, und dass also, wenn überhaupt noch eine Vermehrung der Lamellen erfolgt, dieselbe nur eine ganz unbedeutende ist. — Die Entwicklung der Linse des Huhnes stimmt in den ersten Stadien so vollständig mit der der Ente überein, dass es überflüssig ist, genauer darauf einzugehen; ich werde daher meine Beobachtungen nur in Form eines kurzen Protokolls mittheilen und nur a späteren Stadien ausführlicher beschreiben. Embryo mit 17 Urwirbeln: Die Zellen des Ektoderms sind über der Augenblase etwas dichter gestellt, aber es ist noch keine Linsen- platte oder höchstens nur eine Andeutung einer solchen vorhanden. — Embryo mit 18 Urwirbeln: Zeigt wesentlich das gleiche Verhalten. — Embryo mit 20 Urwirbeln: Das Ektoderm ist über der Augenblase deutlich verdiekt. Es ist daher in dieses Stadium der Beginn der Linsenbildung zu verlegen. Zu dieser Zeit ist auch beim Huhn. die Gehörgrube tief eingesenkt, noch ohne Tendenz sich zu schließen; Über den Bau und die Entwicklung der Linse. II. 123 ihr Boden berührt die Wand des Medullarrohres. — Embryo mit 21 Urwirbeln: Die Linsenplatte zeigt eine kleine Delle, die schon jetzt dorsalwärts tiefer ist als ventralwärts. Die laterale Wand der Augen- blase ist etwas eingebuchtet. — Embryo mit 23 Urwirbeln: Die Delle ist tiefer geworden, im Übrigen aber so beschaffen wie früher. — Embryo mit 25 Urwirbeln: Die Einstülpung hat weitere Fortschritte gemacht; das Linsensäckchen ist etwas tiefer als bei der Ente mit der gleichen Urwirbelzahl. — Embryo mit 27 Urwirbeln: Das Säck- chen hat sich noch weiter vertieft; die Einstülpungsöffnung hat jetzt einen Durchmesser von 0,04 mm. — Embryo mit 28 Urwirbeln: Der Durehmesser des Linsensäckehens in dorsoventraler Richtung beträgt 0,167 mm; die Einstülpungsöffnung 0,044 mm. Letztere hat ihre srößte Weite erreicht und beginnt sich rasch zu verkleinern. Schon bei einem Embryo mit 30 Urwirbeln ist sie nur mehr 0,013 mm weit; bei einem Embryo mit 31 und einem solehen mit 32 Urwirbeln misst sie höchstens noch 0,008 mm. — Embryo mit 33 Urwirbeln: Die Einstülpungsöffnung ist auf der einen Seite vollkommen, auf der an- deren bis auf ein minimales Lumen geschlossen. Vom Hals des Bläschens beginnen sich Zellen abzulösen. Auch das Gehörbläschen steht zu dieser Zeit nur mehr mittels eines fast ganz soliden Stieles mit dem Ektoderm in Verbindung. Linsenbläschen und Gehörbläs- chen lösen sich also, wie bei der Ente, ungefähr gleichzeitig vom Ektoderm ab. Die mediale Wand des Linsenbläschens ist jetzt schon viel dieker als die laterale. — Embryo mit ungefähr 36 Urwirbeln: Das Bläschen hat sich vollständig vom Ektoderm getrennt. Sein Hals hat sich zurückgebildet, indem ein Theil seiner Zellen sich los- gelöst hat und nunmehr, wie bei der Ente, in dem Spaltraum zwi- schen Ektoderm und Linsenbläschen liegt, während der Rest des Halses mit dem Ektoderm in Verbindung geblieben ist und an dem- selben eine kleine knötchenförmige Verdickung erzeugt. Diese Stelle scheint sich aber etwas gegen das Bläschen verschoben zu haben, denn sie liegst ungefähr in der halben Höhe desselben. Die mediale Wand des Bläschens ist mehr als doppelt so dick als die laterale; diese ist dort am dünnsten, wo sie mit dem Ektoderm in Verbin- dung gestanden hat. Das Gehörbläschen hängt jetzt bloß mittels eines sehr dünnen Stieles mit äußerst feinem Lumen mit dem Ekto- derm zusammen. — Embryo mit 37—38 Urwirbeln: Die mediale Wand des Bläschens springt polsterartig ins Lumen vor. Sie ist in der Mitte fast dreimal so dick als die laterale. Die Zellen, die sich früher vom Stiel des Bläschens losgelöst haben, sind spärlicher und kleiner 914 Carl Rabl. seworden. Die knötchenförmige Verdickung des Ektoderms hat sich abgeflacht, ist aber noch deutlich erkennbar. — Embryo mit unge- fähr 40 Urwirbeln: Die Linse bietet wesentlich dasselbe Bild, wie beim vorigen Embryo. In der Höhle des Bläschens liegen einige im Zerfall begriffene Zellen. — Embryo mit ungefähr 45 Urwirbeln: Die Entwicklung der Linsenfasern hat weitere Fortschritte gemacht. Die mediale Wand des Bläschens ist 0,14 mm, die laterale in der Mitte 0,032 mm dick; der Äquatorialdurchmesser beträgt 0,32 mm. Alle bisher betrachteten Embryonen waren mit Pikrinsäure- Sublimatlösung fixirt; die nächstfolgenden dagegen mit reiner Platin- chloridlösung. Diese verursacht aber eine nicht unbeträchtliche Quellung der Linse, und es sind daher die an diesen Linsen gefun- denen Maße nur unter einander, nicht aber mit den früher mitge- theilten vergleichbar. Bei einem Embryo von 4 Tagen + Stunden fand ich einen Äquatorialdurchmesser von 0,57 mm und eine Achse von 0,35 mm; bei einem Embryo von 4 Tagen 7 Stunden betrugen beide Durchmesser 0,62 und 0,37 mm; bei einem Embryo von 4 Tagen 19 Stunden 0,67 und 0,42 mm, und endlich bei einem Embryo von 5 Tagen 0,83 und 0,51 mm. Bei allen nahm die Dicke des Epithels am Äquator bis zur Epithelgrenze ganz gleichmäßig zu. Nun folgen Embryonen, die mit Platinchlorid-Sublimatlösung fixirt, und bei denen die Gewebe mindestens eben so gut wie an den mit Pikrinsäure-Sublimatlösung fixirten, erhalten waren. Der erste dieser Embryonen war 6 Tage alt. Der Äquatorialdurchmesser der Linse betrug 0,83, die Achse 0,42 mm, die Dieke des Epithels in der Nähe des vorderen Poles 0,008 mm, am Äquator und an der Epithelgrenze 0,042 mm. Am Äquator waren die Kerne dicht gehäuft, an der Epithel- srenze wurden sie spärlicher und lagen hier ziemlich dieht unter der noch sehr dünnen Kapsel. Hier färbten sich auch die Zellen an ihren basalen Enden viel dunkler als an ihren freien. — Der nächste Embryo war 7 Tage alt. Der Äquatorialdurchmesser betrug ungefähr 1,0 mm; die Länge der Achse und die Dicke des Epithels am vor- deren Pol waren nicht mit Sicherheit zu bestimmen. Am Äquator hatte das Epithel eine Höhe von ungefähr 0,05 mm, und an der Epithelgrenze eine solche von 0,07 mm. Aus einer Serie von schiefen Aquatorialschnitten ging hervor, dass sich die Fasern an der Peripherie schon zu kurzen, noch ziemlich unregelmäßigen radiären Lamellen zu ordnen begonnen hätten. — Wie aus den für die Dicke des Epi- thels angeführten Maßen hervorgeht, war bei beiden Embryonen das Epithel beim Übergang in die Linsenfasermasse noch eben so diek Über den Bau und die Entwieklung der Linse. II. 315 oder selbst dicker als am Äquator, und es besaßen also die Linsen noch keine Anlage eines Ringwulstes. Der jüngste Embryo, der eine solche ganz unzweideutig erkennen ließ, war S Tage alt. Demnach ist der Beginn der Ringwulstentwick- lung beim Huhn in das Ende des achten oder den Anfang des neunten Tages zu verlegen. Daraus darf aber nicht geschlossen werden, dass der Ringwulst beim Huhn relativ früher auftritt als bei der Ente; denn Entenembryonen entwickeln sich bekanntlich langsamer als Hühnerembryonen, und ein Entenembryo von 10—12 Tagen kann sanz wohl einem Hühnerembryo von S—9 Tagen entsprechen. Ich habe beim Huhn vier Stadien der Entwicklung des Ring- wulstes untersucht, nämlich bei Embryonen von S Tagen, 9 Tagen 6 Stunden, 13 Tagen 20 Stunden und 21 Tagen 5 Stunden. Der letzte Embryo stand also unmittelbar vor dem Ausschlüpfen. Ich gebe zunächst eine Übersicht über die an den Linsen ge- fundenen Maße: Dicke des Epithels in mm 2 amvorderen inderMitte ander Alter des Embryo Aqu. Durchm. Achse Pol d. Ringwulst. Epithel- grenze 3 Tage 1,32 0,7 0,012 0,064 0,05 30 ruinden. : - 1;45 0,82 0,008 0,076 0,047 ers 1,92 115 0,008 0,086 0,042 ee 2,55 7 0,007 0,176 ca. 0,055 Aus diesen Maßen kann man vor Allem ersehen, in welcher Weise die Linse in der Richtung ihrer beiden Durchmesser wächst; ferner sieht man daraus, dass die Dicke des Epithels in der Mitte der Vorderfläche langsam abnimmt, während andererseits der Ring- wulst rasch an Höhe gewinnt. Die geringen Schwankungen, welche die Höhe des Epithels an der Epithelgrenze zeigt, scheinen mir von keinem weiteren Belange zu sein. Im Detail zeigten die Linsen dieser Embryonen folgende Eigen- thümlichkeiten. In der Ringwulstanlage des 8 Tage alten Embryo waren die Kerne ungemein dicht gehäuft, so dass sie nicht in einer Höhe Platz fanden; indessen waren sie doch im Allgemeinen der basalen Seite etwas näher gelegen als der freien. Die Zellen des Ringwulstes ließen eine deutliche polare Differenzirung erkennen, die darin zum Ausdruck kam, dass sie sich außen viel intensiver färbten als innen. Gegen die Epithelgrenze nahm die Menge der Kerne allmählich ab. === E AN = ne Carl Rabl, NUT \\ Textfig. 29. N SS Theilungsfiguren konnte ich nur in der Hälfte des finden; SAN 3 IAOSEAN } IR (1) ONaeS deren vor Ringwulstes N 1 YI 0> IN En: > RL NEN CS Ob OR N o OR I I 49 tanden alle SIe 8 HE Ur var N 0 > ST) ınneren Oberfläche, und zugleich so, dass die Theilungs- achsen mehr oder weni- ger parallel derselben ge- dieht unter der richtet waren. Aber ich muss es dahingestellt sein lassen, ob dieser Richtung der The tiefe gsachsen eine ılun Q OR S OLE OS, B= OR _ > = S A, (@X Il 2 \V ZUu- sie nur Bedeutung ode zufälliger re gelten hat. (O5 Befund zu Einen Meri- r ob ) kommt N al inse L dionalsehnitt durch den Ringwulst dieser habe ich in Textfig. 29 Textfig. 30. skizzirt. — Die Anschnitte Über den Bau und die Entwicklung der Linse. II. 317 der Linsen ließen erkennen, dass die Zone der meridionalen Reihen schon eine beträchtliche Breite besaß, dass die Reihen selbst durch- aus regelmäßig neben einander standen, und dass jede Reihe aus mindestens acht, wahrscheinlich aber aus mehr Zeilen bestand. Mit dieser Regelmäßigkeit der meridionalen Reihen stimmen auch die Bilder überein, welche die Äquatorialschnitte, in die ich die zweite - Linse dieses Embryo zerlegt hatte, aufwiesen; ein Stück eines sol- chen Schnittes ist in Textfig. 30 dargestellt. Man sieht an demsel- ben, dass auch jetzt noch weitaus die Hauptmasse der ganzen Linse von den ungeordneten centralen Fasern eingenommen wird. Die Querschnitte dieser Fasern sind unregelmäßig, einzelne von ganz be- sonderer Größe. — Weiter nach außen beginnen sich die Fasern zu radiären Lamellen zu ordnen und die Form sechsseitiger Prismen anzunehmen, die allerdings zunächst noch recht unregelmäßige Quer- schnitte besitzen. Die radiären Lamellen dieser Übergangszone lassen Theilungen und Intercalationen, ja selbst hier und da Verschmel- zungen erkennen. — Noch weiter nach außen werden die Lamellen regelmäßiger und, wenn auch diese Regelmäßigkeit noch nicht so groß ist, wie in den Linsen der erwachsenen Thiere, so sticht diese Zone doch schon jetzt sehr auffallend gegen die Übergangszone ab. Es ist ungemein wahrscheinlich, dass, wenn überhaupt in der Folge noch eine Zunahme der Zahl der Lamellen eintritt, diese doch nur eine ganz unbedeutende ist und im Vergleich mit der Gesammtzahl der Lamellen sar nicht in Betracht kommt. Es ist mir zwar nicht gelungen, mit voller Sicherheit die Lamellen zu zählen, aber ich darf doch sagen, dass ihre Zahl zwischen 660 und 630 beträgt. Diese Zahl stimmt, wie wir sehen werden, mit der Zahl, die man in der Linse des er- wachsenen Huhnes findet, gut überein. — Die Fasern besitzen zu dieser Zeit noch durchweg Kerne. Freilich sind auf Äquatorialschnitten stets nur in einem Theil der Faserquerschnitte Kerne nachzuweisen. Die Kerne der centralsten Fasern zeigen bereits die Erscheinungen des beginnenden Kernschwundes. — Ich schätze den Durchmesser der Cen- tralfasermasse auf 0,8 mm, die Dicke der Übergangszone auf wenig über 0,1 mm, und die Länge der Radiärlamellen auf etwa 0,12 mm. Über die Linse des 9 Tage 6 Stunden alten Embryo brauche ich nicht viel zu sagen. Das Anwachsen des Ringwulstes kann aus den oben angeführten Maßen ersehen werden. Die polare Diffe- renzirung der jungen Ringwulstfasern war auch an dieser Linse deutlich zu erkennen. Die Kerne verhielten sich so wie früher. Auch in diesem Stadium hatten noch alle Linsenfasern Kerne. 318 Carl Rabl, Viel weiter entwickelt war der Ringwulst bei dem 13 Tage Textfig. 31. 20 Stunden alten Embryo. Eine Skizze desselben giebt die Textfig. 31. Ich kann mich daher darauf beschränken, darauf aufmerksam zu machen, dass der Ringwulst nicht bloß in der Dieke, sondern nament- lich auch in der Breite sehr erheblich zugenommen hat. Die Lage und Anordnung der Kerne war wesentlich so wie in den beiden vorigen Stadien. Bei dem Embryo von 21 Tagen 5 Stunden endlich war der Textfig. 32. Über den Bau und die Entwicklung der Linse. II. 319 Ringwulst schon wesentlich so gebaut, wie beim erwachsenen Thier (s. Textfig. 32). Die Kerne waren relativ spärlich und bildeten in ihrer Gesammtheit einen flachen Bogen, der sich in der Mitte des Ringwulstes am meisten von der Oberfläche entfernte, vorn und hin- ten dagegen sich derselben näherte. Gegen die Epithelgrenze wur- den die Fasern nicht bloß kürzer, sondern auch breiter, und die Kerne lagen hier in einfacher Reihe. — Die zweite Linse dieses Embryo habe ich in Äquatorialschnitte zerlegt. Die Radiärlamellen waren hier gut zu zählen; ich fand ihrer 642. Die Centralfasern hatten die Kerne verloren. Eben so waren auch in der Übergangs- _ zone nur hier und da noch Kerne vorhanden. Weiter nach außen waren dann die verschiedenen Stadien des Kernschwundes zu beob- achten. Die Centralfasermasse hatte einen Durchmesser von 0,8— 0,9 mm; die Länge der Radiärlamellen betrug ungefähr 0,55 —0,60 mm. Die Dicke der Kapsel betrug in der Nähe des vorderen Poles 0,001 mm, über der vorderen Hälfte des Ringwulstes 0,005 mm, in der Peri- pherie der hinteren Fläche 0,002 und in der Nähe des hinteren Poles 0,001 mm. Was die Litteratur betrifft, so stehe ich vor der Alternative, entweder eine vollständige, aber ziemlich unfruchtbare und langweilige, oder aber eine unvollständige, nur die wichtigsten Arbeiten berück- sichtigende Darstellung zu geben. Im ersten Fall müsste ich nicht bloß die speciell über die Entwicklung des Auges erschienenen Arbeiten berücksichtigen, sondern auch die meisten Lehrbücher und zahlreiche Abhandlungen oder Schriften, welche, wie z. B. »Unsere Körperform« von Hıs nur ganz nebenher auch auf die Entwicklung der Linse Bezug nehmen. Es würde dann die Kritik oft nicht gerade zur Freude der betreffenden Autoren ausfallen. Ich ziehe es vor, den zweiten Weg zu gehen und nur die wichtigsten Etappen in der historischen Entwicklung unserer Kenntnisse der Linsenbildung zu besprechen. Bekanntlich wird HuscHkE! als derjenige Autor eitirt, der die - Entwieklung der Linse »durch Einstülpung des äußeren Hautsystems« entdeckte. Indessen ist es von einigem historischen Interesse, dass HuscHkeE aus dem Linsenbläschen nur die Kapsel hervorgehen ließ, nicht aber den »Humor erystallimnus« oder den »Linsenstoff«, wie man ı E. Huscuke£, Über die erste Entwicklung des Auges und die damit zu- sammenhängende Cyklopie. MECKEL’s Archiv für Anatomie und Physiologie. Jahrgang 1832. 320 Carl Rabl, damals die Substanz der Linse nannte; diese sollte nur eine »Ab- sonderung« der Linsenkapsel sein. Der Erste, der eine durchaus klare und in allen wesentlichen Punkten richtige Darstellung der Linsenentwicklung des Huhnes gab, war REMAK!. Er hat auch zuerst auf Grund seiner Untersuchungen das »Bildungsgesetz der Linse« aufgestellt, nach weichem das Epithel aus der lateralen, die Linsen- fasern aus der medialen Wand des Linsenbläschens entstehen. Auch war er der Erste, der die »Kernzone« H. Mrver’s entwieklungs- geschichtlich richtig deutete. Fast Alles, was dann später von BABu- CHIN?2, MAnz3, LIEBERKÜHN®, KÖLLIKER, SERNOFF® u. A. über die Entwicklung der Vogellinse mitgetheilt wurde, bestätigte die Angaben tEMAK’S und brachte zugleich ein mehr oder minder reiches Detail. So war z. B. LIEBERKÜHN der Erste, der die Linsenanlage des Huhnes als ein dorsalwärts gerichtetes Säckchen richtig zur Darstellung brachte. Aber Alles, was diese Forscher zu Tage förderten, wurde von KessLEer? weit übertroffen. Er hat nicht bloß die erste Entwicklung der Linse, sondern auch ihre ganze weitere Ausbildung der Haupt- sache nach richtig erkannt; er war zugleich der Erste, der die Ent- wicklung des Ringwulstes untersuchte. Während KÖLLIKER® noch der Ansicht war, dass »die eigenthümlichen Fasern, welche BRÜückE seiner Zeit am Rande der Linse der Vögel beschrieben hat, nichts, als sich entwickelnde Linsenfasern« seien, zeigte KESSLER, dass sie aus einem Theil des Epithels der äußeren Wand des Linsenbläschens ! R. REMAK, Untersuchungen über die Entwicklung der Wirbelthiere. Berlin 1855. Vgl. namentlich p. 34 u. 91. 2 BABUCHIN, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte es Auges, besonders der Retina. Würzburger naturwissensch. Zeitschr. Bd. IV. 1863 und: Ders., Vergleichend-histologische Studien. Ebenda. Bd. V. 1864. 3 Manz, Entwicklungsgeschichte des menschlichen Auges in A. GRAEFE u. TH. SarmıscH, Handbuch der gesammten Augenheilkunde. I. Bd. Anatomie u. Physiologie. Leipzig 1874. 4 N. LIEBERKÜHN, Über das Auge des Wirbelthierembryo. Schriften der Ges. zur Beförderung der ges. Naturwissenschaften zu Marburg. Bd. X. Kassel 1872. 5 A. KÖLLIKER, Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig 1861. 2. Aufl. 1879. — Ders, Handbuch der Gewebelehre. Leipzig. 5. Aufl. 1867. 6 SERNOFF, Über die Entwicklung der Linsenkapsel, in der russischen kriegsärztlichen Zeitschr. Jahrg. 1871. Ist mir nur aus KessLer’s Arbeit be- kannt, die eine Übersetzung der wichtigsten Stellen bringt. 7 L. KESSLER, Zur Entwicklung des Auges der Wirbelthiere. Leipzig 1877. 8 A. KÖLLIKER, Über die Entwicklung der Linse. Diese Zeitschr. 1855. Bd. VI. p. 143. Über den Bau und die Entwicklung der Linse. II. BDA entstehen, und dass der von ihnen zusammengesetzte Ringwulst stets eine gegen die eigentliche Linsenfasermasse deutlich abgesetzte Bil- dung darstellt. In der That hat Kesster Alles geleistet, was mit Hilfe der damaligen Methoden geleistet werden konnte, und es wurde durch ihn die Lehre von der Entwicklung der Vogellinse zu einem gewissen Abschlusse gebracht. | Meine Darstellung unterscheidet sich, abgesehen davon, dass sie ziemlich viel neues Detail bringt, nur in wenigen wichtigeren Punkten von der seinen: Die wichtigsten Differenzpunkte sind folgende. KeEsSLER hält die Wand des Linsensäckehens und dann auch noch die Wand des abgeschnürten Bläschens für mehrschichtig. Die bild- liche Darstellung, die er davon giebt, entspricht indessen nicht ganz dem thatsächlichen Verhalten, indem nach derselben die Kerne ganz gleichmäßig in der Wand vertheilt sein sollen. Ich habe dagegen Sezeigt, dass die Kerne an der basalen- Seite viel diehter stehen als sonst, und habe auf Grund dieser Erscheinung, sowie auch auf Grund der sehr charakteristischen Stellung der Theilungsfiguren, die der- jenigen in einschichtigen Cylinderepithelien entspricht, die Auffassung vertreten, dass die Wand einschichtig sei. Übrigens habe ich auf die Sehwierigkeiten einer sicheren Entscheidung dieser Frage hin- gewiesen. Die übrigen Differenzen betreffen fast nur die Entwick- lung des Ringwulstes.. Von den Fasern desselben sagt KEssLer: _ »Anfangs vollkommen jenseits (distalwärts) vom Linsenäquator liegend, rücken diese ‚radialen Fasern‘ (H. MÜLLER) allmählich immer mehr unter den Äquator — oder vielmehr wohl in Folge der durch ihr Auswachsen herbeigeführten Formveränderung der Linse der Äquator auf den von ihnen gebildeten Ring distalwärts vor, so dass sie im völlig entwickelten Auge ziemlich zu gleichen Theilen in der proxi- malen und distalen Hälfte der Linse liegen.« Die letztere Angabe ist nicht richtig. Der Ringwulst ist beim Huhn auch später nicht ziemlich zu gleichen Theilen< vor und hinter dem Äquator vertheilt, sondern seine Hauptmasse liegt stets vor demselben. Ferner meint KESSLER, dass sich die Ringwulstfasern »durch nichts als durch ihre etwas spätere Entwicklung und ihre Stellung von den speciell so senannten »Linsenfasern« unterscheiden. Hätte KEssLER nicht auch, wie er es thatsächlich gethan hat, den Ringwulst des erwachsenen Huhnes untersucht, so würde mir diese Angabe erklärlicher sein; denn durch nicht ganz geeignete Methoden mag vielleicht bei Embryonen eine gewisse Ähnlichkeit zwischen den Ringwulstfasern und den eigentlichen Linsenfasern hervorgerufen werden. Die Untersuchung >22 Carl Rabl. des vollkommen entwickelten Ringwulstes muss aber auf jeden Fall die Überzeugung aufdrängen, dass seine Fasern stets eine sehr ausge- sprochene polare Differenzirung zur Schau tragen, und dass ihr Bau von dem der eigentlichen Linsenfasern sehr wesentlich verschieden ist. In einem anderen, sehr wichtigen und viel besprochenen Punkte finde ich mich aber wieder in voller Übereinstimmung mit KessLer. Ich meine die Entwicklung der Linsenkapsel. Ich bin in der Be- schreibung der Entwicklung der Linse auf diesen Gegenstand ab- sichtlich nicht eingegangen, weil ich nur eine Wiederholung dessen hätte bringen können, was schon KESSLER gebracht hat. In der That muss sich Jeder, der die Entwicklung der Linse des Huhnes oder der Ente aufmerksam untersucht, mit KESSLER sagen, dass »überhaupt das Material zu einer Entwicklung der Linsenkapsel aus Zellen, resp. Bindegewebe fehlt«, und dass schon aus diesem Grunde die Linsenkapsel nichts Anderes als »ein Ausscheidungsprodukt der die Linse konstituirenden Zellen« sein kann. Wie die Linsenkapsel der übrigen Wirbelthiere halte ich daher. auch die der Vögel für eine Basalmembran der Linse, von dieser selbst zur Ausscheidung gebracht. Dadurch schließe ich mich zugleich KÖLLIKER an, der schon vor KESSLER diese Auffassung vertreten hat; ich setze mich aber in Gegensatz zu LIEBERKÜHN und SERNOFF, die die Linsen- kapsel von dem Bindegewebe des Kopfmesoderms (der sog. Kopf- platten) ableiten zu müssen glaubten. Auch KeiseL'! hat sich un- längst gegen RUBATTEL? der Auffassung KESSLER’s angeschlossen. B. Bau. Die Linsen der Vögel bieten eine ähnliche Mannig- faltigkeit der Form, wie die der Reptilien, nur fehlen so kugelige Linsen, wie sie die Nattern und Vipern besitzen, vollständig. Dafür treten aber bei den Schwalben und Seglern Linsen von so eigen- thümlicher Form auf, wie sie sonst nirgends wieder angetroffen werden. Ich gebe zunächst wieder eine Übersicht der untersuchten Arten. I. Ratitae. Apteryges, Kiwis ...... Apteryx australis, Kiwi. II. Carinatae. [Anser ceinereus, Gans. \Anas boschas dom., Ente. ! Fr. KEIBEL, Zur Entwicklung des Glaskörpers. Arch. f. Anat. u. Entw. 1886. ? R. RUBATTEL, Recherches sur le Developpement du Crystallin. Geneve 1855. Nach KEIBEL eitirt. Natatores, Schwimmvögel. Über den Bau und die Entwicklung der Linse. II. 323 Palaeornis torquatus, Halsband- sittich. N undulatus, Wellen- sittich. Gallus domesticus, Haushuhn. Gallinacei, Hühnervögel. En tetrix, Birkhuhn. Bonasia sylvestris, Haselhuhn. Columbinae, Tauben .... Columba livia domest., Haustaube. Athene noctua, Steinkäuzchen. ots sylvestris, Waldeule. Astur palumbarius, Hühnerha- | bicht. = corone, Krähe. Scansores, Klettervögel .. Raptatores, Raubvögel.. Garrulus glandarius, Nussheher. Emberiza hortulana, Feldammer. Fringilla eoelebs, Buchfink. Pyrrhula vulgaris, Gimpel. Carduelis elegans, Stieglitz. "]Alauda arvensis, Feldlerche. Hirundo rustica, Rauchschwalbe. Hirundo riparia, Uferschwalbe. Hirundo urbica, Stadtschwalbe. Oypselus apus, Mauersegler oder Thurmschwalbe. Passeres, Gangvögel Mit Ausnahme der Linsen des Kiwi waren alle in der gleichen Weise fixirt worden, wie die Linsen der Reptilien. Die Behandlung erfordert große Vorsicht, da die Linsen der Vögel noch weicher sind als die der Reptilien. Der leiseste Druck genügt, um ihre Form zu verändern oder die Kapsel einzureißen und dadurch die Fasern in Unordnung zu bringen. Man muss es daher ängstlich vermeiden, die Linsen vor der Fixirung zu berühren. — Legt man eine Linse, zu- sammen mit der vorderen Bulbushälfte, in die Fixirungsflüssigkeit, so trübt sich zuerst der Ringwulst, und die eigentliche Linsenfaser- masse folgt zuweilen erst sehr spät nach. Es scheint dies auf eine chemische Verschiedenheit zwischen Ringwulst und Linsenfasermasse hinzuweisen. Die Linsen des Kiwi stammten von einem Spiritusexemplar. Der Händler hatte mich versichert, dass das Thier lebend in starken Spiritus gesteckt worden war. Die Bulbi waren stark verschrumpft, Zeitschrift f. wissensch. Zoologie, LXV. Bd. DR 324 : Carl Rabl. die Linsen schienen aber, so weit sich dies beurtheilen ließ, in ihrer Form gut erhalten zu sein. Alle Linsen gehörten erwachsenen oder nahezu erwachsenen Thieren an, mit Ausnahme derjenigen der Waldeule, die einem jungen, aber schon vollkommen befiederten Thiere entnommen waren. Die beigegebenen Skizzen sind sämmtlich so orientirt, dass die äußere Fläche nach links, die innere nach rechts gewendet ist. Sie wurden durchweg vor dem Einbetten angefertigt; eine Ausnahme machte nur die Linse des Hühnerhabichts, die nach einem Meridional- schnitt gezeichnet ist. Da der Schnitt vortrefflich gelungen war, glaube ich annehmen zu dürfen, dass die Skizze die Form der Linse sut wiedergiebt. Die Skizze würde aber größer ausgefallen sein, wenn sie vor dem Einbetten angefertigt worden wäre. Die Linsen des Kiwi sind relativ klein, und sehen Eidechsen- linsen zum Verwechseln ähnlich. Das Gleiche gilt von den Linsen der Papageien (Textfig. 33 u. 34). Wie bei den Eidechsen sind auch hier die Linsen außen viel weniger gewölbt als innen; der Äquator ist scharf markirt und die Äquatorialebene schneidet die Linsenachse weit vor dem Centrum der Linse. Wie die Linsen der verschiedenen Eidechsenarten tragen auch die Linsen der beiden Papageienarten eine große Familienähnlichkeit zur Schau. Dasselbe gilt von den Linsen der Ente und der Gans (Textfig. 35 u. 36). . Sie sind, wie die der Papageien, vorn weniger gewölbt als hinten, aber die vordere Wölbung ist stärker, die hintere schwächer als bei diesen. Der Äquator ist leidlich gut markirt und die Äqua- torialebene fällt vor das Centrum der Linse; allerdings weniger weit als bei den Papageien. | Auch die Linsen der hühnerartigen Vögel (Textfig. 37—39) sind, so verschieden sie auch von den bisher betrachteten aussehen, unter einander in hohem Grade ähnlich. Sie sind durch große Flachheit ausgezeichnet; indessen ist auch bei ihnen die vordere Fläche weni- ser gewölbt als die hintere. Der Äquator ist ziemlich deutlich er- kennbar und die Äquatorialebene schneidet die Achse etwas vor dem Centrum der Linse. Die Linse der Tauben (Textfig. 40«—d) zeigt eine gewisse äußere Ähnlichkeit mit der der Hühner, nur ist sie noch etwas flacher. Der Wölbungsunterschied der beiden Flächen ist gering, immerhin ist aber der Krümmungsradius der vorderen Fläche etwas größer als der der hinteren. Der Äquator ist deutlich markirt und die Äqua- torialebene fällt etwas vor das Centrum der Linse. Aus den vier Zeitschrift f. wiss. Zoologie. LXV. Bd. Zu Seite 324. 3 Textfig. 34. Wellensittich (Melopsittacus undulatus). Textfig. 33. Halsbandsittich (Palaeornis torquatus). Textfig. 35. Ente (Anas boschas dom.). Textfig. 36. Textfig. 37. Gans (Anser einereus). Haushuhn (Gallus domesticus). a b Textfig. 38. Birkhuhn (Tetrao tetrix). T Textfig. 39. Textfig. 40 a—d. Haustaube (Columba domestica). Haselhuhn (Bonasia sylvestris). Die Figuren 33— 53 sind bei ein und derselben Vergrößerung gezeichnet. Textfig. 43. Textfig. 41. Krähe (Corvus corone). Hühnerhabicht (Astur palumbarius). Textfig. 45. Stieglitz (Carduelis elegans). Textfig. 46. Feldammer (Emberiza hortulana). Textfig. 44. 3 Nussheher (Garrulus glandarius). - Textfig. 42. ns Be Steinkäuzchen (Athene noctua) une Jaraız i vulgaris). Textfig. 48. Textfig. 49. Textfig. 50. Textfig. 51. Buchfink (Fringilla Feldlerche (Alauda Uferschwalbe (Hirundo Rauchschwalbe (Hirundo coelebs). arvensis). riparia). rustiea). Über den Bau und die Entwieklung der Linse. II. 335 Skizzen ist zu entnehmen, wie groß der Grad der individuellen Ver- schiedenheit ist; die Linsen waren zu gleicher Zeit und in der gleichen Flüssigkeit fixirt worden, und doch weisen sie sowohl in der Wölbung ihrer Flächen, als in der Länge ihrer Durchmesser er- hebliche Unterschiede auf. Ich weiß nicht, ob und in wie weit diese Unterschiede verschiedenen Accommodationszuständen entsprechen. Trotz ihrer Verschiedenheit sind sie aber alle sofort als Taubenlinsen erkennbar und von allen anderen Vogellinsen unterscheidbar. Die Linsen der Raubvögel scheiden sich in zwei Gruppen. Die der Tagraubvögel (Textfig. 41) sind vorn und hinten fast plan und nur in der Mitte springt auf beiden Flächen ein kleiner Buckel hervor. Der Buckel der Hinterfläche ist etwas größer als der der Vorder- fläche. Der Äquator ist in keiner Weise markirt. Bei den Nachtraub- vögeln dagegen (Textfig. 42) sind beide Flächen ziemlich stark ge- wölbt; die vordere stärker als die hintere. Der Äquator ist deut- lich erkennbar und die durch ihn gelegte Ebene schneidet die Achse hinter dem Centrum der Linse. Zugleich zeichnen sich diese Linsen durch ihre außerordentliche Größe aus. Ein Steinkäuzchen ist bekannt- lich kaum srößer als eine Taube, und doch haben seine Linsen ein Volum, das das der Taubenlinsen um mehr als das Fünffache übertrifft. Es erinnert uns diese Thatsache an die außerordentliche Größe der Linsen des Gecko und der Chimaera und legt uns die Vermuthung nahe, dass dieser Erscheinung eine gemeinsame Ursache zu Grunde liegen könnte Nun sind die Eulen und der Gecko bekanntlich nächtliche Thiere, und auch Chimaera kann in gewissem Sinne als solches bezeichnet werden; denn sie lebt in großen Tiefen, in Tiefen, in welche nur wenig Licht dringt. Bei absolutem Mangel an Licht bilden sich die Linse und das ganze Auge zurück, sie werden rudi- mentär und die Thiere erblinden; bei geringer Lichtmenge dagegen nimmt die Linse mitunter ganz kolossale Dimensionen an und, da gleichzeitig die Pupille ungemein weit oder wenigstens erweiterungs- fähig wird, so wird dadurch die Möglichkeit gegeben, dass eine relativ große Menge von Lichtstrahlen in das Auge dringt. Ganz allgemein scheint aber diese Beziehung zwischen der Lebensweise der Thiere und der Größe ihrer Linsen nicht zu sein. Wenigstens wird angegeben, dass der Kiwi ein nächtliches Leben führe, und doch sind, wie erwähnt, seine Linsen relativ klein. Ich werde auf diesen Gegenstand in den allgemeinen Betrachtungen wieder zurückkommen. Die Linsen der Gangvögel sind alle vorn und hinten mehr oder weniger abgeflacht. Dabei springt häufig auf beiden Flächen oder 22% 326 Carl Rabl, nur hinten ein kleiner Buckel vor. So verhalten sich nicht bloß die großen Formen, wie die Krähe (Textfig. 43) und der Nussheher (Textfig. 44), sondern auch die kleinen, vor Allem die Singvögel, wie der Feldammer (Textfig. 46), der Gimpel (Textfig. 47) und der Buch- fink (Fig. 48). Beim Stieglitz fand ich sogar einmal die Vorder- fläche mäßig konkav (Textfig. 45); in einem zweiten Fall war sie aber ganz plan. Typisch planparallele Linsen besitzt die Feldlerche (Textfig. 49). Der AÄquator ist ausnahmslos abgerundet; seine Wöl- bung fällt entweder nach vorn und hinten gleichmäßig ab oder nach hinten steiler als nach vorn. Ganz merkwürdig sind die Linsen der Schwalben und nament- lich der Segler geformt. Schon bei der Untersuchung der Rauch- und der Uferschwalbe fiel es mir auf, dass die Linsen nur in einer ganz bestimmten Ansicht symmetrische Bilder geben (Textfig. 50 u. 51); ich achtete nun bei der Untersuchung einer Hausschwalbe d d en \ en Textfig. 52 4—C. Stadtschwalbe (Hirundo urbica). 4, Oral- oder Caudalansicht. 2, Ventralansicht. C, Ansicht vom medialen Pol. d dorsal, v ventral, o oral, c caudal. Ü genauer darauf und erhielt in Oral- oder Caudalansicht das Bild der Textfig. 52 A, in Ventralansicht dagegen das der Textfig. 52B. Die beiden Skizzen sind, wie alle bisherigen, so orientirt, dass die äußere Fläche nach links, die innere nach rechts gekehrt ist. Vom medialen Pol aus betrachtet, sieht die Linse so aus, wie sie in der Textfig. 52C gezeichnet ist. Die Linse ist also nicht vollkommen radiär-symmetrisch, der Äquator ist kein Kreis und der Dorsoventral- durchmesser ist um eine Spur länger als der Durchmesser in oral- caudaler Richtung. — Noch viel auffallender ist aber die Asymme- trie an den Linsen des Mauerseglers. Dieselben geben in einer Ansicht das Bild der Textfig. 53 A, in der darauf senkrechten Rich- tung das der Textfig. 552. In der Ansicht von der medialen Fläche Über den Bau und die Entwieklung der Linse. II. 397 sehen sie so aus, wie sie die Textfig. 53C zeigt. Äußere und innere Fläche der Linse sind also plan oder nahezu plan (vgl. Textfig. 52 ), sie stehen aber nicht parallel zu einander, sondern schief. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass die Skizzen die wahre Form der Linsen richtig wiedergeben. Denn abgesehen davon, dass beide Linsen genau die gleiche Asymmetrie zeigten, konnte ich mich, nachdem ich vor der Fixirung den Bulbus im Äquator durchschnitten hatte, mit voller Sicherheit überzeugen, dass die Linse auch im frischen Zu- stande die in der Skizze Textfig. 53 C wiedergegebene Form zeigte. — Diese Linsen gehören wohl zu den merkwürdigsten, die sich. denken lassen: Linsen ohne radiäre Symmetrie, mit schief gegen einander sestellten Endflächen. Es scheint mir, dass es möglich sein müsste, bei den Schwalben und Seglern die Linse des rechten Auges von der des linken zu unterscheiden. Leider kann ich aber darüber nichts Bestimmtes mit- — SEHE an I en Er a Er ee \ 2 ı \ a x / \ A B C Textfig. 53 A—C. Mauersegler (Cypselus apus). 4A, Seitenansicht. B, senkrecht darauf. C, Polansicht. theilen. Wie wir sehen werden, bestehen Gründe zur Annahme, dass auch bei den anderen Vögeln die Form der Linse nieht immer eine sanz genau radiär-symmetrische ist; jedoch ist hier die Störung der Symmetrie eine so unbedeutende, dass sie bei der Betrachtung der Linse von außen nicht in die Augen fällt. Wenn wir die Linsen der Vögel nach ihrer Form in eine Reihe bringen wollen, so müssen wir an das eine Ende die Linsen des Kiwi und der Papageien stellen, die noch den Eidechsentypus rein zur Anschauung bringen, an das andere die Linsen der Segler, die sich von dem gewöhnlichen Typus einer Wirbelthierlinse möglichst weit entfernen. 328 Carl Rabl, An keiner der untersuchten Linsen war eine Naht zu sehen; die Linsenfasern treten also, ähnlich wie bei den Sauriern, sich all- mählich verjüngend, vorn und hinten mit ihren zugespitzten Enden direkt an die Linsenachse heran. Die Maße der untersuchten Linsen und die daraus berechneten Indices sind folgende: Äquat. Durchm. en Achse in mm Index Palaeornis torquatus ... ... 4,82 3,41 1,41 Melopsittacus undulatus . ... 3,03 2,34 1,29 Anas boschas domest. .... 7,19 5,53 1,30 Anserscinereuse 0 6,49 4,55 1,42 Gallus domesticus 2.0.02 5,69 3,63 1,56 etraodtetiix.., a Kar 7,30 4,14 1,76 bonasia, sylvestas za 6,14 3,45 1418 Columbia livia domestica «a . 5,46 3,36 1,62 ; ; Di 525 3,25 1,61 > > > 6 22.4486 3,26 1,49 > » > d. 4,93 3,24 152 stur palumbarıuse. > 8,44 5,83 1,44 \chenenoettae ir 9,03 6,07 1,48 Oruszsylwesms man 11,50 9,00 4627, Coryus eononer ren 8,09 4,91 1,64 Garrulus glandarius. ..... 6,62 4,21 1,57 Carduelis elesans .. ..... 3,18 1,80 1,76 Bmberiza hormlana. 4,24 259 1,68 Pyrıchula vnleaus 020022 4,41 2,76 159° Keineillarcoelebs2 27: 4,05 2,50 1,62 Alauda arvensis......... 4,46 2,67 1,67 Hivundorsipaua ce 4,41 2,47 1,78 >» rustiea eu. 2 ar 4,24 2,56 1,65 > urbiea ne ne were (4,68) 4,55 2,45 1,851 Cypselussapus 0 ee (5,89) 5,49 3,30 1,66 Da die Indices nur das Verhältnis der beiden Durchmesser zum Ausdruck bringen, so ist klar, dass zwei oder mehrere Linsen bei sleichem oder nahezu gleichem Index doch sehr verschiedene Formen besitzen können. So haben denn auch z. B. die Linsen des Hals- i Der Berechnung des Index ist bei Hirundo urbieca und Cypselus apus der kürzere Aquatorialdurchmesser zu Grunde gelegt. Über den Bau und die Entwicklung der Linse. II. 3929 bandpapageis, der Gans und des Hühnerhabichts nahezu den gleichen Index, und doch ist ihre Form sehr verschieden; dasselbe gilt von den Linsen des Wellenpapageis und der Waldeule oder von den Linsen des Birkhuhns und des Stieglitzes. Wie sehr schon eine gerinee Änderung der Form den Index beeinflusst, sicht man an dem Beispiel der Haustaube; obwohl die vier skizzirten Linsen wesent- lieh die gleiche Form besitzen, schwanken doch ihre Indices zwi- schen 1,49 und 1,62 mm. — Trotz der großen Verschiedenheit der Form zeigen die Vogel- linsen doch eine weitgehende Übereinstimmung des inneren Baues. Es dokumentirt sich darin wieder die schon von vielen Seiten her- vorgehobene »auffallende Einförmigskeit der inneren Organisation« dieser Thierklasse (HAEcKEL). Linsen, wie die der Schlangen, mit einem Epithelpolster an der äußeren Fläche, fehlen hier ganz; aber auch Linsen mit so geringem Ringwulst, wie sie z. B. die Krokodile besitzen, kommen bei den Vögeln nicht vor. Von allen untersuchten Linsen besitzen die des Kiwi den klein- sten Ringwulst. Derselbe hat eine Höhe von 0,07 und eine Breite von etwa 0,43 mm. Höhe und Breite verhalten sich also zu einan- der wie 1: 6,1. Der Äquatorialdurchmesser war an den beiden Linsen schwer mit Sicherheit zu bestimmen; ich schätze ihn auf ungefähr 3,2 mm. Der Ringwulst erreicht seine größte Höhe etwas hinter der Mitte; seine Zellen scheinen nur zum Theil an ihrem unteren Finde in kolbenförmige Anschwellungen überzugehen,; die Kerne liegen dem äußeren Ende der Zellen näher als dem inneren. Zwischen- durch kommen aber auch Zellen vor, deren Kerne in der Mitte ihrer Höhe liegen. Von den Carinaten kommen die Papageien im Bau ihrer Linse dem Kiwi am nächsten. Beim Wellenpapagei hat das Epithel in der Mitte der Vorderfläche eine Dicke von 0,003 mm; dabei sind die Zellen etwa drei- bis viermal so breit als hoch. Gegen den Ringwulst nimmt die Dieke des Epithels so gleichmäßig zu, dass es ganz unmöglich ist, eine bestimmte vordere Grenze des ersteren zu ziehen. In demselben Maße, als die Höhe der Zellen zunimmt, nimmt ihre Breite ab. Wie bei den Eidechsen, ist auch bei den Papageien der Ringwulst der Linsenfasermasse von außen und vorn her aufgesetzt (vgl. Textfig. 55). Fig. 1, Taf. XIV zeigt denselben vom Wellenpapagei bei schwacher Vergrößerung. Man kann an dem- selben drei Abschnitte unterscheiden, jedoch ist zu bemerken, dass dieselben ohne scharfe Grenze in einander übergehen. Der erste 330 Carl Rabl, oder vordere Abschnitt besteht aus prismatischen Zellen, deren Höhe nach hinten allmählich zunimmt und deren Breite ihrer ganzen Höhe nach ungefähr die gleiche bleibt. Der zweite zeichnet sich dadurch aus, dass seine Zellen zu langen Fasern ausgewachsen sind, die an ihren unteren Enden in kolbenförmige Anschwellungen übergehen. Dieser Abschnitt baut weitaus die Hauptmasse des ganzen Ring- wulstes auf. Der dritte endlich, der den Übergang zu den eigent- lichen Linsenfasern vermittelt, ist durch die relativ bedeutende Breite der Zellen, sowie dadurch charakterisirt, dass diesen, wie im ersten Abschnitt die kolbenförmigen Anschwellungen fehlen. Der Ringwulst erreicht seine größte Höhe etwas vor dem Äqua- tor der Linse. Das Verhältnis seiner Höhe zur Breite beträgt bei Melopsittacus 1: 4,1, bei Palaeornis 1: 3,2; er ist also bei jenem ungefähr viermal, bei diesem etwa dreimal so breit als hoch. Taf. XIV, Fig. 2 zeigt einige Ringwulstfasern bei stärkerer Vergrößerung; ihre Kolben sind so durch einander geschoben, dass es ganz unmöglich ist, eine einzelne Faser kontinuirlich von ihrem Anfang bis zu ihrem Ende zu verfolgen. Gegen den Scheitel des Ringwulstes zeigen die Fasern eine eben merkbare Konvergenz. Im Übrigen sind sie fast durchweg so gekrümmt, dass ihre Konkavität nach vorn sieht. Die Kerne der Ringwulstfasern liegen dicht unter der Kapsel; nur am Scheitel entfernen sie sich etwas von der Oberfläche. Sie sind kugelig und enthalten eine größere nucleolenartige Chromatinmasse. Das Protoplasma der Fasern lässt eine zarte Längsstreifung erkennen. Das Hinterende des Ringwulstes, das den Übergang zu den eigentlichen Linsenfasern vermittelt, habe ich in Fig. 3, Taf. XIV bei starker Vergrößerung gezeichnet. Das Bild erinnert sehr an das der Saurierlinsen (vgl. Taf. XII, Fig. 11 und 12), unterscheidet sich aber von ihm durch die beträchtliche Breite der Zellen. Auffallend sind die welligen Kontouren der jungen Linsenfasern; indessen glaube ich nicht, dass darauf ein größerer Nachdruck zu legen ist. Das Protoplasma der hintersten Ringwulstzellen enthält ein ungemein feines Fadenwerk, das der Hauptmasse nach schief durch die Zellen zieht, während die zarten Fäden, die in den jungen Linsenfasern zu sehen sind, einen longitudinalen Verlauf zeigen. Wie die Anschnitte der Linse lehren, sind die Zellen an der hinteren Grenze des Ringwulstes zu meridionalen Reihen geordnet. Bei der Ente und der Gans ist zwar der Ringwulst, wie wir noch sehen werden, relativ schwächer (vgl. Textfig. 56) als bei den Papageien, zeigt aber entschieden einen höheren Grad der Differen- Über den Bau und die Entwicklung der Linse. II. 331 zirung. Dies gilt vor Allem von der Ente, die sich in Beziehung auf den Bau und die Ausbildung des Ringwulstes höher stellt als die Gans. Bei dieser ist der Ringwulst etwas kleiner als bei der Ente. Höhe und Breite desselben stehen aber bei beiden ungefähr in dem gleichen Verhältnis; dasselbe dürfte etwa 1: 4,7 betragen. Bei beiden Formen kann man, wie bei den Papageien, am Ring- wulst drei Abschnitte unterscheiden, von denen wieder der mittlere weitaus der stärkste ist. Aber auch hierin zeigt sich zwischen Gans und Ente ein Unterschied. Der Ringwulst der Gans besitzt eine größere Ähnlichkeit mit dem der Papageien als der der Ente. Es sind nämlich die Kolben und Spindeln an den Ringwulstfasern der Gans weniger ausgebildet als bei der Ente. Hier zeigen sie schon wesentlich dasselbe Aussehen wie bei den Hühnern und Tauben, von welch’ letzteren ich weiter unten eine genaue, durch Abbildungen erläuterte Beschreibung geben werde. Ähnlich, wie bei den Papageien, lassen auch bei der Ente die Fasern in der Mitte des Ringwulstes eine deutliche Konvergenz gegen den Scheitel erkennen. An der Epithelgrenze besitzen die Zellen bei der Gans eine Höhe von 0,09, bei der Ente eine solche von 0,07 mm. Die Kerne entfernen sich weiter von der Kapsel, als bei den Papageien, und zwar bei der Gans mehr als bei der Ente. Überall sind sie am Scheitel des Ringwulstes am tiefsten gelegen. Beim Übergang ins gewöhnliche Linsenepithel, also am Vorderende des Ringwulstes, liegen sie etwa in halber Höhe der Zellen, ja sie können hier fast ganz an die freie Seite rücken. Eine eigenthümliche Missstaltung habe ich einmal am Ringwulst einer Ente beobachtet, eine Missstaltung, die ich nicht besser charak- terisiren kann, als indem ich sie mit dem in der Geologie gebräuch- lichen Ausdruck einer Verwerfung bezeichne. Der Ringwulst war an einer Stelle, etwa an der Grenze zwischen erstem und zweitem Abschnitt, unterbrochen, und in die Lücke schob sich von vorn und unten eine wellenförmig gebogene Platte, die ihrerseits wieder aus Ringwulstfasern bestand und die den Defekt vollständig ausfüllte. Ein Fehler bei der Fixirung konnte mit Sicherheit ausgeschlossen wer- den, und es blieb daher keine andere Annahme übrig, als dass auf die Linse vor längerer Zeit ein Trauma eingewirkt hatte, das zu einer Kontinuitätstrennung des Ringwulstes und im weiteren Ver- laufe zur Narbenbildung an der verletzten Stelle geführt hatte. Bei den hühnerartigen Vögeln nimmt der Ringwulst stets einen größeren Antheil an dem Aufbau der ganzen Linse als bei der Gans 332 Carl Rabl, und der Ente (vgl. Textfig. 57). Auch ist seine Form oder seine (uerschnittsfigur eine andere. Bei den von mir untersuchten Schwimm- vögeln ist der Ringwulst fast fünfmal so breit als hoch, bei den Hühnern dagegen nur dreieinhalb bis viermal. Der Ringwulst ist also hier relativ höher als dort. — Zwischen den einzelnen Arten der Hühner bestehen hierin nur unwesentliche Differenzen. Von den drei Abschnitten des Ringwulstes nimmt wieder der mittlere weitaus den größten Raum em. Er hält sich in der Ausbildung der Spin- deln ungefähr in der Mitte zwischen Gans und Ente, indem diesel- ben zahlreicher sind als bei der Gans, aber nicht ganz so zahlreich wie bei der Ente. Nur an einer Stelle des Ringwulstes stehen sie so dicht oder vielleicht noch dichter als bei dieser. Diese Stelle fällt ungefähr mit der größten Dieke des Ringwulstes zusammen; hier trifft man Anschwellungen nicht bloß an den unteren Enden der Ringwulstfasern, sondern auch in ihrem Verlauf, ja sogar, wiewohl nur in ganz vereinzelten Fällen, dicht unterhalb der Kerne. Die Fasern des Ringwulstes zeigen dort, wo dieser am stärksten aus- gebildet ist, noch eine andere Eigenthümlichkeit. Sie besitzen dieht unter der Kapsel, also an ihren basalen Enden, eine nahezu homo- sene Beschaffenheit und zeichnen sich hier zugleich durch ihr star- kes Lichtbrechungsvermögen aus, während im Übrigen ihr Proto- plasma ein ungemein feinfaseriges Gerüst enthält und in Folge dessen ein fein granulirtes Aussehen besitzt. — Die Kerne des Ringwulstes entfernen sich beim Haushuhn in den zwei vorderen Dritteln ziemlich weit von der Kapsel; etwa an der Grenze zwischen mittlerem und hinterem Drittel nähern sie sich aber mehr der Oberfläche und blei- ben in dieser Lage bis zum Übergang in die eigentlichen Linsen- fasern. Beim Birkhuhn liegen sie in den zwei vorderen Dritteln des tingwulstes viel näher der Kapsel als beim Haushuhn, und entfernen sich überhaupt nur am Scheitel des Wulstes etwas weiter von der Oberfläche. Aquatorialschnitte durch die Linsen der Hühner geben sehr merk- würdige Bilder. Man sieht nämlich, dass sich die Ringwulstfasern von Stelle zu Stelle mit ihren verdiekten, kolbigen Enden gegen einander kehren, beziehungsweise von einander abwenden, so dass es zu sehr eigenthümlichen Bildungen kommt, die den Eindruck von Wirbeln machen, und die sich in regelmäßigen Abständen am ganzen Ringwulst wiederholen. Die Zahl dieser Wirbel entspricht der Zahl der Ciliarfortsätze, und schon diese Thatsache allein legt die Ver- muthung nahe, dass die Wirbel der Beziehung der Ciliarfortsätze Über den Bau und die Entwicklung der Linse. I. 333 (3) zum Ringwulst ihre Entstehung verdanken. — Den gleichen Bil- dungen begegnet man in den Linsen fast aller Vögel, nur sind die- selben nicht überall mit gleicher Schärfe ausgeprägt. Ich werde weiter unten wieder darauf zurückkommen. Eingehender will ich den Ringwulst der Taube besprechen, wie ich überhaupt die Taubenlinse als Paradigma der Vogellinsen be- handeln möchte. Dazu eignet sie sich aus zwei Gründen: erstens ist sie ein jeder Zeit leicht zu beschaffendes Untersuchungsobjekt, und zweitens ist der Ringwulst sehr gut und kräftig entwickelt und zeigt alle Rigenthümlichkeiten, welche den Ringwulst eines Vogels aus- zeichnen. | Das Epithel ist auf der Vorderfläche etwas dicker, als es sonst hier getroffen wird, und kann eher als niedriges kubisches, denn als Plattenepithel bezeichnet werden. Seine Zellen besitzen eine Höhe von 0,007 mm bei einer Breite von ungefähr 0,011 mm. Diese Be- schaffenheit behält das Epithel auf einer Fläche von ungefähr 2,5 mm Durchmesser bei. An der Grenze dieser Fläche werden die Zellen rasch höher und gehen damit in den Ringwulst über. Dieser zeigt ein höchst eigenthümliches Verhalten. Schon bei ganz schwacher Vergrößerung fällt es auf, dass die beiden Durch- schnitte durch den Ringwulst, welche man auf einem Meridional- schnitt erhält, einander nicht vollkommen entsprechen (vgl. Textfig. 58). Noch viel schärfer tritt aber diese Differenz bei stärkerer Vergrößerung hervor. Ich habe beide Durehschnitte _ skizzirt, dann die eine Skizze umgekehrt und über die andere gezeichnet (Text- Textfig. 54. figur 54). Der Ringwulst | ist also nicht in der ganzen Cirkumferenz der Linse von der gleichen Stärke, sondern lässt, ganz im Allgemeinen gesprochen, eine dünne und eine dieke Hälfte unterscheiden. Beide Hälften gehen aber kontinuirlich und ganz allmählich in einander über. Ich wurde auf diese Eigenthümlichkeit erst gegen den Schluss meiner Untersuchungen aufmerksam, nachdem ich sie bei anderen Formen, bei denen sie viel mehr in die Augen springt, gefunden hatte; ich weiß daher nicht, ob die dicke Stelle des Ringes dorsal oder ventral, oder aber rostral oder caudal gelegen ist. Die Differenz in 394 Carl Rabl, der Dieke ist immerhin gering genug, um die radiäre Symmetrie der Linse nicht in auffälliger Weise zu stören. Die Breite des Ringwulstes ist stets zweieinhalb- bis dreimal so sroß als die Höhe. Abgesehen von der Asymmetrie des Ringwulstes fiel mir noch auf, dass derselbe in seinen gröberen Verhältnissen ziemlich be- trächtlichen individuellen Schwankungen unterliegt. Die Maße, welche ich später in einer tabellarischen Übersicht mittheilen werde, mögen zur Erläuterung des Gesagten dienen. Der feinere Bau des Ringwulstes ist aber immer der gleiche. Fig. 4, Taf. XIV zeigt uns den Ringwulst der Taube bei ungefähr 200facher Vergrößerung. Man sieht zunächst, wie derselbe von vorn nach hinten allmählich anwächst, um etwas hinter der Mitte seiner Länge seine größte Höhe zu erreichen, und wie er von da bis zur Epithelgrenze ziemlich rasch wieder abfällt. Sein Scheitel fällt mit dem Äquator zusammen. Wie bei allen Vögeln lassen sich auch am Ring- wulst der Taube drei Abschnitte unterscheiden. Der erste (a), dessen vorderstes, in das gewöhnliche Linsenepithel übergehendes Ende nicht mehr in die Zeichnung fällt, charakterisirt sich durch den Mangel der spindelförmigen Auftreibungen und kolbigen Anschwellungen seiner Fasern. Der zweite (d), der, wie überall, die Hauptmasse des Wulstes bildet, zeichnet sich durch die ungemein reiche Entwicklung dieser Auftreibungen und Anschwellungen aus, und der dritte, kleinste (c), der zu den eigentlichen Linsenfasern hinüberführt, lässt diese Anschwellungen wieder mehr oder weniger vermissen. Verfolgen wir die Kerne von vorn nach hinten, so sehen wir, dass sie am vorderen Ende des Ringwulstes alle in gleicher Höhe liegen. Sie sind zunächst in der Mitte der Zellen gelegen, kommen aber in demselbe Maße, als sich die Zellen zu Fasern verlängern, dem äußeren Ende näher zu liegen als dem inneren. In den vorder- sten der in der Zeichnung dargestellten Zellen liegen sie schon unge- fähr an der Grenze zwischen äußerem und mittlerem Drittel. Dabei entfernen sie sich aber immer mehr von der Oberfläche, und gleich- zeitig löst sich die einfache Reihe, die sie bilden, auf, so dass wir statt von einer Kernreihe nur noch von einer Kernschicht sprechen können. Diese nimmt nach hinten in demselben Maße an Dicke zu, als sie sich von der Oberfläche entfernt. Es hängt dies damit zu- sammen, dass die Fasern um so dünner werden, je länger sie wer- den, so dass also die Kerne nicht mehr in einfacher Reihe Platz finden. Am Scheitel des Ringwulstes nähern sie sich aber wieder Über den Bau und die Entwicklung der Linse. II. -335 der Oberfläche, um sich hinter demselben abermals von ihr zu ent- fernen. Nun ordnen sie sich allmählich wieder zu einer einfachen Reihe, welche um so näher an die Oberfläche tritt, je kürzer die Fasern werden und je mehr sie sich der Epithelgrenze nähern. Zugleich werden die Abstände, in denen die Kerne auf einander folgen, größer, was wieder mit der Zunahme der Dicke der Fasern im Zusammenhange steht. Die Kerne besitzen überall wesentlich die gleiche Beschaffenheit. Stets haben sie eine kugelige Form, enthalten ein zartes Chromatin- serüst mit einer größeren nucleolenartigen Anschwellung und färben sich mit den gebräuchlichen Färbemitteln viel weniger, als die Kerne des gewöhnlichen Linsenepithels oder die Kerne der jungen eigent- liehen Linsenfasern. Am. blassesten erscheinen sie am Scheitel des Ringwulstes und unmittelbar vor demselben. Die Fasern des Ringwulstes stellen im ersten Abschnitt lang- sestreckte, auf dem Querschnitt zumeist sechsseitige Prismen dar. Ihr Protoplasma lässt eine zarte Längsstreifung erkennen. Ihre äußeren Enden zeigen eine mehr homogene Beschaffenheit und gren- zen sich durch sehr scharfe Linien, die den Eindruck feiner Spalten machen, von einander ab. Unterhalb der Kerne erscheint das Proto- plasma etwas dichter als sonst. — Der zweite Abschnitt des Ring- wulstes zeichnet sich, wie gesagt, durch die spindel- oder kolben- förmisen Anschwellungen seiner Fasern aus. Die Anordnung und Vertheilung derselben ist dabei nicht überall die gleiche, sondern zeigt, wie auch aus der Zeichnung zu ersehen ist, gewisse Eigen- thümlichkeiten. In der vorderen Hälfte des mittleren Abschnittes sind sie zahlreicher und stehen dichter als in der hinteren. — Es ist ganz unmöglich, auf dem Schnitt eine Faser kontinuirlich von ihrem Anfang bis zu ihrem Ende zu verfolgen. Ich habe daher ver- sucht, mir auf andere Weise einen Einblick in den Bau der Fasern zu verschaffen; leider haben aber alle Versuche fehlgeschlagen. Im frischen Zustande ist der Ringwulst zerfließlich weich und lässt sich daher nicht zerzupfen, auch nicht, wenn man schwachen Alkohol zusetzt; im gehärteten Zustande aber ist er so spröde und bröcklig, dass jeder Versuch, die Fasern durch Zupfen zu isoliren, illusorisch wird. Ich glaube aber doch zu der Annahme berechtigt zu sein, dass der Bau der Fasern der ist, den ich auf Taf. XIV, Fig. 5 schematisch zur Darstellung gebracht habe. Ich bin also der An- sicht, dass jede Faser in ihrem Verlauf mehrmals spindelförmig anschwillt und schließlich mit einem Kolben endist. Nur an der 396 Carl Rabl, Grenze gegen den ersten und dritten Abschnitt des Ringwulstes ist die Zahl der Spindeln eine geringere, und die Fasern gehen zum Theil auch nur an ihren unteren Enden in einen Kolben über, ohne während ihres Verlaufes eine Anschwellung zu erfahren. Die Spindeln haben zwar bei allen Vögeln ungefähr den gleichen Bau, unterscheiden sich aber in den einzelnen Arten und Ordnungen vor Allem durch ihre Zahl und Größe. Besonders großen Spindeln begegnet man bei den Tagraubvögeln, und das ist auch der Grund, wesshalb ich hier der Beschreibung des Ringwulstes dieser Formen etwas vorgreife, indem ich auf eine Zeichnung verweise, welche einige Spindeln des Hühnerhabichts bei starker Vergrößerung (Apochr. Ölimm. Zeiss 2,0 mm) vorführt (Fig. 7, Taf. XIV). An den Spindeln fällt vor Allem auf, dass sie an ihrem äußeren Ende wesentlich an- ders aussehen als an ihrem inneren. Ihre Substanz erscheint außen fast ganz homogen und färbt sich mit Boraxkarmin ganz gleichmäßig und zugleich fast so intensiv wie die Zellkerne. Darauf folgt eine Strecke, welche ein mehr oder weniger feinkörniges Aussehen besitzt. Vermuthlich sind die scheinbaren Körnchen nichts Anderes, als die optischen Schief- und @Querschnitte sehr zarter Protoplasmafäden. Nach unten hört dann allmählich die Granulirung auf, und den Schluss macht eine ganz helle, homogene, ungefärbte Partie. Zu- weilen sieht es aber aus, als ob durch die Mitte einer Spindel ein sehr dünner, aus ungemein feinen Fibrillen bestehender Protoplasma- strang zöge. — Nach außen und innen setzen sich die Spindeln in derbere Stränge fort, die sich zuweilen ziemlich intensiv färben und sewöhnlich eine An Irre Längsstreifung erkennen lassen. Die Kolben, in welche die Ringwulstfasern an ihren unteren Enden en besitzen genau denselben Bau wie die Spindeln. Indem ich nun wieder zum Ringwulst der Taube zurückkehre, mache ich auf zwei Eigenthümlichkeiten aufmerksam, welche seine Spindeln und Kolben zeigen. Erstens sieht man unter der Mitte des Ringwulstes sehr zahlreiche Schief- und Querschnitte von Kolben und vielleicht auch von Spindeln; und zweitens bemerkt man, dass die Kolben und Spindeln gegen eine senkrecht vom Scheitel des Ringwulstes herabgezogene Linie eine deutliche Konvergenz zeigen. Beide Eigenthümlichkeiten werden einigermaßen verständlich, wenn man AÄquatorialschnitte durch die Linse zum Vergleiche heranzieht. Ein Stück eines solchen, der ziemlich genau durch den Äquator geht, führt uns die Fig. 1, Taf. XV vor Augen. An demselben bemerken wir in erster Linie, dass die Oberfläche des Ringwulstes zahlreiche Über den Bau und die: Entwicklung der Linse. II. 3a seichte, in ziemlich regelmäßigen Abständen sich wiederholende Ein- drücke besitzt, und dass diese Eindrücke den Ciliarfortsätzen (cf) genau entsprechen. Ferner sehen wir, dass die Kernschicht wellen- förmige Biegungen macht, und dass die Wellenberge den Zwischen- räumen zwischen den Ciliarfortsätzen, die Wellenthäler der Mitte derselben entsprechen. Zum Verständnis dieses Verhaltens der Kern- schieht ist es nothwendig, das Verhalten der äußeren Faserenden zu beachten. Wie Meridionalschnitte lehren, sind nämlich diese ent- sprechend den Wellenbergen nach vorn im Winkel abgeknickt (Fig. 2, Taf. XV), ein Umstand, auf den in der bei schwacher Ver- erößerung gezeichneten Fig. 4, Taf. XIV nicht Rücksicht genommen ist. Endlich fällt uns auf, dass in der Tiefe des Ringwulstes zwi- schen den Kolben und Spindeln radiär gestellte Spalten vorhanden sind, gegen welche die Kolben und Spindeln konvergiren. Wir können uns leicht überzeugen, dass diese Spalten den Wellenbergen der Kern- schicht und somit auch den Zwischenräumen zwischen den Ciliar- fortsätzen entsprechen. Die Kolben und Spindeln der Ringwulstfasern bilden also Wirbel, welche in eben so regelmäßigen Abständen auf einander folgen, wie die Ciliarfortsätze, die an den Scheitel des Ring- wulstes herantreten. Wenn wir alle diese Momente zusammenhalten: die regelmäßige Aufeinanderfolge der Ciliarfortsätze, die Impressionen an der Ober- fläche, die wellenförmigen Biegungen der Kernschicht und die Bildung der Wirbel in der Tiefe des Ringwulstes, so können wir, wie mir scheint, kaum darüber einen Zweifel haben, dass sie alle mit einander in ursächlichem Zusammenhange stehen. Wir können nicht umhin anzunehmen, dass die Ciliarfortsätze auf den Ringwulst einen Druck ausüben, dass in Folge dieses Druckes die Impressionen an der Oberfläche und die wellenförmigen Verbiegungen der Kern- schicht entstehen, und dass die Ringwulstfasern, indem sie diesem Drucke auszuweichen suchen, sich mit ihren Kolben und Spindeln zu jenen eigenthümlichen Wirbeln an einander legen. Wir dürfen aber auch, wie wir sehen werden, annehmen, dass dieser Druck sich vom Ringwulst auf die von ihm umschlossene Linsenfasermasse fortpflanzt und dass diese unter dem Einflusse desselben in toto ihre Form ver- ändert. — So werden wir also zu dem Schlusse geführt, dass der Ringwulst, indem er den Druck, der von den Ciliarfortsätzen auf die Linse ausgeübt wird, auf die Linsenfasermasse überträgt, bei den Ge- staltveränderungen der Linse während der Accommodation eine wich- tige Rolle spielt. Diese Rolle kann nur eine Art Vermittlerrolle sein, 388 Carl Rabl, und zwar um so mehr, als der Ringwulst für die Lichtbrechung direkt nicht in Betracht kommen kann. Denn dieser ist selbst bei ad maximum erweiterter Pupille von der Iris bedeckt, wird also von den einfallen- den Lichtstrahlen nicht getroffen, und für die Refraktion kann daher einzig und allein nur die eigentliche Linsenfasermasse wirksam sein. Die Äquatorialschnitte lehren uns aber auch, wie erwähnt, ge- wisse Eigenthümlichkeiten der Meridionalschnitte verstehen. Wenn ein solcher, wie dies bei dem Schnitt der Fig. 4, Taf. XIV der Fall ist, gerade zwischen zwei Ciliarfortsätzen durchgeht, so wird die Kernschicht sehr nahe an die Oberfläche treten; es wird aber auch in der Tiefe des Ringwulstes eine große Menge von Spindeln und Kolben schief getroffen werden müssen. Ich habe schon früher mitgetheilt, dass ich die gleiche Wirbel- bildung, wie bei der Taube, auch bei den hühnerartigen Vögeln ge- funden habe, und derselben Erscheinung werden wir auch in den folgenden Ordnungen begegnen. Schon diese weite Verbreitung allein nöthigt zu dem Schluss, dass derselben eine wichtige funktionelle Be- deutung zugesprochen werden muss. Ich gehe nun zur Beschreibung des dritten Abschnittes des Ring- wulstes über (Taf. XIV, Fig. 4c). Hier werden die Fasern allmäh- lich kürzer und dicker; spindelförmige Anschwellungen kommen höchstens noch an der Grenze gegen den mittleren Abschnitt vor. Dagegen scheinen auch hier noch an den unteren Enden der Fasern Kolben vorhanden zu sein; freilich sind diese gegen die Fasern ge- wöhnlich ziemlich scharf abgegrenzt, eine Erscheinung, die sich indessen vielleicht daraus erklären dürfte, dass die Kolben schief abgeschnitten sind. Wenigstens scheinen mir gewisse Bilder, die ich am hinteren Ende des Ringwulstes des Haushuhnes beobachtet habe, darauf hinzuweisen. Die Fasern zeigen in diesem Abschnitte des Wulstes eine deutliche fibrilläre Struktur. Unter dem letzten Ende dessel- ben bemerkt man stets eine kleine Höhle, die indess möglicherweise erst bei der Fixirung entsteht. Jedenfalls weist aber die Konstanz ihres Vorkommens darauf hin, dass eine Prädisposition für ihre Ent- stehung vorhanden ist. Die hintersten Zellen des Ringwulstes, welche den Übergang zu den eigentlichen Linsenfasern bilden, zeichnen sich vor den ent- sprechenden Zellen der Reptilien und der meisten Vögel durch ihre bedeutende Höhe, sowie dadurch aus, dass sie fast ganz gerade ge- streckt sind. Die niedrigsten dieser Zellen haben bei der Taube noch eine Höhe von 0,114 mm; sie sind auf dem Schnitt dreieckig, Über den Bau und die Entwicklung der Linse. II. 339 mit nach außen gerichteter, schmaler Basis und nach vorn, innen und unten gerichteter Spitze. Wie bei allen bisher betrachteten Formen sind auch bei der Taube die Zellen an der Epithelgrenze zu meridionalen Reihen geordnet. Präparate davon sind aber viel schwieriger anzufertigen, als bei allen anderen von mir untersuchten Formen. Wenn man, wie bei den Reptilien, den Ringwulst mit einer Nadel von der Linsen- fasermasse abhebt, so bricht er regelmäßig vor den meridionalen Reihen entzwei. Man muss daher Tangentialschnitte durch die Epi- thelgrenze anfertigen. Nach einem solchen ist die Fig. 2, Taf. XV, sezeichnei. Die Zellen besitzen, bevor sie sich zu den Reihen ord- nen, zumeist unregelmäßig polygonale Querschnitte. Die meridio- nalen Reihen selbst sind kurz und bestehen höchstens aus acht bis zehn Zellen. Die Zone, die sie zusammensetzen, ist daher schmäler, als bei den Reptilien, Amphibien und Selachiern. Die Raubvögel scheiden sich, wie in Beziehung auf die Form der Linse, so auch in Beziehung auf den Bau des Ringwulstes in zwei Gruppen. Bei den Tagraubvögeln ist der Ringwulst absolut und relativ stärker ausgebildet, als bei den Nachtraubvögeln. Beim Hühnerhabicht liegt derselbe der Linsenfasermasse fast direkt von außen her auf und erstreekt sich vorn, beim Übergang ins Linsen- epithel, nur um ein Geringes weiter herab, als hinten beim Über- sang in die eigentlichen Linsenfasern (Textfig. 59). Eben so ist er auch bei den Nachtraubvögeln genau am Äquator der Linse gelegen (Textfig. 60). Wenngleich derselbe in beiden Gruppen nicht überall von der gleichen Stärke ist, so ist, wie aus den weiter unten ange- führten Maßen hervorgeht, die Differenz seiner Dicke doch nur eine sehr seringe. Jedenfalls übt sie auf die allgemeine Form der Linse keinen nennenswerthen störenden Einfluss aus. Beim Hühnerhabicht ist der Ringwulst ungefähr dreieinhalbmal, beim Steinkäuzchen dreieinhalb- bis viermal, bei der Waldeule sieben- bis siebeneinhalbmal so breit, als hoch. Dabei ist aber zu bedenken, dass die untersuchte Waldeule ein ganz junges Thier war. Am Ringwulst des Hühnerhabichts lassen sich zwar auch drei. Abschnitte unterscheiden, jedoch sind der erste und dritte ungemein kurz, der mittlere dagegen außerordentlich lang. Dieser schwillt auch rasch zu seiner ganzen Höhe an und hält sich lange auf der- selben. Die Fasern zeichnen sich nicht bloß durch ihre Länge, sondern namentlich durch die ganz kolossale Menge der spindel- förmigen Anschwellungen aus. Ich habe in keinem Ringwulst eine Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXV. Bd. 283 340 Carl Rabl, solche Menge von Spindeln getroffen, wie hier. Man kann sich da- von eine ungefähre Vorstellung bilden, wenn man die bei ganz schwacher Vergrößerung gezeichnete Fig. 4, Taf. XV betrachtet; die- selbe stellt ein kleines Stück des Ringwulstes ungefähr aus dessen Mitte dar. Nach einer beiläufigen Schätzung möchte ich glauben, dass jede Faser in ihrem Verlauf acht- bis zehnmal anschwillt, be- vor sie in einen Endkolben übergeht. Einige Spindeln sind auf Taf. XIV, Fig. 7 bei starker Vergrößerung gezeichnet und wurden schon oben besprochen. Die äußeren Enden einiger Fasern, gleich- falls aus der Mitte des Ringwulstes, sind auf Taf. XIV, Fig. 6 stark vergrößert dargestellt. Man bemerkt hier eine eigenthümliche Diffe- renzirung der Faserenden. Diese enthalten nämlich dort, wo sie sich an die Kapsel ansetzen, kleine, mit einer wasserklaren, homo- genen Masse erfüllte Vacuolen und ihr Protoplasma erscheint unter- halb derselben an den mit Platinchloridsublimat fixirten und mit Boraxkarmin gefärbten Präparaten gelblichbraun tingirt. Solche Va- cuolen finden sich aber nur am Scheitel des Ringwulstes; nach vorn und hinten hören sie bald auf. Dagegen gewinnt die gelblichbraune Zone vom Scheitel an nach hinten mehr und mehr an Ausdehnung und im dritten Abschnitt des Ringwulstes sind die Fasern ihrer ganzen Länge nach dunkelbraun gefärbt. — Die Kerne liegen im ersten Abschnitt dicht unter der Kapsel, entfernen sich dann im zweiten immer mehr von derselben, um sich vom Scheitel des Ring- wulstes an derselben wieder zu nähern. Im dritten Abschnitt liegen sie, wie bei der Taube, dicht unter der Oberfläche. Unterhalb der Kerne zeigt das Protoplasma ein dichteres Gefüge, als oberhalb der- selben. Der Querschnitt der Fasern ist, wenigstens auf der Höhe des Ringwulstes, regelmäßig sechseckig, die Fasern stehen also hier wie Bienenwaben neben einander. Am Hinterende des Ringwulstes, beim Übergang in die eigentlichen Linsenfasern, sind die Zellen er- heblich niedriger, als bei der Taube; ihre Höhe beträgt höchstens 0,08 mm bei einer Breite von etwa 0,017 mm. Beim Steinkäuzchen ist zwar die Menge der Spindeln eine ge- ringere, als beim Hühnerhabicht, ja selbst eine geringere, als bei der Taube, aber doch eine sehr viel größere, als bei den hühner- artigen Vögeln. Es ist dies desshalb interessant, weil, wie wir noch sehen werden, die relative Größe des Ringwulstes bei den letzteren eine bedeutendere ist, als bei den Nachtraubvögeln. — Auffallend gering ist die Zahl der Spindeln im Ringwulst der Waldeule; sie ist hier sogar geringer, als bei den Hühnern und kaum größer, als Über den Bau und die Entwieklung der Linse. II. 341 bei der Gans. Aber es ist zu bedenken, dass die untersuchten Linsen einem jungen Thiere angehörten; es könnte also möglicher- weise der Ringwulst der erwachsenen Thiere eine viel größere Zahl von Spindeln aufweisen. ® Ich wende mich nun zu der letzten Ordnung der Vögel, den Gangvögeln. Die Linsen der größeren Arten derselben, wie der Krähe und des Nusshehers, erinnern, wie schon früher gezeigt wurde, in ihrer äußeren Form sehr an die Linsen der Tagraubvögel, und man ist daher einigermaßen erstaunt, in Beziehung auf den feineren Bau nicht den gleichen Grad von Übereinstimmung zu finden. Der Ringwulst ist zwar ungemein mächtig, wenn auch nicht so mächtig, wie beim Hühnerhabicht. Er ist, wie hier, direkt von außen her der Linsenfasermasse aufgesetzt (Textfig. 61). Seine Breite ist un- sefähr dreieinhalbmal so groß, wie seine Höhe; ein Verhältnis, das dem beim Hühnerhabicht genau entspricht. Er scheint überall die gleiche Breite und Höhe zu besitzen, also ganz symmetrisch ent- wickelt zu sein. Im feineren Bau weicht er aber nicht unbeträchtlich von dem des Hühnerhabichts ab. Während hier die spindelförmigen An- schwellungen der Fasern schon im zweiten Fünftel ihrer Länge be- sinnen (vgl. Fig. 4, Taf. XV), treten sie bei der Krähe und dem Nussheher erst unter der Mitte auf und werden erst im letzten Drittel zahlreicher. Aber auch gegen die Taube stehen die beiden senannten Arten hierin weit zurück, obwohl ihr Ringwulst an Masse den der Taube erheblich übertrifft. Auch sind bei der Krähe und dem Nussheher die Fasern breiter, die Kerne daher lange nicht so dicht gedrängt, wie bei der Taube und dem Hühnerhabicht. Die Kernschicht ist daher viel dünner und man trifft selbst am Scheitel Sirecken, in denen die Kerne in einfacher Reihe neben einander liegen. Sie entfernt sich nur in der Mitte des Ringwulstes etwas mehr von der Oberfläche, liegt aber sonst ziemlich nahe an der Kapsel. Auch die Singvögel besitzen durchweg einen mächtigen Ring- wulst; den mächtigsten besitzt die Lerche, die hierin den Übergang zu den Schwalben vermittelt. Stets ist derselbe der Linsenfaser- masse fast direkt von außen her aufgesetzt, also so gelagert, wie bei den früher besprochenen Formen. Er fällt entweder nach vorn und hinten ganz gleichmäßig ab, oder nach hinten steiler als nach vorn. Seine Höhe und Breite verhalten sich in den meisten Fällen unge- fähr wie 1:3,5; nur beim Buchfinken und der Feldlerche ist die Höhe 23* 342 Carl Rabl, eine etwas bedeutendere.. — Bei den meisten Formen scheint der Ringwulst in der ganzen Cirkumferenz der Linse ungefähr von der gleichen Stärke zu sein; geringe Differenzen habe ich eigentlich nur beim Feldammer und Gimpel gefunden. Im feineren Bau zeigt er eine viel größere Übereinstimmung mit dem der Krähe und des Nusshehers, als mit dem der Taube und der Raubvögel. Nie ist die Menge der spindelförmigen Anschwellungen seiner Fasern eine so sroße, wie hier, wiewohl sich hierin nicht ganz unbeträchtliche Unterschiede zwischen den einzelnen Arten bemerkbar machen. Von den genannten Arten scheint mir die Lerche die größte Zahl von Spindeln zu besitzen. Diese finden sich weitaus der Mehrzahl nach nur in größeren Tiefen des Ringwulstes und nur selten kommt es vor, dass eine solche schon in der äußeren Hälfte einer Faser an- getroffen wird. Die Fasern sind relativ dick und, wenn auch die 'Kerne nicht überall in einfacher Reihe neben einander Platz finden, so sind sie doch nie in der Weise zerstreut, wie bei der Taube oder den Raubvögeln. Nur auf der Höhe des Ringwulstes, am Scheitel und in seiner Umgebung, ist die einfache Reihe aufgelöst und zu- gleich etwas weiter von der Oberfläche entfernt. Im Übrigen liegt sie ziemlich dieht unter der Kapsel. Dies gilt in erster Linie in Beziehung auf den ersten und dritten Abschnitt des Wulstes. — An der Epithelgrenze besitzen die Zellen nie jene Höhe, wie bei der Taube. Den mächtigsten Ringwulst unter allen Vögeln besitzen die Schwalben und vor Allem die Segler; er ist auch der merkwürdigste von allen. Während er sonst, selbst wenn seine Stärke so große Verschiedenheiten aufweist, wie bei der Taube, die Gesammtform der Linse nicht wesentlich alterirt und ihre radiäre Symmetrie nicht in auffälliger Weise stört, nimmt er hier einen so tiefgreifenden Einfluss auf die Gestalt der ganzen Linse, dass diese sich hierdurch von dem gewöhnlichen Typus einer Wirbelthierlinse, ja einer Linse überhaupt, ganz entfernt. Dieser Einfluss macht sich bei Cypselus in viel prägnanterer Weise geltend, als bei Hirundo. Wenn man eine Linse von Hirundo urbica so durchschneidet, dass der Schnitt die diekste und die dünnste Stelle des Ringwulstes trifft, so erhält man das Bild der Textfig. 63; durchschneidet man eine Linse von Cypselus apus in der erwähnten Weise, so giebt der Schnitt das Bild der Textfig. 64. Bei Hirundo verhalten sich die Areale der beiden Ringwulstdurchschnitte ungefähr wie 1:1,34, bei Oypselus dagegen wie 1: 1,74. Dr wiss. Zoologie. LXV. Ba. Haust aube. Da Figuren sind be Textfig. 56. Gans. Textfig. 59. _ Hühnerhabicht. | i derselben Vergrößerung gezeichnet. . | Textfig. 62. Feldammer. Textüg. 60. Steinkäuzchen. Textfig. 69. Stadtschwalbe. Textfig. 61. Textfig. 64. Krähe, Mauersegler. Alle Figuren sind bei derselben Vergrößerung gezeichnet. ‚Über den Bau und die Entwicklung der Linse. II. 343 Aber nicht bloß die Größe der beiden Ringwulstdurehschnitte ist eine verschiedene, sondern auch ihre Form. Wie ein Blick auf die bei- den Textfiguren 63 u. 64 lehrt, erscheint der Ringwulst an seiner dünn- sten Stelle ganz gleichmäßig gerundet und der Scheitelpunkt seiner Wölbung fällt ungefähr in den Äquator der Linse; an der dicksten Stelle dagegen steigt er zunächst ganz gleichmäßig an, um erst etwa an der Grenze zwischen drittem und viertem Viertel oder selbst noch weiter hinten seine größte Höhe zu erreichen. Hier erhebt sich an der Linse eine mehr oder weniger vorspringende Leiste, die nament- lich bei Cypselus sehr deutlich hervortritt und der ganzen Linse ein sehr eisenartises Ansehen verleiht. Von dieser Leiste an fällt der Ringwulst sehr steil gegen die hintere Linsenfläche ab. Wie aus dem Gesagten hervorgeht, liegt die Leiste hinter dem Äquator und damit hängt es zusammen, dass der Äquatorialdurch- messer bei Hirundo und Cypselus nicht der längste Durchmesser der Linse ist, sondern dass dieser schief gegen die hintere Linsenfläche zieht und mit dem Äquatorialdurchmesser einen spitzen Winkel ein- schließt. Das Verhältnis zwischen Höhe und Breite des Ringwulstes be- trägt bei Hirundo urbica an der dicken Stelle ungefähr 1:2,5, an der dünnen 1:2,6; bei Cypselus dort 1:2,0, hier 1: 2,4. Im feineren Bau unterscheidet sich der Ringwulst der Schwalben und Segler nicht wesentlich von dem der Singvögel. Immerhin zeigt er aber einige Besonderheiten, die einer Erwähnung bedürfen. Erster und dritter Abschnitt des Ringwulstes, also diejenigen Theile, welche sich durch den Mangel der Spindeln und Kolben charakterisiren, sind überall ungemein schmal. Im ersten Abschnitt und namentlich am Anfang des zweiten, also eigentlich am ganzen Vorderende des Ring- ‚wulstes, sind die Fasern von sehr eigenthümlicher Form und Be- schaffenheit. Sie beginnen mit relativ breiter, den Kern umschließen- der Basis dicht unter der Kapsel, werden dann rasch dünner, ziehen darauf als äußerst dünne Fäden fast ganz parallel der Oberfläche nach vorn und unten und wenden sich schließlich in großem, nach hinten konkavem Bogen nach einwärts gegen die eigentliche Linsen- fasermasse. In dieser letzten Strecke sind sie wieder fast von der- selben Dicke, wie unter der Kapsel, und schwellen dabei ganz ge- wöhnlich zu langgestreckten Spindeln oder Kolben an. Die Ring- 'wulstfasern sind also im vorderen Bereiche des Ringwulstes zu langen, an beiden Enden verdickten, $-förmig gebogenen Gebilden ausge- zogen. Nach hinten gleichen sich die Krümmungen allmählich 344 Carl Rabl, aus und die Fasern strecken sich mehr gerade. In demselben Maße aber nimmt die Zahl der Spindeln ganz außerordentlich zu. Wenn dieselbe auch nicht so groß ist, wie beim Hühnerhabicht, so ist sie doch eine sehr viel größere, als bei der Mehrzahl der anderen unter- suchten Vögel; sie ist namentlich auch größer, als bei den meisten Singvögeln. Nur die Lerche kommt hierin den Schwalben ziemlich nahe. — Übrigens ist die Menge der Spindeln auch unter den Schwalben nicht überall die gleiche. Am geringsten schien sie mir bei der Rauchschwalbe zu sein; am größten ist sie zweifellos beim Mauersegler. Hier beginnen sie schon in geringer Entfernung von der Oberfläche, werden aber erst in halber Höhe des Ringwulstes zahlreicher. Sie haben wesentlich denselben Bau, wie sonst bei den Vögeln, nur begegnet man bei Cypselus häufiger als sonst besonders schlanken Formen. Die Kerne des Ringwulstes stehen dichter, als bei den meisten Singvögeln, wenn auch nicht so dicht, wie beim Hühnerhabicht. Sie liegen nicht in einfacher Reihe und entfernen sich selbst am Scheitel des Ringwulstes nicht sehr weit von der Oberfläche. Höchst instruktive Bilder erhält man von Äquatorialschnitten durch den Ringwulst. Ein Stück eines solchen von Cypselus apus ist auf Taf. XV, Fig. 5 abgebildet. Man sieht, ähnlich wie bei der Taube (vgl. Fig. 1, Taf. XV), in regelmäßigen Abständen die Ciliar- fortsätze cf an die Linse herantreten und bemerkt wieder, dass jedem Ciliarfortsatz ein seichter Eindruck des Ringwulstes entspricht. Ferner sieht man schon bei ganz schwacher Vergrößerung, dass der Ring- wulst eine radiäre Streifung zeigt, dass helle und dunkle Streifen n regelmäßigen Abständen mit einander abwechseln und dass die hellen Streifen unter den Ciliarfortsätzen, die dunkeln unter den Zwischenräumen zwischen denselben gelegen sind. Helle und dunkle Streifen sind ungefähr von gleicher Breite oder die hellen um eine Spur breiter als die dunkeln. Die Streifen sind nicht von gleicher ‚Länge; die hellen reichen viel tiefer in den Ringwulst hinein, als die dunkeln; jene haben eine Länge von etwa 0,57 mm, diese eine solche von 0,23 mm. Die hellen Streifen sind also mehr als doppelt so lang, als die dunkeln. Wo die Streifen unten aufhören, beginnen die Spindeln. Diese erstrecken sich also immer sehr weit zwischen je zwei helle Streifen hinein. Bei starker Vergrößerung überzeugt man sich, dass jeder Streifen aus 6—8 Fasern besteht, dass aber die Fasern der dunkeln Streifen eine andere Beschaffenheit besitzen, als die der hellen. Die Fasern der hellen Streifen sind außerordent- Über den Bau und die Entwicklung der Linse. II. 345 lieh fein granulirt, oder, wohl richtiger, sie enthalten ein sehr zartes protoplasmatisches Gerüst, die der dunkeln dagegen erscheinen ganz homogen und färben sich zugleich viel intensiver, als die der hellen. Überdies sieht man in den dunkeln Streifen ungemein kleine, rund- liche oder ovale und im letzteren Falle gewöhnlich schief gestellte helle Vaeuolen. Es ist schwer zu entscheiden, ob diese Vacuolen in den Fasern oder zwischen denselben liegen; ich halte aber das Letztere für das Wahrscheinlichere. — Andere, vielleicht minder wichtige Eigenthümlichkeiten der Fasern sind aus der Figur zu er- sehen. Während die äußere Hälfte des Ringwulstes diese Streifung zeigt, besteht die innere, ungefähr von der halben Höhe des Ring- wulstes angefangen, ausschließlich aus Spindeln. Diese ordnen sich zu ganz ähnlichen Wirbeln zusammen, wie bei der Taube, nur schei- nen sie nicht so zahlreich zu sein, wie hier. Während hier ihre Zahl mit der Zahl der Oiliarfortsätze genau übereinstimmt, ist sie bei Cypselus allem Anscheine nach eine geringere. Es scheinen sich hier immer je zwei Wirbel in der Tiefe des Ringwulstes zu einem einzigen zu vereinigen. Ich kann dies indess nur als eine Vermuthung hinstellen und bemerke, dass diese Frage noch einer eingehenderen Untersuchung bedarf. Weniger instruktiv sind Äquatorialschnitte durch den Ringwulst der eigentlichen Schwalben. Zwar sieht man auch hier die den Ciliarfortsätzen entsprechenden Impressionen an der Oberfläche und die Wirbel in der Tiefe, aber die radiäre Streifung der äußeren Ringwulsthälfte, die für den Mauersegler so ungemein charakteristisch ist, fehlt, wie es scheint, ganz. Meine Beobachtungen an den Schwalben und Seglern liefern also wieder den Beweis, dass die Ciliarfortsätze einen sehr wesent- lichen Einfluss auf die Konfiguration des Ringwulstes nehmen. — Schon ein Blick auf die Textfiguren 55—64 genüst, um sich zu überzeugen, dass der Ringwulst in Beziehung auf seine Stärke in den einzelnen Ordnungen der Vögel außerordentlich große Verschie- denheiten zeigt. Ich theile nun in der nachfolgenden Tabelle die genauen Maße des Ringwulstes, die Äquatorialdurchmesser der den Messungen zu Grunde gelegten Meridionalsehnitte und das Verhältnis der mittleren Dieke des Ringwulstes zum Äquatorialdurehmesser der Linse mit. Ich bemerke dazu, dass ich stets die beiden Ringwulst- querschnitte eines jeden Meridionalschnittes gemessen habe und dass ich aus den beiden, für die Dieke und für die Breite des Ring- 346 Carl Rabl, wulstes gefundenen Maße Mittelwerthe berechnet habe. Von diesen sind die für die Dicke gefundenen der Berechnung des Verhältnisses zwischen Ringwulst und Aquatorialdurchmesser zu Grunde gelegt. Verhältnis Ringwulst -| Äqua- en torial- icke des Breite Dicke Durch- | Ringwulstes messer | Zum Aquat.- a | b Mittel a | Mittel Durchm. Apteryz australis | — | — |o07 | — 1092 22 ers: Melopsittacus undul. | 1,10 | 1,10 | 1,10 | 0,26 | 0,27 | 0,265| 2,5 10,6 :100 Palaeornis torquatus 1,60 1,60 | 1,60 | 0,50 | 0,49 | 0,495 |ca. 4,0 112,3 :100 Anasboschas domest. | 1,80 | 1,70 | 1,75 | 0,39 | 0,34))0,365() 6,0 6,0 :100 Anser einer. domest. | 1,38) 1,35 11,365()| 0,28 | 0,29 | 0,285) 5,3 | 5,1 :100 Gallus domest. | 1,82 | 1,76 |.1,79 | 0,52: |.0,50 | 051 50. 205 100 Tetrao tetrix 172, 107910252 2,15 | 0,51 10,57 °) D 54226072 2100 Columba livia dom. I. | 1,70 | 1,62 | 1,66 | 0,61 | 0,52 | 0,565 | 4,2 113,33: 100 > » -» IL| 1,86 | 1,72 | 1,78 | 0,74 | 0,63 | 0,68 | 4,8 114,16:100 Astur palumbarius || 4,56 | 4,60 | 4,58 | 1,27 | 1,40 | 1,335) 8,7 115,3 :100 Athene noctua 1 2,60 | 2,40 | 2,50 | 0,63 | 0,66 | 0,645| 7,5 | 8,6 :100 Otus sylvestris | 2,10 .| 2,60 | 2,65 | 0,36 | 0,37 | 0,3865) 9,21 3,9100 Corvus corone ı 2,90: | 2,90. | 2,90: | 0,85 | 0,85 | 0,552. 06653127 100 Garrulus glandarius | 2,60 | 2,60 | 2,60 | 0,75 | 0,755 | 0,75 | 5,5 [13,6 :100 Carduelis elegans | 1,30 | 1,30 | 1,30 | 0,38 | 0,38 | 0,38 | 2,62 114,5 :100 'Emberiza hortulana | 1,72 | 1,77 | 1,745 | 0,50 | 0,52 | 0,51 3,5 114,5 :100 Pyrrhula vulgaris | 1,80. | 1,74 .| 1,77..1:0,45 |. 0,49.,110,477217.2.6619557 22100 Fringilla coelebs 1,50: | 1,55 | 1,5251 0,52 | 0527 052 m 2100 Alauda arvensis 2,08 ? ? 0,78: | 0,77°%.0,775 08.952 19,87 :1160 Hirundo rustia | 2,00 | 1,90 | 1,95 | 0,69 | 0,63 | 0,66 | 3,9 16,92: 100 Hirundo riparia I 2,00 |ca.2,00/c2.2,00) 0,79. | 0,72 | 0,75 15,9 19237100 Hirundo urbica 12,06). 1,80 | 1,93.) 0,83 | 0,2077) 0,762, 7232 1971727100 Cypselus apus 1 2,90: | 2,40 | 2,65 | 1,40 | 0,96 | 1,18 75.0226 7109 Ich habe schon in dem Kapitel über die Reptilienlinse hervor- sehoben, dass die relative Dicke oder Höhe des Ringwulstes nur einen mangelhaften Maßstab zur Beurtheilung seiner relativen Stärke an die Hand giebt. Eine viel bessere Vorstellung erhält man, wenn man die Summe der Areale der beiden Ringwulstquerschnitte mit dem Areal des ganzen Meridionalschnittes durch die Linse vergleicht. Bei der Bestimmung dieses Verhältnisses bin ich wieder so vorge- sangen, wie bei den Reptilien. Ich habe also Skizzen von Meri- dionalschnitten ähnlich denen der Textfiguren 55—64, nur in viel größerem Maßstabe, auf Karton gezeichnet, dann die Skizzen ausge- schnitten und zunächst die ganzen Meridionalschnitte und darauf die beiden Querschnitte durch den Ringwulst gewogen. Auf diese Weise habe ich die Areale der Meridionalschnitte und der Querschnitte durch den Ringwulst bestimmt. Die Summe der Areale der beiden Querschnitte durch den Ringwulst verhielt sich nun zum Areal des Über den Bau und die Entwicklung der Linse. II. 347 Meridionalschnittes durch die ganze Linse in den einzelnen Arten, wie folgt: Gans (Anser ciner: dom.) -......... 3,64 : 100,00. Bates Anas, bosch. dom... ....... 4,93 : 100,00. Wellenpapagei (Melopsittacus undul.). . 10,54 : 100,00. Halsbandpapagei (Palaeornis torquatus) 11,87 :100,00. Haushuhn (Gallus domest.), ....... 11,23: 100,00. Bekhahn Deirao: tete) 2... 2. 20.0.0. 11,32 : 100,00. Haustaube (Columba livia dom.) ..... . 15,60 ::100,00. Biahe(Gorvus/ eorone)... 22.2.5 2% 19,34 : 100,00. Nussheher (Garrulus glandarius) ..... . 20,96: 100,00. Hühnerhabicht (Astur palumbarius).... . 24,16: 100,00. Steinkäuzchen (Athene noctua) ..... 8,75: 100,00. Stieslitz-(Carduelis elegans). . -. . . .. 21,06 : 100,00. Buchfink (Fringilla eoelebs)....... 24,67 :100,00. Feldlerche (Alauda arvensis) ...... 31,85 : 100,00. Rauchschwalbe (Hirundo rustica) ... ... 32,98: 100,00. Stadtschwalbe (Hirundo urbica)..... . =9.90:.100,00. Uferschwalbe (Hirundo riparia)...... 37,1 : 100,00. Mauersegler (Cypselus apus) ...... 39,94 : 100,00. Der Flächeninhalt des Ringwulstquerschnittes beträgt also bei der Gans !/;;, des Flächenirhaltes des ganzen Meridionalschnittes, bei den Papageien !/, bis !/,,, beim Haushuhn und Birkhuhn mehr als !/,, bei der Taube fast '/;, bei der Krähe, dem Nussheher und dem Stieglitz ungefähr !/;,, bei dem Habicht und Fink beiläufig !/,, bei der Lerche fast !/,, bei den Schwalben gewöhnlich mehr als !/; und beim Segler ?/,. — Eine ganz exakte Vorstellung von der Größe ‚des Ringwulstes giebt freilich auch diese Berechnung nicht. Ring- wulst und Linse sind eben körperliche Dinge und man müsste also eigentlich ihre Volumina bestimmen und in Relation setzen. Jeden- falls würden dann die Differenzen zwischen den einzelnen Arten ‚noch viel schärfer hervortreten. Es würde sich zeigen, dass z. B. der Ringwulst des Habichts mehr als !/;,, der des Seglers mehr als die Hälfte der ganzen Linse aufbaut. Indessen mag die Bestimmung ‘des Flächenverhältnisses genügen. | Nun ist es im höchsten Grade auffallend, dass die Stärke des Ringwulstes in demselben Verhältnisse wächst, als die Fluggeschwindigkeit eine größere wird. Marker! giebt in IE.). MAREY, Le vol des oiseaux. Par.s, 1890. 348 ‚Carl Rabl, seinem Werke über den Flug der Vögel nach Jackson folgende Zusammenstellung: Wachtel . . 17 Meter in der Sek. Adler... .. 31 Meter in der Sek. Taube ET > » » » Schwalbe a » » » », Falke RN >8 » » » » Segler. BER € S8 » » » » Er hebt ausdrücklich hervor, mit welchen Schwierigkeiten die Bestimmungen der Fluggeschwindigkeit zu kämpfen haben, und be- tont, dass wir vollkommen verlässliche Bestimmungen eigentlich nur hinsichtlich der Tauben besitzen. Aus den Angaben, die Mosso! in seinem Buche über die Ermüdung macht, berechne ich die Flug- geschwindigkeit der Tauben gleichfalls auf 27—28 Meter in der Sekunde. Nach einer Angabe van ROOSEBECKE’s, eines berühmten Taubenliebhabers, würde sich ihre Maximalgeschwindigkeit auf etwa 34 Meter in der Sekunde berechnen. Damit stimmen noch andere von MAREY citirte Angaben überein. Was die Schnelligkeit der Falken betrifft, so theilt MArREY mit, dass ein Falke HEınrıc#’s II., der sich bei einer Jagd im Forst von Fontainebleau verirrt hatte, am zweitnächsten Tage auf Malta wiedergefunden wurde. Derselbe hatte also in dieser Zeit eine Strecke von 1400 Kilometer zurück- gelegt. So ungenau die Bestimmung der Fluggeschwindigkeit nach dieser Angabe ausfallen mag, so möchte ich sie doch etwas höher schätzen, als es JACKson gethan hat. Wenn wir aus der obigen Liste nur die Taube, die Schwalbe und den Segler herausheben, so fällt uns der Parallelismus der Flug- geschwindigkeit und der Ringwulststärke sofort in die Augen. Die Fluggeschwindigkeit stellt sich wie 27:67:88 und die Stärke des Ringwulstes etwa wie 16:35:40; der Parallelismus würde wahrschein- lich noch größer sein, wenn wir statt der Areale der Ringwulst- querschnitte die Volumina des Ringwulstes mit einander vergleichen könnten. . Den kleinsten Ringwulst unter allen untersuchten Carinaten be- sitzen die Gans und die Ente; sie sind auch die langsamsten von allen. Es ist aber wahrscheinlich, dass ihr Ringwulst durch Zucht und Gefangenschaft kleiner geworden ist, gerade so, wie sie anderer- seits das Fliegen verlernt haben. Es wäre interessant, die Wildgans und die Wildente damit zu vergleichen. Von der Wildente erzählen die Jäger, dass die Schnelligkeit ihres Fluges eine sehr große sei, I A. Mosso, Die Ermüdung. Leipzig, 1892. Über den Bau und die Entwicklung der Linse. II. 349 und man wird daher wohl auch einen entsprechend großen Ring- wulst erwarten dürfen. Der Parallelismus zwischen der Stärke des Ringwulstes und der Flugsgeschwindiskeit ist ein so evidenter, dass man sich unwillkür- lich versucht fühlt, einen kausalen Zusammenhang zwischen beiden zu vermuthen. Nun ist klar, dass ein Vogel, der sich schnell be- wegt, auch rascher accommodiren muss, als ein Vogel, der sich lang- sam bewegt, wie denn überhaupt die Schnelligkeit der Accommodation mit der Schnelligkeit der Bewegung gleichen Schritt halten muss. Ein Segler bewegt sich mehr als dreimal so schnell, als die schnell- sten Expresszüge, er legt mehr als 300 Kilometer in der Stunde zurück und ist daher im Stande, eine Strecke wie die von Tunis bis Hamburg in sechs Stunden zu durchfliegen. Er muss also außerordent- lich rasch accommodiren, sehr viel rascher, als etwa eine Taube, die in einer Stunde nur ungefähr 100 Kilometer zurückzulegen im Stande ist. Sowie aber einerseits gezeigt werden kann, dass der Ringwulst mit der Schnelligkeit der Accommodation an Stärke zunimmt, so ist andererseits leicht einzusehen, dass er für die Lichtbrechung direkt nicht in Betracht kommen kann. Er darf geradezu als optisch in- aktiv bezeichnet werden, denn er wird selbst bei ad maximum er- weiterter Pupille von der Iris bedeckt und daher von den einfallen- den Lichtstrahlen nicht getroffen. Auf ihn vermag die bei den Vögeln so außerordentlich kräftige und hochdifferenzirte Accommoda- tionsmuskulatur viel unmittelbarer einzuwirken, als dies sonst der Fall zu sein pflegt; denn bekanntlich fehlt bei den Vögeln eine Zonula in dem Sinne, wie sie die Säugethiere besitzen, und die Ciliarfortsätze und wohl auch ein Theil der Iris treten direkt an die Kapsel heran, um sich an ihr zu befestigen. Damit hängt es auch zusammen, dass stets, wenn man eine Linse aus dem Auge entfernt, ein mehr oder minder großer Theil der Ciliarfortsätze und der Iris mit der Kapsel in Verbindung bleibt. Dass die Ciliarfortsätze den Bau des Ringwulstes direkt zu be- einflussen vermögen, kann nach den früher mitgetheilten Thatsachen nicht in Zweifel gezogen werden. So wahrscheinlich es aber auch ist, dass der Ringwulst ein Accommodationsorgan der Linse 1 Vgl. S. ExnER, Über die Funktion des Musculus Cramptonianus. Sitz.- ‚Ber. d. k. Akad. d. Wiss. in Wien. Math.-naturw. Klasse. Bd. LXXXV. 3. Abth. 1882. 350 Carl Rabl, ist, so bleibt doch vor der Hand das Detail seiner Funktion noch unverständlich. Hier muss die Arbeit der Physiologen einsetzen, sowie denn überhaupt eine ganze Reihe von Fragen, die sich auf die Art der Liehtbrechung in der Vogellinse beziehen, noch auf eine Lösung harıt. — | Werfen wir nun nochmals einen Blick auf die Reptilien zurück. Der Satz, dass mit der Schnelligkeit der Accommodation die Masse des Ringwulstes wächst, findet auch auf sie uneingeschränkte An- wendung. So erklärt sich uns die geringe Entwicklung desselben bei den Krokodilen und Schildkröten und die mächtige Entwicklung bei den Sauriern. Eine Ausnahme scheint nur das Chamäleon zu machen; aber die Ausnahme ist eben nur eine scheinbare. BREHM! theilt über die Lebensweise desselben u. A. Folgendes mit: »Die Cha- mäleons sind vollendete Baumthiere, welche nur ausnahmsweise zum Boden herabkommen. Man sieht sie, gewöhnlich in kleinen Ge- sellschaften von drei bis sechs Stücken, auf einem Busche oder einer Baumkrone sitzen, unbeweglich, als wären sie ein dem Aste ange- wachsener Holzknorren, mit den vier Klammerfüßen und dem Schwanze an einem oder mehreren Zweigen befestigt. Tagelang beschränkt sich ihre Bewegung darauf, sich bald auf dem Aste, welchen sie sich zum Ruheplatze erwählten, niederzuducken und wieder zu er- ‚heben, und erst, wenn besondere Umstände eintreten, verändern sie nicht bloß ihre Stellung, sondern auch ihre Plätze. Das verschrieene Faulthier und jedes andere derjenigen Geschöpfe, welche auf Bäu- men leben, bewegt sich mehr und öfterer als sie, falls man absieht von Augen und Zunge; denn erstere sind in beständiger Thätigkeit, und letztere wird so oft, als sich Beute findet, hervorgeschnellt. Kein anderes Wirbelthier lauert eben so beharrlich wie das Chamäleon auf seine Beute; es lässt sich in dieser Hinsicht nur mit den tiefststehen- den, dem Felsen gleichsam angewachsenen wirbellosen Thieren ver- gleichen.« So ist also das Chamäleon eines der langsamsten Thiere, die es giebt, und doch ist seine Linse ganz ähnlich der der Schwal- ben gebaut, die zu den schnellsten Thieren gehören. Der Ringwulst des Chamäleons steht dem der Schwalben an Stärke nicht nach und übertrifft den der Eidechsen und überhaupt aller Reptilien ganz außerordentlich. Und doch ist der Widerspruch nur ein schein- barer. Jeder, der einmal ein Chamäleon beobachtet und gesehen ! A. E. BreHm, Illustrirtes Thierleben. 1. Aufl. Hildburghausen 1869. Bd. Über den Bau und die Entwicklung der Linse. II. 351 hat, wie es mit seinen Augen fortwährend den Raum abtastet, in dem es sich befindet, wie es dann mit blitzartiger Schnelligkeit und unübertrefflieher Sicherheit seine wurmförmige Zunge auf seine Beute schleudert, der wird auch nicht einen Augenblick daran zwei- feln können, dass eine solche Lebensweise nur bei einer ganz un- sewöhnlich raschen und sicheren Accommodation möglich ist. Hier ist eben die Beute schnell, das Thier ist auf die Insekten angewie- sen, die zwischen den Zweigen, auf denen es sitzt, hindurchfliegen, und die einzisen schnellen Organe, die es besitzt, sind seine Zunge und seine Augen. Sehr interessant ist auch die geringe Größe des Ringwulstes bei den nächtlichen Thieren, dem Gecko und den Nachtraubvögeln; diese geht einher mit einer sehr beträchtlichen Größe der ganzen Linse, auf deren Bedeutung schon früher hingewiesen wurde. Jedes Thier muss, damit seine Existenz gesichert sei, in irgend etwas sei- nen Feinden oder seiner Beute überlegen sein. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass ein Auge mit weiter Pupille und großer Linse, also ein Auge, in das möglichst viel Licht einfallen kann, einem nächtlichen Thiere viel nützlicher ist, als ein Auge mit relativ kleiner Linse und enger Pupille, und wir erblicken daher in dem Verhalten der Linse der nächtlichen Thiere auch wieder nur ein Bei- spiel von weitgehender funktioneller Anpassung. — Auf das abwei- - chende Verhalten der Linse des Kiwi möchte ich kein allzugroßes Gewicht legen. Die Angaben über die Lebensweise dieser Thiere scheinen sich hauptsächlich auf Beobachtungen über ihr Verhalten in der Gefangenschaft und auf vielleicht nicht ganz verlässliche Aus- sagen der Eingeborenen Neuseelands zu gründen und es dürften da- her noch genauere Beobachtungen abzuwarten sein. — In höchstem Grade auffallend ist der von dem gewöhnlichen Typus der Sauropsidenlinse ganz abweichende Bau der Schlangenlinse, vor Allem der Bau der Linse der Nattern und Vipern. Wenn man sieht, wie sehr bei den Wirbelthieren die Art der Bewegung die Accommo- dation beeinflusst und wie diese wieder im Bau der Linse zum Aus- drucke kommt, so fühlt man sich unwillkürlich veranlasst, auch bei den Schlangen einen derartigen Zusammenhang zu vermuthen. In der That ist ja auch die Art ihrer Bewegung eine ganz merkwürdige und eigenartige, von der ihrer Verwandten auffallend verschiedene. Nun hat THEODOR BEER unlängst gezeigt, dass auch ihre Accommo- dation von der aller anderen Reptilien sehr auffallend abweicht, in- dem die Linse dabei kaum irgend eine Veränderung ihrer Form 352 Carl Rabl, erfährt. Man kann allerdings einwenden, dass auch die Blindschleiche und der Scheltopusik sich ähnlich, wie die Schlangen, bewegen und doch nicht den gleichen eigenthümlichen Bau der Linse zeigen. Aber die Blindschleiche und der Scheltopusik sind eben Saurier und sie halten an ihrem ererbten Besitz, wenn dieser ihnen nicht direkt zum Schaden gereicht, mit großer Zähigkeit fest. — Ich gehe nun wieder zur Beschreibung der eigentlichen Linsen- fasern über. Wie in den bisher besprochenen Thierklassen haben wir auch bei den Vögeln Centralfasern, Übergangsfasern und Haupt- oder Grundfasern zu unterscheiden. Central- und Über- gsangsfasern setzen stets nur einen verhältnismäßig kleinen Theil der ganzen Linse zusammen. Sie bilden eine Masse, deren Durchmesser beim Wellenpapagei ungefähr 0,06, bei der Ente 1,3, bei der Krähe und dem Huhn 1,0, bei der Taube 0,8 und bei der Uferschwalbe 0,55 mm beträgt. Von dieser Masse nimmt wieder die eigentliche Centralfasermasse weitaus den größten Raum ein, so dass dieselbe, wie schon aus dem im entwicklungsgeschichtlichen Theile Gesagten hervorgeht, z. B. beim Huhn ungefähr 0,8 mm im Durchmesser hält, während die Übergangszone nur etwa 0,1mm dick ist; bei der Ente beträgt der Durchmesser der Centralfasermasse etwa 1,0, die Dicke der Übergangszone 0,15 mm. Daraus geht hervor, dass die Umord- nung der Fasern zu radiär gestellten Lamellen sehr rasch erfolgt. — Die Centralfasermasse hat eine kugelige oder ellipsoidische Form und ist in letzterem Falle so gestellt, dass die lange Achse des Ellipsoids mit der Linsenachse zusammenfällt. Sie liegt aber keines- wegs immer im Centrum der Linse, sondern scheint sogar in der Regel nach vorn verschoben zu sein. Vielleicht machen nur die Nachtraubvögel hiervon eine Ausnahme, indem bei ihnen, wie es scheint, die Oentralfasermasse hinter dem Mittelpunkt der Linsen- achse liegt. — Die Centralfasern haben unregelmäßige, rundliche oder polygonale Querschnitte von sehr wechselnder Größe; sie gren- zen sich stets sehr scharf von einander ab und sind deutlich koncentrisch über einander gelagert, ohne aber zu Schichten geordnet zu sein. (Vgl. die Textfig. 30 vom Huhn und die Figg. 1 u. 3, Taf. XVI von der Taube und der Uferschwalbe) Auf dem Meridionalschnitt sieht die Centralfasermasse bei der Taube so aus, wie sie auf Taf. XV, Fig. 6 dargestellt ist. Die Fasern sind also stellenweise spindel- förmig aufgetrieben und enthalten in ihrem Innern eigenthümliche schollenartige Massen. Außerdem lassen sie sehr oft ungefähr in der Mitte ihrer Länge einen hellen Raum von ovaler Form, etwas Über den Bau und die Entwicklung der Linse. I. 353 größer als ein Zellkern, erkennen, der indessen nie chromatische Substanz umschließt. Ich halte es für wahrscheinlich, dass wir darin einen Rest jenes hellen Hofes zu erblicken haben, der beim Kern- schwund im Innern der Fasern zurückbleibt. Eine ganz gewöhnliche Erscheinung besteht darin, dass sich in die Central- und Übergangsfasern, dann aber auch in die tiefst- gelegenen Fasern der Radiärlamellen Luft in sehr fein vertheiltem Zustande einlagert. Gewöhnlich füllt dieselbe die hellen Höfe der Fasern aus, die nun bei durchfallendem Lichte wie von schwarzen Körnchen durchsetzt erscheinen. Wie die Luft in die Fasern ge- langt, ist schwer zu sagen. Jedenfalls geschieht es nicht erst nach dem Schneiden, sondern entweder beim Schneiden selbst oder schon beim Einbetten der Linsen in Paraffın. Von den Übergangsfasern ist wenig zu sagen. Sie sind in Textfic. 30 vom Huhn und in den Figg. 1 und 3, Taf. XVI von der Taube und der Uferschwalbe abgebildet. Sie verhalten sich wesent- lich so, wie bei den Reptilien; die Fasern nehmen also allmählich die Form sechsseitiger Prismen an und ordnen sich zu radiären La- mellen, die allerdings zunächst noch ziemlich unregelmäßig sind und zahlreiche Theilungen und Intercalationen aufweisen. Auch in den Übergangsfasern sieht man sehr häufig helle Räume, die als Reste der Kernhöfe zu deuten sind. Die Hauptmasse der Linse wird, wie überall, so auch bei den Vögeln von den zu radiären Lamellen geordneten Haupt- oder Grund- fasern aufgebaut. Die Zahl der Radiärlamellen ist in den einzelnen Arten folgende: Melopsittacus undul. 336 Otus sylvestris . . . 2460 Palaeornis torquat. ca. 520 — Emu } Garrulus glandarius. 787 Änser einereus dom. 809 ra Anas boschas dom.. 807 Emberiza hortulana. 434 Sr RZ Pyrrhula vulgaris. . 478 Gallus domestieus. . 666(676) Fyingilla coelebs .. 433 Tetrao tetrix. . . . . 14 Carduelis elegans .. 358 Bonasia sylvestris. . 625 Alauda arvensis.... 508 Columbaliviadomest. 627 (640) Eu) Ude es 2 Bar... Hirundo riparia. .. 493 Astur palumbariusca. 1180 Hirundo urbica ... 485 Athene noctua. .. .. 1550—1600 Cypselus apus..... 486 354 Carl Rabl, Die in Klammern angeführten Zahlen beziehen sich auf ein zweites Exemplar derselben Art. | Aus dieser Zusammenstellung geht vor Allem hervor, dass die Zahl der Radiärlamellen bei den Vögeln eine viel größere ist, als bei den Reptilien und speciell den mit den Vögeln am nächsten verwandten Sauriern. Dies gilt auch für die Papageien, deren Linsen in ihrer Form und in dem feineren Bau des Ringwulstes eine weitgehende Übereinstimmung mit den Linsen der Saurier und vor Allem der Eidechsen zeigen. Immerhin kommt aber gerade bei den Papageien die kleinste Zahl vor, die mir begegnet ist. Aber auch die Gang- vögel zeichnen sich der Mehrzahl nach durch eine geringe Lamellen- zahl aus. Weitaus die größten Zahlen trifft man bei den Raubvögeln. Zweitens sieht man, dass die Arten verwandter Familien mit einan- der mehr übereinstimmen, als mit den Familien anderer Ordnungen, und dass innerhalb einer und derselben Ordnung die größeren Formen mehr Lamellen besitzen, als die kleineren. So haben z. B. unter den Gangvögeln die Krähe und der Nussheher mehr Lamellen, als die Singvögel, Schwalben und Segler; dasselbe gilt von den Papa- geien: der Halsbandpapagei besitzt mehr Lamellen, als der kleine Wellenpapagei. Endlich drittens geht aus der Zusammenstellung hervor, dass weitaus die größte Zahl von Lamellen die Nachtraubvögel besitzen. Diese Thatsache erinnert an die relativ große Lamellenzahl anderer nächtlicher Thiere: des Gecko unter den Sauriern und der Chimaera unter den Selachiern. Sie wird uns verständlich, wenn wir uns der relativ bedeutenden Größe der Linsen dieser Thiere erinnern. Die Regelmäßigkeit der Lamellen ist eine sehr große. Thei- lungen und Intercalationen kommen nur in größerer Tiefe, an der Grenze gegen die Übergangszone, vor; aber auch hier sind sie selten. Fig. 1, Taf. XVI zeigt uns einen Sector eines Äquatorialschnittes einer Taubenlinse. Ich habe absichtlich eine Stelle ausgewählt, an welcher einzelne Lamellen aus einander gewichen sind, so dass Spalt- räume zwischen ihnen sichtbar wurden. Von einer Schichtung ist nirgends eine Spur zu finden. | Wenn aber auch größere Unregelmäßigkeiten fast ganz fehlen, so kommen doch Störungen geringeren Grades keineswegs selten vor. Namentlich trifft man oft Fasern von doppelter Breite, wie solche auch an der eitirten Figur zu sehen sind. Ferner stößt man häufig auf Bilder ähnlich dem, welches die Textfig. 22c vom Alli- gator zeigt. Im Allgemeinen kann man sagen, dass die Unregel- Form verändern. Über den Bau und die Entwicklung der Linse. II. 355 mäßiskeiten um so häufiger werden, je mehr sich die Fasern von der Oberfläche entfernen. Wie überall werden die Lamellen von innen nach außen breiter; demnach nimmt auch die Breite der Fasern in derselben Richtung zu, während gleichzeitig ihre Dieke abnimmt. Die dieksten, aber zugleich schmalsten Fasern trifft man also innen, die dünnsten, zu- gleich breitesten außen (vgl. Fig. 1, Taf. XVI). Übrigens sind die Fasern nicht bloß in Beziehung auf ihre Breite und Dicke,. sondern auch hinsichtlich ihrer Form ungemein veränderlich. Sie sind eben Textfig. 65. Wellenpapagei. = Sn ze Textfig. 67. Textfig. 68. Huhn. Textfig. 66. Gans. Textfig. 69. Hühnerhabicht. Waldeule. N \ \ % N N SEND B; _—ı Y < rare 8? \ \ a m = == ae > S—— = Textfig. 70. Textfig. 71. Gimpel. Mauersesgler. überaus plastische Gebilde, welche auf den leisesten Druck hin ihre Damit hängt es auch zusammen, dass selbst bei der vorsichtigsten Fixirung Unregelmäßigkeiten nicht ganz zu ver- meiden sind. Wenn man bei der Präparation an einer Stelle etwas mehr vom Glaskörper entfernt, so dass hier die Fixirungsflüssigkeit Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXV. Bad. 24 396 Carl Rabl, rascher auf den Ciliarkörper und die Linse einzuwirken vermag, so genügt dies, um Störungen leichteren Grades hervorzurufen. Die Plastieität der Fasern nimmt, wie ich aus der Form ihrer Querschnitte schließe, von innen nach außen zu; sie ist also bei den oberflächlichsten Fasern am größten, bei den tiefsten am geringsten. Sie ist stets größer, als bei den Reptilien, mit Ausnahme des Cha- MR Wellenpapagei +41 Km—— m 4 ng Halsbandpapagei Gans Ente ; Haushuhn ee) Textfig. 72. Birkhuhn Haselhuhn Taube Habicht Steinkäuzchen Waldeule Nussheher Krähe Feldammer Gimpel Buchfink Stieglitz Feldlerche Rauchschwalbe Uferschwalbe Stadtschwalbe Mauersegler mäleons. So bedeutende Störungen im Ver- lauf der Lamellen, bedingt durch Unregel- mäßigkeiten der Faserquerschnitte, wie sie uns hier begegnet sind, kommen bei den Vögeln allerdings nicht vor. Nur beim Mauer- segler beobachtete ich an einzelnen Stellen der Äquatorialschnitte ähnliche, wiewohhlange nicht so bedeutende Unregelmäßickeikh. Ich habe in den vorstehenden Skizzen einige Faserquerschnitte des Wellenpapageies (Fig. 65), der Gans (Fig. 66), des Huhns (Fig. 67), des Hühnerhabichts (Fig. 68), der Waldeule (Fig. 69), des Gimpels (Fig. 70) und des Mauer- seglers (Fig. 71) bei 500facher Vergrößerung wiedergegeben. Außerdem sind in der Text- figur 72 die Faserbreiten der untersuchten Arten mit Ausnahme des Kiwi, bei 250facher Ver- größerung aufgetragen. Wie früher bei den Reptilien, sind, um die Unterschiede deut- licher‘ hervortreten zu lassen, immer drei Faserbreiten gezeichnet. Beim Kiwi waren die Faserquerschnitte zu undeutlich, um sie sicher messen zu können. Ein Vergleich dieser Zusammenstellung mit der in Textfig. 28 ze- gebenen lehrt, dass die Faserbreite bei den Vögeln eine sehr viel geringere ist, als bei den Reptilien. Es hängt dies in erster Linie mit der viel geringeren Zahl der Radiärlamellen der letzteren zusammen. Ferner ist es auffal- lend, dass bei den Vögeln viel geringere Differenzen zwischen den Faser- breiten der verschiedenen Arten vorkommen, als bei den Reptilien. Nur die Nachtraubvögel entfernen sich in der Faserbreite erheblich von den übrigen Vögeln, indem sie auffallend schmale Fasern besitzen; es hängt dies in erster Linie mit der großen Lamellenzahl derselben zusammen. Über den Bau und die Entwicklung der Linse. II. 357 Äquatorialschnitte zeigen nicht selten an der Oberfläche der Linsenfasermasse eigenthümliche wellenförmige Biegungen, die nicht etwa dadurch entstehen, dass die Radiärlamellen regelmäßig hin- und hergebogen sind, sondern die sich stets über mehrere Lamellen er- strecken. Einige solcher Wellen sind auf Taf. XVI, Fig. 2 von der Taube abgebildet. Sie sind um so deutlicher, je deutlicher die Wirbel des Ringwulstes sind. Bei der Taube scheint ihre Zahl der Zahl dieser Wirbel genau zu entsprechen; beim Mauersegler sind sie vielleicht nur halb so zahlreich, als die heilen Streifen in der äußeren Hälfte des Ringwulstes. Sie weisen, wie ich glaube, darauf hin, dass der Druck, welcher von den Ciliarfortsätzen auf den Ringwulst ausgeübt wird, sich auch auf die Linsenfasermasse fortpflanzt. Wie gesagt, sind sie stets nur an der Oberfläche der Linsenfasermasse zu sehen; bei der Taube reichen sie etwa 0,15 mm weit in die Tiefe. Über die Krimmungen der Fasern geben Meridionalschnitte Auf- schluss. Man sieht an denselben, dass nur die centralsten und zu- gleich kürzesten Fasern ganz oder fast ganz geradegestreckt sind, dass sich dann an diese zunächst Fasern von sehr flacher Krümmung anschließen (Taf. XV, Fig. 6) und dass weiter nach außen der Krüm- mungsradius in demselben Maße sich. verkürzt, als die Länge der Fasern wächst. Die Grenzen der Fasern rufen auch hier den Ein- druck koncentrisch geschichteter Lamellen hervor; aber es ist auch hier zu bedenken, dass die vermeintlichen Schichtungslinien nichts Anderes, als die Grenzlinien der einzelnen Fasern sind. Sehon die außerordentlich verschiedene Gestalt der Linsenfaser- masse, wie sie uns in den Textfiguren 55—64 entgegentritt, lässt vermuthen, dass der geschilderte Verlauf der Fasern nicht auch für die äußersten Grund- oder Havptfasern gelten kann. Der Verlauf dieser letzteren ist bei den Linsen mit wenig oder mäßig entwickel- tem Ringwulst ungefähr der in dem Schema der Eidechsenlinse (Textfig. 19) angegebene, bei den Linsen mit mächtigem Ringwulst dagegen, vor Allem den Singvögeln, Schwalben und Seglern, nähert er sich dem in dem Schema der Chamäleonlinse (Textfig. 20) ange- sebenen. Die größten Verschiedenheiten machen sich in dem Ver- lauf der jüngsten Fasern, derjenigen, welche noch nicht ihre volle Länge erreicht haben, bemerkbar. Diese sind nicht selten mehr oder weniger $S-förmig gebogen oder weisen auch wohl andere, nicht näher zu beschreibende Krümmungen auf. Es wäre von großem physikalischen Interesse, etwas über die Art der Liehtbreehung solcher Linsen, wie es die Schwalben- oder 24* 358 Carl Rabl, Seglerlinsen sind, zu erfahren. Dass auch sie scharfe, nicht ver- zerrte Bilder geben, davon habe ich mich beim Mauersegler selbst überzeugt. Von der Säugethierlinse wissen wir, dass sie kein optisch homogener Körper ist, sondern dass ihr Brechungsindex von außen nach innen konstant zunimmt. Dasselbe dürfen wir wohl auch von der Linse der Vögel erwarten und vielleicht wird daraus auch die Art der Liehtbrechung derselben verständlich. Andererseits kann es nach dem früher Mitgetheilten als in hohem Grade wahrscheinlich bezeichnet werden, dass sich die Brechkraft der Linse unter dem Einflusse des Ringwulstes ändert. Die jüngsten Linsenfasern lassen, abgesehen von ihrer eigen- artigen Krümmung, noch eine andere auffallende Erscheinung er- kennen. Sie sind nämlich an ihren Enden zu langgestreckten, auf dem Meridionalschnitte dreieckigen Kolben angeschwollen, die an ihrem breiten Ende eine ganz homogene Beschaffenheit besitzen. In den vorderen Kolben, welche direkt an die Unterfläche des Ring- wulstes, bezw. des Linsenepithels heranreichen, bemerkt man zu- weilen rundliche oder ovale, mit einer hellen Substanz erfüllte Va- cuolen. Je länger die Fasern werden, um so kleiner werden die Kolben, bis sie endlich ganz verschwinden. Stets sind aber die Kolben an den hinteren Faserenden dünner, als an den vorderen. Ich habe nun noch einige Worte über die Kernzone und den Kernschwund zu sagen. Die Kernzone zeigt überall wesentlich das gleiche Verhalten; sie zieht von der Epithelgrenze parallel der Ober- fläche der Linsenfasermasse und in geringer Entfernung von der- selben nach vorn ungefähr bis zur Äquatorialebene und senkt sich hier, indem sich die Kerne zerstreuen, in die Tiefe. Geringfügige Abweichungen von diesem Verhalten können immerhin vorkommen. So reicht z. B. die Kernzone bei den Tauben, Schwalben und Seg- lern bis vor die Äquatorialebene. Andererseits scheint sie bei den Nachtraubvögeln dieselbe nicht ganz zu erreichen. Vom Kernschwund erhält man genau dieselben Bilder, wie bei den Reptilien, speciell bei den Eidechsen. Nichtsdestoweniger möchte ich für eine Detailuntersuchung der Erscheinungen des Kernschwundes die Linse der Eidechsen mehr, als die der Vögel empfehlen. Wie bei den Eidechsen zieht sich das Chromatin immer mehr zusammen und stellt schließlich ein kleines, fast punktförmiges, intensiv gefärbtes Korn dar. In demselben Maße, als sich das Chromatin verdichtet, nimmt der helle Hof, der dasselbe umgiebt, an Ausdehnung zu. Das Chromatin schwindet schließlich auch aus dem kleinen Korn, in dem Über den Bau und die Entwicklung der Linse. II. 359 es noch enthalten war, während dieses selbst noch als punktförmige, fast farblose Masse zurückbleibt. Ob auch sie endlich schwindet, kann ich nicht bestimmt sagen. Jedenfalls bleibt der helle Hof in sehr vielen Fällen, wenn nicht vielleicht immer, erhalten. Er ist aber nicht immer mit gleicher Leichtigkeit und Sicherheit nachzu- weisen. Sehr leicht lässt er sich bei den Schwalben und dem Mauer- segler bis zur Centralfasermasse verfolgen. Fälle dagegen, in denen, wie beim Chamäleon, auch noch die ÜOentralfasern chromatische Kernreste enthalten, sind mir bei den Vögeln nicht vorgekommen. Jede Faser enthält nur einen Kern, bezw. einen Kernhof. Wenig- stens habe ich Fasern mit mehr als einem Kerm nie finden können. Selbstverständlich darf man diese Frage nicht nach Zupfpräparaten oder Schiefschnitten beurtheilen; hier sind nur solche Meridional- schnitte entscheidend, welche genau durch die Mitte der Linse gehen. Dort, wo die Kerne liegen, sind die Fasern häufig, aber nicht immer, spindelförmig angeschwollen; dies gilt namentlich auch für die tieferen Fasern, in denen zwar keine eigentlichen Kerne, wohl aber noch Kernhöfe zu sehen sind. Nicht selten grenzen sich die jungen Fasern ähnlich, wie dies früher schon vom Wellenpapagei berichtet wurde, durch wellenförmige Kontouren gegen einander ab. Im Übrigen sieht man sehr oft zwischen den Fasern kleine Spalt- räume von ovaler Form und variabler Größe. — Zum Sehlusse will ich noch ein paar Worte über die Kapsel sagen. Mit Ausnahme des Kiwi scheint sie nirgends geschichtet zu sein; beim Kiwi dagegen besteht sie allem Anscheine nach aus einer dünnen äußeren und einer dieken inneren Schicht. Ich habe für ihre Dicke bei einigen der untersuchten Arten, so weit eine Messung überhaupt ausführbar war, folgende Werthe ge- funden: Vorderfläche Ringwulst Hinterfläche vorn mitten hinten Bei... 0,003 0,008 0,01 0,004 Wellenpapagei. 0,0025 0,002 0,0015 0,0005 Haushuhn ... -- 0,003 0,006 0,003 Haube .i.i.r.. 0,0015 0,0025 9,005 0,0015 kabieht:'. .... 0,004 0,003 0,004 0,002 0,002 Babes... 0,0035 0,002 0,094 000,2 0,0015 Feldammer. ... 0,002 —_ 0,003 Stadtschwalbe . — 0,001 0,002 Mauersegler ... 0,002 — 0,002 360 Carl Rabl, Natürlich können solche Messungen nur approximative Werthe geben. Immerhin geht aus denselben zunächst hervor, dass die Kapsel beim Kiwi weitaus am dicksten ist. Ferner ist aus ihnen zu entnehmen, dass sie fast ausnahmslos über der Mitte des Ring- wulstes oder vielleicht richtiger, über seinem Scheitel am dick- sten ist und dass sie von hier nach vorn und hinten dünner wird, und zwar nach hinten rascher, als nach vorn. In jenen Fällen, in denen sie auch an der Hinterfläche gut erhalten war, war sie hier immer erheblich dünner, als vorn. Eine Struktur konnte ich an ihr nie wahrnehmen; aber ich kann die Möglichkeit nicht aus- schließen, dass sich eine solche bei geeigneter Behandlung und spe- ciell darauf gerichteter Aufmerksamkeit werde nachweisen lassen. — Was die Litteratur betrifft, so muss ich gestehen, dass ich seit dem Beginn meiner Untersuchungen über den Bau der Linse die Sorge nicht los werden konnte, die eine oder andere Arbeit von einiger Wichtigkeit übersehen zu haben. Diese Sorge wurde bei der Untersuchung der Vogellinse ganz besonders lebhaft. Es schien mir fast unmöglich, dass ein Organ von so großem Interesse und so merkwürdigem Bau so ungenügend bekannt sein sollte. Aber ich wurde immer wieder zu dem Schlusse geführt, dass die wirklichen oder vermeintlichen Schwierigkeiten, die sich der Untersuchung der Linse entgegenstellen, Schuld an dem mangelhaften Stande unserer Kenntnisse tragen dürften. — Wie ich einer Arbeit HErInRich MÜL- LER’s entnehme, hatte schon TREVIRAnUS bemerkt, »dass beim Fal- ken und anderen Vögeln die Fasern der äußeren Linsenschicht schief gegen den Umfang der Linse gerichtet sind, während der Kern aus über einander gelagerten Blättern besteht«. Aber erst BrÜCKE! beschrieb, offenbar ohne etwas von der Mittheilung TrE- VIRANUS’ zu wissen, diese Schicht als einen Ring, der die Linse umschließt, wie das Metall einen a jour gefassten Stein umschließt. Es ist interessant, dass BRÜCKE diese Beobachtung zuerst an der Linse eines Uhu, also eines Nachtraubvogels, machte, bei dem der Ringwulst viel kleiner ist, als bei der Mehrzahl der anderen Vögel. Brücke fand, dass der von ihm gefundene Ring »an dem geschichteten Baue der Linse keinen Antheil hatte, sondern aus lauter sehr regel- mäßig neben einander liegenden geraden Fasern bestand, welche radial segen die Achse der Linse und senkrecht auf die Richtung derselben ı E. BRÜCKE, Über einen eigenthümlichen Ring an der Krystalllinse der Vögel. Arch. f. Anat., Physiol. u. wiss. Mediein. Jahrg. 1847. Über den Bau und die Entwicklung der Linse. II. 361 gestellt waren«. Diesen Ring fand BRÜCKE später in allen Vogel- augen, die er untersuchte, bemerkte aber zugleich, dass er in den verschiedenen Familien von sehr ungleicher Größe ist. Am größten fand er ihn bei den Raubvögeln, »deren Augen sich durch eine wenig gewölbte Linse auszeichnen«.. »Bei den jungen Vögeln hat der Ring«, wie BRÜCKE weiter mittheilt, »schon ziemlich dieselbe Breite, wie bei den alten; er ist aber so dünn, wie ein Kartenblatt«. Sehon BrRückE dachte an die Möglichkeit, dass er bei der- Accom- modation eine Rolle spielen könnte; er schreibt nämlich: »Vielleicht ist die Stellung (der Fasern des Ringes) im Leben Veränderungen unterworfen, welche mit der Aktion des CrAmPTon’schen Muskels und des Spannmuskels der Choroidea zusammenhängen«. — Die erste, eingehendere Beschreibung des Ringwulstes, sowie der Linse der Vögel überhaupt verdanken wir HEINRICH MÜLLER!. Seine Untersuchungen bezogen sich hauptsächlich auf den Hühnerhabicht (Faleo [Astur] palumbarius). Er stellte zunächst fest, dass »der von BrRÜCKE beschriebene Ring nach rückwärts direkt in die koncentrisch seschichteten Linsenfasern übergeht, während er gegen die Vorder- fläche der Linse in die Zellenschicht sich fortsetzt, welche der Kapsel innen anliegt als sogenanntes Epithel derselben<«. Damit war zuerst der Beweis geliefert, dass der Ringwulst im Grunde nichts Anderes, als eine besonders differenzirte Bildung des Epithels vorstellt. Die Beschreibung, welche MÜLLER von den »radialen Fasern« des Ring- wulstes giebt, ist nicht ganz richtig; sie trifft eigentlich nur für die Fasern der vorderen und hinteren Grenze, nicht aber auch für die der Hauptmasse des Ringwulstes zu. MÜLLER scheint der Ansicht gewesen zu sein, dass die Fasern des Ringwulstes durchweg einfache Prismen ohne jegliche weitere Differenzirung vorstellen. Die spindel- förmigen Anschwellungen der Fasern hat er wohl gesehen, jedoch schreibt er: »Wo beträchtliche Einschnürungen und wieder blasige Ausdehnungen an denselben vorkommen, glaube ich eine Leichen- erscheinung annehmen zu müssen, "welche namentlich bei Wasser- zusatz sehr rasch eintritt.« Dass diese Annahme unberechtigt ist, glaube ich nach dem früher Mitgetheilten nicht noch besonders be- tonen zu müssen. Richtig ist dagegen, was MÜLLER über die Lage der Kerne der Ringwulstfasern sagt. Er schreibt: »In !den Fasern 1 HEINRICH MÜLLER, Über den Accommodationsapparat im Auge der Vögel, besonders der Falken. Arch. f. Ophthalm. Bd. III. 1857. Auch enthalten in H. MÜLLER’s gesammelten Schriften, Bd. I, herausgeg. von OTTO BECKER. Leipzig 1872. 362 Carl Rabl, des Ringes liegen sie, bisweilen wenig sichtbar, nahe dem äußeren Ende, etwa 0,05 mm davon entfernt, aber nicht alle in gleicher Höhe. Beim Übergang in die koncentrischen Schichten entfernen sich die Kerne von dem äußeren (später hinteren) Ende der Fasern und kommen mehr in die Mitte derselben zu liegen. Es lässt sich dann die Kernzone in der koncentrischen Faserung noch eine Strecke weit einwärts verfolgen, und zwar in einer Linie, welche in einiger Entfernung von der den Ring abgrenzenden Spalte nach vorn zieht. ... Mehr als einen Kern habe ich nie in einer Faser gesehen; der Anschein entsteht sehr leicht, wenn mehrere der dünnen Fasern sich decken. Es sind somit die Fasern des koncentrisch geschichteten Linsentheils als nach zwei Seiten ausgewachsene Zellen zu betrach- ‘ten, die Fasern des Ringes aber als vorwiegend nach einer Richtung verlängerte.< Wie schon BRÜCKE hat auch H. MÜLLER an die Mög- lichkeit gedacht, dass »die Eigenthümlichkeit der Struktur der Krystalllinse bei den Vögeln für die Accommodation von Einfluss« sein könnte. Er bemerkt darüber u. A. Folgendes: Es wäre »viel- leicht daran zu denken, ob nicht die Kompression der Linse von Seiten des Ciliarkörpers dadurch besonders für die Mitte der Linse wirksamer wird, dass sie am Rande zunächst jenen Ring trifft, dessen Fasern mit ihrer Achse in der Richtung des ausgeübten Druckes stehen, oder ob etwa die Elastieität der Linse durch jene Anordnung eine vollkommenere wird«. Am eingehendsten hat sich Hexte! mit der Linse der Vögel beschäftigt; aber seine Resultate gehen nicht wesentlich über jene H. MüLLer’s hinaus. HENLE meint, dass sich die Ringwulstfasern »gegenüber der großen Mannigfaltigkeit der Gestalten, welche die eigentlichen Linsenfasern darbieten, durch Gleiehförmigkeit auszeich- nen, so dass nicht einmal die Fasern des Ringwulstes der Vögel und der Reptilien anders als durch eine etwas größere Widerstands- fähigkeit der letzteren, von einander unterschieden sind«. Dem segenüber kann auf die oben mitgetheilten Beobachtungen verwiesen werden, welche zeigen, dass die Mannigfaltigkeit der Ringwulstiasern doch wohl eine sehr viel größere genannt werden muss, als die der Linsenfasern im engeren Sinn. Auch HENnLE scheint die Schwierig- keiten der Untersuchung nicht überwunden zu haben; sonst könnte er nieht schreiben: Die Fasern, »welche ich für die am besten konser- virten halten muss, fand ich in der ganzen Länge gleichmäßig dick«; 1 J. Hente, Zur Anatomie der Krystalllinse. Abhandl. d. kgl. Ges. d. Wiss. zu Göttingen. Bd. XXIIL 1878. Über den Bau und die Entwicklung der Linse. II. 363 ferner: »kolbig angeschwollen findet man es (das innere Ende der Ringwulstfasern) nur, wenn Ringwulst und meridionale Fasern durch eine Schicht Flüssigkeit von einander getrennt sind«. Richtiger ist, was er von den Kernen mittheilt, aber es enthält gegenüber den Mittheilungen H. MÜLLER’s nichts Neues. Wichtige Angaben enthält der vergleichend-anatomische Theil der Hente’schen Abhandlung. Hier theilt er mit, dass »die gene- rischen Verschiedenheiten der Ringwülste auf Unterschieden ihrer Breite im Vergleich zum meridionalfaserigen Theil der Linse beruhen. Unter den Vögeln sind es die Passeres (Insessores), an deren Linse der Rinswulst den größten Antheil hat; ihnen zunächst stehen die Tagraubvögel, dann folgen die hühnerartigen und Wasservögel. Den schmalsten Ringwulst besitzt die Linse der Eulen und des Straußes«. Diese Angaben lassen sich zum Theil ganz gut mit meinen Ergeb- nissen in Einklang bringen. Interessant ist, dass die Linse des Straußes, welche zu untersuchen ich selbst keine Gelegenheit hatte, einen relativ kleinen Ringwulst besitzt; sie dürfte sich also in dieser Hinsicht an die Linse des Kiwi anlehnen. — Merkwürdig ist, was HENLE von »Faltungen« des Ringwulstes junger Hühner und vor Allem des Mauerseglers berichtet; von der letztgenannten Art giebt er auch eine Abbildung, bemerkt aber dazu: »Ich muss hinzufügen, dass ich die komplieirten Ringwülste, die mir im ersten Sommer an allen Exemplaren der genannten Vogelart (Cypselus apus), deren ich habhaft wurde, auffielen, an den Exemplaren des folgenden Jahres nicht wieder fand. Ich kann desshalb nicht umhin zu vermuthen, dass in jenen Formen eine Anomalie, und zwar eine epidemische vorgelegen habe«. Was mich betrifft, so möchte ich eher glauben, dass HEnLE die Faltungen des Ringwulstes selbst erzeugt hat, etwa, indem er die Linsen vor der Fixirung mit den Fingern oder mit der Pincette anfasste und den Ringwulst dadurch in Unordnung brachte. Auch andere Angaben lassen mich vermuthen, dass HexLe die Linsen gewöhnlich nicht in situ fixirt, sondern schon vor der Fixirung aus dem Auge entfernt hat. Nur so kann ich es mir erklären, dass HexLe die Formdifferenzen der verschiedenen Vogellinsen so ganz übersehen hat, und dass in seinen Abbildungen die Linsen des Mauerseglers, der Feldlerche, der Stadtschwalbe, der Hausgans, des Haushuhns, des Hühnerhabichts und des Waldkauzes so ganz und gar dieselbe Form haben. Daraus dürfte wohl auch bis zu einem gewissen Grade die große Verschiedenheit zwischen HENLE’s und meinen Maßangaben eine Erklärung finden. Nirgends ist es mir so sehr, wie gerade bei 364 Carl Rabl, der Untersuchung der Vogellinse aufgefallen, wie sehr sich meine Arbeit von derjenigen HrnLE’s unterscheidet; sie weicht von ihr nicht bloß in Beziehung auf die Gesichtspunkte, von denen sie ausgeht, sondern auch in Beziehung auf die Ziele, die sie verfolgt, grund- sätzlich ab. Fast Alles, was HenLE wichtig und interessant findet, erscheint mir von untergeordneter Bedeutung, und fast Alles, worüber er nur ganz kurz hinweggeht, erregt mein lebhaftes Interesse. Dies kann mich selbstverständlich nicht hindern, den außerordentlichen Fleiß und die Umsicht, mit der Hente’s Arbeit durchgeführt ist, voll und ganz anzuerkennen. Fast gleichzeitig mit HenLe’s Arbeit erschien eine Abhandlung RıtTer’s!, die sich ganz ausschließlich mit dem Bau der »Radiär- faserschicht der Vogellinse« beschäftigte. Dieselbe enthält neben vereinzelten leidlich guten Beobachtungen eine Menge höchst merk- würdiger Angaben und gipfelt in dem vermeintlichen Nachweis spiralig sewundener, zuweilen leicht quergestreifter Körper in den inneren Theilen der Ringwulstfasern. RITTER scheint seiner Entdeckung zwar selbst kein allzugroßes Vertrauen geschenkt zu haben; denn er schließt mit den resignirten Worten: »Die histologischen Ergebnisse werden Zweifel und Bedenken erregen, wie dies das Schicksal jeder histologischen Arbeit ist. Habent sua fata libelli!