.-^'r ^^" ^ f'' ^ '*. X ia ■'^ ^.jt '. #■ •# f^V "^ -^.s 4fi^ %^i ZEITSCHRIFT FÜR WISSENSCHAFTLICHE ZOOLOGIE BEGRÜNDET VON CARL THEODOR V. SIEBOLD UND ALBERT V. KÖLLIKER HERAUSGEGEBEN VON ERNST EHLERS PROFESSOR AN DER UNIVERSITÄT ZU GÖTTINGEN HUNDERTSIEBENTER BAND MIT 310 FIGUREN IM TEXT UND 23 TAFELN LEIPZIG UND BERLIN VERLAG VON WILHELM ENGELMANN 1913 .\^^^'^ ip ni ^ Inhalt des hundertsiebenten Bandes Erstes Heft Ausgegeben den 30. September 1913 Seite G. Schwanecke. Das Bhitgefußsystera von Anodonta cellensis Schrot. Mit 39 Fi.t;:uren im Text 1 Prof. Dr. Jözef Nusbaum und Dr. Mieczyslaw Oxner, Die Embryonal- entwicklung des Lineus ruber Müll. Ein Beitrag zur Entwicklungs- geschichte der Xemertinen. Mit Tafel I — VIII 78 Zweites Heft Ausgegeben den 28. Oktober 1913 Friedrich Keyl, Beiträge zur Kenntnis von Branchiura Sowerbyi Beddard. Mit 56 Figuren im Text und Tafel IX— XI 199 Adolf Gerwerzhagen. Beiträge zur Kenntnis der Bryozoen. I. Das Ner- vensystem von Cristatella mucedo Cuv. Mit 3 Figuren im Text und Tafel XII— XIV 309 Karl Hermann Christian Jordan, Zur Morphologie und Biologie der myrmecophilen Gattungen Lomechusa und Atemeies und einiger ver- wandter Formen. Mit 20 Figuren im Text 346 Drittes Heft Ausgegeben den 4. November 1913 Alois Casper. Die Körperdecke und die Drüsen von Dytiscus marginalis L. Ein Beitrag zum feineren Bau des Insektenkörpers. Mit 44 Figuren im Text 387 Fritz Richard Tippmar, Histologische und vergleichend anatomische Untersuchungen an Cephalopoden. Mit 39 Figuren im Text und Ta- fel XV— XVI 509 Viertes Heft Ausgegeben den 9. Dezember 1913 V. Dogiel, Embryologische Studien an Pantopoden. Mit 109 Figuren im Text und Tafel XVII— XXII 575 .1. J. Schmalhausen, Zur Morphologie der unpaaren Flossen. III. Die Entwicklung des Skelettes der hypochordalcn Caudalis von Pristiuras und der unparen Flossen von Acipenser. Mit Tafel XXIIl .... 742 Das Blutgefäßsystem von Anodonta cellensis Schrot. Von H. Schwanecke. (Aus dem zoologischen Institut in Marburg.) Mit 39 Figuren im Text. Inhalt. Seite T. Einleitung 2 11. Material und Methoden 3 III. Allgemeine Topographie 5 IV. Das arterielle Gefäßsystem 9 A. Gefäße im Bereich der vorderen Aorta (Aorta anterior) .... 9 1. Lage von Herz, Vorhöfen, Aorten und Enddarni im Pericard 9 2. Die vordere Aortenklappe 12 3. Der große Aortenbogen 13 4. Die Visceralarterie (Art. visceralis) . 18 5. Vereinigte Fuß- und Mantelarterie (A. pedalis et pallialis communis) 22 a. Die Fußarterie (Art. pedalis) 23 b. Die vordere Mantelarterie (Art. pallialis anterior) . . 25 c. Die Mundlappenarterie (Art. tentacularis) 30 B. Gefäße im Bereich der hinteren Aorta (Aorta posterior) .... 33 1. Die hintere Aortenklappe 33 2. Die hintere Mantelarterie (Art. pallialis posterior) .... 35 V. Das venöse Gefäßsystem 42 1. Die Sammelvenen des Körpers 42 2. Das BojANUSSche Organ und der Sinus venosus 48 3. Der Kiemenkreislauf 54 4. Der Mantel und seine Circulationsverhältnisse 07 VI. Allgemeine Blutcirculation, Schwellung des Fußes und Bewegung der Muscheln ''^ Literaturverzeichnis 74 Zeitschrift f. wissenscii. Zoologie. CVII. Bd. 2 H. Schwanecke, I. Einleitung. Den vor minmelir über bv Ji^hreu erschienenen ausgezeichneten Arbeiten von Laxgek über das Gefäßsystem der Teichmuschel sind seitdem keine neueren Untersuchungen gefolgt, die rein morphologisch über das Gefäßsystem irgendwelcher Muscheln in einem derartigen Umfange Aufschluß geben. Zwar beschäftigte sich auch fernerhin eine große Anzahl von Forschem mit dem Gefäßsystem besonders von Anodonia, aber sie heßen sieh mehr von histologischen und phy- siologischen Gesichtspunkten als von morphologischen leiten. Nur mehr orelegenthch. falls es der Zweck ihrer Arbeit erforderte, streiften sie auch morphologische SpeziaUEragen. Da ihre Ergebnisse teilweise von denen Laxgers abwichen, teilweise aber eine Erweiterung der- selben darstellten, so schien es nicht ohne Wert zu seiu, alles auf diesem Gebiet bisher bekannt gewordene zusammenzustellen, nachzuprüfen und kritisch zu sichten. Es soll dadurch eine mögUchst sichere Grund- lage für künftige Untersuchungen geliefert werden, mögen diese nun physiologischer oder histologischer Art sein. Da im Prinzip der Bau des Gefäßsystems der Muscheln ein recht übereiustimmender ist. so konnte eine sich besonders leicht darbietende Muschel für die Ausführuncr der vorHegenden Untersuchunc^en gewählt werden, nämlich unsre gewöhnliche Teichmuschel, zumal sie ohnedies für die Darstellung der andern Organe des Muschelkörpers bei gleich- zeitig ausgeführten Untersuchungen verwendet ^\-urde. BezügHch der speziellen Abweichungen bei den andern Lamelhbranchiaten sei beson- ders aui die Arbeit von Mexegaux verwiesen. Von vornherein wurde das Hauptgewicht auf die Morphologie des Gefäßsystems gelegt, in- folgedessen wurden Abbildungen von Schnitten nur ausnahmsweise gegeben. Dieses Verfahren rechtfertigt sich wohl von selbst aus dem Umfang des Stoffes der vorhegenden Arbeit. Ebenso wie histologische Bemerkungen nur gelegenthch gemacht werden, soll auf die Phy- siologie nur ganz kurz am Schlüsse eingegangen werden, indem dort, als mit der Morphologie des Gefäßsystems eng zusammenhängend, einiges über die Schwellung des Fußes der Lamelhbranchiaten gesagt werden soll. Die Angaben über die Morphologie des Gefäßsystems sind in der Literatur weit verstreut und werden meistens nur gelegenthch bei andern Untersuchungen erwähnt. Eine gute Literaturzusammen- stellung hierüber geben Greesbach in seiner Habihtationsschrift und dann Cabriere. Wenn auch diese betreffenden Arbeiten selber einen Das Blutgefäßsystem von Anodonta cellensis Schrot. 3 hauptsächlich histologischen Charakter tragen, so sind jedoch auch die morphologischen Untersuchungen in ihnen nahezu vollständig auf- geführt. Die sich auf das Gefäßsystem der MiLscheln beziehenden Arbeiten lassen sich fast alle in drei große Gruppen einteilen, eine Güederung, die nicht nur zeithch, sondern auch inhalthch vollberechtigt erscheint. In der ersten Gruppe wird hauptsächhch die Frage zu beantworten gesucht, ob die Lamellibranchiaten ein offenes oder ein geschlosse- nes Gefäßsystem besitzen, d. h. ob echte CapiUaren vorhanden sind oder nicht. Hierher gehören als für unsem Zweck wichtig beson- ders Garxer, K. E. V. Baer und ;Milxe-Edwards, auch Cuvier. Daß in diesem Streit eine Einigung nicht zu erzielen war, hatte zwei Gründe. Einmal waren die Methoden noch nicht ausgebildet und zweitens fehlte eine sichere Grundlage für jene Untersuchungen, da ja die Mor- phologie des Gefäßsystems noch nicht genügend bekannt war. Diesen Punkt zu klären war also die gegebene Aufgabe für die nun folgende Gruppe von Autoren. Ihr gehören besonders an Keber, v. Rexgar- TEX, Laxger und v. Hesslixg. Erst jetzt konnten die histologischen und phvsiologischen Forschungen erneut aufgenommen und mit mehr Aussicht auf Erfolg durchgeführt werden. Neben der schon genannten Frage nach dem Geschlossensein der Gefäße wird die ebenfalls schon von den älteren Autoren aufgeworfene Frage zu beantworten versucht, ob die Lamellibranchier zur Bewegung ihres Fußes eine Aufnahme von Wasser in das Gefäßsvstem nötig hätten. Hier wären besonders zu nennen: Kollmax^x, Griesbach. Fleischmaxx. Flemaoxg. E. Ray Laxcester, Carriere, Schiemexz. Barrois, Beck, Boxstit u. a. Vielleicht könnte man am Schlüsse noch die neueren Autoren von den übrigen abtrennen und zu einer vierten Gruppe zusammenfassen, wie: Jaxssexs. Cuexot. Grobbex, ^^Iexegaux. Willem, Rax-kix. Tourexg u. a. Es handelt sich bei diesen mehr um nachprüfende oder zusammenfassende Arbeiten. Eins verdient jedoch nochmals hervorgehoben zu werden: eine gleich imif angreiche und gleich genaue Arbeit wie die von Laxger über das Blutgefäßsystem der Teichmuschel ist seitdem nicht wieder geüefert worden. II. Material und Methode. Als spezielles Objekt für die L'ntersuchungen über das Blutgefäß- system der Teichmuschel diente eine in den abgeschnürten Flußarmen der Lahn tmd der Ohm vorkommende Art, die als Änodonta cellensis 1* 4 H. Schwanecke, Schrot, bestimmt wurde. Wie sich aus dem Zweck der Arbeit von selbst ergibt, wurden ausnahmslos nur große ausgewachsene Exem- plare von 12 — 17 cm Länge verwandt. Bei der Eigenart des Objektes mußte die Injektion und das darauf folgende Freilegen der injizierten Gefäße auf ganz besondere Schwierig- keiten stoßen. Einmal war die bekannte außerordentliche Kontrak- tionsfähigkeit dieser Tiere in Betracht zu ziehen und mußte deshalb zu besonderen vorbereitenden Maßnahmen veranlassen. Sodann er- schwerte aber auch die innere Beschaffenheit des Muschelleibes, nämlich das dichte, alle Organe umspannende Bindegewebe und die wider- standsfähigen Muskelbündel des Fußes, das Arbeiten. Um die Kon- traktionsbewegungen auf ein Minimum herabzusetzen oder womöglich ganz aufzuheben, wurden verschiedene, auch in starker Verdünnung wirksame Muskelgifte verwandt. Nach anfänglichen Versuchen mit Cocain, das sich jedoch in seinen Wirkungen als zu unzuverlässig und schwer zu kontrollieren erwies, wurde nach einer von Hofek ange- gebenen Methode mittels salzsauerem Hydroxylamin verfahren und hiermit die besten Ergebnisse erzielt. Die Muscheln verblieben über Nacht in einer 3 — 4%igen wässerigen Lösung dieses Salzes und waren am andern Morgen soweit gelähmt, daß die Lijektion vorgenommen werden konnte, ohne befürchten zu müssen, daß die Injektionsmasse in den Gefäßen wieder zurückgetrieben werden könnte. Etwaige noch vorhandene schwache Kontraktionsbewegungen wurden durch Einlegen in verdünnten Eisessig (4%) sofort unterbunden. Selbst- verständlich ist die lähmende Wirkung des Hydroxylamins auch ab- hängig von der Größe und dem jeweiligen Lebenszustand des betref- fenden Tieres. Das Verfahren war infolgedessen dementsprechend zu modifizieren. Was die Injektionsmethode selbst anbetrifft, so war für die Aus- wahl der Injektionsmasse wie schon angedeutet besonders bestimmend das Fehlen eines besonderen Körperhohlraumes, der die inneren Organe umschließt. Die Injektionsmasse mußte also die nötige Dünnflüssig- keit verbinden mit genügender Festigkeit und Zähigkeit, um bei der nachfolgenden Entfernung des Bindegewebes, der Muskeln usw. weder auszufließen noch zu zerbröckeln. Demnach schieden von vorn- herein alle Gelatine- und Glyzeringemische aus, desgleichen alkoholische Schellacklösungen, mit welchen beiden ich sehr gute Resultate bei Helix erzielt hatte. Dagegen erwies sich Paraffin mit einem Schmelz- punkt von 40 "" C zur Darstellung der Topographie der größeren Ge- fäße als sehr gut verwendbar. Für die feineren Gefäße wurde eine Das Blutgcfäßsysteni von Anodonta cellensis Schrüt. 5 von ScHUBERG ano;en;ebene Lö.sung von Celloidin benutzt: in 100 ccm Aceton werden 1 (Jiainni Celloidin und 4 Gramm Ktunpher aufgelöst und zur Färbung nach Cutdünken pulverisiertes Zinober oder Ultra- marin hinzugefügt. Zur Injektion der feinsten Gefälle wurde diese Masse auf das doppelte verdünnt. Beiläufig möchte ich nicht uner- wähnt lassen, daß sich, wie Injektionsversuche im hiesigen Institut ergaben, diese Masse nicht nur für Mollusken, sondern auch ganz her- vorragend für Wirbeltiere eignet, dagegen ergab sich, daß die bekannte MEiSENHEiMERsche Injektionsmassc bei Muscheln nicht verwendbar ist, da sie unter den eigenartigen Verhältnissen rasch erhärtet und dann herausbröckclt. Um das arterielle Gefäßsystem sichtbar zu machen, wurden die Injektionen selber durch die vordere bezw. hintere Aorta ausgeführt, die Injektion der Venen und der Falten des BojANUSschen Organes durch den Sinus venosus. Die Gefäße der Kiemen wurden- injiziert teils ebenfalls durch den Sinus venosus, teils durch die Vorhöfe. Ein Einbinden der Kanüle ist außer an dem Anfangsteil der Aorten un- nuiglich. Nach der Injektion wurden die Objekte in Kalilauge gelegt; hierdurch wurden sie nach Verlauf von 3 — 4 Stunden teilweise auf- gehellt, so besonders Mantelrand und Fußspitze, das übrige Gewebe wenigstens aufgelockert. Auch Glyzerin eignete sich vorzüglich zum Aufhellen, z. B. Mundlappen, Typhlosolis des Darmes und Kiemen. Das Freilegen geschah meist von der rechten Körperseite her, ein Verfahren, das durch die Lage der Hauptblutgefäße auf der rechten Seite des Darmes geboten war. Aufbewahrt wurden die Präparate in 10%igeni Formol, das die Form und Farbe sowohl der Gewebe als auch der Injektionsmasse besser erhält als Alkohol. Jedoch muß das Formol von Zeit zu Zeit wegen der schleimreichen Objekte erneuert werden, ohne daß die eingetretene Trübung auf Mazeration hinweist (vgl. Schuberg). lil. Allgemeine Topographie. Um die Darstellung nicht zu unübersichtlich zu gestalten, empfiehlt es sich vorerst kurz die allgemeine Topographie des Blutgefäßsystems zu beliandeln, auf die Einzelverhältnisse jedoch in besonderen Abschnit- ten einzugehen. Weiter möge noch als einleitende Bemerkung dienen, daß die Bezeichnungen für die Muskulatur entnommen sind: A. Lang, vgl. Anatomie der wirbellosen Tiere, II. Aufl., Mollusca. Für die Bezeichnungen der Gefäße waren Langer, Das Gefäßsystem der Teich- muschel und v. Hessling, Die Perlmuschel und ihre Perlen maß- 6 H. Schwanecke, gebend. Eine für das Verständnis des Verlaufes des Darmkanals sehr gute Bezeiclinungsweise, der auch ich mich im folgenden anschließen möchte, bringt F. Gutheil in seiner Arbeit über das Darmsystem und die Mitteldarmdrüse von Anodonta. Da bei den Muscheln Extremitäten zur Fortbewegung fehlen, deren Funktion vielmehr von dem muskulösen, unteren Teil des Ein- geweidesacks, dem sogenannten Fuß übernommen ist, so ist deren Bewegung naturgemäß eine ziemlich langsame; dadurch ist aber auch die bedeutende Ausdehnung und Differenzierung des Darmkanals be- dingt. Infolgedessen schließt sich auch die Anordnung der Gefäße eng an den Verlauf des Darmkanals und an die Muskelhaube an. Es ist also unbedingt nötig, sich mit der Topographie der Organe speziell des Darmes bekannt zu machen, ehe zu der allgemeinen Beschreibung des Gefäßsystems übergegangen werden kann. Wie schon Gutheil hervorhob und ich nur bestätigen kann, ist nach unsern Beobachtungen der Verlauf des Darmkanals bei Anodonta und TJnio ein andrer als der sonst in den Lehrbüchern und den übrigen sich mit diesen Muscheln befassenden Arbeiten dargestellte. Diese Tatsache ist wohl den besonderen anatomischen Verhältnissen zuzu- schreiben, die ein Freipräparieren des Darmkanals so außerordentlich erschweren. Um so auffallender erscheint es jedoch, daß die schon 1856 erschienene Ai'beit Langers den Darmverlauf richtig angibt. Im übrigen möchte ich auf die eingehende Arbeit von F. Gutheil verweisen. Eine richtige Darstellung geben auch die Abbildungen 1, 7 und 8, wo auch die Bezeichnungen der einzelnen Darmabschnitte angeführt sind. Die allgemeine Ausbildung des Blutgefäßsystems von Anodonta kann wohl als die bei den Eulamellibranchiaten typische Form ange- sehen werden. Bekannthch unterscheiden sich diese von den drei übrigen Gruppen der Lamellibranchier (vgl. Lang, vgl. Anatomie der wirbellosen Tiere) außer durch den Bau der Kiemen, der Größe und Zahl der Adductoren auch noch durch eine weitere für uns wichtisre Eisrenschaft : die Lage des Herzens zum Darm. Während z. B. bei vielen Protobranchieren (Nuculiden) das Herz dorsal des Darmes liegt, bei einigen Fihbranchieren (Arcideu) in zwei Herzen gespalten ist und sich schließlich bei den Pseudolamellibranchiern (Pectiniden) vielfach ventral des Darmes findet, ist es bei den Eula- mellibranchiern mit einer Ausnahme (Teredo) vom Darm durchbohrt. Da nun die erstgenannten Gruppen in den bezeichnenden Merkmalen als Primitivformen erscheinen, die Eulamelhbranchiaten dagegen als Das Blutgefäßsysteni von Aiiodojita cellcnsis Scluüt. % luilior entwickelte Stufen, so kajiii man dies Verhalten wohl als se- kuiulär ansehen. Jedoch ist auch die andre Ansicht, daß die Durch- bohruiiii des Herzens vom Eiiddarni als Primärzustand aufzufassen sei, die suprarectale und subrectale La^e dagegen als sekundär, nicht von der Hand zu weisen, zeigen doch in derselben altertümlichen Gattung die einzelnen Arten verschiedenes Verhalten (Nucula nucleus Herz über dem Enddarm, Nucula proxinia vom Enddarm durchbohrt). Wh haben bei Anodonta also ein typisches Eulamellibranchiatenherz: dorsalvvärts in der Medianebene gelegen, wird es mit den zwei Vorhöfen vom Pericard eingeschlossen und vom Enddarm durchbohrt. Dieser Lage entsprechend sondert sich nach vorn dorsal vom Darm die vordere Aorta (Fig. 1 ao.ant) noch im Pericard (pe) ab und zieht als großer Aortenbogen anfangs ziemlich dicht unter der Körper- oberfläche in der Medianlinie entlang. Jedoch noch im Bereiche der Pericardialdrüse, die sich durch ihre braune Farbe von dem umgebenden Gewebe deutlich abhebt, biegt sie aus der Mittelebene nach rechts heraus, senkt sich zwischen die einzelnen Leberlappen und vollzieht oberhalb des Oesophagus ihre erste Teilung. Es entstehen hierbei die Eingeweidearterie (Art. visceralis, Fig. 1 art.visc.) und die ver- einigte Fuß- und Mantelarterie (Art. pedalis et pallialis communis). Die Visceralarterie führt unterhalb des Magens (fna) und am Anfangs- teil des Kristallstieldarmes [K.d.) entlang, um an der Stelle, wo eine Verbindungslinie der oberen Darmschlinge A nach der unteren B den Anfangsdarm schneidet, sich zu gabeln. Ein Ast überschreitet den Darm, um an dessen Dorsalseite weiterzulaufen, während der andre die ursprüngliche Richtung beibehält. Beide verästeln sich in ver- schiedenster Weise auf den Darmschlingen. Die vereinigte Fuß- und Mantelarterie teilt sich nach kurzem Laufe wiederum. Die eigentliche Fußarterie (Art. pedalis) behält die ursprüngliche Richtung bei bis zur sogenainiten Muskelhaube des Fußes (mw), in deren oberen Teil sie unter Abgabe zahlreicher kleinerer Arterien in nach unten con- vexem Bogen verläuft. Der andre Ast, die Art. pallialis, {art.pall.), teilt sich, der Bilateralsymmetrie des Tieres entsprechend, an der Rückseite des vorderen Adductors {(tdd. ?r WS- "■ a f^ "■ - S £ k s !^ & a £" £ 5 ^ M o >2- C- ST >» O) a> O ^ -• '^ 3- § a> H-. ö £:;• -■ ^ N ö i-i ^ a 2, ö P E B" f= 3. S- ET 3 re ^ 2. Ö 'l S == 2 a ° ?r ■ m S rl- Ol o -~ » - 3 E- £ >, ein Umstand, der ebenfalls bis dahin noch nicht ge- nügend betont wurde, den ich aber vollständig bestätigen kann, öffnet man den Ventrikel von der Kückseite her und nimmt den frei darinhegenden Darm heraus, so stellt sich das Innere als ein vielverzweigtes Netz von Muskelfasern dar. Ungefähr in der Mitte der Längserstreckung des Herzens fallen in diesem Geflecht sofort zwei rechts imd hnks von der Älittellinie Hegende ovale, fast kreis- lörmige Gruben auf. Von der Basis dieser Gruben erheben sich zwei Das Blutgefäßsystem von Anodonta cellensis Schrot. 11 durchsichtige lippenförmige Membranen: die Atrioventricularklappen. Diese Klappen bilden in ihrer Längserstreckung mit der Medianlinie einen nach hinten geöffneten .spitzen Winkel. Ihre Länge beträgt ungefähr ein Fünftel von der des ganzen Ventrikels, wenn dieser vom Eintritt bis zum Austritt des Darmes gemessen wird. Da die genaueren Verhältnisse des Herzens in einem andern Zusammenhange zurzeit im hiesigen Institut bearbeitet werden, so kann es hier nicht meine Aufgabe sein, auf alle Einzelheiten einzugehen. Indessen muß ich doch wohl der Verteilung der Muskulatur im großen und ganzen noch einige Worte widmen. Wir können zwei große ]\Iuskelsystenie unterscheiden, ein sich von vorn nach hinten und ein sich von rechts nach Hnks er- streckendes. Zwischen beiden Richtungen existieren natürlich auch alle Übergänge, also diagonal gerichtete Muskelbündel. Jedoch heben sich die beiden genannten Systeme besonders markant heraus. Die Muskeln des longitudinalen Systems sind einerseits ventralwärts der Austrittsstelle des Darmes, anderseits ein Stück hinter den Klappen angeheftet. Sie durchziehen frei das Lumen des Herzens, um sich vor den Klapjjengruben fächerförmig auszubreiten. Das System der transversal verlaufenden Muskelbündel sitzt mit ebenfalls breiter Basis den Seitenwänden des Ventrikels auf, verschmälert sich, um die Gruben der Atrioventricularklappen frei zu lassen. Es bildet mit den longi- tudinalen Muskeln ein dichtes Geflecht von Muskelfasern. Wie schon Bergh hervorhob, durchziehen die meisten Muskelbündel frei, ohne Epithelumhüllung, den Ventrikel. Im Gegensatz zur Herzkammer, die wegen ihrer starken Musku- latur nur in der Diastole durchscheinend wird, gleichen die Vorhöfe auch in der Systole dünnen Säckchen, da sie im Verhältnis nur wenig Muskeln besitzen. Im Innern befinden sich an ihrer Basis eine Reihe von Öffnungen verschiedener Größe, die in die Kiemenvenen führen. Noch im Pericardialraum sondert sich deutlich, wie auch schon die Abbildungen von Willem erkennen lassen, die vordere Aorta vom Ventrikel ab und liegt dorsal dem Enddarm auf. Daß wir es hier schon mit der Aorta und nicht mehr mit einem Zipfel des Herzens etwa zu tun haben, ergibt sich schon daraus, daß die Kontraktionsbewe- gungen des Ventrikels nur bis zu dem Punkte vorwärts schreiten, wo das Herzlumen den Darm noch vollständig umschließt. Die Grenz- und Anheftungslinie zwischen Gefäß und Darm verläuft an dieser Stelle schräg nach oben und vorn am Darmkanal empor, so daß schheß- lich dorsal vom Darm ein im Querschnitt convex-concaves bis ovales Gefäß entlaug zieht. Die vordere Aorta sondert sich also noch im 22 H. Schwanecke, Pericard deutlich vom Herzen ab. Bei ilirem Austritt aus dem Herz- beutel bildet die Aorta eine kleine Anschwellimg, deren größter Durch- messer genau an der Durchtrittsstelle hegt. In dieser sinuösen Aus- weitung hegt die vordere Aortenklappe. Im Gegensatz zur vorderen Aorta fäUt bei der hinteren Aorta Aastrittsstelle aus dem Herzen und Austrittsstelle aus dem Pericard nahezu zusammen. Da diese Verhältnisse jedoch eng mit dem Bau der hinteren Aortenklappe zusammenhängen, so soll auf sie erst bei deren Beschreibung eingegangen werden. 2. Die vordere Aortenklappe. Die Existenz von Klappen an den Aorten der LameUibranchiaten ist zimi erstenmal von Gakxer behauptet worden, der sie bei Pecten nachwies. Jedoch beschränkt er sich auf die wenigen Worte: '"Valves also exLst at the origin of the aortae", ohne auf Zahl und Form näher einzugehen. Seine Angaben wurden bestätigt wenige Jahre später durch Deshayes, der sie bei Teredo feststellte. Auch die schöne Arbeit von Sabatier über Mytilus stellt halbmondförmige Klappen und zwar mehrere dicht an der Ursprungsstelle der Aorta fe.st. Dogiel beschreibt die betreffenden Verhältnisse bei Pecten maximus folgender- maßen: >>Aus dem Ventrikel entspringt in der Richtung zur Leber und zum Itfagen ein großes Gefäß (vordere Aorta), das sich in drei Zweige teilt. Von der andern Seite entspringt aus demselben Ventrikel in entgegengesetzter Richtung parallel dem Mastdarm ein zweites Gefäß (hintere Aorta). In der Nähe der Ursprungsstelle der beiden Gefäße bemerkt man Sphincteren, die aus ringförmig angeordneten muskulösen Elementen bestehen, und deren Kontraktion die Gefäß- lumina zum Versch-nänden bringt. <^ Diesen immerhin mehr gelegent- hchen Beobachtungen folgen nun eingehendere von Rankin, Mene- GAUX und Grobben. Rankin kannte schon den Bau und die Form der vorderen Aortenklappe ziemlich genau, wie aus folgenden Worten hervorgeht: »Ungefähr an der Anfangsstelle der vorderen Aorta be- findet sich eine Taschenklappe, welche das Blut vom, aber nicht zum Herzen strömen läßt. Vor dieser Klappe ist eine Erweiterung der Aorta, welche eine Art Sinus bildet. << Zu ganz ähnlichen Feststellungen kommt auch Menegaux, der die Klappe bei Avicula, Pinna, Area, Pectunculus, Pecten, Ostrea, Chama, Teredo, Lithodomus an der vor- deren Aorta fand, und zwar ebenfalls an einer sinusartigen Anschwel- lung. Die genaueste Darstellung hefert jedoch Grobben, mit dessen Angaben sich meine Beobachtungen vollkormnen decken. Das Blutgefäßsystem von Anodonta cellensis Schrot, 13 Wie schon die älteren Autoren fanden, bildet die vordere Aorta an der Stelle, wo der Enddarm in einem Bogen in den Pericardial- raum eintritt, eine, wie sich Grobben ausdrückt, bulböse Anschwel- lung (Fig. 2). Ihr größter Durchmesser fällt mit der Begrenzung des Pericards zusammen. Öffnet man diesen »Sinus* von der Dorsal- seite her. so erkennt man an seiner Basis eine dünne, durchsichtige Membran. Diese ist an ihrem hinteren Ende an der Ventralseite der Aorta angeheftet und steigt, an den Seitenwänden befestigt, allmähhch Penkard Se-s^ Fig. 2. Vordere Aortenkbkppe voo der Dorsaiseite her geöffnet. Aojmmt, vordere Aorta ; Khtfpe^ als Klappe funktiooinend: EUrtt, Elevator des Fußes. nach vom zu in die Höhe. An ihrem freien Yorderrand ist sie etwas nach hinten zu eingebuchtet. Diese Befestigungsweise der Klappe zeigt sofort, daß sie dazu bestimmt ist. Eückströmungen des Blutes in das Herz wie sie bei heftigen Kontraktionen des Fußes leicht eintreten könnten, zu verhindern. Unterstützt wird die Klappe in ihrer Wir- kimg noch durch an der Dorsalseite querverlaufende Muskelfasern, die im Längsschnittt als Muskelwulst sichtbar werden, und bei ihrer Kontraktion die obere Aortenwand gegen den freien Rand der Semi- lunarklappe andrücken. Dieser Muskelwulst ist ebenfalls zuerst von Grob BEN" bemerkt worden, während ihn die früheren Beobachter (Rankix, Mexegaux) übersahen. 3. Per große Aortenbofen. Noch in der bulbösen Anschwellimg befinden sich eine Reihe von Offnmigen. die in kleine Gefäße führen; sie dienen dazu das um- liegende Bindegewebe und einen Teil des rotbraunen Orismes. Gkobbexs u H. Schwaneckc, Rankin gibt ihre Zahl auf Pericardialdrüse, mit Blut zu versorgen sieben an, doch wechselt sie stark. Konstanter dagegen ist ein von den übrigen sich schon durch seine Größe hervorhebender Ast, der an die obere Darmschlinge tritt. Zwar wechselt auch er seine Ansatz- stelle, wie schon Langer hervorhob, so daß er bald rechts, bald links, bald weiter vor, bald zurück seinen Ursprung nimmt. In Fig. 3 zweigt er an der linken Seite der Aorta ab und verläuft in leicht geschwungenem Bogen bis an die innere Concavseite des Darmes. Während bis zu dieser Fig. 3. Gefäßverteilung an der beim Übertritt des Darmes aus dem Fuß in den^Pericardialraum liinein gebildeten Darmscldiiige. Ao.ant, vordere Aorta; pe, Perieardialraum; ed, Enddarni; /, Fuß; ff, (Jefäß au den Enddarni. Stelle nur einige kleine, besonders das Bindegewebe versorgende Äste abgegeben sind, sendet er jetzt ein stärkeres Gefäß an der ventralen Seite nach rückwärts. Dieses tritt bald in die Typhlosolis ein und ist in dieser bei gut gelungenen Injektionen bis ins Herz hinein zu ver- folgen. Querschnitte durch das Herz, besonders durch dessen vorderen Teil, lassen dies Gefäß in der TyphlosoHs deutlich erkennen. Die Haupt- menge des Blutes strömt jedoch weiter nach unten und verteilt sich in sechs bis acht Ästen an den Darm. Im weiteren Verlauf des Aortenbogens sondert sich nach beiden Das Blutgefäßsystem von Anodonta cellcnsis Schrot. 15 Soiteii eine Reihe von größeren und kleineren Gefäßen ab, die an ver- schiedene Organe herantreten, wie Leber, Magen und Mantelrand. Das auffälhgste von diesen Gefäßen ist die Magenarterie (Fig. 4 a). Sie zweigt sich konstant an der innersten Stelle des concaven Aorten- bogens ab und verläuft auf der hier bis dicht an die Oberfläche reichen- den Magenwand (Fig. 5). Ähnlich wie die Aorta bildet sie einen nach vorn zu convexen Bogen. Ihre Hauptverästelungen befinden sich nach auswärts, wenn auch einige wenige Gefäße an der Innenseite Fig. 4. Gefäßverteilung am Alagen, dieser ist schräg von vorn gesehen und das Bindegewebe der Rück- seite hocligezogen gedaclit. Aoant, vordere Aorta; a, Hauptblutgefäß des Magens; b, dendritisch verzweigtes vorderes Magengefäß ;c, (iefäß der llückseite des Magens; oe, Oesophagus; er, Kristall- stieldarni. sich bilden, um sich teilweise in der Mitteldarmdrüse zu verlieren. Daß die kleineren Seitengefäße dieser Magenarterie, wie sich Langer ausdrückt, sich dichotomisch zerteilen, ist durchaus nicht immer der Fall, wenn auch sehr häufig. Ist ihre Form so, wie Fig. 4 a angibt, dann ist allerdings eins oder mehrere der drei andern auf dieser Ab- bildung sichtbaren Magengefäße dichotomisch verästelt, in diesem Falle die rechte untere b. Außer den soeben beschriebenen Magenarterien a und h treten jedoch noch einige andre kleinere Arterienästchen an dieses Organ heran, so daß zusammen ihre Zahl etwa vier bis fünf beträgt. Dieses Zahlenverhältnis ist jedoch schwankend. Die Biklung und Verzwei- gung der Magenarterien steht in engem Zusannnenliange mit dem morphologischen Bau des Magens selbst. Ufn die Gefäße nicht zu sehr 16 H. Schwanecke, zu verletzen, ist von einer genaueren Freilegung der äußeren Form des Magens Abstand genommen, das Bindegewebe also besonders in den Falten nicht entfernt worden. Soviel ist jedoch schon aus einem Vergleich dieser Fig. 4 mit den Fig. 3 und 4 der GuTHEiLschen Arbeit ersichtlich, daß die große dorsale Magenfalte durch die Arterien b und c mit Blut versorgt wird. Zur Erklärung von Fig. 4 wäre vielleicht noch hinzuzufügen, daß der mit c bezeichnete Zweig in seiner Haupterstreckung sich eigenthch rel-r.ped.ant. add.ant Artped protped. Fig. 5. Die Arterien der Mitteldarnidrüse, von rechts gesehen, add.ant, vorderer Scliließmusl^el ; prot.prd, Protractor des Fußes; retr.ped.ant, Retractor des Fußes; toj, /«o, ^3, die drei Leberlappen ; ao.ant, vordere Aorta; artvisc, Visceralarterie; art.ped, vereinigte Fuß und Mantelarterie; b, Mantehand- arterie; g, Hauptniagengefäß. auf der linken, also dem Beschauer abgewandten Seite des Magens befindet, und deshalb das den Magen umgebende Bindegewebe der Kückscite als hochgezogen zu denken ist, um dies Gefäß sichtbar zu machen. Auf die weitere Verteilung der arteriellen Gefäße in der Magenwand soll weiter unten genauer eingegangen werden. Die Leber, oder besser gesagt, die Mitteldarmdrüse von Anodonta setzt sich nach Gutheil aus drei Teilen zusammen, deren Anordnung Fig. 5 und 6 zeigen. Auf der rechten Seite (Fig. 5) existiert demnach ventral vom Magen ein größerer Leberlappen (lao) dorsal ein weiterer (Zag). Der dritte Leberlappen greift dagegen nur mit einem kleinen Teil (Zaj) über die Medianlinie herüber, ist dagegen in seiner Haupt- Das Blutgefäßsystein von Anodonta celleiisis Schrot. 17 ausdeiiniing in Fig. 6 la^ deutlich zu erkennen. Indessen gehört der obere Teil der auf dieser Figur anscheinend einheitlichen Lebermasse dem mit /03 bezeichneten Lappen an. Die Trennung dieser drei Lappen dokumentiert sich nach Gutheil schon durch die drei Leberöffnungen, durch die sie, voneinander getrennt, ihr Secret in den Magen hinein entleeren. Der dorsale Leberlappen la^ wird nun ausschließlich mit Gefäßen des Aortenstammes selbst versorgt. Besonders auf der linken Seite ^o.anf: retnped. ' ßrhifisc. 'Arhped. protnped. Fig. 6. Die Arterien der Mitteldarmdrüse von links gesehen. Bezeichnungen wie bei Fig. 5. Dazu «, kleines Gefäß, das nach Durcluiueren der Leber sich im ilanteliand verteilt. (Fig. 6) entwickelt sich häufig eine größere Arterie. Der ventrale Teil der Mitteldarmdrüse (/ng) ^'ird sowohl von der Aorta als auch von der Visceralarterie mit Blut versehen. Ein ähnhches Verhalten zeigt auch der größte Leberlappen la-^. Auf Schnitten sowohl als auch bei gut gelungenen Injektionen läßt sich ein äußerst dichtes Lacunensystem feststellen, in das sich das Blut aus den Arterien ergießt. Bei der Beschreibung der Lebervenen werden wir hierauf noch zu sprechen kommen. Erwähnenswert wäre noch, daß häufig einige der kleinen Leber- arterien aus diesem Organ heraustreten und sich im vorderen Mantel- rand verbreiten (a). Auch schon oberhalb der Leber können in den Mantelrand Abzweigungen der Aorta eintreten. Ihre Form wie ihre Zahl ist jedoch sehr variabel. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CVIL Bd. 2 18 H. Schwaneckc, 4. Die Tisceralarterie (Art. yisceralis). Nachdem ich schon oben in dem Abschnitt über die allgemeine Topographie des Gefäßsystems einige Worte über die bisher übUcheu Abbildungen des Darmkanals von Anodonta gesagt habe, möchte ich erst hier eine für das Verständnis des Verlaufs der Visceralarterie unbedingt notwendige Beschreibung des Darmes geben. Unter dem vorderen Schließmuskel befindet sich als ein quer- ovaler Spalt die Mundöffnung. Von ihr steigt ziemlich steil nach oben der Oesophagus, um sich nach kurzem Laufe zum Magen zu er- weitern. Fast im rechten Winkel zum Verlauf des Oesophagus ver- läßt nun der Anfangsdarm, seiner Nebenfunktion nach auch Kristall- stieldarm genannt, den Magen. Er biegt jedoch bald nach oben um und erreicht fast wieder die Höhe des Magens. An dieser mit A be- zeichneten Stelle befindet sich ein scharfer Knick, von dem ab sein Verlauf nahezu entgegengesetzt wird. Als Dünndarm bezeichnet, erstreckt sich er sich bis ungefähr ventralwärts des unteren Leberlappens, um mittels einer Überschneidung bei B noch einmal rückläufig zu werden und den Kristallstieldarm zu überkreuzen. Gleich hinter diesem Kreuzungspunkt beginnt mit einer Verdickung der Enddarm. All- mählich wieder in die normale Größe des Darmes übergehend, ver- läuft er anfangs dem Kristallstieldarm parallel, biegt dann aber etwas oberhalb des Magens fast rechtwinklig um. Jetzt durchbohrt er Peri- cardialraum und Herz und endet, etwas dorsal auf der Rückseite des hinteren Adductors mittels einer Papille. Dieser Verlauf des Darmes ist, wie auch schon oben gesagt, als durchaus konstant zu bezeichnen und weder Gutheil noch ich konnten jemals eine von dieser Norm abweichende Ausbildung finden. Ganz besonders hat sich auch bei jedem Exemplar die Überschnei- dung bei B und das Fehlen einer solchen bei A immer feststellen lassen. Die Teilung der vorderen Aorta geschieht unterhalb des Magens, aber noch über dem Oesophagus. Während die vereinigte Fuß- und Mantelarterie die ursprüngliche Richtung beibehält, verläuft die Vis- ceralarterie ventral des Magens ziemlich wagerecht nach hinten, also senkrecht zur Aorta (Fig. 1, 7 und 8). Am Anfangsteil des Kristallstieldarmes biegt sie diesem parallel nach unten um. Gleich darauf tritt eine Teilung ein in zwei ziemlich gleichstarke Aste, deren einen man als die direkte Fortsetzung der ursprünglichen Visceralarterie bezeichnen kann (a), während der andre Das BIiit£of;ißs\-stcin von Aiiodüiita ri'Ili'iisi.s Selirüt. 