« Das hat ihn aber doch nicht gehindert, in seinem Befunde den »histologischen Beweis« für die Richtigkeit der schon von BRÜCKE und H. MÜLLER ausgesprochenen Vermuthung, dass der Ringwulst zu der Accommo- dation der Vögel in Beziehung stehe, zu erblicken. Aus den letzten 20 Jahren ist noch einer kurzen Bemerkung- BERGER’s? über die Linsenkapsel zu gedenken. Es ist BERGER ge- lungen, die Kapsel bei der Taube durch Maceration in drei Lamellen zu zerlegen; indessen hebt er ausdrücklich hervor, dass sie auf dem Querschnitte keine Längsstreifung erkennen lasse. Endlich muss noch einer Arbeit Erwähnung gethan werden, die, wenn sie auch im Übrigen rein physikalischen Inhaltes ist, doch auch die früher erörterte Frage der Bedeutung des Ringwulstes be- rührt. MATTHIEssen® hat den physikalisch-optischen Bau des Vogel- ı K. Rırter, Zur Histologie der Linse. 6. Über die Radiärfaserschicht der Vogellinse. v. GRAEFE’sS Arch. f. Ophthalmologie. XXIV. Jahrg. 1878. ?2 E. BERGER, Bemerkungen über die Linsenkapsel. Centralbl. £ Augen- heilkunde. VI. Jahrg. 1882. 3 LuDwIG MATTHIESSEN, Über den physikalisch-optischen Bau des Auges der Vögel. PrLücer's Archiv f. d. ges. Physiologie. Bd. XXXVIIL 1886. Über den Bau und die Entwicklung der Linse. II. 365 auges untersucht und ist dabei zu der Ansicht gelangt, »dass die Wirksamkeit des sogenannten Ringwulstes allein dioptrischen Zwecken dient«. Eine solche Ansicht ist vom anatomischen Standpunkte aus unhaltbar. Wie ich erwähnt habe, wird der Ringwulst selbst bei ad maximum erweiterter Pupille inoch von der Iris bedeckt und daher von den einfallenden Lichtstrahlen nicht getroffen; ich habe ihn da- her als optisch inaktiv bezeichnet. So dankbar es anerkannt werden muss, wenn sich ein Physiker Fragen, wie der vorliegenden, zu- wendet, so ist doch zu bedenken, dass er sich der genauesten Be- rücksichtigung der anatomischen Verhältnisse nicht wird entschlagen können. Prag, im Juli 1898. Erklärung der Abbildungen, Tafel XI. Entwicklung der Linse der Reptilien. Fig. 1. Linsenanlage eines Embryo von Lacerta agilis mit 24 Urwirbeln. 215mal vergr. Fig. 2. Linsenanlage eines Embryo von Lacerta agilis mit 27 Urwirbeln. 215mal vergr. Fig. 3. Linsenanlage eines Embryo mit derselben Urwirbelzahl, wie der vorige. 215mal vergr. Rn Fig. 4 Linsenbläschen eines Embryo von Lacerta agilis mit 29 Urwirbeln, 215mal vergr. Fig. 5. Linsenbläschen eines Embryo von Lacerta agilis mit 33 Urwirbeln, 215mal vergr. Fig. 6. Linse eines Lacerta-Embryo mit 47—48 Urwirbeln. 215mal vergr. Fig. 7. Linse eines 2,2 cm langen Embryo von Lacerta agilis. 130mal vergr. Fig. 8. Ein Theil des Schnittes bei 260facher Vergrößerung. Fig. 9. Linse eines 3,6 cm langen Embryo von Lacerta agilis. 130mal vergr. Fig. 10. Ein Theil des Schnittes bei 260facher Vergrößerung. Fig. 11. Linse eines 5,6 cm langen Embryo von Lacerta agilis. 130mal velgr. Fig. 12. Linsensäckchen eines Embryo von Tropidonotus natrix. 215mal vergr. Fig. 13. Linsenbläschen eines etwas älteren Embryo von Tropidonotus natrix. 215mal vergr. | Fig. 14. Linse eines weit entwickelten Embryo von Tropidonotus natrix. 130mal vergr. Fig. 15. Anschnitt dieser Linse; stärker vergrößert. 366 Carl Rabl, Tafel XII. Zum Bau der Linse der Reptilien. Fig. 1. Epithelgrenze von Lacerta viridis mit den meridionalen Reihen. ÖOberflächenansicht. 215mal vergr. Fig. 2. Meridionalschnitt durch den Ringwulst und die Kernzone von Lacerta viridis. 97mal vergr. Fig. 3. Meridionalschnitt durch den Ringwulst und die Kernzone eines jungen Exemplares von Emys europaea. 97mal vergr. Fig. 4. Fasern aus der Mitte des Ringwulstes von Lacerta viridis. 570mal vergr. Fig. 5. Dessgleichen von Lacerta faraglionensis. 570mal vergr. Fig. 6. Dessgleichen von Lacerta muralis. 570mal vergr. Fig. 7. Dessgleichen von Platydactylus mauritanieus. 570mal vergr. Fig. 8. Dessgleichen von Emys europaea; junges Exemplar. 570mal vergr. Fig. 9. Dessgleichen von einem 25,3 em langen Alligator mississipiensis. 570mal. vergr. Fig. 10. Dessgleichen von Pseudopus Pallasii. 570mal vergr. Fig. 11. Meridionalschnitt durch die Epithelgrenze und den Anfang der Kernzone von Pseudopus Pallasii. 215mal vergr. Fig. 12. Meridionalschnitt durch die Epithelgrenze und den Anfang der Kernzone von Lacerta muralis. 570mal vergr. Fig. 13. Drei Querschnitte durch die Ringwulstfasern von Lacerta agilis. (Aus drei Tangentialschnitten durch die Linse.) 570mal vergr. Fig. 13a vierter, Fig. 135 achter, Fig. 13c sechzehnter Schnitt. Fig. 14. Epithelfasern aus der Mitte der Vorderfläche der Linse von Za- menis viridiflavus. 570mal vergr. Tafel XIII. Entwicklung der Linse der Ente. 250mal vergr. Fig. 1. Linsenanlage eines Embryo mit 23 Urwirbeln. Fig. 2. Linsengrube eines Embryo mit 25 Urwirbeln. Fig. 3. Linsensäckcehen eines Embryo mit 29 Urwirbeln. Fig. 4. Linsensäckchen eines Embryo mit 32 Urwirbeln. Fig. 5. Eben abgeschnürtes Linsenbläschen eines Embryo mit 35—36 Ur- wirbeln. Fig. 6. Linsenbläschen eines Embryo mit 43 Urwirbeln. Fig. 7. Theil eines Meridionalschnittes durch die Linse eines 6 Tage 22 Stunden alten Embryo. Fig. 8. Dessgleichen durch die Linse eines 10 Tage 6 Stunden alten Embryo. Fig. 9. Dessgleichen durch die Linse eines 17 Tage 20 Stunden alten Embryo. Tafel XIV. Zum Bau der Linse der Vögel. Fig. 1. Meridionalschnitt durch den Ringwulst und den Anfang der Kern- zone des Wellenpapageis (Melopsittacus undulatus). 126mal vergr. Fig. 2. Einige Ringwulstfasern desselben bei 263facher Vergrößerung. Über den Bau und die Entwicklung der Linse. II. 367 Fig. 3. Meridionalschnitt durch die Epithelgrenze der Linse des Wellen- papageis. 540mal vergr. Fig. 4. Meridionalschnitt durch den Ringwulst der Taube. 203mal vergr. a, b und e die drei Abschnitte des Ringwulstes. Fig. 5. Einige Fasern desselben; schematisch. Fig. 6. Äußeres Ende der Ringwulstfasern des Hühnerhabichts (Astur palumbarius). 540mal vergr. Fig. 7. Spindeln des Ringwulstes des Hühnerhabichts. 540mal vergr. Tafel XV, Zum Bau der Linse der Vögel. Fig. 1. Aus einem Äquatorialschnitt durch den Ringwulst der Taube. 203mal vergr. cf, Kontouren der Ciliarfortsätze. Fig. 2. Äußere Enden der Ringwulstfasern der Taube, um ihre enden zu zeigen. Etwas vor dem Scheitel des Ringwulstes. Aus einem Meridional- schnitt. 540mal vergr. Fig. 3. Epithelgrenze der Taube mit den meridionalen Reihen. Ober- flächenansicht. 540mal vergr. Fig. 4. Stück eines Meridionalschnittes durch den Ringwulst des Hühner- habichts. 110mal vergr. Fig. 5. Stück eines Äquatorialschnittes durch den Ringwulst des Mauer- seglers (Cypselus apus). 130mal vergr. c/, Ciliarfortsätze. Fig. 6. Centralfasern der Taubenlinse im Meridionalschnitt. Ca. 480mal vergT. Tafel XVI. Zum Bau der Linse der Vögel. Fig. 1. Sektor eines Äquatorialschnittes durch die Linse der Taube (ohne Ringwulst). Fig. 2. Aus einem Äquatorialschnitt durch die Linse der Taube. Rs. 3. Äquatorialschnitt durch die Centralfasermasse und einen Theil der Ubergangszone der Uferschwalbe (Hirundo riparia). Protozoen-Studien. | IV. Theil!. Flagellaten aus dem Gebiete des Oberrheins. Von Dr. Robert Lauterborn. (Aus dem Zoologischen Institut der Universität Heidelberg.) Mit Tafel XVII und XVII. Wenn es überhaupt noch eines besonderen Beweises dafür be- dürfte, wie wenig vollständig doch erst die Protozoenfauna unserer heimischen Gewässer bekannt ist, so ließen sich vielleicht auch die auf den folgenden Seiten geschilderten Flagellaten als sprechendes Beispiel heranziehen. Nicht weniger als fünf neue Gattungen be- finden sich unter ihnen, welche (mit einer Ausnahme) innerhalb eines Zeitraumes von nur zwei Jahren auf einem räumlich ziemlich be- schränkten Gebiete zur Beobachtung gelangten. Ich verdanke die Entdeckung dieser Formen eben so wie der in meinen früheren »Protozoen-Studien« behandelten neuen eigenartigen Rhizopodengattung Paulinella chromatophora Lauterb. und der interessanten Mul- tieilia lacustris Lauterb. lediglich faunistischen Studien, welche mich zu allen Jahreszeiten an die seeartigen Altwasser, sowie an die zahlreichen schilfumrahmten Teiche, Torf- und Lehmgruben der Oberrheinebene führen. Ein Theil der hier etwas eingehender be- schriebenen und abgebildeten Flagellaten wurde darum zum ersten Male als Anhang einer faunistisch-biologischen Arbeit: Über die Winterfauna einiger Gewässer der Oberrheinebene (94) 1 Protozoen-Studien. I. Kern- und Zelltheilung von Ceratium hirundi- nella. In: Diese Zeitschr. Bd. LIX (1895). p. 167—190. — II. Paulinella chromato- phora nov. gen. nov. spec., ein beschalter Rhizopode des Süßwassers mit blau- grünen chromatophorenartigen Einschlüssen. Ebenda. p. 537—544. — III. Über eine Süßwasserart der Gattung Multieilia Cienkowsky (M. lacustris nov. spee. und deren systematische Stellung. Ebenda. Bd. LX (1895). p. 235—248. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXV. Bd. 25 370 Robert Lauterborn, kurz geschildert, nämlich Sphaeroeca Volvox, Bicosoeea so- cialis, Mesostigma viride, Gymnodinium tenuissimum. Die Diagnosen der anderen Nova: Thaumatonema setiferum, Chry- sosphaerella longispina, Hyalobryon ramosum, Vacuola- ria depressa waren Gegenstand einer besonderen kleinen Ar- beit (96). Die eingehendere Untersuchung meines gesammten Protozoen- materials fand in dem Zoologischen Institut zu Heidelberg statt, dessen reiche Hilfsmittel mir durch die Güte meines hochverehrten Lehrers, des Herrn Geh. Hofrath Professor BÜrtscHLı, allzeit zur Verfügung standen; hierfür sowie für seinen liebenswürdigen Rath in allen zweifelhaften Fällen spreche ich ihm auch an dieser Stelle meinen herzlichsten Dank aus. I. Sphaeroeca Volvox Lauterb. Taf. XVII, Fig. 1—2. Im Bodenschlamm eines Teiches bei Maudach, dessen freie Wasserflächen mir schon seit Langem zu allen Jahreszeiten eine reiche Ausbeute an Planktonorganismen gewähren, fielen mir im Februar 1894 kleine milchweiße Kügelchen auf, welche bei Lupen- betrachtung große Ähnlichkeit mit einem Actinosphaerium dar- boten. Unter dem Mikroskop erwiesen sich die Kügelchen jedoch als Kolonien kragentragender Flagellaten, wie sie meines Wissens bis jetzt noch nicht beschrieben wurden: ich habe sie darum in meiner Arbeit über die Winterfauna des Oberrheins (94) Sphaer- oeca Volvox genannt und daselbst kurz charakterisirt. Die Kolonien von Sphaeroeca bestehen aus einer sehr hyalinen Gallerte, welcher ich in der Regel einzellige Algen, encystirte Chry- somonadinen und Bakterien eingelagert fand. Ihre Größe schwankt innerhalb ziemlich weiter Grenzen (120—200 u); die größeren Kugeln sind schon mit freiem Auge oder doch sicher mit der Lupe wahr- zunehmen. Solche Kolonien enthalten dann mehrere Hundert Einzel- individuen, die alle radiär in die Gallertkugel eingepflanzt sind. Sie besitzen, wie Fig. 2 zeigt, einen rundlich birnförmigen Körper von 8—12 u Länge, der sich hinten in einen stets mehr oder weniger deut- lichen Stiel fortsetzt. Die Länge desselben übertrifft die des Körpers um das Doppelte; ein Zusammenhang der Stiele im Centrum der Kugel wurde niemals beobachtet. Am Vorderende trägt jede Fla- sellate einen ziemlich hohen zarten Kragen, der sich an seinem freien Rande nur wenig verbreitert und eine lange Geißel von etwa Protozoen-Studien. IV. | 371 fünffacher Körperlänge umschließt. Die innere Organisation der Monaden bietet keine Besonderheiten dar. Ein zwischen Mitte und Vorderende gelagerter Kern von »bläschenförmigem« Bau mit großem Nucleolus ist stets schon im Leben deutlich zu beobachten; hinter ihm liegt die kontraktile Vacuole. Sonst finden sich im Plasma noch zahlreiche kleine Kügelchen, welche bei hoher Einstellung hell und slänzend, bei tiefer dunkler erscheinen. Gewöhnlich sieht man die Kugeln von Sphaeroeca Volvox unter rotirenden Bewegungen langsam durch das Gesichtsfeld des Mikroskopes dahingleiten; wenn sie stille liegen, werden die langen Geißeln in der Regel stabförmig ausgestreckt. Beim geringsten Druck schwärmen die Flagellaten aus ihrer gemeinschaftlichen Gal- lerte aus und schwimmen frei im Wasser umher. — Wenn wir unter den koloniebildenden Choanoflagellaten Um- schau halten nach derjenigen Gattung, welcher Spharoeca am näch- sten verwandt ist, so dürfte unser Blick wohl am ehesten auf die Gattung Protospongia Kent fallen. Bei dieser sind nämlich die Einzelindividuer ebenfalls in eine gemeinschaftliche Gallerte einge- bettet, welche bei der typischen Art (Protospongia Haeckelii Kent) die Gestalt einer unregelmäßigen flachen und an Wasser- pflanzen festsitzenden Scheibe hat. Noch nähere Beziehungen dürfte eine zweite von OxLEyY (84) als Protospongia pedicellata be- schriebene Art haben, welche auch noch dadurch interessant ist, dass bei ihr die Individuen außerordentlich zahlreich sind: giebt doch OxLEY ihre Zahl in einer Kolonie zu 10—20000 und selbst mehr an. Die der Abhandlung beigegebene Figur zeigt eine sehr lang- gestreckte unregelmäßige Gestalt der Kolonie, während dieselbe im Text als gewöhnlich mehr rundlich, ja manchmal selbst annähernd kugelig dargestellt wird, immer aber mit Anzeichen, dass dieselbe ursprünglich an einer Unterlage festgeheftet war. Die Einzelthiere von Protospongia pedicellata unterscheiden sich von denen der Sphaeroeca (abgesehen von einem ansehnlicheren weiteren Kragen) besonders dadurch, dass bei ihnen das Hinterende in einen Stiel von nur etwa halber Körperlänge verschmälert ist. Ob auch die ebenfalls freischwimmende Gattung Asterosiga From. Beziehungen zu Sphaeroeca besitzt, lässt sich jetzt noch nicht entscheiden. Bei ihr sitzen nämlich die Einzelindividuen auf sehr langen Stielen, welche im Centrum zusammenhängen; auf diese Weise kommen kugelige Kolonien zu Stande, deren Oberfläche (nach den Angaben von 0. ZacHArIAs [94]) aus den dicht bei einander 25* : 372 Robert Lauterborn, stehenden Monoden gebildet wird. Eine genauere Untersuchung dieser jedenfalls recht interessanten Gattung wäre um so wünschens- werther, als über sie bis jetzt nur die unzureichenden Beobachtungen von FROMENTEL, KENT und OÖ. ZACHARIAS (94) vorliegen. Il. Bicosoeca socialis Lauterb. Taf. XVII, Fig. 3—5. Die vorliegende Form unterscheidet sich von den übrigen bisher beschriebenen Arten der Gattung Bicosoeca dadurch, dass sie nicht an einem Substrat festgeheftet ist, sondern freischwimmende Ko- lonien bildet. In der vorläufigen Mittheilung (94), in welcher ich die Art zum ersten Male beschrieb, habe ich allerdings auch auf die Möglichkeit hingewiesen, dass die von mir im freien Wasser beobach- teten Kolonien vielleicht nur die losgelösten Trauben einer für ge- wöhnlich festsitzenden Form sind, wie sich ja auch bei Antho- physa beispielsweise die traubig gehäuften Flagellaten öfters von ihren Stielen loslösen und frei umherschwimmen, — aber diese Annahme ist mir immer unwahrscheinlicher geworden, da ich niemals fest- sitzende, d. h. gestielte Exemplare finden konnte. Die Einzelindividuen von Bicosoeca socialis sind von hya- linen stiellosen Gehäusen umschlossen, welche mit ihrer Basis zu- sammenhängen und so sternförmige Kolonien bilden. Von Gestalt gleichen die Gehäuse einer bauchigen Vase: an der Basis etwas blasig aufgetrieben, verschmälern sie sich gegen ihr freies Ende und sind hier gerade abgestutzt. Die Flagellaten, welche mit dünnen Stielen am Grunde dieser Gehäuse befestigt sind, besitzen — von der dorsalen oder ventralen Seite gesehen — eine länglich ovale Gestalt; bei seitlicher Ansicht erscheint das Hinterende gewöhnlich etwas vorgezogen, wie Fig. 5 zeigt. Im Inneren ist ein bläschen- förmiger Nucleus mit Nucleolus schon im Leben deutlich, eben so die kontraktile Vacuole am Hinterende. Vorn, in der Nähe der Geißelbasis liegt eine zweite Vacuole, die aber keine Kontraktionen zeigt und wohl als Nahrungsvacuole funktionirt. Betrachtet man die Flagellaten bei schwacher Vergrößerung, so scheint es, als wenn sich das abgestutzte Vorderende beiderseits zu zwei etwas ungleich großen plasmatischen Fortsätzen verlängerte. Ein genaueres Studium mit starken Systemen lässt jedoch erkennen, dass diese lippenartigen Fortsätze der optische Durchschnitt eines sehr zarten kragenartigen Saumes sind, welcher wallartig das Vorder- ende umzieht. Der freie Rand dieses Saumes ist äußerst zart und Protozoen-Studien. IV. 378 daher bei Flächenansicht nur mit Mühe wahrzunehmen. Wir gehen wohl kaum fehl, wenn wir diesen plasmatischen Fortsatz als den Vorläufer des typischen Kragens der Choanoflagellaten betrachten, wie dies auch Kuegs (93) für den Plasmasaum von Poteriodendron angedeutet hat. Einen ähnlichen kragenartigen Saum, wie ich ihn hier bei Bicosoeca socialis geschildert habe, hat STEIN bei einer an- deren sehr nahe verwandten Gattung der Bicoecina, bei Poterio- dendron gezeichnet und zwar mit einer Deutlichkeit, wie ich ihn bei meiner Form niemals sah. Kent hat zwar bei der von ihm Stylobryon petiolatum genannten Form, welche nach seiner An- gabe mit Srein’s Poteriodendron identisch ist, die Existenz eines kragenartigen Saumes entschieden bestritten; ich glaube jedoch, dass meine eigenen Beobachtungen weit eher zu Gunsten der Auffassung STEIN’S sprechen, ganz abgesehen davon, dass der letztgenannte Forscher bei der Beobachtung feiner Strukturverhältnisse schon an und für sich mehr Vertrauen verdient als Kent. Innerhalb des Kragens und zwar immer der Ventralseite ge- nähert erhebt sich eine starke und lange Geißel; eine kürzere Neben- geißel, wie sie Kent für Bicosoeca angiebt, habe ich niemals ge- sehen. Auf derselben Seite wie die Geißel inserirt sich auch der . »ötiele, mit dem die Flagellate am Boden ihres Wohnkelches be- festist ist. Dieser Stiel geht nun keineswegs vom Hinterende des Thieres aus, sondern verläuft auf der Ventralseite bis fast an die Ansatzstelle der Geißel und zwar in einer Art Rinne, die man am besten bei seitlicher Ansicht (vgl. Fig. 4) zu Gesicht bekommt. Eine weitere Eigenthümlichkeit des Stieles besteht in seinen Kontraktionen: er vermag schwache Schlängelungen auszuführen, durch welche die Flagellaten sich von der Mündung ihrer Gehäuse nach dem Inneren zurückziehen können. | Die Art und Weise der Insertion sowie die Kontraktilität sind nun zwei Eigenschaften, welche wohl zweifellos darthun, dass der »Stiele von Bicosoeca morphologisch etwas Anderes ist, als das, was: man sonst bei Flagellaten mit diesem Namen belegt. Nach meiner Auffassung (die ich bereits 1894 ausgesprochen habe) ist er nichts Anderes, als eine modifieirte zweite Geißel, vergleichbar der Schleppgeißel des Heteromastigoden, welche auf dem Wege der Arbeitstheilung die Befestigung des Flagellatenkörpers übernommen hat. Als Stütze für diese Ansicht kann vielleicht auch noch an- geführt werden, dass man manchmal das Hinterende der Flagellaten unter einem mehr oder weniger beträchtlichen Winkel von seinem 374 Robert Lauterborn, Stiel sich wegbewegen sieht, genau wie bei einem Anisonema, das sich mit seiner Schleppgeißel festgelegt hat und dann den Körper hin und her bewegt. Bei der gewöhnlichen Bicosoeca lacustris zeichnet STEIN den stielartigen Fortsatz ebenfalls auf der Ventralseite weit nach vorn ver- laufend; es dürften hier somit ähnliche Verhältnisse vorliegen, die bei eingehender Untersuchung der Gattung Bicosoeca und vielleicht auch Poteriodendron wohl noch einige Erweiterung erfahren wer- den. Ein besonderes Augenmerk wäre hierbei darauf zu richten, wie sich der Stiel der Gehäuse zu dem Stiel der im Inneren befind- lichen Flagellaten verhält; gewöhnlich werden beide in einander übergehend dargestellt. Bicosoeca socialis habe ich bisher nur im freien Wasser eines Teiches bei Maudach (westlich von Ludwigshafen a. Rh.) ge- funden, und nur in wenigen Exemplaren. Seit Februar 1894 ist mir die Art nicht wieder zu Gesicht gekommen. Man könnte mit Recht die Frage aufwerfen, ob Bicosoeca socialis wirklich zur Gattung Bicosoeca, oder nicht vielleicht bes- ser zur nahe verwandten Gattung Poteriodendron zu ziehen ist, mit welcher sie, wie oben dargelegt, den Besitz eines plasmati- schen Kragens theilt, wie er in dieser Ausbildung für Bicosoeca bisher noch nicht beschrieben wurde, obwohl er auch hier vorhan- den sein dürfte. Wenn ich die neue Form trotzdem in die Gattung Bicosoeca eingereiht habe, so geschah dies in erster Linie mit Rücksicht auf die eigenthümliche Insertion des Stieles auf der Ven- tralseite, nahe der Geißelbasis, wie sie auch STEIN bei seiner Abbil- dung von Bicosoeca lacustris angegeben hat. Trotzdem hätte ich nichts dagegen einzuwenden, wenn Jemand meine Art Poterio- dendron sociale nennen wollte; sie vereinigt eben Charaktere der beiden Gattungen. Und bei solchen intermediären Formen bleibt es doch schließlich stets mehr oder weniger dem subjektiven Empfinden überlassen, welchem unterscheidenden Merkmal man eine höhere »systematische Valenz«, wenn ich mich so ausdrücken darf, zuer- kennen will, d. h. welche Struktureigenthümlichkeit als ausschlag- sebend für die systematische Unterscheidung zu betrachten ist. Protozoen-Studien. IV. 375 Ill. Thaumatonema! setiferum Lauterb. Taf. XVII, Fig. 6—11. Die flachen schlammigen, von höherem Pflanzenwuchs freien Gründe des Altrheins Neuhofen, welche im Winter von üppigen braunen Diatomeenrasen überzogen sind, zeigen im Sommer bei Weitem nicht jenes überreiche mikroskopische Leben wie in der kälteren Jahreszeit. Trotzdem finden sich auch dann eine Reihe von interessanten Formen, die sonst nur selten oder bisher überhaupt nicht zur Beobachtung gelangten. Zu diesen letzteren gehört vor Allem eine kleine farblose Flagellate, welche ich im Sommer 1895 hier zum ersten Male fand. Sie zeigte bei genauer Untersuchung ganz eigenartige Strukturverhältnisse, so dass der für sie gewählte Name Thaumatonema wohl einige Berechtigung haben dürfte. Später traf ich den interessanten Organismus auch in Diatomeenschlamm des fließenden Rheins, aber immer nur in wenigen Exemplaren. Der sehr zarte durchsichtige Körper von Thaumatonema be- sitzt ovale Umrisse und ist dorsoventral sehr stark abgeflacht. Seine Dimensionen sind ziemlich wechselnd, indem der Längsdurchmesser zwischen 20—35 u, der Querdurchmesser zwischen 16—28 u schwankt. Einen bei einer Flagellate ungewohnten Anblick gewähren zahl- reiche zerstreut stehende Borsten, welche sich von der Oberfläche erheben; sie sind indessen nur bei starken Vergrößerungen wahrzu- nehmen. Auffallend deutlich, wie ich es bisher bei Flagellaten nur selten gesehen habe, ist die Alveolarschicht ausgeprägt, welche die Begrenzung des Körpers nach außen bildet: schon im Leben treten die radiär neben einander angeordneten Waben auf das schärfste hervor. Geißeln sind zwei vorhanden; eine nicht sehr lange Haupt- seißel, welche vom Vorderende entspringt, und eine Nebengeißel, welche auf der Ventralseite entlang der Medianlinie in einer ge- raden Rinne verläuft und als »Schleppgeißel« funktionirt. Eine besondere Mundöffnung nachzuweisen ist mir nicht gelungen. Es be- findet sich zwar am Vorderende, an der Basis der Hauptgeißel, ein kleiner Porus, doch hat dieser mit der Nahrungsaufnahme nichts zu thun, sondern steht im Dienst der kontraktilen Vacuolen. Letztere sind in Zweizahl vorhanden; sie ergießen ihren Inhalt abwechselnd ı Nach Publikation des Namens Thaumatonema fand ich, dass CLEVE schon vor mir eine fossile Diatomee so benannt hatte. Eine Verwechslung wird wohl nie eintreten; eventuell wäre mein Thaumatonema in Thaumato- mastix abzuändern. | 376 Robert Lauterborn, in eine gemeinsame Blase, welche durch den erwähnten Porus nach außen mündet und in ihrem ganzen Verhalten sehr an das sog. Reservoir der Euglenoidinen erinnert. Die Bildung und Entleerung der kontraktilen Vacuolen geht in der Weise vor sich, wie ich es in Fig. 8S—11 wiederzugeben ver- sucht habe. Fig. 8 zeigt das Reservoir in Gestalt einer unregel- mäßigen etwas eingeschnürten Blase, neben der sich rechts eine kugelige Vacuole befindet. Diese schwillt an, bis sie die Wand des Reservoirs berührt und ergießt dann ihren Inhalt in dasselbe Zu gleicher Zeit ist links eine zweite Vacuole sichtbar geworden, welche ebenfalls an Größe zunimmt, dann die trennende Scheidewand zum Reservoir durchbricht, in welchem Augenblick Reservoir und Vacuole nur eine einzige eingeschnürte Blase bilden; rechts bildet sich wie- der eine neue Vacuole. Der ganze hier geschilderte Vorgang spielt sich in einem Zeitraum von etwa 25—30 Sekunden ab. Hinter dem Vacuolensystem liegt der kugelige Kern, welcher zwischen der Membran und dem centralen Nucleolus ein sehr fein- maschiges Gerüstwerk erkennen lässt. Von sonstigen Inhaltskörpern sind in der Regel zahlreiche blasse Küsgelchen vorhanden, deren chemische Natur indessen nicht untersucht wurde. Einmal sah ich auch ein Exemplar mit vielen ziegelrothen Körnchen, jedenfalls Resi- duen der Nahrung. Die Bewegungen von Thaumatonema sind im Allgemeinen wenig lebhaft; die Flagellate gleitet entweder langsam dahin, oder liegt lange Zeit hindurch an einer Stelle fest, wobei die leichten Schlängelungen der Hauptgeißel sowie das Spiel der kontraktilen Vacuolen das Leben verrathen. An solchen Exemplaren habe ich mehrere Male eine höchst überraschende Erscheinung beobachtet, nämlich die Bildung von Pseudopodien, die man bei einer Flagellate von einer doch sonst recht hohen Stufe der Organisation, wie sie Thaumatonema besitzt, a priori wohl niemals erwartet haben würde. Der ganze Vorgang verläuft mit außerordentlicher Schnelligkeit: in kaum einer Minute strahlen von dem regungslos daliegenden Thiere zarte spitze ver- ästelte Pseudopodien aus, die, so viel ich wahrnehmen konnte, von der Ventralseite ihren Ursprung nehmen (Fig. 7). Eine Betheiligung der auf der Oberfläche zerstreuten Borsten an der Pseudopodienbil- dung ließ sich nicht erkennen; auch die beiden Geißeln blieben voll- ständig erhalten. Eben so rasch wie das Ausstrecken geht das Ein- ziehen der Pseudopodien vor sich, wobei dieselben sich bogenförmig krümmen und das von den Rhizopoden her bekannte eigenthümlich Protozoen-Studien. IV. 277 »welke« Aussehen annehmen. Der Umstand, dass der ganze Vorgang sich in kürzester Zeit abspielt, bringt es jedenfalls mit sich, dass man die Pseudopodien nur sehr selten zu Gesicht bekommt; ich habe sie wenigstens unter mehreren Dutzend Individuen im Ganzen etwa dreimal beobachtet. Mit Hilfe der Pseudopodien muss wohl auch die Nahrungsaufnahme vor sich gehen, da eine besondere Mundöffnung — falls man nicht etwa den vordersten Theil der Geißelfurche als solche in Anspruch nehmen will — fehlt und ich trotzdem einmal das Bruchstück eines Algenchromatophors im Inneren von Thaumatonema gesehen habe. Es hält recht schwer, einer so auffallenden Form wie Thau- matonema in unserem jetzigen Flagellatensystem die richtige Stel- lung anzuweisen. Der allgemeine Habitus sowie die Ausbildung der Geißeln — eine Hauptgeißel und eine ventral in eine Furche ver- laufende Schleppgeißel — erinnern an gewisse Heteromastigoden, wie z. B. Anisonema, aber das Verhalten der kontraktilen Vacuolen, das Vorkommen starrer Borsten auf der Oberfläche des Körpers sind andererseits wieder Eigenthümlichkeiten, welche einer Verwandtschaft mit Anisonema Schwierigkeiten bereiten, ganz abgesehen von der Pseudopodienbildung. Ich glaube daher, dass es am besten ist, vor- läufig von der Anweisung einer bestimmten systematischen Stellung des Thaumatonema abzusehen; vielleicht machen uns spätere Unter- suchungen mit Formen bekannt, welche eine Angliederung an irgend eine Gruppe der Heteromastigoden ohne größeren Zwang ermöglichen. IV. Hyalobryon ramosum Lauterb. Taf. XVIII, Fig. 17—19. Die vorliegende Gattung der Chrysomonadinen verdient ihren Namen in so fern mit Recht, als es thatsächlich schwer ist, auch nur die Umrisse der Kolonien mit einiger Deutlichkeit nachzuweisen; man sieht in der Regel nur die zahlreichen goldbraunen Flagellaten neben einander angeordnet, ohne dass es bei schwachen Vergrößerungen gelingt mit Sicherheit zu entscheiden, wie dieselben zusammen- gehalten werden. Hyalobryon bildet, ähnlich wie das lang bekannte Dinobryon, baum- oder strauchförmige Kolonien, welche aber nicht wie die der letzteren Gattung frei schwimmen, sondern an Wasserpflanzen oder einem sonstigen Substrat festgeheftet sind; gewaltsam losgelöst ver- mögen sie sich indessen auch schwimmend fortzubewegen. Die Zahl der zu einer Kolonie vereinigten Einzelindividuen ist eine sehr 378 Robert Lauterborn, wechselnde und geht in manchen Fällen in die Hunderte. Wie bei Dinobryon bewohnen die Flagellaten besondere Gehäuse, welche hier aber eine langgestreckte röhrenförmige Gestalt besitzen und mehr oder weniger stark, manchmal sogar knieförmig, gebogen sind; das basale Ende ist kurz kegelförmig verjüngt. Gegen das freie Ende zu verschmälern sich die Röhren etwas (Fig. 18—19) und er- scheinen an ihrem Außenrande wie fein gezähnt. Diese anscheinende Zähnelung kommt dadurch zu Stande, dass die Flagellaten, welche sich stets nahe der Mündung ihres Wohngehäuses aufhalten, hier periodisch neue Anwachsringe abscheiden, und zwar auf die Innen- seite des jeweiligen, nur wenig verbreiterten Mündungsrandes. In- dem sich dieser Vorgang öfters wiederholt, verlängern sich die Röhren natürlich immer mehr; man sieht zahlreiche, bei denen das Vorderende aus zehn und mehr solcher tütenförmig in einander steckender Ringe gebildet wird. Ein prineipiell ganz übereinstim- mender Fall einer derartigen Gehäusevergrößerung findet sich bei gewissen marinen Tintinnen (Tintinnus, Tintinnopsis und Codo- nella), wie z. B. ein Blick auf die in BürscaLr’s Protozoenwerk Taf. LXX, Fig. 3 abgebildeten Hülse von Tintinnus subulatus Ehrb. zeigt, wo ebenfalls eine Anzahl in einander gesteckter Ringe das Vorderende bilden. Die Substanz der Wohnröhren ist, wie bereits Eingangs erwähnt, äußerst hyalin und in ihrem Brechungsvermögen so wenig von dem des Wassers verschieden, dass man in den meisten Fällen selbst bei stärkeren Vergrößerungen nur schwer die Umrisse der Röhren ver- folgen kann. Zu einem genaueren Studium ist es daher nöthig die Röhren zu färben, was gar keine Schwierigkeiten macht, da dieselben verschiedene Anilinfarben lebhaft speichern. Während bei Dinobryon die jüngeren Gehäuse sich inner- halb des Mündungsrandes der älteren festsetzen, dient ihnen bei Hyalobryon die Außenwand der älteren als Fixationspunkt und zwar findet sich dieser ein gutes Stück von dem Mündungsrande ent- fernt. Dieses Verhalten steht wohl mit der Fähigkeit, die Röhren durch Anfügung neuer Anwachsringe am Mündungsrand zu ver- längern, im Zusammenhang. Indem sich so Gehäuse an Gehäuse ansetzt, kommen verzweigte Kolonien zu Stande, welche kleinen Sträuchern oder Bäumehen gleichen und trotz des abweichenden Aufbaues habituell am meisten an die von Dinobryon erinnern. Man kann unter ihnen zwei Formen unterscheiden, zwischen denen sich aber Übergänge finden. Ist die Zahl der auf einander sitzenden Protozoen-Studien. IV. 379 Stockwerke von Wohnröhren nicht sehr beträchtlich und sind die Röhren ein wenig gebogen, so erhalten die Kolonien einen eigen- thümlich straffen Habitus; sie erinnerten mich dann immer an ein Bündel von Orgelpfeifen, die von einer schmalen Basis aus fächer- förmig ausstrahlen. Thürmen sich dagegen mehrere Stockwerke von Röhren auf einander und sind dieselben etwas stärker gebogen, so zeigen die Kolonien ein mehr lockeres schlaffes Aussehen. Die erst- genannte Form fand ich an Wasserpflanzen, besonders an Fadenalgen festsitzend; die zweite traf ich einmal ziemlich häufig in einem klei- nen Teiche bei Ludwigshafen und hatten sich hier die Kolonien in dem flockigen Niederschlag fixirt, welcher verwesende Schilfblätter am Boden bedeckte. | Im Vorderende der Wohnröhren — und zwar hauptsächlich der jüngeren — sind die Flagellaten befestigt, welche die Gehäuse aufbauen (Fig. 18, Taf. XVIII). Sie besitzen eine ungefähr spindelförmige Gestalt, sind sehr schlank und vorn in einen halsartigen Fortsatz ausgezogen. Das Vorderende ist schief abgestutzt und gewöhnlich etwas peristomartig ausgehöhlt. Sein höchster Punkt trägt die kurze, nur schwache Bewegungen ausführende Nebengeißel; neben ihr be- findet sich die Hauptgeißel, welche lebhafte Schlängelungen voll- führt. Das Hinterende verlängert sich in einen dünnen stielartigen Schwanzfaden, durch welchen das Thier sich an der Seitenwandung seines Wohngemaches festsetzt. Im Inneren der Flagellaten fallen zunächst die goldbraunen Chromatophoren ins Auge, welche in ähn- licher Weise wie bei Dinobryon angeordnet sind und an ihrem Vorderende ein röthlich-violettes Stigma tragen!. Auch sonst gleicht der innere Bau ganz dem von Dinobryon oder Epipyxis. In der Mitte des Körpers liegen zwei kontraktile Vacuolen, hinten ein an- sehnlicher Leukosintropfen, außerdem zahlreiche kleine glänzende Kügelechen, welche den Rand des Chromatophors reihenartig an einander schließend begleiten. Der Kern ist am lebenden Objekt kaum deutlich wahrzunehmen. Die Länge der Flagellaten beträgt durchschnittlich etwa 30 «, wovon aber ca. 12 « auf den langen Schwanzfaden entfallen; die Breite ist etwa 4—5 u. Die Gehäuse sind durchschnittlich 50—55 u lang, 6—7 u breit. Hyalobryon ist ein äußerst empfindlicher Organismus, der in 1 Obwohl ich bei einer Reihe von Exemplaren wie bei Dinobryon zwei Chromatophoren wahrgenommen habe, kamen mir doch aber auch andere zu Gesicht, wo anscheinend nur ein einziges vorhanden war, 380 Robert Lauterborn, den Kulturen schon nach ein bis zwei Tagen zu Grunde geht; man findet dann nur die leeren hyalinen Gehäuse. Ich traf ihn bis jetzt in alten Torfgruben bei Maudach zwischen Batrachium und My- rıophyllum-Rasen an Algen festsitzend, sowie in einem Teiche bei Ludwigshafen im braunflockigen Niederschlag auf verwesenden Schilfblättern. Über die systematische Stellung von Hyalobryon kann kein Zweifel bestehen; es gehört in die unmittelbare Nachbarschaft von Dinobryon und Epipyxis, mit denen es im Bau der Flagellaten eroße Übereinstimmung zeigt. Der eigenartige Bau der röhren- förmigen Gehäuse mit ihren Anwachsringen sowie die Art und Weise der Koloniebildung scheinen mir jedoch eine Einreihung in eine der senannten Gattungen, so wie dieselben bis jetzt gefasst wurden, auszu- schließen und die Aufstellung einer neuen Gattung zu rechtfertigen. Falls man jedoch, wie WıLLE (82) vorgeschlagen und Kregs (93) ausgeführt hat, die Gattung Epipyxis einzieht und sie Dinobryon unterordnet, so ließe sich auch Hyalobryon als wohl charakte- risirte Untergattung der erweiterten Gattung Dinobryon auffassen. Letztere zerfiele dann in folgende Subgenera oder Sektionen: 1) Dinobryon 8. str. oder Eudinobryon: Koloniebildende Arten mit in einander gesteckten becherförmigen Gehäusen ohne An- wachsringe. Typus: D. sertularia. 2) Hyalobryon: Koloniebildende Arten mit auf einander sitzen- den röhrenförmigen und Anwachsringe tragenden Gehäusen. Typus: H. ramosum. 3) Epipyxis: Einzellebende Arten. Typus: E. utriculus. Beim Studium der Litteratur sind mir zwei Flagellaten aufge- stoßen, welche in mehreren Punkten weitgehende Übereinstimmung mit Hyalobryon zu besitzen scheinen, ohne dass es jedoch bei den über sie vorliegenden mangelhaften Angaben möglich wäre, eine sichere Entscheidung über eine eventuelle Identität mit meiner neuen Gattung zu fällen. Die erste dieser Arten ist Dinobryon Bütschlii Imhof (90), von der, wie dies bei ImHor leider meist der Fall ist, nur eine kurze Diagnose ohne eine — gerade hier sehr nothwendige! — Abbildung vorliegt. D. Bütschlii bildet sehr an- sehnliche, mehrere Hundert bis über 1000 Individuen umfassende Kolonien. »Die in einander gesteckten Gehäuse bilden Strahlen, die dicht an einander gelagert sind. Der Charakter der Kolonie ist der eines sehr diehten Busches. Die Gestalt der Gehäuse zeigt eine cylindrische Röhre mit schwacher bogenartiger Krümmung. Das vor- Protozoen-Studien. IV. | 381 dere Dritttheil der Röhre verengert sich allmählich bis zur Öffnung um !/; des Quermessers. Das Hinterende des Gehäuses ist nach einer Seite kurz verjüngt« (l. c. p. 484). Wie man sieht, ist die Ähnlich- keit zwischen Din. Bütschlii und Hyalobryon nicht zu verken- nen; da aber bei ersterem die Gehäuse ausdrücklich als »in einander sesteckt« bezeichnet werden und mit keinem Wort die für Hyalo- bryon so sehr charakteristischen Anwachsringe erwähnt werden, scheint mir eine Identifieirung beider Formen ausgeschlossen. Die zweite fragliche Art ist die von Srokes (90) kurz beschriebene Epi- pyxis socialis, deren Diagnose folgendermaßen lautet: »Lorica elongate, subeylindrical, from eight to ten times as long as broad, often variously curved and bent, the lateral borders nearly parallel, tapering posteriorly to the subacute point of attachment, the anterior border truncate, usually not evertet, sometimes slightly flaring. Length of lorica 1/goo t0 1/sso inch. Hab. — Pond water in early spring; attached to Confervae. Social, occasionally forming radiating, rosette- like elusters composed of fifty or more thecae, or in irregular fas- eicles, produced by the attachement of from eight to ten loricae to a single supporting theca« (l. c. p. 76). Auch hier fehlt jede Er- wähnung der Anwachsringe; da dann ferner das von STOKES abge- bildete leere Gehäuse (Fig. 15) von Ep. socialis mit dem von Hyalobryon gerade in den wichtigsten Punkten die im Text zum Theil vorhandene Übereinstimmung völlig vermissen lässt, glaube ich auch über die Stokgs’sche Art hinweggehen zu dürfen. V. Chrysosphaerella longispina Lauterb. Taf. XVII, Fig. 12—16. Bei der Durchforschung der Hochmoore unseres Pfälzer Waldes hatte ich das Glück, im freien Wasser eines Teiches südlich von Kaiserslautern einen Organismus aufzufinden, den man unbedenk- lich zu den schönsten und interessantesten Mitgliedern des Limno- planktons rechnen darf. Es ist das die in ausgezeichneter Weise der pelagischen Lebensweise angepasste neue Gattung der Chryso- monadinen, Chrysosphaerella longispina. Chrysosphaerella bildet kugelige Kolonien von etwa 40—50 u Durchmesser, welche in ihrem Habitus an Synura uvella erinnern und wie diese aus zahlreichen, radiär zu freischwimmenden Kugeln vereinigten Einzelindividuen besteht. Die Flagellaten besitzen eine ungefähr birnförmige Gestalt und sind gegen den Mittelpunkt der Kolonie verschmälert; ihre Länge beträgt 15 u, die Breite 9u. Nach 382 Robert Lauterborn, außen sind sie von einer deutlichen Hülle umschlossen, welche aus kleinen Plättehen zusammengesetzt erscheint. Der weiche Zellleib enthält zwei gewölbte goldbraune Chromatophoren, welche vorn je ein violett-röthliches Stigma tragen; ein Kern in der Mitte des Körpers lässt sich schon im Leben erkennen. Im Gegensatz zu Synura ist nur eine einzige der Mitte des Vorderendes entspringende Geißel vorhan- den. Neben dieser tragen aber die Flagellaten noch sehr eigenartige Fortsätze, nämlich zwei dünne, den Durchmesser der ganzen Ko- lonie an Länge übertreffende Nadeln, welche in ihrer Gesammt- heit einen förmlichen Strahlenkranz um die goldbraune Kugel bilden und wohl zweifellos durch Vergrößerung deren Oberfläche das Schweben im Wasser unterstützen. Diese Nadeln entspringen nun nicht direkt der Hülle, sondern erheben sich auf besonderen kleinen Basalstücken, welche die Gestalt von schlanken Kelchen oder Cham- pagnergläsern haben und etwa 5—6 u hoch sind. Jeder dieser Kelche verbreitert sich an seiner Sohle zu einem Basalplättchen, mit welchem er der die Flagellaten umgebenden Hülle fest aufsitzt; so weit ich beobachtet habe, trägt jedes Individuum an seinem Vorderende, zu beiden Seiten der Geißel, zwei solcher Basalstücke mit ihren Nadeln. Das distale Ende der Kelche ist etwas ausgehöhlt zur Aufnahme der Nadeln, welche mit ihrem Piedestal gewissermaßen gelenkig verbun- den sind, denn man sieht sie oft, wie auch in meiner Figur ange- deutet ist, einen mehr oder weniger starken Winkel mit diesem so- wie mit dem verlängerten Radius der kugeligen Kolonien bilden. Die Nadeln selbst sind hohl; gegen ihr freies Ende verschmälern sie sich etwas und tragen hier zwei sehr kleine Zäckchen, wie wir sie in ähnlicher Ausbildung auch bei gewissen Heliozoen (z. B. Acanthocystis) antreffen. Von Interesse ist es jedenfalls, dass die Substanz der Nadeln Kieselsäure in beträchtlicher Menge ein- gelagert enthält, wie sich durch Glühen und Behandlung mit kon- centrirter Schwefelsäure nachweisen lässt; neben der Kieselsäure findet sich noch eine organische Substanz, welche Anilinfarben speichert. Verkieselt sind auch jene zahlreich vorhandenen kleinen sebogenen Nädelchen, welche in Gestalt eines lockeren Mantels die Kolonie etwa bis zur Höhe der Basalstücke der Nadeln allseitig umhüllen. Wie ich bereits erwähnt habe, ist Chrysosphaerella eine Be- wohnerin des freien Wassers, worauf ja schon ihr ganzes Äußere hindeutet. In ihrer Gesellschaft lebten zahlreiche limnetische Orga- nismen wie Lepidoton dubium Seligo, eine außerordentlich Protozoen-Studien. IV. 383 schlanke Varietät von Dinobryon stipitatum Stein, dann Räder- thiere wie Asplanchna priodonta Gosse, Polyarthra platy- ptera Ehrb., Hudsonella pygmaea Calm. spec. und andere auch in der Ebene vorkommende Arten. Der Fundort ist ein großer Teich, etwa 1!/, Stunden südlich von Kaiserslautern hinter dem Dorfe Hohenecken gelegen, dessen Höhe über dem Meeresspiegel etwa 300 m beträgt. Hier fand ich Chrysosphaerella im Oktober 1895 recht häufig und konnte ich zahlreiche Exemplare von hier lebend nach Ludwigshafen und dann Heidelberg zur Demonstration überführen. Im Mai 1896 war Chrysosphaerella in dem genann- ten Gewässer nicht zu finden, dagegen beobachtete ich sie im Sep- tember des genannten Jahres nicht sehr selten in dem sog. »Vogel- woog«! bei Kaiserslautern. Den Gewässern der Rheinebene scheint Chrysosphaerella nach meinen bisherigen Beobachtungen völlig zu fehlen. Trotz ihres eigenthümlichen, fast heliozoen- oder selbst radiola- rienartigen Äußeren ist Chrysosphaerella sonst in allen wesentlichen Punkten eine echte Chrysomonadine, welche im System sich an Synura, sowie Mallomonas und Lepidoton dubium Seligo an- schließt. Bei den beiden letztgenannten einzellebenden Gattungen trägt die Hülle ebenfalls Fortsätze, welche bei Lepidoton die Ge- stalt langer dünner Nadeln? haben. Die Kluft zwischen Synura und Chrysosphaerella wird morphologisch auch durch eine Form überbrückt, welche O. ZacHARIAS unter dem Namen Actinoglena Klebsiana beschrieben hat. Dieselbe gleicht einer Synura-Kolonie ohne Geißeln, deren sämmtliche Individuen lange nadeldünne Fort- sätze tragen. Auch ich kenne Actinoglena seit mehreren Jahren schon aus dem Altrhein bei Neuhofen, sowie aus einigen Torf- gruben in der Umgebung des genannten Ortes, bin aber noch immer im Zweifel, ob dieselbe nicht vielleicht doch in den Formenkreis von Synura gehört, welche mehr zu Variationen geneigt ist, als man bisher wohl angenommen hat. Da indessen meine Unter- suchungen über die Variabilität von Synura, sowie über deren mir — 1 Dieser Teich, an welchen sich ein schönes Sphagnum-Moor anschließt, liegt in einem Waldthal etwa 230 m über dem Meer. Er ist auch dadurch interessant, dass er die limnetische Diatomee Rhizosolenia longiseta Zach. in großer Menge enthält. In seinem Schlamm fand ich eine sehr seltene Daphnide Drepanothrix dentata Euren, die meines Wissens in Deutsch- land bisher nur von ImHor in den Hochvogesen nachgewiesen war. 2 Diese Nadeln sind an ihrem distalen Ende einseitig fein gezähnt, was schon SELIGO richtig erkannt und abgebildet, O. ZacHarIAS aber übersehen hat. 384 Robert Lauterborn, trotz der gegentheiligen Angaben von KLegs (93) und O. ZACHARIAS — sehr wahrscheinlichen genetischen Beziehungen zu Mallomonas, dann weiterhin zu Lepidoton und zu den von STORES (88) als Mallomonas litomesa und als Chloromonas pulcherrima! be- schriebenen Formen noch nicht abgeschlossen sind, so verspare ich mir eine Diskussion über diese Frage auf eine spätere Gelegenheit. VI. Mesostigma viride Lauterb. Taf. XVII, Fig. 20—24. In dem leichtbeweglichen Schlamm, welcher den Grund vege- tationsreicher Gewässer bedeckt und auch die Büsche submerser Wasserpflanzen wie Myriophyllum, Batrachium etc. zu um- hüllen pflegt, kann man wohl stets mit Sicherheit darauf rechnen, neben zahlreichen anderen Protozoen besonders Flagellaten in sroßer Art- und Individuenzahl anzutreffen. Es sind dies — um nur einige der verbreitetsten zu nennen — besonders gewisse Euglena- Arten, wie E. deses Ehrb., E. spirogyra Ehrb., dann die nirgends fehlende Trachelomonas volvocina Ehrb., Tr. hispida Stein, Phacus pleuronectes ©. F.M. spec. und Ph. longicaudus Ehrb., Hymenomonas roseola Stein, Synura uvella Stein, Crypto- monas ovata Ehrb,, Pyramimonas tetrarhynchus Schmarda, Chlamydomonas monadina Stein, Carteria cordiformis (Cart.), Phacotus lenticularis Ehrb., Eudorina elegans Ehrb., Pando- rina morum Ehrb. und andere, welche recht charakteristische Ge- nossenschaften bilden, die sich in den verschiedensten Gewässern bezüglich ihrer Zusammensetzung nur wenig unterscheiden. Unter solchen Flagellatenschwärmen fand ich in einem Graben bei Mau- dach eine ziemlich kleine Form, welche bisher noch nicht beschrie- ben zu sein scheint und für die ich darum die Gattung Mesostigma mit der bisher einzigen Art M. viride aufstellte. Mesostigma besitzt, wie ein Blick auf Fig. 20—22 erkennen lässt, eine recht wechselnde Gestalt: man sieht rein ovale (Fig. 20), nieren- oder bohnenförmige (Fig. 21) und abgerundete rhombische Exemplare (Fig. 22), die 13 « lang und 14 u breit werden. Stets ist der Körper sehr stark abgeplattet und dabei noch mehr oder weniger sattelförmig gebogen. Nach außen wird er von einer’ sehr zarten Hülle umschlossen, welche bei Anwendung starker Vergröße- rungen am Rande eine feine Punktirung erkennen ließ (Fig. 20). Es ! Letztgenannte Formen fand ich bei Ludwigshafen a. Rhein. Protozoen-Studien. IV. -- 385 sind zwei gleich lange Geißeln vorhanden; sie entspringen aber nicht am Vorderende, sondern auf der konkav gewölbten Fläche des Kör- pers zwischen Mitte und Vorderende. Beim Schwimmen, welches wegen der Asymmetrie des Körpers unter hin und her zitternden Bewegungen geschieht, wobei die Flagellate um ihre Längsachse rotirt, sind die Geißeln nach vorn gerichtet; in der Ruhe jedoch wer- den dieselben, annähernd parallel, meist senkrecht zur Fläche des Körpers ausgestreckt, so dass sie im optischen Durchschnitt nur als zwei Punkte erscheinen. Von der inneren Organisation zieht zunächst das Chromatophor die Aufmerksamkeit auf sich. Dasselbe folgt als grünes Band den Umrissen des Körpers; vorn und hinten verbreitert es sich etwas und umschließt hier je ein ovales Pyrenoid mit einer in Jod sich bläulich färbenden Stärkehülle!. Der von dem Chromatophor umgebene Raum erschien in den allermeisten Fällen völlig farblos; nur einige Male schien es mir, als wenn auch die Mitte einen sehr schwach grün- lichen Schimmer erkennen ließe, als wenn sich also das Chromato- phor in Gestalt einer außerordentlich dünnen Platte auch hierher erstreckte. Im Mittelpunkt des farblosen Raumes und der konvexen Seite des Körpers genähert, liegt das annähernd rechteckige ziegel- rothe Stigma, welches im Verhältnis zu den Dimensionen des Kör- pers als außergewöhnlich groß bezeichnet werden muss. Zwischen Stigma und der Insertionsstelle der Geißeln befinden sich die kon- traktilen Vacuolen, zwei (selten drei) an der Zahl; sie entstehen nach der Systole durch das Zusammenfließen kleinerer Bildungs- vacuolen und beträgt hierbei der Zeitraum, welcher zwischen zwei Kontraktionen verfließt, etwa 35—40 Sekunden. Der Kern, welcher auch im Leben als rundliches Bläschen mit centralem Nucleolus deutlich hervortritt, liegt etwas hinter dem Stigma und (von der ventralen, geißeltragenden Seite der Flagellate betrachtet) stets dem linken Seitenrand genähert. Mesostigma fand ich zuerst in Diatomeenschlamm des Altrheins bei Roxheim und Neuhofen, sowie einzeln auch in den grünen Ulothrix-Rasen, welche die Kieselsteine am Ufer des letztgenann- ten Altwassers bedecken. Am häufigsten traf ich es später im Schlamm eines reich bewachsenen Grabens unmittelbar hinter dem 1 An mit Osmiumdämpfen fixirten Exemplaren von Mesostigma sah ich öfters das Chromatophor von einem dunkleren Balken- oder Netzwerk durch- zogen. Ich lasse es dahingestellt, ob wir es mit einer wirklichen Struktur oder nur mit einer bei der Fixirung eingetretenen Schrumpfung zu thun haben. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXV. Ba. 26 336 Robert Lauterborn, Dorfe Maudach, westlich von Ludwigshafen a. Rh.; an allen Fund- orten bis jetzt nur während der kälteren Jahreszeit. Ein bandförmig sich längs des Körperrandes hinziehendes Chro- matophor, wie wir es bei Mesostigma finden, besitzt auch die von STEIN (78) als Nephroselmis olivacea abgebildete Form und wer SrtEin’s Fig. 32, Taf. XIX mit meiner Fig. 21, Taf. XVII ver- gleicht, könnte im ersten Augenblick vielleicht auf den Gedanken kommen, beide Formen möchten identisch sein. Dies ist aber bei senauerer Prüfung durchaus nicht der Fall. Nephroselmis besitzt ein olivengrünes Chromatophor, Mesostigma ein rein grünes; bei der ersteren entspringen die beiden Geißeln in der Einbuchtung des nierenförmigen Körpers, bei letzterer auf dessen Fläche, zwischen Mitte und Vorderende; außerdem fehlt Nephroselmis das große centrale Stigma, welches Mesostigma auf den ersten Blick kenntlich macht!. So weit sich bis jetzt beurtheilen lässt, hat Mesostigma die meisten verwandtschaftlichen Beziehungen zu den Chlamydo- monadinen. Die Körperhülle, die Einschlüsse des Chromatophors (zwei Pyrenoide mit Amylumhülle), der Bau der kontraktilen Vacuo- len, das sind alles Verhältnisse, welche sich in ganz ähnlicher Aus- bildung auch bei der genannten Flagellatengruppe vorfinden. Zur endgültigen Entscheidung wäre es allerdings erforderlich, die Ver- mehrung von Mesostigma genauer zu kennen, aber gerade über diesen Punkt sind meine Beobachtungen bisher lückenhaft geblieben. So viel scheint mir aber jetzt schon festzustehen, nämlich dass bei Mesostigma Quertheilung stattfindet. Ich habe Individuen ge- sehen (Fig. 23), welche in der Mitte des Körpers eingeschnürt waren und bei denen eine scharfe dunkle Linie das Innere quer (manchmal in etwas schiefer Richtung) durchzog, wobei das Stigma in zwei Theile zerschnitten wurde; Geißeln und Kern ließen auf diesem Stadium noch keine Veränderungen erkennen? dagegen erschien die Zahl der Pyrenoide vermehrt. Ein weiter vorgeschrittenes Stadium der Quertheilung stellt Fig. 24 dar. Hier ist die Zelle mit ihrem Inhalt bereits völlig in zwei Theile zerschnürt, doch hängen die Tochter- ! Ich habe einige Male Flagellaten gesehen, welche mit der STEIN’schen Abbildung von Nephroselmis ziemliche Übereinstimmung zeigten, doch war neben dem bandförmig sich entlang des Körperendes hinziehenden Chromato- phor auch der übrige Theil des Körpers (wenn auch schwächer) grünlich gefärbt und von den beiden Geißeln war die eine länger und stärker entwickelt als die andere. 2 Bei dieser Beobachtung stand mir nur ca. 600fache Vergrößerung zur Verfügung. Protozoen-Studien. IV. _ 387 zellen noch fest zusammen. Von den Tochterkernen war bei den mir zu Gebote stehenden Vergrößerungen nichts wahrzunehmen, da beide wahrscheinlich in Rekonstruktion begriffen waren, auf welchen Stadien sie im Leben nur schwer zu sehen sind. Das System der kon- traktilen Vacuolen war dagegen in jeder der beiden Tochterzellen bereits selbständig ausgebildet. Eine Kopulation von Gameten und damit die Bildung einer Zy- gote, wie sie bei den Chlamydomonadinen Regel ist, habe ich bei Mesostigmä noch nicht beobachtet, wenn schon es nicht unmöglich ist, dass einige auffallend kleine Individuen, die ich gelegentlich sah, als Mikrogonidien fungiren. Eine sichere Entscheidung über diesen wichtigen Punkt können indessen nur künftige Untersuchungen geben. VIl. Vacuolaria depressa Lauterb. Taf. XVIII, Fig. 25. Im Gegensatz zu der langgestreckt eiförmigen Vacuolaria virescens Cienk. besitzt V. depressa einen im Umriss ungefähr herzförmigen Körper, welcher in dorsoventraler Richtung stark ab- seplattet ist, so dass der Querschnitt die Gestalt einer bikonvexen Linse hat. Das Vorderende ist breit abgerundet und in der Mitte eingebuchtet; das Hinterende zeigt recht unregelmäßige und bei den einzelnen Individuen wechselnde Kontouren. Am Vorderende ent- springen zwei Geißeln, von welchen die eine auf der Bauchseite nach hinten zieht und leicht zu übersehen ist. Die farblose Haut- schicht (der »Periblast« im Sinne von Kress [93]) des Körpers ist ziemlich plastisch und gegen Einwirkungen von Reagentien sehr empfindlich. In der Mitte des Vorderrandes ist dieselbe von einem Kanal durchbrochen, durch welchen die kontraktile Vacuole in Zwischenräumen von etwa 30 Sekunden ihren Inhalt nach außen entleert. Im Plasma liegen zahlreiche grüne Chromatophoren von elliptischer oder scheibenförmiger Gestalt, welche sich in der Peri- pherie des Körpers radiär anordnen. Der Kern ist rundlich und zeigt in seinem Inneren eine sehr feinmaschige Struktur. Außerdem finden sich im Körperrand und besonders in den Vorsprüngen des Hinterendes radiär eingelagert längliche blasse Gebilde, welche durch ihre Anordnung und Aussehen an Triehoeysten erinnern; da es mir indessen nicht gelang, deren Ausschnellen zu beobachten, so bleibt diese Deutung einstweilen noch zweifelhaft. Der Durchmesser des Körpers beträgt etwa 40 u. 26* 388 Robert Lauterborn, Vacuolaria depressa ist nach meinen bisherigen Beobach- tungen eine ausgesprochene Sommerform, welche während der wärmeren Jahreszeit im freien Wasser unserer Altrheine und Teiche der Umgebung von Ludwigshafen nicht zu den Seltenheiten gehört; einzeln fand ich sie auch zwischen Wasserpflanzen. Sie ist ein äußerst empfindlicher Organismus, welcher in den Kulturen rasch zu Grunde geht. Sollten sich die oben erwähnten Gebilde des Ektoplasmas wirk- lich als Trichocysten erweisen, so wäre die neue Form besser zur nahe verwandten Gattung Rhapidomonas zu ziehen, bei welcher echte Trichocysten vorkommen. Im Übrigen zeigt die Organisation von Vacuolaria depressa große Ähnlichkeit mit der von V. virescens, wie sie KLeus (93) eingehender geschildert hat. Eine Verschiedenheit besteht im inneren Bau besonders hinsichtlich der kontraktilen Vacuolen, deren V. virescens zwei besitzt. VI. Gymnodinium tenuissimum Lauterb. Taf. XVII Pig226: Der in der vorliegenden Arbeit bereits mehrmals erwähnte Teich bei Maudach, welcher mir Sphaeroeca volvox und Bicosoeca socialis lieferte, beherbergt in seinem freien Wasser auch noch eine Gymnodinium-Art, welche sich von allen Süßwasserperidineen sofort dadurch unterscheidet, dass der Körper dorsoventral außer- ordentlich stark, bis zur Gestalt einer unregelmäßig verbogenen Scheibe abgeflacht ist. Er erinnert in dieser Hinsicht an das von STEIN (83) abgebildete marine Glenodinium foliaceum. Die Um- risse des Körpers sind beinahe kreisrund, nur der hinter der Geißel- furche liegende Theil ist unregelmäßig gestaltet und manchmal sogar zahnförmig vorgezogen. Die Querfurche umzieht den Körper in schwach ansteigendem rechtsschraubigem Verlaufe. Von der inneren Organisation ist kaum etwas Besonderes zu berichten: in der Mitte liegt ein rundlich ovaler Kern und zahlreiche scheibenförmige Chro- matophoren von gelber bis gelb-bräunlicher Farbe. An mit Osmium- dämpfen fixirten Exemplaren ließ sich eine deutliche Alveolarschicht beobachten. Der Längsdurchmesser der Scheibe betrug 66 «u, der kürzere 60 u. Gymnodinium tenuissimum fand ich außer in dem Teiche bei Maudach auch in einigen Gewässern der Umgebung von Lud- Protozoen-Studien. IV. 389 wigshafen und zwar seit einer Reihe von Jahren nur während der kälteren Jahreszeit, etwa bis gegen den März hin. Auch es ist ein sehr zarter, gegen ungünstige äußere Einflüsse sehr empfindlicher Organismus, dessen Beobachtung im Leben unter einem Deckglas sehr schwierig ist, da hier das Thier binnen Kurzem abstirbt, wobei sich der Inhalt des Körpers von der Haut abhebt. Ludwigshafen a. Rhein, 28. Februar 1898. Litteraturverzeichnis, 1889. O0. BürtscHLı, Protozoa. 3. Abtheilung. 1890. O. E. ImHor, Das Flagellatengenus Dinobryon. In: Zool. Anz. Bd. XIII. p: 483. 1880—82. S. Kent, A Manual of Infusoria. 1893. G. Krepgs, Flagellaten-Studien. In: Diese Zeitschr. Bd. LV. p. 265. 1894. R. LAUTERBORN, Über die Winterfauna einiger Gewässer der Oberrhein- ebene. Mit Beschreibungen neuer Protozoen. In: Biol. Centralblatt. Bd. XIV. p. 390 —398. 1896. R. LAUTERBORN, Diagnosen neuer Protozoen aus dem Gebiete des Ober- rheins. In: Zool. Anz. Nr. 493. 1884. P. OxLEy, On Protospongia pedicellata a new compound Infusorian. In: Quarterly Journal of Mier. Science. Ser. II. Vol. IV. p. 530—534. 1878. F. Stein, Der Organismus der Infusionsthiere. III. Der Organismus der Flagellaten oder Geißelinfusorien. I. Hälfte. 1883. Idem. II. Hälfte. Die Naturgeschichte der arthrodelen Flagellaten. 1888. A. Stores, A preliminary contribution toward a history of the fresh- water Infusoria of the united States. In: Journal of the Trenton Natural History Society. p. 1—319. 1890. A. STORES, Notices of new fresh-water Infusoria. In: Proceedings of the Americ. Philos. Society. Vol. XXVIII. p. 79. 1894. O. ZACHARIAS, Forschungsberichte aus der Biologischen Station zu Plön. Theil 2. 1897. Idem. Theil 5. Erklärung der Abbildungen. Die feineren Details der Organisation, welche die auf den folgenden Tafeln dargestellten Flagellaten erkennen lassen, wurden alle bei SEIBERT Ap. 2 mm, Oc. VIII (und XII) nach dem Leben eingezeichnet. Tafel XVII. Fig. 1. Sphaeroeca Volvox Lauterb. Vergr. ca. 700. Ziemlich kleine kugelige Kolonie, in welche die Flagellaten mit einem langen Stiel radiär ein- gepflanzt sind. 390 Robert Lauterborn, Fig. 2. Sphaeroeca Volvox Lauterb. Einzelindividuum, sehr stark (ca. 2000mal) vergrößert. Der birnförmige Körper vorn mit hohem und ziem- lich engem Kragen, welcher die lange fast gerade ausgestreckte Geißel um- schließt. Im Inneren ein deutlicher Kern (ru) mit centralem »Nucleolus<; hin- ten eine kontraktile Vacuole (w). Fig. 3. Bicosoeca socialis Lauterb. Vergr. ca. 1500. Sternförmige (etwas gedrückte) Kolonie, in welcher die Hülsen der Einzelindividuen mit der Basis zusammenhängen. Die Flagellaten bieten theils die Seiten- theils die Rücken- oder Bauchansicht dar. Fig. 4. Bicosoeca socialis Lauterb. Vergr. ca. 2000. Einzelindividuum von der Seite. Das hyaline Wohngehäuse vasenförmig, hinten bauchig erwei- tert, vorn verschmälert und quer abgestutzt. Die Flagellate im Inneren vorn mit einem zarten kragenartigen Saum, welcher auf der einen Seite höher ist als auf der anderen. An der Basis der vorderen Geißel eine Vacuole. In der Mitte der Kern (zw) mit Nucleolus, daneben eine Nahrungsvacuole mit körni- sem Inhalt. Dem etwas vorgezogenen Hinterende genähert liegt die kon- traktile Vacuole (cv). Die Flagellate sitzt auf einem Stiel (Geißel), welcher auf der Ventralseite in einer Rinne weit nach vorn zu verfolgen ist. Fig. 5. Bicosoeca socialis Lauterb. Vergr. wie vorige Figur. Ansicht von der ventralen Seite. Der in der Mitte dieser Seite weit nach vorn ziehende Stiel (Geißel) sehr deutlich. Sonst wie vorige Figur. Fig. 6. Thaumatonema setiferum Lauterb. Vergr. ca. 1200. Ansicht von der Ventralseite.e. Am Rand des Körpers zerstreute dünne Borsten. Ent- lang der Medianlinie der Ventralseite eine Rinne, aus welcher die Schleppgeißel bogenförmig nach rechts vorspringt. Alveolarschicht des Körpers sehr deut- lich; vorn, an der Geißelbasis System der kontraktilen Vacuolen (cv), durch einen Porus nach außen mündend; dahinter der Kern (ru). Fig. 7. 'Thaumatonema setiferum Lauterb. Vergr. wie vorige Figur. Ansicht von der dorsalen Seite. Bildung der spitzen, verzweigten Pseudopodien, welche von der ventralen Seite ausstrahlen. Links hinten ein Pseudopodium im Einziehen begriffen, wobei es sich krümmt und ein eigenthümlich »welkes« Aussehen zeigt. Fig. 8-11. Thaumatonema setiferum Lauterb. Verschiedene auf einander folgende Phasen der Bildung und Entleerung der kontraktilen Vacuo- len. Vgl. Text p. 376. Tafel XVIII. Fig. 12. Chrysosphaerella longispina Lauterb. Vergr. ea. 900. Die traubige Kolonie aus zahlreichen birnförmigen Einzelindividuen zusammenge- setzt, welche von einer aus Plättchen bestehenden Hülle umgeben sind. Die Flagellaten im Inneren mit zwei gewölbten Chromatophoren, die vorn ein röth- lich violettes Stigma tragen; im Centrum der Kern. Am Vorderende eine Geißel; daneben zwei champagnerglasförmige Gebilde, welche lange hohle Kieselnadeln tragen; diese zum Theil mit ihren Basaltheilen mehr oder weniger beträchtliche Winkel bildend. Um die Kolonie ein lockerer Mantel zarter gebogener Kiesel- spicula. Fig. 13—16. Chrysosphaerella longispina Lauterb. Die Kiesel- nadeln (zum Theil), mit den champagnerglasförmigen Basaltheilen stärker ver- größert und in verschiedener Ansicht. Fig. 17. Hyalobryon ramosum Lauterb. Vergr. ca. 900. Strauch- Protozoen-Studien. IV. 391 förmige, ziemlich kleine Kolonie. Die Gehäuse, lang cylindrisch und vorn mit Anwachsringen versehen, sitzen einander auf der Außenseite auf. Die Flagel- laten hauptsächlich in den jüngeren Gehäusen. Fig. 18. Hyalobryon ramosum Lauterb. Stärker vergrößert. Flagel- late am Vorderende ihres Wohngehäuses. Das vorgezogene Vorderende vorn etwas peristomartig ausgehöhlt, trägt an seinem höchsten Punkt die kleine Nebengeißel; links dann die Hauptgeißel. Fig. 19. Hyalobryon ramosum Lauterb. Vorderende eines leeren Ge- häuses.. Man sieht die tütenförmig in einander steckenden Anwachsringe sehr deutlich. Sehr stark vergrößert und nach einem mit Methylenblau gefärbten Präparat gezeichnet. Fig. 20—22. Mesostigma viride Lauterb. Vergr. ca. 1500. Die Flagel- late von der Ventralseite; in Fig. 20 ist die Punktirung der Hülle angedeutet. In den drei, die verschiedenen Umrisse von Mesostigma illustrirenden Figuren, erkennt man das bandförmig den Körper umziehende Chromatophor, welches vorn und hinten verdickt ist und hier je ein Pyrenoid umschließt. An der Basis der Geißeln die kortraktilen Vacuolen, dahinter das ziegelrothe Stigma. Der bläschenförmige Kern liegt hinter dem Stigma, etwas dem linken Seitenrand genähert. Fig. 23—24. Zwei Theilungsstadien von Mesostigma viride Lauterb. In Fig. 23 ist die Flagellate biskuitförmig eingeschnürt; eine deut- liche quere Linie durchsetzt die Mitte und theilt das Stigma in zwei Theile. Der Kern anscheinend noch ohne Veränderung, dagegen scheint die Zahl der Pyrenoide vermehrt. Fig. 24. Theilung fast vollendet. Die beiden Hälften liegen sieh mit breiter Basis noch fest an. Von dem Kern war im Leben nichts zu sehen, dagegen besaß jede der beiden Tochterzellen ihre kontraktilen Va- euolen. Fig. 25. Vacuolaria depressa Lauterb. Vergr. ca. 700. Ansicht von der Ventralseite, auf welcher die Nebengeißel nach hinten zieht. Im Centrum der rundlich ovale Kern; vorn kontraktile Vacuole, durch einen engen Kanal nach außen mündend. Fig. 6. Gymnodinium tenuissimum Lauterb. Vergr. ca. 600. An- sicht von der Ventralseite. Alveolarschicht am Rande ziemlich deutlich sichtbar. Histologie der Verdauungswege von Dasypus villosus. Von Konrad Koloman Helly, Demonstrator. (Aus dem I. anatomischen Institut zu Wien.) Mit Tafel XIX. Herr Prof. ZUCKERKANDL gelangte vor Kurzem in den Besitz eines erst wenige Stunden todten Borstengürtelthieres (Dasypsus vil- losus; Fam.: Dasypoda; Ord.: Edentata; Cl.: Mammalia), und hatte die Freundlichkeit, mich mit der Beschreibung der mikroskopischen Anatomie des Schlundes, Magens und Darmes dieses Thieres zu be- trauen. Es sei mir gestattet, ihm als meinem verehrten Chef und Lehrer gleich an dieser Stelle hierfür, sowie für die mannigfache Unterstützung, die er mir während meiner Arbeit zu Theil werden ließ, den wärmsten Dank auszusprechen. | Stimmen die Ergebnisse meiner Untersuchung zwar in vielen Punkten mit jenen überein, wie sie auch schon für manche andere Säugethiere gefunden wurden, so war es mir andererseits doch mög- lich, einige Thatsachen festzustellen, die, wie ich glaube, bezeich- nend sind für die Stellung, welche obgenanntes Thier in der Reihe der Säugethiere einnimmt. Ich habe daher auch, so weit es mir nöthig schien, auf die entsprechenden Verhältnisse bei anderen Ver- tretern dieser Reihe Rücksicht genommen, um so mehr, als ein Stoff, wie der vorliegende, in erster Linie doch nur vom Standpunkte der vergleichenden Anatomie Interesse zu erwecken vermag. Bezüglich der angewandten Technik habe ich bloß zu bemerken, dass ich von Gefäßinjektionen vollständig Abstand nehmen musste, wollte ich nicht gewärtigen, dass die Präparate, begünstigt durch die warme Jahreszeit, einem Grade von Fäulnis anheimfielen, der sie zur mikroskopischen Untersuchung unbrauchbar gemacht hätte. Histologie der Verdauungswege von Dasypus villosus. 3953 Ich fixirte daher die betreffenden Organe gleich nach ihrer Entnahme aus dem Thiere in einem Gemisch von Pikrinsäure, Sublimat und Ameisensäure. Als Färbungsmittel verwendete ich Hämatoxylin und Eosin. A. Schlund. Der Schlund zeigt, wie bei den meisten Edentaten, eine dicke Muskelhaut. Seine Innenfläche ist, abgesehen von den durch die Kontraktion hervorgerufenen, verstreichbaren Falten, ganz glatt; es fehlt auch jede Andeutung von Papillen oder Leisten, wie sie: bei den höheren Säugethieren vorkommen. Von Warzen, wie Rapr (15) sie beim schwarzen Gürtelthier (Dasypsus peba) beschrieben hat, konnte ich hier ebenfalls nichts bemerken. Epithel. Das Schlundepithel ist ein hohes geschichtetes Pflaster- epithel, das zwar in seinen obersten Lagen eine beginnende Ver- hornung erkennen lässt, die jedoch nirgends bis zum Untergang der Kerne gediehen ist (Fig. 3). Submucosa. Die aus fibrillärem Bindegewebe bestehende Sub- mucosa bildet das Lager für die mächtig entwickelten Schlunddrüsen. Elastische Fibrillen, wie sie von v. THANHOFFER (21) beschrieben wurden, sind ebenfalls deutlich nachweisbar. Muscularis mucosae. In Übereinstimmung mit der guten Aus- bildung der Muskulatur des Schlundes überhaupt steht auch die der Museularis mucosae. Dieselbe bildet nämlich in der ganzen Länge der Speiseröhre, ähnlich wie bei der Katze und beim Menschen, eine Muskelhaut, die eine ansehnliche Dicke zeigt. Ihrer Zusammen- setzung nach besteht sie ausschließlich aus glatten Muskelfasern, deren Verlaufsrichtung sie als eine Längsschicht erkennen lässt. Drüsen. Durch ihre starke Entwicklung auffallend bilden die Sehlunddrüsen eine kreisförmige Schicht, welche die Speiseröhre in ihrer ganzen Länge durchsetzt und im Querschnitt schon dem unbe- - wafineten Auge als ein zwischen Schleimhaut und Muskulatur ein- gelagerter Ring kenntlich ist, der das ganze Gebiet der Submucosa, und nur dieses, einnimmt. Dieses Verhalten verdient um so mehr Beachtung, als es nach dem jetzigen Stand der Kenntnisse das seltenste ist und bisher auch nur bei wenigen Thieren beschrieben wurde, so beim Hund von Srraut (19) u. A., beim Fuchs von dem- selben und beim Dachs von Oprer (11). Die Drüsen sind echte Schleimdrüsen und zeigen in ihrem Baue manche Ähnlichkeit mit denen des Hundes. Ihrer Form nach können 394 Konrad Koloman Helly, wir sie eben so, wie RuBELI (17) dies bei dem vorerwähnten Thiere that, als tubolo-acinös bezeichnen. Aus den endständigen Drüsen- acinis sammeln sich etwa 3—6 Schläuche zu einem gemeinschaft- lichen Ausführungsgange. Die Acini und die Schläuche tragen ein hohes cylindrisches Drüsenepithel mit Zellen von 20—25 u Länge (Fig. 4), welche sich mit Hämatoxylin tiefblau färben. Ihre Kerne sind oval und wandständig. Die Ausführungsgänge der Drüsen tragen ein kubisches Epithel von 8—10 u Zellenlänge. Dasselbe ist jedoch überall einschichtig, und unterscheidet sich dadurch von dem entsprechenden Epithel der höheren Säugethiere, welches im Allge- meinen zwei- bis dreischichtig ist. Ausführungsgänge, deren Epithel zwei oder mehr Kernreihen über einander zeigte, ließen sich immer als tangential geschnitten erkennen. Die Kerne sind rund und liegen ungefähr in der Mitte der Zellen. Da, wo der Ausführungsgang in den Bereich des geschichteten Pflasterepithels des Schlundes tritt, macht sein bisher kubisches Epithel einem sehr niedrigen Platten- epithel Platz (Fig. 3), welches dem Schlundepithel unmittelbar, als wie dessen oberste Schicht, aufsitzt. Im Übrigen zeigen die Aus- führungsgänge vielfach ampullenförmige Erweiterungen (Fig. 5), deren Durchmesser stellenweise so groß ist, dass man sie beinahe für kleine Cysten halten möchte. Zu bemerken wäre noch, dass die Drüsenkörper, also Acini und Schläuche, nie den Bereich der Submucosa überschreiten, diesen Raum jedoch vollständig ausfüllen, so dass die Ausführungsgänge erst unmittelbar an der Muscularis mucosae beginnen (Fig. 5). Die von SCHAFFER (18) für den Menschen beschriebenen cardialen Schlund- drüsen, die in der Schleimhaut selbst gelegen sind und Belegzellen enthalten, konnte ich bei diesem Thiere nirgends finden. Der Über- gang der Schläuche in den Ausführungsgang findet ‚gewöhnlich innerhalb einer Ampulle in der Weise statt, dass das Epithel der ersteren allmählich niedriger wird, und noch in der Ampulle das kubische Ausführungsgangsepithel beginnt (Fig. 4). Das Sekret der Drüsen giebt, deren Charakter entsprechend, eine deutliche Muein- reaktion. Museularis. Die Schlundmuskulatur bietet ein, schon auf den ersten Blick auffallendes Aussehen dar. Sie besteht nämlich sowohl in der äußeren Längs-, wie in der inneren Quermuskelschicht aus einem Gemisch von glatten und von quergestreiften Muskelfasern in einer Anordnungsweise, wie sie bisher meines Wissens noch bei keinem Thiere beschrieben wurde. Die glatten Muskelfasern bilden Histologie der Verdauungswege von Dasypus villosus. 395 gleichsam das Grundgewebe, und innerhalb desselben verlaufen allenthalben, gleich eingesponnenen Fäden, quergestreifte Fasern (Fig. 1, 2), theils einzeln, theils zu dünnen Bündeln vereinigt. Um dieselben herum befand sich bei allen Präparaten ein freier Raum, der sie von den benachbarten glatten Fasern trennte. Ich muss es jedoch dahingestellt sein lassen, zu beurtheilen, ob derselbe eine histologische Eigenthümlichkeit darstellt, oder nur die Folge davon ist, dass das betreffende Gewebe, als ich es zur Untersuchung: über- nahm, doch nicht mehr ganz lebensfrisch war. Was das gegenseitige Stärkeverhältnis beider Muskelgattungen anlangt, so überwiegt im Anfang des Schlundes die quergestreifte Muskulatur bedeutend über die glatte, während am Ende desselben das Verhältnis umgekehrt ist, und zwar ist dieser Wechsel beson- ders in der inneren Ringmuskelschicht ausgeprägt, wogegen die äußere Längsmuskelschicht in den verschiedenen Höhen ein etwas sleichmäßigeres Aussehen zeigt. Abgesehen von der eben beschriebenen Eigenthümlichkeit der Anordnungsweise, beansprucht diese gemischte Muskulatur auch noch einiges Interesse, wenn man auf die entsprechenden Verhältnisse bei anderen Säugethieren Rücksicht nimmt. Denn ausgenommen das Schnabelthier (Ornithorhynchus anatinus), bei welchem nach OPPper, (12) der Schlund ausschließlich glatte Muskulatur besitzt, reicht bei allen anderen die quergestreifte Muskulatur mehr oder minder weit über den Schlund, bezw. bis zur Cardia herab, wobei sie auf dieser Strecke nach OPPpkL (11) u. A. die ausschließliche Muskulatur der Speiseröhre darstellt. Eine theilweise Übergangsform bildet Brady- pus tridactylus, bei dem nach PırLıer und BouLArrt (13) die äußere Längsschicht nur aus glatten Fasern besteht, während die übrige Muskulatur ihre Zusammensetzung nur quergestreiften Fasern verdankt. Der Dasypus villosus kommt also nach seiner Schlund- muskulatur in die Mitte zwischen den beiden vorerwähnten Thieren . zu stehen. Ich sprach bisher kurzweg von Längs- und Ringmuskelschicht. Es versteht sich aber von selbst, dass, wie dies von CuviEr (3), LAIMER (9) u. A. für die meisten bisher untersuchten Thiere be- schrieben wurde, auch hier die beiden Schichten sich nicht unter rechten Winkeln kreuzen, sowie die Bezeichnung ihrer Richtung auch nieht in geometrischem Sinne zu verstehen ist. Sie sind vielmehr, was namentlich von den Fasern der Ringschicht gilt, in Spiralen angeordnet. 396 Konrad Koloman Helly Blutgefäße. Obzwar ich von einer Injektion der Blut- und Lymphgefäße, wie schon erwähnt, Abstand nehmen musste, war es mir gleichwohl durch den guten Füllungszustand derselben möglich, ihre Verzweigung zum Theil zu überblicken. Die größeren Blut- sefäßstämme fand ich in der Submucosa; daneben bestand noch ein Netz etwas kleinerer Gefäße zwischen der Längs- und Ringmuskel- schicht. Die Mucosa selbst weist ein gut entwickeltes Kapillarnetz auf, welches bis unmittelbar unter das Epithel derselben reicht (Fig. 3). Lymphgefäße und -gewebe. TEICHMANN’s (20) und v. THANHOF- FER’S (21) Angaben, wonach in der Mucosa und in der Submucosa Lymphgefäße vorkommen, konnte ich für den Dasypus villosus eben- falls bestätigen. Dagegen gelang es mir nicht, Lymphnoduli oder sonstige Anhäufungen adenoiden Gewebes in der Speiseröhre dieses Thieres zu entdecken. Nerven. Auf die Anwendung einer specifischen Nervenfärbung musste ich ebenfalls Verzicht leisten, da das Gewebe nicht mehr frisch genug war. Doch konnte ich immerhin feststellen, dass, RANVIER’S (14) Angaben entsprechend, der Plexus myentericus auch hier vorhanden und zwischen Längs- und Ringmuskelschicht einge- lagert ist. Adventitia. Die äußere Umkleidung des Schlundes ist durch die gut entwickelte, bindegewebige Adventitia gebildet, die im Übrigen nichts besonders Bemerkenswerthes aufweist. B. Magen. In der äußeren Form gleicht der Magen von Dasypus villosus im Allgemeinen dem, wie er von Rapp (15) u. A. auch für Dasypus peba beschrieben wurde. Allerdings vermisste ich den Sehnenstreif, den letzteres Thier besitzen soll. Die Schleimhaut, welche die Innenfläche des Magens auskleidet, setzt sich an der Cardia gegen die der Speiseröhre scharf und deutlich ab. Sie weist eine große Menge von verschieden starken Zotten, Falten und Leisten auf, die theils beständig sind, theils bei starker Ausdehnung des Magens verstreichen. Erwähnt sei noch das Vorhandensein eines Pylorus- wulstes, dessen genauere Beschreibung ich im Folgenden noch geben werde. Epithel. Das Epithel ist ein eylindrisches. Über.den feineren Bau seiner Zellen etwas auszusagen ist mir leider nicht möglich, da dasselbe bereits zu stark verändert war. Doch ließ sich immerhin Histologie der Verdauungswege von Dasypus villosus. 397 mit Sicherheit feststellen, dass es gegen das Schlundepithel deutlich begrenzt ist, indem das letztere ähnlich, wie auch beim Menschen, mit einem Wall abschließt, so dass das Magenepithel scheinbar die Fortsetzung der untersten Pflasterepithelschicht der Speiseröhre bildet (Fig. 6), wie dies BöHm und v. DAvıporr (1) auch für den Menschen beschreiben. Eine Schlundabtheilung des Magens mit geschichtetem Pflasterepithel, wie sie bei einigen Thieren vorkommt, ist hier nicht vorhanden. Drüsen. Der größte Theil des Magens wird von der Fundus- drüsenregion eingenommen, ein bedeutend kleinerer gehört der Region der Pylorusdrüsen an und nur ein sehr schmaler Ring ist wenigen Schläuchen der Cardialdrüsen vorbehalten (Fig. 6). Man vergleiche damit die Beschreibung, die v. KLINKOWSTRÖM (7) für den Magen von Dasypus peba liefert, und die ganz ähnliche Verhältnisse ergiebt. Die an der Cardia gelegenen Drüsen kennzeichnen sich, wie bei diesem Thiere, ebenfalls als Schleimdrüsen (Fig. 6), unterscheiden sich aber ganz bedeutend von den Schlunddrüsen. Ihre Zellen sind Schleim absondernde Cylinderzellen von ungefähr 15 « Länge, mit schwach ovalen, mehr an der Basis gelegenen Kernen. Auch unter diesen Drüsen finden sich ceystische Erweiterungen (Fig. 6). An diese Cardiadrüsen schließen sich unmittelbar die Fundus- drüsen an (Fig. 6). Dieselben lassen ebenfalls die von HEIDEN- HAIN (6) und RoLLET (16) aufgestellten drei Theile erkennen, näm- lich 1) den Drüsenausgang (inneres Schaltstück), 2) den Drüsenhals (äußeres Schaltstück), 3) den Drüsenkörper (Ende des Drüsen- schlauches. Die Gesammtlänge der Drüsen schwankt zwischen 0,5—1,0 mm. Die Bestandtheile, welche den zweiten und dritten Drüsenabschnitt bilden, sind die vielfach beschriebenen Haupt- und Belegzellen. Während das Zellgerüst der ersteren schon so verändert war, dass es mir nur mit Mühe gelang, die ungefähren Formen derselben zu erkennen, waren die letzteren noch sehr gut erhalten und zeigten überall deutlich die für sie bezeichnenden rundlichen und ovalen Formen. Auch war es mir möglich, allenthalben mehrkernige Beleg- zellen nachzuweisen, wie sie von TRINKLER (22) u. A. beschrieben wurden. Die Lage der Belegzellen ist, wie gewöhnlich, excentrisch, so dass sie die Wandungen der Drüsenschläuche stellenweise ein wenig ausbuchten; doch stehen sie auch mit dem Drüsenlumen in unmittelbarer Berührung. Sie kommen in allen drei Drüsenab- 398 Konrad Koloman Helly, schnitten vor, während ich die Hauptzellen nur im zweiten und dritten Abschnitt (Fig. 7) nachweisen konnte, ein Verhalten, das übrigens vollkommen dem entspricht, wie es sich bei anderen Thieren und auch beim Menschen findet. Die Zellen des Drüsenausganges sind Cylinderzellen von dem ihnen eigenthümlichem Aussehen, wodurch sie den Übergang zum Magenepithel allmählich vermitteln. Die Fundus- und Pylorusdrüsenregion grenzen nicht plötzlich an einander, sondern zwischen beide schiebt sich zunächst jene Zone ein, welche EsstEin (4) beim Hunde mit dem Namen der »inter- mediären Zone« belegte, und in der beide Drüsengattungen vermischt sind. Dieselbe besitzt hier eine der Größe des Magens entsprechende Breite. | Die Pylorusdrüsen sind ziemlich einfach gebaut und nicht stark aufgeknäuelt. Sie besitzen einen Drüsenkörper und einen Drüsen- ausführungsgang, der sich erst am Grunde theilt. Mit ihren hellen, durch Eosin nur schwach färbbaren Drüsenzellen und dem Cylinder- epithel der Ausführungsgänge unterscheiden sie sich auch in ihrem sonstigen Baue wenig von den entsprechenden Drüsen anderer Thiere. Ihr Gebiet reicht bis in den Pylorus hinein und lässt sich gegen das der BRuUNNEr’schen Drüsen nicht scharf abgrenzen, da beide Drüsengattungen in einander greifen, wodurch eine gewisse Ähnlich- keit gegeben ist mit dem Verhalten, wie es auch der menschliche Magen zeigt. Pyloruswulst. Es erübrigt mir noch in der Schilderung der Schleimhautoberfläche die Beschreibung des Pyloruswulstes, der sich in Gestalt einer Klappe vor den Pförtner legt. Während namentlich Rapp (15) und v. KLINCKowsTRÖöMm (7) berichten, dass derselbe bei Dasypus peba größtentheils aus der Submucosa eingelagertem Fett bestehe, vermochte ich in meinem Falle nur sehr spärliches Fett- sewebe zu bemerken, und dieses lag nicht in der Submucosa, son- dern in der Subserosa, während das Grundgewebe des Wulstes aus glatter Muskulatur bestand, deren Fasern der Muscularis des Magens entstammten. Der Verlauf derselben ist ein ziemlich verwickelter; die Richtung der Hauptfaserzüge ist aus der schematischen Fig. 8 ersichtlich. Der Überzug des Wulstes ist von normaler Magenschleim- haut gebildet, die sich durch ihr Aussehen, als zur Pylorusregion gehörig, kennzeichnet. Museularis mucosae. Vom Schlunde her setzt sich die Muscu- laris mucosae zunächst als einfache Längsmuskelschicht eine Strecke Histologie der Verdauungswege von Dasypus villosus. 399 weit in den Magen fort. Bald gesellen sich jedoch spärliche Ringfasern zu ihr hinzu, die allmählich an Zahl zunehmen, worauf dann beide Faserzüge, vielfach mit einander vermischt, weiter ziehen. Es war mir nicht möglich, eine gesonderte äußere Längs- und innere Ring- schicht zu unterscheiden, wie dies bei anderen Thieren der Fall ist. Von der Museularis mucosae steigen einzelne Faserzüge zwischen den Drüsenschläuchen empor und umgeben dieselben. Museularis. Durch die Submucosa, welche aus lockerem Binde- sewebe besteht — nach Orreu (11) ihr gewöhnliches Verhalten —, von der vorigen Muskelschicht getrennt, folgt nach außen die eigent- liche Magenmuskulatur, die von mäßiger Stärke ist und aus glatten Fasern besteht. Sie zerfällt im Allgemeinen in eine äußere Längs- und eine innere Ringmuskelschicht. Die quergestreiften Fasern der Speiseröhre verlieren sich sämmtlich an der Cardia. Blutgefäße. Brmron’s (2) Eintheilung, nach der es ein ober- flächliches Kapillarnetz der Schleimhaut und ein solches im Gebiet der Drüsen giebt, während die größeren Gefäße in der Submucosa liesen, konnte ich auch für dieses Thier bestätigen. Hinzuzufügen habe ich nur, dass ich auch in der Subserosa ein schwaches Netz bedeutend kleinerer Gefäße erblicken konnte. Lymphgefäße und -gewebe. Deutliche Lymphgefäße sah ich nur in der Submucosa; mehr konnte ich ohne Injektion nicht ent- nehmen. Von Lymphgewebe vermisste ich jedoch jedwede An- deutung. Nerven. Unter Anwendung einiger Sorgfalt gelang es mir, die Anwesenheit von Ganglienzellen und Nervenfasern des AUERBACH- schen Plexus zwischen Ring- und Längsmuskelschichi festzustellen. Bedeutend mehr Mühe verursachte es mir, die betreffenden Bestand- theile des MEısswer’schen Plexus aufzufinden; doch gelang es mir auch hier, ohne Anwendung einer besonderen Färbung der nervösen Elemente dieselben in der Submucosa nachzuweisen. Außerdem finden sich in der Subserosa Bündel markhaltiger Nervenfasern, als Hauptzweige der an den Magen herantretenden Nn. vagi. C. Darm. Der Aufbau des Darmrohres von Dasypus villosus bietet im seinen einfachen Verhältnissen so wenig Unterschiede gegen den anderer Thiere dar, dass ich mich bei seiner Beschreibung in Man- chem kürzer fassen kann, wie in den beiden vorigen Abschnitten. Von der Untersuchung des Epithels musste ich vollständig Abstand 400 Konrad Koloman Helly, nehmen, da der Zerfall desselben bereits zu weit gediehen war; doch sind nach den erhalten gebliebenen Resten kaum welche be- sonderen Unterschiede von dem allgemeinen Charakter desselben zu erwarten. Das Grundgewebe der Schleimhaut wird, wie es gewöhnlich der Fall ist, von lockerem Bindegewebe mit Einlagerungen von adenoidem Gewebe gebildet. Ein Stratum compactum, wie OPPEL (11) u. A. ein solches bei mehreren Thieren beschrieben haben, als eine zwischen den unteren Drüsenenden und der Museularis mucosae ge- legene kernlose oder kernarme Schicht kompakten Gewebes, war in dem von mir untersuchten Falle nur höchst undeutlich zu erkennen. Submucosa und Muskulatur zeigen ein der allgemeinen Regel vollständig entsprechendes Verhalten. Erstere besteht aus fihrillärem Bindegewebe; letztere zerfällt in die Muscularis mucosae und in die eigentliche Muskelhaut des Darmes, welche beide je aus einer äußeren Längs- und einer inneren Ringmuskelschicht bestehen. Von der Muscularis mucosae zweigen Bündel ab, deren Fasern deutlich bis in die Enden der einzelnen Zotten zu verfolgen sind. Nach außen ist der Darm von der bindegewebigen Serosa bekleidet. Die Schleimhautoberfläche des Darmes bietet im Allgemeinen wenig Eigenthümliches dar. Im Duodenum kommen quere Falten vor; Zotten sind im ganzen Dünndarm vorhanden. Erwähnenswerth ist eine Anzahl von Längsfalten, die im Coecum zu finden sind und die zum Theil noch ins Colon ascendens hinaufreichen. Sie erlangen eine Höhe von 2 mm und darüber, verstreichen nicht bei Ausdehnung der Darmwand und scheinen mir auch nach ihrem mikroskopischen Bau und Aussehen nicht verstreichende Schleimhautleisten zu sein. Kreisfalten, wie sie Rapp (15) beim schwarzen Gürtelthier, als im Dünndarme vorkommend beschrieben hat, konnte ich eben so, wie die quergestellten Falten im Rectum, die ebenfalls bei vorerwähntem Thiere vorhanden sein sollen, nicht finden. Am Übergange des Dünndarmes in den Dickdarm findet sich eine deutliche, in Bezug auf letzteren quergestellte Klappe, deren Grundgewebe von der Ringmuskulatur abgegeben wird (Fig. 9), wäh- rend Rapp (15), dessen Untersuchungen sich namentlich auf Dasypus peba beziehen, angiebt, dass keine derartige Klappe vorhanden sei. Das Coecum besteht aus zwei kurzen Blindsäcken. Eine gute Ab- bildung derselben ist von OppeEL (11) nach FLower (5) wiedergegeben. Nach Letzterem ist ein gleichgebautes Coecum auch noch bei Dasypus sexeinetus vorhanden, während es bei Dasypus peba überhaupt fehle. Histologie der Verdauungswege von Dasypus villosus. 401 Der histologische Bau des Blinddarmes unterscheidet sieh nicht sonderlich von dem des übrigen Dickdarmes. Was die Drüsen anlangt, kann ich sagen, dass auch diese in ihrem Verhalten von der allgemeinen Regel nicht. abweichen. Die LiEBERKÜHN’schen Krypten sind gleichmäßig über den ganzen Darm vertheilt. Im Diekdarm sind sie, wie auch Leyvic (10) beschreibt, etwas länger, als im Dünndarm; ganz besonders lang sind sie aber an der Ileo-Coecalklappe und in deren nächster Umgebung. Obzwar das Kryptenepithel schon zum Theil zerfallen war, ließen sich den- noch die Becherzellen unterscheiden, und konnte man sehen, dass deren Anzahl im Diekdarm bedeutend größer ist, als im Dünndarm, eine Thatsache, die völlig übereinstimmt mit den Ergebnissen, wie sie KLose (8) auf Grund seiner diesbezüglichen Untersuchungen am Hund und am Kaninchen festgestellt hat. Die Brunner’schen Drüsen sind gut entwickelt und erstrecken sich über den größten Theil des Duodenums. Sie sind, wie gewöhn- lieh, verästelte tubulöse Drüsen. Ihre Zellen sind denen der Pylorus- drüsen sehr ähnlich, so dass sich eine scharfe Grenze zwischen den Gebieten beider Drüsengattungen, wie schon erwähnt, überhaupt nicht ziehen lässt, und ich möchte, wie dies Orreu (12) bei Manis iavanica sethan hat, auch hier unterscheiden zwischen Drüsen, welche die Museularis mucosae durchbrechen, und solchen, welche dies nicht 'thun und nur die letzteren als Pylorusdrüsen, alle anderen aber als Brunner’sche Drüsen betrachten. Auf Grund dieser Eintheilung fielen dann die Grenzen zwischen beiden Drüsengattungen in eine Ebene, welche die untere Fläche des Pyloruswulstes schneidet. Die Blutgefäße zeigen eine ähnliche Anordnung, wie ich sie in den beiden früheren Abschnitten beschrieben habe, indem die Haupt- sefäße wieder in der Submucosa liegen, während schwächere Äste zwischen den beiden äußeren Muskelkchichten eingebettet sind und die Kapillaren in der Schleimhaut verlaufen. Bezüglich der Lymph- - gefäße will ich nur bemerken, dass es mir gelang, außer den in der - Submucosa befindlichen Stämmen derselben auch noch die centralen Zottengefäße deutlich nachzuweisen. Lymphfollikel finden sich eben so, wie zerstreutes adenoides Gewebe im ganzen Darme, jedoch ver- hältnismäßig nicht sehr zahlreich, womit ja auch ihr Fehlen im Schlund und im Magen übereinstimmt. Von der Anwesenheit PEYER- scher Plaques konnte ich mich ebenfalls überzeugen. Was endlich die Nerven anlangt, so war es mir leicht möglich, die stellenweise sehr zahlreichen Ganglienzellen und Nervenfasern Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXV. Bd. 27 402 der Konrad Koloman Helly, MEISSNER schen und des AUERBACH'schen Plexus aufzufinden. Feinere Einzelheiten festzustellen war mir jedoch auch hier aus dem schon oben angeführten Grunde leider verwehrt. Wien, im Juli 1898. Litteraturverzeichnis, BÖHM u. v. DAviDorF, Lehrbuch der Histologie des Menschen, einschließ- lich der mikroskopischen Technik. Wiesbaden 1898. BRINTON, Stomach and intestin. Topnp’s cyelop. Vol. V. 1859. CuVIER, Vorlesungen über vergleichende Anatomie. Paris 1800 — 18035. Übers. v. MeckeL 1809—1810. EBSTEIN, Beiträge zur Lehre vom Bau und den physiol. Funktionen der sogen. Magenschleimdrüsen. Arch. f. mikr. Anat. VI. 1870. FLOWER, Lectures on the comparative Anat. of the mamalia. The medical Times and Gazette. I. II. 1872. HEIDENHAIN, Untersuchungen über den Bau der Labdrüsen. Arch. f. mikr. Anat. Bd. VI. 180. v. KLINCKOWSTRÖM, Zur Anatomie der Edentaten. 1. Beitr. zur Anat. des Magens. Zool. Jahrb. Abth. f. Anat. VIII. 1895. KLose£, Beiträge zur Kenntnis der tubul. Darmdrüsen. Inaug.-Diss. Breslau 1880. LAIMER, Beiträge zur Anatomie des Ösophagus. Wiener medie. Jahrb. 1883. Leypvig, Lehrb. der Histologie des Menschen und der Thiere. Frankfurt a. M. 1857. OPPEL, Lehrb. der vergl. mikrosk. Anatomie der Wirbelthiere. Jena 1896— 1897. Daselbst Litteratur. OrPEL, Über den Darm der Monotremen, einiger Marsupialier u. von Manis iavanica. Jena 1897. A. PILLIET et R. BOULART, Sur l’estomac de !’hippopotame du Kanguroo de Benett et du paresseux. Journ. de l’anat. et de la phys. 1886. RANVIER, Les muscles de l’oesophage. Journ. de micerographie. 1879. Rapp, Anat. Untersuchungen über die Edentaten. Tübingen 1843. ROLLET, Über die blinddarmförmigen Drüsen des Magens. Medie. Centralbl. RRXI. RXTE7 1870. RUBELT, Über den Ösophagus des Menschen und verschiedener Hausthiere. Inaug.-Diss. Bern 1889. SCHAFFER, Epithel und Drüsen der Speiseröhre. Wiener klin. Wochenschr. R2227 271898: StrAanHt, Beiträge zur Kenntnis des Ösophagus und der Haut. Arch. f. Anat. u. Phys. Anat. Abth. 1889. TEICHMANN, Das Saugadersystem. Leipzig 1861. v. THANHOFFER, Grundzüge der vergleichenden Physiologie u. Histologie. Stuttgart 1885. TRINKLER, Über den Bau der Magenschleimhaut. Archiv für mikr. Anat. Bd. XXIV. 1884. Histologie der Verdauungswege von Dasypus villosus. 403 Erklärung der Abbildungen, Buchstabenerklärung: E, Epithel; Mm, Muscularis mucosae; MI, Längsmuskelschicht; Su, Submucosa; Mr, Ringmuskelschicht; S, Schleimdrüsen. Tafel XIX. Fig. 1. Längsschnitt durch die Wand des Schlundes. Man sieht die ge- mischte Muskulatur; die quergestreiften Fasern sind dunkler gehalten als die glatten. In der Submucosa reichliche Schleimdrüsen. Verg. 1:16. Fig. 2. Die in der vorigen Figur mit « bezeichnete Stelle bei starker Vergrößerung. Vergr. 1:200. Fig. 3. Der Ausführungsgang A einer Schlunddrüse, wie er in den Be- reich des Pflasterepithels tritt. Übergang seines kubischen Epithels in niedriges Plattenepithel. C, Kapillaren. Vergr. 1:200. Fig. 4. Schlunddrüsen. In der Ampulle Am der Übergang des Drüsen- epithels in das des Ausführungsganges. Vergr. 1:200. Fig. 5. Schema einer Schlunddrüse mit Ausführungsgang und Ampullen Am. Schwache Vergrößerung. Fig. 6. Längsschnitt durch die Cardia. Innerhalb der Cardiadrüsen (Ca) eine cystische Erweiterung (C'y) einer solchen. Bei F« Fundusdrüsen. Vergr. 1:150. Fig. 7. Eine Fundusdrüse mit Haupt- (77) und Belegzellen (Be). Dy, Drüsen- grund; DA, Drüsenhals; Da, Drüsenausgang; in letzterem eine Belegzelle. Man sieht auch mehrkernige Beleszellen. Vergr. 1:150. Fig. 8. Pyloruswulst; schematisch. P, Pylorusdrüsen; 3, BRUNNEr’sche Drüsen; M, Muscularis; b, Blutgefäße; ‚Se, Serosa und Subserosa; in derselben spärliches Fettgewebe (Z\. Schwache Vergrößerung. Fig. 9. Ileo-Coecalklappe; schematisch. Mu, Mucosa. Das Grundgewebe ist von der Ringmuskelschicht gebildet. Schwache Vergrößerung. Neue Studien an Cestoden aplacentaler Säugethiere. Von F. Zschokke Basel. Mit Tafel XX und XXI. Im Dünndarm des Baumbeutlers Phalanger ursinus, der von Nord- australien ausgehend die Inseln des malayischen Archipels bevölkert, fanden die Herren Dr. P. und F. Sarasın während ihrer celebensi- schen Reise neben einander zwei Arten von Bandwürmern. Das gut konservirte Material wurde dem Verfasser in verdankenswerthe- ster Weise zur Verfügung gestellt; seine Bearbeitung erlaubte die früher (29, 30) in Bezug auf die systematische Stellung der Tänien aplacentaler Säugethiere noch offen gelassenen Fragen zu lösen. Es bestätigte sich der Satz, dass Monotremata und Marsupialia, so weit diese Verhältnisse bis heute bekannt sind, von Cestoden ausschließ- lich Anoplocephalinen beherbergen. Innerhalb der Unterfamilie der Anoplocephalinae gehören die einen Tänien der Aplacentalia dem Genus Bertia an, das in der vorliegen- den Arbeit eine nähere Umschreibung erfährt, während für andere eine neue Gattung, unter dem Namen Zinstowia, gegründet werden musste. Dem Genus DBertia wurden zugetheilt Taenia obesa Zsch. aus Phascolarctus cinereus und die beiden neuen Arten, B. edulis und B. sarasinorum, aus Phalanger ursinus. Linstowia setzt sich zusam- men aus den früher als Taenia echidnae A. W. Thompson und 7. semoni Zsch. beschriebenen Cestoden von Zchidna und Perameles. Die neuen Gattungs- und Artbezeichnungen sollen der Einfach- heit wegen schon jetzt Anwendung finden; ihre Berechtigung wird sich aus der vorliegenden Arbeit ergeben. Erklärung bedarf noch die vorgeschlagene Bezeichnung Bertia edulis. Nach dem Bericht der Herren Sarasın, der sich selbst Neue Studien an Cestoden aplacentaler Säugethiere. 405 wieder auf mehrfaches, unanfechtbares Zeugnis stützt, werden die Tänien aus dem Darm von PAalanger gesucht und von den Ein- seborenen von Celebes sehr gern gegessen. Phalanger scheint wegen seiner Parasiten manchen Nachstellungen ausgesetzt zu sein. Die Abhandlung bringt zunächst eine Schilderung der beiden sehr nahe verwandten Cestoden aus Phalanger,; sodann sucht sie die verwandtschaftlichen Beziehungen der zwei Arten unter sich und zu den von SEMON in australischen Säugethieren gesammelten Band- würmern klar zu legen. Endlich wird die Frage nach der systemati- schen Stellung der bis heute beschriebenen Cestoden von Aplacen- falia erörtert. Bertia edulis n. sp. aus Phalanger ursinus. Fig. 1—3. Die Strobila von BDertia edulis tritt uns unter dem Bild einer bandförmig gleichmäßig verlaufenden Proglottidenkette entgegen, die bei einer von Individuum zu Individuum schwankenden Länge von 350—660 mm eine Maximalbreite von 6—7 mm erreicht. Nach vorn verjüngt sich der Wurmkörper allmählich so weit, dass sein jüngster Absehnitt an Querdurchmesser hinter dem Scolex zurückbleibt. Die dorsoventrale Dicke der Strobila ist bedeutend; sie steigt bis auf 3 mm. | In kleineren Exemplaren beträgt die Gliederzahl 500—-700; srößere Würmer zählen bis 1500 Proglottiden. Alle Glieder sind bedeutend breiter als lang; ihr Hinterrand- umfasst kragen- oder sogar becherartig den Vorderrand des folgenden Segmentes. Als Anhaltspunkte über Breiten- und Längenverhältnisse der Glieder mögen die folgenden Zahlen dienen, welche gleichzeitig den Stand der Entwicklung des weiblichen Apparates berücksichtigen. In Proglottiden, deren Querdurchmesser die Länge neun- bis zehnfach übertrifft, gehen die Anlagen der weiblichen Drüsen allmählich der Reife entgegen. Die Gliedbreite steigt nun immer mehr; erst nach- dem sie den 16—1Sfachen Betrag der Proglottidenlänge erreicht hat, tritt ausgiebige Eibildung ein. Später zerfallen die Geschlechtsdrüsen rasch, und: gleichzeitig werden die Glieder wieder schmäler. Ihre Länge macht jetzt etwa 1, —1/a der Breite- aus. Die letzten Proglottiden endlich nehmen an Länge beträchtlich zu, an Breite eben so bedeutend ab, so dass sich die Strobila hinten ziemlich unvermittelt zuspitzt. Die fünftletzte Proglottide ist etwa viermal breiter als lang, in der letzten werden beide Dimensionen ungefähr gleich. Inzwischen hat sich in den 406 F. Zschokke. Schlussgliedern auch der Hinterrand zu langen und weiten Man- schetten ausgezogen, die einen größeren Abschnitt der folgenden Proglottide umschließen. An den stumpf abgerundeten Seitenrändern der Segmente liegen, unregelmäßig alternirend, die von bloßem Auge nur undeutlich wahrnehmbaren Genitalpori. Von der Strobila setzt sich der Scolex scharf knopfförmig ab, ohne dass von einem verbindenden, unsegmentirten Halsabschnitt ge- sprochen werden könnte. Der Scolex hat im Ganzen keulenförmige Gestalt und schließt, nach vorn an Umfang zunehmend, mit einem schwach konvex vorgewölbten Scheitel ab. Seine vier kräftigen, kugeligen Saugnäpfe öffnen sich schlitzförmig nach vorn und außen. Je zwei dieser Haftorgane entsprechen nach ihrer Lage der ven- tralen und der dorsalen Strobilafläche. Von Expansionen des Scolex, wie von Pfeilern getragen, springen die Saugnäpfe über die Fläche des Kopfes vor und setzen sich durch ziemlich tief eingreifende, nach vorn sich immer mehr vertiefende Furchen von einander ab. Der Scolex besitzt, bei 0,8 mm Länge und 0,7 mm Breite, eine dorsoventrale Dicke von 0,6 mm. Über Ausbildung und Vertheilung der Muskulatur in der Strobila mögen nur wenige Bemerkungen eingeschaltet werden. Durch kräftige Entwicklung fällt die Schicht subeutieularer Längsfasern auf. Die Longitudinalmuskulatur des Parenchyms ordnet sich in der jüngeren Gliederkette in zwei kon- centrische Schichten, von denen sich jede aus zahlreichen, aber wenig umfangreichen Bündeln zusammensetzt. Gegen den Scolex wird diese zweischichtige Muskelvertheilung undeutlicher. Zuletzt inseriren sich die Längsfasern an der inneren Begrenzungsmembran der Saugnäpfe. Nach hinten in der Strobila bleibt die Anordnung der Längsmuskelbündel auf lange Strecken unverändert. Erst mit ein- tretender und vollzogener Geschlechtsreife nehmen die Longitudinal- muskeln an Umfang und Zahl der ein Bündel zusammensetzenden Fasern bedeutend zu, während die Gesammtsumme der Muskelbündel kaum wächst. Ihre Anordnung ist immer noch zweireihig. Gleich- zeitig treten auch die Transversal- und Dorsoventralmuskeln kräftig in den Vordergrund, während sie in den jüngeren Gliedern nur eine bescheidene Rolle spielten. Besonders die Quermuskeln werden derb und stark, und schieben sich als kräftige Muskelwand dorsal und ventral zwischen Mark- und Rindenschicht ein. Gegen die beiden Seitenränder der Proglottiden fasern sich die Transversal- bündel pinselförmig aus. In den hintersten, stark kontrahirten Pro- Neue Studien an Cestoden aplacentaler Säugethiere. 407 glottiden nimmt der Umfang sämmtlicher Muskelbündel, der longi- tudinalen, transversalen und dorsoventralen bedeutend ab. Reifere Glieder sind reich an rundlichen, mehrschichtigen Kalk- körperchen. Durch die ganze Strobila ziehen in geschlängeltem Verlauf die vier Hauptstämme des Exkretionssystems, je zwei rechts und links weit gegen die Seitenränder der Proglottiden hinausgeschoben. Schon in den jungen Abschnitten des Wurmleibes lässt sich jederseits ein weiteres, ventrales Gefäß von beträchtlichem Umfange, das dem Seitenrand näher liegt, unterscheiden. Nach innen von diesen Ven- tralgefäßen und etwas mehr der Dorsalfläche angenähert, verläuft je ein engerer Stamm. Er erreicht etwa !/; bis !/, des Umfanges der weiteren Kanäle, an die er sich eng anschmiegt. Alle Gefäßstämme sind durch eine deutlich abgesetzte Membran begrenzt. In sämmt- lichen Proglottiden, von den jüngsten bis zu den ältesten, verbinden sich die beiden ventralen Gefäße am Hinterrande durch eine Quer- kommissur von stets sehr beträchtlichem Lumen. Im Laufe der weiteren Entwicklung nehmen die Ventralgefäße an Umfang rasch und ausgiebig zu, während das Lumen der Dorsal- stämme sich eben so rasch verengert. Durch diese beiden Momente, Ausdehnung auf der einen Seite und Rückgang auf der anderen, bildet sich zwischen Rücken- und Bauchkanälen bald eine beträcht- liche Differenz heraus. In Proglottiden, in denen die Geschlechts- organe sich entwickeln, ist der ventrale Stamm bereits zehn- bis zwanzigmal umfangreicher, als der dorsale. Später, wenn die Ge- schlechtsthätigkeit begonnen hat und der Uterus sich mit .reifenden Eiern füllt, übertrifft das Lumen der weiteren Kanäle dasjenige der engeren sogar mindestens vierzigmal. Gegen das Ende der Strobila erreichen die Ventralstäimme oft excessive Entwicklung. Doch bleibt ihr Lumen endlich stationär, während dasjenige der immer noch dorsal und nach innen gelegenen Rückengefäße stetig abnimmt und endlich verschwindend eng wird. Beim Eintritt in den Scolex erfahren die vier Hauptstämme des Exkretionssystems eine doppelte Veränderung. Sie erhalten alle dasselbe Lumen und stellen sich auf jeder Seite genau dorsoventral hinter einander auf. Gleichzeitig biegen die vier Kanäle nach innen um und verlaufen jetzt im eigentlichen Scolexstamm, innerhalb der Saugnäpfe. Unmittelbar unter dem Scheitel angelangt, gehen der Rücken- und Bauchstamm derselben Seite durch eine dorsoventrale Schlinge in einander über, nachdem schon etwas früher die beiden 408 F. Zschokke, dorsalen und ventralen Kanäle unter sich je durch eine deutliche Querkommissur in Verbindung getreten sind. Weitere Gefäßverbin- dungen oder Netzbildungen konnten mit einiger Sicherheit nicht ent- deckt werden. | Durch die ganze Strobila, bis in den Scolex, ziehen zwei um- fangreiche Längsnerven. Sie liegen außerhalb der großen, ventralen Stämme des Exkretionssystems, denselben unmittelbar angeschmiest. Im Scolex wenden sich auch die Nerven nach innen, um, auf halber Saugnapfhöhe angelangt, anzuschwellen und sich durch eine von rechts nach links ziehende Querkommissur zu verbinden. Etwa in der Mitte des Gliedrandes öffnet sich die seichte und an ihrem Grunde erweiterte Geschlechtskloake. Ihr Porus liegt un- regelmäßig abwechselnd an einem der Seitenränder, ohne jemals in einer längeren Reihe von Proglottiden an denselben Rand zu fallen. | Im Grunde der Kloake erhebt sich eine kegelförmige Papille, die besonders zur Zeit vorgeschrittener Geschlechtsreife kräftig vor- springt, um den Kloakenraum zu erfüllen und mit der Spitze sogar aus dem äußeren Genitalporus hervorzuragen. Diese Papille trägt an ihrem freien, zugespitzten Ende die männliche Geschlechtsöffnung, während die weibliche Öffnung an ihrer Basis liegt. Gleichzeitig nähert sich der weibliche Porus etwas mehr der Dorsalfläche und dem hinteren Proglottidenrand, liegt also dorsoposterior von der männlichen Öffnung. Sehr frühzeitig, etwa in Proglottis 60, treten die ersten Anlagen der Geschlechtsorgane auf. Doch bleiben sie auf ausgedehnte Strecken beinahe stationär, oder entwickeln sich doch nur sehr langsam. End- lich macht ihre Ausbildung rasche Fortschritte, die bald zur männ- lichen und, unmittelbar nachher, auch zur weiblichen Reife führen. Während aber der männliche Geschlechtsapparat in allen seinen Haupttheilen bis in die letzten Proglottiden verfolgt werden kann, verschwinden die weiblichen Drüsen bald und spurlos. Sie stehen nur in wenig zahlreichen Gliedern in voller morphologischer Ent- faltung. Bald tritt der umfangreiche, mit reifen Eiern. sich füllende Uterus an ihre Stelle. Das Schlussglied der Kette, also die zuerst gebildete Proglottide, scheint in den meisten Fällen völlig steril zu bleiben. | Der männliche Apparat besteht aus den zahlreichen Hoden mit ihren Vasa efferentia, dem Vas deferens und dem Cirrusbeutel, wel- cher den Endabschnitt des Vas deferens oder Spermiducts um- schließt. Die männlichen Organe treten noch stark hervor, wenn Neue Studien an Cestoden aplacentaler Säugethiere. 409 der Uterus bereits umfangreich geworden ist und von den weiblichen Drüsen kaum noch die letzten Reste und Trümmer persistiren. Auch in den Schlussgliedern verschwinden die nun schlaff gewordenen und eingefallenen Hodenbläschen nicht ganz; der Cirrusbeutel bleibt deutlich und das Vas deferens umschließt oft noch gewaltige Samen- massen, die als kugeliger, umfangreicher Ballen das Centrum des _ Gliedes erfüllen und die ganze Markschicht beanspruchen. Als ununterbrochenes Hodenfeld kann das vordere, nach rechts und links von den Längsgefäßen des Exkretionssystems begrenzte Drittel der Proglottide gelten. Dort liegen die rundlichen oder ovalen, wohlbesrenzten und umfangreichen Hodenbläschen. Ihre Hauptmenge schiebt sich gegen die Dorsalfläche der Proglottide; doch verlagern sich einzelne Bläschen auch gegen die ventrale Fläche. In der Querrichtung folgen sich, je nach dem Kontraktions- zustand der Proglottide, 15—25 der männlichen Drüsen; dorsoventral liegen zwei bis drei Schichten über einander. s Aus jedem Hoden entspringt ein sehr deutlich begrenztes Vas efferens. Die Vasa efferentia vereinigen sich allmählich mit dem Vas deferens oder Spermiduct, der in querer Richtung durch das Hoden- feld gegen den die Genitalöffnungen tragenden "Seitenrand der Pro- glottide zieht. Auf diesem Wege gewinnt das Vas deferens allmäh- lich in dem Maße an Umfang, als die Zahl der zuströmenden Vasa efferentia wächst. In jungen Gliedern besitzt der Samenleiter noch sehr bescheidene Ausdehnung und ziemlich gestreckten Verlauf. Später wird er durch die gewaltigen Samenmengen stark aufge- trieben und lest sich in zahlreiche, kurze, scharf abgeknickte, in dorsoventraler Richtung orientirte Schlingen. Besonders der letzte Theil des Vas deferens, welcher unmittelbar an den Cirrusbeutel ansrenzt, bildet einen eigentlichen Knäuel von Windungen, der zur Reifezeit unter dem Drucke der Spermamassen gewaltig anschwillt. Zudem trägt dieser Komplex von Schlingen nach außen einen un- unterbrochenen Belag ovaler oder birnförmiger, deutlich begrenzter und sekernter Zellen. Ein ähnliches Verhältnis wird uns noch viel deutlicher bei der Besprechung von B. sarasinorum entgegentreten. Im Ganzen fällt das Vas deferens in die dorsale Hälfte der Pro- glottide. Der Cirrusbeutel, welcher den letzten Theil des männlichen Leitungsweges, den Cirrus, umschließt, stellt sich als kräftiger, stark muskulöser Sack dar. Er verjüngt sich in seinem äußeren, der Ge- 410 F. Zschokke, schlechtskloake zugewendeten Abschnitt, während sein innerer Theil, die Hälfte oder zwei Drittel des ganzen Organs umfassend, sich blasenförmig erweitert. Der Beutel wendet sich, von der Genital- kloake ausgehend, leicht gegen die Dorsalfläche des Gliedes. In Jüngeren Proglottiden misst er in seiner Längenausdehnung etwa '/, des Querdurchmessers der Strobila, später entwickelt er sich ge- waltig und beansprucht !/,, und endlich sogar etwas mehr als !/; der Gliedbreite. Die Wandung des Cirrusbeutels baut sich aus zwei Muskel- schichten auf, einer äußeren kräftigen, welche in der Longitudinal- richtung des Organs verläuft, und einer inneren starken Cirkulär- schicht. Letztere nimmt an Mächtigkeit gegen die Geschlechtskloake sehr bedeutend zu und schwillt so am distalen Ende des Beutels zu einer eigentlichen Sphinkterbildung an. Vom inneren, abgerundeten Ende des Cirrusbeutels strahlen einige Muskelfasern aus, indem sie sich dorsal und gegen den Vor- derrand der Proglottide richten. Es scheinen abgegliederte Theile der transversalen Parenchymmuskulatur zu sein. Bei D. sarasinorum kehrt diese Retraktionsvorrichtung typischer und kräftiger wieder. Der in den Cirrusbeutel eingeschlossene Endabschnitt des Vas deferens gliedert sich in zwei Theile: ein proximales, inneres, auf- seblasenes Stück, eine Vesicula seminalis, und einen distalen, bis zum männlichen Porus mit gleichmäßigem Lumen verlaufenden Kanal, der etwa als Cirrus im engeren Sinne beansprucht werden könnte. Die ovale Samenblase nimmt zuerst nur den vierten Theil der Länge des Cirrusbeutels in Anspruch. Später wird sie durch die herbeifließenden Samenmengen sehr bedeutend aufgetrieben, während sich gleichzeitig die unmittelbar vor dem Cirrusbeutel gelegenen Windungen des Vas deferens entleeren und an Umfang abnehmen. Endlich erfüllt die Vesicula den weitaus größten Theil des Cirrus- sackes, der in Folge dessen in der oben beschriebenen Weise an- wächst, während seine Wandungen gespannt und relativ dünn wer- den. Außen trägt die Vesicula seminalis einen Belag von longitudi- nalen Muskelfasern. Nach vorn geht die Samenblase, wie eben angedeutet wurde, in ein enges Rohr über, das sich im distalen Abschnitt des Cirrus- beutels in mehrere Schlingen legt. Es erstreekt sich bis zur männ- lichen Geschlechtsöffnung auf der Spitze der früher beschriebenen Genitalpapille, während der Cirrusbeutel selbst in die Papille nicht eindringt. Ausstülpung des Cirrus wurde nie beobachtet. Neue Studien an Cestoden aplacentaler Säugethiere. 411 Von der weiblichen Genitalöffnung aus, die, wie angegeben wurde, dorsoposterior vom männlichen Porus liegt, zieht sich das Vaginalrohr gegen die Mitte der Proglottide hin. Es schmiegt sich hinten an die Dorsalfläche des Cirrusbeutels an und erweitert sich, innerhalb des Beutels angelangt, allmählich zu einem umfangreichen Receptaculum seminis, dessen Spitze gegen den Proglottidenrand ge- kehrt ist, während sein stumpfer Pol sich der Gliedmitte zuwendet. Dieser Samenbehälter liest zum Theil hinter, zum Theil zwischen dem Schlingenkomplex des Vas deferens. Auf dem beschriebenen Wege entfernt sich die Vagina allmäh- lich von der Dorsalfläche und gewinnt, hinter dem Vas deferens durchziehend, eine mehr ventrale Lage. | Spermiduct und Scheide kreuzen sich also in derselben Weise, wie das früher (30) für andere Tänien der Marsupialia beschrieben wurde. In der Nähe des Randes, welcher die Genitalkloake trägt, lagern sich die verschiedenen Organe in der folgenden Reihenfolge in dorsoventraler Richtung über einander. Ganz dorsal liegt die Vasina, an sie schließt sich etwas mehr ventral der Cirrusbeutel; weiter gegen die Ventralfläche folgt der engere Stamm des Exkre- tionssystems, der Nervenstrang und endlich das weite, ventrale Ex- kretionsgefäß. Zur Zeit vorgeschrittener Reife schieben sich zwi- schen Cirrusbeutel und Exkretionskanäle die seitlichen Ausbuchtungen des Uterus ein. Die Vagina stellt sich als ein starkwandiges Rohr dar. Ihre Innenfläche trägt einen dichten Besatz kräftiger, mit der Spitze gegen das Receptaculum seminis gewendeter Borsten. Sie lässt sich auch in reifen Gliedern noch in vollem Umfang deutlich erkennen. Dem langgezogenen Receptaculum, das zu bedeutendem Umfang anschwillt, wenn die Samenzufuhr eine ausgiebige wird, fehlt der innere Borstenbesatz. Gegen die Gliedmitte, und den dort liegenden Komplex weiblicher Genitaldrüsen, stumpft sich der Samenreeipient schroff ab. Aus diesem stumpfen Innenende des Receptaculum ent- springt, als Fortsetzung der Vagina, ein enger Befruchtungsgang, der sich bald zu einem zweiten, kleinen, kugeligen Behälter erweitert. Auch der Befruchtungsgang trägt keinen inneren Borstenbesatz; er wendet sich in schwachen Windungen ventral und gleichzeitig nach innen, gegen die Mitte der Keimstockbasis, um sodann scharf gegen die Rückenfläche des Gliedes abzubiegen und bald nachher den Keim- gang aufzunehmen. Die weiblichen Drüsenkomplexe liegen in derjenigen Hälfte der 412 F. Zschokke, Proglottide, welche dem Rande mit der Genitalkloake entspricht. Sie alterniren also rechts und links in derselben Weise, wie die Ge- schlechtsöffnungen. Ihre innersten Theile, Schläuche des Keimstockes, erreichen genau die Längsmittellinie des Gliedes. Nach hinten grenzt der Komplex nicht unmittelbar an den Hinterrand der Proglottide; er wird von demselben durch die kräf- tige Querkommissur der Wassergefäßstämme getrennt. Nur die blinden Enden einiger Schläuche der Keimdrüse reichen ventral vom Quer- sefäß der Exkretionsstämme bis zum hinteren Gliedrand. Wie schon angedeutet wurde, drängt sich Entwicklung, Reife und Zerfall der weiblichen Drüsen auf eine relativ beschränkte Zahl von Proglottiden zusammen. Der weibliche Drüsenkomplex besteht in seinen peripherischen Theilen aus den Schläuchen des Keimstockes. Die ganze Keimdrüse erscheint als ein der Ventralfläche des Gliedes angenäherter flacher Fächer, der ?/; der Proglottidenlänge und !/; des Querdurchmessers des Segmentes einnimmt und sich aus 18—22 peripherisch diver- sirenden, nur schwach und plump verzweigten Schläuchen zusammen- setzt. Einzelne Schläuche greifen mit ihren blinden Enden weit gegen die dorsale Proglottidenfläche. Im Keimstock liegen kugelige oder polyedrische Zellen mit deutlichem Kern und Nucleolus. Gegen die Mitte der Drüsenbasis konvergiren die einzelnen Schläuche, um endlich zu einem trichterförmig sich verengernden, «emeinsamen Abschnitt zusammenzufließen, aus dem der allgemeine Keimgang hervorgeht. Dieser wendet sich als ziemlich langgezogenes Rohr gegen die Dorsalfläche des Gliedes, um sich mit dem Befruch- tungsgang zu vereinigen. Der Keimgang trägt einen äußeren Muskel- belag, welcher an der Stelle, wo das trichterförmige Anfangsstück in das engere Rohr übergeht, zu einem Schluckapparat anschwillt. Medianwärts vom Befruchturgsgang und dorsal vom Keimstock, zum Theil noch zwischen den Schläuchen desselben, liegt dem hin- = teren Proglottidenrande angenähert der nierenförmige oder wurstför- mise Dotterstock. Seine konvexe Fläche richtet sich gegen die Längsmittellnie des Gliedes und buchtet sich zu vier bis sechs plumpen Auftreibungen aus. Gegen den Rand mit der Geschlechts- kloake höhlt sich der Dotterstock konkav aus. Die Aushöhlung um- schließt einen weiten, durch vorspringende Falten unregelmäßig sefächerten und deutlich durch eine Membran umgrenzten Hohlraum, in dem sich zur Zeit vorgeschrittener Eibildung das in der Dotter- drüse erzeugte Material anhäuft. Neue Studien an Cestoden aplacentaler Säugethiere. 413 Von diesem gegen den Befruchtungsgang hin geschobenen Dotter- reservoir geht ein kurzer Kanal ab. Er ergießt sich bald in den Befruchtungsgang. Unmittelbar nachher durchbohrt der Befruchtungs- sang in genau ventrodorsaler Richtung einen diehten, mehrschichtigen Komplex von typisch gestalteten Schalendrüsen. Dieser Komplex liegt also noch etwas dorsaler als Dotterstock und Dotterreservoir, an die er sich nach außen, d. h. gegen den Rand mit den Geschlechts- öffnungen hin, unmillhar anschmiest. Die unregelmäßig geformten Dotterzellen enthalten einen Ber refringirenden, sehr deutlich begrenzten Kern; eben so besitzen die kurz birnförmigen Zellen des Schalendrüsenkomplexes leicht wahr- nehmbare Nuclei und Nucleoli. Dorsal entspringt aus dem Haufen der Schalendrüsen ein Oviduet von nur unbedeutendem Lumen. Er zieht in dorsalwärts konvexem Bogen gesen den Vorderrand der Proglottide. Auf diesem Wege begleiten den Eileiter Längsmuskelfasern; seine Wandung springt in Falten nach innen vor. Endlich erreicht er den Uterus. Dieser tritt in seinen ersten Anlagen frühzeitig auf. Er erstreckt sich, zunächst als solider Zellstreifen, von den Wassergefäßstämmen der einen Seite zu denjenigen der gegenüberliegenden und theilt die Proglottide ziemlich genau in eine vordere und eine hintere Hälfte. Bald erhält der Uterus ein einstweilen noch enges Lumen, so dass er sich nun als schmaler, gestreckter, quer verlaufender Sack darstellt. "Nach hinten berührt er den Dotterstock, ventral von ihm liegt die Hauptmasse des Ovariums. Später treibt der Fruchthälter nach vorn und hinten, sowie gegen die Ventral- und Dorsalfläche kurze und plumpe Aussackungen. Er nimmt jetzt ?/; der Gliedlänge in Anspruch und drängt sich sogar rechts und links dorsal an den Längsstämmen des Exkretionssystems vorbei, am Kloakenrand zwischen diese Gefäße und den Cirrusbeutel sich einkeilend. Gleichzeitig füllt sich das Lumen des Uterus mit reifenden Eiern. Leider beherbergten auch die letzten Proglottiden nur unreife und relativ wenig zahlreiche Eier, von denen einige durch eine weite, glas- helle, formbeständige Schale von kugeliger Gestalt umschlossen wurden. Bertia sarasinorum n. sp. aus Phalanger ursinus. Fig. 4—8. Wie schon betont wurde, schließt sich B. sarasinorum in den strukturellen Verhältnissen sehr eng an B. edulis an. 414 F. Zschokke, Es wird desshalb die Aufgabe der folgenden Beschreibung sein, hauptsächlich die abweichenden Merkmale der beiden nahe ver- wandten Formen zu beleuchten, während gemeinschaftliche Züge nur kurz berührt werden sollen. Recht verschieden stellen sich in beiden Arten die Form und die Dimensionen des Wurmleibes dar. Die Strobila von B. sarasinorum ist im Ganzen lancettförmig, nach vorn mehr zugespitzt, nach hinten mehr abgestumpft. Sie misst in der Länge 40—70 mm, während ihre Maximalbreite 9 mm und die größte dorsoventrale Dicke bis 4 mm beträgt. Reife Exem- plare des Wurmes zählen 150—220 Proglottiden. Auf längere Strecken bleibt die Strobilabreite dieselbe. Alle Glieder sind sehr viel breiter als lang; besonders in jungen Abschnitten der Kette, wo die Proglottiden wie schmale Querstäbe an einander gestoßen wer- den, tritt dieses Verhältnis recht deutlich und viel frappanter als bei D. edulis hervor. Aber auch in reiferen Gliedern übertrifft die Breite noch zehn- bis zwölffach die Länge. Erst die allerletzten Proglottiden verändern die Gestalt rasch, so dass das Schlussglied nur noch drei- bis vier- mal breiter als lang ist. In der ganzen Strobila umfassen die kragenartig vorspringenden, in Wellenfalten gelegten Hinterränder der Proglottiden den Vorder- rand der folgenden Segmente. An den sehr stumpfen Seitenrändern liegen, auch hier unregelmäßig rechts und links abwechselnd, die Pori der Geschlechtskloake. Sie sind mit bloßem Auge leichter sichtbar als bei B. edulis. Der Scolex besitzt etwa denselben Um- fang wie derjenige von B. edulis, dem er auch im Bau sehr nahe kommt. Er setzt sich scharf, knopfförmig von der rasch breiter werdenden Strobila ab. Ein Halsabschnitt fehlt. Breite und Länge des Scolex beträgt ca. 0,75 mm, die dorsoventrale Dieke etwa 0,5 mm. Vorn stumpft sich der Scolex flach ab; an seinem Umfang trägt er vier äußerst kräftige, tief nach innen greifende Saugnäpfe, die in kugeliger Erhebung über die Fläche des Kopfes vorspringen und sich nach außen und vorn schlitzförmig öffnen. Zwischen den Haftappa- raten liegen Einschnitte, welche sich gegen den Scolexscheitel ver- tiefen. Indessen erreichen die Saugnäpfe doch nie den hohen Grad von Selbständigkeit wie bei BD. edulıs. Auf Längsschnitten der Strobila fällt auf, dass die einzelnen Proglottiden sich durch eine Zone hellen, engmaschigen Parenchyms scharf von einander absetzen: ein Verhältnis, das bei D. edulis kaum Neue Studien an Cestoden aplacentaler Säugethiere. 415 angedeutet ist. Die helle Parenchymzone wird nach vorn und hinten durch eine an Kernen besonders reiche Schicht begrenzt. B. sarasinorum zeichnet sich durch kräftige Entwicklung der Parenechymmuskulatur aus, wenn auch die Anordnung der Muskeln von derjenigen bei B. edulis nicht wesentlich abweicht. Die Longitudinalfasern erfüllen, zu zahlreichen, aber wenig um- fangreichen Bündeln zusammengefasst, eine breite Zone des Paren- chyms. In reiferen Abschnitten der Strobila gruppiren sich die Längsbündel zu zwei mehr oder weniger deutlich getrennten, mehr- reihigen, koncentrisch angeordneten Schichten. Innerhalb der Längsmuskeln liegt die kräftige Transversalmusku- latur, welche das Markparenchym dorsal und ventral begrenzt. Auch in den letzten ganz reifen, oder sterilen Gliedern besitzen die Längs-, Quer- und Dorsoventralmuskeln noch sehr bedeutende Stärke. In Bezug auf gegenseitige Lage, Umfang und Verlauf der vier Längsstämme des Wassergefäßsystems wiederholen sich die für 2. edulis geschilderten Verhältnisse. Eben so kehren die Querkommis- suren der ventralen Gefäße in sämmtlichen Proglottiden ohne Aus- nahme wieder. Abweichend dagegen gestaltet sich die Verbindung der linksseitigen und rechtsseitigen Exkretionsstämme im Scolex. Die bezüglichen Verhältnisse mögen sich aus der folgenden Beschreibung und aus ‚Fig, 5 ergeben. In den jüngsten Theilen der Strobila, wo die Proglottiden doppelt so breit als dick sind, besitzen die vier geschlängelten Längsstämme nur bescheidenen Umfang. Sie rücken weit nach innen und liegen in genau dorsoventraler Richtung über einander. Im Scolex steigen sie innerhalb der vier Saugnäpfe gegen den Scheitel und bilden im vordersten Saugnapfgebiet rechts und links die bekannte dorsoven- trale Schlinge. Die beiden Schlingen nun verbinden sich durch eine Querkommissur, welche sich bis in den Scolexscheitel vorbuchtet und sich gleichzeitig nach rechts und links vor die Saugnäpfe legt. Die - Kommissur bildet so einen nach vorn gewendeten, hinten nicht ge- schlossenen Ring. In etwas älteren Theilen der Strobila, immerhin noch in sehr Jungen Gliedern, die dreimal breiter als diek sind, verlagern sich die Längsgefäße randwärts. Die dorsalen Stämme stellen sich inner- halb der ventralen auf, und gleichzeitig beginnt sich der Unterschied im Lumen durch Zunahme der Bauchgefäße und Abnahme der Rücken- kanäle auszubilden. 416 F. Zschokke, Am Nervensystem springt die sehr kräftige Entwicklung der zwei Longitudinalstämme in die Augen. In ganz reifen Gliedern beträgt der Durchmesser der Längsnerven noch mindestens '/, der dorsoventralen Proglottidendicke. Die starke Querkommissur der Längsstämme im Scolex liegt auf halber Saugnapfhöhe, hinter den Dorsoventralschlingen der Wassergefäße. Von ihr gehen acht Ner- ven peripherisch ab, je. zwei in die zwischen zwei benachbarten Saugnäpfen liegenden Parenchymtheile Sie dienen zur Innervirung der Haftapparate, denen sie sich nach außen ziehend immer enger anschmiegen. | Schon in der 30. Proglottide tritt die Anlage der Genitalapparate deutlich hervor, während dies bei D. edulis erst im 60. Segment der Fall ist. In Gliedern, die etwa 12mal breiter als lang sind, ist die Geschlechtsreife nahezu erreicht. Die eibildenden Drüsen verschwin- den sehr rasch wieder, so dass in den letzten, mit reifen Eiern ge- füllten Proglottiden vom weiblichen Apparat nur noch Trümmer der Vagina und des Receptaculum seminis persistiren. Auch diese Theile werden durch den sich mächtig dehnenden Uterus oft aus ihrer ur- sprünglichen Lage verdrängt und zusammengedrückt. Resistenter sind die männlichen Genitalorgane. Von ihnen dauern auch in ganz reifen Gliedern aus, der gut erhaltene und stark aufgetriebene Cirrus- beutel, mit Samen strotzend gefüllte Schlingen des Vas deferens und etwa Bruchstücke der Hoden. Wie bei B. edulis, so bleiben auch bei der vorliegenden Art die zwei oder drei letzten Segmente völlig steril, ohne jede Andeutung von Geschlechtsorganen. Die nur mäßig tiefe Genitalkloake öffnet sich, wie bei den verwandten Formen, unregelmäßig rechts und links alternirend, ungefähr in halber Gliedlänge. In ihrem Grund liegen die beiden Genitalpori, und zwar der weibliche etwas mehr dem hinteren Gliedrand angenähert als der männliche und, im Gegensatz zu B. edulis, höchstens ganz wenig dorsal verschoben. Die am vorderen Gliedrand liegenden Hoden sind kleiner, aber etwas zahlreicher als bei B. edulis. Sie ziehen, 30 bis 40 an der Zahl, in ununterbrochener, einfacher, nur hin und wieder sich ver- doppelnder Reihe von den Exkretionsstimmen der einen Seite zu denen der gegenüberliegenden. Querschnitte zeigen, dass die Hoden- bläschen in. drei- bis vierfacher Schicht dorsoventral über einander liegen. Ihre Hauptmenge verschiebt sich gegen die Rückenfläche. Durch den mit Eiern sich füllenden Uterus werden die zerfallenden Hoden ganz an den vorderen Proglottidenrand gedrängt. Neue Studien an Cestoden aplacentaler Säugethiere. 417 Das Vas deferens wiederholt in seinem Verlauf die Verhältnisse des Samenleiters von B. edulis. Es zerfällt in einen ziemlich ge- streekten Anfangstheil von geringem Umfang, der die Vasa efferentia aufnimmt, und einen zweiten stark erweiterten und aufgeblasenen Abschnitt. Derselbe erstreckt sich bis zum Cirrusbeutel und beschreibt auf diesem Wege zahlreiche, plumpe, in einander geschobene Schlingen. Eigenthümlich, und bei B. edulis nur andeutungsweise wieder- _ kehrend, ist eine scharf umschriebene, gebuchtete Zellmasse, die als wohlbegrenztes Organ den in Schlingen gelegten proximalen Abschnitt des Vas deferens allseitig umschließt. Sie bricht unvermittelt an der Stelle ab, wo der Samenleiter gestreckter und weniger umfangreich wird. Die Masse setzt sich aus zahlreichen, dicht an einander ge- drängten länglichen Zellen zusammen, welche sich durch deutliche Membran und scharf hervortretende Kerne auszeichnen. Sie bereitet sich in jungen Gliedern allmählich vor, erreicht das Maximum ihrer Entwicklung zur Zeit der stärksten Samenbildung, zerfällt später rasch, um endlich, in den eitragenden Proglottiden, spurlos zu ver- schwinden. Es liest der Gedanke nahe, diesen wohlumschriebenen Zellkom- plex als Drüsenapparat, etwa als Prostata, zu deuten. Auch über die allgemeinen Verhältnisse von Lage, Dimensionen und Bau des Cirrusbeutels gelten die für B. edulis gemachten Be- merkungen. Nerven und Längsgefäße ziehen auch hier ventral am Beutel vorbei. Der Cirrusbeutel erreicht in reiferen Gliedern einen sehr beträchtlichen Umfang; er nimmt beinahe ?/, der Proglottiden- länge in Anspruch. Sein innerer Abschnitt beherbergt eine äußerst umfangreiche Vesicula seminalis, die direkte Fortsetzung des Vas deferens.. Nach außen von der Vesicula, bis zur Spitze des Beutels, verläuft das in Schlingen gelegte Cirrusrohr. Zwei strukturelle Einzelheiten scheinen indessen den Cirrus- apparat unserer Art von demjenigen der verwandten D. edulis zu unterscheiden. Einmal schließt sich an das proximale Ende des - Cirrusbeutels von B. sarasinorum ein sehr kräftiger Musculus retraec- tor an, der bei B. edulis kaum angedeutet ist. Er zieht dorsal und segen den vorderen Gliedrand und entstammt wahrscheinlich der transversalen Parenchymmuskulatur. Sodann trägt die Innenfläche desjenigen Abschnittes des Cirrus- rohres, der unmittelbar auf die Vesieula seminalis folgt, einen regel- mäßigen Besatz von in alternirenden Reihen aufgestellten feinen Spitzchen oder Höckerchen. _ Zeitschrift f. wissensch. Zoologie, LXV. Bd. 28 418 F. Zschokke, Die Vagina verläuft, ähnlich wie bei der nahestehenden Species, zuerst dorsal vom Cirrusbeutel; darauf wendet sie sich, die Schlingen des Vas deferens kreuzend, gegen die Ventralfläche, um sich zum mächtigen Receptaculum seminis zu erweitern. Dieser Samenbehäl- ter nimmt je nach der Reife des Gliedes eine etwas verschiedene Stellung ein. Er wird durch die Entwicklung des Vas deferens und des Uterus dorsalwärts verlagert. So muss sich denn auch der aus dem Receptaculum entspringende Befruchtungsgang wieder mehr oder weniger scharf gegen die Ventralfläche umbiegen. Kein Theil der Scheide trägt im Gegensatz zu D. edulis eine innere Bewaffnung von Stacheln oder Borsten. In ganz reifen Glie- dern erscheint die Vagina stark ausgeweitet, während das schlaffe Receptaculum einen zusammengeknäuelten Samenballen umschließt. Während der Befruchtungsgang sich bei B. edulis regelmäßig zu einem zweiten, kleineren Samenbehälter erweitert, fehlt B. sarasıno- rum dieser zweite Spermarecipient eben so konstant. Der Komplex weiblicher Drüsen wiederholt in seinem Aufbau, sowie in der gegenseitigen Lage und dem Zusammenhang der ein- zelnen Theile genau die für D. edulis ausführlich beschriebenen Ver- hältnisse. Dies gilt ganz speciell für die Art und Weise, wie die verschiedenen Drüsengänge verlaufen und sich mit dem Befruchtungs- kanal vereinigen. Dagegen decken sich in beiden Arten nicht voll- ständig die allgemeine Lage und Gestaltung der weiblichen Drüsen- apparate. Bei BD. sarasınorum liegst der Drüsenkomplex dem Rande mit den Geschlechtsöffnungen sehr nahe; seine innersten Theile, Schläuche des Keimstockes, erreichen nie die Längsmittellinie des Gliedes, was bei D. edulis regelmäßig der Fall ist. Zudem ist der Drüsenkomplex von B. sarasinorum lockerer gefügt und mehr in die Breite gezogen als bei der verwandten Art. Das zuletzt berührte, allgemeine Merkmal lässt sich recht deut- lich in der Gestaltung der einzelnen Drüsen wiedererkennen. So ziehen sich die Schläuche des Keimstockes von B. sarasinorum zu äußerst gestreekten, schlanken Röhren aus, in denen sich die Keim- zellen oft nur einreihig anordnen, und die nur wenig zahlreiche und kurze Verzweigungen tragen. Die Keimdrüse erhält dadurch ein gabelig-gesperrtes Aussehen. Auch der Dotterstock gliedert sich viel reicher als bei D. edulıs. Er buchtet sich nicht mehr zu wenigen plumpen Lappen aus, son- dern trägt peripherisch zahlreiche, oft wieder verästelte Verzweigungen. Neue Studien an Cestoden aplacentaler Säugethiere. 419 Dagegen fehlt ihm das für B. edulis typische Dotterreservoir, oder es ist dasselbe doch nur andeutungsweise entwickelt. Der Schalendrüsenhaufen endlich erhält bei D. sarasinorum eben- falls schlankere und gestrecktere Gestalt als bei BD. edulkis. Nachdem der Uterus in Gliedern mit gut entwickelten weiblichen Drüsen zuerst als einfacher Querkanal ohne Aussackungen erscheint, dehnt er sich später rasch und sendet zahlreiche Taschen gegen den vorderen und hinteren Gliedrand. Diese Blindsäcke sind dorsoven- tral stark ausgezogen, in der Querrichtung der Proglottide dagegen nur schwach entwickelt. Bald stellen sich auch seichte Ausstülpun- sen des Uterus gegen die Rücken- und Bauchfläche ein. Zuletzt erfüllt der Fruchthälter als weites, sackartiges, an der Peripherie in Fächer zerfallendes Gebilde beinahe die ganze Proglottide Er drängt sich seitlich zwischen den Nerven und Gefäßstämmen und dem Cirrusbeutel durch, um nahezu die Ränder der Strobila zu er- reichen. Zwischen die Uterusfächer schieben sich dorsoventral ver- laufende Muskelbündel ein. Inzwischen hat sich der Hohlraum des Uterus mit reifen, embryonen- haltigen Eiern prall gefüllt. Dieselben sind rundlich bis schwach oval und besitzen drei Schalen. Die äußerste ist durchsichtig, doppelt kontourirt und ziemlich fest; die mittlere, zarte, membranöse Hülle lest.sich oft in Falten und Einbuchtungen. Endlich folgt eine innere, sehr harte und feste Eischale, die den Embryo umhüllt und an einem Pol zwei hornfürmige, schwach gebogene, nach außen konvergirende und sich zuspitzende Fortsätze trägt. Die beiden Hörner gehen un- mittelbar aus der inneren, kugeligen Schale, welche sich an ihrem Ursprung etwas verdickt, hervor. Ihre Länge erreicht nicht ganz diejenige des Durchmessers der inneren Eischale. Aus der vorangehenden Beschreibung ergiebt sich, dass der Darm von Phalanger ursinus neben einander zwei sehr nahe verwandte Cestoden beherbergt. Es erhebt sich die Frage, ob dieselben nicht als Varietäten ein und derselben Art betrachtet werden könnten, etwa mit demselben Recht, wie die verschiedenen Exemplare von Taenia plastica, die SLUITER im Darm von Galeopithecus fand. Die Para- siten von Phalanger stimmen in folgenden wichtigen Punkten über- ein. Beide Formen zeichnen sich durch große Kürze und bedeutende Dicke der sehr ähnlich gestalteten Proglottiden, sowie durch fast völlig entsprechende Gestalt und Bewaffnung des Scolex aus. Die Anord- nung der Parenchymmuskulatur zeigt in den zwei Arten keinen 28* 420 F. Zschokke, wesentlichen Unterschied. Eben so wenig herrschen im Verlauf, oder in den Dimensionen des Nervensystems nennenswerthe Ver- schiedenheiten. Die gegenseitige Lage, der Umfang und die Gestal- tung der Längsstämme des Exkretionssystems ist für beide Species genau dieselbe; bei beiden treten am hinteren Proglottidenrand Quer- verbindungen zwischen den großen ventralen Wassergefäßen auf. Bei B. edulis und B. sarasinorum liegen die Öffnungen der Ge- schlechtskloake, unregelmäßig abwechselnd, ungefähr auf der Mitte des linken oder rechten Proglottidenrandes. Im Grunde der Kloake stellt sich die weibliche Öffnung etwas dorsal von der männlichen auf und nähert sich gleichzeitig mehr dem hinteren Gliedrand. Ent- wicklung und Zerfall der Geschlechtsorgane folgt in beiden Fällen denselben Gesetzen; die letzten Proglottiden bleiben immer steril. In der Anordnung der Genitalorgane und im Zusammenhang ihrer einzelnen Theile kehren bei beiden Bandwürmern dieselben Verhältnisse wieder. Das bezieht sich speciell auf die gegenseitige Lage der weiblichen Drüsen und die Art und Weise wie ihre Aus- führgänge mit dem Befruchtungskanal zusammenfließen, ferner auf die Thatsache, dass Vagina und Vas deferens im Inneren der Pro- glottide sich kreuzen, auf den Verlauf des Spermiduets und endlich auf die Entwicklung und definitive Gestaltung des Uterus. Aber auch in manchen Einzelheiten lässt sich die große Ähnlichkeit beider Formen nicht verkennen. Dies spricht sich aus in Verlauf und Ge- stalt der Vagina und des Receptaculum, in Lage, Umfang und Bau des Cirrusbeutels und im Verhalten des in den Beutel eingeschlos- senen Stückes des Vas deferens, das in beiden Arten in umfangreiche Vesieula seminalis und in eigentliches Cirrusrohr zerfällt. Endlich muss noch auf den wichtigen Punkt aufmerksam gemacht werden, dass in beiden Arten Exkretionsstämme, Längsnerven, Cirrus- beutel und Vagina, sowie der in späterer Entwicklung zwischen Cirrus und Wassergefäße sich einschiebende Uterus, in genau der- selben ventrodorsalen Folge über einander liegen. Gegenüber diesen zahlreichen und tiefgreifenden Ähnlichkeiten, die beinahe an eine Identität der beiden Formen denken lassen, darf nun aber auch auf eine ganze Reihe von Verschiedenheiten zwischen B. edulis und B. sarasinorum hingewiesen werden. Sie beziehen sich zum größten Theil auf Einzelheiten in der Struktur und treten so regelmäßig und deutlich auf, dass sie die specifische Selbständig- keit beider Cestoden vollkommen sichern. Sehr verschieden ist zunächst die Länge und auch die Gestalt Neue Studien an Cestoden aplacentaler Säugethiere. 491 der Strobila; die Kette misst bei BD. edulis bis 660 mm, bei B. sara- sinorum höchstens 70 mm. Die Proglottidenzahl steigt bei der ersten Art auf 1500, bei der zweiten nur auf 220. Es sind das Unter- schiede, die kaum mehr durch verschiedene Kontraktion und ver- schieden rasch eintretende Reife von Individuen derselben Species erklärt werden können, wenn man auch geneigt ist, diesen Verhält- nissen bei der Abschätzung der Speciesgrenzen von Cestoden weiteste Rechnung zu tragen. Dazu kommen nun noch die Unterschiede in der inneren Ana- tomie. Sie liegen zunächst in der durchaus verschiedenen Modalität der Verbindung der beiden dorsoventralen Schlingen der Gefäßstämme im Scolex. Es scheint somit, dass in dieser Beziehung selbst nahe verwandte Arten sich abweichend verhalten können. Die Zahl, Größe und Anordnung der Hoden entspricht sich für beide Formen nicht; der Komplex weiblicher Drüsen ist bei D. sara- sinorum dem Proglottidenrand bedeutend näher gerückt, als bei 2. edulis, er zeigt bei der ersten Art viel lockereres Gefüge und gestreck- tere Gestalt, als bei der zweiten. Auch die drei Drüsen, Keimstock, Dotterstock und Schalendrüse, einzeln betrachtet, sind bei D. edulis sedrungener und weniger reich gegliedert als bei der verwandten Art aus demselben Wirth. - Für D. sarasinorum können endlich als typisch gelten die scharfe innere Begrenzung der Proglottiden, die starke Entwicklung des Retraktionsmuskels für den Cirrusbeutel, die kräftige Differenzirung eines zellisen Apparates, der sich um den geschlungenen Theil des Vas deferens lest, und das Auftreten von regelmäßig vertheilten Höckerchen in einem Abschnitt des Cirrusrohres. B. edulıs dagegen wird charakterisirt durch Beborstung der Vagina, durch die Gegen- wart eines zweiten, inneren Receptaculum seminis, durch das regel- mäßige Auftreten eines Dotterreservoirs und durch den Besitz einer im Grunde der Kloake liegenden Genitalpapille. Gestützt auf alle diese Merkmale dürfte eine specifische Unter- scheidung beider Formen nicht schwer fallen, wenn auch die Ansichten SETTTs über die weite Ausdehnung der Speciesgrenze bei den Oesto- den als völlig richtig anerkannt werden. Aber nicht nur unter sich sind B. edulis und B. sarasinorum sehr nahe verwandt, die beiden Cestoden eines celebensischen Beutlers tragen auch die allergrößte Ähnlicheit mit den Tänien aplacentaler australischer Säuger zur Schau. Sie müssen vereinigt werden mit 422 F. Zschokke, den vom Verfasser (29, 30) näher unter dem Namen Taenia .echidnae Thompson, 7. semoni und T. obesa beschriebenen Formen. Es ist gezeigt worden, dass von diesen drei australischen Bandwürmern T. echidnae und T. semoni enger zusammengehören, während 7‘ obesa, aus Phascolarctus cinereus, sich von ihnen in mehreren wichtigen Punkten der Organisation entfernt. Mit ZTaenia oder Bertia obesa sind nun aber gerade die beiden Cestoden aus Phalanger eng ver- bunden. Das prägt sich in folgenden Punkten recht deutlich aus. Bei allen drei Würmern zeigt, im Gegensatz zu T. echidnae und T. semoni, die Rindenschicht des Parenchyms keine übermäßige Aus- dehnung, die Markschicht keine ungewöhnliche Einschränkung. Alle drei zeichnen sich in der ganzen Strobila durch Muskelstärke und besonders durch doppelschichtige, mehrreihige Anordnung der Längs- muskulatur aus. Von großer Wichtigkeit ist die Thatsache, dass die Nervenstämme und die Längsgefäße des Exkretionssystems ven- tral am Cirrusbeutel und an der Vagina vorbeiziehen, und dass ın der Strobila die engen Dorsalgefäße medianwärts an die weiten Ventralgefäße sich anschmiegen. So kann man für alle drei Cesto- den von umfangreichen, äußeren, oder marginalen, und von wenig voluminösen, inneren, oder medianen, Wassergefäßstämmen sprechen. Die Geschlechtskloake aller drei Bandwürmer bleibt seicht, der Cirrusbeutel relativ viel kürzer, als bei 7. echidnae und T. semoni. Allen drei Cestoden ist gemeinschaftlich die allgemeine Gestal- tung und die gegenseitige Lagerung der einzelnen Abschnitte des weiblichen Apparates. Zu betonen wäre zunächst, dass der Cirrus- beutel in der Regel ventral vom Anfangstheil der Vagina liegt. Im Inneren der Proglottide wendet sich die Scheide ventralwärts und kreuzt die Schlingen des Vas deferens. Dies silt konstant für 2. edulis und D. sarasınorum und für die Mehrzahl der Segmente von B. obesa. Der Komplex weiblicher Drüsen verschiebt sich regel- mäßig gegen den Gliedrand, welcher die Genitalpori trägt. Dotter- stock und Schalendrüsen folgen in der Transversalrichtung auf ein- ander, und zwar so, dass die Dotterdrüse medianwärts von den Schalendrüsen liegt. In der Art des Zusammentreffens von Befruch- tungsgang mit den Ausführgängen der verschiedenen weiblichen Drüsen herrscht für alle drei Bandwürmer die allergrößte Überein- stimmung. Eben so deckt sich der Bau und die Gestalt der verschie- denen Drüsen in den drei Fällen bis in zahlreiche Einzelheiten. Besonders fällt die langgezogen schlauchförmige Entwicklung der Schalendrüsen auf. Neue Studien an Cestoden aplacentaler Säugethiere. 493 Endlich besitzen alle drei Formen einen sehr typisch gestalteten, querverlaufenden, mit zahlreichen Aussackungen versehenen Uterus, welcher in jedem Fall dieselbe Entwicklung durchmacht und, in reifen Gliedern einen gewaltigen Umfang annehmend, die übrigen Theile der Genitalapparate zum ganzen oder partiellen Schwunde bringt. So bietet der weibliche Apparat allein eine Reihe wichtigster Vereinigungspunkte für die drei Cestoden aus Phalanger und Phas- colaretus. An der sehr engen Zusammengehörigkeit von Bertia obesa, B. edulıs und B. sarasınorum kann somit nicht gezweifelt werden. Immerhin bleibt in den scharf gezogenen Grenzen, welche die drei Formen umschließen, genügend Raum zur deutlich erkennbaren, specifischen Differenzirung jeder einzelnen. Ganz abgesehen von den Verschiedenheiten der äußeren Gestaltung, von verschiedenen Dimen- sionen der Strobila und den von einander abweichenden Zahlen der Proglottiden, schlagen die drei Cestoden in einigen wichtigen Punk- ten anatomischer Organisation einen wesentlich anderen Weg ein. Dazu wären zu rechnen die verschiedene Art und Weise, wie im Scolex die vier Stämme des Exkretionssystems unter einander in Verbindung treten, die abweichende Zahl und Anordnung der Hoden, Einzelheiten in Bau und Verlauf von Cirrusbeutel, Cirrus, Vas defe- rens, Vagina und Receptaculum seminis, sowie in der Lage und all- gemeinen Fügung des weiblichen Drüsenkomplexes. Wesentlich ver- schieden ist in den drei Fällen auch der Bau der reifen Eier. Ein weiterer Punkt verdient noch besondere Beachtung, nämlich die gegenseitige Lage der männlichen und weiblichen Öffnung in der Tiefe der Genitalkloake. Wie bei der Mehrzahl der Tänien liegt der Vaginalporus auch bei den drei betrachteten Formen dem hinteren Proglottidenrand näher als die Cirrusöffnung. Dagegen stellt sich die Vaginalöffnung von Bertia edulis regelmäßig dorsal vom männlichen Porus auf, bei 2. sarasinorum liegt sie unmittelbar hinter der männ- _ lichen Öffnung, oder verschiebt sich nur unbedeutend gegen die _ Dorsalfläche. B. obesa endlich zeigt in dieser Hinsicht sogar von Proglottide zu Proglottide die größten Verschiedenheiten, indem sich die Vagina bald unmittelbar hinter dem Cirrus, bald dorsal oder ventral von demselben öffnet. Damit sind die Hauptpunkte genannt, welche eine specifische Scheidung von B. edulis, B. sarasinorum und B. obesa ermöglichen, denen dagegen generelle Bedeutung nicht zukommt. Gleichzeitig ist betont worden, dass die gegenseitige Lage der Genitalöffnungen 424 F. Zschoökke, - höchstens specifischen, manchmal aber nicht einmal individuellen Werth besitzt, da dieselbe in Proglottiden ein- und derselben Strobila wech- seln kann. Von den drei nahe verwandten Cestoden gehören Bertia edulıs und B. sarasınorum am engsten zusammen. Auf ihre morphologi- schen Ähnlichkeiten und Abweichungen ist oben ausführlich aufmerk- sam gemacht worden. Beiden steht etwas ferner B. obesa. Sie zeichnet sich, abgesehen von den soeben berührten speeifischen Haupt- merkmalen, vor ihnen noch besonders aus durch die äußere Bebor- stung von Strobila und Scolex, durch den eigenthümlich gebogenen Verlauf der Queranastomosen der Wassergefäße in den Proglottiden, durch die Einschiebung von acht sekundären Längsnerven zwischen die longitudinale und transversale Parenchymmuskulatur. Dazu kommt die Thatsache, dass bei B. odesa die cirkuläre Muskulatur des Cirrus- beutels sich außen, bei den Cestoden aus Phalanger dagegen innen entwickelt. Die Vagina von B. obesa beschreibt ferner Windungen, besitzt aber dafür im Gegensatz zu den Phalanger-Cestoden ein nur sehr wenig umfangreiches Receptaculum seminis. In einigen Punkten schließt sich B. obesa näher an B. eduks, in anderen mehr an B. sarasinorum an. Mit der ersteren theilt sie z. B. die innere Bebor- stung der Vagina und den Schluckapparat am Ausgang des Keim- stockes, mit der letzteren die Hakenbewaffnung des mittleren Cirrus- abschnittes. Der einheitlichen, aus Dertia öbesa, edulis und sarasınorum be- stehenden Cestodengruppe stellt sich eine zweite Einheit von Band- würmern aplacentaler Säuger entgegen, die Taenia echidnae aus Echidna hystriz und T. semoni aus Perameles obesula umfasst. Ihre Zusammengehörigkeit wurde schon früher eingehend betont. Die Hauptmerkmale lassen sich, im Gegensatz zur ersten Gruppe, etwa in folgenden strukturellen Zügen finden. Taenia echidnae und T. semoni besitzen eine gewaltig entwickelte Rindenschicht und eine sehr stark zusammengedrängte Markschicht. Die kräftigen Reihen der Längsmuskelbündel bilden eine einzige, kontinuirliche Zone — T. semoni —, oder ordnen sich nur undeutlich, und erst in reiferen Glieder, in zwei koncentrische Lagen. Bei beiden Formen verlagern sich die Längsstämme des Exkretionssystems weit nach innen. In scharfem Gegensatz zu den drei früher genann- ten Formen liegen die engen, ursprünglich dorsalen Gefäße dem Neue Studien an Cestoden aplacentaler Säugethiere. 495 Proglottidenrand näher, während die weiten Ventralkanäle sich median- wärts aufstellen. So wäre denn hier von engen, äußeren und von weiten, inneren Sammelstämmen des Wassergefäßsystems zu sprechen, ähnlich etwa wie für Mesocestoides litteratus, Anoplocephala trans- versaria, Cittotaenia marmotae. Die Geschlechtskloake senkt sich tief ein und besitzt bei den zwei Arten denselben Bau. Cirrusbeutel und Vagina legen sich ventral vor die Exkretionsstämme und vor den Längsnerven. Der Cirrusbeutel zeichnet sich in beiden Fällen durch seine exeessive, walzenförmige Streckung aus. Ähnliche Gestaltung und Lagerung erfährt bei 7. echidnae und 7. semoni auch der Komplex weiblicher Drüsen. Der Dotterstock liest am hinteren Gliedrand; Dotterstock und Schalendrüsen folgen in dorsoventraler Richtung auf einander und stellen sich nicht, wie bei den Vertretern der zuerst besprochenen Gruppe, in der Transversalachse des Gliedes neben einander auf. Die Art des Zusammentreffens der weiblichen Drüsen- kanäle entspricht sich bei den zwei Cestoden von Echidna und Pera- meles und weicht gleichzeitig von den diesbezüglichen Verhältnissen von B. obesa, B. edulis und B. sarasinorum ab. Der Uterus wurde nur für 7. semoni bekannt. Dort bildet er zuerst einen dünnwan- digen in breite Schlingen gelegten Sack. Später verliert er seine Begrenzung und die Eier werden einzeln, etwa wie bei Dipylidium oder Davainea, in Parenchymkapseln eingelagert. | So können T7. echidnae und T. semoni morphologisch fest zu- sammengefasst und Bertia obesa, B. edulis und B. sarasinorum ent- segengestellt werden. Unterscheidende Merkmale für beide Formen — T. echidnae und T. semoni! — liegen auch diesmal, wie für die drei früher besproche- nen Species von Cestoden von Marsupialiern, in der Art der Ver- bindung der vier Exkretionsstämme im Scolex, in der gegenseitigen Lage der männlichen und weiblichen Pori, in der allgemeinen Lage der weiblichen Drüsenkomplexe, in der Ausdehnung des Receptaculum seminis; dann etwa in der Gestaltung des Dotterstockes und in der Anordnung der Hoden. Es gelten somit innerhalb der beiden auf- gestellten Gruppen von Tänien aplacentaler Säugethiere dieselben specifischen Unterschiede, während zur Umschreibung der zwei Ab- theilungen ähnliche generelle Merkmale gewählt wurden. Natürlich fehlen zwischen 7. echidnae und T. semoni nicht eine Reihe noch speciellerer Unterscheidungspunkte. Dieselben haben früher (30) aus- führliche Erwähnung gefunden. 426 F. Zschokke,- Es ist nach Allem der Schluss wohl erlaubt, dass Bertia obesa, BD. edulis und B. sarasinorum auf der einen Seite, T. echidnae und T. semoni auf der anderen, zwei Gruppen morphologisch unter sich eng verbundener Tänien darstellen, die von einander nicht unerheb- lich abweichen. Um so wichtiger erscheint desshalb die Thatsache, dass beide Gruppen, oder alle fünf Cestoden, durch eine Reihe be- deutungsvoller, gemeinsamer Merkmale zusammengehalten werden. In dieser Richtung verdient vor Allem Erwähnung die durchaus identische Gestaltung und Bewaffnung des Scolex in allen fünf Fällen. Der Scolex ist immer relativ groß, keulenförmig oder knopfförmig. Er setzt sich scharf von der Strobila ab, ohne mit derselben durch einen unsegmentirten Hals verbunden zu sein. Sein Scheitel wölbt sich flach vor, oder erhebt sich höchstens zu einem kurzen, stumpfen Kegel. Der dorsoventrale Durchmesser des Scolex bleibt an Länge hinter dem transversalen und longitudinalen etwas zurück, so dass der Kopt in der Bauch-Rückenrichtung schwach zusammengepresst erscheint. Überall besteht der Haftapparat aus vier großen, äußerst kräf- tigen Saugnäpfen, von denen je zwei der dorsalen und der ventralen Fläche sich zuwenden und die sich nach vorn — gegen den Scolex- scheitel — und außen meistens schlitzartig öffnen. Sie senken sich, zu langen sackähnlichen Taschen ausgezogen, sehr tief in das Paren- chymgewebe des Scolex ein. Auf der anderen Seite springen die Saug- näpfe in kugeliger Erhebung über die Fläche des Kopfes vor und werden äußerlich durch mehr oder weniger tiefe Einschnitte oder Furchen von einander getrennt. So erreichen sie, wie von Stielen oder Pfeilern des Scolex getragen, einen oftmals hohen Grad von Selbständigkeit. ; Ein zweiter Punkt der Übereinstimmung sämmtlicher fünf Arten von Üestoden aplacentaler Säugethiere liegt in der Gestaltung der Proglottiden. Er prägt sich aus in der Art des Zusammenhanges der Segmente, in der unbedeutenden Länge der Glieder, die von der Breite derselben um das Vielfache übertroffen wird, und endlich in der starken Dehnung des dorsoventralen Durchmessers der Proglottiden. Immer springt der Hinterrand über den Vorderrand der folgen- den Proglottis vor, um denselben kragen- oder sogar glockenartig zu umfassen. So erhält die Strobila ein scharf segmentirtes, gesägtes Aussehen. | Immer sind die Proglottiden viel breiter als lang. Nur in den letzten Gliedern von 7. echidnae und T. semoni entsprechen sich hin und wieder Länge und Breite. Die jüngsten Proglottiden stellen sich Neue Studien an Cestoden aplacentaler Säugethiere. 497 als dieht gedrängte, schmale Querstäbehen dar. Zur Zeit lebhafter Eibildung misst die Breite den 4- bis 20fachen Betrag der Proglot- tidenlänge. Dazu kommt die sehr beträchtliche Dicke der Strobila als charakteristisches Merkmal. Der dorsoventrale Durchmesser beträgt mindestens ein Drittel, oft mehr als die Hälfte des transversalen. Bei 7. semoni sind die jüngeren Theile der Strobila im Querschnitt sogar kreisrund. Als allgemein gültig für die untersuchten Tänien verdient auch die sehr bedeutende Stärke der Parenchymmuskulatur hervorgehoben zu werden, wenn auch die specielle Anordnung der Muskeln für die beiden Gruppen in einigen Punkten aus einander geht. Mit dieser Muskelstärke steht wohl im engsten Zusammenhang eine ungewöhn- lieh kräftige Ausbildung des Nervensystems. Sie giebt sich in sehr beträchtlichem Umfang der Längsstämme und der Scolexkommissur kund. Das Exkretionssystem weist im Ganzen die typischen Tänien- verhältnisse auf. Doch besitzt für alle fünf Formen die speciellere Thatsache Gültigkeit, dass in der reifer werdenden Strobila von den vier Längsgefäßen, welche im Scolex alle genau dasselbe Lumen besitzen, die ventralen an Umfang ungemein gewinnen, während die Dorsalkanäle eben so stark zurückgehen. Alle fünf Tänien besitzen Genitalkloaken zur Aufnahme der weiblichen und männlichen Pori. Die Öffnungen der Kloake alter- niren in allen Fällen am rechten und linken Seitenrand ohne be- stimmte Gesetzmäßigkeit. Bei 7‘. semonzi tritt allerdings die deutliche Tendenz hervor, die große Mehrzahl sämmtlicher Kloakenöffnungen in der Proglottidenreihe an ein und demselben Gliedrand aufzustellen. Eine andere Tendenz liegt darin, den Anfangstheil der Vagina an die Dorsalfläche des Cirrusbeutels zu verlagern, so dass die Scheide, die sich in ihrem weiteren Verlauf der Ventralfläche zu- wendet, die Schlingen des Vas deferens kreuzen muss. Dieses Verhältnis gilt als Regel für 7. semoni, B. edulis und B. sarasino- rum, sowie für diejenigen Proglottiden von B. obesa, in denen die weibliche Öffnung dorsal von der männlichen liegst. Eine Kreuzung von Samenleiter und Scheide fehlt dagegen 7. echidnae und den Segmenten von B. obesa mit ventral verschobener Vaginalöffnung. Behlen und Vorkommen der Kreuzung hängt also wesentlich von der verschiedenen gegenseitigen Lage des männlichen und weiblichen Porus, die früher besprochen wurde, ab. 428 F. Zschokke, Mit der für alle fünf Formen analogen starken Entwieklung der Proglottiden in der Transversal- und Dorsoventralachse steht in eng- stem Zusammenhang eine überall sehr ähnliche Anordnung der Genital- apparate und eine sich entsprechende Aufeinanderfolge ihrer einzel- nen Abschnitte. Die beiden Apparate überlagern sich in dorsoventraler Richtung, wobei die Hauptmenge der Hoden und der größere Theil des Vas deferens sich der Rückenfläche sehr annähert. Die ver- schiedenen weiblichen Drüsen folgen ebenfalls ventrodorsal auf ein- ander, oder liegen, wie Schalendrüsen und Dotterstock der Obesa- edulis-Gruppe, transversal neben einander. Dasselbe Gesetz dorsoventraler und theilweise transversaler Entfaltung gilt nicht nur für die ganzen Geschlechtsapparate und die Folge ihrer Theile, sondern auch für die Entwicklung der einzelnen Drüsen und Leitungswege. Die Hoden strecken sich in dorsoventra- ler Richtung zu ovalen Bläschen; in derselben Achse orientiren sich die Schlingen des Vas deferens. Starke dorsoventrale Dehnung er- fährt der Dotterstock sowie die Schalendrüse als Gesammtkomplex, und in der Gestaltung ihrer einzelnen Elemente. Die Schläuche des Keimstockes durchdringen die ganze Dicke der Markschicht; der Komplex der Schalendrüsen wird vom Befruchtungsgang in genau ventrodorsalem Sinn durchbohrt. | Transversale Entwicklung zeigt da und dort der von rechts nach links schlauchförmig ausgezogene Dotterstock, immer der in der Querrichtung des Gliedes breit fächerförmig entwickelte Keimstock. Auch Cirrusbeutel, Vas deferens, Hodenapparat, Vagina und Recepta- culum folgen der bedeutenden Breitendehnung der Proglottiden. Ähnliche Beeinflussung durch die äußeren Dimensionen verräth aufs deutlichste der Uterus. Dagegen dehnen sich weder die ganzen Geschlechtsapparate, noch ihre einzelnen Abschnitte nur einigermaßen nennenswerth in der Längsrichtung der Glieder aus. Bezeichnend ist in dieser Beziehung der äußerst flache Fächer des Keimstockes. So stehen die ganzen Geschlechtsapparate, wie ihre einzelnen Theile unter demselben Einfluss der äußeren Gestaltung der Proglot- tiden, ein Einfluss, der sich bis zu einem gewissen Grad auch in der Ausbildung von Muskulatur, Nervensystem und Exkretionsapparat verspüren lässt. Äußere Ähnlichkeit der Segmente und relative Gleichheit ihrer Dimensionen bedingt somit eine weitgehende Übereinstimmung in der inneren Organisation von Üestoden, die sonst in nicht unwichtigen Neue Studien an Cestoden aplacentaler Säugethiere. 429 Punkten von einander abweichen und desshalb systematisch zu trennen sind. Übereinstimmend ist endlich für die beschriebenen Tänien apla- centaler Säuger die Struktur der reifen Eier. Dieselben wurden bei drei der fünf Formen bekannt. Sie sind immer dreischalig. Doch zeist die innerste Schale, wie das ausdrücklich hier schon betont werden mag, einen sehr verschiedenen Bau. Während sie bei 7". se- moni ganz glatt ist, trägt sie bei D. odesa an jedem Pol ein Höcker- chen und verlängert sich bei 2. sarasinorum an einer Stelle zu zwei hornartigen Fortsätzen. Ein sogenannter »birnförmiger Apparat« der innersten Eischale tritt also auch bei nahe verwandten Formen durch- aus nicht regelmäßig auf. Alle fünf Cestoden vereinigen sich, nach dem was soeben gesagt wurde, in folgenden Punkten: Durchaus ähnliche Bewaffnung, Ge- staltung und Bau des Scolex, größte Übereinstimmung in Zusammen- hang, sowie in Gestalt und relativen Dimensionen der Proglottiden, im Sinne starker transversaler und dorsoventraler Dehnung, Stärke der Muskulatur und des Nervensystems, gleicher relativer Umfang der dorsalen und ventralen Gefäßstämme in der Strobila, alternirende Lage der Genitalöffnungen, Entfaltung der Genitalapparate und ihrer einzelnen Theile in der dorsoventralen und transversalen Richtung der Proglottis, Keimstock in Gestalt eines flachen Fächers, Eier von drei Schalen umschlossen. Es stellt sich also ein enger Zusammen- hang zwischen den fünf Tänien aplacentaler Säugethiere heraus. Alle scheinen einer einzigen Familie und innerhalb derselben wahr- scheinlich zwei sich nahestehenden Genera, die den beiden oben geschaffenen Gruppen echidnae-semoni und obesa-edulis-sarasinorum entsprechen, anzugehören. Bereits früher wurde der Nachweis geführt, dass die genügend bekannten Cestoden der Aplacentalia Anoplocephalinen sind. Diese Auffassung erhält nunmehr eine gewichtige Bestätigung. Nachdem BLANCHARD (1) im Jahre 1891 eine erste systematische Umschreibung der Unterfamilie Anoplocephalinae gab und in der Gruppe die Genera Moniezia, Anoplocephala und Bertia vereinigte, wuchs im Laufe der letzten Jahre die Abtheilung der anoplocephalen Tänien durch Entdeckung neuer Formen bedeutend an und erwies sich gleichzeitig durch genaueres Studium mancher Vertreter als recht mannigfaltigs. Neue Genera und Species wurden aufgestellt, oder von alten abgespalten; andere werden folgen, da das heute vorliegende 430 F. Zschokke, Material noch sehr der systematischen Sichtung bedarf. In dieser Richtung wurden in der früheren Arbeit über die Tänien aplacen- taler Säuger einige Mittheilungen gemacht (30). Neuerdings hat nun STILES für die Anoplocephalinae eine neue Diagnose gegeben. Sie lautet wie folgt (21, 24): Anoplocephalinae, R. BLANCHARD, 1891. Taentidae mit unbewaff- netem Kopf; Genitalpori randständig, einfach oder doppelt; Segmente nahezu immer breiter als lang; Uterus quergestellt und röhrenförmig oder netzförmig. Ventrale Exkretionsstäimme immer gut entwickelt, dorsale gewöhnlich schwächer. Eier gewöhnlich mit birnförmigem Körper. Kalkkörperchen vorhanden oder fehlend. In der älteren Diagnose von BLANCHARD war noch besonders betont, dass der Scolex rund und groß sei und der Haken sowie eines Rostrum entbehre, dass der Hals fehle, oder kurz bleibe, und dass die Eier von dreifacher Schale umschlossen werden. Das letztere Merkmal, Dreischaligkeit der Eier, scheint mir bei der Umgrenzung der Anoplocephalinae alle Beachtung zu verdienen, viel mehr als die eventuelle Gegenwart eines birnförmigen Apparates an der innersten Eischale. Der »birnförmige Apparat«, ein Name, der, beiläufig gesagt, den wirklichen morphologischen Verhältnissen sehr wenig entspricht, fehlt zahlreichen Anoplocephalinen. Darauf wurde schon unter Anführung von Beispielen in der früheren Arbeit hingewiesen. Die Beschreibung der Eier der Anoplocephalinen aus Monotremata mit Marsupialia hat von Neuem recht deutlich gezeigt, dass der fragliche Apparat selbst bei sehr nahe verwandten Formen nur fakultativ auftritt. Er bildet sich gut aus bei B. sarasinorum, fehlt dagegen ganz, oder wenigstens in typischer Gestalt, bei D. obesa. Seine Gegenwart verliert also jeden diagnostischen Werth für die Umschreibung der Unterfamilie der Anoplocephalinae; sie kann nur zur Erkennung der Species, nicht einmal aber zur Begrenzung der Genera dienen. Weitere Verbreitung dagegen genießt die Ausbildung von drei Eischalen. Moxızz (10) erklärt nun allerdings die innere, chitinöse Eischale anoplocephalinenhafter Tänien als Homologon des birnförmigen Apparates. Die innere Schale tritt regelmäßig auf, sie kann sich bisweilen zu eigenthümlichen Fortsätzen, die manchmal den Charak- ter eines »birnförmigen Apparates« annehmen, umbilden. Unter allen Umständen wird es richtiger sein, in der Diagnose der Unterfamilie die Gegenwart von drei Eischalen hervorzuheben, als die fakultative Umbildung der imnersten Hülle zu betonen. Neue Studien an Cestoden aplacentaler Säugethiere. 431 Überhaupt wird sich die Nothwendigkeit und, an der Hand des heute vorliegenden reichen Beobachtungsmaterials, auch die Möglich- keit ergeben, den systematischen Begriff der Anoplocephalinae genauer festzustellen und seine Diagnose hauptsächlich nach der anatomi- schen Seite auszubauen. Merkmale von Bau und Anordnung der Genitalapparate, sowie vielleicht des Exkretionssystems dürften da- bei maßgebend sein. Diese systematische Arbeit geht über den Rahmen der vorliegen- den Abhandlung hinaus. Es genüge den Nachweis erbracht zu haben, dass alle gut bekannten Cestoden der Marsupralia und Monotremata der Gruppe der Anoplocephalinae angehören und in jeder Beziehung in die dieser Unterfamilie durch BLANCHARD und STILES gezogenen Grenzen passen. Dies wurde früher für 7. echidnae, T. semoni und T. obesa, und heute für BD. edulis und B. sarasinorum bewiesen. Auch die von Ruporpnı im Jahre 1819 beschriebene (15) und von BREMSER (3) abgebildete Taenia festiva aus Macropus giganteus ge- hört zu den Anoplocephalinen und innerhalb der Gruppe sehr wahr- scheinlich zur Gattung Moniezia. Die übrigen Cestoden der Mar- supialia fanden bis jetzt nur Namen und höchstens eine ungenügende äußere Schilderung, welehe einen Schluss über ihre systematische Stellung nicht zulässt. Es sind das RuDoLpars Taenia didelphidis aus Didelphys murina und die von KREFFT gemeldeten (5) 7. mastersi aus einer Art von Halmaturus und T. phalangistae aus Phalangista vulpina. Innerhalb der Unterfamilie der Anoplocephalinae nehmen die Tänien der aplacentalen Säuger in mancher Beziehung eine Sonderstellung ein. Sie soll in den folgenden Zeilen etwas näher präeisirt werden. Als Anoplocephalinen vereinigen verschiedene Au- toren, und in jüngster Zeit besonders StiLes (24), sieben ‚Gattungen. Es sind dies: Moniezia, Anoplocephala, Oittotaenia, Thysanosoma, Stilesia, Andrya und Bertia. Außer den zahlreichen Tänien, die in den ebengenannten Genera bis auf die neueste Zeit, zum Theil seit der Vollendung meiner ersten Arbeit über die Cestoden aplacen- taler Mammalia, untergebracht worden sind, werden wir bei der Ab- schätzung der Verwandtschaft der australischen und eelebensischen Bandwürmer die durch Monx1zz (10), Serti (16—20) und NAssonoW (11) beschriebenen Cestoden aus Hyrazx, so weit sie anoplocephalinen- haften Charakter tragen, berücksichtigen müssen. Auch Dıssıng’s (4) T. deerescens, deren Zugehörigkeit zu den Anoplocephalinen Lüne (8) ‘erkannte, und vielleicht 7. megastoma Dies., sind zum Vergleich her- anzuziehen. 432 F. Zschokke,, Von den oben genannten sieben Genera fallen zunächst, als offen- bar nicht näher verwandt mit den fünf Cestoden der Beutler und Monotremen, außer Betracht: Moniezia, Anoplocephala, Cittotaenia, Thysanosoma und Stilesia. Moniezia kennzeichnet sich zur Genüge durch doppelte Entwick- lung der Genitalapparate und ihrer Öffnungen in jedem Segment, und durch die Gegenwart von Interproglottidendrüsen. Bei Anoplo- cephala öffnen sich alle Genitalpori an demselben Seitenrand der Strobila, zudem bietet die Anordnung der Genitalapparate mancherlei Unterschiede mit den uns näher beschäftigenden fünf Tänien. Die Gattung Citiotaenia besitzt, im Gegensatz zu allen unseren Formen, doppelt entwickelte Genitalapparate und Geschlechtspori in jeder Proglottis, während der Uterus meistens einfach bleibt. Z7’Aysanosoma weicht von allen übrigen Anoplocephalinen durch die Gestaltung und den Bau des Uterus mit seinen höchst eigenthümlichen, eitragenden Blindsäcken ab. Nicht minder charakteristisch gestaltet sich oft der Uterus der Gattung Stelesia. Er bildet rechts und links in jedem Segment eine tütenförmige Tasche. Allerdings sind von diesem Ver- halten Ausnahmen bekannt. Außerdem charakterisirt sich Stslesia durch zwei scharf getrennte, gegen die Seitenränder verschobene Hodengruppen und durch die Einschaligkeit der Eier. So können die fünf Cestoden der Aplacentalia nicht in nähere Beziehung gebracht werden zu den Anoplocephalinen der Wieder- käuer und gewisser Affen — Momiezia, Thysanosoma und Stilesia —; sie sind auch verschieden von den Tänien zahlreicher Perissodaciyla und einiger Nager — Gattung Anoplocephala — und von Cittotaenia der Nagethiere. Ä Auf einen Punkt der Diagnose der verschiedenen Gattungen, auf dessen Wichtigkeit zuerst mit vollem Recht StILes (22) aufmerksam gemacht hat, werden wir unten noch übersichtlich zurückkommen. Er betrifft die gegenseitige Lage von Cirrusbeutel, Vagina, Längs- sefäben der Exkretion und longitudinalen Nervenstämmen. Von der näheren Verwandtschaft mit den Cestoden von Mono- tremen und Beutelthieren sind auch die anoplocephalinen Tänien des ” Hyraxz auszuschließen. Ohne auf die Systematik dieser Parasiten, welche von zahlreichen Autoren, wie PAGENSTECHER (12), PARONA, Mon1zz (10), NAssonow (11), Serri (16—20), lebhaft besprochen wor- den ist, einzugehen, genügt es, den allgemeinen Gewinn dieser Dis- kussion für unsere Zwecke anzuführen. Er liegt darin, dass alle genügend bekannten Z/yraxz-Anoplocephalinen als Angehörige des Neue Studien an Cestoden aplacentaler Siugethiere. 433 Genus Anoplocephala zu betrachten sind, von dem, wie oben gezeigt wurde, die Cestoden der Aplacentalia schon durch die unregelmäßig rechts und links alternirenden Geschlechtsöffnungen abweichen. Zu- dem häufen sich die Eier der Bandwürmer aus HZyraz gruppenweise in fibrösen Kapseln an. | Taenia decrescens Dies., aus Dicotyles albirostris, deren anoplo- cephalinenhaften Charakter Lüne (8) erkannte, zeigt manche Anklänge an die Cestoden aplacentaler Säuger. Diese Ähnlichkeiten liegen, außer in der Gestalt des Scolex und in der unregelmäßig alterniren- den Stellung der Genitalöffnungen an den Seitenrändern der Glieder, wohl auch in der gegenseitigen Anordnung der weiblichen Drüsen, - im Bau des quergestellten Uterus, und in der Gegenwart eines kur- zen Genitalatriums, in dessen Grund männlicher und weiblicher Porus auf einer Papille schräg vor und neben einander sich öffnen. Dagegen verhält sich die gegenseitige Lage der Hoden und des weiblichen Drüsenkomplexes bei 7. decrescens völlig abweichend. Die Hoden liegen am hinteren Gliedrand, die weiblichen Drüsen ver- schieben sich meist nach vorn. Über die gegenseitige Stellung von Vagina, Vas deferens, Exkretionsstämmen und Längsnerven besitzen wir für den Cestoden von Decotyles keine Angaben. So kann nicht daran gedacht werden, diesen Parasiten mit den Bandwürmern der Aplacentalia zu vereinigen. Für 7. megastoma aus brasilianischen Affen wäre zunächst noch der Nachweis der Zugehörigkeit zu den Anoplocephalinen zu er- bringen. So bleiben denn zum Vergleich mit den Tänien der Kloaken- thiere und Beutler noch die Gattungen Andrya und Bertia übrig. Damit betreten wir ein systematisch sehr unsicheres Gebiet, auf dem aber ohne Zweifel die nächsten Verwandten der von uns beschrie- benen fünf Tänien zu suchen sind. SrtıLes (24) nimmt die beiden Gattungen Andrya und Bertia ausdrücklich nur provisorisch an. Über ihre definitive Berechtigung und präeise Feststellung, so meint der amerikanische Autor mit Recht, werden nur neue Unter- suchungen an ausgedehnterem und specifisch mannigfaltigerem Mate- rial entscheiden können. Im Genus Andrya, das durch RAILLIET (13) geschaffen wurde, finden, nach StiLes, die beiden zuerst durch RıeHm (14) genau beschriebenen Formen 4A. rhopalocephala und A. cuniculi, beides Parasiten von Nagern, ihre Unterkunft. Rızmm’s gute Schilderung und SrıLes’ Nachprüfung dieser zwei Cestoden gestatten uns nun den sicheren Schluss, dass die Anoplocephalinen der Apla- Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXV. Bad. 29 434 | F. Zschokke, centalen mit der Gattung Andrya zwar verwandt sind, aber nicht in derselben untergebracht werden können. | Eine gewisse Ähnlichkeit zwischen Andrya und unseren fünf Tänien würde sich etwa in der unregelmäßig alternirenden Stellung der Genitalöffnungen an den Seitenrändern der Strobila, in der Zahl und Vertheilung der Hoden, in der allgemeinen Anordnung der weib- lichen Drüsen, und in der starken Entwicklung des Receptaculum seminis aussprechen. Dem stehen indessen sehr wichtige, für Andrya ausschließlich eharakteristische Züge entgegen. Sie liegen vorzüglich in der Gegenwart einer scharf umschriebenen, gestielten Prostatadrüse, in dem eigenthümlichen, netzförmigen Auftreten des Uterus, der erst in später Entwicklungszeit sackartig wird, und in der Art des Zu- sammenhanges der weiblichen Drüsen. Zudem werden wir bald ‚hören, dass das Verhältnis der gegenseitigen Lage der Geschlechts- gänge — Cirrus und Vagina — gegenüber den Exkretionsstämmen und Längsnerven bei Andrya ein ganz anderes ist, als bei den ihr sonst noch am nächsten kommenden Uestoden der Aplacentalia, T. echidnae und T. semomi.. Von B. obesa, B. edulis und B. sarasıno- rum weicht Axdrya prineipiell ab in der gegenseitigen Stellung der dorsalen und ventralen Exkretionsgefäße. So muss der Gedanke. aufgegeben werden, die Anoplocephalinen von Monotremen oder Beutlern, einzeln oder insgesammt, im Genus Andrya unterzubringen. Endlich ist noch das ungenügend umschriebene Genus Bertia, oder vielmehr seine etwas heterogenen Einzelbestandtheile, zum Ver- gleich heranzuziehen. | BLANCHARD gründete im Jahre 1891 (1, 2) die Gattung Bertia zu Gunsten von zwei Tänien aus anthropoiden Affen, die er mit den Namen BD. studeri und satyrı belegte. Der erstgenannte Cestode stammt aus dem Chimpanse, der zweite aus dem Orang. Wenn kein Zweifel darüber herrschen kann, dass die beiden Bandwürmer der Gruppe der Anoplocephalinen angehören, so genügen die Angaben BLANCHARD’s doch in keiner Weise, um das neue Genus endgültig zu umschreiben. Wir werden durch Brancharp’s Mittheilungen unterrichtet über Gestalt und Dimensionen von Scolex und Proglottiden, wir erfahren, dass die engen Genitalpori an den Seitenrändern regelmäßig — 2. studere — oder unregelmäßig — B. satyrd — alterniren, dass die drei- schaligen Eier in polyedrischen Haufen, die sich in der Querrichtung der Glieder folgen, vertheilt sind, dass die innerste Eischale einen Neue Studien an Cestoden aplacentaler Säugethiere. 435 birnförmigen Apparat trägt, und dass in der Rindenschicht reichlich Kalkkörper ausgestreut sind. Dagegen fehlen alle Angaben über die Topographie und Anatomie der Genitalapparate und über die gegen- seitige Lage der Exkretionsstämme, Längsnerven und Genitalgänge; d. h. es sind gerade diejenigen Punkte des inneren Aufbaues von B. studeri und B. satyri völlig unbekannt, auf welche sich die neuere Helminthologie bei der Aufstellung von Gattungsdiagnosen mit en stützt. Es wird desshalb auch zur Unmöglichkeit, die verwandtschaft- lichen Beziehungen zwischen den beiden Cestoden der anthropoiden Affen und den Tänien der Aplacentalia etwas genauer abzuschätzen. Srives (24) nimmt denn auch das Genus Bertia nur als provi- sorisches Klassifikationsmittel mit aller Vorsicht an. Über seine Be- rechtigung und über sein Verhältnis zur ebenfalls provisorischen Gattung Andrya müssen spätere, umfassende Studien an reicherem Material entscheiden. Hauptsächlich sollte D. stwderi zunächst genau untersucht werden. Der amerikanische Autor vereinigt unter dem Namen Bertia, außer den beiden Tänien der Anthropoiden, eine Reihe von Anoplocephalinen heterogenen Ursprungs und fasst dieselben durch eine vorläufige Diagnose zusammen. Es sind dies BD. mucro- nata und B. conferta, welche MEYNER (9) aus Alouatta caraya, resp. Macacus sinicus beschrieb, B. plastica, die SLUITER (26) in Guleo- pithecus volans fand, und B. americana Stiles, sowie ihre Varietät DB. americana leporis Stiles, welche aus Nagern — Erethizon und Lepus — stammen. Diese fünf Anoplocephalinen werden durch eine Reihe wichtiger diagnostischer Punkte zusammengehalten. Bei allen alterniren die Genitalpori regelmäßig oder unregelmäßig am rechten und linken Seitenrand der Strobila. Der Uterus bildet ein transversales Rohr, das sekundär Blindsäcke treibt. Im Gegensatz zu Andrya fehlt eine distinkte Prostatadrüse. Die Genitalkanäle ziehen dorsal an den - Exkretionsstiämmen und am Longitudinalnerv vorbei; der dorsale Ge- fäßstamm bleibt entweder wirklich dorsal gegenüber dem ventralen, oder stellt sich etwas lateral von demselben auf. Die innere Eischale trägt immer den sogenannten birnförmigen Apparat. Als weitere Merkmale von ziemlich allgemeiner Gültigkeit | könn- ten noch genannt werden, die Tendenz den Komplex weiblicher Drüsen dem Seitenrand mit den Genitalpori anzunähern und die Ver- lagerung der Hoden gegen den Vorderrand und die Dorsalfläche des Gliedes, wo sie ein kontinuirliches Feid von den Längsstämmen der 29% 436 F. Zschokke, einen bis zu denjenigen der anderen Seite bilden. Endlich fehlt Bertia ein typischer Cirrusbeutel, oder aber er bildet eine kräftige, kurze Muskeltasche, welche nur bis zum Ventralgefäß der entsprechen- den Seite reicht. Von B. plastica ist die gegenseitige Lage der Ex- kretionsstämme, sowie das topographische Verhältnis von Cirrusbeutel und Vagina gegenüber den Längsgefäßen und Seitennerven leider völlig unbekannt. Auf den Cestoden aus Galeopithecus kann also die oben entworfene Schilderung nur theilweise angewendet werden. Es ist nun ohne Weiteres zuzugeben, dass die Gesammtheit der fünf aus aplacentalen Säugern geschilderten Tänien, den durch STILES unter dem Titel Berta vorläufig zusammengefassten Cestoden näher steht als irgend welchen anderen Anoplocephalinen. Von den in der oben entwickelten Diagnose genannten Merkmalen der Gattung BDertia passen folgende auch auf die Tänien der Monotremen und Beutler: Die Stellung der Genitalpori, das Fehlen einer distinkten Prostata- drüse, die allgemeine Vertheilung der Hoden und die Lage des weib- lichen Drüsenkomplexes. Die übrigen Merkmale von Berta treffen für die uns specieller beschäftigenden Tänien nicht, oder nur theil- weise ZU. Von den Vertretern der Gruppe B. obesa-edulis-sarasinorum wer- den noch zwei wichtige Charakteristika des Genus Berta angenom- men: die Entwicklung des Uterus als querverlaufender Schlauch mit sekundär auswachsenden Blindsäcken und die dorsale Lage von Vagina und Cirrusbeutel gegenüber den Exkretionsstäimmen und den Seitennerven. Ferner sind bei Berta und den Arten obesa, edulks, sarasinorum absolut identisch die Lage und Vertheilung der Hoden, die Annäherung des Komplexes der weiblichen Drüsen an den Rand mit den Genitalpori, sowie Bau und Gestalt des Cirrusbeutels, der nur bis zum ventralen Gefäßstamm der betreffenden Seite sich er- streckt. So bleiben denn gegenüber Bertia nur zwei Unterschiede bestehen. Erstens tritt der birnförmige Apparat nur bei D. sarası- norum, nicht aber bei D. edulis und B. obesa auf, und zweitens liegen bei allen drei eben genannten Parasiten von Beutlern die engen, dorsalen Gefäßstämme durchaus medianwärts von den weiten, ven- tralen, etwa ähnlich wie beim Genus Moniezia. Dadurch bildet sich ein gewisser Gegensatz gegenüber den übrigen Vertretern der Gat- tung Bertia aus. Auf den ersten Punkt, Gegenwart oder Abwesen- heit des birnförmigen Apparates, darf, wie schon oben ausgeführt wurde, durchaus kein genereller, sondern höchstens specifischer Werth gelegt werden. Jener eigenthümliche Aufsatz der inneren Eischale Neue Studien an Cestoden aplacentaler Säugethiere. 437 fehlt oder tritt auf bei nächstverwandten Arten, die sonst in jeder Hinsicht in hohem Maß übereinstimmen. Auch die Thatsache, dass die dorsalen Gefäßstämme bei B. obesa, B. edulis und B. sarasıinorum sich medianwärts von den ventralen aufstellen, scheint mir kein ge- nügender Grund zu sein, um die drei genannten Bandwürmer in einem eigenen Genus der Gattung Bertia entgesenzustellen; nehmen doch schon in den verschiedenen Arten von Bertia die Dorsalgefäße eine bald dorsale, bald laterale Lage gegenüber den Ventralstfämmen ein. Eine dritte Variation in der gegenseitigen Stellung der Längs- gefäße kann also nicht überraschen. Sie findet sich gerade: bei Bertia obesa, B. edulis und B. sarasinorum, Wir tragen desshalb kein Bedenken, die drei Formen dem Genus Bertia einzuverleiben, wie dies, der Darstellung vorauseilend, bereits geschehen ist. Dabei muss, wie weiter unten durchgeführt werden soll, die Diagnose der Gattung Bertia in einigen Punkten verändert werden. Gleichzeitig bietet sich Gelegenheit, innerhalb des generellen Begriffes Berta drei Gruppen nach der gegenseitigen Lage der Bauch- und Rückengefäße und nach der Topographie der weiblichen Drüsen zu unterscheiden. Mit dieser Eintheilung decken sich, wie unten zusammengestellt werden soll, noch andere anatomische Unterschiede Ferner ge- hören die drei Gruppen von Bertia verschiedenen Ordnungen von _Wirthen an. Wie schon früher (30) ausgeführt wurde, nähern sich Berta obesa, B. edulis und B. sarasinorum am meisten der Art 5. plastica Sluiter, aus Galeopithecus. Das spricht sich u. A. darin aus, dass in allen vier Fällen Schalendrüsen und Dotterstock in der Querrichtung neben einander liegen und nicht dorsoventral auf einander folgen. Der muskulöse Cirrusbeutel reicht bei allen vier Formen nur bis zum Ventralgefäß der entsprechenden Seite, das Vas deferens legt sich in kurze, stark aufgetriebene Schlingen. Ein gestrecktes, kräftig ent- wickeltes Receptaculum seminis fehlt bei B. obesa. In der gegen- - seitigen Lage und dem allgemeinen Bau der weiblichen Drüsen herrscht weitgehende Übereinstimmung. Der Uterus drängt sich zur Zeit intensiver Entwicklung seitlich an den ventralen Sammelstäm- men des Exkretionssystems vorbei. Vielleicht werden spätere Unter- suchungen ergeben, dass auch bei D. plastica die dorsalen Wasser- sefäßstämme ihren Platz medianwärts von den ventralen finden. Damit wäre die Übereinstimmung mit B. obesa, B. edulis und B. sarasinorum noch bedeutend gesteigert. Schon jetzt aber dürfen die vier Cestoden innerhalb der Gattung Bertia eine enger verwandte 438 F. Zschokke, Gruppe bilden, die in mancher Beziehung von B. mucronata, B. con- ferta und B. americana abweicht. In sehr wichtigen Punkten weichen endlich vom Genus Bertia die beiden unter sich eng verwandten Formen 7. echidnae und T. semoni ab. Bei ihnen stellen sich, im Gegensatz nicht nur zu Berta, sondern zu allen übrigen Genera der Anoplocephalinen — Anoplo- cephala, Andrya, Cüttotaenia, Moniezia, Thysanosoma und Stilesia — Vagina und Vas deferens ventral von den Längsgefäßen des Exkre- tionssystems und vom Seitennerv auf, etwa so, wie dies bei Taenia crassicollis der Fall ist. Gleichzeitig liegen die engen, ursprünglich dorsalen Gefäße rein lateral oder randwärts von den weiten Ventral- stämmen. Dieses letztere Verhalten klingt an die topographischen Zustände gewisser Vertreter der Gattungen Anoplocephala, Bertia und Orttotaenia an, entfernt sich aber von Bertia obesa, B. edulis, B. sarasinorum, B. mucronata und B. conferta. Auf die systema- tische Wichtigkeit der gegenseitigen Lage von Genitalkanälen, Ex- kretionsstämmen und Längsnerven bei Cestoden machte wiederholt und nachdrücklich STILeEs (22) aufmerksam. Die Ansichten des ameri- kanischen Autors über den klassifikatorischen Werth der betreffen- den Verhältnisse erhalten volle Bestätigung dadurch, dass die auch sonst sehr nahe verwandten Formen T". echrdnae und T. semoni eine auffallende Ähnlichkeit in den Lagebeziehungen von Genitalgängen, Nerven und Exkretionsstämmen zeigen. Ein zweites wichtiges Merkmal, das 7. echidnae und T. semoni umschreiben und gleichzeitig gegen die übrigen Anoplocephalinen abgrenzen dürfte, spricht sich in dem Verhalten des Uterus und der reifen Eier aus. Leider sind wir in dieser Beziehung nur über 7. semoni genügend aufgeklärt; für die sehr nahe verwandte 7. echidnae stehen uns nur Analogieschlüsse zur Verfügung. Im Gegensatz zu allen anoplocephalinen Cestoden, deren Uteri von STILES \24) beschrieben und in drei Gruppen eingetheilt worden sind, besitzt 7. semon? einen dünnwandigen Fruchthälter, der sich, immer mehr anwachsend, in breite Schlingen legt. Später verliert der Uterus seine feste Begrenzung; die reifenden Eier liegen im Parenehym und werden endlich einzeln, etwa wie bei den Gattungen Davainea oder Dipylidium, von derben Bindegewebekapseln um- schlossen. Aber auch andere Punkte von mehr sekundärer Bedeutung können dazu dienen, 7. echidnae und T. semoni gegenüber den anderen Anoplocephalinen zu umschließen und in das neue Genus Zinstowia Neue Studien an Cestoden aplacentaler Säugethiere. 439 zu bringen. Sie sind schon früher erwähnt worden und mögen an dieser Stelle noch einmal kurze Zusammenstellung finden. Hierher sehört die starke Entwicklung der Rindenschicht des Parenchyms und die entsprechende Einschränkung der Markschicht, die gewaltige, walzenförmige Streckung des Cirrusbeutels, welcher die Mittellinie des Gliedes erreichen kann und niemals, wie bei den Vertretern des Genus Bertia, schon auf der Höhe des entsprechenden Wassergefäß- stammes Halt macht. Sodann ist gegenüber Dertia typisch, dass der Komplex der weiblichen Drüsen bei Zinstow:a nicht, oder nur unbe- deutend aus der Medianlinie verschoben wird. Endlich folgen sich bei den zwei Vertretern der neuen Gattung Dotterstock und Schalen- drüse in ventrodorsaler Richtung, eine Anordnung, die allerdings von Bertia mucronata und B. conferta wiederholt wird. Es liegen somit durchaus genügende Gründe der anatomischen Organisation vor, um die zwei Anoplocephalinen von Echidna und Perameles in einem eigenen Genus unterzubringen, das, nach einem verdienten Helminthologen, Zinstowie heißen mag. Die neue Gattung schließt sich am engsten an Bertia und Andrya an, weicht aber von beiden in einer Reihe von Punkten genereller Bedeutung ab. Die gegenseitige Stellung der Gattungen Bertia und Linstowia, sowie die systematische Einreihung der Tänien aplacentaler Säuger mag sich aus der folgenden Übersicht ergeben. I. Genus: Bertia, R. BLANCHARD 1891, SrtiLes 1896. Anoplocephalinen, deren Segmente immer breiter als lang sind. Rinden- und Markschicht normal entwickelt. Genitalpori rechts und links alternirend. Uterus bildet ein transversales Rohr, das sekun- där Blindsäcke treibt. Die Genitalkanäle ziehen dorsal an den bei- den Exkretionsstämmen und dem Längsnerven vorbei. Der engere, ursprünglich dorsale Gefäßstamm behält entweder seine dorsale Stel- - Iung gegenüber dem weiteren Ventralgefäß bei, oder stellt sich seitlich, oder medianwärts von demselben auf. Eine gestielte Pro- statadrüse fehlt. Der Komplex der weiblichen Drüsen verschiebt sich von der Medianlinie des Gliedes aus mehr oder weniger gegen den Seitenrand, welcher die Genitalpori trägt. Die Hoden liegen der Hauptmasse nach dem Vorderrand und der Dorsalfläche des Seg- mentes angenähert und bilden ein ununterbrochenes Feld von den Längsgefäßen der einen zu denen der anderen Seite. Cirrusbeutel nicht typisch entwickelt, oder als kurze, stark muskulöse Tasche 440 F. Zschokke, ausgebildet, welche nur bis zum ventralen Gefäßstamm der betreffen- den Seite reicht. Typus: B. studeri R. Bl., unvollständig beschrieben. Gruppe A. Die dorsalen Gefäßstämme bleiben wirklich dorsal gegenüber den weiten Ventralkanälen. Cirrusbeutel nicht typisch entwickelt. Vas deferens liegt dorsoanterior von Vagina. Dotterstock und Schalen- drüse folgen sich in ventrodorsaler Richtung. Rechts und links je drei Längsnerven. Eier mit birnförmigem Apparat. Viel Kalkkörper. Wirthe: Affen. 1) Bertia mucronata Meyner. 2) Bertia conferta Meyner. Siehe MEYNER (9) und StILEs (24). Gruppe B. Dorsale Gefäßstämme liegen lateral von den weiten Ventralkanälen. Cirrusbeutel kräftiger Muskelsack bis zum Ventralkanal der ent- sprechenden Seite reichend. Cirrus liegt dorsal von Vagina. Gegen- seitige Lage von Schalendrüse und Dotterstock unbekannt. Rechts und links ein Längsnerv. Kalkkörper und birnförmiger Apparat der inneren Eischale nicht konstant. Wirthe: Nager. 1) Bertia americana Stiles. 2) Bertia americana leporis Stiles. Siehe STILES (24). Gruppe C. Dorsale Gefäßstämme liegen medianwärts von den weiten Ventral- kanälen. Cirrusbeutel kräftiger Muskelsack bis zum Ventralgefäß der betreffenden Seite sich erstreckend. Cirrus liegt in den meisten Fällen ventral vom Anfangstheil der Scheide, so dass sich Vagina und Vas deferens im Inneren der Proglottide kreuzen müssen. Schalendrüse und Dotterstock folgen sich in der Transversalrichtung. Rechts und links je ein Längsnerv. Kalkkörper fehlend oder selten. Birnförmiger Apparat der inneren Eischale nicht konstant. Wirthe: Beutelthiere. 1) Bertia obesa Zschokke. 2) Bertia edulis Zschokke. 3) Bertia sarasinorum Zschokke. Siehe ZsCHOKKE (29, 30) und die in der vorliegenden Arbeit enthaltenen Beschreibungen. Neue Studien an Cestoden aplacentaler Säugethiere. 441 Zur Gruppe © dürfte auch gehören 4) Bertia plastica Sluiter. Siehe SLUITER (26). Doch fehlen noch einige wichtige Angaben über die Struktur dieses Cestoden aus Galeopithecus volans, so dass über seine Stellung nicht definitiv entschieden werden kann. II. Genus: Linstowia n. g. Anoplocephalinen, deren Segmente breiter als lang sind. .Geni- talpori rechts und links alternirend. Rindenschicht auf Kosten der Markschicht stark anwachsend. Der Uterus (nur bei Z. semoni be- kannt) bildet ein dünnwandiges, gefaltetes Rohr, dessen Wandung früh verloren geht. In Folge dessen werden die Eier einzeln in Parenchymkapseln eingeschlossen. Dorsaler Exkretionsstamm liegt lateral — randwärts — vom ventralen. Genitalgänge ziehen ventral an Exkretionsgefäßen und Längsnerven vorbei. Keine gestielte Pro- statadrüse. Cirrusbeutel immer stark entwickelt und walzenförmig ausgezogen. Er geht an den Exkretionsstämmen der betreffenden Seite vorbei und kann die Längsmittellinie des Segmentes erreichen. Hoden dorsäl, durch ganze Länge des Gliedes vertheilt. Komplex der weiblichen Drüsen bleibt median, oder verschiebt sich nur un- bedeutend gegen den Rand mit den Genitalpori. Dotterstock und Schalendrüsen folgen sich in ventrodorsaler Richtung. Innere Ei- schale ohne birnförmigen Apparat. Wirthe: Monotremata und Mar- supiala. 1) Linstowia echidnae d’Arey W. Thompson. Typus. 2) Linstowia semoni Zschokke. Siehe THomPson (27), ZSCHORKE (29, 30). Die Gattung Linstowia ist am engsten verwandt mit dem Genus Bertia, und zwar nähert sie sich durch verschiedene Merkmale gleich- mäßig den einzelnen Gruppen desselben. Mit den Bertia-Arten der Affen, B. mucronata und B. conferta, theilt Zinstowia die ventrodorsale Folge von Dotterstock und Schalen- drüse, mit den Bertien der Nager die laterale Lage der dorsalen Ex- kretionsstämme und die nur geringfügige Verschiebung des weiblichen Drüsenkomplexes aus der Mittellinie, mit den Cestoden aus Phasco- laretus und Phalanger endlich eine Reihe specieller Punkte der Organisation der Genitalapparate, so die Tendenz den Anfangstheil der Vagina dorsal vom Cirrusbeutel aufzustellen. Immerhin bleibt bemerkenswerth, dass ZLinstowia sich relativ am weitesten von den Vertretern der Gattung Bertia aus Beutelthieren entfernt. 442 F. Zschokke, Vollkommen unklar ist einstweilen die Stellung der beiden durch BLANCHARD (1, 2) aus anthropoiden Affen gemeldeten Cestoden Bertia studeri und B. satyri. So lange ihre Anatomie uns beinahe völlig unbekannt bleibt, können sie nicht zum Ausgangspunkt einer dia- snostischen Umschreibung der Gattung Dertia gemacht werden. Die laterale Lage der dorsalen Gefäßstämme und die Streckung und gewaltige Entwicklung der Cirrustasche bei B. satyrı könnte als Anzeichen einer Verwandtschaft mit dem Genus Zinstowia gedeutet werden. Eigenthümlich gestaltet sich bei den Cestoden aus Chimpanse und Orang der Uterus, indem die Eier in den reifen Proglottiden in polyedrische Packete vereinigt sind. Diese Eihaufen bilden eine Querreihe und erfüllen die ganze Dicke und Breite der Segmente. Über die Gattung Andrya habe ich kein neues Material beizu- bringen, doch scheint mir, dass ihre Selbständigkeit gegenüber Bertia und Linstowia kaum angezweifelt werden kann. Die früher (29, 30) ausgesprochenen Sätze über die Cestoden der Aplacentalia und ihre systematische Stellung erhalten nunmehr folgende Fassung: 1) Alle bis heute genügend beschriebenen Tänien aplacentaler Säugethiere gehören zur Unterfamilie der Anoplocephalinae, welche als typisch für Herbivore galt. 2) Innerhalb der Anoplocephalinen vertheilen sie sich auf drei Genera: Montezia, Bertia und Linstowia n. 2. 3) Der Gattung Moniezia, die für Wiederkäuer typisch ist, muss Taenia festiva Rud., aus Macropus giganteus, zugezählt werden. 4) Zur Gattung Bertia sind drei bekannte Bandwürmer von Beutelthieren zu rechnen: B. obesa Zsch. aus Phascolarctus, sowie B. edulis Zsch. und D. sarasınorum Zsch. aus Phalanger. 5) Für die beiden naheverwandten Formen 7. echidnae A. W. Thompson, aus Echidna hystrix, und T. semoni aus Perameles obesula ist die neue Gattung Zinstowia aufzustellen. Sie schließt sich eng an Bertia an, weicht von derselben indessen deutlich in mancher Hinsicht ab, besonders in der Topographie der Exkretionsstämme, Längsnerven und Genitalapparate, sowie in zahlreichen Punkten der Anatomie der Geschlechtswerkzeuge. | 6) Das Genus Bertia setzt sich aus drei Untergruppen zusammen, welche von einander verschieden sind durch topographische und ana- tomische Verhältnisse, und welche gleichzeitig verschiedenen Ord- Neue Studien an Cestoden aplacentaler Säugethiere. 443 nungen von Wirthen — Affen, Nagern, Beutelthieren — angehören. Den Bertien der Beutler steht am nächsten die noch nicht in allen Punkten genügend bekannte B. plastica Sluiter aus Gualeopithecus volans. 7) Über die Stellung der anatomisch ungenügend bekannten Tänien anthropoider Affen, BD. studeri R. Bl. und B. satyri R. Bl., lässt sich endgültig nicht entscheiden. Das Genus Bertia ist einst- weilen nicht auf sie, sondern auf die gut bekannten, durch MEYxER (9), STILES (21—25) und ZSCHokkE (29, 30) aus Affen, Nagern und Beutel- thieren beschriebenen Formen zu gründen. 8) Zwischen Anoplocephalinen placentaler und aplacentaler Mam- malia existirt bis zu einem gewissen Grad eine anatomische Parallele, die sich mit Ähnlichkeit in der Lebens- und Ernährungsweise deckt. Rein herbivore, placentale und aplacentale Säuger — Wiederkäuer und Macropus — beherbergen die Gattung Moniezia. Die Beutler Phascolaretus, Phalanger, wie der placentale Galeo- pitheceus, nähren sich von Blättern, Früchten und gelegentlich auch von Insekten. In ihnen schmarotzt eine wohl umschriebene Unter- gruppe der Gattung Dertia. Die aplacentalen Insektenfresser endlich — Echidna und Pera- meles — werden von einer besonderen Gattung der Anoplocephalinen bewohnt (Zinstowia), zu der wir eine Parallele aus Placentalia einst- weilen nicht kennen. Basel, im August 1898. 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Journal Roy. Microsce. Soc. Part. 3. June 1893. ZSCHOKKE, Recherches sur la structure anatomique et histologique des Cestodes. Geneve 1889. ZSCHORKKE, Die Tänien der aplacentalen Säugethiere. Zool. Anz. 1896. ZSCHOKKE, Die Cestoden der Marsupialia und Monotremata. SEMON, Zoolog. Forschungsreisen in Australien und dem Malayischen Archipel. Jenaische Denkschriften. VIII. 1898. Neue Studien an Cestoden aplacentaler Säugethiere. 445 Erklärung der Abbildungen, In allen Zeichnungen bedeutet: V.E, ventraler Stamm des Exkretions- Va, Vagina; systems; R, Receptaculum seminis; D.E, dorsaler Stamm des Exkretions- Do, Dotterstock; Ov, Ovarium, Keimstock; systems; N, Längsstämme des Nervensystems; S, Schalendrüsen; K, Genitalkloake; Do.g, Dottergang; Ci, Cirrus; Ke.g, Keimgang; Cr.B, Cirrusbeutel; Be.g, Befruchtungsgang; V.d, Vas deferens; Ovd, Oviduct; V.e, Vasa efferentia; U, Uterus. H, Hoden; Tafel XX und XXI. Fig. 1—3. Bertia edulis Zschokke (aus Phalanger ursinus). Fig. 1. Proglottis mit entwickelten Genitalapparaten; von der Dorsal- fläche gesehen. Com, Kommissur der ventralen Gefäße. Fig. 2. Männlicher Apparat im Querschnitt durch ein reifes Segment. Fig. 3. Zusammenhang der weiblichen Drüsen. Ein Theil des Keimstockes wurde weggelassen, um die mehr dorsal liegender Organe nicht zu verdecken. Ree.2, zweites Receptaculum seminis; Do.R, Dotterreservoir. Fig. 4-8. Bertia sarasinorum Zschokke (aus Phalanger ursinus). Fig. 4 Ganzes Thier, doppelte Größe. Fig. 5. Verlauf der Exkretionsstämme im Scolex und im jüngsten Ab- schnitt der Strobila. Q, Querverbindung der beiden Ventrodorsalschlingen im Scolex; Com, Querkommissuren der ventralen Stämme in den Proglottiden. Fig. 6. Proglottis mit reifen Genitalapparaten, von der Dorsalfläche ge- sehen. Com, Kommissur der ventralen Gefäße; Ves, Vesicula seminalis; Dr, Drüsenkomplex am Vas deferens. Fig. 7. Zusammenhang der weiblichen Drüsen. Nur ein Theil des Keim- stockes wurde dargestellt, um die mehr dorsal liegenden Organe nicht zu ver- decken. Fig. 8. Reifes Ei mit seinen drei Hüllen. Die innerste Schale trägt den birnförmigen Apparat. Untersuchungen über die Organe der Lichtempfindung bei niederen Thieren. V. Die Augen der polychäten Anneliden. Von Dr. Richard Hesse, Privatdocenten der Zoologie in Tübingen. Mit Tafel XXII—XXV1. Die vorliegenden Untersuchungen sind in der Hauptsache die Frucht eines zweimonatlichen Aufenthaltes an der Zoologischen Sta- tion zu Neapel während des vorjährigen Sommers. Schon vorher hatte ich einige Untersuchungen in Rovigno gemacht, wo ich im Frühjahr vorigen Jahres an der Zoologischen Station des Berliner Aquariums arbeitete, und einige Lücken konnte ich ausfüllen, als ich in diesem Frühjahr wieder in Neapel weilte. Jener ersterwähnte Sommeraufenthalt in Neapel wurde mir ermöglicht durch die Frei- sebigkeit der königl. Akademie der Wissenschaften in Berlin, der ich dafür zu größtem Danke verpflichtet bin. — Während des Aufenthaltes am Meere habe ich die frischen Thiere untersucht und Versuche über ihre Liehtempfindlichkeit angestellt. Das Konservirte Material, das ich heimbrachte, wurde dann im zoologischen Institute zu Tübingen weiter verarbeitet. Außer dem reichen Vorrath, den ich selbst konserviren konnte, bezog ich auch Material aus Neapel, das Herr Dr. Lo Bianco mit oft gerühmter Meisterschaft konservirt hatte. Ein sehr wichtiger Beitrag waren mir einige Bruchstücke des Palolo-Wurmes, die ich der Güte des Herrn Geheimrath Mögıus zu danken habe. So lag mir eine ziemliche Menge verschiedener For- men vor. | Die Arbeit bildet ein Glied in der Reihe der Untersuchungen, die ich in den letzten Jahren über die Sehorgane der niederen Thiere Unters. über die Organe der Lichtempfindung bei nied. Thieren. V. 447 angestellt habe, und deren Ergebnisse zum Theil schon in dieser Zeitschrift veröffentlicht sind. Sie hat mich meinem Ziele, durch Vergleichung eines möglichst großen Materials zu allgemeinen Folge- rungen über die wesentlichen Bestandtheile der specifischen Seh- organe zu gelangen, wiederum ein gutes Stück näher gebracht, und ich hoffe, nach einigen weiteren Beiträgen bald in einem abschließen- den allgemeinen Kapitel diese Folgerungen ziehen zu können. Ich habe daher in diesem Aufsatze, wie in den früheren, ausgedehntere allgemeine Betrachtungen vermieden, und beschränke mich darauf, die thatsächlichen Befunde zu berichten und nur die allernächstliegen- den Folgerungen zu ziehen. Den Stoff habe ich derart angeordnet, dass ich zunächst die Raubanneliden behandle, und zwar zuerst die littoralen Formen, dann die Aleiopiden; der zweite Hauptabschnitt beschäftigt sich mit den Augen der formenreichen Sippschaft der Limivoren. 1. Die Augen der littoralen Raubanneliden. Bei den Raubanneliden kommen mit großer Regelmäßigkeit auf dem Kopfabschnitt Augen vor. Sie sind, ausgenommen die der pelagisch lebenden Aleiopiden und Tomopteriden, überall nach dem gleichen Plane gebaut, weichen aber in mannigfachen Einzelheiten von einander ab. Es sind meist dieht unter der Cuticula gelegene kugelige oder ellipsoidische Organe, deren Wandung von einer Zell- lage gebildet wird. Diese Wand ist mit Ausnahme eines kleinen, nach außen gekehrten Bezirkes, von einer Pigmentlage durchsetzt; nach innen von der Pigmentlage ragen stäbehenartige Fortsätze von Zellen ins Innere der Augenblase. Der noch übrig bleibende Hohl- raum ist von einem lichtbrechenden Körper erfüllt, der in zahlreichen Fällen mit der Cuticula des Körperepithels zusammenhängt. Von vielen Zellen der hinteren und seitlichen Augenwandung gehen Nerven- fasern ab, die den Sehnerven zusammensetzen und zum Gehirn ver- laufen. In einzelnen Fällen liegt ein Sehganglivon dem Auge dicht an, andere Male sitzen die Augen dem Gehirn unmittelbar auf. Die Augen sind bei manchen Arten zu zweien vorhanden, bei anderen in der Vierzahl, zu zwei Paaren hinter einander liegend; und zwar sind dann meist die Sehachsen der beiden vorderen Augen nach vorn und etwas seitwärts, die der hinteren nach hinten und seitwärts gerichtet, beide Male zugleich etwas nach oben. Kleine Abweichungen finden sich bei einzelnen Formen. Es sind eine ganze Anzahl Punkte im Bau dieser Augen, in 148 Richard Hesse, denen die Angaben der Untersucher aus einander gehen. Vor Allem aber gilt dies von dem feineren Bau der Zellen, die die Augenwan- dung zusammensetzen, und dann von der Herkunft des liehtbrechen- den Körpers. Über beide Fragen will ich im Folgenden eingehende Angaben machen. Ich sehe davon ab, die Entwicklung unseres Wissens vom Auge der Raub- anneliden hier bis ins Einzelne zu verfolgen; es ist in diesem Falle unfrucht- bar, frühere Irrthümer zu wiederholen. Daher beschränke ich mich auf die Nennung Derer, die unsere Kenntnisse hauptsächlich gefördert haben, und ver- folge nur diejenigen Anschauungen, die sich dauernd erhalten haben, auf ihren Ursprung zurück. JoH. MÜLLER (41), RATHKE (45) und WAGNER (50), denen die Augen von Nereiden zur Untersuchung vorlagen, deuteten diese als papillen- artige, von Pigment umgebene Anschwellungen des Sehnerven. Einen beträcht- lichen Fortschritt bedeutet die Schilderung, die EHLERS (12) in der zweiten Abtheilung seines Annelidenwerkes (p. 494 f.) von den Augen von Nereis cultri- fera giebt; seine Erkenntnis der vorliegenden Verhältnisse geht hier »viel über das hinaus, was er in der ersten Abtheilung über den Bau«< dieser Organe >im Allgemeinen gesagt hatte« (und was von GRABER [15] allein berücksichtigt wurde). Er ist der Erste, der einen Glaskörper und eine pigmentirte Retina am Anne- lidenauge unterscheidet, und auf Taf. XX, Fig. 8 giebt er ein Schema des Auges, das von genauer Beobachtung zeugt. Seine Einzelangaben über die Retina sind freilich überholt. — Die Untersuchungen GRABER’s (15) sind leider beeinflusst durch die vorgefasste Meinung des Verfassers, dass die Retina des Annelidenauges einen mehrschichtigen Bau zeigen müsse, wie er das für das Tracheatenstemma im Gegensatz zu GRENACHER nachzuweisen versucht hatte; von späteren Forschern konnte Niemand seine Angaben über diesen Punkt be- stätigen. Die guten Beobachtungen, die sich neben manchem ungenügend gesehenen und neben den Trugbildern misshandelter Präparate finden, erleiden in Folge dieser Voreingenommenheit fast stets eine falsche Deutung. — Da- gegen hat CARRIERE (8) den Bau der Augen von Nereis cultrifera treffend ge- schildert; er erkannte die zwei verschiedenen Zellarten in der Retina dieses Wurmes, wurde aber in der Deutung derselben irre geleitet durch den Ver- gleich des Annelidenauges mit dem der Gastropoden. Die Stäbehen der Retina hat CARRIERE übersehen. Sie wurden zuerst als solche erkannt durch ANDREWS (1, 3), [GRABER deutete sie bei Nephthys u. A. als »oculares Integument-Epithel (Glaskörper)<]; diesem Forscher verdanken wir auch die Beobachtung, dass die »Linse« mit der Körpercutieula (häufig) durch einen Stiel in Zusammenhang steht; stellenweise hat er auch Thatsachen beobachtet, die über die Entstehung der »Linse« Aufschluss geben, hat sie aber schließlich unberücksichtigt ge- lassen. Ich werde auf seine Angaben noch wiederholt zurückkommen. — Ganz neuerdings hat SCHREINER (44), ohne Kenntnis der AnDREWS’schen Arbeiten, die Augen der freilebenden Anneliden untersucht. Er findet selbständig Man- ches von dem, was Jener schon vor ihm veröffentlicht hatte; im Allgemeinen ist jedoch unser Wissen über die behandelten Organe durch seine Mittheilungen nicht merklich gefördert worden. Meine Untersuchungen über das Auge der Raubanneliden wurden an einer Anzahl von Arten aus verschiedenen Familien angestellt: Unters. über die Organe der Lichtempfindung bei nied. Thieren. V. 449 Eunice torquata @trf. und E. vittata Chiaje; Nereis cultrifera Gr., N. Dumerilii Aud. M. E. und N. pelagiea L., epitoke Form; Syllis aurantiaca Clap.; Hesione sicula Chiaje; Phyllodoce laminosa Sav. und Eteone siphonodonta Chiaje. Teehnisches: Die Fixirung mit Sublimat und Sublimat-Essigsäure nach LAnG, und die Färbung mit Hämalaun und nach BEexpA’s Eisen-Hämatoxylin- methode erwiesen sich auch hier als sehr günstige Behandlungsweisen. Bei der Fixirung mit Pikrinschwefelsäure hatte ich weit weniger Erfolg. In den folgenden Schilderungen will ich, um Wiederholungen zu vermeiden, nicht die Augen der verschiedenen Arten einzeln dureh- sprechen, sondern ich werde der gesammten Beschreibung die Augen von Nereis eultrifera zu Grunde legen, da sich an ihnen vielfach die vorliegenden Fragen am leichtesten entscheiden lassen, und werde dann bei jedem Abschnitt angeben, worin die anderen untersuchten Arten von dieser Nereis abweichen. Die Augen von Nereis cultrifera sind rings geschlossene Blasen mit zelliger Wandung. Aber aus der Anordnung der Zellen, die der Körpereuticula am nächsten liegen, erkennt man noch deut- lich, dass die Blase durch einen Einstülpungsvorgang von der Epider- mis aus gebildet ist (Fig. 1 *). Die Cuticula zieht zwar ununterbrochen über das Auge hin. Die darunter liegenden Zellen jedoch bilden nicht ein niedriges, kubisches Epithel, wie es bei den Schnecken- augen der Fall ist und für die Annelidenaugen zuweilen fälschlich abgebildet wird; vielmehr neigen sich sehr langgestreckte, schlanke Epidermiszellen rings um das Auge gegen einen Punkt, den Schluss- punkt der eingestülpten Blase, zusammen. Hier schließen sich dann die Zellen der Augenblase ohne Unterbrechung an sie an: es biegt sich also das äußere Epithel in die Wandung der Augenblase um. — Die das Auge umgebenden Epithelzellen sind viel länger als an an- deren Stellen der Epidermis, und daher ganz dünn ausgezogen, mit schlanken, stäbehenförmigen Kernen; man erhält durch die mikro- skopischen Bilder den Eindruck, dass sich diese Zellen von der Cutieula bis ganz an die Basalmembran der Epidermis erstrecken, wie alle anderen Epidermiszellen. Die Epidermis ist an der Stelle, wo das Auge liegt, so sehr verdickt, dass dieses in ihr, nicht unter ihr liest; das wird aufs unzweideutigste dadurch bewiesen, dass die homogene, matt blau gefärbte Basalmembran, die man in der Um- sebung des Auges überall innen von der Epidermis beobachtet, auch die proximale Seite des Auges überzieht (Fig. 1 dm). Der Punkt der Augenblase, gegen den die umgebenden Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXV. Bd. 30 450 Richard Hesse, | zellen konvergiren (Fig. 1 *), liegt bei dem hinteren Augenpaar von Nereis eultrifera im Mittelpunkt des nichtpigmentirten Theiles der Augenwand; bei den vorderen Augen dagegen liegt er ganz am Hinterrand dieses Theiles und andere Theile der Augenwand sind hier der Körperoberfläche viel näher benachbart als gerade der pig- mentfreie Theil derselben, die »innere Cornea«, wie sie heißen möge. Dasselbe Verhalten zeigen Nereis Dumerilii und die epitoke Form von N. pelagica. Die letztere Art weicht jedoch in so fern von N. cultrifera ab, als der nichtpigmentirte Bezirk von außerordent- lich geringem Durchmesser ist (Fig. 6 u. 7), ein Verhalten, das auf die Sehfähigkeit des Auges vielleicht den Einfluss hat, dass die Bilder, welche durch diese enge Blendung auf die Hinterwand des Auges fallen, viel schärfere sind als bei weiter Blende. Noch deutlicher als bei Nereis erscheint dieser Zusammenhang von Epidermis und Augenblasenwand bei anderen Gattungen, wo die Augenblasenwand außen nicht völlig geschlossen ist: es haben sich die Ränder der Augenblase so weit zusammengeneigt, dass noch ein enger Kanal übrig bleibt. Die Zellen, die diesen Kanal begren- zen, sondern eben so wie die anderen Epidermiszellen eine euticuläre Masse ab, die jenen Kanal erfüllt und somit als Zapfen von der Outicula aus nach innen vorragt, wie ein Pfropf, der die Öffnung der Augenblase schließt. Über dem Ursprung des Zapfens ist die Cuti- cula nicht selten schwach grubenförmig eingesenkt, eine Folge der Anordnung der absondernden Zellen. So fand ich es bei Eunice tor- quata (Fig. 9), Syllis (Fig. 11), Hesione (Fig. 12) und Phyllodoce (Fig. 15). Meist hängt dann der lichtbrechende Körper, der das Innere der Augenblase anfüllt, mit jenem Zapfen zusammen und ist dadurch mit der ÜOuticula verbunden, wie dies GRABER (15) zuerst gezeigt hat. ANDREWS (1, 3) hat diesen Zusammenhang von Cuticula und liehtbrechen- dem Körper bei einer großen Anzahl von Gattungen nachgewiesen und nimmt an, dass er allgemein vorkomme; ja er vermuthet ihn auch bei den Aleiopiden, wo die Verhältnisse des Corneaepithels durchaus andere sind. Bei den unter- suchten Nereis kann ich einen solchen Zusammenhang sicher ausschließen; er müsste ja, wenn er vorhanden wäre, im Konvergenzpunkte der das Auge um- sebenden Epithelzellen liegen; dort ist aber auf meinen zahlreichen Präparaten nichts davon zu finden. Wenn SCHREINER (47) die Augenblase von Nereis eultrifera weit offen zeichnet (seine Fig. 2), so kann das, die Identität der uns vorliegenden Arten vorausgesetzt, nur auf mangelhaften Präparaten beruhen. Eine falsche Deutung dürfte es sein, wenn derselbe Untersucher die faserartig langgezogenen Körper der das Auge einhüllenden Epithelzellen für eine binde- gewebige Hülle ansieht. Unters. über die Organe der Liehtempfindung bei nied. Thieren. V. 451 Die Zellen der Augenwandung sind auf einem bestimmten Be- zirke, der nach außen gerichtet ist, durchsichtig und frei von Pig- ment; derselbe wird passend als »innere Cornea« bezeichnet, während der nach außen von ihm liegende Komplex von Epidermiszellen, die ebenfalls stets pigmentfrei sind, »äußere Cornea« genannt wird. Die übrigen Theile der Augenwand sind von einer Zone körnigen Pig- ments durchzogen. So weit diese Pigmentirung sich erstreckt (Retina), sind die Zellen der Augenwandung nicht gleichartig: wir müssen viel- mehr zwei Zellarten unterscheiden, die ich von vorn herein als Sinneszellen (Sehzellen) und Sekretzellen bezeichne, Benen- nungen, deren Berechtigung ich alsbald nachweisen werde. Die unter- scheidenden Merkmale beider sind folgende: die Sekretzellen sind schlanker als die Sinneszellen, ihr Plasma färbt sich meist leichter, ihre Kerne sind schmäler und liegen weiter distal; der wesentliche Unterschied aber besteht darin, dass die Sehzellen an ihrem distalen Ende je ein stäbehenartiges Gebilde tragen, während von den Sekret- zellen ein Faden entspringt, der sich mit der Substanz des licht- breehenden Körpers vereinigt; endlich werden die Sehzellen noch dadurch gekennzeichnet, dass ihr proximales Ende zu einer Nerven- faser ausgezogen ist. Mit besonderer Deutlichkeit tritt das Vorhandensein dieser zwei Zellarten bei Nereis cultrifera hervor (Fig. 2). Dort ist nämlich die Zahl der dunkleren, schlanken Zellen mit distal gelegenen Kernen (dz%) viel geringer als die der helleren, diekeren Zellen mit proximal gelege- nen runden Kernen (s24); eben so ist die Zahl der Sekretfäden, die zum liehtbrechenden Körper gehen, viel geringer als die der »Stäbchen«, und zwar im gleichen Verhältnis wie bei den Zellarten. Man kann ferner leicht beobachten, dass da, wo ein schlanker Kern liegt, das Pigment sich bis zu diesem hin erstreckt und dadurch die Pigmentlage verdickt erscheint; an den gleichen Stellen sieht man solch einen Faden entspringen. In den Zwischenräumen zwischen diesen Pigmentanhäu- fungen jedoch ist das Pigment häufig auf schmale Strecken so dünn, dass man den Zusammenhang eines stäbchenartigen Gebildes mit einer Zelle der anderen Art deutlich verfolgen kann. Damit ist die Annahme gerechtfertigt, dass die Fäden zu den Zellen mit schlankem Kern, die stäbehenartigen Bildungen dagegen zu denen mit rundem Kern gehören, dass also jene Sekretzellen, diese aber Sinneszellen sind. Auch in anderen Fällen ist das Verhältnis in der Zahl der Fäden und Stäbchen ganz das gleiche, wie das der beiden Zellarten: in der Retina von Eunice torquata (Fig. 10) sehen wir fast zwischen je 30* 452 Richard Hesse, zwei Stäbchen einen Faden, der sich mit dem lichtbrechenden Kör- per (/k) vereinigt; dem entsprechend ist auch die Zahl der beiderlei Zellen nahezu gleich. — Bei Hesione sicula (Fig. 12) sind die Fäden nicht so zahlreich wie bei voriger, aber sie sind deutlich vorhanden; dagegen lassen sich die Sekretzellen weniger leicht unterscheiden. — Auch bei Syllis (Fig. 11) finden sich beide Arten von Zellen. — Nahezu nur aus Sinneszellen besteht die Retina von Phyllodoce (Fig. 15; vgl. unten). CARRIERE (8) hat in der Retina von Nereis cultrifera auch schon zweierlei Zellen unterschieden; aber da ihm die stäbchenartigen Anhänge und die Sekret- fäden entgangen waren, beurtheilt er die Zellen von anderen Gesichtspunkten aus: die Sekretzellen, um die sich das Pigment stärker anhäuft, hält er für Sehzellen, die Zellen mit den großen runden Kernen für Sekretzellen — wie er das auch beim Auge von Helix thut. Dass das in unserem Falle verkehrt ist, ergiebt sich aus meiner Darlegung. — Auch AnDREWS (3) hat das Vor- handensein zweier Arten von Zellen schon angedeutet; doch hält er beide, die schlanken wie die massigen Zellen, für Sinneszellen. — SCHREINER (47) erkennt in der Retina von Nereis zweierlei Zellen, die er als Pigmentzellen (mit läng- lichem Kern) und Stützzellen (mit rundem Kern) unterscheidet. Die Pigmentzellen sollen nach seiner Darstellung die Stäbchen tragen — er hätte diesen Irrthum vermeiden können, wenn er das Zahlenverhältnis zwischen den Stäbchen und den länglichen Kernen in der Retina beachtet hätte. Bei den anderen von ihm untersuchten Arten findet SCHREINER nur eine Art von Retinazellen. Die Zellen, die sich mit stäbchenartigen Bildungen in das Innere der Augenblase fortsetzen, müssen wir, nach Analogie der Verhält- nisse bei den Augen anderer Thiere, als Sinneszellen (Sehzellen) ansprechen. Es sind bei Nereis cultrifera hohe säulenförmige Zellen, die an der Stelle, wo der große, nahezu runde Kern liegt, etwas angeschwollen sind. Den Raumverhältnissen entsprechend liegen daher die Kerne nicht genau in einer Reihe, sondern die einen etwas höher, die anderen etwas tiefer (Fig. 2). Ähnlich ist es bei den meisten anderen Arten die ich untersuchte; nur bei Phyllodoce ist der ganze Zellkörper so weit, dass der Kern völlig darin Platz hat und keine Anschwellung verursacht; dort bilden denn auch die Kerne eine regelmäßige Reihe (Fig. 15). Die stäbchenartigen Bildungen, die zu diesen Zellen ge- hören, erweisen sich bei genauer Untersuchung als röhrenförmige Gebilde mit einer dichteren, dunkler färbbaren Wand; ihr Innenraum ist mit plasmatischem, heller gefärbten und schwach granulirten In- halt erfüllt. Gegen den Hohlraum der Augenblase erscheint die Röhre nicht abgeschlossen. Im plasmatischen Theil des Stäbchens verläuft ein feiner Faden, der an günstigen Hämalaunpräparaten Unters. über die Organe der Lichtempfindung bei nied. Thieren. V. 453 dunkelblau gefärbt erscheint und dann nicht bloß auf Quer- sondern auch auf Längsschnitten durch die »Stäbchen« deutlich sichtbar ist, allerdings nur bei starken Vergrößerungen (homogenen Immersionen) [vgl. Fig. 2 von Nereis cultrifera, Fig. 13 von Hesione]. Auf Quer- schnitten erscheinen die »Stäbchen« rund; die röhrenartige Außen- schicht umgiebt als breiter dunkler Kreis die hellere Innenschicht, in der man den Querschnitt des Fädchens als dunklen uk häufig erkennen kann (Fig. 13). Diese Beschreibung gilt für Nereis eultrifera, Hesione und Eunice in gleicher Weise. Diese Arten unterscheiden sich hauptsächlich dadurch, dass die durchschnittliche Länge ihrer Stäbchen verschieden ist: am geringsten ist sie bei Nereis (3,5—6,5 «), am größten bei Eunice torquata (bis 32 u). Dagegen weist Phyllodoce einige Be- sonderheiten auf. Die Wand der Stäbchen erscheint hier nämlich siebartig durchbrochen, indem hellere Punkte in dem dunkeln Unter- srund zahlreich auftreten (Fig. 16@ und 5); ob die Wandung an diesen Stellen ganz durchbrochen oder nur bedeutend verdünnt ist, konnte ich nieht entscheiden. Außerdem haben diese »Stäbchen« keinen runden, sondern einen polygonalen (drei-, vier- oder fünf- eckigen) Querschnitt, und nicht selten zeigt sich die eine Wand be- deutend verdünnt (Fig. 165). Die im Inneren der Stäbchenröhre ver- laufende Faser konnte ich auch hier sehr gut verfolgen. Die Faser, die in einer Stäbcehenröhre entlang läuft, halte ich für en Nervenfäserchen, entsprechend einer nervösen Primitiv- fibrille ApAruys (4). Eine besonders gestaltete Endigung ließ sich an ihr nicht entdecken: sie tritt weder in Beziehungen zur Röhren- wand, noch verdickt sie sich an ihrem Ende; genau mit dem Ende des Stäbehens hört auch die Nervenfibrille auf. Jenseits des Pigments in der Zelle konnte ich die Faser nicht weiter verfolgen. Die Ver- hältnisse, die ich bei den Aleiopiden gefunden habe (vgl. unten), veranlassen mich zu der Annahme, dass nicht die Stäbchenröhre, sondern die axiale Nervenfaser den eigentlich wahrnehmenden Theil der Sehzelle bildet, dass jene dagegen nur eine accessorische Bildung ist und zur Stütze der Nervenfaser dient. Die zweite Art von Zellen, die ich bei Nereis, Syllis, Eunice und Hesione gefunden habe, bezeichnete ich schon oben als Sekret- zellen. Die Fäden nämlich, die von ihnen entspringen, gehen völlig ohne scharfe Grenze in die Masse des liehtbrechenden Körpers über, der die Augenblase erfüllt, und bestehen ihrem ganzen Verhalten nach aus dem gleichen Stoff wie dieser (Fig. 1, 2, 4, 10, 12). Die 454 Richard Hesse, Annahme liegt somit auf der Hand, dass diese Fäden von den zu- gehörigen Zellen abgeschieden werden, und dass somit der licht- brechende Körper durch die Thätigkeit solcher Zellen gebildet ist. Man darf sich bei dieser Deutung nicht daran stoßen, dass die schlanke Gestalt dieser Zellen und die geringe Färbbarkeit ihres Plasmas nicht mit dem übereinstimmen, was man sonst von der Be- schaffenheit secernirender Epidermiszellen (Drüsenzellen) kennt. Die Sekretionsthätigkeit dieser Sekretzelle ist nicht viel größer, als die einer jeden Epiderniszelle, die an der Absonderung einer Cuticula betheiligt ist. Das Produkt ihrer Absonderung wird eben nicht ent- fernt, wie das bei Schleimzellen u. a. der Fall ist, sondern bleibt aufgehäuft beisammen, als lichtbreehender Körper. Das führt uns zur näheren Betrachtung des lichtbrechenden Körpers. Ich vermeide absichtlich den Ausdruck »Linse<«, der für ‚diesen Theil der Annelidenaugen meist gebraucht wird. Mit dem Begriffe »Linse« verbindet man nicht bloß bestimmte physiologische, sondern auch morphologische Vorstellungen. Wenn eine Linse die Aufgabe hat, die auf sie fallenden Lichtstrahlen derart zu brechen, dass auf dem Augenhintergrund ein Bild des Gegenstandes entsteht, von dem die Strahlen ausgehen, so muss sie dazu eine feste, regel- mäßige Gestalt haben. Eine solche aber fehlt dem fraglichen Ge- bilde in den meisten Annelidenaugen: die lichtbrechende Füllmasse fügt sich meist völlig der Form der Augenblase an; ihre Gestalt ist sehr wechselnd bei verschiedenen Arten, und in den meisten Fällen durchaus unsymmetrisch. Wir müssen daher bezweifeln, dass dieser Masse die physiologischen Eigenschaften einer Linse zukommen. Der Name »Glaskörper« würde eher am Platze sein; vielleicht ist die indifferente Bezeichnung »Füllmasse« allen anderen vorzuziehen. An den mit Sublimat fixirten Präparaten von Nereis cultrifera füllt die lichtbrechende Masse die Augenhöhle nicht völlig aus. Nur in der Gegend der Oornea liegt sie der Augenwandung dicht an; die Corneazellen sind nämlich insgesammt an ihrer Abscheidung betheiligt, wie das an dem vorderen Auge sehr deutlich zu sehen ist (Fig. 14). Von dem ganzen Umkreis der Retina ist der licht- brechende Körper durch einen Zwischenraum getrennt. Dieser Zwischenraum wird von jenen Fäden durchsetzt, die von den Sekret- zellen der Retina ausgehen, sich gegen den lichtbrechenden Körper zu etwas verdieken, und schließlich mit seiner Masse verschmelzen (Fig. 1 u. 2). Ob beim lebenden Thier der Zwischenraum in solcher Breite vorhanden ist, oder ob er durch Schrumpfung der Füllmasse Unters. über die Organe der Lichtempfindung bei nied. Thieren. V. 455 hervorgerufen wurde, kann ich nicht entscheiden. Wahrscheinlich ist mir jedoch, dass auch im Leben ein Zwischenraum vorhanden ist. Ich finde nämlich eine fein granulirte Substanz, die der Grenze der Füllmasse anliegt (Fig. 2); sie ist wahrscheinlich ein Fällungs- produkt aus einer eiweißhaltigen Flüssigkeit, die den erwähnten Spaltraum erfüllt hat. Die Füllmasse erscheint bei Nereis eultrifera nicht gleichartig, strukturlos; man sieht vielmehr, dass sie aus Faserbündeln besteht, die in verschiedener Richtung verlaufen. Die Bündel haben deutlich die gleiche oder doch nahezu gleiche Richtung wie die Sekretfäden und die Sekretzellen, als deren Abscheidungsprodukt sie anzusehen sind. Sehr deutlich tritt das hervor an der Cornea des Vorderauges von Nereis (Fig. 14). Da die Achse dieses Auges nicht senkrecht zur Cuticula steht, sondern sich nach vorn beträchtlich senkt, so sind die Zellen der Oornea nicht durch. die Enge des Raumes in ihrer Lage beeinflusst, wie beim hinteren Auge, sondern laufen einander parallel. Von ihnen geht ein breiter Strom von Sekret- fäden aus, der die Richtung der abscheidenden Zellen beibehält. — Dieses Verhalten der Faserbündel bringt es mit sich, dass sie gegen einen Punkt im Innern der Linse konvergiren. Ein günstig gerich- teter Schnitt zeigt, dass dies thatsächlich so ist: man findet da, wo die Fadenbündel strahlig zusammenlaufen, einen kleinen Hohlraum (Fig. 4); dieser liegt aber nicht im Mittelpunkte der Linse, sondern excentrisch, gegen die Cornea zu verschoben. Sehr sroß ist der Zwischenraum zwischen der Füllmasse und den Enden der »Stäbchen« bei Nereis pelagica (Fig. 6); auch hier wird er von Sekretfädchen durchsetzt, die man auch von den Zellen der Cornea ausgehen sieht (Fig. 7). Dagegen fehlt ein solcher Zwischenraum bei Eunice torquata (Fig. 10); sehr gering ist er bei Hesione (Fig. 12). Die Füllmasse von Eunice erscheint auf meinen Präparaten nahezu homogen; vielleicht ist das Sekret so weich, dass ‚seine Fäden vollkommen mit einander verschmelzen; die Füllmasse hängt mit dem oben (p. 450) geschilderten Zapfen der Cuticula zu- sammen und geht ohne scharfe Grenze in diesen über (Fig. 9). Bei Hesione laufen alle Sekretfäden gegen das Ende jenes Cuticula- zapfens zusammen (Fig. 12) und verbinden sich mit ihm; sie bestehen aber aus einem Stoffe, der sich in seinem färberischen Verhalten von der Cuticula sehr unterscheidet; während diese sich mit Häm- alaun sehr wenig färbt, nimmt die Füllmasse reichlich Farbe an. Die Anordnung der Fäden in der Füllmasse ist bei Syllis (Fig. 11) 456 Richard Hesse, eben so wie bei Hesione. Nach dem geschilderten Verhalten kann kaum ein Zweifel sein, dass die gesammte Füllmasse als Abschei- dungsprodukt der Sekretzellen der Retina und der Corneazellen zu betrachten ist. | Bemerken muss ich hier, dass ich bei Nereis cultrifera (und zwar nur bei dieser) einige Male vereinzelte Zellkerne in der Füllmasse beobachtet habe, in einem Falle drei dicht bei einander (Fig. 5). Solche Befunde jedoch sind Ausnahmen und sprechen durchaus nicht für einen zelligen Aufbau der Füllmasse gegenüber den Thatsachen, die auf die Sekretnatur derselben hinweisen. Das Vorhandensein soleher Kerne lässt sich vielleicht (?) erklären durch die Annahme, dass sie von untergegangenen Sekretzellen stammen. Die Fähigkeit ein Sekret abzuscheiden, haben die Zellen der Cornea und die Sekretzellen der Retina mit den Epidermiszellen gemein, denen sie ja homolog zu setzen sind, und ihr Sekret ist wahrscheinlich seiner Zusammen- setzung nach der Körpercuticula nahe verwandt. Der färberische Unterschied zwischen beiden im Auge bei Hesione dürfte kaum auf eine wesentliche Ver- schiedenheit deuten: ich erinnere nur daran, dass die Byssusfädchen der Mu- scheln sich kurz nach ihrer Abscheidung ebenfalls leicht färben lassen, eine Strecke weit von ihrem Ursprung jedoch keine Farbe mehr annehmen. Sicher ist, dass eine Betheiligung der Sehzellen an der Abscheidung der Füllmasse, wie ANDREWS (3) sie annimmt, keinesfalls stattfindet. Diese An- nahme ist mir um so unerklärlicher, als dieser Forscher ja selbst, vor Allem bei den Eunieiden, jene zwischen den »Stäbchen« verlaufenden Fäden gesehen hat und auch beobachtete, dass ihnen schlankere Zellen der Retina entsprächen. Seine Beobachtung, dass stäbchentragende Retinazellen mit den strahlig ange- ordneten Elementen der Füllmasse zusammenhängen, kann ich nicht bestätigen. Natürlich muss ich damit auch die von AnDREWS hierauf begründete phyle- tische Ableitung des Auges und die Vergleichung wit dem Auge der Serpu- liden ablehnen. Die Voraussetzungen stimmen nicht mit den Thatsachen; das überhebt mich der Mühe, die Folgerungen weiter zu diskutiren. — Nach SCHREI- NER (47) sollen bei Nereis, wo er zweierlei Zellen in der Retina erkannte, die Stützzellen die Absonderung des Glaskörpers besorgen; aus seiner Besprechung dieser Zellen geht das nicht hervor; ich entnehme es aus der Angabe in seiner Zusammenfassung (p. 24): »Was die Stützzellen in der Retina von Nereis be- sorgen, das besorgt bei Eunice die Cuticula.< Ich verzichte darauf die Unklar- heiten dieses Satzes näher zu kennzeichnen; es ist leicht und sicher nachweis- bar, dass bei Eunice der »Glaskörper« genau so entsteht wie bei Nereis, und der von SCHREINER angenommene Gegensatz zwischen Nereis und den anderen von ihm untersuchten Anneliden ist nicht vorhanden. Die Zusammensetzung des »Glaskörpers« aus einzelnen Fäden hat SCHREINER mehrfach (bei Nereis und Eunice) beobachtet und in seinen Fig. 2 und 6 gut dargestellt; er erklärt diese Bilder jedoch für Kunstprodukte -- in so fern mit Recht, als die Konser- virung Schrumpfungen hervorruft; diese bringen jedoch thatsächliche Verhält- nisse nur zu deutlicherem Ausdruck. — Die Angabe GrRABER’s (15), dass die Füllmasse zellig zusammengesetzt sei, gewinnt den Schein einer Stütze dadurch, Unters. über die Organe der Lichtempfindung bei nied. Thieren. V. 457 dass sich zuweilen einzelne Zellkerne darin finden; wenn ich aber GRABER’sS Abbildungen mit meinen Präparaten vergleiche, so kann ich nicht begreifen, wie jene zu Stande gekommen sind. Übrigens wird GRABER’s Ansicht auch von B. HALLER (18) getheilt. In der Retina von Phyllodoce laminosa findet man keine Sekretfäden zwischen den »Stäbchen«, auch ist keine zweite Art von Zellen neben den Sehzellen in der Augenwand vertheilt. Der liehtbrechende Körper besteht hier aus einer feinkörnigen Masse ; er hat Kugelform und zeigt eine Andeutung von koncentrischem Auf- bau darin, dass sein Inneres eine hellere Färbung hat als die äußeren Lagen (Fig. 15). Der ganze Körper ist von einem Häutehen um- seben, das sich an einzelnen Stellen in meinen Präparaten abge- hoben hat, wohl in Folge von Einschrumpfung des eingeschlossenen Körpers. Dieses Häutchen hängt außen mit dem Cuticulazapfen zu- sammen, der die Cornea durehdringt, und verlängert sich nach hinten gerade in der Augenachse zu einem dünnen hohlen Stiel; dieser tritt zwischen ein Paar »Stäbchen« hindurch, durchsetzt die Pigmentmasse, und endet an einer Zelle mit großem Kern. Diese Zelle liegt gerade an der Ansatzstelle des Sehnerven zwischen den Sehzellen der Retina, die von ihr zur Seite gedrängt werden. Offen- bar haben wir hier eine andere Bildungsweise des lichtbrechenden Körpers: er wird von einer einzigen Sekretzelle abgeschieden, nicht von vielen. Damit erklären sich seine Abweichungen von der Füllmasse bei Nereis, Hesione u. a. SCHREINER (47) hat bei Phyllodoce den Cuticulazapfen in der Cornea über- sehen und glaubt, dass die Augenblase geschlossen sei. Die Membran, die den lichtbrechenden Körper umgiebt, hat er zuerst erkannt. Eine besonders differenzirte, excentrisch im lichtbrechenden Körper gelegene Kugel, die er als Linse bezeichnet, konnte ich nicht auffinden. Hier bei Phyllodoce haben wir einen lichtbrechenden Körper, den wir entsprechend seinem regelmäßigen, symmetrischen Aufbau für eine richtige Linse halten können. Eine solche Linse erinnert an das Alciopidenauge, wenn auch dort von einer ähnlichen Ent- stehungsweise der kugligen Linse nichts bekannt ist. — Auch in einem anderen Punkte bildet das Phyllodoce-Auge einen Übergang zu dem hoch entwickelten Auge der Aleiopiden: es ist weit mehr gegen die umgebende Epidermis gesondert als bei anderen Anneliden. Die nächst benachbarten Epidermiszellen sind zwar wie bei Nereis lang ausgezogen; jedoch sehr bald erscheinen die Epidermiszellen kurz, und scharf gegen jene abgesetzt (Fig. 15). Das entspricht ganz 458 Richard Hesse, den nahen Beziehungen zwischen Phyllodoce und -den Aleiopiden, die HATSCHER (20) annimmt, wenn er beide als Unterfamilien zur gleichen Familie der Phyllodociden stellt. In den meisten Fällen tritt bei den Augen der Raub-Anneliden der Sehnerv, der sich aus den Nervenfortsätzen der einzelnen Seh- zellen zusammensetzt, direkt in das Gehirn ein. An den vorderen Augen von Nereis cultrifera finden sich jedoch, wie zuerst CARRIERE (8) hervorgehoben hat, eine ziemliche Anzahl von Ganglienzellen in nächster Umgebung der Retina (Fig. 1 A); diese werden mit Recht als Ganglion opticum bezeichnet. Es sind große unipolare Ganglienzellen mit umfangreichen runden Kernen, in deren Umgebung das Zellplasma dichter ist als in der Peripherie. Ihr Nervenfortsatz seht nach dem Gehirn; wie sie mit den Nervenfortsätzen der Seh- zellen in Beziehung stehen, habe ich nicht ermittelt. Von Interesse ist es, dass ich zu wiederholten Malen in solchen Ganglienzellen zwei Kerne fand (Fig. 3). Dass dies nicht auf Täuschung beruht, sondern beide Kerne wirklich in der gleichen Zelle liegen, ist bei der Deutlichkeit der Zellgrenzen zweifellos. Einmal fand ich sie sogar Wand an Wand neben einander liegend in der gleichen Einstellungs- ebene. Ich konnte fast in jedem der untersuchten Augen eine solche zweikernige Zelle auffinden, so dass man an eine gewisse Regelmäßig- keit des Vorkommens glauben könnte. Auch bei den Vorderaugen von Hesione sicula liegen in der Nachbarschaft der Retina eine Anzahl Ganglienzellen, die jenen von Nereis gleichen; doch fand ich hier keine zweikernigen. Von dem so gebildeten Ganglion geht aber kein strangartiger Sehnerv gegen das Gehirn ab, sondern das Ganglion selbst erstreckt sich bis in das Gehirn hinein. — Dagegen erregt hier eine andere, regelmäßig in der Nähe der Retina gelegene Zelle die Aufmerksamkeit durch ihre Größe und ihr Aussehen (Fig. 14): sie liegt nach vorn und unten von dem Vorderauge. Sie ist etwas in die Länge gezogen und be- sitzt einen ovalen Kern mit großem Kernkörperchen; die äußere Be- srenzung ist nicht scharf; das Plasma ist feinfaserig, und es finden sich in ihm auffallende, dunkel färbbare Brocken, die der Zelle ein setüpfeltes Aussehen verleihen. Sie misst der größten Länge nach 68 u, in der Breite 36 «, und die beiden Hauptdurchmesser ihres Kernes sind 19 « und 14,5 « lang; die entsprechenden Maße einer Zelle des Sehganglions sind: 26,4 u, 21 u, 9,25 u und 9,25 u. — Ich bin nicht sicher, ob wir es in dieser Zelle wirklich mit einer Ganglien- zelle zu thun haben; doch konnte ich keinen Anhalt dafür finden, Unters. über die Organe der Lichtempfindung bei nied. Thieren. V. 459 dass es eine Drüsenzelle sei, etwa wie die Glaskörperdrüse der Aleiopiden. Anhangsweise schließe ich hier die Besprechung der segmen- talen Augen des Palolo-Wurmes (Lysidice viridis Gray) an. Sie sind zwar nicht nach dem Typus der bisher geschilderten Augen gebaut; aber sie sind so eigenartig, dass sie sich auch mit keiner anderen bei den Anneliden vorkommenden Augenform direkt ver- sleichen lassen. Desshalb mögen sie da stehen, wo die Kopf-Augen dieses Wurmes aller Wahrscheinlichkeit hingehören. Bei Lysidice viridis finden sich in der ventralen Medianlinie sesmental angeordnete Pigmentflecke von ziemlichem Umfang, die schon länger bekannt sind und auch vielfach als Augen aufgefasst wurden. EHLERS (12, p. 367) ist der Erste, der eine eingehendere Beschreibung dieser Organe giebt; wie alle seine Vorgänger glaubt auch er, dass sie auf der Rückenseite des Wurmes liegen, hält sie jedoch nicht für Augen, sondern für Drüsenmündungen. SPENGEL (49) wies zuerst nach, dass diese Flecke auf der Bauchseite gelegen sind und erklärte sie für zweifellose Augen, konnte aber bei ungenügender Konservirung seines Materials über den feineren Bau keine genaueren Angaben machen. Die Stücke des Palolowurmes, die mir zur Untersuchung vorlagen, ver- danke ich der Güte des Herrn Geheimrath MoEgıus, der sie mir aus der Samm- lung des königl. Museums für Naturkunde zu Berlin überließ. Es sind Bruch- stücke von männlichen und weiblichen Thieren; sie stammen aus der Ausbeute des Herrn Dr. A. KrÄmEr, sind in Chromsäure konservirt und erwiesen sich histologisch als recht gut erhalten. Diese segmentalen Bauchaugen — ich nenne sie von vorn herein Augen, wenn ich auch diese Deutung erst am Ende des Abschnitts begründen kann — unterscheiden sich in ihrem Bau beträchtlich von den Kopfaugen der verwandten Formen (Eunice) und wahrschein- lich auch von denen des Thieres selbst. Sie bestehen aus einem eylindrischen Bündel langausgezogener Zellen von säulenförmiger Ge- stalt (Fig. 17), die sich proximad verjüngen und in eine Faser aus- ziehen. Diese Fasern kann man in die Bauchganglienkette (bstr) verfolgen: das spricht, zusammen mit ihrem ganzen Aussehen, dafür, dass es Nervenfasern sind, und die zugehörigen Zellen Sinneszellen; wir werden sie im Folgenden als solche bezeichnen. Die Zellen reichen distal bis an die Cutieula, die sich über ihrem Ende beträcht- lich verdickt. Der ganze Zelleylinder liegt in der Achse einer halb- kugeligen Pigmentmasse. | 460 Richard Hesse, Die Sinneszellen der Lysidice-Augen sind epithelial angeordnete Zellen von außerordentlicher Größe. Sie stehen dicht neben einander, ohne dass sich Zellen anderer Natur zwischen sie einschöben. Ihre Kerne sind länglich oval und liegen etwa in gleicher Höhe, an der Grenze des mittleren und distalen Drittels der Zellen. Der Durch- messer der Zellen nimmt von innen nach außen gleichmäßig langsam zu; dicht unter der Cutieula jedoch tritt eine stärkere Verbreiterung ein (Fig. 19; vgl. auch Fig. 18a u. Ö); Längs- und Querschnitte zeigen das deutlich. Das Plasma der Zellen ist homogen und färbt sich mit Hämalaun hell blau. Am distalen Theile des Zellbündels fällt auf Querschnitten in der Mitie jedes Zelldurchschnittes ein dunkel gefärbter Punkt auf von nicht unbeträchtlichem Durchmesser; er erscheint meist von einem schmalen hellen Hof umgeben (Fig. 18a u. 5). Auf Schnitten, die dieht unter der Cuticula geführt wurden, hat dieser Punkt be- deutend größeren Umfang (Fig. 18a), gegen die Gegend des Kernes hin verkleinert er sich viel langsamer. Längsschnitte durch die Zellen lassen uns erkennen, dass diese dunkeln Punkte Querschnitte einer dicken Faser sind, die das distale Ende der Zelle der Länge nach durchläuft; unter der Cutieula nimmt der Durchmesser der Faser stark zu. Ganz besonders deutlich sah ich diese Verhältnisse auf einem Längsschnitte (Fig. 19) durch die Sinneszellen eines weib- lichen Wurmes, bei einer Färbung mit Eisenhämatoxylin nach BENDA’s Methode: dort hatten sich die axialen Fasern tief blauschwarz ge- färbt, während das Zellplasma hellblau geblieben war. Eine helle Hülle um die Fasern konnte ich nicht erkennen; es hat das wohl seinen Grund darin, dass der Erhaltungszustand bei den weiblichen Exemplaren ein etwas anderer ist als bei den männlichen, vielleicht ein besserer; ich möchte daher den hellen Hof, den ich bei den männ- lichen Exemplaren auf Querschnitten die Faser umgeben sah, für ein Kunstprodukt halten. Die axiale Faser lässt sich auch proximal von den Kernen in den Zellen verfolgen, aber nur auf Querschnitten; sie ist hier so dünn, dass sie nur als feiner Punkt erscheint, zu dessen Nachweis man starke Vergrößerungen braucht (Fig. 18c). Die Faser auf Längs- schnitten in diesem Theil der Zellen aufzufinden gelang mir nicht, offenbar weil zwischen den dicht neben einander verlaufenden Linien der Zellgrenzen weitere Linien von gleicher Richtung sehr schwer zu erkennen sind. (Ähnliche Erfahrungen machte GRENACHER bei den Fasern, die die Stäbchen der Cephalopodenretina durchziehen.) Unters. über die Organe der Lichtempfindung bei nied. Thieren. V. 461 Es setzt sich also die dicke intracelluläre Faser proximal als ganz feiner Faden in den Nervenfortsatz der Sinneszelle fort. Wir greifen wohl nicht fehl, wenn wir die axiale Faser in den Sinneszellen als nervöse Primitivfibrille deuten, wie sie ArAtay (4) so vielfach in Sinnes- und Ganglienzellen nachgewiesen hat. Diese Primitivfibrille würde also im distalen Theile der Zelle ungewöhnlich anschwellen — ein Verhalten, das wir in den Sehzellen, wenn auch in geringerem Maße, öfter finden, z. B. in den Augen der Planarien, wo der »Stiftehensaum« der Sehzelle von vielen Endanschwellungen feinster Fibrillen gebildet wird. Den angeschwollenen Theil der Primitivfibrillen in den Sehzellen von Lysidice möchte ich mit einem solchen Stiftehen gleichsetzen: wenn hier nur ein solches »Stiftchen« vorhanden ist, so kann man darin eine weitere Verminderung dieser Organula erblicken, wie eine solche schon in’ den Sehzellen von Euplanaria gonocephala gegenüber denen von Planaria torva ein- getreten ist. Aus diesem Vergleiche geht hervor, dass ich die End- verdickung der nervösen Primitivfibrille in den Sinneszellen des Lysidice-Auges als den Theil der Zelle ansehe, der die Lichtwahr- nehmung vermittelt. Die Sinneszellen sind ihrer Lage nach nichts Anderes als Epi- dermiszellen, und werden nach außen von der Cuticula überzogen, die wahrscheinlich von ihnen selbst abgesondert ist. Diese Strecke der Cutieula bildet eine kreisrunde Scheibe, die durch ihre Dicke vor der übrigen Körpereutieula besonders ausgezeichnet ist (Fig. 19). An den Rändern ist sie mit einer Wölbung scharf gegen die Um- gebung abgesetzt. Diese Verdickung der Cuticula dürfte an ihren Randtheilen, wo sie gewölbt ist, nach Art einer Linse wirken und dadurch den äußeren Sehzellen Strahlen zubrechen, von denen sie sonst nicht getroffen würden. In den mittleren Theilen dagegen ist die Cutieula fast völlig planparallel, vermag also die Lichtstrahlen ‚wohl ein wenig zu verschieben, aber nicht ihre Richtung zu ver- "ändern. EHLers (12) hat die einzelnen Theile schon gesehen und getreu abgebildet (Taf. XVI, Fig. 17 u. 18). Er erkannte bei der Untersuchung von der Fläche in der Mitte der Pigmentmasse eine helle runde Scheibe, auf der sich ein Mosaik von ziemlich regelmäßig polygonalen Feldern abzeichnete, jedes in der Mitte mit einer punktförmigen kleinen Kreisfigur: es sind dies zweifellos die optischen Querschnitte unserer Sinneszellen und ihrer axialen Fasern. An Seitenansichten beschreibt er die verdickte Cuticula und darunter einige Säul- chen, die den mosaikartigen Feldern auf der Flächenansicht entsprechen: er glaubt diese Säulchen von einem feinen Kanal durchbohrt, dessen Öffnung auf 462 Richard Hesse, der Endfläche als kleine Kreisfigur erscheine; daher hält er die Gebilde für eine besondere Form von Drüsenausführungsgängen. Sie könnten als solche zu einem unter der Haut liegenden längslaufenden Streifen feinkörniger Masse gehören, die vielleicht als Drüsenmasse zu deuten sei. SPENGEL (49) hat in diesem Streifen die Bauchganglienkette erkannt. Die Sinneszellen liegen in der Achse einer dicken halbkugeligen Pigmentmasse, die aus einer großen Anzahl Pismentkörnchen besteht. Diese sind von verschiedener Größe, und in meinen Präparaten meist von brauner Farbe, doch kommen auch in geringerer Zahl dunkel- braune bis schwarze Körnchen vor. So weit sich die Pigmentmasse ausdehnt, sieht man unter der Cutieula nicht die niedrigen Epidermis- zellen, die sonst derselben anliegen. Wohl aber erkennt man inner- halb der Pigmentmasse zahlreiche, meist spindelförmige Zellkerne; sie liegen in verschiedener Entfernung von der Cuticula, haben jedoch mit ihren Längsachsen eine bestimmte Richtung, meist nahezu senk- recht oder nur wenig schräg zur Cuticula. Wo diese Kerne der Cuticula nahe liegen, kann man hier und da die zugehörigen Zell- körper als feine schmale Stränge erkennen, die sich an die Cuticula anheften (Fig. 17 bei *). Diese Zellkörper sind jedoch nicht pigmen- tirt, vielmehr liegen die Pigmentkörnchen zwischen ihnen; auch ist es unmöglich, in der Pigmentmasse etwa eine Abgrenzung be- stimmter Zellterritorien nachzuweisen. Aus dem Allen geht hervor, dass die Epidermiszellen in der Umgebung der Sinneszellen lang ausgezogen sind, so dass eine halbkugelige Verdickung der Epidermis entsteht; in den Zwischenräumen zwischen diesen schlanken Zellen liegen dann die Pigmentkörnchen. Dem entsprechend ist diese halbkugelige Epidenniesendieln innen von der Basalmembran des Körperepithels überzogen, und dieser liegt eine Schicht Muskeln (Fig. 17m) auf, die anscheinend mit der Ringmuskellage des Körpers zusammenhängen. Über die Muskelschicht zieht sich dann die dünne zellige Haut, die die Leibes- höhle auskleidet, ein »Peritoneum«. Mit ihrem Pol stößt die Halb- kugel an die Ventralseite der Bauchganglienkette; dort sind auf einer kleinen Strecke, gerade proximal_ von dem Sinneszellbündel, die eben senannten Hüllen nicht vorhanden; an den Rändern dieser Lücke seht das Peritoneum, das die Bauchganglienkette überzieht, in das Peritoneum der Pigmentmasse über. Eine kleine Masse Pisment- körnehen tritt durch diese Lücke und legt sich der Ganglienkette dicht an. Die Nervenfortsätze der Sehzelle treten hier ebenfalls in das Bauchmark ein, nachdem sie eine Pigmentschicht durchsetzt haben (Fig. 17). Unters. über die Organe der Lichtempfindung bei nied. Thieren. V. 463 An der ventralen Seite der Bauchganglienkette liegen an dieser Stelle eine Anzahl von Ganglienzellen, die sich durch ihre Lage, ihre Gestalt und ihr Verhalten gegen Farbstoffe vor den übrigen Zellen des Ganglions auszeichnen; doch sind sie in meinen Präparaten nicht so gut konservirt, dass ich sie genau schildern könnte. Sie stehen wohl zu den Sehzellen in gewisser Beziehung und bilden vielleicht eine Art Sehganglion, ein Sehcentrum. Ein Blick auf die Zusammensetzung des Organs, wie ich sie hier geschildert habe, zeigt zur Genüge, dass ich es mit Recht als ein Organ der Liehtwahrnehmung, als Auge gedeutet habe. "Die Zellen werden durch ihre Verlängerung in Fasern und die Verbindung dieser Fasern mit der Bauchganglienkette, unter Berücksichtigung ihrer peripheren Lage in der Epidermis, als Sinneszellen erwiesen. Dass sie dem Lichtsinne dienen, wird wahrscheinlich gemacht durch die Pigmentblendung, die sie von allen Seiten, ausgenommen von der distalen, umgiebt, durch die eigenthümliche Verdiekung der Cuticula, und durch den Bau der Zellen selbst, der sich nach dem Verhalten der nervösen Primitivfibrille in ihnen gut mit dem Bau anderer Seh- zellen vergleichen lässt. Dass diese Augen einer Bildwahrnehmung dienen können, er- scheint mir unwahrscheinlich; denn bei dem Mangel genügender linsenartig brechender Medien können die Strahlen, die von einem Punkte ausgehen, alle Sehzellen in nahezu gleicher Weise treffen. Es wird also ihre Leistungsfähigkeit auf die Unterscheidung ver- schiedener Lichtintensitäten, vielleicht auch von Farben und auf das Erkennen der Lichtrichtung beschränkt sein. 2. Die Augen der Alciopiden. Das Auge der Alciopiden hat durch seine Größe und die Höhe seiner Organisation von jeher das Interesse der Forscher in Anspruch genommen, und ist daher schon häufig zum Gegenstande eingehender Untersuchungen gemacht worden. Man kann den seitherigen Stand sicherer Kenntnisse über dies Organ in großen Zügen so zusammenfassen: Das Auge hat im Allgemeinen die Gestalt eines Rotationsellipsoids, das durch Rotiren um den kleineren Ellipsen- durchmesser entstanden ist; die Sehachse fällt etwa mit der Rotations- achse zusammen. Die distale Augenwand ist in ihrer Mitte nahezu halbkugelig vorgewölbt. Nach. außen ist das Auge von der Körper- haut überzogen, die sich seinen Formen ziemlich eng anschließt. Die Augenwandung wird gebildet durch eine ringsum abschließende 464 Richard Hesse, einfache Lage von Zellen. Im Augenhintergrund bilden diese Zellen die Retina: sie sind hier schlanke Sinneszellen, die an ihrem dista- len Ende ein Stäbchen tragen, proximal sich in eine Nervenfaser fortsetzen. Die Retina wird durchsetzt von einer Lage rothbrauner Pigmentkörnchen, die in den Retinazellen liegen je an der Stelle, wo die Zelle in das Stäbchen übergeht. Die Retina erstreckt sich nach vorn etwas über den Äquator des Ellipsoids hinaus; weiterhin werden die Zellen niedriger und tragen keine Stäbehen, wohl aber sind sie noch pigmentirt. Erst in der halbkugeligen Vorwölbung der Augenwand hört die Pigmentirung auf: wir haben eine »innere Cornea«. Innerhalb der Augenblase liegt die kugelige Linse in der Sehachse, und füllt den größten Theil der halbkugeligen Vorwölbung aus. Zwi- schen ihr und der Retina ist ein Glaskörper eingeschaltet, der nach neueren Untersuchungen in mehrere Schichten zerfällt und durch Drüsenthätigkeit entstanden ist. Auch am fertigen Auge ist eine sroße, in die Augenhöhle einmündende Glaskörperdrüse vorhanden, die nach unten und innen der Augenblase anliegt. Das Auge sitzt (bei vielen Arten) dem Augenganglion dicht auf, so dass ein eigent- licher Sehnerv nicht vorhanden ist. Die größten Verdienste um die Kenntnis des Aleiopiden-Auges hat GREEFF (16); bei ihm finden wir auch das besprochen, was frühere Forscher geleistet haben, vor Allem Kronn (30), dann auch LEYDIG (35), QUATREFAGES, CLAPA- REDE (10). Nach GREEFF sind durch CARRIERE (8), KLEINENBERG (26), BERA- NECK (5) und ANDREWS (3) noch einige, zum Theil wichtige Thatsachen hinzu- gefügt worden. Ich werde im Folgenden auf diese Arbeiten bei den verschie- denen Theilen meiner Abhandlung noch Bezug nehmen müssen. Doch will ich gleich hier bemerken, dass ich auf GRABER’s »Untersuchungen über die Augen der Borstenwürmer« (15) nicht eingehen werde, da ich eine Widerlegung der ‘dort angegebenen Darstellung des Alciopiden-Auges nicht für der Mühe werth erachten kann. — SCHREINER (47) hat in seiner kürzlich erschienenen Arbeit nichts Neues beigebracht. Hätte er die Arbeiten von KLEINENBERG, ÄNDREWS und BERANECK beachtet, so hätte er bemerken können, dass Andere vor ihm schon weit mehr gesehen haben. Meine eigenen Untersuchungen erstrecken sich auf mehrere Aleiopiden-Arten (Aleiopa cantrainii Clap., Asterope candida Qlap. und Vanadis formosa Olap.); sie haben mich in mehrfacher Hinsicht zu Ergebnissen geführt, die über das bisher Bekannte hinausgehen. Technisches: Das Material war meist in koncentrirter Sublimatlösung fixirt, zum Theil auch in Sublimat-Essigsäure nach Lang. Die Färbung geschah in der Mehrzahl der Fälle mit Hämalaun nach P. MAyER; zuweilen wandte ich BEnDA’s Eisenhämatoxylin-Methode an. Die Wand der Augenblase besteht aus einer Lage von Zellen Unters. über die Organe der Lichtempfindung bei nied. Thieren. V. 465 und zerfällt je nach der Beschaffenheit dieser Zellen in drei Abschnitte: so weit die Zellen Sinneszellen sind und Stäbchen tragen, bezeichne ich die Augenwand als Retina; die Retina bildet die proximale Wand des Auges und reicht distad ein wenig über den Augenäquator hin- aus. So weit die Zellen an der distalen Augenwand von Pigment frei sind, erstreckt sich die innere Cornea; sie fällt genau mit dem halbkugelig vorgewölbten Theil der Augenwandung zusammen. Den mittleren Abschnitt bildet der zwischen Retina und Cornea ein- seschobene Theil der Augenwand, dessen Zellen niedrig sind und Pigment enthalten. — Rings ist die Augenblase von einer deutlichen, mit Hämalaun tief blau färbbaren Membran umgeben, die ich als Hüllmembran bezeichnen will (Fig. 20 dm); sie ist histologisch eine Basalmembran des Epithels, nach Art einer Cuticula von den Zellen desselben abgeschieden, und sitzt in den beiden distalen Abschnitten den Zellen der Augenwand unmittelbar auf, von den Zellen der Retina ist sie durch die Lage der Nervenfasern getrennt. Sie ent- spricht wohl der Basalmembran, die das Nereis-Auge umgiebt. Die Hüllmembran setzt sich auf das Gehirn bezw. das Ganglion opticum und den Sehnerven fort, eben so wie die entsprechende Membran bei Nereis das Sehganglion überkleidet (vgl. Fig. 1). Nach GREEFF (16) ist diese den Augapfel überziehende Hüllmembran zellig und darf nicht »als dem Bulbus eigenthümlich angehörig betrachtet werden«. Es ist mir aber nirgends gelungen, an dieser Hüllmembran besondere Kerne zu finden, die auf selbständige Zellen hinwiesen. GREEFF giebt schon an, dass sich die Membran auf Gehirn und Bauchganglienkette fortsetze. Was zunächst die Retina betrifft, so finde ich, dass sie aus zwei Arten von Zellen zusammengesetzt ist; die Zellen der einen Art sind jedoch nicht so zahlreich wie die der anderen. Die häufigere Zellart ist dadurch gekennzeichnet, dass das distale Ende der Zellen ein stäbchenartiges Gebilde trägt und ihr proximales Ende sich in eine Nervenfaser verlängert: es sind die Sinneszellen oder genauer Sehzellen, die man schon lange kennt. Zwischen ihnen liegen hier und da verstreut deutlich unterschiedene Zellen, die ich auch bei BERANEcK (5) erwähnt finde; sie zeichnen sich vor jenen durch die Schmalheit und leichtere Färbbarkeit ihres Plasmakörpers aus; auch weicht Gestalt und Färbung des Kernes merklich von denen der Sehzellkerne ab (Fig. 21 dz); am leichtesten sind sie daran zu erkennen, dass ihr Kern nicht mit den Kernen der Sehzellen in einer Reihe liegt, sondern mehr gegen die Pigmentlage zu gerückt ist. In diesen Eigenschaften erinnern diese verstreuten Zellen sehr an die Zeitschrift f. wissensch, Zoologie. LXV. Bd. 31 466 Richard Hesse, Sekretzellen in der Retina der littoralen Raubanneliden, die dort an der Absonderung der Füllmasse Theil nehmen. Man geht wohl nicht fehl in der Annahme, dass auch diese Zellen der Aleiopiden-Retina Sekretzellen sind, und ich vermuthe, dass sie die Absonderung des proximalen Theiles des Glaskörpers besorgen. Die Sehzellen der Retina sind von langgezogener eylindrischer Gestalt und sind an ihrem proximalen Ende durch den großen Kern, den sie dort enthalten, etwas aufgetrieben. Daher haben diese proximalen Enden nicht neben einander in einer Reihe Platz und sind etwas gegen einander verschoben, so dass die Kerne in zwei Lagen unregelmäßig über einander liegen (Fig. 21). Die Stäbchen, die am distalen Ende der Sehzellen sitzen, sind eylindrische oder kolbige Röhren mit einer härteren Rinde und einem matt färbbaren, wohl plasmatischem Inhalt, wie sie schon GREEFF (16) richtig schildert. Derselbe Forscher giebt auch an, dass im Inneren dieser Röhre eine Faser verlaufe Ich bin in der Lage, GREEFF’s Entdeckung völlig zu bestätigen. An einer mit Hämalaun gefärbten Schnittreihe durch das Auge von Alciopa cantrainii erkenne ich in jedem Stäbchen auf das deutlichste eine Faser, die dasselbe seiner ganzen Länge nach durchzieht. Ein Irrthum ist hier voll- kommen ausgeschlossen; denn die Faser tritt nicht durch Unter- schiede in der Lichtbrechung gegen die Umgebung hervor, sondern sie ist dunkelblau gefärbt; auch verläuft sie nicht etwa gestreckt in der Achse des Stäbchens, sondern sie ist leicht von der einen zur anderen Seite geschlängelt und weist oft sehr ausgeprägte Biegungen auf, wie ich es in Fig. 21 und 22 naturgetreu dargestellt habe; sie liegt dabei vielfach der Innenseite der härteren (euticularen ?) Stäbchen- hülle an. Die Faser endet nicht am distalen Ende der Stäbchenröhre, son- dern sie tritt aus der Röhre ein wenig heraus und trägt hier ein merkwürdiges Köpfchen, das ihr aufsitzt wie ein Moosfrücht- chen seinem Stengel (Fig. 22). Die genaue Beschaffenheit dieses Köpfchens konnte ich bei der geringen Größe dieses Organs und der gleichmäßig blauen Färbung desselben nicht feststellen. Doch so viel ist sicher, dass wir es hier nicht etwa mit einer knopfartigen Verdiekung der Faser zu thun haben; sie löst sich auch nicht in dem Köpfehen auf. Man kann vielmehr ihren Verlauf in Folge ihrer dunkleren Färbung in dem Gebilde verfolgen und sieht sie häufig mit einer feinen Spitze an der anderen Seite des Köpfchens hervor- schauen und endigen. Die Köpfchen sind offenbar identisch mit dem, Unters. über die Organe der Lichtempfindung bei nied. Thieren. V. 467 was CLAPAREDE (10) als innere Epiphyse des Stäbchens bezeichnet. Sie liegen dicht neben einander und bilden bei schwacher Vergröße- rung einen dunkeln, scheinbar ununterbrochenen Streifen. Proximad erstreckt sich die feine Faser bis in die Pigmentlage der Sehzelle. In den Zellkörpern der Sehzellen jenseits von dieser Lage lässt sich die Faser viel weniger leicht erkennen; die vielen Linien, die dort als Zellgrenzen einander parallel laufen, machen das sanze Bild undeutlicher. Trotzdem konnte ich auch hier in günsti- sen Fällen solche Fasern auffinden, wie sie der Länge nach in den Zellkörpern hinziehen. In Fig. 21 habe ich eine solche in der Zelle am weitesten rechts angedeutet. Es scheint mir nicht zweifelhaft, dass dies eine direkte Fortsetzung der Stäbchenfaser ist. Ob eine solche Faser in den Nervenfaden der Sehzelle eintritt, konnte ich nicht beobachten. Es kann wohl kein Zweifel sein, dass diese feine Faser, welche Sehzelle und Stäbehen durchzieht und schließlich am Ende des letz- teren in einem Köpfchen (nicht mit einem solchen) endigt, nervöser