19 (h) Über den Darm hinwei;- und auf dessen dorsaler Seite dem Gefäß a parallel entlaug zieht. Diese Teilung und die daraus resultierenden Gefäße sind noch als konstant anzusehen, während von jetzt ab wechselnde Verhältnisse Fig. 7. Hefäßverteihing am Darnikanal vom Magen bis zu seinem Eintritt ins Pericard. tna, Magen, krd, Kristallstielilarm; dd, Dünndarm; ed, Enddarm; art.visc, Visceralarterie; a imd b, die Endäste iler Visceralarteric; bi — b^, Seitengefäße von b, «i von a; A', das Verbindungsglied zwischen Oj und a; at, kleine, sich in der Typhlosolis verteilende Gefäße; a.p, kleine Arterien, die aus der Art. jicdalis entspringen (in Fig. 8 ad); g, Gefäße für (Geschlechtsorgane. eintreten. Um auch nur einen ungefähren Begriff von der Variation^;- breite dieser Gefäßverteilung geben zu können, erschien es zweckent- sprechend, mehrere Abbildungen dazu heranzuziehen. Außer den beiden speziell den Strombezirk der Visceralarterie darstellenden Fig. 7 und 8 diene hierzu auch noch die Übersichtsfig. 1. 20 H. Schwanecke, Vor der Gabelung zweigen sich außer den schon genannten Leber- arterien noch einige andre Gefäße (g) ab, die die Geschlechtsdrüsen mit Blut zu versehen haben. Diese kleinen Gefäße sind bei guten Injektionen in ihren Ausläufern sehr häufig an der Oberfläche des Fußes sichtbar, wie auch Langee schon gefunden hatte. Auch an den Anfangsteil des Kristallstieldarmes können einige kleinere Gefäße herantreten. Fig. 8. Wie Fig. 7. Nach der Teilung läuft der mit a bezeichnete Hauptast der Art. visceralis an der Ventralseite des Kristallstieldarmes entlang bis zu jenem scharfen Knick A, wo der Dünndarm beginnt. Diese Arterie ist indessen bei normal gelagertem Darm nicht sichtbar, sondern die Schlingen müssen ziemlich stark auseinandergezogen werden, Ver- hältnisse, wie sie auch die Fig. 1, 7 und 8 zeigen. Nur so sind auch Das Blutgcfäßsysti'iii von Anoilmita rt-llensis Schrüt. 21 die Abzweigungsstellen einer großen Anzahl von kleineren Arterien {ii.l.) erkennbar, die sich in seltsamer al)er iiiiiner wiederkehrender charakteristischer Weise in der Tvphlosolis des Kristallstieldarmes verästeln. Da diese äußerst interessanten Verhältnisse jedoch in einem besonderen Abschnitt behandelt werden sollen, will ich hier nicht näher darauf eingehen. Auch nach der andern Seite hin werden an den Dünndarm viele kleinere Gefäße abgegeben, die in ihrer feineren Verästelung ein recht zierliches Bild zeigen. Dem Mangel einer Ty- phlosolis am Dünndarm entsprechend, sind diese Nebenarterien jedoch schon an der Oberfläche des Darmes zu erkennen. Außerdem zweigt sich von dieser Arterie (a) ein größeres Gefäß («i) ab, welches einen Teil des Dünndarmes von der ventralen Seite her mit arteriellem Blut versieht. Die Art und Weise dieser Abzweigung ist wiederum nicht konstant. Das mit X bezeichnete Verbindungsstück kann sowohl über (Fig. 1) als auch unter dem Darm liegen (Fig. 7 u. 8). Das erste Verhalten wurde von Langer als das normale angegeben und scheint es auch in den meisten Fällen zu sein. Die Gefäße für den Dünndarm an seiner Überschneidungsstelle gehen von der Pedalarterie aus, wes- halb ihre Beschreibung am besten wohl auch mit einer Beschreibung dieses Gefäßes verknüpft werden kann. Der andre, bei der Teilung der Visceralarterie entstandene große Ast b entsendet sofort nach dem Wiederumbiegen in die ursprüngliche Richtung in den meisten Fällen ein Gefäß in der Richtung auf den Magen zu {b^ in Fig. 1 u. 7). Die Verteilung auf dem Kristallstiel- darm geschieht wieder in der schon vom Dünndarm her bekannten zierlichen Weise. Weiterhin zweigen sich noch eine Reihe von Ge- fäßen für den Enddarm ab. An der Umbiegungsstelle des größeren Gefäßes b bildet sich nahe dem Ursprung von bi ziemlich konstant ein zweites Gefäß 62, das zum Enddarm hinführt (Fig. 1 u. 7). Diese beiden eben genannten Darmarterien stehen nun in einem derartigen Verhältnis zueinander, daß eines ganz oder teilweise obliterieren kann, -eine Funktion aber dann von dem andern mit übernommen wird. Von den drei Abbildungen zeigt Fig. 7 ungefähr gleichstarke Ausbil- dung der beiden Arterien, Fig. 1 ein teilweises Obliterieren von 62 ^^^^^ Fig. 8 ein Verschmelzen von bi und b^ zu einem gemeinsamen Gefäß. Größere Ausläufer von b^ verteilen sich häufig noch in dem oberen Teil der Geschlechtsorgane (^2)- Das dritte, sich von der stärkeren Arterie b abzweigende Gefäß b^ hat einen ganz eigenartigen Verlauf. Es unterkreuzt nämlich den Enddarm, ohne im allgemeinen Seitenäste an diesen abzugeben, und 22 H. Schwanecke, strebt der tSchlinge A des Darmkanales zu. Hier erst tritt eine aus- giebige Zerteilung ein, wobei auch die angrenzenden Gewebe der Gona- den versehen werden. Dieser Fall tritt besonders dann ein, wenn das Gefäß 63 seinen Strombezirk nicht weit genug ausgedehnt hat, wie es z. B. Fig. 1 zeigt. Entstehen jedoch bei der Unterkreuzuug des Enddarmes kleine Arterien, so führen sie nur in die hier dorsal des Darmes liegende Typhlosolis (Fig. 1). Daß der eben geschilderte Ver- lauf von 63 nicht immer einzutreten braucht, zeigt Fig. 8. Bei diesem Tier versorgte das Gefäß 63 lediglich den Anfangsteil des Enddarmes. Der Übergang vom Kristallstieldarm in den Dünndarm ist in den Strombezirk der Stammarterie b eingezogen worden. Die Ursache für diese Erscheinung ist wohl in dem schon oben erwähnten Ver- schmelzen der Gefäße 6^ und bo zu suchen, wodurch eine verminderte Blutzufuhr zum Enddarm hervorgerufen werden mußte. Als letztes, verhältnismäßig konstantes Gefäß wäre schließlich noch die Arterie 64 zu nennen, deren Verzweigungen den verdickten Anfangsteil des Enddarmes umspinnen. Unterstützt wird sie hierin noch von Ausläufern der Hauptarterie b. Diese verteilen sich besonders an der dorsalen Seite, greifen jedoch manchmal, wie gesagt, auch noch auf das Endstück des Dünndarmes über. Aus dieser Darstellung ist also schon mit aller Deutlichkeit zu ersehen, daß von einer einigermaßen konstanten normalen Ausbildung des Blutgefäßsystems am Darm von Anodonta kaum gesprochen werden kann, daß daher die Bezeichnung jeder Abbildung eines solchen Prä- parates eigentlich nicht >>Blutgefäßsystem von Anodonta <<, sondern »Blutgefäßsystem einer Anodonta << lauten müßte. In noch stärkerem Maße tritt diese Erscheinung der Variabilität der Gefäße, wie wir noch sehen werden, im Strombezirk der hinteren Aorta auf. Dafür, daß diese immerhin beträchtliche Inkonstanz auf eine Differenzierung in männliche und weibliche Tiere zurückgeführt werden könnte, habe ich irgendwelche Anhaltspunkte nicht gefunden. 5. Vereinigte Fuß- uud Mautelarterie (Art. pedalis et pallialis comninuis). Mit dem Namen der gemeinsamen Fuß- und Mantelarterie be- zeichnet man das andre aus der Teilung der vorderen Aorta hervor- gehende Hauptgefäß. Während die Visceralarterie rechtwinklig ab- zweigt, behält diese Arterie die ursprüngliche Richtung bei (Fig. 12). Jedoch schon nach verhältnismäßig kurzem Laufe, während welchem mehrere kleine Seitengefäße sich abzweigen und in den vorderen Re- tractor eintreten, tritt abermals eine Teilung ein. Wie schon der Name Das Blutgefäßsysti'in von Anodonta collensis Sclirüt. 23 sagt, entstehen hierbei die Fußarterie und die Mantelarterien. Art. pedalis und Art. palhales. Wegen des engen Zusammenhanges ihres .Strombezirkes mit dem der Visceralarterie soll hier zuerst auf die Arteria pedalis näher eingegangen werden. a. Die Fußarterie (Art. pedalis). Der Verlauf dieses für die Schwellung des Fußes und damit für die Bewegung der Muscheln so außerordentlich wichtigen Gefäßastes ist ein ziemlich einfacher. Anfänglich noch ganz in der ursprüng- lichen Richtung der Aorta, nimmt erst nach Erreichung des muskulösen Teiles des Fußes ihr Verlauf die Gestalt eines nach unten convexen Bogens an. der allmählich wieder in die Horizontale übergeht. Trotz- dem die Pedalarterie in ihrem Verlauf genau parallel der Grenzlinie zwischen Muskelhaube und Eingeweidesack liegt, befindet sie sich doch ausschließlich immer in dem muskulösen Teil des Fußes. Er- klärlich wird dieses Verhalten wohl durch die wichtige Funktion des betreffenden Gefäßes bei der Schwellung. Nach der Fußkante zu, also distalwärts, entwickeln sich mehrere größere Seitengefäße. In ihrer Ausdehnung und Zahl ziemlich stark variabel, sind sie die Ursache für die außerordentlich starke Durchblutung des eigentlichen Fußes. Eins dieser Gefäße hebt sich indessen durch seine Konstanz wie auch durch seine Größe aus der Zahl der übrigen heraus. Es entspringt an der am weitesten nach außen gerichteten Stelle des convexen Bogens (Fig. 9 a), und läßt sich bis in die äußerste Fußspitze hinein verfolgen. Schließlich verliert sich auch das Hauptgefäß selbst in dem hinteren Zipfel der Muskelhaube vollständig. Eine eisenartioe, ziemlich weitgehende Übereinstimmung in der äußeren Form zeigt sich bei einem Vergleich des Verlaufs der Blut- gefäße mit dem der Nerven. Unter der Stelle, wo sich das größere konstante Gefäß a von der Pedalarterie absondert, liegt das Pedal- ganglion. Auch von diesem geht nach den Untersuchungen von P. Splittstössek parallel der Arterie a ein Nervenstrang in die Fuß- spitze hinein, während andre sich ähnlich den distalwärts zur Fuß- kante verlaufenden Gefäßen erstrecken. Nach der Dorsalseite hin entspringen mehrere kleine Gefäße (Fig. 8 gi), die sich in die Geschlechtsorgane verteilen. Bedeutend wichtiger sind aber die an den Darm herantretenden Gefäße. Konstant in das .Stromgebiet der Pedalarterie gehört die Darmüberschneidung bei dem Punkte B, wie auch schon Langer gut abbildet und ausdrück- lich betont. Gewöhnlich treten ein bis zwei, manchmal aber auch 24 H. Schwanecke, mehrere Seitenäste der Pedalarterie in die Geschlechtsorgane ein, durchqueren diese, vielfach kleinere Seitenäste abgebend, und ver- ästeln sich hauptsächlich auf der genannten Darmschlinge. Indessen 'S. B> o " t-r. kann auch, wie z. B. die Fig. 7 und 8 zeigen, ein großer Teil des Dünn- darmes mit in den Bezirk der Arteria pedalis einbezogen werden. Von Interesse ist es vielleicht noch, daß durch Injizieren der Fußarterie es verhältnismäßig leicht gelingt, eine künstliche Schwellung des Fußes Das Blutgefäßsysteni von Anodonta collensis Schrot. 25 hervorzurufen. In diesem Falle stellen sich die Lacunen, das >>Schwell- ^ewebe^* Langers, als ein dichtes Netz von miteinander unregelmäßig anastomosierenden Bliiträumen dar. b. Die vordere Mantelarterie (Art. pall. anterior). Der andre durch Teilung aus der gemeinsamen Fuß- und Mantel- arterie entstandene Ast, die Art. pallialis, teilt sich fast unmittelbar darnach in zwei gleich starke Gefäße, die rechte und linke Mantelarterie. Indem ihi'e Trennung hinter dem vorderen Schließmuskel über dem A.ped. Aort-a ' Mantel ^ig. 10. Alizweiguns der Mantelarterieu von der Fußarterie, von der Ventralseite gesehen. Add.ant, vorderer Sfhließmiiskel, an seiner Rücliseite die Mundöffnuug, begrenzt von den beiden Velarleisten veli und velo, Mantel, abgeschnitten; A.visc, Visceralarterie; a.ped, Pedalarterie; A.pall, Mantelarterie; a.t, Mundlappenarterie, teilt sich bei a. Oesophagus erfolgt, wie es auch Fig. 1, 10 und 12 zeigen, liegen sie vollkommen symmetrisch zur Medianebene des Muschelkörpers. Die Fig. 10 stellt ein von der Ventralseite her aufpräpariertes Objekt dar. Man sieht hier in die querovale, nach vorn etwas convexe Mundspalte, die durch zwei lippenförmige Wülste oder Leisten be- grenzt wird. Diese »Lippen« bilden die Fortsetzungen der beiden auf jeder Seite befindhchen Velarlappen (vgl. Fig. 2 bei Gutheil). Reiches Bindegewebe zwischen den Velarfalten schließt die Mund- f>ffnung seitwärts ab. Die Mantelgefäße treten nun rechts und links dicht an die Mundwinkel heran, biegen sich dann leicht nach oben und treten gleichzeitig in die Muskelmasse des vorderen Adductors 26 H. Schwanecke, ein. Bis zu diesem Punkte haben sich schon verschiedene Gefäße abgezweigt. Vor allem werden der Mund und der Oesophagus damit versehen. Über die Art der Verteilung der Arterien im Oesophagus 'i-ibt Fio-. 11 Aufschluß, die die dorsale Wand dieses Organs darstellt. Weiterhin entspringt noch ein andres, ungleich wichtigeres Gefäß aus der Mantelarterie, und zwar zwischen den Lippen in den Mund- winkeln, nämlich die Art. tentacularis. Wegen ihrer Bedeutung und ihres eigenartigen Verlaufes soll indessen erst weiter unten in einem besonderen Abschnitt genauer auf sie eingegangen werden. Artpall. Ant.pall Fig. 11. Gefäßverteilung an der dorsalen Wandung des Oesophagus. Art.pall, durchschnittene Mantel- arterie; Add.ant, vorderer Schließmuskel. Die in den vorderen Schließmuskel eingetretenen Mantelarterien bleiben jedoch ziemlich nahe an der Oberfläche, so daß sie hier viel- fach auch ohne Präparation schon sichtbar sind. Bei ihrem Austritt aus der Muskelmasse tritt eine Umbiegung der PalHalarterien ein, indem die Hauptmenge des Blutes nach dem freien unteren Mantel- rande fließt. Jedoch wird nach oben ein ziemlich starkes Gefäß ent- sandt, das um den vorderen Schheßmuskel herumgreift und sich in dem oberen Mantelrand verteilt (Fig. 12). Bei ausgedehnter Injektion Das Blutgefäßsysteni von Anodonta ci-llcnsi.-^ Schrot. 27 kann man Anastomose der Lacunen dieses Gefäßes mit jenen der aus der Aorta direkt entspringenden Mautelrandarterien beobachten. Auf ihrem We^e durch den Schließmuskel entsendet die Pallialarterie auch in diesen hinein einige kleinere Gefäße. Dieser bisher geschilderte Arh coron. pallii. Fig. 12. Vorderer Teil des Musclielkörpers. Übersicht über die Zerteilnng der Aorta und ihrer Tocliter- gefäße Großer Muskel iu der Mitte: vorderer Schließmuskel, retr.ped.ant, vorderer Retractor; protr ped Protractor des Fußes; Aorta, vordere Aorta; A.visc, Visceralarterie; A.ped, lußarterie, ipa», Mantelarterie; Art. coron. pallii, »Kranzgefäß« des Mantels; A.tent, Mundlarpenartene. 28 H. Schwanecke, Verlauf des Mantelgefäßes der einen Seite ist natürlicli infolge der Bilateralsymmetrie des Tieres auch auf der andern Seite vollkommen gleich ausgebildet. Über den Verlauf und die Verteilung der Gefäße im freien Mantel- rand selbst können schwache oder auch nur mittelstarke Injektionen nur ein ziemlich unvollständiges Bild liefern. Der Grund hierfür ist in dem anatomischen Bau des Mantels und damit zusammenhängend in seinem Zustand nach dem Tode der Muschel zu suchen. Bekanntlich ist der Mantel in einiger Entfernung von seinem freien Kande mittels kleiner Muskelchen an der Schale angeheftet und hefert so auf derselben die Mantellinie. In dem dadurch abgesetzten Art coron.pali Fig. 1.3. Oefäßvertcilung am freien Mantelrand. /, II und ///, die drei durch die zwei Falten des Man- telrandes entstandenen Lippen. Ärt.coron.pall, »Kranzgefäß«; a, Hauptarterien; b, Zwischen- arterien; d, Blutgefäße ins Mantelreservoir. freien Eandteile des Mantels verläuft die Mantel arterie, Verhältnisse, wie sie im Querschnitt die schematische Fig. 14 zeigt. Distalwärts ist der Mantel durch zwei Einfaltungen in drei >> Lippen << zerlegt (Lan- GEEs Lefzen). Das Periostracum der Schale reicht nun über diese noch ein Stück hinaus und umfaßt auch noch die oberste dieser drei Lippen. So wie die Fig. 13 und 14 diese Falten zeigen, sind sie jedoch niemals auf konservierten Schnitten zu sehen, sondern sie entsprechen den Verhältnissen am lebenden Tier. Wird nämlich die Maschel nicht gestört, so befindet sich nicht nur des größte Teil des Fußes außerhalb Das Blutgefäßsystem von Anodonta cellensis Schrot. 29 der Schale, soiuleni aucli der Mantelrand hat .sich um den Rand der Schale nach auüen herumgeschlagen. Die beiden Abbildungen stellen also einen mittelstarken Schwellungszustand des Mantelrandes dar. Zurückgezogen wird der Mantel, nach Entleeren des Blutes, durch kleine Muskelchen, die einerseits an den Falten, anderseits an der Mantelanheftungslinie inserieren. Von dem Hauptgefäß, der Art. coronaria palhi, gehen in ziemlich gleichmäßigen Abständen kleinere Gefäße (a) ab, die in jede der beiden oberen, äußeren Lippen Seitenäste entsenden, der Hauptsache nach jedoch sich in der dritten, längsten verteilen. In den Zwischenräumen dieser Gefäße entspringen ^Yieder andre, noch kleinere (6), die indessen ziemlich an der Oberfläche bleiben. Desgleichen finden sich kleinere Arterien (c) auf der Unter- oder Innenseite des Mantels. Nach der entgegengesetzten Richtung, also proximalwärts der Anheftungsstelie A.corOn.pall Fig. 14. Schematischer Querschnitt durcii den freien Mantelrand. Bezeichnungen wie Fig. 13. des Mantels, entspringt eine Reihe bedeutend größerer Gefäße {d). Da diese einen ungleich größeren Strombezirk als jedes der Gefäße a haben, benötigen sie natürlich auch einen bedeutend größeren Zwischen- raum unter einander, und zwar ist das Verhältnis derart, daß zwischen je zwei der proximalen Arterien d drei bis vier von dem distalen a kommen. Die Länge dieser Gefäße ist vorn bis ziemlich in die Mitte des Mantels reichend, hinten aber kürzer. Hervorgerufen wird diese Erscheinung durch die Ausdehnung der sogenannten Mantelreservoire, auf die wir weiter unten noch zu sprechen kommen werden. Fragen wir uns nach der Ursache der so komplizierten Blutgefäß- verteilung im Mantel, so kommen wohl besonders zw^ei Punkte in Betracht. Der wichtigere dieser beiden ist wohl die Bedeutung des Mantels als Respirationsorgan. Wenn die Muschel ihren Fuß aus der Schale hervorgestreckt hat, so ist der Kiemen- und Körperkreislauf infolge Schließens der IvEBERschen Klappe fast ganz unterbunden (vgl. hier- über den Abschnitt über die Schwellung des Fußes von Anodonta). Das Herz pulsiert aber weiter, da der Kreislauf nicht vollständig 30 H. Schwanecke, unterbrochen werden kann. Um das Blut nun mit dem nötigen Sauerstoff versehen zu können, existiert eine Verbindung im Gefäßsystem vom Herzen durch die vordere Aorta, Mantelarterien, Mantelreservoire wieder in den Vorhof. Es ist demnach also neben dem Hauptblut- kreislauf noch ein Nebenkreislauf eingeschaltet. Der andre Punkt hängt mit dem Schwellungsvermögen des Mantelrandes zusammen. Wie schon gesagt, ist bei einer nicht gestörten Anodonta außer dem ausf^estreckten Fuß auch der Mantelrand um den Schalenrand herum- geschlagen. Die Schwellung wird hervorgerufen durch Einpumpen von Blut unter gleichzeitiger Erschlaffung der Eückziehmuskeln des Mantelrandes. Zieht die Muschel den Fuß nun plötzhch ein, so schUeßt sich auch gleichzeitig die Schale. Dabei könnte es nun vorkommen, daß die scharfen Schalenränder Verletzungen in der zarten Epidermis des Fußes hervorrufen. Dies sollen, meiner Meinung nach, die um- seschlasenen Mantelränder verhindern, sie sollen also gleichsam eine Gleitbahn für den Fuß darstellen. Ob diese Deutung der Schwellung des Mantelrandes ganz einwandfrei ist, wage ich nicht zu entscheiden, möchte aber darauf hinweisen, daß eine andre Deutung auf minde- stens ebensolche Schwierigkeiten stoßen würde. c. Die Mundlappenarterie (Art. tentacularis). Wie schon oben ausgeführt und auf Fig. 10 dargestellt wurde, entsendet die Art. pallialis {A.pall.) bei der Umfassung des Oeso- phagus jederseits ein starkes Gefäß [a.t.), das sich eine Strecke weit zwischen den beiden Velarfalten vel^ und vel^ hinzieht. Hierbei wird auf jeder Seite außer dem Protractor auch das Cerebralganglion mit dem nötigen Blut versehen (Fig. 12 prot.ped.). Nach kurzem Verlauf tritt eine Teilung ein und es entstehen zwei sowohl in ihrem weiteren Verlauf als auch in ihrer eigenartigen Verteilung vollständig kongru- ente Velararterien (Fig. 10 a). Die Fig. 15 stellt den rechten äußeren Mundlappen dar, das Velum oder den Tentakel der älteren Autoren. Von der oberen Einbuchtung Ä bis ungefähr zur Teilungsstelle B der Tentakelarterie verläuft die Anheftungslinie zwischen Mundlappen und Fuß. Das erste auffällige ist, daß die stark gewellte oder ge- schlängelte Hauptarterie nicht genau in der Längsachse des Organs liegt, sondern in einem spitzen Winkel dazu etwas unterhalb derselben. Erst gegen Ende biegt sie wieder nach oben um und verästelt sich unregelmäßig. In diesem Verlaufe gibt sie ganz gleichmäßig und in derselben typischen Form bei allen Präparaten immer wiederkehrend, Seitenarterien ab. Was die Keich weite und die Verteilung dieser Das Blutgefäßsystem von Anodonta ct'lk-iisi.s Sclihtt. 31 Nebenäste im oroßen und «zanzen anbetrifft, so ist vielleicht bemerkens- wert, daß sie sich nui' im .Mundlappen selbst verästeln und selten in das angrenzende Biiule^eweho übertreten. Eine Ausnahme macht viel- ^ 'r. 5* ;5 • = S IC iä = ^- a CS) E-i 3 S 'S fach das mit a bezeichnete Gefäß, das öfter bis in den Mantel hinein- verfolgt werden kann. Da die Gefäß Verteilung des inneren Mundlappens in allen Stücken der des äußern gleicht, so erstreckt sich das a ent- sprechende Gefäß des inneren Tentakels bis auf die Oberfläche des 32 H. Schwanecke, Fußes. Weiterhin kann als konstant in derselben auf Fig. 15 darge- stellten Form noch das mit h bezeichnete Arterienstämmchen er- wähnt werden. Sehr interessante Verhältnisse zeigt nun die Gefäßverteilung auf der Innenseite der Mundlappen. Wie schon seit langem bekannt ist, ist hier die Oberfläche nicht glatt, wie die Außenseiten, sondern mit einer Art von Leisten versehen (Fig. 16). Während, wie wir oben sahen, die Seitengefäße ziemlich senkrecht von der Art. tentacularis abbiegen, verlaufen diese Leisten in einem spitzen Winkel dazu. Die \ fen.t Fig. 16. Innere, mit Leisten versehene Oberfläche der Mundlappeu, Teilätück. Jrt.ffH?, Mundlappenarterie. Folge davon ist, daß sie auch von den Nebenarterien in einem spitzen Winkel gekreuzt werden. Laxger kannte wohl die Leisten, bemerkte auch die sehr eigenartige Gefäßverteilung in denselben, geht aber nicht näher auf die zueinander schiefe Lage von Leisten und Seitenarterien ein. Kollmann, auf dessen Angaben sich auch Flemming, Fleisch- mann und Geiesbach stützen, gibt jedoch kein richtiges Bild von diesen Verhältnissen. Nach ihm sollen die Gefäße in den Leisten verlaufen, sich also, da Tentakelarterie und Leisten in einem spitzen Das Blutgefäßsystem von Anodonta cellensis Schrot. 33 Winkel zueinander stehen, von der Hauptarterie nicht rechtwinkhg abzweigen. Wie seine Figuren zeigen, soll auch jede Leiste ihr eignes Längsgefäß besitzen. Diese Abbildung läßt indessen zugleich als Ursache dieser falschen Darstellung erkennen, daß bei Ausführung der Injektionen zu starker und unregelmäßiger Druck angewandt ist, so daß Zerreißungen und ungleichmäßige Füllungen der Ästchen ein- treten mußten. Dieselben unzutreffenden Angaben macht auch Thiele, der sich allerdings, mangels eigner morphologischer Untersuchungen, in betreff des makroskopischen Verlaufs der Gefäße ebenfalls auf KoLLMANX beruft. Jedoch auch von theoretischem Standpunkt aus, ist die Art der Gefäßverteilung, wie ich sie dargestellt habe, besser zu verstehen, als die Kollmanxs; tritt doch bei schräger Durch- querung der Leisten eine bedeutend ergiebigere Durchblutung des Organs ein, als wenn die Gefäße parallel in oder unter den Leisten verlaufen würden ! Die Ursache für die starke Verästelung der Arterien in den Mundlappen ist nach Thiele ähnhch wie für die entsprechenden Verhältnisse im Mantel wahrscheinHch in der respiratorischen Neben- funktion des Mundlappens zu erbhcken. B. Gefäße im Bereich der hinteren Aorta. 1. Hintere Aortenklappe. Wie bekannt, durchzieht der Darm bei den Najaden das Herz- lumen von vorn ventral nach hinten dorsal. Seine Austrittsstelle aus dem Herzen fällt gleichzeitig mit der Austrittsstelle aus dem Peri- card zusammen, indem hier Herz und Pericard miteinander verwachsen erscheinen. Der Enddarm wird von jetzt ab bis zum After von dem Bindegewebe zwischen den beiden Mantellappen umgeben (Fig. 17 hg). Ventral der Austrittsstelle des Darmes aus dem Ventrikel entspringt nun die hintere Aorta. Gleich zu Beginn dieses zweiten großen Ge- fäßstanimes findet sich in dessen Lumen eine zum Verschluß der Aorta dienende Einrichtung, die hintere Aortenklappe. Ihre Lage ist im Gegensatz zu der der vorderen Aortenklappe, die ja gerade an der Austrittsstelle der Aorta aus dem Pericard sich befindet (Fig. 2), un- zweifelhaft außerhalb des Pericardialraumes. In der Fig. 17. die die Aortenklappe von der rechten Seite her darstellt, ist durch die stark punktierte Linie die etwas links vom Herzen quer über die Aorta läuft, die Begrenzung des Pericardialramnes angegeben. Ventral der Aorta erstreckt sich der Herzbeutel indessen noch ziemhch weit rückwärts. Wenn man auch hier wieder von der schon oben zitierten lakoni- schen Bemerkung Gaeners: "valves also exist at the origin of the Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CVII. Bd. 3 34 H. Schwaneckc, aortae" absieht, so findet sich die erste Beschreibung der hinteren Aortenklappe bei Dogiel. Dieser beschreibt sie als einen Eingmuskel, eine Ansicht, die auch noch Kankin vertritt. Dagegen gibt Geobben für die hintere Aortenklappe von Pecten Jahohaeus folgende, anders lautende Darstellung: »Nahe am Ursprung vom Ventrikel, an der Stelle, wo sich die Aortenwand durch kräftigere Ausbildung der Ringmusku- latur auszeichnet, ragen in das Lumen der Aorta zwei polster-, fast zunaenförmise Wülste hinein. Der dorsale sieht mit dem dicksten Darm ^2 relr.ped Perik Aopost Perik. Fig. 17. Hintere Aortenklappe, nacli Fortnahme des Mantels und Öffnen des Pericards, ebenfalls von der rechten Seite her geöffnet. Ao.post, liintere Aorta ; ögf, Bindegewebe dorsal des Darmes zwischen den beiden Mantellappen; Perik, Perikardialraum ; retr.ped, hinterer Retractor; Wiundwz, die bei- den die Aortenklappe bildenden Muskelwülste; w^, kleiner dorsaler accessorischer Muskelwulst. vorspringenden Ende nach hinten, der ventrale nach vorn. Die beiden korrespondierenden Wülste sind in der Art übereinander gelagert, daß dieselben bei der Kontraktion des Sphincters mit ihrer ganzen Fläche gegeneinander gedrückt werden.« Dagegen bestätigt er bei Anodonta den Befund Rankins, der, wie gesagt, nur einen Sphincter kannte. Zu meiner Überraschung mußte ich dagegen konstatieren, daß die Darstellung Geobbens, die dieser für Pecten liefert, trotz seines eignen andersartigen Befundes bei Anodonta, Wort für Wort auch für Das Blutgefäßsystciii von ^Anodrnta ccllcnsis S'chriit. 35 Anodonta zutrifft ! Die Übereinstimmung wird noch größer durch eine weitere Bemerkung Grobbens. Er fand nämlich, daß bei drei von ihm untersuchten Pectenexemplaren in zwei Fällen noch ein dritter solcher AVulst vorhanden war, wenn auch kleiner. Auch diese Tat- sache kann ich bestätigen, und zwar befindet sich dieser Wulst häufig an der vorderen Seite der dorsalen Erhebung, wie ich es, wenn auch nicht in starkem Maße, in der Fig. 17 bei iv^ angedeutet habe! Ran- kin und auch Grobben haben also anscheinend nach öffnen der Aorta die beiden zungenförmigen Wülste als den durchschnittenen Ringmuskel angesehen, während in Wirklichkeit Anodonta von Pecten in dieser Beziehung gar nicht abweicht. 2. Die hinteren Mantelarterien (Art. palliales posteriores). Kurz hinter dieser Aortenklappe tritt eine Teilung der hinteren Aorta in zwei gleich starke Zweige ein (Fig. 19 u. 21 sowie Fig. 20-4 — F). Zum allcemeinen Überblick über die Art und Weise der Gefäßverteilung im Strombezirk der hinteren Aorta diene die Fig. 18. Sie stellt eine Seitenansicht dar vom Enddarm (ed), hinteren Adductor (Add.jjost.) und hinteren Retractor {retr.ped.post.), und zwar von der rechten Seite her gesehen. Der hintere Retractor ist nur in seiner Längsausdehnung dargestellt, nicht dagegen seine Insertionsstellen an der Schale (vgl. Fig. 21). Weiterhin ist der Enddarm durch teilweises Abpräparieren des rechten Mantellappens freigelegt. Die Teilung der Aorta findet ungefähr bei dem mit A bezeich- neten Punkte statt. Schon vorher hat sich ein kleines Gefäß abge- sondert, um besonders den dorsalen Mautelteil und das Pericard mit dem nötigen Blut zu versehen. Nach der Teilung senken sich die beiden Mantelarterien ein wenig, um durch den Spalt zwischen den beiden hinteren Retractoren hindurchzugehen, steigen dann wieder aufwärts und führen dorsal über den hinteren Schließmuskel hin, indem sie das Rectum zwischen sich nehmen. Der Mastdarm wird von einem größeren Gefäß versorgt, das schon von einer der beiden Mantel- arterien abzweigt, meist rechts, und dem dann in vielen Fällen ein ähnhches auf der Unken Seite entspricht. Charakteristisch ist, daß der Verlauf der Gefäße am Mastdarm im Gegensatz zum übrigen Darm ein sehr langgestreckter ist. Der hintere Retractor empfängt sein Blut in den meisten Fällen durch ein unpaares Gefäß, das seinen Ursprung bald in der rechten, bald in der linken Arterie nehmen kann, schließ- lich aber auch paarig auftreten kann. Schon von dem Teilungspunkte der Aorta ab setzt eine Inkonstanz 3* 36 H. Schwanecke, und Variabilität des Gefäßverlaufes ein, wie wir sie in solch bedeuten- dem Maße nicht ein zweites Mal im Muschelkörper antreffen. Es ist absolut unmöglich, hier eine Norm festzustellen. Um auch nur un- gefähr eine Vorstellung davon zu geben, habe ich im folgenden einige ^o< o a — C3 O^ ET. 3 " g. b »' '" S '^ o3 g SS. a £, g 2 00 £ ^ 2= e & 2. o Ei s fr ä, S' it- Et S £■ S- s. charakteristische Beispiele aus der Reihe der Präparate herausge- griffen und abgebildet (Fig. 20 Ä—F). Alle Präparate sind als von der Ventralseite gesehen dargestellt, so daß also rechts in der Bild- fläche links der Körperseite entspricht. Die mit v bezeichnete Arterie entspricht dem Gefäß a v in Fig. 18, r dem Retractorgefäß a.r, und Das Blutgofäßsystom von Annrlonta collensis Schrot. 37 a einem besonderen Ast, der den hinteren Adductor ventralwärts um- faßt mid in Fig. 18 in seinem Ursprung mit der Retractorarterie ver- schmolzen ist. Von den sechs Abbildungen der Fig. 20 bilden Ä und F die Endglieder einer Reihe, die durch alle möglichen Übergänge mit- einander verknüpft sind. Während bei A die Rectalarterie v ebenso wie die Retractorarterie r ihren Ursprung von dem rechten Pallial- gefäß nehmen, entspringt der den hinteren Schließmuskel versorgende Ast aus der hnken Mantelarterie. In Fis;. B ist das Gefäß v in seinem Fig. 19. starke Abweichung des Verlaufes der hinteren Aorta vom normalen Typus. Abbildung von oben, gesehen. Mantellappen m.l. seitlich ausgebreitet. Der typische Mantelarterienverlauf ist in ge- strichelten Linien eingezeichnet, nii und m», die beiden Mantehandarterien ; Ädd.post, hinterer Schließmuskel. Ansatzpunkt weiter nach rückwärts bis auf die Aorta selbst verlagert, um schheßHch bei dem Präparat C zur hnken Art. pall, überzugehen. In Fig. D ist dann außer einer Verdoppelung von v noch eine Teilung von a eingetreten, indem a^ in den Muskel selbst sich verästelt, während «2 ventralwärts den Muskel umfaßt. In Fig. E ist eine vollständige Umkehrung dieser Verhältnisse dargestellt, insofern als zwar die Tei- lung von a beibehalten ist, die Gefäße jedoch ihre Funktion vertauscht haben. Desgleichen ist die Ansatzstelle des Retractorgefäßes von 38 H. Schwanecke, der rechten auf die linke Seite übergegangen und das Kectalgefäß v nur in der Einzahl erhalten geblieben. EndUch stellt Fig. F wiederum eine völhge Umkehrung der Verhältnisse von Fig. A dar. ^i^^ddp. A __: Addp ■Addp "^^^^Add.p. F Halbschematische Abbildungen zur Erläuterung der Variationsbreite in der Gefäß Verteilung der hinteren Aorta. Von der Ventralseite gesehen, ao, hintere Aorta; Add.p. hinterer Schließmuskel; am, die beiden Mantelarterien; r, Retractorarterie ; v, kleines Mantelrandgefäß; a, a^ und Uo, Ad- ductorgefäß. Eechts und links sind in der Figur vertauscht, da ja von der Ventralseite gesehen. Wie gesagt, sind diese Figuren nur ein Teil einer größeren Reihe besonders dieser Verhältnisse halber angefertigter Präparate, als deren Das Blutgefäßsystem von Anodoiita ctollcnsis Scliröt. 