Natur ist. Nachdem schon früher öfters derartige Fasern in Sinnes- zellen angegeben wurden, hat neuerdings ArArHy (4) ihr allgemeines Vorkommen in Zellen und Fasern des gesammten Nervensystems bei vielen Thieren nachgewiesen. ApArHy sieht in solchen Fasern die leitenden Primitivfibrillen der Nerven und Nervenzellen. Mit diesen Primitivfibrillen möchte ich auch die besprochene Faser gleichsetzen. GREEFF (16) hat die Faser nur im Stäbchen verfolgen können und erklärt sich die Verhältnisse in der Weise, dass er in der Sehzelle »gewissermaßen eine langgestreckte bipolare Ganglienzelle<« sieht, »die an dem einen Pol mit der Opticusnervenfaser beginnt und aus ihr hervorgeht und mit dem anderen an und mit dem Achsenfaden des Stäbchens endigt«. GRENACHER (17) hat bei den Cephalopoden ähnliche Fasern in den Stäbehen beobachtet und verfolgte sie auch in dem Zellkörper der Sehzellen; er nimmt an, dass sie sich in die Optieusnervenfaser fortsetzen. Dagegen giebt BERANECK (5) an, dass es ihm bei Aleiopa nicht gelungen ist, die Faser in den Stäbchen zu finden. Das- selbe giebt M. v. LEnHossEr (31) für diese Gebilde in der Cephalopodenretina an, und bezweifelt dabei zugleich aus theoretischen Gründen die Anwesenheit einer solchen axialen Nervenfaser im Aleiopidenauge. Die Hoffnung, die V. LENHOSSEK daran anknüpft, »dass in den folgenden Darstellungen diese axiale Nervenfaser nicht mehr auftauchen wird«, muss ich enttäuschen; wenn solche Thatsachen den theoretischen Anschauungen widersprechen, so hat eben die Theorie ein Loch. Im Übrigen habe ich mich an eigenen Präparaten von dem Vorhandensein einer solchen Faser auch in Stäbchen und Sehzellen der Cephalopodenretina überzeugt. Das in dem Köpfchen geborgene Ende der durch Sehzelle und Stäbehen verlaufenden Primitivfibrille möchte ich als das nervöse 31% 468 Richard Hesse, Endorgan der Zelle auffassen. Meine früheren Untersuchungen (21, II) besonders am Turbellarienauge zeigten mir, dass die Sehzellen, so weit sie in den abblendenden Pigmentbecher eingetaucht sind, auf ihrer Oberfläche einen dichten Besatz von »Stiftehen« tragen, die sich je in ein feines Fäserchen fortsetzten; diese feinen Fäserchen dürften ebenfalls nervöse Primitivfibrillen jener Sehzellen sein und mit den leitenden Fibrillen des Sehnerven in direkter Verbindung stehen. Die Stiftehen aber habe ich als Endorgane angesehen, die der Licht- wahrnehmung dienen; ihrer waren bei Planaria torva bei Weitem mehr in einer Sehzelle als bei Euplanaria gonocephala. Ich glaube nun, dass wir hier ähnliche Verhältnisse haben, nur dass die Seh- zellen des Alciopa-Auges nur eine einzige leitende Fibrille besitzen; deren Endorgan, entsprechend den Stiftehen der Planarien-Sehzellen, wäre das Ende der erwähnten axialen Primitivfibrille, das in dem »Köpfchen« geborgen ist. Die nächste Folgerung aus dieser Auffassung ist die, dass das Stäbchen hier nicht als wahrnehmender Theil der Sehzelle oder als Endorgan der in ihm verlaufenden Nervenfibrille von mir angesehen werden kann. Ich vermag in ihm nichts als ein Stützorgan für die darin verlaufende Nervenfibrille zu sehen. So hat es auch schon GREEFF gedeutet, allerdings von anderen Grundanschauungen ausgehend, als sie für mich maßgebend sind. Die herrschende Annahme, dass auch beim Aleiopiden-Auge und dem mancher ande- ren Wirbellosen das Stäbchen das Organ der specifischen Licht- wahrnehmung sei, stützt sich auf die Analogie mit den Stäbchen der Wirbelthiere und den Rhabdomen der Insekten, für die eine solche Annahme ja begründet zu sein scheint. Dort aber sind die feineren Bauverhältnisse andere; die Analogie ist also keine voll- ständige. Bei dem Cephalopodenauge ergeben sich die größten Schwierigkeiten für das Verständnis des Sehvorgangs, wenn man in den stäbchenartigen Bildungen die nervösen Endorgane der Sehzellen sehen will. Es kommt dann ein »Rhab- dom«, das aus etwa vier Einzeltheilen zusammengesetzt ist, in Verbindung mit vier Sehzellen, die aber ihrerseits jede noch mit einem weiteren Rhabdom in organischem Zusammenhang stehen. GRENACHER (17), der diese Schwierigkeiten zuerst in Erwägung zieht, prüft selbst den Ausweg, ob man den Nervenfasern die Rolle der specifischen licehtwahrnehmenden Elemente zuschreiben dürfe; er sagt, dass man zu Gunsten dieser Annahme eine Reihe von Cephalopoden an- führen könne, bei denen die distale, dem Licht zugekehrte Pigmentzone fehlt, so dass also keine rechte Isolirung der Rhabdome von einander stattfindet. Wenn er sich aber doch nicht davon befriedigt erklärt, so ist es gerade die Analogie mit den Stäbchen anderer Thierformen, die ihn beeinflusst. Ich werde Unters. über die Organe der Lichtempfindung bei nied. Thieren. V. 469 bei der Besprechung der Cephalopoden-Retina nächstens noch auf diese Fragen einzugehen haben. Die Anordnung des Pigmentes in den Augen der Aleiopiden ist derart, dass eine Isolirung der wahrnehmenden Theile gegen einander nicht stattfindet; eine solche ist auch unnöthig bei Augen, auf deren Retina durch eine Linse Bilder der umgebenden Gegen- stände geworfen werden. Vielmehr kann dem Pigment hier nur die Aufgabe zukommen, alles Licht, welches nicht von der "Seite der Cornea her das Auge trifft, von den wahrnehmenden Theilen fernzu- halten. Für unsere Vorstellung von der Stelle, wo die Perception seschieht, ist es lehrreich, dass hier die Körper der Sinneszellen sammt der in ihnen verlaufenden Primitivfibrille für »fremdes« Licht zugänglich sind. Offenbar entsteht dabei keine Lichtempfindung; denn sonst würden die Empfindungen, die in den Augen mit Hilfe der breehenden Medien zu Stande kommen, bedenklich gestört wer- den müssen. Demnach scheinen die nervösen Primitivfibrillen der Sehzellen an sich nicht die Fähigkeit der Lichtperception zu besitzen. Wenn wir nun auch die Stäbchen von der Lichtempfindung aus- schließen, weil sie mit der Primitivfibrille in keinem engeren Zu- sammenhange stehen, so bleibt uns nur noch das Endorgan der Fibrille, jenes oben geschilderte Köpfchen, als der Ort übrig, wo die Wahrnehmung des Lichtes zu Stande kommt, vielleicht auch noch der übrige Theil der Fibrille, so weit sie in dem Stäbchen verläuft. Im Anschluss an die Retina wird weiter nach vorn die Wandung der Augenblase von einer Lage niedriger, breiter Zellen gebildet, die bis an die Wölbung der Cornea heranreicht. Auf diese Zellen setzt sich die Pismentschicht der Retina in der früheren Breite fort in der Weise, dass der nach außen gelegene Theil des Zellkörpers, der den flachen Kern enthält, von Pigment frei bleibt. Innen schneidet das Pigment mit dem Zellrand ab; doch scheint dieser hier einen dichten, aber niedrigen bürstenartigen Wimperbesatz zu tragen (Fig. 23); an anderen Stellen dagegen sieht es aus, als ob eine dünne, von der Zelle abgeschiedene Sekretschicht diese auf der Innenseite überzieht. In einem nach innen und unten gelegenen Gebiete, das vom Rande der Cornea sich etwa 45 u weit bis an die vordere Grenze des Glaskörpers erstreckt und das bei Weitem nicht den ganzen Um- fang der Augenwandung einnimmt, findet man, auch außerhalb der Retina langgestreckte eylindrische Zellen mit langgestreckten Kernen 470 Richard Hesse, (Fig. 20 Gr.O u. 24). Mit ihren inneren Enden reichen diese Zellen durch die Pigmentschale hindurch in das Innere der Augenblase hinein; diese Fortsätze der Zellen erscheinen innen abgerundet, be- stehen aus einer gleichartigen Substanz und sind deutlich von einander getrennt; mit den Stäbchen der Retina haben sie keine nähere Ähnlichkeit, eher könnte man in ihnen Sekretzapfen sehen, die von den Zellen abgesondert wären. Das Pigment erscheint, so weit es diese Zellen durchsetzt, eigenthümlich angeordnet: es liegt nicht in einer ebenen Schicht, sondern in jeder einzelnen Zelle ist die Mitte der Pigmentlage nach außen zu vorgewölbt, so dass der von dem Pigment eingenommene Raum etwa Uhrglasform hat, wobei die konkave Seite des Uhrglases gegen den Glaskörper gerichtet ist. Auf Schnitten erscheint daher die sonst gerade Pigmentlinie als ein zackiges Band, das innerhalb der Zelle nach außen vorgebuchtet ist, und auf der Zellgrenze gegen innen einspringt (Fig. 24). BERANECK (5) sieht in diesem Zellkomplex wohl mit Recht das Gebilde, das GREEFF als Corpus ciliare beschreibt, und ich bin völlig mit ihm einverstanden, wenn er ihm die Funktion eines Corpus eiliare nicht zuerkennen kann: die Zellen stehen mit der Linse in gar keinem Zusammenhang; die Linse wird vielmehr durch den vorderen Theil des Glaskörpers in ihrer Lage erhalten. Wir müssen also einen anderen Namen dafür suchen, und bezeichnen es am unverfänglich- sten als GREEFF’sches Organ. Was die Verrichtung dieses Organs sein kann, vermag ich nicht zu sagen. Vielleicht liegt den Zellen die Absonderung der Flüssig- keit ob, die den Raum vor dem Glaskörper, zwischen Linse und Cornea, erfüllt. Keinesfalls möchte ich mit BERANECK überein- stimmen, der darin eine kleine accessorische Retina, also ein pereci- pirendes Nebenorgan sehen will. Der Bau der Zellen berechtigt nicht zu einer solchen Annahme. Auf der Grenzlinie, in der die Retina mit der pigmentirten dünnen vorderen Augenwandung zusammenstößt, mündet an der unteren inneren Seite eine sehr merkwürdige Drüse in die Augen- blase, die Glaskörperdrüse (Fig. 20 de). Sie wird gebildet von einer einzigen, sehr großen Zelle, von sackförmiger, nach der Mündung zu verschmälerter Gestalt. KLEINENBERG (25) war es, der diese Drüse als solehe erkannte und trefflich beschrieb; zuvor hatte GREEFF sie für das Gehörorgan des Wurmes gehalten. Der Sekretstrang, der den verschmälerten Mündungsabschnitt der Drüse ausfüllt, geht un- unterbrochen in den vorderen Glaskörper über, mit dem er auch das Unters. über die Organe der Lichtempfindung bei nied. Thieren. V. 471 gleiche färberische Verhalten theilt, so dass, wie KLEINENBERG be- tont, kein Zweifel sein kann, dass dieser von der Drüse abgeson- dert ist. | Der histologische Bau dieser Drüsenzelle ist höchst son- derbar (Fig. 25). Der große eirunde Zellkern liegt etwa in der Mitte der Drüse, mit seiner Längsachse in deren Längsrichtung; von seiner vorderen Fläche zum Ausführungsgang zieht sich ein Strang nahezu gleich bleibender Breite, der die Weite des Ausführungsganges er- füllt und in den Glaskörper des Auges ohne sichtbare Grenze über- seht: es ist die Sekretmasse der Zelle. Der ganze übrige Körper der Zelle besteht aus einer Plasmamasse, die sich mit Hämalaun ziemlich dunkel färbt; sie hebt sich dadurch deutlich gegen die Sekretmasse ab, und wo beide an einander stoßen, ist eine scharfe Grenzlinie vorhanden; ein Übergang beider Substanzen in einander ist nicht zu bemerken. Der Bau dieser Plasmamasse ist eigenartig: überall in ihr erkennt man Züge dichter, stärker färbbarer Substanz, die einander parallel laufen, sich verschlingen und sich um dunklere Knotenpunkte anordnen, wie die Masern des Holzes um einen Ast. Fig. 25 giebt ein ungefähres Bild dieses Verhaltens; nur sind die einzelnen dunkeln Linien noch dichter an einander gelegen, stellen- weise auch schwerer zu entwirren, als das hier gezeichnet ist. Die Linien sind offenbar der Ausdruck parallel verlaufender Wände ohne scharfe Grenze, die heller gefärbte Schichten zwischen sich schließen. Es ist anzunehmen, dass hier das Sekret der Zelle durch Um- wandlung von Bestandtheilen des Zellplasmas entsteht; die beiden Substanzen liegen aber ohne Übergang neben einander. Dies und vor Allem die eigenthümliche Art ihrer Vertheilung machen es höchst wahrscheinlich, dass es der Zellkern ist, der die Umwandlung des Plasmas in das Sekret bewirkt. Ähnliche Anzeichen für eine direkte Theilnahme des Kernes am Stoffwechsel in der Zelle hat KoRSCHELT (28) bei den Eizellen von Dyticus nachgewiesen: dort zieht sich von der Nährkammer gegen den Eikern durch das Zellplasma eine Körn- chenstraße: diese Nährstoffkörnchen werden offenbar vom Kern auf- genommen und in umgewandeltem Zustande an das Zellplasma ab- segeben. In unserem Falle können wir an dem Kerne ein ver- schiedenes Verhalten feststellen, je nachdem seine Oberfläche mit dem Zellplasma oder dem Sekret in Berührung steht. Wo er an das Plasma grenzt, ist sein Rand innen viel reicher mit dunklen Körnchen besetzt als an der anderen Seite; ja an seiner dem Plasma zugekehrten Schmalseite erscheint sogar seine sonst glatte Oberfläche 472 Richard Hesse, ein wenig gezackt: es ist also hier eine Oberflächenvermehrung ein- getreten. Ich glaube nach alle Dem, dass der Kern auf der einen Seite aus dem Zellplasma Stoffe aufnimmt, die er in seinem Inneren umwandelt und dann nach der anderen Seite als Sekret abgiebt. Dadurch erklärt es sich, dass der Sekretstrang gerade vom Kerne ausgeht oder, wie KLEINENBERG Sagt, dass der Kern auf jenem Strange sitzt, wie ein Ei im Eierbecher. BERANECK (5) hält es KLEINENBERG als fehlerhaft vor, dass er den Aus- führungsgang der Drüse »vom Kerne ausgehen« lasse. Doch kann ich nur KLEINENBERG’s Darstellung völlig bestätigen. Was dagegen BERANECK als kleine Kerne in der Glaskörperdrüse zeichnet, dürfte wohl nichts weiter sein, als die dunklen Knotenpunkte der »Maserung« im Zellplasma. Für eine Mehr- zelligkeit der Drüse oder das Vorhandensein zahlreicher Kerne fand ich keinen Anhaltspunkt. Das Sekret der Glaskörperdrüse füllt beim ausgewachsenen Aleiopiden-Auge nicht den ganzen hinteren Theil der Augenblase aus, wie es beim jungen Auge nach den übereinstimmenden Angaben von KLEINENBERG und BERANEcK der Fall ist, sondern es schiebt sich vielmehr als eine dicke Scheidewand quer durch die Mitte des Augeninnern, so dass es einen distalen Theil, in dem die Linse ge- legen ist, von einem proximalen, der Retina anliegenden Augentheil abtrennt. Ich bezeichne daher diese Masse als vorderen oder distalen Glaskörper. Er setzt sich an die Augenwandungen rundum distal vom Rande der Retina an, so dass die Stäbehen nicht mit ihm in Berührung kommen und seine Berührung mit der Wand reicht bis an den Rand der Cornea (Fig. 20). An den Präparaten lässt sich nirgends eine Andeutung dafür finden, dass in dieser Sekretmasse eine Schrumpfung eingetreten sei: wie sie den Ausführungsgang der Glaskörperzelle ganz ausfüllt und nirgends von ihm abgehoben er- scheint, so zeigen sich auch im Glaskörper selbst keine gezackten Ränder, keine Coagulationen, und in den verschiedenen Schnittreihen konnte ich keine Gestaltverschiedenheiten zwischen den Glaskörpern bemerken. Das Sekret scheint also ziemlich zäh zu sein. Vorn und hinten wird der distale Glaskörper durch sanft gebogene, proximad konvexe Flächen begrenzt; besondere Grenzmembranen konnte ich nicht an ihm wahrnehmen. Es will mir scheinen, dass dieser distale Glaskörper viel dazu beiträgt, die zwischen seiner äußeren Wand und der Cornea in einem engen Raume gelegenen Linse in ihrer Lage zu erhalten. — Die äußere (distale) Begrenzungslinie erscheint am kon- servirten Material stärker gebogen, als die innere (Fig. 20); wenn Unters. über die Organe der Lichtempfindung bei. nied. Thieren. V. 473 das auch im lebenden Thiere der Fall ist, so würde der distale Glas- körper wie eine konkav-konyexe Linse mit überwiegender Konkavi- tät, also zerstreuend auf die einfallenden Lichtstrahlen wirken. In dem proximalen Theile der Augenhöhle findet man bei Prä- paraten, die in Sublimat konservirt waren, nur sehr wenige feste Bestandtheile, die in Form von dunkel gefärbten Gerinnseln, als körnige Fäden und Stränge der hinteren Wand des vorderen Glas- körpers anliegen. Dagegen erscheint in Objekten, die mit Gemischen von Osmiumsäure und Kaliumbichromat fixirt wurden, dieser Raum sanz erfüllt von einem Inhalt, der sich aus einzelnen faserartigen Theilen zusammensetzt: diese liegen in der Richtung der Stäbehen und scheinen Sekretfäden zu sein, die wahrscheinlich von den oben erwähnten, zwischen den Sinneszellen gelegenen Sekretzellen ab- gesondert sind. Dieser Theil der Füllmasse wird in entsprechender Weise als proximaler oder hinterer Glaskörper zu benennen sein. In dem engen Raume, der zwischen Linse und Cornea übrig bleibt, kommen keine Gebilde vor, die eine Ausfüllungsmasse oder Fällungsprodukte aus einer Kammerflüssigkeit darstellen könnten. Man muss aber annehmen, dass auch dieser Raum beim lebenden Thiere von Flüssigkeit erfüllt ist; doch muss diese, beim Fehlen jeglicher Fällungsprodukte, wässerig und arm an festen Bestand- theilen sein. BERANECK (5) ist der Erste, der zwei Lagen des Glaskörpers unterscheidet: der eigentliche Glaskörper, das Produkt der Glaskörperdrüse, erfüllt nicht die sanze Augenhöhle, sondern ist umgeben von der »couche fibro-ponctu6e«. In seiner Fig. 11 zeichnet er diese Lage so dünn, dass er entweder ein junges Auge mit sehr wenig entwickeltem hinteren Glaskörper vor sich haben musste, oder aber die Lage der Endköpfchen für eine besondere Schicht des Glaskörpers aufgefasst hat. Der distale Theil der Augenblasenwand ist unpigmentirt und halbkugelig vorgewölbt; er bildet zusammen mit der ihm dicht an- liegenden Körperwandung die Cornea. Der Antheil, den die Körper- wandung an der Cornea nimmt, wird als äußere, der Antheil der Augenblasenwand als innere Cornea unterschieden. Die äußere Cornea besteht lediglich aus einer Lage sehr abgeflachter Epithel- zellen mit großen runden oder ovalen, flach scheibenförmigen Zell- _ kernen und der zugehörigen Cutieula. Bindegewebsfasern und Mus- keln, die GREEFF hier angiebt, konnte ich nicht entdecken. Viel- mehr folgt unmittelbar auf jene Epithelschicht die innere Cornea (Fig. 23). / | | 474 Richard Hesse, Die innere Cornea bildet die unmittelbare Fortsetzung des pig- mentirten dünnen Theiles der Augenwandung, der sich zunächst an die Retina anschließt. Dies wird besonders dadurch ganz deutlich, dass die feine Grenzmembran, von der die Augenblase außen um- schlossen wird, kontinuirlich von dem einen Theile der Augenwandung auf den anderen übergeht (Fig. 23 dm). Dies ist sehr wichtig; denn die Beschaffenheit der Zellen, die die innere Cornea zusammensetzen, weicht so sehr von derjenigen der Nachbarzellen ab, dass man ohne jenes Kennzeichen leicht versucht sein würde, sie als genetisch ver- schieden aufzufassen. Beim embryonalen Auge sind diese Zellen, nach den Angaben und Zeichnungen von KLEINENBERG und BERA- NECK, vollkommen deutliche Epithelzellen. Diesen Charakter ver- lieren sie aber bei der weiteren Entwicklung: sie verlängern sich und wandeln sich so zu spindelförmigen Fasern um, die eine zu- sammenhängende Faserhaut bilden (Fig. 23). Die Fasern laufen einander parallel, wie Flächenschnitte aufs deutlichste zeigen (Fig. 26). Bisher wurde von keinem Forscher die Zusammensetzung der inneren Cornea aus Faserzellen gesehen, wie dieser Theil der Augenwandung über- haupt nur sehr mangelhaft untersucht wurde. ÜCLAPAREDE (10) leugnet das Vorhandensein einer inneren Cornea ganz. Nach GREEFF (16) ist sie ein Ab- schnitt der Matrixlage, von der die äußere Grenzmembran des Auges gebildet wird und die mit der die Körperhöhle auskleidenden zelligen Membran in un- unterbrochenem Zusammenhange stehen soll; seine Abbildung Fig. 15 giebt die Verhältnisse ganz gut wieder und zeigt auch nichts von dem Bindegewebsnetz und der Muskelschicht, die sich angeblich zwischen innere und äußere Cornea einschieben sollen. CARRIERE (8) spricht von einer inneren Cornea mit stark abgeplatteten Zellkernen. Nach BERANECK (5) gehen bei älteren Larven die in der inneren Cornea gelegenen Kerne zu Grunde, und diese besteht bei dem erwachsenen Wurm nur aus einer dünnen, durchscheinenden, protoplasma- tischen Lage. Die Entscheidung, ob wir in diesen Faserzellen Muskelfasern oder Bindegewebsfasern zu sehen haben, wäre ja völlig bindend nur durch den physiologischen Versuch zu erbringen. Wenn ich auch ohne sol- chen annehme, dass wir es hier mit Muskelfasern zu thun haben, so sind es zwei Gründe, die mich dazu veranlassen: einmal die Regel- mäßigkeit in der Anordnung dieser Fasern, die ja vollkommen paral- lel verlaufen, und dann ihre Herkunft von ektodermalen epithelial angeordneten Zellen. Dazu stimmt es, dass sich mit Säurefuchsin und Pikrinsäure diese Lage gelb, nicht roth färbt. Die Bedeutung solcher Muskelzellen für das Sehen mit diesem Auge wäre eine sehr große. Eine Zusammenziehung dieser Muskeln muss eine Verkleinerung der gewölbten inneren Corneafläche be- Unters. über die Organe der Lichtempfindung bei .nied. Thieren. V. 475 wirken und damit eine Abflachung der inneren Cornea; hierdurch wird die Linse, die der Cornea dicht anliegt, nach innen gedrückt, also der Retina genähert. — Um die gleiche Wirkung zu erzielen, ist aber noch eine weitere Vorrichtung vorhanden: betrachtet man das Auge von Alciopa cantrainii im auffallenden Lichte unter dem Mikroskop, so sieht man über dem Theil der pigmentirten Augen- wandung, der distal vom Augenäquator liest, dicht neben einander eine Anzahl parallel verlaufender glänzender Streifen hinziehen, wie ich sie in Fig. 27 dargestellt habe. Diesen hellen Streifen entsprechen Muskelzellen, die zwischen der Augenwand und der Epidermis ge- legen sind. Ihre Zusammenziehung muss einen ähnlichen Erfolg haben, wie die der Corneamuskeln: es wird sich die Vorderwand des Auges abflachen, und damit die Cornea mitsammt der Linse noch weiter gegen die Retina ziehen. Es ist aber noch ein Umstand zu erwägen, der bei diesen Ge- staltveränderungen des Auges von Wichtigkeit ist: die Augenblase ist angefüllt mit einer Masse von wahrscheinlich gallertiger Beschaffen- heit, nämlich den beiden Glaskörpern; daher ist eine Volumver- minderung bei den geringen in Betracht kommenden Kräften aus- geschlossen: die Wände der Augenblase werden dem Drucke, der bei jener Abplattung von Cornea und Vorderwand auf den Augen- inhalt ausgeübt wird, nachgeben. Sie können das aber nicht im gleichen Maße; denn die Hinterwand des Auges liegt dem Körper des Thieres an und ist daher viel weniger beweglich als die Seiten- wände: bei diesen wird der Druck den geringsten Widerstand finden, sie werden sich seitlich vorwölben. So entsteht also durch Zusammenziehung dieses doppelten Mus- kelapparates eine Annäherung der Linse an den hinteren Theil der Retina; es werden also die Bildpunkte entfernterer Gegenstände, die vorher vor die Retina fielen, jetzt auf dieselbe fallen und dort ein deutliches Bild erzeugen. Auf diese Weise findet also eine Ein- stellung des Auges für fernere Gegenstände, eine Accommo- dation für die Ferne statt. Daraus wäre zu entnehmen, dass die Augen der Alciopiden gewöhnlich für die Nähe eingestellt wären, wie dies BEER ja auch für das Cephalopodenauge nachgewiesen hat. Außer bei den Cephalopoden ist bisher bei keinem Wirbellosen eine Accommodationsfähigkeit des Auges erkannt. Mit der hohen Aus- bildung, die das Aleiopidenauge im Übrigen zeigt, würde der Besitz einer solchen Einrichtung sehr wohl zusammen stimmen. Allerdings beruhen diese Folgerungen lediglich auf morpho- 476 Richard Hesse, logischer Betrachtung; ich weiß auch nicht, wie man bei der geringen Größe dieser Augen den physiologischen Versuch wohl einrichten könnte. Doch glaube ich, dass die Verhältnisse, vor Allem die Um- bildung der inneren Cornea, kaum eine andere Deutung zulassen. Die Nervenfasern, die die Fortsetzung der Retinazellen bilden, treten bei Aleiopa cantrainii und Asterope candida direkt in die Seitentheile des oberen Schlundganglions ein, dem die Augen un- mittelbar aufsitzen: es ist also kein eigentlicher Sehnerv vorhanden. Dagegen zeigt Vanadis formosa andere Verhältnisse. Hier schließt sich an den hinteren Theil der Retina ein wirkliches Sehganglion an, und von dort führt ein ziemlich langer Sehnerv (sxz) zu dem weiter am Vorderende des Thieres gelegenen Hirnganglion (Fig. 20). Das Sehganglion wird von der gleichen eutieulären Haut (dr) über- zogen, die ich oben als Hüllmembran der Augenblase geschildert habe, und diese erstreckt sich auch auf den Sehnerven. Die Zellen, die das Ganglion zusammensetzen, sind ziemlich groß; sie scheinen unipolar zu sein und senden ihren Fortsatz gegen die Retina. Es würde also wohl eine Kommunikation zwischen diesen Fortsätzen der Ganglienzellen einerseits und den von den Sehzellen abgehenden Nervenfasern andererseits. vorhanden sein; diese kommt wahrschein- lich in dem Faserfilz zu Stande, der zwischen den Ganglienzellen und der Retina liegt und gegen die Nervenfaserschicht der letzteren sich durch sein Aussehen deutlich abhebt. 3. Die Augen der limivoren Anneliden. Während bei den Raubanneliden alle Arten mit Augen ver- sehen sind, selbst der schmarotzende Oligognathus bonelliae Speng., giebt es unter den Limivoren eine beträchtliche Anzahl, bei denen solche Organe bisher noch nicht gefunden wurden. Unter den 106 Arten limivorer Anneliden, die Lo Bianco (36) aus dem Golfe von Neapel aufzählt, führt er bei 57 ausdrücklich an, dass sie Augen besitzen, und mit Hinzuziehung anderer Angaben und meiner eigenen Untersuchungen kann ich diese Zahl auf 64 erhöhen; es sind also bei ?/; derselben noch keine Augen nachgewiesen — und wenn auch bei gar manchen es wahrscheinlich ist, dass eingehendere Untersuchung zur Auffindung von Sehorganen führt, so wird doch immer noch ein Rest bleiben, bei denen Augen nicht vorkommen. Die folgenden Mittheilungen gründen sich auf die Untersuchung der Augen von 42 Arten; diese vertheilen sich auf alle Familien, in denen bisher Augen gefunden sind. Es ergab sich dabei, dass Unters. über die Organe der Lichtempfindung bei nied. Thieren. V. 477 die Augen der Limivoren von denen der Raubanneliden in den aller- meisten Fällen durchaus abweichend gebaut sind. Aber auch unter einander zeigen sie weit größere Verschiedenheit, als wir bei jenen finden. Diese Mannigfaltigkeit beruht nicht nur auf wechselnder Ausbildung und Stellung von Augenformen, die im Grunde einander sleich sind und sich auf denselben Typus zurückführen lassen; sondern wir können mehrere Grundformen unterscheiden, die unter einander nicht zusammenhängen, und um diese lassen sich die ein- zelnen Bildungen gruppiren. Es macht sich auch im Bau der Augen geltend, dass die Limivoren keine so einheitliche Gruppe bilden, wie die Raubanneliden und jenen nicht als gleichwerthige Unter- ordnung gegenübergestellt werden dürfen, wie es meist geschieht, dass sie vielmehr in mehrere Unterordnungen aufgelöst werden müssen, was ja HATScHER (20) unternommen hat. Es lassen sich die Augen der Limivoren in zwei große Reihen ordnen: die eine davon will ich als Becheraugen bezeichnen, die andere als epitheliale Augen. Zu den Becheraugen gehören alle die Augenformen, bei denen eine oder mehrere Sehzellen mit ihrem einen Ende in einem zelligen Pismentbecher stecken, während sie sich am anderen Ende zu einer Nervenfaser ausziehen. Es ist die gleiche Augenform, die bei den Plathelminthen allgemein verbreitet ist und als deren Typus das Auge von Planaria torva gelten mag, wie ich (21 II) es früher beschrieben habe. Die Becheraugen der Limivoren zeigen mannigfache Ver- schiedenheiten, einmal in der Größe der Sehzellen, dann aber vor Allem in der Lage: sie können innerhalb der Epidermis liegen, oder unter der Epidermis im Bindegewebe, oder im Gehirn; bald sind sie auf das Vorderende beschränkt, bald finden sie sich auch am Hinter- ende, oder sie können in segmentaler Anordnung über den ganzen Körper vertheilt sein. Die epithelialen Augen sind dadurch gekennzeichnet, dass sich die Sehzellen hier deutlich als umgewandelte Epithelzellen zu erkennen geben, die wie andere Sinneszellen, etwa wie die Zellen der »Sinnesknospen« bei Regenwürmern, in der Reihe der Epithel- zellen liegen, nach außen bis zur Oberfläche des Epithels reichen und nach innen sich in einen Nervenfaden fortsetzen. Sie sind wohl zu unterscheiden von solchen Becheraugen, die innerhalb des Epithels gelegen sind; diese stehen nicht mehr in Reih und Glied mit den Zellen des Epithels und erreichen nicht mehr die obere Epithel- grenze. Die epithelialen Augen können in einzelnen Sehzellen mit 478 Richard Hesse, einem Pigmentmantel bestehen, oder es treten eine Anzahl Sehzellen zusammen und bilden dann ein Sinnesepithel, das entweder nur aus Sinneszellen zusammengesetzt sein kann, oder wo zwischen den Sinneszellen noch Zellen von anderer Natur, wie Pigment- oder Drüsenzellen, eingeschaltet sind. Zu den epithelialen Augen wären auch diejenigen der Raubanneliden zu rechnen. Wir haben wiederum zwei Arten von epithelialen Sehzellen zu unterscheiden. Die einen stehen den Sehzellen der Becheraugen in ihrer Bildung nahe: sie besitzen, wie diese, einen besonderen lichtempfindlichen Theil, der hier aber gegen das Licht zu, also gegen die Oberfläche des Epithels zu gerichtet ist und (meist) als stäbchenartiges Gebilde vorspringt. Solche Sehzellen fand ich nie einzeln (doch ist ein solches Vorkommen derselben damit ja nicht ausgeschlossen), sondern stets in Menge bei einander, nur von wenigen oder von keinen Stützzellen getrennt: sie bilden Sehepithelien, Re- tinae, die sich stets gegen die Fläche des umliegenden Epithels mehr oder weniger tief einsenken. Das Pigment kann hier seinen Sitz in den Sehzellen selbst haben, wobei es natürlich den stäbchenartigen Theil frei lässt, oder es ist in besonderen Zellen abgelagert. Der- artig gebaute Augen der Limivoren erinnern nicht selten an die der Raubanneliden. — Die andere Art epithelialer Sehzellen zeichnet sich dadurch aus, dass sie nach außen einen linsenartigen Kör- per abscheidet, der mit der Körpereuticula mehr oder weniger eng zusammenhängt. Der wahrnehmende Theil der Zelle liegt natürlich nach innen von dieser Linsenbildung. Das Pigment umfasst solche Sehzellen in Form einer Röhre, die distal für den Eintritt der Licht- strahlen, proximal für den Durchtritt der Nervenfasern offen ist. Sie können einzeln vorkommen, oder dicht gedrängte Gruppen bilden, in denen die Zellen außer durch ihre Pigmenthüllen nur durch wenige Stützzellen von einander getrennt sind. Diese Gruppen pflegen sich halbkugelig über die benachbarte Epidermisfläche hervorzuwölben, und die Achsen der einzelnen, kegelförmig gestalteten Sehzellen kon- vergiren nach innen zu, wie bei den Einzelaugen eines Facettenauges der Arthropoden: man hat dann zusammengesetzte Augen. A. Becheraugen. Zunächst wende ich mich zur näheren Besprechung der Becher- augen. Dabei beginne ich mit den hierher gehörigen Augen der Capitelliden, und zwar desshalb, weil die Lage dieser Organe in der genannten Familie mancherlei Eigenthümliches hat. Ich unter- Unters. über die Organe der Lichtempfindung bei nied. Thieren. V. 479 suchte am eingehendsten Notomastus lineatus Clap., daneben Noto- mastus profundus Eisig, Dasybranehus cadueus Gr. und Capitella capitata Fabr. Bei der mikroskopischen Betrachtung des unverletzten Thieres erkennt man die Pigmentbecher der Augen als sichel- oder halb- scheibenförmige dunkle Flecke; sie sind hier in sehr großer Anzahl vorhanden und liegen dorsal am Kopf in zwei nach vorn konver- girenden länglichen Streifen (Fig. 29); bei Notomastus lineatus zählte ich jederseits 40, bei Dasybranchus eaducus IE über 200 solcher Pigmentflecke. Auf Schnitten erscheinen die Pigmentbecher, je nach der Rich- tung, in der sie getroffen wurden, als sichel- oder kreisförmige Pig- mentmassen, die das eine Ende einer Zelle, der Sehzelle, umgeben. Die Sehzellen scheinen bei den Capitelliden ein sehr wasserreiches, weiches Protoplasma zu besitzen; wenigstens waren sie bei Konser- virung mit Pikrinschwefelsäure stark geschrumpft; besser erhalten sie sich bei Anwendung von Sublimat. In meinen zahlreichen Prä- paraten fand ich denn auch Stellen genug, wo die Zellen wenig geschrumpft und ihr Kern und Plasmakörper deutlich zu erkennen waren. Der Kern liest außerhalb des Pigmentbechers und hat meist eine rundliche Gestalt; das Plasma erscheint faserig, und zuweilen konnte ich da, wo die Zelle an den Pigmentbecher grenzt, eine dunkler gefärbte Randzone erkennen: ob dies der Ausdruck eines Stiftehensaumes ist, wie ihn die Sehzellen bei Planaria torva zeigen, vermochte ich in diesem Falle nicht zu entscheiden. Auch bei der Verfolgung des äußeren Theiles der Sehzelle stieß ich auf Schwierig- keiten, die theils in der geringen Größe, theils in der Empfindlich- keit der Zellen gegen Konservirungsmittel ihren Grund haben. In der Annahme, dass wir es hier mit Becheraugen zu thun haben, muss ich mich daher fast ganz auf analoge Vorkommnisse stützen, wo sich durch genauere Erkenntnis der Verhältnisse eine vollkom- mene Übereinstimmung mit den Becheraugen von Planaria ergiebt. | Diese Becheraugen liegen theils in der Epidermis, theils im Ge- hirn. Bei Notomastus lineatus erkennt man schon durch die Ein- stellung des Mikroskops, dass der eine Theil der Pigmentflecke tiefer liest als der andere. Besonders auffällig aber wird dies, wenn das Thier schwache Zuckungen des Hautmuskelschlauches ausführt; es zucken dann die der Medianlinie ferner liegenden Flecke, wäh- rend die ihr näher liegenden ruhig bleiben: jene liegen in der Epi- dermis, diese im Gehirn. 480 Richard Hesse, Schnitte zeigen dann ganz zweifellos, dass die Vertheilung so ist, wie oben angegeben (Fig: 28). Das Gehirn der Capitelliden hängt in seinem vorderen Theile eine Strecke weit mit der Epidermis zu- sammen: dort liegen in dieser keine Sehzellen; sie sind aber zahl- reich in dem Gehirntheile vorhanden, der hier an die Epidermis stößt. Dagegen finden sich hinter jener Stelle, sowie seitlich von ihr, Becheraugen innerhalb der Epidermis, einige wenige auch vor der Stelle. Die Fig. 28 lässt dieses Verhalten bei Notomastus deut- lich erkennen; sie stellt einen etwas schrägen Horizontalschnitt durch den Kopf dar: auf der linken Seite ist der Zusammenhang zwischen Gehirn und Epidermis getroffen, rechts nicht; links fehlen daher an der betreffenden Stelle die Becheraugen in der Epidermis, liegen aber reichlich im Gehirn, rechts enthält die Epidermis Augen, das Gehirn jedoch nur zwei solche, ganz innen. — Es scheint also, dass die Becheraugen aus der Epidermis ausgewandert sind, wo sich ihnen ein Weg bot. Denn es ist nach den Verhältnissen wahrscheinlich, dass die Augen ursprünglich in der Epidermis lagen und erst sekundär in das Gehirn eingetreten sind; denn sonst müssten zerade dort, wo beide zusammenstoßen, nicht im Gehirn, sondern in der Epidermis Augen liegen. | In dem hinteren, zelligen Theile des Gehirns, hinter dem Ab- sange der Schlundkommissuren, finden sich ein paar dunkle, größere Flecke körnigen Pigments (Fig. 28 u. 29 p), die auch bei der Total- betrachtung auffallen. Die Untersuchung zeigt, dass es solide Pig- menthaufen sind, nicht schalenförmige Gebilde, und ich konnte nichts finden, was sich als zugehörige Sehzelle deuten ließe. Ich kann sie daher nicht für Augen halten; denn Pigment allein genügt nicht zur Bildung eines Sehorgans, eben so wenig kennen wir einen Fall, wo freie Nervenendigungen, die hier übersehen sein könnten, der Licht- wahrnehmung dienen. EısıG (13) giebt an, dass bei Notomastus die Pigmentflecken nur im Gehirn liegen, und ist durch Schnitte »auf das unzweifelhafteste überzeugt, dass nicht nur die Cutieula, sondern auch die Hypodermisschicht von dieser Pigmentirung ausgeschlossen ist«. Er zeichnet aber selbst in Fig. 11, Taf. VIII bei Noto- mastus Augen in der Hypodermis. — Die Lage solcher Pigmentflecke in der Hypodermis an Stellen, wo diese nicht in das Gehirn übergeht, macht einen solch komplieirten Zusammenhang dreier Zellen im Aufbau des Auges, wie sie EısıG annimmt und in seinem Schema darstellt, ziemlich unwahrscheinlich. — Der Ansicht dieses Forschers, dass wir es in diesen Augen mit rückgebildeten Organen zu thun haben, kann ich mich nicht anschließen; ich halte sie vielmehr für sehr ursprüngliche. — Außer EısıG’s Beschreibungen habe ich keine An- saben über den feineren Bau der Oapitelliden-Augen gefunden. Unters. über die Organe der Lichtempfindung bei nied. Thieren. V. 481 In der Familie der Terebellacea treffen wir, bei einzelnen Arten Augen, die denen der Capitelliden an Gestalt, geringer Größe und Massenhaftigkeit des Vorkommens gleichen. Ich untersuchte sie am genauesten bei Thelepus eincinnatus Fabr., außerdem bei Leprea lapidaria L., Nicolea venustula Mont. und Polymnia nebulosa Mont. Sie liegen in einem bandförmig schmalen Haufen quer über die dorsale Seite des Kopfsegmentes herüber; bei Leprea konnte ich im Ganzen etwa 100 zählen. Das Gehirn hängt hier auf seiner ganzen dorsalen Seite innig mit der Epidermis zusammen; es liegen an dieser Stelle vornehm- lich die Nervenzellen angehäuft, während der Nervenfilz nach innen liest. In den äußeren Lagen jenes zelligen Gehirntheils finden sich die Becheraugen; ihre Pigmentbecher sind zumeist nach vorn und seitlich geöffnet. Bei den Ampharetea verhält sich das Gehirn eben so zur Epi- dermis wie bei den Teerebellen. Auch hier finden sich Becheraugen im Zellentheil des Gehirns. Ich untersuchte zwei Arten, Melinna palmata Gr. und Samytha adspersa Gr. Bei beiden finden sich Becheraugen, wie die der Capitelliden, und zwar auf die seitlichen Theile des Gehirns beschränkt; bei Samytha sind sie weniger zahl- reich und etwas größer, bei Melinna reichlicher, diehtgedrängt und von geringem Umfang. Maße: Die Maße der Augen sind ziemlich wechselnd; um eine an- nähernde Vorstellung zu geben, theile ich foigende Befunde mit. Bei Noto- mastus maß ich: Weite des Pigmentbechers 6,5 «u, Tiefe 5 u, Dicke der Wan- dung 1,5 «u; bei Thelepus maßen Weite und Tiefe 9,2 bezw. 5,2 u, oder 8 bezw. 6,5 u, oder 5,2 bezw. 6,5 u; bei Samytha fand ich Weite 10,4 u, Tiefe 11 u, Dicke der Wandung 3 u. Bei vielen Serpulaceen finden sich im Gehirn oder in dessen nächster Nachbarschaft Anhäufungen von Pigmentbechern meist ge- ringen Umfangs, in deren jedem eine Zelle steckt. Ich fand solche bei Protula protula Cuv., wo zu beiden Seiten des Gehirns Anhäu- fungen kleiner Becheraugen liegen (Fig. 30 au); man erkennt mit starken Vergrößerungen die kleinen Pigmentbecher (Fig. 51) von etwa 7 u Durchmesser, an deren konvexer Seite nicht selten der zu- gehörige Kern (pA) deutlich ist; die Becher kehren ihre Mündungen nach oben und nach der Seite, und vor einem jeden sieht man eine Zelle, die sich mit einem Theil ihres, Zellkörpers in den Hohlraum des Bechers erstreckt. Bei günstigen Schnitten, die senkrecht zur Becherachse verlaufen und den Boden des Bechers abschneiden, sieht Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXV. Bd. 322 482 Richard Hesse, man den Zellkörper rings von Pigment umgeben, und erkennt, dass sein Querschnitt dunkel gesäumt erscheint: das deutet auf das Vor- handensein eines Stiftchensaumes an der Sehzelle. — Die Gruppe von Becheraugen ist so gelegen, dass sie mit ihrem einen Ende bis an den Winkel jener Epidermiseinstülpung heranreicht, die sich zwi- schen das Vorderende des Gehirns und den Schlund einschiebt (Fig. 30). Sehr ähnlich denen von Protula sind die Haufen von Becher- augen, die ich bei den von mir untersuchten drei Serpula-Arten (D- Philippi Mörch, S. aspera Phil. und S. infundibulum Chiaje) fand. Überall sind die Pigmentbecher und die zugehörigen Sehzellen sehr deutlich, zuweilen kann man die von den Sehzellen ausgehenden Nervenfasern erkennen. In den seitlichen Theilen des Gehirns liegen die Augen bei Hydroides uncinata Phil.; bei dieser Art konnte ich mehrfach an den Sehzellen einen sehr deutlichen Stiftechensaum wahrnehmen. — Ähnlich ist die Lage der Becheraugen bei Vermilia infundibu- lum. — Drei Becheraugen jederseits, die zusammenliegen und so einen »länglichen Pigmentfleck« bilden, findet man im Gehirn von Amphiglena mediterranea (Fig. 32); die im Schwanzende dieser Art gelegenen Augen zeigen den gleichen Bau wie die des Ge- hirns. — Die beiden langgestreekten Pigmentflecke im Gehirne von Salmacina incrustans bestehen ebenfalls aus einzelnen, dicht neben einander liegenden Pigmentbechern (Fig. 33). — Auch bei Lepto- chone aesthetica Clap. und Myxicola infundibulum Ren. finden sich in seitlichen Anhängen des Gehirns Ansammlungen von Becher- augen in größerer Zahl. Ähnliches scheint mir bei Potamilla Torelli Malmgr. vorzuliegen; doch sind hier meine Präparate nicht aus- reichend, dass ich mit Sicherheit das Vorhandensein von Becher- augen behaupten könnte. Augenflecke am Gehirn von Serpulaceen wurden zuerst bei den kleinen, durchsichtigen Formen wie Fabricia sabella Ehrbg. und Amphiglena mediter- ranea Leydig entdeckt. Für die letztere schildert sie LEYDIG (34) genauer als langgezogene leicht gebuchtete Flecke und erwähnt, dass sie zuweilen in zwei Theile zerfallen; das erklärt sich ja durch ihre Zusammensetzung aus mehreren Becheraugen. Lichtbrechende Körper fand er nicht. — Bei Sabella entdeckte QUATREFAGES (1850) Augenflecke im Gehirn, für Salmaeina inerustans erwähnt CLAPAREDE (10), dass auf dem ersten Segmente ein paariger Pigmentfleck sicht- bar ist. — Für die größeren Arten ist das Vorkommen von Augenflecken am Gehirn erst durch E. Meyer (40) bekannt geworden. MEYER giebt jedoch keine genauen Beschreibungen derselben, erwähnt aber, dass sie aus einzelnen Pig- menturnen bestehen, deren jede eine »Linse« enthält; er beschreibt und zeichnet sie von Eupomatus lunulifer (= Hydroides lunulifera) und Myxicola infundi- Unters. über die Organe der Lichtempfindung bei nied. Thieren. V. 483 bulum, wo sie sich in zwei Reihen am Gehirn finden, und giebt außerdem Abbildungen derselben von Psygmobranchus protensus (= Protula tubularia). Was die von MEyEr bei Spirographis Spallanzanii aufgefundenen Augen be- trifft, so werde ich weiter unten darauf zu sprechen kommen. — Rawıtz (46) fand im Centralnervensystem von Serpula contortuplicata und Protula tubularia ein »Pigmentorgan von eigenthümlichem Bau«, das vielleicht zu der Reaktion dieser Thiere auf Beschattung in Beziehung stehe; nähere Angaben macht er nicht. — NAGEL (42) betrachtet Serpula und Protula ohne Weiteres als augenlos. In den bisher behandelten Fällen war die Zahl der vorhandenen Becheraugen eine größere, oft eine sehr große, die Einzelaugen da- sesen klein. Größere Augen von gleichem Bau, aber nur in der Zahl von vier, drei oder zwei, finden wir im Gehirn bei den Spio- dea, Aricidae und Opheliacea. Ich untersuchte von diesen Fa- milien folgende Arten: Spio fuliginosus QClap., Polydora ciliata Johnst. und hoplura Clap., Nerine cirratulus Clap.; Aricia foetida Clap.; Ophelia radiata Chiaje, Armandia polyophthalma Kükth. und Polyoph- thalmus pietus Duj. Am besten der Untersuchung zugänglich sind die Augen von Spio fulisinosus, weil sie verhältnismäßig groß sind. Sie liegen im Gehirn zu vieren, in den Ecken eines Trapezes, dessen breitere Basis eaudad sieht; die zwei vorderen Augen sind nach vorn und etwas nach der Seite, die hinteren nach hinten und mehr nach der Seite serichtet. Auch an diesen Augen lassen sich zwei Theile unter- scheiden: die Sehzelle, und der Pigmentbecher, in den jene theil- weise eingesenkt ist (Fig. 34 u. 35). Die Sehzelle fand ich überall sut erhalten, mit großem ovalen Kern (5,3 x 8 u) und einem Proto- plasma von fibrillärer Zusammensetzung. An günstig verlaufenden Schnitten sah ich den im Pigmentbecher geborgenen Saum der Seh- zelle dunkel gefärbt und bei stärkerer Vergrößerung aufs deutlichste aus einzelnen palissadenartig angeordneten Stiftehen zusammengesetzt; an einem Präparate konnte man deutlich wahrnehmen, wie jedes Stiftehen gegen den Kern hin sich in ein Fäserchen des Protoplasmas fortsetzt. An einzelnen Sehnitten konnte ich auch beobachten, wie der außerhalb des Pigmentbechers gelegene Theil der Sehzelle sich zu einer Nervenfaser auszog. Der Pismentbecher besteht an den vorderen Augen aus einer Zelle (Fig. 34), an den hinteren aus zwei Zellen, die dicht an ein- ander schließen. Die Kerne dieser Zellen ragen auf der konvexen Seite des Bechers aus dem Pigment hervor (Fig. 35 pA). Der Bau dieser Becheraugen gleicht somit in den Grundzügen völlig dem der Planarienaugen. — Den Augen von Spio außerordent- 32* 484 Richard Hesse, lich ähnlich sind diejenigen von Polydora; die von Ophelia und Nerine sind kleiner; noch kleiner sind sie bei Aricia, wo sie kaum diejenigen der Terebelliden an Größe übertreffen. Günstig für die Untersuchung der Hirnaugen erwies sich auch Polyophthalmus pietus. Hier finden sich drei Augen im Gehirn, deren Lage von Meyer (39) beschrieben und abgebildet ist. Bei der Beobachtung am lebenden Thiere sieht man, dass vor der Öffnung des Pigmentbechers mehrere rundlich-kugelige, hell lichtbrechende Gebilde liegen (»Linsen« der früheren Untersucher). Trotzdem ent- hält das Auge nur eine Sehzelle (Fig. 36), die in dem Pigmentbecher steckt und dort, wie bei Spio, mit einem sehr deutlichen, dunkel gefärbten Stiftchensaum ausgestattet ist; sie ragt mit dem anderen Ende weit aus dem Becher heraus, enthält den großen, runden Kern, und biegt ziemlich scharf in den Nervenfortsatz um, der sich eine Strecke weit verfolgen lässt. Da aber, wo diese Sehzelle aus dem Becher heraustritt, liegen ihr zu Seiten ein paar auf dem Schnitt nahezu runde Gebilde, die sich mit Hämalaun sehr dunkel färben (sbl); wir werden ähnliche bei den Seitenaugen von Polyophthalmus kennen lernen. Diese sind es offenbar, welche am lebenden Thier so hell glänzen. Ob sie ichtbrechende Hilfsapparate des Auges sind, will ich weder behaupten noch bestreiten; die Regelmäßigkeit ihres Vorkommens macht eine bestimmte Funktion wahrscheinlich. Zu den Becheraugen gehören auch die sog. Seitenaugen, die bei Polyophthalmus pietus und Armandia polyophthalma zu je einem Paar auf einer großen Zahl von Segmenten vorkommen. Bei Polyoph- thalmus beginnen sie am 8., bisweilen schon am 7. Segmente und erstrecken sich bis zum 21., also über 14 bis 15 Segmente. »ie liegen in den Seitenlinien »unter den schräg-transversalen Muskel- bändern«, dicht unter der Epidermis. Das vorderste und die fünf bis sechs hinteren sind kleiner; bisweilen kann an dem Ende der Augenreihe einmal ein Segment übersprungen werden und auf einer oder auf beiden Seiten kein Auge aufweisen. Die genauere Untersuchung der Seitenaugen zeigt, dass wir es hier mit Becheraugen von sehr interessantem Bau zu thun haben. Wir finden an ihnen die typischen Bestandtheile: die Sehzelle und den Pigmentbecher (Fig. 37—39). Die Sehzelle steckt mit dem größten Theile ihres Zellkörpers in dem halbkugeligen Becher. Sie hat einen großen kugeligen, zuweilen länglichen Kern mit deutlichem Kernkörperchen. Die Seite der Zelle, die dem Pigmentbecher zuge- kehrt ist, zeigt auf Schnitten eine höchst merkwürdige Auszackung: Unters. über die Organe der Lichtempfindung bei nied. Thieren. V. 485 der Zellkörper erscheint in eine Anzahl Fortsätze zerschlissen; zu- weilen trennt der Schnitt einen solchen Fortsatz vom Zellkörper ab (Fig. 39 bei *), ein Beweis, dass wir es hier nicht mit quergeschnit- tenen breiten Falten, sondern mit fingerförmigen Zapfen zu thun haben. An den kleineren Augen {Fig. 37) sind die Ausbuchtungen weit weniger tief; sie nähern sich damit den Hirnaugen, bei denen solche völlig fehlen. Überall, so weit die Sehzelle im Pigmentbecher steckt, ist ihre Oberfläche mit feinen Stiftehen besetzt, die sich auf Schnitten bei schwacher Vergrößerung als dunkler Saum zeigen; mit starken Vergrößerungen kann man die einzelnen Stiftchen gut unter- scheiden. Ich habe schon früher (21, II) die Stiftehen als die wahr- nehmenden Elemente in den Becheraugen angesprochen. Wenn sie das sind, so wird uns die seltsame Auszackung der Zelle begreiflich: sie ist nichts Anderes, als ein Mittel zur Oberflächenvergrößerung, oder mit anderen Worten zur Vermehrung der oberflächlich stehen- den Stiftehen. Im gleichen Maße wie diese, die Sehelemente, ver- mehrt werden, muss sich die Empfindlichkeit des Auges steigern. Ein ähnliches Verhalten habe ich (21, II) bei den Becheraugen von Tristomum papillosum beschrieben. — Das distale Ende der Sehzelle zieht sich in einen Nervenfortsatz aus, der ventrad, gegen das Bauch- mark zu verläuft. Der Anfang dieses Nerven ist auf Querschnitten sichtbar; seinen Eintritt in das Bauchmark hat MEyvER (39) nach- gewiesen. Der Pigmentbecher setzt sich bei den Seitenaugen von Poly- ophthalmus aus zahlreichen Zellen zusammen, deren Kerne (p%), wie auch sonst, auf der konvexen Seite des Bechers liegen. Man kann bei der Betrachtung ganzer Thiere im frischen Zustand diese Kerne als hell lichtbrechende Körperchen dem Pigsmentbecher außen auf- sitzen sehen; sie bewirken da, wo sie liegen, stets eine kleine Ein- buchtung des Pigments, da sie selbst unpigmentirt bleiben. — Bis- weilen sieht man auch innerhalb des Pigmentbechers, zwischen diesem und dem Rande der Sehzelle, vereinzelte Kerne (Fig. 37 dg%); sie gehören wohl zu Bindegewebszellen, die sich dort eingedrängt haben. Am Rande des Pigmentbechers liegen, wie bei den Gehirnaugen von Polyophthalmus, seltsame kugelähnliche stark lichtbrechende Körper (s5/), die sich mit Hämalaun dunkel färben. Sie scheinen vacuolenartige, mit einem Sekret gefüllte Bläschen in Zellen zu sein; der Kern der Zelle liegt dem Bläschen oft dicht an (Fig. 37 u. 38). Ein Schnitt, der senkrecht zur Augenachse geführt ist, zeigt, dass eine ganze Anzahl (5 oder 6) solcher heller Kugeln um den Rand 486 Richard Hesse, des Pigmentbechers herum liegen kann (Fig. 40). Ob sie die Funktion von Linsen haben, kann ich nicht entscheiden. | Die Seitenaugen sind also ganz nach dem Typus der Hirnaugen gebaut und nur durch die Auszackung der Sehzelle von ihnen ver- schieden. Ganz ähnlich wie die Seitenaugen von Polyophthalmus sind die- jenigen von Armandia polyophthalma beschaffen (Fig. 41). Sie unterscheiden sich nur in wenigen Punkten von jenen: einmal ist die Zahl der fingerartigen Fortsätze eine viel geringere, und dann zeigt sich nach außen von dem dunkel gefärbten Stiftehensaum noch eine hellere Lage; sie erscheint aus feinen Fäserchen zusammengesetzt, die vielleicht eine Verlängerung der Stiftchen bilden. Möglicher- weise haben wir hier ein Kunstprodukt vor uns. Doch erinnere ich daran, dass ich (21, IV) auch bei Amphioxus in den Becheraugen des Rückenmarks ähnliche Gebilde wie diese »äußeren Stiftchen« sefunden habe, und dass zweifellos in dem Auge von Drepanophorus spectabilis, einer Nemertine, solche Fortsetzungen der »inneren Stift- chen« vorhanden sind. Maße. Bei Spio misst die Weite des Pigmentbechers etwa 16 «, die Tiefe etwa 9, die Dicke der Pigmentwandung 4 u; die Höhe des Stiftchen- saumes beträgt wenig über 1,5 «u. Bei Aricia ist die Weite des Bechers 8 u, die Tiefe 4,5 u. Bei den Hirnaugen von Polyophthalmus sind die entsprechenden Maße 16 bezw. 5,3 «u. Doch sind das nur einzelne Beispiele; im Allgemeinen wechselt die Größe der Pigmentbecher innerhalb eines gewissen Spielraumes. — Bei den Seitenaugen eines Polyophthalmus zeigten die Pigmentbecher von vorn nach hinten der Reihe nach folgende Weite (an der Becheröffnung im Lichten gemessen): 45,5, 63, 73, 63,.68,5, 63, 57, 63, 51,5, 40, 46, 40, 20, 40 u. Über die Augen von Polyophthalmus, speciell über die Seitenaugen, ist eine reiche Litteratur vorhanden. Doch hat keiner der bisherigen Untersucher die Natur der einzelnen Theile richtig erkannt. Schon DUJARDIN sah die Pigment- flecke und sprach sie für Augen an. QUATREFAGES (43) unterscheidet daran einen Glaskörper, eine Linse, und meint, dass der zutretende Nerv sich wahr- scheinlich innerhalb des Pigmentes zur Retina ausbreite; das Ganze soll von einer Faserhaut umgeben sein. — ÜCLAPAREDE (11) vermag die Organe nicht für Augen zu halten, da er keine Linse an ihnen entdecken kann. — MEYER (39) beschreibt die Epidermis als Cornea, darunter eine homogene, vielleicht gela- tinöse Linse, die sich mit Hämatoxylin stark färbt (wohl die oben beschrie- benen lichtbrechenden Kugeln); die Pigmentkapsel ist erfüllt von einem zel- ligen Glaskörper, dessen radiär angeordnete Zellen (wohl die fingerförmigen Zapfen der Sehzelle) »wie es scheint« mit einem Kern versehen sind; ein Nerv tritt an die untere Seite des Auges heran und verbindet sich mit der Pigment- kapsel, eine periphere Opticusausbreitung bildend. So suchte MEYER hier den Typus der Augen von Raubanneliden wiederzufinden und wurde dadurch irre geleitet. — Auch LessonA (32) sah eine stark lichtbrechende Lage über der Öffnung der Pigmentbecher, und sieht auf Schnitten den Becherinhalt eben- Unters. über die Organe der Liehtempfindung bei nied. Thieren. V. 487 falls von durchsichtigen Zellen mit fast linearem Kern erfüllt. Da er weder Linse noch Augennerv findet, glaubt er nicht, dass die Organe Augen sind. — Für die Augen von Spio, Polydora, Aricia u. s. f. habe ich keine eingehenderen Beschreibungen des Baues gefunden. Durchweg wird die Sehzelle als Linse angesehen; im Übrigen begnügt man sich mit der Beschreibung der Lage. Wie oben erwähnt, fand ich bei Leptochone aesthetica u. a. jederseits in einem breiten Ausläufer des Gehirns, der sich der Epi- dermis nähert, eine Gruppe von Becheraugen, die in ziemlicher An- zahl vorhanden sind; sie sind denen von Aricia an geringem Umfang etwa gleich und desshalb der genauen Untersuchung schwer zugäng- lieh. Dagegen war ich nicht wenig überrascht, bei Dialychone acustica an genau der gleichen Stelle, wo dort die Becheraugen liegen, Gebilde zu finden, die den Sehzellen von Becheraugen im Aussehen völlig gleichen, denen aber der umgebende Pigmentbecher fehlt (Fig. 42 s2). Bei Lo Bıanco (36) finde ich die Angabe, dass bei Dialychone das Halsband auf der Rückenseite zwei Augenflecke trägt; bei frischer Untersuchung hatte ich diese nicht finden können, und bei den Präparaten, die ich von 4 Exemplaren dieser Art ge- fertigt habe, treffe ich in der Umgebung jener Zellen nur einige wenige Pigmentkörnchen an — was immerhin zeigt, dass die Kon- servirung ein Verschwinden des Farbstoffes nicht bewirkt hat. Jene Zellen (Fig. 43) sind beträchtlich größer als die Sehzellen der Leptochone-Augen, es sind jederseits etwa 8—10 vorhanden. Sie haben einen großen, chromatinreichen Kern und tragen einen Stiftehensaum (st), der auf Schnitten etwa ein Viertel bis ein Drittel eines entsprechenden Kreisbogens beträgt. Die Stiftchen sind bei stärkerer Vergrößerung außerordentlich deutlich; sie setzen sich gegen den Kern zu jedes in ein feines Fäserchen fort, und diese gehen in die Fasermasse des Zellprotoplasmas ein. Den Nervenfortsatz der Zellen habe ich nicht gesehen; doch bin ich überzeugt, dass bei Untersuchung einer größeren Anzahl auch dieser auf einem günstigen Sehnitte zu finden ist. Im Übrigen stimmen diese Zellen im Bau völlig überein mit den Sehzellen, wie man sie bei Planarien, Spio, Polyophthalmus findet. Ich trage daher kein Bedenken, desshalb und wegen der Ähnlichkeit in der Lagerung mit den Becheraugen von Leptochone, diese Zellgruppen für Organe der Lichtwahrnehmung zu erklären. — Es ist übrigens sehr wohl möglich, dass bei manchen Exemplaren Pigment in der Umgebung dieser Zellen vorkommt. Bei Polydora-Arten ist ein solch unregelmäßiges Vorkommen des Pig- mentes nicht selten und wurde vor Allem bei P. ciliata beobachtet 488 Richard Hesse, — ich selbst fand keine Exemplare, denen die Pigmentbecher fehlten und an denen ich hätte untersuchen können, ob trotzdem die Seh- zellen vorhanden seien; doch ist mir dies sehr wahrscheinlich. Einen willkommenen Beitrag zur Erledigung dieser Fragen bot mir die Untersuchung einer Art, die ich leider nicht genau bestimmen konnte: sie gehört zur Gattung Chone oder mindestens in ihre Nähe. Hier fand ich am Gehirn an den entsprechenden Stellen eine An- häufung ganz eben solcher Zellen wie bei Dialychone; auch hier fehlte den einzelnen Zellen der Pigmentbecher; aber die ganze Gruppe war von einem großen Pigmentbecher umfasst, wie etwa die Seh- zellen eines Nephelis-Auges (Fig. 44). Hier ist also auch das Pig- ment vorhanden, das in so vielen Fällen als Hilfsapparat bei den Sehorganen auftritt, und dadurch wird die Wahrscheinlichkeit, dass wir es auch hier mit Organen der Liehtempfindung zu thun haben, bedeutend erhöht. Zu den Becheraugen sind wohl auch die Augen der Anneliden- larven zu stellen. Ich konnte bei verschiedenen Trochophoralarven, vor Allem bei der von Polygordius, ferner bei den Larven von Spirorbis Pagenstecheri, bei jungen Entwicklungsstufen einer Polydora (von 17 Segmenten) und endlich bei einer Chaetopte- rus-Larve die Augen in frischem Zustande untersuchen. Es zeigte sich stets, dass das Pigment in Form von Bechern angeordnet war, und häufig ließ sich in dem Becher eine Zelle erkennen; bei den Polydora-Larven konnte ich nach Zusatz von Essigsäure in diesen Zellen auch die Kerne erkennen (Fig. 45). Dagegen vermochte ich Nervenfortsätze nicht nachzuweisen. Auch gelang es mir nicht, auf Schnitten durch die Polydora-Larven etwas aufzufinden, was als Stift- chensaum hätte gedeutet werden können. Die Kleinheit der Objekte bereitet der Untersuchung viele Schwierigkeiten. Bei den Polydora- Larven konnte ich auf Schnittpräparaten erkennen, dass die Augen innerhalb der Epidermis des Kopfsegmentes liegen. Die Beobachtung vieler Forscher, ich nenne nur HATSCHER (19) und FrAIPonTt (14), haben zu ähnlichen Ergebnissen geführt; nur wurde nach der damals verbreiteten Auffassung die Zelle im Pig- mentbecher meist als Glaskörper bezeichnet. Jedenfalls ist die An- ordnung der Elemente hier die gleiche wie in den Becheraugen, und wenn man schon daran festhält, diese Bildungen bei den Larven als Augen zu deuten, so wird man jene Zellen nach unseren jetzigen Kenntnissen von den Becheraugen als Sehzellen zu bezeichnen haben. Das Vorkommen von Becheraugen bei- den Annelidenlarven würde Unters. über die Organe der Liehtempfindung bei nied. Thieren. V. 489 dann eben so wie deren Verbreitung bei den Plathelminthen dafür sprechen, dass wir es in ihnen mit einer sehr ursprünglichen Augen- form zu thun haben. Jedenfalls sprechen alle Beobachtungen gegen die Angaben von ANDREWS (3), dass die Augen der jungen Larven schon in den Grundzügen denen der fertigen Thiere gleichen. Ich habe keine Anhaltspunkte gefunden, auf Grund deren man Sehzellen vermuthen könnte mit Kernen auf der konvexen Seite des Pigmentbechers; vor Allem aber habe ich in der kugeligen »Linse«, die im Pigmentbecher steckt, den Kern mit aller Deutlichkeit wahrgenommen, so dass wir hier eine einzelne Zelle, nicht aber eine Sekretlinse vor uns haben. — Wie freilich die bleibenden Augen der Raubanneliden entstehen, darüber vermag ich keine Angaben zu machen. Hier will ich anhangsweise die Augen von Ophryotrocha puerilis Clap.-Metschn. beschreiben, obschon dieser Wurm nicht zu den Limivoren gehört, sondern zu den Euniciden zu stellen ist. Zu den zahlreichen primären, oder, wie KorscHELT (29) will, larvalen Eigenschaften dieses Thieres gehört auch der Besitz von Becheraugen. Die Augen erscheinen am lebenden Thier als zwei nach vorn seöffnete Pismentbecher, die eine große runde Zelle umfassen. Die - Zelle und ihr Kern mit seinem großen Kernkörperchen werden durch selinden Druck und Zusatz von etwas Essigsäure deutlicher. Man erkennt dann auch, dass von der Zelle aus ein faserartiger Fortsatz sesen das Gehirn zu läuft (Fig. 46). Bei der Konservirung der 'Thiere geht der Farbstoff des Pigmentbechers verloren, auch wenn die Anwendung von Säuren vermieden wird. Aber durch die Lage hinter dem zweiten Wimperring und durch ihre Gestalt — es giebt sonst keine Zellen von gleicher Größe in dieser Gegend — lassen sich auf Schnitten bestimmte große Zellen als diejenigen nachweisen, die beim lebenden Thiere im Pigmentbecher staken. Bei einem Ver- gleiche der Fig. 46 und 47, deren erste nach einem frischen Präparate, deren letztere nach einem gefärbten Schnitt gezeichnet wurde, wird man die Identität der beiden Zellen annehmbar finden. Die große Zelle im Pigmentbecher halte ich für eine Sehzelle. Denn einmal zieht sich der Theil derselben, der aus dem Becher herausragt, zu einer Nervenfaser aus; dann aber begegnen wir bei ihr jener Eigenthümlichkeit, die wir schon vielfach bei den Sehzellen der Becheraugen gefunden haben: einem Stiftchenbesatz. Im Grunde des Pigmentbechers nämlich schließt sich die Sehzelle nicht dieht an die Becherwandung an, sondern sie ist ausgebuchtet, so dass ein freier Raum zwischen ihr und der Pigmentwand entsteht (Fig. 48). In diesen Raum hinein ragen von der Zelle aus feine 490 Richard Hesse, Stiftehen (ste), die senkrecht zur Wand der Zelle stehen. Bei Schnitten, die durch die Augenachse gehen, erkennt man die Stiftchen als parallel verlaufende, dunkel gefärbte Linien; bei seitlich geführten Schnitten werden die Stiftchen quer getroffen: man sieht dann ihre punktförmigen Querschnitte dicht neben einander liegen. Am Rande der Ausbuchtung der Sehzelle, also da wo sie der Pigmentwand am nächsten liegen, sind die Stiftchen am längsten, und nehmen an Länge ab gegen den Grund der Ausbuchtung, wo sie auf weniger als die Hälfte verkürzt erscheinen. Das Plasma der Zelle zeigt faserigen Bau, und es ist wahrscheinlich, dass jedes der Stiftehen mit einem Fäserchen in Verbindung steht. Auf Schnitten erscheint die nach hinten gekehrte Seite der Zelle umgeben von einem eigenartig lamellös geschichteten Gewebe. Ein Vergleich der Figuren 46 und 47 macht es wahrscheinlich, dass wir ‘es hier mit der Grundlage des Pigmentbechers zu thun haben. Die Kerne, die dem Gebilde außen anliegen, machen seinen zelligen Ur- sprung wahrscheinlich. Maße: Für die Sehzelle finde ich folgende Maße: 30 u in der Richtung der Sehachse, 34 u senkrecht zur Sehachse von oben nach unten, 40 u eben so von rechts nach links gemessen. Die Stiftchen maßen seitlich 4 u, in der Mitte 1,3 u. Die Augen von Ophryotrocha sind in letzter Zeit gleichzeitig von BRAEM (6) und KOoRSCHELT (29) besprochen worden. Nach BRAEM besteht das Auge aus einem Krystallkörper und einem Pigmentsack. Der erstere soll aus drei Zellen bestehen; die mittlere (Stützzelle) ist am deutlichsten und zeigt einen ellipsoiden Kern; nach außen liegt ihr eine kappenförmige, stark abgeplattete Corneazelle auf; an die hintere konvexe Fläche der Stützzelle grenzt eine dritte Zelle, die Tapetumzelle, die stets stark geschrumpft und ohne deutlichen Kern sefunden wurde. Von dieser wird die hintere dicke, oft geschichtete Cuticula des Krystallkörpers abgeschieden. An die hintere Fläche des Krystallkörpers treten Nerven heran. Hinter dem Krystallkörper liegen Zellkonglomerate, die ein Fadenwerk mit engeren oder weiteren Maschen bilden; in diesen Maschen liegen die Pigmentkörnchen. Was BRAEM als Tapetumzelle bezeichnet, ist offen- bar die konkave Ausbuchtung der Sehzelle, in der die Stiftchen liegen — da- her das geschrumpfte Aussehen und der Mangel eines Kernes. Ob die »Cornea- zelle« ein nothwendiger und regelmäßiger Bestandtheil des Auges ist, muss ich bezweifeln. An der Hinterwand des Krystallkörpers nahm BRAEM. zahlreiche geschichtete, dunkel gefärbte Lamellen wahr, die ich ebenfalls gesehen habe; deren Abscheidung durch die Tapetumzelle ist aber ausgeschlossen, da es eine solche Zelle nicht giebt, und ich muss sie daher für Produkte von Zellen hal- ten, deren Kerne dem Gebilde außen anliegen. — Auch KoRSCHELT beschreibt die großen Sehzellen von Ophryotrocha, hat jedoch ebenfalls die von ihnen abgehende Nervenfaser nicht gesehen. Am Rande der Zelle bemerkt er »eine mehr oder weniger lichtbrechende gelbliche Zone« — ob das der Stiftchentheil der Sehzelle ist? — und die Zelle ist von platten Zellen ähnlich wie von einem Unters. über die Organe der Lichtempfindung bei nied. Thieren. V. 491 Foilikel umschlossen; in diesen könnte man vielleicht die lichtempfindlichen Elemente des Auges sehen. BRAEM sowohl wie KORSCHELT vergleichen das Auge mit den einfachen Augen anderer Würmer, jener speciell mit dem der Polygordius-Larve und rhabdoecöler Turbellarien — ein Vergleich, der sich als vollkommen richtig erweist. Auch die Augen von Tomopteris scheinen Becheraugen zu sein; ich finde am Gehirn jederseits einen nach der Seite hin offenen Pismentbecher mit einem färbbaren Inhalt; an einem frisch unter- suchten Exemplar schien der im Pigmentbecher enthaltene Körper aus mehreren Theilen zu bestehen. Zu genaueren Angaben sind meine Präparate nicht hinreichend. B. Epitheliale Augen ohne Einzellinsen. Augen, in denen die Sinneszellen stäbchenartige Bildungen tragen, die über das Niveau der benachbarten Epidermis hervorragen und dem Lichte zugekehrt sind, finden sich bei den Limivoren weit seltener als Becheraugen. Sie finden sich hauptsächlich in der Familie der Chaetopteriden, dann bei Branchiomma und vielleicht einigen Verwandten, und schließlich in ganz eigenthümlicher Aus- bildung bei Siphonostoma diplochaetos Otto. Die Lage der Stäbchen am freien Ende der Zelle steht wohl in engem Zusammenhang mit einer Eigenschaft aller hierher ge- hörigen Augen: das Epidermisgebiet, dessen Zellen zu Sehzellen dieser Art umgebildet sind, ist stets eingesenkt. Dadurch werden die Stäbchen all den Fährlichkeiten entzogen, die ihnen bei der Lage auf offener Körperoberfläche drohen. Das allmähliche Fort- schreiten dieser Einstülpung des Körperepithels bis zu schließlicher Abtrennung des eingestülpten Zellkomplexes von seinem Mutterboden lässt sich in der Reihe der Chaetopteriden ausgezeichnet verfolgen. Von dieser Familie kamen zur Untersuchung Ranzania.sagit- taria Clap., Telepsavus costarum Ülap. und Chaetopterus variopedatus Ren. Bei Phyllochaetopterus socialis Clap., den ich _ ebenfalls untersuchte, konnte ich keine Augen finden. Bei Ranzania sind zwei Augenflecken vorhanden, die an der Basis der Tentakeln liegen und von Lo Branco (36, Taf. I, Fig. 3) in ihrer Lage abgebildet sind. Legt man dorsoventrale Längsschnitte durch den Wurm, so sieht man an der betreffenden Stelle einen Pigmentbecher, der nahe der Körperoberfläche gelegen ist. Starke Vergrößerung zeigt, dass die Wand dieses Bechers aus pigmentirten Cylinderzellen besteht, die sich seitlich unmittelbar an das Körper- 492 Richard Hesse, epithel anschließen und offenbar selbst nur umgewandelte Zellen dieses Epithels sind (Fig. 49); wir haben hier lediglich eine offene Einstülpung des Epithels vor uns. Der Raum dieser Einstülpung ist jedoch nicht leer, sondern wird ausgefüllt von einem eylindrischen Zapfen, der außen in die Cuticula des Epithels übergeht. Die Cu- ticula besteht hier aus zwei Lagen, die von einander durch eine scharfe Linie deutlicher getrennt sind und auch in der Färbung sich etwas unterscheiden. Nur die äußere Schicht der Cutieula ist es, die sich in den Zapfen fortsetzt; der inneren Lage derselben ent- spricht innerhalb der Einstülpung eine breite helle Zone, und diese zerfällt entsprechend den pigmentirten Epithelzellen in einzelne Ab- schnitte. Ich halte diese Abschnitte für stäbchenartige Bildungen, die zu den pigmentirten Zellen gehören. Die letzteren wären dem- nach als Sinneszellen, genauer als Sehzellen aufzufassen. Sie haben _ einen länglichen Kern, und sind distal von dem Kern mit dunkel- braunen Pigmentkörnchen erfüllt; proximal setzen sie sich in Fasern fort, die zu einem Bündel vereinigt gegen den benachbarten starken Nervenstrang, einem Theil der Schlundkommissur, verlaufen und wahrscheinlich in diesen eintreten. Das Epithel in der Umgebung dieses Auges ist sehr hoch und innen von einer Basalmembran (dm) begrenzt, die auch an der Innen- seite des Nerven weiter läuft. — (In der Umgebung des Auges liegen im Epithel außer den gewöhnlichen länglichen Epithelkernen jeder- seits ein paar große runde Kerne mit deutlichem Kernkörperchen [Fig. 49 2%]; doch kann ich nicht angeben, was für eine Bedeutung die Zellen haben, denen sie zugehören.) Bei Telepsavus sind die Augen ebenfalls in einem Paar vor- handen und entsprechen in der Lage denen von Ranzania. Von diesen unterscheiden sie sich jedoch dadurch, dass das Sinnesepithel durch die Einstülpung bei Weitem tiefer eingesenkt ist (Fig. 50). Es sind dabei auch die benachbarten Epithelien mit eingestülpt, so dass ursprünglich ein langer enger Gang den Hohlraum des Auges mit der Oberfläche in Verbindung setzte; die Lichtung des Ganges ist jedoch geschwunden, indem die gegenüberliegenden Wände desselben sich an einander gelegt haben. Auf diese Weise entsteht eine Augenblase, die zwar keine Verbindung nach außen mehr hat, deren Entstehung durch Einstülpung jedoch durch die Anordnung der be- nachbarten Epithelzellen deutlich erwiesen wird. Fig. 50 trifft das Auge selbst seitlich, sie zeigt aber klar den Verlauf der Einstülpung. Der Hohlraum des Auges wird von einer homogenen Masse erfüllt, Unters. über die Organe der Lichtempfindung bei nied. Thieren. V. 493 die sich mit Hämalaun matt blau färbt; zwischen dieser Füllsubstanz und den pigmentirten Sinneszellen liegt ein heller Saum, der aus den Stäbehen der Sehzellen besteht. — Auch hier liegt das Auge in unmittelbarer Nachbarschaft eines großen Nervenstranges, zu dem offenbar die Nervenfasern der Sehzellen verlaufen. Eine Augenbildung, welche zwischen denen von Ranzania und Telepsavus in der Mitte steht, findet sich bei manchen Gephyreen. Ich konnte sie bei Phaseolosoma vulgare Dies. untersuchen; SHIPLEY (48) giebt eine gute Be- schreibung derselben von Phymosoma varians Sel. Hier ist das Sinnes- epithel so tief eingestülpt, dass es im Gehirn liegt; der Gang aber, welcher die eingestülpte Epithelschale mit der Außenwelt verbindet, hat seine Lichtung behalten. Bei Chaetopterus variopedatus schließlich liegen die Augen ebenfalls am Grunde der großen Tentakel; doch ist hier nicht jeder- seits bloß ein Auge, sondern es sind deren viele vorhanden: ich zählte auf einer Seite eines ausgewachsenen Thieres 38 Augen. Die Verbindung mit dem Epithel ist gänzlich verloren gegangen: die Augen sind geschlossene Zellenblasen und liegen in einer theils zellisen, theils faserigen Masse, die zwar gegen das benachbarte Epithel nicht scharf abgegrenzt ist, aber diesem doch nicht zuge- rechnet werden kann (Fig. 51 und 52). Sie sind von wechselnder Größe, und neben solchen, deren Durchmesser im Lichten nur etwa 17 u beträgt, finden sich andere mit nahezu 70 ı« Durchmesser. Die Wände einer solchen Blase sind in ihrer Beschaffenheit un- gleich. Eine Strecke weit ist in den Zellen der Wandung reichlich Pigment abgelagert. So weit dieses reicht, liegt ein heller durch- sichtiger Saum der Wand an; er ist etwa 8 u diek und zusammen- gesetzt aus vielen palissadenartig neben einander stehenden Stücken: das sind die Stäbchen, die zu den pigmentirten Zellen gehören (Fig. 52). Über den feineren Bau der Stäbchen gaben mir meine Präparate keine Auskunft. Die Zellen selbst ziehen sich nach der anderen Seite in Fasern aus: das sind Nervenfasern, die gemeinsam zu dem benachbarten großen Nervenstrang laufen und in diesen ein- ‚treten (Fig. 51). Die pigmentirte Strecke der Wandung ist also das Sinnesepithel. Dasselbe ist seiner äußeren Gestalt nach wechselnd: bisweilen ist es tief becherartig eingesenkt, bisweilen nur flach aus- gehöhlt (vgl. die beiden auf Fig. 51 dargestellten Augen). Man kann an diesem Epithel zweierlei Kerne unterscheiden, größere, mehr runde, und kleinere von länglicher Form; das deutet vielleicht auf . das Vorhandensein von Stütz- oder Sekretzellen zwischen den Sinnes- zellen hin. 494 Richard Hesse, Die Wand, die dem Sinnesepithel gegenüber liegt, besteht aus hohen eylindrischen Zellen mit schlanken Kernen; die Zellen sind in der Richtung der Augenachse sehr lang ausgezogen (Fig. 52); gegen den Hohlraum der Augenblase haben sie eine deutliche Cutieula ab- gesondert. Bei größeren Augen schiebt sich zwischen diese Zellen und das Sinnesepithel eine Strecke ein, wo die Augenwandung von flachen Zellen gebildet wird. Bei Augen, die durch Einstülpung entstanden sind, liegt meistens das pigmentirte Sinnesepithel dem Mutterboden am fernsten; hier jedoch kehren die Augenblasen gerade diese Seite dem benachbarten Epithel zu, die Seite, an der die Zellen sich zu Nervenfasern aus- ziehen, die zum Gehirn gehen. In Fig. 52 sieht man, dass in der Mitte des Sinnesepithels die Stäbchen plötzlich an Länge abnehmen und dadurch ein Grübchen bilden. Sollte diese Erscheinung damit zusammenhängen, dass an dieser Stelle ursprünglich die Verbindung mit der Epidermis statt hatte, dass hier also gleichsam der Nabel der Augenblase läge? Das Innere der Augenblase ist bei kleinen Augen von einer faserigen Sekretmasse erfüllt; bei großen erscheint es häufig ganz leer oder zeigt nur wemige Gerinnungsreste, woraus auf eine sehr wässrige Füllmasse zu schließen ist. Ob die Füllmasse von etwaigen Stützzellen des Sinnesepithels oder von der übrigen Wand der Augen- blase abgesondert wird, vermag ich nicht zu entscheiden. JOYEUX-LAFFUIE (23) findet bei Chaetopterus nur zwei Augen; von dem Bau giebt er eine richtige Schilderung. Wenn er aber diese Augen für redu- cirte Organe erklärt, so kann ich ihm nicht beistimmen. — Über den Bau der Augen von Ranzania und Telepsavus fand ich keine Angaben. Jederseits neben dem Gehirn von Branchiomma vesiculosum Mont. finde ich eine langgestreckte zellige Röhre mit enger Lichtung, die auf der Seite, die dem Gehirn zugekehrt ist, einen Belag von Pig- mentzelien zeigt (Fig. 53). Die Röhre steht vorn mit dem Körperepithel in Zusammenhang: es ist jedoch an diesem Ende die Lichtung ge- schwunden; wir haben einen soliden zelligen Stiel (Fig. 53), dem auch die Pigmentbekleidung mangelt. Jedenfalls zeigt dies Verhalten, dass die Röhre durch eine Einstülpung der Epidermis entstanden ist. Das Innere der Röhre enthält stellenweise einen schwach granulirten Inhalt. Die Zellen nun, welche die Wandung der Röhre bilden, zeigen ein eigenthümliches Verhalten: gegen den Hohlraum zu erhebt sich von jeder aus ein Zapfen, der schmäler ist als die Grundfläche, worauf er steht (Fig. 54 und 55). Der Zapfen zeigt einen faserigen Unters. über die Organe der Liehtempfindung bei nied. Thieren. V. 495 Bau (Fig. 56), und dem entsprechend sieht man auf Querschnitten eine Menge dicht bei einander gelegener Pünktchen. Jede der Zellen zieht sich am entgegengesetzten Ende in eine Faser aus, die ich als Nervenfaser betrachten möchte. Ich vermuthe demnach in diesen Zellen Sinneszellen, und zwar würde das Vorhandensein des Zapfens darauf hindeuten, dass wir es mit Sehzellen zu thun haben. Dieser Zapfen ist nicht ohne Weiteres dem Stäbchen im Auge eines Raub- anneliden gleich zu setzen; denn dort haben wir nur eine Nerven- fibrille, hier dagegen ein ganzes Bündel; eher könnte man ihn mit dem Stiftchensaum bei der Sehzelle eines Becherauges vergleichen. Die pigmentirten Zellen liegen zum Theil in dem die Röhre um- sebenden Bindegewebe (Fig. 54 »z), theils nehmen sie an der Be- srenzung der Röhre näheren Antheil (Fig. 55). Stets ist ihre An- ordnung derart, dass sie die Röhre nicht von allen Seiten umgeben, sondern eine größere oder geringere Strecke freilassen. Die Beschaffenheit der Epithelzellen zusammen mit dieser Anord- nung des Pigments veranlassen mich, in den beschriebenen Gebilden Organe der Liehtwahrnehmung zu sehen. Da Branchiomma außerdem an den Kiemen Augen besitzt (s. p. 500f.), so wären bei diesem Wurm zweierlei Sehorgane vorhanden (wie bei vielen Insekten). Vielleicht kann noch folgender Versuch zur Stütze dieser Annahme dienen: wenn man einem Branchiomma die an den Spitzen der Kiemenfäden sitzenden zusammengesetzten Augen abschneidet, so zeigt das Thier meist keine Reak- tion mehr auf Beschattung; doch tritt zuweilen eine solche einwandfrei ein. Da alle Kiemenaugen entfernt waren, so weist das auf das Vorhandensein noch anderer Organe der Lichtwahrnehmung hin. Allerdings brauchen das nicht die oben beschriebenen zu sein. Ein erhöhtes Interesse gewinnen diese Organe, wenn wir eI- wägen, dass die Augenblasen der Wirbelthiervorfahren wahrscheinlich einen ähnlichen Bau hatten: blasenartige Gebilde mit einer zelligen Wandung, die auf der Seite des Gehirns pigmentirt ist, auf der Liehtseite dagegen aus stäbehentragenden Sinneszellen besteht, die ‚ihre Stäbchen dem Hohlraum der Blase zukehren. — Über die Be- ziehungen von Branchiomma zu den Wirbelthierahnen kann damit natürlich nichts gesagt sein. Ähnliche röhrenartige Organe finden sich in der Nachbarschaft des Gehirns von Spirographis Spallanzanii Viv., Bispira Mariae Lo Bianco und Hypsicomus stichophthalmus Gr. Näher unter- sucht habe ich sie bei Spirographis. Die Röhren haben dort eine ähnliche Lage wie bei Branchiomma. 496 Richard Hesse, Sie münden frei nach außen und ihr Epithel geht in die Epidermis über, von der aus sie wohl durch Einstülpung entstanden sind. Die pigmentirten Zellen liegen hier ebenfalls auf der einen Seite des Rohres und drängen gegen den Hohlraum desselben vor (Fig. 57). Dagegen konnte ich die stäbchenartigen Fortsätze der Epithelzellen, die sich bei Branchiomma finden, hier nicht nachweisen. Indessen könnten ja entsprechende Endigungen der Nervenprimitivfibrillen auch hier vorhanden sein, ohne dass ein Vorspringen in die Lichtung der Röhre stattfindet. Die Ähnlichkeit mit den entsprechenden Organen bei Branchiomma nach Lage und Bildung ist im Übrigen so groß, dass man trotzdem versucht ist, sie als Sehorgane zu deuten. Dies hat auch MEYER (40) gethan; er hat jedoch ihren Bau verkannt und sie für Reihen von Becheraugen gehalten, wie sie bei Protula, Myxicola u. A. in den Seitentheilen des Gehirns vorkommen. — Auch hier liegt die Thatsache vor, dass Spirographis sich lichtempfindlich erweist, wie NAGEL (42) gezeigt hat, indem sie auf Beschattung durch Zusammenzucken reagirt. NAGEL freilich hat das Thier von vorn herein als augenlos angesehen. Da sehr wohl andere, unpigmentirte Organe, die durch das Fehlen des Pig- mentes der Untersuchung leichter entgehen, die Träger der Lichtwahrnehmung sein können, so möchte ich in diesem Falle wegen des Fehlens von »Stäbchen« kein bestimmtes Urtheil über die Funktion jener eigenthümlichen Röhren abgeben. Eine von den oben geschilderten vielfach abweichende Augen- form, die aber ebenfalls durch Einstülpung eines »stäbehentragenden< Sinnesepithels zu Stande kommt, findet sich bei Siphonostoma diplochaetos Otto. Dieser Wurm trägt auf dem Kopflappen zwei Paar Augen (Fig. 58), die einerseits dieht an die Epidermis grenzen andererseits dem Gehirn unmittelbar aufliegen. Die Achsen der beiden vorderen Augen sind nach vorn und etwas seitlich, die der hinteren nach hinten und seitlich gerichtet. In ihrem Bau erinnern diese Augen an die der Raubanneliden, und JOURDAN (22), bisher der Einzige, der sie näher untersucht hat, vergleicht sie auch mit den Augen von Polynoe, Nereis und Syllis. Eine eingehendere Untersuchung zeigt jedoch, dass diese Ähnlichkeit nur äußerlich besteht; ihrem feineren Aufbau nach stehen diese Organe völlig allein. | Auf Schnitten durch die Symmetrieebene der Augen erscheinen diese als eiförmige Pigmentschalen, deren Hohlraum erfüllt ist von einer streifig angeordneten Masse. Die Längsachse dieses eiförmigen Körpers steht schräg zur Epidermis, und die Öffnung der Pigment- schale ist derart gelegen, dass sie mit ihrem einen Rande an die Oberfläche angrenzt (Fig. 59). Die Wandungen des Hohlraums be- Unters. über die Organe der Lichtempfindung bei nied. Thieren. V. 497 stehen aus einer Lage von Zellen. Die Beschaffenheit derselben ist an den verschiedenen Stellen verschieden: so weit sich die Pigmen- tirung erstreckt, sind die Zellen verhältnismäßig niedrig; da jedoch, wo sie die Öffnung der Pigmentschale begrenzen, sind sie sehr lang ausgezogen, mit langgestreckten Kernen versehen und haben ein helles, ganz homogenes Plasma, das bei Hämalaunfärbung keine Farbe annimmt. An seinem distalsten Punkte ist das Auge nicht geschlossen; die Epidermis geht nicht ohne Unterbrechung darüber hinweg, son- dern biegt in die Wände des Augenbechers um und geht in diese über. Die Wandung des Augenbechers ist also nichts Anderes als eine Fortsetzung der Körperepidermis, ein eingestülpter Theil der- “selben. Das Auge ist offenbar durch Einstülpung entstanden und die Einstülpungsöffnung ist dadurch geschlossen, dass die Ränder der Einstülpung sich dicht an einander legen, ohne jedoch zu ver- wachsen. Am besten lassen sich diese Verhältnisse vergleichen mit dem Vorderauge von Nereis eultrifera (Fig. 1 A), besonders auch wegen der Lage der ÜCornea. Der Inhalt des Augenbechers zeigt auf Schnitten, die der Augen- achse parallel gehen, einen streifigen Bau (Fig. 59). Die Streifen laufen von der pigmentirten Augenwandung gegen die Öffnung des Pigmentbechers und konvergiren nach dort. Sie sind verschieden: es wechselt stets ein diekerer Streifen mit einem dünneren ab; die diekeren erscheinen senkrecht zu ihrer Längsrichtung gestreift, als ob sie aus feinen, über einander geschichteten Lamellen beständen, die dünneren Streifen sind faserartig. Bei Schnitten senkrecht zur Augenachse (Fig. 60) erscheint ein Netzwerk dunkler Balken, zwi- schen denen Maschenräume vorhanden sind. An den Balken selbst erkennt man eine deutliche Querstreifung, die an den Knotenpunkten des Netzes bald auf einen benachbarten Balken übergeht, bald ab- bricht. In den Maschen des Netzwerks erscheint ein kleines Körper- _ ehen, das den Hohlraum bei Weitem nicht ausfüllt: es ist ein kleiner, - mattblau gefärbter Fleck, der, wie genauere Untersuchung zeigt, aus einer Anzahl beisammenliegender Pünktchen besteht. Durch die Vergleichung der Median- und Querschnitte ergiebt sich Folgendes für den Bau der Innenmasse des Augenbechers: von der Wandung, die der Becheröffnung gegenüberliegt, entspringt ein Fachwerk von Scheidewänden, zwischen denen sich säulen- förmige, distal sich verengernde Fächer befinden. In jedem solehen Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXV. Bd. 33 498 Richard Hesse, Fach verläuft ein dünner Strang von der Wand bis zur Becher- öffnung; derselbe ist aus einer Anzahl feiner Fäserchen zusammen- gesetzt. Wenn man an Präparaten, aus denen das Pigment entfernt ist — es schwindet schon bei kurzer Einwirkung schwacher Essigsäure, wie sie bei der BzxnpA’schen Eisenhämatoxylin-Methode zur Anwen- dung kommt — die dünnen Stränge in den Räumen des Fachwerks proximal verfolgt, so erkennt man, dass sie Fortsätze sind von dick spindelförmigen Zellen, die zwischen die Pigmentzellen der Augen- wandung eingeschoben sind (Fig. 61). Diese Zellen haben einen runden oder ovalen Kern, jede entsendet gegen den Augenhohlraum einen der besprochenen Stränge, und nach dem Gehirn zu ziehen sie sich in einen Faden aus; diese Fäden halte ich für Nervenfasern, die Zellen selbst für Sinneszellen, und die von ihnen ausgehenden fibrillären Stränge für die Endorgane der Lichtwahrnehmung. Der Strang, der von der Sinneszelle ausgeht, lässt sich nicht direkt mit einem Stäbchen vergleichen, wie es in den Augen der Raubanneliden sich findet. Ich möchte ihn vielmehr den stäbchen- artigen Bildungen in den Kopfaugen von Branchiomma an die Seite stellen, die ebenfalls aus’ einzelnen Fibrillen zusammengesetzt sind; nur ist hier die Zahl der Fibrillen größer, bei Siphonostoma dagegen sind sie viel länger ausgezogen. Wir haben also hier wie da, und eben so bei den Becheraugen, als lichtempfindliche Theile der Seh- zellen die Enden von nervösen Primitivfibrillen. Weit schwieriger als die Herkunft der liehtempfindlichen Stränge im Fachwerk ist diejenige des Fachwerks selbst zu ermitteln; denn auch nach Entfernung des Pigments bleiben die Zellverhältnisse der Augenwandung schwer zu entwirren. Es scheint mir aber nach meinen Präparaten, als ob auch das Fachwerk selbst den Sinnes- zellen seinen Ursprung verdankt, ähnlich wie die Stäbchenröhren bei den Raubanneliden. Es ist stellenweise deutlich, dass sich die Wände des Fachwerks an der Becherwandung gabelförmig theilen; die beiden Schenkel verlaufeu zu den beiden Sinneszellen, zwischen deren distalen Fortsätzen die Scheidewand liegt. Vielleicht sind die Sinneszellen an dem Aufbau der umgebenden Scheidewände betheiligt, derart dass jede von diesen durch die zwei benachbarten Sinneszellen gemeinsam gebildet wird. Ich muss dies mehr als Ver- muthung denn als Überzeugung aussprechen, da auch gute Präparate durchaus nicht mit der wünschenswerthen Klarheit diese verwickelten Verhältnisse zeigen. Unters. über die Organe der Lichtempfindung bei nied. Thieren. V. 499 Maße: Der größte Durchmesser der Augenblase von Siphonostoma beträgt 170 u, der kleinste 85 «, eine Scheidewand zwischen zwei Fächern ist 2 « dick. Aus dem Gesagten geht hervor, dass der Inhalt des Augenbechers die eigentlich wahrnehmenden Theile des Auges in sich fasst und nicht, wie JOUR- DAN (22) annimmt, einen lichtbrechenden Körper vorstellt. JOURDAN hat zwar die Zusammensetzung des Becherinhaltes aus einzelnen parallel verlaufenden Elementen erkannt, die demselben ein streifiges Aussehen geben; es lagen ihm aber offenbar keine scharfen Bilder vor: er nennt die Streifen undeutlich be- srenzt, und fasst sie als dicke hyaline Stäbchen auf, die an ihrem Ende mit je einer Retinazelle zusammenhängen, eine Deutung, die an GRABER’s und ANDREwS’ Auffassung der Füllmasse im Auge der Raubanneliden erinnert. C. Epitheliale Augen mit Einzellinsen. Epitheliale Augen mit Einzellinsen, deren unterscheidende Eigen- thümlichkeiten oben (p. 478) schon erwähnt wurden, finden sich nur in einer Familie der Limivoren, nämlich bei den Serpulaceen, und kommen hier in allen drei Unterfamilien vor, bei den Sabellinen, den Eriographiden und den Serpulinen. Ich untersuchte von Würmern, die mit solchen Augen ausgestattet sind, folgende Arten: Sabella reniformis Leuck., Branchiomma vesiculosum Mont., Hypsicomus stichophthalmus Gr., Dasychone lucullana Chiaje; — Myxicola in- fundibulum Ren., Leptochone aesthetica Clap.; — Protula protula Cuv., Salmaeina inerustans Clap. und Vermilia multivarieosa Mörch!. Die Anordnung der Augen ist bei diesen Würmern eine sehr verschiedene: bei Dasychone, Leptochone und Myxicola stehen sie auf den Segmenten des Körpers verstreut, auf einem Segment jeder- seits eines oder mehrere, diese dann in einiger Entfernung von einander, seltener zu zweien dicht beisammen. — Meist finden sie sich auf den Kiemenfäden. Dort stehen sie bei Vermilia auf der äußeren Seite zu Reihen angeordnet, in denen die einzelnen Augen getrennt von einander stehen, bisweilen aber auch zu zweien oder dreien mit den unteren Enden ihrer Pigmenthüllen zusammenhängen. Bei Hypsieomus stehen die Augen ebenfalls in Reihen (Fig. 72), rechts und links von der Mittellinie auf der äußeren Seite des Kiemenfadens, und zwar hört die eine Reihe da auf, wo die andere anfängt. Zwischen den Einzelaugen stehen eine Anzahl bewimperter Epithelzellen. — Bei Protula protula sind je 5—9 Einzelaugen zu lockeren Gruppen vereinigt, in denen die Augen mit ihren proxi- malen Enden wohl zusammenstoßen, distal aber aus einander weichen 1 Hierher gehören wohl, nach der kurzen Schilderung von RACOVITZA (44a, p. 243), auch die Augen von Leiocephalus leiopygus Gr. Herr Geheim- rath EHLERS hatte die Güte, mich auf diese Angabe aufmerksam zu machen. 33* 500 Richard Hesse, und durch Epidermiszellen getrennt werden (Fig. 75). — Dagegen schieben sich bei den Kiemenaugen von Dasychone, Sabella renifor- mis und Branchiomma nur sehr wenige Epithelzellen zwischen die Einzelaugen ein; diese, proximad kegelförmig verjüngt, stehen so, dass ihre Achsen nach außen strahlenartig divergiren, und scheinen daher auf medianen Schnitten wie die Stäbe eines Fächers angeordnet, wie die Einzelaugen in den Facettenaugen der Arthropoden: wir können sie wie diese als zusammengesetzte Augen bezeichnen. Man findet also alle Übergänge von einzeln gelegenen Einzelaugen durch solche, die zu lockeren Reihen oder Gruppen angeordnet sind, bis zu solchen, die in festem Verbande stehen. Die histologische Untersuchung der epithelialen Augen stößt auf mannigfache Schwierigkeiten. Da bei den meisten der einzeln stehenden Augen das Pigment, das sie umgiebt, durch den Einfiuss der Konservirungsmittel aufgelöst wird, sind die Augen selbst auf Schnitten äußerst schwierig zu finden. Die Kleinheit der Ob- jekte ist eine andere große Schwierigkeit. So kommt es, dass ich über den histologischen Bau der einzeln stehenden Augen, die ich für die ursprünglichsten halten möchte, keine Erfahrungen sammeln konnte. Am leichtesten ließ sich die Untersuchung bewerkstelligen bei den zusammengesetzten Augen von Branchiomma, deren Elemente ziemlich groß sind, weiterhin dann bei Sabella und Hypsicomus. — Darum beginne ich mit der Schilderung des Kiemenauges von Branchiomma. Jeder der Kiemenfäden von Branchiomma trägt ganz nahe an seinem Ende ein zusammengesetztes Auge, das seiner inneren Seite aufsitzt und den Kiemenfaden so weit umfasst, dass an dessen äußerer Seite nur ein schmaler Streifen davon frei bleibt (Fig. 63). Zwei dieser Augen übertreffen die übrigen an Größe; sie sitzen den beiden Kiemenfäden auf, die die Enden des hufeisenförmigen Kiemen- trägers einnehmen. — Jedes Einzelauge eines solchen zusammen- gesetzten Auges besteht aus einer Sehzelle, die von einem röhren- artigen Pigmentmantel umhüllt wird. Die Sehzelle grenzt mit ihrem distalen Ende an die Cuticula, mit dem proximalen erreicht sie die Basis des Epithels nicht, sondern hört in einigem Abstande von derselben auf (Fig. 62). In dem Theil des Epithels, wohin die inneren Enden der Sehzellen nicht mehr reichen, ziehen parallel der Achse des Kiemenfadens zahlreiche Nervenfasern in Bündeln zwi- schen die Zellen des zusammengesetzten Auges hinein und vertheilen Unters. über die Organe der Lichtempfindung bei nied. Thieren. V. 501 sich dort (Fig. 62 st). Ich konnte nicht direkt beobachten, dass diese Fasern mit den Sehzellen sich verbinden; die Zellen sind in ihrem basalen Theil so schmal, und das Pigment so dicht, dass mein Suchen keinen Erfolg hatte; auch Macerationen gelangen nicht nach Wunsch. Doch halte ich es für wahrscheinlich, dass jede der Nerven- fasern die Fortsetzung einer Sehzelle ist. Unter der Cuticula sondert jede Sehzelle einen etwa halbkuge- ligen linsenartigen Körper ab, der sich auch gegen die Cuticula ein wenig vorwölbt (Fig. 64 7); er färbt sich mit Hämalaun etwas dunkler als die Outicula, und ist von dieser durch eine scharfe Grenze ge- schieden. Man kann diesen Körper wohl als Linse betrachten. Bei Macerationspräparaten sah ich häufig den Zusammenhang zwischen Linse und Cutieula gelöst; nie jedoch löste die Linse sich vom Kör- per der Sehzelle los. — Dicht unterhalb dieser Linse liegt der Kern der Sehzelle; er ist scheibenförmig, flachgedrückt und legt sich der proximalen Fläche der Linse eng an, so dass er eine napfförmige Wölbung annimmt; auf Medianschnitten durch die Sehzelle erscheint er daher halbmondförmig gebogen (Fig. 64 s2)), auf Querschnitten rund (Fig. 65«@). Etwa in der Mitte enthält er ein großes Kern- körperchen. Nach innen zu folgt auf den Kern eine Zone dunkel sranulirten Plasmas, das sich mit Hämalaun ziemlich dunkel färbt, und daran schließt sich ein hellerer Theil. Dieser letztere enthält eine wichtige Bildung, die auf Medianschnitten in den einzelnen Zellen verschieden aussehen kann: entweder sieht man der Länge nach durch diese Strecke einen dunkeln Strang in der Mitte der Seh- zelle verlaufen, dem parallel an den Rändern ebenfalls dunkle Strei- fen, von etwas dunklerer Färbung als der Mittelstrang, hinziehen; diese letzteren bestehen aus kleinen, zur Zellachse senkrecht gestell- ten dunkeln Stiftehen, und jedes dieser Stiftechen wird durch ein feines Fäserchen mit dem Mittelstrang verbunden (vgl. die in Fig. 64 rechts gezeichnete Sehzelle) — oder aber man sieht einen Strang vom Aussehen des Mittelstranges, der aber im Ziekzack verläuft, und dieser wird nur auf der einen Seite von einem dunkeln, aus Stiftehen zusammen- gesetzten Streifen begleitet, von dem eben so wie vorher Fäserchen gegen den Strang abgehen (vgl. die Sehzelle links in Fig. 64). Auf Querschnitten durch diese Gegend der Sehzelle (Fig. 655) erblickt man einen dunkeln Querschnitt des Mittelstranges, um den herum in der Peripherie der Zelle ein halbkreisförmiger dunkler Streifen sich biegt, der aus kurzen Stiftehen besteht; die Stiftchen stehen senkrecht zur Zellwand, und von jedem Stiftehen zieht sich ein Fäserchen 502 Richard Hesse, gegen den Querschnitt des Stranges. Damit finden die verschiedenen Bilder der Medianschnitte leicht ihre Erklärung: die erste Art ent- steht, wenn der Schnitt die Richtung des Pfeiles £ in Fig. 652 hat, die zweite, wenn er in der Richtung Z oder einer etwas davon ab- weichenden die Zelle durchsetzt. Die Stiftchen bilden einen halben Cylindermantel, und von jedem geht ein Fäserchen zu einem in der Cylinderachse gelegenen Strang; ja vielleicht entsteht dieser Strang der Hauptsache nach durch die Vereinigung und Verfilzung dieser Fäserchen. Die »Stiftehen« mit den ansetzenden Fäserchen erinnern, wie ich es in der Benennung auch schon angedeutet habe, an den licht- pereipirenden Apparat in den Sehzellen der Becheraugen, etwa von Planaria oder von Polyophthalmus, und dieser Vergleich veranlasst mich, die beschriebenen Einrichtungen als das specifische Organ der Liehtwahrnehmung in dieser Sehzelle anzusehen. Danach wären die feinen Fäserchen Nervenprimitivfibrillen, die Stiftchen ihre verdickten Enden, der axiale Strang eine Vereinigung der Primitivfibrillen, mit welchem dann vermuthlich der von der Sehzelle abgehende Nerv in unmittelbarem Zusammenhange steht. Die Pigmenthüllen, die die Sehzellen umschließen, reichen von der Cuticula bis zur Basis des Epithels und bestehen aus flachen Zellen mit großen ovalen plattgedrückten Kernen; Fig. 64 p% zeigt Längsschnitte, Fig. 66 p% Querschnitte durch solche Kerne; zuweilen erhält man auch Flächenschnitte -von ihnen, die ihre ovale Form zeigen. Nicht jede Sehzelle hat eine eigene Pigmentröhre unabhängig von den Nachbarzellen, wie es z. B. bei Sabella der Fall ist, sondern die flachen Pigmentzellen bilden Scheidewände zwischen den Seh- zellen, wobei sie sich dann mit der einen Hälfte an die eine, mit der anderen an eine andere Zelle anlegen, wie an dem cu geboge- nen Kern links oben in Fig. 66 zu sehen ist. Außer den Pigment- zellen schieben sich auch noch andere, mehr schlank eylindrische Zellen zwischen die Sehzellen ein, deren Kerne spindelförmig sind und auf den Querschnitten in Fig. 66 und 67 bei z% zu sehen sind. Nachdem DALYELL und KÖLLIKER (27) zuerst die Kiemenaugen von Bran- chiomma erkannt hatten, wurden diese von CLAPAREDE (10) näher beschrieben; der feinere histologische Aufbau der Einzelaugen blieb jedoch diesem Forscher unbekannt. — Besonders eingehend hat sich dann BRUNOTTE (7) mit diesen Augen von Branchiomma beschäftigt. Unmittelbar unter der Linse sieht er den napfförmigen Kern, und in der Protoplasmazone nochmals einen solchen, der oval und viel größer als der andere sein soll. Es kann keinem Zweifel unter- liegen, dass dies ein Irrthum ist; BRUNOTTE hat wahrscheinlich den Kern einer Unters. über die Organe der Lichtempfindung bei nied. Thieren. V. 503 Pigmentzelle fälschlich für einen Sehzellenkern gehalten. Ich konnte nirgends einen solehen Kern nachweisen, und wenn auch Medianschnitte für solche Entscheidungen nicht geeignet sind, so hätte er auf Querschnitten durch die Sehzellen der Beobachtung sich nicht entziehen können; vor Allem aber habe ich auch auf Macerationspräparaten keine Spur davon gefunden. Der ganze verdünnte Theil des Augenkegels wird nach BRUNOTTE von einem augenschein- lich lamellösen Körper eingenommen, der aus abwechselnd hellen und dunkeln Lamellen besteht: es sind offenbar die Gebilde gemeint, die ich als wahrnehmen- den Apparat ansehe. Das Ende der Zelle verbindet sich mit einer Nerven- faser. — ANDREWS (2), der die Augen von Branchiomma selbst nicht untersuchen konnte, schließt aus seinen Befunden bei Potamilla (= Sabella) und Hypsicomus, dass wahrscheinlich nur ein Kern in diesen Augen vorhanden sei, und ver- muthet in BRUNoOTTE’s äußerem Kern ein Kunstprodukt. Wie wir saben, ist wirklich nur ein Kern vorhanden, aber gerade nur der, den AnDREWS verwirft. Die Kiemenaugen von Sabella reniformis Leuck. hat LEUCKART (33) zuerst beschrieben und abgebildet; sie stehen auf der Außen- fläche der ventralwärts gelegenen Kiemenfäden jeder Seite zu zwei bis fünf. Sie springen über die Oberfläche des Epithels polsterartig vor, und zwar ist die Wölbung im proximalen Theil geringer als im distalen. MARION und BOBRETZKY (37) geben auf Taf. XI, Fig. 22 eine gute Abbildung dieses Verhaltens. Wie bei Branchiomma, so sind auch hier die Kiemenaugen aus zahlreichen Einzelaugen zusammengesetzt. Jedes von ihnen besteht aus einer Sehzelle und hat einen besonderen, die Zelle röhrenförmig umgebenden Pigmentmantel. Die Sehzelle verhält sich in Bezug auf ihre Ausdehnung ganz so wie bei Branchiomma: sie grenzt außen an die Cuticula, erreicht aber innen die Basis des Epithels nicht ganz. Den Übergang des proximalen Endes in den Nerven konnte ich auf Schnitten nicht verfolgen, er ist aber von ANnDREWS (2) an Macera- tionspräparaten nachgewiesen. Am distalen Ende hat die Sehzelle einen linsenartigen Körper abgeschieden, der lang birnförmige Gestalt besitzt, mit dem breiten Ende der Birne nach außen (Fig. 68 und 70 7). Anders als bei Bran- chiomma hängt dieser mit der Cuticula nicht breit zusammen, son- dern ist mit ihr nur durch einen ganz feinen Strang verbunden. Man kann an diesem linsenartigen Körper eine äußere Rinde von einer inneren Kernsubstanz unterscheiden: bei Färbung nach der Benpa’schen Eisenhämatoxylin-Methode bleibt nämlich eine schmale äußere Lage ungefärbt, während das Innere sich tiefblau färbt (Fig. 68); mit Hämalaunfärbung erhält man diese Differenzirung nicht. Proximal vom lichtbrechenden Körper ist der Zellleib bei Eisen- hämatoxylinpräparaten ungefärbt (Fig. 68); bei Hämalaunpräparaten 504 Richard Hesse, jedoch findet man hier einen mattblau gefärbten Mittelstrang auf dem Medianschnitt (Fig. 70); am Querschnitt durch die gleiche Stelle sieht man diesen Strang als rundlichen Punkt (Fig. 71), von einem etwas dunkleren Kreise umgeben, der aus einzelnen kurzen Stiftehen zusammengesetzt erscheint. Verbindungsfäserchen von den Stiftehen zu dem axialen Strang konnte ich nicht nachweisen. Ich stelle diese Bildung derjenigen an die Seite, die ich bei Branchiomma im proxi- malen Theile der Zelle fand, und nehme sie auch hier als den licht- pereipirenden Apparat der Sehzelle in Anspruch. So deutlich wie die entsprechenden Bilder bei Branchiomma sind freilich die von Sabella nicht; die Färbung gelang hier nie so gut wie dort. Nach innen von diesem Gebiete folgt im unteren Drittel der Seh- zelle der große, chromatinreiche Kern; proximal von diesem ver- schmälert sich die Sehzelle sehr schnell und geht wahrscheinlich in die Nervenfaser über. Den Achsenstrang des percipirenden Apparats konnte ich nicht über den Kern hinaus verfolgen. — Es ist be- merkenswerth, dass bei der Sehzelle von Branchiomma der Kern distal, bei der von Sabella dagegen proximal vom Nervenendapparat selegen ist. Das wird uns jedoch keine Schwierigkeit machen, wenn wir sehen, dass bei Epeira das vordere und hintere Mittelauge sich in der gleichen Weise von einander unterscheiden, wie GRENACHER’S weitverbreitete Abbildung zeigt. Jede Sehzelle ist von ihrem eigenen Pigmentmantel umgeben (Fig. 71); derselbe besteht aus vier langgestreckten, breiten und flachen Zellen mit länglichem, spindeligen Kern, der auf den Präparaten nach Entfernung des Pigmentes deutlich hervortritt (Fig. 68 und 69). Hier lassen sich die Augen von Hypsicomus stichophthal- mus gut anreihen, die den vorigen im Bau ganz ähnlich sind. Die Anordnung freilich ist hier eine ganz andere: wie schon oben ge- schildert, stehen diese Augen gesondert, aber zu Reihen neben einander. Innerhalb der Reihe aber weichen die Augenachsen strahlig aus einander (Fig. 72), so dass das Sehfeld der Augen insgesammt ein möglichst großes ist — ein Vortheil, der ja bei den zusammengesetz- ten Augen in noch höherem Maße erreicht wird. Die gleiche Anord- nung, doch in noch größerer Ausdehnung, beschreibt EHLERS (12a, p. 272f.) von Hyps. eircumspiciens Ehl. Den Hinweis auf diese Form verdanke ich der Güte des Herrn Geheimrath EHLERS. Die Augen bestehen auch hier aus einer Sehzelle und der sie umgebenden Pigmenthülle. Die Sehzelle hat gegen die Cutieula zu einen fast cylindrischen, nach hinten ein wenig verjüngten linsen- Unters. über die Organe der Lichtempfindung bei nied. Thieren. V. 505 artisen Körper abgesondert (Fig. 73 2), der mit breiter Fläche mit der Cutieula verwachsen ist; die Cuticula ist an dieser Stelle ein wenig vorgewölbt. Die inneren Theile dieses Körpers färben sich etwas dunkler als die äußeren, doch ist keine scharfe Grenze zwi- schen beiden vorhanden. Dicht unter dem Innenende des licht- brechenden Körpers findet sich in der Zelle eine Bildung, die völlig dem oben beschriebenen lichtpereipirenden Apparat von Sabella reni- formis gleicht, nur dass sie hier größer und daher viel deutlicher ist als dort (Fig. 73 a und d): auf Medianschnitten ist ein matt gefärbter Achsenstrang, zu dessen beiden Seiten Streifen von etwas dunklerer Färbung verlaufen, die aus vielen kleinen Stiftchen bestehen; hier sieht man von jedem Stiftehen ein Fäserchen zum Achenstrang ver- laufen; Querschnitte geben entsprechende Bilder (Fig. 74). Kurz, es ist ein Cylindermantel von Stiftchen in der Peripherie der Zelle ge- legen; deren jedes sendet ein Fäserchen zum Achsenstrang, der wahrscheinlich durch die Vereinigung dieser Fäserchen gebildet wird. — Die Sehzelle biegt dann um, so dass ich den Kern und das verjüngte Ende der Zelle nicht im Zusammenhang mit dem pereipirenden Apparat zu sehen bekam. Der Kern einer Sehzelle ist es wahrscheinlich, der in Fig. 73 a in der Nähe des Pigment- mantels rechts unten liegt (sz%). Die Pismenthülle, die die Sehzelle umgiebt, besteht aus mehreren flachen Pigmentzellen, durch deren Auseinanderweichen am äußeren Ende eine Art Zackung entsteht.: Die Kerne der Pigmentzellen kann man in Folge ihres starken Lichtbrechungsvermögens schon am frischen Präparate erkennen (Fig. 72 pk); auf Schnitten färben sie sich mit Hämalaun dunkelblau. Die umliegenden Epithelzellen werden durch das Auge vielfach zur Seite gedrängt und zu Gestaltsveränderungen veranlasst; sie treten aber sonst in keine Beziehung zu demselben. Bei Protula protula und Vermilia infundibulum finden sich epitheliale Augen, bei denen die linsenartigen Körper in der Sehzelle eben so gebaut sind, wie bei Sabella reniformis. In Mace- rationspräparaten, die ich von Protula anfertigte (Fig. 76), blieben die Linsen mittels eines feinen Stranges fest an der Cuticula haften. Über den feineren Bau der Sehzellen und ihrer Pigmenthülle habe ich sonst nichts feststellen können. Bei Dasychone lueullana und Myxicola infundibulum konnte ich nur aus der Beobachtung am frischen Präparat schließen, dass wir es hier mit ähnlichen Augen zu thun haben, wie bei den bisherigen Arten. Die Elemente sind von so geringer Größe und so 806 Richard Hesse, verstreut, dass ihrer Untersuchung auf Schnitten große Schwierig- keiten entgegenstehen. Auch über die zusammengesetzten Augen an den Kiemen von Dasychone kann ich keine näheren Angaben machen. Die Augen, die auf die Segmente des Körpers zu zweien oder mehreren vertheilt sind, lassen deutlich erkennen, dass wir es nicht mit einem seschlossenen Pigmentbecher, sondern mit einer verhältnismäßig kur- zen Pigmentröhre zu thun haben, die unten offen ist (Fig. 77 a—c). Bei allen den besprochenen Thieren sind die Augen schon länger bekannt und in den systematischen Werken ihrer Lage und äußeren Gestalt nach ge- schildert, eine eingehende histologische Untersuchung haben sie jedoch erst durch ANDREWS (2) erfahren. Was seine Schilderung der Augen von Sabella (Potamilla) reniformis anbetrifft, so stimme ich in vielen Punkten mit ihm über- ein. Nur zwischen dem lichtbrechenden Körper und dem Kern der Sehzelle konnte ich jene runden Scheiben nicht erkennen, die er schildert und abbildet; dort liegt eben der oben beschriebene lichtbrechende Apparat, von dem An- DREWS nichts gesehen hat. — Von Hypsicomus scheint ANDREWS eine andere Art untersucht zu haben; denn er findet, dass die Achsen der Augen meist der Längsrichtung des Kiemenstämmchens parallel sind, was bei dem von mir untersuchten H. stichophthalmus nicht zutrifft; auch giebt er eine weit größere Zahl von Augen für einen Kiemenstamm an, als ich gefunden habe. Ferner findet ANDREWS hier hinter dem lichtbrechenden Körper der Sehzelle einen runden, in Hämatoxylin nicht färbbaren stark lichtbrechenden Körper. Von einer Betheiligung der die Sehzelle umgebenden Epithelzellen an der Bildung des Pigmentmantels und gleichsam einer Einstülpung dieser Zellen kann ich keine Spur bei der von mir untersuchten Art erkennen. Die Verhältnisse, wie ich sie geschildert habe, liegen dort so klar zu Tage, dass kein Zweifel da- segen aufkommen kann. — Wie bei Branchiomma, kommen also auch bei Hypsi- comus, Leptochone, Myxicola, Protula und Vermilia zweierlei Sehorgane vor. Es ist mir von Wichtigkeit, dass nach meinen Befunden in den Augen von Branchiomma, Sabella und Hypsicomus ein nach den gleichen Grundzügen gebauter lichtpereipirender Apparat vorhanden ist. Über die Vergleichspunkte dieser Einrichtungen mit denen in den Sehzellen der Becheraugen habe ich schon gesprochen; auch die Verhältnisse bei den Kopfaugen von Branchiomma und dem Siphono- stoma-Auge lassen sich mit jenen Sehzellen vergleichen. Ein Befund stützt hier den anderen: sie alle weisen auf ähnliche Grundeinrich- tungen in den Elementen der Sehorgane hin. Die nähere Besprechung dieser Frage verspare ich mir auf ein Schlusskapitel. D. Versuche über die Lichtempfindlichkeit bei limivoren Anneliden. An verschiedenen Limivoren habe ich Versuche über ihre Licht- empfindlichkeit angestellt, die ich hier im Zusammenhange be- sprechen will, Unters. über die Organe der Lichtempfindung bei nied. Thieren. V. 507 Von Branchiomma vesiculosum erwähnt CLAPAREDE (10), dass dessen »Sehschärfe« sehr groß ist, und die geringste Bewegung der Hand oder des Kopfes das Thier schleunigst in seine Röhre zurückschnellen lässt. Ich kann das vollständig bestätigen. Meine Versuche wurden so angestellt, dass ein Gefäß völlig gegen Licht abgeschlossen wurde bis auf die dem Fenster zugekehrte Seite und eine mäßige Öffnung im Deckel, die zur Beobachtung der Versuchs- thiere diente. Das Gefäß empfing diffuses Tageslicht von Norden her, Wärmewirkung war ausgeschlossen. Schon wenn ich den Kopf der Beobachtungsöffnung näherte und dadurch eine geringe Ver- dunkelung bewirkte, zuckten die empfindlichsten Thiere in die Röhre zurück; alle thaten dies bei Beschattung, die durch Vorbeiführen der Hand oder eines breiteren Gegenstandes vor der Lichtseite be- wirkt wurde. Hatten sich jedoch die Thiere bei völliger Verdun- kelung ausgestreckt und es wurde das Gefäß plötzlich belichtet durch Fortnehmen der verdunkelnden Pappplatte von der Lichtseite, so blieben sie ruhig ausgestreckt, ohne irgendwie zu reagiren. Sie sind also skioptisch nach NAGEL’s Bezeichnungsweise. Darauf schnitt ich einem Exemplar die Spitzen der Kiemen mit den Augen ab, und brachte es Tags darauf mit drei unverletzten in mein Versuchsgefäß; es schien vollkommen erholt, hatte sich eine neue Röhre gebaut und streckte das Vorderende aus dieser hervor unter Ausbreitung des Kiemenkranzes. Bei Beschattung des Gefäßes zogen sich die drei unverletzten Stücke sofort zurück, das geblendete behielt den Kiemenkranz ausgebreitet und zeigte keine Reaktion, auch nicht bei völliger Verdunkelung. Mehrfache Wiederholung führte zum gleichen Ergebnis. Übrigens reagirte das geblendete Thier auch gegen mechanische Reize schwächer als die anderen, schien also doch etwas angegriffen — oder sollten die Kiemenspitzen zugleich der Sitz feinen Tastgefühls sein? — Bei späteren Ver- suchen hatte ich unter drei geblendeten Thieren eines, das auf Be- schattung schnell und regelmäßig reagirte. Ein zurückgebliebenes Kiemenauge konnte ich bei ihm nicht entdecken; die Reaktion ist also wohl auf Rechnung der Kopfaugen zu setzen. Bei Gelegenheit dieser Versuche machte ich die Beobachtung, dass sich die abgeschnittenen Kiemenenden mit den Augen sehr schnell neubilden: schon nach drei Tagen waren die Anfänge der Augen wieder zu bemerken, nach sieben Tagen waren sie schon ziemlich groß. Bei einer Anzahl geblendeter Thiere, die ich im durchlüfteten Glase bei völligem Abschluss von Licht hielt, waren nach sieben Tagen die Augen eben so weit neugebildet und eben sa 508 Richard Hesse, pigmentirt wie bei den gleichzeitig geblendeten Stücken, die ich im Hellen gehalten hatte. Als außerordentlich empfindlich gegen Lichtwechsel erweist sich Serpula contortuplicata. Das Vorüberführen der Hand vor einer Schale mit Serpulen genügt, um all die rothen Kiemenkronen sofort verschwinden zu machen; aber nicht auf lange; sie kommen alsbald wieder hervor, oft sofort nach dem Einziehen, und man kann den Versuch viele Male hinter einander mit dem gleichen Erfolg wieder- - holen. Auch wenn sie des Abends bei Lampenlicht mit ausgestreck- ten Kiemen daliegen, zucken sie plötzlich ein, wenn man die Hand vor das Licht hält. — Die meisten reagiren auch sofort, wenn man mit einem Spiegel Sonnenlicht auf sie wirft; bei anderen erfolgt das Einziehen erst, wenn man durch Drehen des Spiegels das Licht mehrmals über sie hinstreichen lässt. Diese Thiere also, bei denen wir an den Kiemen keine Augen kennen, die nur mit den oben beschriebenen Sehorganen am Gehirn ausgerüstet sind, erweisen sich als eben so lichtempfindlich wie die augenreichen Branchiomma. Die Reaktion auf Lichtreize hängt eben nicht von der Sehschärfe ab; sie ist eine Lebensgewohnheit, und es ist sehr wohl denkbar, dass Thiere mit scharfen, bildwahrnehmenden Augen träge reagiren, während solche mit ganz geringfügigen Seh- organen, die nur verschiedene Helligkeitsgrade unterscheiden können, äußerst empfindlich gegen Lichtwechsel sind. Bispira voluticornis zog auf plötzliche Beschattung den Kiementrichter sofort ein; als das Thier bald darauf wieder hervor- kam, gelang der Versuch wiederum. Bei öfterer Wiederholung je- doch reagirte sie nicht mehr. Das sind ähnliche Ergebnisse, wie sie NAGEL von der verwandten Spirographis Spallanzanii mittheilt. Die schon von RyDEr (Science 1863) beobachtete Lichtempfindlichkeit von Serpula contortuplicata wurde von RAwITz (46) bestätigt. RAwırz vergleicht mit dem Verhalten dieser Art das von Protula und folgert, dass diese licht- empfindlicher sei, weil sie nach Beschattung stundenlang in der Röhre bleibt, während jene alsbald wieder hervorkommt. Die Thatsache kann ich nach meinen Versuchen völlig bestätigen, die Folgerung muss ich bestreiten: man kann hier nur einen Schluss auf das Temperament der beiden Arten ziehen: Serpula ist eben lebhafter als die träge Protula, nicht aber weniger licht- empfindlich. Bei Spirographis konnte RAwırz keine Reaktion auf Beschattung feststellen; NAGEL (42) dagegen erhielt eine solche; der positiven Angabe muss hier die negative weichen. Dagegen vermochte NAGEL bei Serpula und Pro- tula keine Äußerungen des Lichtsinnes zu finden, was mich Wunder nimmt bei der großen Empfindlichkeit, die ich in Übereinstimmung mit RAawırz dort sefunden habe. ANDREWS (2) giebt an, dass Hydroides dianthus Verrill auf Unters. über die Organe der Liehtempfindung bei nied. Thieren. V. 509 Beschattung sofort reagirt und Herrn Dr. Lo Branco verdanke ich die Mitthei- lung, dass nach seinen Erfahrungen Hydroides uneinata eine hochgradige Empfindlichkeit gegen Beschattung zeigt. Die Terebelliden Amphitrite rubra und A. variabilis strecken im Dunkeln ihre Tentakeln weit vor und breiten ihre verästelten rothen Kiemen aus. Bei plötzlicher Belichtung ziehen sie die Kiemen ganz ein, die Fühler werden nur wenig zurückgezogen; die Reaktion erfolgt nach einer Latenzzeit von etwa einer Sekunde. Bei den am Licht liegenden Thieren sind die Tentakeln ausgebreitet, die Kiemen dagegen meist eingezogen. An Arenicola Grubei machte ich folgende Beobachtungen: ein Thier, das sich in dem Schlamm eingegraben hatte, kam im ver- dunkelten Glase ganz aus dem Schlamme heraus; bei Belichtung zeigte es sich unruhig und zog schließlich nach einer kleinen Latenz- periode das Vorderende langsam zurück. Die gleiche Beobachtung konnte ich oft wiederholen; wenn sich ein Wurm ganz verbergen konnte, wurden die dem Lichte ausgesetzten Körpertheile vollkommen zurückgezogen. — Um die Reaktionen noch deutlicher zu machen, sperrte ich einen Wurm in eine mit Seewasser gefüllte Glasröhre, deren einzelne Theile ich durch angebrachte röhrenförmige Schieber beliebig belichten oder verdunkeln konnte, eine Vorrichtung, die ich bei meinen Versuchen mit dem Regenwurm (21 I) mit Vortheil an- gewendet hatte. Wurde das Kopfende dem Lichte ausgesetzt, während der übrige Körper im Dunkeln war, so zog der Wurm dasselbe zu- rück, zwar nicht so schnell wie es der Regenwurm thut, doch immer- hin bei ?/, em vorgestrecktem Kopfende in 4—5 Sekunden. Eine angefangene Fortbewegung wird unterbrochen, wenn eine belichtete Stelle in der Bewegungsriehtung auftritt. Das Einziehen des be- lichteten Schwanzendes erfolgt viel langsamer als das des Kopfendes. Die zuletzt mitgetheilten Versuche an Amphitrite und Arenicola haben ein besonderes Interesse desshalb, weil bei diesen Thieren bisher noch keine Augen gefunden sind. Es wäre freilich übereilt, daraus den Schluss zu ziehen, dass ihnen specifische Organe der Licehtempfindung überhaupt fehlen, und dass diese Empfindung bei ihnen auf andere Weise zu Stande kommen müsse. Freilich ist das Auffinden von Lichtempfindungsorganen sehr erschwert, wenn diese kein Pigment enthalten; das Pigment ist sonst gewöhnlich der Führer. Wie schwierig es ist, ohne diese Führung Augen auf Schnittpräparaten aufzufinden, zumal wenn sie verstreut stehen, das konnte ich bei der Untersuchung der Kiemen von Protula protula empfinden, wo das 510 Richard Hesse, röthliche Pigment der Augenhiülle durch den Alkohol entfernt wird und ich zunächst lange Zeit vergeblich suchte, bis mich die Unter- suchung frischer Thiere auf den rechten Weg führte. Wenn man vollends nicht weiß, ob die Organe der Lichtempfindung in der Epi- dermis, im Bindegewebe oder im Gehirn liegen, so steigt die Schwierig- keit für das Aufsuchen ins Unendliche. Da muss schon ein günstiger Zufall zu Hilfe kommen — dann wird man wohl auch bei diesen Formen Sehorgane auffinden. Tübingen, Anfang September 1898. Verzeichnis der angeführten Werke, 1. E. A. ANDREWS, On the Eyes of Polychaeta. A preliminary communica- tion. in: Zool. Anzeiger Bd. XIV. 1891. Nr. 371. 2. Ders, Compound Eyes of Annelids. in: Journ. of Morphology. Vol. V. No. 2. 1891. 3. Ders., On the Eyes of polychaetous Annelids. Ebenda. Vol. VII. 1892. 4. St. ArAtHyY, Das leitende Element des Nervensystems und seine topo- graphischen Beziehungen zu den Zellen. Erste Mittheilung. in: Mit- theilungen aus der Zool. Station zu Neapel. Bd. XII. 1897. 5. Ep. BERANECK, Embryog£nie et Histologie de l’Oeil des Aleiopides. in: Revue Suisse Zoologique. T. I. 1893. 6. F. BRAEMm, Zur Entwicklungsgeschichte von Ophryotrocha puerilis Clap.- Mecz. in: Diese Zeitschr. Bd. LVII. 1893. 7. C. BRUNOTTE, Recherches anatomiques sur une espece du genre Bran- chiomma. in: Travaux de la Station Zool. de Cette. Nancy 188S. 8. J. CARRIERE, Die Sehorgane der Thiere. München u. Leipzig 1885. 9. J. CHarın, Recherches pour servir a l’histoire du batonet optique chez les crustac6s et les vers. IIe partie. Annales des sciences nat. 6. Ser. I. VI. 1878. 10. ED. CLAPAREDE, Les Annedlides chetopodes du golfe de Naples. 2 Bände u. Supplement. 1868 u. 1870. 11. Ders., Glanures zootomiques parmi les Ann&lides de Port-Vendres. Geneve 1863 (Extrait des Me&moires de la Soc. de Physique de Geneve. T. XVII. 1863). 12. E. EHLERS, Die Borstenwürmer. Leipzig 1864—1868. 12a. Ders., Florida-Anneliden. in: Mem. of the Museum of Comp. Zool. at Har- vard College. Vol. XV. 1887. 13. H. Eısı@, Monographie der Capitelliden des Golfes von Neapel. in: Fauna u. Flora des Golfes von Neapel. 16. Monogr. 1887. 14. J. FRAIPONT, Le genre Polygordius. Ebenda. 14. Monogr. 1887. 15. V. GRABER, Untersuchungen über die Augen der freilebenden marinen Borstenwürmer. in: Arch. f. mikr. Anat. Bd. XVII. 1880. 16. R. GREEFF, Untersuchungen über die Aleiopiden. in: Nova Acta der kais. Leop.-Carol. Akad. der Naturforscher. Bd. XXXIX. Nr. 2. 1876. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24, 25. 26. 27. 28. 29: 30. 31. 32. 38. 34. 39. 36. 37. 38. 39. Unters. über die Organe der Lichtempfindung bei nied. Thieren. V. 511 H. GRENACHER, Abhandlungen zur vergleichenden Anatomie des Auges I. Die Retina der Cephalopoden. in: Abhandl. d. Naturf. Gesellsch. zu Halle. Bd. XVI. 1884. B. HALteR, Die Textur des Centralnervensystems höherer Würmer. in: Arbeiten aus dem Zool. Institut Wien. Bd. VIII, 2. Heft. 1889. B. HATScHER, Studien über die Entwicklungsgeschichte der Anneliden. Ebenda. Bd. I. 1878. Ders., System der Anneliden. in: »Lotos«. 1893. R. Hesse, Untersuchungen über die Organe der Lichtempfindung bei nie- deren Thieren. I. Die Organe der Lichtempfindung bei den Lumbri- eiden. in: Diese Zeitschr. Bd. LXI. 1896. — II. Die Augen der Plathel- minthen, insonderheit der tricladen Turbellarien. Ebenda. Bd. LXII, 1897. — IV. Die Sehorgane des Amphioxus. Ebenda. Bd. LXIII. 1898. ET. JoURDAN, Etude anatomique sur le Siphonostoma diplochaetos Otto. in: Annales du Mus£e d’histoire nat. de Marseille. Zoologie. T. III. 1887. J. JovEux-LAFFUIE, Etude monographique du Chötoptere (Ch. variopeda- tus Ren.). in: Arch. de Zool. experiment. et gen. 2e serie. T. VIII. 1890. J. VON KEnNEL, Die Ableitung der sog. einfachen Augen der Arthropoden, nämlich der Stemmata der Insektenlarven, Spinnen, Skorpioniden ete. von Augen der Anneliden. in: Sitzungsber. der Naturforscher-Gesell- schaft bei der Universität Dorpat. Bd. VII. 1889. Ders., Ableitung der Vertebratenaugen von den Augen der Anneliden. Dorpat 1891. N. KLEINENBERG, Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopado- rhynchus. in: Diese Zeitschr. Bd. XLIV. 1886. A. KÖLLIKER, Über Kopfkiemer und Augen auf den Kiemen. in: Diese Zeitschr. Bd. IX. 1856. E. KORSCHELT, Beiträge zur Morphologie und Physiologie des Zellkerns. in: Zool. Jahrbücher. Abth. f. Anatomie. Bd. IV. 1389. Ders., Über Ophryotrocha puerilis. in: Diese Zeitschr. Bd. LVII. 1893. A. KrRoHn, Zoologische und anatomische Bemerkungen über die Alciopi- den. in: Archiv für Naturgeschichte. 11. Jahrg. 1845. M. von LENHOSSEK, Zur Kenntnis der Netzhaut der Cephalopoden. in: Diese Zeitschr. Bd. LVIII. 1894. M. LessonA, Sull’ anatomia degli Polioftalmi. in: Memorie della R. Accad. delle Scienze. Torino. Ser. II. T. XXXV. 1884. R. LEUCKART, Zur Kenntnis der Fauna von Island. in: Arch. f. Natur- geschichte. 15. Jahrg. 1849. F. LevypiG, Anatomische Bemerkungen über Carinaria, Firola und Amphi- cora. in: Diese Zeitschr. Bd. III. 1851. Ders., Lehrbuch der Histologie des Menschen und der Thiere. 1857. S. Lo Bıanco, Gli Annelidi tubicoli nel golfo di Napoli. in: Atti della R. Accad. delle Scienze fisiche e matemat. Ser. 2. Vol. V. No. 11. MARIoN et BOBRETZEKY, Annelides du golfe de Marseille. in: Ann. des sciences natur. 6. ser. T. II. 1875. = Er. Mecznıkow, Beiträge zur Kenntnis der Chätopoden. I. Über die Gat- tung Fabrieia (Amphicora). in: Diese Zeitschr. Bd. XV. 1865. ED. Meyer, Zur Anatomie und Histologie von Polyophthalmus pietus Olap. in: Arch. f. mikr. Anatomie. Bd. XXI. 1882. 912 Richard Hesse, 40. Ep. MEYER, Studien über den Körperbau der Anneliden. in: Mitth. aus d. Zoo!. Station zu Neapel. Bd. VII u. VIII. 1887 u. 1888. 41. JoH. MÜLLER, Memoire sur la structure des yeux chez les Mollusques gasteropodes et quelques Annelides. in: T.’.XxXII2 1831. Ann. des sciences nat. 42. W. NAGEL, Der Lichtsinn augenloser Thiere. Jena 1896. 43. A. DE QUATREFAGES, Etudes sur les types inferieures de l’embranchement des Annel&s: Me&moire sur la famille des Polyophthalmiens. in: Ann. des sciences nat. 3e serie. T. XIII. 1850. 44. Ders., M&moire sur les organes des sens chez les Annelides. Ebenda. 44a.E. G. RAcoVITzaA, Lobe c&phalique et enc&phale des Polychetes. in: Arch. Zool. exper. et gen. 3. ser. T. IV. 45. H. RATHKE, De Bopyro et Nereide. Rigae 1837. 46. B. Rawıtz, Gegensätzlichkeit in der Ausbildung speeifischer Sinnes- und Drüsenapparate. in: Sitzungsber. d. Ges. Naturforschender Freunde, Berlin, vom 18. Juli 1893. 47. K. E. SCHREINER, Histologische Studien über die Augen der freilebenden marinen Borstenwürmer. in: Bergens Museums Aarbog. 1897. Nr. 8. 48. A.E. SHmipLEY, On Phymosoma varians. in: Quarterly Journal of micer. Science. 2. series. Vol. XXX1. 1890. 49. J. W. SPENGEL, Oligognathus Bonelliae, eine schmarotzende Eunieide. in: Mitth. aus d. Zool. Station zu Neapel. Bd. III. 1881. 50. R. WAGNER, Lehrbuch der vergleichenden Anatomie. Bd. I. 1834. Erklärung der Abbildungen. Die an den Pfeilen angebrachten Abkürzungen bedeuten: dors, dorsad; ventr, ventrad; dist, distad; med, mediad; rostr, rostrad; caud, caudad. Sonstige Abkürzungen: au, Auge; bg, Bindegewebe; bgf, Blutgefäß; bgk, Kern einer Bindegewebszelle; bm, Basalmembran; bstr, Bauchganglienkette; c, Cuticula; da, Darm; dz, Sekretzelle; dk, Kern einer Sekretzelle; ep, Epidermis; epk, Kern einer Epidermiszelle; 9, Gehirn; Gr.O, GREEFF'sches Organ des Alcio- piden-Auges; kn, Knorpelgerüstdes Kiemenapparates; !, linsenartiger Körper; li, liehtbrechender Körper; m, Muskel; n, Nerv; nst, Nervenstrang; p, Pigmentfleck; pk, Kern der Pigmentzelle; pm, Pigmentmasse; pz, Pigmentzone; sbl, Sekretbläschen (an den Augen von Polyophthalmus) ; sn, Sehnerv; st, Sehstäbchen; sti, Stiftehenbesatz der Sehzelle; sz, Sehzelle; szk, Kern der Sehzelle; xk, Zellkern. Unters. über die Organe der Lichtempfindung bei nied. Thieren. V. 513 Tafel XXI. Fig. 1. Vorderes (4) und hinteres (2) Auge von Nereis cultrifera, auf einem dorsoventralen Längsschnitt durch den Kopf. Vergr. 230fach. _ Fig. 2. Ein Stück der Augenwandung von Nereis eultrifera im Me- dianschnitt. Vergr. 760fach. Fig. 3. Ganglienzellen mit zwei Kernen aus dem Ganglion opticum eines Vorderauges von Nereis ceultrifera. Vergr. 600fach. Fig. 4. Schnitt durch ein hinteres Auge von Nereis altern an dessen lichtbrechendem- Körper die faserige Zusammensetzung deutlich hervor- tritt. Vergr. 400fach. Fig. 5. Kerne aus der Füllmasse eines Auges von Nereis eultrifer 2. Vergr. 100fach. Fig. 6. Linkes Auge von Nereis pelagica (epitoke Form) im Median- schnitt. Vergr. 100fach. Fig. 7. »Pupille< des in voriger Figur abgebildeten Auges, stärker (380- fach) vergrößert. Fig. 8. Querschnitt durch die Stäbchen von Nereis pelagica (epitoke Form). Vergr. 760fach. Fig. 9). Medianer Schnitt durch die »Pupille« des Auges von Eunice torquata. Vergr. 430fach. Fig. 10. Schnitt durch die Retina vonEunicetorquata. Vergr. 70(fach. Fig. 11. Medianschnitt durch das Auge von Syllis aurantiaca. Vergr. 740fach. Fig. 12. Hinteres Auge von Hesione sicula im Medianschnitt. Vergr. 300fach. Fig. 13. Flächenschnitt durch die Retina von Hesione sicula. Der Schnitt geht etwas schräg und trifft links die »Stäbchen«, rechts die Körper der Sehzellen; er zeigt unzweideutig,. dass auch diese mit Pigment gefüllt sind. Die dunkeln Punkte zwischen den Stäbehen sind Querschnitte der Sekrettäden, die zur Fiillmasse verlaufen. Vergr. 70ufach. Fig. 14. Große (Ganglien-?) Zelle aus der Nachbarschaft des Auges von Hesione sicula. Vergr. 700fach. Fig. 15. Auge von Phyllodoce laminosa im Medianschnitt. Vergr. 300fach. Fig. 16. Stäbchen von Phyllodoce laminosa. a, im Längsschnitt, db, im Querschnitt. Vergr. 700fach.. Tafel XXIII. Fig. 17. Medianschnitt durch ein segmentales Auge von Lysidice viri- dis. Vergr. 400fach. Fig. 18a,d,c. Drei Querschnitte durch die Sehzellen eines Auges von Lysidice viridis; a ist der distalste Schnitt, unmittelbar unter der Cuticula, db der nach innen darauf folgende; der Schnitt ce verläuft proximal von den Kernen der Sehzellen. Vergr. 