39 Resultat sich ergab, daß die am häufigsten wiederkehrenden Varia- tionen die in den Fig. D und E abgebildeten sind. GelegentUch kann indessen die Abweichung von dieser Norm erheblich größer werden, wie denn auch die Fig. 19 einen ganz extremen Fall dieser Art liefert. Hier ist sogar die Teilung der Aorta unterblieben und diese verläuft ganz in der Bahn der sonstigen rechten Mantelarterie. Zwar gibt sie nach rechts einen stärkeren Ast ab, aber dieser versorgt nicht den freien linken Mautelrand, sondern nur den SchließmiLskel und den hnken Retractor. Dagegen zweigt sieht von der rechten Pallialarterie an einer Stelle, wo diese schon vollständig im Mantel verläuft, ein gleichstarkes Gefäß ab und schlägt die Richtung einer sonst konstant vorhandenen starken Seitenarterie (Fig. 18 a.m.) ein. Dorsal des Darmes tritt das Gefäß jedoch in den andern Mantellappen über und gelangt in vollständig symmetrischer Weise in die für die linke Mantelarterie bestimmte Bahn. Es wird also infolgedessen die Funktion der einen Mantelarterie von einem Seitenast der andern ausgeübt. Wieder übergehend zur Fig. 18 können wir nun feststellen, daß hier Verhältnisse herrschen, wie sie von keiner der kleinen Figuren angegeben wird: es ist hier eine Verschmelzung der Retractorarterie r mit den beiden Schheßmuskelarterien a^ und a^ eingetreten. Auch das hier dargestellte Adductorgefäß «g ist sowohl in seinem Ursprung als auch in seinem Verlauf äußerst inkonstant, jedoch bei fast allen Injektionen nachweisbar. Mit der schon beschriebenen vorderen Mantelarterie bildet die hintere Art. pall. ein zusammenhängendes Ringgefäß, die Art. coro- naria pallii (Fig. 1 am.). Die Abzweigungen dieses Gefäßes zum freien Mantelrand hin sind auch hinten im Prinzip dieselben wie am vorderen Mantelrande, so daß sich wohl ein Eingehen hierauf an dieser Stelle erübrigt. Den Verlauf der Darmgefäße zeigt neben den früheren Abbildungen auch noch Fig. 21. Zur besseren Orientierung ist hier in punktierter Linie der Verlauf der Aorta sowie der großen Mantelgefäße einge- tragen worden. Der geöffnet dargestellte Darm läßt als bezeichnendes Merkmal sofort den ausgesprochenen Längsverlauf des eigentlichen Enddarmgefäßes in der Typhlosolis erkennen. Die Ventralseite des Darmes wird von ihm aus versorgt, während die Lateral- und Dorsal- seiten ihr Blut mittels besonderer kleiner, direkt den Pallialarterien entspringender Gefäße erhalten. Der After selbst jedoch wird in den Stromkreis der den Schließmuskel ventral umfassenden in Fig. 20 mit 40 H. Schwanecke, a bezeichneten Arterie einbezogen. Über die Abzweigungen dieses Ästchens und die Verhältnisse ventral des hinteren Schließmuskels gibt Fig. 22 ffenügenden Aufschluß. Statt der vielen kleinen Lateral- ästchen am Rectum kann die Längsarterie sich vor Eintritt in die Typhlosolis so verzweigen, daß auch die Seiten und Dorsalflächen des Darmes, ja sogar auch die anschließen- den Mantelteile mit dem Pericard von ihr mitversehen werden (Fig. 18). Zum Schluß bliebe noch eine kurze Betrachtung der Gefäßverteilung an der ven- tralen Seite des hinteren Adductors übrig (Fig. 22). Bekanntlich verwachsen die aufsteigenden Lamellen der inneren Kiemenblätter derart miteinander, daß sie mit den absteigenden Lamellen einen in der Fußgegend paa- rigen, hinter dem Fuß aber unpaaren inneren Kiemen- gang bilden. Dagegen ent- steht aus der Verschmelzung der aufsteigenden Lamellen der äußeren Kiemen mit dem Mantel einerseits und den absteigenden Lamellen derselben Kiemen mit den absteigenden Lamellen der inneren Kiemen anderseits der paarige äußere Kiemen- gang. In Fig. 22 ist nun die Verwachsungsstelle der innersten Kiemenblätter durchschnitten und so ein Einblick in die Cloakenhöhle erhalten. Teilweise jedoch ist auch die Basal- und Trennungsmembran der äußeren Kiemen- gänge fortgenommen worden. Das auch in den vorhergehenden Abbildungen mit a bezeichnete Muskelgefäß lest sich nun ventral Fig. 21. Endstück des Darmes, geöffnet und von oben gesehen. Der Verlauf der hinteren Aorta und der beiden Mantel- gefäße ist punktiert angegeben, a.p, hinterer SchHeßmus- kel; retr.pcd.post, hinterer Retractor. Das Blutgofäßsysteni von Anodonta cellensis Schrot. 41 an den hinteren Adductor an und führt bis an die Anheftungshnie der Basahnembran des äußeren Kiemenganges an den SchUeß- muskel. Nachdem schon vorher einige kleinere Astchen sich auf dem Muskel verteilt haben, sondern sich jetzt einige größere Ge- fäße ab und treten in die Basalmembran der äußeren Kiemengänge ein (6), d. h. in die Verwachsungsmembran der absteigenden Lamellen iiiijjM''ii;ii;iiii!:i^;i:!! '■|if;;ji'>!i!;:!li;;!!il;;!! r':i!''iii;:'i-;i'!^''^' Fig. 22. Ventrale Ansiclit des Cloacalraumcs unter dem hinteren SchlieOmuskel. Der innere Kiemengang ist durch Trennen der Verwachsung zwisclien den beiden aufsteigenden Lamellen der inneren Kie- menblätter geöffnet, desgleichen teilweise die Kiemenscheidewand. Add.post, hinterer Schließ- muskel; an, After; br, Kiemen; osphr, Lage des Osphradiums; si, Lage des Sinnesstreifens. der äußeren Kiemenblätter mit dem hinteren Schließmuskel. Das ursprüngliche Gefäß jedoch behält die eingeschlagene Kichtung bei bis zum After, wo es sich in einige kleine Zweige, die entweder den After umfassen oder in die TyphlosoUs des Eectums eintreten, auflöst. Interessant ist es, daß auch hier wieder eine seltsame Überein- stimmung vorliegt zwischen dem Verlauf des Blutgefäßsystems und 42 H. Schwanecke, dem des Nervensystems, wie wir es schon im Fuß bemerkt hatten. Unter der Zerteilungsstelle der größeren Arterie a^, Hegt ebenfalls wieder ein Nervencentrum : das Visceralganglion. Noch größer wird aber die Ähnlichkeit, wenn man die Lage und den Verlauf des Osphra- diums und der sogenannten Sinnesstreifen verfolgt. Ersteres liegt als nervenreiche Ej^ithelverdickung im Bogen an dem freien Kand der Basalmembran des äußeren Kiemenganges (Fig. 22). Die Sinnes- streifen erstrecken sich ebenfalls als Epithelverdickungen weit nach vorn hin {s.i). Beiden parallel, ihnen eng angeschmiegt, laufen arterielle Gefäße entlang. V. Das venöse Gefäßsystem. 1. Die SaminelTeneu des Körpers. Nachdem das Blut aus dem Herzen durch die Aorta, die größeren Gefäßstämme und deren Seitenäste bis in die feinsten Verzweigungen gelangt ist, tritt es in die Lacunen über. Nach Kollmann versteht man unter Lacune oder interstitieller Lücke »einen von Gallertgewebe, i. e. der Bindesubstanz umschlossenen mikroskopischen endothelfreien Raum, der mit andern von ähnlicher Beschaffenheit kommuniziert«. Wie auch Schnitte zeigen, sind diese Bluträume ganz regellos ange- ■m. .^" '^ --* Fig. 23. Injizierte Lacunen aus der Typhlosolis des Kristallstieldarmes. Bei a scharfe Kante der Typhlo- solis. Bas Bindegewebe zwischen den Lacunen ist entfernt worden. ordnet und geben, wenn sie prall injiziert sind und dann das Gewebe durchschnitten wird, etwa das Bild eines Gummisch wammes. Ist die Injektion jedoch nur schwach, so entstehen Bilder, die wohl geeignet sind, capillarähnliche Gefäße vorzutäuschen, wie denn auch Langee, VON Hessling, Kollmann, Griesbach u. a. infolgedessen tatsächlich Das Blutgcfäßsj'stem von Anodonta cellonpis Schrot. 43 bei den Laiiiellibranchiaten echte Capillaren annahmen. Wie gesagt, verschwinden diese Pseudocapillaren, wenn die Injektion vollständiger und mit genügend dünnflüssiger Masse ausgeführt worden ist. Eine alleinige Ausnahme macht hiervon vielleicht die TyphlosoHs des Darmes mit ihren Gefäßen. Zwar haben wir auch hier keine echten Capillaren, Fig. 24 A und B. Halbschematische Abbildung der Verteilung des Blutes in der Typhlosolis. Querschnitte durch dieselbe. A, vom Kristallstieldanii; B, vom Enddarm; Ärt.visc, Visceralarterie ; a.t, kleine von der Visceralarterie abgehende Gefäße; ep, Darmepithel; comp.Bg, kompaktes Bindegewebe; lak, La- cunen; k.f, Falte im Darm für den Kristallstiel; a, scharfe Kante der Typhlosolis des Kristallstiel- darmes; a und b, Endpunkte des in Fig. 23 dargestellten Stückes der Tyiihlosolis. da, wie histologische Untersuchungen zeigen, ein Endothel den be- treffenden Bluträumen vollständig abgeht. Aber es ist doch eine ge- wisse RefTelmäßigkeit in der Anordnung dieser Lacunen zu konsta- tieren, wie es Fig. 23 zeigt. Diese stellt ein Stück der Oberfläche der TyphlosoHs des Kristallstieldarmes dar, und zwar das in dem Quer- 44 H. Schwanecke, schnitt Fig. 24 Ä von a — b bezeichnete. Die hier ebenfalls im Quer- schnitt getroffene Arteria visceralis bzw. ihre direkte Fortsetzung entsendet, wie wir schon in den Fig. 7 und 8 sahen, eine Keihe von kleinen Gefäßen {a.t.). Diese Arterien treten in die Typhlosohs des Darmes ein und verteilen sich hier (Fig. 24 Ä u. B.). Dicht unter dem CyHnderepithel, das in Fig. 23 entfernt worden ist, anastomosieren die kleinen Zweiglein miteinander und bilden so in der Aufsicht zier- Hche Schhngen. Nach der scharfen Kante der Typhlosolis hin hören die Anastomosen auf und die Lacunen verlaufen quer zur Längs- erstreckung des Darmes, regelmäßig untereinander parallel über die Kante hinweg, worauf auf der andern Seite neue Anastomosen auf- treten. Diese regelmäßige Anordnung der Lacunen ist aber nur auf einen ganz bestimmten Teil des Darmes beschränkt, nämlich nur auf den, wo kompaktes Bindegewebe auftritt, d. h. straffes fibrilläres Bindegewebe ohne LANGERsche Blasen. Man findet deshalb dieselben zierHchen Lacunennetze teilweise auch noch am Magen und am End- darm (Fig. 24 b), nur mit dem Unterschied, daß hier die mittleren, parallelen Teile des Netzes infolge Mangels jener scharfen Typhlosolis- kante fehlen und die einzelnen Gefäßmaschen auch etwas kleiner sind. Die capillarähnliche Anordnung der Lacunen in den Mundlappen, wie sie nach Langer und Kollmann vorhanden sein sollte, wird auch von Thiele zurückgewiesen. Daß die KoLLMANNschen Injektionen nur mit Vorsicht aufzunehmen sind, habe ich schon oben bei Bespre- chung der Verzweigungen der Art. tentacularis erwähnt. Ebensowenig lassen sich derartige Netze im Mantel nachweisen, vorausgesetzt natür- lich, daß man nicht zu zähe Injektionsmasse nimmt, wobei dann nur die größeren Lacunen erfüllt werden, in die kleineren jedoch die Masse gar nicht eindringt. Da die vorliegende Arbeit jedoch in der Haupt- sache nur morphologische Fragen beantworten soll, so kann auf die interessanten Verhältnisse der Lacunen untereinander sowohl als auch zu den größeren Gefäßen nicht näher eingegangen werden, zumal zur- zeit im hiesigen Institut das Bindegewebe von Anodonta und die damit zusammenhängenden Fragen, wie Endothelauskleidung der Gefäße, besonders bearbeitet werden. Ich möchte jedoch nochmals darauf hinweisen, daß ich meine Injektionen an der Hand sowohl von histo- logischen Präparaten, die Herr Wetekamp wie Herr Brück so freund- lich waren mir zur Verfügung zu stellen, als auch von histologischen Abbildungen der früheren Autoren immer kontrolherte. Hierdurch suchte ich zu weitgehende Schlüsse, wie sie bei Betrachtung von In- jektionen allein unvermeidlich sind (vgl. Langer), zu verhindern. Das Blutgcfäßsj'stcm von Anodonta ccllcnsis Schrot. 45 Aus dem soeben kurz skizzierten Laeunensystem des Körpers führen nun die großen Sannnelvenen die Blutflüssigkeit zurück. Wäh- rend auf Querschnitten die Arterien eine deutliche Epithelauskleidung zeigen, scheint diese bei den Venen entweder nur sehr schwach ent- wickelt oder vielleicht gar nicht vorhanden zu sein. Nach den Be- funden von Keber werden die Venen »von zahlreichen dicken und dünnen sehnigen Streifen durchzogen und durchflochten«. Desgleichen finden sich »besonders an den Teilungsstellen zarte membranöse Falten«. Die Venen machen also ganz den Eindruck von großen in die Länge gezogenen Lacunen. Rein morphologisch kann man sie sich als sieb- artig durchbrochene Röhren vorstellen, deren seitliche Öffnungen direkt in das lacunäre Gewebe übergehen. Die Folge davon ist, daß bei einer Injektion nicht nur die Venen selbst, sondern auch das Ge- webe im ganzen Umkreis sofort mit erfüllt wird. Um das eigentliche Gefäß sichtbar zu machen, ist man gezwungen, mit Schere und Pin- zette auf zupräparieren und die Injektionsmasse aus dem Gefäßlumen zu entfernen. Daß bei den auf diese rohe Weise erhaltenen Bildern Täuschungen vorkommen können, liegt auf der Hand. Man muß deshalb zur Kontrolle auch nicht injizierte Tiere heranziehen und bei ihnen die Venen verfolgen. Außerdem läßt sich wohl schon von vorn- herein vermuten, daß der Verlauf der Venen nicht sehr konstant sein wird, da ja schon die viel besser gegen das umliegende Bindegewebe abgegrenzten Arterien eine so große Variationsfähigkeit zeigten. Aus all diesen Gründen kann man bei den Venen nur den ungefähren Ver- lauf, die ungefähre Richtung angeben, was auch bei der Fig. 25 in Betracht zu ziehen ist. Die Anordnung der Körpersammeivenen ist kurz folgende: Unter der großen Schlinge, durch die der Darm den Fuß verläßt und in den Pericardialraum eintritt, vereinigen sich die großen Sammelvenen des Körpers zu dem sogleich noch genauer zu besprechenden Sinus venosus (Fig. 25 Sin.ven.). Der Hauptsache nach sind es drei große Äste: ein großer unpaarer in der Medianlinie und je ein kleinerer auf jeder Körperseite. Der Hauptast, den ich seines Strombezirkes wegen Vena visceropedalis nennen möchte, teilt sich kurz vor der Vereinigung mit den beiden andern in drei ziemlich gleich starke Venen. Das vorderste dieser drei Gefäße, in Fig. 25 mit v^ bezeichnet, sammelt das venöse Blut aus dem vorderen Teil der Geschlechtsorgane und der Muskel- haube, dem ventralen großen Leberlappen, dem Oesophagus, vorderen Schließmuskel und dem vorderen Teil des Mantels. Die mittlere Körper- vene V2 nimmt hauptsächlich das Blut des Darmkanals und der Muskel- 46 H. Schwanecke, haube in sich auf, soweit nicht schon v^ diese Organe in ihren Strom- bezirk gezogen hat. Die am weitesten nach hinten hegende Vene v^ ist das ableitende Gefäß für den Dünndarm und den hinteren Re- tractor. Langer hatte dieses Gefäß Vo im Text nicht beschrieben und es auch nicht in seiner charakteristischen Form abgebildet. Je- doch ist es nicht ausgeschlossen, daß jenes in seiner Abbildung oben an der Dünndarmschlinge etwas sichtbare, kleine Gefäß unsrer Vene v^ Fig. 25. Die Venen des Fußes und des Eingeweidesackes, add.ant, vorderer Scliließmuslvel; da, Darm; Kl, Kiemen; maw<, M'intel; ma, Magen; oes, Oesophagus; mu, Muslcelliaube des Fußes; Sin.ven, Sinus venosus; «,, v», v^, Venen. entspricht. Dementsprechend hätte er dieses Gefäß nicht für so stark gehalten und es nur als ein ganz schwaches Nebenästchen der großen mittleren Körpervene Vg angesehen. Dahingegen kannte Fleisch- mann diese ziemlich genau in der Mitte der dorsalen Fußkante ver- laufende Vene, von ihm Pedalsinus genannt. Sie findet sich auch in seiner Abbildung eines Schnittes durch die KEBERsche Klappe ein- getragen. Auch in meiner Fijz. 26 eines Längsschnittes und in Ym. 27 Blutgefäßsysteni von Anodonta cellensis Schrot. 47 eines Querschnittes durch die IvEBERschc Klappe ist dieser >)Sinus pedalis« deutlich zu sehen. Weiterhin möchte ich auf die Langer- sche Darstelhmg der Venen in der Muskelhaube mit einigen Worten eingehen. Wie schon ausgeführt wurde, lassen sich die Venen ihres eigenartigen Baues wegen nur durch Entfernen der Injektionsmasse aus den Gefäßlumina in dem sonst ganz gleichmäßig erfüllten Grewebe darstellen. Ist das groblacunäre Gewebe an sich schon ziemlich gleich- mäßig, wie wir es besonders im Fuße der Anodonta finden, so ist natür- K ^ Sin.peä. Fig. 26. Vorderer Teil des Sinus venosus mit der KEBERschen Klappe, ao, vordere Aorta; Da, Darm; pe, Pericardialraum; vh, Vorhöhle des BoJANCSschen Organs; Sin.ped, große hintere Fußvene; K.Kl, Kingmuskel der KEBERschen Klappe; rechts davon der dorsoventrale Muskelfaden mti; le, Mittel- darmdrüse. Uch der persönlichen Ansicht des Einzelnen ein ziemlich großer Spiel- raum gelassen, eine in bestimmter Richtung durch Entfernen der Injektionsmasse hergestellte Furche als Vene zu bezeichnen oder nicht. Jedenfalls ist es mir nie gelungen, die größeren Venenstämme weiter als bis an die Muskelhaube zu verfolgen, da von hier ab in derselben eine allgemeine gleichmäßige lacunäre Füllung auftrat. Übrigens stehen diese Beobachtungen im vollen Einklang mit den von A. Brück bei seinen Untersuchungen über die Muskulatur von Anodonta ge- machten Erfahrungen, daß von Venen in der eigentlichen MiLskelhaube 48 H. Schwanecke, keine Rede mehr sein kann, sondern nur von besonders großen mit- einander anastomosierenden Lacunen. Von den beiden paarigen Venenstämmen, die mit der Vena viscero- pedalis zusammen den Truncus oder Sinus venosus bilden, verläuft je einer auf der rechten und auf der linken Seite des Körpers. Zu ihrem Strombezirk gehören der Magen, die beiden oberen Leberlappen, die unteren Schichten der Pericardialdrüse und der ganze vordere Teil des Körpers, soweit er nicht sein venöses Blut in die oben genannte Vene Vi abgibt. Auch aus der obersten Darmschlinge strömt das venöse Blut wieder nach vorn, um sich vor der KEBERschen Klappe mit den Körpervenen zu vereinigen. Wie Fig. 26 bei a zeigt, tritt keine Kommunikation dieses venösen Blutes mit dem durch die obere Wandung der Nierenvorhöhle fheßenden Blutes ein. Ein charakte- ristisches gemeinsames Merkmal dieser drei großen Sammelvenen ist, daß sie alle ziemlich nahe unter der Oberfläche des Körpers liegen und so von außen vielfach als klare durchscheinende Streifen sicht- bar sind. Die Venen des hinteren Mantelrandes, wie des hinteren Schließ- muskels fallen direkt in die Blutlacunen des hinteren gekammerten Teiles des BojANUSschen Organs, stehen aber auch mit dem hinteren Teile des Sinus venosus in Verbindung, der ja seinerseits das »Gefäß- netz<< des BojANUSschen Organs mit Blut versieht. Die speziellen Verhältnisse sollen jedoch erst in dem jetzt folgenden Abschnitt über das BojANUSsche Organ näher besprochen werden. Die Mantelvenen, sowie ihre Verbindung mit dem Vorhof werden am besten bei der Be- schreibung des Kiemenkreislaufs erwähnt werden. 2. Das Bojanussche Organ und der Sinus yenosus. Auf der Dorsalseite des Fußes zieht sich zwischen ihm und dem Pericard ein langes braunes Organ hin: das BoJANUSsche Organ oder die Nieren. An seinem vorderen Ende fast die oberste Darmschhnge erreichend, gewinnt es hinten zwischen dem Pericardium und dem hinteren Schließmu'^kel ganz bedeutende Höhe (s. Fig. 1 Boj.Org.). Das Innere dieses Organs zerfällt morphologisch in zwei Teile: dem oberen, oder die Vorhöhle, die durch den Ureter mit der Außenwelt in Verbindung steht, und dem unteren excretorisch funktionierenden Teil. Dieser Teil öffnet sich mittels der Nierenspritze in den Herz- beutel. Ein Freilegen der Niere zeigt, daß sie aus zwei nebeneinander- liegenden, vollkommen kongruent gebauten Organen zusammengesetzt ist. Diese Zweiteilung wird auch äußerlich schon dadurch dokumen- Das Blutgefäßsystcin von Anodonta cellensis Schrot. 49 tiert, daß von den eben genannten Öffnungen je eine an jeder Seite liegt. Weiterhin ist auch an dem kolbig aufgetriebenen, gekammerten Übergangsstück zwischen Vorhöhle und Organ, der sogenannten Nieren- schleife, die Duplizität des ganzen Organs deutlich ausgesprochen. An dem vorderen Ende kommunizieren sowohl die Vorhöhlen als auch die Nierensäcke miteinander. Auch im Innern sind Vorhöhle und Organ schon rein morpho- logisch voneinander zu unterscheiden. Während die erstere eine glatte innere Oberfläche besitzt, ist die W^andung des eigentlichen Organs stark in Falten gelegi. Wie histologische Untersuchungen gezeigt haben, ist die Vorhöhle in der Hauptsache nur als Ausführungsgang für das excretorisch wirkende Hauptorgan zu betrachten. Die schon erwähnte Teilung des BojANUSschen Organs in eine rechte und eine linke Hälfte wird außer durch den hinteren Retractor noch durch den Sinus venosus bewirkt. Dieses schon von Bojanus gekannte und von ihm »Venenbehälter« genannte Organ beginnt in dem Winkel der obersten Darmschlinge unter dem BojANUSschen Organ, Es setzt sich zusammen aus der großen Vena viscero-pedalis und den beiden Leber- und Magenvenen, so daß ziemüch alles venöse Körperblut im Sinus venosus vereinigt wird. Fast gleichmäßig biegt es sich dann aufwärts und tritt zwischen die beiden Nierenschenkel ein. öffnet man den Pericardialraum und nimmt Enddarm, Herz und Vorhöfe heraus, so sieht man von vorn etwa vom ersten Drittel der Länge des BoJANUsschen Organs ab, das durch die braungrüne Färbung sofort auffällt, den Sinus venosus als dünne häutige Röhre zwischen den beiden Schenkeln der Niere liegen. Entsprechend der hinteren Aufwölbung des BojANUsschen Organs vergrößert sich auch der Sinus venosus am hinteren Retractor nach oben hin. Er ist hier jedoch nicht bhnd geschlossen, sondern nimmt das venöse Blut von der ventralen Seite des hinteren Schheßmuskels, dem hinteren Teile des Pericards und dem Mastdarm auf. öffnet man den Sinus der Länge nach, so stellt sich dessen Inneres als eine Art Netz mit sehr vielen runden und ovalen Öffnungen dar. Diese Löcher, deren Größe untereinander auch wieder sehr verschieden ist, führen das Blut teils in die oberen Wände der Vorhöhlen, teils in die schon erwähnten Falten des BojANUSschen Organs. Mehrere Ver- suche, diese Öffnungen zu zählen, ergaben ungefähr 70 — 80, \'ielleicht auch einige mehr. Entgegen der Angabe Griesbachs, daß sie in zwei Reihen angeordnet seien, muß ich Rankins Angabe bestätigen, daß von einer regelmäßigen Anordnung nichts zu merken ist. Jedoch will Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CVII. Bd. 4 50 H. Schwanecke, mir scheinen, daß das vordere Ende des Sinus venosus mehr Öffnungen als das hintere aufweist, indem sich ihre Anzahl nach hinten zu ganz gleichmäßig verringert. An seinem vorderen Ende wird der Sinus venosus von einem Ringmuskel abgeschlossen, der IvEBERschen Klappe (Fig. 26 u. 27). In der Aufsicht erkennt man deutlich, daß die durch die zwei muskulösen Lippen begrenzte Öffnung oval und ungefähr 2 — 3 mm breit ist. In M Hl sin ped I K Fig. 27. Querschnitt durch Anodonta in der Höhe des vorderen Teiles des Pericardialraumes. pe, Pericard; Da, Darm; ao, Aorta; vh, Vorhöhle des BojANUSschen Organs Boj.org.; K.Kl, KEBEKsche Klappe; sin.ped, große dorsale Fußvene; /, Fuß; a.K.g, äußerer, i.K.g, innerer Kiemengang; i.K, inneres Kiemenblatt; «, Cerebrovisceralkonimissur. der Fig. 26, die einen Längsschnitt durch den vorderen Teil des Sinus venosus darstellt ist pe der Pericardialraum, in den der Darm da und die vordere Aorta ao eintreten. Begrenzt wird er ventral von den Vorhöhlen des Bo.JANusschen Organs vh, das seinerseits wieder unter den Vorhöhlen liegt. Die KEBERsche Klappe K.Kl. schließt den Sinus venosus nach vorn ab. An der oberen Mitte ist ein ziemlich starker Muskel mu befestigt, der schräg nach hinten quer durch das Lumen Das Blutgefäßsy.stein von Aiiodonta rclleiisis Sclinit. 51 (U's Simis venosus zieht und an des^eni CJiunde mit breiter Basis angeheftet ist. Der Zweck dieses »Muskelriemens«, wie sich Lan- CER ausdrückt, ist sicher der, die Kontraktion des RingnmskeJs zu unterstützen. Indessen ist der Ringnmskel auch imstande, wie Langer an einer lebenden Muschel festgestellt hat und Fleischmann bestätigt, nach Durchschneiden des Muskelfadens die Öffnung allein zu verschUeßen. In Fig. 26 bezeichnet sin.ped. noch die große dorsale Fußvone, Je die Mitteldarmdrüse. Die Fig. 27 zeigt bei K.KL einen Querschnitt durch die KEBERsche Klappe. In ihren wesentlichen Zügen war diese Klappeneinrichtung schon von Keber, ihrem Entdecker, richtig beschrieben worden. Langer und V. Hessling bestätigten seine Befunde, ebenfalls Fleischmann und Rankin, von denen der erstere den bis dahin Venenschleuse ge- nannten Apparat zu Ehren seines Entdeckers KEBERsche Klappe benannte. Seitdem ist sie mit wenigen Ausnahmen, wie z. B. Roüle, \on allen Forschern wieder aufgefunden worden und für die meisten Lamellibranchier nachgewiesen. Willem und Minne glaubten noch einen zweiten auf der andern Seite des Ringmuskels gelegenen Muskel- faden gefunden zu haben, doch glaube ich, daß es sich hierbei um eine Verwechslung mit einem der zahlreich das Lumen der Venen durch- ziehenden bindegewebigen Balken handelt. An seinem hinteren Ende tritt der Sinus venosus durch den Spalt des hinteren Retractors und öffnet sich in eine Reihe von großen unregelmäßigen Höhlungen, die durch querverlaufende Bindegewebs- sträuge gebildet werden. Dieses grobmaschige Bindegewebe findet sich besonders zwischen den beiden gekammerten Schenkeln des Bo- jANUSschen Organs bis zum hinteren Adductor. Von hier aus entsprin- gen die Lacunen, die sich in die Falten der Nierenschleife hineinziehen. Außer durch den Venensinus wird, wie schon erwähnt, auch noch durch die Venen des hinteren Schließmuskels, des Mastdarms und des diesen umgebenden Gewebes Blut in die genannte Fortsetzung des Sinus venosus geleitet. Diese bis zum A^isceralganglion reichenden großen Blutlacunen waren schon v. Rengarten bekannt. Er glaubte auch am Ende des Sinus venosus eine Klappenvorrichtung gefunden zu haben, zu welcher Ansicht er wahrscheinlich dadurch gebracht 'wurde, daß er den Spalt des hinteren Retractors, der zugleich als Durch- gang für den Sinus venosus dient, mit der vorderen Venenklappe ver- glich. Die andern Autoren, die sich noch über diesen Gegenstand ausgelassen haben, sind Keber, Langer, Fleischmann, Rankin und Willem. Mit Ausnahme von Fleischmann gelangten die genannten 4* 52 H. Schwanecke, Forscher durchweg zu dem oben angeführten Ergebnis. Fleischmann dagegen glaubte ebenfalls wie v. Rengarten am hinteren Ende des Venensinus eine ähnliche Klappenvorrichtung wie am Vorderende vor sich zu haben, und dahinter einen größeren, auch das Visceralganglion /•■V4/.i»o s- W c 3 i "l ^ c| >(JQ P CK p ö o_ >Chitin <e, Pericard; he, Herz mit Darm; vh, Vorliof; »», Mantel; /, Fuß; Vi, v^, V3, Sammelvenen; p.G, parencliymatisches Gewebe des Mantels, a.k.g, äußerer, i.k.g, innerer Kiemengang; ab.L.a.K, absteigende Lamelle des äußeren Kiemenblattcs; af.L.i.K, aufsteigende Lamelle des inneren Kiemenblattes; ab.L.i.K, absteigende Lamelle des inneren Kiemenblattes; af.L.a.K, aufstei- gende Lamelle des äußeren Kiemenblattes. 64 H. Schwanecke, gang in den Vorhof geschieht durch ein parenchymatöses Netz, das in der Kiemenscheidewand an der Nierenschleife beginnt, so daß von hier aus bis nach dem vorderen Ende der Kiemen hin die Vene fort- laufend mit dem Vorhof in direkter Verbindung steht. Außerdem hängt dieses Netz auch mit dem schwammigen Gewebe des Mantels zusammen. Diese Verhältnisse sind auch schon von Langer sehr richtig auf Taf. II, Fig. 8, abgebildet worden. Das dritte große Gefäß 3 ver- läuft an der AnheftungsHnie der aufsteigenden Lamelle des äußeren Kiemenblattes mit dem Mantel entlang. Bei nicht zu praller Injektion, d. h. wenn das Lacunenystem des Mantels nicht zu stark erfüllt ist, sieht man diese dritte Kiemenvene sehr gut, da sie dann nicht in dem erfüllten Gewebe der Mantelreservoire verschwindet (Fig. '66 A). Diese drei Kiemenvenen stehen durch besondere Gefäßschlingen miteinander in Kommunikation sowohl am vorderen als auch am hinteren Ende. Fig. 36 B gibt ebenfalls in schematischer Weise eine Vorstellung davon, indem die vorderen Venenverbindungsgefäße im Längsschnitt, die Venen selbst im Querschnitt dargestellt sind. Eine Aufsicht davon gab ja auch schon Fig. 35. Die Anzahl der Verbindungsgefäße ist ver- schieden, manchmal nur eins, öfters aber mehrere. Ahnlich wie die arteriellen Längsgefäße sind auch die entsprechen- den Venen in ihrer ganzen Längserstreckung von einem parenchyma- tösen Netze umgeben, das sich von ihnen aus leicht injizieren läßt. Venen und Arterien stehen also schon hier miteinander in Verbindung, so daß eine wenn auch geringe Menge Blut aus dem BojANUSschen Organ unter Umgehung der eigentlichen Kiemen direkt in den Vorhof gelangt. Jedoch muß man wohl annehmen, wie auch Langer, v. Hess- LiNG und Posner hervorhoben, daß hier bei der Dünne der Kiemen- scheidewand, sehr wohl eine gewisse Arterisation des venösen Blutes stattfinden könne. Die in der Aufsicht das venöse Gefäßsystem der Kiemen zeigende Fig. 37 ist so zu verstehen, daß der Mantel in seinem centralen Teile entfernt wurde. An dem hinteren stehen gebliebenen Stück erkennt man die Sammelvene der aufsteigenden Lamelle des äußeren Kiemen- blattes Ka im Querschnitt (3). Weiterhin ist der obere Teil der äußeren Kiemen fortgenommen und gestattet so einen Einblick in die Zirku- lationsverhältnisse des inneren Kiemenblattes Ki. Das Blut gelangt also mittels des parenchymatösen Netzes pa.G. in den Vorhof vh und von da aus ins Herz he. Die übrigen Bezeichnungen sind dieselben wie bei Fig. 29. Also: jje, Pericardialraum ; Da, Darm; ao.ant., vordere Aorta; ao.post., hintere Aorta; Add.post., hinterer Schließ- Das BlutgofäßsystcMii von Auodonta cellciisis Schrot. 65 muskel; vel . MuiuUappen; ma , Mantel; /, Fuß; retr.post, hinterer Retractor. Die soeben geschilderten durch Injektionen klar gelegten Zirku- lationsverhältuisse in den Kiemen von Anodonta führte bei den ersten i-i « -t- Sil ^ ^ W (U ■" '^' u. ^ ^- % o Ja • - ~ > s S ■« e ^ S ^ s « -S S A 4r s ■4^ V sich hiermit beschäftigenden Forschern zu der Ansicht eines geschlosse- nen Blutkreislaufs, d. h. eines Kreislaufs mit Arterien, echten Capillaren und Venen. Die exstremsten Vertreter dieser Ansicht waren Langer mid V. Hesslixg. Da aber die Ähnlichkeit der respiratorischen Netze mit echten Capillaren fast täuschend ist, so mußte der LANGERsche Zeitschrift i. wissensch. Zoologie. CVII. Bd. 5 gg H. Schwanecke, Schluß, wie Posner ganz richtig bemerkt, so nahe hegen, »daß man sich wundern müßte, wenn er nicht gezogen wäre«. Je mehr sich aber die histoloo-ische Technik vervollkommnete, desto mehr mußten die nun foloenden Untersuchungen der Acephalen- im besonderen der Najadenkieme zu dem Schluß kommen, daß von echten Gefcäßen keine Rede sein könne, sondern nur von Lacunen. Posner erkennt als echte Gefäße nur die Quergefäße erster Ordnung an, da in ihnen noch ein En- dothel nachweisbar sei, alles übrige jedoch sei ein lacunäres Gewebe. Die »Stäbchenkanäle << wären insofern etwas abgetrennt von den übrigen Lacunen, als sie an ihrer Basis von den Stäbchen begrenzt würden. Peck steht in histologischen Fragen auf demselben Standpunkt, jedoch läßt er die Stäbchenkanäle bei Anodonta ganz verschwinden. Janssens versagt jedoch auch den Injektionen ihre Berechtigung nicht. Auf seinen Fig. 4 und 5 erkennt man bei iej und iaf die von mir als Längsgefäße zweiter Ordnung bezeichneten Anastomosen der venösen und arteriellen Netze wieder. Wenn das Trennungsgewebe beider Netze auch nach Janssens lacunär ist, so heben sich doch die bezeichneten Längs- »gefäße« deutlich heraus. Ja sogar den von mir als Quergefäße zweiter Ordnung benannten kleinsten Anastomosen der beiden Netze räumt Janssens eine gewisse Existenzberechtigung wenigstens für den Winter ein. Wie schon Bonnet und Peck gesehen und beschrieben haben, liegen nämlich an den interfilamentären Brücken, in denen sich also die Längsgefäße zweiter Ordnung befinden, gelb- oder braungefärbte Mineralkörnchen, die sich nach Janssens aus Calciumkarbonat und Calciumphosphat zusammensetzen. Die Gewebe zwischen den einzelnen Wasserporen derselben Längsreihe bleiben also frei von diesen Körn- chen. Janssens sagt mm weiter: »II reste ainsi entre deux pores voisins un espace lacuuaire canaliforme qui constitue une sorte de caualicule sanguin qu'on pourrait nommer 'canalicule transverse'. Les petits canaux n'existent pas en ete, quand les concretions sont absentes; toute la partie moyenne de la branchie est alors lacunaire.» Schließhch möchte ich auch noch auf die Regelmäßigkeit der Über- gangskanälchen zwischen dem arteriellen und dem venösen Netz hin- weisen. Obwohl ich gern zugebe, daß das gesamte innere Gewebe der Kieme lacunär ist, vermute ich doch, daß, in Analogie mit dem von Janssens beobachteten Verlauf der Längsanastomosen der Netze, auch für den Verlauf der Übergangskanälchen in den Septen eine gewisse, wenn ich mich so ausdrücken darf, Präformation vorhanden ist. Jedoch muß die Klärung dieser Sachlage besonderen histologischen Forschungen über die Kiemen der Anodonta vorbehalten bleiben. Das Blutgefäßsystem von Anodoiita cellensis Schrot. 67 4. Der Mautel uu*l seine ZirkulatiousYerliältnisse. Nachdem wir schon kurz erwähnt hatten, daß die vorderen und hinteren Teile des Mantels ihr Blut in das BojANUSsche Organ ab- geben, blieben noch die betreffenden Verhältnisse vom Mittelteil des Mantels zu beschreiben übrig. Löst man eine frische Muschel aus ihrer Schale, so sieht man nahe der Auheftungslinie des Mantels an der .Schale eine breite durchscheinende Linie verlaufen, die sich nach vorn und hinten in dem parenchymatischen Gewebe des Mantels verliert. Injiziert man von dieser großen Lacune aus das Organ, so werden einerseits die Lacunen des Mantelrandes gefüllt, anderseits tritt aber die Lijektionsmasse auch in den Vorhof über. Jene durchscheinende Linie ist also die schon Keber und Langer bekannte Kreisvene des Mantels. Was ich jedoch sofort betonen möchte ist, daß man dieses »Gefäß« absolut nicht mit der Kranzarterie {Art.coron.pall.) ver- gleichen darf. Diese ist im Gegensatz zur Kreisvene, die nur eine große Lacune darstellt, sehr gut vom umliegenden Bindegewebe abgegrenzt, was auch bei der Injektion scharf hervortritt. Eine zweite ebenso gebaute Vene findet sich häufig, aber nicht immer in der Mitte des Mantels, die innere Kreisvene. Da nun o-enügend dünnflüssioe In- jektionsmassen eine gleichmäßige Färbung und Füllung des Mantels hervorrufen, histologische Schnitte verhältnismäßig nur sehr wenig Binde- gewebe zeigen, so muß man auch hier wieder zu dem Schluß kommen, daß die >> Capillarnetze << Langers nur auf zu dickflüssige Injektions- massen zurückzuführen sind, demgemäß also Kunstprodukte vorstellen. Die ganze Blutmenge des mittleren Mantelteiles zusammen mit den oberen Venen der Pericardialdrüse vereinigt sich mit dem Blut der Kiemenvenen in dem schwammioen Bindegewebe an der Basis der Vorhöfe und strömt dann in dieselben hinein. Beim öffnen der Vorhöfe sieht man auch auf dem Grunde zwischen den Muskel- und Bindegewebssträngen etwa 15 — 20 größere Offnungen liegen. Auch kann manchmal eine größere durch mehrere kleinere Öffnungen, die dann in einer Gruppe zusammenstehen, ersetzt sein. Durch die am weitesten nach außen zu liegenden tritt das Mantelblut, durch die andern das arterielle Blut der Kiemen ein. Jedoch benutzt diese letzteren Öffnungen auch noch das aus dem Sinus venosus durch die obere Wand der Vorhöhlen des BojANUSschen Organs strömende, infolgedessen also noch venöse Blut. Diese Blutmenge zusammen mit der des Mantels bewirkt, daß wir im Herzen kein rein arterielles, sondern gemischtes Blut vorfinden. 68 H. Schwanecke, Zum Schluß ^väre noch auf eine Eigentümlichkeit des mittleren und hinteren Mantelabschnittes hinzuweisen. Es ist das die Fähigkeit, durch gewaltige Ausdehnung der Lacunen einen großen Teil des ge- samten Körperblutes in sich aufzuspeichern. Die hierzu besonders geeigneten Teile werden deshalb auch als M a n t e 1 r e s e r v o i r e bezeichnet. Die ersten Bemerkungen hierüber finden wir wieder bei Garner, der bei einigen Lamellibranchiaten im Mantel zwei Säcke konstatierte, die manchmal von »Gaseous fluid« erfüllt seien. Keber schreibt: » Blickt man in die Mantelhöhle einer mit Gewalt ein wenig geöffneten Muschel hinein, so sieht man, sofern die Tiere noch frisch und lebens- kräftig sind, alle dem Auge wahrnehmbaren Organe turgesziereud. Insbesondere findet man oft den häutigen Teil des Mantels anscheinend blasig ausgedehnt und selbst wulstig hervortretend.