700fach. Fig. 19. Distaler Theil der Sehzellen und Linse des Auges von Lysi- dice viridis (9). Vergr. 700fach. Fig. 20. Auge von Vanadis formosa, nach mehreren benachbarten Schnitten zusammengestellt. Vergr. 100fach. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXV. Bd. 34 514 Richard Hesse, Fig. 21. Stück der Retina von Aleiopa cantrainii im Querschnitt. Vergr. 800fach. Fig. 22. Einzelne Stäbchen von Aleiopa cantrainii. a—c im Längs- schnitt, d im Querschnitt. Vergr. 1000fach. Fig. 23. Stück der Cornea und der anliegenden Augenwand aus einem Medianschnitt des Auges von Aleiopa eantrainii. Vergr. 700fach. Fig. 24. GREEFF’sches Organ aus dem Auge von Vanadis formosa. Vergr. 700fach. Fig. 25. Glaskörperdrüse aus dem Auge von Vanadis formosa. Vergr. 500fach. Fig. 26. Seitlicher Flächenschnitt durch die Cornea des Auges von Alciopa eantrainii. Vergr. 400fach. Fig. 27. Rechtes Auge einer Aleiopa cantrainii; bei auffallendem Lichte zeigen sich auf der Oberfläche helle glänzende Streifen, welchen Muskel- fasern entsprechen. Nach dem frischen Objekte gezeichnet. Vergr. 110fach. Tafel XXIV. Fig. 28. Horizontalschnitt durch das Gehirn von Notomastus linea- tus (kombinirt). Der Schnitt geht etwas schräg, so dass die linke Seite an einer höheren Stelle getroffen ist als die rechte. Vergr. 400fach. Fig. 29. Kopflappen von Notomastus lineatus mit Gehirn und Augen; gepresst. Vergr. 6öfach. Fig. 30. Hälfte eines Querschnittes durch das Vorderende von Protula protula mit Gehirn und Augen. Vergr. 100fach. Fig. 31. Einige Becheraugen von Protula protula. Vergr. 800fach. Fig. 32. Theil des Gehirns mit Augen von Amphiglena mediterra- nea. Vergr. 400fach. Fig. 33. Pigmentfleck (vier Augenbecher) aus dem Gehirn von Salma- cina incrustans. Vergr. 350fach. Fig. 34. Vorderes Auge von Spio fuliginosus, Medianschnitt. Vergr. 700fach. Fig. 35. Hinteres Auge von Spio fuliginosus, Medianschnitt. Vergr. 700fach. Fig. 36. Medianauge aus dem Gehirn von Polyophthalmus pietus. Vergr. 70ufach. Fig. 37. Kleineres (vorderes) Seitenauge von Polyophthalmus piectus. Vergr. 900fach. Fig. 38. Seitenauge von Polyophthalmus pictus, aus einem dorso- ventralen Längsschnitt durch den Wurm. Vergr. 750fach. Fig. 39. Seitenauge von Polyophthalmus pietus. Vergr. 800fach. Fig. 40. Oberer Theil eines Seitenauges von Polyophthalmus, etwa senkrecht zur Augenachse geschnitten. Vergr. 700fach. Fig. 41. Seitenauge von Armandia polyophthalma. Vergr. 800fach. Fig. 42. Querschnitt durch das Vorderende von Dialychone acustica mit dem Gehirn (g) und Sehzellen (sz). Vergr. 60fach. Fig. 43. Sehzelle von Dialychone acustica. Vergr. 800fach. Fig. 44. Schnitt durch die Sehzellengruppe einer unbestimmten Art (Chone sp.?). Vergr. 400fach. Unters. über die Organe der Lichtempfindung bei nied. Thieren. V. 515 Tafel XXV. Fig. 45. Augen vom Kopfe einer Polydora-Larve (rechte Seite); nach einem frischen, mit Essigsäure behandelten Präparat. Vergr. 400fach. Fig. 46. Rechtes Auge von Ophryotrocha puerilis, nach einem fri- schen mit Essigsäure behandelten Präparat. Vergr. 400fach. | Fig. 47. Ein gleiches, nach einem Flächenschnitt durch den Wurm. (Die Stiftchen sind bei dieser Schnittrichtung nicht getroffen.) Vergr. 400fach. Fig. 48. Auge von Ophryotrocha puerilis, aus einem dorsoventralen Längsschnitt durch das Thier. Vergr. 900fach. Fig. 49. Auge von Ranzania sagittaria. Vergr. 850fach. Fig. 50. Auge von Telepsavus costarum. Vergr. 400fach. Fig. 51. Zwei rechtsseitige Augen von Chaetopterus variopedatus, links die Basis des Fühlers, rechts der Außenrand des Kopflappens. Vergr. 100fach. Fig. 52, Auge von Chaetopterus variopedatus. Vergr. 400fach. Fig. 53. Rechtsseitiges Kopfauge von Branchiomma vesiculosum auf einem horizontalen Längsschnitt durch das Thier. Vergr. 100fach. Fig. 54. Querschnitt durch das Kopfauge von Branchiomma. Vergr. 400fach. Fig. 55. Dessgleichen. Vergr. 400fach. Fig. 56. Zwei Sehzellen aus dem Kopfauge von Branchiomma. Vergr. 625fach. Fig. 57. Querschnitt durch das Pigmentorgan von Spirographis Spal- lanzanii. Vergr. 400fach. Fig. 58. Kopflappen mit Augen von Siphonostoma diplochaetos, nach einem frischen, ein wenig gepressten Präparat. Vergr. 50fach. Fig. 59. Schnitt durch ein Auge von Siphonostoma diplochaetos, parallel zur Augenachse geführt. Der wahrnehmende Theil ist ein wenig sche- matisirt. Vergr. 240fach. Fig. 60. Schnitt durch ein Auge von Siphonostoma diplochaetos, senkrecht zur Augenachse geführt. Vergr. 740fach. Fig. 61. Augenwandung von Siphonostoma diplochaetos, nach Ent- fernung des Pigments. Etwas schematisch. Vergr. 600fach. Tafel XXVI. Fig. 62. Kiemenauge von Branchiomma vesiculosum im Median- schnitt. Vergr. 300fach. Fig. 63. Ein gleiches im Querschnitt. Vergr. 200fach. Fig. 64. Zwei Einzelaugen eines Kiemenauges von Branchiomma nach Entfernung des Pigments. Vergr. 1000fach. Fig. 65. Querschnitt durch eine Sehzelle von Branchiomma. a und b in der Höhe der entsprechend bezeichneten Pfeile an der vorigen Figur. Vergr. 1000fach. Fig. 66. Querschnitt durch ein Kiemenauge von Branchiomma, nach Entfernung des Pigments, etwa in der Höhe des Pfeiles ce an Fig. 64 geführt. Vergr. 1000fach. | Fig. 67. Dessgleichen, etwa in der Höhe des Pfeiles 5 an Fig. 64 geführt. Vergr. 600fach. - Fig. 68. Theil eines Kiemenauges von Sabella reniformis, nach Ent- 34% 516 Richard Hesse, Unters. über die Organe der Lichtempfindung ete. V. fernung des Pigments, im Medianschnitt (Eisen-Hämatoxylinfärbung). Vergr. 700fach. Fig. 69. Entsprechender Querschnitt, in der Höhe des Pfeiles an Fig. 68 geführt. Vergr. 700fach. Fig. ‘0. Zwei Einzelaugen aus einem Medianschnitt durch ein Kiemen- auge von Sabella reniformis (Hämalaunfärbung). Vergr. 700fach. Fig. 71. Entsprechender Querschnitt, in der Höhe des Pfeiles an Fig. 70 geführt. Vergr. 700fach. Fig. 72. Augenreihe vonHypsicomus stichophthalmus im optischen Längsschnitt. Vergr. 160fach. Fig. 73a u. b. Einzelne Kiemenaugen von Hypsicomus, im Median- schnitt. Vergr. 700fach. Fig. 74. Querschnitt durch ein einzelnes Kiemenauge von Hypsicomus. Vergr. 700fach. Fig. 75. Sammelauge von den Kiemen von Protula protula, nach einem frischen Präparate. Man sieht die Zellgrenzen des Kiemenepithels, und darun- ter die mit Pigmentmantel umgebenen Einzelaugen. Vergr. 350fach. Fig. 76. Gruppe der Linsen eines Sammelauges von den Kiemen von Protula protula, an der Köpercuticula hängend. Nach einem Macerations- präparat. Der Pfeil zeigt die Richtung der Kiemenachse. Vergr. 350fach. Fig. 77. Einzelaugen vom Rumpfvon Leptochone aesthetica. a,senk- recht zur Augenachse gesehen; 5, parallel der Augenachse gesehen; rc, ein Doppel- auge, schräg gesehen. Vergr. 350fach. Die Herkunft des Endocardepithels bei Salmo salar. Von Dr. Bernh. Nöldeke, Assistent am zoologischen Institut Straßburg i. Els. Mit Tafel XXVI1. In einem vor zwei Jahren erschienenen Aufsatze! hat Davıporr eine Übersicht darüber gegeben, wie unsicher und wie weit aus einander gehend die Angaben sind, welche die verschiedenen Autoren über die Abstammung der das Endocard bildenden Zellen gemacht haben; bald wird diesen eine mesodermale, bald eine entodermale "Natur zugeschrieben. Wenn auch Davivorr’s Überblick keinen An- spruch auf Vollständigkeit macht, so möchte ich doch ergänzend oder besser berichtigend darauf hinweisen, dass nicht erst 1886 RABL für Salamandra, sondern bereits 1875 GoErrE?* für Bombinator eine entodermale Herkunft des Endocardepithels festgestellt hat. Ganz entsprechende Verhältnisse fand derselbe Autor dann später? bei Petromyzon. Zu einem entgegengesetzten Schluss kommt indessen DaAviDoFF in seiner schon erwähnten Arbeit!. Auch für die Teleostier liegen sich widersprechende Angaben vor, auf die ich weiter unten zu sprechen komme; allerdings neigt auch hier bei Weitem die Mehrzahl der Beobachter dahin, das Endo- cardium auf das Mesoderm zurückzuführen. Indessen erhielt ich bei 1 v. DAvIDoFF, Über die Entstehung des Endocardepithels bei Reptilien. Festschrift für C. GEGENBAUR. 1896. 2 GOETTE, Entwicklungsgeschichte der Unke. 1875. 3 GOETTE, Entwicklungsgeschichte des Flussneunauges. 18. * Wenn MEHNERT in seinem Werk »Biomechanik« (1898) die entodermale Natur des Herzendothels als »strikt erwiesen« ansieht (p. 6), so dürfte das der heutigen Sachlage doch noch nicht entsprechen. Ich brauche außer den von DAvIDoFF sowie von mir eitirten Autoren nur noch zu erwähnen Houssär, RAFFAELE, VAN DER STRICHT, SALENSKY. 518 Bernh. Nöldeke, einem Studium dieser Frage an dem oft untersuchten Salmo salar Resultate, die so sehr von der unter Zoologen und Anatomen ver- breiteten Auffassung abwichen, dass ich sie im folgenden Aufsatze kurz mittheilen möchte. Da für die Frage der Endocardepithelfrage lediglich die vor- derste Körperregion in Betracht kommt, beschränke ich mich natur- semäß bei der Wiedergabe meiner Beobachtung auf die Verhältnisse der Kopfgegend und auch hier, so weit möglich, speciell nur auf die Partie zwischen den beiden ersten Kiemenspalten. Mein Ausgangsstadium (Fig. I) zeigt die drei Keimblätter noch in ihren ursprünglichen Lageverhältnissen; das Entoderm liegt noch in seiner ganzen Ausdehnung dem Dotter auf, so dass das Mesoderm mit diesem nicht in Berührung kommt. Die Keimscheibe bedeckt erst einen kleinen Theil der Dotterkugel; die noch sehr kurze Em- bryonalanlage tritt oberflächlich nur schwach aus ihr hervor, und ist größtentheils, d. h. in ihrer medianen Partie tief in den Dotter eingesenkt, während sie an den Seiten flach auf demselben ausläuft. Das Ektoderm lässt die erste Anlage der Gehörbläschen als Ver- diekungen erkennen; die Augenblasen treten erst als starke, solide Vorwölbnngen aus dem Hirn hervor. Das Entoderm, welches sich nach vorn bis unter die Augenanlage verfolgen lässt, ist in seinen Seitentheilen ein- bis mehrschichtig, während es in dem centralen, die Dotterfurche auskleidenden Theil nur einschichtig ist. An jener Stelle, wo die Umbiegung in die tiefe Einsenkung beginnt, ist bereits eine schwache Auffaltung zu beobachten; sie führt im Laufe der Entwicklung schließlich zur Bildung des Kiemendarmes. Die beiden stärksten, auf der rechten und linken Seite sich je entsprechenden Erhebungen deuten die beiden ersten Kiemenspalten an. Das Meso- derm zeigt in der vorderen Rumpfgegend und im Hinterkopf bereits die Seitenplatten differenzirt; auch ist die Leibeshöhle in diesen be- reits schwach sichtbar. Weiter nach vorm sind die zukünftigen Seiten- oder Pericardialplatten von dem eigentlichen Kopfmesoderm noch nicht scharf geschieden. Dieses unsegmentirte Kopfmesoderm füllt den Raum zwischen Ektoderm, resp. Hirnanlage, Entoderm und Seitenplatten aus und ist in der Gegend der Kiemenspaltenanlagen am schwächsten entwickelt. Die Seitenplatten werden hier, sobald sie sichtbar sind, nieht nur gegen den Dotter hin, d. h. an der Splanchnopleura, sondern in Folge der stärkeren Auffaltung des Ento- derms auch an ihrer medianen Partie, welche ich als Perieardialfalte bezeichnen will. von diesem Keimblatt direkt begrenzt. Dicht hinter Die Herkunft des Endocardepithels bei Salmo salar. 519 - der Anlage der ersten Kiemenspalte ist das Kopfmesoderm wieder stärker entwickelt und keilt sich zwischen der oberen Seitenplatten- wand, der Somatopleura, und dem aufsteigenden Entoderm in stumpfem Winkel ein. Dieses Stadium ist ungefähr mit Ablauf des 11. Tages erreicht. Eine dann sehr bald auftretende Veränderung (Fig. II) zeigt sich an der Embryonalanlage, indem immer noch neue Partien des Ekto- derms in die mächtige Hirnanlage mit einbezogen werden und im Zu- sammenhang hiermit sich eine Verkürzung der flachen Seitentheile ein- stellt; dabei treten auch die Kiemenspaltenanlagen deutlicher hervor. Auf die Weiterentwicklung im Bereiche der zweiten Spalte sei nur kurz hingewiesen. Sehr bald kann man bemerken, dass das Ento- derm seitlich nicht mehr an das Ektoderm herantritt, sondern dass der äußere Theil der Seitenplatte nunmehr direkt dem Dotter auf- liest (Fig. II, >, 3). Je weiter die Entwicklung der Kiemenfalte fort- schreitet, um so stärker beobachten wir diese medianwärts gerichtete Zurückziehung des Entoderms.. Wenn dieses dann an dem Gipfel der Falte mit dem an der betreffenden Stelle verdiekten Ektoderm in Verbindung tritt (Fig. V, 3) und der Durchbruch der Spalte bevor- steht, berührt es den Dotter nur noch unter der Chorda; eine Um- biesung unter die Seitenplatten findet nicht mehr statt. Es schließt sich dann hier der Kiemendarm an seiner ventralen Seite, indem die rechte und die linke ventrale Entodermlamelle sich vereinigen. Die immer mehr medianwärts vordrängenden, mit der Somatopleura dem Entoderm, mit der Splanchnopleura dem Dotter anliegenden Seiten- platten drängen dann das Entoderm ganz vom Dotter ab und treten mit ihren medianen Partien mit einander in Verbindung. In dieser Körperregion bleiben die Grenzen zwischen Ento- und Mesoderm immer scharf, auch verlieren die Entodermzellen nie den Zusammen- hang unter einander. Weniger klar liegen die Verhältnisse in der zwischen den bei- _ den ersten Kiemenspalten gelegenen Region. Während sich hier die Seiten- resp. Pericardialplatten mit dem Cölom bald bis vor die erste Kiemenspalte verfolgen lassen, schreitet die Auffaltung des Entoderms fort, ohne dass hier ein median gerichtetes Zurück- weichen dieses Keimblattes — wie es im Bereiche und hinter der zweiten Kiemenspalte außer Zweifel steht — beobachtet werden kann. Dagegen fällt es auf, wie seine lateralen Flügel ihre obere scharfe Grenze verlieren. Gleichzeitig treten unter der Splanchno- pleura Zellen auf (Fig. III, ı x), welehe nach hinten bereits vor der 520 Bernh. Nöldeke, zweiten Kiemenspalte verschwinden, nach vorn aber in das unseg- mentirte Kopfmesoderm übergehen. Anfänglich scheint dieser Zellhaufen gegen das darunterliegende Entoderm abgegrenzt zu sein, bald aber tritt mehr oder weniger scharf eine Grenze gegen das Mesoderm hervor. Diese wird im folgen- den Stadium schärfer, während irgend eine Abtrennung zwischen den Zellen z und dem Entoderm nicht mehr möglich ist (Fig. IV); vielmehr verläuft das letztere mit seiner unteren Lamelle in der unter den Seitenplatten gelegenen indifferenten Zellmasse, die ich jetzt nach ZIEGLER! als »Herzzellen« bezeichnen will, obwohl, wie wir sehen werden, das Herz nur aus einem Theil derselben gebildet wird; nach vorn stehen die Herzzellen mit dem Kopfmesoderm in Zusammenhang. Erst wenn sich in wenig älteren Stadien die Seiten- platten in der Region vor der ersten Kiemenspalte direkt dem Dotter auflagern, wird dieser Zusammenhang hierdurch aufgehoben. Dann haben auch die Herzzellen an Masse, besonders direkt hinter der ersten Kiemenspalte, zugenommen. Sie vertheilen sich nun mehr unter die lateral- und medianwärts vordringenden Seitenplatten, und dabei erscheint ihr Gefüge durch Auftreten vieler intercellulärer Hohlräume gelockert. Zu dieser Zeit glaubte ich auch vereinzelt die ventrale Entodermlamelle bis auf den Dotter — und zwar median von der Pericardialfalte verfolgen zu können. Aber eine deutliche, scharfe Grenze habe ich an dem untersten Theil nicht zu finden ver- mocht (Fig. V). Wenn sich nun der centrale, dem Dotter anliegende Theil der dorsalen Entodermlamelle von letzterem abgehoben hat, finden wir — noch vor Bildung der ventralen Darmwandung — unter ihm einen Hohlraum, dem die unter den Seitenplatten gelegenen Zellen zuzustreben scheinen (Fig. VI 7). Bald darauf liegt unter der einschichtigen subchordalen dorsalen Entodermlamelle eine kompakte Zellmasse, die einerseits mit Zellen zusammenhängen, die sich auch jetzt noch — aber gegen früher in geringerer Masse — unter den Seitenplatten beobachten lassen, andererseits aber auch in die ven- trale Entodermlamelle übergehen, welche unter der dorsalen Darm- wand noch in keiner Weise gegen die solide Zellmasse abgegrenzt ist (Fig. VO). Außerdem steht sie aber hinter der ersten Kiemenspalte mit der oberen Mesodermmasse durch einen Strang von Zellen in Verbindung, welcher zwischen der Somatopleura und der ventralen ! H. E. ZIEGLER, Die Entstehung des Blutes bei Knochenfischembryonen. Arch. f. mikr. Anat. XXX. 1887. Die Herkunft des Endocardepithels bei Salmo salar. 5231 Entodermlamelle verläuft. Dieser Verbindungsstrang, der bereits in früheren Stadien sich als eine zwischen dem aufsteigenden Entoderm und den Seitenplatten einkeilende Mesodermmasse beobachten lässt, — vgl. das Ausgangsstadium — besteht aus Zellen, die sich mit fortschreitender Entwicklung immer mehr abplatten. Über dem zwischen den Pericardialfalten gelegenen soliden Zell- haufen schließt sich der Kiemendarm, indem immer deutlicher eine Grenze auftritt, welche sich an der unteren Seite -der ventralen Ento- dermlamelle verfolgen lässt. Dann steht jene Zellmasse nur noch mit mesodermalen Elementen in Verbindung. Es bildet sich nun das Endocardium aus, indem sich zwischen diesen Zellen Hohlräume bilden, die mit einander verschmelzen, während die Zellen selbst sich zum Endocardepithel zusammenlegen (Fig. VIII). Nicht unerwähnt will ich lassen, dass ich auf mehreren Querschnitten Bilder erhielt, in denen die Lage der Hohlräume resp. der sich zum Epithel an- ordnenden Zellen auf eine doppelte Anlage des Herzens hinzudeu- ten schien. Um diese Zeit findet man auch im Bereich der zweiten Kiemen- spalte und hinter ihr unter der sich seitlich jetzt weit erstreckenden Splanchnopleura eben solche lockere Zellen, wie wir sie in der Herz- region auf dem Dotter beobachten können. Spätestens mit Ablauf des 15. Tages war die Entwicklung so weit vorgeschritten. So weit die thatsächlichen Beobachtungen. Die Hauptfrage, die sich aus ihnen ergiebt, ist folgende: Woher stammen die Zellen, die wir in der Herzregion während der Bildung der beiden ersten Kiemenspalten unter den Seitenplatten finden? Vermuthlich sind sie zum Theil mesodermalen Ursprungs. Zur Zeit, wo sie auftreten, sind meistens die auf dem Dotter liegen- den Seitenflügel des Entoderms unter ihnen noch deutlich zu er- kennen. Dass sie sich von ihnen abspalten, kann ich desshalb nicht annehmen, weil mir eine Grenze zwischen dem unteren Keim- blatt und den Zellen, wenn sie überhaupt sich zeigt, nur gerade in frühesten Stadien zu Gesichte kam. Dagegen schließe ich daraus, dass zu dieser Zeit eine Abgrenzung gegen die untere Seitenplatte meistens nicht klar zu sehen ist, dass sie sich von dieser abtrennen. Dass sie vorn in das eigentliche Kopfmesoderm übergehen, ist nicht wunderbar, da ja ursprünglich das ganze Mesoderm eine einheitliche Masse bildet. Während nun die Grenze gegen die Seitenplatten immer schärfer hervortritt, verschwindet sie gegen das darunter 922 Bernh. Nöldeke, liegende Entoderm und wir erhalten somit jene einheitliche, indifferente Zellmasse der sogenannten Herzzellen. In der Litteratur findet sich stets angegeben, dass sich das Ento- derm unter den Seitenplatten weg medianwärts zur Bildung des Kopf- darmrohrs zurückziehe. Zweifellos ist das der Fall — wie bereits erwähnt — im Bereich und hinter der zweiten Kiemenspalte. Hier ergeben sich beim Studium so klare Bilder, dass der Vorgang sich so zu sagen Schritt für Schritt verfolgen lässt. Der Verband der Entodermzellen bleibt ein fester, nur ganz vereinzelt trifft man auf eine unter den Seitenplatten gelegene, vielleicht vom Entoderm ab- selöste isolirte Zelle. Dagegen lässt sich in der Herzregion das Entoderm gegen das Mesoderm nur in der gefalteten Partie scharf abgrenzen. Je mehr sich aber die ventrale Lamelle dem Dotter nähert, um so undeutlicher wird die Trennungslinie. Unter diesen Umständen lässt sich eine Zurückziehung, wie ich bereits betont, gar nicht beobachten. Ja, es spricht sogar dafür, dass ein solcher Process überhaupt nicht stattfindet, der ganze Habitus der untersten dem Dotter direkt aufliegenden Zellreihe, welche auch ohne nach oben abgegrenzt zu sein, häufig geradezu wie eine Fortsetzung der ventralen Entodermlamelle aussieht. Man könnte allerdings hierin einfach eine Anpassungserscheinung erblicken und sagen, die sich neu dem Dotter anlegenden Zellen seien bestrebt, eine mehr oder weniger epithelartige Ordnung anzunehmen. Indessen glaube ich nicht, dass der Dotter einen so starken Einfluss ausübt, denn gerade gegen ihn hin sind die Zellgrenzen verhältnismäßig undeutlich. ZIEGLER giebt nun dieser Zellmasse, die er direkt als Herzzellen bezeichnet, einen rein mesodermalen Ursprung. Er beobachtete sie zu einer Zeit, in der die Seitenplatten bereits deutlich differenzirt waren und sogar vor der ersten Kiemenspalte bereits dem Dotter aufliegen (p. 615). Da zu dieser Zeit die obere, über den Seiten- platten gelegene Mesodermmasse durch die zwischen dem aufgefal- teten Entoderm und der Somatopleura gelegenen Zellen mit den Herzzellen in Verbindung steht, nimmt er an, »dass diese Zellen mit den Mesodermzellen des Kopfes gleichartigen Ursprungs sind, sei es dass sie von dort herabwandern auf den Wegen, auf welchen sie mit denselben zusammenhängend gefunden werden, sei es dass sie von Anfang an, das heißt, von der Zeit der Differenzirung des Ento- derms und der Seitenplatten an, an entsprechender Stelle liegen. Am wahrscheinlichsten ist mir, dass die Seitenplatten in solcher Weise in die Mesodermmasse des Kopfes eindringen, dass ein Streifen Ze ya SE = Pe BR DE TTTEME ER er BC 7 SEN er En haslnz 47 rl „aA BE 5 NE ET Sen a2 37 49 3 eu Die Herkunft des Endocardepithels bei Salmo salar. 523 von Zellen jederseits unter sie zu liegen kommt«. Allerdings weist er selbst noch auf eine andere Möglichkeit hin, indem er schreibt: »Die Annahme, dass diese Zellen vom Entoderm stammen oder aus den Seitenplatten ihren Ursprung nehmen, ist schwieriger zu wider- lesen« (als eine etwaige Abstammung von den Dotterkernen). Da ZIEGLER sich auch in dieser Region das Entoderm medianwärts unter den Seitenplatten weg zurückziehen lässt, entging es ihm, dass auch das Entoderm an der Bildung der Herzzellen betheiligt ist. Er ging von zu alten Stadien aus, um die richtige Herkunft ergründen zu können. Seine Figg. 30 und 32 zeigen das Entoderm median von den Seitenplatten auf den Dotter stoßend. So klare Bilder über der- artige Entodermverhältnisse habe ich nicht erhalten; wenn ich aber etwa meine Querschnitte in der Weise deuten konnte, so waren das keineswegs mehr geeignete Ausgangsstadien. Meines Erachtens bestehen also die Herzzellen sowohl aus ento- wie aus mesodermalen Zellen. In einem etwas älteren Stadium hat ihre Masse bedeutend zugenommen. Sie ver- theilen sich dann unter dem medianen Theil der Splanchnopleura, deren äußerer Theil jetzt den Dotter berührt. Ob die Zunahme le- diglich auf einer Vermehrung durch Theilung der ersten Herzzellen beruht oder ob neue Elemente aus dem Dotter zugeführt werden, das habe ich nicht entscheiden können. OELLACHER!, ZIEGLER und HENNEGUY? sprechen sich gegen letztere Annahme aus, haben aber anch keine beweisenden Bilder erhalten können. Am ehesten neigt von ihnen noch OELLACHER dazu, eine Zellabsonderung aus dem Periblast anzunehmen, wobei die betreffenden Zellen wohl in Be- ziehung zur Gefäß- und Blutbildung stehen dürften (p. 88$—89); doch handelt es sich hier unter keinen Umständen um die eigentlichen Herzzellen. Ich kann trotz des Mangels eines strikten Beweises nicht leugnen, dass ich eine Vermehrung der sog. Herzzellen vom Dotter aus für durchaus möglich halte; zu häufig stieß ich auf Bilder, die darauf hinzudeuten schienen °. 1 J. OELLACHER, Beiträge zur Entwicklungsgesch. der Knochenfische etc. Diese Zeitschr. XXIII. 1873. 2 F. Henneguy, Recherehes sur le developpement des poissons osseux. Journ. Anat. Physiol. XXXIV. 1888. 3 Für die Ansicht, dass dem Periblast ein mehr oder weniger wichtiger Antheil an der Embryonalanlage zuzuschreiben sei, sprechen sich mehrere neuere Arbeiten aus. — Lworr, Die Bildung der primären Keimblätter ete. Bull. soc. imp. Naturalistes Moscou. 1894. — .W. BERENT, Zur Kenntnis des Parablastes. Jenaische Zeitschr. XXX. 1896. — W. REINHARD, Die Bedeutung des Peri- blastes ete. Arch. f. mikr. Anat. LII. 1898. 524 Bernh. Nöldeke, Mit ZIEGLER nehme ich nun an, dass die Zellen, welche den durch Abhebung des Entoderms vom Dotter entstandenen Hohlraum ausfül- len, auf diese Herzzellen zurückzuführen sind. OELLACHER hat bei der Forelle die hierdurch entstehende solide Zellmasse als erste Herz- anlage beschrieben und hat vorher unter den Seitenplatten keine Zell- anhäufung beobachtet. Aber er giebt auf seiner Fig. 13 7 trotz der bereits durchbrochenen zweiten Kiemenspalte unter den Pericardial- platten noch eine entodermale Zellenschicht wieder. Wohin soll diese verschwinden? Es scheint mir ganz klar zu sein, dass seine in Fig. 14 abgebildeten Stadien (eines Embryo vom 31. Tage) viel zu alt sind, um als Anfangsstadien gelten zu können. So weit ich aus ÖELLACHER’S Abbildungen schließen kann, glaube ich, dass die entscheidenden Momente zwischen seinen Abbildungen 11 und 12, also ungefähr am 27. Tage liegen müssen. Da mein Forellenmaterial sich leider zweimal nicht entwickelte, habe ich bisher keine eigenen Unter- suchungen machen können, und vermag daher auch kein sicheres Ur- theil abzugeben. ÖELLACHER hat angegeben, dass das Zellmaterial für die erste solide Anlage des Herzens aus dem Kopfmesoderm zwischen Seiten- platten und Kopfdarm hinabwandere. HENNEGUY hat zwar für die Forelle diese Angaben bestätigt, giebt aber ebenfalls für die ersten Stadien keine Figuren. Auch SosorrA! hat sich auf denselben Standpunkt gestellt. Er sagt: »Die Zellmasse zwischen den Peri- cardialblättern stellt das Herzendothel dar, der spaltförmige Hohl- raum die Anlage der Herzhöhle. Das Herzendothel stammt nicht vom Entoderm, wie es um diese Zeit und auch in späteren Stadien immer den Anschein hat. Von den Mesodermmassen vielmehr, in welche die entodermalen Anlagen der Kiemenspalten hineinwachsen, sieht man in geeigneten Stadien der Entwicklung eine Lage platter Zellen sich ablösen und ventral um den Darm herum bis zum Dotter wachsen«»ge- sehen« hat, bleibt mir dieser Satz unklar, nach meiner Erfahrung kann nur konservirtes Material in Frage kommen. Die Herkunft des Endocardepithels bei Salmo salar. 525 spricht er überhaupt nicht. Er scheint wie OELLACHER die »Zell- masse zwischen den Pericardialblättern« als das erste Auftreten der Herzzellen anzusehen. Ich kann ihm dabei in keiner Weise bei- stimmen. Die Lage platter Zellen, deren-Ablösung von dem Kopf- mesoderm ich nicht habe konstatiren können, ist bereits früher und zwar in noch nicht abgeplattetem Zustande an derselben Stelle zu beobachten (Fig. IV, V, VI). Es sind die in Folge der mächtigen Auf- faltung des Entoderms zwischen diesem und den Seitenplatten ein- gekeilten Zellen des Kopfmesoderms. Irgend welche sicheren An- zeichen dafür, dass sie wandern, liegen auf Serien nicht vor — es sei denn, dass man ihre schließlich spindelförmige Gestalt dafür halte. Allerdings kann man häufig während der eigentlichen Endocardaus- bildung solche an einander hängenden spindelförmigen Zellen unter der Splanchnopleura wie auch median von der Pericardfalte bis in den mesodermalen Strang hinein verfolgen und es lässt sich nicht konstatiren, ob diese von dem letzteren oder von unseren Herzzellen abstammen. Aber die eigentliche Herzzellenmasse liegt dann immer noch unter resp. in der subchordalen Partie median von diesen spindel- förmigen Zellen. Ferner deutet der Umstand, dass der Zellverband der Herzzellen im Laufe der Entwicklung sich überaus lockert und dass die Masse der schließlich noch unter der Splanchnopleura gelegenen Zellen sehr abgenommen hat, doch stark darauf hin, dass die Zell- masse zwischen den Pericardialfalten auf diejenige unter der Splanchno- pleura zurückzuführen ist. Diese eingewanderte Zellmasse bildet häufig, wie ÜELLACHER schon betont, eine solide Anlage. Auch in diesem Stadium ist, wie allerdings wohl die meisten Autoren auch zugeben, eine Grenze zwischen dem Entoderm und ihr nicht zu ziehen. Es schließt in der Herzgegend sich jedenfalls der Darm nicht bereits auf dem Dotter, sondern die ventrale Wandung entsteht erst aus einer nachträglichen Verschmelzung der beiden sich entgegenwachsenden Entodermlamellen — oder in Folge einer Einfügung von Zellen aus dem unter dem Darm gelegenen Zellhaufen, den Herzzellen! Die weitere Entwicklung des Herzens ist bekannt. Ich will hier noch darauf hinweisen, dass bereits HEnn&svy auf eine doppelte Herzanlage bei der Forelle aufmerksam gemacht hat. Wie ich oben erwähnt, habe ich mitunter entsprechende Bilder erhalten. Wir haben gesehen, dass nicht alle als Herzzellen bezeichneten Zellen in die solide Herzanlage einwandern. Man könnte vielleicht einen Schritt weiter gehen und sagen, dass in erster Linie vermuthlich 526 Bernh. Nöldeke, die der Medianlinie am nächsten gelegenen Zellen zur Endocard- bildung herangezogen würden; das wäre aber seiner Entstehung nach, falls man keine nachträgliche Vermengung annehmen will, ein Theil der entodermalen Partie.» Aber auf diese bei Salmo jedenfalls nicht zu beweisende rein theoretische Annahme möchte ich mich nicht weiter einlassen. Der Rest der Herzzellen, welcher unter der Peri- cardplatte zurückbleibt, breitet sich nach vorn und vor Allem nach hinten auf dem Dotter aus und steht wohl sicher mit der Gefäß- bildung in Zusammenhang (Fig. VII 3). Der einzige Autor, welcher bisher für Salmo eine entodermale Natur des Endocardiums angegeben hat, ist ©. K. Horrmann!. Nach ihm wird auch nur ein Theil des Entoderms zur Bildung des Kopf- darmes verbraucht. Aus dem Rest dieses Keimblattes, welcher noch als Entoderm des Parablasts unter den Seitenplatten dem Nahrungs- dotter anliegt und aus einer einfachen Schicht stark abgeplatteter Zellen besteht, sollen durch Proliferation die Endocardzellen entstehen. Nähere Angaben liegen nicht vor. Jedenfalls hat auch HorFmAanN diese Zellen erst an ihrem späteren Ort (zwischen den beiden Pericard- falten) beobachtet. Doch stimmen seine Angaben in so fern mit meinen Beobachtungen überein, als er die Herzzellen nicht vom Mesoderm, sondern von den unter den Seitenplatten gelegenen Zellen ableitet. | Es erübrigt uns noch, einige Arbeiten zu besprechen, welche sich nicht mit der Salmonidenentwicklung, sondern mit der anderer Teleostier befassen. Ich nenne zuerst WENCKEBACH? Auch dieser Autor lässt das Herz mesoblastischen Ursprungs sein und giebt an, dass die Herzzellen aus dem Kopfmesoderm um den Darm herum- wandern. Er hat die Einwanderung der betreffenden Zellen an ver- schiedenen lebendigen pelagischen Eiern beobachtet und sie dann auf Schnittserien von Belone-Embryonen bestätigt gefunden. Aber die Beobachtung am lebenden Objekt hat doch Manches gegen sich. Die daran gewonnenen Resultate fallen doch nur scheinbar voll in die Wagschale?”. Und was die Befunde an Schnittserien betrifft, so sind sie leider nicht durch Abbildungen belegt. WENCKEBACH schien es ! C. K. HoFFrMmAnn, Zur ÖOntogenie der Knochenfische. Verh. k. Akad. Wetensch. Amsterdam. XXIII. 1883. 2 K. F. WENCKEBACH, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Knochen- fische. Arch. f. mikr. Anat. XXVIII. 1886. 3 Anders urtheilt W. FeLıx (Beitr. zur Entwieklungsgeseh. der Salmoniden. Anat. Hefte. I. 25. Heft. 1897. p. 361). Die Herkunft des Endocardepithels bei Salmo salar. 527 »>a priori unwahrscheinlich, dass das Herzendothel von dem Epithelien bildenden Hypoblast und nicht vom Mesoblast abzuleiten wäre, in- dem alle übrigen Endothelien doch unzweifelhaft vom Mesoblaste herrühren«. | | UUNNINGHAM! nimmt ganz allgemein bei Teleostiern einen meso- dermalen Ursprung des Herzens an, während C. V. Wırson? die Mittheilung seiner Beobachtungen hierüber zurückhält, da die an Serranus gewonnenen Resultate sich in so vielen Punkten von denen HENNEGUY’S, ZIEGLER’S und ÖOELLACHER’S unterscheiden (p. 259). HOLBROORX ? leitet die Herzzellen bei Gadus von den Urwirbeln ab. Seine Fig. 2 zeigt die Seitenplatten in der Gegend der Hörblasen- anlage direkt dem Dotter aufliegend, während zwischen ihnen der Darm sich zu einem Rohre von kreisförmigem Querschnitt schließt. Sollte hier nicht vielleicht ein zu weit nach hinten gelegener Schnitt genommen sein? Allerdings giebt HOLBROOK besonders an, dass die Herzanlage hinter der Gehörblase liege, ein Verhältnis, wie es sich jedenfalls bei den Salmoniden nicht findet. BoyEr! und Lworr bringen keine näheren Angaben über die Herzbildung. Letzterer bestätigt aber eine Angabe WıLson’s, dass der Darm manchmal geschlossen sei, ehe die seitlichen Entodermzellen verschwunden sind und giebt für Labrax direkt an, dass das seit- liche Entoderm an der Bildung der Darmanlage keinen Antheil nimmt, sondern dass aus ihm Mesenchymzellen entstehen (p. 202). Überblicken wir kurz die gewonnenen Resultate noch einmal, so ist vor Allem klar, dass die theoretische Forderung, das Herz- endothel müsse wie alle Endothelien und wie das ganze Blutgefäß- system rein mesodermalen Ursprungs sein, bei Salmo salar in keiner _ Weise eine Bestätigung finden kann. Die auftretende Verwischung der Grenzen zwischen den Zellen des Entoderms und des Mesoderms innerhalb der Herzanlage lassen die Frage allerdings nur so weit zur Entscheidung kommen, dass jedenfalls das Entoderm an der Bildung des Endocardepithels Theil nimmt. Ob es vielleicht 1 J. T. CunsıinGHAMm, On some Disputed Points in Teleostean Embryology. Ann. Nat. Hist. (6). VII. 1891. 2 C. V. Wırson, The Embryology of the Sea Brass (Serranus atrarius). 1891. 3 A. T. HOLBROOK, The Origin of the Endocardium in Bony Fishes. Bull. Mus. Harvard. XXV. 1893/94. 4 E. R. Boyer, The Mesoderm in Teleosts: especially its Share in the Formation of the Pectoral Fin. Bull. Mus. Harvard. XXIII. 1892/93. 528 Bernh. Nöldeke, Die Herkunft des Endocardepithels bei Salmo salar. allein betheiligt ist und wo etwa der Übergang in die mesodermalen Elemente zu suchen ist, lässt sich hier und wie es aus der Litteratur hervorzugehen scheint, überhaupt bei den Teleostiern wohl schwer- lich entscheiden. Einen Vergleich mit den erhaltenen Resultaten bei den Sela- chiern und in anderen Thierklassen werde ich erst unternehmen, so- bald ich diesbezügliche eigene Untersuchungen vorgenommen habe. Straßburg i. Els., im Juli 1898. Erklärung der Abbildungen. Tafel XX VI. Sämmtliche Figuren mit Ausnahme von Fig. I, 7 sind ungefähr in 150facher Vergrößerung gezeichnet. Fig. I. Embryo vom 11. Tag. 1, Oberflächenansicht. (12fache Vergr.) 2, Querschnitt aus der Gegend der I. Kiemenspalte. Fig. II. Embryo vom 12. Tag. 1, Querschnitt aus der Gegend der I. Kiemenspalte. 2, 7. Schnitt hinter /. 3, 12. Schnitt hinter . 4, 25. Schnitt hinter 7 (dieht vor der II. Kiemenspalte). Fig. III. Embryo vom 13. Tag. 7, Querschnitt aus der Gegend dicht hin- ter der I. Kiemenspalte. 2, 12. Schnitt hinter 1. 3, 17. Schnitt hinter 1. Fig. IV. Embryo vom 13. Tag. 1, Querschnitt aus der Gegend der I. Kiemen- spalte. 2, 8. Schnitt hinter 1. 3, 13. Schnitt hinter 1. (II. Kiemenspalte.) Fig. V. Embryo vom 13. Tag. 7, Querschnitt aus der Gegend dicht hin- ter der I. Kiemenspalte. 2, 9. Schnitt hinter 1. 3, 15. Schnitt hinter /. Fig. VI. Embryo vom 14. Tag. Querschnitt aus der Gegend dicht hinter der I. Kiemenspalte. Fig. VII. Embryo vom 14. Tag. 1, Querschnitt aus der Gegend dicht hinter der I. Kiemenspalte. 2, 7. Schnitt hinter 1. Fig. VIII. Embryo vom 15. Tag. 1, Querschnitt dicht hinter der I. Kiemen- spalte. 2, 10. Schnitt hinter 1. 3, 21. Schnitt hinter 1. (II. Kiemenspalte.) Ekt, Ektoderm; Ent, Entoderm; Ch, Chorda; Sp/, Seitenplatten. a $ Y & R: er 4 u Untersuchungen über die im Magen unserer Haus- wiederkäuer vorkommenden Wimperinfusorien. Von Adolf Günther, prakt. Thierarzt in Hannov. Münden. Mit Tafel XXVIII—XXIX und 2 Figuren im Text. Einleitung. Auf Anregung des Herın Geheimrath Prof. Dr. E. EHLERS habe ich im zoologischen Institut zu Göttingen Untersuchungen angestellt über die Infektion unserer Hauswiederkäuer mit den im Magen der- selben vorkommenden Infusorien. Bei meinen Arbeiten sind mir von vorn herein die vielen Thei- lungszustände der hier vorkommenden Infusorien in ihren verschie- denen Stadien aufgefallen. Vor Allen haben am meisten meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen die Theilungszustände der durch ihren komplieirten Bau an sich schon interessanten Infusorienform Ophryoscolex caudatus. Bei dieser Form fesselte mich besonders das sofort in die Augen fallende verschiedene Größenverhältnis der beiden Theil- sprösslinge in den einzelnen Theilstadien. Weiterhin erschien mir des oben bereits erwähnten komplieirten Baues wegen ein näheres Eingehen auf die Theilungsvorgänge von Ophryoseolex caudatus sehr lohnend, und da mir im Verlaufe der Arbeiten zu dem ersten Versuche stets Theilungen aller Stadien in senügender Menge zu Gebote standen, so habe ich mich entschlossen, im zweiten Theil der Arbeit auch hierauf näher einzugehen. Es sei mir an dieser Stelle gestattet, Herrn Geheimrath Prof. Dr. E. Enters für die Anregung und das Interesse, welches derselbe jederzeit der Arbeit entgegengebracht hat, sowie für die gütige Unterstützung mit allen nöthigen Hilfsmitteln meinen verbindlichsten Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXV. Bd. 35 590 Adolf Günther, Dank auszusprechen. — Eben so erlaube ich mir Herrn Professor Dr. L. RHUMBLER für die Anregung zum II. Theil und das der Arbeit stets entgegengebrachte Wohlwollen eben so herzlichst zu danken. I. Theil. Versuche über die Infektion. In seiner Abhandlung über die im Magen der Wiederkäuer vor- kommenden ciliaten Infusorien weist EBERLEIN (6) bereits auf die auffallende Thatsache hin, dass die Art und Weise, wie sich die Thiere mit den Infusorien infieirten, noch so wenig berücksichtigt sei. Derselbe Autor wiederholt dann noch einmal kurz die bis- herigen Forschungen und kommt dadurch zu der Vermuthung, dass »das Heu in Verbindung mit dem Wasser für die Wiederkäuer die Infektionsquelle bildet«. EBERLEIN (l. c.) hat nun selbst Versuche mit lebenden Ziegen- lämmern und mit todtem Material über die Art der Infektion an- gestellt; er ist somit meines Wissens der Erste, der derartige Ver- suche mit lebendem Material gemacht hat. Als Hauptergebnis dieser Versuche ist wohl zu erwähnen, »dass die Infektion der Wiederkäuer mit den Dauerformen der Infusorien zweifellos durch das Heu und das Wasser geschieht«. Ferner »dass eine Desinfektion des Heues, so lange die Dauerform unserer Infusorien unbekannt, so gut wie unmöglich sei«. Ich kann mir eine genauere Beschreibung der EBERLEIN’schen Versuche aus dem Grunde versagen, weil ich bei der Beschreibung der von mir angestellten des öftern auf erstere zurückkommen muss. Ich werde im Folgenden meine Untersuehungen in der Weise mittheilen, dass ich der Beschreibung der Versuche an lebenden Thieren eine solche an und mit todtem Material voraufgehen lasse. Allen Versuchen über Infektion der Wiederkäuer mit den In- fusorien muss meines Erachtens eine genaue Untersuchung des Magen- und Darminhaltes auf etwaige Körper vorangehen, die eventuell als Dauerformen für unsere Infusorien anzusprechen und mit denen dann weitere Experimente anzustellen wären. Ausgehend von diesem Grundsatz, habe ich den Magen-Darm- tractus von weit über hundert Schafen, mehreren Rindern und Ziegen streckenweise hinter einander untersucht und Folgendes konstatirt: In den beiden ersten Magenabtheilungen, dem Rumen und Reti- culum, vegetiren lebende Infusorien bekannter Arten. In den beiden Unters. üb. die im Magen unserer Hauswiederkäuer vork. Wimperinfus. 531 letzten, dem Omasus und Abomasus, sind in der Regel nur die Leichen der Infusorien anzutreffen. Der Grund hierfür ist in der allmählich bis zum Labmagen zunehmenden sauren Reaktion des Mageninhaltes zu suchen. Ein einziges Mal ist es mir gelungen, in frisch dem Lab- magen eines Schafes entnommenen Inhalte neben vielen Infusorien- leichen auch noch eine ganze Anzahl lebender Infusorien nachzu- weisen. Die Ciliarbewegung der letzteren war jedoch ziemlich matt. In allen vier Magenabtheilungen fanden sich neben den Infusorien runde, oder auch länglich runde Formen, braun, rothbraun und grau sefärbt, Sporen von Rostpilzen. | Im Duodenum kommen neben Infusorienleichen, die in späteren Darmabschnitten auch nicht mehr anzutreffen sind, viele der oben beschriebenen kugeligen cystenartigen Formen vor. In einem Falle sah ich im frischen Inhalte aus dem Dünndarm Gebilde, wie sie nebenstehend aufgezeichnet sind. Ob es sich hier um Ophryoscolex- Leichen handelt, die in Schrumpfung begriffen sind, oder ob wir es mit einer Eneystirung von Ophryoscolex-Ar- =, = ten zu thun haben, muss es )) TS ich dahingestellt sein Mal N y) | lassen. Bei der g- /—| NN ringen Anzahl dieser || \ IV NN merkwürdig gestalte- N ir NEN ten Exemplare war ich Textfig. 1. leidernicht in derLage, einige zu ferneren Versuchen zu isoliren. Bei der Durchforschung der weiteren Darmpartien sind mir — ausgenommen eine gut erhaltene Diplodiniumleiche im Rectalinhalte — besondere Formen, die Ver- dacht auf Infusorieneysten erwecken könnten, nicht aufgefallen. Auf- fällig ist im Rectalinhalte die große Anzahl der oben erwähnten eystenartigen Formen, mit doppeltem Kontour, von rothbrauner oder grauer Farbe. Um nun bestimmt nachzuweisen, ob diese rundlichen, rothbraunen oder grauen eystenartigen Formen pflanzlichen oder thierischen Ur- sprungs seien, habe ich verschiedene Versuche angestellt: 1) Bei der Cellulosereaktion mit Chlorzinkjodlösung färbte sich die Kapsel dieser isolirten Formen blauviolett. 2) Da sieh nach Angabe von Ruunmgter die Hülle frisch ab- gesetzter Cysten beim Fixiren mit Pikrinschwefelsäure und 24stündiger Eosineinwirkung grün bis blau färbt, so habe ich eine ganze Anzahl 39* 532 Adolf Günther, Präparate auf oben angegebene Weise angefertist, jedoch ohne Erfolg. | 3) Es werden derartig cystenartige Formen aus Reectalinhalt mit fein ausgezogener Pipette isolirt, mit gekochtem und erkaltetem Regenwasser auf den Öbjektträger gebracht und in die feuchte Kammer gestellt. Nach 24 Stunden ist an den isolirten Formen theilweise Sprossung eingetreten. Nach weiteren vier bis fünf Tagen bedeutende Spross- und Pilzbildung. 4) Versuch Nr. 3 noch einmal wiederholt mit ceystenartigen Formen aus allen Darmabschnitten. Nach 24 Stunden sind viele gesprosst, manche unverändert, bei mehreren die Kapsel geplatzt. Nach einigen Tagen fast alle gesprosst. Auch Herr Professor Dr. BERTHOLD, der die Freundlichkeit hatte, eine ganze Anzahl von mir angefertigter Präparate im botanischen Institute zu untersuchen, konnte die meisten in diesen Präparaten enthaltenen Formen als Sporen von Rostpilzen bestimmen. Es ist mir somit nicht gelungen, im Inhalte des Magen- Darmtractus bei Wiederkäuern irgend welche Formen nachzuweisen, die als Dauerform der Infusorien anzu- sprechen wären. Gleichfalls wie EBERLE (l. ec.) anschließend an die von ihm beschriebenen, von CERTES (25) gemachten Versuche mit todtem Material, bin ich folgendermaßen verfahren. Versuch 1. Infus aus filtrirtem Regenwasser und Heu: Nach drei Tagen Colpoda eueullus in großer Anzahl. Versuch 2. Infus aus tüchtig gekochtem destillirten Wasser und Heu: Nach vier Tagen sehr viele Colpoda cucullus und Theilungs- cysten derselben. Versuch 3. Infus aus filtrirtem Regenwasser und Rectalinhalt vom Schaf: Nach vier Tagen Infusorien und zwar Colpidium colpoda, viele Theilungsstadien derselben. Versuch 4. Infus aus Rectalinhalt und gekochtem Wasser in fol- sender Weise hergestellt: Das Wasser wurde eine halbe Stunde lang sekocht; das Gefäß, in dem die Kultur angelegt wurde, mit Alkohol absol. gereinigt und im Wärmeofen bei hoher Temperatur getrocknet: Nach zwei Tagen haben sich viele Sprosspilze gebildet. Bei der Untersuchung am zehnten Tage fanden sich eine Un- menge von Colpidien. Versuch 5. Versuch 4 wiederholt zur Kontrolle folsenudmißen- Stück vom Recetum des Schafes an zwei Stellen in der Körperhöhle Unters. üb. die im Magen unserer Hauswiederkäuer vork. Wimperinfus. 533 abgebunden und so vom Schlachthof zum zoologischen Institut ge- tragen. Tüchtig gekochtes Regenwasser in ein auf vorher beschrie- bene Weise gereinistes Becherglas gethan, und hier hinein etwas vom Inhalte des zugebundenen Rectalstückes gebracht. Das Gefäß wurde mit einer Glasglocke überdeckt, die mit ihrem unteren Rande in Sublimatlösung stand: Bei der Untersuchung am dreizehnten Tage Colpidium colpoda in großer Menge. Versuch 6. Bei Wiederholung des vorstehenden (5.) Versuches sind keine Colpidien aufgetreten, wohl aber eine Unmenge Flagellaten. Versuch 7. Zu abgekochtem Regenwasser Oolpidium-Material zugesetzt: Die Infusorien bleiben leben. Versuch 8. Panseninhalt vom Schaf filtrirt und hierzu Colpidium- Material gebracht: Die Infusorien sterben sehr bald ab. (Dieser Versuch ist sehr oft mit demselben Resultat wiederholt.) Versuch 9. Labmageninhalt vom Schaf filtrirt und hier hinein Colpidien gethan: Die Infusorien bleiben wochenlang leben, trotzdem sich sogar Salze gebildet haben. (Versuch mit demselben Resultat oft wiederholt.) Versuch 10. Um zu erfahren, ob die Colpidien sich encystiren, wurde Heu tüchtig ausgekocht und hierzu Colpidien zugesetzt: Infu- sorien eneystiren nicht, sondern leben noch nach fünf Wochen. Versuch 11. Colpoda-Material zu filtrirtem Panseninhalt ge- bracht: Geht nach einigen Stunden zu Grunde. | Bei der Untersuchung aller dieser Kulturen ist es auch mir nicht ein einziges Mal gelungen, nur ein Exem- plar der im Wiederkäuermagen vorkommenden Infusorien nachweisen zu können. ‘Versuch 1 und 2 ist von mir sehr oft wiederholt und fast immer, mit nur ganz geringen Ausnahmen, traten eiliate Infusorien auf und zwar Colpoda cueullus. Es ist mir desshalb sehr aufgefallen, dass EBERLEIN (l. ce.) in seinen Versuchen niemals diese Infusorien er- wähnt, es scheint demnach, dass er sie in seinen Kulturen nicht er- halten hat. Als wichtigster Befund aus diesen Versuchen Nr. 3, 4, 5 dürfte wohl hervorzuheben sein, dass es mir gelungen ist, aus Reetalinhalt vom Schaf mit Wasser vermischt Infusorien und zwar Colpidium colpoda zu züchten. In den beiden ersten Magenabtheilungen aller Schafe, aus deren Rectalinhalte In- fuse angelegt wurden, waren stets die verschiedensten Formen von parasitären Infusorien nachzuweisen. 534 Adolf Günther, Jetzt lag natürlich der Gedanke nahe, dass diese Colpidien in irgend einer Weise mit den im Pansen vorkommenden Infusorien in Verbindung ständen. Leider haben nach dieser Richtung hin an- gestellte Versuche ein Resultat nicht gehabt. Es ist nun möglich, wenn diese aus dem Rectalinhalte frei ge- wordenen Colpidien mit den Infusorien im Magen nicht in Verbindung stehen, dass sie etwa am Heu gesessen in irgend einer Form, ohne sich zu verändern, den Körper des Thieres passiren und nur unter sünstigen Bedingungen frei werden. Aus den Versuchen 8 und 9 ergiebt sich weiterhin die auffällige Thatsache, dass dieses aus dem Rectalinhalte gezüchtete Wimper- infusor, Colpidium colpoda, in dem alkalisch oder neutral reagirenden filtrirten Panseninhalt Bedingungen zu seiner Weiterexistenz nicht finden kann, da in allen derartig angelegten Kulturen die Infusorien kurz nach ihrer Einführung abstarben. Wunderbar geradezu ist es aber, dass dasselbe Infusor in sauer reagirendem filtrirten Labmageninhalt wochenlang weiter lebte, trotzdem sich in einem Falle in der Kultur sogar Salze ausgeschieden hatten. Diese Thatsache steht zu den Befunden über die im Wieder- käuermagen vorkommenden Infusorien im direkten Gegensatz. Ehe ich nun die Versuchsprotokolle folgen lasse, die ich mit Ziegenlämmern, Ziegen und Schafen angestellt habe, möchte ich Folgendes vorwegschicken: | Um wirklich ausgiebige Versuche mit lebendem Material aus- führen zu könnnen, ist es nothwendig, den Panseninhalt dieser Ver- suchsthiere derartig zu beeinflussen, dass er estens infusorienfrei wird und bleibt und zweitens, dass man eine geeignete Fütterung erreicht, bei der Infusorien selbst nicht auftreten, die aber sonst alle Eigenschaften hat, die die Infusorien zu ihrem Leben nöthig haben. Was den ersten Punkt anbelangt, den Mageninhalt derartig zu desinfieiren, dass die Infusorien absterben und nicht wieder auftreten, so hat meines Wissens EBERLEIN (l. ce.) ein einziges Mal diesen Ver- such gemacht und zwar mit Sublimat; er fasst seine Erfahrungen hierüber folgendermaßen zusammen: »Eine bedingte Desinfektion des Magens und Darmes lässt sich durch Sublimat erreichen. Sehr störend hierbei ist aber die ganz bedeutende Empfindlichkeit aller Wieder- käuer gegen Sublimat.« Diese Thatsache kann ich auf Grund meiner Versuche bestätigen, habe aber auch zugleich gefunden, dass die Infusorien mit Sublimat am raschesten und sichersten abgetödtet werden. Unters. üb. die im Magen unserer Hauswiederkäuer vork. Wimperinfus. 535 Ich habe sodann zur Desinfektion des Magens andere Mittel versucht, bei denen das Allgemeinbefinden der Thiere ungestört bleibt. Die geeignetsten Mittel hierzu habe ich in der reinen Salzsäure und Citronensäure gefunden. Diese Säuren hatten den Zweck, den alkalisch bis neutralen Panseninhalt in sauer reagirenden überzu- führen und hierdurch ein Absterben der Infusorien herbeizuführen. Es ist mir dieser Versuch auch sehr gut gelungen. Die einzige Schwierigkeit hierbei war, den Thieren die reine Salzsäure zu appli- ciren, ohne die Schleimhaut des Maules und des Schlundes zu ätzen. Zu diesem Zwecke habe ich Gelatinekapseln, die etwas über ein Gramm Salzsäure fassten, dadurch mit einer Paraffinschieht über- zogen, dass ich sie in warmes Paraffin eintauchte, das überschüssige Paraffın abtropfen und dann das noch haftende erstarren ließ. Jetzt konnte ich die inwendig mit Paraffin ausgekleideten Kap- seln mit 1 & Salzsäure füllen und ordentlich verschließen. Das Eingeben dieser Kapseln war sehr leicht, ohne dass auch nur ein einziges Mal eine solche in der Maulhöhle wäre entzwei segangen. Nach der Beibringung von je fünf bis sechs Kapseln an zwei Tagen konnte ich sicher sein, dass alle Infusorien abgestorben waren, was sich natürlich durch die Untersuchung bestätigte. Be- deutend unterstützt wird diese Methode durch mindestens eintägiges Hungernlassen des betreffenden Thieres. An dieser Stelle möchte ich einfügen, dass ich die Untersuchungs- proben dem Pansen mit eigens angefertigter Spritze und Schlund- sonde entnahm. Nach Abmessung der Schlundlänge am geschlach- teten Thier unter Hinzurechnung der Entfernung von Lippe bis Schlundkopf und einigen Centimeter für das Panseninnere ließ ich Schlundsonden für sechs bis acht Wochen alte Thiere, mittelgroße und ausgewachsene Schafe herstellen. Am vorderen Ende hatten diese Schlundsonden ein Mundstück, auf das eine Spritze von 30,0 Inhalt einfach aufgesetzt wurde. Es ist ja an und für sich ziemlich ausgeschlossen, dass die eingeführte Sonde anderswohin als in den Pansen gelangen kann; dadurch aber, dass ich die Länge der anzu- fertigenden Schlundsonden vorher bestimmte, war ich stets ganz sicher, nur Panseninhalt durch Aussaugen mit der Spritze zu erhal- ten. Die Reinigung dieser Spritzen und Sonden geschah mit 1%/,niger Sublimatlösung und gekochtem Wasser. Nicht ganz so sicher wie Salzsäure wirkt die Citronensäure, von der je 25,0 mit Althaea-Wurzel zu einem Bolus angerührt, dem Thiere mindestens dreimal am Tage eingegeben werden. 586 Adolf Günther, Um hierbei eine wirklich sichere Wirkung am dritten Tage zu erzielen, ist es unbedingt nöthig, das Thier einige Zeit hungern zu lassen, damit der Panseninhalt auf ein Minimum redueirt wird. Ist der Mageninhalt nun neutral, mit welchem Ausdruck ich den infu- sorienfreien Mageninhalt wohl bezeichnen möchte, so kommt es hauptsächlich darauf an, denselben durch geeignete Fütterung, ohne weiter desinfieiren zu müssen, neutral zu erhalten. Nach vielen Fütterungsversuchen habe ich gefunden, dass Fütte- rung mit Leinkuchen einen sehr geeigneten Mageninhalt zu Ver- suchszwecken schafft. Vorweg möchte ich hierbei erwähnen, dass bei all diesen Versuchen die Thiere das Wasser aus einem Dampf- kessel, unter mindestens vier Atmosphären Druck stehend, erhalten haben. Bei Fütterung von Leinkuchen in Verbindung mit derartig ge- kochtem Wasser habe ich niemals Infusorien irgend welcher Art im Pansen auftreten sehen. Die Reaktion des Panseninhaltes bei Leinkuchenfütterung war alkalisch. Denselben Erfolg erzielte ich bei Verfütterung von sauber geschälten Zuckerrüben und Kartoffeln. Die Thiere nahmen im großen Ganzen dieses so verabreichte Futter leidlich gut auf; um sie einiger- maßen bei Kräften zu erhalten, gab ich ab und zu rohe Eier. Er- wähnen möchte ich noch, dass natürlich auch die Gefäße, in denen das Futter gereicht wurde, mit der peinlichsten Genauigkeit des- infieirt wurden. Eben so ließ ich die Versuchsthiere öfter mit Lysol- lösung abbürsten und den Käfig, der den Thieren zum Aufenthalt diente, nach vorherigem gründlichen Ausscheuern, mit Sublimatlösung tüchtig nachspülen. Als Unterlage wurde ein sauber gehaltenes Brett gegeben. Die Untersuchungsproben wurden dem Pansen der Thiere mit den oben beschriebenen Spritzen und Schlundsonden entnommen. Die Reinigung dieser Spritzen geschah mit Sublimatlösung und ge- kochtem Wasser. Versuch 1. Ziegenlamm, männlich, ca. vier Wochen alt, schwarz mit Stern. Daneben ein Kontrollthier desselben Alters von grauer Farbe. Beide Thiere haben bis jetzt Milchnahrung erhalten. Eine ent- nommene Mageninhaltsprobe beider zeigt die Beschaffenheit des Milch- chymus, saure Reaktion und keine Infusorien. Dem schwarzen Ziegenlamm wird von nun ab Heu zur beliebigen Aufnahme vorge- lest und die Milch nach und nach durch Wasser vom Dampfkessel ersetzt, während das Kontrollthier täglich 11/, Liter reine Milch erhält. Unters. üb. die im Magen unserer Hauswiederkäuer vork. Wimperinfus. 537 Heu wird vom Versuchsthier ziemlich gut aufgenommen. Am zwei- ten Tage erhält das Thier nur noch '/,; Liter Milch und Heu zu beliebigen Aufnahme. Die Reaktion einer entnommenen Magen- inhaltprobe schwach sauer bis neutral, die Farbe ist grünlich: Am dritten Tage wird Milch ganz fortgelassen und das Versuchsthier bekommt nur Heu und Wasser. Die Reaktion des Panseninhalts ist an diesem Tage neutral bis schwach alkalisch, von grünlicher Farbe und es sind bereits Infusorien ganz vereinzelt nachzuweisen, zuerst Entodinium minimum. Am folgenden, also am vierten Tage, Infu- sorien in großer Menge vorhanden. Panseninhalt vom Kontrollthier hat die Beschaffenheit des Milchehymus, saure Reaktion und keine Infusorien. Versuch wird abgebrochen und das Versuchsthier wieder auf Milchnahrung gesetzt. | Versuch 2. Ziegenlamm, schwarzbunt, ca. drei Wochen alt, bis jetzt nur Milechnahrung. Die entnommene Pansenflüssigkeit zeigt die Beschaffenheit des Milchehymus, saure Reaktion und keine Infuso- rien. Bei diesem Versuch wird genau so verfahren, wie bei Ver- such 1, es wird nur anstatt Heu Grünfutter zur beliebigen Aufnahme verabreicht. Von letzterem wird nur sehr wenig aufgenommen. Bis zum dritten Tage zeigte der Mageninhalt saure Reaktion, keine In- fusorien. Am vierten Tage schwach saure bis neutrale Reaktion, Entodinium minimum in vereinzelten Exemplaren vorhanden. Ver- suchsthier ging an demselben Abend an Entkräftung zu Grunde. Versuch 3. Ziegenlamm, männlich, drei bis vier Wochen alt, weiß. Betreffendes Thier hat bis jetzt nur Milch als Nahrung erhal- ten. Eine am 3. Mai entnommene Probe der Pansenflüssigkeit hat saure Reaktion, Beschaffenheit des Milchehymus und keine Infusorien. Versuchsthier bekommt vom 3. Mai ab fein zerriebene Leinkuchen mit Milch vermischt in der Flasche gegeben, wird gut aufgenommen. Innerhalb drei Tagen wird die Milch nach und nach ersetzt durch Wasser vom Dampfkessel. Eine am 6. Mai entnommene Probe der Pansenflüssigkeit zeigt bräunliche Farbe, schwach saure Reaktion, aber keine Infusorien, der Versuch wird weitere 14 Tage mit dem- selben Resultat fortgesetzt. Eine am 20. Mai entnommene Probe des Mageninhaltes hat eine tief braune Farbe, reagirt neutral. Der Er- nährungszustand des Thieres ist leidlich gut geblieben. Da das Thier während der letzten acht Tage dieses Futter aus einem Gefäß frei- willig nicht mehr aufnehmen wollte, wurde der fein zerriebene Lein- kuchen, mit gekochtem Wasser vermischt, mit der Flasche einge- geben. 5 338 Adolf Günther, Versuch 4. Es wird Heu in einem großen, reinen Kessel, der nur zur Bereitung von siedendem Wasser dient, eine halbe Stunde lang tüchtig gekocht. Erhitzt wird das Wasser mit heißem Dampf vom Kessel, unter einer Spannung von ca. fünf Atmosphären stehend. Das Heu ist gut aus einander gebreitet, so dass die Bildung von Ballen ausgeschlossen ist. Nach dem Kochen habe ich das Heu, das den aromatischen Geruch völlig verloren hat, sehr vorsichtig getrock- net. Das durch Versuch 3 vorbereitete Ziegenlamm erhält von die- sem Heu zur beliebigen Aufnahme. Daneben wird die Leinkuchen- fütterung, wie oben beschrieben, innegehalten. Das Heu wird von dem Thiere gierig aufgenommen. Eine am folgenden Tage entnom- mene Probe von Pansenflüssigkeit reagirt neutral und enthält keine Infusorien. Zu meiner großen Überraschung fanden sich trotzdem am anderen Tage eine große Anzahl Infusorien, und zwar Entodinium minimum. Trotzdem von nun an dem Thiere 1—1i/, Liter Milch täg- lich verabreicht werden, und die Reaktion des Panseninhaltes schwach sauer geworden ist, leben diese kleinsten Infusorien ruhig tagelang noch fort. Der Versuch wird jetzt abgebrochen und das Versuchs- thier erhält ausschließlich Milch. Versuch 5. Anschließend an Versuch 4 hat dieselbe Ziege elf Tage weiter nichts als Milch bekommen. Eine am elften Tage ent- nommene Probe vom Mageninhalt zeigt trotzdem noch bei schwach saurer Reaktion diese kleinsten Infusorien in großer Menge. Von jetzt ab erhält dasselbe Thier weniger Milch, dafür aber Heu, gutes aromatisches in genügender Menge. Nach vier bis fünf Tagen finden sich in der Pansenflüssigkeit Infusorien der verschiedensten Arten. Versuch 6. Um noch einmal zu kontrolliren, ob eine Desinfek- tion, bezw. Sterilisation des Heues nicht möglich sei, habe ich Heu wiederum wie in Versuch 4 gekocht, und zwar eine Stunde lang. Fütterung eines durch Milch und Leinkuchen vorbereiteten Ziegen- lammes mit diesem sterilisirten Heu hatte denselben Erfolge wie in Versuch 4. Versuch 7. Heu wird zweimal hinter einander je 1!/, Stunden gekocht, vorsichtig getrocknet und an eine Ziege, deren Mageninhalt infusorienfrei gemacht und durch Leinkuchenfütterung erhalten ist, verfüttert. Im Übrigen ist die strengste Desinfektion der Ziege so- wohl, als des Käfigs vorhergegangen. Die Fütterung besteht in Lein- kuchen, gekochtem Wasser und Eiern. Nachdem die Fütterung mit diesem auf oben beschriebene Weise sterilisirten Heu acht Tage fortgesetzt war, entnehme ich eine Probe des Panseninhaltes, die Unters. üb. die im Magen unserer Hauswiederkäuer vork. Wimperinfus. 539 bei der Untersuchung neutrale Reaktion aufweist und in der In- fusorien irgend welcher Art nicht zu finden sind. Der Ver- such wird fernere 14 Tage mit demselben Erfolg fortgesetzt. Ein Kontrollthier erhält zu gleicher Zeit von demselben Heu in frischem Zustande und es sind bei diesem schon nach drei Tagen im Panseninhalte Infusorien in großer Menge vorhanden. Versuch 8. Ziege, grau, ca. acht Wochen alt, bis jetzt Milch- nahrung. Mageninhalt sauer, keine Infusorien. Ziege erhält von jetzt ab Leinkuchen, Wasser vom Kessel und Eier. Nach vier Tagen reagirt der Mageninhalt neutral, keine Infusorien. Es wird in einem hohen Becherglase ein Heuinfus gemacht, gut umgeschüttelt und eine halbe Stunde stehen gelassen. Hierauf wird das Heu aus dem Glase vorsichtig entfernt und die Flüssigkeit mit dem, was vom Heu konnte abgeschüttelt werden, der Ziege direkt in den Magen gespritzt, und zwar vermittels der vorher ausgiebig desinfieirten Spritze und Schlund- sonde. Das Letztere wird sieben Tage hinter einander wiederholt. Eine am achten Tage entnommene Probe des Panseninhaltes zeigt schwach alkalische Reaktion, eine bräunliche Farbe, aber keine .Infusorien. Die nach weiteren acht Tagen vorgenommene Unter- suchung des Mageninhaltes ergab dasselbe Resultat. Hier möchte „ich bemerken, dass sich das Versuchsthier bei dieser Fütterung — Zusatz von Eiern täglich zu Leinkuchen — sehr wohl befunden hat. Versuch 9. Von demselben Heu, wie im vorhergehenden Ver- suche, habe ich ein Infus mit gewöhnlichem Wasser gemacht, das Reagensgläschen gut geschlossen und unter die Glasglocke gestellt und täglich untersucht. Zu dieser Untersuchung habe ich eine be- sondere Pipette nach vorheriger Desinfektion mit Sublimatlösung und _ gsekochtem Wasser zum Herausheben eines kleinen Quantums Flüssig- keit aus dem Reagensgläschen benutzt. Nach fünf Tagen finden sich in diesem Infus eine Unmenge Infusorien, Colpoda cucullus. Versuch 10. Von dem vorstehend beschriebenen Infus wurden 5,0 der Flüssigkeit der Ziege vom Versuch 8 nach Abbruch des letz- teren vermittels der Schlundsonde in den Magen gespritzt. Nach zwölf Stunden finden sich bei der Untersuchung nur Colpoda-Leichen. Der Versuch wird mit demselben Resultat noch zweimal wiederholt. Versuch 11. Die Fütterung der Ziege von Versuch 8 und 10 besteht immer noch aus Leinkuchen und Eiern. Eine Probe des Panseninhalts, die entnommen wurde, nachdem Versuch 10 acht Tage lang abgebrochen war, zeigte alkalische Reaktion und keine Infusorien. Von nun an wird dem Thiere getrockneter Mastdarminhalt 340 Adolf Günther, eingegeben, acht Tage lang jeden Tag, und zwar in der Weise, dass ich den trockenen Rectalinhalt zerkleinerte, mit gekochtem Wasser vermischte und diese Mischung dem Versuchsthiere mit der Flasche eingab. Es sind hiernach Infusorien irgend welcher Art nicht auf- getreten, was ich durch täglich vorgenommene Untersuchung fest- gestellt habe. Der Mastdarminhalt stammte von einem Schafe, das im Pansen Infusorien der verschiedensten Arten beherbergte. Versuch 12. Nachdem die Ziege aus den vorhergehenden Ver- suchen einige Zeit lang gutes Heu erhalten, wird, da jetzt wieder viele Infusorien aufgetreten sind, der Panseninhalt infusorienfrei ge- macht und erhalten. Fütterung besteht aus Leinkuchen, gereinigten Kartoffeln und Zuckerrüben, nebst Wasser vom Kessel. Nachdem der Mageninhalt neutral reagirte und Infusorien nicht mehr aufzu- weisen waren, wird anstatt des abgekochten Wassers gewöhnliches Leitungs- und Flusswasser verabreicht und dieser Versuch tagelang fortgesetzt. Infusorien sind hierbei nicht aufgetreten. | Aus diesen Versuchen lässt sich Manches folgern, das für spä- tere Untersuchungen der Beachtung werth ist: 1) Es lässt sich eine Desinfektion des Magens und des Darmes durch Salzsäure und Citronensäure erreichen, ohne dass das Allge- meinbefinden des Thieres beeinträchtigt wird. 2) Nach der Desinfektion des Magens lässt sich erreichen, dass bei geeigneter Fütterung der Mageninhaltinfusorienfrei bleibt. Das geeignetste Futter hierzu besteht aus Leinkuchen und gekochtem Wasser; daneben können aber noch sehr rein gehaltene Kartoffeln und Zuckerrüben, also jedenfalls alle unter der Erde gewachsenen, tüchtig gereinigsten Futtermittel gegeben werden. Hauptbedingung hierbei ist natürlich strengste Desinfektion des Thieres selbst, der Geräthschaften und des Stalles. 3) Die Infektion der Wiederkäuer mit den Keimen, bezw. der Dauerform der Infusorien geschieht wahrscheinlich durch das Heu. Es ist durch die Versuche durchaus noch nicht bewiesen, dass die Infektion »ausschließlich« durch das Heu geschieht, oder wie EBERLEIN (l. c.) durch seine Versuche bewiesen haben will, »zweifel- los« durch das Heu und Wasser, sondern es ist auch noch denkbar, dass Heufütterung einen Zustand im Pansen schafft, bei dem von einem anderen Ort in irgend welcher Form eindringende Infusorien sich entwickeln können. Zum Beispiel wäre es denkbar, dass beim Zerkleinern der Futtermassen in der Maulhöhle Schleimpartikelchen, die etwaige Infusorienformen enthielten, aus dem Respirationstraetus Unters. üb. die im Magen unserer Hauswiederkäuer vork. Wimperinfus. 541 oder den großen Kopfhöhlen zwischen die Futterbissen geriethen und so eine Infektion verursachten. Wir sehen ferner aus Versuch 2, dass auch bei Aufnahme von Grünfutter Infusorien auftreten. Von einem Schaf, in dessen Panseninhalt die verschiedensten bekannten Wimperinfusorien vorkamen, weiß ich genau, dass das- selbe 1/, Jahr lang neben Kraftfutter nur Hafer und Bohnenstroh er- halten hat. Infuse mit demselben Futter, also mit Hafer und Bohnen- stroh, ergaben gleiches Resultat wie Heuinfuse. Sollte aber dennoch eine Dauerform dieser Infusorien existiren und das Heu der Träger derselben sein, so bleibt nur noch die Mög- lichkeit, dass die in den ersten beiden Magenabtheilungen vorkom- menden Infusorien sich zu einer ganz bestimmten Zeit, die sich viel- leicht nur auf einige Tage bemisst, eneystiren. In letzterem Falle wäre das negative Resultat in der Auffindung der Cysten ja leicht erklärlich. 4) Wie aus den Versuchen 4, 6 und 7 ersichtlich ist, muss die event. Dauerform der Infusorien äußerst widerstandsfähig sein, denn energisches Kochen des Heues von einer halben bis ganzen Stunde war nicht im Stande, die Keime zu tödten. Erst durch dreistündiges anhaltendes Kochen des Heues konnte erzielt werden, dass bei nach- herisem Verfüttern Infusorien nicht mehr auftraten. Es lehrt uns also der Versuch 7, den ich nachher des öftern mit demselben Re- sultat wiederholt habe, dass eine Desinfektion des Heues, trotz der unbekannten Dauerform unserer Infusorien, sehr wohl möglich ist. Oder anschließend an das unter 3 Gesagte, können dem Heu durch anhaltendes Kochen die Bedingungen genommen werden, unter denen die Infusorien im Pansen sich entwickeln können. Diese Resultate stehen in direktem Gegensatz zu den von EBER- LEIN (l. c.) und von PoucHET gemachten Erfahrungen (26). Ersterer hat das Heu zweimal je eine Stunde lang im Heißluftsterilisator einer Temperatur von 150° ausgesetzt, ohne dass es ihm gelang, die Infu- sorienkeime zu tödten. PoucHErT hat das Heu andauernd gekocht, aber auch hierdurch dasselbe nicht keimfrei machen können. Es ist hierbei nicht bemerkt, wie lange er das Kochen durchgesetzt und vor Allem auch, ob er dafür gesorgt hat, dass sich beim Kochen des Heues Ballen nicht bilden konnten. 5) Am widerstandsfähigsten von allen im de demaee vor- _ kommenden Infusorien ist Entodinium minimum. Dieses Infusor trat bei meinen Versuchen immer zuerst auf und ließ sich am schwierig- sten altodien, 542 Adolf Günther, Verbreitung der Infusorien. Anschließend an die Untersuchungen EBERLEIN’S (l. c.), der durch Zusammenstellung ermittelt hat, »dass fast sämmtliche Arten der Wimperinfusorien des Wiederkäuermagens in großer Anzahl über mindestens ganz Deutschland verbreitet sind«, habe ich mir durch einen in Boston (Mass.) wohnenden Verwandten Panseninhalt eines dort geschlachteten Schafes konserviren und nach hier schicken lassen. Nachdem ich hier das Material fertig präparirt hatte, konnte ich bei meiner Untersuchung dieselben Wimperinfusorien der verschiedensten Arten, wie sie bei unsern Hauswieder- käuern vorkommen, in großer Anzahl nachweisen. Es ist dies ein Beweis dafür, dass dieselben Infusorien nicht nur bei den Wiederkäuern von ganz Deutschland und Europa, sondern ebenfalls bei denen anderer Erdtheile vorkommen. Physiologische Bedeutung der Infusorien. Was die physiologische Bedeutung der im Wiederkäuermagen vor- kommenden Infusorien für den Organismus ihres Wirthes anbetrifft, so resultirt EBERLEIN (l. c.) aus den kurz erörterten Theorien anderer Autoren in Verbindung mit seinen Beobachtungen, dass »die Anwesen- heit der Infusorien den Wohnthieren dadurch Nutzen verschafft, dass dieselben bei ihrer ungeheuren Anzahl ihrem Wirthe einen Theil der Cellulose in einen resorbirbaren Stoff überführen«. Ein Beweis hierfür ist aber noch nicht erbracht. Es steht für mich desshalb noch die Frage offen, ob diese in solch ungeheuer sroßer Anzahl vorkommenden Infusorien nutzbringend oder schädi- gend den Organismus bezw. die Verdauung beeinflussen. Ich kann mir auch kaum denken, dass durch die Verdauung dieser, im Ver- hältnis zur ganzen Masse verschwindend geringen Menge Cellulose, dem Wohnthiere ein derartiger Nutzen verschafft werden soll. Meine Fütterungsversuche mit Nahrungsmitteln, bei denen im Mageninhalte Infusorien sich nicht bilden, könnten gerade nach dieser Richtung hin Anregung zu interessanten physiologischen Versuchen abgeben, welches Thier sich besser ernährt, ein solches mit oder ein solches ohne Infusorien im Mageninhalt. Es wären bei diesen Versuchen natürlich die Nährwerthe der einzelnen Futtermittel in erster Linie zu berücksichtigen. Dass diese große Infusorienmenge gleichgültig, also weder nutz- bringend noch schädigend für den Organismus des Wohnthieres wäre, Unters. üb. die im Magen unserer Hauswiederkäuer vork. Wimperinfus. 543 ist kaum anzunehmen. Es fehlt auch hierzu, wie schon bemerkt, noch des Beweises. II. Theil. Theilungsvorgänge bei Ophryoscolex caudatus. Litteraturübersicht. Die Litteratur über Theilungssvorgänge bei den im Rumen und Reticulum unserer Hauswiederkäuer vorkommenden Infusorien ist sehr gering. Die ersten Angaben hierüber hat wohl STEIN (1 und 2) gemacht, der bei Ophryoscolex inermis und Entodinium Quertheilung beobachtet hat. ZüRn (3) beschränkt sich auf die Reproduktion der STEIN’schen Angaben, dass bei Ophryoscolex inermis Quertheilung vorkomme. Seit den Srem’schen Angaben, dass bei einigen Infusorien des Wiederkäuermagens (OÖphryoscolex inermis und Entodinium) Quer- theilung vorkomme, ohne jedoch letzteren Vorgang näher zu be- schreiben, hat zuerst wieder SCHUBERG (4) bei der von ihm aufge- stellten Gattung Buetschlia parva Theilung beobachtet und eine Zeichnung hierzu geliefert. Auch SCHUBERG beschränkt sich darauf, die Thatsache der beobachteten Theilung hervorzuheben, wobei der Kern sich in gewöhnlicher Weise durch direkte Theilung vermehre; eben so auch, dass am hinteren Theilsprössling, der sich durch Quer- theilung abschnüre, bereits eine neue Bewimperung des zukünftigen Vorderendes zu bemerken sei. Weiterhin beschreibt ScHUBERre. (4) kurz die Theilung von Iso- tricha prostoma als in querer Richtung verlaufend mit den Erschei- nungen der direkten Kerntheilung. Leider sind seine Beobachtungen in Bezug auf das Verhalten der Kernstiele noch sehr unvollständig. Bei Dasytricha ruminantium hat SCHUBERG (l. ce.) die Fort- pflanzung als eine Art Knospung bezeichnet, jedoch seine Ansicht bald geändert und den Vermehrungsprocess der Theilung zugerechnet. In einem 1891 gehaltenen Vortrage hat SCHUBERE (5) die Theilung von Dasytricha ruminantium sehr eingehend besprochen, speciell, was die Bildung und spätere Verlagerung des neuen Schlundes anlangt, welch letzterer neben dem alten entstehen soll. Einer von beiden, wahrscheinlich der alte, soll dann bis über die Theilungsfurche vor- rücken. Die Achsen der beiden neuen durch die Ringfurche angedeuteten 544 Adolf Günther, Theilsprösslinge verlängern einander nicht, sondern bilden einen Winkel mit einander. In späteren Theilungsstadien können die Achsen der beiden Sprösslinge sogar rechtwinklig zu einander stehen. Die neue kontraktile Vacuole ist bereits bei den frühesten ange- troffenen Theilungsstadien vor der Ringfurche gesehen. Der Durch- schnürungsvorgang und die Kerntheilung (Ma.N direkt, Mi.N indirekt früher als der Ma.N.) sollen in einer gewissen Unabhängigkeit von einander verlaufen. SCHUBERG bezweifelt gegenüber den aufgestell- ten »mechanischen« Theorien der Zelltheilung, die nach den ein- facheren Verhältnissen bei den Ei- und Gewebszellen der höheren Thiere erklärt sind, dass die Mechanik der Theilung bei den In- fusorien eine einfache sei. Bei den Entodinium-Arten hat derselbe Autor die Theilung als eine querverlaufende gesehen, bei der sich das neue Peristom in der Mitte des Thieres und zwar »innerlich« anlegt. Weiterhin hat SCHUBERG (5) zuerst einige sehr interessante Beiträge zur Kenntnis der Theilungsvorgänge der im Wiederkäuermagen vorkommenden Ophryoscoleciden gegeben. Da ich im Laufe meiner Beschreibung öfter hierauf zurückkommen werde, so will ich mir versagen, näher auf Obiges einzugehen. Die letzte Arbeit, in der Theilungsvorgänge von im Wiederkäuer- magen vorkommenden Infusorien beschrieben sind, stammt von EBER- LEIN (6) aus dem Jahre 1894. EBERLEIN hat hauptsächlich den Bau der Infusorien sehr eingehend und klar mit vielen Zeichnungen ge- schildert und nur Theilungsstadien von Diplodinium bursa Fiorentini und Entodinium bursa Stein nebenbei beschrieben. Wunderbarer Weise hat EBERLEIN Theilungen von Ophryoscolex zu beobachten nie Gelegenheit gehabt. Auch auf diese Arbeit werde ich des öftern zurückkommen. Material und Untersuchungsmethoden. Die Beschaffung des Materials konnte bei mir als Leiter des hiesigen Schlachthofes auf gar keine Schwierigkeiten stoßen. Wollte ich die Infusorien lebend untersuchen, so nahm ich ein vorher in heißem Wasser angewärmtes dickes Cylinderglas, ließ die betreffende Magenflüssigkeit, nach. Anstechung des Pansens eines Schafes, Rindes oder einer Ziege hineinfließen und konnte dann sofort, höchstens !/, Mimute nachher, die Untersuchung beginnen. Eben so war ich in Göttingen bei meinem Arbeiten im zoologischen Unters. üb. die im Magen unserer Hauswiederkäuer vork. Wimperinfus. 545 Institut durch die Liebenswürdigkeit des dortigen Schlachthofdirektors in die Lage versetzt, zu jeder Zeit frisches Material zu erhalten. Auch hier konnte ich spätestens 5 Minuten nach Eröffnung des Pansens die Untersuchung beginnen. | Wollte ich Infusorien fixiren, so verfuhr ich folgendermaßen: Ich goss zuerst in ein Cylinderglas die Fixirungsflüssigkeit, ging hiermit in den Schlachtraum und ließ nach Anstechen eines frisch herausgenommenen Pansens die Magenflüssigkeit direkt in die Fixi- rungsflüssigkeit laufen. Ich habe bei dieser Methode die besten Präparate erzielt; vor Allem war bei den Ophryoscolex-Arten stets das Peristom schön ausgestreckt. Zum Fixiren habe ich neben manchen anderen am besten die alkoholische koncentrirte Sublimatlösung heiß und kalt verwerthen können. Von Farbstofflösungen habe ich mit gutem Erfolge Häma- toxylin und Eosin oder Methylgrün-Eosin angewandt. Eingebettet wurden die Präparate in Kanadabalsam. Einige Schwierigkeiten bereitet das Orientiren dieser kleinen Infusorien. Nach Angaben RHUMBLER’s habe ich auch hierzu eine sehr einfache Methode benutzt: Ein flaches Uhrschälchen wird mit Glycerin ganz dünn bestrichen, Paraffın hineingegossen und einige iselirte zu untersuchende Infusorien in das Paraffin übergeführt. Nach- dem nun das Uhrschälchen 2 Stunden im Wärmeofen gestanden hat, ist es sehr leicht, nach schneller Härtung des Paraffins den gehär- teten Block aus dem Uhrschälchen herauszunehmen. Die Infusorien, vor Allem die langen Ophryoscolex-Theilungen liegen in dem Paraffin stets mit ihrer Längsachse parallel dem Boden des flachen Uhrschäl- chens, und man ist nun mit Hilfe einer starken Lupe leicht im Stande, den zugeschnittenen Block so zum Schneiden zu orientiren, wie die Schnitte fallen sollen, in der Längs- oder Querrichtung. Um die Schnitte auf dem Objektträger nachzufärben, erzielte ich mit der Methode nach HEIDENHAIN (7) sehr schöne Bilder. Ein- gebettet wurden die Schnitte nachher in Kanadabalsam. Die ‚Gattung Ophryoscolex, zur ‘Familie der Ophryoscoleeiden gehörig, wurde im Jahre 1859 von Stem (l. e.) mit den beiden noch heute gültigen Arten »Ophryoscolex inermis« und »Ophryoscolex purkynjei< begründet. Zu diesen trat im Jahre 1894 als dritte die von EBERLEIN aufgestellte Art »Ophryoscolex caudatus« hinzu. Zeitschrift £. wissensch. Zoologie. LXV. Bd. 36 546 Adolf Günther, a. Allgemeine Formverhältnisse und Bau von Ophryoscolex caudatus. Bevor ich zur Schilderung der eigentlichen Theilungsvorgänge von Ophryoscolex caudatus übergehe, dürfte es angebracht sein, etwas auf die normale Körperform und die innere Einrichtung einzugehen. ‘ Die einzige, ausführliche Beschreibung unseres Infusors liegt von EBERLEIN (6) vor. So eingehend diese Beschreibungen nun auch sind, so habe ich doch im Laufe meiner Untersuchungen Manches konstatiren können, was von den EBERLEIN’schen Angaben abweicht, oder von demselben überhaupt nicht beschrieben ist. Diese Ungenauigkeiten in der Be- schreibung finden auch in den dazu gelieferten Abbildungen ihren Ausdruck. Aus diesen Gründen habe ich geglaubt, etwas näher auf die Beschreibung des normalen Thieres eingehen zu müssen. Ophryoscolex caudatus ist im Allgemeinen eine der häufigsten Formen, namentlich beim Schaf. Der dorsoventral zusammengedrückte Körper ist formbeständig, etwas über noch einmal so lang wie breit und über der Mitte spindelförmig erweitert. Der von STEIN (1 und 2) angegebenen Biegsamkeit des vorderen Körperendes habe ich be- sondere Aufmerksamkeit zugewandt, es ist mir aber nicht in einem Falle gelungen, dieselbe konstatiren zu können. Während die Rücken- seite des Körpers stark gewölbt ist, erscheint die Bauchfläche abge- flacht, manchmal sogar ein wenig eingezogen. Dass die Ränder der Bauchfläche beiderseits von einem Streifen stärker granulirten Plas- mas begrenzt sein sollen, konnte ich nicht bemerken. Der Vorder- leib des Körpers verjüngt sich allmählich und ist schief vom Rücken zur Bauchfläche abgestutzt. An diesem vorderen abgestutzten Ende befindet sich das sehr komplieirt gebaute Wimperorgan (Fig. 1 w), das hauptsächlich zur Herbeischaffung der Nahrung dient, aber auch zugleich zur Bewegung beiträgt. Dieses Wimperorgan umschließt gleichzeitig den Eingang in den Schlund und es setzen sich die Wimpern auch noch auf letzteren fort. Der Anfangs weite Schlund wird nach unten enger und setzt sich mit einer kleinen Krümmung zur linken Seite ziem- lich tief in das Körperinnere fort. Dieses oben benannte Wimperorgan hat, wie bereits hervor- sehoben, einen sehr komplicirten Bau, und es ist ein sicheres Er- kennen desselben wegen der lebhaften Bewegungen des Thieres sehr schwierig. Sind die Wimpern ausgestreckt, so ragen sie fast ganz über den vorderen Rand des Körpers hervor. Da das Vorderende Unters. üb. die im Magen unserer Hauswiederkäuer vork. Wimperinfus. 547 des Körpers in schiefer Richtung dorsoventral abgestutzt ist, so ragen demgemäß auch die Wimpern des dorsalen Bogens weiter nach vorn als die des ventralen. Die Wimpern sind am inneren Rande des »Peristomsaumes« an- seheftet. Der Peristomsaum verläuft in einer leichten Spirale und zwar so, dass, nachdem die Spirale ungefähr einen vollen Umgang beschrieben hat, sie in die Tiefe steigt. Die Wimpern setzen sich auch noch auf den Anfangstheil des Schlundes fort. Parallel mit diesem mit Wimpern besetzten, verläuft außerhalb desselben noch ein Peristomsaum ohne Wimpern. Zwischen beiden befindet sich eine kleine furchenartige Vertiefung (Fig. 2 fo). EBER- LEIN (l. ce.) bezeichnet diese Säume von oben gesehen als das Bild einer »doppelten, parallel verlaufenden und durch eine Vertiefung getrennten Spirale. Diese Spirale hat große Ähnlichkeit mit der von SCHUBERG beschriebenen »Peristomspirale« bei Entodinium. Die adorale Wimperzone ist im Stande, die Mundöffnung beliebig zu schließen und zu öffnen (sphinkterartig). Einen eben so komplieirten Bau wie die adorale Wimperzone be- sitzt der an der Außenseite der vorderen Körperhälfte befindliche quere Membranellenzus (Fig. 1 und 2 gm). Auch dieser quere Membranellenzug: verläuft in einer leichten Spirale, welche allerdings, da Anfangs- und Endtheil nicht wieder über einander stehen, unvoll- ständig ist. Die Spirale ist in ihrem Verlaufe in eine kleine furchen- artige Vertiefung eingebettet. Sie beginnt an der linken Seite der ventralen Fläche und geht, den dorsalen Theil des Körpers über- ziehend, zur rechten Seite der ventralen Fläche über. Anfang und Ende der Spirale sind etwa den fünften Theil des Körperumfanges von einander entfernt. Dadurch, dass die Spirale sich in ihrem Ver- laufe etwas dem hinteren Körperende nähert, liegen Anfangs- und Endtheil der Spirale nicht in einer Höhe, sondern es langt letzterer etwas unterhalb des ersteren auf der ventralen Körperfläche an. Durch diesen Vorgang ist auch die unvollkommene Spirale bedingt. Es bestehen an diesem queren Membranellenzuge dieselben Ver- hältnisse wie an der adoralen Wimperzone, wir haben auch hier zwei wulstartige Säume mit einer furchenartigen Vertiefung in der Mitte (Fig. 1 und 2 fYV7). An dem inneren Rande des inneren kleinen Saumes setzen sich die Wimpern an, die hier aber kleiner sind, als am Peristom. Bedeckt werden die Wimpern zum Theil noch durch den zweiten äußeren wimperlosen Saum. Etwas über 36* 548 Adolf Günther, 1/, der Wimpern ist von letzterem Saume bedeckt, während das Übrige frei nach außen hervorragt. So genau EBERLEIN (l. c.) diese Verhältnisse beschrieben hat, so ungenau ist der von ihm hergestellte Längsschnitt durch ein nor- males Thier (Fig. 6) ausgeführt. Nach dieser Zeichnung entspringen die Wimpern der queren Membranellenzone an dem äußeren Rande des inneren und dem inneren Rande des äußeren wulstartigen Saumes, während sie in Wirklichkeit nur an dem inneren Rande des inneren Saumes angeheftet sind. Ferner sind mir bei jedem untersuchten Thiere, vornehmlich an Längsschnitten, ganz deutliche, von EBERLEIN nicht erwähnte Ein- schnürungen (Fig. 2 und 12 E) an den Säumen des queren Mem- branellenzuges aufgefallen. Etwa in halber Höhe der Säume ist der innere wie äußere Rand eingeschnürt. Eine Deutung hierfür vermag ich nicht anzugeben. Die Wimpern der queren Membranellenzone sind nur lokomotorisch. EBERLEIN hat an denselben keine Struktur zu erkennen vermocht. An gut gelungenen Längsschnitten war es mir bei aufmerksamer Beobachtung stets möglich, doch eine Struktur an den Wimpern zu erkennen und zwar als »fein fibrilläre Längsstreifung« (Fig. 9 ZL). Ich habe diese Strukturverhältnisse gesehen sowohl an den Wimpern der adoralen Zone, als auch des queren Membranellenzuges. Häufig konnte ich an den Wimpern auch Zerfaserung konstatiren. SCHUBERG (13, p. 1336) hat Zerfaserung der Membranellen bei den Ophryoscoleceinen nie bemerkt, während nach BÜTScHLI (13, p. 1336) die Zerfaserung der Membranellen bei den Ciliaten häufig eintritt und normaler Weise oft vorkommt. Außer diesen beiden beschriebenen Wimperzonen ist der Körper von Ophryoscolex caudatus völlig nackt. Die hintere Hälfte von Ophryoscolex caudatus hat eine ganz eigenthümliche Gestaltung. Das Schwanzende ist spitz ausgezogen und mit drei Reihen Stacheln in ringförmiger Anordnung besetzt. Der schwanzförmige, in eine scharfe Spitze ausgezogene Fortsatz, der nicht ganz 1/; so lang ist, als der ganze Körper, ist beweglich und leicht nach links zur Bauchfläche gebogen. Am lebenden Thier sieht man ihn als einen hellen Stachel mit scharfer, bestimmter Um- STenzung. Da es sehr schwer ist, sich nur mit Hilfe des Mikroskops ein senaues Bild von der Anordnung und Anheftung der Stacheln zu machen, so habe ich versucht, nach den Angaben von G. Born u. A. Unters. üb. die im Magen unserer Hauswiederkäuer vork. Wimperinfus. 549 (8, 9, 10, 11, 12) vom normalen Thier Modelle herzustellen. Durch diese Modelle habe ich über manche Formverhältnisse gute Auf- klärung erhalten. I Die oberste Reihe dieser ringförmig angeordneten Stacheln wird von fünf backzahnartig geformten Körpern gebildet. Sie sind mit breiter Basis am Thierkörper angeheftet, besitzen einen kurzen ge- drungenen Körper und gehen je in drei leicht nach innen gekrümmte Zacken aus. Diese fünf Stacheln sind in der Weise gleichmäßig peripher um den Körper angeordnet, dass sie die ventrale Fläche desselben völlig frei lassen. Gerade diese Verhältnisse werden durch ein Modell ausgezeichnet klar gestellt und es wurde mir so sehr leicht, die große Ungenauigkeit an Nr. 5 der EBERLEIN’schen Zeich- nungen festzustellen, wo die richtige Anordnung der Stacheln des obersten Ringes an der ventralen Fläche außer Acht gelassen ist. Die Stacheln des folgenden zweiten Ringes, ungefähr in der Anzahl von acht bis zehn, sind höchstens ?/;, so groß wie die des ersten Ringes; sie sind gleichmäßig ringförmig angeordnet, ohne dass eine Unterbrechung im Ringe eintritt. Sie besitzen keine Basis und keinen eigentlichen Körper, sondern lassen einfach eine spitz zu- laufende, leicht nach innen gekrümmte Form erkennen. Die Stacheln der letzten dritten Reihe, fünf bis sieben an der Zahl, sind noch etwas kleiner als die vorhergehenden, sonst aber eben so beschaffen. Über der Mitte des von der dritten Stachelreihe beschriebenen Ringes sieht man den Ansatz des langen pfriemenförmigen Fortsatzes, an dessen Basis der After gelegen ist. Auch die Struktur des Infusorienleibes weist sehr komplieirte Verhältnisse auf. Die Pellieula (Fig. 1 und 2 C), die als ziemlich dieke Schicht den Körper vollständig überzieht, ist völlig homogen, ohne jede Struktur. In keinem Falle hat sie Färbung angenommen, sondern sie zeigt sich in allen Präparaten als eine gelbliche Linie. Sie ist hart und spröde und verleiht hierdurch dem Körper seine formbeständige, starre Beschaffenheit. EBERLEIN (l. ce.) hat durch sehr interessante Versuche nachgewiesen, dass dieser starre Zustand durch Einlagerung von Kieselsäure bedingt wird. Die Pellicula bedeckt, wie schon hervorgehoben, den ganzen Körper, kleidet, wenn auch nur in ganz dünner Schicht, den Schlund und die Afterröhre aus, senkt sich gleichmäßig in alle Vertiefungen ein und überzieht eben- falls alle Fortsätze des Körpers. Im Inneren des Körpers unterscheidet man nun mit Leichtigkeit ein Ektoplasma (Fig. 2 E%), ein Entoplasma (Fig. 2 Er) und die 550 Adolf Günther, beide Schichten trennende Grenzlage (Fig. 2 g). Das Ektoplasma liegt der Pellicula an, ist dorsal ungefähr noch einmal so diek, wie ventral und breitet sich im vorderen und hinteren Drittel des Kör- pers weiter aus. Diese Ausbreitung des Ektoplasmas bedingt, dass das Entoplasma nicht die allgemeine Körperform besitzt, sondern vorn und hinten abgerundet und im Ganzen zusammengedrückt erscheint. Um mir über den feineren inneren Bau Klarheit zu verschaffen, habe ich mir von einer Reihe von normalen Thieren volle Serien gleich dieker Längs- und Querschnitte angefertigt. Diese Schnitte habe ich auf dem Objektträger nach HEIDENHAIN (l. ce.) gefärbt. Wie ich schon oben hervorhob, weist die Struktur des Körpers außerordentlich komplieirte Verhältnisse auf. Das Ektoplasma liegt in seiner ganzen Ausdehnung der Innenfläche der; Pellicula an. Auf allen von mir angefertigten Längs- und Querschnitten zeigt das Ekto- plasma einen wabigen Bau. Die einzelnen Waben liegen dicht an einander und haben selten eine unregelmäßig vieleckige, im Allge- meinen jedoch eine rundliche, länglich runde, elliptische Form. Nur die der Pellicula direkt anliegende Wabenschicht sieht man in regelmäßiger Anordnung, und es ist hier somit, da die ein- zelnen Waben senkrecht zur Pellicula stehen, zur Bildung der sogen. BürscHr'schen Alveolarschicht gekommen (Fig. 2 ba). Zwischen den einzelnen Waben bestehen keine besonderen Tren- nungswände, sondern sie haben sich einfach mit ihren eigenen Wan- dungen an einander gelegt und es erscheint desshalb die zwei einzelne Waben trennende Wand verdickt. Es weicht dieser von mir in allen Fällen beobachtete Befund über den Wabenbau völlig von dem EBERLEIN’schen ab, der die Form der einzelnen Waben als »vier-, sechs-, achteckig oder auch unregelmäßig geformt« beschreibt. Diese von EBERLEIN beschriebene Wabenform findet auch in dem zu seiner: Arbeit gelieferten Längs- und Querschnitt ihren Ausdruck. Die Betrachtung der Längsschnitte lässt keinen Zweifel auf- kommen, dass das Ektoplasma ohne Unterbrechung in die Stacheln und Zacken des Körpers übergeht. Die einzelnen Waben nehmen hier nur eine viel regelmäßigere Anordnung an, so dass sie mit ihrer Längsachse ziemlich parallel der Cutieula verlaufen. Das Ektoplasma wird vom Entoplasma durch eine besondere Grenzschieht (Fig. 2 g) getrennt. SCHUBERG (5, p. 10) beschreibt letztere »als eine besondere verhältnismäßig dieke Membran, welche Unters. üb. die im Magen unserer Hauswiederkäuer vork. Wimperinfus. 551 longitudinal verlaufende Fibrillen eingelagert enthält. Am Schlund- ende und Afteranfang geht diese das Ento- vom Ektoplasma trennende Schieht in die äußere Begrenzungsschicht des Körpers (Alveolar- schicht und Pellieula) über. Auf diese Weise ist vom Munde bis zum After eine kontinuirliche Grenzmembran gebildet, die nach innen das Entoplasma abschließt, nach außen vom Ektoplasma um- geben wird«. Dieser sehr eingehenden Beschreibung der das Ektoplasma vom Entoplasma scheidenden Grenzmembran brauche ich weiter. nichts hinzuzufügen. EBERLEIN (l. e.) will nun bei seinen Untersuchungen dieser Grenzmembran noch weitere komplieirte Verhältnisse an letzterer beobachtet haben. So beschreibt er, dass sich auf der dem Ekto- plasma zugewandten Fläche der Grenzmembran eine einfache Schicht rechteckiger Waben in regelmäßiger Anordnung, mit ihrer Längsachse senkrecht zur Grenzmembran gestellt, findet; und will ferner auf der dem Entoplasma zugewandten Fläche obiger Membran eine doppelte Bürscatrische Alveolarschicht deutlich gesehen haben. Es ist mir trotz eifrigsten Suchens mit stärkerer Vergrößerung, als sie von EBERLEIN gebraucht ist, nicht gelungen, diese Schichten an beiden Flächen der Grenzmembran nachzuweisen. Wenn sich diese Verhältnisse unter dem Mikroskop dem Auge des Beschauers so deutlich darböten, wie sie von EBERLEIN auf seinem Längs- und Querschnitt gezeichnet sind, so ist es mir völlig uner- klärlich, dass dieselben sich meiner Beobachtung haben entziehen können. Auch in der SCHUBERG'schen (l. ec.) Abhandlung findet sich nichts, was auf das Vorkommen derartiger Schichten deuten könnte, und ich glaube nicht, dass das Vorhandensein der letzteren einem solch aufmerksamen Beobachter entgehen konnte. Das Entoplasma zeigt ebenfalls ein reticuläres Stroma mit kleinen rundlichen oder länglich-runden Waben. Es ist ziemlich schwierig, diese Verhältnisse genau zu erkennen, da das Entoplasma schlecht durchsichtig ist. Ganz feine, dünne Schnitte lassen den Beschauer nicht im Zweifel darüber, dass sich oben geschilderte Verhältnisse wirklich finden. In keinem Falle konnte ich konstatiren, dass die Waben unregelmäßig vieleckig und größer als die des Ektoplasmas sind; im Gegentheil, sie sind bedeutend kleiner. Dass ich an der der Grenzmembran angelagerten Partie des Entoplasmas die von EBERLEIN beschriebene doppelte BürschLY'sche Alveolarschicht nicht gesehen, habe ich oben bereits hervorgehoben. Am Schlund und an der Afterröhre habe ich dieselben Verhält- 552 Adolf Günther, nisse nachweisen können, wie sie von EBERLEIN beschrieben sind. Beide sind ektoplasmatischer Natur und haben drei Gewebsschichten. Die innere zeigt sich als dünne Fortsetzung der Pellieula, ungefähr bis zur Mitte des Schlundes besetzt mit immer kleiner werdenden Wimpern. Die folgende zweite Gewebsschieht ist vom Ektoplasma gebildet, nur mit dem Unterschiede, dass die Waben hier enger und regelmäßiger stehen. Die dritte äußerste Schicht des Schlundes end- lich wird von der bereits beschriebenen Grenzmembran gebildet. Dieselben drei Gewebsschichten lassen sich unschwer auch an der Afterwandung erkennen. Der Makronucleus ist langgestreckt, oval, auch bohnenförmisg, liegt in der Mehrzahl der Fälle an der linken Körperseite im Ekto- plasma in einer Einbuchtung des Entoplasma. EBERLEIN (l. ce.) giebt ihn ausschließlich als auf der linken Seite des Körpers gelegen an, während STEIN (2) ihn bei den Ophryoscolex-Arten auf der rechten Seite der Körpers gesehen hat. Ich habe den Makronucleus, wie ich schon oben hervorhob, mit einigen Ausnahmen auf der linken Kör- perseite angetroffen. Der Nucleus von Ophryoscolex caudatus scheint also keine ganz konstante Lage einzunehmen. An gefärbten Kernschnitten kann man leicht zwei Schichten nachweisen — eine feine einfach kontourirte Kernmembran und die Kernsubstanz. Die Kernmembran ist ein dünnes Häutchen ohne jeden Fortsatz. Ich glaubte öfter an ganzen Thieren von den beiden Kern- enden ausgehende Fortsätze bemerkt zu haben, konnte mich aber später an Längsschnitten von dem Nichtvorhandensein derselben überzeugen. | Die Kernsubstanz lässt eine deutliche Struktur erkennen mit sehr feinen kleinen Waben. An gut gelungenen Längsschnitten konnte man am Kern von in Theilung begriffenen Thieren ziemlich regel- mäßige Längsstreifung sehen. An der äußeren Längsseite des Kerns liegt in einer Einsenkung der Kernmembran der Mikronucleus. Letzterer hat keine bestimmte Lage, etwa stets in der Mitte, sondern ich habe ihn an allen Stellen der äußeren Längsseite der Kernmembran nachweisen können, bald im ersten, bald im letzten Drittel und in der Mitte. Der Mikronueleus ist ein kleines, meist rundliches Körperchen, stärker lichtbrechend als der Makronucleus. Eine besondere Struktur habe ich nicht nach- weisen können. | In der hinteren Hälfte des Körpers, ebenfalls im Ektoplasma ge- legen, finden sich eine Anzahl verschieden großer kontraktiler Vacuolen, Unters. üb. die im Magen unserer Hauswiederkäuer vork. Wimperinfus. 553 sewöhnlich fünf bis sechs an der Zahl. Einen Porus, durch den die Vacuolen ihren Inhalt nach außen entleeren, habe ich nicht gesehen. An jedem Ophryoseolex caudatus, schon bei der Untersuchung des lebenden Thieres, besser natürlich an konservirten gefärbten Thieren und Schnitten derselben, habe ich ein Organ (ef. Fig. 1, 2, 5, 6, 7 st) gefunden, im Ektoplasma liegend, über das bis jetzt noch kein Autor in der über die Infusorien des Wiederkäuermagens han- delnden, mir zugänglichen Litteratur etwas bemerkt hat. Es ist diese Thatsache um so auffallender, als es überhaupt keiner großen: Auf- merksamkeit bedarf, um dieses Organ aufzufinden. Nach meinen Beobachtungen stellt dasselbe einen Stützapparat für den Schlund dar. Dieser Stützapparat, der äußerst komplieirt gebaut ist, bildet kein einheitlich Ganzes, sondern setzt sich aus zwei Theilen zu- sammen, die, zuerst getrennt von einander den Schlund theilweise umfassend, bald ganz nahe zusammentreten, um schließlich wieder einzeln verlaufend, tief unten im Thier zu endigen. Dass dieser Stützapparat nur im Ektoplasma und an der Bauchfläche des Thieres gelegen, ist sehr leicht aus den angefertisten Querschnitten zu ersehen (Fig. 13, 14, 15, 16 sit). Der eine Theil des Stützapparates (Fig. 2, 5, 6, 7 st und 13 st) liest in seinem ganzen Verlaufe der Pellieula der Bauchfläche an, nur getrennt von derselben durch die alveoläre Pellieularschicht. Die Ausdehnung in der Breite beträgt annähernd _ denselben Theil, wie er von dem queren Membranellenzuge frei- gelassen wird, also ungefähr den fünften Theil der Körperbreite. In der Längsrichtung ist dieser Theil des Stützapparates nicht gleich- mäßig geformt, sondern im oberen bis zweiten Drittel des Körpers nach dem Körperinnern zu verdickt (Fig. 5, 6 st). Der zweite Theil des Stützapparates (Fig. 5, 6 und 13 s?!) entspringt an der rechten Seite des Thieres, mehr von der Rückenfläche desselben, geht in einer leichten Spirale zur linken ventralen Körperseite über und stößt hier mit dem der Bauchfläche benachbarten Theil, sich diesem anlesend, zusammen. Beide Theile sind jetzt über einander gelagert, treten aber bald wieder aus einander, um bis in die unterste Partie des Körpers einzeln zu verlaufen, stets dem Schlund angelagert. Auch dieser zweite Theil zeigt Einschnürungen und Verdickungen. An Schnitten kann man leicht zwei Schichten des Stützapparates unterscheiden: eine feine, dünne, strukturlose, völlig homogene Mem- bran, und die von dieser eingeschlossenen Substanz, die eine deut- liche Struktur erkennen lässt, mit großen meist zur Längsachse des 554 Adolf Günther, Stützapparates senkrecht gerichteten Waben. Gegen das Ende hin wird die Struktur feiner und die einzelnen Waben werden kleiner. In keinem Falle ist es mir gelungen, an den auf die verschieden- sten Methoden gefärbten Schnitten und Thieren auch eine Färbung des Stützapparates zu erzielen. Dass die homogene Membran sich nicht färbt, kann weiter nicht auffallen, dass aber auch die von dieser Membran eingeschlossene reticuläre Substanz keine Färbung annimmt, ist doch sehr eigen- thümlich. In allen Fällen zeigte der Stützapparat einen ganz charak- teristischen Glanz. Um mir über die Natur dieses Stützapparates Aufklärung zu verschaffen, habe ich isolirte Ophryoscolex caudatus mit verschiedenen Reagentien behandelt und Folgendes dabei ge- funden: 1) Zusatz von Aqua destillata: Die einzelnen Waben des Stütz- apparates quellen auf, nehmen ganz regelmäßige fibrilläre Struktur an und bleiben stets deutlich erkennbar. Die Wabenstruk- tur des Ekto- und Entoplasma ist rasch zerflossen. 2) Zusatz von 10°/, Salpetersäure spec. Gew. 1,4: Es bleibt Alles ziemlich deutlich zu erkennen. Die einzelnen Waben des Stütz- apparates, als auch des Ekto- und Entoplasmas, fließen zu Gruppen zusammen, die nach und nach größer werden. Die Waben des ersteren bleiben länger und deutlicher erkennbar, als alles Übrige. 3) Zusatz von Essigsäure: Inhalt des Stützapparates und des Kerns wird sehr deutlich, nimmt fibrilläre Struktur an. Sonstige Wabenstruktur sehr undeutlich. 4) Zusatz von schwacher Kalilauge löst Alles auf. Aus diesen wenigen Versuchen schon ist zu entnehmen, dass der Stützapparat weit widerstandsfähiger gegen äußere Einflüsse ist als alles Übrige, ausgenommen die Pellicula. Auch die Membran des Stützapparates erweist sich resistenter als z. B. die Kernmembran. Die Messungen normaler Exemplare von 17 verschiedenen Ophry- oscolex caudatus haben ergeben (vgl. Tabelle), dass der Körper durch- schnittlich 0,17 mm lang, 0,09 mm breit und der Kern 0,07 mm lang und 0,014 mm breit ist. Konjugation von Ophryoscolex caudatus zu beobachten habe ich nie Gelegenheit gehabt, dagegen sind mir im Verlaufe meiner Unter- suchungen außerordentlich viele Theilungen dieses Infusors vorge- kommen, deren Vorgänge ich im Folgenden näher erläutern werde. Unters. üb. die im Magen unserer Hauswiederkäuer vork. Wimperinfus. 555 b. Über die Theilungsvorgänge bei Ophryoscolex caudatus. Die Fortpflanzung bei den Ophryoscoleceiden habe ich bis jetzt nur als durch »Theilung in beweglichem Zustande bedingt« gesehen. Die Theilung war in allen beobachteten Fällen eine Quertheilung. Bei den Gattungen Diplodinium und Entodinium kommt eine fast regelmäßige gleichhälftige Quertheilung vor, wobei der Durchmesser der Theilungsebene senkrecht zur Längsachse des Thieres steht. In großem Gegensatz hierzu steht die Gattung Ophryoscolex, speciell in diesem besonderen Falle Ophryoscolex caudatus. Es findet hier eine Quertheilung in der Weise statt, dass bei beginnender Theilung der obere Theilsprössling ungefähr ?/, des ganzen Theilthieres ausmacht. Der Durchmesser der Theilungsebene steht nicht senkrecht zur Längsachse des ganzen Thieres. Im Verlaufe des weiteren Theilungsvorganges erst erlangt der untere Theilsprössling durch Auswachsen in die Länge ungefähr die Größe des oberen. Um den Theilungsvorgang von Ophryoscolex caudatus übersicht- licher beschreiben zu können, habe ich verschiedene Stadien fest- gelest. Mit 0 möchte ich die Größen der normalen Thiere bezeich- nen, als I. Stadium die beginnende Theilung ansehen, bei der der Kern noch ein ganzes, die Theilungsstelle aber bereits als eine flache Rinsfurche zu erkennen ist. Das II. Stadium bedeutet die fortge- schrittene Theilung, bei der der Kern durchschnürt und am Thier an der Theilungsstelle eine tiefe Einschnürung bereits stattgefunden hat (ef. Fig. 10, 11). Als 01 bezeichne ich die Normalgrößen der jetzt selbständigen durchtheilten Thiere. Es kann 0! nicht als fester Punkt genau fixirt werden, denn vom II. Stadium bis 01 giebt es immer noch Übergänge, die festzustellen man aber nicht in der Lage ist. Ich halte es nicht für angebracht, noch mehr Stadien während des Theilungsvorganges zu unterscheiden, da es doch wohl sehr schwierig werden möchte, für die bestimmte Feststellung weiterer Zwischenstadien sichere Merkmale zu fixiren. Die Kennzeichen für die von mir aufgestellten Stadien sind mit ziemlicher Genauigkeit bei den verschiedenen Thieren aufzufinden. Um mich über die als erstes Anzeichen beginnender Theilung einsetzende Volumzunahme des Körpers und ihren Verlauf während der Theilung genau orientiren zu können, habe ich sowohl von nor- malen Thieren als auch von den einzelnen Theilungsstadien eine Anzahl Messungen vorgenommen, deren Resultat ich nach genauer 356 Adolf Günther, Berechnung des Durchschnittes für die einzelnen Stadien in die an- sefüste Tabelle übertragen habe. Aus dieser Tabelle lassen sich mit Leichtigkeit die bestehenden Verhältnisse erkennen. Ich habe bei meinen Messungen nicht allein die Körperdimensionen in Betracht gezogen, sondern auch die Verhältnisse, wie sie sich am Kern wäh- rend der einzelnen Theilungsstadien zeigten, berücksichtigt. Die - - - - Linie (cf. p. 568) bezeichnet die Gesammtkörperlänge. Bei 0 beträgt die durchschnittliche Länge des normalen Thieres an 17 Thieren gemessen 166,2 u, während im ersten Stadium der Theilung die Größenzunahme — an 16 Thieren gemessen — in der Längsrichtung 5,7 u beträgt. Ein weit größerer Unterschied in der Körperlänge wird uns im II. Stadium vor Augen geführt. Es hat hier die Ge- sammtkörperlänge um 44,4 u zugenommen. Aus diesen Zahlen können wir ersehen, dass während des Theilungsvorganges eine ganz erhebliche Streekung des Körpers in der Längs- richtung um über den vierten Theil der normalen Körper- länge statthatt. Die -- -- Linien -- -! und ---? bedeuten die Körperlängen der beiden durch die Ringfurche bezw. Einschnürung gekennzeichne- ten Theilsprösslinge. Es wird hier der genaue zahlenmäßige Beweis für bereits oben Gesagtes erbracht, dass nämlich bei Ophryoscolex caudatus nicht gleichhälftige Quertheilung vorkommt, sondern der obere Theilsprössling ungefähr zwei Drittel des ganzen Thieres aus- macht. Es beträgt die Länge des oberen Thieres 100,8 «, die des unteren 71,1 u. Diese Zahlen rechtfertigen vorstehende Behauptung der ungleichhälftigen Quertheilung. Erst im Verlaufe des Theilungs- vorganges tritt speciell am unteren Theilsprössling starkes Längen- wachsthum ein, so dass im zweiten Stadium der Theilung der Größen- unterschied beider Sprösslinge sich beinah ausgeglichen hat und bis zur vollendeten Durchschnürung, von mir in der Tabelle mit 0! be- zeichnet, ganz verschwunden ist. Während der Körper in der Längsrichtung wächst, wie wir eben gesehen haben, nimmt die Körperbreite bei beginnender Theilung ab. Diez Linie in der Tabelle mit ........- 1 and ee 2 lehrt uns, wie sich die Körperbreite in den einzelnen Stadien verhält. Bei 0 be- trägt die durchschnittliche Körperbreite an 17 Thieren gemessen 87,2 u. Im I. Stadium der Theilung ist die Körperbreite in beiden Theilsprösslingen noch die gleiche, hat aber gegen das normale Thier um 4,5 u abgenommen. Im II. Stadium sehen wir auch einen Unter- schied in der Breite bei beiden Theilthieren eintreten, derart, dass Unters. üb. die im Magen unserer Hauswiederkäuer vork. Wimperinfus. 557 das obere um 8,3 «, das untere um 12,8 u schmäler ist, als das Mutterthier vor der Theilung. Erst von jetzt ab tritt bei beiden Sprösslingen ein Wachsthum in die Breite ein, bis sie vermuthlich bei 0', d. h. nach vollendeter Theilung, ihre normale Körperbreite wieder erlangt haben. Wie im Verlaufe der Theilung bei unserem Infusor das Längen- wachsthum der Theilsprösslinge zu Stande kommt, darüber’ fehlen mir bis jetzt noch genaue Beobachtungen. Da wir so eben gesehen haben, dass bei der Theilung gleichzeitig mit der Längsstreekung eine Verschmälerung des Thieres eintritt, so wird man kaum fehl sehen, wenn man annimmt, dass hier wohl eine Verschiebung des Körperinhalts zu Gunsten einer Ausdehnung des Thieres in die Länge stattfindet. In dieser Annahme werde ich bestärkt durch den Um- stand, dass, je stärker das Längenwachsthum an dem unteren Theil- thiere eintritt, um so mehr das letztere an Körperbreite abnimmt. Da nun aber, wie aus der Tabelle zu ersehen ist, Längenwachsthum und Abnahme der Körperbreite während des Theilungsvorganges nicht in gleichem Verhältnis neben einander hergehen, so ist die oben besprochene Verschiebung des Körperinhaltes zu Gunsten des Längenwachsthums allein nicht ausreichend, um dieses hervorzubrin- gen. Es muss hier noch der Körperinhalt an Volumen zunehmen. Es ist zu konstatiren, dass die einzelnen Waben während der Thei- lung an Größe nicht zunehmen und es muss so dementsprechend eine Zunahme in der Anzahl der Waben stattfinden, es missen also neue Waben gebildet werden. Auf welche Weise dieser Vorgang sich abspielt, ob durch Theilung der vorhandenen Waben, oder da- durch, dass die Scheidewände, die durch das Aneinanderlagermn zweier Waben gebildet werden, aus einander treten und auf diese Weise einen neuen Hohlraum zwischen sich schaffen, muss ich noch dahin- gestellt sein lassen. Auch über das Zustandekommen der bei beginnender Theilung zuerst eintretenden Volumzunahme des Körpers in der Längsrichtung, und der gleichzeitig einhergehenden Abnahme der Körperbreite bin ich nicht in der Lage, Positives mittheilen zu können. Es wäre ja denkbar, dass hier ähnliche Verhältnisse vorlägen, wie bei den Vor- ticellinen, wo fibrilläre Differenzirungen im Ektoplasma unter der Pellieula in innigem Zusammenhang mit der Alveolarschicht vor- kommen. Mit Sicherheit sind diese kontraktilen Fibrillen, die Myo- neme, von denjenigen Ciliaten bekannt, deren Ektoplasma aus den 558 Adolf Günther, drei Schichten, Pellieula, Alveolarschicht und Corticalplasma besteht (BürscaLı IH. Abthlg. p. 1293). Ich habe bei meinen Untersuchungen öfter geglaubt, derartige Differenzirungen im Ektoplasma erkannt zu haben, bin aber vor- läufig noch nicht im Stande, diese, die ich auch nicht in jedem Falle gesehen habe, als Myoneme anzusprechen. Gegen die Annahme, dass hier eine Myonemschicht mit im Spiele ist, spricht, dass die Form der Alveolen die gleiche bleibt. Sollten aber durch spätere Untersuchungen mit andern als von mir angewandten Hilfsmitteln derartige Differenzirungen kontraktiler Natur in der Alveolarschicht bezw. Ektoplasma von Ophryoscolex caudatus gefunden werden, so wäre die bei beginnender Theilung dieses Infusors einsetzende Längs- streckung des Körpers wohl dadurch erklärlich, dass durch die Ein- schnürung an der Theilungsstelle die Spannung hier unterbrochen, und so der Muskeltonus aufgehoben würde. Kernvergrößerung. Zugleich mit der Volumzunahme des Körpers tritt auch eine Vergrößerung am Kern auf ( ! und 2 in der Tabelle). Die Tabelle giebt uns auch hier wieder interessante Aufschlüsse über den Vorgang der Kernvergrößerung in den einzelnen Stadien. Die normale Kernlänge, an 17 Thieren gemessen, beträgt im Durchschnitt 72,1 u (0 der Tabelle). Im I. Stadium, in dem der Kern noch ein Ganzes bildet, hat die Vergrößerung in der Längsachse um 12,7 u zugenommen, während die Gesammtlänge beider Kerntheilsprösslinge, die bereits im II. Stadium selbständig sind, in diesem wieder um ein wenig abgenommen hat. Konform der ungleichhälftigen Quertheilung des Körpers findet solche auch am Kern statt, indem, wie aus der Tabelle im II. Stadium (33 Messungen) zu ersehen ist, der Kern des oberen Theilthieres um ca. 10 u länger ist, als der untere. Erst nach und nach gleicht sich dieser Unterschied in der Länge beider Kerntheile bis zur vollendeten Durchschnürung des Körpers (0! der Tab.) wieder aus. Während die Kernbreite, welche normal (0 der Tab. ----- Linie) 14,1 u beträgt, bis zum I. Stadium, in dem der Kern, wie bereits hervorgehoben, noch ein Ganzes bildet, nur um ein so Geringes sich verändert hat, dass dieser Unterschied bei der Vergleichung gar nicht in Betracht kommen kann, sehen wir wunderbarer Weise im II. Stadium, in dem bereits die Durchtrennung am Kern stattgefun- den hat, eine Zunahme in der Kernbreite. Auffällig ferner ist hier Unters. üb. d. im Magen unserer Hauswiederkäuer vork. Wimperinfus. 559 die Thatsache, dass die größte Zunahme der Breite den unteren Theil- kern betroffen hat. Bis zur vollendeten Theilung des Thieres gleichen sich die Unterschiede in der Breite der beiden Theilkerne nach und nach völlig aus. SR Es ergiebt sich demnach aus Obigem, dass bei der Theilung die Breite beider Theilkerne zur Länge derselben sich umgekehrt ver- hält, wie die Breite beider Theilsprösslinge zur Länge derselben. Kontraktile Vacuolen. Zugleich mit dem Eintritt des Körperwachsthums findet eine Vermehrung der kontraktilen Vacuolen statt. Dieselben sollen sich nach der Beschreibung EBERLEIN’S (l. c.) gewöhnlich verdoppeln und sich dann entsprechend in die Theilhälften einlagern. Mikronucleus. Alle diese soeben beschriebenen Erscheinungen der Vergrößerung des Körpers und des Kerns im ersten Anfange beginnender Theilung könnte man als Vorbereitungserscheinungen auffassen, denen dann in der Regel als erster Theilungsvorgang die Theilung des Mikro- nucleus folst. Als vorbereitendes Stadium der Theilung des Mikronucleus tritt ebenfalls eine Vergrößerung desselben ein. Die Verdoppelung des Mikronucleus geschieht durch »indirekte Theilung«. EBERLEIN (6) beschreibt den Vorgang als eine »typische Karyokinese mit Bildung einer Spindelform«. Auch mir ist es, eben so wie EBERLEIN, leider nicht gelungen, den eigentlichen indirekten Theilungsvorgang des Mikronucleus in seinem Verlaufe bei Ophryoscolex caudatus zu beobachten. Nur einige Male habe ich Gelegenheit gehabt, den Mikronueleus in vergrößertem Zustande zu sehen und desshalb angenommen, dass diese Thiere kurz vor der Theilung ständen. Sonst war bei beginnender Theilung des Thieres der Mikronucleus bereits stets in der Zweizahl vorhanden. Aus dieser Thatsache ergiebt sich von selbst, dass die Theilung des Mikro- nucleus zu einem Zeitpunkte stattfindet, wo man dem Thiere selbst eine Volumzunahme als erstes Zeichen beginnender Theilung noch nicht anzusehen vermag. Die Theilung des Nebenkerns ist also bereits abgeschlossen, wenn sich der Makronucleus noch als ein Ganzes zeigt, und man sieht nun den einen Nebenkern dem oberen Theil des Makro- nucleus und den andern Nebenkern dem untern Theil des Makronucleus gewöhnlich in einer Vertiefung des letzteren, angelagert. 860 Adolf Günther, Neubildungen im Ektoplasma. Gleichzeitig mit der Theilung des Nebenkerns, nach derselben oder, wie auch schon beobachtet ist (EBERLEIN 1. ce.), vor derselben, treten die ersten Veränderungen und Neubildungen am Ektoplasma auf. Mit ziemlicher Sicherheit habe ich jedenfalls im Verlaufe meiner Untersuchungen konstatiren können, dass die ersten wahrnehmbaren Veränderungen bei der Theilung von Ophryoscolex caudatus am Plasma zu konstatiren waren, und erst hierauf Theilungserscheinungen am Makronucleus auftraten. Als hauptsächlichste Neubildung — vom Plasma ausgehend — muss die Neuanlage der adoralen Wimperzone, des queren Membra- nellenzuges und der Zacken und Schwanzfortsätze angesehen werden, da vor Allem die ersteren den kompliecirtesten Bau aufweisen. Über die Neuanlage dieser bei Ophryoscolex caudatus ist bis jetzt nur sehr wenig bekannt. Meines Wissens ist SCHUBERG (l. ce.) der Einzige, der einige Andeutungen hierüber gemacht hat. ScHu- BERG hat, ohne auf Einzelheiten einzugehen, auch nur »zunächst einmäl die Frage nach der ‚inneren Anlage der adoralen Zone‘ auf Grund seiner gegenwärtigen Kenntnisse erörtert«. Ich halte die Be- hauptung EBERLEIN’s, dass SCHUBERG den Nachweis für die »innere Anlage« der adoralen Zone bei den Ophryoscoleciden bereits erbracht hat, nicht ganz zutreffend, denn SCHUBERG lässt die Frage, ob es sich bei dieser Neuanlage nicht doch um eine »frühzeitige Einsenkung«< handeln könne, wie von BürschLi (Protozoen p. 1567) vermuthet wurde, noch offen, aus Mangel jeder für sie zeugenden Beobachtung. Auch für die weitere Behauptung EBERLEIN’s, dass es sich bei der Neu- bildung der Wimperzone der Ophryoscoleciden um eine »innerliche Anlage« handele, fehlt der direkte Beweis. Ich glaube nicht, dass das von EBERLEIN als das »früheste Stadium« bezeichnete wirklich den ersten Theilungszustand darstellt. Ich bin bei meinen Untersuchungen auf ein Exemplar einer Diplodinium-Art gestoßen, das ziemlich eigenthümliche Verhältnisse aufweist (Fig. 17). Ich nehme an, dass dieses Thier in einem Stadium der Theilung begriffen ist, das man wohl als das »früheste« bezeich- nen kann. Bei oberflächlicher Betrachtung sah ich nur in der Mitte des Thieres, quer dasselbe umlaufend, eine eben schwach angedeutete iingfurche. Bei « und «a! (Fig. 17) mündet in der Pellicula mit einer deutlichen Öffnung ein schmaler länglicher Kanal; oder wohl besser, bei « und a! senkt sich von außen ein schmaler länglicher Unters. üb. die im Magen unserer Hauswiederkäuer vork. Wimperinfus. 561 Kanal in das Ektoplasma hinein. Dieser Kanal, der eine deutliche Öffnung in der Pellicula zeigt, senkt sich bei « bald nach seinem Eintritt in das Ektoplasma nach abwärts. Um diesen Kanal herum liest eine dunklere Zone, wohl verdichtetes Plasma. Bei «a! steigt der Kanal zuerst etwas nach aufwärts, worauf derselbe sich dann ebenfalls nach unten senkt. Auch hier wird er von einer dunkleren Zone umgeben. Ich halte in diesem Falle die beiden Kanäle 5 und 5! für die erste Neuanlage der adoralen Wimperzone. Im Falle es sich hier nun wirklich um die erste Neuanlage der adoralen Zone handelt, so ist ja — für die Bildung des von EBER- LEIN und SCHUBERG beschriebenen »sovalen Kanals«, der »röhren- förmig« den Körper so umläuft, wie später die Wimperzone angelegt ist — sehr leicht denkbar, dass der oben beschriebene Kanal 5 und d! (Fig. 17) sich weitet und von der Pellicula zurückzieht, so dass er von allen Seiten vom Ektoplasma umgeben ist. Dehnt sich nun später die Wandung des Wimperkanals weiter aus, so tritt sie wieder- um mit der Pellicula in Verbindung und öffnet sich nach außen. Es würde also in diesem Falle die neue adorale Zone durch eine »früh- zeitige Einsenkung« von außen, nicht durch »innere Anlage« sebildet worden sein. Dieselben Verhältnisse habe ich noch einmal gefunden bei einem Exemplar von unserem Infusor, Ophryoscolex caudatus (Fig. 4« und ). Auch dieses Thier befindet sich im allerersten Stadium beginnender Theilung. Sollte es sich in diesen Fällen bei der Anlage der adoralen Zone wirklich um eine »frühzeitige Einsenkung von außen« handeln, so ist sehr leicht erklärlich, wesshalb diese Verhältnisse bis jetzt noch nicht mit Sicherheit konstatirt werden konnten, denn die allerersten Anfänge dieser Neubildungen geschehen jedenfalls zu einer Zeit, wo dieselben leicht aus Mangel anderer für die Theilung zeugender Er- .scheinungen bei der Untersuchung übersehen werden können. Anlage vom Peristom und queren Membranellenzug. In den frühesten Stadien sehen wir die ersten Neuanlagen der adoralen Zone und des queren Membranellenzuges bei Ophryoscolex caudatus ziemlich auf gleicher Höhe liegen, jedoch auf verschiedenen Seiten des Körpers des in Theilung begriffenen Thieres. Die Neu- anlage des Peristoms findet sich mehr ventralwärts. Die ursprüngliche Anlage des Peristoms und des queren Mem- branellenzuges dicht zusammen ist gerade bei den Ophryoscolex-Arten Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXV. Bd, 37 562 Adolf Günther, sehr bemerkenswerth, da am normalen Thier bekanntermaßen die quere Membranellenzone weit hinter das Peristom gerückt ist, beinah bis in die Mitte des Thieres. Auf das Zustandekommen dieser Ver- hältnisse werde ich später noch zurückkommen. Ferner findet die erste Anlage des queren Membranellenzuges (Fig. 3 und 11a und a!) in der Art und Weise statt, wie sie der späteren Lage am normalen Thiere entspricht. Der im Querschnitt länglich, unregelmäßig gestaltete Kanal um- läuft »röhrenförmig« den Körper des Thieres, hauptsächlich auf der Dorsalseite des letzteren, wie später der quere Membranellenzug an- gelegt ist. Also schon in den ersten Anfängen dieser Zone liegen Anfang und Ende nicht in einer Ebene, sondern es beschreibt dieser Kanal dieselbe unvollständige Spirale, bei der das Ende mehr dem Hintertheil des Thieres zu gelagert ist, wie wir sie bei der Be- schreibung des normalen Thieres kennen gelernt haben. Sehr frühzeitig schon können wir in diesem Kanal, sowie in dem Hohlraum, in dem das Peristom ausgebildet wird, und die beide jetzt gegen das sie völlig umgebende Ektoplasma durch eine pelli- culäre Schicht abgeschlossen werden, feine Härchen auftreten sehen (Fig. 3c). Im Verlaufe des fortschreitenden Theilungsprocesses dehnen sich die Wandungen dieser Hohlräume, treten mit der Pellieula des Kör- pers in Berührung und brechen nun wieder nach außen durch. Es scheint, als ob der Durchbruch des neu angelegten Peristoms nach außen eher erfolgt, als derjenige der queren Membranellenzone. Die Durchbruchsstellen erweitern sich nun später und man kann die Wimpern in lebhaften Bewegungen schlagen sehen. Das Peristom, das ventralwärts durchgebrochen ist, fängt jetzt an, nach vorn auszuwachsen und man kann nun während des Pro- cesses der fortschreitenden Theilung verfolgen, wie das Peristom auswächst und auf welche Weise die quere Membranellenzone, die auf gleicher Höhe mit der adoralen Zone angelegt wird, immer weiter hinter diese gerückt wird. | Nur auf diese Weise ist die Verschiebung des queren Membra- nellenzuges gegen die adorale Zone erklärlich. Zum völligen Aus- gleich bis zum normalen Thier tritt natürlich noch das Wachsthum des ganzen Theilsprösslings, wie bereits oben beschrieben, hinzu. Ich möchte an dieser Stelle der Neuanlage von Peristom und Membranellenzone noch einige Worte hinzufügen über die Bildung der doppelten Begrenzung der letzteren. Unters. üb. die im Magen unserer Hauswiederkäuer vork. Wimperinfns. 563 Wie aus Fig. 7a zu ersehen ist, sind die Wandungen des den Körper »röhrenförmig« umlaufenden Kanals nicht gleichmäßig glatt, sondern es befinden sich hier bereits an der der Pellicula zugewandten Fläche Vorsprünge und Zacken, die jedenfalls nach Durchbruch oben ‚benannten Kanals im Verein mit den sich jetzt aus einander schla- genden freien Ektoplasmaenden einen doppelten Saum bilden, der in der Mitte eine Vertiefung erkennen lässt. Über die Bildung des doppelten Peristomsaumes berichte ich besser an späterer Stelle. Neubildung der Stacheln. Zu gleicher Zeit mit der ersten Anlage von Peristom und queren Membranellenzugs setzt die Neubildung der Stacheln und des Schwanz- fortsatzes ein. In der mir zur Verfügung stehenden einschlägigen Litteratur habe ich über die bei der Theilung eintretende Neubildung derartiger Fortsätze bei unseren Infusorien nichts finden können. Die Stacheln und Fortsätze sind durchaus ektoplasmatischer Natur und verdanken ihre Entstehung einfachen Ausbuchtungen der Pellieula am unteren Ende des oberen Theilsprösslings. Diese Aus- buchtungen dehnen sich allmählich durch Wachsthum des Ektoplasma in die Länge und wandeln sich so in die mehr oder weniger langen Stacheln um. Bei der Bildung des sehr langen Schwanzfortsatzes muss ein besonders starkes Wachsthum am Ektoplasma stattfinden. ‚Die im Ektoplasma gewöhnlich in völlig unregelmäßiger Anordnung liegenden Waben haben in den Stacheln und dem Schwanzfortsatz eine ganz regelmäßige Anordnung erfahren und zwar derart, dass die länglich runden Waben mit ihrer Längsachse der Pellieula parallel liegen. Es ist sehr schwer, bei der Untersuchung die neu gebildeten Stacheln zu Gesicht zu bekommen, da sie entweder auf dem Thier liegen oder von letzterem bedeckt werden. Theilung des Makronucleus. Genaue Beschreibungen über Kerntheilungsvorgänge der im Wie- derkäuermagen vorkommenden eiliaten Infusorien, speciell von Ophry- oscolex caudatus, fehlen bislang leider ganz. SCHUBERG (l. c.) be- schränkt sich auf die Angabe, dass der Makronucleus sich direkt theile, wobei beide Theilkerne ziemlich lange noch durch einen feinen Faden verbunden sein könnten. Eben so hat sich EBERLEIN (l. c.), ohne näher auf den Kerntheilungsvorgang einzugehen, mit der Angabe be- snügt, dass es sich beim Makronucleus um eine direkte Theilung 377 564 Adolf Günther, handele, so weit er habe den Process verfolgen können. Vor seiner Durchtrennung zeige der Kern zuerst eine allgemeine Vergrößerung, der dann die Durchschnürung folge. Die bereits von EBERLEIN hervorgehobene Volumzunahme des Makronucleus habe ich schon genauer beleuchtet und dabei auch hervor- gehoben, dass diese Größenzunahme des Kerns bei beginnender Theilung einsetzt. Wäre nun die Annahme der einfachen »direkten Theilung« gerechtfertigt, so müsste nach der oben geschilderten Volum- zunahme jetzt ein gewöhnlicher Durchschnürungsvorgang ohne jed- wede sonstige Veränderung am Kern eintreten. Bevor diese Durch- schnürung nun einsetzt, treten am Kern, oder besser gesagt, am Kerninhalt ganz charakteristische Veränderungen auf. Der Kernin- halt zeigt, wie schon früher beschrieben, einen feinnetzigen, wabigen Bau, bei dem die kleinen Waben in unregelmäßiger Anordnung liegen. Da diese Wabenstruktur am Kern eine sehr feine und zarte ist, so erscheint uns oft der Kerninhalt nicht wabig, sondern feinkömig. Die unregelmäßige Anordnung der feinen Waben erfährt nun nach der Volumzunahme des Kerns eine Abänderung in so fern, als diese feinnetzige Kernstruktur in eine anscheinend feinfaserige über- seht dadurch, dass die einzelnen Waben sich in einer Richtung hinter einander anordnen. Diese so gebildeten Fasern laufen nicht in regelmäßiger Anordnung neben einander her, sondern die einzelnen zu Faserzügen verbundenen feinen Fasern laufen in verschiedenen Richtungen unregelmäßig durch einander, so dass der Anblick des Makronucleus, wie schon Bürtscaui (Protoz. p. 1526) bemerkte, an ein verwirrtes Knäuel feinen Bindfadens lebhaft erinnert (Fig. 4 und 7). Dieser Zustand ist durch Hämatoxylinfärbung der Präparate be- sonders gut hervorgehoben. Ich möchte diesen soeben beschriebenen Zustand als die »Knäuelform« im Verlaufe der Kerntheilung bei Ophryoscolex caudatus bezeichnen. Bei fortschreitender Theilung streckt sich der Kern immer mehr und mehr in die Länge, wobei ebenfalls die unregelmäßig durch einander geschlungenen Faserzüge eine regelmäßigere Anordnung in der Längsrichtung erfahren (Fig. 8 und 9 ma). Am Kern tritt jetzt die Einschnürung auf. Wir haben es hier, wie vorher des Genaueren dargelest ist, mit einer ungleichhälftigen Quertheilung zu thun, wo- bei der obere Theilsprössling größer ist, als der untere. Der Kern zieht sich nun fortgesetzt immer länger aus einander, so dass schließ- lich an der Theilungsstelle beide Theilkerne durch einen dünnen Faden zusammenhängen. Endlich stellen nur noch einige längsge- Unters. üb. die im Magen unserer Hauswiederkäuer vork. Wimperinfus. 565 streckte Fasern und die Kernmembran die Verbindung her. Sind dann auch diese letzteren gerissen, dann ziehen die Tochterkerne die ausgezogenen Enden ein und die Theilung des Kernes ist voll- endet (Fig. il ma). In den beiden Tochterkernen bildet sich die feinfaserige Struktur bald wieder in die feinnetzige, alveoläre, mit unregelmäßiger Anordnung der Waben, um. An beiden Tochterkernen tritt nun Wachsthum auf, bis sie allmählich die normale Kerngröße wieder erreicht haben. Derartige Modifikationen der Wabenstruktur am Makronueleus sind unter den Ciliaten verbreitet und BürscaLı (Protozoen p. 1510) vermuthet, dass sie weiter verbreitet sein dürften, als angenommen würde. GRUBER (23) rechnet alle Vorgänge bei Protozoen, bei denen ein Streifigwerden der Kernsubstanz beobachtet wurde, zur indirekten Theilung. Über das Zustandekommen des Streifigwerdens äußert sich der- selbe Autor (24) folgendermaßen: »Was die Theilungsvorgänge bei den Infusorienkernen betrifft, so kennt man schon lange — haupt- sächlich durch die Untersuchungen BÜTscHhLr’s — das Streifigwerden derselben, welches darauf beruht, dass die oben erwähnten Chromatin- körner zu Fäden werden, sei es, dass jeder einzelne zu einem Faden auswächst, sei es, dass eine Mehrzahl zu einem solchen zusammen- tritt. Es wird dadurch die chromatische Substanz in eine leicht zu gleichen Hälften theilbare Form gebracht, und zwar werden die Fäden in der Weise halbirt, dass der Kern Anfangs Biskuitform an- nimmt und sich dann meist unter Bildung eines langen Verbindungs- stückes auszieht.