« Während sich Langer hierüber gar nicht äußert, schreibt von Hessling über das Schwellgewebe des Mantels, daß bei vollständiger Füllung eine »starke Turgeszenz hervorgerufen« würde. Auch E. Ray Lankester erwähnt die Mantelreservoire. Die eingehendste Beschreibung liefert jedoch Fleischmann in seiner besonders gegen Griesbach und Kollmann und deren Theorie der Wasseraufnahme gerichteten Schrift »die Be- wegung des Fußes der Lamellibranchiaten«. Seine diesbezüglichen Worte lauten: »Der vordere Teil des Mantels zwischen dem vorderen Schließmuskel und der Leber und dem rotbraunen Mantelteil ist dünn und wenig von Flüssigkeit erfüllt; dahinter beginnt der dicke von Blut geschwellte Abschnitt, dessen Kaliber sich mehr und mehr steigert, je näher er dem hinteren Schalenschließer kommt. Die bedeutendste Turgescenz liegt unterhalb der knäuelförmigen Windungen der Niere und unter dem hinteren Schließmuskel, da dort, wo nur die Kiemen in die Mantelhöhle herabhängen, gerade am meisten Platz geboten ist, damit der Mantel sich hereinwölbe. Die Grenze des Blutreservoirs gegen den vorderen dünnen Teil des Mantels verläuft in einer gebogenen Linie, welche vom hinteren Drittel des Mantelrandes aufsteigt unge- fähr gegen die Mitte der Umbonen; ihre Convexität ist nach vorn gerichtet.« Nach meinen Beobachtungen, die sich im allgemeinen mit denen Fleischmanns decken, ist die schematische Fig. 38 angefertigt. Ein Unterschied besteht nur darin, daß die Grenze des Mantelreser- voirs mehr nach vorn zu verlagert ist. Die Dicke dieser Blutbehälter kann besonders im hinteren Teil sehr beträchtlich, bis zu 1 cm an- wachsen. Die beiden Fig. 38 A und B, die Querschnitte durch die ganzen Muscheln zeigen, sind nach Objekten angefertigt, die mittels Kohlensäureschnees und Äther bei einer Temperatur von — 80° C Das Blutm'fäßsvstcMU VOM AiKulonta ccllciisis Sclirot. 69 geti'oren und dann mit einer feinen Säge durchge.sägt sind. Fig. A zeigt die Blutreservoire eines Tieres in normalen Umständen, während B die durch die mit C41ochidien erfüllte äußere Kieme hervorgerufene Verschiebung des Dickenmaxinuims nach unten zu zeigt. Es bedeuten bei diesen Abbildungen he das Herz mit dem darinliegenden Darm, vJi die Vorhöfe, Boj.org. das BojAXUSsche Organ und die darüber ßoj.or^. SoJ.org A B Fig. 3S A und B. Schematische Querschnitte durch gefrorene Muschehi. pe, Pericardiahauni; he, Herz mit Darm; vh, Vorhöfe; Boj.org, BoJAsrssclies Organ; h.r, hinterer Retractor; /, Fuß; ki, inneres, k.a, äußeres Kiemenblatt; m.R, Manteh'eservoire. Hegenden Vorhöhlen desselben. / ist der Fuß, Ki das innere Kiemen- blatt, Ka das äußere, Ar hinterer Retractor und Mi?, die Mantelreservoire. Für einige andre Muscheln wurden die FLEiscHMANNschen Re- sultate bestätigt durch Cuenot, der die Mantelreservoire als notwendig für die Schwellung des Fußes ansieht: «II y a simplement passage et accumulation du sang du manteau dans le pied; en ouvrant de force un Acephale retracte on voit tres bien le manteau gonfle par le sang chasse du pied {Area, Venus, Tapes).>> 70 H. Scliwanecke, Auch über das Fassungsvermögen dieser Blutreservoire besitzen wir einige zahlenmäßige Angaben, die ebenfalls von Fleischmann her- rühren. Danach verhält sich die Blutmenge in den Reservoiren zu der Blutmenge im übrigen Körper wie 1 zu 2. Mit der Darstellung dieser Blutreservoire sind wir schon einer wichtigen Lebensfunktion der Muscheln näher getreten, auf die wir jetzt am Schlüsse dieser Arbeit noch eingehen wollen: Die Schwellung des Fußes und damit die Ortsbewegung der Lamellibranchiaten. VI. Allgemeine Bliitzirkiilation, Schwellung des Fußes und Bewegung der Muscheln. Schon die ersten über das Gefäßsystem der Muscheln arbeitenden Forscher wie Bojanus, Treviranus, Garner und Milne-Edwards hatten über die Richtung und den Verlauf der Blutzirkulation in dem Körper der Lamellibranchiaten im allgemeinen ziemlich richtige Vor- stellungen, wenn sie allerdings auch über die funktionelle Bedeutung gewisser, für den Kreislauf wichtiger Organe, wie z. B. des Bojanus- schen Organs, noch nicht im Klaren waren. Das Verdienst, auch in diesen Fragen durch ihre sorgfältigen Arbeiten Aufklärung gebracht zu haben, gebührt den schon oft zitierten beiden Forschern Keber und Langer. Nach ihnen ist der normale Kreislauf, d. h. der bei einer ungestörten ruhenden Muschel statthabende, folgender: Durch die beiden Aorten gelangt das Blut aus dem Herzen in den Körper. Ein Teil tritt in den Mantel über und gelangt teilweise direkt wieder in den Vorhof, so daß ein Stromkreis mithin schon geschlossen wäre. Die größere Menge des Blutes dringt jedoch in den Fuß hinein. Aus dessen Lacunen sammeln es die Venen wieder und führen es in den Sinus venosus. Ein kleiner Teil des noch venösen Blutes geht nun direkt durch die obere Wand der Vorhöfe des BoJANUsschen Organs in den Vorhof und schließt so einen zweiten Stromkreis. Wiederum hat aber die Hauptmenge des Blutes einen andern Weg eingeschlagen, indem es durch die Falten des BojANUSschen Organs den Kiemen zu- strömt. Durch das Passieren der Kiemen arteriell geworden, tritt das Blut wieder in die Vorhöfe ein und der Kreislauf beginnt von neuem. Wenn man jedoch genau vorgehen will, muß man außer den beiden bisher genannten noch einen dritten Nebenkreislauf hinzufügen. Er wird durch das gemeinsame parenchymatöse Netz der zu und ab- führenden Längsgefäße erster Ordnung der Kiemen hergestellt. Eine schematische Darstellung der Blutzirkulation bei den Lamellibranchiaten würde also wie Schema 39 aussehen. Da jedoch die meisten Muscheln Das Blutgi'fäßsystt'in von Anodonta tcllcnsis .Seluüt. 71 Körper Herz infolge Mangels andrer Fortbewegung-sorgane mit Hilfe von abwech- selnder Anschwellung und Kontraktion des Fußes sich von der Stelle bewegen, diese Schwellung aber durch Blutstauung hervorgerufen wird, so müssen natürlich besondere Modifikationen in der Richtung imd Intensität des Blutkreislaufes eintreten. Das ihnen so rätselhaft erscheinende Anschwellen des Fußes und des ^lantelrandes konnte sich die Mehrzahl der oben genannten Forscher, denen sich noch K. E. von Baer. VAN Beneden, Delle Chiaje und Leydig anschlössen, nur erklären, durch eine absolute Volumvergröße- rung des Muschelkörpers mittels Aufnahme von "Wasser in das Blut- gefäßsystem. Daß diese Erschei- nung nur durch Blutstauung hervor- gerufen werde, also nur eine Volumverschiebung des Körpers, keine Volumvergrößerung sei, findet sich zuerst bei Keber ausgespro- chen. Durch seine Entdeckung der später nach ihm benannten Klappe am Anfangsteil des Sinus venosus hatte auch er ja erst das mecha- nische Hilfsmittel für eine Blut- stauung in den Händen. Trotzdem bestand die Ansicht von einer Wasseraufnahme in das Blut noch weiter fort und fand ihre kräftig- sten Vertreter in Langer, v. Hess- LiNG, Agassiz, Kollmann und vor allem Griesbach. Die Wasserauf- nahme sollte stattfinden entweder diu:ch das BojANUSsche Organ und die Pericardialdrüse oder durch Intercellulargänge oder durch besondere Öffnungen in der Schneide des Fußes, den sogenannten Fori aquiferi. Nachdem schon von verschiedenen Forschern wie Carriere, Barrois und Cattie aus histologischen Gründen die Theorie der Wasser- aufnahme angegriffen war, wurde ihre völlige Unhaltbarkeit am schärf- sten von Fleischmann nachgewiesen. In seiner schon zitierten Arbeit: >>Die Bewerrunji des Fußes der Lamenibranchiaten<< betrachtet er be- Hiemen Fig. 39. Schema des Blutkreislaufs von Anodonta. Ein Hauptkreislauf. Drei Nebenkreisläufe. 72 H. Schwanecke. sonders von der mechanischen und physiologischen Seite her die Wasser- aufnahme, und stellt am Schluß eine genaue Theorie der Schwellung durch Ansammeln von Blut in dem betreffenden Organ auf. Nach ihm spielt sich der Vorgang in der Art ab, daß nach Schluß der Veuenklappe »das Herz mit größerer Volumenausdehnung zu pulsieren beginnt.« Dadurch staut sich das Blut in den Fußlacunen und treibt im Zusammenhang mit einer gleichzeitigen Erschlaffung der Längsmuskeln und Kontraktion der Quermuskulatur den Fuß aus der Schale hervor. Das zur Schwellung nötige Blut soll vom Herzen aus den Mantelreservoiren gewissermaßen herbeigesaugt werden. In- dessen ist durch den Turgor kein Stillstand der Zirkulation einge- treten, sondern der Nebenkreislauf des Mantels bleibt in Tätigkeit. Außerdem sind aber auch die Kiemen noch in einer w^enn auch freilich verminderten Tätigkeit, da ja das Blut aus dem hinteren Mantelteil durch die Netze der Nierenschleife und von da in die Kiemen strömt. Ferner tritt von Zeit zu Zeit eine Bluterneuerung auch im geschwellt bleibenden Fuß ein, indem sich die KEBERsche Klappe hin und wieder ein wenig öffnet. Durch leichtes Einziehen des Fußes ist dieser Vor- gang auch äußerlich sichtbar. Stärkere Pulsation des Herzens be- wirkt gleich darauf, daß der Fuß wieder vollkommen ausgestreckt wird. Es kann so »manchmal eine Muschel stundenlang ohne jede Bewegung mit ausgestrecktem Fuß in E.u.he verharren«. In einer zwei Jahre später erschienenen Arbeit über die Wasser- aufnahme bei den Mollusken bekräftigt Fleischmann nochmals seine Ansicht, gibt aber einen Fall von wirklicher Wasseraufnahme zu. Und zwar handelt es sich um einen von Schiemenz beobachteten Fall bei Natica Josephina, der auch bis heute der einzige seiner Art geblieben ist. Allerdings ist hier ein vom Blutgefäßsystem vollständig isoliertes besonderes Wassergefäßsystem vorhanden. Außer der durch das rhyth- mische öffnen der KEBERschen Klappe bewirkten Bluterneuerung ge- stattet nach Fleischmann vielleicht auch die durch die Schwellung sehr verdünnte Wandung des Fußes einen Gasaustausch zwischen dem Blut und dem umgebenden Wasser. Rankin bestätigt in seiner Arbeit über das BojANUSsche Organ der Teichmuschel die Befunde Fleischmanns durchaus, zieht jedoch noch die beiden Aortenklappen in den Kreis seiner Beobachtungen. Darnach soll die hintere Aortenklappe bei der Ausdehnung des Fußes eine wichtige Rolle insofern spielen, als sie geschlossen bleibt und dadurch das Blut zwingt, durch die vordere Aorta in den Fuß zu strö- men. Kontrahiert sich nun der Fuß, so schHeßt sich die vordere Aorten- Das Blutgofäßsystein von Anodonta ccllcii.sis Schrot. 73 klappe ganz automatisch, indem das rückströmende Blut die Klappen- membran rings an die Wände andrückt. Es wird so ein Rückwärts- einströmen des Blutes in das Herz vermieden. Gleichzeitig sind die KEBERsche Klappe und die hintere Aortenklappe geöffnet. Das Blut strömt aus dem Sinus veuosus auf den bekannten Wegen ins Herz und, da ja die vordere Aorta versperrt ist, durch die hintere Aorta in die Mantelreservoire, Der nächste, die Mechanik der Schwellung des Muschelfußes unter- suchende Forscher, ist Menegaux. Auch er stellt sich in allen Punkten auf die Seite Fleischmanns: «Quand l'animal veut etendre son pied, les faisceaux musculaires longitudinaux se relächent, en meme temps que les faisceaux transversaux de la masse viscerale se contractent et chassent le sang dans les lacunes pedieuses. Le coeur, battant avec plus de force, envoie du sang dans l'artere pedieuse.» Diese mehr oder w^eniger spekulativen Theorien über die zur Turgeszenz führenden Blutbewegungen wurden auf experimentellem Wege im Jahre 1899 von den beiden belgischen Forschern Willem und Minne kritisch untersucht. Das Ergebnis war ein durchaus andres, als wie bisher vermutet wurde. Um eine sichere Grundlage für die Mechanik des ganzen Vorganges zu erhalten, bestimmten sie vor allem den Druck des Blutes im Herzen von Anodonta und kamen zu dem überraschenden Ergebnis, daß <>, also ein derartig niederer Druck, wie er nicht einmal bei andern Mollusken wdederkehrt. Fleischmann und Menegaux ließen beide nach Erschlaffung der Körperlängsmuskulatur und Kontraktion der Quermuskeln das Herz schneller und stärker arbeiten und so durch Einpressen des Blutes in den Fuß die Schwellung eintreten. Nach Willem und Minne ist dies jedoch deshalb unmöghch, weil 1. der Druck im Herzen zu gering ist und 2. im Augenblick der Schwellung ein hoher Druck in der vor- deren Aorta und im Ventrikel herrschen müßte. Es tritt jedoch direkt das Gegenteil ein, wie die von den beiden Forschern aufgenommenen Druckkurven über die Druckabnahme im Herzen während der Schwel- lung des Fußes zeigen. «Le gonflement du pied est du non pas ä l'activite du creur mais au relächement elastique des tissus auparavant coutractes. >> Die schon von Fleischmann angeführten spontanen Kontrak- tionen des Fußes sollen nach Willem auf Kontraktionen des hinteren 74 H. Sclnvanecke, Retractors zurückzuführen sein. Der Zweck dieser Bewegung ist der, die Tätigkeit des Herzens zu unterstützen. Außerdem soll gleich- zeitig die KEBERsche Klappe geschlossen werden und durch diese beiden Vorgänge alles Blut aus dem Sinus venosus und dem Bojanus- schen Or<'an in die Kiemen getrieben werden und so die geringe Blut- menge im Herzen erhöht werden. Diese neue Theorie der Schwellung des Fußes hat vor den älteren vor allem den Vorzug, daß sie sich auf exakten Messungen aufbaut. Und in der Tat sind bisher Einwände gegen sie nicht erhoben worden. Zum Schluß sei es mir gestattet, auch an dieser Stelle meinem hoch- verehrten Lehrer, Herrn Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. E. Korschelt, meinen herzlichsten Dank auszusprechen für das gütige Interesse, das er allzeit dieser Arbeit entgegengebracht hat, deren Ausführung auch auf seine Anregung zurückzuführen ist. Desgleichen möchte ich Herrn Priv.-Doz. Dr. W. Harms ebenfalls für die freundliche Unter- stützung, die er mir zuteil werden ließ, vielmals danken. Marburg, im Februar 1913. Literaturverzeichnis. 1. 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A. ScHUBERG, Zoologisches Praktikum. Bd. I. Leij^zig 1910. ü3. A. Theiler, Zur Anatomie und Histologie des Herzens von Area. Jenaische Zeitschr. Nat. Bd. XLIL 1900. 04. Jon. Thiele, Die IMundlappen der Lamellibr. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. XLIV. 1880. 05. TouREXG, Sur le Systeme circulatoire du Dreissenssia polymorpha. Compt. Rend. T. CXVIIL 1894. Die Embryonalentwicklung des Lineus ruber Ein Beitrag zur Entwicklungsgeschichte der Nemertinen. Von Prüf. Dr. Jözef Nusbjiiini und Dr. Mieczyslaw Oxuer. Zool. Inst. Lemberg. Oceanogr. Mus. Monaco. Mit Tafel I— VIII. Inhalt. Seite Einleitung 78 I. Methoden der Untersuchung 80 II. Reifungserscheinungen, Befruchtung, Eiablage, Entwicklungsdauer . 82 III. Furchung und Keimblätterbildung 94 IV. Über einige Abnormitäten in der Furchung 108 V. Die Blastula und Gastrula 110 VI. Die Entwicklmig des mittleren Keimblattes 113 VII. Die Bildung der Keimscheiben der DESORschen Larve (Kojjf- und Runipf- keimscheiben, Dorsalkeimscheibe, Cerebralscheiben, Rüsselscheibe) 118 VIII. Über die Verbindung der Keimscheiben 130 IX. Die Bildung des Darmkanals 136 X. Die Entwicklung der Nephridien 155 XI. Die Entwicklung der Derivate des Mesoderms (ausschließhch Nephri- dien): Leibeshöhle, Muskulatur, Parenchym, Rhynchocölom, Blut- gefäßsystem 158 XII. Die Entwicklung des Nervensystems 173 XIII. Einige theoretische Erwägungen 179 XIV. Kurze Zusammenstellung der gewonnenen Resultate 187 Literatur 191 Tafelerklärung 194 Einleitung. Die Embryologie der Nemertinen wurde schon von einer großen Anzahl von Forschern studiert. Wir erinnern nur an die älteren Arbeiten von J. Müller (1847, 1854), Desor (1848), Busch (1851), Max Schultze Die Einbryonalentwicklung des Lineus ruber Müll. 79 (1851, 1853), Gegenbaur (1854), Krohn (1858), Leuckart u. Pagen- stecher (1858), Van Benedex (1861), Keferstein (18G2), Clapa- rede (1SG3), Metschnikoff (1869 ii. 1872), Bütschli (1873), Mag- IxTosH (1873—74), Marion (1874), Dieck (1874), A. A. W. Hubrecht (1874). J. Barrois (1877), C. K. Hoffmann (1877), Salensky (1883, 1884) uiul Oudemans (1885) und dann an die neueren von A. A. W. Hubrecht (1885, 1886), Coe (1899), Bürger (1894 u. 1895), Arnold (1898), S.\LENSKY (1886, 1909), Lebedinsky (1897), E. u. C. B.Wilson (1900, 1903), Yatsu (1904, 1907), Zeleny (1904) und die neueste schöne Arbeit von Salensky (1912). Trotzdem aber, daß so zahl- reiche und unter denselben viele so hervorragende Forscher die Ent- wickhingsgeschichte der Neniertinen untersucht haben, blieben noch manche sehr wichtige Punkte unerklärt. Wir sind z. B. noch im Un- klaren, wie das Mesoderm entsteht und besonders, von welchen Blasto- meren es entspringt, wie überhaupt die Furchung vor sich geht, wie sich in manchen Hinsichten der Blastopor verhält im Verhältnis zum bleibenden Munde, von welchem Ursprünge der Vorderdarm ist und zwar bei den Formen, die sich nach dem DESORschen Typus entwickeln, indem die betreffenden Verhältnisse nur bei der Pilidiu7n-ha,ive in ganz befriedigender Art und Weise neulich von Salensky (1912) beschrieben worden sind, und weiter, wie die Entwicklung mancher andren Orgaue vor sich geht? Mit einem Worte, wir stehen noch vor einer Anzahl wichtiger Probleme, die eine Lösung erwarten. Indem wir in einer Reihe (36 — 43, 48 — 50) von Arbeiten manche allgemein-biologische Erscheinungen bei den Line i den zu eruieren versuchten, und zwar die hier höchst interessanten Phaenomene der Restitution, welche uns zu sehr interessanten und ganz unerwarteten Resultaten (z. B. die Ausbildung des ganzen Darmes des Regenerates aus den AVanderzellen des Parenchyms) führten, wie auch die Er- scheinungen der Inanitionswirkung mit einer merkwürdigen Livolution verbunden, untersucht und beschrieben haben, haben wir auch be- schlossen, die Embryologie des Lineus ruber näher zu untersuchen und zwar nicht nur deswegen, weil in dieser Hinsicht noch viel zu lösen blieb, vielmehr aber auch deshalb, weil manche hier zu lösende Probleme (z. B. die Entstehung des Parenchyms) sich mit unsern Untersuchungen über die Restitution auf das innigste verbinden. Die sehr schwierigen, mehr als 2 Jahre dauernden Untersuchungen übergeben wir jetzt der Öffentlichkeit. In den Wintermonaten von 1910/11, 1911/12 und 1912/13 wurde uns das lebendige Material in einer sehr zweckmäßigen Weise von dem 30 J- Xusbaum und 31. Oxncr, Fischer Henri Cozic in Roseoff zugeschickt. In diesen 3 Jahren hatten wir über 3000 gut ausgewachsene Individuen von L. ruber, welche uns 352 schöne Eischnüre abgelegt hatten; jede Schnur enthielt mehrere Hunderte von Eiern. Da jede Schnur 1 — 7 cm lang ist, so konnten wir von den längeren Schnüren in verschiedenen abgemessenen Zeit- intervallen jedesmal ein Stückchen abschneiden. Auf diese Weise bekamen wir aus derselben Schnur Eier auf verschiedenen Entwick- lungsstadien. Wir können nicht umhin Herrn Prof. l'vES Belage, Direktor der Biolog. Station in Eoscoff, unsern herzlichsten und verbindlichsten Dank auszusprechen für das reiche lebende Material, das er uns zu- senden ließ. I. Methoden der Untersuchung. Lineus ruher legt bekanntlich die Eier in Schnüren oder Klumpen ab, die eine verschiedene Größe zeigen und aus einer schleimig gallertigen Substanz bestehen, in welcher die Eier f lasch chen oder Eierkölbchen liegen. Wir konnten größere Eischnüre mit gelblichen und viel kleinere mit weißlichen Eiern unterscheiden. In der Entwicklung der einen und andern haben wir gar keine Unterschiede nachw^eisen können. Die weißen Eier werden in kleineren, dünneren Eischnüren, die gelben dagegen in größeren (bis 7 cm lang) dickeren Eischnüren abgelegt. Die kleinen Eischnüre bestehen aus wenig Schleim, der ziemlich resi- stent und etwas opak aussieht. Die gelben Eier sind dagegen in un- gemein viel Schleim, der eine gallertige, klebrige Konsistenz besitzt, eingehüllt. In den kleinen Eischnüren sind in jedem Eikölbchen zwei bis acht eingeschlossen, in den großen Eischnüren (mit gelben Eiern) sind meistens nur zwei bis vier Eier in jedem Eikölbchen vorhanden, selten mehr. In diesen letzteren entwickeln sich meistens alle im Kölb- chen vorhandenen Eier. Einen Teil des Materials konservierten wir auf die Weise, daß wir die Eischnüre oder Eiklumpen in kleine Stückchen zerschnitten und dieselben in Fixierungsflüssigkeit eingelegt haben. Es erwies sich aber, daß eine solche Methode in vielen Fällen nicht befriedigend war; in vielen Fällen konnten wir zwar gute Schnitte von diesen Ei- schnurfragmenten bekommen um die Eier zu studieren, aber in der Mehrzahl der Fälle, besonders in frühen Entwicklungsstadien, infolge einer sehr ungleichmäßigen Erhärtung von verschiedenen Teilen des Objektes (die gallertige Substanz wurde nämlich viel härter, als die Eier selbst) schneiden sich die Objekte nicht gut und selbst die Fixie- Die EmbryonalenUvicklung des Liiicus ruber Müll. 81 i'iuig clor Eier erfolgt nicht immer in ganz befriedigender Weise. Am ])e.sten ist es deshalb, ans den Eischnüren die Eierkölbchen auszu- präpariercn oder noch außerdem die Eier und Embryonen aus den künstlich sehr vorsichtig zerrissenen EierkcUbchen zu befreien und (liosclbon dann zu fixiren. Diese Arbeit ist mühevoll, aber die Resul- tate sind dabei viel besser. Wir haben das Material verschiedenartig fixiert: in Sublimat mit Ac. acet. glac, in der Boumschen Flüssig- keit, in Formol, in der FLEMMiNGschen Flüssigkeit. Am zweckmäßig- sten erwies sich in den etwas späteren Entwicklungsstadien Sublimat mit Essigsäure, dagegen in den allerfrühesten (Segmentation) die FlemmingscIic Flüssigkeit, obwohl auch die letztere einige nicht un- wichtiüc Nachteile hat. Und zwar, da die Eier äußerst chromatinarm sind und dabei nach der Fixierung in FLEMMiNGscher Flüssigkeit das Chromatin in unsern Objekten fast gänzlich ihre Färbbarkeit ein- büßt, kann man in den mit der FLEMMiNGschen Flüssigkeit fixierten Eiern keine befriedigende Färbung der Kerne bekommen. Wir haben uns viel Mühe gegeben, um eine gute Färbung der mit der FLEMMiNG- schen Flüssigkeit fixierten Eier zu erhalten; wir haben mit den üblichen Metlioden die Osmiumsäure aus dem Präparate nachträglich entfernt, zur Färbung Eisenhämatoxyhn, Safranin, Hämatein nach Apathy, Hämatoxyhn, Paracarmin, Boraxcarmin usw. versucht, aber niemals erhielten wir befriedigende Kernfärbung ; in dem Materiale aus Sublimat oder aus der Boumschen Flüssigkeit färbten sich aber immer mit allen diesen Tinktionsmitteln die Kerne ganz gut. Dessen ungeachtet, da die in der FLEMMiNGschen Flüssigkeit fixierten Eier sehr gut fixiert waren und sich sehr gut schneiden ließen, waren für uns die betreffenden Präparate sehr nützlich, obwohl in denselben die Kerne zum größten Teil als ungefärbte, helle, jedoch gut kontourierte Körper zum Vor- schein kamen. An solchen Präparaten waren aber die Blastomeren- grenzen sehr distinkt zu sehen und somit zur Lösung vieler Fragen vervollständigten sich miteinander die Präparate aus dem verschieden- artig fixiertem Materiale. Die in Paraffin eingebetteten Präparate haben wir mittels des MmoTschen Mikromotoms oder des Wed. C. VAN der SxADschen Mikrotoms in Schnitte zu 5 — 6 ,« Dicke zerlegt. Um die Verhältnisse der Furchung zu studieren, mußten wir die Eier in toto untersuchen. Zu diesem Zwecke haben wir teilweise ganz frische, frei gewordene Eier untersucht, was sich aber infolge einer nicht genügenden Durchsichtigkeit der Eier nicht ganz zweckmäßig erwies, teilweise aber untersuchten wir die vorher fixierten und ge- härteten Eier in Xylol oder Oleum caryophyllaei oder in Bergamotoel Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CVll. Bd. 0 32 J. Nusbauni und M. Oxner, oder endlich in Kreosot. Die hell und durchsichtig gewordenen Eier ließen uns auf diese Weise viele Einzelheiten im Furchungsprozesse untersuchen. Die Eierchen, unter dem Deckgläschen in einer der erwähnten Flüssigkeiten liegend, konnten bei Berührung des Deck- o-läschens verschiedenartig umgekehrt werden und somit waren wir imstande, die Objekte von verschiedenen Seiten zu untersuchen. Be- sonders Eier, die vorher in toto (z. B. mit Paracarmin, Boraxcarmin) gefärbt worden sind, gaben uns schöne Resultate bei dieser Unter- suchung in einer der erwähnten Flüssigkeiten. Solche in toto unter- suchte Eier haben wir dann mit Schnitten kontrolliert. Wir haben uns außerdem Modelle aus Modellierton konstruiert und dieselben mit den Eierchen in verschiedenen Lagen und mit den Schnitten ver- glichen und kontrolliert, um auf diesem Wege sichere Resultate über die Art und Weise der Furchung zu bekommen. II. Reifungserscheinungen, Befruchtung, Eiablage, Entwickiungsdauer. Leider haben wir in betreff der Reifungserscheinungen und der Befruchtung nur ganz fragmentarische Resultate, welche jedoch nicht ohne Interesse sind. Das wichtigste ist das Verhalten des Kernes der Ov'ocyten kurz vor der Bildung der Richtungskörperchen. Der einzige Forscher, der bei Lineus {L. gesserensis'^) manche Veränderungen in den Ovocyten vor der Bildung der Richtungskörper- chen beschrieben hat, war Montgomery (33); die Bildung der Rich- tungskörperchen beim Lineus {L. gesserensis) erwähnt mit einigen Worten Arnold (1). Nach Montgomery, was wir bestätigen können, erscheinen die ersten Dotterkörnchen in den Ovocyten in Gestalt von sehr kleinen oft nicht ganz regulären Kügelchen und zwar zuerst in einer Zone des Cytoplasmas zwischen dem Kern und der Eimembran; erst später erfüllen die Dotterkörnchen das ganze Cytoplasma. In jungen Ovo- cyten liegt nach Montgomery das Kernkörperchen sehr oft nicht in der Mitte des Kernes, sondern peripherisch, der inneren Fläche der Kernmembran an. Die ersten Dotterkörnchen erscheinen, nach diesem Forscher, im Cytoplasma erst dann, wenn der Kern das Kernkörperchen enthält, welches in ganz jungen Ovocyten und Ovo- gonien, nach diesem Forscher nicht vorhanden sein soll. Er sagt: "Nu- cleoli are absent in the nuclei of the connective tissue . . . from which 1 Limits gesserensis O. F. M. ist sehr wahrscheinlich identisch mit L. rnber Müll.; vielleicht bildet er nur eine Varietät dieses letzteren. Ein Studium von Uns über die Systematik dieser Species und deren Varietäten ist in Vorbereitung. Die Einbryonak'iilMickhuig des Liiieus rulx-r Müll. 83 tlie egg cells take their origiu." Diese Tatsaclioii lühreii Montgomery zur Aiinahiue "that the siibstänce of the nuclcolus is extranuclear in origin, and Stands in a genetic relations to the substance of the yoimg yollc balls ..." Zu diesem, wie wir jedoch bald sehen werden, ganz uiibi'griindeten Öchhisse, führt diesen Forscher noch die folgende von ilini gemachte Beobachtung: Während die Mehrzahl der Dotter- kiigolchen im Plasma in einer gewissen Entfernung vom Kerne liegt, l)leiben manche derselben im innigen Kontakt mit der äußeren Ober- tlüchc des Kernes und manche Dotterkügelchen "may even be fouud, which are wholeway through the nuclear membrane, or which have com- pletly transversed it and lie within the nucleus". Mit einem Worte, MoNTGOMEKY ist der Memung, daß winzige nutritive Kügelchen von demselben Ursprünge wie die Dotterkügelchen durch die Kernmembran in das Innere des Kernes hineinwandern und indem sie mit dem Nu- cleolus zusammenfließen, zum Wachstum desselben beitragen. Diese Beobachtung von Montgomery erklären wir auf Grund unserer Unter- suchungen für vollkommen unbegründet und falsch. Und zwar, erstens liaben wir selbst in sehr jungen Ovocyten wie auch in Ovogonien ein Kernkörperchen im Kerne gesehen, obwohl dasselbe hier winzig klein ist und erst mit dem Beginn des Wachstums der Ovocyten einer bedeu- tenden Vergrößerung unterliegt. Zweitens, haben wir niemals eine Durchdringung der Kernmembran durch die Dotterelemente beob- achtet; diese letzteren erscheinen in so großer Anzahl, daß hier und da Dotterkörnchen der Kernmembran anliegen, aber niemals sahen wir diese Elemente im Innern des Kernes. Das ist wohl eine vollkommen unbegründete, auf einer falschen Beobachtung basierende Annahme. Das Kernkörperchen, welches in jüngsten Ovocyten winzig klein ist, beginnt sehr rasch zu wachsen und bildet eine sehr ansehn- liche, gewöhnlich etwas exzentrisch im Kern liegende Kugel. In dieser letzteren erscheint bald eine centrale vacuolenartige Bildung; das Kernkörperchen besteht von diesem Moment an aus zwei Teilen, 1) einem peripherischen, corticalen, der sich mit Eisenhämatoxylin intensiv schwarz, mit Delafields Hämatoxylin intensiv blau färbt und aus einer chromatischen, basophilen Substanz besteht und 2) einem centralen Teil, der die vacuolenartige Höhle ausfüllt und aus einer oxyphilen, sich z.B. mit Eosin und Orange färbenden »Substanz besteht. Sehr oft, besonders in etwas älteren Ovocyten nimmt das Kernkörperchen eine mehr länglich ovale Gestalt an und dann nimmt gewöhnlich die basophile Substanz den einen Pol des Kernkörperchens in Gestalt einer Mütze ein, während der ganze Rest des wachsenden 6* 84 J. Nusbaum und M. Oxner, Kemkörperchens aus einer oxyphilen Substanz besteht. Mit einem Worte, wir haben hier ein schönes Beispiel eines Kemkörperchens, das aus baso- und oxyphiler Substanz besteht. In dem Maße als das Kern- körperchen wächst, vergrößert sich auch der Kern selbst und die chro- matischen Elemente treten immer deutlicher hervor. Wir haben hier vor unsern Augen wieder einen Beweis der Richtigkeit der Verallge- meinerung M. Heidenhains (16), daß das Wachstum des Nucleolus mit dem Wachstum des Kernes und in erster Linie seines Chromatins genetisch verbunden ist. In Fig. 1, Taf. I, sehen wir Ovocyten mit stark ausgewachsenen Kernkörperchen. In Fig. 1 oben ist die chromatische Substanz des Nucleolus fast im Innern der oxyphilen (z. B. mit Orange oder Eosin sich färbenden) gelagert, in Fig. 1 unten liegt die chromatische Sub- stanz an einem Pole des Nucleolus, während der ganze Rest des Nucleolus aus einer oxyphilen Substanz besteht. Das Kernchromatm bildet netz- förmig verbundene und aus Körnchen (Chromiolen) bestehende Fäden. Hier und da bildet das Chromatin kugelförmige Verklumpungen, die aber nichts mit dem Nucleolus zu tun haben. Nun beginnt, wie erwähnt, ein rasches Wachstum des Kernes selbst, ein so rasches, daß die Kernplasmarelation sich zugunsten des Kernes gestaltet. Der Kern wird kolossal, bläs- chenförmig, das Chromatin bildet sich verflechtende, aus einer Reihe von Körnern (Chromiolen) bestehende Fäden, und das Kernkörperclien wird im Verhältnis zum Kern viel kleiner, wobei es jetzt rein acidophil wird — ■ ein Umstand, welcher uns zur Annahme führt, daß sehr wahr- scheinlich die chromatische Substanz des Kemkörperchens sich den wachsenden Kernchromatinfäden zugesellt hat. Der stark wachsende Kern nähert sich bald dem einen Pol des Ovocyten und endlich wird er so polständig, daß er einen buckeligen Hügel oder mit andern Worten eine hügelartige Ausstülpung des Cytoplasmas bildet, indem er außenwärts nur von einer äußerst dünnen Plasmaschicht überdeckt wird, welche direkt der sehr dünnen und zarten Dottermembran an- liegt, die ebenfalls den Hügel überdeckt. Manchmal ist diese zuletzt erwähnte Plasmaschicht äußerst dünn, so daß wir den Eindruck er- halten, als ob der Kern außenwärts direkt der zarten Kernmembran anUege. Das Kernkörperchen liegt in einem solchen polständigen und stark ausgewachsenen Kerne entweder seitlich in der Mitte oder ganz nahe dem nach außen zugekehrten Pole, fast immer liegt es aber mehr oder weniger innig der Kernmembran an. Der bläschenförmige Kern ist sehr reich an einem hellen Kernsaft und enthält, wie erwähnt, Die KmhryoiKilciif wirldiiiiE^ dos Linons nilicr ^^iiII. 85 sicli verflechtende, lange, dünne Chroniatinfädeii. Die bisher be- schri<'benen Verhältnisse im Korne, sowie die Laf,'e desselben an einem Pole des Eies wie auch die liügelfürinige Ausstülpung des Cytoplasmas können keineswegs als Artefacta gedeutet werden und erscheinen in den älteren Ovocyten im Ovar, wo niemals Reduktionserscheinun- geii hervortreten. Wir möchten amiehmen , daß diese Stadien vielleicht denjenigen in der Ovogenesc andrer Tiere entsprechen, welche zum sogenannten Bukettstadium führen; in unserm Falle ent4>richt aber die ganz polständige Lage des Kernes nicht denjenigen Verhältnissen, welche während der Ovogenese bei so vielen andern Tiergruppen in den letzten Jahren beschrieben worden sind. Nun aber haben wir einige weitere Veränderungen im Kerne be- obachtet, die, obwohl sie in sehr zahlreichen jungen Eiern zu Gesicht kommen und fast als eine Regel hervortreten, doch eher nur als Arte- facta gedeutet werden müssen — ■ eine Frage, die wir übrigens noch offen lassen. Und zwar zuerst ist es interessant, daß die Chromo- somen in dem polständigen großen Kerne zum größten Teil eben gegen diesen Pol gerichtet sind, was darauf hinzuweisen scheint, daß in dieser Richtung etwaige Strömungen zustande kommen. Wir haben hervorgehoben, daß der Kern nur durch eine äußerst dünne Plasmaschicht außen wärts (in dem Hügel) begrenzt ist. Wenn er nun noch etwas weiter wächst, scheint ein Teil des Kernsaftes nach außen zu gelangen, infolgedessen es zum rapiden Zusammensinken des Hügels und nicht nur zum Abflachen des Kernes, sondern viel- mehr zur Bildung einer tiefen Aushöhlung an Stelle des Hügels kommt, unter welcher der Kern liegen bleibt, indem er einer sehr starken Zusammenziehung unterliegt und einen mehr oder weniger unregelmäßigen, schlüsselartigen, mit einigen Ausläufern ver- sehenen und fast rein chromatischen Körper bildet. Wir haben eine große Anzahl von solchen Bildern gesehen, und verschiedene Über- gänge von großen bläschenförmigen, saftigen, hügelartig hervorragen- den, zu einem immer mehr zusammengezogenen, fast rein chromatischen, unter einer Delle an einem Pole des Eies liegenden Kern beobachtet. In Fig. 2 (Taf. I) erblicken wir den großen Kern hügelförmig nach außen hervorragen; in Fijr. 3 und 4 ist schon der Kern an der Außen- Seite abgeflacht. In Fig. 2 sieht man die Chromosomen nach außen gerichtet, wenigstens die Mehrzahl der Chromosomen zeigt eine solche Lage. In Fig. 3 behalten noch manche Chromosomen diese Lage, noch w^eniger ausgedrückt ist das in Fig. 4. Ein weiteres, interessantes Stadium sehen wir in Fig. 5. An Stelle einer Abflachung ist hier eine gg J. Nusbaum und M. Oxner, ansehnliche Einsenkung, eine Art Delle hervorgetreten, der Kern hat eine schüsseiförmige Gestalt angenommen, und die Chromosomen zeif^eu hier eine sehr distinkte Centrierung gegen den äußeren Pol; manche scheinen doppelt zu sein, was sich jedoch nicht immer konsta- tieren läßt, aber alle bestehen noch aus einer Reihe von Körnchen. In Fig. 6 unten sehen wir eine weiter fortschreitende Verdichtung des Kernes; man erblickt wolkenartige Chromatinmassen in demselben; in derselben Figur oben ist die Verdichtung noch weiter vorgeschritten ; der Kern tingiert sich stark mit basischen Färbemitteln und bekommt eine etwas zackige Oberfläche und zwar gegen das Innere des Eies. Ein Maximum der Chromatin Verdichtung erblicken wir in Fig. 7, wo der Kern einen sohden chromatischen schüsselartigen Körper bildet; die zackigen Ausläufer trennen sich hier und da vom Kern ab und gelangen in das Plasma, vielleicht als eine Art chromidenartiger Bil- dungen. Der Kern ist in dem zuletzt beschriebenen Stadium immer von einer Schicht hellen, keine Dotterkörnchen enthaltenden Plasma nach außen begrenzt, welches den Grund der Einsenkung bildet. Auf Flächenschnitten kann man oft einen Teil des verdichteten Kernes als einen Ring oder Halbring und dieses helle centrale Plasma erhalten, wie wir es in Fig. 1 oben rechts erblicken. Während aller dieser Ver- änderungen vergrößern sich bedeutend die Dotterelemente, indem sie anstatt feiner Körnchen kleine, lichtbrechende Kügelchen bilden. Es unterliegt, unsrer Meinung nach, keinem Zweifel, daß wir in den beschriebenen Kernveränderungen nicht natürliche Prozesse, sondern Artefacta vor unsern Augen haben. Es scheint nur sicher zu sein, daß: 1) der Kern außerordentlich groß^ bläschenför- mig und ganz polständig liegt und 2) daß er sich wirklich in seiner Masse verkleinert, weil im nächstfolgenden Stadium, in welchem die Bildung der Richtungskörperchen beginnt, der Kern fast um die Hälfte kleiner ist als im beschriebenen Stadium und die Masse des Kernchromatins wird ganz gering im Vergleich zum großen Reichtum desselben in dem kolossalen, bläschenförmigen, polständigen Kerne des erwähnten Stadiums. Wir sind deshalb der Meinung, daß wirklich die Masse des Kernes einer Verminderung unterliegt, daß sehr wahrscheinlich ein Teil des Chromatins zugrunde geht, vielleicht in Gestalt von chromidialen ins Plasma eintretenden Partikelchen, wie es die Fig. 7 zeigt. Als Artefacta würden wir aber die ganz enorme Verdichtung des Kernes und die Bildung einer tiefen Einsenkung ansehen, was sehr wahrscheinlich durch die Wirkung von Reagentien, besonders durch Wasserentziehung (in Alkohol) stattfindet, und das Die Emluvonalnitwickliiiij,' des f^ix^us iiiIm r IMülI. 