« Nach Bürscaur’s (Protoz. p. 1526) Erfahrungen handelt es sich bei dem Streifigwerden der Kernsubstanz nicht um die Bildung iso- lirter Fäden, welche den Kerninhalt im Knäuelzustand bilden, son- dern einfach um eine Umordnung des Wabenbaues dergestalt, dass die einzelnen Waben hinter einander rücken und so anscheinend zu Fasern sich umbilden. Es ist meiner Meinung nach, unter Zugrundelegung von GRUBER’S (l. e.) Ausführungen undenkbar, die Kerntheilung von Ophryoseolex caudatus als eine »indirekte« zu bezeichnen, da einerseits das Streifig- werden des Kerninhalts nur auf eine Umordnung im Wabenbau zu- rückzuführen ist, andererseits der Kerninhalt auf der ersten Stufe der typischen Karyokinese, der Knäuelform beharrt und nicht über diese hinauskommt. 566 Adolf Günther, Das Richtige in Bezug auf die Kerntheilung der Protozoen scheint SCHEWIAKOFF (21) zu treffen, der zum Schluss seiner Arbeit den Zweifel ausspricht, dass der indirekte Kerntheilungsvorgang bei allen Protozoen vorkomme, da unsere Kenntnisse auf diesem Gebiete zu unvollkommen seien. Er spricht aber die Vermuthung aus, dass ent- sprechend der Verschiedenheit in der Organisation, welche bei den Protozoen trotz ihrer Einzelligkeit gefunden werden, auch ihre Kern- theilungsvorgänge eine größere Mannigfaltigkeit als diejenigen der thierischen und pflanzlichen Gewebezellen besitzen müssen. Theilung des Stützapparates. Über das Verhalten des von mir aufgefundenen Stützapparates bei der Theilung des Thieres habe ich mir in Folge gut gelungener Längsschnitte (Fig. 7) ein ziemlich genaues Bild machen können. Feststehend ist, dass der Stützapparat sich nicht neu anlegt, sondern bei der Theilung des Thieres sich mittheilt und zwar unter denselben Verhältnissen, wie das Thier selbst. Der obere Theil des Stütz- apparates beträgt ebenfalls ungefähr zwei Drittel der Länge des unteren. Eben so befindet sich die Theilungsstelle des Stützapparates in gleicher Höhe mit der Theilungsebene des Thieres. In demselben Verhältnis, wie der untere Theilsprössling des Mutterthieres zur nor- malen Größe auswächst, nimmt auch der Stützapparat an Größe zu. Die näheren Vorgänge hierbei, speciell auf welche Weise die charak- teristische Form des Stützapparates sich ausbildet, habe ich nicht verfolgen können. | Theilung des Plasma. Dass es sich bei der Theilung von Ophryoscolex caudatus, bei Beginn derselben, nicht um eine gleichhälftige Quertheilung handelt, ist oben eingehend beleuchtet worden. Eben so ist bereits hervor- gehoben, dass die erste Einschnürung sich in Gestalt einer Ringfurche bemerkbar macht, die das Thier in der Richtung der schon des Näheren beschriebenen Theilungsebene umgiebt. Diese Einschnürung schreitet während des Theilungsvorganges an der ventralen Fläche schneller fort, als an der dorsalen. Ungefähr zu dem Zeitpunkte, bei dem der Kern anfängt, die ersten Theilungserscheinungen zu zeigen, sehen wir auch am Entoplasma und an der Grenzschicht deutliche Einschnürungen auftreten, die bald zu einer völligen Durch- trennung des Entoplasmas führen. Ist die Theilung am Entoplasma vollzogen, so schnürt sich auch sehr bald die letzte Schicht des Unters. üb. die im Magen unserer Hauswiederkäuer vork. Wimperinfus. 567 Ektoplasmas und der Pellicula an der Ventralseite durch, und es können nun die Wimpern des neugebildeten Peristoms ihre Thätig- keit als nutritives Organ entfalten. Jetzt hängen beide Theilthiere nur noch durch eine dünne Schicht Ektoplasma und Pellieula zu- sammen (Fig. 9, 10, 12 o»). R Bis zu diesem Zeitpunkte ist das Wachsthum zum Größenaus- sleich so weit vorgeschritten, dass jetzt, nachdem auch das letzte eben erwähnte Verbindungsstück durchgeschnürt ist, die beiden neuen Thiere nach Abrundung der Körperformen ihr Dasein in normaler Größe beginnen können. | Dies letzterwähnte Verbindungsstück, Ektoplasma und Cutieula trägt nun durch Umschlagen der sich zurückziehenden Enden dazu bei, den doppelten Peristomsaum mit der dazwischen liegenden Ver- tiefung zu bilden. Hann. Münden, im Oktober 1898. Tabellen. Messungen von Ophryoscolex caudatus in den einzelnen Stadien. Normales Thier. | Körperlänge Kernlänge | Körperbreite Kernbreite we Dheil- | Theil- | _ || Theil- er Pherl-"\r 2 “ | striche stıiche | — Se lsiriehe| | |sirichet. © 1 43 E19 ai 1 21 87,8 3 12,5 Bari, 12 555 20-836), 45 |.19,6 rer 19. 1794| 25.|210,5 Bes 21 | 878.4 :| 10,7 Baia a 555 ie 7 2 8,3 6 40 167,2.419 79,4 23 96 3 12,5 ZN a ze]... 286 96 3216125 s | 40 | 1672| 19,5| 81,5 | 23 | 96 3 e195 9 40 167,2| 18 75,3 20 83,6 3 12,5 10 47 196,5| 23 96 24 100,3 3 12,5 er 22 | 91,9 | 31/a| 14,6 12 30 125,5| 12 50 16 66,9 - 16,7 13 39 146,3| 18 15,3 L9 79,4 4 16,7 14 | 45 188 19 19,4 26 108,6 5) 20.9 Tr 2 29,030 878 || 200° 83,6 | 4775| 19,6 16 40 10721018 15,3 21 87,8 3 12,5 17 34 142 15 62,7 20 83,6 3/2 | 14,6 23825,9 217 1226,6 : 17 1483,3 : 17 VORNE 166,2 Te 87,2 14,1 sa 19 pw 568 Adolf Günther, I. Stadium der Theilung. Körperlänge oberes Thier unteres Thier Kernlänge Körperbreite Kernbreite langer Fortsatz Theil- ! Theil- Theil- Theil- Theil- Theil- | striche | 12 striche iX striche striche ei striche u striche M 25 11045) 20 | 83,6 | 21 | 878 | 20. | 83,6 | u ir San 24: | 100,3.11019. | 7954 | :20:| »83;6)| 18 |75,8 mes 26.1. 108.69 20° | sis. | 22 | 91.9.1 23 090 3. 1, 12090 an 58,5 31 1.878 16 | :66,9:| 20° | 8356| 18) 753 ws 234 1003| ı8 | 753| 21 | 878 | 18 | Toau ar ep 25 104,5 16 66,9 20 83,6 20 83,6 4 16,7 11 46 oe 19° 50 32 A919 25 #9 4” oz ar 154,8 25 104,5 15 63 18 75,3 19 19,4 3 12,5 14 58,5 25 104,5 14 58,5 13 63 20 83,6 3 12,5 10 42 38 117,5 |) 90° 83,6 1 9221100,3 | Dsenmege 3 MS 1/50 21 87,8 17 1 21 87,8 19 79,4 3 12,5 13 54,3 235 1104,51 18 |. 75,8 | -20.2.:83.6 | 20°) »s3;6 rar Dre 24 100,3 19 79,4 20 83,6 20 | 83,6 5 21 15 63 > | 91,9) 18 | 75,3 | 24. ")100,3 | ig | 7oa SS Dee 102215 104,5 15 63 18 19,93 | 20 | 83,6 | 4 16,7 10 42 | | 14 | 585 | 2. | | io | 167 | 15 |683 1613,6:16 1137,9:16. . 1357,4:16 1394,7:16 7 Do ei 100,8 Tr 34,8 82,7 14,2 52,4 Fortsetzung von p. 570 (unten). I. Stad., beginnende Theilung (Kern noch ein Ganzes) (16 Messungen). II. Stad., fortgeschrittene Theilung (Kern völlig durchschnürt, eben so tiefe Einschnürung am Thier) (33 Messungen). 01, Normalgrößen der durchtheilten Thiere. roth, Gesammtkörperlänge. rot Länge des oberen Theilsprösslings. roth?, Länge des unteren Theilsprösslings. Bi Gesammtkernlänge. ——— ( blau!, Länge des Kerns im oberen Theilsprössling. blau?, Länge des Kerns im unteren Theilsprössling. geb. Gesammtkörperbreite. a ‚‚gelb!, Breite des oberen Theilsprösslings. \geibz, Breite des unteren Theilsprösslings. Bee. ı) ae Breite des Kerns im oberen Theilsprössling. grün’, Breite des Kerns im unteren Theilsprössling. Die beigefügten Zahlen bedeuten die Anzahl der x, um welche sich die Größenverhältnisse während der einzelnen Theilungsstadien geändert haben. Unters. üb. die im Magen unserer Hauswiederkäuer vork. Wimperinfus. 569 Le Ber s‘gE oo 8E:6978 ee: 01977 SE: EIPT 2E:0°897E 291 v £9 a | re 8 9 7 L97 v 1L Die aee BE ‚001 174 ER & €, 81 cr m: ‚vol er era g Dt IT oe oor | 77 L'9T v De a ce BC ‚vor CZ 96T | ehr #61 Dre lerne 6 L, | Are IT q &c] s ce 6626007 | 17 la 3 616 ca, au 20 | Ber | Le L’9T v BE I a. ante bEENG FON EZ IT G ec) 81 Ye 07 | 96 £7 G77 £ ec], Sr Kerne Da, Kae | Be 191 v 6.99 97 Kai DE Ran |. Pre | ae Pol oT Ge 6 v’CQl 08 9 H17 [ie 6:99 20972 G.ee BT ecke cat & v6. 61 467 le: 00T | + 1,97 v 879 | CT | 67 De oo | 97 L 97 ne ar ae 8 vor cz 291 mg gr ee SerkeroT. |, 62 en | Rear Ela] ek L 91 v eg, I 08 ZI IR CEL | LE or ke g'E8 07 97 Ale ale |rtke Ser, ia | eu sr or | 01 |8L8 | 17 sr ana |’aiesı 08 | ere | er 980r 97 gl £ IL A| 9 IT | 96 87 Dare|. 83 BL] SL Se 6 | E00; Ve 91T |ıe IL LI | 066 | L |SvoL;) € OTE Korea e@l ln ST Fcalz co vor | © 961 |Yır u LI ch 01 6, 16 77 La, vr mem ar | wie 1,6 wen.) .2@ Il erg 818 ie | see 8 ul ‚vor per 6l er 616 | 7a | CE Be oo | #7 29T v ges 1 08. | Ele 6 gb01 c7 2 a | aTaaher | 76er el n | 9U9T148 n ororgs n , Jowrms| „ Tome | „, lemıgs| „ lewrm: n OLTOLIIS -TIOU,L -TIOTLL -TIOyL -[IOU,L OOTQUIOM oyLoıqıodıoyy OZurmtoy odurpıodıoy totun were run 6HT os 995 ge: 886 EE: 87097 BE: ESEST el £ ‚es a | 6 „gl #|rv 6L 61 7 IT „97 v 8 ei 81 08 I Gel e | 762 61 ch 01 E'7l 89 ‘eg 07 08 ZI gIrı ie 6, 16 Ze 08 a1 gel ge ‚18 IT ‚08 I Ligt vol ‚vol ra el 191 719 ‚€8 07 97 1 gel © jet SL SI 97 II 29T le) ‚68 07 9F II G'zI e | GL SI 7 II ae ek | ee L’9I v v 6L 6r |ere er IA) v v 61 DE SERG 6 L'9] v 6, 99 97 | e'ee 8 G'7I grl8, ‚18 17 97 II c’zr er 90 61 ch 01 L'9I v ‚I IN 08 al L’9T v 8, L8 Ig | e'se 2 CZ ge | 988 07 08 al G7I & | v6. | 61 95 7] yrr | Are | ges | 0x zr 01 71 a ‘es 07 Ye 01 L’9T v 9. £8 07 97 11 Or nee ROLE OU cc 0 ra gauuclaı 87 ee 276 L’91 v 9, £8 07 9p IT 17 29 ‘es 0« .| eve el 291 v 6 16 zz |ere el L’91 v 6, 16 zz | esse TI Bez e | 818 | 12 | 6'z< hl L'9I r|#r 6L 61 08 I n OUDLIFS n OTITIAIS n OUILILS -TIOULL -TIOUyL -TIOUQL OTOTqUAOM ororqaodtoy oduruaoyy 'Sunprots 10p wnıpe4g I IgL soereoqgo 9'601 88: L’ISPE eo001 | 77 ge ‚96 £7 ze LEIT | 17 IE e0or | 77 08 9801 | 9 67 9807 | 9 87 gS0oT | 176 La | 27 98 gr01 | 5 cz For | 7 T7 8,001 17 &7 ero0l | 20 80T | 97 17 g vol [eV 07 2007. 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Das Wort »Sinus urogenitalis« gebraucht er nicht, sondern be- zeichnet die betreffende Region als »urogenital cavity«; er hat also wohl sicherlich das Richtige gesehen, jedoch auffallender Weise unterlassen die völlige Trennung von Sinus urogenitalis und Kloake durch eine Wand, das Septum urorectale, ausdrücklich hervorzuheben. Daher lässt er auch beim Weibchen von Emys europaea den Oviduct und den Ureter in die Kloake münden! und erwähnt nicht, dass Harn und Eier erst durch Vermittlung des Sinus urogenitalis,-und nachdem sie diesen passirt haben, in die Kloake gelangen. Nach GEGENBAUR? münden Oviducte und Vasa deferentia in einen Sinus urogenitalis, der durch den Hals der Harnblase gebildet wird. Die Bezeichnung Sinus urogenitalis sagt wohl, dass dort auch die Ureteren münden. BUDGE, der seine Arbeit zwischen 1873 und 1876 publieirt hat, scheint GEGENBAUR’s Ansicht nicht gekannt zu haben. HorFMmAnN® selbst fand die Ausmündungen in einem Sinus uro- senitalis bei Männchen ven Testudo graeca, Chelonia viridis, Ch. imbricata, Chelys fimbriata und Trionyx aegyptiacus. Dagegen sah er Oviducte und Harnleiter bei einer nicht näher be- stimmten, sehr großen. Testudo in die Kloake münden. Eine Be- schreibung des Sinus urogenitalis irgend einer Schildkröte findet sich bei ihm nicht. Zweiter Abschnitt. Einige Bemerkungen über den Bau des Hodens und seine Verbindungen mit dem Vas deferens beim erwachsenen Männchen von Emys lutaria. Bei der erwachsenen Emys lutaria besteht der Hoden aus einem bindegewebigen Gerüst, welches von den stark geschlängelten, weiten Samenkanälchen so durchwachsen wird, dass jedes von ihnen eine zarte bindegewebige Scheide erhält. Zwischen den eng an einander sedrängten Hodenkanälchen führt das Bindegewebe einige größere sowie zahlreiche kleinere Blutgefäße und Kapillaren. Am dorsalen Rande des Hodens, noch innerhalb der Albuginea, geht eine Anzahl von Hodenkanälchen, etwa 15, in eben so viel Vasa efferentia mit ganz niedrigem Plattenepithel über. Dieses so ausgekleidete, erste Stick des Vas efferens ist kurz, von sehr ungleichmäßigem, wech- ı p. 588 der »Anatomy of Vertebrates«. ? Grundzüge der vergl. Anatomie. II. Aufl. Leipzig 1870. aulsc. Über das Urogenitalsystem einiger Schildkröten. 583 selndem Kaliber, und — nach dem Vas deferens zu — häufig ein-, zwei-, bis dreimal gegabelt. Das niedrige Plattenepithel greift auch auf die Gabelungen hinüber, macht jedoch bald dem Cylinderepithel des zweiten, langen Stückes des Vas efferens Platz. Dieses Epithel ist mit 24—34 u langen Flimmern bekleidet. Es mag etwa 45 Vasa efferentia geben, denn, wie gesagt, haben die 15 ursprünglichen sich mehrfach gegabelt. Sie sind sehr stark seschlängelt und daher, im Verhältnis zum Raume, den sie einnehmen, von ganz außerordentlicher Länge. Ihr Durchmesser beträgt meist 64 u. Bei einer Clemmys leprosa von 6,8 cm Plastronlänge existireu im Mesorchium Verbindungen zwischen einzelnen Vasa efferentia, eine Art Rete testis (siehe Fig. 20). Bei einer erwachsenen Emys von ca. 11 cm fand ich keine. Die Vasa efferentia münden im vorderen Theile der Epididymis in einen Kanal von 1 mm äußerem Durchmesser, das Vas deferens, welches cranialwärts blind endet und in seinem hinteren Theile keine Einmündungen mehr aufnimmt. Es ist vielfach gewunden und bildet medial vom Hoden einen voluminösen Knäuel. Dass es cranial blind geschlossen beginnt, habe ich an einer Schnittserie von einer erwach- senen Emys mit voller Sicherheit konstatiren können. Ich hebe dies hervor, weil Horrmann! zwar die Angabe von STAnNIUs anführt, dass das Vas deferens vorn blind beginne, selbst aber sagt, es sei ihm nie gelungen, bei Testudo einen blind anfangenden Längskanal zu isoliren. Im vorderen Drittel des Knäuels ist die Wand des Vas deferens farblos, die der Vasa efferentia ebenfalls, die hinteren zwei Drittel sind jedoch durch schwarze Pigmentirung ausgezeichnet. Aus dem Knäuel tritt hinten ein kurzes, wenig gewundenes Stück des Vas deferens hervor. Dieses wird mehr caudalwärts ganz gerade, und verläuft hart neben dem Ureter bis an den Sinus urogenitalis, wo beide ausmünden. Aus dem Gesagten ist nun ersichtlich, dass bei der erwachse- nen Emys lutaria die Verbindung zwischen Hodenkanälchen und Vas deferens mittels der Vasa efferentia eine vollkom- men geschlossene ist. In C. K. Horrmann’s Beschreibung vom Hoden der Testudo graeca? wird dagegen Folgendes angegeben: 1) Dass die zelligen Elemente des Hodens in engen bindege- webigen Maschen liegen, und zwar, wie mir aus Tafel XL, Fig. 2 Re. 9.273 : 217 @27.:2110272, 984 Friedrich von Möller, hervorzugehen scheint, jedes von diesen Elementen in einer Masche: dass also 2) »bei den Schildkröten« von Hodenkanälchen nicht die Rede sein könne; 3) dass die Tunica albuginea — gegenüber dem Konvolut des Vas deferens am Innenrande des Hodens — durch Spaltungen in verschiedenen Richtungen ein Maschengewebe bilde, welches mit den Maschen des Hodenparenchyms in freier Kommunikation stehe; A) dass aus diesem Maschengewebe die Vasa efferentia ihren Ursprung nehmen. ad 1) habe ich zu bemerken, dass solche enge Maschen bei Emys lutaria und Clemmys leprosa nicht aufzufinden waren, dass also, wie es scheint, zwischen diesen Gattungen und Testudo, trotz der doch verhältnismäßig nahen Verwandtschaft, ein nicht unerheblicher Unterschied im Bau des Hodens besteht; ad 2) dass wenigstens Emys lutaria und Clemmys leprosa sowohl im ausgewachsenen Zustand als auch in der Jugend ganz deut- liche Hodenkanälchen haben, dass also HoFFMANN’s Angabe, man könne »bei den Schildkröten« nicht von Hodenkanälchen reden, wenigstens nicht für alle Gattungen zutrifft; ad 3) dass ich bei den genannten Thieren ein Maschengewebe der Albuginea, wie das von Horrmann bei Testudo graeca am Innenrande des Hodens beschrieben, nicht habe finden können. Dritter Abschnitt. Beobachtungen über die Entstehung der Verbindungen zwischen Hoden und Wolff’schem Gange bei zwei jungen Thieren. Die über das erwachsene Männchen mitgetheilten Angaben be- absichtigte ich durch embryologische Untersuchungen zu ergänzen, wobei es mir hauptsächlich darauf ankam zu erfahren, auf welche Weise die beim Erwachsenen beschriebenen Verbindungen zwischen Vas deferens und Hoden entstehen, und woher das Epithel dieser Verbindungsstücke, der Vasa efferentia, stammt. Das Material jedoch, welches ich im Frühjahr 1897 fixirte, erwies sich zur Entscheidung dieser Frage großentheils als nicht geeignet, und trotz aller Be- mühungen ist es mir nicht geglückt in diesem Frühjahr wieder frisches Material von jungen Thieren zu erhalten. Da ich aber in der Lage bin meine Arbeit jetzt abschließen zu müssen, so veröffentliche ich das Wenige, was ich in Erfahrung bringen konnte,. schon jetzt. Über das Urogenitalsystem einiger Schildkröten. 585 Nur zwei junge Schildkröten waren geeignet über die Bildung der Verbindungen zwischen Hoden und Wourr’schem Körper einigen Aufschluss zu gewähren — es waren dies eine Emys lutaria von 2,5 cm und eine Clemmys leprosa vof 4,9 cm Plastronlänge. Bei der Sektion schien mir der ganze Bau im Allgemeinen — abgesehen von dem noch unvollständig verknöcherten Plastron — die größte Ähnlichkeit mit dem erwachsener Thiere zu haben, doch erwies die mikroskopische Untersuchung, dass Hoden und Wourr’scher Gang noch nicht mit einander verbunden waren. Dieser Befund wird höchst auffällig, wenn man bedenkt, dass die Beobachtungen an Amphibien, Vögeln, Säugethieren und den meisten Reptilien zeigen, dass die Verbindungen zwischen Hoden und WoLrr’schem Gange schon dann angelegt und vollendet werden, wenn die übrigen Organe sich noch in der Entwicklung befinden, und wenn das Junge noch in der Eischale, respektive im Uterus eingeschlossen ist. Die zwei von mir untersuchten Schildkröten hatten dagegen schon seit Monaten die Eischale verloren, und doch war bei ihnen noch keine einzige Verbindung zwischen Hoden und Worrr’schem Gange vorhanden, obwohl Anlagen dieser Verbindungen sich bereits vorfanden. Ich bin also zufällig an ein Objekt gelangt, welches zur Ent- scheidung der Frage, die uns hier interessirt, in so feın ganz besonders geeignet ist, als sich die betreffenden Bildungen in einem Gebiete und zu einer Zeit vollziehen, wo sonst Alles zu einem vorläufigen Abschluss gelangt ist; man kann bei diesen Schildkröten die Ent- stehung der Vasa efferentia verfolgen, ohne sich daneben mit der Bildung der Sexualstränge befassen zu müssen, was bei den bisher untersuchten Reptilien, Amphibien, Vögeln und Säugethieren nicht möglich war. Auch kann man sich Schildkröten auf diesen Stadien in der Regel schon um Mitte April — durch Reptilienhändler — aus Oberitalien bequem verschaffen, und endlich fällt auch die ganze minutiöse embryologische Technik fort, da man es mit Individuen zu thun hat, welche, wie man mir sagte, bereits im September des vorhergegangenen Jahres die Eischale verlassen haben. Ich gehe nun zu meinen Befunden über, und beginne mit der Beschreibung eigenthümlicher Zellstränge im Mesorchium und im oberfiächlichen Bindegewebe der Urniere des jüngeren meiner beiden Exemplare, wobei ich leider genöthigt bin mich sehr kurz zu fassen. Die betreffenden Bilder erhielt ich von Schnitten durch das ge- sammte Urogenitalsystem des Thieres, die ungefähr parallel zur 586 Friedrich von Möller, Oberfläche beider WouLrr’schen Körper geführt und mit Hämalaun- Kongoroth gefärbt sind. | Auf Schnitten, wo das Mesorchium noch nicht getroffen ist (also mehr. ventral), und wo daher Hoden und Urniere als getrennte Körper erscheinen, zeigen sich, dem Hoden gegenüber, im Binde- sewebe der Urmiere, meist dicht unter dem Peritoneum, zahlreiche (etwa 30) kurze, tiefblau gefärbte Zellstränge, welche von den Epi- thelien der Urnierenkanälchen zwar scharf abstechen, aber doch epi- thelialen Charakter haben. Sie sind meist solid, und zeigen nur in den seltensten Fällen ein undeutliches Lumen. Im Allgemeinen stehen sie ungefähr senkrecht zur Peripherie der Urniere. Auf mehr dorsalen Schnitten, wo außer Hoden und Urniere auch noch das ver- bindende Mesorchium getroffen ist, finden sich die Zellstränge in diesem und nähern sich einerseits in zwei Fällen den Hodenkanäl- chen (wobei ich jedoch weder eine Verbindung der Lumina beob- achtete, noch auch eine Anlagerung der Zellstränge an Hoden- kanälchen mit Bestimmtheit behaupten kann), andererseits nähert sich in einem Falle ein solcher Zellstrang dem Epithel einer BowMmaAn- schen Kapsel, doch kann ich mich dort vom Vorhandensein einer Verbindung eben so wenig überzeugen, vielmehr scheint der Zell- strang in der Tiefe des Schnittes, der 18 « hat, an der Kapsel vorüberzuziehen. Wie sich nun diese Zellstränge zum Peritonealepithel verhalten, kann leider in Folge schlechter Erhaltung gerade dieses Epithels nicht festgestellt werden!, und doch wäre das wahrscheinlich von größter Wichtigkeit. Das dem Hoden zugewendete Ende der an der Ober- fläche der Urniere gelegenen Stränge ist dem Peritonealepithel jeden- falls fast immer sehr genähert, und man hat an mehreren Stellen den Eindruck, als ginge das Peritonealepithel direkt in den Strang über. Das genannte Ende des Stranges ist außerdem in vielen Fällen kolbig verdickt, während das andere Ende sich oft mit einer scharfen Spitze in das oberflächliche Bindegewebe der Urniere einsenkt. Dieses Ende ist in mehreren Fällen verästelt, und die kleinen so entstan- denen Zweigstränge weichen dann meist seitlich aus einander. Ich finde also bei diesem Thiere zwischen Hoden und WoLFF- 1 Dieses Urogenitalsystem wurde in kalter koneentrirter Pikrinsäure fixirt die übrigen 13 Urogenitalsysteme, von denen ich die meisten ganz, einige theil- weise geschnitten habe, fixirte ich mit gutem Erfolge mit Sublimat-Eisessig, der meist kochend angewandt wurde. Das Sublimat war in koncentrirter Lösung und vom Eisessig wurden 25°/, zugesetzt. Über das Urogenitalsystem einiger Schildkröten. 587 schem Körper noch keine Verbindungen, dagegen im Mesor- chium und im oberflächlichen Bindegewebe der Urniere solide Zell- stränge, für welche ich genöthigt bin einen Ursprungsort anzunehmen, der weder in den Geweben der Urniere noch in denen des Hodens liest, denn ich war weder im Stande einen Zusammenhang mit den sewundenen Kanälchen des Hodens nachzuweisen, noch einen solchen mit dem Epithel Bowuan’scher Kapseln oder sonst mit Theilen der Ur- niere. Ich nehme daheran, dass sie vom Peritoneum stammen. Was nun mein zweites Exemplar, eine Clemmys leprosa von 4,9 em Plastronlänge anbetrifft, so wurde sein ganzes Urogenitalsystem, dessen Konservirung eine vorzügliche war, mit dem Mmor’schen Mikrotom in eine Querschnittserie zerlegt, wobei jedoch die Schnitt- richtung nicht genau transversal in Bezug zur Längsachse des Hodens ausfiel. Die Schnittdicke beträgt hier 24 u. Es ergiebt sich nun, dass auf diesen Schnitten sich ein sehr charakteristisches Kanalnetz ausbreitet. Dieses Gebilde findet sich im Mesorchium und besteht aus 14 von einander unabhängigen Kanal- systemen, die unten im Einzelnen näher beschrieben werden sollen. Sie sind alle mit niedrigem Cylinderepithel ausgekleidet und zeigen ein stark wechselndes Kaliber, so dass auf ganz enge Abschnitte weite, sinuöse, stellenweise sogar blasig aufgetriebene Stücke folgen. Dieselbe Unregelmäßigkeit des Kalibers beschrieb ich schon bei den Vasa efferentia des erwachsenen Männchens'!, und an der Identität dieser mit jenen Kanälen kann meinen Präparaten nach gar kein Zweifel bestehen. Um nun die Anordnung der Kanäle zu verstehen, war es noth- wendig zur Rekonstruktion zu greifen. Hierzu zeichnete ich unter Benutzung; des BERNHARD’schen Zeichentisches? die Schnitte mit der Camera nach OBERHÄUSER und mit dem Zeiss’schen Apochr. 16 mm, Comp. Oc. 4, alle einzeln ab, und übertrug hierauf diese Bilder, eines über das andere, zu je drei oder vier auf ein Blatt Pauspapier, wobei die Kontouren von Hoden, Urniere und Mesometrium als Richt- linien dienten. Mehrere solche Bilder wurden hierauf vereinigt, und auf diese Weise kamen die Figuren 12 bis 20 zu Stande. Alle 14 Systeme zu einem einzigen Bilde zu kombiniren erwies sich als un- praktisch, da in diesem Falle mehrere in der Wirklichkeit getrennte Kanalsysteme in der Zeiehnung auf einander gefallen wären, und so die Anordnung des Ganzen verwischt hätten. Ich habe es daher 1 p. 582. 2 Zeitschr. f. wiss. Mikrosk. Bd. IX. p. 439. 1892 u. Bd. XI. p. 298. 1894. 988 Friedrich von Möller, vorgezogen das Kanalnetz auf acht verschiedenen Figuren darzustel- len. Man muss sich vorstellen, dass die betreffenden Bilder vom cranialen Ende des Hodens nach dem caudalen Ende zu auf einander folgen. Ich gehe nun zur Beschreibung meines Befundes über. Wir sehen in diesem Mesorchium 14 von einander unabhängige, theils einfache, theils recht komplieirte Kanalsysteme, welche aus bogenförmigen, einander vielfach parallel laufenden Kanälen auf- gebaut sind. Der Kürze halber werde ich sie alle als »Systeme« ! bezeichnen, wenn solch ein System auch nicht selten nur durch einen einzigen Kanal repräsentirt wird. Die Fig. 12 enthält das erste, zweite und dritte System. Sie ist aus 26 auf einander folgenden Schnitten rekonstruirt, zwischen wel- : chen sich keine Lücke findet. Da die Kontouren von Hoden, Mesor- chium und Worrr’schem Körper aus dem Anfang dieser Reihe von den aus der Mitte der Reihe erhaltenen, und diese Kontouren wieder von denen der letzten Schnitte sehr verschieden sind, so habe ich, um die Figur nicht zu verwirren, es unterlassen sie einzuzeichnen. An den mit einem Stern bezeichneten Stellen befindet sich jedes Mal der Ursprung des Mesorchiums. Das erste System (Fig. 12; 7) besteht aus einem Kanal, der eine Verbindung mit dem Lumen eines Hodenkanälchens zeigt und nach der lateralen Seite einen kurzen geraden Zweig abgiebt, welcher direkt unter dem Peritonealepithel des Mesorchiums endet; von der Gabelungsstelle geht der Hauptkanal noch ein Stück ins Bindegewebe des Mesorchiums weiter, krümmt sich dann nach der Medianlinie des Thieres zu ein, und endet blind und ebenfalls dieht unter dem Peritoneum. Das zweite System (Fig. 12; 2, 3, 5, 6, 7) besteht aus fünf Kanä- len, von denen ein jeder mit einem göhrndeneh Hodenkanälchen in direkter offener Verbindung steht. Vom Hoden aus verlaufen sie im Ganzen ziemlich gerade bis zum Ursprung des Mesorchiums, erfahren aber dort fast sämmtlich eine plötzliche Krümmung, und treten durch Anastomosen, die der Längsachse der Urniere ungefähr parallel sind, mit einander in Verbindung, wodurch ein ziekzackförmiger Längs- kanal (Z, Fig. 12) entsteht, der der erwachsenen Emys zu fehlen scheint. Von diesem Längskanal gehen vier Kanäle ziemlich gerade ins Bindegewebe der Urmiere weiter, endigen jedoch bald blind, ohne ı Das Wort »System« soll natürlich kein terminus technieus sein — ich gebrauche es nur zur Vereinfachung der Beschreibung. Über das Urogenitalsystem einiger Schildkröten. 589 sich den Kanälchen der Urniere oder MatpisHT schen Kapseln genähert zu haben, die sich in dieser Region auch überhaupt nicht vorfinden. Von diesen vier Kanälen konvergiren die mittleren zwei nach kurzem Verlaufe und verschmelzen zu einem, und die hierdurch gebildete Masche halte ich für die Anlage eines Rete testis. Auch auf der Hodenseite des Längskanals ist eine solche Masche zu sehen, die aber noch nicht ganz geschlossen ist. — Von dem aus der Verbindung von zweien entstandenen Kanal geht noch eine ganz kurze Ausstülpung gegen die Urniere ab. Das dritte System (Fig. 12; £) wird durch ein einziges ganz kurzes Kanälchen repräsentirt, welches mit dem Hoden in Verbin- dung steht, den Ursprung des Mesorchiums aber nicht erreicht. Das vierte System (Fig. 13; £, £a, £b, 4c) ist aus 13 Schnit- ten kombinirt, dazwischen fehlt einer. Vom zweiten System weicht es in einigen wichtigen Punkten ab, denn es zeigt keine Verbindung mit dem Hoden, dagegen hat eines seiner Kanälchen die Verbin- dung mit der Urniere bereits erreicht. Dieses Kanälchen (45) kommuni- eirt nämlich an seinem einen Ende (Urnierenende) mit dem Lumen einer MAtpıiGHrschen Kapsel. Sein anderes Ende ist blind und liest im Mesorchium, zwischen dessen Ursprung und dem Hoden. Wir finden im vierten System einen Hauptkanal (2), welcher sich vor dem Ur- - sprung des Mesorchiums an der in der Figur mit x bezeichneten Stelle in die Nebenkanäle Za und £5 gabelt, von denen der erstere blind im Bindegewebe der Urniere endet, der letztere aber die erwähnte offene Verbindung mit dem Lumen einer MarrisHr’schen Kapsel zeigt. An der Gabelungsstelle (x) befindet sich auch ein ganz kurzer, auf der Figur nicht sichtbarer Längskanal, von welchem sich der Neben- kanal Zc abzweigt, um eben so wie der Kanal Za im Bindegewebe der Urniere blind zu enden. Auch 45 treibt nach der Umiere drei blinde kurze seitliche Sprossen. Das fünfte System (Fig. 14) ist aus sieben Schnitten ee nirt, dazwischen fehlen aber zwei. Es ist dadurch von ganz beson- derem Interesse, dass es weder mit dem Hoden noch mit der Urniere in irgend welcher Verbindung steht, also auf beiden Seiten blind endet. Auch mit keinem anderen Kanalsystem ist es verbunden, eben so wenig wie das erste, zweite, dritte und vierte System mit einander kommunieiren. Den gewundenen Hodenkanälchen aber, die in der Figur durch kleine Kreise angedeutet sind, ist der Kanal des fünften Systems schon sehr genähert und auch in den Worrr’schen Körper ist er schon recht weit vorgedrungen. 390 Friedrich von Möller, Die Fig. 15, aus 5 auf einander folgenden Schnitten rekon- struirt, zeigt die vier von einander unabhängigen Systeme 6, 7, 8 und 9. Das sechste System ist, wie das dritte, nur mit dem Hoden verbunden, liegt aber, was vielleicht von Bedeutung ist, an einer Stelle ganz dieht unter dem Peritoneum. Das siebente System beginnt blind im Ursprung des Mesor- chiums, und endet blind im Bindegewebe der Urniere. Nach der Ur- niere zu treibt es einen kurzen Spross. Das achte System ist ebenfalls nach beiden Seiten blind, liegt etwas mehr caudal als das siebente zwischen dem WoLrr’schen Körper und dem Ursprung des Mesorchiums, und kreuzt sich mit dem siebenten System, ohne sich mit ihm zu verbinden. Das neunte System beginnt wie das siebente im Ursprung des Mesorchiums, und giebt an der mit z bezeichneten Stelle einen sanz kurzen, auf der Figur nicht sichtbaren Längskanal ab, von dem der Zweigkanal 9a entspringt. Das Verhalten der beiden Zweige von 9 ist nun sehr bemerkenswerth. Sie sind an ihren Enden blasen- artig aufgetrieben und legen sich dem Epithel je einer MALPIGHI- schen Kapsel an; 9a berührt dieses Epithel direkt, während 9 noch durch einen kurzen Zwischenraum davon getrennt ist. Wir sehen hier, dass die Anlagerungen an zwei einander benachbarte Glomeruli erfolgen, und dies kommt häufig vor. Wie die Fig. 15—18 zeigen, lest sich der aus dem Mesorchium kommende Kanal gewöhnlich an der Stelle dem Urnierenkanälchen an, wo dieses, von der MALPIGHI- schen Kapsel aus gerechnet, seine erste Umbiegung macht. Zugleich erfolgt zuweilen (Fig. 15 y und Fig. 18 z) eine Annäherung an das Epithel einer MALpıcurschen Kapsel resp. eine Berührung mit diesem Epithel selbst. Fig. 15; 9a und Fig. 18 2 zeigen außerdem zwei Fälle, wo die Berührung anscheinend nur zwischen dem Epithel der Marrıcarschen Kapsel und dem aus dem Mesorchium stammenden Kanal stattfindet, wobei das Urnierenkanälchen gar nicht in Frage zu kommen scheint. Dies könnte jedoch auch bloß durch die Schnitt- richtung vorgetäuscht sein. — In dem auf den Schnitten der Fig. 15 befindlichen Gewirr von Urnienkanälchen, welche der Deutlichkeit halber nicht mit eingezeichnet sind, ist das Kanälchen von (9a) gar nicht mehr, das von (9) nur noch eine kurze Strecke weit zu ver- folgen. Dass diese beiden Urnierenkanälchen in den Wourr’schen Gang münden, halte ich für höchst wahrscheinlich, kann es jedoch aus dem angeführten Grunde nicht beweisen. Über das Urogenitalsystem einiger Schildkröten. 591 Das zehnte System ist aus 15 auf einander folgenden Schnitten rekonstruirt. Seine Darstellung musste auf 2 Figuren vertheilt wer- den, weil sonst mehrere seiner Stücke, die in Wirklichkeit getrennt sind, nämlich die in Fig. 16 und 17 mit a, db und e resp. a’, db’ und €’ bezeichneten, auf einander gefallen und so zum Theil nicht zur An- schauung gekommen wären. Es hat mit dem vierten System (Fig. 13) in der Form eine gewisse Ähnlichkeit, unterscheidet sich aber von ihm durch wesentlich größere Komplikation. Es bildet zwei Maschen (Fig. 16), und von diesen gehen, an den auf der Figur geschwärzten Stellen («), vier ganz kurze Längsstämmchen ab, von denen sich wieder die auf Fig. 17 mit a’, d’ und c’ bezeichneten Kanäle ab- zweigen. c’ bildet dort die dritte Masche dieses Systems. Die mit z bezeichnete Stelle liegt wieder direkt unter dem Peri- tonealepithel, eben so wie ein Stück des sechsten Systems (Fig. 15). Das ganze zehnte System steht durch einen seiner Kanäle (Fig. 17) mit dem Hoden in Verbindung. Ein Ausläufer der Masche 5 (Fig. 16) liegt dem Epithel des Halses eines Glomerulus dicht an, ein anderer, auf Fig. 17 db’ abgebildeter Ausläufer der gleichen Masche ist dem Halse eines anderen Glomerulus, der dicht unter dem erstgenannten liegt, bis auf kurze Distanz genähert!. An der auf Fig. 16 mit y bezeichneten Stelle berührt ein Kanälchen das Peritonealepithel, und die Kerne dieses Epi- thels sind von denen des Kanälchens nicht gut zu unter- seheiden, so sehr sehen sie einander ähnlich. Die Systeme elf und zwölf sind auf Fig. 18 abgebildet, ein Zweig des elften auf Fig. 19. Zur Konstruktion der Fig. 18 dienten neun auf einander folgende Schnitte. Das elfte System ist dem zehnten vollkommen analog; ich verweise daher auf die Fig. 18 und 19 und erspare mir Wieder- holungen in der Beschreibung. Mit dem zehnten System steht das elfte in keinerlei Zusammenhang. Es ist mit dem Hoden verbunden und zeigt, wie das zehnte System, zwei Anlagerungen an Theile der Urniere: eine an den Hals eines Glomerulus, und eine andere an einen Glomerulus selbst. Das Letztere kann jedoch, wie ich bei System 9 bereits anführte, auch auf Täuschung beruhen. — Hier ist in beiden Fällen der Kontakt ein unmittelbarer, was er beim zehnten System nur das eine Mal ist. Das zwölfte System (Fig. 18; /2) liegt zwischen dem Ur- 1 Vgl. die Beschreibung des.neunten Systems auf der vorigen Seite. 592 Friedrich von Möller, sprung des Mesorchiums und der Urniere, im Bindegewebe der letz- teren, ist sehr einfach gebaut und von stark wechselndem Kaliber; es zeigt eine Anlagerung mit direktem Kontakt an den Hals eines Glomerulus. Das dreizehnte und vierzehnte System (Fig. 19; 13, 14) liegen auch zwischen dem Ursprung des Mesorchiums und der Ur- niere und sind gewissermaßen erst angedeutet. Das dreizehnte steht in direktem Kontakt mit dem Halse eines Glomerulus, das vierzehnte dagegen ist völlig isolirt. Am Schlusse dieser Beschreibung wird eine Zusammenfassung am Platze sein. Bei der von mir untersuchten Clemmys leprosa von 4,9 cm Plastronlänge finden sich, theils im Mesorchium, theils im Bindegewebe der Urniere, 14 von einander unabhängige Kanal- systeme, von denen mehrere nur einfach, die meisten jedoch zusam- mengesetzt sind. Die zusammengesetzten Kanalsysteme haben bereits die ersten Maschen des Rete testis gebildet. Die Zugehörigkeit dieser Kanalsysteme und ihre Abhängigkeit von den benachbarten Theilen des Urogenitalapparates sind sehr verschieden. Vier Systeme (5, 7, 8 und 14) sind weder mit dem Hoden ver- bunden noch an einen Glomerulus oder dessen Hals angelagert, liegen also völlig unabhängig und als selbständige Bildungen im Bindege- webe des Mesorchiums resp. der Urniere. Weitere vier Systeme (1, 2, 3, 6) sind nur mit dem Hoden ver- bunden: System 2 an nicht weniger als fünf Stellen und durch fünf verschiedene Kanäle. Mit dem Hoden nicht verbunden, jedoch an einen Glomerulus resp. dessen Hals angelagert sind drei Systeme, nämlich das neunte — an zwei Stellen angelagert — das zwölfte — nur an einer Stelle — und das dreizehnte — gleichfalls nur an einer Stelle. Nur zwei Systeme, 10 und 11, sind sowohl mit den Hoden ver- bunden als auch an Glomeruli resp. deren Hälse angelagert. Ein einziges System (4) steht mit dem Lumen einer MArLpIGar'schen Kapsel in Verbindung, doch ist es dafür noch ohne Zusammenhang mit dem Hoden. Keines von all’ den 14 Kanalsystemen steht dagegen sowohl mit dem Hoden als auch mit der Urniere resp. deren Kanälchen oder Glomeruli in fertiger offener Verbindung, obwohl das elfte Über das Urogenitalsystem einiger Schildkröten. 593 System bereits die Anlage zu solch’ einer doppelseitigen Verbindung zeigt. Ich habe im Vorangegangenen meine Befunde bei den Eingangs senannten zwei jungen Schildkröten ausführlich beschrieben. Für die geschilderten Thatsachen muss jetzt eine Erklärung gefunden werden, und ich will im Folgenden den Versuch machen, eine solche zu geben. Dazu muss ich aber Alles noch einmal kurz rekapi- tuliren. Beim jüngeren Thiere zähle ich ca. 30 ganz kurze solide Zell- stränge, theils dicht unter dem Peritoneum der Urmiere gelegen und wahrscheinlich mit diesem Peritoneum in genetischem Zusammen- hang, theils auch im Mesorchium liegend, doch weder mit dem Hoden, noch mit Glomeruli oder sonstigen Theilen der Urniere in nachweis- barer Verbindung. Einer von diesen kurzen Zellsträngen ist einem Glomerulus genähert, doch ist der Kontakt nicht erreicht, sondern der Strang scheint im Gegentheil an der Kapsel vorüberzuziehen. Zwei Stränge nähern sich gewundenen Hodenkanälchen, doch sind sie noch nicht mit ihnen verbunden, so dass keinerlei Kommunikation stattfindet. Beim älteren Thiere finde ich anstatt der Zellstränge — epitheliale Kanäle mit weitem Lumen. Diese Kanäle, von denen einige mit einander zusammenhängen, kommunieciren theils ausschließlich mit dem Hoden, theils wieder sind sie mit diesem nicht verbunden, da- für aber MarrigHar’schen Kapseln angelagert oder genähert — (einer steht sogar mit dem Lumen einer Kapsel schon in offener Verbin- dung) — theils endlich (5, 7, 8, 14) sind sie ganz unabhängig, so- wohl vom Hoden als auch von der Urniere, und liegen allein für sich im Mesorchium resp. im oberflächlichen Bindegewebe des WOLFF- schen Körpers. Dies ist, kurz zusammengefasst, mein Befund, und ich glaube aus demselben schließen zu dürfen, dass die beschriebenen Kanäle, die zukünftigen Vasa efferentia, weder aus dem Hoden noch aus dem Epithel MauricnHr’scher Kapseln her- vorgehen, denn sonst müsste ich sie beim jüngeren Thiere entweder mit dem Hoden oder mit der Urniere in Verbindnng finden, und auch beim älteren Thiere dürften solehe Verbindungen nicht sänzlich fehlen, was indessen, wie wir sahen, an einigen Stellen der Fall ist. Da nun Bindegewebe als Ursprungsort für epitheliale Gebilde wahrscheinlich ausgeschlossen ist, Blutgefäße und Lymph- bahnen wohl auch, so bleibt mir kaum etwas Anderes übrig, Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXV.Bd. - 39 594 Friedrich von Möller, als anzunehmen, dass diese Kanäle aus dem Peritoneal- epithel hervorgehen. Was nun die einschlägige Litteratur anlangt, so widerspricht sie fast ausnahmslos dieser meiner Annahme. Braun! fand bei Reptilien — doch untersuchte er keine Schild- kröten — SEMON? beim Hühnchen, und ©. K. Horrmann>3 bei Am- phibien, dass die Vasa efferentia nichts Anderes sind als Theile der Sexualstränge. Die Sexualstränge aber sprossen, nach den genannten Autoren, aus dem Epithel MArrıcarscher Kapseln her- vor und erreichen das Keimepithel, dessen Zellen in die distalen Enden der Stränge einwandern, und so die gewundenen Hodenkanäl- chen bilden — die proximalen Enden der Sexualstränge nehmen keine Zellen des Keimepithels auf, sondern bleiben hohl und leer, und wer- den zu den Vasa efferentia. Nach BrAuN |. c. persistiren von den proximalen Theilen der Sexualstränge bei den von ihm untersuchten Reptilien, nur zwei oder drei als Vasa efferentia, die übrigen werden rückgebildet. SCHMIEGELOW* und v. MIHALKoVIcs5 nehmen im Gegensatz zu BRAUN, SEMON und HorrMmAnN keinen genetischen Zusammenhang zwischen Sexualsträngen und Vasa efferentia an. SCHMIEGELOW lässt beim Hühnchen die Vasa efferentia am 14. Tage aus dem Epithel MarrpisaHr’scher Kapseln entstehen, nachdem die Sexualstränge auf anderem Wege, worauf ich hier nicht eingehe, schon am 6.—7. Tage entstanden sind und den Hoden gebildet haben. v. MIHALKOVICS fand (p- 472) bei 5—6 cm langen Embryonen von Katze, Hund und Kanin- chen in Übereinstimmung mit SCHMmIEGELow, dass die Vasa efferentia aus dem Epithel MaArrısur'sscher Kapseln entstehen, und berichtet ebenfalls, dass der Hoden zu der Zeit schon gebildet ist. Ferner haben schon WALDEYER® und BALBIANI? die Vasa effe- ! Das Urogenitalsystem der einheimischen Reptilien. Arbeiten aus dem zool.-zoot. Inst. Würzburg. Bd. IV. 1877. 2 Die indifferente Anlage der Keimdrüsen beim Hühnchen und ihre Difte- renzirung zum Hoden. Jenaische Zeitschr. XXI. N. F. XIII. 1887. 3 Zur Entwicklungsgesch. des Urogenitalsystems bei d. Anamnia. Diese Zeitschr. Bd. XLIV. 1888. * Studien über die Entwicklung des Hodens und Nebenhodens. Archiv f£. Anat. u. Entwicklungsgesch. 1882. 5 Entwicklung des Harn- und Geschlechtsapparates der Amnioten. Intern. Monatsschr. f. Anat. u. Histol. Bd. II. 1885. 6 Eierstock und Ei. Leipzig 1870. 7 Lecons sur la generation des vertebres. Paris 1879. Ich eitire hier nach Mınort, da BALBIANTs Werk mir nicht zugänglich war. Über das Urogenitalsystem einiger Schildkröten. 595 rentia aus der Urniere entstehen lassen, und dem Hoden einen von ihnen getrennten Ursprung vindicirt. Während somit für alle Amnioten (mit Ausnahme der Schild- kröten, die daraufhin nieht untersucht-wurden) und auch für die Amphibien behauptet wird, dass die Vasa efferentia aus Theilen der Urniere entstehen, ist SEMPER! bei Haifischen zu dem Resultat ge- kommen, dass sie von den Nephrostomen gebildet werden. SEMPER fand, dass bei den Selachiern die Flimmertrichter, also Theile des Peritonealepithels, nach dem bereits gebilde- ten Hoden zu auswachsen, sich mit dessen Ampullen in Verbindung setzen, und auf diese Weise zu den Vasa efferentia werden. Das Epithel der Marrıicur’schen Kapseln fand SEMPER bei der Bildung der Vasa efferentia nicht betheiligt. Ich lege auf diese Beobachtungen SEMPER’s großen Werth, denn sie sind von HOFFMANN? vollkommen bestätigt worden — und doch hat sie HoFFMANnN kontrollirt, um ihre Unrichtigkeit zu beweisen, denn sie stimmen mit seinen an Amphibien gewonnenen Resultaten nicht überein. I SEMPER’S Befunde an Selachiern stehen dagegen in prineipieller Übereinstimmung mit den meinigen an Schild- kröten, denn ich glaube, wie schon gesagt, als Resultat meiner Arbeit die Annahme aussprechen zu müssen, dass bei den von mir untersuchten Schildkröten, also wahrscheinlich bei den Schildkröten über- haupt, die Vasa efferentia vom Peritonealepithel stammen — und bei Selachiern stammen sie ebendaher, denn Flimmertrichter sind ja doch Theile des Peritonealepithels. Eine weitere, gleichfalls bedeutsame Übereinstimmung existirt zwischen meinen Angaben und denen von WALDEYER, SEMPER, BAL- BIANI, SCHMIEGELOW und VON MIHALKOVIcS: ich nehme, da ich den Hoden schon zu einer Zeit fertig vorfinde, wo die Vasa efferentia noch fehlen oder erst in Bildung begriffen sind, mit den genannten Autoren für die gewundenen Hodenkanälchen und für die Vasa efferentia gesonderte Ursprungsorte an, während BRAUN, SEMoN und C. K. HorFrmAann sowohl Hodenkanälchen als auch Vasa efferentia aus den Sexualsträngen, und diese wieder vom Epithel MAupisurscher Kapseln entstehen lassen. — In Anbetracht der widersprechenden Angaben in der Litteratur 1 Das Urogenitalsyst. der Plagiostomen und seine Bedeutung für dasjenige der übrigen Wirbelthiere. Arb. a. d. zool.-zoot. Inst. Würzburg. Bd. V. 1875. 1e, 39* 596 Friedrich von Möller, ist es meines Erachtens durchaus nothwendig die Frage der Ent- stehung der Vasa efferentia bei Amphibien und Amnioten von Neuem in Angriff zu nehmen. Voraussichtlich werden solehe Unter- suchungen auch auf die Art der Entstehung des Hodens neues Licht werfen. — Herrn Prof. Dr. RICHARD 'HERTWIG, in dessen Laborato- rium ich die vorliegende Arbeit machte, sage ich an dieser Stelle meinen verbindlichsten Dank für sein reges Interesse und seinen freundlichen Rath. München, im Mai 1898. Verzeichnis der benutzten Litteratur, 1. BALBIANI, Lecons sur la generation des vertebres. Paris 1879. 2. Braun, Das Urogenitalsystem der einheimischen Reptilien. Arbeit aus dem zool.-zoot. Institut Würzburg. Bd. IV. 1877. 3. BoJAanus, Anatome testudinis europaeae. Vilnae 1818. 4. JuLıus BupgE, Über das Harnreservoir der Wirbelthiere. in: Mitth. a. d. nat.-wiss. Verein f. Vorpommern und Rügen. 1875. p. 1—124, 5. GEGENBAUR, Grundzüge der vergl. Anatomie. 2. Aufl. Leipzig 1870. 6. C. K. HorFrmann, Schildkröten. in: BRonn’s Klassen und Ordnungen des Thierreichs. Bd. VI. 3. Abth.: Reptilien. I. Schildkröten. 7. Ders., Zur Entwicklungsgeschichte des Urogenitalsystems bei den Anamnia. Diese Zeitschr. Bd. LXIV. 1888. 8. KEIBEL, Morphol. Arbeiten, herausgeg. von SCHWALBE. 1893—1895. 9. von MiHALKovics, Entwicklung des Harn- und Geschlechtsapparates der Amnioten. KrAUSE’s internationale Monatsschr. für Anat. u. Histol. Bd. II. 1885. | 10. R. Owen, Anatomy of Vertebrates. 1866. Vol. I. 11. SCHMIEGELOW, Studien über die Entwicklung des Hodens und Nebenhodens. Archiv f. Anat. u. Entwicklungsgesch. 1882. 12. R. Semon, Die indifferente Anlage der Keimdrüsen beim Hühnchen und ihre Differenzirung zum Hoden. Jenaische Zeitschr. XXI. N. F. XIII. 1887, 13. SEMPER, Das Urogenitalsystem der Plagiostomen ete. Arbeiten aus dem zool.-zoot. Institut Würzburg. Bd. V. 1875. 14. STANNIUS, Zootomie der Wirbelthiere. 1854. 15. WALDEYER, Eierstock und Ei. Leipzig 1870. 156. van WIHE, Beitrag zur Kenntnis des Urogenitalsystems der Reptilien. Zeitschr. der niederländ. thierkundigen Vereinigung. Bd. V. 1880. Über das Urogenitalsystem einiger Schildkröten. [DL 1 en) Erklärung der Abbildungen, Abkürzungen: 4bl, Analblase; Os. Abl, Öffnung der Analblase; A.S.ug, Anlage des Sinus urogenitalis; Os.Od, Öffnung des Oviductes; 4A.Spt.ur, Anlage des Septum uroreec- Os.8.ug, Öffnung des Sinus urogenitalis; tale; Os. Ur, Öffnung des Ureters; Bi, Harnblase; Os. Wg, Offnung des WoLrr’schen Gan- Bl.H, Blasenhals; ges; _ B!l.W, Blasenwand; Os. Vd, Offnung des Vas deferens; C.e, Corpus cavernosum; P, Penis; Cl, Kloake; Pt.C, Peritonealkanal; Cht, Clitoris; Pap.ug, Papilla urogenitalis; H, Hoden; R, Rectum; L, Längskanal; R.o, Rectalöffnung;; M, Mesometrium; S.r, Samenrinne; Msch, Mesorchium; S.ug, Sinus urogenitalis; N, Niere; Spt.ur, Septum urorectale; N.N, Nebenniere; U, Ureter; Od, Oviduct; V.d, Vas deferens. N Tafel XXX. Fig. 1. Kloake von Emys lutaria $, frisches Exemplar, durch einen mediodorsal geführten Längsschnitt geöffnet. Fig. 2. Dasselbe Präparät. Die ventrale Wand des Rectums ist zugleich mit der dorsalen Wand des Sinus urogenitalis durchschnitten. Durch Aus- einanderziehen der im Text beschriebenen Hautfalten ist der Grund der Samen- rinne sichtbar geworden. Der Penis ist herausgestülpt. Fig. 3. Anordnung der Falten am Grunde der Samenrinne, halbsche- matisch, vergrößert. Fig. 4. Kloake von Emys lutaria Q, frisches Exemplar, präparirt wie bei Fig. 2 beschrieben. Fig. 5. Kloake von Testudo graeca 5, Spiritusexemplar. Der Blasenhals ist mediodorsal geöffnet, die Kloake dagegen an der linken Seite. Fig. 6. Urogenitalsystem von Chelone midas & juv., Plastron ca. 11 cm lang. In ähnlicher Weise geöffnet wie das auf Fig. 5 dargestellte Präparat. Die tiefen Hohlräume an der Oberfläche der Nieren wurden erst nach Ent- fernung einer dieken Haut sichtbar, welche die Nieren ganz glatt erscheinen ließ. Die Rectalöffnung war rings von kurzen Fransen besetzt, und ihr dor- saler Rand hob sich deutlich von der Kloakenwand ab. Tafel XXX. Fig. 7. Querschnitt durch den Sinus urogenitalis und das Recetum einer erwachsenen männlichen Emys lutaria, frisches Exemplar. Fixirt in Sublimat, Stückfärbung mit Alaunkarmin; sehr dieker Schnitt. Fig. 8. Querschnitt durch die Kloake von Emys lutaria 5 juv., Plastron 598 Friedrich von Möller, Über das Urogenitalsyst. einiger Schildkröten. 3,6 cm lang. Fixirt in Sublimat mit 250), Eisessig. Schnittfärbung mit Häm- alaun-Kongoroth. Fig. 9. Aus der gleichen Serie wie Fig. 8, doch mehr eranial. Rectum und Sinus urogenitalis sind hier bereits getrennt. Da die Blase leer war, so stand sie senkrecht zur Kloake, und der Blasenhals ist daher längsgetroffen, während der Sinus quer durchschnitten ist. Fig. 10 u. 11. Zwei auf einander folgende Querschnitte durch die Kloake einer Emys lutaria @ juv., Plastron 3,4 cm. Fixirung und Färbung wie bei Fig. 8 beschrieben. Die Trennung zwischen Kloake und Sinus urogenitalis ist noch nicht erfolgt, bahnt sich aber schon an. Man vergleiche die Fig. 8, 9 und 7. Tafel XXXII. Fig. 12—19. Querschnitte durch den rechten Hoden, Mesorchium und Worrr’schen Körper einer Clemmys leprosa & juv., Plastron 4,9 em. Schnitt- dicke 18 u. Fixirt in Sublimat, Schnittfärbung mit Hämalaun-Kongoroth. Aus- führliche Beschreibung im Text. Fig. 20. Rete testis einer Clemmys leprosa 5 von 6,8 cm Plastronlänge, linke Seite. Da das Vas deferens voller Spermatozoen ist, so ist das Thier trotz seiner geringen Größe offenbar schon geschlechtsreif. Die Figur ist bei der halben Vergrößerung gezeichnet wie die Fig. 12—19, doch in gleicher Weise rekonstruirt, und zwar aus zehn 24 u dicken Schnitten ohne Lücke. Fixi- rung und Färbung wie bei Fig. 8 beschrieben. Die Ziffern bezeichnen die Aufeinanderfolge der Kanalsysteme in der Richtung vom Kopf zum Schwanz des Thieres. Die Fig. 1, 2, 4, 5, 6 sind ungefähr in natürlicher Größe, die Fig. ——11 bei 16facher Vergrößerung (ZEISSs, Achrom. a?, HuycH. Oec. 2), die Fig. 12—19 bei 62facher Vergrößerung (ZEISS, Apochr. 16 mm, Comp.-Oc. 4), die Fig. 20 bei 3lfacher Vergrößerung (ZEISS, Apochr. 16 mm, Comp.-Oc. 2) gezeichnet. Die Artbildung und Verwandtschaft bei den Foraminiferen. Entwurf einer natürlichen Eintheilung derselben von 6. H. Theodor Eimer und €. Fickert. Aus dem zooloeischen Institut zu Tübinzen.) be) Mit 45 Figuren im Text. Vorbemerkung. Vorliegende Arbeit, welche in der Hauptsache im Sommer 1892 niedergeschrieben wurde, blieb anderer Arbeiten wegen liegen, und sollte gerade druckfertig gemacht werden, als der Tod leider zu früh Herrn Professor EIMER dahinraffte. So blieb mir als seinem Mit- arbeiter die Pflicht, dieselbe fertigzustellen. Gründe der Pietät ver- anlassten mich dabei möglichst wenig am Texte zu ändern, was ich um so eher konnte, als keine umfassende Arbeit nach der RHuMmB- LER’Schen mehr über das System der Foraminiferen erschienen ist. Was die Autorschaft angeht, so stammt der allgemeine Theil aus der Feder Professor EımEr’s, während der specielle durchweg gemeinsame Arbeit ist. Einzelne spätere Zusätze von mir sind durch ein F. gekennzeichnet. Tübingen, im Oktober 1898. Dr. C. FICKERrT. I. Allgemeiner Theil. Über die Aufgabe der vorliegenden Arbeit. Die Bedeutung, welche man neuerdings der geschlechtlichen Mischung für das Abändern der Lebewesen und für die Artbildung zuerkennen will, und die ausschließliche Herrschaft, welche der na- türlichen Auslese, dem Nutzen, für die Artbildung von verschiedenen 600 G. H. Theodor Eimer und C. Fickert, Naturforschern mehr noch als von Darwin heute zugeschrieben wird, führte mich zu der Beschäftigung mit den Foraminiferen. Diese große Gruppe einfachster Thiere pflanzt sich, so viel wir wissen, nicht geschlechtlich fort und sie ist dennoch eine außerordentlich formenreiche. Konjugation kennen wir einstweilen nur bei Süß- wasserformen unter den Rhizopoden, bei solchen, die wir zu den Amöben stellen, weil sie lappige Scheinfüßchen haben: Difflugia, Arcella u. a. Nur GervAıs will Milioliden vor der Erzeugung einer jungen Brut zu zweien an einander hängend getroffen haben. Allein, wenn auch Konjugation bei den Foraminiferen verbreitet nachgewiesen wäre, und wenn sie auch überall als Beginn geschlecht- licher Mischung aufgefasst werden dürfte, was da und dort wohl unzwei- felhaft ist, so möchte damit doch nicht die Annahme gleicher Wir- kung dieses Beginns geschlechtlicher Mischung mit einer ausgesprochen geschlechtlichen, auf das Abändern nothwendig vorausgesetzt werden müssen, denn die Verschiedenheiten zwischen den »Geschlechtern« der Foraminiferen würden gegenüber jenen der Thiere mit ausge- bildeter geschlechtlicher Fortpflanzung doch sehr gering sein. Jeden- falls sind sie keine äußeren und lassen sich desshalb für äußere Anpassung nicht verwerthen. Mit anderen Worten: äußerliche Eigen- schaften vom Männchen oder Weibchen, welche für jene oder für diese besonderen Nutzen im Sinne der Anpassung hätten, giebt es nicht und desshalb fällt ein sonst für die Auslese wichtiges Mittel hier vollständig weg. Freilich würden für den Nutzen und für die Auslese innere Eigenschaften genügen und sie brauchten, um einen Fortschritt durch Auslese zu bedingen, gar nicht geschlechtliche zu sein. Schon die Konjugation wird im Sinne solchen Fortschritts dadurch wirksam sein können, dass das eine oder das andere der dieselbe eingehenden Einzelwesen eine günstige innere Eigenschaft, welche es mitgebracht hat, durch sie zur Verbreitung bringt. Sie wird aber auch dadurch in diesem Sinne wirksam werden können, dass durch die Mischung zweier Wesen neue günstige Eigenschaften entstehen. Indessen ist zu jenem Fortschritt geschlechtliche Mischung bezw. Konjugation nicht nöthig, ja es leuchtet ein, dass eine an einem »Geschlecht« auftretende neue Eigenschaft durch Mischung mit einem anderen derselben entbehrenden Wesen Schwächung er- fahren wird, welche bei ungeschlechtlicher Vermehrung nicht eintritt. Unbedingt günstig für die Abartung ist die geschlechtliche Mischung nur eben durch Hervorrüfen neuer vortheilhafter Eigenschaften. Die Artbildung und Verwandtschaft bei den Foraminiferen. 601 Der Nutzen der Kreuzung für das Abändern und die Auslese soll von mir durchaus nicht bestritten werden, aber er ist bei ver- schiedenen Lebewesen ein sehr verschiedener und es ist die An- nahme des Neu-Darwinismus, dass er das einzige Mittel zur Erzeugung von Abänderungen bei den höheren Thieren sei, unbedingt zurück- zuweisen. Bei den von mir auf die Artbildung untersuchten Schmet- terlingen habe ich z. B. nichts finden können, was dabei für irgend maßgebende Wirkung der Kreuzung spräche, wogegen sie nach NÄGELI bei den Hieracien bekanntlich eine große ist. Mit allgemeinen Be- hauptungen und sogenannten Lehrsätzen lässt sich hier wie in der Naturwissenschaft überhaupt nichts ausrichten — es muss überall das Thatsächliche festgestellt und darauf aufgebaut werden. Für die Foraminiferen ist jedenfalls, wie gesagt, auch Konjugation nur in Ausnahmefällen bekannt, und es ist klar, dass äußere Einwir- kungen auf das Plasma bei Vererbung der erworbenen Eigen- schaften ohne jene durchaus genügen, um Abänderungen hervorzu- bringen. Dass dies und dass damit zusammenhängende innere physiolo- gische Ursachen es sind, welche das Abändern auch der Foramini- feren bedingen, mit einem Wort organisches Wachsen, Organo- physis, das zeigt das Ergebnis meiner Untersuchungen: die That- sache bestimmt gerichteter Umbildung, welche hier auf das Schönste vor Augen tritt. Durch sie wird die Annahme des Dar- winismus, dass zufällige Abänderungen und die Auslese die Ent- stehung neuer Arten bedingen sollen, auch auf diesem Gebiete voll- kommen zurückgewiesen. Für die Foraminiferen ist solches Ergebnis unserer gemeinsamen Untersuchungen um so überraschender, als gerade sie in ungemein reicher Weise abändern, so dass man bisher bestimmte Regeln für die Umbildung gerade hier am wenigsten aufzustellen im Stande war, trotzdem dass viele Abarten weit aus einander stehende Formen in zusammenhängender Kette verbinden. Beides ist übrigens bei ihnen in nicht höherem Maße der Fall, als bei den Spongien, welche ge- schlechtliche Fortpflanzung haben. Ich habe vorhin die Konjugation als wahrscheinlichen Beginn ‚geschlechtlicher Vermehrung in einzelnen Fällen bezeichnet. Es braucht jedoch kaum besonders hervorgehoben zu werden, dass dieser Anfang: in letzter Linie wohl nur auf physiologischen Wechsel- beziehungen beruht, welche mit eigentlich geschlechtlicher solcher Beziehung noch nichts zu thun zu haben brauchen. Der Ausgangs- 602 G. H. Theodor Eimer und C. Fickert, punkt der geschlechtlichen Verschiedenheit ist wohl in einer Art Arbeitstheilung zu suchen, welche verschiedene physiologische Fähig- keiten auf verschiedene Einzelwesen vertheilt und deren Vereinigung erst ein die Vermehrung bedingendes »Wachsen über das Individuum hinaus« möglich macht. Wahrscheinlich sind es zuerst nur Ver- schiedenheiten im Ernährungszustand, dann die Fähigkeit verschie- dene Ernährungszustände auszugestalten und zu übertragen, und so jene zur Vermehrung nothwendige Ergänzung herbeizuführen, welche für dieselbe maßgebend sind. Indem solche Arbeitstheilung sich mehr und mehr festigt und, durch besondere Thätigkeit auf Grund Vererbung der erworbenen Eigenschaften sowohl wie durch kerre- lative Umbildungen zu besonderer Eigenart des Organismus führt, entstehen erst die Geschlechter. Demnach ist Konjugation nicht ohne Weiteres mit geschlecht- licher Vermehrung zusammenzustellen, ganz abgesehen davon, dass es sich bei ihr um jene Erneuerung verbrauchter Stoffe handeln kann. WEISMANN, welcher bei den höheren Lebewesen die geschlecht- liche Mischung für das einzige Mittel zur Erzeugung von Abände- rungen erklärt, indem er jede sich vererbende Beeinflussung des Körperplasma durch äußere Einwirkungen leugnet, hatte denn auch für die Einzelligen eine Ausnahme gemacht und Vererbung von durch das »Soma« erworbenen Eigenschaften hier zugegeben!. Später aber änderte WEISMANN, wie in so vielen anderen Dingen, so auch hierin, seine Ansicht, indem er auf den Gedanken verfiel, den Kern der Einzelligen dem Keimplasma von Ei und Samen gleichzusetzen, an- zunehmen, dass so dieselben Ursachen für die Entstehung von Ab- i »Der Ursprung der erblichen individuellen Variabilität kann allerdings nicht bei den höheren Organismen, den Metazoen und Metaphyten liegen, er ist aber bei den niedersten Organismen zu finden, bei den Ein- zelligen. Bei diesen besteht ja noch nicht der Gegensatz von Körper- und Keimzellen; sie pflanzen sich durch Theilung fort. Wenn nun ihr Körper im Laufe seines Lebens durch irgend einen äußeren Einfluss verändert wird, irgend ein individuelles Merkmal bekommt, so wird dies auf seine beiden Theilsprösslinge übergehen. Wenn z. B. ein Moner durch häufiges Ankämpfen gegen Wasserströmungen die Sarkode seines Körpers etwas derber, resistenter oder auch stärker anhaftend gemacht hätte als viele andere Individuen seiner Art, so würde sich diese Eigenthümlichkeit auf seine beiden Nachkommen direkt fortsetzen, denn diese sind ja zunächst nichts Anderes als seine beiden Hälften; jede im Laufe seines Lebens auftretende Abänderung, jeder irgendwie entstandene individuelle Charakter müsste sich nothwendig auf seine Theilsprösslinge direkt übertragen. A. WEISMANn, Aufsätze über Vererbung. p. 338. (1886.) Die Artbildung und Verwandtschaft bei den Foraminiferen. 603 änderungen beständen wie bei den Vielzelligen, eine Vererbung er- worbener Eigenschaften daher auch bei ihnen auszuschließen sei!. Ich will solcher Auffassung vom Kern Einzelliger gar nicht ent- gegentreten. Der Kern ist meiner Auffassung nach überhaupt Lebens- organ der Zelle und bei den Einzellisen hat er entschieden besondere Beziehung zu Fortpflanzung wie bei der Zellvermehrung überhaupt. Damit sind andere Funktionen nicht ausgeschlossen. Nachdem ich für die mehrzelligen geschlechtlich sich vermehren- den Thiere durch genaue Untersuchung verschiedener Gruppen nach- gewiesen hatte, dass hier die Artbildung in letzter Linie unabhängig vom Nutzen geschieht, dass sie auf gesetzmäßigen, nach bestimmten. Richtungen vor sich gehenden Umänderungen (Orthogenesis) be- ruht, deren Ursache in der physiologischen Arbeit des Körpers auf Grund von dessen Konstitution, und in deren Beeinflussung durch die physikalischen Mittel der Außenwelt gelegen ist (organisches Wachsen, Morphophysis, oder Organophysis), schienen mir ähnliche solehe Ursachen für die Artbildung der Foraminiferen von vorn herein wahrscheinlich. Wenn sich bei den Schmetterlingen? das Abändern und damit die Artbildung so einleitet, dass irgend ein neues, zuerst kaum sicht- bares Pünktchen der Zeichnung entsteht, welches sich bei einzelnen Thieren vergrößert hat und bei der nächstverwandten Art zu einer diese äußerlich bestimmenden bedeutenden Zeichnung geworden ist. ! »Ich glaube desshalb, dass wir bei diesen höchst differenzirten Proto- zoen ganz wie bei den Metazoen eine Vererbung „erworbener“ Abände- rungen bestreiten und uns vorstellen müssen, dass auch hier die phyletischen Umbildungsprocesse vom „Keimplasma‘ ausgehen, d.h. also hier vom Idioplasma des Kernes.< Im Folgenden wird das hier für die Wimperinfusorien Angenommene auf alle Einzelligen mit Ausnahme der Moneren übertragen: »Ich möchte desshalb meinen früheren Satz, dass die „Einzelligen“ der Urquell der individuellen Ungleichheit seien, in dem Sinne, dass bei ihnen jede durch äußere Einflüsse oder durch Gebrauch und Nichtgebrauch hervorgerufene Abänderungen erblich sein müsse, um eine Stufe weiter gegen den Anfang des Lebens hin zurückschieben und sagen, dass nur solche niedersten Organismen, welche noch keine Differenzirung in Kern und Zellkörper besitzen, in dieser Weise auf äußere Einflüsse reagiren werden. Bei ihnen müssen in der That Variationen, welche einmal entstanden sind, einerlei aus welcher Ursache, auch vererbt werden, und die individuelle erb- liche Variabilität wird also bei ihnen direkt durch die Einflüsse der Außen- welt entstehen.< Aufsätze über Vererbung. p. 788, 789 (1891}). 2 G.H. Tr. Eımer, Die Artbildung und Verwandtschaft bei den Schmetter- lingen. I. Jena 1889. II. 1895 und Entstehung der Arten. II. Orihogenesis der Schmetterlinge. Leipzig 1897. 604 G. H. Theodor Eimer und C. Fickert, so ist bei solchem Vorgang der Nutzen, die Zuchtwahl, insbesondere die geschlechtliche Zuchtwahl, völlig ausgeschlossen. Aber man wird immer noch einwenden können, es sei die geschlechtliche Mischung die das Abändern bedingende Ursache. Zwar sind, wie gesagt, gar keine Beweise für diese Annahme vorhanden. Vielmehr ist es unzweifelhaft, dass die auffallendsten und wichtigsten Abän- derungen bei den Schmetterlingen ganz auf äußeren Einwirkungen, wie Klima, Nahrung u. a. beruhen. Ferner weist die Thatsache, dass neue Eigenschaften gewöhnlich zuerst bei Männchen (männ- liche Präponderanz) und dass sie in bestimmter Reihenfolge am Körper auftreten, — dies sowohl in der Entwicklung des einzelnen Thieres wie in der Stammesentwicklung, d. i. in der Kette ver- wandter Arten und Gattungen — es weist dies schon allein darauf hin, dass eben tiefere Ursachen als nur die geschlechtliche Mischung für die Umbildung der Formen bestehen. Das Studium der Foraminiferen bot zugleich eine andere Aus- sicht. Meine Arbeiten über die gesetzmäßige Umbildung der Zeich- nung führten zur Feststellung der Verwandtschaft der betreffenden Formen, zur Aufstellung eines natürlichen Systems. Das Ergebnis solch natürlichen Systems war andererseits die Probe auf die Richtigkeit der Grundsätze, von welchen ich ausgegangen bin. Dieselben Grundsätze mussten, so setzte ich voraus, auch zur Gewinnung eines natürlichen Systems der Foraminiferen führen, sofern sich auch hier bestimmte Entwicklungsriehtungen ergeben würden, welche auf organischem Wachsen beruhen. Denn die Entwicklungs- richtungen mussten auch hier die Grundlinien für den systematischen Zusammenhang der Formen abgeben. Sol- cher Gewinn aber war um so höher anzuschlagen, als bis dahin ein natürliches System der Foraminiferen fehlte. Hier möchte Erwähnung finden, dass meine Einführung des or- sanischen Wachsens als Ursache von Formbildung gegen den Dar- winismus nicht nur in verschiedenen Äußerungen Erxsr HAEckEL’s! in seiner »Systematischen Phylogenie« Vertretung findet, sondern dass dieser Erklärung auch von einer Seite Stützen geboten worden sind, von welcher ich es nicht erwartet hätte. Denn kurz vorher war von DREYER in einer Kritik meines Buches über die »Entstehung der Arten« behauptet worden, dass dasselbe >»weniger viel Neues 1 Ernst HAECKEL, Systematische Phylogenie der Protisten und Pflanzen. I. Berlin 1894. Die Artbildung und Verwandtschaft bei den Foraminiferen. 605 und Originelles enthalte, als dass es immer entschiedenen Lamarckis- mus vertrete«, und hatte der betreffende Kritiker damals auch nach anderen seiner Äußerungen meine Aufstellung gesetzmäßiger Ent- wieklung und organischen Wachsens gegenüber dem Darwiw’schen Zufall und damit die Grundlage meiner Anschauungen noch gar nicht erfasst!. | Im Jahrgang 1892 der Jenaischen Zeitschrift für Naturwissen- schaft veröffentlicht DREYER eine Arbeit?, in welcher er allerdings, ohne meinen Namen zu nennen, zur Gestaltung der Rhizopoden und besonders auch der Foraminiferenschalen, aus inneren und äußeren Ursachen erfolgendes Wachsen in Anspruch nimmt, welches mit dem Nützlichkeitsprineip nichts zu thun habe. Als mechanische Ur- sachen der Gehäusegestaltung werden aufgeführt: auf äußere Reize erfolgende bestimmte Ausstrahlungen des Plasma selbst, Blasen- spannung, Schwerkraft u. A. Ich hatte wegen dieser Aufstellung bestimmter mechanischer Ursachen keine Veranlassung die Darstel- lung des Folgenden zu ändern, welche schon vor dem Erscheinen der DREYER’schen Schrift niedergeschrieben war, denn es will mir scheinen, dass dessen Ausführungen nur dann für die nicht selbst- verständlich sein werden, welche, statt von meinen Anschauungen auszugehen, in der Darwın’schen Nützlichkeitsherrschaft befangen sind. Indessen ist die Aufstellung und Vertretung der vom Ver- fasser behandelten einzelnen Gesichtspunkte als physikalischer Er- klärungsversuch gewiss von Werth und nur ein willkommenes Zeichen fortschreitender Erkenntnis im Sinne meiner Entwicklungslehre. In einer vor Kurzem erschienenen Arbeit? führt derselbe Ver- fasser auch die Vielgestaltigkeit der Schalen von Peneroplis pertusus auf den Bau des Sarkodekörpers und die Sarkodeplastik zurück. Ich komme auf diese Arbeit später zurück. F. Die bisherigen Eintheilungen der Foraminiferen. Wie es mit den bisherigen Eintheilungen der Foraminiferen steht, darüber hat sich zuletzt, kurz vor seinem Tode, M. NEUMAYR, der 1 Man vgl. meine Äußerung im biolog. Centralblatt. 15. Aug. 1888. Nr. 12. 2 FRIEDRICH DREYER, Die Prineipien der Gerüstbildung bei Rhizopoden, Spongien und Echinodermen. Ein Versuch zur mechanischen Erklärung orga- nischer Gebilde. (Jen. Zeitschr. 1892. N.F. Bd. XIX.) 3 FRIEDRICH DREYER, Peneroplis, eine Studie zur biologischen Morpho- logie und zur Speciesfrage. Leipzig 1898. 606 G. H. Theodor Eimer und C. Fickert, leider viel zu früh verstorbene Verfasser des vortrefflichen Buches: Die Stämme des Thierreichs! und vorher schon in einer besonderen Abhandlung: Die natürlichen Verwandtschaftsverhältnisse der schalen- tragenden Foraminiferen?, ausgesprochen. NEUMAYR findet, dass das beste System das in neuerer Zeit von BRApY? aufgestellte sei, dess- halb, weil es sich nicht zu sehr an ein Kennzeichen für die ein- zelnen Familien hält, wie das die meisten übrigen Eintheilungsver- suche thun und weil es SCHWAGER folgt, in so fern es zugleich der äußeren Gestalt bedeutenden Einfluss auf die Anordnung zugesteht. Allein auch in der Brapy’schen Eintheilung seien verschiedene Änderungen dringend nothwendig. So die Unterordnung der Fusu- linen, Orbitoiden ete. unter die Nummulitiden, denn nachdem schon bei den Rotaliden Formen mit urd ohne Kanalsystem ete. vereinigt sind, habe auch die Familie der in einer Ebene aufgerollten Num- mulitiden ihre Existenzberechtigung verloren und müssen deren sehr ungleichartige Bestandtheile von einander getrennt werden. Eben so sei die Stellung der Gattungen Cornuspira, Spirillina und Ammodis- cus verfehlt, vor Allem aber die ganze Familie der Lituoliden eine unnatürliche. Brady’s Eintheilung der Foraminiferen‘*. Die von BrApY aufgestellten Familien sind: Gromiden, Milioliden, Astrorhiziden, Lituoliden, Textulariden, Chilostomelliden, Lageniden, Globigeriniden, Rotaliden, Nummulitiden. Der große Fehler dieses Systems liegt zunächst offenbar in der Aufstellung zweier Familien rein sandiger Gattungen, der Astrorhi- zidae und der Lituolidae, von welchen nur die ersteren eigenartige Formen enthalten, die letzteren aber aus sehr verschiedenen Parallel- formen oder sandigen Isomorphen kalkiger Arten zusammengesetzt sind. Brapy kennzeichnet die Lituoliden folgendermaßen: Lituolidae. Sandig, gewöhnlich von regelmäßigen Umrissen, Kammerung der Vielkammerigen oft unvollkommen, Kammern häufig labyrinthisch. Enthält sandige Isomorphe der kalkigen Arten wie 1 M. NEUMAYR, Die Stämme des Thierreichs. I. 1889. p. 163 ff. ? Sitzungsber. der Wiener Akad. Math.-naturw. Abth. 1887. 3 BrApyY, Report on the Foraminifera dredged by H. M. S. Challenger. Report on the scientific Results of the Cruise of H.M. S. Challenger. Zoology. Vol. IX. 1884. * BRADY, Zoology. Bd. IX des Report on the scientific Results of the voyage of H. M. S. Challenger. Die Artbildung und Verwandtschaft bei den Foraminiferen. 607 Cornuspira, Miliolina, Peneroplis, Lagena, Nodosaria, Cristellaria, Globigerina, Rotalia, Nonionina u. a. und dazu einige nahestehende Arten. Unterfamilien: Lituolinae, Trochammininae, Loftusinae (nebst den ausgestorbenen kalkigen Endothyrinae). Durch diese Abtrennung übrigens gleichgearteter sandiger For- men von ihren kalkigen Verwandten verfällt Brapy in den Fehler zurück, ein einziges Merkmal, und zwar ein ganz unwesentliches, zur Kennzeichnung einer Familie zu verwenden, noch dazu aber ein solches, welches das Nächstverwandte vom Nächstverwandten trennt. Damit kommt er in vollen Gegensatz zu den Forderungen des natür- lichen Systems. BrApy verfährt aber auch nicht folgerichtig, indem er zu den Textulariden sowohl sandige als kalkige Formen stellt und eben so zu den Milioliden. Von letzteren führt er gar an, dass sie unter ungünstigen Bedingungen, z. B. im Brakwasser, chitinig oder sandig werden und dass sie in großen Tiefen zuweilen nur aus einer dünnen, sleichartigen, kieseligen Haut bestehen. Damit ist doch von ihm selbst anerkannt, dass die Zusammensetzung der Gehäuse, ob aus Kalk oder aus Sand, unwesentlich sei. Es ist aber ferner dadurch darauf hingewiesen, dass diese Zusammensetzung unmittel- bar auf äußeren Einflüssen beruht. Die Miliolidae bezeichnet Brapy im Übrigen als Formen mit undurchbohrter, gewöhnlich kalkiger Schale, zuweilen mit Sand in- krustirt. Auf die Gestalt ist hier gar nichts gegeben, obschon dieselbe für die eigentlichen Milioliden so kennzeichnend ist. In der That stellt Brapy in seine Familie der Miliolidae die verschiedenartigsten Formen: Nubecularien, Miliolinen, Hauerininen, Peneropliden, Alveo- linen, Keramosphaerinen. Eben so wenig ist die Gestalt berücksichtigt in der Kennzeichnung, welche Brapy von den Textularidae giebt. Dieselbe lautet: Textularidae: Die größeren sandig, mit oder ohne durchbohr- ten kalkigen Grund, die kleineren glasartig (kalkig), durchbohrt. Kammern in zwei oder mehr abwechselnden Reihen oder spiralig oder durch einander, oft dimorph. (Unterfamilien: Textularinae, mit sandigen und kalkigen Formen, dann die kalkigen Bulimininae und Cassidulinae.) Fast durchweg sandig sind wieder die Astrorhizidae. BRADY kennzeichnet dieselben folgendermaßen: Astrorhizidiae: Schale stets zusammengesetzt (meist aus Sand- 603 G. H. Theodor Eimer und C. Fickert, kömern, gewöhnlich groß, einkammerig, oft verzweigt oder strahlig, zuweilen gekammert durch Einziehung der Wände, aber selten oder nie durch Scheidewände abgetheilt. Die vielkammerigen sind nie- mals symmetrisch. Unterfamilien sind: Astrorhizinae, Pilulinae, Saec- cammininae, Rhabdammininae. Die Pilulinae bestehen aus Schlamm, theilweise auch aus Schwammnadeln. Astrorhiza wurde 1857 von SANDAHL beschrieben, die ihr ver- wandte Dendrophrya 1861 von WrısHt. Die großen sandigen Astro- rhiziden lernte man aber erst durch die neuen englischen Tiefsee- forschungen kennen. Meist kennt man nur die Gehäuse. Übergänge von Form zu Form findet man bei den Astrorhizidae weniger leicht als bei anderen Familien, sagt Brapy (p. 227). — Das Letztere ist richtig, aber nur desshalb, weil auch die von BRADy aufgestellte Familie der Astrorhizidae keine natürliche ist. Trennt man sie in sich zusammenhängende Gruppen, so vermag man diese allein oder mit Hilfe anderer Formen wieder unter einander zu verbinden oder man findet Übergänge zu höheren Foraminiferen. Auch bei der Aufstellung der Astrorhizidae hat BrRApy nämlich auf die Gestalt viel zu wenig Rücksicht genommen. Durch jene Trennung tritt das scheinbar Unregelmäßige der Glieder der alten Gruppe wesentlich zurück und es bleibt nur das verhältnismäßig Unfertige, das sie alle als tiefstehende, ursprüngliche Foraminiferen erkennen lässt. Die Chilostomellidae kennzeichnet BrAapy folgendermaßen: Schale kalkig porös. Kammern Miliola-artig angeordnet. Mündung ein seitlicher gekrümmter Schlitz. Auch hier sind wieder ausschließlich kalkige Formen zusammen- gestellt. Wir rechnen hierher aber auch eben so gestaltete sandige, welche von BrApy in seine überhaupt unhaltbare Gattung Trocham- mina eingeschlossen sind (Ammochilostoma nobis vgl. Chilostomelli- dae nobis). — Brapr stellt seine Gattung Trochammina in die Unter- familie Trochammininae der Lituoliden. — Es ist also auch die Familie der Chilostomellidae Brapy keine natürliche. Lagenidae. Nach Brapr: Schale kalkig, sehr fein porös, keine Kanäle und kein Zwischenskele. Einkammerig oder die Kammern zu einer einfachen geraden gebogenen oder spiralen Linie angeordnet. Mündung endständig, rund oder strahlig. Unterfamilien: Lageninae, Nodosarinae, Polymorphinae, Ramulininae. Gewöhnlich werden als Lageniden nur die kalkigen einkam- merigen Formen bezeichnet, welche eine an einem Ende geschlossene Die Artbildung und Verwandtschaft bei den Foraminiferen. 609 (oft bauchartig erweitert geschlossene) Röhre bilden. Nun stellt Brany dazu auch mehrkammerige: Nodosarien, dann die offenbar der Buli- mina verwandten Polymorphinen und die verzweigten, von uns zu den sandigen Aschemonella gestellten kalkigen Ramuliden. Auch hier spielt wieder der Stoff, aus welchem die Gehäuse zusammen- sesetzt sind, eine hervorragende Rolle für die Stellung im System bei BRApy. Allein wir werden zeigen, dass es schon falsch ist, eine besondere Familie der Lageniden mit dem Kennzeichen kalkiger Gehäuse aufzustellen. Denn es giebt sandige Gehäuse, welche im Übrigen vollkommen die Eigenschaften jener kalkigen Lageniden haben. Es ist dies vor Allem die schon im unteren Silur vorkom- mende Gattung Saccammina. Dazu kommt als nahe Verwandte auch die aus Sand und aus Schwammnadeln zusammengesetzte Gattung Pillulina. Wir bezeichnen alle zusammen als Saccamminidae. Globigerinidae. Hierher stellt Brapy außer den gewöhnlichen Globigerinen auch die offenbar zu den Endothyren gehörigen Gattungen Sphaeroidina und Pullenia, sowie die in ihrer Stellung zweifelhafte Candeina. Und zwar macht BrApY hier nicht einmal Unterfamilien. Andere stellen zu den Globigerinidae allerdings noch verschieden- artigere Formen (CARPENTER z. B. außer den genannten noch die Textularien mit Bulimina und Cassidulina, ferner die Rotalinen mit Calearina und Tinoporus — weil sie alle Perforata sind!). BRADY kennzeichnet die Globigerinidae folgendermaßen: Schale kalkig, porös, aus wenigen aufgeblasenen Kammern zusammengesetzt, spiralig; mit einfacher oder mehrfacher Mündung; ohne Kanalsystem und Zwischenskelet. Wir rechnen zu den Globigerinidae nur die kalkigen Gattungen Globigerina, Hastigerina und Orbulina (diese vielleicht nur End- kammer von Globigerina) und die sandige Ammoglobigerina. Auch hier giebt unserer Ansicht nach die kalkige oder sandige Be- schaffenheit des Gehäuses keinen Grund zur Trennung. Dagegen stellt BRADy die von uns als Ammoglobigerina bulloides bezeichnete sandige Globigerine als Haplophragmium globigeriniforme zu den Lituolidae. | | Rotalidae Brady: Schale kalkig durehbohrt, frei oder festge- wachsen. Die typischen Vertreter »rotaliform«, außerdem einige ab- weichend gestaltete Nebenformen. Einzelne höher entwickelte mit doppelten Kammerwandungen, mit Zwischenskelett und Kanalsystem. Nebenfamilien: Spirillininae, Rotalinae und Tinoporinae. Die Spiril- lininae, nur die Gattung Spirillina enthaltend, sind einfach Cornu- Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXV. Bd. ° 40 610 G. H. Theodor Eimer und C. Fickert, spiren, aber mit durchbohrten Wandungen und sie wurden von BrApyY nur wegen derselben hierher gestellt. Es spielt also hier wieder ein einziges Merkmal eine so hervorragende Rolle zu Gunsten der Stellung in eine besondere Familie und zur Begründung des Auseinanderreißens ganz nahe verwandter Formen. Die Tinoporinen sind jedenfalls in ihrer Stellung zweifelhaft (vgl. unsere Familie der Calcarinidae). Nummulinidae Brady: Schale kalkig, von feinen Röhrchen durchzogen, vielkammerig, symmetrisch-spiralig, die höheren Formen alle mit Zwischenskelet und Kanalsystem. Unterfamilien: Fusulininae, Polystomellinae, Nummulitinae, Cycloclypeinae und (zweifelhaft) Eo- zooninae. Diese Familie erscheint, wie auch NEUMAYR (p. 166) sagt, in ihrer Zusammensetzung als eine vollkommen unnatürliche. Wir haben die Unterfamilien derselben als Familien aufgestellt und auf Grund verschiedener verwandtschaftlicher Beziehungen im System vertheilt. Es bleibt noch übrig die Familie der Gromidae, von BRADY als erste seiner Familien aufgestellt: Schale chitinös, glatt oder mit eingebetteten Fremdkörpern, undurchbohrt, mit einer oder mit zwei einander gegenüberliegenden Mündungen. Die Gromien sind die einzige unter den von BrApy aufgestellten Familien, welche wir in der gegebenen Fassung als eine natürliche anzuerkennen in der Lage sind, mit der Einschränkung, dass Über- gänge zu anderen auch bei ihnen vorkommen. Die Gromien, in deren Gehäuse Fremdkörper eingebettet sind, nähern sich wohl den einfachsten sandigen Formen der Saecamminidae nobis. Wenn also die Brapy’sche Eintheilung der Foraminiferen nach dem Urtheil eines so ausgezeichneten Forschers wie NEUMAYR als die beste bezeichnet wird, welche bisher geliefert worden ist, so müssen wir nach unseren Ausstellungen doch noch genauer sehen, worauf dieses Urtheil beruht. NEUMAYR bespricht auch diese älteren Eintheilungen (p. 163). Zuerst wurde fast nur die äußere Gestalt und die Zahl und Anord- nung der Kammern berücksichtigt. So hat D’ORBIGNY unterschieden: Monostegier, Einkammerige, Stichostegier, mit einer Reihe geradlinig angeordneter Kammern, Helicostegier, mit spiralig auf- sewundenen, Enallostegier, mit mehrreihig angeordneten, Aga- thistegier, mit knäuelförmig aufgewickelten Kammern u. a. Be- sonders CARPENTER und REUSss zeisten, dass dadurch unnatürliche Gruppen zu Stande kommen. CARPENTER stellte dagegen die zwei Die Artbildung und Verwandtschaft bei den Foraminiferen. 611 sroßen Abtheilungen der Imperforata und Perforata auf, je nach dem Vorhandensein oder Fehlen von Poren, Reuss berücksichtigte außerdem besonders die Zusammensetzung der Gehäuse aus Kalk oder Kiesel. Diese Eintheilungsmittel sind aber verfehlt, weil sie Verwandtes überall aus einander reißen. Dies geht aus meinen kritischen Bemerkungen zur Brapyv’schen Eintheilung zur Genüge hervor, so weit es sich um die Eintheilung nach sandigen oder kalkigen Gehäusen handelt — für die Eintheilung nach dem Vorhandensein oder Fehlen von Poren ist es längst anerkannt. SCHWAGER versuchte, wie NEUMAYR weiter hervorhebt, der äußeren Gestalt wieder mehr gerecht zu werden, und zu zeigen, dass innerhalb der einzelnen so begründeten Gruppen sich einfacher und zusammengesetzter gebaute Formen vereinigen. Man fehlte, sagt NEUMAYR mit Recht, früher vielfach eben dadurch, dass ein Hauptmerkmal aufgesucht und an die Spitze der Anordnung gestellt wurde, nach welchem man dann die ganze Formengruppe in einige wenige, meist zwei oder drei Hauptgruppen brachte. Es ist, meint er, besser, zunächst eine größere Anzahl kleinerer, natürlich um- srenzter Familien festzuhalten, ohne Rücksicht auf große Hauptab- theilungen. Sei dies durchgeführt, dann werde auch, »wie wir sehen werden« der Zusammenhang dieser unter sich leicht festgestellt wer- den können. Jene künstlichen Foraminiferensysteme aber seien ge- nöthigt, entweder sofort eine Reihe von Ausnahmen und Abweichun- sen zuzugeben oder nahe verwandte Formen an ganz verschiedenen Stellen des Systems einzureihen. Das BrApy’sche System wird nun den Forderungen NEUMAYR’S dadurch gerecht, dass es nur eine Anzahl von kleineren Familien aufstellt und der Kern der Mehrzahl dieser Familien ist als ein natürlicher anzuerkennen. Aber die Familien sind nicht eng genug begrenzt. Zu jenem Kern ist fast überall ein Beiwerk gefügt, welches den von NEUMAYR gerügten Fehler ausschließen soll, dass >Ausnahmen und Abweichungen zugegeben oder nahe verwandte Formen an ganz verschiedenen Stellen des Systems eingereiht« wer- den müssen. Aber der Fehler wird größer, weil eben diesem Bei- werk zu Liebe die Begriffsbestimmungen sehr weit und nichts weni- ger als einheitlich gefasst sind, so dass aus der dem Kern nach natürlichen Eintheilung eine unnatürliche wird. Dies muss um so mehr erfolgen, als für die Begriffsbestimmungen wiederholt die Kenn- zeichen verwendet sind, durch deren systematische Verwerthung das Nächstverwandte nothwendig getrennt wird, nämlich die stoffliche 40* 612; | G. H. Theodor Eimer und C. Fickert, Zusammensetzung der Gehäuse und das Vorhandensein oder Fehlen von Poren. Es scheint mir also, dass das Brapy’sche System theilweise wohl einen guten Kern hat, dass es aber die Fehler anderer Eintheilungen vereinigt. Wenn NEUMAYR auf p. 164 sagt, man werde sehen, dass sich der Zusammenhang einzelner kleinerer Gruppen, wenn er ein- mal festgestellt sei, leicht durchführen lasse, so scheint dies sich eben auf die BrAapy’sche Eintheilung zu beziehen und derselben die Anerkennung einer natürlichen zu verleihen. Allein indem er an die Feststellung des Zusammenhangs herantritt, ändert er die BRADyY- sche Eintheilung sehr wesentlich ab und stellt ganz andere Haupt- gruppen auf. Neumayr’s Eintheilung. NEUMAYR behandelt nach einander 1) die agglutinirenden Foraminiferen (hauptsächlich Astrorhiziden), 2) den Cornu- spiridentypus, 3) die Textilariden, 4) den Lituolidentypus und die Nodosariden, 5) den Endothyrenstamm, 6) die Fusu- liniden, 7) die Nummulitiden. Diese Gruppen sind es nun, welche NeumaAyR unter einander zu verbinden sucht — nur in der ersten behandelt er die aus Fremd- körpern zusammengesetzten, also vorzüglich die sandigen Formen überhaupt —, als Stammgruppe sind daraus die Astrorhiziden her- auszulösen. 1) Die Astrorhiziden sind die ursprünglichsten Formen: meist einkammerig, selten mehrkammerig, von unregelmäßiger Gestalt, deren Gehäuse ausnahmslos aus fremden Körpern zusammengeklebt ist. Schlamm, Sand, Kieselschwammnadeln, zuweilen verkittet durch ein kalkiges Cement. Eigentliche Poren in den Schalen finden sich nicht, wohl aber sind die einzelnen Körner, aus welchen dieselben aufgebaut sind, so an einander gefügt, dass Lücken zwischen ihnen bleiben, ja manchen genügen diese Lücken zur Herstellung einer Verbindung mit der Außenwelt vollständig und sie besitzen desshalb keine eigentliche Mündung — ganz wie manche stark poröse Kalk- schalen, z. B. Orbieulina. So geben denn auch die Astrorhiziden den Ausgangspunkt für die Entstehung einerseits der porösen, anderer- seits der porenlosen Kalkschalen. »In der That sind auch diese Astrorhiziden mit den einfachsten Sandschalern aus jenen Abthei- lungen verbunden, welche Parallelformen zu den kalkigen Foramini- feren darstellen. Es gilt dies namentlich von der Gattung Rheophax, Die Artbildung und Verwandtschaft bei den Foraminiferen. 613 deren Abgrenzung gegen manche Astrorhiziden eine sehr unbestimmte ist.ce (Rheophax wird auch von Brapy schon zu den Lituoliden gestellt.) Unter diesen niedersten Astrorhiziden, fährt NEUMAYR fort, namentlich unter den Gattungen Saccammina, Pelosina, Astrorhiza und Sorosphaera treten nun solche auf, welche zu einer zweiten sroßen Gruppe von Foraminiferen hinüberführen, zu solchen mit san- diger Schale, mit regelmäßiger Gestalt und bei den vielkammerigen mit gesetzmäßiger Anordnung der Kammern, deren Scheidung manch- mal eine sehr unvollkommene ist. ie »In dem Systeme von Reuss werden alle oder fast alle regel- mäßiger gestalteten Foraminiferen mit sandiger Schale in der Gruppe der Arenacea zusammengefasst, während ÜARPENTER ohne Weiteres die sandigen Formen neben den kalkigen in den beiden Gruppen der porösen und der porenlosen Typen eintheilt und somit dieselben aus einander reißt. BrAapr’s neue Eintheilung schlägt hier einen Mittelweg ein, indem sie die Hauptmasse der regelmäßigen sandigen Formen als Lituoliden zusammenfasst, einen Theil aber, bei welchem die Übergänge zu den porös-kalkigen Formen der Textilariden be- sonders klar hervortreten, bei dieser letzteren Familie unterbringt.< NEUMAYR will die größere Berechtigung der einen oder der anderen Auffassung nicht weiter verfolgen — beide reißen Verwandtes aus einander — es genügt ihm zu wissen, »dass die sehr große Mehr- zahl der regelmäßig gebauten sandigen Foraminiferen ein vollständig zusammenhängendes Gebiet darstellt, dessen Angehörige in inniger natürlicher Verwandtschaft zu einander stehen und durch Übergänge mit einander verbunden sind. Wir finden unter ihnen ...... fast alle die Gestalten, welche bei den kalkigen Foraminiferen vorkom- men, schon vertreten, wenn auch die meisten derselben weniger extrem und mannigfaltig ausgebildet, und Gruppen, die wir bei den Kalkschalern aufs schärfste getrennt oder nur durch sehr spärliche Zwischenglieder verknüpft sehen, hier aufs vollständigste in einan- der verlaufen, so dass wir z. B. die Parallelformen für so verschie- dene kalkige Gattungen wie Globigerina, Sphaeroidina, Rotalia, Nonionina, Marginulina und Cristellaria in der einen sandigen Gat- tung Haplophragmium vereinigt finden, ohne dass dies als ein Missverhältnis bezeichnet werden könnte«. Es ist sehr merkwürdig, dass gerade NEUMAYR eine solche Ver- einigung und die dadurch bedingte Gegenüberstellung der sandigen 614 G. H. Theodor Eimer und C. Fickert, nnd kalkigen Parallelformen nicht als ein Missverhältnis empfindet, ja dass er sie gut heißt. Es will. scheinen, dass er dadurch mit sich selbst in Widerspruch kommt, indem er doch sonst überall als Ver- treter wirklich natürlicher Beziehungen der Formen ohne Rücksicht auf Schalenzusammensetzung und andere nebensächliche Eigenschaf- ten auftritt. Warum griff dieser einsichtsvolle, von bedeutenden Gesichtspunkten sonst überall geleitete Gelehrte, nicht gerade hier erlösend ein, indem er den gordischen Knoten durchhieb und die gleich oder ähnlich gestalteten sandigen und kalkigen Arten zu Familien verband, ohne Rücksicht zugleich auf das Vorhanden- sein von Poren? Gerade hier, in der Sichtung und Aneinander- reihung der vollkommeneren sandigen Foraminiferen und in ihrer Verbindung mit den kalkigen liest der Kern zu einer wirklich natürlichen Eintheilung verborgen. NEUMAYR aber überlässt die Ein- theilung der Systematik dieser Formen dem chaotischen Zustand, in welchem sie sich nach seiner Äußerung befindet und den ganz un- richtigen Grundsätzen, nach welchen sie gemacht ist. Klagt er doch selbst, dass als ein Hauptmerkmal für die Gruppirung die größere oder geringere Menge und das gröbere oder feinere Korn des Sandes gelten kann, aus dem die Schalen aufgebaut sind, während die äußere Form sehr wenig berücksichtigt wird. »So werden einander sehr ähnliche Typen, wie gewisse Formen von Rheophax und Nodo- sinella, oder von Endothyra und Haplophragmium in ganz ver- schiedene Abtheilungen gestellt, je nachdem die Vorkommnisse mehr oder weniger Sand enthalten, obwohl man weiß, dass die Beschaffen- heit des Meeresbodens und des Wassers in diesem Punkte selbst individuelle Verschiedenheiten innerhalb einer und derselben Art hervorrufen.« Dabei zielt NEUMAYR auf BrApy. Er erkannte also, dass noch mehr Rücksicht auf die Gestalt genommen werden sollte als von Seiten BrAapy’s geschehen ist. Aber er versuchte es nicht, diesen wichtigen, maßgebenden Gesichtspunkt zur Geltung zu bringen. Indessen macht NEuMAYR gelegentlich immerhin »einige Angaben über die Art und Weise, in welcher die Verwandtschaftsverhältnisse dieser Formen aufzufassen sind«, insbesondere in der auf p. 198 seines Buches gegebenen Tabelle. Es betrachtet also NEumAyR die Astrorhiziden — die unregel- mäßigen sandigen Foraminiferen — als die Wurzel der vier Stämme der Cornuspiriden, Textilariden, Nodosariden, Endothyriden. Im Zusammenhang mit den beiden letzteren bespricht er den Cornu- spiridentypus, den Lituolidentypus, zuletzt die Fusuliniden und Die Artbildung und Verwandtschaft bei den Foraminiferen. 615 Nummulitiden. Von sandigen gehören hierher Ammodiseus, Agatham- mina, Silicina. Von dem Cornuspira-ähnlichen Ammodiseus aus bildeten sich die kalkigen gleichgearteten Formen, ünd zwar in zwei Reihen: 1) undurchbohrte, Cornuspira, und 2) durchbohrte, Spirillina mit In- volutina und Problematina, ohne weitere Fortbildung. Cornuspira dagegen entwickelte sich zu verschiedenen Typen weiter (vgl. hierzu die Untersuchungen von CARPENTER und STEIN- MANN), indem sich insbesondere Formen mit beginnender Kammerung an sie anschließen. So Planispirina, Nummoloculina und Ophthal- midium. Diese führen zu den Milioliden. Die ersten kalkigen Milioliden, welche sicher bekannt sind, stammen aus der Trias. (Cornuspira kommt schon im Perm vor — vielleicht in der Kohle), Agathammina aber ist eine nach dem Miliolidentypus gewundene sandige Form, die sich schon im Kohlenkalk findet. — Vertebralina, Hauerina, Artieulina, bei welchen in der Regel an die Miliola-artig sewundene Schale noch eine oder die andere Kammer, in gerader Linie ausgestreckt, sich anschließt, führen von Miliola zu Peneroplis. Daran schließt sich Orbieulina an, bei welcher die äußeren, letzten Kammern sich ringförmig um die inneren herumlagern. Orbitolites tenuissimus enthält noch zu innerst die Cornuspira, darauf Miliola, dann Peneroplis, dann folgen die ringförmigen Windungen (CAR- PENTER). Vielleicht stehen in Verbindung mit den Orbitoliten (Orbi- eulina) die Alveolinen. Textilariden. Den Ausgangspunkt der kalkigen bilden sandige aus dem Kohlenkalk — vielleicht gehören hierher schon Steinkerne auf der Grenze von cambrischen und silurischen Bildungen in der Umgebung von Petersburg (EHRENBERG). Nirgends ist der Zusam- menhang zwischen sandigen und kalkigen, nichtdurchbohrten und durchbohrten so eng wie hier. Manche sind in der Jugend drei- reihig, später zweireihig (Gaudryina), zahlreichere zwei- und drei- reihige werden später einreihig (Bigenerina, Sagraina, Clavulina). Welche sandige Textilariden mit Astrorhiziden zusammenhängen wird nicht berührt. Lituolidentypus, Nodosariden. ÖObschon NEUMAYR auf das Ungereimte und Unhaltbare der Zusammensetzung des Lituoliden- stammes hingewiesen hat, bezeichnet er denselben nun doch als den dritten großen Hauptstamm, den wir bei den regelmäßigen sand- schaligen Formen unterscheiden können, »Formen mit einreihig an- geordneten Kammern, welche in gerader oder gebogener Linie oder 616 Be G. H. Theodor Eimer und C. Fickert, in einer Spirale angeordnet sind<. Dies ist eben die Folge davon, dass NEUMAYR die letzte Anwendung seiner Grundsätze nicht ge- macht hat, indem er die gleichgestalteten sandigen und kalkigen Formen nicht zu Familien vereinigte. Die Zwischenformen zwischen den kieselschaligen und den kalkschaligen Lituoliden muss man, sagt NEUMAYR, in früher Zeit, in der Perm- und Kohlenformation, suchen und zwar in den Gattungen Endothyra und Nodosinella, welche bald sandig, bald kalkig und durchbohrt sind!, mit Über- gängen zwischen beiden. Heute sind solche Übergänge nicht mehr vorhanden. Nodosariden. Nodosinella: gerade gestreekte oder leicht ge- bogene Zellenreihen mit endständiger Mündung, welehe sich von der Lituolidengattung Rheophax einerseits, von echt porös-kalkigen Sip- pen Nodosaria und Dentalina andererseits nur durch die Schalen- zusammensetzung und Struktur unterscheiden und von keiner der beiden Abtheilungen wesentlich abweichen. Wir gelangen dadurch zu der großen Familie der Nodosariden (Lageniden), Nodosaria, Lagena, Dentalina, Cristellaria, Frondicularia, Polymorphina, Uvige- rina gehören hierher. Endothyrenstamm. Spiralige Einrollung der Kammern und die columellare, an die Innenseite gerückte Lage der Mündung, sind nach NEUMAYR die wesentlichsten Eigenschaften dieser Gruppe, deren Aufstellung sein Verdienst ist. Sie bilden mit der schon in der Kohle vorkommenden Gattung Endothyra den Ausgangspunkt für die Rotaliden, Polystomelliden und Globigeriniden. Polystomelliden mit Nonionina und Polystomella. Von ersterer aus gehen Pullenia, Sphaeroidina, Globigerinidae und Orbulina. Eine andere Fortsetzung von Endothyra bilden die Rotalidae. In die Nähe dieser gehört die Gattung Planorbulina, bei welcher nur die inneren Kammern spiralig aufgerollt, die äußeren dagegen in koncentrischen Kreisen angeordnet sind. Mit ihnen stehen vielleicht in Verbindung: Tinoporus sammt Acervulina, ferner Cyeloelypeus und Orbitoides. Fusulinidae. Auch sie schließen sich wahrscheinlich an Endo- thyra an und zwar durch die sandige Fusulinella Struvei. Nummulitidae. Ihre Mündung nähert sie den Endothyren gleichfalls. Aber ihre Stellung ist zweifelhaft. Auch die Stellung der Chilostomellidae wird als zweifelhaft 1 SCHWAGER in: BÜTSCHLI-BRONN, Protozoen. 1887/1888. p. 244. Die Artbildung und Verwandtschaft bei den Foraminiferen. 617 bezeichnet, eben so Parkeria, Loftusia, Carpenteria, Polytrema, Orbi- tolina u. a. In einem Rückblick auf die Verwandtschaftsverhältnisse betont NEUMAYR folgende Sätze: ‘ 1) Aus den älteren paläozoischen Ablagerungen wissen wir überaus wenig von Foraminiferen. Mit dem Eintritt in die Kohlen- formation tritt eine reiche Menge derselben auf, darunter schon sehr verschiedenartige und theilweise hochgebaute Formen, wie Nummu- lites, Amphistegina, Fusulina u. a., ziemlich gleichzeitig und unver- mittelt mit Endothyren, Nodosinellen, Nodosarien, Textilariden, Lituo- liden, Astrorhiziden. Vorläufer sind sehr spärlich. Es wäre daher jeder Versuch vergeblich, jeden Stamm bis auf seine Anfänge in ältesten Schichten zurückverfolgen zu wollen. Aber von der Kohlen- zeit an gelingt der Nachweis der Verbindung bis auf wenige Gruppen. Die Foraminiferen stellen sich als ein zusammenhängendes Ganzes dar. 2) Darin, dass sich die Beziehungen in der Form eines Stamm- baumes darstellen lassen, dass sie also einfacher, wenig verwickelter Art sind, liegt ein Beweis dafür, dass die Verschiedenheiten in der That die Folge einer allmählichen Umgestaltung im Sinne der Ab- stammungslehre sind. 3) Die kalkschaligen stammen von den sandschaligen ab und unter diesen müssen wieder die allereinfachsten und unregelmäßigsten - Gehäuse, wie sie bei den Astrorhiziden vorkommen, als die ursprüng- lichsten angesehen werden. Denn: Die verschiedenen Hauptabtheilungen der kalkschaligen hängen nicht unter sich, sondern mit sandschaligen zusammen. Mit einem und demselben Sandschaler stehen sowohl undurch- bohrte wie durchbohrte Kalkschaler in Verbindung. Die niedriggebauten Kalkschaler schließen sich an die Sand- schaler an, niemals hoch entwickelte mit Kanalsystem und Zwischen- skelet. Für sehr zahlreiche Kalkschaler treten isomorphe Vertreter unter den sandigen auf, aber bei den letzteren hängen die einzelnen Typen viel enger unter einander zusammen: sie sind noch viel gleichartiger, viel weniger verschieden ausgestaltet. Auch sind die sandigen in den alten Ablagerungen entschieden viel reichlicher vorhanden als später: in der Kohle ist die Zahl der sandigen Gattungen etwas größer als die der kalkigen, im Lias dagegen ist die Zahl der letzteren Lane ım Tertiär drei- bis viermal so groß als die der ersteren. Endlich sind manche der wichtigsten Bindeglieder zwischen 618 G. H. Theodor Eimer und C. Fickert, beiden Abtheilungen nur in paläozoischer Zeit vorhanden und sehr bald ausgestorben (Endothyra, Nodosirella, Agathammina). 4) Es stimmen also die Thatsachen mit den Voraussetzungen der Abstammungslehre trefflich überein, wenn auch die ursprünglichen Typen, die Astrorhiziden, Lituoliden, Ammodiscus u. A. nicht aus- gestorben sind, sondern sich neben ihren höheren Nachkommen noch erhalten haben — eine Erscheinung, welche jedoch überall wiederkehrt. Cagimas Ar . als Yamin prima, SV Armlinan, Iononom 3% volnliıma, i amd Glan Opbks Comnmpino Hodorimln Sp N » Aw dinom, Akvarhiriden Fig. 1. Stammbaum der Foraminiferen nach NEUMAYR. Andere Eintheilungen der Foraminiferen. Zuerst muss ich nun die Eintheilung d’Orbigny’s besprechen, welche in so fern auf derselben Grundlage wie die unsrige beruht, als sie sich vorzüglich auf die Art der Kammerung und der Mün- dung stützt. D’ÖRBIGNY unterscheidet sieben Hauptabtheilungen: 1) Monostegia. Einkammerige (Lagena, Oolina, Gromia, Orbulina). 2) Stichostegia. In gerader oder in gebogener Linie an einander gereihte Kammern (Nodosaria). 3) Helicostegia. Kammern in einer Achse an einander gereiht, welche eine geschlossene Spirale bildet (Cristellaria, Rotalia, Globigerina, Alveolina, Nummulina u. A.). 4) Cyelostegia. Schale scheibenförmig, aus mehreren Kreisen kon- centrisch angeordneter Kammern bestehend (Orbitolites u. A.). Die Artbildung und Verwandtschaft bei den Foraminiferen. 619 5. Entomostegia. Kammern in zwei abwechselnden Achsen an- geordnet und in einer geschlossenen Schraubenlinie eingerollt (Cassidulina, dann einzelne Rotalien, Cycloclypeiden und Buli- miniden). 6) Enallostegia. Kammern abwechselnd auf zwei bis drei Achsen stehend, die keine Spirale bilden (sind die Textularidae in der Hauptsache). 7) Agathistegia. Kammern knäuelförmig nach zwei bis fünf Flächen um eine gemeinsame Achse aufgewickelt, jede die Hälfte eines Umgangs einnehmend (Miliolidae). Ganz übereinstimmend mit einer der unsrigen ist nur die Ord- nung der Stichostegia, welche wir auch eben so benannt haben. Ferner ist nahezu übereinstimmend mit einer der unsrigen die Gruppe der Enallostegier (Textularidae), nur bringt D’ORBIGNY verschie- dene Textulariden anderswo unter (so Frondicularia und Pavonina bei den Stichostegiern, Verneuillina, Bulimina, Chrysalidina bei den Helieostegiern, Robertina bei den Entomostegiern. Die Agathi- stegia, welche in den Hauptsachen Milioliden umfassen, entsprechen zum Theil unserem Cornuspiridenstamm, zu welchem wir aber noch die Cornuspiridae, Chilostomellidae und Orbitolitidae stellen, welch letztere D'ORBIGNY später als besondere Gruppe: Cyelostegia auf- gestellt hat. Die unnatürlichsten Ordnungen D’OrBIGNY’s sind die der Helicostegia und der Entomostegia. Dieselben enthalten gar nicht zusammengehörige Formen verschiedener Familien. Die Ordnung der Monostegia endlich fällt (abgesehen von Orbulina, welche zu den Globigerinen zu stellen ist) in unsere Cystoforamini- fera. Aber eine Eintheilung in Einkammerige und in Vielkammerige ist eben so unstatthaft, wie eine solche in Perforata und Imperforata oder in Sandige und Kalkige, denn sie reißt Verwandtes völlig aus einander. Einkammerig sind nicht nur unsere Astrorhizidae, die meisten unserer Cystoforaminifera, sondern auch die meisten Siphonoforamini- fera, die Ascoforaminifera, ferner die Cornuspiridae. Diese alle könnte man als Monostegia zusammenfassen. Dass die Cornuspiridae, welche D’OrBIGNY noch nicht kannte (sie sind erst von Max SCHULTZE gefunden worden), den mehrkammerigen Milioliden zunächst stehen, gäbe keinen Grund dagegen ab. Wohl aber die Thatsache, dass fast in allen übrigen der genannten Gruppen der Beginn einer Kamme- rung auftritt (Aseoforaminifera, Siphonoforaminifera) oder doch kolonie- bildende Einkammerige und vielleicht auch Mehrkammerige vor- kommen (Cystoforaminifera). 620 | G. H. Theodor Eimer und C. Fickert, Immerhin ergiebt sich Übereinstimmung in der Grundanlage der von D’ÖRBIGNY gemachten Eintheilung und der unsrigen und eine erhebliche Übereinstimmung sogar in Beziehung auf die Aufstellung von Hauptgruppen. Es ist dies um so bemerkenswerther, als wir bei unserer Arbeit auch von D’OÖRBIGNY in keiner Weise beeinflusst waren, sondern selbständig auf Grund der von selbst sich ergebenden Entwicklungsrichtungen zu unserem System gekommen sind. Die wesentlichste Ursache des Mangels größerer Übereinstimmung liegt eben darin, dass D’ÜRBIGNY nicht entfernt von solehen Entwicklungs- ‘richtungen ausging, sondern nur zusammengestellt hat, was äußerlich, nach den Verhältnissen der Kammerung und der Art der Windungen verwandt schien und dies trifft eben theilweise zufällig mit Entwick- lungsrichtungen zusammen. Es ist aber also die D’ORBIGNY’sche Eintheilung in der Hauptsache keine natürliche, sondern eine künst- liche. D’ORBIGNY ging von einzelnen Kennzeichen aus und bildete sieben große Gruppen, in welche er die Familien und Gattungen eben so unterbrachte, wie Andere sie in Imperforata und Perforata u. A. unterbrachten. Uns ergaben sich ungefähr eben so viele große Gruppen, indem wir vom Einfachsten zum Zusammengesetzten in baumförmiger Abzweigung aufstiegen und nachträglich das, was sich . als verwandt ergeben hatte, zusammenfassten und nach Maßgabe der gemeinsamen Eigenschaften mit einem Sammelnamen belegten. Darin eben liegt der Unterschied zwischen künstlichem und natürlichem System. Ein vollkommen natürliches System aber wäre ein unumstößlich richtiges. Es muss ausdrücklich hervorgehoben werden, dass das unsrige auf Vollendung keinen Anspruch machen will. Die.Zeit erst wird es ausbauen können. Es fehlen uns noch viele Zwischen- formen; manche neue Formen können zu anderen Ableitungen führen. Die Grundzüge unseres Systems werden allerdings aueh durch solche Funde wohl kaum verändert werden. Aber in den Reihen der höchst- ausgebildeten Gehäuse, vorzüglich jener der Rotaliden, Nummulitiden, Cyeloelypeiden werden sich, insbesondere an der Hand genauerer Untersuchung von Dünnschliffen, noch Gestaltungen finden, welche zu neuen Beziehungen führen mögen. Was uns sonst zweifelhaft oder unsicher erschien, ist im Text hervorgehoben. Nachdem im Vorstehenden die Eintheilungen der Foraminiferen von D’ORBIGNY, BRADY und NEUMAYR besprochen worden sind, möch- ten noch einige Worte über Die Artbildung und Verwandtschaft bei den Foraminiferen. 621 die übrigen maßgebend gewordenen solchen Eintheilungen angefügt werden. Die meisten neueren Schriftsteller, insbesondere die Lehrbücher (ZitteL, BÜTscHLı u. A.), stehen auf dem Boden von CARPENTER (1862), Reuss (1861) und Rurerr Jox&s (1876), in- dem sie die Eintheilung in Imperforata und Perforata annehmen. Die ersteren werden bei Beiden in sandige und kalkige Formen ge- theilt, die letzteren in glasig kalkige, in ausgesprochen durchbohrte und in solche mit verzweigtem Kanalsystem. Dabei ist also auf Gestalt und Anlage der Kammerung gar keine Rücksicht genommen, und es muss gesagt werden, dass diese mit mehr oder weniger Änderungen in den neuen Lehrbüchern vertretenen Eintheilungen durchaus künstliche sind, indem sie die verschiedenartigsten Dinge zusammenwerfen. Dies gilt eben so für die Unterabtheilungen. So bringt z. B. ZıTTEL in seiner Familie der Globigerinidae die Globi- serinen, Textularinen und Rotalinen zusammen. Die Eintheilung von M. ScHULTzE in Monothalamia und Poly- thalamia (1854), welche sich schon bei D’OrgBıcnY findet, hat Ver- breitung nicht gefunden. Von ScHwAGErSs Eintheilung! rühmt NEUMAYR, dass dieselbe wieder mehr der äußeren Form Rechnung trage. Sie geht aber in erster Linie von der stofflichen Zusammen- setzung der Gehäuse aus, welche auch Reuss und R. JONES wenigstens in so weit benutzt haben, als sie die Imperforata in Porcellanea und Arenacea theilten. SCHWAGER unterscheidet als Hauptgruppen: 1) mit rein kalkigem durchbohrtem Gehäuse, 2) agglutinirte (bezw. sandige und aus anderen Fremdkörpern zusammengesetzte), 3) rein kalkige nicht durchbohrte, 4) chitinige. Zur Aufstellung von Unterabtheilungen benutzt SCHWAGER 80- dann die Anordnung der Kammern. Bei 1) unterscheidet er a) Kam- mern in einer einfachen Linie und in einer Ebene angeordnet; b) Kammern in einer Linie spiralig angeordnet; c) Kammern in zwei oder mehr Reihen; d) Kammerung mehr oder weniger zusammen- gesetzt. Eben so unterscheidet er bei 2) wieder: a) Kammern in einer Linie, b) in zwei oder mehr Reihen. In 3) unterscheidet er abermals a) Kammern einreihig oder Augen-ähnlich angeordnet, b) in mehr als einer Reihe, c) Kammerung zusammengesetzt (hierher die ganz zweifelhaften Receptaculiden und Dendroporiden). Bei dieser Eintheilung werden z. B. die Textulariden in drei 1 SCHWAGER, Saggio di classificazione dei Foraminiferi. Bolletino del comitato geologico d’Italia 1876/1877, 6223 G. H. Theodor Eimer und C. Fickert, verschiedene Gruppen vertheilt! Dagegen werden die nach der natürlichen Verwandtschaft zu den Textulariden gehörigen Bulimi- niden mit den Rotaliden, einer ihnen ganz fremden Familie, vereinigt. Vereinigt werden gar die der natürlichen Verwandtschaft nach zu den Nodosarien gehörigen Dentaliden mit Palleniden und Nummuli- tiden in eine und dieselbe Gruppe. Es ist somit die ScHwaAger’sche Eintheilung keine natürliche, was nach den Gesichtspunkten derselben von vorn herein nicht anders erwartet werden kann. Über das Abändern der Foraminiferen. Das Abändern ist bei den Foraminiferen bekanntlich so bedeu- tend, wie bei kaum einer anderen Thierabtheilung — nur die Schwämme bieten ähnliche Verhältnisse dar. Das Gehäuse einer ge- wöhnlich kalkschaligen Foraminiferenart kann je nach dem Wohn- orte »Sandkörner aufnehmen oder durch einen chitinösen oder rein kieseligen Überzug ersetzt sein. Ähnliche Unbeständigkeit herrscht, wenigstens innerhalb gewisser Gruppen, in Beziehung auf die äußere Form der Schale und auf die Anordnung der Kammern. Von einer spiralig aufgerollten Form finden sich die schwankendsten Übergänge zu gebogenen, von diesen zu gestreckten Gehäusen, oder von der zweizeiligen Anordnung der Kammern zu einer solchen, bei welcher nur mehr die allerersten Zellen wechselständig angeordnet sind, die anderen aber in gerader Linie auf einander folgen ete., und auch in der Verzierung und in den Proportionen kommen außerordentlich weitgehende Schwankungen vor. Jeder Typus ist von einem großen Kreise von Varietäten umgeben, und der Betrag schwankender indi- vidueller Abänderung ist oft viel größer als die Summe dauernder Abänderung, welche selbst innerhalb langer Zeiträume stattgefunden hat. So kommt es, dass nach dem Urtheile vieler Kenner manche Arten sich fast gleich bleibend von der mesozoischen Ära, ja an- seblich seit der Kohlenformation erhalten haben, und dass Merkmale, die man für die Charakterisirung von Gattungen und selbst von Familien als hinreichend betrachtet hatte, sich als unbeständig er- wiesen«. Mit diesen Worten spricht sich NEuMAYR über die Ver- änderlichkeit der Foraminiferen aus und fügt hinzu: »Es ist das eine Erscheinung, die wohl mit dem Umstande in Zusammenhang gebracht werden darf, dass bei den Foraminiferen eine geschlechtliche Fort- pflanzung nicht stattfindet, und damit der festigende Einfluss der Kreuzung auf die Beständigkeit der ‚organischen Form wegfällt.« — Die Artbildung und Verwandtschaft bei den Foraminiferen. 623 Da die neuen Merkmale einer sich abzweigenden Gruppe sich sehr langsam befestigen und daher auf der Grenze zwischen zwei Ab- theilungen stets eine übergroße Menge unentschiedener Übergangs- formen vorhanden ist, gelingt es schwer, die einzelnen Stämme von einander zu sondern. Eben so können dadurch umgekehrt An- sehörige ganz verschiedener Abtheilungen einander sehr ähnlich werden, wie dies z. B. bei den Buliminen einerseits und den Poly- morphinen und Uvigerinen andererseits hervortrete. — Zuerst, als man die Übergänge nicht kannte, machte man viel zu viele Gat- tungen und Arten. Später zog man dagegen deren zu viele zusammen, indem man da, wo noch Übergänge vorhanden sind, keine Trennungs- linie ziehen wollte. Beides ist zu verwerfen. Da mir die Ansichten NEuMAYrR’s an sich besonders werthvoll, und da sie außerdem die neuesten sind, habe ich sie so ausführlich wiedergegeben. Indem ich nun an die Darlesung meiner eigenen Ansichten über diesen Gegenstand gehe, muss ich zunächst hervor- heben, dass ich ohne Kenntnis der NeumaAyr’schen Arbeiten an die Frage herangetreten bin und die Grundzüge des Systems der Fora- miniferen aufgestellt habe, wie es im Folgenden mit Hilfe von Herrn Dr. FICKERT weiter ausgearbeitet dargelegt ist. Ich hebe dies her- vor, weil dadurch die Thatsache um so werthvoller wird, dass unsere Aufstellungen in sehr Vielem mit jenen NEUMAYR’s übereinstimmen — dass wir im Wesentlichen zu denselben Hauptlinien verwandtschaft- lieher Beziehungen gelangt sind. Damit ist zugleich eine Probe auf die Richtigkeit der Grundanschauungen NEUMAYR’s gemacht. In- dessen habe ich auch sehr wesentliche Abweichungen von den An- sichten und Darlegungen des Letzteren zu verzeichnen, wie sich aus dem Vorhergehenden schon ergiebt. Vor Allem muss ich die Frage aufstellen, ob die Foraminiferen denn wirklich so unbedingt verschiedenartig abändern, wie das NEUMAYR darstellt, und wie es bisher überall dargestellt wurde? Ich muss diese Frage in verschiedenem Sinne verneinen. Erstens ändern die verschiedenen Gruppen unserer Thierchen nicht in gleichem Maße ab, die niederen sandigen, mehr unregel- mäßigen ändern offenbar in höherem Grade ab, als die höheren sandigen und die kalkigen. Die letzteren sind den ersteren gegenüber in ihren Formen mehr gefestigt. Dies hebt übrigens auch NEUMAYR hervor. Zweitens wird die Vorstellung von dem außerordentlichen 624 G. H. Theodor Eimer und C. Fickert, Maß des Abänderns der Foraminiferen um so mehr eingeschränkt werden, je mehr man das Abändern anderer, auch der höchsten Thiere kennen gelernt hat. Bei in Beziehung auf die Frage be- kannten Gruppen dieser Thiere, bei den Eidechsen, den Schmetter- lingen! z. B., besteht ein sehr bedeutendes Abändern. Der Unterschied gegenüber den Foraminiferen, insbesondere den niederen derselben, und den Schwämmen ist nur wesentlich der, dass dort die Abände- rungen gegenüber einer Hauptform viel mehr zurücktreten, und dass so die Arten viel weniger in einander überzugehen scheinen, in der Mehrzahl der Fälle thatsächlich auch viel weniger in einander über- gehen, indem je eine bedeutendere Kluft zwischen zwei Arten vor- handen ist. Wie aber solche Kluft, viel öfteı als man gewöhnlich voraussetzt, auch bei höheren Thieren überbrückt werden kann, das habe ich in meinen Untersuchungen über die Artbildung und Ver- wandtschaft der Schmetterlinge gezeigt: die Abänderungen der Einzel- wesen erscheinen hier theils als Rückschläge in ältere verwandte Arten, theils als Eigenschaften, welche zu den nächst jüngeren, meist höher ausgebildeten Arten hinüberführen, zum Theil werden sie neue Eigenschaften sein, welche nach einer neuen Richtung zu be- stimmten Abarten (Varietäten) und damit zur Bildung neuer Arten in der Zukunft Veranlassung geben können. Die Hauptsache ist, dass sich bei genauer Untersuchung des Abänderns der vielzelligen Thiere überall ein gesetzmäßiges Abändern nach bestimmten Richtungen, und zwar nach wenigen Richtungen herausgestellt hat, wo immer ich diese Untersuchung bis jetzt vorgenommen habe°. Drittens muss ich demgemäß gegenüber von NEUMAYR die Frage aufwerfen, ob wirklich bei den Foraminiferen das Abändern so ganz anders ist als bei den höheren Thieren, ob es wirklich, wie NEUMAYR sagt, in einem Schwanken nach den verschiedensten Möglichkeiten besteht, so wie man sich das Abändern, wie gesagt, bis dahin über- haupt vorgestellt hat? Gerade dies muss ich verneinen. Es sind verschiedene, ganz bestimmte Entwieklungsrichtungen, welche dem Abändern auch der Foraminiferen zu Grunde liegen. Eben die Frage, ob dasselbe bei letzteren nicht eben so der Fall sei, wie bei den von mir untersuchten höheren Thieren, führte mich, wie Eingangs 1 Vgl. meine Untersuchungen über das Variiren der Mauereidechse. Berlin 1881 und Arch. f. Naturgesch. und: Die Artbildung und Verwandtschaft bei den Schmetterlingen. 1. 2 Vgl. auch meine Entstehung der Arten. II. Orthogenesis der Schmetter- linge. Die Artbildung und Verwandtschaft bei den Foraminiferen. 625 bemerkt, zu dem Wunsche, ihre Verwandtschaftsverhältnisse zu studiren. Sobald man diese Richtungen des Abänderns ins Auge gefasst hat, erscheint Ordnung und Gesetzmäßigkeit, viel mehr Gleichartigkeit in der Gestaltung als vorher, und es fällt jetzt an Stelle der früheren scheinbaren Mannigfaltiskeit wesentlich. die Thatsache in die Augen, dass sich im Vergleich mit: den höheren Thieren bei den Foraminiferen viel weniger abgegrenzte Arten gebildet, und ferner, dass sich neben den vorgeschritteneren, jüngeren Formen die einfachen alten Stammformen viel häufiger er- halten haben, als das sonst der Fall ist. Das große Heer der Abänderungen, welches bei den Foramini- feren thatsächlich vorhanden ist, erklärt sich also wesentlich daraus, dass die Zwischenformen nicht so oft verloren gegangen sind, wie bei den meisten übrigen Thieren, was, wie hier schon bemerkt sein soll, wesentlich darauf beruht, dass weniger Genepistase einge- treten ist wie dort, und weniger sprungweise Entwicklung (Halmatogenesis). Ferner muss gesagt werden, dass allerdings, wenigstens bei den niederen sandigen Foraminiferen, bei den mehr unregelmäßigen, die Richtungen des Abänderns weniger ausgeprägt erscheinen, weil die Formen überhaupt noch viel weniger zu einer bestimmten, festen Gestaltung gelangt sind, als dies bei höheren der Fall ist. Weil be- stimmte Eigenschaften erst in der Herausbildung begriffen sind, weil sie sich noch nicht durch immer wiederholte Vererbung gefestigt haben, erscheint eine größere Mannigfaltigkeit, eine größere Unbe- stimmtheit derselben als bei höheren Foraminiferen und bei den meisten Vielzelligen, aber — wie ich später weiter ausführen will — auch desshalb, weil solche Festigung nicht eingetreten ist durch ver- sechiedenstufige Entwicklung [Heterepistase) und durch Correlation. In der Voraussetzung, dass sich solche bestimmte, gesetzmäßige Entwicklungsriehtungen, wie ich sie bei vielzelligen Thieren als maß- gebend für die Artbildung beschrieben habe, auch bei den Foramini- feren finden, und dass sich auf Grund derselben eine natürliche Eintheilung ergeben werde, bin ich also an die Arbeit gegangen. Es handelte sich nur darum, möglichst viele Formen, ohne Rücksicht darauf, was bis jetzt als Gattung, Art und Abart von ihnen be- schrieben worden war, zu vergleichen und ohne jede Rücksicht auf bisherige Eintheilungen Verwandtes Verwandtem anzureihen. Dabei kam in erster Linie die Gestalt der Gehäuse, die Art ihrer Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXV. Bd. . 41 626 G. H. Theodor Eimer und C. Fickert, Kammerung, deren Lagerung und Windungen in Betracht. Hervorragenden Nutzen für die Vergleichung boten mir die Abbil- dungen des prachtvollen BrApr’schen Werkes; 115 Foliotafeln mit durchschnittlich wohl an 20 Abbildungen von Foraminiferen! Die Vergleichung dieser Abbildungen wird einem Jeden, der von den Grundzügen unserer Eintheilung ausgeht, alsbald zeigen, dass die Voraussetzung bestimmter Entwicklungsrichtungen vollkommen zu- trifft, dass in der That alle Formen sich auf gesetzmäßig vor sich sehende Umbildung zurückführen lassen. Sind die wesentlichsten dieser Entwicklungsrichtungen einmal erfasst, so wird das schein- bar wirre Durcheinander dieser Formen plötzlich in wohlgeordnete Einheiten gegliedert vor dem Auge des Untersuchers dastehen, und er mag höchstens erstaunt darüber sein, dass diejenigen, welche mit so vieler Mühe das Einzelne zusammengetragen und beschrieben haben, nicht dazu kamen, dessen natürliche Beziehungen besser zu erkennen — dass sie so vielfach da spalteten, wo Beziehungen klar gegeben sind, und dass sie verbanden, wo dieselben fehlen. Beides beruht allerdings auf dem Mangel des erlösenden allgemeinen Über- blicks, dass es aber dazu nicht kam, dies liest darin, dass die früheren Forscher, wie schon bemerkt auch BRADy, voreingenommen waren durch die Bedeutung einzelner Merkmale, und dass sie sich nicht loszulösen vermochten von der überlieferten Übung, die san- digen und kalkigen »Parallelformen« zu trennen. Geht man dagegen ohne jede Einschränkung von den Beziehungen der Gestalt aus, so fügen sich von selbst auch allmähliche Übergänge in der Zusammen- setzung der Schale, und zwar von sandigen zu kalkigen, ein, und es ergiebt sich, dass die Poren nicht nur auf der Gesammtoberfläche, sondern zuweilen auch an Stelle einer einfachen Mündung bei nächst- verwandten vorhanden sein oder fehlen, und dass auch durch ihr Verhalten Übergänge von einer Form zur anderen vermittelt werden können. — Erst wenn man das Zwingende bestimmter Entwicklungs- richtungen für die Feststellung der Verwandtschaft erkannt hat, ist man vollkommen in der Lage, die Bedeutung oder die Geringwerthig- keit einzelner besonderer Eigenschaften für dieselbe zu würdigen. Zwinst z. B. ganz bestimmte Gesetzmäßigkeit in der Umbildung der Gestalt des Gehäuses zur Annahme einer bestimmten Abstammungs- linie, während irgend eine einzelne Eigenschaft der letzteren zu wider- sprechen scheint, so wird man ohne Zweifel bei näherer Untersuchung darauf kommen, die scheinbare Ausnahme mit der leitenden Haupt- sache in Einklang zu bringen. “ Die Artbildung und Verwandtschaft bei den Foraminiferen. 697 NEUMAYR führt als Beispiel dafür, dass in Folge des vielfachen Abänderns nicht verwandte Formen sehr ähnlich werden können, so dass Verwandtschaft vorgetäuscht werde, die Buliminen einerseits und die Polymorphinen und Uvigerinen andererseits an. Beide sind sich in der Gestalt sehr ähnlich, aber die Beschaffenheit der Mün- dung, meint er, muss sie unbedingt trennen: die Buliminen haben eine mehr oder weniger schlitzförmige Mündung, die Polymorphinen eine sternförmige, die Uvigerinen eine krugförmige Wegen der sternförmigen Mündung stellt NEUMAYR die Polymorphina zunächst den Cristellarien und ihnen wieder zunächst stellt er die Uvigerinen, die Buliminen aber stellt er zu den Textulariden. Nun ist aber die Ähnlichkeit des Gehäuses bei den drei Gruppen offenbar doch nieht nur eine äußerliche, wie NEUMAYR meint. Alle drei verhalten sich in der Kammerung im Wesentlichen wie die Textulariden: sie haben hinten mehrere Reihen von gerade gelagerten Kammern. Die Cassi- dulinen aber gehören zu einer ganz anderen Abtheilung (Enelino- stegia) dadurch, dass ihre hinteren Kammern schief aufgereiht sind. Nun scheint in der That z. B. Fig. 24, Taf. L bei Brapy, Bulimina elegantissima d’Orb. darauf hinzuweisen, dass bei Bulimina eine An- näherung an die sternförmige Mündung der Polymorphinen vorkommt. Wenn aber doch die Mündung maßgebend sein soll, was berechtigt dann Uvigerina zu Polymorphina zu stellen? Die Mündungen beider sind doch ganz verschieden. Die gesetzmäßigen Verhältnisse der Kammerung erscheinen auch hier als zwingend für die Feststellung der Verwandtschaft. Wie wenig maßgebend die Gestalt der Mün- dung für die Verwandtschaft sein kann, das beweist z. B. Lagena elobosa Montag., welche alle Übergänge von runder zu schlitzförmiger und sternförmiger Mündung zeigt!. Die Nodosariden, zu welchen NEUMAYR Lagena stellt, haben theils runde, theils sternförmige Mündungen. Um zu beweisen, wie unbeständig und schwankend dieses Abändern sei, führt NEUMAYR an, dass sich »von einer spiralig auf- gerollten Gehäuseform die schwankendsten Übergänge zu gebogenen, von diesen zu gestreckten Gehäusen finden oder von der zweizeiligen Anordnung der Kammern zu einer solchen, bei welcher nur mehr die allerersten Zellen wechselständig angeordnet sind, die anderen aber in gerader Linie über einander folgen etec.«. Was den ersten dieser Sätze angeht, so ist zu sagen: es ist die Folge einer bestimmten Entwieklungsriehtung, dass allerdings gewisse i Vgl. die Abbildungen bei BrAavy p. 441. 41* 628 G. H. Theodor Eimer und C. Fickert, gewundene Gehäuse gestreckt werden, aber in Folge einer anderen solchen Riehtung, dass gewisse gestreekte Gehäuse alle Übergangs- formen zu spiralig aufgerollten zeigen, und zwar beginnt die Auf- rollung dabei immer vom hinteren Ende, die Übergänge aber sind nicht schwankend, sondern sie folgen einer ganz sicheren Regel. Und was den zweiten Satz angeht, so giebt es nicht Übergänge von zweizeiliger Anordnung der Kammern zu einer solchen, bei welcher nur die allerersten Zellen zweizeilig angeordnet sind, sondern es ist umgekehrt: es besteht eine Entwicklungsrichtung, welche dahin führt, dass einzeilig angeordnete Kammern hinten zuerst zweizeilig werden und dass diese Zweizeiligkeit sich bei anderen weiter und weiter nach vorn erstreckt, während bei dritten hinten Dreizeiligkeit auf- treten kann etc. Auch hier ist keine Unbeständigkeit, kein Schwan- ken vorhanden — nichts Zufälliges, sondern nur Gesetzmäßiges. So ist es überall und desshalb sage ich: wenn wir die gesetzmäßigen Entwicklungsrichtungen kennen, so haben wir statt einer scheinbaren unregelmäßigen und schwankenden Vielheit der Formen wenige aus ganz bestimmten, überall wohlbekannten Gliedern zusammenhängende Einheiten. Die Entwicklungsrichtungen der Foraminiferen und Grundzüge unseres Systems. Betrachten wir nun die hauptsächlichsten derjenigen Entwick- lungsrichtungen, welche nach unserer Untersuchung für die Umge- staltung, d. i. für das Abändern und für- die Artbildung bei den Foraminiferen in Betracht kommen. A. Allgemeine Entwicklungsrichtungen. 1) Ausbildung von sandigen Gehäusen zu kalkigen, bezw. von aus Fremdkörpern zusammengesetzten zu kalkigen und wahrscheinlich Ausbildung von horn(»chitin«)-artigen zu sandigen. 2) Auftreten und Überhandnehmen der Kalkablagerung in der sandigen Schalenwand in der Richtung von innen nach außen. 3) Entwicklung von unregelmäßigen zu regelmäßig gebauten Ge- häusen, und zwar zu zweiseitigen (seitlich symmetrischen). 4) Entwicklung von geschlossenen oder an verschiedenen Stellen unregelmäßig offenen Gehäusen zu solchen, welche an zwei ent- gesengesetzten Seiten oder nur an einem Ende offen sind. 5) Ausbildung von mehrkammerigen Gehäusen aus einkamme- rigen: es ist der Ausdruck einer der allerfrühesten Entwicklungs- Die Artbildung und Verwandtschaft bei den Foraminiferen. 629 richtungen, dass die Kammern bei der Vermehrung sich nicht von einander trennen, sondern zusammen bleiben, dass unvollkommene Theilung stattfindet. 6) Dabei werden die jüngeren Kammern in der Regel immer srößer als die nächstälteren. 