87 um so uu'hr, ah dvv Kern sehr jjroß, safti-j, und äuliorst nahe der Peri- phiM'ic lit'ut. IUI!' \(>n oinci' sohl- dünnen Plasnia.schii'ht voti außen be- grenzt. Nun beginnt (Ue lliMung von Polkörperchen. Barrois sagt über diesen Prozeß bei Lineus gcsserensis folgendes: <'la vesicule ger- niinative finit par venir se plaeer a la peripherie, oü eile eprouve ra- pidenient une reduction considerable et disparait bientot sans lai.sser de traces>>. Sehr wahrscheinlich hatte Barrois (2) vor seinen Augen das Stadium der polständigen Lage des großen Kernes und das bald darauf folgende Stadiuni des Beginnes der Bildung des ersten Pol- k(")rperchens, wenn der Kern sich stark verkleinert und besonders die .Masse des Kernchromatins einer so starken Verminderung unterliegt, daß dasselbe nur in Gestalt von winzig kleinen Körperchen hervortritt und leicht übersehen werden kann. Wir müssen uns dabei erinnern, daß die mikrotechnischen Methoden Barrois' noch sehr primitiv waren. Hubrecht (18) (1874) sah bei Borlasia olivacea ( = Lineus gesserensis) die Ausstoßung von zwei Reductionskörperchen. Dasselbe beobachtete auch Arnold (l). Dieser Verfasser sagt: »Ich kann nicht kategorisch die Anzahl der Chromosomen angeben; und zwar infolge ihrer Kleinheit und der Schwierigkeit, sich ein allgemeines Bild aus einzelnen Schnitten zu rekonstruieren. Nach der Ausstoßung des ersten Polkörperchens, ebenso wie in diesem letzteren, wie auch im Eikerne, beobachtete ich je acht stark lichtbrechende chromatische Kfirnchen.« Diese letztere Beobachtung von Arnold ist ganz richtig und es ist sehr interessant, daß dieser Verfasser eine schüsselartige Gestalt des Kernes (Fig. 1 u. 2, Taf. I, in seiner Arbeit) und eine Ein- senlamg an demjenigen Pole des Eies abgebildet hat, wo die Bildung des Polkörperchens stattfindet. Es ist also einleuchtend, daß auch Arnold solche Stadien vor seinen Augen hatte, wie wir es oben be-' schrieben haben, olnvohl er dieselben nicht erwähnt, w^eil sie ihm viel- leicht unverständlich waren oder weil er noch mehr fragmentarisch diese Verhältnisse beobachten konnte, als wir. Zwischen dem Stadium, in welchem der Kern als eine schüssel- artige Bildung, stark verdichtet unter der Einsenkung an einem Pole des Eies liegt und demjenigen, in welchem er eine Spindelfigur dar- stellt, um das erste Polkörperchen zu bilden, haben wir leider kein Übergangsstadium gefunden; wir hoffen aber bei einer andern Ge- legenheit diese Verhältnisse nochmals im einzelnen darstellen zu köimen. Im Stadium der ersten Polkörperchenspindel persistiert noch am 38 J. Nusbaum und M. Oxner, Eipole die erwähnte Einsenkung; gegen den Grund derselben ist die lanti^e Achse der Spindel gerichtet. Diese Einsenkung ist in Fig. 8 (Taf, I) zu sehen. In diesem Stadium sieht man 32 Chromatin - körner, und zwar so verteilt^ daß acht Gruppen hervor- treten, jede aus vier Chromatinelementen bestehend. Wir haben hier also acht Vierergruppen vor uns. In Fig. 10 sehen wir bei sehr starker Vergrößerung diese Vierergruppen, wobei zu be- merken ist, daß die Abbildung aus einem dicken Schnitt und bei zwei- facher Einstellung des Tubus angefertigt worden ist; die tiefer liegenden Elemente jeder Vierergruppe sind schwächer getönt. An beiden Polen der Spindel sieht man Centrosomen und Polstrahlungen. In Fig. 9 sehen wir schon eine kleine hügelartige Aufhebung des Cytoplasmas und ein Auseinanderweichen von je zwei Elementen einer jeden Tetrade, welches aber nicht gleichzeitig in jeder Vierergruppe zustande zu kom- men scheint. In Fig. 11 sehen wir zwei Polkörperchen gebildet; das eine von denselben teilt sich wieder. Der übriggebliebene weibliche Vorkern besteht nun aus acht bläschenförmigen Chromosomen. In demselben Ei erblicken wir in der gegenüberliegenden Gegend des Eies in einem hellen Felde ebenfalls acht bläschenförmige Chromosomen und ein Centrosoma liegend; es unterliegt keinem Zweifel, daß wir hier den männlichen Vorkern samt dem Spermacenter vor unsern Augen haben. In Fig. 12 erblicken wir in einem hellen Felde zwei nebeneinander liegende Gruppen von je acht bläschenförmigen Chromo- somen; neben der linken Gruppe, welche sehr wahrscheinlich den männlichen Vorkern darstellt, liegen zwei Centrosomen, wahrscheinhch aus der Teilung des Spermacenters entstanden. Einen einheitlichen, schon rekonstruierten Segmentationskern erblicken wir in Fig. 13. . Die obigen, obwohl nur fragmentarischen Beobachtungen, führen uns zum Schlüsse, daß der Segmentationskern des Xmews-Eies 16 Chromosomen, der männliche und weibliche Vorkern je acht derselben enthält. In dieser Hinsicht stimmen unsre Beobachtungen mit denjenigen Arnolds überein. Wir bemerken noch beiläufig, daß wir die lebendigen Spermien sowohl im mütter- lichen Organismus, in den Gonodukten, Eisäckchen und zwischen den Eiern, welche noch unter einer Hülle dem Mutterkörper dicht anliegen, wie auch in abgelegten Eiern, und zwar in den kolbenförmigen Eisäckchen gefunden haben. Die Vereinigung des männlichen Vorkerns mit dem weiblichen erfolgt nicht in der Mitte des Eies, sondern näher demjenigen Pole, wo die Bildung der Kichtungskörperchen stattgefunden hat; bald Die Embryonalcntwicklung des Lineas rubor Müll. 89 aber erblicken wir den Segmentationskern in centraler Lage, wo er zur Bildung der ersten Kernspindel des Embryos kommt. Was die Eiablage anbetrifft, so können wir Folgendes mitteilen. Limus ruber legt die Eier in Schnüren oder Klumpen ab, die eine verschiedenartige Größe darbieten und inuner aus einer schleimig- gallertigen Substanz bestehen, in welcher die Eifläschchen oder Eier- kölbchen mit den Eiern eingehüllt liegen. Während der Eiablage liegt der Wurm, wie wir es schon an einer andern Stelle beschrieben haben, unbeweglich, umhüllt von der aller- ersten Kokonscldeimliülle, die noch sehr düiui und zart ist. Es sei bemerkt, daß in diesem Zustande der Wurm auf nicht zu starke mecha- nische Reize wie auch auf das Licht nicht sensibel ist. Der Kopf des Wurmes ragt aus der Kokonhülle frei heraus, ist stark kontrahiert und mit weit geöffneten Kopfspalten. Die Kokonschleimhülle ist hinten (am Hinterende des Wurmes) blind geschlossen, vorn aber, wo der Kopf frei hinausragt, ist sie offen aber dicht dem Körper anhegend. Bald treten unter die Hülle die Eier gruppenw^eise hinein, wobei die Hülle immer dicker und fester wird. Beim Austritt der Eier aus der Gonade erweitert sich die Öffnung des Gonoductes sehr wenig, und da dabei die Eier durch starke Kontraktion des Hautmuskelschlauches herausgepreßt werden, so w^erden sie sehr oft beim Durchgang stark gepreßt und sanduhrförmig eingeschnürt, wobei nicht nur das Cyto- plasma, sondern auch das Keimbläschen einer solchen Eüischnürung unterliegt. Nach außen ausgetreten nehmen die Eier bald ihre normale, runde Form an. Die äußere resistente Hülle des Eierkokons besteht aus schichtenweise secernierter Substanz und zwar unterscheiden wir in derselben: 1) von außen eine Schicht muköser Substanz, 2) unter derselben eine dünne Schicht seröser Substanz, 3) unter dieser letz- teren eine starke Lage wieder einer mukösen Substanz und 4) endlich am meisten innerlich gewöhnlich wieder eine zarte seröse Lage. Wir müssen aber gleich bemerken, daß nicht immer diese Schichten so regelmäßig auftreten, und nicht immer alle vorhanden sind; überall läßt sich aber der schichtenartige Bau der Hülle beobachten. Da sich diese Schichten sehr intensiv färben und zwar bei Anwendung von Hämatoxylin und Eosin tingieren sich die mukösen Schichten intensiv blau, die serösen dagegen intensiv rot, so bekommt man auf Schnitten äußerst schöne Farbennuancen in der Hülle des Eikokons. Eine ähn- liche Verschiedenheit in der Färbung erhalten wir auch beim Tingieren z. B. mit Eisenhämatoxylin und Orange und mit andern Färbemitteln, 90 J- Nusbauin und M. Oxner, welche bei den Nemertinen die mukösen und serösen Hautdrüsen ver- schiedenartig färben, wie wir es an einer andern Stelle beschrieben haben (36). Alle Schichten der Eierkokonhülle werden von den mu- kösen und serösen Drüsen der Körperwand ausgeschieden, und somit ist es einleuchtend, daß diese Drüsen bei der Ausscheidung der Hülle abwechselnd funktionieren, bald die Schleimdrüsen, bald wieder die serösen Drüsen. Unter der äußeren Hülle befindet sich eine weichere schleimige Substanz, die übrigens nicht scharf von der ersteren abgegrenzt ist. In dieser weicheren Substanz sind nun zahlreiche Kölbchen oder Fläschchen mit Eiern eingebettet. Die Kölbchen sind gewöhnlich lateral an beiden Seiten der Schnur angeordnet, wahr- scheinlich als Produkte der linken und rechten Gonadenreihe ; in der Medianlinie ist eine freie Straße. Die einzelnen Kölbchen haben eine kolbenförmige oder eine flaschenförmige Gestalt und bestehen aus einer breiteren Abteilung, wo die Eier liegen und aus einem halsförmi- gen, dünnen, am Ende zugespitzten Teil. Die einzelnen Kölbchen sind sehr oft gruppenweise mit den halsartigen Teilen gegenein- ander und auch gegen die Medianlinie der Schnur gerichtet, wobei die verdünnten Enden der halsförmigen Fortsätze öfters miteinander gruppenweise (je zwei, drei, vier oder noch mehr) zusammengefügt sind. In jedem Kölbchen finden wir sehr selten ein, öfters zwei, drei, vier bis acht Eier oder seltener noch etwas mehr; am gewöhnlichsten findet man drei bis sechs Eier in jedem Kölbchen eingeschlossen. Die Wandungen der Kölbchen sind zart aber resistent und bestehen aus einer schleimartigen homogenen Substanz. Zwischen den ein- zelnen Kölbchen ist überall die oben erwähnte weichere Schleim- substanz entwickelt. Was die Genese der Kölbchen anbelangt, so sind dieselben Pro- dukte der Gonadensäckchen. Und zwar vergrößern sich die ganz reifen und von zahlreichen Eiern ausgefüllten Gonadensäckchen bedeutend und bilden teilweise kugelförmige Ausstülpungen, die ebenfalls mit Eiern erfüllt sind und auf das Körperparenchym nebst Muskellagen wie auch auf die Darmwand einen starken Druck ausüben, wobei die epitheliale Wand des Gonadensäckchens einer großen Abplattung unterliegt und sich an vielen Stellen nur als eine Schicht von äußerst niedrigen, abgeplatteten Zellen oder als eine sehr dünne Hülle mit Kernen darstellt. Diese Hülle ist stellen- weise so dünn und die Gonadenausstülpungen, mit Eiern prall gefüllt, dringen so tief in das Körperparenchym und zwischen die Mitteldarm- wandausstülpungen, daß wir oft den Eindruck erhalten, als ob Gruppen Dlo Embryoniilontwicklung des Lincus nilxr Müll. 91 von Eiern ganz locker im Parenchym gelagert wären. Die dünne Wand des Eierkölbchens ist nun als ein Ausscheidungsprodukt der Wand des Gotiadensäokchens zu deuten und die verschiedenen Größen und Gestalten der Kölbchen (flaschent'örniige, kolbenföriuige, mehr aus- gezogene oder mehr bauchige) sind eben dadurch bedingt, daß auch die Gonadenscäckchen selbst und deren Ausstülpungen infolge des starken Druckes der umgebenden Gewebe mehr oder weniger ver- schiedeiuxrtige Gestalten annehmen. Jede Eiergruppe tritt nach außen durch den dünnen und, wie erwähnt, sich sehr wenig erweiternden Gonoduct heraus und nun bildet den Hals des Kölbchens ein Ausscheidungsprodukt des Gonoductepithels, welches, nach dem Hindurchtreten einer Eigruppe nach außen, die Halswand des dieselbe enthaltenden Kölbchens secerniert. Endlich müssen wir bemerken, daß in jedem Eierkölbchen die einzelnen Eier voneinander durch schleimartige Hüllen etwa wie Septen zwischen denselben abgegrenzt sind, die mehr oder weniger dick sein können, während die Dottermembran der Eier äußerst zart und dünn erscheint. Wir nennen dieselben interoväre Septen. In stark gepreßten und viele Eier enthaltenden Gonadensäckchen oder schon abgelegten Kölbchen sehen die Umrisse dieser Septen, wenn sie gut entwickelt sind, an Schnitten polygonal und wabenartig aus. Unter starken Vergrößerungen kann man manchmal einen schichtenartigen Bau dieser Septen konstatieren. Diese interovären Scheidewände sind zum Teil Ausscheidungsprodukte der Eier selbst, teilweise aber sind sie ohne Zweifel auch Produkte der umgebenden Gewebe, die durch die anwachsenden Eiersäckchen, eventuell deren Ausstülpungen, sehr stark gepreßt werden. Für diese letzte Annahme spricht sehr gewichtig der Umstand, daß die umgebenden Gewebe nicht nur sehr stark gepreßt werden, sondern dabei auch in großem Maße einer Reduktion unterliegen und in dem Maße, als sie sich reduzieren, werden die interovären Septen dicker. Arn interessantesten verhält sich in dieser Hinsicht das um- gebende Körperparenchym, welches in denjenigen Gegenden, wo die Gonadensäckchen stark erweitert sind, in hohem Maße reduziert erscheint, wie auch die Mitteldarmwand, deren sonst sehr hohes Epithel einer äußerst starken Involution und Abplattung unter- liegt. Die Mitteldarmwand bildet nämlich zahkciche, wie Ausstülpun- gen aussehende Fortsätze zwischen die Eiersäckchen, als Folge des Druckes der heranwachsenden Gonadcnausstülpungen. Diese Fort- sätze veranlassen oft an Querschnitten ein sternförmiges Aussehen des 92 J- Nusbaum und M. Oxner, Darmes, indem die Anzahl derselben auf neun bis zehn gelangt. Die Darmwandfortsätze sind central, zwischen den benachbarten Bier- säckchen stark verengt, nach außen von denselben, peripherisch sind sie dagegen erweitert, so daß sie an Querschnitten wie kleine Säcke auf langen und sehr dünnen Stielen aussehen. Und nun ist es inter- essant, daß während die peripheren, erweiterten, außerhalb der Gegend, wo die Eisäckchen liegen, sich befindenden Teile dieser Darmwand- fortsätze von hohem, cylindrischen, unveränderten Epithel ausgekleidet sind, wird ungewöhnhch dünn und abgeplattet und stellenweise fast gänz- lich reduziert das Epithel in den centralen verengten Teilen dieser Fortsätze, die sich zwischen den Eisäckchen befinden, indem es wie eine dünne Pias masclii cht mit platten Kernen aussieht. Es ist nun sehr wahrscheinlich — wie wir (41) es schon an einer andern Stelle beschrieben haben — daß auf Kosten des hier in so großem Maße einer Reduktion unterliegenden Darmepithels die schleimartige Masse zwischen den Eiern einer jeden Eigruppe sich vergrößert und das um so mehr, als die Wand eines jeden Eisäckchens, wie wir wissen, außer- ordentlich dünn und fein wird. Es erfolgt also eine Art Hindurch - pressung von flüssigen schleimartigen Substanzen durch die dünne Eisäckchenwand aus den umgebenden und sich teilweise reduzierenden Geweben. Die interovären Septen haben eine wichtige biologische Bedeutung und zwar in zweifacher Hinsicht. Erstens dienen sie als Isolations mittel zwischen den benach- barten Eiern, deren äußerst dünne, zarte und viskose Dottermem- branen ohne diese Septen sich oft miteinander zusammenkleben und ein Zusammenfheßen von Eiern bedingen, was wir in einer speziell dieser Angelegenheit gewidmeten Arbeit, nachgewiesen haben, und zwar zeigten wir, daß es infolge einer stellenweise mangelhaften Ent- wicklung dieser Septen wirklich zum Zusannnenfließen von zwei, seltener mehreren Eiern und zur Bildung von Riesenembryonen kommti. Zweitens dienen die interovären Septen als Ernährungs- substanzen für die stark anwachsenden Eier und Embryonen, da in späteren Entwicklungsstadien diese Septen vollkommen verschwinden und die Embryonen ganz frei in den Eikölbchcn zu liegen kommen. 1 Nachdem die erwähnte Arbeit schon veröffentlicht war, fanden wir auch in manchen Eikokonen von Lineus ruher Doppelindividuen, mit zwei Köpfen, zwei Schwänzen usw. Diese Monstra, die immer sehr symmetrisch ent- wickelt sind, beweisen, daß aus manchen zusammengeklebten Eiern keine ein- heitHchon Riesenembryonen, sondern Doppeltierchen entstehen können. Wir werden darüber nächstens eine besondere Arbeit veröffentHchen, Die Embryoiialcutwirkliiiij,' des Lineas ruber Müll. 93 Die hier von uns l)eschiiebene Eiablage beim Lineas ruher war schon einmal ein Untersuchungsobjekt Max Schultzes (55), der bei Lineas ohsearas im Jahre 1853 eine kurze Beschreibung dieses Prozesses dargestellt hat. Die Beschreibung enthält viele Fehler und da ScnULTZE diese Verhältnisse noch nicht an Schnitten untersucht hatte, so blieben ihm viele von uns l)eschriebene Einzelheiten in betreff der Ausbildung von verschiedenen Eihüllen in der Eischnur unbekannt. Nur im allgemeinen ist die Beschreibung Schultzes richtig; er beschreibt gelatinöse Eischnüre und »Flaschen«, in welchen die Eier gruppen- weise liegen. Barrois, der die Beobachtungen M. Schultzes vollkommen be- stätigt hat, sagt richtig, daß bei Lineus obscurus «chacun des paquets d'un ou plusieiirs cEufs contenus dans le cordon de mucus correspond . . . au contenu d'une des chambres genitales» und daß <>Hi l'on reprend rocuf environ unc heure apres le stade fig. 3 (d. h. nach dem oben erwähnten Stadium), on constate, qu'il y a eu un deplacement: il n'y a plus correspondence entre les Clements cellulaires et les sillons de Separation, mais chacune des moities semble occuper par rapport a l'autre une position arbi- traire. Ce changement est du ä une rotation l'une sur l'autre de ces deux parties : cette rotation continue jusqu'ä ce que les spheres vitellines de Tune soient venues se superposer aux sillons de Separation de l'autre ; les cellules de chacune d'ellcs s'engrenent alors dans les intervalles qui leur correspondent, et l'on obtient un stade dans lequel les cellules de chaque moitie alternent regulierement avec Celles de l'autre et QU l'equateur est represente par une ligne brisee. Ce stade est produit par une rotation de 45 degres de l'une des portions de l'oeuf sur l'autre portion.» Eine neue Furchung führt zur Bildung von 16 Zellen und zwar so, daß «chacune des cellules se segmente par un nouveau plan parallele au plan equatorial en deux cellules superposees; l'ceuf se compose alors de huit series de deux cellules engrenees les unes dans les autres . . .» Nach dem 16-Zellenstadiuni beginnen die Zellen, nach Barrois, sich in transversaler Richtung zu teilen und «gUssent ensuite les unes sur les autres de fagon a venir alterner entre elles.» Nach dem franzö- sischen Forscher ist also die alternierende Lage der Blastomeren immer sekundär, durch Verschieben von zuerst gebildeten Zellen bedingt. Wie wir bald sehen werden, ist diese ganze Beschreibung fehlerhaft. Richtig ist aber die Beobachtung, daß in gewissem Stadium des Acht- zellenzustandes, die oberen und unteren Zellen gegeneinander alter- nieren, und daß auch in gewissem Stadium des 16-Zellenzustandes eine solche Alternierung zum Vorschein kommt. Die Blastula ist nach Barrois ganz regulär und radiaLsymmetrisch. Hubrecht erwähnt in seiner ausführlichen Arbeit ülier die Em- bryologie von Lineus obscurus, daß er ein >>4, -8-, 16- und mehr Zellen- stadium« gesehen hat, er gibt aber keine Beschreibung des Furchungs- 96 J. Nusbaum und M. Oxner, Prozesses. Arnold sagt, daß zwar nach Barrois die Furcliimg eine totale und reguläre ist und zur Bildung einer radial-symmetrischen Blastula führt, er bemerkt jedoch, daß man zu einem solchen Schluß nur dann gelangen kann, wenn man die Blastula in toto betrachtet, auf Schnitten aber »sieht man ohne Zweifel eine Differenz in der Zellen- größe, wobei die größeren Zellen den künftigen entodermalen Pol bilden«. »Auf diese Weise«, sagt weiter Arnold, »ist die Bla- stula des Lineus gesserensis keine radial-symmetrische, vielmehr aber nähert sie sich einer bipolaren, was mit den Untersuchungen von Lebedinsky und Salensky im Einklänge ist (bei Monopora vivipara).<< Gehen wir jetzt zur Darstellung unsrer Beobachtungen über die Furchung des Lineus ruher. Wir sahen, daß dieselbe beim Lineus als eine totale und äquale (Barrois) beschrieben worden ist. Nach unsern Beobachtungen ist sie aber total und in äqual, und zwar fast von dem ersten Moment der Furchung, wobei im voraus zu be- merken sei, daß wir in der Eifurchung nicht unwichtige indi- viduelle Schwankungen beobachtet haben. Die erste meridionale Furche, welche wir als erste Quer furche bezeichnen werden, teilt das Ei in die zwei ersten Blastomeren, die ent- weder ganz gleich sind, oder schon eine gewisse Größendifferenz zeigen, niemals aber eine besonders augenfällige, was uns die Tatsache erklären kann, daß diese so frühe Inäqualität der Furchung von unsern Vorgän- gern niemals beobachtet wurde. In Fig. 14 (Taf.II) und 15 (Taf.I) haben wir ein Zweizellenstadium vor uns und wir bemerken sogleich, daß die eine Blastomere etwas größer als die andre ist. Wir betonen nochmals, daß diese Differenzen zwischen den zwei ersten Blastomeren geringer oder größer sein können, in manchen Fällen aber kommt es zur Bildung von gleich großen Blastomeren. Die kleinere oder die der Lage nach derselben entsprechende Blasto- mere des Zweizellenstadiums bezeichnen wir AB, die größere, oder die derselben entsprechende — CD und um uns die weitere Orien- tation in der gegenseitigen Lage der Blastomeren zu erleichtern, orien- tieren wir das Ei so, daß wir die Blastomere AB vorn und die Blasto- mere CD hinten gelagert uns vorstellen. Nun erscheint die zweite meridionale Furche, die senkrecht zur ersteren verläuft und die wir als die erste longitudinale Furche bezeichnen werden. Durch diese zweite Furche wird das Ei in vier Blastomeren zerlegt: zwei gewöhnlich etwas kleinere, vordere und zwei etwas größere, hintere, die wir mit den Buchstaben A, B, C, D bezeichnen werden, und zwar: eine linke A und rechte B etwas kleinere Dil' Kinl)rvonnlen(\vic'khmg des Lineus ruber Müll. 97 ]\Iacrüinere und eine linke D und rechte C etwas größere Macroinere, so daß die Elastomeren A. B, C, D beim Blicke von oben in der Rich- tung der Bewegung des Uhrzeigers nebeneinander in der erwähnten Ordnung gelagert uns erscheinen. In diesem Vierzellenstadiuni treffen wir aber eine zweifache An- ordnung der Elastomeren. Und zwar in selteneren Fällen verläuft die longitudinale Furche ohne Unterbrechung senkrecht zur queren Furche, so daß in dem Durchkreuzungspunkte beider Furchen alle vier Blasto- meren gegeneinanderstüßen, wie wir es in Fig. 16 (Taf. II) erbhcken; in diesem Falle berühren sich längs der longitudinalen Furche die beiden vorderen Macromeren A und B fast mit ihren ganzen gegen- einander gerichteten Flächen, während die beiden hinteren Macro- meren C und D hinten etwas voneinander laufen und sich nur mit kleineren vorderen Teilen der gegeneinander gerichteten Flächen be- rühren, wie es eben in der Fig. 16 zu sehen ist. In den meisten Fällen aber verläuft die Längsfurche so, daß sie gebrochen wird (B rech furche), weshalb beim Anblick von oben die vier Blastomeren so nebeneinander gelagert sind, daß in dem Durchkreuzungspunkte beider Furchen die Elastomere A nicht mit der gegenüberUegenden Elastomere C in Berührung kommt, während die Elastomere B an die gegenüberliegende Elastomere D stößt, wie es aus der Fig. 17 ersichthch ist (Taf. II). Von diesen zwei Fällen ist der zuletzt beschriebene als mehr typisch zu bezeichnen, da er von uns in zahlreicheren Eiern beobachtet wurde, als der erstere, seltenere. Aber außer diesen regulären, gewöhnlichen Furchungsmodi, die zum Vierzellenstadium führen, beobachteten wir auch mitunter manche andre Verhältnisse, die jedoch ebenfalls als normale Furchungen gelten müssen. Und zwar in manchen Fällen wird der Unterschied in der Größe zwischen den zwei kleineren und zwei größeren Macromeren viel ansehnlicher, wobei gewöhnlich die Lage aller Zellen eine ganz irreguläre wird, so daß die zwei größeren Macromeren dicht nebeneinander und etwas tiefer, die beiden kleineren dagegen etwas höher zu liegen kommen, wie es die Fig. 18 zeigt. In noch andern Fällen erscheint im Vierzellenstadium eine Transgression der einen Elastomere, so daß diese letztere, wie ganz isoliert seitlich zu liegen kommt (Fig. 19). Interessant sind auch diejenigen Fälle, in welchen die zweite Meridionalfurche nicht gleichzeitig die Macromere AB und CD teilt, sondern so verläuft, daß zuerst die Elastomere CD und erst nachher die Zelle AB in zwei Tochterzellen zerlegt werden, wie es die Fig. 20 veranschaulicht, wo in der Elastomere AB, die hier Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CVIl. IM, 7 98 J- Nusbaum und M. Oxner, nur ein wenio" kleiner war, als CD, der Kern sich nur mx Spindelstadiuni befindet. Bei dieser Gelegenheit bemerken wir, daß überhaupt in den in frischem Zustande beobachteten Eiern im Spindelstadium eine große helle Spindel und an den Polen derselben große helle Sphären zu sehen sind; die Chromatinelemente sind in den in vivo beobachteten Zellen o^ar nicht zu sehen, da die Eier überhaupt äußerst chromatinarm sind; auch in den in Osmiumgemischen konservierten und in Schnitte zer- legten Eiern färben sich die Chromatinelemente äußerst schwer und o sind nur in sehr stark überfärbten Präparaten sichtbar. Wir haben schon oben bemerkt, daß im Vierzellenstadium ge- wöhnlich die Elastomere B an die Elastomere D stößt, während die beiden andern Elastomeren A und C sich nicht in dem Mittelpunkte berühren. Wenn wir jedoch viele Schnitte durch die Embryonen dieses frühen Stadiums durchmustern, so finden wir, daß in manchen Fällen schon in diesem Stadium im Centrum des Eies alle vier Elasto- meren sich gar nicht berühren, so daß schon jetzt der allererste Anfang der Eildung eines Blastocöls hervortritt. In Fig. 21 (Taf. II), die einen Horizontalschnitt durch alle Elastomeren des Vierzellenstadiums darstellt, sehen wir in der Mitte eine Höhle, die sich sogar eine gewisse Strecke weit zwischen die centralen Teile der benachbarten Elasto- meren verlängert und von einer zähen, Hchtbrechenden mit manchen Farbstoffen (z. E. mit Lichtgrün) sich stark tingierenden Substanz erfüllt ist, die ein Ausscheidungsprodukt der Elastomeren darstellt. Aus dem Obengesagten können wir den Schluß ziehen, daß schon im Stadium von zwei und vier Blastomeren eine nicht un- bedeutende Variabilität in der Furchung und in dem gegen- seitigen Verhalten der Blastomeren zu beobachten ist. Auf solche Differenzen in der Furchung lenken die meisten Forscher wenig Aufmerksamkeit, indem sie nur diejenigen Fälle näher beschreiben, welche sie als typisch und ganz »normal« betrachten. Wir halten aber solche die Furchungsvariabilität betreffenden Tatsachen für sehr wichtig und interessant sowohl in entwicklungsmechanischer Hinsicht, weil sie ein weitgehendes Regulations vermögen beweisen, wie auch deshalb, weil überhaupt ein Registrieren von solchen Abweichungen nicht selten Meinungsverschiedenheiten und Beobachtungsdifferenzen zwischen den Forschern zur Genüge erklären kann. Der Verlauf der embryonalen Entwicklung folgt, unsrer Meinung nach, nur selten in allen Einzelheiten streng denselben, exakt mathematisch definierbaren Regeln, vielmehr läßt sich hier gewöhnhch ein am häufigsten hervor- tretender Typus unterscheiden, neben welchem aber Schwankungen Die Embrvonali-ntuirkliiiig doü Liiu-us ruljcr Müll. 99 im Verkiufe clor botivl'fendt'ii Frozcsso liervortivton, die jedoch iiielit als Anomalien bezeichnen werden können, da im weiteren Entwicklimgs- verlaiife Regulierungen zustande konnnen. Das nächste Entwicklungsstadium ist das Achtzellenstadium. Dasselbe entsteht ganz regelmäßig infolge einer dexiotropen Teilung aller vier Blastome ren. Wir erhalten auf diese Weise ein Stadium mit vier Macromeren: 1 ,1, 15, IC, ID und vier Micromeren: 1«, 16, 1 c, iVZ, welche ()])erhalb der Macromeren und abwechselnd mit denselben liegen und kleinere Dimensionen als diese letztere besitzen, wobei zwischen den Micromeren gewöhnlich, ebenfalls wie unter den Macromeren, zwei etwas größere Zellen l c, l d und zwei etwas kleinere 1 a,lb unterscheidbar sind. Die vier Micromeren sind die Micro meren des ersten Quartetts. Diese vier Micromeren sind so gelagert, daß die Micromere 1 b und 1 d sich in dem Mittelpunkte miteinander berühren, während die Micromeren 1 a und 1 c voneinander geschieden sind, d. h. nicht zusammenstoßen, mit einem Worte, es existieren auch hier Verhältnisse, welche an die Brechfurche bei der zw^eiten Teilung des Eies erinnern, obwohl die Ähnlichkeit nur auf dem Endstadium, nicht aber auf der Entstehungsweise der Furchen beruhen. In Fig. 22 (Taf. II) sehen wir ein Ei dieses Stadiums so gelagert, daß wir etwas seitlich auf den oberen, d. h. den Micromerenpol desselben blicken. Man sieht hier sehr deutlich, wie die Micromeren 1 a und 1 c weit von einander abstehen und durch die Micromeren 1 b und 1 d im Mittel- punkte geschieden sind, während diese zuletzt erwähnten Micromeren miteinander sich im Mittelpunkte auf einer ziemlich großen Strecke berühren. Es ist sehr interessant, daß während (Fig. 22) in den Micromeren 1 a und 1 b der Kern im Ruhestadium ist, in den Micro- meren 1 c und 1 d wir eine Kernspindel sehen, was mit einer nicht synchromen weiteren Teilung der vier Micromeren im Zusammen- hange steht. Wir konnten nämlich erwarten, in Anbetracht der bei andern Formen mit Spiraltypus der Furchung üblichen Verhältnisse, daß das nächste Stadium ein IG-zelliges sein würde. In unserm Falle aber sind die Verhältnisse, infolge bedeutender Heterochronismen, different. Nach dem achtzelligen Stadium folgt nämlich gewöhnlich zuerst ein zehnzelliges Stadium und zwar dadurch, daß anfangs nur die Zellen Ic und \d des ersten Quartetts einer Teilung unterliegen, nämlich einer leiotropen. Erst etwas später erfolgt die Teilung der beiden andern Micromeren und nocK später der vier Macromeren: Wir sahen schon in Fiti. 22 die Kernteilungsspindel in 2QQ J. Xusbaum und M. Oxner, den Micromeren 1 c und 1 d, während in allen andern Blastomeren der Kern in Ruhestadium war. Die vier aus der Teilung der Blastomeren 1 c und 1 d entstandenen Zellen, sind nach den üblichen Bezeichnungsformeln als Ic^, Ic^, Id'^, 1(Z2 zu nennen. Im Zehnzellenstadium besteht also das Ei aus folgenden Blastomeren : 1.4 — 1 a IB—Ih Ici 1(^1 d^ Dieses Entwicklungsstadium ist in Fig. 23 (Taf. II) dargestellt und zwar ist das Ei hier von der Seite gesehen. Unten erblicken wir hier die Macromeren 1 .1, 1 -B, 1 C, 1 D in noch ungeteiltem Zustande, oben die Micromeren 1 a, 1 h ungeteilt, und außerdem 1 c^, neben welcher unten die Micromere 1 c^ liegt und l d^, neben welcher unten die Micromere 1 d^ gelagert ist. Wir müssen hier hervorheben, daß auch die Teilung der Micromeren 1 c und 1 d nicht immer zur Bildung von Zellen gleicher Größe führt ; im Gegenteil sehr oft teilt sich nämlich die Micromere Id in eine kleinere obere (Id^) und in eine viel größere untere Zelle (Id^). Diese Ungleichheit in den Teilungsprodukten der Blasto- mere 1 d sehen wir nämlich in Fig. 23. Häufiger sind aber diese vier Zellen gleich groß, wie wir es nämlich in Fig. 24 (Taf. III) erblicken, welche das Ei vom oberen Pol gesehen darstellt. Das nächste Stadium ist das Zwölfzellen Stadium, welches aus dem vorher beschriebenen dadurch entsteht, daß auch die Zellen 1 a und 16 des ersten Quartetts einer leiotropen Teilung unter- liegen, so daß in dieser Entw^cklungsphase vier Macromeren und acht Micromerenprodukte des ersten Quartetts vorhanden sind, und zwar: ^^<162 Iri ^ lc2 1 d^ 1Z><' Die Einbryonalcntwirklung dos Lineus ruber ^liill, 101 Ein zwülfzelliges Stadium orblick(Mi wir in Fig. 25, wo das Ei vom oberen Pol gesehen abgebildet ist. Ehe wir zum weiteren Verlauf der Eurchung übergehen, bemerken wir, daß es für unsre Form sehr charakteristisch ist, daß hier viele gleichzeitige Teilungen der Micronieren wie auch der Macromeren in der Weise erfolgen, daß die Teilungsprodukte nicht alternierend und dabei genau oberhalb oder unterhalb der andern aus derselben Teilung resultierenden Zellen gelagert werden, sondern infolge einer schief und dabei fast horizontal zustande kommenden Zerlegung, d. h. einer dexio- oder leiotrop und dabei fast in derselben Fläche erfolgenden Teilung, zur Bildung von Zellenrosetten, kommt, die je aus acht Zellen bestehen, und fast in derselben Fläche liegen. Es ist schon im obenbeschriebenen Zwölfzellenstadium eine Neigung zur Bildung einer achtzelligen Micromerenrosette zu beobachten, die auf den vier Macromeren ruht. Eine solche Lage der Teilungsprodukte ist in den nächst folgenden Stadien noch viel ausgeprägter und er- schwert selbstverständlich in hohem Maße die Unterscheidung und Bezeichnung einzehier Blastomeren, da sehr wenig ausgeprägte Unterschiede in der Lage der Elemente und zwar im Niveau derselben zu Gesicht gelangen. Nach dem zwölf zeUigen folgt ein 16-zelliges Stadium und bald darauf ein ■21-zelli,ues. Das 16-zellige Stadium entsteht durch die Bildung des zweiten Micromerenquartetts infolge einer leiotropen Teilung der vier Macromeren und das 24 -zellige Stadium durch eine dexiotrope Teilung der vier Micromeren des zweiten Quar- tetts und die Bildung von vier Zellen des dritten Quartetts infolge der dexiotropen Teilung der Macromeren. Wir unterscheiden also im 16-Zellenstadium folgende Bestand- teile des Embryos: 1 ri 2C-2c<:\\ ^ lc2 102 J- Nusbaum und IM. Oxner, Im 24:-Zellenstadium besteht der Embryo aus folgenden Blasto- meren : ^-2c2 ^-lc2 In diesem Stadium unterscheiden wir zwei Kosetten zu je acht Zellen und zwar eine oberste Rosette, die aus den Micromeren Ici^, la^, 16 1, 16^, Ici, lc2, l(?i, 1(^2 besteht, eine unter dieser liegende Rosette, die aus den Micromeren 2a^, 2a^, 2h^, 2h^, 2ci, 2c2, 2(l'>-, 2d^ besteht, dann unterhalb dieser Rosette vier Micromeren des dritten Quartetts (3a bis M) und endlich am unteren Pole des Embryos die vier Macromeren 3 A bis 3 D. Bald beginnen aber die Zellen der beiden Rosetten, besonders aber diejenigen der obersten Rosette, die Teilungs - Produkte des ersten Micromerenquartetts darstellen, sich sehr unregelmäßig anzuordnen. Daß selbst im 16-Zellenstadium diese unregelmäßige Zellenanordnung, und zwar eine verschiedenartige Verlagerung der Zellen in der obersten Rosette zustande kommen kann, das kann man aus der Fig. 26 ersehen, die uns ein Ei dieses Stadiums, vom oberen Pole betrachtet, darstellt. Wir sehen hier die vier großen Macromeren 2 A bis 2 D, die vier Micromeren des zweiten Quartetts 2 a bis 2 d oberhalb der ersteren und abwechselnd mit denselben liegend und endlich eine vollkommen irreo'uläre Anordnung der acht Micro- meren, die aus der Teilung des ersten Micromerenquartetts entstanden sind. Drei von diesen Zellen liegen in der Mitte, vier sind nach rechts verschoben und eine nach links. In andern Fällen fanden wir eine andre Anordnung dieser Micromeren, die überhaupt eine große Neigung zu verschiedenartigen Verschiebungen aufweisen. In Fig. 27 sehen wir ein Ei im 24-Zellenstadium, vom oberen Pol betrachtet. Wir finden hier eine Platte von ausnahmsweise sieben (infolge einer verspäteten Teilung einer Zelle) anstatt, wie gewöhnlich, acht Teilungsprodukten der vier Micromeren des ersten Quartetts (1). Wir sehen, daß diese Zellen eine ziemlich unregelmäßige Platte bilden, wobei zu bemerken sei, daß diese Teilungsprodukte des ersten Micro- merenquartetts sehr oft eine Tendenz zur zweireihigen Anordnung auf- Die Einbrvoiialent Wicklung tk'.s Lineas ruber Müll. 103 weisen (vj:!;!. auch die Fig. 28 aus einem späteren Entwicklungsstadiuni). Unter dieser am oberen Eipolc liegenden Platte sehen wir eine Rosette aus acht Zellen, von denen es schwer zu sagen ist, welche Zellen höher und welche tiefer liegen. Diese Achtzellenrosette stellt das Teilungs- produkt der vier Micromeren des zweiten Quartetts dar. Unter diesen Zellen sieht man vier größere Blastomeren 3a, 3&, 3c, 3d, d. h. die Micro- meren des dritten Quartetts und unter denselben endlich die vier Macromeren 3 A, 3 5, SC, 3 D. Das nächste Stadium, in welchem der Embryo aus 32 Zellen besteht, bildet sich durch eine gleichzeitige leiotrope Tei - hing der vier Micromeren des dritten Quartetts und der vier Macromeren 3 A, 3 B, 3 C, S D, welche nach oben das vierte Micro merenquartett 4a, 46, 4c, id und nach unten die Macro- meren 4:A, 4: B, 4 C 4 D entstehen lassen. Das 32-Zellenstadium sehen wir in Fig. 28 abgebildet (ebenfalls vom oberen Pol betrachtet). Wir erblicken hier wieder eine aus un- regelmäßig angeordneten (mit Tendenz zur zweireihigen Anordnung) Zellen bestehende Platte, — Produkt des ersten Micromerencjuartetts (auch hier sind noch sieben anstatt acht Zellen in dieser Platte zu sehen). Unter dieser Platte liegt eine Rosette von acht Zellen, — Produkte der Teilung des zweiten Micromerenquartetts. Unterhalb dieser letzteren erblicken wir wieder eine Rosette von Achtzellen- Produkte der Teilung des dritten Micromerenquartetts und endlich unter diesen letzteren wieder eine achtzellige Rosette, in welcher es aber schon leichter ist, vier höher gelegene und vier tiefer gelegene Blasto- meren zu unterscheiden, d. h. die Micromeren des vierten Quartetts 4a, 4&, 4c, id und die Macromeren 4: A, i B, 4 C, 4 Z). Von diesen acht Zellen ist eine bedeutend umfanoreicher als die übrisen und zwar die Blastomere id, welche auch mehr nach außen hinaus- ragt, als die übrigen Blastomeren des Embryos und manchmal auch durch ihre dunklere Färbung auffallend ist. Die Embryonen dieses sehr wichtigen Stadiums haben wir sowohl in vivo, wie auch an konser- vierten und aufgehellten Präparaten bei Rotierung in verschiedensten Richtungen unter Deckgläschen untersucht. In Fig. 29 ist noch ein Ei dieses Entwicklungsstadiums beim Anblick von der Seite und von dem oberen Pole abgebildet, und zwar teils nach einem konservierten und möglichst aufgehellten Präparat, teils aber auch mit Hilfe eines aus Modellierton von uns angefertigten Modells. Da das Ei in diesem Stadium nicht genug durchsichtig ist, so haben wir uns verschiedene Modelle anaefertist und dann dieselben mit den mit Hilfe eines Zeichen- 104 J- Nusbauni und M. Oxner, prismas bei verschiedener Lage der Eier ausgeführten Skizzen und Ab- bildungen verglichen, um somit zu möglichst sicheren und unzwei- deutigen Resultaten zu gelangen. Die Fig. 29 entstand eben teils, wie schon erwähnt, nach einer Zeichnung in vivo, teils aber nach solchen Vergleichsmodellen. AVir erblicken hier die uns bekannte Platte, die aus den Produkten der Teilung der Micromeren des ersten Micromeren- quartetts entstanden ist und aus acht Zellen besteht (wieder eine zweireihige Anordnung der Zellen — 1). Unter dieser Platte sehen wir zwei je aus acht Zellen bestehende Rosetten, eine obere (2) und untere (3), die uns Teilungsprodukte der Micromeren des zweiten und dritten Micromerenquartetts darstellen, und endlich am unteren Pole des Eies eine Rosette aus acht Zellen (in der Abbildung sind nur deren vier zu sehen), von welchen vier die Micromeren des vierten Quartetts und die vier andern die Macromeren iA bis 4Z) darstellen. Von diesen untersten Zellen ist die Zelle id sowohl durch ihre Größe, wie auch durch ihre dunklere Farbe am meisten augenfällig. Wir bemerken schon im voraus, daß diese Zelle die Urmesoblastzelle ist. Im nächsten Stadium, so weit es uns nachzuweisen gelungen ist, besteht das Ei aus 64 Blastomeren, die sehr wahrschein- lich infolge der gleichzeitigen Teilung aller 32 Blastomeren des vorhergehenden Stadiums entstanden sind. Weiteres Zählen der Blastomeren war an unserm Materiale unmöglich und zwar sowohl wegen der Undurchsichtigkeit des Materials in vivo (oder der konservierten und aufgehellten Eier) und der Kleinheit der Eier, wie auch deswegen, daß die durch weitere Teilungen entstehenden Blastomeren sich mehr oder weniger gleichmäßig auf der Oberfläche der Eikugel verteilen und keine Anhaltspunkte liefern, die uns ermöglichen könnten zu bestimmen, welche Zellengruppen aus der Furchung bestimmter Macro- und Micromeren entstehen. Schon im 64-Zellenstadium des Eies kann man leicht konstatieren, daß die große Micromere id sich in zwei Zellen geteilt hat, die durch ihren dunkleren Ton gewöhnhch leicht zu erkennen sind (Fig. 30 if , Taf. II). In dem betreffenden Stadium unterscheiden wir also an der einen, oberen Hälfte der Eikugel kleinere Zellen — Micromeren, Produkte der Micro- meren des ersten, zweiten und dritten Quartetts, an der andern, unteren Hälfte — größere Elemente, Produkte der Teilung der Micromeren des vierten Quartetts und der Macromeren 4.4 — iD. Alle größeren Elemente der unteren Eihälfte liefern das primäre Entoderm, ausgenommen die zwei Zellen, entstanden aus der Teilung der Micromere id, Die Einbryonalontwiekhing dos Linons rubor ^lüll. 105 die die Urmesoblastzollen darstollon. Aus den kleineren Blasto- meren der oberen Eihälfte entsteht das primäre Ectoderm. Ehe wir zur weiteren Besehreibung des Entwicklungsganges unsrer Form übergehen werden, müssen wir mit einigen Worten die von uns beschriebenen Furchungsverhältnisse mit den Resultaten einiger andrer neueren Forscher in betreff der Eifurchung bei Nemertinen vergleichen. Wir erwähnten schon, daß alle älteren Forscher, wie Bakrois (2) (1877) bei Lineus obscurus, CK. Hoffmann (17) (1877) bei Tetrn- s(ema, E. Metschnikoff (30, 31) (1882) bei Lineus obscurus und 0. Bürger (5, 6) (1895) bei verschiedenen Nermertinenformen die Furchung durchwegs als eine totale und äquale beschrieben haben. Erst Lebe- DiNSKY (25), Salensky (52) (1884 bei Monopora vivipara) und Arnold (1) bei Lineus gesserensis haben nachgewiesen, daß die Furchung bei den Nemertinen eine totale aber inäquale ist und was ' die Gattung Lineus anbetrifft, so betonen wir die ganz genaue und richtige Be- obachtung Arnolds, daß im Blastulastadium das Ei aus größeren Blastomeren in einer Hälfte und aus kleineren in der andern Hälfte besteht und daß die größeren Zellen das künftige Entoderm, d. h. die -ich einstülpende Wand des Gastrulastadiums darstellen. Erst die neuesten Forscher haben nachgewiesen, daß die Eifurchung der Nemertinen zu einem Spiraltypus gehört. Coe (10) (1899) sagt sogar, daß die Furchung bei Nemertinen eine am meisten ideale Illu- stration dieses Furchungstypus darbietet, was er bei Micrura coeca nachgewiesen hat. E. B. Wilson (56) (1903) und Ch. B, Wilson (57) (1900) bei Cerebratulus lacteus, Ch. Zeleny (61) (1904) an Cerebratulus marginatus wie auch N. Yatsu (59, 60) (1904, 1907) an Cerebratulus hahen einstimmig bewiesen, daß die Eifurchung bei allen von diesen Forschern untersuchten Nemertinen nach einem Spiraltypus vor sich geht. Nach E. B. Wilson und Zeleny teilt die erste meridionale Furche das Ei des Cerebratulus in zw^ei gleiche Blastomeren ; die zweite meri- dionale Furche in vier. Im Vierzellenstadium sind also alle Blasto- meren noch von ganz gleicher Größe; eine Brechungsfurche kommt fast nicht zum Vorschein. Durch die dritte, dexiotrope Teilung ge- langen die vier Micromeren des ersten Quartetts zur Entwicklung, aber es ist für Cerebratulus sehr charakteristisch, daß hier die den Micromeren des ersten Quartetts entsprechenden vier Zellen größere Dimensionen aufweisen, als die Macromeren Li bis ID. Trotzdem bezeichnen beide Forscher die oberen, kleineren Zellen als Micromeren, und die unteren, größeren als Macromeren. W^ir sehen also, daß bis IQQ J. Nusbamn und M. Oxner, zum Achtzellenstadium die Verhältnisse bei Lineus im allgemeinen denjeni^^en bei Cerebratulus entsprechen; die Differenzen beziehen sich aber darauf, daß: 1) bei Lineus sehr oft schon die erste Furche das Ei in zwei nicht vollkommen gleiche Blastomeren teilt (in die kleinere Elastomere AB und die etwas größere CD), 2) bei Lineus sind die vier Micromeren des ersten Quartetts kleiner als die Macromeren lA bis ID. Die Bildung des 16-Zellenstadiums erfolgt bei Cerebratulus durch leiotrope Teilung aller Blastomeren des vorhergehenden Stadiums. In dieser Hinsicht finden wir wieder eine Differenz beim Vergleiche mit Lineus, da bei dieser letzteren Form zuerst ein Zehnzellenstadium und ein Zwölfzellenstadium zum Vorschein kommt. Bei der Bildung des 16-Zellenstadiums beim Cerebratulus teilen sich die Macromeren äqual und liefern nach oben und leiotrop die vier Micromeren des zweiten Quartetts, die Zellen aber des ersten Micromerenquartetts teilen sich hier etwas inäqual. Das nächste Stadium beim Cerebra- tulus ist ein 28-Zellenstadium , und es entsteht durch eine dexiotrope Teilung sämtlicher Blastonieren des vorhergehenden Stadiums mit Aus- nahme der Micromeren des zweiten Quartetts, welche in ihrer Teilung einer Verspätung unterliegen. Die durch die Teilung der Macromeren entstehenden vier Blastomeren sind Micromeren des dritten Quartetts. Die Zellen des ersten Micromerenquartetts werden dabei inäqual geteilt, die Zellen des zweiten Micromerenquartetts unterliegen im Gegenteil einer äqualen Teilung. Durch die Teilung der in der Furchung ver- späteten Micromeren des zweiten Quartetts wird wahrscheinlich bald ein 32-Zellenstadium erreicht. Die erwähnten Forscher beschreiben nicht die Bildung von Zellen des vierten Micromerenquartetts und geben keine Angaben darüber, aus welcher Quelle die Urmesoblasten entstehen. Das 32-Ze]lenstadium bei Lineus nach unsern Untersuchungen und das 32-Zellenstadium beim Cerebratulus unterscheiden sich also sehr wesentlich in ihren Bestandteilen, was aus der folgenden Tabelle zu ersehen ist. Das 32-Zellenstadium bei Lineus: AA- -4fl- ^3ai ^^ 3^2 ~^2«2" ^Ifli "^ 1 (/ 2 4:B- -4&- 361 ^362" ^261 ^262" ^162 4C- -4c- ^ 3ci ~^3c2" ^~2c2 ^ lc2 iD- -id- ^3(?i ^3(^2" ^2c^i ^2(^2- ^Ic^i ^1(^2 Die Einbrvonaloiitwickliiiifr des Liiicus nilicr Müll. 107 Das 32-Zellenstadiuin beim Ccn'hr(itiilii.'< (Wilson'. Zelenv): 'dA — 3« — < 35 — 36— < 3C— 3c— < 2«2~\l«2l_l^;22 2&i_ 1611 — 1612 262 \l^21_1^22 2ci _^ icii — lci2 2C2 ~^lc21_lc22 .2(^1 1(^11-1^12 ^^-^^-<2C;2-<1^21_1^22 Aus diesen Zusaniinenstellungen erfolgt also, daß bei Lineus eine schnellere Furchiiug am unteren, vegetativen Pole und eine stark verspätete am oberen (ectodermalen) Pole des Eies zustande kommt, wälirend beim Cerebratulus im Gegenteil eine sehnellere Furchung am oberen, ectodermalen Pole und eine verspätete am unteren, vege- tativen, entodermalen hervortritt. Wir haben schon oben hervorgehoben, daß von keinem der er- wähnten Forscher der Ursprung der Urmesoblasten aus irgendwelchen Blastomeren der frühen Entwicklungsstadien angegeben worden ist. Aber besonders interessant ist für uns die folgende Angabe E. B. Wil- sons über die Bildung des Mesoderms: "At the time the lower hemi- . sphere flattens, just before the invagination, two symmetrically placed mesoblast-cells pass into the cleavage-cavity near one end of the embrvo and from them smaller mesenchyme-cells are budded forth, without however giving rise to defiuite mesoblast-bands as in the annelid embryo." Wilson ist der Meinung, daß es wahrscheinlich ist "that they (d. h. diese zwei Zellen) do not arise from the division of a single cell, like the coeloteloblasts of the ordinary annelidian or moUuscan type, but are rather comparable to the ectomesoblast of these form or of the platode". In dieser Hinsicht sind wir mit E. B. Wilson nicht im Einklänge, da nach unsern Untersuchungen die zwei Urmeso- blasten eben aus der Teilung einer einzigen Zelle hervorgehen, welche von Micromeren des vierten Quartetts zum primären Entoderm zugerechnet werden müssen, abstanmit. Bei dieser Gelegenheit, wozu wir noch später zurückkehren werden, müssen wir bemerken, daß auch Salensky zwei Urmesoblasten im Gastrulastadium bei 3Io7iopora, Lebedinsky (1897) aber bei Drepanophorus spectahilis und Tetrastemma vermiculus vier svmmetrisch gelagerte >>Urmesodermzellen <<, zwei vordere und zwei hintere, von denen vier Mesodermstreifen, entstehen sollen, beschrieben haben. Nach Coe ent'^teht das Mesoderm bei Micrura coeca 108 J- Nusbaum und M. Oxner, sehr wahrscheinlich aus zwei Quellen: aus großen hinteren Polzellen, welche denjenigen der Anneliden entsprechen sollen (Urmesoblasten, Mesoteloblasten) und aus Entodermzellen. Es ist für uns sehr inter- essant, daß CoE in der Blastula von Cerehratulus marginatus eine ein- zige primitive Urmesodermzelle beschreibt und abbildet, welche eben- falls, seiner Meinung nach, einer solchen Zelle bei den Anneliden- embryonen entspricht. Nach Aknold erscheinen die beiden Urmeso- dermzellen bei Lineus ohscurus erst im Gastrulastadium symmetrisch zu beiden Seiten des Blastopors, während Hubrecht das Mesoderm bei dieser Species noch in unbestimmterer Art und Weise entstehen läßt, und zwar sowohl aus dem primären Ectoderm, wie auch aus Entoderm in Gestalt von zahlreichen mesenchymähnlichen Zellen, die in das Blastocöl einwandern. Die Angaben derjenigen Autoren, die den Furchungsgang nicht näher studiert haben (Barrois, Metsch- NiKOFF, Hübrecht, Arisjold, Salensky, Lebedinsky), sind für uns überhaupt von einem geringeren "Wert als Vergleichsdata. Weitere Schicksale der Urmesodermzellen werden wir unten besprechen. IV. Über einige Abnormitäten in der Furchung. Wir sahen oben, daß die Furchung bei Lineus ruber nach einem Spiralen Typus, mehr oder weniger nach fixen Regeln verläuft, obwohl sich hier nicht unwesentliche Schwankungen beobachten lassen, die jedoch nicht als anormale bezeichnet werden können. Aber außer diesen Schwankungen lassen sich auch bedeutendere Abweichungen vom gewöhnlichen Furchungstypus konstatieren, die ohne Zweifel als ganz anormale, als pathologische gelten müssen, weil sie gewöhnlich zur Fragraentation des Eies in zahlreiche sehr kleine Elemente und endlich zum Absterben derselben führen. In einer andern Arbeit (1913), über die Diovogonie bei Lineus ruber, haben wir (41) nachgewiesen, daß es infolge einer nicht vollkom- menen Entwicklung von interovären Scheidewänden im Ovar (eventuell in den schon herausgetretenen Eikölbchen) sehr oft zur Verschmelzung von zwei benachbarten Eiern kommt, aus welchen ein lliesenembryo entsteht. Wenn aber mehr als zwei Eier zusammenschmelzen, kommt es zu keiner Regulation, wobei die Furchung höchst anormal verlaufen kann, sich in eine Art Eifragmentation verwandelt und zum Absterben dieser komplexen Eier führt. In solchen Fällen ist uns also die Ur- sache der anormalen Eifurchung oder besser gesagt, Eizerklüftung klar; mechanische Gründe verhindern die zusammengeklebten oder Dio Kinljrvonal(Mit\viclne()l»aclitun<:,en Ahnold.s bestätigen, da nach uns ilie AK'soderinanliäulungen i>, sagt Barrois, <<]c bourrelet saillant qui se soulcve sur le pour- tour de la deprcssion ne se developpe plus avec la meme regularite que nous venons de decrire: deux modifications concernant 1) le niode de fernieture, 2) lastructure du bourrelet saillant qui s'etend au dessus de la ilepression, viennent alterer la niarche des phenomenes: 1) Les bords des depressions ne se soulevent plus d'unc nianiere uniforme sur toute la circonference, mais ne donnent naissance au bourrelet saillant que sur Tune de leurs moities; le bourrelet a ici la forme d'un demi-cercle qui entoure la depression d'un seul cote ... 2) La se- conde niodification . . . a rapport a la structure de ce bourrelet. Au debut, le bourrelet resulte d'un soulevenient des bords de la de- pression; il est donc conipose de deux lames cellulaires adossees l'une a l'autre . . . niais bientot cette structure disparait, et Ton ne re- trouve plus au-dessus de la cavite qu'une seule lame cellulaire . . . Le feuillet superieur . . . par suite de son accroissement beaucoup [)lus rapide . . . se detache du feuillet inferieur, chevouche au-dessus de lui, et s'etend au-dessus de la depression ... La plaque cel- lulaire invaginee n'est plus recouverte . . . que par l'exoderme; le leuillet qui tapissait la face interne de cette portion de l'exoderme ( — l'amnios chez le Pilidium — ) manque ici d'une maniere complete. » Dieser sehr interessanten Beobachtung Barrois', aus welcher hervorgeht, daß wenigstens in den allerersten Entwicklungsstadien der Keinischeiben wirklich eine Art Invagination und zwar an der einen Seite der Keimscheibenanlage zustande kommt, wurde von Hubrecht sehr wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Er nennt die von Barrois beschriebene Einstülpung >)schijnbare instulping« und obwohl Hu- urecht (19) im Gegensatz zu Barrois die betreffenden Verhältnisse an Schnitten studiert hat, hat er merkwürdigerweise die Amnionbil- dung vollkonnnen übersehen und beschrieb die Keimscheibenbildung als eine Art einfacher Versenkung eines Teiles des primären Ectoderms, der mit benachbarten Teilen des Ectoderms jeden Zusammenhang verliert und vom primären Ectoderm nachträglich überwuchert wird. Diese, wie wir bald sehen werden, vollkommen falsche Beschreibung und Aniuihme Hubrechts, wurde von allen späteren Forschern ange- nf)niinen und man betrachtete seither, daß zwischen der Bildung der vier Keimscheiben beim Pilidium einerseits und bei der DESORschen Larve anderseits eine wichtige Differenz vorhanden ist, die darin be- 120 J- Nusbauni und M. Oxiier, steht, daß es beim Pilidium zur wahren Einstülpung und Amnionbildung kommt, bei der DESORschen Larve dagegen weder die erstere noch die letztere hervortritt. Bürger (6) sagt in seiner Monographie (1895): »Diese Bildungen (d. h. die Keimscheiben) nehmen hier (bei der DESOR- schen Larve) in andrer Weise als beim Pilidium vom Larvenectoderm ihren Ursprung, es bleibt nämlich die Bildung eines Amnions aus.« Eine wichtige Entdeckung in betreff der Entwicklungsweise der Keimscheiben verdanken wir Arnold (1). Dieser Verfasser hat be- deutend die Angaben von Barrois erweitert. Er beschreibt bei Lineus gesserensis, daß zuerst eine seichte Einsenkung in der Mitte der Keini- scheibe zustande kommt und dann >>an einem Rande die Scheibe unter den Rand des benachbarten Ectoderms sich verschiebt« und »einer- seits liegt die Scheibe etwa dem Ectoderm an, anderseits wächst sie unter dasselbe, indem sie die benachbarten Zellen mitzieht, die sich stark dabei verlängern und verschmälern. Dies geschieht nicht nur im ersten Moment des Scheiben Wachstums, sondern auch später, bis die äußere Öffnung geschlossen wird«. Auf diese Weise kommt es nach Arnold zur Bildung eines Amnions, dessen Zellen sich dann infolge des weiteren Wachstums der Scheibe voneinandertrennen. >>Somit, « sagt Arnold, »existiert hier die Anlage des Amnions so wie beim Pilidium, aber es kommt nicht zum Zusammenwachsen aller vier Anlagen und nur in diesem Sinne können wir sagen, daß kein Amnion bei der DESORschen Larve vorhanden ist.« Unsre Untersuchungen sind in vollem Einklänge mit denjenigen Arnolds. In allen vier Scheiben haben wir die Bildung des Amnions auf das deutlichste gesehen und wir können die An- gaben Arnolds noch mit einigen neuen Einzelheiten vervollständigen. Die erste Anlage einer jeden Scheibe erscheint als eine Verdickung des primären Ectoderms, wo die Zellen höher werden. Dann erfolgt bald eine Versenkung in der Mitte der Scheibe. Während am ventralen Rande einer jeden Scheibe die Zellen derselben direkt in das umgebende Ectoderm übergehen, sehen wir am dorsalen Rande der Scheibe, daß sehr früh einige Zellen des umgebenden Ectoderms die Scheibe selbst überwuchern. Diese Überwucherung ist in Fig. 50 links zu sehen; wir erbhcken hier Kerne von zwei etwas abgeplatteten Zellen, die den oberen Rand der Scheibe von außen überwuchern. Bisher gibt es noch keine Einstülpung. Bald aber wächst dieser dorsale Rand über die Keirascheibe gegen den ventralen Rand derselben, so daß es zur Bildung einer sichelförmigen Falte kommt, die aus zwei Zellen- Die Enibryonalentwicklung des Lincus ruber Müll. 121 schichten besteht: einer äußeren, welche in das umgebende Ectoderm und einer inneren, welche in die versenkte Scheibe übergeht. Die betreffenden Verliältnisse sehen wir in Fig. 51 rechts, Taf. V. Den Zusanimeiüiang der Scheibe mit dem umgebenden Ectoderm sahen wir, ebenso wie Arnold, bis zum Verschkiß der äußeren Öffnung. Diese letztere führt in eine abgeplattete Höhle hinein, begrenzt von der versenkten Scheibe und der inneren Schicht der Falte. Die äußere Öffnung hat zuerst eine sichelförmige Gestalt und sie schließt sich auf die Weise, daß zuerst die seitlichen Abschnitte zum Verschluß ge- langen und erst am Ende — die mittlere Partie. Wenn wir z. B. einige Schnitte weiter nach vorn oder nach hinten von derjenigen Stelle, die in Fig. 51 dargestellt ist, betrachten, so sehen wir, daß es hier schon zum Verschluß der Öffnung und zur Bildung eines Amnions gekommen ist; wir sehen das in Fig. 52, während in der Mitte (Fig. 51) die Öffnung noch offen ist. Sehr bald aber erfolgt der Verschluß der äußeren Öffnung auch in der Mitte, wobei es zu einem sehr raschen Wachstum der Scheibe kommt, weshalb die Amnionzellenschicht stark ausge- zogen wird. Die Scheibe wächst nämlich rascher gegen die Dorsal- seite, wo sich die Falte zuerst gebildet hat, weshalb die Amnionzellen rascher gegen die Dorsalseite als ventralwärts ausgezogen werden. Ein interessantes Stadium sehen wir in dieser Hinsicht in Fig. 53. Der Embryo war etwas älter als derjenige, dem die Fig. 51 und 52 entstammten. Wir sehen hier (Fig. 53), daß ventralwärts i die Scheibe in höhere Zellen des Amnions übergeht; dorsalwärts aber sind die Zellen der Amnionschicht stark abgeplattet und ausgezogen. In späteren Entwicklungsstadien, infolge des weiteren starken Wachstums der Scheiben, kommt es zur noch größeren Abplattung der Amnionzellen, die schon sehr ausgezogen und niedrig werden und voneinander sich abzutrennen beginnen, wie es in Fig. 61,62 (Tai. VI), 55, 56 u. A (Taf. V) zu sehen ist. In späteren Entwicklungsstadien besteht oft das Amnion aus einer Plasmaschicht mit einer sehr geringen Anzahl von darin eingebetteten Kernen, wie es in Fig. 64 zu sehen ist; die Zellengrenzen sind unbemerkbar. In andern Fällen zerfällt das Ani- niongewebe in einzelne Zellen. Das primäre Ectoderm, welches außer- halb des Amnions übrig bleibt und eine provisorische Hülle bildet, kann als Serosa bezeichnet werden (Analogie mit Insektenembryonen). Wir müssen hier noch eine wichtige Tatsache erörtern. Im Ka- pitel über die Mesodermentwicklung haben wir hervorgehoben, daß * Der ventrale Scheibenrand i«t in Fig. 53 nach oben gerichtet und vice versa. 122 J- Nusbaum und M. Oxner, nach Hubrechts Untersuchungen das primäre Bctoderm an der ganzen Oberfläche des Embryos sehr zahlreiche Wanderzellen liefert, die in die primäre Leibeshöhle wandern und samt den , dem Entoderm ent- stammenden Zellen Mesodermelemente bilden. Die Beobachtung Hubrechts, daß das primäre Ectoderm viele einzelne Zellen ent- stehen läßt, ist zutreffend, aber die Deutung dieser Tatsache ist falsch, da die Zellen nach unsern Untersuchungen außerhalb des Tierkörpers verbleiben oder wenigstens keine aktive Rolle in der Bildung irgendwelcher Organe oder Gewebe des Tieres spielen, vielmehr endlich samt dem primären Ectoderm zugrunde gehen. Und zwar trennen sich in frü- heren Entwicklungsstadien diese Zellen vom primären Ectoderm vorzugsweise an denjenigen Stellen ab, wo es zur Bildung der Scheiben kommt, und sie bleiben außer- halb des Amnions liegen, indem sie endlich samt diesem letzteren zugrunde gehen. Auch diejenigen Zellen, die sich vor der Bildung der Scheiben vom primären Ectoderm abtrennen, bleiben in nächster Nachbarschaft ihrer Bildungsstätte, dem primären Ectoderm innig angeschmiegt, um dann zu gründe zu gehen. Wir sehen z. B. einige solche Zellen außerhalb des Amnions in Fig. 53, 55, 56, 63 (Taf. V u. VI). Es ist sehr wahrscheinhch, daß auch Hubrecht an seinen Präparaten die Amnionzellen gesehen hat, die- selben aber, da sie andern, vom Ectoderm sich abtrennenden Zellen dicht anliegen, als »Mesenchymzellen << ectodermalen Ursprungs ge- deutet hat. Es ist auch interessant, daß manchmal ganze Partien von Ectodermzellen abgetrennt werden, sich ein wenig vertiefen und somit auf der Höhe der Keimscheiben selbst zu liegen kommen, aber immer mehr oder weniger deutliche Spuren einer Involution auf- weisen; gewöhnlich stellen sie dann nur eine Plasmaschicht mit darin zerstreuten Kernen dar. Wir sehen eine solche vom primären Ectoderm (oder Serosa) abgetrennte Plasmapartie (* *) mit einigen Kernen in Fig. 63 (Taf. VI) ; solche Bildungen bleiben aber immer außerhalb des sekundären Ectoderms und gehen dann zugrunde. Wir werden unten sehen, daß zwar eine Anzahl von Zellen des primären Ectoderms in den Embryoleib durch die Spalten zwischen den Keimscheiben hineindringt, hier aber ebenfalls zugrunde geht. Außer den zwei Paaren von Keimscheiben, die an der ventralen Seite des Embryos vor und hinter dem Blastoporus liegen, nimmt bekanntlicherweise an der Bildung der Körperwand des Wurmes im DESORschen Typus noch eine unpaare Dorsalscheibe Anteil, Die Enibryonalentwicklung des Lincus ruber Müll. 123 welclie zuerst von Hubrecht bei Lineus obscurus beschrieben und Uiickcnia inci le (»luuplaa t<<) bezeichnet worden ist. Dieselbe bildet die Rückenwand der Neniertine.Man war lan<,^e Zeit der Ansicht, daß das Vorhandensein der Rückenlanielle oder, wie wir sie mit Sa- LENSKY bezeichnen werden, der Rückenscheibe, eine Eigentüm- hchkeit der aus der DESORscheii Larve sich entwickelnden Nemertinen ist und daß sie beim PiUdmm gar niclit vorkommt. Arnold war der Meinung, daß die Rückenscheibe eine >>Ncu- bildung in der phyletischen Entwicklung« derjenigen Nemertinen darstellt, welche sich aus der DESORschen Larve entwickeln. Was die Art und Weise der Entstehung der Rüekenscheibe an- belangt, so bestätigt Arnold in allen Einzelheiten die Beobachtungen Hubrechts. Sie bildet sich etwas später als die paarigen Scheiben und nach dem Typus einer Dela mination. Die Delamination beginnt in der Mitte und schreitet dann gegen die Peripherie fort; es entsteht eine einschichtige Lamelle, die dem primären Ectoderm anliegt und von dem sie sich dann abhebt, zuerst in der Mitte und dann auch an den Rändern, wo der Delaminationsprozeß noch am längsten fortbesteht. Es schien also sicher zu sein, daß die Rückenscheibe eine nur der DESORschen Larve eigentümliche Bildung sei und daß sie sich von den paarigen Keimscheiben sowohl des Püidiums wie auch der DESORschen Larve dadurch unterscheidet, daß sie immer einschichtig ist und weder ein Amnion noch eine Amnionhöhle besitzt, indem sie durch eine ein- fache Delamination entsteht. Nun aber haben die wichtigen neuesten Untersuchungen Salenskys (1912) nachgewiesen, daß auch beim Pilidium die Rückenscheibe auftritt, wobei sie ebenfalls wie bei der DESORschen Larve »nicht in Form der Ectodermeinstülpung, sondern in Form einer Ectodermverdickung erscheint«; nachträglich aber differenziert sie sich im Gegensatz zur Rückenscheibe der DesorscIicu Larve, die immer einschichtig (nach den bisherigen Untersuchungen) sein soll, in zwei Schichten, von welchen die äußere als Amnion funk- tioniert. Salensky ist der Meinung, daß die Anlage der Rücken- scheibe des Pilidium einschichtig ist, und daß »die Scheidung der Anlage in zwei Schichten erst in der späteren Entwicklungsperiode zustande kommt. << Wir haben diese interessanten Untersuchungen Salenskys an- geführt, weil sie mit unsern Beobachtungen in betreff des Verhaltens der Rückenscheibe bei der DESORschen Larve des Lineus ruber im schönsten Einklänge bleiben — ein neuer wichtiger Beweis, daß zwi- schen der Entwicklung vermittels der freien Pilidium-LavYe und der- 124 J- Nusbaum und M. Oxner, jenigen nach dein DESORschen Typus keine wesentlichen Unterschiede vorhanden sind. Bei beiden Formen existiert also die Rücken- scheibe und wie wir bald sehen werden, bei beiden Formen ent- steht sie durch eine Art Uelamination und trotzdem diffe- renziert sie sich in eine bleibende innere Schicht und in eine provisorische Amnionschicht ! Die Entwicklung der Rückenscheibe vollzieht sich nach unsern Untersuchungen folgender- maßen: Es bildet sich hinten an der Rückenseite des Embryos, ein wenig später nach dem ersten Erscheinen der paarigen, ventralen Scheibenanlagen, eine kleine Ectodermverdickung, die sich in situ in zwei Schichten differenziert: in eine äußere und innere, wobei wir die Beobachtung Arnolds bestätigen, daß diese Differenzierung und Scheidung beider Schichten zuerst in der Mitte zustande konnnt und erst dann gegen die Peripherie vorschreitet. Ehe aber noch die innere Schicht sich vollkommen von der äußeren, d. h. von dem primären Ectoderm abtrennt, beginnen sich die Zellen dieser inneren Schicht hier und da zu teilen und so kommt es zum Zerfall der inneren Schicht ebenfalls in zwei sekundäre Schichten, von welchen die innere aus hohen Zellen besteht und die eigentliche Keimscheibe als einen lokalisierten Teil des sekundären Ectoderms darstellt, während die äußere aus sehr abge- platteten und in geringerer Anzahl hervortretenden Zellen besteht, die die Amnionschicht bilden. Im weiteren Verlauf der Entwicklung hebt sich diese äußere Amnionschicht von der inneren ab, legt sieh inniger dem sekundären Ectoderm an und bleibt nur an der Peripherie mit der inneren in Ver- bindung, wobei eine ansehnliche Amnionhöhle entsteht. Das weitere Schicksal dieser Amnionschicht ist dasselbe, wie dasjenige der paarigen Keimscheiben, d. h. sie geht samt dem primären Ectoderm zugrunde. Wir halten es für überflüssig, die ersten Stadien der Entwicklung der Rückenscheibe durch Abbildungen hier zu erläutern, da dieselbe durch die betreffenden Abbildungen in der Arbeit von Hubrecht, wie auch in Arnolds Arbeit ganz zutreffend dargestellt worden ist. Wir geben hier deshalb nur Abbildungen derjenigen Stadien, in welchen die Amnionschicht (A) der Rückenscheibe (DS) sehr schön entwickelt ist und wo zwischen beiden