7) Weitverbreitet ist die Neigung era oder late. meriger Gehäuse, langgestreckte Formen zu bilden, 8) die Neigung dieser langgestreckten Gehäuse sich einzurollen. Diese acht Sätze stehen in Übereinstimmung mit folgenden Schlüssen: Die ältesten Foraminiferengehäuse sindsandige oderaus Fremdkörpern zusammengesetzte unregelmäßige Formen. Als die ursprünglichste, unregelmäßigste bekannte Foraminifere erscheint die lebende, mit sandigem Gehäuse versehene Placopsilina vesieularis Brady. Sie hat, gleich einem in Sand gepanzerten Ba- thybius, völlig unbe- stimmte Gestalt. Der Panzer öffnet sich durch unregelmäßige und ganz unregelmäßig gestellte Fig. 2. röhrenartige _Fortsätze Placopsilina vesicularis Brady. nach außen. Diese Fort- sätze umschließen die austretenden Scheinfüßchen. Das Gehäuse der Placopsilina ist fremden Gegenständen angewachsen (Fig. 2). Diese Placopsilina ist die erste Vertreterin unserer ersten Haupt- abtheilung, des Hauptstammes der Astrorhizidae, welchen wir enger fassen als BrRapy, indem wir dazu nur die unregelmäßigen, meist verzweisten Formen stellen, wie Rhizammina u. A., welche als die ursprünglichsten Foraminiferen aufgefasst werden müssen. Von ihnen aus führt die Entwicklungsriehtung, welche regelmäßige, gleichseitige Formen bildet, einerseits zu kugeligen und becher- förmisen, andererseits zu röhrenförmigen Gestalten. Die ersteren bilden unsere zweite Hauptabtheilung, den Hauptstamm der Cysto- foraminifera, den Saccamminiden- oder Lagenidenstamm, die zwei- ten setzen unsere dritte Hauptabtheilung, die Siphonoforamini- fera zusammen. In jenen haben wir eine Entwieklungsrichtung y AL) Loy Ax u & e8, % Ars 630 G. H. Theodor Eimer und C. Fickert, zu kugeligen und becherförmigen, in diesen zu röhrenförmigen sleichseitigen Gehäusen. Die röhrenförmigen Gehäuse der Familie der Rhabdamminidae unter den letzteren sind auch unfertig wie die verzweigten der Astrorhizidae, beide machen oft den Eindruck, als ob sie soeben im Begriffe ständen, sich von durchaus regelloser zu regelmäßiger Gestaltung herauszuarbeiten. Vielleicht entsprechen die Röhren der Rhabdamminidae ursprünglich nur dem Mittelraum aus zwei gegenüberstehenden Strahlen einer Astrorhiza (vgl. Rhabdam- mina linearis Brady). Bei den Rhabdamminidae beginnt in unregel- mäßiger und roher Weise schon die Andeutung von Kammerung. Die Gehäuse aller Siphonoforaminifera (es gehören dazu noch die Dendrophyidae und die Saccorhizidae) sind aus Sand zusammenge- setzt (nur Bathysiphon filiformis M. Sars kann etwas Kalk abscheiden). Als Glieder der Cystoforaminifera treffen wir zuerst sandige Halbkugeln ohne Hauptöffnung: die Psammosphaeridae, sowie eine andere Familie, deren siebartige Poren auf Warzen stehen, die Ky- phamminidae nobis (Thuramminidae Brady zum Theil). Anderer- seits fanden wir hier ganz oder fast ganz kugelige Gehäuse mit einer Hauptöffnung: Saccamminidae nobis. In ihr erscheinen die ersten kalkigen (Lagena), welche zu- gleich durchbohrt sind. Indem die Saccamminidae sich in die Länge ziehen, entstehen die schlauchförmigen, hinten ge- schlossenen Ascoforaminifera (Asconenstamm), eine ‚weitere unserer Hauptgruppen: die Gehäuse bestehen sanz aus Sand oder Schlamm oder Kieselnadeln und sind zum Theil noch recht unregelmäßig. Die der hierhergehörigen Serpuleidae sind Serpula-ähnlich gewundene Röhren. Die Stichostegia (Nodosarienstamm) haben als Ge- häuse einreihig gekammerte gestreckte, zuweilen leicht gebogene, hinten geschlossene sandige oder kal- kige Röhren. Die ursprünglichsten Formen sind san- dige, zum Theil noch sehr unregelmäßig gekammerte Ascoforaminifera: Hyperamminidae (Fig. 3). Die Fig. 3. Rheophax bacil- laris Brady. Aschemonellidae zeichnen sich dadurch aus, dass jede Kammer eine besondere Öffnung hat, ähnlich wie einige koloniebildende Saccamminidae, bei welchen sich aber die Kammern nicht in einander öffnen. — Die Hauptfamilie der Stichostegia sind die kalkigen, durchbohrten Nodosaridae, bei Die Artbildung und Verwandtschaft bei den Foraminiferen. 631 welchen sich, wie früher schon bei den Milioliden und den mit diesen verwandten Chilostomelliden, das Gesetz zeigt, dass die jüngeren Kammern stets größer werden, als die älteren. Dasselbe Gesetz kommt zum Ausdruck bei allen übrigen Hauptstämmen!. So zunächst bei den Textularidae (dem Textularidenstamme), welche, theils sandig, theils kalkig, im letzteren Falle meist: durchlöchert, durch die Entwicklungsrichtung entstanden sind, dass die einfache Kammerreihe der Stichostegia sich zuerst hinten und dann immer weiter nach vorn in zwei und drei Reihen spaltet (»Opisthodischisti- dae«, »Dischistidiae«, »Opisthotrischistidae<, »Trischistidae«). Als eine der ursprünglichsten Formen, zunächst den Stichostegiern stehend, erscheint die sandige Protoschista findens Park. (Fig. 4). Neben der anderen Entwicklungsrichtung, dass die vorderen Kammern immer srößer werden, beeinflusst die Gestalt vieler Textulariden noch in hervorragendem Maße die dritte Entwicklungsrichtung des Gewunden- werdens. So entstehen insbesondere ganz Trochus-ähnliche Formen, z. B. Valvulina conica Parker und Jones (Fig. 5). Indem die letzten Fig. 4. Fig. 5. Fig. 6. Protoschista findens Valvulina conica Parker und Globotextularia anceps Brady. Parker. Jones. Kammern sehr groß werden, bei geringerem Maß von Windung, können Formen entstehen, welche fälschlich an die Globigerinen an- zuschließen scheinen: Globotextularia (Haplophragmium) anceps Brady (Fig. 6). Dadurch, dass die hinten zweizeiligen, vorn ein- zeiligen Kammern nach vorn nur in der Breite mehr zunehmen, ent- stehen die Pavoninidae; ähnlich gebaut, aber durchweg oder fast durchweg zweizeilig, sind die Frondieularidae. Zuweilen sind aber deren hinterste Kammern einseitig gewunden, wie bei den En- elinostegiern (Cassidulinidae). — Hinten oder ganz zwei- oder drei- 1 Vgl. später als mögliche Ausnahme Saccammina sphaerica M. Sars. 632 G. H. Theodor Eimer und C. Fickert, reihig, meist mit größeren vorderen Kammern, das Ganze aber mehr oder weniger Bulimus-ähnlich gedreht, ergiebt die Buliminidae. Der Hauptstamm der Enclinostegia oder des Cassidulinenstammes (Familie der Cassidulinidae), sandig oder kalkig, Kammern hinten ein- oder zweizeilig, ist auf der Entwicklungsrichtung begründet, welche auch schon bei einzelnen Frondicularia auftrat, dass das hin- tere Ende“des Gehäuses schief gewunden, bezw. gedreht ist. Im Übrigen sind die Cassiduliniden die nächsten Verwandten der Buli- miniden. Die letzte unserer Hauptabtheilungen, die Orthoclinostegia, um- fasst alle die Formen, deren Gehäuse regelmäßig (nicht hinten schief, wie bei den Enclinostegiern, nicht gedreht wie bei den Buliminiden) theilweise oder ganz gewunden sind, spiralig in einer Ebene oder mehr einseitig. Die meisten sind vielkammerig, nur die Familie der Cornuspiridae ist einkammerig, die niederen sind sandig, die höheren kalkig. Von den kalkigen ist nur ein Theil undurchbohrt, sie sind theils durchbohrt, theils undurchbohrt und die höchsten haben ein ausgebildetes Kanalsystem in den Windungen. Die Orthoclinostegier schließen zwei Hauptstämme ein, deren Wurzeln wohl nicht sehr entfernt von einander liegen, die aber da- durch von vorn herein getrennt sind, dass die niedersten Formen des einen schon sandige gekammerte, die niedersten des anderen noch sandige ungekammerte Gehäuse haben. Den ersteren bezeichnen wir nach seiner für die gemeinsame Abstammung wichtigsten Familie als Endothyrenstamm, den zwei- ten aus denselben Gründen als Cornuspirenstamm. Der Cornuspirenstamm: die ursprünglichsten Formen desselben sind schon gewunden und zwar spiralig in einer Ebene, so dass die Gehäuse auf beiden Seiten gleich sind. Diese ursprünglichsten For- men sind sandig, andere kalkig, undurchbohrt oder durchbohrt, alle einkammerig. Sie bilden zusammen die Familie der Cornuspiri- dae. Vielleicht ist die sandige, noch unregelmäßig gewundene Am- monema filum Schm. aus dem Zechstein von Selters eine noch un- vollkommene Stammform, eine Ur-Cornuspira. Vollkommen gewun- dene sandige sind Ammodiscus, dann folgen die kalkigen Cornuspira. An die Cornuspiriden schließen sich die gekammerten, selten sandigen, meist undurchbohrt kalkigen Miliolidae an, aus diesen gehen die Chilostomellidae hervor, dadurch, dass jede ältere Kammer von der nächst jüngeren mehr oder weniger umwachsen war, anderer- seits hängen mit ihnen Peneroplis und die Orbitolitidae zusam- Die Artbildung und Verwandtschaft bei den Foraminiferen. 633 men. — Das zu den Milioliden zu stellende Ophthalmidium zeigt die Entstehung der ersteren aus den Cornuspiren in bemerkens- werther Weise dadurch, dass seine inneren Windungen noch Cornu- spira-, die äußeren aber Miliola-Windungen sind. Die Orbitolitidae aber enthalten eben so, nur noch weiter- sehend, in ihrem Bau ihre vollkommene Ahnengeschichte, indem die innersten ihrer Windungen eine Cornuspira darstellen, welche sich nach außen knickt wie die Windungen einer Miliola, diese wird Peneroplis- ähnlich und zuletzt folgen kreisförmige Windungen (Fig. 7). Die IN STE IN Saunen Kiez, Orbiculina tenuissima Carp. Chilostomellidae und die Orbitolitidae sind ausschließlich kalkig, erstere durchbohrt, letztere nicht durchbohrt. Der Endothyrenstamm. Die Windungen sind zuweilen etwas asym- metrisch. Schon die ursprünglichsten sandigen Formen sind gekammert. Manchmal sind bei diesen ursprünglichsten, statt der Mündungen noch Poren vorhanden, oder es können solehe auch neben der Mündung vorkommen. Solche ursprünglichste Familien sind die Haplophrag- midae und die Endothyridae. Die Haplophragmidae sind 634 G. H. Theodor Eimer und C. Fickert, alle sandig und sind dadurch ausgezeichnet, dass wenigstens von einer Seite alle Windungen zu sehen sind. Bei der Familie der theils sandigen, theils kalkigen Endothyridae sind von beiden Seiten aus nicht alle Windungen zu sehen. Eine ursprünglichste Form des Endothyrenstammes ist das sandige, erst den Beginn einer Windung zeigende, unvollkommen gekammerte und überhaupt sehr roh ge- bildete Haplophragmium (Ammodiscus) spectabilis Brady. — Die En- dothyridae. geben den Ausgangspunkt vielleicht für alle übrigen Familien des Endothyrenstammes (mit Ausnahme der Haplophrag- midae.. Die Polystomelliden, Rotaliden, Globigeriniden, Fusuliniden, vielleicht auch die Cycloelypeiden und Nummu- litiden hängen mit ihnen zusammen. Es sind diese Familien alle kalkig, mit Ausnahme einiger san- digen Globigerinen und Fusulinen. Alle sind, wie auch die kalkigen Endothyra durchbohrt, nur Fusulinella ist undurchbohrt. Die meisten haben feine Kanälchen in den Wandungen und ein sogenanntes Zwi- ERS TEA ERTEREN N > N an Be v S TEN) SD w 7 7 SCART Q d.Rrı \ " } Ä 17, a CIE 2 Fig. 8. Fig. 9. Haplophragmium agglutinans d’Orb. Trochammina lituiformis Brady. schenskelet. — Das Nähere über die Verwandtschaft dieser Familien mit den Endothyren wird in der besonderen Beschreibung gesagt werden. Die Hauptsache in dieser Beziehung ist die Art der Win- dung und die schlitzförmige Mündung. Bei den Globigerinen geht Die Artbildung und Verwandtschaft bei den Foraminiferen. 635 die Windung allmählich in eine Häufung der Kammern über. Endo- thyridae und Haplophragmidae gehören unmittelbar zusammen, sind durch Zwischenformen vollkommen verbunden. Wir haben sie aber aus dem angeführten Grunde und wegen des rohen Baues der nieder- sten Haplophragminen und wegen der unvollkommenen oder unvollen- deten Windung (Haplophragmium agglutinans d’Orb., Fig. S, Trocham- mina lituiformis Brady, Fig. 9) getrennt. Eigentlich sind also Haplo- phragmidae und Endothyridae als eine Familie aufzufassen, mit welcher jene übrigen Familien mehr oder weniger sicher in Zusam- menhang stehen. Was die Abstammung der Orthoklinostegia von anderen, niedri- seren Foraminiferen angeht, so ist dieselbe offenbar auf die sandigen Ascoforaminifera und auf die mit denselben unmittelbar zusammen- hängenden noch unvollkommen gekammerten sandigen Stichostegier zurückzuführen. Die Cornuspiriden dürften als eingerollte Ascofora- minifera aufzufassen sein, die Haplophragmidae als eingerollte Psam- matostichostegia. In ersterer Beziehung möchte die schon erwähnte Ammonema filum Schm. einen Übergang bilden: freie röhrenförmige, sandige, nach vorn sich allmählich erweiternde, unregelmäßig ge- bogene und oft hinten aufgewickelte Gehäuse. — Einen Übergang zwischen den Psammatostichostegia und den höheren Haplophrag- miden und Endothyridae stellt das erwähnte Haplophragmium (Am- modiscus) spectabilis Brady dar. Hier mag: zunächst über die letzte der aufgeführten allgemeinen Entwicklungsriehtungen, über die für die Orthoclinostegia so maßb- sebende Eigenschaft des sich Einrollens der Gehäuse, noch Einiges gesagt werden. Schon bei den Textulariden treten An- fänge des Einrollens auf, ja sogar schon bei den Stichostegiern ist das hintere Ende der Gehäuse häufig gebogen. Bei den Textulariden ist dagegen zuweilen das vordere Ende gekrümmt (Globotextularia anceps Brady, Fig. 10). Aber die vollkom- mene regelmäßige Einrollung der Ortho- Fig, oh elinostegier findet sich hier nicht. Die Globotextularia anceps Brady. Gestaltung der Trochus-ähnlichen Textu- larien beruht mehr auf einer Verkürzung der Längsachse, Zusammen- drängen der Kammern in derselben, als auf Windung. Die zum 636 G. H. Theodor Eimer und C. Fickert, Textularidenstamm gehörigen Buliminidae sind nicht eigentlich ge- wunden, sondern nur etwas um die Längsachse gedreht. Die den Stamm der Enelinostegier bildenden Cassiduliniden endlich sind nur hinten einseitig (schief) gewunden. Gerade gewunden, theils in einer Ebene, theils mehr oder weniger einseitig, schraubenförmig, sind in vollkommenerem Maße nur die Orthoclinostegia. Sie sind aber zu einem großen Theil nicht voll- kommen, sondern rur theilweise gewunden und zwar nur am hin- teren, geschlossenen Ende. Es gilt dies für viele Glieder des Endo- thyrenstammes, während die dem Cornuspirenstamm zugehörigen Formen alle ganz gewunden sind. Den ersten Beginn des sich Windens zeigt im Endothyrenstamm, wie ich schon hervorgehoben habe, Haplophragmium speetabile. Nur hinten gewunden sind von sandigen: H. agglutinans, H. tenuimargo, H. foliaceum u. A. (vgl. Fig. S), halb gewunden H. fontinense (zuweilen, zuweilen beinahe ganz), ganz gewunden H. rotulatum. Eine ähnliche Reihe lässt sich für Trochammina aufstellen. Es erhebt sich nun die Frage: besteht im Endothyrenstamm und im Beginn auch bei den Stichostegiern die Entwicklungsrichtung, dass sie sich am ge- schlossenen, hintern Ende krümmen und dann ein- rollen, so dass die Ein- rollung von hinten nach vorn fortschreitet, bis ganz sewundene Gehäuse ent- standen sind? Dann wür- den Formen wie: Haplo- phragmium (Ammodiscus) spectabilis (Fig. 11), H. azglutinans, H. fontinense und H.rotulatum und eben so: Trochammina lituifor- mis und T. proteus, wel- a Be che beide in einander übergehen, verschiedene Stufen einer und derselben Entwicklungsreihe darstellen, deren Aus- sangspunkt gerade gestreckte Gehäuse bildeten. Es würde somit bei diesen Foraminiferen der hinterste, älteste Theil des Gehäuses die neue Eigenschaft des sich Windens zuerst angenommen und Die Artbildung und Verwandtschaft bei den Foraminiferen. 637 dieselbe würde sich allmählich nach vorn übertragen haben. Es lässt sich aber auch billig fragen: sind die unvollständig gewundenen Thiere nicht in Aufrollung begriffen und, wenn ja, wie war dann die erste Einrollung entstanden? - Die Frage der Richtung der Neubildung wäre für diese Formen selöst, wenn festgestellt werden könnte, dass die jüngsten Thiere nur hinten eingerollt sind und dass sich mit dem Wachsen die Ein- rollung immer weiter nach vorn erstreckt. Leider sind mir die jungen Zustände nicht bekannt: sicher ist nur, dass sich zuweilen verschie- dene Stufen der Einrollung bei einer und derselben Art finden, aber bei anscheinend ausgewachsenen Thieren. Indessen möchte ich, so lange nicht das Gegentheil, eben auf Grund der Entwicklung der Einzelthiere erwiesen ist, nicht daran zweifeln, dass die gewundenen Formen des Endothyrenstammes in der That von geraden herzuleiten sind, welche sich hinten zuerst gewunden haben. Dafür spricht ins- besondere der rohe Zustand der Ausbildung von Formen, wie z. B. Haplophragmium spectabile und der anderen nur unvollkommen ge- wundenen Haplophragmien. Sie sind alle sandig und zum guten Theil grob sandig. Auch die Kammerung jener niedersten Form ist sehr unvollkommen. Ganz ähnliche rohe Verhältnisse zeigen die er- wähnten sandigen Trochamminen. Die kalkigen, fein ausgearbeiteten, hoch ausgebildeten Familien des Endothyrenstammes sind dagegen alle regelmäßig und hochausgebildet gewunden. Nun ist aber im Cornuspiridenstamm eine Umbildung von ganz sewundenen Formen zu solchen, bei welchen sich der vordere, jüngste Theil der Windung wieder gerade streckt, sicher nachweisbar. Diese letzteren sind alle kalkig, nur unter den ganz gewundenen finden sich auch sandige. Es ist schon die wichtige Thatsache hervorge- hoben worden, dass Orbitolites eine ganze Reihe von Vorfahren in seiner fertigen Gestaltung enthält: zu innerst ist er Cornuspira, wei- ter nach außen Miliola, dann Peneroplis, zuletzt wird er Orbitolites (Fig. 12). — Peneroplis streckt zuerst den vorderen, jüngsten Theil der Windung wieder gerade. Dann verbreitern sich ihre vorderen Kammern und umgreifen die hinteren immer mehr. Dasselbe sich Aufrollen findet statt bei der Peneroplis nahestehenden Articulina. Die Entwicklungsgeschichte von Orbitolites bestätigt vollkommen seine Ahnengeschichte, wenigstens in so weit, als Orbitolites in der ersten Jugend gewunden ist, dann sich Peneroplis-ähnlich mit den vorderen Windungen streckt. — Diese Umbildung von gewundenen Foraminiferengehäusen zu solehen, deren vordere Windungen gestreckt 633 G. H. Theodor Eimer und C. Fickert, sind, entspricht nun der Stammesgeschichte der Ammoniten, deren sewundene Schalen sich später abwickeln und allmählich strecken: Scaphites, Aneyloceras. Alte fossile Nautiliden sind aber einfache gekammerte Stäbe, ähnlich den Nodosarien und anderen Stichostegiern unter den Foraminiferen: Orthoceratiden. Andere sind hinten ge- wundene solche Stäbe, ähnlich den nur zum Theil aufgerollten Ha- plophragmium und Trochammina, so Lituites lituus Montf.!. Noch Fig. 12. Orbiculina tenuissima Carp. Andere aber sind im Ganzen nicht geschlossen gewunden: näm- lich so, dass die Windungen innen nicht an einander liegen, sondern einen Zwischenraum frei lassen, z. B. Gyroceras? und einige andere zeigen den Beginn solcher Einrollung, indem sie einfach leicht horn- artig gebogene Stäbe darstellen, so z. B. Cyrtoceras®, entsprechend Haplophragmium spectabile. ZITTEL sagt‘, es sei höchst wahrschein- i Vgl. ZıtTeL, Paläont. II. Fig. 519. 2 Ebenda Fig. 518. 3 Ebenda Fig. 512, 514. 2m1331. Die Artbildung und Verwandtschaft bei den Foraminiferen. 639 lieh, dass alle Nautiliden aus geraden Orthoceras-ähnlichen Formen hervorgegangen seien. Orthoceras krümme sich oft (BARRANDE). Viele scheibenförmig eingerollte Nautilen machen in der Jugend eine Gyroceras- oder Cyrtoceras-Stufe durch. - Nach Hyarr sind Ortho- ceras, Gyroceras etc. sogar nur phyletische Entwicklungsstufen von geschlossen gewundenen. | i Es giebt aber, wie BRAnco! gezeigt hat, auch stabförmige eigent- liche Ammoniten: Bactrites aus dem Devon von Wissenbach. Die hinterste Kammer ist hier blasig aufgetrieben wie bei den niedersten sandigen Stichostegiern unter den Foraminiferen, den Hyperammi- nidae (Hyperammina, Rheophax). Bactrites rollt sich nicht zusam- men, wohlaber Goniatites, welche zuerst wie Bactrites gerade gestreckt ist. Dann aber rollt sich ihr Stab als Ganzes, zuerst nicht geschlossen, zusammen, zuletzt wird er eine geschlossene Spirale”. Nach diesen paläontologisch-entwicklungsgeschichtlichen Beobachtungen BRANCcO’s sind also die später gewundenen Ammoniten aus stab- förmisen Formen hervorgegangen, welche, nebenbei gesagt, die größte Ähnlichkeit mit den mit den Formen des Endothyren- stammes nah verwandten stichostegischen Hyperamminiden haben. Eben so kann es keinem Zweifel unterliegen, dass die Ortho- elinostegier in letzter Linie aus gerade gestreckten, stabförmigen Stammformen hervorgegangen sind, es frägt sich nur, wie die Win- dung ursprünglich stattgefunden hat. Wie sich Cornuspira eingerollt hat, wissen wir aus Mangel an niedersten Formen einstweilen nicht. Die frühe Entstehung voll- kommener Einrollung könnte dadurch erklärt werden, dass sich eine Ascoforaminifere zuerst ungeschlossen, als Ganzes einrollte und dass sich die Spirale später zusammenzog, schloss, wie bei den Ammo- niten nach BRANCcO. Auf dieselbe Weise könnten sich aber auch die Endothyren zuerst gewunden haben, um sich später zum Theil wieder aufzu- wickeln. Dass sich Einrollen und Aufgewiekeltwerden im Laufe der Stammesgeschichte einer und derselben Thiergruppe vorkommt, zeigen also die Ammoniten, bei welchen aufgerollte Formen in der jüngeren Zeit auftreten (Crioceras, Aneyloceras, Scaphites), das zeigen unter 1 BRANCO, Über die Anfangskammer von Bactrites. Zeitschr. d. deutschen geolog. Gesellsch. 1875. 2 Derselbe, Über die Verwandtschaftsverhältnisse der fossilen Cephalopo- den. Ebenda 1880. 640 G. H. Theodor Eimer und C. Fickert, den Foraminiferen Peneroplis und Artieulina aus dem Cornuspiriden- stamm. Auch das Verhalten der merkwürdigen Schnecke Planorbis multiformis aus dem Steinheimer Becken, wie es von HILGENDORF beschrieben ist, kann hierher gestellt werden. Aus in einer Ebene aufgerollten Formen geht eine Trochus-ähnliche hervor, aus dieser entstanden wieder in einer Ebene aufgerollte. Diese Umkehr einer Entwicklungsrichtung: Epistrephogenesis in der Stammesgeschichte einer und derselben Thiergruppe ist etwas höchst Merkwürdiges und Bedeutungsvolles. Sie kann nicht durch den Nutzen erklärt werden, zum minde- sten nicht in den ersten Anfängen ihrer Entstehung, welche doch für das Weitere maßgebend sind. Sie muss zurückgeführt werden auf innere oder konstitutionelle Ursachen, d. i. auf Veränderungen in der Zusammensetzung und damit in den Wachsthumsbedingungen der Gehäuse, welche wiederum durch äußere Einflüsse, durch Ver- änderungen in der Außenwelt bedingt sein müssen. Die Wiederauf- rollung der Ammoniten geschieht in den spätesten Zeiten der Ge- schichte dieser Tintenfische — in denselben ungefähr, was besonders hervorgehoben werden darf, wie die Aufrollung von Gliedern des Cornuspiridenstammes. Man hat daher die Ansicht ausgesprochen, die Aufrollung der Ammoniten sei ihnen nicht nützlich, sondern vielmehr schädlich ge- wesen (WÜRTENBERGER). Die mitgetheilten Thatsachen sind nun aber noch nach einer anderen Seite hin von Bedeutung. Ich meine, die Frage, ob neue Eigenschaften am hinteren oder am vorderen, an alten oder an jungen Theilen des Thierganzen zuerst auftreten. Für die Ammoniten hat WÜRTENBERGER festgestellt, dass die neuen Eigenschaften immer an den vordersten jüngsten Kammern auftreten und sich von vorn nach hinten während der Stammesgeschichte über- tragen. Ich habe für höhere Thiere (Saurier, Vögel, Säugethiere, Schmetterlinge) gezeigt, dass die Zeichnung betreffende Eigenschaften hinten zuerst auftreten, während der Stammesentwicklung nach vorn über den Körper wandern, sich vorn am längsten erhalten. Im Cornuspirenstamm der Foraminiferen findet die Umbildung, wie Oph- thalmidium, Orbitolites etc. zeigen, so wie bei den Ammoniten an den jüngsten Kammern statt. Wenn die nur hinten aufgerollten niederen Haplophragmien ursprüngliche Formen wären, so würde im Endothyrenstamm die umgekehrte Entwicklungsrichtung stattfinden, wie in der späteren Ausbildung des Cornuspirenstammes, denn dort Die Artbildung und Verwandtschaft bei den Foraminiferen. 641 geschähe die Aufrollung von hinten nach vorn, hier geschieht sie von vorn nach hinten. Desshalb tritt mein Arbeitsgenosse Dr. FICKERT sehr entschieden dafür ein, dass es sich in jenen Haplophragmien um sich wieder aufrollende Formen handle,‘und dass sich die Glieder des Endothyren- wie die des Cornuspiridenstammes ursprünglich nach Art der nicht geschlossenen Windung von Ammoniten und Nautiliden als Ganze eingerollt haben mögen. Leider giebt uns die Paläontologie keine sicheren Anhaltspunkte für die Entscheidung: jene halbeingeroll- ten sandigen Haplophragmien sind zwar allerdings in der Jetztzeit lebende Formen, allein es fanden sich ähnliche offenbar schon in der Kohle. Dass aber in der That bei Foraminiferen neue Eigenschaften hinten am Gehäuse zuerst auftreten und sich von da nach vorn allmäh- lieh weiter ausbreiten können, das zeigen uns die hinten zwei- oder dreireihigen Gehäuse der Textulariden. Wir haben hier vollkom- mene Reihen vom ersten Beginn der Zweizeiligkeit bis zur Vollen- dung derselben und daran sich anschließend anfangende und weiter nach vorn geschrittene Dreizeiligkeit. Aber es bleibt immerhin die Möglichkeit -— hebt Dr. FickErT her- vor —, dass es sich auch hier um einen Rückschlag, und zwar auf Nodosarien handelt. Ein anderes Beispiel dafür, dass vorn neue Eigenschaften entstehen können, zeigt die allgemeine Entwicklungs- richtung dahin, dass die vorderen, jüngeren Kammern größer werden als die älteren und Anderes. B. Besondere Entwicklungsrichtungen. Schon aus der soeben behandelten Umkehr von Entwicklungs- richtungen und aus den bisher besprochenen überhaupt ergiebt sich, dass für einzelne Stämme oder für Abtheilungen eines Stammes oder für eine Mehrzahl von Stämmen besondere solche Entwicklungsrich- tungen bestehen, welche zur Ausgestaltung besonderer Eigenschaften führen. Wir wollen nur einige der wichtigsten derselben hervor- heben. 1) Eine der folgereichsten dieser besonderen Entwicklungsrich- tungen ist die soeben besprochene Ausbildung von Zwei- und Drei- zeiliskeit aus einer ursprünglich einfachen Reihe von Kammern, welche die Haupteigenschaft der Textulariden bildet und durch welche diese geradezu aus den Stichostegiern entstehen. Hier herrscht also, wie gesagt, eine in der Richtung von hinten nach vorn vorschreitende Entwieklungsrichtung. Dieselbe besteht seit den älte- sten Zeiten, aus welchen wir Thierreste kennen. Schon unter den Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXV. Bd. 42 642 | G. H. Theodor Eimer und C. Fickert, EHRENBERG’schen Steinkernen aus dem unteren Silur von St. Peters- burg finden sich Formen, welche auf Textularien zurückzuführen sind. 2) Eine andere besondere Entwicklungsrichtung ist die der baum- förmigen Verzweigung des vorderen Theiles von Foraminiferen- gehäusen. Dieselbe führt zur Bildung einzelner Familien unter den Siphonoforaminifera. 3) Eine dritte ist die der Verbreiterung der Kammern nach rechts und links, während dieselben in der dazu senkrechten Rich- tung im Wachsthum zurückbleiben. Kommt dazu die allgemeine Ent- wieklungsrichtung der Vergrößerung der jüngeren Kammern gegen- über den älteren, so entstehen die pfauenschwanzähnlichen Gestalten, wie sie die Pavoninidae darbieten. 4) Weiter können sich als Ausdruck einer besonderen Entwick- lungsrichtung die äußersten Reihen spiralig gewundener oder pfauen- schwanzartig angeordneter Kammern in geschlossene Kreise ringförmig lagern, so z. B. bei Orbitolites aus dem Cornuspirenstamm und bei Planorbulina aus dem Endothyrenstamm. 5) Eine besondere Entwicklungsrichtung, die der Bildung von Kammern durch Knickung des ursprünglich geraden, bezw. gewun- denen Rohres, führt zur Bildung der Milioliden, und im Weiteren zur Bildung der Chilostomelliden. | 6) Die besondere Entwicklungsrichtung der schiefen Windung des hinteren ältesten Theiles des gekammerten Gehäuses führt zur Bildung der Enclinostegier. 7) Eine besondere orthoclinostegische Entwicklungsrichtung des sich Windens der Gehäuse besteht darin, dass die Windung in einer Ebene geschieht. Sie führt zur Bildung des Cornuspiridenstammes. 8) Eine andere orthoclinostegische Entwicklungsrichtung führt dagegen zu einseitiger, schraubenförmiger, helixartiger Windung, und damit zur Entstehung einzelner Glieder des Endothyridenstammes, wie der Rotaliden. Jede Entwicklungsrichtung ist nichts als Ausdruck organischen Wachsens, welches ich als die Ursache der allmäh- lichen Umgestaltung der Lebewelt bezeichne, als die Ursache allen Abänderns und als die letzte Ursache aller Artentfaltung!. Das organische Wachsen, Organophysis, aber beruht auf der Umänderung der stofflichen Zusammensetzung des Körpers durch Ein- wirkung der Außenwelt, bezw. durch Gebrauch. ! Die Entstehung der Arten. 1. Die Artbildung und Verwandtschaft bei den Foraminiferen. 643 Die ganze reiche Formgestaltung einer großen Thiergruppe, wie die der Foraminiferen, ist die Folge des zeitweiligen oder andauern- den Herrschens verhältnismäßig weniger Entwieklungsrichtungen. Es ist sehr bemerkenswerth, dass dieselbe Entwieklungsrichtung sern an verschiedenen Zweigen eines Stammes unabhängig auftritt (Homöogenesis), oder dass sie in einem und demselben Stamm, nachdem sie geschwunden ist und einer anderen Platz gemacht hat, abermals auftreten kann. Dazu kommt bei höheren Lebewesen die verschieden stufige Entwicklung (Heterepistase), die Thatsache, dass einzelne Eigenschaften in der Entwicklung vorgeschritten, andere aber zurück- geblieben sind. Dadurch, dass verschiedene besondere nnd allgemeine Entwick- lungsrichtungen sich verbinden, an einer Gruppe, an einer Familie zusammenwirken, wächst die Mannigfaltigkeit der Gestaltung, alle Mannigfaltigkeit aber lässt sich in jene einfachen Wachs- thumsrichtungen auflösen, auf dieselben zurückführen. Je länger eine Entwicklungsrichtung in einer :Form bezw. in einer Gruppe gewirkt hat, um so fester wird sie haften, und indem in den jüngeren Gruppen immer neue Eigenschaften hinzukommen, wächst die Mannisfaltigkeit der Gestaltung mit der Verzweigung des Stammes, mit dessen Alter, nach Maßgabe des wechselnden Ein- flusses äußerer Einwirkungen, unter welchen er lebte. Eine bestimmte neue Entwicklungsrichtung wird zuerst nur an einzelnen Thieren einer Art, gleichsam wie zögernd auftreten. Sie wird sich festigen durch Andauern der sie hervorrufenden Ursachen und durch fortgesetzte Vererbung. Sie wird so im Laufe der Zeit immer rascher und regelmäßiger auftreten und wird in immer früherer Jugendzeit beginnen. So wird die neue Form immer mehr für das ganze Leben der Art herrschend, immer mehr zur Hauptform. | Eine der ersten Entwicklungsrichtungen ist, wie wir wissen, z. B. die Entstehung der Mehrkammeriskeit. Wie die niedersten Formen, bei welchen dieselbe erst sich ausbildet, zeigen — ich ver- weise in dieser Beziehung nur auf die Abbildungen von Saccammina sphaerica bei BRApy —, kommen noch ausgewachsene einkammerige und vielkammerige Thiere neben einander vor. Je mehr die Viel- kammeriskeit sich festigt, um so mehr überträgt sie sich auf alle Thiere der Art, um so früher in der Jugend wird sie auch auftreten. Es sind dies Schlüsse, welche sich aus den Vererbungsgesetzen 42% 644 G. H. Theodor Eimer und C. Fickert, von selbst ergeben, bezw. aus den Gesetzen der fortschreitenden Umbildung, wie ich sie in meinen Arbeiten über die Zeichnung der Thiere, vor Allem und zuerst für die Eidechsen, festgestellt habe, und wie sie theilweise WÜRTENBERGER und HyATrT für die Ammo- niten ausgesprochen haben. Überlege ich zusammenfassend alle Thatsachen, welche sich über die Bedeutung bestimmter Entwicklungsrichtungen bei verschie- denen Thieren, und wie ich bemerken will, auch bei Pflanzen, ergeben, so drängt sich mir der Schluss auf, dass alle, auch die höchsten Lebewesen, als Bildungen aufgefasst werden müssen, welche, mögen sie noch so sehr ins Einzelne ausgearbeitet, noch so sehr zusammengesetzt sein, im Wesentlichen doch nichts sind als der Ausdruck von Summen von bestimmten Entwicklungsrichtungen. Es wird die große Aufgabe der Zukunft sein, diese Composita in ihre einfachen Theile, in die Einzelgestaltungen aufzulösen, welche eben als Ausdruck solcher Entwicklungsrichtungen erscheinen. Nehmen wir ein Beispiel von unseren Foraminiferen. Eine Buliminide ist ein Zusammengesetztes aus den Gestaltungen, welche folgende Entwieklungsrichtungen bedingt haben: 1) Die Richtung aus unregelmäßiger zweiseitige Gestaltung zu erzielen. 2) Die Richtung schlauchförmige Gestalt aus becherförmiger herzu- stellen. 3) Die Richtung der Kammerung dieser Schläuche. 4) Die Richtung, die hinteren Kammern zwei- und dreizeilig wer- den zu lassen. 5) Die Richtung, sich etwas um die Längsachse zu drehen. Oystoforaminifera, Ascoforaminifera, Stichostegia, Textularidae sind die Vorfahren der Buliminiden, sind Gruppen, welche nach einander auf den niederen Entwicklungsstufen stehen geblieben sind, die die Buliminiden im Laufe ihrer Stammesgeschichte durchgemacht haben müssen. Es ist selbstverständlich, dass der Kampf ums Dasein, die Nützlichkeitsauslese, die verschiedenen Entwicklungsrichtungen bis zu einem gewissen Grade beeinflussen kann, doch ist die Zuchtwahl nicht wesentlich maßgebend für die werdende Form, trotzdem kann sie der unter bestimmten äußeren Verhältnissen herrschenden Gestal- tung ein gewisses Maß aufdrücken, indem sie nur die zweckmäßig gebildeten, bezw. die nicht unbedingt schädlichen Formen bestehen lässt. Die Artbildung und Verwandtschaft bei den Foraminiferen. 645 Dadurch wird eine verhältnismäßige Anpassung an die Forde- rungen der Außenwelt erzielt, während der Darwinismus fälschlich die Entstehung solcher angepasster Formen, bezw. Arten, der Zuchtwahl zuschreibt und der Afterdarwinismus gar behauptet, dass Alles, was besteht, durch die Allmacht der Naturzüchtung gebildet sei. Wirkung äufserer Einflüsse auf die Entwicklungsrichtungen. Wenn nun die Entwicklungsrichtung, wenn das »organische Wachsen« von äußeren Einflüssen abhängt, so stellt sich die Frage, ob sich solche äußere Einflüsse als wirksam nachweisen lassen. Es ist sicher, dass die stoffliche Zusammensetzung der Gehäuse von der Beschaffenheit des Wassers, in welchem sie wohnen, ab- hängig it. Abnahme des Salzgehaltes des Wassers vermindert die Ablagerung von Kalk. Dies zeigen die Süßwasser- und gewisse Brakwasserformen ', welche zuletzt nur noch Chitingehäuse haben: so gewisse Milioliden. Zuweilen tritt im Brakwasser grüne Färbung des Plasma auf, vielleicht von chlorophyllhaltiger Nahrung. Ferner ist vom Einfluss auf die Zusammensetzung der Schale das Vorkommen in größerer oder geringerer Tiefe: die größten Tiefen haben mehr sandige Formen. Milioliden haben in großen Tiefen zuweilen nur noch eine dünne, gleichartig kieselige Haut. Die Vermehrung der Kohlensäure, welche in Folge des großen Was- serdrucks in der Tiefe stattfindet, muss zur Auflösung des Kalkes führen. — Die Tiefe hat auch Einfluss auf die Größe: die in großer Tiefe lebenden Imperforaten scheinen im Allgemeinen in der Tiefe kleiner zu werden und zu verkümmern. Eben so manche Perforata. Dabei ist wohl die Abnahme der Temperatur von Einfluss. In wär- meren Meeren kommen auch in beträchtlichen Tiefen große Cornu- spira, Biloeulina, Cristellaria vor. Über die Artbildung bei den Foraminiferen. Die Thatsache, dass bei den Foraminiferen viel weniger scharf abgesrenzte Arten vorkommen, dass die Arten mehr in einander übergeher, durch Zwischenformen unter einander verbunden sind, als bei den meisten höheren Thieren und selbst bei vielen Einzelligen, 1 Vgl. BRADy, Ann. Mag. nat. hist. 3. ser. Bd. VI. 1870. SIDDAL, ebenda. ser. Bd. XVII. 1878. 2 Vgl. Bürscauı-Beonn, ], 1. p. 171. G. H. Theodor Eimer und C. Fickert, 646 Orimlimden c Sum (1) obond iv allen Klon BEN. Äh nr A Alonelimosligia B ENT) . ® ee hiski Von Sum | }), (ebndin allın ren lobavrimdow Dias, band amenk Hurt Lachenkpine ® Rrkalidar Kohle, hd allen Sie FH \nfyn 4 IR 2 Dischinti | , IN Ibikolikidan RS CH Kbond hin S Kohle, Kbond in allow Im ron, band bis Ve t O Tolı Vomdlidonw 300 Fadın Taf & Acbomd 2 -390Fadım Ti 2 Fumlimwdarg Kohle heben im allın Kfm Immoplidar Q Chiloskomdlivae a Oo dummulikdar Li, lebend bir 300Tadım Terkian lbend 90-3000Fad J en Kohle, Ubend his 800 Fadın Take Tiofe Hefe en n0 olodinchinkidan ® os et IIMOWM , Inn, U ae \ ev, lobendin Kohl 5 ir Alan) FR Alm Then ! has 50 Fden The Tufow Q Kapl ee Ave Al Kfm ren PS 0, , Noblervieleichk Sit Kbomdun allen T; Ommrinidar mu cudmandar var A.ömdolhurens 5 en Kohle Abewd i alla Sifen E & un = Yıl A. lommapirenalamm Grehmonilidat UA: oderanidan Sıhr lbndam Man Them | n Nr Shake ja, hendin allow Tiefen el DaE, sy hypuogpeomida fand 10-500 Iaday Fefe J ) Safe OVelco rn Sax ıhindav ua, LE) 20-3000 oadım Tiefe ara Pagına Iendrophryidae lhend bin 25 Faden Kefe DSihn, blond Trksae bin rahkvannın mmimi®d Sr ; [7 3 ee Q ® ER pe 15 | men las 13000Saden dife And m Sivswansw : lond % N Ynomotor Nord ee 2 Do "N am | Wrorhiidean, Keband vom 10-3000 Fadım Tufe Fig.-13. Stammbaum der Foraminiferen, Die Artbildung und Verwandtschaft bei den Foraminiferen. 647 diese Thatsache dürfte wesentlich darauf beruhen, dass bei den Fora- miniferen die Entwicklungsrichtungen wenig gefestigt, wenig mit anderen verkettet und dass dieselben noch wenig zahlreich sind. Da, wo noch wenige Entwicklungsrichtungen vorhan- den sind, werden weniger Arten vorkommen; je zahlreicher die Entwicklungsrichtungen, um so mehr und um so verschieden- artigere Zusammensetzungen werden sich bilden können, je nachdem sich die durch die einzelnen Entwicklungsrichtungen bedingten Ge- staltungen zusammenfügen. Denn jede neue Anfügung einer Ge- staltung zu einem schon zusammengesetzten Ganzen wird um so mehr zur Bildung einer engbegrenzten Gruppe, einer Gattung, einer Art führen können, je zusammengesetzter jenes Ganze schon ist, eben weil jene Anfügung um so mehr Verbindungen verschiedener Art wird eingehen hönnen. Die Entwicklungsrichtungen sind aber desshalb noch wenig ge- festigt, weil sie noch sehr einfache sind, und dies ist wiederum die Ursache, warum noch häufig Umkehr derselben vorkommt. Die Mannigfaltigkeit der Gestaltung und die Vielheit und Festig- keit der Artbildung der höheren Lebewesen beruht, wie ich schon hervorhob, offenbar darauf, dass dieselben Composita von zahlreichen Entwicklungsrichtungen darstellen. Aber es sind dies zugleich Ent- wicklungsrichtungen, welche nicht alle einfach, sondern verschiedent- lich in sich verbunden und von einander abhängig, verkettet sind. Diese Verbindung und Abhängigkeit bezieht sich zunächst auf die Correlation: je höher ein Organismus und je zusammengesetz- ter er an sich gebildet ist, um so mehr werden correlative Eigen- schaften darin eine Rolle spielen. Je höher und je zusammengesetzter der Organismus an sich ist, um so mehr wird jene verschiedenstufige Entwicklung, He- terepistase, seine Zusammensetzung noch zu einer reicheren ge- stalten, die Thatsache, dass unter den Eigenschaften, welche einen Organismus herstellen, einige weiter vorgeschrittene, andere mehr zurückgebliebene Entwicklungsstufen sind. Und eine je größere Rolle Correlation und Heter- epistase im Organismus spielen, um so eher wird derselbe ein in sich abgeschlossenes Ganzes, eine Art bilden. Besonders wichtig ist die durch Correlation bedingte sprung- weise Entwieklung, Halmatogenesis, für die Bildung von Arten und sie gerade spielt bei der einfachen Zusammensetzung der Foraminiferen offenbar noch keine maßgebende Rolle. 648 G. H. Theodor Eimer und C. Fickert, Mit hervorragender Wirkung von Correlation, Heterepistase und Halmatogenesis fehlt also ein wesentliches Mittel der Bildung fester und abgegrenzter Arten bei den Foraminiferen. Dass ein mannig- faltiger zusammengesetzter Organismus, dessen Eigenschaften dazu noch unter einander abhängig sind, leichter festgefügte, abgeschlossene Arten bilden wird, als ein einfacher, versteht sich von selbst. Um dies aber zu verdeutlichen, kann man das Bild einer Regulatoruhr gebrauchen, deren Perpendikel aus in Wärme und Kälte in ver- schiedenem Maße ausdehnbaren und zusammenziehbaren metallenen Stäben zusammengesetzt ist: es kann keine erhebliche Verlängerung oder Verkürzung des Perpendikels stattfinden, weil die Stäbe sich gegenseitig die Wage halten. Bei einfach zusammengesetzten Lebe- wesen wird eine herrschende Entwicklungsrichtung unter bestimm- ten äußeren Verhältnissen leicht den Organismus immer mehr ver- ändern — der nur aus einem Stoff gebildete Perpendikel wird sich ungehemmt verlängern oder verkürzen. Greifen dagegen ver- schiedene Entwicklungsrichtungen in einander, so wird eine Wachs- thumsrichtung nicht ungehindert maßgebend werden können, sondern die verschiedenen Eigenschaften werden sich darin eher die Wage halten. | Damit dürfte auch die Ursache gegeben sein, warum bei unseren einfachen Lebewesen durch Entwicklungsstillstand, Genepi- stase, welche ich für die wichtigste Ursache der Trennung der Organismenkette in Arten erklärt habe, solche Trennung weniger veranlasst wird, als bei zusammengesetzteren: da bei letzteren viele unter einander verbundene Eigenschaften den Organismus ausmachen, viele Entwicklungsrichtungen zu einem gemeinsamen Endziel zusam- menwirken, so werden auch viele äußere Ursachen eine Handhabe finden, um zeitweisen Entwicklungsstillstand und dadurch Trennung in Arten herbeizuführen!. Bei den einfachen Organismen mit wenigen Entwicklungsrichtungen dagegen werden nur wenige Einflüsse sol- chen Stillstand verursachen können. Desshalb hängen die durch organisches Wachsen gebildeten Formgestaltungen hier in viel län- geren Ketten ungetrennt zusammen, als dies bei höheren Lebewesen der Fall ist. Und dies ist ja der wesentlichste Unterschied in der ıi Dies steht nicht in Widerspruch, sondern in Übereinstimmung damit, dass größere Zusammensetzung Artbildung begünstigt: je mehr Zusammen- setzung, Abhängigkeit der Eigenschaften, um so leichter wird ein äußerer Ein- fluss Handhabe finden, alle Entwicklung zum Stillstand zu bringen, nicht aber zum Fortschreiten. Die Artbildung und Verwandtschaft bei den Foraminiferen. 649 Artbildung bei den Foraminiferen und auch bei den Spongien gegen- über höheren Lebewesen, dass die Art viel weniger leicht abzugrenzen ist, dass sie ein viel weiteres Gebiet einnimmt und viel mehr ver- schiedene Formen einschließt, so dass die äußersten Glieder einer Art oft gar nicht zusammenzugehören scheinen, während sie doch durch Zwischenformen unmittelbar und vollständig verbunden sind. Dureh das Vorausgesetzte wird aber auch die Thatsache erklärt, dass bei den höheren zusammengehörigen Foraminiferen viel mehr Artbildung vorhanden ist, als bei den niederen, einfachen. Nach Vorstehendem ist es die größere Zusammensetzung des Organismus, der größere Reichthum an in demselben maß- sebenden Entwicklungsrichtungen, was die Artbildung begünstigt. Diese größere Zusammensetzung beruht aber in letzter Linie auf Er- werbung neuer Eigenschaften und auf Vererbung derselben und be- stimmend für sie sind besonders Correlation, Heterepistase, Halmatogenesis, Genepistase, deren Fehlen bezw. selteneres Auftreten die Einfachheit der Entwicklungsrichtungen bei den Fora- miniferen wesentlich bedingt und damit die Artbildung hemmt. Dazu kommt noch das Fehlen der Befruchtungsverhinde- rung, Kyesamechanie, bei den Foraminiferen, jenes weiteren Mittels der Artbildung bei den durch Mischung von Samen und Ei entwickelten Lebewesen. Die Frage, ob und in welchem Maße die geschlechtliche Mi- schung an sich Artbildung begünstige, veranlasst auf Grund des Vorstehenden, und des früher schon Berührten, zu folgenden Be- trachtungen. Die Ausbildung der zwei Geschlechter beruht selbst auf durch Vererbung erworbener Eigenschaften erzeugten besonderen Entwick- lunssrichtungen: das männliche Wesen einerseits und das weibliche andererseits ist je aus besonderen Eigenschaften, auf Grund beson- derer Entwicklungsrichtungen, zusammengesetzt. Die geschlechtliche Mischung veranlasst Vereinigung der zweierlei Eigenschaften, welche wiederum je nach dem Übergewicht der einen oder der anderen das eine oder das andere Geschlecht bilden. Wenn, wie vorhin vorausgesetzt worden ist, die größere Zu- sammensetzung aus Entwieklungsrichtungen die Artbildung begünstigt und festigt, so muss dies auch die geschlechtliche Mischung thun, indem sie solch größere Zusammensetzung veranlasst, dadurch, dass jedes Geschlecht während seines Lebens für sich neue und eigen- artige Eigenschaften erworben hat und als Mitgift beibringen kann, 650 G. H. Theodor Eimer und C. Fickert, während dies bei Eingeschlechtlichkeit nur von einer Seite her mög- lich ist. Je länger also die geschlechtliche Trennung bestand, je zusammengesetzter und eigenartiger die beiden Geschlechter sind, um so mehr wird ihre Vereinigung zu festgefügter Artbildung bei- tragen. Andernfalls wird sie einen erheblichen Einfluss auf die Art- bildung noch nicht haben können (Spongien). Dagegen ist anzu- nehmen, dass in letzterem Falle, bei Vereinigung wenig gefestigter Geschlechtsverschiedenheiten, das Abändern befördert wird, indem einfache Entwicklungsrichtungen zu mehreren zusammentreten, auch correlativ dritte, neue werden bilden können. Sehr bemerkenswerth für unsere Auffassungen ist nicht nur die bei Foraminiferen eben so wie bei anderen Lebewesen häufige Be- schränkung einzelner Arten auf bestimmte paläontologische Schichten, sondern besonders die Thatsache der Unveränderlichkeit vieler Arten durch zahlreiche solche Schichten hindurch, ja von den ältesten Zeiten bis in die Jetztzeit. Die erstere Thatsache beweist doch, wie sehr die Artbildung von äußeren Verhältnissen unmittelbar abhängig ist. So kommt das erwähnte Ophthalmidium Walfordi nur im Bereich des Lias vor, Orbitulites praecursor ist kennzeichnend für den südalpinen Lias, Orbitulina lentieularis für die untere, Globigerina cretacea für die obere Kreide, Quinqueloculina saxorum für den Miliolidenkalk des Pariser Mittel-Eocän, Fusulina ceylindrica für den Kohlenkalk von Russland und Nordamerika. E. HAECKEL bringt als Beispiel weiter, dass im älteren Tertiärgebirge verschiedene Horizonte durch zwei Paare von Nummulitenarten bestimmt sind, jedes Paar aus einer kleinen und einer großen Art bestehend. Wenn aber einzelne Arten alle Zeiten unverändert überdauern — wie z. B. Lagena laevis und L. suleata von der Silurzeit bis jetzt vorkommen — oder doch ungeheure Zeiträume durch verschiedene Erdperioden — wie Truncatulina lobata von der Kohle bis heute — so kann es doch nur die Einfachheit des Organismus sein, welche denselben gegen die wechselnden äußeren Verhältnisse in den be- treffenden Fällen unempfindlich gelassen hat. Solcher, durch ungeheure Zeiträume andauernder Entwicklungs- stillstand aber bietet uns lautredendes Beispiel für das, was wir Beharrung oder Epistase nennen, und das Wiederauftreten des Fortschreitens in der alten Entwieklungsriehtung, wie es selbst nach so langer Zeit erscheinen kann, bietet hervorragende Beispiele für Die Artbildung und Verwandtschaft bei den Foraminiferen. 651 die Erscheinung, welche als Epistrephogenesis von mir bezeich- net wird. Zusätze zu Vorstehendem. Seitdem das Vorstehende geschrieben ist, sind von zwei Seiten Systeme der Foraminiferen aufgestellt worden und Äußerungen über unseren Gegenstand erschienen, welche besprochen werden müssen. LupwıG RHUMBLER hat den »Entwurf eines natürlichen Systems der Thalamophoren« veröffentlicht! und in seiner »Systematischen Phy- logenie der Protisten und Pflanzen« hat Ernst HacEckEL gleichfalls ein solches System aufgestellt? L. Rhumbler’s natürliches System der Thalamophoren. Der Stammbaum, welchen RHUMBLER aufgestellt hat, stimmt im Wesentlichen mit dem unsrigen überein. Die Hauptunterschiede sind die, dass wir mit anderen Forschern Lagena als eine sehr ursprüng- liche, und zwar als eine sich an Saecammina anschließende Form auffassen, während RHUMBLER sie von Nodosaria ableitet, ferner, dass RHUMBLER die Ammodisciden ganz für sich stellt, während die- selben bei uns durch Cornuspira zu den Miliolinen führen. Dabei rechnet RHUMBLER die Cornuspiren zu den Ammodiseiden, wir stellen sie als besondere Familie auf. Die Miliolinen leitet RHUMBLER un- mittelbar von den Nodosinellen ab, als welche er Aschemonella, No- dosinella, Hormosina etc. zusammenfasst. Da die Aschemonellidae nach unserer Auffassung den Ausgangspunkt des Cornuspirenstammes und damit auch für die Milioliden bilden, so ist der Unterschied nicht besonders wichtig. Die Ableitung der Lageniden von Nodosarien, durch Ablösung einer Kammer der letzten, stellt RHUMBLER selbst nicht bestimmt hin. Er stützt sich auf Folgendes: FRITZ ScHAUDINN hat nachgewiesen, dass bei Caleituba eine ursprüngliche, jugendliche, sternförmige Schale in mehrere Bruchstücke aus einander bricht, deren jedes sich wie- der zu einer Caleituba weiter entwickelt’. Bei diesem Auseinander- brechen spielen augenscheinlich äußere Verhältnisse (Schwerkraft, > 1 Dr. LupwıG RHUMBLER, Nachr. d. k. Gesellsch. der Wissensch. zu Göt- tingen. Mathemat.-physikal. Klasse. 1895. 1. Heft. 2 ERNST HAECKEL, Systemat. Phylogenie der Protisten und Pflanzen. I. Theil. Berlin 1894. p. 177£f. - 3 FRITZ SCHAUDINN, Unters an Foraminiferen. I. Calcituba Roboz. Aus dem zool. Inst. zu Berlin. Diese Zeitschr. LIX. Bd. 2. Heft. 1895. 652 G. H. Theodor Eimer und C. Fickert, SCHAUDINN) eine Hauptrolle. In derselben Weise hätte sich nun nach RHUNMBLER’s Auffassung ein regelmäßiger Trennungsvorgang ‚ursprünglich wohl durch rein äußere Faktoren veranlasst« in die Entwieklungsgeschichte einiger Nodosarier eingeschoben, in der Art, dass jede nach Nodosarien-Art neu angelegte Kammer am Verbin- dungshalse bald nach ihrer Entstehung von der ursprünglichen Kammer abbrach oder von dem Thiere selbst abgebrochen wurde. RHUMBLER will an einem anderen Orte weitere Belege für diese seine Auffassung bringen. Einstweilen scheint uns dieselbe auf zu viel Vermuthung zu beruhen, und auch ihre weitere Begründung, dass die Lageninen erst im Lias in irgend nennenswerther Zahl auf- treten, während die Nodosarien schon in der Steinkohlenformation reich entfaltet sind, ist unsicher, weil einzelne Exemplare von Lage- nen schon in älteren Perioden aufgefunden wurden, obschon man allerdings nicht weiß, ob es sich darin nicht etwa um Bruchstücke von Nodosarien handelt. Endlich wäre als wahrscheinlich zu er- warten, dass die Lagenen, wenn sie von den Nodosarien abstammten, in ihrer Entwicklung Nodosarien wiederholten. Übrigens ist auch diese Frage nicht von besonderer Wichtigkeit, weil die Lageniden bei RHUMBLER als Endgruppe angesehen werden, und weil sie bei uns nur als die kalkigen Verwandten der sandigen Saccamminidae erscheinen, welch letztere als Stammgruppe für höhere Foraminiferen bestehen bleiben. Schließlich kommt RHUMBLER gleich uns auf sandige Ausgangsformen. Auch NEUMAYR hatte die Lageniden aus den Nodosarien ab- geleitet, aber unter Annahme von Verkümmerung der späteren Kammern. Endlich hält RHUMBLER es selbst für sehr wahrscheinlich, dass einige Lageninen, namentlich im Jura sekundär wieder zu Nodosarien geworden seien. Es handle sich aber dabei um eine Art Rückschlag. Man sieht also, dass diese Frage eben so wenig spruchreif wie für uns wichtig ist. Darin, dass die Orbulinen von den Globigerinen abzuleiten sind, nicht diese von jenen, wie HAECKEL meint, stimmen wir mit RHUMB- LER überein. | Eben so betrachten wir mit RHUMBLER die Endothyren als die Stammform der Rotaliden. | Wichtiger als die systematischen Unterschiede zwischen RHUMB- LER’s Ansichten und den unsrigen sind die folgenden. RHUMBLER meint aus auch von uns berührten Thatsachen schließen Die Artbildung und Verwandtschaft bei den Foraminiferen. 653 zu dürfen, »dass bei den Thalamophoren (Foraminiferen) in vielen oder allen Fällen das biogenetische Grundgesetz in umgekehrter Form gilt, d. h., dass bei ihm die phylogenetisch höchste Stufe in jungen Stadien gefunden wird, während die älteren Schalentheile auf Ahnen- formen zurücksinken«. So besitzt die zu den unperforirten Milioliden gehörige Peneroplis pertusus Forsk., wie RHUMBLER nachwies, eine perforirte Embryonalkammer, während die späteren Schalenwände unperforirt sind. So haben die Endothyren zum Theil an ihren End- kammern eine siebförmige Mündungsplatte, während ihre älteren Kammern sich durch eine einfache schlitzförmige Mündung auszeich- nen; siebförmige Mündungen sind aber bei den Formen des Kohlen- kalkes weit verbreitet, in späteren Perioden werden sie nur ganz vereinzelt angetroffen, fast überall sind siebförmige Mündungen in schlitzförmige übergegangen, welche sich zuerst an den frühesten Kammern zeigten. Nach Häuster! entwickeln sich die Ophthalmidien (Milioliden) aus Formen wie Nubecularia tibia, welche aus bauchig aufgetriebenen, nach Art der Nodosarien an einander gereihten Kammern besteht. Nun treten im Lias auffällige Varietäten von Ophthalmidium Walfordi Reuss auf, deren jüngerer Theil frei absteht und ganz einer Nubecularia tibia entspricht. »Es scheint mir«, sagt RHUMBLER, »hierdurch dar- sethan, dass sich hier die bereits im Trias auftretende Nubecularia tibia durch Aufrollung ihrer älteren Schalentheile in die biforme Art Ophthalmidium Walfordi Reuss verwandelt hat, welche ganz auf den Lias beschränkt erscheint.... Aus Ophthalmidium Walfordi ent- wickeln sich nun durch verschiedene Ausbildung der eingerollten Schalentheile einerseits verschiedene andere Ophthalmidien, anderer- seits Spiroloeulinen und Formen, die theilweise bereits Übergänge zu den Miliolinen (Quinqueloculina) andeuten.« Biform nennt RHUMBLER die »Schalen von (mit dem Alter) ein- mal wechselndem Bau<. Eben so giebt es triforme. MUNIER-CHALMAS und SCHLUMBERGER? zeigten, dass die neuesten Miliolinen in zweierlei Form auftreten, welche sie A- und B-Form nennen. Die ersteren besitzen eine große Embryonalkammer und sind uniform, die letzteren haben kleine Embryonalkammern und bauen dieselben nach einem höheren Modus auf als ihre Endkammern. RHUMBLER sieht in diesen 1 R. HÄUSLER, Bemerkungen über einige liasische Milioliden. Neues Jahr- buch für Mineralogie. 1887. Bd. I. p. 190—194. 2 MUNIER-CHALMAS et SCHLUMBERGER, Nouv. observ. sur le dimorphisme desForaminiferes. Compt. rend. hebd. 1883. Bd.I. p. 862 — 866. Bd. II. p. 1598—1601. 654 G. H. Theodor Eimer und C. Fickert, B-Formen nun die Ausbildung von biformen Arten. »>Wenn die B- Form einer Biloculina ihre Anfangskammern erst quinqueloculinär aufrollt und dann erst eine biloculinäre Anordnung annimmt, so unterscheidet sie sich im Prineip ihres Verhaltens gar nicht von einer bischofstabförmigen Form, die ihren Anfang spiralig aufgerollt hat und dann in eine geradegestreckte Kammeranordnung übergeht. « Eben so giebt es Biloculina, die erst quinqueloculinär, dann triloceu- linär, zuletzt erst biloculinär aufgerollt sind. Eine Gaudryina kann Anfangs erst »vermulinär, dann textularinär, schließlich nodosarinär«< aufgewunden sein'. Alle diese Formen sinken »vom höheren Aufwindungsmodus schrittweise auf einen niederen Aufwindungsmodus ihrer Vorfahren- formen herab«. Es sind dies alles Fälle, wie die im Vorstehenden von mir be- handelten von Haplophragmium u. A., und die Wiederaufrollung der Ammoniten. Auf Grund derselben zu erklären, wie RHUMBLER thut, dass das biogenetische Gesetz für die Thalamophoren in umgekehrter Form gelte, geht nicht an. Das biogenetische Gesetz bedeutet die Vererbung von Eigenschaften der Vorfahren in der individuellen Entwicklung und kann also nicht umgekehrt werden. Es handelt sich in allen genannten Fällen vielmehr, wie ich. ausgeführt habe, offenbar um eine Umkehr der Entwicklungs- richtung, Epistrephogenesis, bei welcher das biogenetische Gesetz vollkommen in Kraft bleibt. Die maßgebende Bedeutung der bestimmt gerichteten Entwicklung für die Gestaltung der Gehäuse bei den Foraminiferen zeigen noch andere von RHUMBLER hervorgehobene Thatsachen. Derselbe weist darauf hin, dass nicht bloß biforme oder triforme Biloculina- oder Triloeulina-Arten ihre Anfangskammern quinqueloculinär aufgewun- den haben, sondern dass wir dieselbe Aufwindungsweise auch bei biformen Spiroloculinen finden, welche SCHLUMBERGER Zu dem neuen Genus Massilina vereinigt hat. »Hieraus müssen wir schließen, dass Biloeulina und Triloculina sowohl als die sonst ganz anders gestaltete Spiroloeulina auf dem Wege stehen, sich in Quinqueloculinen umzu- wandeln; ja wenn wir uns eine Articulina vergegenwärtigen, deren Anfangstheil eine Quingqueloculina darstellt, während ihr Endtheil gerade gestreckt ist und an die Stammgruppe der Nubecularinen ' Es wäre wohl besser auf deutsch zu sagen: nodosarinenartig ete., als solche halsbrecherische fremde Wortbildungen zu gebrauchen. Die Artbildung und Verwandtschaft bei den Foraminiferen. 655 erinnert, so müssen wir auch in ihr eine Thalamophore erkennen, die von einem viel ursprünglicheren Ausgangspunkte demselben Ziele „Quinqueloculina‘ hin zustrebt.< RHUMBLER wirft desshalb die Frage auf, ob das Genus Quinqueloculina überhaupt als ein einheitliches aufgefasst werden dürfe. Um dies zu entscheiden, müssten wir wissen, ob es nicht nur lebende, sondern auch fossile biforme Milio- linen giebt. | »Die auffällige Erscheinung eines gemeinsamen Entwicklungs- zieles für verschiedene Schalenformen«, fährt RHUMBLER fort, »könnte beinahe den Anschein erwecken, als ob hier eine gewisse Teleologie im Spiele sei, welche die ganze Familie der Miliolinen nach einem Zielpunkt zusammenziehe, als ob die Entwicklung eine zielbewusste wäre.« Diese scheinbare Teleologie sei, so meint er, das Werk der Festigkeitsauslese, die jede Form nach derjenigen Schalenausbildung hin treibt, welche für die erreichbar höchststehende die festeste ist. »Es ist nicht zu verwundern, wenn so einfache Organismen, wie die Thalamophoren, auf äußere Einflüsse hin oftmals in derselben Weise seantwortet haben, zumal wenn es sich um nächste Verwandte handelt.« Wir werden sehen, dass es sich in jener scheinbaren Teleologie und Festigkeitsauslese einfach um die von uns auf Grund anderer Thatsachen aufgestellte unabhängige Entwicklungsgleichheit, Homoeogenesis, handle. Der zuletzt erwähnte, von RHUMBLER ausgesprochene Satz entspricht ganz meinen Auffassungen. Aber wie sollte die Wirkung der äußeren Einflüsse auf die Gestaltung der Foraminiferenschalen so ohne Weiteres mit deren Nutzen zusammen- fallen, da, wie wir gesehen haben, diese Gestaltung so oft nach gewissen Zeiträumen wieder eine gegenüber der bisherigen geradezu entgegengesetzte Richtung einschlägt? Würde RHUMBLER jenen Satz voran und den Nutzen in zweite Linie stellen, wenn er von den Ursachen der Gehäusebildung spricht, -so ständen unsere Auffassungen sich näher. Aber RHUMBLER befindet sich ganz auf dem Standpunkt des Darwinismus, welcher in der Auslese die treibende Ursache der Umgestaltung der Lebewesen sehen will und welcher die wirklichen, die letzten Ursachen derselben nur nebenbei berührt. Es sei, meint er, die Festigkeitsauslese, welche für die Umgestaltung der Gehäuse maßgebend sei, zugleich mit den »weiteren Prineipien bei der angestrebten Festigkeit möglichsten Rauminhalt des Gehäuses und möglichste Einfachheit desselben zu erzielen. Die beiden letzteren Principien seien »augenscheinlich 656 G. H. Theodor Eımer und C. Fickert, darauf gegründet, dass sie den Gehäuseträger am wenigsten mit Bau- geschäften belasten, und ihm desshalb die meiste Zeit zu anderen Lebensfunktionen, wie Ernährung und Fortpflanzung übrig ließen«. Zunächst muss hiergegen eingewendet werden, dass ja doch gerade die Gehäuse der jüngeren bezw. höheren Foraminiferen nicht einfacher, sondern vielmehr viel zusammengesetzter gebaut sind, als die der ursprünglichen und dass eben so die ersteren vielfach ver- hältnismäßig viel weniger Rauminhalt haben, als die letzteren: bei den höheren Perforaten werden die Wände immer dicker und gleich- zeitig die Kammern immer enger — das Plasma wohnt schließlich wesentlich in den Kanälen der Gehäusewandungen selbst — von Raumvermehrung im Gehäuse eines Nummuliten gegenüber dem einer Rotalia oder Globigerina oder Cornuspira kann doch füglich nicht die Rede sein. Sodann ist es eine unrichtige Vorstellung, dass die Foramini- feren ihre Gehäuse in willkürlicher Bauthätigkeit selbst machen. Dies gilt vielleicht für die niederen mit sandigen Gehäusen, denn die Difflugien des Süßwassers kleben wenigstens die Sandkörnchen des Gehäuses auf die vom Plasma ausgeschiedene organische Grundlage desselben auf. Gerade bei den höheren Foraminiferen aber, bei denen mit kalkigen und kieseligen Schalen, handelt es sich dagegen offenbar geradezu um ein Herauskrystallisiren der Gehäuse aus dem Plasma, ganz so wie z. B. die Kalk- und Kieselnadeln und Körperchen der Spongien aus dem Plasma herauskrystallisiren und wie dies die Gehäuse der Radiolarien thun. Das Plasma ist es, in dessen physikalisch-chemischer Zusammen- setzung die Ursachen zur Gestaltung bestimmter Gehäuse gelegen sind — Änderungen in der Zusammensetzung des Plasma, beruhend auf äußeren Einflüssen, wie Nahrung, Beschaffenheit des Wohnwassers ete. werden auch Änderung in der Gestaltung der Gehäuse, sie wer- den die Entwicklungsrichtungen bedingen und bei der Einfach- heit der Organisation der Foraminiferen und der Einfachheit der äußeren Bedingungen, unter welchen sie leben, ist es freilich nicht zu verwundern, wenn verschiedene Formen auf äußere Einflüsse in der gleichen Weise sich umgestalten oder wenn dieselben zu früherer Gestaltung zurückkehren. Vielfach werden es selbstverständlich außer den physikalisch- chemischen auch rein mechanische Ursachen sein können, welche die Gestaltung der Schalen mit bedingen, ohne dass wir uns desshalb weder hier noch bei den Radiolarien einstweilen vermessen dürfen Die Artbildung und Verwandtschaft bei den Foraminiferen. 657 von Entwicklungsmechanik, im Sinne der Erkenntnis solcher noch sehr dunkeln Ursachen der Formgestaltung zu reden. RHUMBLER sagt, das Festigkeitsprineip-als Movens der Weiter- entwicklung sei zu interessant und für die Aufstellung seines Ent- wurfs zu wichtig, um die Frage unerörtert zu lassen, warum diese Bevorzugung der Festigkeit stattgefunden habe. Die Antwort ist, weil die Thalamophoren meistens unter Verhältnissen leben, die ihre Schalen in hohem Grade der Gefahr des Zerbrechens aussetzen, so dass eine fortwährende Auslese des Festeren stattfinden müsse. Die Gefahr des Zerbrechens aber werde bedingt durch die Be- wegung des Wassers in den geringen Tiefen, in welchen die Thala- mophoren zumeist leben und die Schnecken, welche sie mit ihren Sohlen erdrücken. Ausnahmen bestätigen die Regel: die sandige, sehr zerbrechliche Syringammina Brady lebt in so großer Tiefe, dass ihr die Wellenbewegung nichts anhaben kann — ob sie vor den Insulten der Schnecken und anderer Thiere sicher ist, steht freilich dahin — wahrscheinlich ist sie ein recenter Neuling, der noch nicht lange genug unter der Festigkeitsauslese gestanden hat. Selbstver- ständlich ist sie fossil nicht bekannt. Zweitens haben sich die Glo- bigerinen dnrch ihren Aufenthaltsort der Festigkeitsauslese entzogen. Sie haben vielmehr zur Erhöhung der Schwimmfähigkeit nach Aus- dehnung ihrer Gehäuse hingestrebt. Dadurch wurde aber die Zerbrechlichkeit so groß, dass sich die Gehäuse durch Umhüllung mit der Orbulinaschale schützen mussten. Ferner ist die Vielkernig- keit wegen ihrer Bedeutung für die Regeneration ein Mittel, um die Festigkeitsauslese unnöthig zu machen: jedes zerbrochene Stück er- zeugt wieder ein neues Thier. Durch die schwimmende Lebensweise wurden die Globigerinen der Vielkernigkeitsauslese entzogen — ihre Gehäuse wurden durch die Wasserbewegung nicht zerstört. Die zer- brechlichen Orbitoliten dagegen sind vielkernig. Eben so sollen die Nodosarien, wie besprochen, durch Zerbrechen zur Bildung der Lage- niden geführt haben. Ich habe die Ansichten RHUMBLER’s ausführlich wiedergegeben, als Beispiel dafür, wie die jetzt Alles beherrschende Darwın’sche Nützlichkeitslehre die Gestaltung der organischen Welt zu erklären glaubt, indem sie Wirkung für Ursache nimmt und die wahren Ur- sachen der Umgestaltung bei Seite liegen lässt. Eine Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl giebt es nicht. Die Auslese kann nichts Neues schaffen, sie kann nur Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXV. Bd, x 43 658 G. H. Theodor Eimer und C. Fickert, arbeiten mit schon Vorhandenem — ich wiederhole diese Sätze so lange, bis sie gehört werden. Die Festigkeitsauslese ist kein Movens für die Gestaltung der Foraminiferenschalen, sie ist nicht einmal maßgebend für die Stärke, noch weniger für die Zusammensetzung derselben, wenn sie auch die erstere unter Umständen fördern wird. Die Thatsachen zeigen auf das Bestimmteste, dass es die Beschaffenheit des Wohnwassers ist, welche die Zusammensetzung der Schalen, ob sandig, kalkig oder kieselig, bedingt. So haben sich Gattungen mit sandigen zer- brechliehen Schalen von den ältesten Zeiten bis heute erhalten, die sandigen Gehäuse sind überhaupt die ursprünglichsten und die jetzt lebenden Sandschaler sind nicht entfernt alle Neulinge, welche sich etwa durch Auslese noch nicht vollkommen gefestigt hätten. Feste kalkige oder gar kieselige Gehäuse wären wohl unzweifel- haft allen Foraminiferen nützlicher als zerbrechliche sandige — aber sie können nicht überall, sie können nicht aus jedem Plasma gebil- det werden. Denn zuerst muss das Rhizopodenplasma unter dem Einfluss seiner Umgebung und seiner Ernährung eine bestimmte Be- schaffenheit und Zusammensetzung erlangen, bevor es eine Schale von bestimmter Zusammensetzung und auch Stärke — von der Gestalt noch nicht zu reden — herstellen kann, dass dann eine Ver- stärkung der Schale durch Auslese begünstigt werden kann, soll nicht bestritten werden. Aber ob diese Festigkeit für die Thier- chen so wichtig ist, wie RHUMBLER meint, scheint mir doch zwei- felhaft, eben schon in Anbetracht der Thatsache, dass es sehr viele zerbrechliche Schalen giebt, nicht nur schwimmende, wie die der Globigerinen, sondern auch — und zwar in den verschiedensten Tiefen kriechende. Man wird ferner kaum nachweisen können, dass die Foraminiferen mit den stärksten Schalen überall da leben, wo die letzteren am meisten dem Zerbrechen ausgesetzt sind. Die Stärke der Schalen scheint mir nicht so sehr wichtig für das Leben der Foraminiferen auch desshalb, weil die Schalen offenbar sehr leicht wieder ersetzt werden — die kleinen Plasmakörper können auch ohne oder mit verletztem Gehäuse wohl lange ihr Dasein fristen, wie so viele ihrer Verwandten der Schalen zeitlebens entbehren. Der Wellenschlag dürfte so kleinen Wesen auch nicht so leicht etwas anhaben — höchstens heftige Brandung, aber solche kommt bei dem ungeheneren Wohngebiet unserer Thierchen im weiten Meere und vollends bei ihrer ungeheueren Zahl für das Leben der Die Artbildung und Verwandtschaft bei den Foraminiferen. 659 Gesammtheit doch wohl kaum in Betracht — noch weniger die sie erdrückenden Schneckensohlen. Nieht nur die Zusammensetzung, auch die Stärke der Gehäuse, wenigstens der kalkigen und kieseligen, wird in letzter Linie wesent- lich von äußeren Verhältnissen abhängen, welche besondere Eigenart des Plasma bedingen aus diesem wird die Kalk- bezw. Kiesel- masse sich naturnothwendig ausscheiden, eben so die organische Masse, welche die Grundlage der Sandgehäuse bildet. Noch weniger kann Festigkeitsauslese die Verschiedenheit der Gestaltung der Foraminiferenschalen verursacht haben — sie kann unbedingt nicht maßgebend sein für ein auf diese Gestaltung begründetes System, also auch nicht für das von RHUMBLER auf- gestellte. Die Orbieulinenkammer der Globigerinen ist nicht entstanden um dem Gehäuse der letzteren bei großer Ausdehnung mehr Festig- keit zu geben, sondern sie ist entstanden durch organisches Wach- sen, aus physiologischen Ursachen — erst als sie bis zu einem ge- wissen Grade gediehen war, konnte sie vielleicht von Nutzen sein — wenn sie es überhaupt thatsächlich geworden ist; zur Zeit des ersten Beginns ihrer Bildung und nachher während lange dauernden gesetz- mäßigen phyletischen Wachsens wohl war sie ohne Nutzen — jeden- falls hat ihr der Nutzen, welchen sie einst erlangen konnte, nicht vorgeschrieben, wie sie wachsen sollte, um ihm zu dienen. So ist es mit allen nützlichen Eigenschaften, welche nicht etwa plötzlich fertig entstanden sind und sich auf die Nachkommen ver- erbt haben, wie das bei sprungweiser Entwicklung (Halma- togenesis) allerdings der Fall sein kann. Aber diese sprungweise Entwicklung beruht wiederum auf äußeren und inneren (konstitutio- nellen) Ursachen. Insbesondere ist die Veränderung der Lebensver- hältnisse dabei maßgebend und die Correlation, wie am besten die Amphibien zeigen. Auf dem langen Weg, in der langen Zeit, welche eine Aıt braucht, um von einer geradegestreckten Art zu einer fest und dicht spiralig gewundenen zu werden, ist doch die Festigkeitsauslese nicht das Movens der Umbildung, denn die gekrümmte und die noch nicht geschlossen gewundene Schale ist eben so oder sogar noch mehr zerbrechlich wie die gerade. Aber die ganze Vorstellung vom Nutzen der Umgestaltung wird schon dadurch aufgehoben, dass sich solche gewundene Arten eben so langsam wieder zu geradegestreckten auf- wickeln und strecken können. Und eben so viele Fälle giebt es, in | 43* 660 G. H. Theodor Eimer und C. Fickert, welehen die Umbildung von vorn herein augenscheinlich mit der Festig- keit, obschon diese nützlich wäre, gar nichts zu thun hat, ja ihr entgegen ist. Das ist der Fall bei aller Kammerung röhriger Ge- häuse, ferner bei der Längsspaltung einreihiger stabförmiger Formen in zwei- und mehrreihige. Eben so sind die dünnen perforirten Gehäuse, welche doch höheren Gattungen angehören, ja viel zerbrechlicher als nicht per- forirte. Auch für das System RHuuMBLeEr’s ist augenscheinlich nicht die Festigkeitsauslese maßgebend gewesen, sondern die Verwandtschaft der Gehäuseformen, andernfalls hätte sich dasselbe nicht dem unsrigen so ähnlich gestaltet. Jene Verwandtschaft aber beruht darauf und ist dadurch eine blutsverwandte, dass sie der Ausdruck einer all- mählichen Umbildung der Formen nach bestimmten Richtungen ist. Die Orthogenesis, die Lehre von der gesetzmäßigen Umbildung nach bestimmten Richtungen, die Morphophysis (Örganophysis), das organische Wachsen der Lebewelt, kommen in der vom Ein- fachen zum Zusammengesetzten fortschreitenden und zuweilen wie- der zu Ersterem zurückkehrenden Umgestaltung der Foraminiferen- schalen in augenfälligster Weise zum Ausdruck. Wie die Zusammensetzung der Gehäuse, so muss auch diese Umgestaltung auf allmählichen Veränderungen der äußeren Einflüsse, unter welchen die Thiere leben und damit ihres Plasma beruhen, zugleich unter Beeinflussung durch mechanische Gesetzmäßigkeit. Wie weit die letztere, die mechanische Fügung der elementaren und der zusammengesetzten Theile, mit der Auslese zusammenhängt, ist schwer zu entscheiden. Wenn man aber den Formenreichthum der Foraminiferengehäuse und dazu ihre Kleinheit berücksichtigt, so wird man, wie ich schon vor langer Zeit auch für die Radiolarien hervor- hob, zur Überzeugung kommen müssen, dass jedenfalls die Mannig- faltigkeit der Gestaltung der Gehäuse nicht auf Nutzen beruhen kann. Nachdem der Nachweis bestimmter Entwicklungsrichtungen, so- sar unter theilweiser Umkehr derselben, diese Mannigfaltigkeit in sesetzmäßig zusammenhängende Reihen aufgelöst hat, ist die Annahme von irgend maßgebender Bedeutung der Auslese bei ihrer Gestaltung noch mehr zurückgewiesen und drängt sich die von mir längst her- beigezogene und vorhin schon angewendete Vorstellung auf, dass die kalkigen und kieseligen Gehäuse von Foraminiferen und Radiolarien eben so wie die Kiesel- und Kalkkörperchen und Nadeln der Spon- Die Artbildung und Verwandtschaft bei den Foraminiferen. 661 sien u. a. als organische Krystallisationen aufzufassen seien, welche sich naturnothwendig aus dem gegebenen Plasma ausscheiden. Die Auslese kann hier wie auch sonst nur die Bedeutung haben, dass sie das Bestehenbleiben nützlicher Formen beeünstigt, schäd- Jiche ausmerzt und dass sie auch nützliche Intwieklungsrichtungen begünstigt und dadurch festigt. Als einer der sprechendsten Beweise für meine Auffassung er- scheint die bei den Foraminiferen zu Tage tretende Umkehr der Entwicklungsrichtungen, welche nur bei so einfacher, niedrig stehen- der Organisation in voller Reinheit wird auftreten können, weil hier der Aufbau noch nicht verschiedenstufige (heterepistatische) und wechselbezügliche (correlative) Entwicklungseinheiten einschließt. Hervorragend bemerkenswerth für meine Entwicklungslehre ist ferner die von RHUMBLER behandelte »auffällige Erscheinung eines Semeinsamen Entwicklungszieles für verschiedene Schalenformen«, welche, wie er meint, leicht den Anschein erwecken könnte, als ob Teleologie bei dem Hinstreben verschiedener, nicht unmittelbar ver- wandter Arten nach Quinqueloculina mit im Spiele wäre. Es han- delt sich aber hier nur um ein neues schönes Beispiel für das von mir aufgestellte Gesetz der unabhängigen Entwicklungsgleich- heit, Homöogenesis, für welche ich besonders in meiner »Art- bildung und Verwandtschaft bei den Schmetterlingen« und in der »Orthogenesis der Schmetterlinge« grundlegende Thatsachen mitge- theilt habe. Auch diese Homöogenesis lässt sich nicht, wie RHUMB- LER meint, durch Festigkeitsauslese, sondern nur durch Organo- physis erklären, aus denselben Gründen, welche ich vorhin schon für die Entstehung gewundener etc. Gehäuse geltend gemacht habe. Wollte man Festigkeitsauslese für diese und für die Entstehung von Quinqueloculinen aus verschiedenen Stammformen verantwortlich machen, so müsste man in der That Zielstrebigkeit dabei voraus- setzen: die Gehäuse müssten Jahrtausende hindurch, ja Jahrmillionen lang nach einer bestimmten Form hinstreben, weil diese in ihrer nach dieser Zeit erreichten Vollendung durch ihre Festigkeit nütz- lich wird — während sie in dieser Zeit nicht fest, und darum nicht nützlich ist. Nach meiner Auffassung ist dagegen die Homöogenesis die Folge einer ähnlichen Plasmabeschaffenheit (Konstitution) unter Einwirkung sleicher äußerer Verhältnisse oder die Folge gleicher Wirkung der Wechselbeziehung zwischen Konstitution und äußeren Einwirkungen auch bei Verschiedenheit beider. 662 G. H. Theodor Eimer und C. Fickert, Ernst Haeckel’s System der Thalamophoren. E. HAEcker’s System der Foraminiferen oder Thalamophoren ! geht von der Unterscheidung in Imperforata und Perforata aus, womit ein srundlegender Unterschied von den unsrigen gegeben ist, so dass beide nicht übereinstimmen können. Der von HAECKEL in zweiter Linie als wichtig gestellte Eintheilungsgrund, die Ein- oder Viel- kammerigkeit, ist auch nach unserer Behandlung wichtig desshalb, weil die einkammerigen Gattungen offenbar die ursprünglichen sind, aber für uns ist außer der Einkammerigkeit für Aufstellung der ur- sprünglichsten Gattungen besonders maßgebend die stoffliche Zu- sammensetzung der Schale und auch die höher oder weniger gediehene und gefestigte Ausbildung der Form derselben. Gegen die Annahme HAEckEL’s, dass in jeder Kammer der Viel- kammerigen ein oder mehrere Zellkerne liegen, tritt RHUMBLER auf mit der Angabe, dass die meisten Vielkammerigen nur in einer Kammer einen Kern führten; somit würden die einzelnen Kammern nicht, wie HAECKEL will, durch Knospung entstandenen Zellen ent- sprechen. So besitzen nach RHUMBLER alle Globigerinen (einschl. Orbulina) Hastigerina und Pullenia, höchst wahrscheinlich aber alle pelagisch lebenden Foraminiferen, während der Hauptzeit ihres Lebens nur einen Kern, zu der Zeit nämlich, da alle Kammern, welche über- haupt angelegt werden, schon angelegt sind, das »ganze Kammern- ensemble« könne also nur als das Abscheidungsprodukt einer einzigen Zelle aufgefasst werden. Die näheren Beweise verspricht RHUMBLER in einer späteren Arbeit zu bringen. HAECcKEL betrachtet »die mannigfaltige Form des Wachsthums der Coenobien« (der Vielkammerigen) als die nächste direkte Ur- sache der vielgestaltigen Schalenbildung der Thalamophoren; sie sei in hohem Maße von den Anpassungsbedingungen, der Umgebung und Lebensweise abhängig, daher zeigen die planktonischen Globigeretten (kaum 20 Arten aus 8 Gattungen) eine hohe Einförmigkeit und Be- ständigkeit in der Schalenbildung; alle übrigen Thalamophoren hin- gegen (mehrere tausend Arten mit mehr als hundert Gattungen) 1 HAECKEL setzte den Namen Thalamophoren statt Foraminiferen und be- zeichnet den letzteren als unpassend. Obschon nicht alle Foraminiferen durch- löcherte Schalen haben, so glaube ich doch den Tausch mit der Bezeichnung Thalamophoren nicht unterstützen zu sollen: Gehäuse, Schalen haben zahlreiche Thiere, und sogar andere einzellige als Foraminiferen. Die Artbildung und Verwandtschaft bei den Foraminiferen. 663 seien in Anpassung an die benthonische Lebensweise dem größten Wechsel der variablen Schalenbildung unterworfen. Im Vorstehenden und im Folgenden, indem HAECKEL die meist zunehmende Größe der jüngeren Kammern der Polythalamien »einfach als die nothwendige Folge des beständig an Intensität gesteigerten Wachsthums« betrachtet, begegnet mir gegenüber dem Darwinismus die Anwendung meiner Lehre vom organischen Wachsen. Was die Abhängigkeit der durch das Wachsen hervorgerufenen Gehäusege- staltung von Anpassungsbedingungen angeht, so beruht nach meiner Auffassung die »Anpassung« wesentlich darauf, dass von den aus physiologischen Ursachen entstandenen Formen eben unter bestimm- ten äußeren Lebensverhältnissen nur die und die leben können, unter anderen andere — unter den einen nur wenige Formen bestimmter Art, unter anderen viele verschiedene. Der Darwinismus erklärt fälschlich die vorhandenen Formgestaltungen als durch die Zucht- wahl, durch die Auslese, durch den Nutzen entstanden, und legt in den Begriff Anpassung sogar gern etwas unmittelbar Thätiges hinein. Es ist aber »Anpassung« thatsächlich nichts Anderes, als die durch den Kampf ums Dasein, durch die Nothwendigkeit, den Nutzen, die Zuchtwahl erzielte Auslese unter den durch physiologische Ursachen erzeugten Formen dahin, dass nur die unter bestimmten äußeren Verhältnissen lebensfähigen bestehen bleiben, die anderen aber zu Grunde gehen. Wenn HAEcKEL weiterhin sagt!, »die chemische Beschaffenheit der Schale ist in hohem Maße abhängig von der Anpassung an die Umgebung, vor Allem von der Beschaffenheit des Meeres- bodens, auf dem die Thalamophoren leben«, und wenn er hier mit An- passung die unmittelbare physikalisch-chemische Wirkung der Um- sebung auf die Zusammensetzung. der Schale meint, so kann ich mit dieser Anwendung des Begriffes Anpassung nach Obigem nicht über- einstimmen. HAECKEL erwähnt als Beispiel, dass, wie auch von uns schon verwerthet, die kalkschaligen Milioliden im Brakwasser ihre Kalkerde in demselben Maße als der Salzgehalt des Wassers ab- nimmt, verlieren, bis zuletzt nur eine Chitinschale? übrig bleibt, welche sich aber durch Aufnahme von Sandkörnchen in eine Sand- schale verwandeln kann. In größeren Meerestiefen wird der Kalk ip. 181 p E 2 Nach RHUMBLER lösen sich alle »Chitinschalen« von Foraminiferen in kochender Kalilauge auf, und handelt es sich im Stoff dieser Schalen also nicht um Chitin, sondern nur um eine hornartige Masse. 664 G. H. Theodor Eimer und C. Fickert, derselben Milioliden durch Kiesel ersetzt. »Die erbliche charakte- ristische Wachsthumsform der Schale wird durch diese Anpassungen oft wenig oder gar nicht verändert«, schließt HAEcKEL, indem er so wiederum die Bedeutung des organischen Wachsens für die Form- gestaltung in meinem Sinne voranstellt. Würden wir aber in HAEcKEL’s Sinne von Anpassung reden dürfen, so müsste schließlich jede Wir- kung physikalisch-chemischer Ursachen Anpassung genannt werden müssen. HAEcKEL erklärt die Theorie, dass alle kalkschaligen Thalamo- phoren ursprünglich von sandschaligen abstammen, und dass die ‚»irregulär agglutinirenden Astrorhiziden< die gemeinsame Stamm- gruppe darstellen, aus welcher zunächst »regulär agglutinirende« und dann kalkige hervorgegangen seien (NEUMAYR), für irrthümlich, denn es finde zuweilen gerade das Umgekehrte statt. Auch die Paläon- tologie spreche nicht dafür. Nach HaAEcKEL’s Auffassung besaßen vielmehr die ältesten Thalamophoren reine Chitinschalen. Das Letztere hat viel Wahrscheinlichkeit für sich, allein die Paläonto- logie lässt uns zu Gunsten dieser Annahme vollkommen im Stich. Wenn ferner die chemische Zusammensetzung der Gehäuse eine Folge der Beschaffenheit des Wohnwassers ete. ist, so erklärt es sich leicht, dass auch in verschiedenen Zeiten an verschiedenen Ört- lichkeiten sandige und kalkige Gehäuse vorkamen und vorkommen. (Auch dass sie mit und neben einander vorkommen ist verständlich, denn einmal handelt es sich um sehr allmählich vor sich gehende Umbildung, und dann kommen immer zwei Dinge in Betracht: außer den Verhältnissen der Umgebung auch die überkommene Beschaffen- heit [Konstitution] des Plasma, welche durch erstere umgeändert wer- den muss, bevor sie andersartige Gehäuse erzeugen kann.) Der Grund, warum auch wir die sandigen Formen und zwar gerade auch die Astrorhizen als Ausgangsformen für die Entstehung der übrigen Foraminiferen ansehen zu müssen glaubten, ist der, dass dieselben auch die einfachsten, unvollkommensten, ja theilweise noch gar nicht regelmäßig geformten Schalen haben: Die stoffliche Zu- sammensetzung der Gehäuse allein darf nach Obigem selbstverständ- lich niemals die Grundlage eines Systems bilden. Die bei den Foraminiferen vorkommenden »parallelen Entwick- lungsreihen«, d. i. von uns durch Homöogenesis (unabhängige Ent- wicklungsgleichheit) erklärten Thatsachen veranlassen HAECKEL eine polyphyletische Entstehung der Polythalamien anzunehmen. Dass dem- semäß einzelne Formen, wie eben Quinqueloculina auf verschiedenem Die Artbildung und Verwandtschaft bei den Foraminiferen. 665 Wege, aus verschiedenen Stammformen entstehen können, ist selbst- verständlich und wir können in solchen Fällen in der That einen polyphyletischen Ursprung verzeichnen. II. Systematischer Theil. Indem wir nun zur Darlegung unserer Eintheilung der Foramini- feren übergehen, erscheint es nothwendig, einige Bemerkungen darüber zu machen, wie wir bei der Namengebung verfahren sind. Aus dem Vorstehenden ergiebt es sich als selbstverständlich, dass wir zumeist genöthigt waren, neue Gruppen zu bilden, indem 'wir ja gar keine Rücksicht nehmen auf die einzelnen Kennzeichen, welche den bisherigen Eintheilungen zu Grunde gelegt wurden. Gewöhnlich kamen wir aber in die Lage, einen mehr oder weniger großen Theil der alten Familien in die unsrigen herüber zu nehmen, dasselbe er- sab sich für die Gattungen. Wir sind nun, was die Namen angeht, in der Regel so verfahren, dass wir die alten, mehr oder weniger eingebürgerten Namen der alten Verbände auf die neuen übertragen haben. In anderen Fällen haben wir die Namen nach der wichtig- sten oder nach der ursprünglichsten — nach der Ausgangsform einer Gruppe gewählt. Was unsere großen Abtheilungen angeht, so sind es, nach Maß- sabe der Hauptentwicklungsrichtungen, deren acht, welche aber in neun Hauptstämme zerfallen, indem die Orthoclinostegia aus zwei Hauptstämmen zusammengesetzt sind. I. Astrorhizidae nobis. Verzweigte aus Sand oder Schlamm bestehende offene Röhren oder eine Kammer mit sternförmigen solchen Röhren. Frei oder fest- gewachsen. l. Fam. Protocystidae nobis. Ganz unregelmäßige, sandschalige Blasen auf Steinen oder anderen Ge- genständen festgewach- T 2 Fig. 14. sen mit unregelmäßigen, Placopsilina vesicularis Brady. 666 G. H. Theodor Eimer und C. Fickert, die Scheinfüßehen umschließenden Röhrchen und durch diese Röhr- chen zuweilen zusammenhängend. Placopsilina vesieularis Brady. Nach der Abbildung von Brapy hat die größte der Blasen 1,5 mm Durchmesser (Fig. 14), Lebend, bei Buenos-Ayres und im Nordwesten von Irland gefunden von 630— 1443 Faden (1150—2010 m) Biere, 2. Fam. Astrorhizidae nobis, non Brady. Verzweigte, aus Sand oder Schlamm bestehende, an den Enden offene Röhren oder eine Kammer mit sternförmig abgehenden solchen Röhren, frei. Astrorhiza nobis (Astrorhiza Sand. ad p.). Sternförmig verzweigte, aus Sand oder seltener aus Schlamm bestehende, von einer Kammer ausgehende Röhren. Lebend. A. angulosa Brady. Sandig, dreieckig, mit kurzen Röhren. Von 78—1000 Faden (143—1829 m) Tiefe. Brapy t. XX. A. arenarıa Norm. Sandig, sternförmig, oder unregelmäßig verzweigt mit weiter Kammer und kurzen Röhren. Von 150 bis 650 Faden (274—1189 m) Tiefe. Brapy t. XIX. A. (Rhizammina) abyssorum M. Sars. Sternförmig, oder drei- oder vier- strahlig, oder unregelmäßig strahlig, mit langen, gerade abstehenden Röhren und kleiner oder nicht sehr großer Kammer. Von 219—1900 Faden (398 bis 3475 m) Tiefe (Fig. 15). BrADY t. XXI. A. limieola Sandahl. Fig. 15. a Astrorhiza abyssorum M. Sars. Gehäuse aus Schlamm, unregel- mäßig sternförmig, mit großer Kam- mer. Von 10—30 Faden (18—55 m) Tiefe. BrADY t. XIX. Die Artbildung und Verwandtschaft bei den Foraminiferen. 667 Rhizammina nobis (Rhizammina Brady ad p. Rhabdammina M. Sars ad p.). Unregelmäßig wurzelähnlich oder baumförmig verzweigte, sandige, nicht festgewachsene Röhren ohne Hauptkammer. Lebend. Rh. (Rhabdammina) cornuta Brady. | Wurzelähnlich verzweigt. Von 350—1215 Faden (640—2200 m) Tiefe. Brapy t. XXIL Rh. Ha ine Brady. Baumförmig verzweigt, bildet den Übergang zu den Done phryidae. Von 630-2900 Faden (1150—4284 m) Tiefe. Brapy t. XXVIO. Sagenella Brady. Verzweigte, mit der Fläche festgewachsene Röhren. S. frondescens Brady. Lebend auf Nullipora. Von 6-35 Faden (29—64 m) Tiefe. BRADY t. XXVII. li. Siphonoforaminifera nobis (Tubulata). An beiden Enden offene, ein- oder mehrkammerige, einfache oder verzweigte, oder mit einem Ende festgewachsene und dann stets verzweigte sandige, oder aus Schlamm oder Schwammkieselnadeln gebildete Röhren. 3. Fam. Rhabdamminidae nobis. Einfache, gerade oder leicht gebogene, selten spiralig gewun- dene, ein- der mehrkammerige, sandige oder aus Kieselnadeln be- ende Röhren. Rhabdammina nobis (Astrorhiza Sandahl ad p. Rhabdammina M. Sars ad p.). Gerade, einfache, sandige Röhren, zuweilen den Anfang einer Kammerung zeigend. Lebend. Rh. (Astrorhiza) granulosa Brady. Ungekammerte, an beiden Enden verjüngte, sehr diekwandige Röhren. In 1000 Faden (1829 m) Tiefe. Brapy t. XX. 668 G. H. Theodor Eimer und €. Fickert. Rh. linearis Brady. Lange (7 und mehr mm), gerade oder leicht gebogene, dünne Röhren, in deren mittlerem Theil sich eine dünnwandigere Erweite- rung (Kammer) befinde. Dünnwandig. Von 126—1900 Faden (230— 3475 m) Tiefe. Brapy t. XXI. Rh. (Astrorhiza) erassatina Brady. Ähnlich granulosa, aber mit den Anfängen einer Kammerung im Innern, welche durch Erweiterung des Kanals entsteht und zuweilen auch äußerlich durch unregelmäßige Einschnürungen angedeutet ist. An den Enden zuweilen mehr abgerundet. Sehr diekwandig. In 640 Faden (1160 m) Tiefe. Brapy t. XX. Rh. discereta Brady. Lange, ziemlich diekwandige, an den Enden wie abgebrochene, stellenweise eingeschnürte Röhren mit den Anfängen einer Kamme- rung, welche durch die Einschnürungen äußerlich angedeutet ist. Von 350—2475 Faden (640—4500 m) Tiefe. Brapy t. XXL. Marsipella Norman. Leicht unregelmäßig gebogene, zuweilen in der Mitte erweiterte, nach den Enden verdünnte Röhren, ganz sandig oder in der Mitte aus Sand, nach den Enden zu aus Schwammkieselnadeln oder ganz aus letzteren bestehend. Lebend. M. elongata Norman. In der Mitte erweitert, sandig, nach den Enden aus Kieselnadeln bestehend. Ziemlich stark unregelmäßig gebogen, bis 6 mm lang. Von 129—900 Faden (236—1646 m) Tiefe. Brapy t. XXIV. M. eylindrica Brady. Ganz aus Kieselnadeln, gleich weit, wenig gebogen, 7 mm lang oder länger. Von 210—1900 Faden (382—3475 m) Tiefe. BrAaDy EERRIV. M. (Rhizammina) indivisa Brady. Rein sandige, meist gebogene, an beiden Enden oft plötzlich zu- gespitzte Röhren, bis etwa 10 mm lang. Von 150—540 Faden 274—987 m) Tiefe. Brapy t. XXIX. Bathysiphon M. Sars. Bis über 50 mm lange, einfach gebogene, stellenweise einge- Die Artbildung und Verwandtschaft bei den Foraminiferen. 669 schnürte, mehrkammerige, aus Sand und Schwammkieselnadeln be- stehende Röhren. B. filiformis M. Sars. Einzige lebende Art. Bis 1425 Faden (2606 m) Tiefe. Brapy ERXV. | Gyrammina nobis (Trochammina Brady ad p.). Spiralig in einer Ebene gewundene, an beiden Enden offene Röhre. G. annularis Brady. Im Kohlenkalk (Palaeontographical soc. 1876). 4. Fam. Dendrophryidae nobis. Mit einem Ende, ohne blasige Erweiterung, festsitzende, baum- förmig verzweigte, an den Enden offene, sandige oder aus Chitin und Schlamm bestehende Röhren, oder einfache solche Röhren, im letzteren Fall am oberen Theil mit Kieselnadeln. Haliphysema Bowerbank. Einfache, festsitzende oder oben verzweigte Röhre, unten sandig, nach den freien Enden zu außen mit nach vorn und außen abstehen- den langen Kieselnadeln besetzt. 2 lebende Arten. H. Tumanowiezii Bowerbank. Einfacher unverzweigter Schlauch, 1,3 mm. Von 20—25 Faden (36—45 m) Tiefe. Brapry t. XXVII. H. ramulosum Bowerbank. Verzweigt, bis 2,6 mm. Ebberegion bis 15 Faden (27 m) Tiefe. BrapDy t. XXVIL. Dendrophrya Right. Verzweigte, aus Chitin und Schlamm gebildete, Röhren. Lebend. D. radiata Right. Fast ohne Stiel, liegend, 6 mm. Ebberegion. Brapy t. XXVIIA. D. erecta Right. Baumförmig. Ebberegion. Brapy ft. XXVILA. 670 G: H. Theodor Eimer und C. Fickert, 5. Fam. Saccorhizidae nobis. Verzweigte, sandige Röhren, deren Ausgangspunkt ein am unteren Ende der Stammröhre befindlicher runder Sack bildet, frei oder mit dem Sack festsitzend. Psammatodendron Brady (Hyperammina Brady ad p.). Sandige, dünne, gabelig verzweigte Röhren, unten mit blasiger, festsitzender Erweiterung. P. arborescens Norman. Lebend. Von 20—350 Faden (36—558 m) Tiefe. BRApy t. XX VII. Saccorhiza nobis (Hyperammina Brady ad p.). Frei. S. ramosa Brady. Lebend, fossil im Jura. Von 60—3000 Faden (110—5487 m) Miele. »BrADrEL. RX: Ill. Cystoforaminifera nobis (Vesiculata). Die Gehäuse sind blasige oder kugelförmige Schalen, mit oder ohne Hauptöffnungen, häutig (Chitin), sandig oder kalkig, meist ein- kammerig (selten vielleicht mehrkammerig). 6. Fam. Gromiidae Carp. Häutige oder Chitin-Schale mit einer Hauptöffnung oder mit zwei solchen an den entgegengesetzten Enden, zuweilen mit Fremd- körpern besetzt. Einzeln, selten in Kolonien (Micerogromia socialis), lebend. Süßwasser und Meer. 7. Fam. Psammosphaeridae nobis. Einfache oder kolonienbildende sandige Hohlkugeln ohne Haupt- öffnung. Die Scheinfüßchen treten durch die Zwischenräume der Sandkörner aus. Psammosphaera F. E. Schulze. Einfache Kugeln. Ps. TuscarE E Schulze! Grobsandig, lebend wohl in allen Meeren von 440—2750 Faden (800—5010 m) Tiefe, fossil im Schweizer Jura. BrAapy t. XVII. ! Nach RHUMBLER (a. a. O.) soll Ps. fusca die Jugendform einer Saccam- mina sein. Die Artbildung und Verwandtschaft bei den Foraminiferen. 671 Ps. (Webbina) hemisphaerica Park. Jon. Feinsandig, halbkugelig, mit der ebenen Fläche festsitzend, lebend von 25—33 Faden (45—60 m) Tiefe und in der Kreide. Brapy r ALI. Sorosphaera Brady. Kolonienbildende sandige Kugeln. S. confusa Brady. Lebend von 630—2900 Faden (1152—5284 m) Tiefe. BRADY t. XVII. | Stortosphaera F. E. Schulze. Unregelmäßige Kammern mit Öffnungen auf Hervorragungen. St. albida F. E. Schulze. Lebend von 180—530 Faden (329—969 m' Tiefe. Brapy t. XXV. 8. Fam. Saccamminidae nobis. Einfache, auch an einander geklebte, kugelige, sandige, kalkige oder aus Schwammnadeln gebildete Blasen mit je einer Hauptöffnung oder auch mit zwei Hauptöffnungen an den entgegengesetzten Enden. Saccammina $ars. Sandig, eine oder mehrere an einander geklebte Kammern. Bil- den in manchen Gegenden den ganzen Meeresniederschlag und in der Steinkohle von Nordengland und Schottland ganze Gesteine. Fossil schon im unteren Silur. S. sphaerica M. Sars. Frei oder festsitzend, kugelig oder birmförmig. Ofinung mit ganz kurzem Hals. (Vielleicht auch vielkammerig und dann die jüngeren Kammern kleiner. Brapy t. XVII, f. XVI) Lebend von 173—1443 Faden (315—2640 m) Tiefe. Brapy t. XVII. S. socialis Brady. Mehrere selbständige Kammern an einander geklebt. Lebend von 1263— 2050 Faden (2308—3729 m) Tiefe. Brapy t. XVII S. difflugiformis (Rheophax difflugiformis Brady). Einzelne ei- oder flaschenförmige Kammern, deren Öffnung an einem längeren Halse sitzt. Fein oder grobsandig. Meer, Brakwasser 672 G. H. Theodor Eimer und C. Fickert, (Dublin), von 58—3950 Faden (106—7224 m) Tiefe. Brapy t. RER | S. ampullacea (Rheophax ampullacea Brady). Grobsandig, flaschenförmig, seitlich zusammengedrückt. Lebend in 120 Faden (219 m) Tiefe. Brapy ft. XXX. Pseudoplacopsilina nobis (Placopsilina Brady). y Sandig, halbkugelig, festgewachsen mit zwei entgegengesetzten Öffnungen. P. bulla Brady. Lebend, von 299—2160 Faden (544—3930 m) Tiefe. Brapy i. XAXV. Pillulina Carpenter. Kugelig, Wände aus Schwammnadeln und Sand bestehend, mit schlitzförmiger Hauptöffnung und etwas erhobenen Lippen. P. Jeffreysii Carpenter. Lebend von 630—1476 Faden (1152—2717 m) Tiefe. BRADY t. XXV. | Lagena Walker und Boys. Kalkig, kugelige, flaschenförmige oder langgestreckte Kammer mit einer meist an einem Hals befindlichen Hauptöffnung, zuweilen mit stacheligen Fortsätzen oder flügelartigen Verbreiterungen auch gerieft, getäfelt ete., durchlöchert. Vom oberen Silur an bis heute. Von der Ebberegion bis 3000 Faden (5487 m) Tiefe. 9. Fam. Kyphamminidae! nobis (Thuramminidae Brady ad p.). Sandig, unregelmäßig oder kuge- lig mit durchlöcherten, zum Austritt der Scheinfüßchen dienenden Höckern, das Gehäuse schließt zuweilen ein kleine- res ein, vgl. Orbulina unter den Globi- gerinen. Thurammina Brady. Jura (auch Württemberg), lebend, von 630— 2740 Faden (1152—5174 m) Tiefe. Fig. 16. Thuramalins sopifete Brad _BEADY t. XXXV, XXI 1 zugpoös, höckerig. Die Artbildung und Verwandtschaft bei den Foraminiferen. 673 IV. Ascoforaminifera nobis (Utriculata). Einfache, an einem Ende geschlossene, am anderen offene Schläuche oder Röhren aus Sand, selten aus Schlamm oder Kiesel- nadeln gebildet. 10. Fam. Ammoasconidae nobis. Gerade oder leicht gebogene, im geschlossenen Theil mehr oder weniger erweiterte oder trichterartige Gehäuse. Meist sandig. Jaculella Brady. Gehäuse eine grobsandige, trichterförmige, nach dem offenen Ende zu erweiterte Röhre. Zwei lebende Arten von 60—2900 Faden (110—5284 m) Tiefe. Brapy t. XXI. Pelosina Brady. Flaschenförmige, in eine lange Röhre ausmündende Schläuche oder einfache, hinten schlauchförmig geschlossene Röhren. Aus feinem Schlamm mit chitiniger Grund- lage (Fig. 17). Drei lebende Arten von 125—2900 Faden (228 bis 5284 m) Tiefe. Brapy t. XXV, XXVL Hippocrepina Parker. Feinsandige, fingerförmige Schläuche, eine lebende Art in 10-20 Faden (18—36 m) Tiefe. Brapy t. XXVI. Bactrammina nobis (Hyperammina Brady ad p.). Gerade oder leicht gebogene, ziemlich dünne, lange, einfache, sandige Röhren, deren geschlos- Fig. 1% Pelosina cylindrica senes Ende leicht erweitert ist. Brady. B. elongata Brady. Lebend 8 mm lang, von 80-3124 Faden (146—5713 m) Tiefe. Brapy t. XXI. Ammolagena nobis (Webbina Jones und Parker ad p.). Gehäuse feinsandig, flaschenförmig mit lang ausgezogenem Hals, die eine Seite abgeflacht und angewachsen. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXV. Bd. 44 674 6. H. Theodor Eimer und C. Fickert, A. elavata Jones und Parker. Braungelb, 0,5—1 mm lang, lebend von 100—2000 Faden (183 bis 3638 m) Tiefe. BraApY t. XLI. Botellina Carpenter. Grobsandige, gerade oder etwas gebogene, am geschlossenen Ende leicht erweiterte, außen unregelmäßige Stäbe, welche nur in ihrem hintersten Theil ganz hohl sind, während im übrigen die Baumasse- den ganzen Stab bis auf unregelmäßige Lücken erfüllt. B. labyrinthica Brady. 15 mm lang. Lebend in 440 Faden (800 m) Tiefe. Brapy t. XXRX. Technitella Norman. Gehäuse schlauch- bis eiförmig mit runder Öffnung, die Wand aus der Länge nach angeordneten Kieselstückchen von Schwämmen bestehend. Drei lebende Arten von 120—2350 Faden (219—4278 m) Tiefe. BrADY t. XXV, | 11. Fam. Serpuleidae nobis. Serpula-ähnlich gewundene, sandige, lange, dünne, an einem Ende geschlossene, liegende, mehr oder weniger festgewachsene Röhren. Serpulella nobis (Hyperammina Brady ad p.). S. vagans Brady. Lebend, von 15—2900 Faden (27—5284 m) Tiefe, eine ähnliche Art im Aargauer Jura. Brapy t. XXIV. V. Stichostegia nobis. Freie, einreihig gekammerte, hinten geschlossene, sandige oder kalkige Röhren. | A. Sandige: Psammatostichostegia. 12. Fam. Hyperamminidae nobis. Sandige Röhren mit beginnender Kammerung, die hinterste Kam- mer ein kugeliger Hohlraum, nur die vorderste mit Öffnung. —I oO“ Die Artbildung und Verwandtschaft bei den Foraminiferen. 6 Hyperammina nobis (Brady ad p.). Lebend. | H. friabilis Brädy. Kammerung kaum angedeutet, bis 16mm von 350—1425 Faden (638 —2606 m) Tiefe. Brapr t. XXI. H. subnodosa Brady. Deutlicher gekammert bis 18 mm, von 20—2600 Faden (36 bis 4735 m) Tiefe. Brapy t. XXI. Rheophax nobis (Montfort ad p.). Grob- oder feinsandige, oder Schwammnadeln und andere Fremd- körper in der Wand führende, mehr oder weniger langgestreckte Stichostegier. Die jüngsten Kammern meist die größten, das älteste dünne Ende leicht gebogen. Rh. secorpiurus Montf. Meist grobsandig: mit wenigen Kammern. Lebend, von 3—3950 Fa- den (5—7224 m) Tiefe, fossil Jura. Brapy ft. XXX. Abart Rh. fusiformis Williamson. Äußerlich und zuweilen auch innerlich einkammerig. This is a starved shallow-water variety of Rh. scorpiurus (BRADY, p- 291). In weniger tiefem Wasser, während die Haupt- form von 3—4 Faden bis 3900 Faden Tiefe vorkommt. Weitere lebende Arten: Rh. pilulifera Brady. Rh. dentalifera Brady. Rh. baeillaris Brady (Fig. 18). Rh. nodulosa Brady. Rh. guttifera Brady. Rh. spieulifera Brady. Rh. distans Brady. Rh. adunca Brady. Rh. membranacea Brady. Rh. sabulosa Brady. Rh. eylindrica Brady. i ET Fig. 18. Hormosina Brad; : Rheophax bacil- Reihen stark abgeschnürter kugeliger bis birnför- laris Brady. 44* 676 G. H. Theodor Eimer und ©. Fickert, miger Kammern. Hauptöffnung flaschenhalsähnlich. Fünf Tiefsee- arten bis 12,5 mm. 13. Fam. Aschemonellidae nobis. Verzweigte Ketten stark abgeschnürter Kammern, jede mit einer oder mehreren Öffnungen. Sandig. Aschemonella Brady. Zwei lebende Arten in 1500—2900 Faden (2743—5284 m) Tiefe. In die Nähe gehört vielleicht die kalkige Ramulina Rupert Jones. Sackartige Gehäuse mit auf Röhren stehenden Öffnungen, sind durch längere oder kürzere Röhren mit einander verbunden. R. globulifera Brady. Kammern mehr oder weniger stachelig. Lebend, vielleicht auch in der Kreide. Vielleicht hat aber diese Form Beziehungen zur Gattung Uvi- gerina: bei U. interrupta Brady sind die stachligen Kammern anderer Arten derart aus einander gezo- sen, dass sie je durch eine Röhre verbunden sind. B. Kalkige: Titanostichostegia. 14. Fam. Nodosaridae nobis. Gerade, zuweilen hinten leicht gebogene, durch kalkige Kammern gebildete Stäbe, die vorderen Kammern größer werdend. Mit durchbohrten Wän- den, häufig längsgerieft oder mit stacheligen oder anderen Fortsätzen. Nodosaria Lamarck (Fig. 19). Lebend bis zu 3000 Faden (5487 m) Tiefe, fossil vom Kohlenkalk an. EHRENBERG bildet aus dem silurischen Grünsand von St. Petersburg (Ber. d. Berl. Ak. 1858 in Fig. 2) emen Steinkern ab, welcher wahrscheinlich von einer Nodosarie herstammt. Fig. 19. Nodosaria soluta Reuss. vi. Textularidae Carpenter. | Gehäuse aus hinten oder durchweg zwei- oder mehrzeilig an- seordneten Reihen von Kammern bestehend, von welchen die jüng- Die Artbildung und Verwandtschaft bei den Foraminiferen. 677 sten die größten sind. Sandig, kalkigsandig oder kalkig, meist durchlöchert. Die kalkigen oft gerieft, stachelig ete. Eine Haupt- öffnung oder statt derselben wenige grobe Poren. Vom Silur an. Es beziehen sich unter den von EHRENBERG (Monatsber. der Berl. Akad. 1858) abgebildeten Steinkernen aus dem silurischen Grünsand von St. Petersburg vier (Fig. 3—6) auf Textulariden. Fig. 6 ist Bulimina-ähnlich. 15. Fam. Opistho-Dischistidae nobis. Hinten zweizeilig, vorn einzeilig. A. Cribrosa. Mit groben Poren statt der Hauptöffnung. Scheidewände der Kammern gewöhnlich mit einer großen Offnung (vgl. Endothyridae). Eine sehr ursprüngliche Form scheint zu sein Climacammina antiqua Brady aus der Kohle von England (BrApy, Pal. soc. 1876), sandig, die hin- teren Kammern unregelmäßig zweizeilig, die vorderen oft schief ge- lagert. Hinterende zuweilen gekrümmt, bis 2,5 mm lang oder länger. Moellerina nobis (Cribrostomum v. Moeller ad p.)'. Kalkig. M. gracile v. Moeller 1. c. Meelesansy. Moeller:!. c. M. pyriforme v. Moeller 1. ce. Alle im russischen Kohlenkalk. Hierher auch die lebende, sandige M. (Bigenerina Brady) robusta Brady. BrApDY t. XLV (Fig. 20). B. Osculosa mit einer Hauptöffnung. Protoscehista nobis (Rheophax Park. ad p.). Sandig, nur die hinteren zwei oder drei Kam- Fig. 20. : 2 Moellerina robusta mern doppelt von einander abstehend (Fig. 21). Bach. 1 v. MOELLER, Foraminiferen des russischen Kohlenkalks. Mem. de l!’Acad. de St. Petersbourg 1879. Bd. XXVI. 678 G. H. Theodor Eimer und C. Fickert, P. findens Parker. Lebend, in 15—20 Faden (27—36 m) Tiefe. Brapy t. XXXIL Bigenerina d’Orbigny. Kalkig sandig, die hinteren Kammerreihen doppelt, nicht von einander abstehend. Seit Kohle, etwa fünf lebende Arten. B. ca- preolus d’Orb. (Fig. 22) bildet den Ubergang zu den Pavoni- nidae, indem die breiten kurzen Kammern des flachen Gehäuses sich gebogen nach hinten über einander legen. Von 25—1000 Faden (45—1829 m) Tiefe. (Z Sagrina (d’Orbigny) Parker und Jones. Fig. 21. Fig. 22. Kalkig, vorderste Kammer Protoschista findens Bigenerina capreolus . 2 TEE 5 .. = er en mit erster runder Hauptöffnung (krugartig). Zu hinterst Beginn einer Doppelreihe kleinster Kammern, zuweilen aber ganz einreihig, so den Übergang zu Nodosaria bildend. Lebend, bis zu 200 Faden (364 m) Tiefe und seit Tertiär. (Sagrina columellaris Brady gehört zu Cristellaria.) 16. Fam. Pavoninidae nobis. Die hinteren Kammerreihen doppelt, die vorderen einfach, die vorderen je seitlich über die hinteren nach außen herübergebogen, das Ganze flach, pfauenschwanzähnlich. Keine Hauptöffnung, nur Poren. Kalkig? Pavonina d’Orb. Nur eine lebende Art. P. flabelliformis d’Orb. (Fig. 23) von 2—390 Faden (3,6—713 m) Tiefe. Brapy t. XLV. 17. Fam. Dischistidae nobis. Ganz zweireihig. A. Cribrosa. Cribrostomum y. Moeller 1. e. Cr. patulum Brady, die letzte Kammer ist noch nicht getheilt. Die Artbildung und Verwandtschaft bei den Foraminiferen. 679 Cr. eximium Eichw., auch die letzte Kammer kann getheilt sein. Cr. Bradyi v. Moeller - \ 3 ß di l t K: ® n th ilt. Cr. commune v. Moeller) Au: ammer stets gethel Fig. 23. Fig. 24. Pavonina flabelliformis d’Orb. Cribrostomum textulariforme v, Moeller. B. Osculosa. Textularia Defrance. Die Gattung Textuluria besteht aus Formen, welche theils lang- gestreckt sind, ähnlich Nodosarien, bald kurz zusammengezogen, unter letzteren sind besonders bemerkenswerth vollkommen kreisel- artige, ähnlich der dreireihigen Valvulina, z. B. T. trochus d’Orbigny seit der Kreide. Kalkigsandig oder kalkig von der unteren Kohle an. Die Kammern zuweilen mit seitlichen Öffnungen (T. siphonifera Brady). Etwa 30 lebende Arten. Hierher wohl auch Ehrenbergina Reuß. Vom Kohlenkalk an lebend in allen Tiefen. Vielleicht hierher auch Haplostiche Soldanii Jones und Parker. Globotextularia nobis (Haplophragmium 2 Brad. ad p.). Sandig, die jüngsten Windungen kuge- lis, groß, Globigerinen-ähnlich. Globotextularia anceps Brady. Globotextularia anceps Brady. Lebend von 390—2200 Faden (713—3900 m) Tiefe. (Fig. 25.) 680 G. H. Theodor Eimer und C. Fickert, 18. Fam. Opistho-Trischistidae nobis.- . Hinten drei-, vorn ein- oder zweireihig. Lebend, fossil seit der Kreide. A. Cribrosa. Chrysalidina d’Orb. Kalkig. Lebend, von 7—155 Faden (15—275 m) Tiefe und fossil seit der Kreide. Brapy t. XLVI. B. Osculosa. | Clavulina d’Orb. Feinsandig. Lebend, in allen Tiefen und fossil seit der Kohle. Brapy t. XLVII. Gaudryina d'Orb. Kalkig und kalkigsandig. Hinten drei-, vorn zweireihig mit Haupt- öffnung. Lebend in allen Tiefen und fossil seit der Kreide. BrADY t. XLVI. 19. Fam. Trischistidae nobis. Kalkigsandig, sandig. Dreireihig. Verneuilina d’Orb. Kalkigsandig (hyalin) (?), mit länglicher Hauptöffnung. Lebend in allen Tiefen und fossil seit der Kreide. Brapry t. XLVI. Tritaxia Reuß. Sandig und sandigkalkig (?). Mit runder Hauptöffnung. Lebend von 155—1240 Faden (275—2269 m) Tiefe und fossil seit der Kreide. BrApy ft. XLIX. Valvulina d’Orb. Kreiselförmig (Trochus-ähnlich). Sandig, Öffnung theilweise be- deckt durch eine klappen-(Valvula-Jähnliche Lippe, theils festsitzend, theils frei. Von der Kohle an, lebend in allen Tiefen. BrADY t. XLIX. 20. Fam. Buliminidae nobis. Hinten oder durchweg zwei- oder dreireihig, die jüngsten Win- dungen in der Regel viel größer, das Ganze oder der hintere Theil Die Artbildung und Verwandtschaft bei den Foraminiferen. 681 häufig mehr oder weniger Bulimus-ähnlich gedreht. Kalkig oder etwas sandig. Lebend, fossil vom Trias an. Bulimina d’Orb.- Mit mehreren Untergattungen, darunter Virgulina d’Orb., zwei- reihig, mit Neigung zur Cassidulina-Bildung. Bolivina d’Orb. zweireihie;, Textularia-ähnlich. Pleurosto- mella Reuß zweireihig, mit großer, unten ausgeschnittener Hauptöffnung u. a. Zuweilen gerieft oder stachelig. Fos- sil von der oberen Trias an, lebend in allen Tiefen. Brapy Er (Pig. 26). Hierher ist wohl auch zu stellen die Gattung Polymorphina d’Orb. EZ Bulimina pupoides d’Orb. Die einzelnen Kammern gewöhnlich nicht bauchig vorragend, wie meist bei den Buliminidae, sondern das ganze Gehäuse mit gemeinsamem Umriss. Die letzte Kammer gewöhnlich sehr viel größer als die übrigen, zuweilen ge- rieft oder stachelig, die Hauptöffnung sternförmig wie bei Cassidu- lina, auch die ältesten Windungen manchmal Cassidulina-ähnlich (vgl. oben Virgulina). Kalkig, lebend in allen Tiefen und fossil vom Silur (?) an. Brapy t. LXXI. In die Nähe von Bulimina gehört auch Uvigerina d’Orb. Kalkig, ausgezeichnet durch eine auf kurzem Hals stehende runde Hauptöffnung, oft gerieft oder stachelig, oder beides. Lebend in allen Tiefen, fossil seit dem Tertiär. Brady t. LXXIV. 21. Fam. Frondicularidae nobis. Flache, fächerähnliche Gehäuse, deren vordere Kammern ähn- lich wie bei den Pavoninidae über die hinteren nach beiden Seiten herum gelagert sind, dieselben umschließend, aber nicht gebogen, sondern in spitzem Winkel. Die ältesten Kammern sind Nodosaria-, Textularia- oder Cassidulina-ähnlich. Eine enge Hauptöffnung. Lebend von 80—600 Faden (128—1097 m) Tiefe und fossil seit der Kreide. 682 G. H. Theodor Eimer und C. Fickert, Den Ausgangspunkt scheinen Formen zu bilden wie Frondicularia spathulata Brady, deren Kammern Nodosarien-ähnlich angeordnet sind, nur zeigen die älteren den Beginn winkeliger ÜUbereinanderlagerung. Lebend, ähnliche Formen im Lias und Tertiär (Fig. 27). | 32), I 7 Fig. 28. Frondicularia spathulata Brady. Frondicularia alata d’Orb. - Gassidulina-ähnlich sind die hintersten Kammern z. B. bei F. alata d’Orb. Lebend und tertiär (Fig. 28). Hinten zweireihig sind sie bei “ F. interrupta Karrer. und F. inaequalis Costa, beide lebend und miocän, bei letzterer ist das hintere Ende zugleich zuweilen etwas gebogen. VIl. Enclinostegia nobis. Die hinteren oder sämmtliche Kammern schief an einander gereiht. 22. Fam. Cassidulinidae nobis. Sandig oder kalkig. Die Artbildung und Verwandtschaft bei den Foraminiferen. 683 Cristellaria Lamarck. Sandig oder kalkig, Kammern einzeilig, die hintersten kleinen Jakobinermützen-artig gelagert, die vordersten gerade oder schief, oder die hintersten spiralig gewunden, die vordersten schief oder endlich alle spiralig gewunden, die jüngste mit einfacher oder stern- förmiger Hauptöffnung. Fossil vom Silur (?) an, lebend in allen Tiefen. Brapy t. LVI. . A. Cristellariae opisthostreptae. Nur hinten gewunden. a. Sandig mit runder Hauptöffnung. C. (Haplophragmium) cassis Parker. Lebend von 5—20 Faden (9—36 m) Tiefe (Fig. 29). b. Kalkig mit sternförmiger Hauptöffnung. «) Die hinteren Kammern nicht spiralig sewunden, von den vorderen nicht überlagert, fast Nodosarien-ähnlich. Gehäuse nicht oder nicht stark seitlich zusammengedrückt. f PS FH E\ C. erepidula Fichtel und Moll. Lebend, fossil vom Lias an. Ahnlich ©. Schloenbachi Reuß. Lebend, fossil von der oberen Kreide an. Fig. 90. Dann Cristellaria cassis Parker. RN C. obtusata Reuß und C. tenuis Bornemann. Beide lebend, fossil vom Tertiär an. Hierher wahrscheinlich auch Vaginulina linearis Montagu und V. spinigera Brady. ß) Die hinteren Kammern spiralig gewunden, von den vorderen schiefen überlagert. Gehäuse flach. C. tricarinella Reuß. Lebend, fossil von der Kreide an. 684 G. H. Theodor Eimer und C. Fickert, Ganz wie eine halbseitige Frondieularia verhält sich C. (Vaginulina) patens Brady. | Eine Übergangsstufe zu dieser Gestaltung ist C. semmata Brady. C. Sidalliana Brady. ‚ Lebend. Manche Stücke ganz Ammoniten-ähnlich gewunden. Fast ganz gewunden sind auch: C. reniformis d’Orkb. (Fig. 30). C. nitida d’Orb. 0. crassa d’Orb. C. aculeata d’Orb. C. costata Fichtel und Moll u. A. Einzelne Stücke letzterer Art ganz gewunden. Alle diese Formen lebend und fossil vom Tertiär an. Fig. 30. Fig. 31 Cristellaria reniformis d’Orb. . Sagrina columellaris Brady. B. Cristellariae holostreptae. Ganz spiralig gewunden: C. rotulata Lam. C. vortex Fichtel und Moll. C. orbieularis d’Orb. ete. Alle lebend und vom Tertiär an. Cassidulina d’Orb. Hinten zweizeilig, Textularia-ähnlich, stabförmig oder gewunden, Die Artbildung und Verwandtschaft bei den Foraminiferen. 685 mit nicht sternförmiger Mundöffnung. Lebend in allen Tiefen und vom Eocän an fossil!. Brapy t. LIV. A. Cassidulinae opisthostreptae. Eine stabförmige, nur hinten schief gereihte Art ist z. B. C. Bradyi Norman. Als nur hinten gewundene gehört hierher wohl: C. (Truncatulina) variabilis d’Orb. Nahe steht auch die als Sagrina columellaris Brady beschriebene Form den ersten Anfängen der Cassidulmen-Bildungen (vgl. die Textularien). (Fig. 31.) 0. Parkeriana Brady ist zuweilen schon ganz gewunden. B. Cassidulinae holostreptae. laevigata d’Orb. crassa d’Orb. subglobosa Brady. contraria Reuß. Sieehe VIl. Orthoklinostegia. Regelmäßig, nicht schief, theilweise oder ganz gewundene (ein- gerollte) oder zusammengeleste Kammerreihen, seltener einkammerig (Cornuspiridae). A. Cornuspirenstamm. 23. Fam. Cornuspiridae nobis. Gehäuse eine meist in einer Ebene aufgerollte, hinten geschlos- sene Röhre, einkammerig, sandig oder kalkig. Seit der Kohle lebend. A. Sandige. Ammonema nobis (Trochammina Brady ad p.). Freie, röhrenförmige, sandige, nach vorn sich allmählich er- weiternde, unregelmäßig gebogene und oft hinten aufgewickelte Ge- häuse. 1 Merkwürdigerweise scheinen unter den Abbildungen EHRENBERG’S (l. c.) von untersilurischen Steinkernen Fig. 9 und 14 schon Cassidulinen anzugehören. 686 - &. H. Theodor Eimer und C. Fickert, Ammonema filum Schmidt. Zechstein von Selters. Ammodiseus Reuß. In einer Ebene oder mehr oder weniger spiralig aufgerollt. Seit der Kohle, lebend in allen Tiefen. Brapy t. XXXIH. A. tenuis Brady. Locker und nicht vollkommen regelmäßig, aber ganz flach gewun- den. Nur etwa acht Windungen. Lebend. NY A. inceertus d’Orb. Ganz regelmäßig flach gewun- den. Etwa 16 Windungen. Seit der Kohle lebend. (Fig. 32.) Mehr oder weniger spiralig ge- — wunden sind: N = a A. sordialis Jones und Parker. Lebend seit der Kohle. Die letz- ten Windungen schräg und quer über die anderen herüberlaufend. A. charoides Jones und Parker. Lebend vom Jura an. Spiralig, fast zur Halbkugelform gewun- den, die letzte Windung zuweilen quer oder schief über andere her- übergelagert. A. shoneanus Siddal. Langspiralig zur Stabform gewunden, äußerlich Nodosarien-ähn- lich. Lebend. B. Ralkige. Cornuspira M. Schultze. Stets in einer flachen Ebene gewunden, nicht durchlöchert. Vom Lias an, lebend von 70—1900 Faden (126—3475 m) Tiefe. Brapy BE C. foliacea Phil. ist dadurch bemerkenswerth, dass die jüngste Windung sich nach der Offnung zu sehr verbreitert. Die Artbildung und Verwandtschaft bei den Foraminiferen. 687 Spirillina Ehrenberg. In einer Ebene oder etwas eingedrückt gewunden. Durchlöchert. Lebend bis 1400 Faden (2550 m) Tiefe, seit Miocän. Brapy t. LXXXV. 24. Fam. Miliolidae Carpenter. Gehäuse mehrkammerig, Kammern gekniekt oder gerollt und seknickt, in einer Ebene um einander gelagert. Sandigkalkig oder kalkig, oft porzellanartig, die ältesten sandig, nicht durchbohrt, letzte Kammer mit einer Hauptöffnung, in welche zuweilen eine halbe, innen oft gegabelte Scheidewand hineinragt. Meist dickschalig; weil mehr an den Küsten lebend. Gehäuse oft gerieft, auch netzartig oder höckerig. Von der Trias an. A. Miliolidae opisthostreptae nobis. Nur die hinteren Kammern sind geknickt über einander gelagert, die vorderen Nodosarien-ähnlich, längsgeriefelt. Je älter die 'Thiere werden, um so mehr werden sie durch Entwicklung jüngerer Kam- mern Nodosarien-ähnlich. Kalkig vom unteren Tertiär an. Artieulina d’Orb. Vom Tertiär an, lebend bis 500 Faden (914 m) Tiefe. Brapy t: XI. A. funalis Brady. Im Alter ganz Nodosarien-ähnlich, hat nur hinten eine An- schwellung, welche aus mehreren, äußerlich nicht sichtbaren Miliola- Kammern gebildet ist. A. conico-articulata Batsch. Die hinteren Kammern um einander geknickt, die vorderen gerade, ziemlich langgestreckt, besonders die vorderste.e Mündung rund. Es giebt aber Formen, welche sich genau wie die vorige ver- halten, indem alle Kammern in einer geraden Linie liegen, die hin- terste aber sackartig angeschwollen ist. Nahe stehen einige andere Arten der Gattungen Artieulina und Vertebralina d’Orb., meist mit spaltförmiger Öffnung, über- gehend in Formen wie A. suleata Reuß, bei welchen die hinteren Windungen sich an die vordere seitlich anlegen. Ptychomiliola nobis (Miliolina Brady ad p.), nennen wir eine andere opisthostrepte Form, welehe sehr kräftig 688 G. H. Theodor Eimer und C. Fickert, längsgefaltet ist und deren hinterste Kammern mehrfach zusammen- gelegt sind und sich an die vorderste nur theilweise anlegen oder dieselbe freilassen. Mündung mit einem T-förmigen Vorsprung der Wand. Pt. separans Brady. Lebend von 8—155 Faden (15—283 m) Tiefe. Zu den folgen- den (Holostreptae) würde gehören Pt. (Mi- > liolina) linneana d’Orb. (Fig. 33). B. Miliolidae holostreptae nobis. Zu Holostreptae, bei welchen, wie bei der ebengenannten Ptychomiliola linneana, schon die ersten Windungen geknickt über einander liegen, dürften noch mehrere Gat- tungen und Arten zu stellen sein, was aber erst Schliffe entscheiden könnten. , Diese Formen würden also entweder von Nodo- sarien ausgegangen sein oder der Vorgang, welcher bei den folgenden sich erst später einstellt, nämlich die Knickung, wäre schon auf die ältesten Kammern übergegangen. Fig. 33. : - u . Ptychomiliola separans Brady. LPiese, und dahin gehören offenbar weitaus die meisten Milioliden, bilden zuerst eine gewundene Kammer, ähnlich Cornuspira und um diese herum legen sich geknickte. Solche Formen würden sich also an Cornuspira an- schließen. Ein sehr schönes Beispiel der Art ist schon äußerlich Ophthalmidium Kübler, bei welchem, wie auch bei Spiroloculina d’Orb., alle Windungen, auch die innersten, von außen sichtbar sind. Zu diesen Spiromiliolidae, wie man die Gruppe nennen könnte, scheinen nach den Durchschnitten, welche BrApy giebt, die meisten kalkigsandigen Formen zu gehören. 25. Fam. Orbitolitidae nobis. Zu den Milioliden werden gewöhnlich noch die Gattungen Hauerina d’Orb., Peneroplis Montf., Orbiculina Lamck., Orbi- tolites Lamck. und Alveolina Bose. gestellt. Alle sind por- zellanartig kalkig, undurchbohrt und haben an Stelle der Hauptöffnung der letzten Kammer zahlreiche Poren. Sie Die Artbildung und Verwandtschaft bei den Foraminiferen. 689 kommen fossil vom Lias an, lebend bis zu 300 Faden (548 m) Tiefe vor. Hauerina ist in der That eine Miliola mit solchen Endöffnun- gen, deren jüngste Kammern Stücke von.Windungen darstellen (wie das bei zahlreichen anderen Miliola auch vorkommt) und in einer Ebene um einander gerollt sind in der Weise, dass mehr als’ zwei Fig. 34. Fig. 35. Ophthalmidium tumidulum Brady. Spiroloculina asperula Karrer. " N / ' \ a E | Fr Le FI Fig. 36. Fig. 37. Miliolina cultrata Brady. Agathammina milioloides Brady. der jüngsten Kammern zur Herstellung eines Umkreises des Ganzen verwendet werden. Peneroplis bietet ganz verschiedene Formen: erstens stab- förmige, im vorderen Theil Nodosarien-ähnliche, hinten aber einge- rollte (opisthostrepte), wie Peneroplis cylindraceus Lamck., stär- ker eingerollt ist P. arietinus Bartsch; zweitens solche, welche ebenfalls nur hinten eingerollt, deren vordere Windungen bei stark Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXV. Bd. 45 690 G. H. Theodor Eimer und C. Fickert, aber sehr breit, kurz und halbbogenförmig an einer Seite bei stark tlächenartiger Ausbreitung des Ganzen über einander gelagert sind, wie eine halbseitige Pavonina (vgl. Vaginulina patens unter den Cassi- dulinidae); drittens Formen, welche ganz eingerollt sind (holostrepte) und deren jüngste Windungen nicht auffallend breit und kurz sind P. carinatus d’Orb., P. pertusus Forskal. Alle diese Formen werden von FORSKAL unter die Art P. per- tusus gebracht. Über die verschiedenen Abarten von Peneroplis ist neuerdings von DREYER eine größere, schon vorher erwähnte Arbeit veröffent- licht worden, in welcher derselbe auch offenbar pathologische Scha- lenbildungen durch die Beschaffenheit des Plasmas erklären will. F. Bei Orbieulina ist die zweite der erwähnten Peneroplis-Formen derartig umgestaltet, dass die Pavonina-Bildung nicht einseitig, son- dern fast ganz oder vollkommen gleichseitig erfolgt, wodurch ein regelrechter Pfauenschwanz entsteht. Zuletzt werden vollkommen kreisförmige aus dünnen ringförmigen Windungen mit einem inneren gewundenen Kern hergestellte Scheiben gebildet, die jüngste Windung trägt an ihrem Rand die Öffnungen. Die Scheiben sind so entstan- den, dass sich der Halbkreis der Windungen allmählich zum Kreis geschlossen hat, wodurch der Knoten der ältesten Windungen vom unteren Ende des Ganzen bis nahe in dessen Mitte zu liegen kommt. Bei einer und derselben Art, bei O. adunca Fichtel und Moll, finden sich alle Übergänge von pfauenschwanzähnlichen nach hinten in einen gekammerten Stiel sich fortsetzenden Stücken bis zu fast vollständig kreisrunden. Auch bei Orbitolites finden sich bei einer und derselben Art O0. marginalis Lamck. alle Übergänge von einer Pavonina-Form, wie sie bei Orbiculina vorkommt, bis zu vollkommen kreisförmigen Scheiben und zwar hier mit durchaus centralem Windungskern. Die sehr merkwürdige große (bis über 15 mm) Orbitulites tenuissima Carp. aber beginnt diesen Kern mit Cornuspira-Windungen, welche darauf in Miliola-ähnlich gelagerte Kammern übergehen, diese in Peneroplis- Kammern, auf welche endlich Windungen wie bei einer vollkom- menen Orbieulina folgen. Die vorliegende, von CARPENTER zuerst nachgewiesene Reihenfolge scheint darauf hinzuweisen, dass Orbito- lites zuerst eine Cornuspira war, dann durch Miliola, Peneroplis, Orbiculina sich zu Orbitolites herausbildete (vgl. NEUMAYR p.179, 180). Die Artbildung und Verwandtschaft bei den Foraminiferen. 691 Nach dem Verhalten dieser höchst entwickelten ©. tenuissima (Fig. 38) liegt es nahe anzunehmen, dass auch Orbieulina und Pene- roplis aus Spiromilioliden hervorgegangen sind, aber die ältesten Stufen ihrer Entwicklung verloren haben. Hiermit stimmt auch im Allgemeinen die paläontologische Entwicklung. So würde man diese Formen mit Recht den Spiromilioliden anschließen, aber als eine be- sondere Familie Orbitulitidae von ihnen abscheiden. IN > I Arm Fig. 38. Orbieulina tenuissima Carp. 26. Fam. Alveolinidae nobis. Mit spindel- bis eiförmiger, selten glatter undurchbohrter kalkiger Schale, mit spiraligen Windungen, von welchen die letzte die vor- hergehenden deckt, mit feinen Poren statt der Hauptöffnung. Die ei- und spindelförmigen Formen sind durch Ausziehen der durch den Windungskern gehenden Hauptachse entstanden zu denken, also durch eine sehr starke Verbreiterung der Kammern. Diese Kammern sind durch senkrecht zur Hauptachse derselben gerichtete unvoll- ständige Querscheidewände wieder in kleine, röhrenförmige Neben- 45* 692 G. H. Theodor Eimer und C. Fickert, kammern abgetheilt, deren jeder eine Mündungspore entspricht. Alveoliva findet sich von der Kreide an, hauptsächlich: verbreitet im Eocän, wo sie besonders im Nummulitengebirge Südeuropas (Kärn- then, Istrien, Dalmatien), dann in der libyschen Wüste gesteinbildend auftritt (Alveolinenkalke). Ein sicherer Anschluss dieser Alveolina an die Milioliden lässt sich in keiner Weise feststellen, noch über- haupt ein entwicklungsgeschichtlicher Anschluss an bestimmte andere Formen. Wenn das System die Stammesbeziehungen darlegen soll, wird man sie als eine besondere Familie Alveolinidae aufstellen müssen. Wegen der Überlagerung der inneren Windungen durch die äußeren und wegen der Scheidewandbildungen der Kammern werden sie übrigens noch am nächsten den Nummuliten zu stellen sein. Die Formen sind theilweise sehr groß, bis 1 cm lang (Alveolina boscii Defr.), lebend im stillen Ocean. 27. Fam. Chilostomellidae nobis (Brady ad p.). (Cryptostegia Reuß ad p.). Sandig oder kalkig, im letzteren Falle glasartig, fein durchbohrt, vielkammerig. Die Kammern stark aufgebläht, oft eiförmig. Milio- liden-ähnlich, aber zuweilen einseitig um einander gelagert, die jüngeren die älteren theilweise oder ganz umfassend. Wenn die letzte Kammer die übrigen fast ganz umschließt, kann eine voll- kommen eiförmige Gestaltung des Ganzen entstehen, umhüllen sich die letzten Kammern nur theilweise, so treten Formen auf, welche äußerlich manchen Endothyren wie Pullenia sehr ähnlich sind. Mit einer meist querschlitzförmigenHauptöffnung. Kleine Formen. Lebend, kalkige in der Kreide und im Tertiär. A. Sandige. Ammochilostoma nobis (Trochammina Brady ad p.). Außerlich Pullenia-ähnlich, meist drei bis vier Kammern sicht- bar. Lebend, Tiefseeformen. Hierher A. (Trochammina) ringens Brady. A. (Trochammina) galeata Brady (Fig. 39). A. (Trochammina) pauciloculata Brady. Vgl. NEUMAYR, Stämme des Thierreichs, ], Fig. 39. p. 167 Anmerkung, wo fälschlich statt paueilo- Ammochilostoma galeata A Brady. culata pauciforata steht. Die Artbildung und Verwandtschaft bei den Foraminiferen. 693 B. Ralkige. Hierher Allomorphina Reuß. Äußere Erscheinung ähnlich wie bei der vorigen. Lebend von 345—620 Faden (631—1134 m) Tiefe. Brapy t. LV. Chilostomella Reuß. Einseitig vollkommen eingewickelt, ei- förmig. Fossil vom Tertiär an, lebend von 90—3200 Faden(164—5830 m)Tiefe. Brapy t. LV. Ellipsoidina Sequenza. In gerader Linie aufgewickelt. Äußer- lich eiförmig. Kammern im Innern durch einen Verbindungsstrang verbunden. Miocän (Fig. 40). Die Chilostomellen schließen sich nach Fig. 40. der Windungsweise am meisten an die Eilipsoidina ellipsoides Sequenza. Milioliden an und dürften die kalkigen vielleicht als eine den Milioliden entsprechende durchbohrte Gruppe zu betrachten und von Spirillina abzuleiten sein. II. Endothyrenstamm. 28. Fam. Haplophragmidae nobis. Sandig, mehrkammerig, nur hinten oder ganz gewunden, die inneren Windungen von den äußeren nicht ganz verdeckt. Mündung einfach rund oder schlitzförmig, oder neben der schlitzförmigen Mün- dung noch Löcher in der Mündungsscheidewand. Sicheres Vorkom- men ausgestorbener von der Kohle an, es scheinen aber schon die Abbildungen 10—12 der untersilurischen Grünsandsteinkerne EHREN- BERG’S (]. ec.) den Endothyren verwandten Formen von Haplophrag- mium anzugehören. Haplophragmium (Reuß) nobis. Lebend, von 40 Faden (73 m) und tiefer und fossil von der Trias an. Windungen auf beiden Seiten gleich erschei- nend. Brapy ft. XXXIV. 694 G. H. Theodor Eimer und C. Fickert, A. Haplophragmia opisthostrepta. H. tenuimargo Brady, H. foliaceum Brady, zeigen den ersten Anfang der Windungen, die hinteren Kammern zu- weilen nur eine leicht gebogene Reihe bildend. T In die Nähe möchten auch Placo- P psilina cenomana d’Orb. und viel- leicht Bdelloidina aggregata Carter 5 gehören. » Dagegen bildet na. H. fontinense Tergqu., wie die vorigen flach den Übergang en. zu den ganz gewundenen (Fig. 41) Haplophragmium fontinense Terguem. oO = B. Haplophragmia holostrepta. H. rotulatum Brady. H. seitulum Brady, und vielleicht H. emaciatum Brady, welches zu den Endothyren übergeht, zu welchen die Formen von Haplophragmium im Sinne Brapy’s zu stellen sind, deren innere Windungen von den äußeren verdeckt werden. (H. globigeriniforme Parker und Jones ist eine vollkommene sandige Globigerine, vgl. diese.) Trochammina Parker und Jones. Windungen auf beiden Seiten nicht gleich, zuweilen auf der unteren Fläche ein Nabel. Lebend in allen Tiefen und fossil von der Kohle (?) an. Brapry t. XUI. a. Trochamminae opisthostreptae. N T. lituiformis Brady. T. eentrifuga Brady (Pal. soc. 1876). ; b. Trochamminae holostreptae. Fig. 42. Trochammina proteus Karrer. A proteus Karrer, ähnlich einer Cornuspira gerollt, erscheint als höhere Ausbildung von T. lituiformis (Fig. 42). Die Artbildang und Verwandtschaft bei den Foraminiferen. 