Schichten eine Amnionhöhle vorhanden ist, wie wir es nändich in Fig. 55 und 5G (Taf. V) erblicken können. Wir sehen also, daß in der Entwicklung der paarigen ventralen und der un paaren dorsalen Scheiben einerseits bei der Pilidium-harve und anderseits bei der ÜESORschen Larve eine vollkommene und Die Einbryoiiak'iitwickluiig des LiiuniH riihcr Müll. 125 ;uii;t'iif;illiji;e Übercinstimniuiiij; vorhanden ist, was auf eine sehr luilio Verwandschaft der betreffenden Formen hinweist und dafür sprii'ht, daß die eine Entwirkhm«j;sf()rin nur eine nicht wesentliche Modifikation der andern (hirstellt und zwar selbstverständHch, daß die ÜESORsche Larve eine nur verkürzte Entwicklungsmodifikation der freien Pilidium-haTve ist. Bei dieser Gelegenheit möchten wir hier noch die folgende Be- merkung machen : Die lose ins Wasser abgelegten Eier des eine Pilidium-Jj&rvc be- sitzenden Lineus lacteus sind mehr als zehnmal kleiner als diejenigen von L. ruber, dessen Eier sehr dotterreich sind. Da die Eier des L. lacteus so ungemein dotterarm sind, so kommt es natürlich sehr rasch zur Ausbildung der freischwimmenden Pilidium-haTve, welche dem Mangel an Material zur weiteren Entwicklung (zur Metamorphose) durch aktiven Nahrungserwerb auf eigne Faust abhilft. Die in dicken Schleimschnüren eingeschlossenen dotterreichen Eier von L. ruber entwickeln sich viel langsamer, da sie die große Menge von Dotter bewältigen und umarbeiten müssen. Diese Umarbeitung auf phago- cytotischem Wege dauert länger als die Verdauung im Darm (bei der Pilidium-Liirve des L. lacteus). In der DESORschen Larve bilden sich keine speziellen Organe für die Fortbewegung aus, da die im Eikölb- chen oder besser gesagt, in der »Serosa« des Embryos eingeschlossene DESORsche Larve nur um sich selbst rotiert. In einem gewissen Stadium (nachdem die Serosa gänzlich von dem schon überall geschlossenen Embryo abgetrennt ist) kann man die biologisch höchst merkwürdige Erscheinung bemerken : die Endjryohaut mit Wimpern versehen rotiert langsam um sich selbst und die im Innern eingeschlossene Larve oder sogar schon das kleine Tierchen rotiert ebenfalls selbständig ! Es sind hier also, sozusagen, zeitweise zwei lebendige, ineinander eingeschach- telte Organismen zu unterscheiden ! Außer den beschriebenen fünf Derivaten des primären Ectoderms, d. h. der vorderen und hinteren ventralen Paare von Keimscheiben oder den Kopfscheiben und Rumpfscheiben und der unpaaren Dorsal- scheibe erscheinen noch bekanntlich in der Entwicklung der Desor- schen Larve, wie auch der Pilidium-Larvc : 1) eine unpaare Anlage des Rüssels und 2) die paarigen Anlagen der Cerebralorgane, welche ebenfalls als frühe Differenzierungen des primären Ectoderms zum Vorschein kommen. Was zuerst die paarigen Anlagen der Cerebralorgane an- belangt, so können wir die betreffenden Beobachtungen Hubrechts 126 J- Nusbaum und M. Oxner, im allgemeinen bestätigen. Diese Anlagen entstellen aus dem primären Ectoderm beiderseits des Blastoporus an der Ventralfläche des Embryos zwischen den Kopfscheiben einerseits (nach vorn) und den Eumpf- scheiben anderseits (nach hinten). Die Cerebralscheiben, wie wir dieselben bezeichnen werden, erscheinen zuerst als rundliche, scheibenförmige Ver- dickungen des primären Ectoderms, aus einer Schicht von hohen cylindrischen Epithelzellen bestehend. Bald vertieft sich jede Scheibe in der Mitte, wie wir es in Fig. 54 (Taf. V) von beiden Seiten des Blastopors sehen. An Horizontalschnitten erblickt man jedoch, daß diese Vertiefungen nicht ganz symmetrisch sind, vielmehr sich so gestalten, daß der vordere Rand einer jeden Vertiefung etwas stärker nach außen hinausragt als der hintere, so daß das blinde Ende der Vertiefung nach innen und nach vorn gerichtet ist, wie wir es in Fig. 57 links (Taf. V, CS) sehen können, die einen fast horizontalen, aber dabei einen etwas schiefen Längsschnitt durch den Embryo darstellt, infolgedessen links die Cerebralscheibe zu sehen ist, während an der rechten Seite eine entsprechende Scheibe erst an andern benachbarten, aus der mehr ventralen Korperregion stam- menden Schnitten derselben Serie zu findoi ist. In Fig. 58 (Taf. VI) sehen wir rechts die ganze Cerebralscheibe {CS), links aber nur einen kleinen Teil (CS) derselben. In beiden Schnitten erblicken wir außer- dem die beiden präoralen {KS) und die beiden postoralen (RS) ven- tralen Keimscheiben (Kopf- und Rumpf Scheiben). Während in allen diesen vier Scheiben eine Amnionschicht gut entwickelt ist, sehen wir in den Cerebralscheiben keine solche Schicht; hier kommt sie über- haupt gar nicht zur Entwickhmg, wir können aber als eine reduzierte Anlage derselben eben die erwähnte kleine Falte ansehen, die am vorderen Rande der Scheibe zum Vorschein gelangt (Fig. 57, Taf. V, links), weil eine ähnliche Falte, stärker entwickelt und sich vergrößernd, zur Bildung der Amnionhöhle und des Amnions in den Kopf- und Rumpfscheiben führt, wie wir es oben gesehen haben. Eine wichtige weitere Veränderung oder richtiger gesagt Ver- lagerung der Cerebralscheiben beruht auf Folgendem. Anfangs liegen die Scheiben beiderseits des Blastopors. Etwas später, wahr- scheinlich infolge eines stärkeren Wachstums nach hinten, verlagern sich die Cerebralscheiben etwas gegen den hinteren Rand des Blastoporus. Außerdem aber, da eine Vertiefung des primären Ectoderms gegen das Prostoma, d.h. eine sekundäre Einstülpung zustande kommt (infolgedessen das Prostojna tiefer ver- Die Embryonalcntwickliiiig des Liiidis ruher Müll. 127 lauert wiixl, wie wir es nocli weiter unten niilier darstellen werden), so werden die beiden Cerebralsclieiben etwas in die Tiefe mit- gezogen^ weshalb man einen Eindruck erhalten kann, als ob sie mit dem Anfangsteile des embryonalen Schlundes kommunizieren, was jedocli nur eine Täuschung ist. Wir müssen hier gleich betonen, daß d\o Cerebralsclieiben im Zustande dieser Verlagerung keineswegs von uns mit den Ausstülpungen des embryonalen Schlundes, die als Nieren- anlagen gedeutet werden (Hubrecht, Salensky usw.), verwechselt worden sind, da diese zuletzt erwähnten Bildungen erst etwas später zum Vorschein kommen, von uns ebenfalls gefunden und abgebildet worden sind, wie wir es weiter unten näher erörtern werden. Die obenerwähnte Verlagerung der Cerebralscheiben ist aus den Fig. 65, 66, 67 ersichtlich, besonders wenn man dieselben (vor allem die Fig. 67) mit der Fig. 54 vergleicht. In Fig. 54 (Taf. V) liegen die beiden Cerebralscheiben ventral zu beiden Seiten des Blastoporus, aber in einer gewissen Entfernung von demselben; in Fig. 67 (Taf. VI) liegen sie schon beiderseits des Blastopors, aber schon sehr dicht da- neben und ihre Wand geht direkt in diejenige des embryonalen Schlundes über. Links sehen wir die Öffnung der Scheibe, die sich schon stärker vertieft hat und einen BHndsack bildet; rechts ist der Bhndsack etwas tiefer durchgeschnitten worden, so daß die äußere Öffnung nicht zu sehen ist. Wenn wir einige Schnitte derselben Serie etwas nach hinten vt)n dein Schnitte Fig. 67 betrachten, so sehen wir (Fig. 65, 66, Taf. V), daß die beiden Cerebralscheibensäcke etwas nach hinten von der hier schon verengten Mundöffnung liegen und daß ihre äußeren Öff- nungen gegeneinander gerichtet sind. Wir müssen hier bemerken, daß auch Hubrecht (1885) eine ähnliche Verlagerung in seinen Fig. 23 und 35—42 abgebildet hat, weil in Fig. z.B. 23, 35, 37 die beiden Cerebralscheibenaidagen -(bezeichnet durch q) ganz oberflächlich beider- seits des Blastopors liegen, in Fig. 42 dagegen mehr in die Tiefe gerückt sind, so daß sie einen Eindruck machen, als wären sie Ausstülpungen des embryonalen Schlundes, ganz in ähnlicher Weise, wie in unsrer Fig. 67 oder 55. Hubrecht legt aber keinen besonderen Nachdruck auf diese Verlagerung, die, unsrer Meinung nach, mit einer sekundären Weitereinstülpung am Blastopor im innigen Zusannnenhange bleibt. Die äußeren Öffnungen der beiden Säekchen bilden später die äußeren Mündungen der Cerebralkanäle der Cerebralorgane, die sich aus den vertieften Abschnitten der Einstülpungen entwickeln. Die Entwicklungsweise der Anlagen der Cerebrak)rgane, wie sie von uns dargestellt worden ist, entspricht also ebenfalls, wie die 128 J« Nusbauiu und M. Oxner, Entstehung andrer Derivate des primären Ectodernis, den Verhält- nissen beim Pilidium, besonders nach den neuesten Untersuchungen Salenskys (1912). Die unten angeführten Worte Salenskys über das Verhältnis der erwähnten Anlagen zum embryonalen Oesophagus, Worte, die sich auf das Pilidium beziehen, können ohne Veränderung auch in bezug auf die DESORsche Larve widerholt werden. Salensky sagt nämlich: »Wenn man totale Präparate zur Ansicht bekommt . . . so könnte man leicht die Cerebralscheiben für die ösophagealen Aus- stülpungen halten . . . wie es in der Tat von Metschnikoff getan wurde. Aus der Untersuchung der Schnitte kann man sich aber leicht überzeugen, daß diese Cerebralscheiben keine Ausstülpungen des Oesophagus sind und daß ihre scheinbare Beziehung zu dem Oeso- phagus nur eine Täuschung darstellt, welche dadurch bedingt ist, daß sie der Oesophagus wand sehr nahe liegen. Die sogenannten ösopha- gealen Ausstülpungen — welche eigentlich auch die ectodermalen Einstülpungen sind — aus denen Bürger die Nephridien ableitet, treten später auf, nachdem die Cerebralscheiben sich vom Ectoderm abgetrennt haben und zwischen dem Oesophagus und den Cerebral- scheiben liegen.« Wir haben diesen Passus aus der Arbeit Salenskys wörtlich angeführt, da der Inhalt desselben vollkommen mit unsern diesbezüglichen Beobachtungen bei Lineus ruber übereinstimmt. Wir können aber sicher annehmen, daß auch beim Pilidium infolge einer sekundären Vertiefung, etwa Nacheinstülpung des primären Ectoderms gegen das Prostoma, die Cerebralscheiben etwas tiefer mitgezogen werden und inniger mit dem embryonalen Schlünde zusammenhängend sich darstellen, ganz auf dieselbe Weise, wie wir es bei der DESORschen Larve beobachtet haben. Das letzte Produkt des primären Ectoderms, welches zur Bildungen derselben Kategorie wie die Keimscheiben und die Cerebralscheiben angerechnet werden muß, ist die Russe Ischeibe, welche eine Anlage des Rüssels bildet. Hubrecht (19) und Arnold (1) haben für die Bildung des Rüssels eine ganz specielle Anlage als Produkt des primären Ectoderms be- schrieben, die vorn zwischen den miteinander noch nicht verbundenen Kopfscheiben hervortritt und erst sekundär mit diesen Scheiben in Verbindung tritt. Wir müssen hier bemerken, daß Bürger (1895) bei einem Pilidium den Rüssel sich aus einer speziellen Anlage des pri- mären Ectoderms bilden gesehen hat und er war in dieser Hinsicht nicht im Einklang mit Metschnikoff (1869) und Salensky (1886), die die Entwicklung der Rüsselanlage beim Pilidium nicht aus dem Die Embryonalcntwickluug des Lineas ruher Müll. 129 priinäreii Ectodenn, sondern aus dem sekundären, und zwar aus dem Mittelteile der sich vorn miteinander verbindenden Kopfscheiben ab- geleitet haben. Salensky hat in seiner neuesten Arbeit (1912) den- selben Standpunkt in dieser Hinsicht angenommen. Die Stelle, >>wo die zwei convexen Keinisclieiben sich vorn miteinander berühren, bietet den Ausgangspunkt für die Bildung des Rüssels, bzw. des epi- thelialen Teiles desselben dar<<. Nach Arnold entsteht die erste An- lage des Rüssels bei der DESORschen Larve {L. gesserensis), wie er- wähnt, ganz selbständig aus dem primären Ectoderm und zwar nicht durch eine Einstülpung, sondern durch eine Abspaltung, so wie es auch Hubrecht angenommen hat. Unsre Beobachtungen über die früheste Anlage des Rüssels stimmen vollkommen mit denen dieser beiden Autoren, weshalb wir uns nur sehr kurz mit dieser Frage beschäftigen werden. Wir fanden eine selbständige, winzig kleine Anlage der Rüsselscheibe ganz vorn im primären Ectoderm zwischen den vorn noch nicht vereinzelten Kopf- scheiben. Nach der Vereinigung derselben wird die Rüsselscheibe, die sich durch eine Art Delamination von dem primären Ectoderm abspaltet, viel deutlicher und besteht aus einer Schicht hoher, cylin- drischer Epithelzellen, wobei in der Mitte der Scheibe eine kleine Ver- tiefung zum Vorschein kommt. Eine irgendwelche Amnionbildung tritt hier nicht hervor. In Fig. 61 (Taf. VI) sehen wir zwischen den beiderseitigen Kopfscheiben die inmitten liegende Rüsselscheibe; während in den beiden Kopfscheiben die Amnionschicht in diesem Stadium, als eine äußerst dünne Hülle, sehr schön zu sehen ist, ist eine solche Schicht in der Rüsselscheibe nicht zu finden. In späteren Stadien vertieft sich die Rüsselscheibe sehr stark in Gestalt einer cy- linderförmigen Einstülpung in der Richtung nach innen und rück- wärts, indem sie somit die epitheliale Rüsselröhre bildet (vgl. die Mikrophotographie Fig. 79, links Taf. VIII). Schon in frühen Stadien, in Fig. 61, sehen wir einige Mesoderm- zellen von innen der Rüsselscheibe anliegen, welche dann die meso- dermalen Elemente des Rüssels wie auch die Wand des Rhynchocöloms bilden, wie wir es noch unten bei der Betrachtung der Organogenese sehen werden. Das Rhynchödäum, d. h. die Röhre, die von der InsertioUvS- stelle des vorderen Endes des Rüssels an die Rhynchocölomwand bis zur äußeren Öffnung reicht, entsteht erst in späteren Entwicklungs- ßtadien durch eine nachträgliche Vertiefung der Rüsseleinstülpung. Wir sehen das Rhynchödäum, z. B. in Mikrophot. 80, Taf. VIII, aus- gebildet. Zeitsclirift f. wisseiisch. Zoologie. CVII. Bd. 9 130 J- Nusbaum und M. Oxner, Es bleibt uns noch die gegenseitige Verljindung der Keinischeiben zu betrachten, ehe wir zur Entwicklung der einzelnen Organe über- gehen. — VIII. Die Verbindung der Keimscheiben. Die gegenseitige Verbindung der Keimscheiben erfolgt in frühem Entwicklungsstadium, in welchem dieselben noch einschichtige epi- theliale Bildungen darstellen, mit dichtanliegenden Mesodermzellen an der inneren Oberfläche. Zuerst erfolgt die Verbindung der beiden Kopfscheiben, namentlich so, daß sie am schnellsten median am vorderen Ende und etwas oben zustande kommt und zwar durch die Vermittelung der Rüsselscheibe. In Fig. 61 sahen wir schon die beiden Kopfscheiben mit dieser letzteren, welche median liegt, in Verbindung. Die weitere Verbindung schreitet in der Richtung nach oben und nach unten, d. h. dorsalwärts wie auch ventral- wärts und hinterwärts vor, wobei am längsten am ventralen und hin- teren Rande die Scheiben noch nicht zusammengeschmolzen sind. Es ist dabei hervorzuheben, daß die beiden Scheiben sich zuerst stärker in der Richtung gegen die Bauchseite und nach hinten, als dorsalwärts verbreiten. Da die beiden Kopfscheiben in der Mitte dicker und an den Rändern dünner sind, so sieht man (an Horizontalschnitten) eine gewisse Zeit nach der Verbindung der medialen Ränder beider Keim- scheiben, unterhalb der Rüsselscheibe, eine charakteristische mediane Verengung, wo seichte Rinnen an der äußeren und inneren Ober- fläche median längs der Verbindungslinie beider Keimscheiben ver- laufen, wie es in Fig. 57, 58 zu sehen ist. In den ein wenig weiter vorgeschrittenen Stadien, z. B. in Fig. 60, 63 ist diese Rinne nur an der inneren Oberfläche stark ausgesprochen; die Stelle, wo die Rinne verläuft, ist durch * bezeichnet. Was die Cerebralscheiben anbelangt, so konstatierten wir, daß bei der DESORschen Larve dieselben, ebenso wie beim Pilidium nach den Untersuchungen von Salensky (1912), zuerst mit dem Vorderrande der entsprechenden Rumpfscheibe verwachsen Und erst dann sich auch mit dem Hinterrande der Kopf- scheiben verbinden. Das folgt schon aus der Tatsache, daß die beiden Cerebralorgane nur in dem ersten Moment ihrer Erscheinung ganz lateral, zu beiden Seiten des Blastoporus liegen, bald aber an die hintere Grenze des letzteren übergehen, weshalb sie näher den vorderen Rändern der Rumpfscheiben, als den hinteren der Kopfscheiben zu liegen kommen und auch mit den ersteren zuerst verwachsen. In Die Embryonalentwicklujig des Liiieus ruber Müll. l.'Jl imsoiin Falk' kommt es aber 7ai einem so rasclieii Verwachsen der Vorderräii(K'r der Runi[)fscheil)(Mi mit den hiiitei'eii der Kopfscheiben und somit auch zum Verwachsen der beiderlei Scheiben mit den Cere- brak)rganankigen, daß es uns viel Mühe kostete, um zu ergründen, ob die Cere])rak)rgananlagen zuerst mit den Rumpfscheiben verwachsen. Gleichzeitig mit dem Verwachsen beider Kopfscheiben kommt es auch zum gegenseitigen Verwachsen beider Rumpfscheiben, und zwar ebenso wie in den ersteren beginnt die Verwachsung distal und schreitet in proximaler Rich- tung fort. Die beiden Rumpfscheiben, die ventral und zu hinterst des Blasto- porus liegen, verwachsen miteinander zuerst ganz hinten und dann successiv auch vorn ; am längsten bleiben die zwei vordersten Verlän- gerungen der Scheiben voneinander abgegrenzt. Beide Scheiben ver- ändern sehr bald in charakteristischer Weise ihre Gestalt, was in den Kopfscheiben nicht zu beobachten ist. Und zwar indem sie in den mehr dorsalen Partien convex nach außen und concav nach innen sind und eine ulirglasförniige Gestalt zeigen, unterliegen sie in den mehr ventralen Abteilun''en einer Krümmung'; sie werden hier nämlich sehr stark concav von außen und convex nach innen; sie sehen hier an Horizontalschnitten wie die Buchstaben v mit den freien Enden nach hinten gerichtet und beide Scheiben zusammen sehen an Horizontal- schnitten wie zwei solche nebeneinandergestellte Buchstaben vv aus, so daß wir zwei innere gegeneinander zugekehrte und zwei äußere Lamellen unterscheiden können, wie wir es in Fig. 59 (Taf. VI) er- blicken. Man kann in dieser Fig. 59 bemerken, daß die inneren La- mellen beider Scheiben mit ihren hinteren Rändern zusammenstoßen, während sie mehr vorn voneinanderlaufen. An diesen hintersten Rändern der inneren Lamellen beider Rumpf Scheiben, also ganz distal konunt es zuerst zur oeKenseitiuen Verwachsunt»' beider Scheiben, im Punkte ** Fig. 59. Wenn wir noch mehr ventral einen Horizontalschnitt ausführen, so erblicken wir in demselben, daß hier die beiden Rumpfscheiben noch breiter sind und die beiden erwähnten inneren Lamellen auf einer viel größeren Strecke zusammengewachsen sind, wie wir es in Fig. 62 (Taf. VI) sehr schön sehen. Es bildet sich auf diese Weise ventral und median ein epithelialer, nach hinten auslaufender Fortsatz (Fig. 02 **), der die Anlage des hinten und ventral im Embryo bald nach der Verbindung aller Scheiben auftretenden Schwänzchen darstellt, welches in Mikrophot. 80 (Taf. VIII) links unten zu sehen ist. 9* 132 J- Nusbaum und M. Oxiier, Fast gleichzeitig mit dem Verwachsen beider Rumpf Scheiben, kommt es zur Verbindung der oberen Ränder dieser Scheiben mit der Dorsalscheibe und zwar wieder zuerst ganz hinten, also distal. Die Rückenscheibe liegt nicht in der Mitte des Rückens, sondern median und mehr nach hinten, weshalb es natürlich zuerst zum Verwachsen dieser Scheibe mit den Rumpfscheiben kommen muß. Die Rückenscheibe wächst nach hinten etwas keilförmig zwischen die beiden gegen sie ihrerseits wachsenden Rumpfscheiben hinein, bis die Verbindung zustandekommt. Im Gegensatz dazu wächst verhältnismäßig sehr langsam die Rückenscheibe in der Richtung nach vorn, so daß eine lange Zeit eine Unterbrechung zwischen dieser Scheibe und den Kopfscheiben vorhanden ist, mit andern Worten der Embryoleib bleibt hier lange Zeit unbedeckt, offen (Mikrophot. 79, Taf. VIII). Die Rückenscheibe wird hinten, wo sie mit Rumpf Scheiben ver- wächst, breiter, nach vorn aber verlängert sie sich in einen zungen- förmigen, sehr engen Fortsatz, der median längs der Mittellinie des Rückens verläuft und allmählich nach vorn wächst. In Mikroph. 81 (Taf. VIII) sehen wir dorsal im Querschnitt einen sehr engen Streifen; das ist eben der vordere Fortsatz der Rückenscheibe; noch mehr nach vorn an einem Querschnitt derselben Serie ist dieser Streifen noch winziger (Mik. 82). Wir sehen, daß zwischen diesem Streifen und den Kopfscheiben, mit welchen er noch nicht verwachsen ist, weite Lücken vorhanden sind, wo das primäre Ectoderm (Serosa) direkt den Embryonalkörper begrenzt. Eine solche offene Stelle sehen wir auch eine gewisse Zeit oberhalb der Rüsselscheibc, ehe hier die beiden Kopfscheiben mit einander median zusammen- wachsen. Weiter tritt noch eine offene Stelle ventral und median zwischen dem vorderen Rand der zusammengewachsenen Rumpfscheiben und dem hinteren Rand der verbundenen Kopf Scheiben auf; diese offene Stelle existiert nicht lange und liegt vor dem Blastoporus. EndUch können wir sagen, daß der Embryoleib auch am Blastoporus offen ist, da hier der embryonale, primäre Schlund, der, wie wir unten sehen werden, zum größten Teil bald einer Involution unterliegt (in dem Maße, als sich der sekundäre entwickelt), mit dem primären, außerhalb des Embryoleibes liegenden Ectoderm (Serosa) verbunden ist, in welches er direkt übergeht. Der Blastoporus ist verhältnismäßig nicht unansehnlich und hat die Gestalt einer langen, in querer Achse liegenden Spalte; später wird er hufeisenförmig. Der primäre, embryonale Schlund geht am Rande dieser großen Spalte Die Kinl)rvonaK'iit wirkliiii'j; des Liiu'us rul)cr Miill. 133 in (las [»liinäre Ectoderm übor, wclchos einer Involution unterliegt, indem es einem Zerfall in einzelne Schollen und Körner, verljunden mit einem Zugrundegehen der Kerne, unterworfen wird. Wir sehen also, daß, was die Reihenfolge der Verbindung und Verwachsung der Keimscheiben anbelangt, so können wir dieselbe folgendermaßen ausdrücken: 1) es verbinden sich zuerst miteinander die beiden Kopfscheiben und 2) die beiden llumpfscheiben, 3) mit der Verbindung der beiden Kopfscheiben ist auch die Verwachsung der Rüsselscheibe mit denselben innig verbunden, welche die allererste Zusamnienfügung der beiden Kopfscheiben bedingt, 4) sowohl die beiden Kopfscheiben wie auch die beiden Runipfscheiben verbinden sich paarweise in der Richtung von distalen Punkten gegen die proxi- malen, 5) die beiden Cerebralscheiben verbinden sich zuerst jederseits mit der entsprechenden Rumpfscheibe, G) die Rückenscheibe ver- bindet sich zuerst hinten (distal) mit den zusammenwachsenden Rumpf- scheiben und erst viel später wächst sie nach vorn und lateral, um sich mit den Kopf Scheiben zu verbinden. Unsere diesbezüglichen Beobachtungen stimmen mit denen Salenskys über die Reihenfolge der Verwachsung der Keimscheiben beim Pilidium fast vollkommen überein. Nach Salensky vollzieht sich der Verwachsungsprozeß folgendermaßen: »Zuerst verwachsen sich die beiden Kopfscheiben untereinander, dann folgt: das Verwachsen der Cerebralscheiben mit den vorderen Enden der Rumpf Scheiben, der llumpfscheiben mit der Rückenscheibe, der beiden Rumpfscheiben untereinander und endlich tritt das Verwachsen der Kopfscheiben mit den Rumpfscheiben ein.« Die Differenz besteht nun darin, daß in unserm Falle die Verbindung der Rückenscheibe mit den Rumpf- scheiben mehr oder weniger gleichzeitig mit der gegenseitigen Verbin- dung beider Rumpfscheiben zustande kommt und daß am längsten die Unterbrechung zwischen dem vorderen Rande der Rückenscheibe und den Kopfscheiben besteht. Auch nach Hubrecht verbindet sich die Rückenscheibe zuerst mit den Rumj)fscheiben und erst viel später mit den Kopfscheiben. Nun müssen wir noch eine sehr wichtige Tatsache erörtern, die weder von denjenigen Forschern (Barrois, Hubrecht, Arnold), die die Metamorphose der DESORschen Larve, noch von denjenigen, welche die Pilidium-Meta.n\ovTphose studiert haben (Bürger, Salensky) beschrieben wurde. Und zwar haben wir sehr klar konstatiert, daß eine nicht geringe Anzahl von Elementen des primären Ecto- derms (der Serosa) durch diejenigen Schlitze und Öffnungen, 134 J- Nusbaum und M. Oxner, die zwischen den Keimscheiben, vor der Verbindung der- selben bestehen, in den Körper des Embryos hineindringt und hier zugrunde geht und somit als Ernährungsmaterial für die Gewebe des wachsenden Embryos dient. Das Ein- dringen dieser Elemente in den Leib des Embryos erfolgt in folgenden Stellen. Zuerst vor dem embryonalen Schlünde, ehe noch die beiden Kopf Scheiben so weit hinten miteinander verwachsen, daß sie ganz an die vordere Wand des in querer Richtung gestreckten embryonalen Schlundes stoßen. In Fig. 77 (Taf. VIII) sehen wir eine sehr inter- essante diesbezügliche Mikrophotographie; das Präparat stellt einen Sagittalschnitt durch den Embryo im Stadium, in welchem der hintere Rand der Kopfscheiben noch einen kleinen Spalt vor dem embryonalen Schlünde offen läßt und nun sehen wir eine Anzahl von rundlichen und rundlich-ovalen Schollen und Zellen, die durch diesen Spalt vom primären Ectoderm in die Leibeshöhle des Embryos hineindringen. Wir haben schon ol)en bemerkt, daß vom primären Ectoderm sich viele einzelne Zellen und sogar ganze Gruppen von Zellen abspalten oder abtrennen, die jedoch außerhalb der Keimscheiben liegen bleiben (vgl. die Fig. 63 **, Taf. VI). Die Zellen vergrößern sich gewöhnlich stark, wobei jedoch der Kern immer winzig klein bleibt. Sehr wahr- scheinlich infolge einer für das weitere Leben der Zellen ungünstigen Kernplasmarelation gehen diese Elemente zugrunde, indem sie in kleinere Schollen oder Körner zerfallen. Bevor jedoch dies zustande kommt, dringen viele solcher Elemente durch den erwähnten Spalt (auch durch andre Lücken, wie wir es bald sehen werden) in den Embryo- leib, wo sie, wie gesagt, auf die obige Weise zugrunde gehen. Diese Elemente sind sehr leicht unterscheidbar und zwar durch ihre be- sondere Färbbarkeit durch plasmatische Färbungsmittel, z. B. Orange, Eosin. Während bei der Färbung mit Hämatoxylin und Nachfärbung mit Orange oder Eosin das Plasma der Keimscheibenzellen, des sich entwickelnden Nervensystems, des Mesoderms, des sekundären Schlun- des, der sekundären Darmepithelzellen eine bläuliche Färbung an- nimmt, färbt sich das primäre Ectoderm, die einwandernden Zellen, die dessen Derivate darstellen, der primäre Schlund und das primäre Entoderm sehr charakteristisch intensiv gelblich-orange oder rötlich und zwar ist diese Färbungsdifferenz so klar und auffallend, daß man auf den ersten Blick die primären Bildungen von den sekundären unterscheiden kann (s. die Mikrophot. Taf . VIII und die Taf. VII). Eine andre Stelle, in welcher die Elemente des primären Ectoderms in den Euibryoleib eindringen, ist der lange offenbleibende Spalt Dir l"]iiil)rvoiiak'ii(\vickIimi,' des Linciis rulici- Müll. 1,'55 zwisclu-n «Ic'in voiilr icn Raiul tlcr Rückenscheibe und den lv()[)l'sclieiben. Median zielii sich hier der l'üssid mit einer Schicht Ale.sodennzellen, die ihn bedecken; uiul nun tlringen beiderseits des Rüssels mit der Küsselscheidenanlage in die Leibeshöhle des Embryos ein/Adne Ek-mente cU's |)rimären Ectoderms, die eine Anhäufung zwi- schen dem Rüssel nebst der ihn undiüUenden Rüsselscheidenanlage, dem Schlund, und den Cerebralorganen bilden, aus lockeren Zellen l)esteliend. Der Spalt, in dem diese Elemente liegen, ebenfalls wie derjenige vor dem Schlünde muß als Blastocölrest angesehen werden. Die sich hier anhäufcTulen Elemente verlieren bald die Kerne, stellen große lichtbrechende Schollen dar, die dami in Körnchen zerfallen und von umgebenden Geweben, in erster Reihe von den Mesodermzellen allmählich resorbiert werden. Solche Präparate, in welchen das Eintreten der ectodermalen Ele- mente durch die Spalten am Rücken des Embryos in die Leibeshöhle zu sehen ist, und zwar Querschnitte, sind in den Mikrophotographien Fig. 81.82, Taf. VIIL dargestellt. Die einwandernden Zellen färben sich intensiv mit plasmatischen FärbiMiiittfln. An Präparaten, die mit Hämatoxylin mit Nachfärbung mit Orange tingiert sind, färben sich diese Elemente sehr intensiv gelb- lich-orange (mit Eosin rot); sie wachsen rasch, wobei, wie erwähnt, der kleine Kern sich nicht vergrößert; die Zellen w^erden kolossal, der Kern zerfällt in Körnchen und verschwindet, das Plasma zerfällt in Schollen und Körner und endlich entstehen aus denselben feine Körn- chen, die von den umgebenden Geweben resorbiert werden, haupt- sächlich von den Mesodermzellen. Außerdem, da das primäre Ecto- derm sehr geringe Anzahl von Kernen enthält und ebenfalls schon im Zustande einer Involution sich befindet, indem es in Schollen und Körner zerfällt, dringen in die Leibeshöhle des Embryos hier und da schon solche im Zustande der Livohition sich befindende Elemente des primären Ectoderms hinein, lichtbrechende Schollen und Körner ohne Kerne und mit vielen Dotterkörnchen. Es ist endlich sehr inter- essant zu konstatieren, daß sehr oft an Stellen, wo das primäre Ecto- derm in die Leibeshöhle des Embryos eindringt, das erstere tiefe Falten bildet, die in die Spalten zwischen den noch nicht verwachsenen Keim- scheiben hineindringen und hier bald in einzelne ohen erwähnte Ele- mente zerfallen. Solche Faltungen sind z. B. in Fig. 81 links (Taf. VllI) (Mikrophotogramm) zu beobachten. Wir sehen also, daß eine nicht geringe Anzahl des dotterreichen Materials des primären Ectoderms in den Embryoleib hineindringt und 136 J. Nusbaum und M. Oxner, als Nahrunsj; für die anwachsenden Gewebe dient, Verhältnisse, die bisher bei der DESOKschen Larve noch nicht beobachtet worden sind. Nichts Ähnliches finden wir beim Pilidium, was ganz verständ- lich ist, weil bei diesem letzteren das primäre Ectoderm, d. h. die Wände des Pilidium-lteihes, in verhältnismäßig großer Entfernung von den nach innen hineindringenden Keimscheiben liegen, während in dem mit einer Dottermembran versehenen Ei des Lineus ruher die Keimscheiben mit ihren bald zugrunde gehenden Aumionhüllen fast direkt der primären Ectodermschicht, d. h. der Serosa, anliegen, weshalb das Eindringen der Elemente dieser Schicht in die Spalten zwischen den noch nicht verwachsenen Keimscheiben nicht nur ermöglicht, vielmehr aus rein mechanischen Gründen sehr begünstigt wird. Es ist aber noch ein andrer Grund dieser Differenz vorhanden und zwar ein physiologischer. Das Pilidium ist eine freilebende und aktiv sich ernährende Larve, die DesorscIic Larve ist aber nicht frei; sie entwickelt sich und unterliegt den komplizierten Metamorphosen in den Eihüllen, weshalb hier besondere Einrichtungen zur besseren Er- nährung der Gewebe vorhanden sein müssen und nun vollzieht sich hier wirkUch ein Verbrauch eines Teiles des dotterreichen primären Ectoderms infolge der oben beschriebenen Verhältnisse. Wir müssen hier noch eine andre interessante Erscheinung er- wähnen. Und zwar bemerkten wir, daß ehe noch die Keimscheiben zusammenwachsen, z. B. die dorsale mit den Kopfscheiben oder die Kopf Scheiben miteinander, das weitere Hineintreten von ectodermalen Elementen in den Embryoleib dadurch verhindert wird, daß die Meso- dermzellen, als stark abgeplattete Elemente, sich zwischen das primäre Ectoderm und den Embryoleib hineinschieben und eine Grenzschicht bilden; eine Schicht mesodermaler Zellen begrenzt also zuerst die Spal- ten zwischen den Keimscheiben und erst etwas später kommt es zum vollständigen Verwachsen dieser letzteren. Die erwähnten mesoder- malen Zellen stammen von derjenigen parietalen Mesodermschicht, welche sehr früh von innen den Keimscheiben anliegt. Solche Ver- hältnisse haben wir sehr klar an der Rückenseite des Embryos in dem Spalt zwischen den Rückenscheiben und den Kopfscheiben, wie auch vorn zwischen den noch nicht zusannnengewachsenen Kopfscheiben gesehen. IX. Die Bildung des Darmkanals. Indem wir nun zur Entwicklung einzelner Organsysteme übergehen, werden wir zuerst die Entstehung des Darmtractus beschreiben. Über Dit' Kmlirvuiialtiitwickliing dos LiiU'US ruber Müll. 137 die Entstehung dieses Organes bei der DESORschen Larve herrschen l)is jetzt viele Wiedersprüche in ganz prinzipiellen Fragen. Bevor wir deshalb zur Beschreibung unsrer Beobachtungen übergehen, betrachten wir zuerst die betreffenden Anschauungen verschiedener Forscher. Nach den Untersuchungen von Barrois (2) differenziert sich sehr bald der eingestülpte Teil der Gastrula, d. h. das Entoderni in zwei Abschnitte: einen tieferen, mehr erweiterten und nach hinten gerich- teten, d. h. den eigentlichen Darm und einen mehr oberflächlich liegen- den, viel schmäleren und kurzen Abschnitt, d. h. den Oesophagus, der direkt in das (primäre) Ectoderm übergeht. Beim weiteren Wachs- tum des Darmtractus kommt es zur noch klareren Differenzierunix dieser zwei Abschnitte, von welchen der innere einer Abrundung unter- liegt und sich durch eine starke lokale Verengung des Lumens von dem schmalen Oesophagus abgrenzt. Der Blastoporus (la bouche) nimmt inzwischen die Form eines queren Spalts an, der bald hufeisenförmig wird, mit convexem Rande nach vorn, mit dem concaven nach hinten gerichtet. Barrois beschreibt an der Mundöffnung die Bildung einer Lippen verdickung <,>, welche jedoch, nach unsern Untersuchungen, aus dem primären Ectoderm gebildet wird. VoU- konnnen irrig ist seine Angabe, daß <>, wobei zu bemerken sei, daÜ unter den <> Nacheinstülpung« des embryonalen Schlundes mitgegriffen werden, weshalb sie im innigen Zusammenhange mit der hinteren Wand des embryonalen Schlundes eine gewisse Zeit hindurch liegen bleiben. Dagegen äußerst genau ist eine folgende Beobachtung Bar- rois', deren Richtigkeit schon von Arnold hervorgehoben worden ist, und zwar sagt der französische P\jrscher (S. (55) : <> Wir sehen also, daß nach Bakrois der definitive Schlund von zwei lateralen, paarigen speziellen Anlagen, die im Gewebe des primären Schlundes zum Vorschein kommen, seinen Ursprung ninnnt, eine Beobachtung, die ganz richtig ist und die wir weiter unten näher auf Grund von Durchschnitten, im einzelnen darstellen werden. Der französische Forscher beschreibt auch detailliert die Ausbildung des Mitteldarmes mid die Differenzierung der Wand desselben aus der ^nveißen Flecke« Barrois) für Anlagen der Nieren angesehen hat. Bürger (1895) meint jedoch, daß der Schlund der DESORschen Larve durch eine sekundäre Einstülpung des Ectoderms am Blasto- porus entsteht, und daß somit der Schlund ectodermalen Ursprunges ist. Bürger meint, daß er durch diese Annahme einen Widerspruch zwischen der Entwicklungsweise der (vermeintlichen) Nieren beim Pilidium und bei der DssoRschen Larve beseitigen kann, da beim ersteren die Nieren nach Bütschli. Salensky und Bürger als Aus- stülpungen des Schlundes dort erscheinen >>wo die Schlundwand in die subumbrellare Fläche übergeht« (Bürger), also in einem Bezirke, der ectodermal ist, während aber bei der DESORschen Larve die Nieren aus dem oberen, also dem Darm genäherten Bezirk des Schlundes nach HuBRECHT entstehen; wenn aber der Schlund der DESORschen Larve ebenfalls eine ectodermale Bildung wäre, so ist damit der Gegen- satz beseitigt. Lebedinsky und Coe sind ebenfalls der Meinung, daß der Schlund durch eine nachträgliche Eiiistülpung des Ectoderms am Blastoporus zur Entwicklung gelangt und daß infolgedessen der Blasto- porus nach innen verdrängt wird, so daß er endlich an der Grenze zwischen dem Darm und dem Schlund zu liegen kommt, eine Annahme, die Hubrecht (188ß) in einer andern Arbeit (20) als "highly artifical" bezeichnet und deshalb für unwahrscheinlich hält. Auch nach Metsch- NiKOFF (31) (1882) und Coe (10) (1889) erscheint der Vorderdarm des PiUdimn nicht aus dem Archenteron, sondern aus einer nachträgUchen Ectodermeinstülpung. Diesen Ansichten schließt sich auch Arnold (1) 140 J' Nusbaiim und M. Oxner, an, der die Entwicklung der DESORschen Larve bei L. gesserensis unter- suchte. Er führt u. a. als Beweis für die Richtigkeit dieser Annahme den Umstand an, daß >>die ÖchUeßung des ßlastoporus ein sehr verbrei- teter Prozeß ist, während die Teilung des Archenterons kurios er- scheint <<, und daß mit der Annahme einer sekundären ectodermalen Einstülpung des Ectoderms für uns ganz verständlich wäre, weshalb die Höhle des Schlundes von derjenigen des Darmes abgegrenzt wird; und zwar ist der verschlossene Eingang in die Darmhöhle am Grunde des Schlundes eben der verschlossene luid nach innen verdrängte Blasto- porus. Arnold führt zum Beweise der Richtigkeit der erwähnten An- nahme noch die Tatsache an, daß an manchen seiner Präparate (z. B. in Fig. 20 a in Arnolds Arbeit) die vollkommene Abgrenzung des vor- deren und hinteren Teiles des Archenterons und die Metamorphose der Wand dieses letzteren Teiles zu sehen ist, wobei der Schlund noch vollkommen den Bau des primären Ectoderms aufweist. Erst später beobachtet man, nach Arnold, daß der primäre Schlund durch den sekundären ersetzt wird, der sich »aus zwei Punkten entwickelt, die so nahe der Mundöffnung liegen, daß sie als ectodermalen Ursprunges angesehen werden müssen, wenn man sogar den primären Schlund für eine entodermale Bildung betrachtet.