695 T. eoronata Brady. T. conglobata Brady. Die letztere ist haufenartig gewunden. T. incerta Brady (Pal. soc. 1876). T. nitida Brady. T. squamata Parker und Jones (Fig. 43). T. (Haplophragmium) turbinata Brady. Andere von BrapyY u. A. zu Trochammina gestellte Formen SS Fig. 43. Trochammina squamata Jones und Parker. bringen wir theils bei den Endothyridae theils bei den Chilostomel- lidae unter. Dagegen gehört hierher Carterina spiculotesta Carter. Ähnlich gestaltet wie Tr. squamata, zeichnet sich dadurch aus, dass in dem sandigen Gehäuse kurze, beiderseits zugespitzte Kalk- nadeln vorhanden sind, welche von dem Thier selbst abgeschieden sein sollen. In 40 Faden (73 m) Tiefe. Cyelammina Brady. Etwas schief, selten gerade gewunden, Gesammteindruck Nautilus-ähnlich, ziemlich zahlreiche Kammern sichtbar. Haupt- öffnung schlitzförmig, oder außer ihr noch grobe Löcher in der Mün- dungsscheidewand. Lebend von 100—2900 Faden (183—5284 m) Tiefe. Brapy t. XXXVM. J 696 G. H. Theodor Eimer und C. Fickert, a) etwas schief gewunden C. cancellata Brady, zuweilen außer der Hauptmündung Löcher in der Mündungsscheidewand. C. orbieularis Brady. C. pusilla Brady. b) ganz gerad gewunden C. (Trochammina) trulissata Brady bildet den Übergang zu Nonionina. An die Haplophragmidae schließen sich die Endothyren an, wie bemerkt, durch verschiedene sandige Arten von Haplophragmium autt. und Trochammina autt., welche wir bei den Endothyren unter- bringen. 29. Fam. Endothyridae nobis (Pulleninae Bütschli ad p.). Gehäuse sandig oder kalkig, häufig durchbohrt, vielkammerig, sanz spiralig eingerollt oder zuweilen nur hinten gewunden, zu- weilen etwas asymmetrisch, die inneren Windungen durch die äußeren stark gewölbten Kammern verdeckt (involut). Meist wenig Kammern auf einer Windung. Öffnung der letzten Kammer ein breiter viertelmondförmiger Schlitz, oder eine Anzahl von in einer oder mehreren Reihen stehenden Löchern oder beides. Es gehören hierher offenbar einige der schon mehrfach erwähnten Abbildungen EHRENBERG’sS von untersilurischen Grünsandsteinkernen und zwar solchen mit wenigen großen sichtbaren Kammern, wie sie Pullenia, Sphaeroidina u. A. haben (vgl. dort Fig. 7 und 8). Die Gehäuse erscheinen im Kohlenkalk mit der Gattung Endothyra u. A., heute kommen nur noch wenige lebende Vertreter der kalkigen Gattung Pullenia vor und einige sandige von BrApy zu Haplophragmium und Trochammina gestellte Arten. Die Endothyren schließen sich nämlich, wie schon erwähnt, ganz unmittelbar an die sandigen Haplophrag- midae an. Was die Verschiedenheit der Mundöffnung angeht, so ist zu sagen, dass ursprünglich die schlitzförmige aus den Poren entstanden zu sein scheint: es giebt noch Fälle, in welchen beide an Stücken einer und derselben Art vorkommen, wie bei Endothyra (Haplophrag- mium) latidorsata (Fig. 44). Zuweilen schwinden die Scheidewände aller Kammern mit Ausnahme der vordersten später (Cribrospira), so dass hier ein Vorgang vorliegt, welcher sich bei anderen Formen Die Artbildung und Verwandtschaft bei den Foraminiferen. 697 auch auf die Mündungsscheidewand erstreckt und so die Hauptöffnung sebildet haben mag. Cribrospira nobis (Cribrospira und Endothyra ad p. v. Moeller!). Statt der Hauptöffnung eine Anzahl gröberer Poren. Nur hinten oder ganz etwas asymmetrisch gewunden. - Fein- oder grobdurch- Fig. 44. Endothyra latidorsata Born. bohrt. Kalkig, zuweilen mit dichterer porzellanartiger innerer Schicht. Fossil in der Kohle. a) Nur hinten gewunden. Cr. (Endothyra v. Moeller) globulus Eichw. b) fast ganz gewunden. Cr. (E. v. Moeller) Moelleri nobis (Panderi v. Moeller). c) ganz gewunden. Cr. (E. v. Moeller) parva v. Moeller. Cr. Panderi v. Moeller. Wand stark durchbohrt. Bradyina v. Moeller. Schale wie bei Cribrospira, durchbohrt, aber stets ganz gewun- den und in den die Kammern außen trennenden Furchen besonders große Poren, welche die Scheidewände durchsetzen, und welche offenbar die äußersten Poren der ursprünglichen Kam- merscheidewände darstellen. Fossil Kohle. Zwei Arten (vgl. Moeller 1. c.). ! Mem. de l’Acad. St. P&tersbourg. 7. ser. Bd. XXV u. XXVL. 695 G. H. Theodor Eimer und C. Fickert, Endothyra (Philips) nobis. Gehäuse stets ganz gewunden und nur wenig asymmetrisch, sandig oder kalkig, in letzterem Falle fein porös, innen zuweilen mit dichterer porzellanartiger Kalkmasse. Nur eine große, schlitz- artige, viertelmondförmige Öffnung. Fossil seit der Kohle. a) sandige Formen: Lebend von 14—2600 Faden (25—4735 m) Tiefe. E. (Haplophragmium) latidorsata Bornem. Hauptöffnung schlitzförmig, statt derselben zuweilen Poren. Lebend und fossil seit dem Tertiär (Fig. 44). E. (Haplophragmium) glomerata Brady. Nur drei bis vier Kammern sichtbar, ähnlich Pullenia, mit schlitz- förmiger Hauptöffnung. Lebend. Brapy t. LXXXIV. b) kalkige Formen: E. Bowmanni Philips. E. ammonoides Brady u. A. S. BrApDY Pal. soc. 1876 und v. MOELLER |. ce. Pullenia Parker und Jones. Kammern zu einem fast kugeligen Gehäuse zusammengeballt. Mündung ein breiter Querschlitz. Wand fein durchbohrt. Lebend in allen Tiefen, fossil seit der Kreide. Brapr t. LXXXIV. Sphaeroidina d’Orb. Wie vorher, aber Mündung klein, halbmondförmig, oft durch eine hervorragende Zunge zu einem Schlitz geschlossen. Lebend in allen Tiefen, fossil seit der Kreide. Brapy t. LXXXIV. An die Endothyridae schließen sich als Verwandte die Polysto- melliden, Rotaliden, Globigeriniden und Fusuliniden an. 30. Fam. Polystomellidae Neumayr. Gehäuse vielkammerig kalkig, spiralig gewunden, die innersten Windungen meist verdeckt, die letzte stark bauchig vorgewölbt, die Mündung überdeckend, auf beiden Seiten gleich, meist Am- moniten-, besonders Nautilus-ähnlich, durchbohrt, eine Abtheilung mit gröberen Poren in den Furchen zwischen den Kammern. Haupt- öffnung viertelmondförmig schlitzartig, wie bei den Endothyren oder wie dort, statt derselben einzelne größere Poren. Die höheren mit Die Artbildung und Verwandtschaft bei den Foraminiferen. 699 Zwischenskelett und Wandkanälen. Lebend und fossil seit dem Jura, vielleicht seit der Kohle. Nonionina d’Orb. Keine größeren Poren zwischen den Kammergrenzen, Zwischenskelett fehlend oder, wenn vorhanden, nur unvollkommen und auf den innersten Theil der Windungen beschränkt. Wandkanäle nieht oder nur gering entwickelt. Hauptöffnung ein einfach ge- krümmter Schlitz oder eine Anzahl von Löchern. Nonionina bildet in ihren Arten die Fortsetzung der Gattung Endothyra, sie soll schon im Kohlenkalk vorkommen (vgl. NEUMAYR, Stämme des Thierreichs), Branpy dagegen giebt an (Challenger-Bericht p. 725), dass sie mit Sicherheit erst seit dem Tertiär nachgewiesen sei, sie kommt im Eocän des Pariser Beckens vor und wird von da an häufiger bis in die Neuzeit, sie lebt in allen Tiefen. Nach Obigem kann man die Nonionina-Arten wieder in Cri- brosa und Osculosa abtheilen. Bei einigen Arten wie Nonionina scapha Fichtel und Moll (Challenger-Bericht Taf. CXIX, Fig. 14—16) und N. turgida Williams (ebenda Fig. 17—19) legen sich die vorderen Kammern Cassidulinen-ähnlich an einander (Fig. 45), so dass das ganze Gehäuse die Gestalt einer phrygischen Mütze bekommt. Nach der Abbildung Fig. 16 von Nonionina scapha sind aber die ältesten Windungen hier nicht schief gewickelt, wie bei den Cassidulinen, sondern gleichseitig, indessen wäre eine genauere Untersuchung nothwendig, da bei diesen Formen sonst nach der Art der Windung vielleicht Beziehungen zu den Cassidulinen gesucht werden müssten, wenn nicht, so wäre Nonionina, abgesehen von den Einrichtungen der Mündung, in zwei Gruppen zu bringen, in ganz- und in halbspiralig gewundene. Fig. 45. Nonionina scapha Ficht. u. Moll. Polystomella Lam. Auf den Grenzen der Kammern große Poren, Zwischen- skelet und Wandkanalsystem mehr oder weniger entwickelt. Statt der Hauptöffnung eine V-förmig gestellte Reihe von Löchern. Fossil nach Unrig! seit dem mittleren Jura, lebend in allen Tiefen, bilden durch die zwischen den Kammern ausmündenden Poren und durch die Löcher statt der Hauptöffnung eine Gruppe, welche die Fort- 1 Beiträge zur Paläontologie von Österreich. 1881. 700 G. H. Theodor Eimer und C. Fickert, setzung und weitere Ausbildung der Arten der Gattung Bradyina unter den Endothyriden darstellt. 3l. Fam. Rotalidae nobis. Kalkig, vielkammerig durchbohrt, spiralig ungleichseitig ge- wunden, so dass man auf der einen Seite nur die letzte, auf der anderen alle Windungen sehen kann. Bald die eine, bald die an- dere Seite mehr gewölbt oder die eine eingezogen. Mündung ge- wöhnlich schlitzförmig. Einige der höheren Formen haben doppelte Kammerwände, Zwischenskelett und Wandkanäle. Es werden aber gewöhnlich in die Familie auch Formen von sehr verschiedener Ge- stalt gestellt, deren Entwicklung aus jener Windungsart erst fest- gestellt werden müsste, wie Polytrema, Tinoporus, Gypsina, sogar Cyelocelypeus und Orbitoides u. A., deren Stellung hierher vollkom- men zweifelhaft ist, wie Patellina!, endlich stellt BrRApy hierher auch die zu den Cornuspiriden gehörige Gattung Spirillina. Wir bezeich- nen als Rotalidae nur diejenigen, welche wirklich ungleichseitige Windungen nachweisen lassen. Wir unterscheiden wie bei den Nonioninen nach Art der Cassi- dulinen halbgewundene und ganz gewundene. 1) Halb gewundene. Dieselben sind bis jetzt in der Gattung Pulvinulina untergebracht, nämlich: P. aurieula Fichtel und Moll. P. oblonga Williams. P. Hauerii d’Orb. P. lateralis Terqu., für welche, wie für die ähnlich gebauten Nonioninen eine besondere Gattung, Pulvinulinella nobis, wird aufgestellt werden müssen. 2) Ganz spiralig gewunden sind die übrigen Formen. Man kann hier unterscheiden: a. Helix-artige, mäßig spiralig gewundene, auf einer Seite häufig genabelte: Rotalia z. Th. Pulvinulina z. Th. Discorbina z. Th. Truncatulina z. Th. Anomalina. ! Von dieser Form ist es zweifelhaft, ob sie überhaupt zu den Foramini- feren gehört, Die Artbildung und Verwandtschaft bei den Foraminiferen. 701 b. Patella-ähnliche oder Trochus-artig gewundene: manche Discorbina, manche Cymbalopora, Pulvinulina procera’ Brady, Pulvinulina Berthelotiana d’Orb. Zweiseitig gewölbte: manche Planorbulina, manche Rotalia. 3 HR . Globigerinen- und Endothyren-ähnlich: Cymbalopora, Discorbina allomorphinoides. e. Eingerollte Formen: Pulvinulina crassa d’Orb., Pulvinulina canariensis d’Orb., Pulvinulina patagonica d’Orb. f. Nur hinten eingerollt (opisthostrept) sind: Truneatulina soluta Brady, Truncatulina variabilis d’Orb. $. Kammern zuerst spiralig, dann kreisförmig, zuweilen unregel- mäßig angeordnet, die jüngeren je mit zwei besonderen Haupt- öffnungen. Planorbulina z. Th. Ähnlich gewunden ist: Pulvinulina vermieulata d’Orb. aber es fehlen Hauptöffnungen an den jüngeren Kammern. Als ganz unregelmäßig schließt sich wohl an die vorhergehen- den an: P. dispansa Brady. Mehr oder weniger unregelmäßige Anhäufungen von Kammern, zuweilen mit innerster spiraliger Windung ohne Hauptöffnung bildet Acervulina M. Schultze (Gypsina Carter), deren Stellung hierher eben so wie die der zuletzt genannten anderen Formen zweifelhaft ist (vgl. hinten). Bei den Rotalien nehmen offenbar einige Formen eine besondere Stellung ein, welche grobe Poren zwischen den Kammern haben, nach Art der Polystomella, und welche demnach wieder mit dieser, bezw. mit Bradyina unter den Endothyren verwandt, aber trochiform ge- wunden sind, nämlich: 702 G. H. Theodor Eimer und C. Fickert, Discorbina polystomelloides Parker und Jones und Cymbalopora tabellaeformis Brady. Dann gehört offenbar hierher auch die sonst zu den Globigerinen gestellte Gattung Candeina d’Orb. Candeina zeichnet sich dadurch aus, dass sie keine Hauptöffnung hat, wie Polystomella und die oben genannten Endothyren-Gattungen, während die genannten Arten von Discorbina und Cymbalopora eine schlitzförmige Hauptöffnung haben, wie andere Endothyren. Die oben benannten, bis jetzt gültigen, Gattungen sind haupt- sächlich nach der Beschaffenheit der Poren, auf der Oberfläche ge- bildet, und die meisten enthalten, wie die von uns gegebene Zu- sammenstellung zeigt, sehr verschiedenartige Formen, so dass diese Gattungen auf den ersten Blick als wenig natürliche erscheinen. Es ist aber unmöglich, ohne ins Einzelne gehende genaue Unter- suchung, und insbesondere Anfertigung von Schliffen zur Feststellung von neuen natürlichen Gattungen zu gelangen. Die oben von uns gegebene Gruppirung nach der äußeren Gestalt dürfte wenigstens theilweise bestimmten Entwieklungsriehtungen entsprechen, somit die natürliche Verwandtschaft andeuten und eine Grundlage für die Bildung neuer Gattungen abgeben. Es erscheint uns aber sachgemäß, die unter g aufgeführten, innen spiralig, außen kreisförmig gewundenen Formen als besondere 32. Fam. Cyclospiridae nobis aufzustellen. Hier wäre zu unterscheiden: Cyelospira nobis (Pulvinulina d’Orb. ad p.). Die jüngeren Kammern ohne besondere Hauptöffnungen, C. Schreibersii d’Orb. Dann Planorbulina d’Orb. Die jüngeren Kammern je mit zwei besonderen Hauptöffnungen. Dahin gehört Pl. mediterranensis d’Orb. Pl. acervalis Brady. Pl. larvata Parker und Jones. Als die 33. Fam. Acervulinidae nobis dürften die unregelmäßig gehäuften Formen ohne Hauptöffnung aufzustel- len sein, welche zuweilen noch einen spiralig gewundenen Kern haben. Acervulina M. Schultze (Gypsina Carter). Die Artbildung und Verwandtschaft bei den Foraminiferen. 703 Hierher wohl auch die unregelmäßige Pulvinulina dispansa Brady. 34. Fam. Calcarinidae, nobis. Linsenförmig mit strahlig abstehenden Fortsätzen, die eine Fläche zuweilen mit Windungen. Inwendig strahlig gekammert. Fossil vom Tertiär an, lebend meist in geringer Tiefe. Keine Hauptöffnung, sondern Poren, welche zuweilen an der Endfläche der Fortsätze stehen. Hierher gehört: Calearina d’Orb. Windungen auf der einen Seite sichtbar. Tinoporus Carp. Windungen auf keiner Seite sichtbar. Vielleicht hierher auch: Polytrema Risso, Rupertia Wallich und Carpenteria Gray. 385. Fam. Globigerinidae nobis. Gehäuse kalkig, durchbohrt, selten sandig, meist mit Stacheln oder Kalkhaaren, vielkammerig (s. Orbulina), die wenig zahlreichen Kammern, besonders die letzten kugelig aufgeblasen, meist gehäuft, mehr oder weniger spiralig bis unregelmäßig gehäuft angeordnet. Die letzte Kammer frühere überdachend (»involut«) mit einer oder mehreren viertel- oder halbmondförmigen Öffnungen oder ohne solche. Wandungen dünn, kein Zwischenskelet und Wandkanalsystem. Sie schwimmen frei im Meere, besonders auch an der Oberfläche, selten festgewachsen. Kommen seit der Trias vor. Wir stellen hierher nur Globigerina, Orbulina und Hasti- gerina, von anderen werden gewöhnlich noch hierher gerechnet Pullenia, Sphaeroidina, Candeina und wohl auch Cymbalopora. Pullenia und Sphaeroidina haben wir zu den Endothyriden Cymbalopora und Candeina zu den Rotaliden gestellt. Alle diese Formen hängen mit den Endothyren, bezw. mit Haplo- phragmium zusammen. Schon hier bei Endothyra latidorsata tritt die Haupteigenthümlichkeit der Globigerinen, die kugelige Ver- größerung der jüngsten Kammern auf und H. globigeriniforme ist durchaus eine sandige Globigerine. Eben so zeigen wiederum mit den Haplophragmien verbundene sandige Textularien, wie das von 704 G. H. Theodor Eimer und €. Fickert, uns als Globotextularia bezeichnete Haplophragmium anceps die Globigerineneigenschaft an den letzten Kammern. Ferner kommt bei den mit Haplophragmium zusammenhängenden Endothyriden die Neigung der letzten Kammern, sich aufzublähen, verbreitet vor und führt in Sphaeroidina und Pullenia zu Globigerinen-ähnlichen Formen. Endlich erscheint diese Neigung, bei der übrigens trochiform ge- wundenen, und desshalb zu den Rotaliden zu stellenden Gattung Cymbalopora und bei der eben so gewundenen durch ihre Poren zu- gleich an Cribrospira, also wiederum an die Endothyriden sich an- schließenden Candeina. Es tritt somit dieselbe Entwicklungsrichtung bei den verschiedenen mit den Endothyriden, bezw. mit Haplophrag- mium zusammenhängenden Familien auf und findet ihre Vollendung in sandiger Bildung schon in Haplophragmium globigeriniforme und dann in den kalkigen freischwimmenden Arten von Globigerina (Orbulina) und Hastigerina. Die schlitzförmige Hauptöffnung kommt bei allen den genannten verwandten Familien und auch bei den gleichfalls zu ihnen gehörenden Polystomelliden und Fusuliniden vor, nachdem sie zuerst bei Haplophragmium aufgetreten ist. An ihre Stelle treten zuweilen jene großen Poren, welche sich in den Fur- chen zwischen den Kammern erhalten und besonders eine Eigen- thümlichkeit der Gattung Polystomella bilden. Auch die Überwöl- bung der letzten Kammer über die vorhergehende Windung, mit welcher die Gestaltung der Hauptöffnung zusammenhängt, ist durch alle genannten Familien mehr oder weniger deutlich zu ver- folgen. A. Sandige. Ammoglobigerina bulloides nobis (Haplophragmium globigeriniforme Parker und Jones), ungefähr 1,4 mm messend, braun gefärbt, frei, selten angewachsen, hauptsächlich in der Tiefsee der verschiedensten Gebiete, abgebildet von TERRIGI nach Stücken, welche im oberen Pliocänsand von Rom gefunden wurden, isomorph mit Globigerina bulloides d’Orb. B. Kalkige. Hastigerina Wyv. Thomson. Gehäuse Nautilus-ähnlich gewunden, mit langen stacheligen Dornen, mit weiter halbmondförmiger Hauptöffnung, das Ganze, ab- gesehen von den Dornen, sehr an die Endothyren erinnernd. Nur ein oder zwei pelagische Arten. Die Artbildung und Verwandtschaft bei den Foraminiferen. 705 Globigerina d’Orb. Kammern mehr oder weniger unregelmäßig gehäuft, im Grunde trochoid, einige der jüngsten Kammern viel größer als die übrigen, an der letzten eine viertel- oder halbmondförmige Hauptöffnung oder je eine solche an jeder der jüngsten Kammern. Die lebenden meist mit Stacheln oder Kalkhaaren besetzt, welche an den ausgestorbenen wohl oft verloren gegangen sind. Manche Arten der Gattung Globigerina gehen in Rotalia über und sind von dieser nicht zu trennen, offenbar sin aber ausgespro- chen trochoid gewundene Formen wie Gl. eretacea d’Orb. und linneana d’Orb. zu Rotalia zu stellen, denn hier überwiegt der Eindruck der Windung weit den der Aufblähung der Kammern. Orbulina d’Orb. Schale einkammerig, kugelig, meist lang bestachelt, ohne Haupt- öffnung (vielleicht zuweilen mit einer solchen): sind wohl nur abge- löste Kammern von Globigerinen, da man in ihrem Inneren wieder- holt junge Globigerinen gefunden hat, vgl. Thurammina. 36. Fam. Fusulinidae nobis. Gehäuse mehrkammerig, sandig oder kalkig, durchbohrt oder nicht durchbohrt, gleichseitig ungenabelt spiralig gewunden, Endo- thyren-ähnlich oder kugelig, linsen- oder spindelförmig, indem im letzteren Falle die Hauptachse wie bei den Alveolinen in die Länge sezogen ist, dabei verdecken die äußeren Windungen die inneren vollständig. Öffnung ein einfacher verbreiterter Schlitz oder eine Reihe von kleinen runden Poren am inneren Rande der letzten Kam- mer. Keine Zwischenwandkanäle, aber Kammern bei den höheren durch Einfaltungen der Wand in Unterabtheilungen gebracht. Groß: bis 12 mm. Nur ausgestorben, Anfänge im Devon und im unteren Theil der Kohle, in ungeheuren Mengen in der oberen Kohle, tels- bildend in den Fusulinenkalken, im Zechstein schon verschwindend, in der Trias nicht mehr sicher nachgewiesen. Die einfachsten Formen der Fusuliniden sind Endo- thyra-ähnlich und schließen sich offenbar unmittelbar an Endothyra an. Diese einfachsten Formen finden sich in der Gattung Fusulinella, welche theils sandige, theils kalkige Arten ent- hält, sich aber da, wo sie ganz wie Endothyra gewunden ist (noch ohne Verlängerung der Hauptachse), von dieser durch den Mangel Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXV. Bd. _ 46 706 G. H. Theodor Eimer und C. Fickert., der Poren unterscheidet. Die höheren Gattungen, die eigentlichen Fusuliniden (Fusulina Fisch. und Schwagerina v. Moeller) sind kalkig, durehbohrt und bekunden ihre Zusammengehörigkeit mit den Endothyriden auch durch das Vorkommen einer Reihe von runden Poren statt der Hauptöffnung. 37. Fam. Nummulitidae nobis (autt. ad p.). Vielkammerig, mit sehr zahlreichen Kammern und Windungen, durchbohrt, kalkig, spiralig oder kreisförmig, oder auf beide Arten in einer Ebene gewunden. Hauptöffnung schlitzförmig oder eine Reihe von Poren. Gestalt münzen- oder linsenförmig. Sehr ausge- bildetes Wandkanalsystem und Zwischenskelet. Größe zuweilen sehr bedeutend bis 6 cm Durchmesser. Die zwei Hauptabtheilungen der Nummulitidae sind: 1) Die eigentlichen Nummuliten oder Nummulitinae, meist münzenförmig, zuweilen auch Endothyra-ähnlich mit spiraligen Windungen und schlitzförmiger Hauptöffnung. Dieselben treten ver- einzelt im Kohlenkalk von Belgien und Russland auf. Nummuliten- ähnliche Körper finden sich im Muschelkalk von Württemberg, sicher kommen sie wieder im oberen Jura von Franken vor, aus der Kreide kennt man sie nicht mit Sicherheit, in ungeheurer Menge erscheinen sie plötzlich im Eocän, wo sie mächtige Kalklager »Nummuliten- kalke« bilden, schon im Oligocän treten sie zurück, im oberen Ter- tiär und lebend finden sich nur noch selten kleine Formen. Die ausgestorbenen Arten enthalten die größten Foraminiferen. Die Nummuliten zeigen einen eigenthümlichen Dimorphismus: an den meisten Orten eine kleine und eine größere Form, jene mit großer, diese mit kleiner Anfangskammer. Auch andere Foraminiferen, z. B. Milioliden, zeigen ihn. 2) DieCyelocelypeiden, mehr linsenförmig, zuerst spiralig, dann kreisförmig oder durchweg kreisförmig gewunden, mit einer Poren- reihe statt der Hauptöffnung. Fossil seit oberer Kreide. Leider lässt sich über den Zusammenhang der Nummuliten mit anderen Foraminiferen durchaus nichts Bestimmtes sagen. Ein Zu- sammenhang mit solchen wäre gegeben, wenn, wie dies wohl ge- schieht, auch die Polystomelliden zu den Nummuliten gestellt werden könnten, aber eine solche Zusammenstellung ist schon wegen des viel einfacheren Baues der ersteren durchaus unstatthaft: mit viel srößerem Recht könnte man alle mit den Endothyren, bezw. Haplophragmidae zusammenhängenden Familien zu einer großen Die Artbildung und Verwandtschaft bei den Foraminiferen. 707 Gruppe vereinigen, denn, wenn die Nummuliten mit den Polystomel- liden überhaupt verwandtschaftiliche Beziehungen haben, so beruhen diese auf Zusammenhang mit den niedersten Endothyra-ähnlichen Formen derselben, wie die Nonioninen, bei welchen in der That zuerst die Spuren eines Wandkanalsystems auftreten und welche auch in der äußeren Gestalt den einfachst gewundenen Endothyra-ähn- liehen Arten der Gattung Nummulites gleichen. Am meisten weist diese einfachste Art der Windung und die schlitzförmige Haupt- öffnung von Nummulites jedenfalls auf Endothyra hin. Die Cyelo- elypeiden müssen sich aus spiralig gewundenen Formen erst ent- wickelt haben. | Tübingen, im Oktober 1598. Litteraturverzeichnis, H. B. BrApy, Report on the Foraminifera dredged by H. M. S. Challenger. Report on the scientifie Results of the Cruise of H. M. S. Chal- lenger. Zoology. 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Wie ich bereits in einer vorläufigen Mittheilung hervorhob, wurde ich zu der vorliegenden Untersuchung durch die Resultate veranlasst, zu denen mich eine Verfolgung der Entwicklung von Limax maximus geführt hatte, und welche mit den von einigen anderen Autoren gefundenen Thatsachen in direktem Widerspruche standen. Es handelte sich um die Frage, ab das innere Ende der Urniere der Pulmonaten frei mit der Leibeshöhle kommunicire, oder ob sie gegen die letztere abgeschlossen sei. V. ERLANGER u. A. be- haupteten für die Basommatophoren das Erstere, ich selbst für Limax maximus das Letztere. Nur eigene Anschauung konnte mir in diesem Falle die Sicherheit eines objektiven Urtheils geben und so unterzog ich eine größere Zahl von Stylommatophoren wie Basommatophoren einer eingehenden Untersuchung, um womöglich weitere Anhalts- punkte zu gewinnen und meine eigene Auffassung schärfer fixiren zu können. Lassen wir desshalb zunächst die Thatsachen sprechen. I. Basommatophoren. Wir beginnen unsere Betrachtung mit der Urniere der Basomma- tophoren, von denen Ancylus fluviatilis, Physa!, Planorbis corneus 1 Betreffs der Zugehörigkeit des verwendeten Laiches zu dieser Schnecke bin ich nicht ganz im Klaren. Ich fand denselben im großen Plöner See und muss ihn nach Gestalt und Größe, die ich mit den Abbildungen in PFEIFFER’s »Systematische Anordnung und Beschreibung deutscher Land- und Süßwasser- schneeken (Kassel 1821)« verglich, sowie nach den im großen Plöner See vor- handenen Species Physa zuschreiben. 710 Johannes Meisenheimer, und Limnaea stagnalis zur Untersuchung vorlagen. Bei sämmtlichen genannten Genera ist der Bau der Urniere ein völlig einheitlicher, kurz charakterisirt stellt er sich folgendermaßen dar. Das ganze, schon öfter beschriebene und abgebildete Organ be- steht aus zwei in einem Winkel gegen einander geneigten Schenkeln, die von einem feinen Ka- nale durchbohrt sind, und von denen der äußere an der seitlichen Körperwan- dung nach außen führt, der innere dagegen sich bis ganz nach vorn zwi- schen die Nuchalzellen er- streckt!. An dem Auf- bau der Urniere nehmen ganz konstant vier Zel- len Theil, nie findet eine Textfig. 1. ; E In die Umrisse einer Figur Ragr’s von Planorbis sind die Ver- Abweichung von dieser hältnisse der Urniere ergänzend und berichtigend Regel statt (siehe Text- eingezeichnet. figur I). Die erste Zelle bildet den äußeren Schenkel, den Ausführgang, ihr Kern liegt stets unmittelbar an der Mündungsstelle. Die zweite Zelle bildet eine große Exkretionszelle, welche den Winkel zwischen beiden Schenkeln aus- füllt, ihr Kern liegt stets an der Innenseite, d. h. der Spitze des Winkels abgewendet. Die dritte Zelle stellt den inneren Schenkel dar, ihr Kern ist kleiner als derjenige der zweiten Zelle, der Funk- tion nach ist sie ebenfalls eine Exkretionszelle. Die vierte Zelle endlich schließt den inneren Schenkel gegen die Leibeshöhle hin ab, sendet nach innen eine mächtige, aus vielen einzelnen Cilien be- stehende Wimperflamme und trägt an ihrer nach der Leibeshöhle zugekehrten Seite eine große Endvacuole, gegen welche sich der Kern in einer Einbuchtung vordrängt. Dies ist in kurzen Worten das Grundschema des Baues der Ur- niere; gehen wir jetzt etwas näher auf Einzelheiten ein und betrach- ten wir die Unterschiede innerhalb der einzelnen Genera, am besten an der Hand einer Reihe von Figuren (Tafel XXXII). 1 Zur Orientirung über die genaue Lage der Urniere innerhalb des Larven- körpers verweise ich auf die völlig zutreffenden Abbildungen in den Arbeiten von FoL, RABL und v. ERLANGER, und gebe zudem nebenstehend zwei sche- matisirte Übersichtsbilder. Zur Morphologie der Urniere der Pulmonaten. Zt Aneylus fluviatilis mag die Reihe eröffnen. Auf Fig. 3 erkennen wir alle oben geschilderten Verhältnisse wieder. Zunächst liegt dicht an der äußeren Mündung der Kern der oben erwähnten ersten Zelle (u.z 7). Im Verhältnis zu den übrigen Kernen erscheint er als der relativ kleinste, wenn er auch gegen die ihn umgebenden Ektoderm- zellen noch bedeutend abstich. Die Funktion dieser Zelle ist- wohl hauptsächlich darin zu suchen, dem ganzen Organe einen festen Stützpunkt an das Ektoderm zu verleihen, wenn auch die bis zur Ausmündungsöffnung heranreichenden Exkretkörner eine direkte ex- u. K. N Textfig. I. Gesammtansicht der Urniere der Basommatophoren. äuss.Ö, äußere Öffnung der Urniere; ect, Ekto- derm; e.v, Endvacuole; ex.//, kleinere Exkretionszelle; %, Kern der Riesenzelle; ı.%, Urnierenkanal; w.f, Wimperflamme; w.z, Wimperzelle. kretorische Thätigkeit des Plasmas dieser Zelle nicht ausschließen. Sehr zahlreich finden wir die Exkretkörner vertreten in dem mitt- leren Theile, der durch die zweite Zelle (r.z) gebildet wird. Der Kanal des Ausführganges setzt sich direkt in sie fort, derart dieselbe durehziehend, dass an der Außenseite des Winkels die Wandung die normale Stärke zeigt, die Innenseite dagegen durch die Einlagerung des riesigen Kernes eine mächtige Verdickung zeigt. Der Kern selbst besitzt einen mächtigen Nucleolus. Bis in die Mitte des hierher gehörigen Centralkanals reicht etwa die Wimperflamme, welche den inneren Schenkel gänzlich erfüllt. Der Kern dieser dritten Zelle (w.z III) liegt stets an der Außenseite, d. h. der dem Winkel- raume abgewandten Seite. Er ist kleiner als derjenige der Riesen- zelle, aber durchaus nicht in so extremem Maße, wie wir es bei 712 Johannes Meisenheimer, den späteren Genera finden werden. Ihre Funktion besteht zweifel- los ebenfalls in der Exkretion, die namentlich um den Kern stark angehäuften Exkretprodukte beweisen dies zur Genüge. Die Wan- dung, die sich gegenüber dem äußeren Schenkel bereits beträchtlich verdünnt hat, und nur an der Stelle, wo der Kern liegt, eine kleine Anschwellung zeigt, läuft gegen das innere Ende hin in eine ganz feine Membran aus, an welche sich unmittelbar in einem die innere Öffnung umspannenden Bogen die vierte Zelle, die Wimperzelle (w.z), anschließt. Dieselbe besitzt eine fächerförmige, seitlich komprimirte Gestalt. In der Mitte liegt der Kern, über ihm wölbt sich die große Endvacuole, die eine wurstförmige Gestalt besitzt und auf der Figur nur in ihren beiden Endzipfeln dargestellt ist (e.v). Die Hauptfunk- tion dieser Zelle würde als augenscheinlich ebenfalls in der Exkre- tion zu suchen sein, zumal in der Endvacuole selbst und in dem Plasma an ihren Rändern zahlreiche Exkretkörner abgelagert er- scheinen. Aber neben dieser Funktion tritt eine andere in den Vor- dergrund, nämlich die Beförderung der unbrauchbaren Stoffwechsel- produkte nach außen. Zahlreiche Cilien entspringen auf der ganzen, dem inneren Rohre zugewandten Seite und reichen, eine mächtige Wimperflamme bildend, bis in die Mitte des Kanals der Riesenzelle. An der Stelle, wo jede einzelne Cilie das Plasma der Zelle verlässt, findet sich ein kleines, verdiektes Knötchen, der Ansatzstelle der Cilie einen stärkeren Halt verleihend. Ins Innere der Zelle die Cilien hinein zu verfolgen, gelang mir selbst mit den stärksten Systemen nicht. ! Als zweiten Repräsentanten nehmen wir Flanorbis corneus. Der Bau der Urniere gleicht im Wesentlichen dem eben beschriebenen. Von den Größenunterschieden der Embryonen im Allgemeinen ab- gesehen, bemerken wir hier zunächst eine starke Zunahme in der Größendifferenz zwischen den Kernen der zweiten und dritten Zelle, derart dass die zweite Zelle den mächtigen Riesenkern ausbildet, wie er als typisch für die Basommatophoren gilt, während die dritte Zelle eine Verkleinerung ihres Kernes erkennen lässt (Fig. 4). Individuelle Verschiedenheiten treten noch auf, indem der Kern bald etwas größer, bald etwas kleiner erscheint und demgemäß zuweilen noch eine stärkere Verwölbung bildet, zuweilen eine kaum bemerk- bare Anschwellung des Ganges hervorruft. Die Endzelle (w.z) ist ebenfalls fächerförmig am Ende ausgebreitet, zeigt dieselbe End- vacuole, wie sie von Ancylus beschrieben wurde (e.v), und dieselbe Art der Befestigung der Cilien durch Knötchen an das Plasma, Zur Morphologie der Urniere der Pulmonaten. 213 Ganz eng an Planorbis schließt sich Physa an. Die Größen- differenzen der einzelnen Kerne sind die gleichen, eine besonders starke Anschwellung an der Stelle des Kernes der Zelle III bringe ieh in Fig. 6 zur Anschauung. Eine sehr ‘klare Vorstellung betreffs der Verhältnisse der Endzelle gab mir Fig. 5. Scharf und deutlich lösen sich die einzelnen Cilien der Wimperflamme von dem Plasma der Endzelle los, jede mit einem Knötchen beginnend. Zwischen Endvacuole und dem Plasma der Zelle ist keine scharfe Grenze zu ziehen, die intracelluläre Vacuole geht direkt in das Plasma über und zeigt an der Übergangsstelle sehr zahlreiche Exkretkörner, den lebhaften Stoffwechsel bekundend. Auch um den Kern der Zelle III ist derselbe noch recht lebhaft, in Folge seiner Vorbuchtung nach innen ist auf dem Schnitte die Kontinuität des Centralkanals unter- brochen. Wir kommen zu dem letzten untersuchten Vertreter dieser Gruppe, zu Limnaea stagnalis. Die konstante Zusammensetzung aus vier Zellen hat sich auch hier erhalten, aber die Größenverhältnisse der einzelnen Kerne unter einander haben im Vergleiche mit Ancylus eine starke Wandlung erlitten. Die ursprünglichen Verhältnisse sind nur an dem Kerne des Ausführganges und der Wimperzelle erhalten. Die Größendifferenz zwischen Kern II und III hat jedoch ein Maximum erreicht, wesentlich verursacht durch eine Größenabnahme von Zelle II, die ein Schmächtigerwerden des ganzen von ihr ge- bildeten inneren Schenkels zur Folge hat (Fig. 9). Eine Vorbuchtung des Kernes ist überhaupt nicht mehr zu beobachten. Immerhin sind Exkretkörner noch vorhanden, ihre ursprüngliche Eigenschaft hat die Zelle also wohl noch beibehalten, wenn auch in stark vermindertem Grade. Im Übrigen zeigt nur der Endapparat nochmals in klarster Weise das bereits mehrere Male geschilderte Verhalten, ich weise namentlich auf Fig. 10 hin, auf welcher die Wimperzelle zwar in der Richtung des inneren Schenkels, aber senkrecht zu der Ebene, in welcher die Urnierenschenkel liegen, getroffen ist. Deutlich er- kennen wir die seitliche Kompression der Wimperzelle, die dazu be- rechtigt, ihre Form in der Gestalt eines etwas verbreiterten Fächers zu betrachten, klar tritt Endvacuole, Wimperflamme und seitliche Ansatzstelle der Wandung des inneren Urnierenkanals hervor. Auf die Riesenzelle möchte ich die Aufmerksamkeit nochmals zurück- lenken. Während Fig. 7 das gewohnte Verhalten zeigt, verdient der Schnitt, den Fig. 8 darstellt, eine besondere Beachtung. Er trifft die Riesenzelle quer, derart, dass die beiden in ihr verlaufenden 714 Johannes Meisenheimer, Schenkel des Kanals zugleich getroffen werden. Der Urnierenkanal (w.k) stellt sich demnach als äußerst eng dar, er verbreitert sich keineswegs seitlich, um die Riesenzelle in einen weiten Raum gleich- sam hineinhängen zu lassen, wie BÜTSCHLI annahm, und auch v. Er- LANGER’ S Darstellung noch vermuthen lässt, sondern das Ganze stellt ein massives, nur von dem engen Gange durchbohrtes Gebilde dar. Später erst, wenn das Organ sich dem Zerfalle zuzuneigen beginnt, wird der Gang ausgeweitet, indem seine Wandung gleichsam er- schlafft. Der Gang selbst ist von einem dieken, eutieulaähnlichen Saume umgeben, der auf Längsschnitten nicht hervortritt, hier im Querschnitt aber sogar noch eine feine Streifung erkennen lässt. Auf die Litteratur will ich hier nur so weit eingehen, als ihre Besprechung durch diese soeben mitgetheilten Befunde eine Modifika- tion gegenüber der Zusammenstellung erleiden muss, die ich in meiner Limax-Entwicklung gegeben habe. Zunächst noch einige Worte über For’s! Darstellung. Die äußere Form der Urniere bildet er mit außerordentlicher Klarheit ab, Ausführgang wie mittleren, ange- schwollenen Theil, wie den verbreitert in der Endzelle auslaufenden inneren Schenkel. In der Deutung liefen ihm zwei Beobachtungs- fehler unter, er erkannte nicht die Zusammensetzung des mittleren Theiles aus einer einzigen Riesenzelle und er ließ ferner das innere Ende durch einen Porus sich in die Leibeshöhle öffnen. BürscHLı? entdeckte hierauf die Riesenzelle, doch lässt er sie in einen weiten, von Flüssigkeit erfüllten Sack frei hineinhängen, indem sie sich mittels eines Stieles an der Wand desselben befestigen soll. Auch hält er diesen Sack für vielzellig, indem er von prismatischen Wand- zellen spricht. Die Richtigstellung dieser Befunde ist in meiner obigen Darstellung gegeben. Die folgenden Beobachter fanden so- dann sämmtlich leicht die Riesenzelle wieder’, unklar blieb nur noch der innere Endapparat, bis v. ERLANGER’s Arbeiten auf diesem Ge- biete Klarheit zu bringen schienen‘, ich muss desshalb auf letztere ı H. FoL, Sur le developpement des Gasteropodes Pulmones. Arch. de Zoologie exp. et gener. Tome VIII. 1880. 2 0. BÜTSCHLI, Entwieklungsgeschichtl. Beiträge. Diese Zeitschr. Bd. XXIX. 1877. 3 Vgl. C. Ras, Über die Entwicklungsgeschichte der Tellerschnecke. Morphol. Jahrbuch. Bd. V. 1879. 4 v. ERLANGER, Etude du rein larvaire des Basommatophores. Extrait des Archives de Biologie. Tome XIV. 1895. Daneben noch einige vorläufige Mit- theilungen über denselben Gegenstand und einen letzten Aufsatz im Biolog. Öentralblatt, Bd. XVIII, 1. Heft, 1898. Zur Morphologie der Urniere der Pulmonaten. 715 etwas näher eingehen. Zunächst muss ich hervorheben, dass v. ER- LANGER unstreitig in dem ganzen Organ zu viel Kerne gesehen hat, was zweifelsohne auf einer Verwechslung mit Exkretkörnern beruht. Der wichtigste Punkt seiner Darstellung ist die Schilderung des Endapparates, sie steht mit der meinen in völligem Widerspruche. Er findet nämlich zwar ebenfalls eine Endzelle, aber diese soll einen seitlichen Wimpertriehter besitzen, wodurch das ganze Rohr frei mit der Leibeshöhle kommuniceiren würde. Ich kann nur annehmen, dass v. ERLANGER sich durch schräge Schnitte verleiten ließ, und dass mit dem Trichter die Endvacuole gemeint ist, von der er überhaupt nieht spricht, und die leicht einen solchen vortäuschen kann. Auch die Ansatzstelle der Wimperflamme an die Endzelle ist ihm ent- sangen, er lässt ihre Cilien frei in der Leibeshöhle enden. Ich hoffe, dass die vorstehende Darlegung meiner Befunde genügendes Ver- trauen erweckt hat, um alle diese den Thatsachen nicht völlig ent- sprechenden Angaben v. ERLANGER’S richtig zu stellen. Il. Stylommatophoren. Wir wenden uns jetzt der zweiten großen Unterabtheilung der Pulmonaten zu, den Stylommatophoren. Auch hier wurde eine größere Anzahl von Formen in den Kreis der Unter- suchung gezogen, es sind: Suceinea Pfeif- feri, Helix lapieida, Helix pomatia, Arion empiricorum, Limax asrestis und Limax maximus. Die Urniere dieser Gruppe lässt sich ebenfalls auf einen Koprötase a einheitlichen Grundty- en ln Textfig. II. pus zurückführen, der Larve von Limax maximus, die Lage der Urniere zeigend. allerdings auf den er- sten Blick recht sehr von dem der Basommatophoren verschieden ist. Er ist in kurzen Worten folgender. Ein längeres, vielzelliges Rohr, dessen äußere Öffnung am Übergange der hinteren in die seit- liche Körperwandung unmittelbar über dem Fußhöcker gelegen ist, das dann einen weiten Bogen beschreibt und in der Nähe der Scheitel- Zimeisszellen ! Urniere / N Podocyste 716 Johannes Meisenheimer, platten im Innern des Körpers endet'!, trägt an seinem inneren Ende eine Anzahl von Wimperzellen, welche unter einander und mit die- sem inneren Ende des Rohres durch eine dünne Membran verbunden, die Urniere gegen die Leibeshöhle hin abschließen. Sowohl Urnieren- rohr wie Endapparat zeigen im Einzelnen mannigfache und wechselnde Verhältnisse, wesshalb wir sofort in die Einzelbetrachtung eintreten wollen. Wir müssen unsere Betrachtung mit Succinea Pfeifferi beginnen. Die Urniere liegt als langes, gebogenes Rohr zu beiden Seiten des Eiweißsackes. Das Rohr ist völlig gleichmäßig aus kubischem Epithel zusammengesetzt, dessen zahlreiche Vacuolen im Inneren auf einen energischen Exkretionsprocess hinweisen (Fig. 11e.z). Von besonderem Interesse ist der Endapparat. Er besteht aus zwei großen, dem Rohre sich direkt anschließenden Wimperzellen (Fig. 11 und 12 2), die an Größe die übrigen Urnierenzellen übertreffen und, ganz wie bei den Basommatophoren, eine mächtig entwickelte Endvacuole be- sitzen. Nach innen entsenden sie in das Rohr hinein je eine starke Wimperflamme. Eine beide Zellen verbindende Membran (Fig. 11 m) macht den von ihnen umschlossenen innersten Theil der Urniere zu einem gegen die Leibeshöhle abgeschlossenen Raume. Die beiden Wimperzellen besitzen zu dem Rohre eine ganz konstante Lage, welche durch die Organisationsverhältnisse des Embryos bedingt sind. Wie schon F. ScHmipr? nachgewiesen hat, besitzt Succinea weder Fuß- noch Kopfblase. In Folge des Fehlens der letzteren srenzt das ektodermale, stark abgeflachte Epithel direkt an den entodermalen Eiweißsack. Da die Urniere nun völlig im Bereiche des Eiweißsackes liegt, so wird sie zwischen diesen und das Ekto- derm gepresst, und die Wimperzellen demzufolge in eine der Sagittal- ebene parallele Ebene gedrängt, in welcher sie einander gegenüber liegen. Von oben direkt in das Rohr hineingesehen, bietet dasselbe also das auf Fig. 12 dargestellte Aussehen dar. Im Übrigen gleichen ‚sich Wimperzellen und Exkretionszellen, abgesehen von Größe und dem Besitze der Wimperflamme außerordentlich. Die Ähnlichkeit ! Vergleiche hierzu die Abbildungen in For’s oben eitirter Abhandlung und in meiner Entwicklungsgeschichte von Limax maximus. II. Theil (diese Zeitschr. Bd. LXIII 1898). Von Limax maximus gebe ich vorstehend eine Kopie, um die Lage der Urniere im Allgemeinen zu kennzeichnen. 2 F. Schmipt, Beiträge zur Kenntnis der Entwicklungsgeschichte der Stylommatophoren. Zool. Jahrb. Abth. für Anat. u. Ontog. der Thiere. Bd. VIII. 1895. Zur Morphologie der Urniere der Pulmonaten. 717 wird dadurch noch verstärkt, dass sich oftmals zwischen Rohr und eigentliche Wimperzellen stark vergrößerte, vacuolisirte Zellen ein- schieben, die von nahezu derselben Größe und mit ähnlichen Vaeu- olen ausgestattet, leicht zu einer Verwechslung mit den eigentlichen Wimperzellen führen können. Betrefis des Urnierenganges möchte ich nochmals hervorheben, dass eine weitere Differenzirung in einen besonderen Ausführgang nicht stattgefunden hat, wenn man auch wohl den äußeren Endabschnitt des Rohres als solchen bezeichnen kann. Alle Zellen sind vielmehr in gleicher Weise von großen Exkretvacuolen erfüllt, ein Verhalten, das bei der nächsten hier zu betrachtenden Form, bei Helix lapieida, bereits beträchtlich modi- fieirt erscheint. Die Urniere von Helix lapieida besitzt ganz den typischen Bau, wie er für die Stylommatophoren angenommen werden muss. Das sanze Rohr besteht aus drei Schenkeln, aus einem äußeren, schräg nach vorn und oben aufsteigenden, einem mittleren abwärts oder wagrecht ziehenden, und einem inneren senkrecht dazu nach hinten wiederum verlaufenden. Die Übergangsstellen je zweier Schenkel sind scharf durch eine Knickung ausgeprägt. Der Gang selbst ist oft unregelmäßig aufgebauscht, so dass das Lumen des Rohres bald eng, bald weit erscheint. Die Exkretionszellen, welche die Urniere zusammensetzen, nehmen an Größe und Zahl der Vacuolen nach außen immer mehr ab, um schließlich in das abgeflachte Epithel des umliegenden Ektoderms überzugehen (Fig. 14). Zuweilen reichen die eigentlichen Exkretionszellen nur bis in die halbe Länge des mitt- leren Schenkels, dann wieder bis nahe zum Ausgange. An dieses Rohr schließt sich nach innen wiederum ein Endapparat an, bestehend aus einer größeren Anzahl von Wimperzellen, die sich durch ihren Umfang auszeichnen und durch eine Membran zu einer das Ganze abschließenden häutigen Kapsel verbunden sind (Fig. 13). Bei keiner anderen Form habe ich diese Membran mit einer vollendeteren Deut- lichkeit zu erkennen vermocht, als gerade hier. Bemerkenswerth an diesen Wimperzellen, von denen jede einen besonderen Cilienbüschel zur Bildung der gemeinsamen Wimperflamme aussendet, ist vor Allem, dass ihre Endvacuolen eine bedeutende Reduktion erfahren haben und nur noch in kümmerlichen Resten erhalten sind (Fig. 13 e.v), ein Verhalten, wie es sich bei Helix pomatia in noch höherem Maße wiederfindet. Die Urniere von Helix pomatia gleicht im Wesentlichen der soeben von Helix lapieida beschriebenen. Die Wimperzellen treten 718 Johannes Meisenheimer, in einer außerordentlich großen Anzahl auf, sie umgeben dicht ge- drängt das innere Rohrende und bilden eine mächtige Wimper- flamme (Fig. 15). Von den Endvacuolen (ev) sind nur noch ganz spärliche Reste erhalten. Die drei Abschnitte des Urnierenrohres sind normal entwickelt, der mittlere und äußere besitzen stark ab- geplattetes Epithel, dessen Zellen jedoch hier und da noch Exkret- vacuolen führen. Eine Eigenthümlichkeit des äußeren Theiles des Urnierenganges besteht darin, dass er außerordentlich unregelmäßig und weit aufgebauscht erscheint, ein Verhalten, das sogar zu einer Verästelung in kurze Lappen führen kann, ähnlich wie es GEGEN- BAUR! von Limax agrestis beschreibt, nur noch weit extremer aus- gebildet. An Helix schließen wir am besten sofort die Limax-Arten an. Der Bau der Urniere von Limax agrestis weicht nur wenig von den bisher beschriebenen Typen ab. Zu erwähnen ist nur, dass die End- vacuolen der in größerer Zahl vorhandenen Wimperzellen noch wohl erhalten sind (Fig. 16 e.v), dass ferner der Ausführgang noch ein verhältnismäßig ursprünglicheres Verhalten aufweist, in so fern er fast bis zu seinem Ende gleichmäßig vacuolisirtes Epithel besitzt. Nur ein ganz kurzer, aus gewöhnlichem, kubischen Epithel zusam- mengesetzter Gang vermittelt seine Verbindung mit dem Ektoderm. Verästelungen des Urnierenganges sind mir hier nicht zu Gesichte gekommen. Ganz im Gegensatz zu Limax agrestis zeigt Limax maximus das am meisten von allen bisherigen abweichende Verhalten. Ich will hier, um Wiederholungen zu vermeiden, nur ganz kurz die Verhält- nisse, wie ich sie in meiner Entwicklungsgeschichte von Limax maxi- mus beschrieben habe, im Zusammenhange rekapituliren. Der Ur- nierengang hat sich scharf in drei Abtheilungen differenzirt, die äußere ist der eigentliche Ausführgang, aus hohem Cylinderepithel bestehend, die mittlere besitzt eine sehr stark abgeflachte Zellwandung und die innerste trägt allein das typisch vacuolisirte Exkretions- epithel. Der Endapparat ist in der gewöhnlichen Weise entwickelt, nur fehlt den Wimperzellen jede Spur einer Endvacuole. Bei Be- obachtungen am lebenden Objekte gelang es mir jedoch innerhalb der Wimperzellen noch einzelne Exkretkörner zu erkennen, wie sie in typischer Weise sich stets in den Vacuolen finden (auf den Schnit- ! C. GEGENBAUR, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Landgastro- poden. Diese Zeitschr. Bd. III. 1851. Zur Morphologie der Urniere der Pulmonaten. 719 ten freilich in Folge der Behandlung aufgelöst sind), ihre Fähigkeit der Exkretion ist also noch nicht völlig erloschen. Eine andere Nacktschnecke, der wir uns zum Schlusse zuwen- den, Arion empiricorum, zeigt ein in mancher Hinsicht auffallendes “Verhalten. Zunächst der Urnierengang selbst. Ein äußerer und ein innerer Schenkel sind in spitzem Winkel gegen einander geneigt, unmittelbar in einander übergehend, da ein mittlerer Schenkel völlig seschwunden ist. Der äußere steigt steil nach oben auf, der innere fällt eben so steil nach unten ab (vgl. die Abbildungen For’s). Das Rohr ist zuweilen stark ausgeweitet und gefaltet. Die Exkretvacu- olen sind nahezu gleichmäßig durch das ganze Rohr vertheilt; nur eine kleine, unmittelbar an das Ektoderm angrenzende Partie zeigt hohes, vacuolenfreies Fpithel. Die in größerer Zahl vorhandenen und weit aus einander liegenden Wimperzellen (Fig. 17 w.z) zeigen eigenthümlicherweise die Endvacuolen in außerordentlich prägnanter Weise ausgeprägt, lassen also noch ein verhältnismäßig primitives Verhalten erkennen. Im Übrigen schließt sich Arion völlig den übrigen bisher geschilderten Formen an. : Ill. Entwicklungsgeschichtliches. Ein paar Worte über die Entwicklungsgeschichte der Urniere mögen an ihre Morphologie angeschlossen werden. Bei Limax maxi- mus war ich zu dem Resultate gekommen, dass das ganze als Ur- niere bezeichnete Gebilde ein direktes Derivat des Ektoderms sei, wobei die Wimperzellen sich von dem durch eine ektodermale Ein- stülpung entstandenen Urnierenrohre loslösten. Da diese Unter- suchung sich nur die Morphologie der Urniere innerhalb der Pul- monatengruppe zur Aufgabe gesetzt hatte, so stehen mir über die übrigen Stylommatophoren keine weiteren Beobachtungen zu Gebote. Ich möchte nur noch darauf hinweisen, dass wir vielleicht in dem vollendeten Bau der Urniere von Suceinea eine Andeutung des ekto- dermalen Ursprungs der Wimperzellen noch erhalten finden, indem letztere einmal den typischen Exkretionszellen noch einigermaßen gleichen, und dann vermittelnde Zwischenstufen in Gestalt größerer vacuolisirter Zellen sich zwischen beide einschieben können. Betreffs der Entwicklung des fraglichen Organs bei den Basom- matophoren stehen mir einige Beobachtungen zu Gebote, die sich mir mehr zufällig darboten und in Folge dessen einen etwas frag- mentarischen Charakter tragen. Trotzdem möchte ich sie hier kurz anführen. Es handelt sich um Ancylus fluviatilis. Von einem ziem- 720 Johannes Meisenheimer, lich jungen Stadium erhielt ich ein Bild, wie es Fig. 2 darstellt. Zwischen den bei Ancylus ganz besonders mächtig entwickelten Ei- weißzellen und dem Ektoderm schiebt sich eine deutlich erkennbare Zellreihe ein, von welcher die erste Zelle dem Eiktoderm dicht an- liegt, die zweite sich unmittelbar anschließende durch die Größe so-+ wohl der Zelle selbst, wie des Kernes auffällt, während die dritte und vierte eine mittlere Größe zeigen. Nichts liegt näher, als in diesen vier Zellen die typischen vier Zellen der Urniere wieder zu erkennen. Zelle I bildet den Ausführgang, Zelle II die Riesenzelle, Zelle III die kleinere Exkretionszelle und Zelle IV die Wimperzelle. Betreffs der Umbildung dieser Zellreihe in das fertige Organ stehen mir keine Beobachtungen zu Gebote, wohl aber über ihre Herkunft. Ein etwas jüngeres Stadium (Fig. 1) zeigte nämlich eine ähnliche Zellreihe, nur lag jetzt die Riesenzelle (Zelle H) dicht dem Ektoderm an, ja fast in demselben, die Zelle I des Ausführganges dagegen völlig in demselben darin, unmittelbar unter dem Velum. Zelle III und IV sind auf diesem Stadium ebenfalls schon vorhanden, sie schließen sich auf dem nächsten Schnitte an Zelle II an. Das ge- naue Verhältnis dieser vier Zellen zu einander betreffs ihrer gegen- seitigen Abstammung kann freilich aus diesen beiden Stadien nicht erschlossen werden, nur scheinen sie mir sehr zu Gunsten einer direkten Ableitung aus dem Ektoderm zu sprechen und nicht aus den Mesodermstreifen, wie es RABL (l. e.) thut. Aufmerksam machen will ich vor Allem auf die Lage der Wucherungsstelle unmittelbar unter dem Velum, da WoLrson ! in einer älteren Arbeit bereits diese Urniere von einer sich aus dem Ektoderm unter das Velum schieben- den großen Zelle ableitet. Auch For (l. e.) leitet die Urniere der Basommatophoren aus einer Einstülpung des Ektoderms ab, seine Abbildungen der fraglichen Stadien lassen leider nur wenig oder nichts von einem derartigen Processe erkennen. v. ERLANGER (]. c.) schließlich lässt wenigstens den ausführenden Kanal aus dem Ekto- derm hervorgehen. IV. Allgemeine Erörterungen. Das wichtigste Resultat der oben dargelegten Untersuchungen ist darin zu suchen, dass es nunmehr möglich ist, die auf den ersten Blick so verschieden gebauten Urnieren der Stylommatophoren und Basommatophoren unter einen einheitlichen Gesichtspunkt zu bringen. 1 Wr. Worrson, Die embryonale Entwicklung des Limnaeus stagnalis. Bull. de ’Acad. imper. des sciences de St. Pötersbourg. Vol. XXVI. 1880. Zur Morphologie der Urniere der Pulmonaten. 79 Als Ausgangspunkt müssen wir in beiden Gruppen ein einfaches Rohr ansehen, an dessen innerem Ende sich eine Wimperzelle als abschließende Zelle differenzirte. Von hier aus schlagen beide Grup- pen einen differenten Weg ein. Zunächst: fixirte sich die Zahl der Urnierenzellen bei den Basommatophoren auf die konstante Zahl vier, bei den Stylommatophoren erreichte sie eine beträchtliche Höhe. Das beherrschende Prineip in der Ausbildung der Urniere der ersteren ist der Verringerung der Zahl der Zellen und die Koncentration der Exkretion auf eine einzige Zelle, während die übrigen Zellen mög- lichst zu reinen Transportmitteln der Exkretstoffe herabsinken. Zwar erhält sich die Wimperzelle noch in hohem Maße ihre ursprüngliche Funktion der Exkretion, wie die stets mächtig entwickelte Endva- euole beweist, aber ihre Hauptfunktion liegt nunmehr doch in der Beförderung der Exkretstoffe nach außen vermittels der Wimper- flamme. Die Zelle des Ausführganges hat wohl als Exkretionszelle nie eine besondere Bedeutung erlangt, ihre Lage im Ektoderm lässt sie vor Allem als Stützpunkt des ganzen Organs erscheinen. Das sewaltige Anwachsen der Riesenzelle geschieht hauptsächlich auf Kosten der Zelle III. Interessant ist es, dass dieser Process in seinen letzten Stadien sich noch an den verschiedenen Formen erkennen lässt. Wir sahen, wie bei Ancylus die Größendifferenz der Kerne beider Zellen noch ziemlich gering ist, wie sie bei Planorbis und Physa wächst und bei Limnaea ihr Extrem erreicht. Die Bedeutung der Riesenzelle wird also durch die Annahme einer enormen Kon- centration der Exkretionsfähigkeit in ein völlig klares Licht gerückt. Ein entgegengesetztes Prineip lässt die Urniere der Stylomma- tophoren zu Stande kommen, die Vertheilung der Exkretionsfähig- keit auf die Mehrzahl oder sogar sämmtliche der zahlreichen, das Urnierenrohr bildenden Zellen. Ferner nimmt die Zahl der Wimper- zellen zu, sie vermehren sich auf zwei bei Suceinea, auf eine größere Anzahl bei Helix lapicida, Arion und Limax, auf sehr viele bei Helix pomatia. Die ursprünglich vorhandene Endvacuole erhält sich bei den ursprünglichsten Typen noch in voller Ausbildung (Suceinea), bei den übrigen schwindet sie theilweise, und nur bei Limax maximus ist sie völlig geschwunden, die Funktion des Wimperorgans so ganz in den Vordergrund treten lassend. Sekundäre Veränderungen er- leidet ferner der Urnierengang, indem sich dieser in einen exkre- torischen Theil und in einen Ausführgang theilt, ein Verhältnis, welches ebenfalls bei Limax maximus sein Extrem erreicht. | Einheitlich ist demnach der Grundplan der Urniere beider Grup- Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXV. Bd. 47 I Johannes Meisenheimer, pen, die Ausbildung im Einzelnen schlug einen besonderen Weg ein, derselben Aufgabe auf verschiedene Weise gerecht werdend. Darin, dass die Urniere der Stylommatophoren ein typisch ausgeprägtes Epithelrohr darstellt, während diejenige der Basommatophoren aus an einander gereihten durchbohrten Zellen besteht, sehe ich keinen prineipiellen Unterschied. Denn auch die Urniere der Basommato- phoren ist schließlich nichts weiter als ein Epithelrohr, nur dass die dasselbe zusammensetzenden Zellen weit aus einander gerückt sind, so dass schließlich eine einzige Zelle rings das Lumen des Ganges umschließt, welcher somit stets intercellulär bleibt und, wie wir oben sahen, sogar von einer starken Cuticula umgeben wird. Diese Auf- fassung, dass zwischen inter- und intracellulären Räumen oft über- haupt kein prineipieller Unterschied zu suchen sei, ist übrigens schon öfter geäußert worden, ich erinnere hier, um ein weit abliegendes Objekt herankiuexeiten: nur an die Aukführmmient SCHÄFFER’S über inter- und intracelluläre Tracheenbildung!. Eine Homologisirung mit den Urnieren anderer a ren erscheint mir bei dem jetzigen Stande unserer Kenntnisse noch recht gewagt und unsicher, ich verzichte desshalb an die- ser Stelle auf jede wei- } tere Diskussion derselben. 4 7 Freretraeuofen Gestützt auf die Ergeb- nisse der vergleichenden Anatomie können wir er- warten, dass primitiveOpi- sthobranchier (Actaeon) es sein werden, bei denen a wir vielleicht ähnliche Or- Exkretionszelle am En ren. nm uzsprünglielie- bellarie. Kopie aus Laxg’s Lehrbuch der vergl. Anatomie. rem Typus antreffen könn- ten, möglicherweise wer- den in dieser Hinsicht bereits die Aurieuliden von Bedeutung sein, doch darüber wissen wir noch nichts?. 1 C. SCHÄFFER, Beiträge zur Histologie der Insekten. Zool. Jahrb. Abth. für Anat. u. Ontog. Bd. III. 1889. ?2 In einem neueren Aufsatze im Biolog. Centralblatt kommt MAZZARELLI nochmals auf die Verhältnisse von Urniere und Niere bei den Opisthobranchiern zu sprechen und erhebt Einspruch gegen die Kritik, die ich in meiner Ent- wicklungsgeschichte von Limax maximus an seinen Ergebnissen übte. Ich möchte nochmals hervorheben, dass ich mir nur aus der mir zu Gebote stehenden Zur Morphologie der Urniere der Pulmonaten. 125 Die Eintheilungsversuche v. ERLANGER’s halte ich für wenig be- rechtigt, da sie einmal auf der zum Theil noch recht unsicheren Basis einer Ableitung von den Keimblättern beruhen, und dann eine derartige Eintheilung leicht Gegensätze künstlich schafft, wo wir das Gemein- schaftliche zu ergründen, die Übergänge zu suchen und die ausschlag- sebenden Faktoren der Divergenz darzulegen haben. _ Endlich noch ein letztes Wort über die Beziehungen zu anderen Thierklassen. Ganz überraschend ist die Ähnlichkeit, welehe unsere Urniere nunmehr mit den Endzellen des Wassergefäßsystems der Plathelminthen gewonnen hat (vgl. Textfig. IV). Hier wie dort finden wir eine Endzelle, welche das Exkretionsorgan gegen die Leibeshöhle abschließt, ausgestattet mit Kern, Exkretvacuolen und Wimperflamme. Es sind schon mancherlei Versuche gemacht worden, die Stamm- formen der Mollusken auf turbellarienähnliche Formen zurückzuführen; ich glaube, dass das Verhalten der Urniere ein neues Moment für eine derartige Ableitung darbietet, wenn auch ihr sonstiges Äußeres stark modificirt erscheint, veranlasst durch die mannigfachen Schick- sale und Umformungen, welche das Organ durchzumachen hatte, bis es in dieser am fernsten stehenden Gruppe der Mollusken einen hohen Grad der Vollendung erreichte. Marburg i. H., Oktober 1898. Erklärung der Abbildungen. \ Sämmtliche Präparate sind mit HermAn’scher Lösung konservirt und mit Eisenhämatoxylin gefärbt. Fig. 5, 6, 8-12 sind mit Zeıss hom. apochr. Imm. 2,0 mm, Comp.-Oeul. VI, Fig. 1—4, 7 mit Zeiss hom. apochr. Imm. 2,0 mm, Comp.-Oeul. IV, und Fig. 13 bis 17 mit Zeıss Obj. E, Oe. II gezeichnet. (Agpe’scher Zeichenapparat 44a.) Erklärung der Abkürzungen: ect, Ektoderm; ex, Exkretvacuolen des Urnienenrohres; eız, Eiweißzellen; k, Kern der Riesenzelle; ev, Endvacuole; m, Membran des Wimperapparates; Litteratur ein Urtheil zu bilden suchte, dass mir jede eigene Anschauung über diesen Gegenstand fehlt, muss aber jetzt hinzufügen, dass die mir inzwischen durch die Güte des Verf. zugänglich gewordene Abhandlung in der That triftige Gründe für eine Deutung des betreffenden Organs als Niere beizubringen vermag, und ich bedauere desshalb lebhaft, falls aus obigen Gründen mein Urtheil zn schroff ausgefallen sein sollte. 4i* 724 Johannes Meisenheimer, Zur Morphol. der Urniere der Pulmonaten. rz, Riesenzelle (u2/I); vz, Velarzelle; uk, Urnierenkanal: wf, Wimperflamme; «zI—IV, Urnierenzelle 7—-IV; wz, Wimperzelle (in Fig. 3—10 = u: IV‘). Tafel XXXTIII. Fig. 1. Junges Entwicklungsstadium der Urniere von Ancylus fluviatilis. Fig. 2. Etwas älteres Stadium der Urniere von Ancylus fluviatilis. Fig. 3. Ausgebildete Urniere von Ancylus fluviatilis (kombinirt aus zwei Schnitten). Fig. 4. Ausgebildete Urniere von Planorbis corneus (aus drei Schnitten kombinirt). Fig. 5. Innerer Schenkel und Endapparat der Urniere von Physa. Fig. 6. Mittlere Partie des inneren Schenkels der Urniere von Physa, «zI1I darstellend. Fig. 7. Ausführgang und mittlerer Theil der Urniere von Limnaea stagnalis. Fig. 8. Schnitt quer durch die Riesenzelle der Urniere von Limnaea stagnalis, in der Richtung a/b von Textfigur LI. Fig. 9. Innerer Schenkel und Endapparat der Urniere von Limnaea stagnalis. Fig. 10. Endapparat der Urniere von Limnaea stagnalis, ebenfalls in der Längsrichtung, aber senkrecht auf dem vorhergehenden Schnitt von Fig. 9 ge- troffen. Fig. 11. Inneres Ende der Urniere von Succinea Pfeifferi. Fig. 12. Blick auf das innere Ende der Urniere von Suceinea Pfeifferi in ae Richtung des Rohres (etwas schematisirt und kombinirt). Fig. 13. Inneres Ende der Urniere von Helix lapicida. Fig. 14. Ende des Ausführganges der Urniere von Helix lapieida. Fig. i5. Inneres Ende der Urniere von Helix pomatia. Fig. 16. Inneres Ende der Urniere von Limax agrestis. Fig. 17. Inneres Ende der Urniere von Arion empiricorum. Beiträge zur Kenntnis der Anatomie der Lorenzini’schen Ampullen bei Acanthias vulgaris. Von «östa Forssell, Assistent an der histologischen Anstalt zu Stockholm. (Aus der histologischen Anstalt des Carolinischen medico-chirurg. Instituts zu Stockholm.) Mit Tafel XXXIV. Die LorEnzint’sche Ampulle nimmt sowohl durch ihre Lokalisa- tion, als auch durch ihren Bau einen besonderen Platz in dem Kanalsystem unter der Haut der Selachier ein und stellt dureh ihr Vorkommen nur in dieser Ordnung der Klasse der Fische eine in morphologischer Hinsicht merkwürdige Bildung dar. Dieses Organ ist auch seit seiner ersten Entdeckung durch STEFAN LORENZINI 1678 der Gegenstand einer großen Anzahl Untersuchungen gewesen, und seine Funktion ist auf verschiedene Weise erklärt worden. Es würde indessen allzu weit führen, hier alle Darstellungen der älteren Verfasser darzustellen, auch wäre dieses zu besprechen nur von sehr geringem Gewicht für die Erklärung des Baues der Ampulle. Ich bitte darum, was die Geschichte der Lorexnzintschen Ampulle bis zum Jahre 1852 betrifft, auf die Angaben von Leypıe (6), BoLL (5) und GARMAN (12) hinweisen zu dürfen. — Diese Geschichte gestal- tet sich in ihren Hauptzügen folgendermaßen: wie die Seitenlinien, so wurden auch die Ampullen von der Mehrzahl der älteren Ver- fasser als secernirende Organe aufgefasst. Einige sahen sie gleich- wohl als mit dem elektrischen Organe bei Torpedo homolog an. — Als man aber fand, dass auch dieser Fisch Ampullen besitzt, wurde diese Ansicht unhaltbar. Im Jahre 1813 sprach JacoBson die An- sicht aus, dass die Ampullen, wie die Seitenlinien, als Sinnesorgane aufzufassen seien. Hierauf entwickelte sich eine reiche Litteratur, 726 Gösta Forssell, in welcher sowohl die Auffassung von JACOBSON, als auch die alte Hypothese einer secernirenden Funktion eifrige Anhänger hatten. Nachdem aber Franz Leypie (1) und HEINRICH MÜLLER (2) im Jahre 1852 ihre berühmten gründlichen Arbeiten über die Anatomie der Selachier herausgegeben hatten, in welchen sie sich mit Be- stimmtheit für eine secernirende Funktion der LoRENZINnTschen Am- pullen aussprachen, und diese Auffassung dann dureh neue Arbeiten von Leyvie (3 und 6) gestützt worden war, wurde der Ansicht dieser Autoren eine Zeit von beinahe vierzig Jahren einstimmig gehuldigt. Die Beschreibungen, welche LeypıG und MÜLLER von der Ausbreitung und dem Baue der Ampullen gaben, waren in Betracht der damaligen Technik und optischen Hilfsmittel erschöpfend, so dass ihnen die gleichzeitigen Forscher nur wenig hinzuzufügen vermochten. — To- DARO (8), BoLL (5), der diesem Organe den Namen LoRENZINTsche Ampulle! gegeben hat, und BALFOUR (9) haben indessen auch in dieser Zeit Beiträge zur Geschichte der Entwicklung und der Ana- tomie dieses Organs geliefert. Die Entwicklung der mikroskopischen Technik in den beiden letzten Jahrzehnten hat es indessen ermöglicht, in die Anatomie der Lorenzintschen Ampulle viel tiefer einzudringen, als es LEyDıG und MÜLLER vermocht hatten. Die Anatomen haben aber (diesem interes- santen Organe in der neueren Zeit nicht so viel Aufmerksamkeit seschenkt, wie im Anfang des Jahrhunderts. Einige Autoren der letzten Zeit, Garman (12), J. C. Ewarr (15 und 16), J. €. Mrr- CHELL (16), Fr. J. Cote (17) und Sarpey (11), haben freilich bei der Beschreibung der Ausbreitung des Seitenliniensystems auch im All- gemeinen die Innervation und die Lage der Ampullen im Verhält- nis zu diesem System beschrieben, und A. Coagı (14) hat sogar eine Schilderung über die Entwicklung der LORENZIN” schen Ampulle bei Torpedo gegeben. ! Außer »LoRENZINTsche Ampulle<, welches der in der neueren deutschen Litteratur am meisten vorkommende Name ist, wird dieses Organ in der Litte- ratur auch Schleimkanal und Gallertröhre (nach Leypig) benannt. Daneben findet man aber auch die Namen »Nerv-Ampulle« (MERKEL) und, in der eng- lischen Litteratur, »Ampullenkanal« (ampullary canals). Ich will das ganze Organ mit dem Namen »LorENzINnTsche Ampulle« bezeichnen. Den mit Aus- buchtungen versehenen Endtheil nenne ich, wie gewöhnlich ist, der Kürze wegen »eigentliche Ampulle«. Für die nach der Hautoberfläche führenden Röhren finde ich die Namen »Schleimkanal« und »Gallertröhre« nicht geeignet, sondern will ich für diesen Theil der LoREnzint'schen Ampulle den Namen »Ampullen- gang« brauchen. Beiträge zur Kenntnis der Anatomie der Lorenzin. Ampullen ete. 727 Es haben aber in den letzten zwanzig Jahren nur wenige For- scher die Histologie der LorEnzist'schen Ampulle genauer geschildert. MERKEL beschreibt in seiner 1880 erschienenen großen Arbeit: »Über die Endigungen der sensiblen Nerven in der Haut der Wirbel- thiere« (10) den Bau der Ampulle bei mehreren Selachiern, und G. Fritsch veröffentlichte im Jahre 1888 das Resultat seiner Forschun- sen über den Bau und die Bedeutung des Kanalsystems unter der Haut der Selachier (13). Schließlich hat J. E. PEABoDY (21) im Jahre 1897 eine vorläufige Mittheilung seiner Untersuchungen über die Lorenzintsche Ampulle gegeben. Diese drei Forscher haben neue Beobachtungen über den Bau der Ampulle bei mehreren Selachiern semacht, sind aber dabei, was die Anatomie und die Funktion der Ampulle betrifft, zu sehr verschiedenen Ergebnissen gekommen. Auf den Vorschlag von dem Herrn Professor ERIK MÜLLER habe ich eine Untersuchung über die Anatomie der LORENZINTschen Am- pulle bei Acanthias vulgaris ausgeführt, um festzustellen zu suchen, ob der histologische Bau der Ampulle die Annahme von einer sekre- torischen Funktion derselben stützt oder nicht. Bei dieser Unter- suchung bin ich auch mit Hinsicht auf die gröbere Anatomie der Ampulle zu neuen Resultaten gekommen. Die Lorenzintsche Ampulle bei Acanthias vulgaris ist als Unter- suchungsmaterial um so viel dankbarer, als keiner der neueren For- scher dieses Organ bei dieser Haienart untersucht hat. Bei meinem Berichte über meine Beobachtungen werde ich zu den anatomischen Resultaten der oben angeführten Forscher zurück- kommen. Das Material zu meiner Untersuchung ist mir gütigst von dem Herrn Professor Gustav RETZIUs zur Verfügung gestellt worden, wofür ich ihm hier meinen ehrerbietigsten Dank sage. Eben so bitte ich meinem Lehrer, dem Herrn Professor ErIk MÜLLER, für das grobe Interesse, womit er meiner Untersuchung, mit Rath und Anweisungen meine Arbeit erleichternd, gefolgt ist, meinen ergebensten Dank aus- sprechen zu dürfen. Den Beschreibungen sämmtlicher Verfasser gemäß bilden die Lorknzintschen Ampullen an der freien Oberfläche der Haut aus- mündende Röhren, die in ihrem inneren Ende zu einer geschlossenen Erweiterung anschwellen und mit einem hellen, zähflüssigen »Schleim« gefüllt sind. Diese Erweiterung ist mit Ausbuchtungen der Epithel- wand versehen, welche durch bindegewebige Septa getrennt sind. 128 Gösta Forssell, Die Lage der eigentlichen Ampulle ist stets an dem vorderen Körperende; die Röhren aber können entweder an der. ganzen Kör- peroberfläche bis in die Analgegend ausmünden, oder auch öffnen sie sich nur in der Gegend des Kopfes, was bei Acanthias der Fall ist. Die Ampullen sind hier nicht, wie bei den meisten Selachiern, in »Centralmassen«, von fibrösen Kapseln umgeben, gesammelt, son- dern liegen im Schleimgewebe unter der Haut zerstreut. Was ihre Lokalisation betrifft, so kann ich mich darüber, da ich keine Ge- legenheit gehabt habe ungestückte Exemplare zu studiren, nicht auf Grund eigener Beobachtung äußern. Die Ampullen der verschiedenen Arten können (nach Leypıs, MÜLLER, MERKEL, FRITSCH) in zwei Haupttypen eingetheilt werden, von denen der eine in seinem Boden eine Erhebung, eine »Central- platte<, trägt, um welche sich die Divertikel gruppiren. Der andere Typus ermangelt einer solchen Bildung. Außerdem kommt bei Hexan- chus (LeyoıG) eine alleinstehende Form der Ampulle vor, indem hier alle Bildungen, die den verschiedenen Divertikeln entsprechen, mit einer besonderen Röhre an der Hautoberfläche ausmünden. Acanthias würde dem zweiten Haupttypus angehören. LeyviG schildert bei diesem Hai das blinde Ende der »Schleimröhre< als vier blasenförmige Ausbuchtungen besitzend, welche alle gevier- telt sind, so dass zahlreiche hohle »Beeren« die Oberfläche der Ampulle vergrößern. Außerdem beobachtet er, dass jede Ampulle zwei Ausführgänge besitzt, die sich zu dem an der Haut ausmünden- den Gang vereinen. Nach MÜLLER sind die Ausbuchtungen »finger- förmig« acht bis neun an der Zahl, und scharf von der Schleim- röhre abgesetzt. Was die Form der Ampulle anlangt, so fand ich bei der Unter- suchung von Schnittserien bald, dass sie ganz bedeutend von den in der Litteratur beschriebenen Typen abweicht. Um eine sichere Kenntnis von den Formverhältnissen der Ampulle zu erhalten, habe ich desshalb ein Rekonstruktionsmodell gemacht, das in Fig. 1 und 2 abgebildet ist. Dieses Modell stellt den epithelia- len Theil der mit Divertikeln versehenen Endpartie der Ampulle dar. Die Rekonstruktion ist nach Born’s Methode mit der von Dr. J. BROMAN eingeführten Modifikation der Anwendung von Kartonscheiben anstatt der Wachsplatten, deren Kenntnis ich einer mündlichen Mittheilung des Herrn Dr. BROMAN verdanke, ausgeführt worden. Die Kartonscheiben sind mit einer dünnen Wachsschicht überzogen worden. Beiträge zur Kenntnis der Anatomie der Lorenzin. Ampullen ete.. 729 Betrachtet man das Modell nur flüchtig von der äußeren Seite (Fig. 1), so kann man leicht verstehen, wie man zu der Ansicht kommen konnte, dass die fingerförmigen Divertikel sich direkt aus der Wand der großen »Schleimröhe« oder, wie LeYDIG es geschildert hat, zweier Röhren hervorwölben. Sieht man aber das Modell von der inneren, gegen das Centrum gekehrten, Seite an (Fig. 2), so findet man sleich, dass dieses nicht der Fall ist. Das innere Ende des Haupt- sanges (Fig. 1 hg) geht in zwei kleinere Röhren (zg und ng,) über, welche sich in eine Anzahl Tubuli feineren Kalibers theilen, also ein einfaches Gangsystem bilden. Von den durch die fortgesetzte Theilung des Hauptganges entstandenen Röhren buchten sich nun die Divertikel (in den Zeichnungen mit schwarzer Farbe bezeichnet) deut- lich abgegrenzt aus. Die Divertikel finden sich sowohl an der Wand der gröberen, als auch der feineren Röhren. Im ersten Falle (Fig. 2 d) setzt sich die Röhre unterhalb des Divertikels fort. Im letzten Falle bilden ein oder mehrere Divertikel das Ende der Röhre. Als Regel kommen jedoch Ausbuchtungen in einer Zahl von zwei bis drei an jeder Endröhre vor (Fig. 2 da und d,). Dieselben erstrecken sich über der äußeren Oberfläche und den Seitentheilen der Endröhre fast von deren Ausgangsstelle her, lassen aber die innere Oberfläche frei. Hierdurch treten die Verzweigungen des Ampullenganges von dem Centrum der Ampulle heller als von der äußeren Oberfläche hervor. Die Divertikel sind in der Regel von einer langgestreckten, ge- rundeten Form mit der größten Breite in der Mitte. An ihrem Aus- gang von der Röhre erhebt sich ihre obere Oberfläche zu einer kleinen Kuppel, so dass man auf einem Schnitte oft den Querschnitt eines Divertikels neben einem Ampullengang sieht, auf einem tiefer gelegten Schnitt aber den Divertikel in offener Verbindung mit die- sem Gange findet. Die direkt an den Röhren sitzenden Ausbuch- tungen können wieder kleinere Divertikel tragen, wodurch, wie Fig. 1 do zeigt, Bildungen von sehr eigenthümlichem Aussehen ent- stehen. Die rekonstruirte Ampulle trägt 26 Divertikel von verschiedener Größe. Dieselben sind um die Längsachse der Ampulle gruppirt, so dass in der Mitte derselben ein freier Raum bleibt, bilden aber keine regelmäßige Figur, und springen nicht gleich hoch empor, wesshalb man bei einem Schnitt durch die Ampulle bei Weitem nicht alle Divertikel trifft. In diesem Verhältnis hat man wahrscheinlich die Ursache zu sehen, dass die Zahl der Divertikel zu niedrig berechnet worden ist. 750 Gösta Forssell, Die Länge der Divertikel tragenden Partie der rekonstruirten - Ampulle war 0,3 mm. Um die durch die Rekonstruktion gewonnenen Resultate zu kon- trolliren, habe ich fehlerfreie Serienschnitte durch noch neun Am- pullen studirt. Dieselben zeigten alle dieses einfache tubulöse Gang- system Divertikel tragender Ampullengänge. Die Länge der die Divertikel tragenden Partie war im Durchschnitt 0,8 mm. Die Anzahl der Divertikel wechselte zwischen 18 und 31, und zwar so, dass je zwei Ampullen 20, 24 und 26, und die übrigen drei Ampullen 18, 23 und 31 Divertikel trugen. Also scheinen die Divertikel bei diesem Hai nicht, wie früher angegeben worden ist, in konstanter Zahl vorzukom- men. Auch sind sie viel zahlreicher, als man angenom- men hat. Was die Form des nach der Hauptoberfläche leitenden Haupt- ganges betrifft, so kann ich zu der Schilderung, die H. MÜLLER von ihm gegeben, nur wenig hinzufügen. Gerade oberhalb der eigentlichen Ampulle erweitert sich der Ampullengang und nimmt gegen die Oberfläche bedeutend an Weite zu, unmittelbar unter der Haut aber spitzt er sich schnell zu einer konischen Form. Die Mündungen an der Oberfläche haben nur die Größe eines Nadelstiches. Dieser letzte Umstand ist oft übersehen worden, doch haben außer MÜLLER auch MERKEL und PEABOoDY auf ihn hingewiesen. MERKEL hat auch hervorgehoben, dass bei meh- reren Haien die Mündungen der Ampullen viel kleiner als die der Seitenlinien sind. Die Maße, die ich auf der Röhre gefunden habe, sind in dem größten Durchschnitt etwa 1,4 mm, die Breite der Mün- dungen ist 0,5 mm. Die Länge der Röhre ist, da die Ampullen nicht auf demselben Abstand von der Haut liegen, sehr verschieden. In einigen Fällen habe ich beobachtet, dass aus einer Ampulle zwei bis an die Mündung getrennte Röhren hervorgegangen sind; diese Röhren haben jedoch überall dieht neben einander gelegen. Sonst haben die Hauptröhren in allen von mir untersuchten Präpa- raten, wenn sie auch im Schleimgewebe dicht neben einander lagen, im festen Bindegewebe der Unterhaut immer von einander getrennt gelegen und in deutlichen Abständen von einander ausgemündet. Wie aus meinen Beobachtungen hervorgeht, gestaltet sich also der gröbere Bau der Lorkxzintschen Ampullen bei Acanthias vul- garis folgendermaßen: das innere Ende des Ampullenganges Beiträge zur Kenntnis der Anatomie der Lorenzin. Ampullen ete. 731 löst sich in eine Zahl feinerer Röhren auf. Diese feinen Röhren tragen auf ihren Außen- und Seitenflächen finger- oder sackförmige Divertikel. Die Ampulle bei Acanthias vulgaris bildet demnach eine interessante Übergangsform zwischen dem mit einer Centralplatte versehenen Typus, welcher die Divertikel direkt auf einem an die Hautober- fläche führenden Ampullengang trägt und der Ampulle bei Hexanchus, welche mit vielen Gängen an der Hautober- fläche ausmündet. Der histologische Bau der Divertikel und der Ampullengänge ist von ganz verschiedenem Charakter. Dass sich eine Verschiedenheit in der Struktur dieser Partien findet, ist zwar schon lange bekannt gewesen, doch wusste man lange Zeit nur, dass die Divertikel ein diekes Epithel von dunklen Zellen besitzen, während die Ampullengänge mit sehr dünnen, hellen polygonalen Zellen ausgekleidet sind (LeypIG, MÜLLER). BorL hat bei einem Haie stachelförmige Bildungen auf den Epithelzellen der Divertikel gesehen, und bei Hexanchus hat Leyvıe Haaren gleichende Auswüchse auf den Zellen der Divertikel beobachtet. Neues Licht wurde über die Histologie der Lorkxzıntschen Ampulle durch MErker’s Forschungen verbreitet. Derselbe beschreibt in dem Epithel der Divertikel zwei Zellenarten, Sinneszellen und Deckzellen. Die birnförmigen Sinneszellen, die eine Art Cylinder- epithelien bilden, besitzen eine breitere Basis und eine gegen das Lumen hervortretende, sich allmählich verschmälernde Spitze, welche unmerklich in ein äußerst feines Haar übergeht. Ein großer, heller Kern nimmt den größten Theil der Zelle ein. In dem Raume zwi- schen den oberen zugespitzten Enden der Sinneszellen haben die auch mit einem großen Kern versehenen Deckzellen ihren Platz. Die Grundform dieser Zellen ist eine niedrige Pyramide mit nach oben gewendeter Basis. Von ihrer unteren Fläche senden sie feine Lamellen herab, die etwa die Mitte der Sinneszellen erreichen. Auf ihrer freien Oberfläche haben sie eine feine Cutieula, die gegen das Lumen eine zusammenhängende Membrana limitans bildet, welche nur den mit Haaren versehenen Spitzen der Sinneszellen den Durch- sang gestattet. Die kürzeren oder längeren Zellen der Centralplatte haben auch eine starke Cutieula mit hervorschießenden Stacheln, die bei den verschiedenen Arten eine verschiedene Form zeigen und spitzig, 192 Gösta Forssell, stumpf oder lappig sind. Außer auf der Centralplatte kommen solche Zellen bei einigen Haien auch auf den Firsten vor, die von der Centralplatte aus zwischen den Divertikeln verlaufen. Dieser Schilderung des Divertikelepithels von MERKEL steht die Auffassung dieses Epithels von Frırscn gegenüber. Nach diesem Forscher besitzen die Ausbuchtungen ein doppeltes Epithel: eine tiefere Schicht von Zellen von wechselnder Form mit runden, lebens- kräftigen Kernen und eine Grenzschicht von ganz membranösen Zellen mit rudimentären Kernen. Diese Zellenschicht sah Fritsch in die Cutieula der eylindrischen Zellen übergehen, die die Central- platte bekleiden, während die tiefe Zellenschicht der Ausbuchtungen den Zellen auf der Platte entspricht. Beide Forscher stützen ihre Ansicht durch Bilder, die von der Ampulle von Sceyllium canieula seholt worden sind. MERKEL liefert außerdem Bilder von Mustelus. PrABoDY hat, wie Fritsch, in den Divertikeln ein doppeltes Epithel gefunden: eine oberflächliche Schicht von polygonalen Zellen mit spindelförmigem Durchschnitt und eine tiefere Schicht von kurzen, cylindrischen Zellen. Die Bilder PEABopy’s stammen von Galeus canis. Keiner dieser drei Forscher hat die Ampulle von Acanthias vulgaris untersucht. | Zu meinen Untersuchungen der Histologie der Ampulle habe ich in Formalin oder Pikrinsalpetersäure fixirtes Material benutzt. Die Färbungen sind mit Eisenhämatoxylin nach M. HEIDENHAIN oder mit Eisenhämatoxylin in Verbindung mit Säurefuchsinfärbung, mit BÖHMER’S oder DELAFIELD’s Hämatoxylin in Verbindung einer Färbung des Plas- mas mit Eosin, Erythrosin, Säurefuchsin oder Pikrinsäure ausgeführt worden. Die histologischen Verhältnisse, die ich in der Ampulle von Acan- thias vulgaris gefunden habe, stimmen im Allgemeinen mit denen überein, die MERKEL bei Scyllium beobachtet hat, und stehen dess- halb im größten Gegensatz zu den Beobachtungen von FRITSCH und PrABopy. Ich habe in den Divertikeln ein einfaches Epithel ge- funden, das von zweierlei Zellen aufgebaut ist: von großen birnförmigen Zellen und einem zwischen diesen gelegenen System von Stützzellen. Die birnförmigen Zellen sind feinkör- nig, mit mächtigen, runden oder schwach ovalen, etwa im Centrum der Zelle gelegenen Kernen (Fig. 4—9 b2). Gegen das Lumen verschmälern sich diese Zellen schnell zu einer schmalen Spitze. Das von MERKEL erwähnte feine Haar habe ich nicht finden können. Beiträge zur Kerntnis der Anatomie der Lorenzin. Ampullen ete. 733 Die Deckzellen, oder, wie ich sie nennen will, die Stützzellen, zeigen bei Acanthias vulgaris sehr interessante Formverhältnisse. Ihre Grundform ist, wie sie MERKEL bei Sceyllium beschrieben hat, eine Pyramide mit dem Lumen zugewendeter Basis von polygonaler Form. Die Körper der Stützzellen aber erstrecken sich nicht nur bis zur Mitte der birnförmigen Zellen, sondern sie schießen mit feinen Lamellen zwischen diesen Zellen bis zur Basalmembran herunter, Diese Lamellen scheinen eine feinfädige Struktur zu haben. Sie anastomosiren mit einander, so dass um die birnförmigen Zellen eines der schönsten Korbwerke gebildet wird. Betrachtet man einen Flächenschnitt durch das Epithel eines Divertikels, so tritt dieser schöne Apparat, die großen, auf dem Flächenschnitt runden, protoplasmatischen Sinneszellen von allen Seiten umgebend und sie vollständig von einander trennend, sehr deutlich hervor (Fig. 9). Auf einem Querschnitt der Wand des Divertikels erhält man von den Stützzellen, je nachdem der Schnitt im Verhältnis zu einer der Lamellen tangential gefallen ist, oder eine Lamelle winkelrecht gegen ihre Oberfläche getroffen hat, ein sehr verschiedenes Bild. Im ersten Falle erscheinen die Stützzellen als durch das ganze Epithel sehende Zellen mit einer breiten Fußlamelle (Fig. 4—6 /#,); im letzten Falle erhalten sie das Aussehen von Bildungen von einer in der Regel dreieckigen Form, die die Räume zwischen den Spitzen der birnförmigen Zellen ausfüllen. Die quergeschnittenen Lamellen präsentiren sich hier als eine von der Grundoberfläche der Stützzellen nach der Bindegewebemembran gehende fadenförmige Bildung (Fig. 4, 6 und S /i). Der einzige Knorpelfisch, bei welehem ein ähnliches Verhältnis nachgewiesen worden ist, ist Squatina, der nach MERKEL auf den unteren Flächen der Deckzellen bis zum Bindegewebe gehende La- mellen besitzt. Die Kerne der Deckzellen sind groß und hell. Vom Lumen ge- sehen zeigen sie einen runden oder ovalen Kontour, können aber auch ziemlich unregelmäßig geformt sein; ihre untere Fläche bildet einen kürzeren oder längeren Keil (siehe Fig. 4—7 sz und sz,, Fig. 9 Ar). An gewissen Stellen kann man sehen, dass der Kern ganz und gar gegen die Basalmembran gerückt ist (Fig. 7 sz). Eine feine zu- sammenhängende Cutieula bedeckt die freie Fläche der Stützzellen. Nur wo eine birnförmige Zelle in ihrer Längsrichtung getroffen ist, sieht 754 Gösta Forssell, man die Cutieula durchbrochen, um ihre Spitze durch eine feine Pore das Lumen erreichen zu lassen (Fig. 8 bei sp). Obgleich in der Ampulle des Acanthias vulgaris eine Central- platte fehlt, habe ich doch in ihr Zellen gefunden, die ich als mit den Zellen homolog ansehe, die man auf der Centralplatte und bei einigen Haien (z. B. Mustelus) auch auf den von der Centralplatte nach der Wand der Schleimröhre gehenden Leisten findet. Auf den Leisten, die dort auftreten, wo die Divertikel in den Ampullengängen ausmünden oder wo kleinere Divertikel von größeren entspringen, kommt nämlich eine einfache Zellenschicht mit hohen, oft nach unten zugespitzten Zellen vor, welche eine starke Cuti- cula tragen (Fig. 6 und 7 /). Vergleicht man den Längsschnitt einer Ampulle, die eine Centralplatte besitzt (Fig. 13) mit einem Längsschnitt durch die Ampulle bei Acanthias vulgaris an der Stelle, wo zwei Divertikel in eine Endröhre münden (Fig. 14 cp), so ist die Ähnlichkeit in die Augen fallend. Der Unterschied ist nur der, dass die Oberfläche (Fig. 14 cp), wo in der Ampulle von Acanthias sich die beiden Leisten treffen, keine größere Breite als diese hat, während die Centralplatte (Fig. 13 cp) dadurch eine bedeutend größere Aus- dehnung erhält, dass eine große Anzahl Leisten in ihr zusammen- stießen. Die Leisten (Fig. 14 /), die in der Ampulle von Acanthias zwischen zwei Divertikel verlaufen, sind natürlich mit den Leisten sleichwerthig, die von einer Centralplatte radiär gegen die Wand des Ampullenganges auf der Grenze zwischen den Divertikeln laufen (Fig. 13 2). Das Vorkommen einer Centralplatte verursacht also keine wesentliche Veränderung des Baues der Ampullen, sondern ihr Entstehen beruht ganz und gar auf der regelmäßigen Anbringung der Ampullendivertikel um eine Röhre Betrachtet man jetzt die Grenze zwischen dem auf der Leiste vorkommenden Epithel und der Zellenbekleidung der Ausbuchtungen, so zeigt es sich, dass die auf den Stützzellen befindliche Cutieula direkt in die euticulare Bedeckung der auf der Leiste vorkommenden eylindrischen Zellen übergeht (siehe Fig. 6 und 7). Die birnförmigen Zellen hören, ohne ihre Form verändert zu haben, plötzlich auf, die Stützzellen aber werden höher und gehen in die auf den Leisten vorkommende Zellenform über. Die bei Acanthias. vulgaris den Zellen der Centralplatte ent- sprechenden Zellen sind also von derselben Art, wie die in den Beiträge zur Kenntnis der Anatomie der Lorenzin. Ampullen ete. 795 Divertikeln vorkommenden Stützzellen. Sie bilden eine Zellenform, die, wie ich vermuthe, dadurch entstanden ist, dass die birnförmigen Zellen an allen hervorschießenden Stellen aus dem Divertikelepithel verschwinden. Die Stützzellen, die sich nicht länger nach diesen Zellen zu formen brauchen, nehmen dann eine mehr eylindrische Form an. Dieses Verhältnis hat MERKEL nicht beobachtet. Dagegen hat er gesehen, wie das auf den zwischen den Divertikeln verlaufen- den Leisten vorkommende Epithel durch Abplattung direkt in die niedrigen Zellen des Ampullenganges übergeht. Dieses habe ich auch sefunden. Ein solcher Übergang zeigt sich überall, wo die mit eylindrischen Zellen bekleideten Leisten an einen Ampullengang gren- zen. Dieses tritt mit zu wünschender Deutlichkeit in Fig. 3 an den mit / gemerkten Stellen vor. Der große Nervenreichthum der Lorexzinischen Ampulle ist eine der Ursachen gewesen, die die Aufmerksamkeit auf sie gezogen haben. In jede Ampulle treten fünf bis zehn kleine Nerven. Nach der Auffassung FrırscH's steigen diese unverästelt unter die Oentral- platte hinauf, verlieren hier die Markscheide und senden den Löwen- antheil ihrer Fasern zum Epithel der Centralplatte, während nur wenige Fasern zum Divertikelepithel ziehen (siehe Fig. 13 n). MERKEL dagegen behauptet, dass die Nerven, wenn sie unter der Centralplatte das Mark verloren haben, kaskadförmig ausstrahlen, den bindegewebigen Septa zu den Wänden der Divertikel folgend, wo sie ein weitmaschiges Nervennetz bilden. PEABODY, der die Ausbreitung der Nerven in der Ampulle mit Methylenblaufärbung studirt hat, hat die Vertheilung der Nervenfaser in der Ampulle im großen Ganzen wie MERKEL gefunden. Was die Endigung der Nerven betrifft, so ist in der Litteratur die Ansicht allgemein verbreitet, dass die feinsten Nervenzweige mit den Zellen des Epithels in direktem Zusammenhang stehen. Kein sicherer Beweis ist doch für diese Ansicht hervorgebracht. Im Gegentheil ist es durch die Untersuchungen der letzten Jahre sichergestellt, dass die Nerven der Ampulle frei enden. Dass hier wirklich freie Nervendigungen auf den großen birn- förmigen Zellen des Divertikelepithels existiren, geht nämlich sehr deutlich durch die schönen Untersuchungen hervor, die @. Rerzıus über die Nerven in der Lorexzixrsschen Ampulle ausgeführt hat, und welche er in einem Vortrage im biologischen Verein zu Dtock- holm im Oktober 1897 darleste. 736 Gösta Forssell, In den mit Methylenblau tingirten Präparaten, die er da demon- strirte, sah man die markhaltigen Nervenfasern in die Mitte der Ampulle aufsteigen, von da mit Verlust des Markes zwischen die Divertikel eintreten und sich wiederholt verzweigend ein außer- ordentlich feines und reiches Fadenwerk auf der unteren Fläche des Epithels der Divertikel bilden. Die Endzweige der Nerven endeten frei mit knopfförmigen An- schwellungen entweder an dem unteren Theil der Seitenwand der birnförmigen Zellen oder an ihrer gegen das Bindegewebe sehenden Oberfläche. PEABopY hat die Nerven mit einem Knoten frei an der unteren Fläche der »tiefer gelegenen Zellen« der Divertikel enden sehen. Selbst habe ich die Nervendigungen nicht deutlich zu sehen be- kommen können, da ich die Nerven nicht in vita mit Methylenblau behandelt habe, welches hier das einzige wirksame Färbemittel zu sein scheint. Ich kann jedoch die Angaben von RETZIUs und PrA- BODY betreffs der Vertheilung der Nerven in der Ampulle völlig be- stätigen. Aus der vorstehenden Schilderung geht hervor, dass sich in den Ausbuchtungen keine Bildungen finden, die auf eine Sekretion hindeuten. Dieselben sind von einem einfachen, sehr nervenreichen Sinnes- epithel ausgekleidet, das von birnförmigen Sinneszellen und von Stützzellen, die zu einem zierlichen Gerüst zusammengefügt sind, aufgebaut ist. Zwischen den Ausbuchtungen verlaufen Leisten, die von eylindrischen Zellen, welche mit den Stützzellen in Zusammen- hang stehen, gebildet sind. Über den histologischen Bau der Ampullengänge hat mur Toparo Levpie’s Beschreibung desselben etwas Neues zuzufügen. Er fand die Zellen des ganzen »Schleimkanales« bei Hexanchus mit »Zapfen« besetzt. Ich habe auch bei Acanthias die Zellen der Ampullengänge mit eigenthümlichen Bildungen ausgerüstet gesehen. Von der gegen das Lumen gekehrten Oberfläche jeder Zelle ragt eine lange, pfeiler- förmige Bildung wie ein Schornstein in den Ampullengang hinein (Fig. 10 und 12 7). Die Pfeiler scheinen eine dünne Wandschicht zu besitzen — wenn ein Pfeiler von der Zelle abgetrennt ist, kann man einen unteren Rand von runder oder ovaler Form sehen. Der Beiträge zur Kenntnis der Anatomie der Lorenzin. Ampullen ete. 737 ganze Pfeiler ist in kleine Kammern mit zarten Wänden, die sich mit DELAFIELD’s Hämatoxylin färben, getheilt (siehe Fig. 12). Bei schwä- eherer Vergrößerung scheint der Pfeiler in mehrere Schichten von der Breite der Pfeiler getheilt zu sein, bei stärkerer Vergrößerung aber tritt eine ziemlich unregelmäßige Eintheilung in Kammern hervor. Bei starker Tingirung mit DELAFIELD's Hämatoxylin färben sich’ die ganzen Pfeiler intensiv blau. Wahrscheinlich sind die Kammern im Leben mit einer weichen oder fließenden Masse gefüllt. Die Wände derjenigen Kammern, die der Zelle am nächsten liegen, scheinen fester als die Wände der mehr central gelegenen Kammern zu sein. In der Mitte des Ampullenganges fließen die Kammern. der verschiedenen Pfeiler sogar zusammen und bilden eine zusammen- hängende Masse. Ä Das undifferenzirte Protoplasma der Zellen mit dem Kerne er- hebt sich wie ein kleiner Hügel, der sich durch stärkere Färbbar- keit auszeichnet, in den Pfeiler hinein (Fig. 12 gz). Die Pfeiler ver- laufen ziemlich gerade von der Zellwand bis zum Centrum des Am- pullenganges. Ihre Kontouren sind in der Nähe der Wand des Ampullenganges am schärfsten und werden dann weniger deutlich. In der Mitte des Ganges scheinen die Pfeiler in eine Masse zusam- menzufließen, die bis in die Divertikel dringt (siehe Fig. 3). Oft sieht man abgebrochene Pfeiler sich wie stumpfe »Zapfen« von den Zellen erheben (Fig. 11). Wahrscheinlich sind es solche Bruchstücken, die ToDAro gesehen hat. Die Zapfenbildungen, welche MERKEL auch auf der Centralplatte und den Leisten der Ampulle beschrieben hat, sind vielleicht von derselben Art, wie diese Bil- dungen in dem Ampullengang. In der Zeichnung, die MERKEL in seiner oben angeführten Arbeit von einer Zapfenzelle der Centralplatte der Ampulle bei Mustelus aus- seführt hat, gleicht der Zapfen sehr einer der oben beschriebenen Bildungen aus dem Ampullengang bei Acanthias (vgl. Fig. 11 und MERKELSs Fig. 14, Taf. V). Aus den jetzt beschriebenen histologischen Bildern wird es klar, dass die gelatinöse Masse, welche die Ampulle füllt, von den Zellen stammt, die die Wand des Ampullenganges aus- kleiden. Es ist nicht länger nöthig, Sekretionsbilder im Epithel der Ausbuchtungen zu suchen, um das Vorhandensein des die Ampulle ausfüllenden Körpers erklären zu können. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. LXV. Bd. 45 138 Gösta Forssell Was die Vertheilung des Bindegewebes in der eigentlichen Am- pulle und in den Schleimröhren betrifft, so ist die allgemeine Meinung die, dass, wie LevvıG gefunden hat, das Grundgewebe aus einem homogenen Bindegewebe besteht. Das einzige homogene Bindege- webe, das vorkommt, ist indessen eine stark lichtbrechende Basal- membran unter dem Epithel der Divertikel. Das Epithel des Aus- fuhrgangs ruht auf einer Membrana propria, von einer Schicht von sroßen platten Zellen gebildet (Fig. 3 und 12 mpr). Außer von diesen Membranen ist die Ampulle von einem zähen, fadigen Binde- sewebe umgeben, das um jedes Divertikel eine dichtere Schicht bildet und auch die ganze Divertikelmasse mit einer festen Schicht umgiebt und die in das Centrum eintretenden Nerven und Gefäße trägt. Dieses fadige Gewebe geht ohne deutliche Grenze in das umgebende Schleimgewebe über. Die feinere Gefäßvertheilung habe ich, da ich kein injieirtes Ma- terial hatte, nicht beobachten können. Aus den gewöhnlichen Schnitt- bildern scheint aber hervorzugehen, dass ein oder ein paar kleine Gefäße in die Ampulle eintreten und sich dort sparsam verzweigen. MERKEL und Fritsch sind durch ihre histologischen Studien in Betreff der Funktion der Lorenzintschen Ampulle zu vollständig entgegengesetzten Ansichten gekommen. FRITSCH nimmt an, dass sie ein Sinnesorgan gewesen ist, das jetzt eine sekretorische Funktion hat. Als Stütze für diese An- nahme führt er an, dass er zwischen den Zellen der Centralplatten mit körnigen Massen gefüllte engere Räume gefunden habe, die sich gegen das Lumen der »Schleimröhre« öffnen und zu Zeiten ihren In- halt in dieselbe zu entleeren scheinen. Er vermuthet, dass diese Bilder durch den physiologischen Zerfall einzelner Zellen hervor- gerufen werden und dass das Produkt dieses Zerfalles die Schleim- masse bilde. Ich habe keine solchen Bilder finden können; es dürfte übrigens auch gegen alle Wahrscheinlichkeit streiten, dass der ganze Ampullen- sang, der ja bei den Rochen den Körper in seiner ganzen Länge durehzieht, mit Schleim gefüllt sein sollte, der aus den zerfallenen Zellen in der kleinen Ampulle entstanden ist. Eine Schleimbildung durch das physiologische Zerfallen der Zellen stimmt auch nicht mit der modernen Auffassung der Sekretion überein. Die Zapfen der Zellen der Centralplatte betrachtet FrırscH als noch nicht angeschwollene Theile der Zellen. Beiträge zur Kenntnis der Anatomie der Lorenzin. Ampullen ete.. 739 Deutliche Sekretionsbilder hat Frrrsch .als Stütze seiner Hypo- these von einer secernirenden Funktion nicht mitgetheilt. Außer auf die Vertheilung der Nerven, gründet MERKEL seine Annahme einer Sinneseindrücke pereipirenden Funktion der Ampulle darauf, dass er in ihr die birnförmigen Haarzellen wieder gefunden hat, die in allen Organen des Seitenliniensystems das durchgehende Element bilden. Den Zellen der Centralplatte spricht er dagegen die Eigenschaft von Sinneszellen ab. Hierin theile ich in Anbetracht des Zusammenhangs, den diese Zellen, wie ich gefunden habe, mit den Stützzellen und den Zellen der Ampullengänge zeigen, und der Nervenvertheilung seine Ansicht. | PEABoDY hat keine Sekretionsbilder in der Ampulle gefunden. Seine Auffassung der Struktur des Epithels giebt ihm auch keine Stütze für die Annahme, dass hier ein Sinnesorgan vorliegt. Gleich- wohl ist es ihm möglich, die Ampulle als ein Tastorgan aufzufassen. Weiter beobachtet er das interessante Verhältnis, dass die Selachier, die am meisten beweglich zu sein scheinen, eine größere Anzahl Ampullen als die trägeren Gattungen haben. Meiner Auffassung gemäß giebt der histologische Bau der Am- pulle keinen Anlass, sie als ein secernirendes Organ, eine Drüse, anzusehen, sondern sie scheint eine Art Sinneseindrücke zu percipiren bestimmt zu sein. Wie man aus dem Vorhergehenden ersieht, finden sich hier unter der Haut eingesenkte, sackförmige Organe, von einem einfachen Epithel ausgekleidet, das von zwei verschiedenen Zellen- arten aufgebaut ist, von welchen die eine zum Aufbau eines zier- liehen Stütz- und Isolirungsapparates für die andere Art von Zellen dient, welche den peripherischen Reiz auf die zwischen und unter ihnen frei endenden Nerven überführen. Die Zellen, die die Gänge auskleiden, welche diese Organe mit der freien Oberfläche der Haut verbinden, haben sich theilweise in eine gelatinöse Masse differenzirt, welche die Ampulle ausfüllt und wahrscheinlich als ein Medium dient, um den Reiz von der Oberfläche auf das eingesenkte Organ überzuführen. Diese gelatinöse Masse dürfte dann in der Ampulle dieselbe Rolle spielen, wie z. B. die Endolymphe in dem membra- nösen Labyrinthe des Innenrohres oder die Linse und der Glaskörper des Auges. Hier kann nicht von einer Sekretion die Rede sein, wenn man nämlich mit diesem Worte einen Process bezeichnet, durch welchen ein Material abgesondert und aus dem es bildenden Organe entleert wird, um Verwendung in dem Haushalte des Körpers zu finden. 48* 740 Gösta Forssell, Denn es spricht nichts dafür, dass hier ein Sekret (»Schleim«) ab- gesondert wird. Die Ampulle könnte ihr »Sekret« nur nach auben, auf die Haut, abscheiden, und gerade die Selachier, die am reich- licehsten mit Ampullen versehen sind, haben die am wenigsten schleimige Haut. Ein Organ von der Form einer Röhre, das in seinem peri- pherischen Theil die Natur einer Drüse hätte, in seinem geschlosse- nen Endtheile aber ein sehr zartes Sinnesepithel trüge, welches dem Drucke dieses Sekretes ausgesetzt wäre, lässt sich auch schwer- lich denken. Es handelt sich hier vielmehr um ein durch Thätigkeit der Zellen in den Ampullengängen gebildetes Plasmaprodukt, das die Aufgabe hat, das Sinnesepithel zu schützen und die Überführung des Reizes zu vermitteln. Es wäre indessen von dem größten Interesse, die chemische Konsistenz des Körpers kennen zu lernen, der die Ampullen ausfüllt. Dass solche Differenzirungsprodukte sich nicht ein für allemal bilden können, sondern dass ein stetiger Ersatzprocess durch neue Thätigkeit der Zellen des Ampullenganges stattfinden muss, dafür spricht die direkte Berührung des gelatinösen Plasmaproduktes mit dem Meerwasser. Die ontogenetische Entwicklung der LoRENzINTschen Ampulle gestattet auch. sie als ein Sinnesorgan in derselben Art wie die Seitenlinien aufzufassen. Coscı (14), der die Entwicklung der Am- pulle bei Torpedo ocellata untersucht hat, giebt nämlich an, dass sich hier die Ampulle und die Seitenlinien auf dem Branchialtheil aus einer gemeinsamen Anlage entwickeln, die aus ektodermalen strangförmigen Proliferationen besteht, welche mit den Ganglien der Cerebralnerven in Verbindung stehen. Diese Stränge theilen sich der Länge nach. Aus dem einen Theil gehen die Ampullen her- vor, aus dem anderen die Seitenlinien. Um eine richtige Auffassung der Funktion der LoORENZINTschen Ampulle zu erhalten, ist indessen eine histologische Untersuchung derselben nicht genügend. Leypvıe spricht in seiner Arbeit über einen sechsten Sinn (6) die Hoffnung aus, dass das interessante Organ des Seitenliniensystems der Gegenstand der Experimente eines nach feinen und sicheren Methoden arbeitenden Physiologen sein werde. Sorgfältige und um- fassende physiologische Experimente wären ja auch der einzige Weg, Beiträge zur Kenntnis der Anatomie der Lorenzin. Ampullen ete. 741 eine sichere Kenntnis der Funktion dieser räthselvollen Bildungen zu erhalten. Eben so reich aber wie die histologische Litteratur an eingehenden Forschungen in Betreff der Organe ist, die in der Haut der im Wasser lebenden Wirbelthiere vorkommen, eben so dürftig sind die Angaben, die die physiologische Litteratur über dieselben aufzuweisen hat. | Da diese Bildungen im Allgemeinen die Aufmerksamkeit der Physiologen so wenig auf sich gezogen, kann es nicht verwundern, dass die LorEnzist’schen Ampullen, wie ich habe finden können, nur den Experimenten von zwei Physiologen unterworfen gewesen sind. Fuchs (18) führte einige Serien von Versuchen bei Torpedo aus. Theils schnitt er den die lateralen Ampullen versehenden Trigeminus- zweig, bei einigen Thieren auf der einen, bei anderen auf beiden Seiten durch, fand aber im Wesen dieser Thiere, als sie wieder in das Bassin gelassen wurden, keine Veränderung!. Theils schnitt er bei seinen Versuchen denselben Nervenzweig durch, präparirte ihn 2—3 em lang frei, und brachte dann auf der Oberfläche des Quer- schnittes des peripherischen Nervenstumpfes und an einer Stelle der Längsfläche desselben mit einander durch einen Galvanometer ver- bundene Elektroden an. Wie von FRITHJOF HOLMGREN vorher durch Reizungen der Re- tina mit ähnlicher Versuchsanordnung konstatirt worden ist, zeigte der ruhende Nervenstrom bei einer adäquaten Reizung des Sinnes- organs negative Fluktuationen. Durch chemische und thermische Reizung der Ampulle, durch Druck auf die umgebende Haut und dadurch, dass er Luft in die Schleimröhren blies, suchte jetzt Fuchs nach dem genannten Principe die adäquate Reizung der Ampulle zu finden, allein ohne merkbares Resultat. Da er indessen mit den- selben Versuchsanordnungen ein positives Resultat bei Druckreizung der Haut über den Savr’schen Blasen und den Hautkanälen des Kopfes gewonnen hat, spricht Fucns den Lorkznzintschen Ampullen ein Sinneseindrücke percipirendes Vermögen ab, schreibt aber den erst- genannten Organen das Vermögen zu, die Größe und den Wechsel des hydrostatischen Druckes, den das Thier erleidet, zu beurtheilen. Die Ampullen sieht er dagegen, sich dabei auf die anatomischen Beschreibungen von FrITscH stützend, als einen wahrscheinlich secer- nirenden Apparat an. ECKHARD (4) hat indessen, um eine Sekretion zu erhalten, die zur ! NAGeEr (19) hat ähnliche Versuche bei dem nach der Seitenlinie führen- den Nerv. lateralis mit demselben Resultate ausgeführt. 742 Gösta Forssell, Ampulle leitenden Nerven bei dem Zitterrochen mit Elektrieität ge- reizt. Dieser Versuch gab aber ein ganz und gar negatives Resultat. Die Experimente von Fuchs, die betreffs der Ampullen ein nega- tives Resultat gegeben haben, kann man wohl nieht als hinreichend beweisend ansehen, um auf Grund derselben der LorkExzistschen Ampulle das Vermögen abzusprechen, Sinneseindrücke zu pereipiren und ihr eine secernirende Funktion zuzusprechen. Man muss doch dabei sowohl ihre Entwicklung, als ihren gar nicht drüsenartigen Bau in Betracht ziehen. Eine größere Anzahl physiologischer Experimente sind also nöthig, um die Funktion der Lorexzint'schen Ampulle sicher fest- stellen zu können. ‚Da die hier angeführten physiologischen Untersuchungen keinen Begriff von der Art der Aufgabe geben können, welche die LoREN- zınt'sche Ampulle hat, wenn sie — was mir nach meinen Studien über die Anatomie der Ampulle höchst wahrscheinlich ist —, einen mit den Seitenlinien gleichwerthigen Apparat bildet, will ich hier in größter Kürze die Auffassung anführen, die zwei Forscher durch Beobachtung der Lebensweise der Fische von diesem Organ gewonnen haben. F. E. Scaurze (7) fand, dass die Fische nie freiwillig direkt mit festen Gegenständen in ihrer Umgebung zusammentreffen oder durch direkte Berührung sich Mittheilungen machen. Nur durch die Bewegungen des Wassers erhalten sie Nachricht von der Umgebung. Er ist der Ansicht, dass das Seitenliniensystem das Organ ist, das die Bewegungen der Wassermasse gegen den Körper und die Bewe- sungen des Körpers gegen die umgebende Flüssigkeit empfindet, welche Bewegungen im Wasser grobe »Stoßwellen« mit zu langer Schwingungszeit hervorrufen, um das Hörorgan zu affieiren. HERMANN STAHR (20) hat in einem Aquarium ein Paar chine- sische Zierfische, Polyacanthus viridiauratus, beobachtet. Er sah da- bei, wie das Männchen während der Laichzeit, um dem Weibchen zu sefallen, regelmäßige Bewegungen ausführte. Es stürzte unaufhörlich segen dasselbe mit voller Fahrt hervor, bleibt aber plötzlich dicht neben ihm stehen und führt mit den Flossen schnelle, regelmäßige Vibrationen aus. Das Weibchen bleibt meistens passiv, antwortet aber zuweilen mit einer ähnlichen Bewegung. Dieses Phänomen fasst STAHR als einen Beweis dafür auf, dass sich die Fische durch Aus- führung regelmäßiger Bewegungen im Wasser Mittheilungen machen, und, wie in diesem Falle, durch eine so hervorgerufene Sinnesreizung den Geschlechtstrieb anspornen können. Beiträge zur Kenntnis der Anatomie der Lorenzin. Ampullen etc. 743 Das pereipirende Vermögen dieser Organe dürfte sich also nicht nur, wie die Experimente von Fuchs zeigen, auf eine Auf- fassung des Wechsels des hydrostatischen Druckes und damit viel- leieht auch auf die Beurtheilung der Höhe bis zur Wasseroberfläche beschränken, sondern es dürfte auch Empfindungen feinerer Art um- fassen. Stockholm, den 5. Mai 1898. Litteraturverzeichnis. Fr. LEYDIG, Beiträge zur mikr. Anatomie und Entwicklungsgeschicehte der Rochen und Haie. Leipzig 1852. H. MÜLLER, Verhandlungen der Phys.-med. Gesellsch. zu Würzburg. [NE p. 134. 1852. FR. LeyDıG, Lehrbuch der Histologie des Menschen und der Thiere. 1857. C. ECKHARD, Über die Endigungsweise der Nerven in den Schleimkanälen der Zitterrochen. 1858. (Nach einem Referat von Fuchs.) FrAnz BoLL, Die Lorenzint’sche Ampulle der Selachier. Arch. für mikr. Anat. Bd. IV. 1868. Fr. LeyDıG, Über das Organ eines sechsten Sinnes. Nova acta Acad. caesar. Leopoldino-Carol. Bd. XXXIV. Dresden 1868. F. E. SCHULZE, Über die Sinnesorgane der Seitenl. bei Fischen und Am- phibienlarven. Archiv für mikr. Anat. Bd. VI. 1870. TODARO, Contribuzione alla anatomia e alla fisiologia di tubi di senso dei Plagiostomi. Messina 1870. (Nach einem Referat von MERKEL.) BALFOUR, A monogr. on the development of Elasmobranch Fishes. London 1878. Fr. MERKEL, Über die Endigungen der sensiblen Nerven in der Haut der Wirbelthiere. Rostock 1880. SAPPEY, Etudes sur l’appareil mucipare et le systeme Iymphatique des poissons. Paris 1880. (Nach einem Referat von GARMAN.) S. GARMAN, On the lateral Canal System of the Selachia and Holoceph. Bulletin Museum compar. zoology. Harvard College Cambridge. 1888. G. Fritsch, Über Bau und Bedeutung des Kanalsystems unter der Haut der Selachier. Sitzungsber. der Berliner Akad. der Wissensch. Bd. I. 1888. Arzss. Cocsı, Sullo Sviluppo della Ampolle di Lorenz. Atti della Reale Accad. dei Lincei 1891. Ser. 4. Vol. VII. Fasc. 7. J. C. EwART, The lat. sense organs of Elasmobr. I. The sensory canals of Laemargus. Zool. Anz. 15. Jahrg. 1892. p. 117—118. J. C. EwArrT and J. C. MiTcHELL, The lat. ete. II. The sensory canals of Raja batis. Zool. Anz. 15. Jahrg. 1892. p. 110—120. F. J. Core, On the sensory and ampullary can. of Chimaera. Anat. Anz. Bd. XI. p. 172—182. S. Fuchs, Über die Funktion der unter der Haut liegenden Kanalsysteme bei den Selachiern. PFLÜGERrs Archiv 1895. W. NAaGeu, Bibliotheca zool. Bd. VII. p. 191. 1594—1896. (Nach einem Referat von STAHR.) HERM. STAHR, Zur Funktion der Seitenorgane. Eine Beobachtung an chi- nesischen Zierfischen. Biol. Centralbl. Bd. XVII. Nr. 7. p. 273—232. James E. PrEABoDy, The Ampullae of Lorexzint of the selachii. Zoölogieal Bulletin. Vol. I. No. 4. 1897. 741 Gösta Forssell, Beitr. zur Kenntnis d. Anat. d. Lorenzin. Ampullen ete. Erklärung der Abbildungen, Bezeichnungen: bz, birnförmige Zellen; ct, Cutieula; cp, Centralplatte und die entsprechende Bildung in der Ampulle von Acan- thias; d, Divertikel, das auf der Seite einer Endröhre entspringt; dı, da und ds, Divertikel, die einzeln oder in einer Anzahl von 2 oder 3 die Endigung einer Endröhre bilden; dv, Divertikel; f, Fußlamelle, senkrecht gegen die Oberfläche getroffen ; fı, Fußlamelle, von der Oberfläche; g, Gefäß; qz, Zelle des Ampullenganges; /ıg, inneres Ende des Ampullenganges bei dem Übergange in zwei Neben- röhren; kr, Kern einer Stützzelle; !, Leiste zwischen den Divertikeln; 4, Grenze zwischen einer Ausbuchtung und einem Ampullengange; Im, .Fußlamelle in einem Horizontal- schnitte; !z, Zelle der Zwischenleisten; mb, Membrana basilaris der Divertikel; mpr, Membrana propria der Ampullen- gange; n, Nerv; ng undng;, Nebengänge erster Ordnung; r, die den Zellen der Ampullengänge aufsitzenden Pfeiler; sp, Spitze einer birnförmigen Zelle; sz und szı, Stützzellen; s29, Stützzelle, mit dem Kerne nach unten gerückt; :p, abgebrochener Pfeiler einer Zelle des Ampullenganges. Tafel XXXIV. Fig. 1. Rekonstruktionsmodell des Endtheiles einer LORENZINTschen Am- pulle bei Acanthias vulgaris. Vergr. 64:1, gezeichnet in der Vergr. 422/,:1, von außen gesehen. Fig. 2. Theil desselben Modelles (»g,) von dem Centrum der Ampulle ge- sehen. Vergr. 64:1. Fig. 3. Querschnitt durch den oberen Theil des Endtheiles der Ampulle. 'Halbschematisch. Form. Häm. Eos. VERRICH Obj. 2, Oe. 3. Fig. 4. Zellen aus der Divertikelwand. Formalin. Eisenhäm. Zeıss Obj. E, Oe. 4. Fig. 5. Stützzelle aus der Divertikelwand. Formalin. Him. Säurefuchsin. Zeıss Apochr. 2,0 mm, Apert. 1,30 (hom. Imm.), Comp. Oe. 8. Fig. 6. Eisenhäm. ZeIss Apochr. 2,0 mm, Apert. 1,30 (hom. Imm.), Comp. Querschnitt. Fig. 7. Zwischenleiste. Sehnitt, wie die Linie q auf der Fig. 14 zeigt, gefallen. Form. Oe. 6. Apochr. 2,0 mm, Apert. 1,30 (hom. Imm.), Comp. Oe. 6. Fig. 8. Divertikelwand. Querschnitt. Apochr. 2,0 mm, Apert. 1,30 (hom. Imm.), Comp. Oe. 6. Fig. 9. Divertikelepithel. Flächenschnitt. Form. Häm. Säurefuchsin. ZEıss Form. Häm. Pikrinsäure. ZEISS Form. Häm. Eosin. ZEISS Apochr. 2,0 mm, Apert. 1,30 (hom. Imm.), Comp. Oe. 6. Fig. 10. petersäure. Biol. Zwischenwand zweier Ampullengänge. Querschnitt. Pikrin-Sal- DELAF. Häm., VERRIK ÖObj. 3, Zellen der Wand des Ampullenganges mit abgebrochenen Pfeilern. 98.2 Form. DELAF. Häm. Eosin. ZEıss Apochr. 2,0 mm, Apert. 1,30, Comp. Oe. 4. Fig. 12. Häm., Zeıss Obj. E, Oe. 4. Theil der Wand des Ampullenganges. Pikrin-Salpetersäure. DELAF. Fig. 13 = Fig. 3 in FrırtscH’s Arbeit. Längsschnitt durch eine mit Cen- tralplatte versehene Ampulle (bei Seyllium). Fig. 14. sanges mit deren Divertikel. Schematischer Längsschnitt durch eine Endröhre eines Ampullen- Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig. Zeitschrift f. wiss. Zoologie Bd. LXV. Fig.2b Verlag von Wil in Leipzig. mann ın Zeitschrift f. wiss. Zoologie Bd. LXV. Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig. Zeüschrift f. wiss. Zoologie Bd. LXV. ey Mer # EI Ras > mann in Leipzig. Zeitschrift f. wiss. Zoologie Ba. LXV. Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig Verlag, von Wilhelm Engelmann in Leipzig. Zeitschrift f. wiss. Zoologie. Bd. LXV. — 4 Rud. Schmidt phot. Verlag von Wilh® o- oa D*® Leipzi druck von C. G. Röder, Fa ee Bi 8 I Pr e7w N . A % - ki 9 arg Ur .‘ g. i selmann in Leipz Bd. LXV. Zeitschrift f. wiss. Zoologie. Rud. Schmidt phot. and ilhelm En P Verlag von wilhe gelmann in Leipzig. Licktdruck von C. G. Röder, Leipzi, > y pzig. Zeitschrift f. wiss. Zoologie. Bd. LXV. Rud. Schmidt phot. Verlag von Wilhd B Be N ur vs P ipzig. Lichtdruck von C. G. Röder, Le ipzig. lmann in Le Zeitschrift f. wiss. Zoologie. Bd. LXV. ud. Schmidt phot. Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzi A Lichtdruck von C. G. Röder, Leipzig. F= BAIX ‚gIe .Zoolog WISS Ischrüf£ f. del — Taf Vl: ı uf! il / My Zeitschrift JEWISS. Zoologie Bd. [A| V e Fig. 1 Fig. 19. ZZ AN \f Ü 2 fü Y | \ \ 4 rl / ri) Verlag Mill Taf: VI. Taf. VI. TıL LINE. I 2 = == 1sb.v. Werner &Win Tor DER, L 7 rar IR (Zen PIA Vs 1YrE 7M. S S ® & $ S S 8 N s SQ Zeitschrift Kwess. Zoologte BA.LNE 2% > ee Ne ee ze / a I aha AR NN RE ZE ee & Zeitschrift K wiss. Zoologie Bd.LAV 7 Ü pr, Ve 29 vo. Taf VII. gm asnd m mr Sl —-mbm [4 nn Fe EI En 2 nel . 2 7» “ = a ELfAE Taf. VI. me—a v m asıd---— = md N, 7 TE NENNT EU, ga Ä ws BEE 157722 GE oN \ | } ’) od Zeitschrift K wiss. Zoologie Ba.LAV. 1 H Haase gez. Jith. Änst.v. Werner &Winter, FrankfurbM. Zeitschrift Rwiss. Zoologie Ba.LX: Io a I mut mes % 0) ® ‘ | | | | Imes ET. mıL mes = Re, „2 mes Titk. Anst.v. Werner &Winter, Prankfurb®M. Zeitschrift £ WISS. Zoologie Bob EXV. ® ® O5) 8 BALL we N ® 0% SHO-L . Bee 006. ® %8 ST in 1. 20. ee 2 ns . @ /@® @® e (9? 8 Sand ® N ® © / ®, © ® - „eo © &® © je® e.@8 oo © |6® NG ® & ® 7 I ® > r 8% Oo... Oo 6 w ERTL 8, , l = H.Haase gez. Verlag 3 eis LTR O2» \WAO%R = 116) NV Te nn N u 7 Faser mes Das? | TS w S | Jızh.Anst.vWerner &Wıinter, Frankfurt M. Zeitschrift Kwıss. Zoologie Bad.LXU Tu Esser ERETTE f ® | PEROREN Tara ern, eig, Th. 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Zoologie Bd.LXV. er { \ S R < = 5 — 5 v7 = eur an SG =) = — {Pe Fr — ——n —. N er? > “ Z — En REEE < B AN & VO NE DI= N 2) S| =] < S| S & | S 9 2 5 R s TE z £ Ba A Zeitschrift f. wiss. Zoologie Ba.LAV. R. Lauterborn.gez. Teer NE Jih-Är X | \ ‘ g N \ 0% \ 2 - N 25 CR = R B x ER: N ZAV. im = seh Rlauterborn ger Zeitschrift Ewiss. Zoologie. Ba.LAV DEN Bu ia) Y Y / Ha) 4 U VRNH Taf KR m N N) Br l IM IK a \ Ei SE) IK “u IN UN. |N | DE SM (N I IN | NINE | Ey TR HVLsrFayy LER. Anse.v. Werner Winter Zrankfiurb”M. Zeüschrift Fuss. Zoologie. Ba.LME- Taf XIX. >| 1 ————————uu ta Fa Zeitschrift wiss. Zoologie Ba.ıXV. 4 ! Do.R. Ke.G en 2 A Zeitschrift £.:wıss. Zoologie = - ee a en 999 > m? 7 12 02. al“) (2 a com. IKE. PeUL CK De ? || 7) »® FE © =: %. E 8 ae Ba.EXV. ex, „Dv x S: Sl ‚SI S 2 =| Se S al I ”n IN z Fäschokke q | EB LZEUSCHFUT T. WISS. LOOLOgLe DA.LAV. a NN De N Sn % 28 “e@ De 7 Ban? = POT LLLLLTRRENBPLLLLLI € KEN KUREN Rene ag, Dein) “ hrunmnrennnnmn h 16° Zeitschrift Ewtss. Zoologie Ba.LXV. Taf AXu. en ae EEE III Nllonn E TREE 777 E Dr mm LM N % nee} 7 N EN bar 7 \r Ss Eu A a Amunninmeng,, fjeunem en at, ä a Zur, Aust »Werner & Winter, Frankfurt. ba.LMV. logre s. Z00 ES rift £Ewiı 2 Zeitsch PC a „our “ı ) TE IK HIER ie = Zeitschrift wiss. Zoologie Bd. LAV. Taf xl. > | 47% | Ro, | HR >02 20. | 28 SE [-) 19. RHeRe ges. RT 3% Zeitschrift f. wıss. Zoologie Ba.LAV. 28: J & 2a Fr 25 23 _ Wert 22,2 ee J2,* eier AN) u u er Prey P} Taf XXWV. I — I RN v rentr Z2 UHHLN MET Zeitschrift FE wiss. Zoologie BA-LAV. Taf XXIV. E = ” Ale 43. 2 e 4 ee sth Zeitschrift F. wı55. Zoologie Ba.LAV. V caud med— ’ rn nn ( Mn \ dp! UNI], N ı \ Z ZZ \l 7 il f IRRE IND ‚tupgaitankemnen, “ u SUARNIR: UL 1] RER CH I , = aeg FE H AR 3 Ilm BIT Iith.Ansb.v. Werner &Wınter Frankfurt”?M. Zeitschrift F. wiss. Zoologie BALAV. = | | 25 ı #5. Szk rostr A meds— ] | : r u ö u | ef vo | royal FARUıN, Zeitschrift f£ wıss. Zool, a = K R. He/se. gez. Zeitschrift E wiss. Zoologie BALAV — | Taf XXI. 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'e Zeitschrift £ wiss Z oologı Zeitschrift f wiss.Zoologte Bd. 4 Zeitschrift f wiss.Zoologie Ba. LXV. Abl 053g 0s.Abl Fig. >. re -Dap.u.g: eur: R.O. Ne p- el SIph.ell N F7 SUg: 3 2 : Pap. ug = Npapusg: R.0. ST: cl. --—- Cl.os, Fig.3. eranial Se NEIN caudal TthAnst mE. Fonke, Leipzig. Befischrift f wiss.Zoologie Bd. I D1rg- - — - Betr _- Osur-- Bar: ._. 2. War - - _ el - F ig. d. 'r. von Möller gez Zeitschrift "yiss.Zoologie Bd. UXT. Tuf.NKNT. 2 Fig. 10. | Spl-unn: /0s,un | Sur 1 08.Wil Ns ---A.Sug y Wa Osun Od-- —BIW. "ASpt.auer AS \üy v.Wilhehm Engelmann in Lei} ee Ya _-@ 5 re WK. - -- HU _- Zeutschrift f. wiss.Zoologte Bad. XV. Taf NXXU, | ) Ben | | | ZI \ | \ | ’ ; Ve: | / | | 1} I ! | | | | I A ) 7 1 =. | vo ] De Ey | j Ve | ‘ | \l / \\ 6 / / /l -4-- -Msch: / 1 | | Pe 7 pr, Zenzig. Jikh. Anst.v. Werner 2Wınt en Taf! XXX. I | Se ee en a Zeitschrift wiss. Zoologie Bd.LAV. - TaLNXXIN. Zeüschrift f.wess. Zoologie BA.LXV. — "050 PL — UF. XXXIV. r % SI, SET C EIRSIST 157675701772} SD AL. un ter FrankfurtYM. 7 l Lith. Anst.v. Werner Win Zeitschrift Fwiss Zoologie BAM: T:rk Anst.uWerner alinten Franktart® Mn. Zeitschrift WISSENSCHAFTLICHE ZOOLOGIE begründet Carl Theodor v. Siebold und Albert v. Kölliker herausgegeben von Albert v. Kölliker und Ernst Ehlers Professor a. d. Universitätzu Würzburg Professor a.d. Universität zu Göttingen Fünfundsechzigster Band Erstes Heft Mit 6 Tafeln und 11 Figuren im Text LEIPZIG Verlag von Wilhelm Engelmann 1898. Ausgegeben den 15. November 1898. Inhalt. Untersuchungen über die Entwicklung der Zeichnung des Schmetterlings- flügels in der Puppe. Von M. von Linden. (Mit Tafel I-II) .. 1 Über Bau und Farben der Flügelschuppen bei Tagfaltern. Von M. Baer. 50 Vergleichend anatomische Studien über den mechanischen Bau der Knochen und seine Vererbung Von R. Schmidt. (Mit Tafel IV—V und 6. Figuren im Text)... ....- - 2.2.2. len 2.02 Er 65 Über die Ablagerung des Pigmentes bei Mytilus. Von V. Faussek. (Mit 3 Figuren. im Text)". » 2.2.0. 2 an Sn a 112 Der Darmkanal der Onisciden und Aselliden. Von W. Schönichen. (Mit Tafel VI .und'2- Figuren im Text.) ... .. 2 Seren 143 Mittheilung. Beiträge für die Zeitschrift bitten wir an Herrn Prof. Ehlers in Göttingen einzusenden. Im Interesse einer raschen und sicheren Veröffentlichung liegt es, dass die Manuskripte völlig druckfertig eingeliefert werden, da mit nachträglichen Einschüben und aus- gedehnten Abänderungen während der Korrektur Zeitverlust und sonstige Unzuträglichkeiten verbunden sind. Bei der Disponirung der Zeichnungen ist darauf zu achten, dass der Raum des in der Zeitschrift üblichen Tafelformates nicht überschritten wird. Für Holzschnitt bestimmte Zeichnungen sind auf besonderen Blättern beizulegen. Die Verlagshandlung Die Herausgeber Wilhelm Engelmann. v. Kölliker. Ehlers. Die Herren Mitarbeiter der »Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie« erhalten von ihren Abhandlungen und Aufsätzen 40 Separat- abzüge gratis. Sollten mehr als 40 Separatabdrücke gewünscht werden, so erfolgt deren Anfertigung gegen Erstattung der Her- stellungskosten und unter der Voraussetzung, dass sie nicht für den Handel bestimmt sind. Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig. Soeben erschien: Repetitorium der Zoologie. Ein Leitfaden für Studierende Prof. Dr. Karl Eckstein Privatdocent und Assistent am Zoologischen Institut der Forst-Akademie Eberswalde, Zweite umgearbeitete Auflage ZZ Mit 281 Figuren im Text. gr. 8. 1898. geh. 4 8.—-; geb. #4 9.—. Zeitschrift WISSENSCHAFTLICHE ZOOLOGIE begründet Carl Theodor v. Siebold und Albert v. Kölliker herausgegeben von Albert v. Kölliker und Ernst Ehlers Professor a. d. Universitätzu Würzburg Professor a.d. Universität zu Göttingen Fünfundsechzigster Band Zweites Heft Mit 10 Tafeln und 83 Figuren im Text LEIPZIG Verlag von Wilhelm Engelmann 1898. = Ausgegeben den 23. December 1898. Inhalt. Seite Beiträge zur Anatomie der Landplanarien. Von K. Krsmanovic. (Mit Taf. VIL und VILL)......2%022..02220.0022.020020o 179 Über Regenerationsvorgänge bei Tubifex rivulorum Lam. mit besonderer Berücksichtigung des Darmkanals und Nervensystems. Von H. Haase. (Mit Taf. IX—X und 11 Figuren im Test.) . 2 7 Sr 211 Über den Bau und die Entwicklung der Linse. (II. Theil: Die Linse der Reptilien und Vögel.) Von C. Rabl. (Mit Tafel XI-XVIund 72 Figuren im Text. 0.8. nen hun. So a 253 Mittheilung. Beiträge für die Zeitschrift bitten wir an Herrn Prof. Ehlers in Göttingen einzusenden. Im Interesse einer raschen und sicheren Veröffentlichung liegt es, dass die Manuskripte völlig druckfertig eingeliefert werden, da mit nachträglichen Einschüben und aus- ‚gedehnten Abänderungen während der Korrektur Zeitverlust und sonstige Unzuträglichkeiten verbunden sind. Bei der Disponirung der Zeichnungen ist darauf zu achten, dass der Raum des in der Zeitschrift üblichen Tafelformates nicht überschritten wird. Für Holzschnitt bestimmte Zeichnungen sind auf besonderen Blättern beizulegen. Die Verlagshandlung Die Herausgeber Wilhelm Engelmann. v. Kölliker. Ehlers. Die Herren Mitarbeiter der »Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie« erhalten von ihren Abhandlungen und Aufsätzen 40 Separat- abzüge gratis. Sollten mehr als 40 Separatabdrücke gewünscht werden, so erfolgt deren Anfertigung gegen Erstattung der Her- stellungskosten und unter der Voraussetzung, dass sie nicht für den Handel bestimmt sind. Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig. Soeben erschein: Untersuchungen über SIRUKTUREN insbesondere über Strukturen nichtzelliger Erzeugnisse des Organismus und über Beziehungen zu Strukturen, welche ausserhalb des Organismus entstehen von .. ® ®. Bütschli Professor der Zoologie zu Heidelberg. Mit 99 Textfiguren, sowie 1 Atlas von 26 Tafeln Mikrophotographien und 1 litho- graphirten Tafel. Lex. 8. 4% 60.— ; Atlas apart .4 40.—. Zeitschrift fur WISSENSCHAFTLICHE ZOOLOGIE begründet Carl Theodor v. Siebold und Albert v. Kölliker herausgegeben von Albert v. Kölliker und Ernst Ehlers Professor a. d. Universität zu Würzburg Professor a. d. Universität zu Göttingen Fünfundsechzigster Band Drittes Heft Mit 11 Tafeln LEIPZIG Verlag von Wilhelm Engelmann 1899. Ausgegeben den 14. Februar 1899. inhatdt. Seite Protozoen-Studien. IV. Theil. Flagellaten aus dem Gebiete des Ober- rheins. ‘Von R. Lauterborn. (Mit Tat XVII 1X 368 Histologie der Verdauungswege von Dasypus villosus. Von K, K. Helly. (Mit Tat. AIR me Neue Studien an Cestoden aplacentaler Säugethiere. Von F. Zschokke. | (Mit Taf. XX u, XXL). ... !. „u, 0n0. 404 Untersuchungen über die Organe der Lichtempfindung bei niederen Thieren. V. Die Augen der polychäten Anneliden. Von R. Hesse. (Mit Taf. XXII-XXVL) 20:02... 2000. oe 446 Die Herkunft des Endocardepithels bei Salmo salar. Von B. Nöldeke. (Mit Taf. XXVIL) 2 u ann 2 2 517 Mittheilung. Beiträge für die Zeitschrift bitten wir an Herrn Prof. Ehlers in Göttingen einzusenden. Im Interesse einer raschen und sicheren Veröffentlichung liegt es, dass die Manuskripte völlig druckfertig eingeliefert werden, da mit nachträglichen Einschüben und aus- gedehnten Abänderungen während der Korrektur Zeitverlust und sonstige Unzuträglichkeiten verbunden sind. Bei der Disponirung der Zeichnungen ist darauf zu achten, dass der Raum des in der Zeitschrift üblichen Tafelformates nicht überschritten wird. Für Holzschnitt bestimmte Zeichnungen sind auf besonderen Blättern beizulegen. Die Verlagshandlung Die Herausgeber Wilhelm Engelmann. v. Kölliker. Ehlers. Die Herren Mitarbeiter der »Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie« erhalten von ihren Abhandlungen und Aufsätzen 40 Separat- abzüge gratis. Sollten mehr als 40 Separatabdrücke gewünscht werden, so erfolgt deren Anfertigung gegen Erstattung der Her- stellungskosten und unter der Voraussetzung, dass sie nicht für den Handel bestimmt sind. Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig. Repetitorium der Zoologie. Ein Leitfaden für Studierende von Prof. Dr. Karl Eckstein Privatdocent und Assistent am Zoologischen Institut der Forst-Akademie Eberswalde. Zweite umgearbeitete Auflage. Mit 281 Figuren im Text. gr.8. 1898. Geh. 4 8.—; geb. 4 9.—. Zeitschrift tur WISSENSCHAFTLICHE ZOOLOGIE begründet von Carl Theodor v. Siebold und Albert v. Kölliker herausgegeben von Albert v. Kölliker und Ernst Ehlers Professor a. d. Universität zu Würzburg Professor a. d. Universität zu Göttingen Fünfundsechzigster Band Viertes Heft Mit 7 Tafeln und 51 Figuren im Text. LEIPZIG Verlag von Wilhelm Engelmann 1899. Ausgegeben den 18. April 1899. Tnn 31316 Seite, Untersuchungen über die im Magen unserer Hauswiederkäuer vorkommenden Wimperinfusorien. Von A. Günther. (Mit Taf. XXVII-XXIX u. & Fig. im Text)... ...%.. 0 208 3 5 EV 529 Über das Urogenitalsystem einiger Schildkröten. Von F. v. Möller. (Mit Taf: XKXX—-XXXHE).® 29.02.27 0022 We 573 Die Artbildung und Verwandtschaft bei den Foraminiferen. Entwurf einer natürlichen Eintheilung derselben. Von G. H. Th. Eimer und C.: Fiekert., (Mit 45° Tip, im Text). . „ SW 599 Zur Morphologie der Urniere der Pulmonaten. Von J. Meisenheimer. Mit Taf. XXXIH.n. 4 Fig. im Text.) .. .. . 2 es EEE 709 Beiträge zur Kenntnis der Anatomie der Lorenzini’schen Ampullen bei Acan- thias vulgaris. Von G. Forssell. (Mit Taf. XXXIV.)...... 125 Mittheilung. Beiträge für die Zeitschrift bitten wir an Herrn Prof. Ehlers in Göttingen einzusenden. Im Interesse einer raschen und sicheren. Veröffentlichung liegt es, dass die Manuskripte völlig druckfertig eingeliefert werden, da mit nachträglichen Einschüben und aus- gedehnten Abänderungen während der Korrektur Zeitverlust und sonstige Unzuträglichkeiten verbunden sind. Bei der Disponirung der Zeichnungen ist darauf zu achten, dass der Raum des in der Zeitschrift üblichen Tafelformates nicht überschritten wird. Für Holzschnitt bestimmte Zeichnungen sind auf besonderen Blättern beizulegen. Die Verlagshandlung Die Herausgeber Wilhelm Engelmann. v. Kölliker. Ehlers. Die Herren Mitarbeiter der »Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie« erhalten von ihren Abhandlungen und Aufsätzen 40 Separat- abzüge gratis. Sollten mehr als 40 Separatabdrücke gewünscht werden, so erfolgt deren Anfertigung gegen Erstattung der Her- stellungskosten und unter der Voraussetzung, dass sie nicht für den Handel bestimmt sind. Pe Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig. Vergleichende Anatomie der Wirbelthiere mit Berücksichtigung der Wirbellosen von Carl Gegenbaur Erster Band: Einleitung, Skeletsystem, Muskelsystem, Nervensystem und Sinnesorgane. 91% “7 Mit 617 zum Theil farbigen Figuren im Text. gr. 8. 1898. geheftet .# 27.—; gebunden (in Halbfranz) .# 30.—. = Der zweite Band erscheint voraussichtlich im Laufe des Jahres 1900 und wird derselbe ein Register über beide Bände enthalten. INIKINNUINNINN