« Salensky (1912) betrachtet auch die strittige Frage über den Ursprung des Schlundes bei den Nemertinen näher und sagt darüber folgendes (S. 64): »Meine Untersuchungen über die Entwicklung der Nemertinen haben mich zum Schluß geführt, daß der Vorderdarm derselben (sowohl bei der direkten, wie bei der indirekten Entwicklung) von einem entodermalen Ursprünge ist. Die indirekt sich entwickeln- den Nemertinen zeichnen sich vor den andern dadurch aus, daß der Blastopor derselben sich niemals schließt, während er bei den direkt sich entwickelnden Metanemertinen geschlossen wird . . . Nach den Angaben von Barrois und Arnold soll der Vorderdarm der Desor- schen Larve durch einen definitiven substituiert werden, welcher in Form eines Futterals (Arnold) um den primären sich bildet. Die Entstehung dieses sekundären Vorderdarmes ist mir aus der Schilderung beider genannter Forscher nicht ganz klar. Bei der Entwicklung der Pi7i(?mm-Nemertine habe ich nichts ähnliches beobachtet <<. Nachdem wir die verschiedenen, zum Teil sich widersprechenden und so sehr strittigen Ansichten der Forscher in betreff der Entwick- lung des Darmes der Nemertinen betrachtet haben, werden wir unsre Beobachtungen in dieser Hinsicht darstellen. Die Kiiil)iyoiiak'iit\v'ic'Ivluiig (I(>s Lincus rultcr ]\lüll. 141 Wir haben unsre Besclireibuiif^ in dem Stadium verlassen, in welcluMn der Embryo mit einem Blastoporus und einem einheitlichen Arclionteron versehen war. Ein solches Stadium sehen wir in Fig. 41 (Taf. IV). Nun nähern sich gegeneinander die Blastoporusränder und es kommt '/Ann Verschhiß des Blastoporus, wobei an demjenigen centralen Punkte, wo es zur gegenseitigen Verwachsung der Prostomaränder ge- kommen ist, gewöhnlich noch eine sehr kleine Vertiefung, als der letzte Überrest der Einstülpung übrig bleibt und keine ganz distinkte Ab- grenzung des primären Entoderms vom primären Ectoderm zustande kommt. Ein sehr lehrreiches Präparat sehen wir in Fig. 48 (Taf. V) — einen Durchschnitt durch den Embryo direkt nach dem Blastoporus- verschlusse. Man vergleiche diesen Schnitt mit denjenigen in Fig. 41. In dem Punkte * (Fig. 48) sehen wir noch eine sehr kleine Vertiefung; hier kam es nämlich zum Verwachsen der Blastoporusränder; in dieser Gegend sehen wir auch, daß das Entoderm vom primären Ecto- (lt>rm nicht scharf abgegrenzt ist; beide Blätter hängen hier innig zu- sannnen. Ein ähnliches Stadium erblicken wir auch in Fig. 49 (Taf. V); am Orte, wo die Verwachsung der Blastoporusränder zustande gekom- men ist, hängen beide Blätter sehr innig zusammen. Dieses Stadium dauert sehr kurz, es ist ganz schnell vorübergehend, weshalb es von den l)isherigen Forschern beim Lincus vermißt worden ist. Wir müssen dabei bemerken, damit uns kein Vorwurf gemacht werden kann, daß die Schnitte Fig. 48 oder 49 nicht durch den Blastoporus, sondern neben dem Blastoporus durchgeführt worden sind, daß wir die ganze und volle Schnittserie in beiden Fällen durchgemustert haben und zum Sclduß gelangt sind, daß in diesem Stadium nirgends ein offener Blasto- porus vorlianden war. Wir-sehen also, daß es in unserm Falle wirk- lich zum Verschluß des Blastoporus kommt, doch ist dieser Verschluß kein vollkommener, da in typischen Fällen eines Blastoporverschlusses eine vollständige Trennung beider Blätter erfolgt, hier aber die beiden Blätter im innigen Zusammenhange haften bleiben und außerdem, gewöhnlich, wie erwähnt, noch eine kleine Vertiefung im Centrum übrig bleibt (Fig. 48). Wir können also kurz und bündig sagen, daß es hier zu einem un- vollkommenen Blastoporus Verschluß kommt. l^ald nach dem beschriebenen Prozeß beginnt eyie weitere Einstülpung des primären Ectoderms am Orte des unvoll- kommen verschlossenen Blastopors, weshalb diejenige Stelle, wo (Ins primäre EctodtM'in mit dem Entodei'iii haf- X42 J- Nusbaum und M. Oxner, ten bleibt, einer Vertiefung unterliegt. Dieses Entwicklungs- stadium sehen wir in Fig. 50 (Taf. V) abgebildet. Schon in diesem .Stadium beginnt das bisher einschichtige Entoderm mehrschichtig zu werden, und das sich einstülpende primäre Ectoderm, welches den primären Schlund darstellt, ist mit einem nach außen sich öffnenden Lumen versehen; die Öffnung dieses Lumens kann somit schon keines- wegs als Blastoporus bezeichnet werden. Wir werden die Öffnung primitive Mundöffnung nennen, und zwar deshalb, da sie noch immer von dem primären Ectoderm begrenzt ist. Die Wand des primären Schlundes wird ebenfalls mehrschichtig. Einen wichtigen Beweis dafür, daß hier wirklich eine Nacheinstülpung erfolgt, finden wir in der Tatsache, daß, wie wir schon oben gesehen haben, die rechts und links von dem Blastoporus erscheinenden Cerebralscheiben, die anfangs in einer gewissen Entfernung vom Blastoporusrande liegen, durch das sich weiter einstülpende Ectoderm mitgegriffen werden, sich ver- tiefen und einen Eindruck machen, als ob sie sich von der Wand des primären Schlundes selbst abzutrennen beginnen (vgl. die Fig. 54 und die Fig. 65, 66, 67, wie auch die Fig. 55 und 56 (Taf. V); in Fig. 55 sehen wir eine Cerebralscheibe ziemlich tief liegen, tiefer als der äußere Rand der primitiven Mundöffnung. Von nun an unterscheiden wir also zwei Bestandteile des Darmes: einen distalen schmalen, röhrenförmigen, der mit der primitiven Mundöffnung nach außen mündet, innen blind endet und ectodermaler Herkunft ist und einen proximalen erweiterten, sackförmigen, tiefer gelegenen, der außer- dem sich ganz nach hinten verschiebt, ganz blindgeschlossen erscheint und en toder maier Herkunft ist; beide Abteilungen gehen ohne Grenze ineinander über, obwohl ihre Lumina miteinander eine längere Zeit hindurch nicht konnimnizieren. Nun beginnt ein sehr interessantes Stadium in der Entwicklung des Darmkanals, welches wir als Umbildungsstadium bezeichnen möchten, und zwar während dieser Entwicklungsphase kommt es zu einer tief- greifenden Umbildung des primären Schlundes in den se- kundären und des primären Darmes in einen sekundären, wobei und evolutive involutive Prozesse nebeneinander zu beobachten sind; eine Neubildung von Epithelien und ein Zugrundegehen einer kolossalen Masse von Zellen- material, das als Ernährungssubstanz von den sich ent- wickelnden definitiven Geweben der Darmwand ver- braucht wird. Die KiiibryonaK'nl Wicklung' des IJiiciis ruber INIiill. 143 Die (Mwälintcn Jviickhilduiius- und Uiuhildunj^sprozesse gehen im l'iiiizi|) auf eine gleiche Art und Weise sowoid im Schlünde wie auch im Darme vor sich. Zuerst konnnt es zu einem Waclistum der Zellen, wobei die Masse des Plasmas mit den darin enthaltenen Dotterkörnchen in viel größerem Maße als die des Kernes wächst; es entstehen in- folgedessen große Zellen mit veihiUtnismäßig kleinen Ker- nen. Die Kernplasmarelation solcher Zellen wird also in ])i<)l()gis. im Darme abgerundete Zellen mit zahlreichen Dotterkörnchen und blassen Kernen oder ganze Syn- cyticn ohne jegliche Grenze zwischen den einzelnen Zellen und schon nliiit' Spuren von Kernen; in dies(M' Figur erblicken wir auch außer- halb der Darmwand in der Leibeshöhle liegende große Elemente (die aus dem ju-imärfn Ectoderm eingewanderten Elemente) mit kolossalen 144 J» Nusbaum und M. Oxner, Dotterschollen und Dotterkörnchen ; in einigen sieht man in Rück- bildung begriffene geschrumpfte und chromatinarme Kerne. Neben diesen Riickbildungserscheinungen treten auch andre Pro- zesse hervor, die zur Bildung des definitiven Epithels sowohl in dem Schlünde, wie auch im Darme führen. Wir werden die weiteren Ver- änderungen getrennt in beiderlei Organen beschreiben, da sie in beiden, obwohl im Prinzip gleich, jedoch in Einzelheiten ganz different ver- laufen. Die Bildung des definitiven Schlundes oder des Vorder- darmes. Bevor wir zur Beschreibung dieses Prozesses übergehen, müssen wir noch mit einigen Worten die Gestalt des Blastoporus und der später an seiner Stelle hervortretenden äußeren Mündung des Schlundes, d. h. der primären Mundöffnung darstellen. Der Blasto- porus ist zuerst ganz rundlich und sehr umfangreich; später wird er zwar immer kleiner, behält aber seine rundliche Form bis er endlich unvollkommen verschlossen wird. Wenn aber die sekundäre Ein- stülpung beginnt, um den Schlund zu bilden, erscheint an seiner Stelle die primitive Mundöffnung in Gestalt einer queren und sehr bald darauf einer hufeisenförmigen, oder richtiger gesagt, sichel- förmigen Spalte, die mit dem convexen Bande nach vorn, mit dem concaven nach hinten gerichtet ist. Dieser hufeisen- förmigen Gestalt der primären Mundöffnung entspricht gleicherweise auch die Gestalt des embryonalen Schlundes; dieser letztere hat näm- lich an Querschnitten die Form einer Niere, und ist mit einer convexen vorderen und einer concaven hinteren Wand versehen; lateral, wo die beiden Wände ineinander übergehen, ist der Rand des Schlundes etwas zugeschärft; im ganzen erscheint also der Querschnitt des embryo- nalen Schlundes mehr oder weniger sichelförmig, entsprechend der äußeren Mündung desselben. Die Wand des primären Schlundes besteht aus großen, mehr oder weniger unregelmäßigen , rundlich polygonalen mit kleinen Kernen versehenen und mit sehr vielen Dotterelementen erfüllten Zellen, die vollkommen den sich außerhalb des Embryoleibes befindenden Zellen des primären Ectoderms gleichen. Die Wand dieses Schlundes färbt sich auch ganz ebenso wie das primäre Ectoderm (z. B. intensiv mit Orange oder mit Eosin). Im weiteren Entwicklungsverlaufe vergrößert sich der Schlund, indem er lateralwärts einem stärkeren Wachstum unterliegt; es vergrößern sich dabei seine Zellen, die Kerne bleiben aber von derselben Größe, die Kernplasmarelation wird, wie schon erwähnt, für das weitere Leben der Zellen uno-ünstiir und so beginnt eine In- Die Etiil)rvoiiaIont\vifkliing dos Linons ruber Müll. 145 voliitioii derselben. Gleichzeitig aber beginnt eine stärkere Vermehrung der Zellen rechts und links an der hinteren Wand des Sc lundes un- mittelbar an der Mundöffnung, es entstehen also zwei genau loka- lisierte Bildungsstätten von Zellen, wo dieselben jederseits eine .Schicht hoher, c ylindrischer Elemente bilden, dessen Protoplasma eine mehr cyanophile Natur erhält, sich bläulich mit ilämatoxylin färbt, aber sich nicht mehr mit Orange oder Eosin tin- giert und keine üotterkörner enthält. Diese Epithelzellenschicht sehen wir an der hinteren Wand des embryonalen Schlundes unmittel- bar über der Mundöffnung in der mikrophotographischen Aufnahme (Fig. 78, Taf. VIII). welche einen etwas lateralen Längsschnitt durch den Embryo darstellt im Stadium, wo der Rücken schon vollständig verschlossen ist. Diese Epithelschicht geht bald aus der hinteren Wand des Schlundes auch an die vordere über und somit bilden sich an beiden lateralen Enden des am Querschnitte sichelförmigen Schlundes zwei rinnenartige Epithelleistchen, die in der Gegend der Mund- öffnung, unmittelbar oberhalb derselben liegen und mit seinen con- caven Flächen gegeneinander, mit den convexen aber lateral- wärts gerichtet sind. Man sieht ganz klar diese zwei rinnenartigen Leistchen an Horizontalschnitten durch die mehr ventrale Körper- gegend des Embryos. Ein sehr interessantes Präparat sehen wir in dieser Hinsicht in Fig. 85 ss (Taf. VIII) (mikrophotogr. Auf- nahme). Wir erblicken hier den primären Schlund, der gerade in ventro-dorsaler Richtung verläuft, quer durchgeschnitten; seine Wand besteht in der Mitte aus dem dotterreichen Material, aus großen Zellen; in der vorderen Wand finden wir nur fünf Kerne, in der hinteren eben- falls nur eine sehr geringe Anzahl derselben; die Grenzen zwischen den Zellen sind nicht gut sichtbar. Ganz lateral rechts und links erblicken wir aber die erwähnten Epithelrinnen (ss), aus hohen Zellen bestehend; jede Epithelrinne sieht am Querschnitte sichelförmig aus, sie ist concav medianwärts und concvex lateralwärts ; der größte Teil der Sichel ge- h()rt der hinteren Wand des Schlundes, der kleinere der vorderen; das dotterreiche Zellenmaterial der Schlundwand ist von diesen beiden sichelförmigen (am Querschnitte) Epithelrinnen lateralwärts, von rechts und links, begrenzt. Nun beginnt ein rasches Wachstum dieser Epithelrinnen und zwar 1) einerseits in der Richtung nach oben, d. h. dorsal - wärts, so daß im ganzen Verlaufe des Schlundes diese Rinnen an Querschnitten zum Vorschein kommen und 2) anderseits in der Rieh - tung gegen die Mittellinie, so daß die beiden Rinnen, die rechte Zeitschrift f. wissenscli. Zoologie. CVII. Bd. 10 l^Q J. Xusbaum und M. Oxner, und linke, mit ihren freien, gegeneinander gerichteten Rändern immer mehr sich gegenseitig nähern, bis sie schHeßlich in der Mittellinie des Schlundes miteinander verschmelzen, wobei sie auf Kosten des dotterreichen, großzelligen Materials wachsen, welches allmählich zugrunde geht und von diesen Epithelzellen resorbiert wird. Wir haben verschiedene und sehr allmähliche Übergänge gefunden von solchen Zuständen, in welchen die beiden Epithelrinnen nur an den lateralen Rändern des Schlundes vorhanden sind, zu solchen, in welchen ihre freien Ränder immer mehr der Mittellinie genähert sind und den mittleren, dotterreichen, großzelligen Abschnitt der Schlund- wand allmählich verdrängen und endlich miteinander zusammen- wachsen. Es ist aber dabei zu bemerken, daß die gegenseitige Verbindung; der rechten und linken epithelialen Schlundrinne zuerst an der vorderen Wand des Schlundes zustandekommt, während die Mitte der hinteren W^and des Schlundes noch lange Zeit hindurch aus einem primären, dotterreichen Zellenmateriale besteht, welches hier direkt und ohne Grenze in das gleichfalls dotter reiche, großzellige Gewebe des Darmes übergeht, und zwar dauert dieser Zustand so lange, bis eine offene Kommunikation zwischen dem Schlundlumen und dem Darmlumen hergestellt wird. Die hintere Wand wird dorsal immer dünner und feiner, bis endlich hier eine Öffnung, die in das Darmlumen führt, durchbrochen wird. An der vorderen, dickeren Wand der Schlun- des bildet sich inzwischen eine unpaare Falte in der Mittellinie, die immer tiefer in das Lumen des Schlundes hineindringt und das- selbe in eine rechte unh linke Hälfte teilt — was jedoch nur eine provisorische Bildung ist. Die seitlichen Teile des sich differenzierenden sekundären Schlundes verlängern sich ganz dorsal oberhalb derjenigen Stelle, wo bald die Kommunikationsöffnung zwischen dem Schlund und Darm zum Durch- bruch gelangen soll, in ein Paar schmaler, seitwärts und quer gerichteter Säckchen, deren einschichtige epitheliale Wand einige kleine blinde Ausstülpungen bilden kann (nicht immer gelangen sie aber zur Ent- wicklung). Diese Schlundsäckchen sind provisorische Schlund- anhänge, indem sie sich später sehr wahrscheinlich ebenso reduzieren, wie auch die mittlere ansehnliche Epithelfalte, die den Schlund in eine rechte und linke Hälfte teilt, eine Bildung, die ebenfalls im de- finitiven Zustande nicht zu sehen ist. Sowohl diese mediane Falte, wie auch beide seitliche säkchenförmige Ausstülpungen sind also Dio Enibryouali'utwiikhmg dos Llncus nilK-r Müll. 147 K'ili^licli AuMlriU'ke oiiies starken W'achstunis der Scliluiidwaiul und stellen provisorische Biklnngen dar. Wir sind der Meinung, daß die erwähnten seitHchen Bildungen der Schlundwand denjenigen ent- sprechen, die von Hubrecht und später von Arnold gesehen und abgebildet worden sind und die von dem ersteren für Nierenanlagen, von dem letzteren dagegen für rätselhafte Bildungen angesehen wurden, die nur Ausstülpungen des Schlundes darstellen, aber wahrscheinlich gar nichts mit den Nieren zu tun haben, eine Anschauung, der wir auf (Jrund unsrer Beobaclitungen vollkommen beistimmen. Mit den Nierenanlagen haben nämlich diese provisorischen Schlundbhndsäcke nichts zu tun. erstens, weil sie immer in offener Kommunikation mit dem Schlünde bleiben, zweitens, weil auch theoretisch sehr kurios wäre anzunehmen, daß die Nephridien sich als Ausstülpungen des sekundären (definitiven) Schlundepithels entwickeln sollen. Es ist sehr interessant, daß auch Bürger über die vermeintlichen Nierenanlagen sich nicht in ganz positiver Art und Weise ausdrückt, vielmehr der Meinung ist. daß diese Bildungen des Schlundes für Nierenanlagen gehalten werden müssen, weil man einerseits nicht weiß, was diese Anhänge bedeuten möchten und anderseits, weil man bisher die Anlagen aller Organe des Nemertinenleibes kennen gelernt hat und nur die Anlagen der Nieren unbekannt waren. Wir sehen also, daß Bürger nur per exclusionem die erwähnten Bildungen für die Nierenanlagen hält, er hatte aber in dieser Hinsicht keine direkten Beobachtungen und po- sitiven Beweise. Wir haben dagegen noch eine ganz andre Bildung- äußer den erwähnten Schlundausstülpungen beobachtet, welche viel wahrscheinlicher für die wirkliche Anlage der Nieren gehalten werden kann; wir werden dazu weiter unten noch zurückkehren. Betrachten wir nun einige Präparate, in welchen die Bildung der medianen Falte wie auch der seitlichen Ausstülpungen der sekundären Schlundwand zu sehen sind. An Horizontalschnitten durch jüngere Embryonen, wo der quer durchschnittene Schlund schon aus einem definitiven Epithel besteht, wobei jedoch hinten in derjenigen Stelle, wo es etwas später zum Durchbruche einer Öffnung zwischen Schlund und Mitteldarm kommt, dieses definitive (sekundäre) Epithel noch nicht ausgebildet ist. finden wir an der vorderen Wand des Schlundes eine unpaare Epithel- verdickung, welche die erste Anlage der oben erwähnten, provisorischen Epithelschlundfalte darstellt. In Fig. 90 (Taf. VIII), welche einen Horizontalschnitt durch den Embryo eines etwas älteren Stadiums darstellt (Mikrophotographie), 10* J48 J- Nusbaum und M. Oxner, sehen wir in dem querdurchschnittenen Schlünde die erwähnte Falte schon viel stärker entwickelt; die hintere sekundäre Epithelwand ge- lano-t schon in der Mitte des Schlundes zur Entwicklung, wobei sie aber äußerst dünn erscheint. Auch in der Fig. 89, Taf. VIII, (unten rechts) die einen sagittalen Längsschnitt darstellt (Mikrophotographie), sehen wir den Übergang der verdickten Wand des Schlundes in eine sehr dünne Hinter wand, welche das Lumen des Darmes von demjeni- gen des Schlundes trennt und wo es bald zum Durchbruch einer Kommu- nikations Öffnung kommt. In Fig. 87 und 90 (Taf. VIII) sehen wir, wie der Schlund eine Tendenz zum Wachstum in lateraler Richtung zeigt; er ist schmal in der antero-posterioren und verbreitert in der lateralen Richtung. Und nun stellen wir uns vor, daß die mediane unpaare Falte ganz oben, oberhalb der Stelle, wo es zum Durchbruch der Öffnung (Kommuni- kationsöffnung zwischen Schlund und Darm) kommt, so stark nach hinten wächst, daß sie mit der Hinterwand des Schlundes verwächst; auf diese Weise entstehen zwei Blindsäcke, die infolge eines starken Wachstums in lateraler Richtung, in der Querachse liegen bleiben und zwar hinter den beiden Cerebralorganen, wie wir sie in Fig. 86 (Taf. VIII,) in einem Horizontalschnitte sehen (Mikrophotographie). In einer Schrittserie (Fig. 73, Taf. VII), aus welcher der Schnitt Fig. 86 (Taf. VIII) stammt, haben wir alle Übergänge gesehen von demjenigen Bild, in welchem die beiden lateralen blinden Säckchen ah- ganz freie Bildungen aussehen, zu solchen, wo sie nur als Ausstülpungen der lateralen Teile der Schlundwand oberhalb der Stelle erscheinen, wo es zum Durchbruch der Kommunikationsöffnung zwischen Schlund and Darm kommt. In Fig. 87 (Horizontalschnitt, Mikrophotographie), sehen wir ebenfalls den Schlund im Querschnitt, wobei seine lateralen Enden, wo in etwas mehr oberen Schnitten derselben Serie sackförmige Ausstülpungen der Schlund wand hervortreten, unmittelbar hinter den Cerebralorganen liegen. Aus den mitgeteilten Tatsachen ist es also einleuchtend, daß das obere Ende des Schlundes oberhalb derjenigen Stelle, wo es zum Durchbruch der Kommunikationsöffnung kommt, zwei laterale nach oben und quer verlaufende und blind geschlossene sackförmige Ausstülpungen bjldet. Dieselben haben jedoch nur eine provisorische Bedeutung. Mit dem weiteren Wachstum des Schlundes, so weit wir es zu ermitteln imstande waren, vergrößern sich diese Ausstülpungen nicht, so daß sie verhältnismäßig immer unan- sehnlicher werden und endlich ganz verschwinden. Diese Tatsache Die Eiiibryoiialeutwieklung des Lineiis ruber Müll. 149 allein genügt, um jeden Zweifel zu beseitigen, daß diese Bildungen nichts mit den Nieren zu tun haben. Wir haben oben das Schicksal des primären Schlundes und die Metamorphose desselben zum definitiven beschrieben. AVas nun den Mitteldarm oder, sagen wir lieber, den Mitteldarm und Enddarm an- betrifft, so entwickeln sich dieselben im allgemeinen auf eine ähnliche Weise wie der Schlund und zwar insofern, daß auch hier das primäre dotterreiche, mehr erythrophile Material in ein sekun- däres, mehr cyanophiles übergeht, wobei auch hier zu- erst nur an gewissen Stellen das sekundäre epitheliale Material zum Vorschein kommt und das primäre Material verdrängt und resorbiert. Eine wichtige Differenz im Vergleich mit den Verhältnissen im Schlünde besteht jedoch darin, daß hier die erste Bildung des sekundären Epithels nicht an zwei Stellen (lateral) zum Vorschein kommt, vielmehr am ganzen Umfange des Darmes stellenweise kleine Gruppen von Epithelzellen, die aus zwei, drei, fünf bis sieben Zellen bestehen, zur Entwicklung gelangen und erst all- mählich in dem Maße, als diese Zellengruppen das primäre dotter- reiche Material resorbieren, miteinander sich verbinden und somit eine ununterbrochene Epithelwand bilden. Aber nicht nur darin bestehen die Metamorphosen des Darmes. Dieselben beruhen auch auf einer starken Vermehrung der Zellen des primären dotterreichen Materials, was zur Bildung von besonderen, starken, tief in das Darmlumen hineindringenden Falten führt, eine geringere oder größere Verengung des Darmlumens ver- m'sacht, und sogar in vielen Fällen eine fast vollkommene Ver- drängung des Lumens bedingt. In dem letzteren Falle erscheint der Darm vorübergehend als eine kompakte Bildung, in welcher es sehr bald zur Differenzierung einer centralen Masse und einer peripheren Schicht kommt, wobei die erstere allmählich einer Resorption unterliegt in dem Maße, als die periphere Schicht sich auf die oben erwähnte Art und "Weise zu einer sekundären Epithelschicht differenziert. Betrachten wir nun diese Verhältnisse etwas näher. In ganz frühen Stadien besteht das Entoderm aus einer Schicht cylindrischer, gegen das Lumen ausgebuchteter Zellen, die, wie alle Elemente der Gewebe dieses Stadiums, reich an Dotterkörnchen sind (vgl. z. B. die Fig. 41, Taf. IV). Die Zellen des Entoderms beginnen aber nach dem Verschlusse des Blastopors sich rasch zu vermehren und zwar auf mitotischem Wege. Die das Darmlumen begrenzende Wand wird 150 J- Nusbaum und M. Oxner, mehrschichtig, was besonders in demjenigen Stadium hervortritt, in welchem der Darm nach hinten verdrängt und zum Teil unter einem mehr oder weniger rechten Winkel gegen den primären Schlund ge- richtet wird. In diesem Stadium wird das Darmlumen infolge der erwähnten Zellenvermehrung immer kleiner, wie wir es z. B. in Fig. 50, 60 und in noch etwas älterem Stadium, z. B. in Fig. 85 (Mikrophoto- graphie) sehen können. Die sich rasch vermehrenden Entodermzellen verlieren sehr bald ihre cylindrische Gestalt, sie werden im Gegenteil polygonal oder rundlich polygonal, sehr oft auch ganz abgerundet, wie wir es z. B. in Fig. 60 und 61 (Taf. VI) erblicken. Die Abrundung der Zellen verursacht stellenweise eine Lockerung des Entoderms. Eine andre wichtige Tatsache beruht darin, daß viele Entoderm- zellen, besonders diejenigen, welche mehr central liegen, einem starken Wachstum unterliegen, wobei wieder dasselbe hervortritt, was wir schon im Ectoderm gesehen haben, und zwar vergrößert sich das Protoplasma in größerem Maße als der Kern, weshalb eine für das Leben der Zelle ungünstige Kernplasmarelation zustande kommt, womit die Tatsache innig verknüpft ist, daß diese stark wachsenden Zellen einem Zerfalle und einer Resorp- tion unterliegen, sobald die definitiven (sekundären) Epithel - Zellen des Darmes zur Entwicklung gelangen. Daneben läßt sich noch eine andre Tatsache konstatieren und zwar: die stark wach- senden Elemente werden stark erythrophil, sie färben sich intensiv mit Eosin oder mit Orange und die Dotterkörnchen bilden in denselben gröbere Körner oder Schollen. Wir erblicken solche Körner und Schollen z. B. in der Mikrophotographie Fig. 76, 80, 87 (Taf. VIII) oder in der Abbildung Fig. 68 (Taf. VII). Endlich läßt sich noch konstatieren, daß diejenigen Entoderm- elemente, welche einem stärkeren Wachstum unterliegen und in welchen es zur Ausbildung größerer Dotterpartikelchen kommt, sehr oft mit be- nachbarten Elementen von ebensolcher Natur fast zusammenfließen, so daß keine distinkten Grenzen zwischen denselben zu sehen sind. Wir haben schon oben erwähnt, daß es infolge einer starken Ver- mehrung und eines Wachstums der Entodermzellen zur Bildung von Falten und Vorsprüngen kommt, die tief in das Darm- lumen hineindringen. Die größte Falte entsteht median längs der Dorsalseite der Darmwand, wo ihre Bildung zum Teil durch den Druck seitens des Rüssels und der Rhynchocölomwand bedingt ist, wie wir es an Querschnitten leicht konstatieren können. Diese sehr ansehnliche und mit dem weiteren Verlaufe der Entwick- Die Embrvonak'iitwicklung dos Liiiciis nilx-r .Müll. 151 hing gewölmlich noch stark sich vergrößernde Dorsalfalte ist in den Horizontalschnitten Fig. 86 und 90 (Taf. VIII) zu sehen, wo sie im Lumen des Darmes hervortritt; an Querschnitten sieht man, daß sie in die dorsale Darmwand übergeht. In der Falte sind keine CTrenzen zwischen den einzelnen, großen Zellen zu sehen, auch das Lumen der Falte verschwindet sehr bald, so daß sie eine kompakte zellige Masse bildet, die entweder ihren Zusammenhang mit der dorsalen Darmwand behält, bis sie resorbiert wird, oder sich gänzlich von der Darmwand ab- trennt und einen kompakten, dicken, rundlichen Zellen - sträng bildet, der frei im Darmlumen liegt; besonders in dem hinteren Abschnitte des Darmes kommt es gewöhnlich zur Differen- zierung eines solchen Stranges, während in dem mehr vorderen Ab- schnitte des Darmes der Strang mit der Dorsalwand desselben ver- bunden bleibt. In Fig. 84 (Taf. VIII), die einen Querschnitt durch den mehr hinteren Abschnitt des Embryos darstellt, wo der Rüssel noch nicht zu sehen ist, erblicken wir sehr schön, daß der Darm aus einer Wandschicht besteht und in seinem Lumen von der zelligen kompakten Masse des erwähnten Stranges erfüllt ist. Eine enge Grenz- spalte trennt die beiden Teile voneinander ab. Sehr oft tritt auch ein Zwischenstadium hervor, in welchem der ganze Darm sich als eine kompakte einheitliche Masse darstellt, wie wir es z.B. in der Fig. 80 (Mikrophotographie, Taf. VIII) erblicken; in solchen Fällen kommt es erst sekundär zur Differenzierung einer centralen Masse und einer peripheren Schicht, welche letztere sich in ein sekundäres Epithel verwandelt, während die centrale Masse zum größten Teil einer völligen Resorption unterliegt. Was die Differenzierung des definitiven (sekundären) Epi- thels anbetrifft, so entsteht dasselbe gleichzeitig an vielen Punkten der Darmwand, gruppenweise, wie wir es schon oben erwähnt haben. In jeder Zellengruppe, die aus zwei bis sieben Zellen be^teht, kommt es zur Differenzierung der einzelnen Zellen auf folgende Weise: die Zelle wird plasmareich und saftig, nimmt eine längliche, cylindrische oder konisch-cylindrische bis spindelförmige Gestalt au, der Kern vergrößert sich, wird oval, reich an Chromatinelementen ; das Plasma dieser Zellen färbt sich bläulich nach der Tinktion mit Hämotoxylin und Orange (oder Eosin), während das Plasma der be- nachbarten, nicht m dieser Weise veränderten und mit vielen Dotter- elementen versehenen Zellen orange gelblich (mit Orange) oder rötlich (mit Eosin) gefärbt wird. Diesen sehr auffallenden L^nterschied sehen 152 J- Nusbauiu und M. Oxner, wir in Fig. 68 (Taf. VII). Im weiteren Verlaufe der Entwicklung vermehrt sich die Anzahl der Zellen in einer jeden Gruppe und zwar auf Kosten des dotterreichen Materials, welches in dem Maße, als die Zellengruppen sich vergrößern, immer mehr von denselben verdrängt und resorbiert viärd. In Fig. 68 sehen wir schon in manchen Epithel- zellen Dotterkörnchen liegen, die von den Zellen aufgenommen worden sind, und die hier einer Resorption unterliegen. Der Prozeß dauert so lange fort, bis die einzelnen Zellen - gruppen miteinander sich verbinden und es somit zur Bildung einer ununterbrochenen Epithelschicht kommt. Die im Lumen des Darmes übriggebliebenen primären, dotter- reichen Entodermelemente, unterliegen einem Zerfalle und zwar: Sie fließen in eine einheitliche Masse zusammen, die Kerne zerfallen in Körnchen und somit bildet sich eine breiartige dotterreiche Masse, die ebenfalls von den peripheren Epithelzellen allmählich resorbiert wird. Es scheint uns dabei sehr Avahrscheinlich, daß ein gewisser Teil die- ser breiartigen Masse im Lumen des Darmes unresorbiert bleibt und die ersten Fäces des Wurmes bildet. Am Schluß vergleichen wir die von uns beobachteten Verän- derungen im Mitteldarme mit denjenigen, die von andren Forschern beschrieben worden sind. Barrois nennt das dotterreiche Entoderm- material ganz unbegründet »masse graisseuse«. Der französische Forscher sagt: >>Malgre les anciennes erreurs, sans cesse reproduitesi sur la formation du tube digestif, il n'est pas permis aujourd'hui de revoquer en doute la differenciation directe de la masse graisseuse qui remplit le corps en paroi de l'intestin. Cette differenciation . . . consiste en trois processus: 1) assemblage des globules en couche continue venant tapisser la paroi du corps; 2) apparition d'un protoplasme transparent entre ces globules; 3) division de la couche sarcodique ainsi formee en elements cellulaires, tandis que les globules graisseux q'elle contient se fragmentent en granules he- patiques (mit diesen Namen bezeichnet Barrois <> AVir sehen aus dieser in vielen Hinsichten sehr unklaren Beschrei- bung Barrois', daß auch er wahrscheinlich im Grunde genommen, dieselben Verhältnisse gesehen hat, wie wir, aber sie wurden ihm in vielen Punkten nicht genug klar und verständlich. Das wichtigste für uns ist, daß auch Barrois eme primäre und eine sekundäre Darm- wand wie auch eine periphere Schicht und eine centrale Masse unter- scheidet, also ähnlich wie wir es gesehen haben. Arnold beschreibt gleichfalls ein Stadium, in welchem das ganze Darmlumen von einer kompakten zelligen Masse des Entoderms erfüllt ist; er nennt diese Masse primäres Entoderm, was nicht ganz richtig ist, da wir unter dem primären Entoderm, gewöhnlich dasjenige Entoderm bezeichnen, welches noch Elemente des Mesoderms in sich einschließt, und nach der Abtrennimg des Mesoderms wird das Entoderm als sekundäres bezeichnet. Arnold aber bezeichnet das dotterreiche Darmgewebe als primäres und das sich aus diesem differenzierende definitive Epithel als sekundäres Entoderm. Die Differenzierung dieses »sekundären << Entoderms beschreibt er zwar nicht, gibt aber einige Abbildungen, die sehr richtig sind und denselben Verhältnissen entsprechen, welche wir oben beschrieben und abgebildet haben; er stellt z. B. in seiner Fig. 20 a ein Stadium dar, in welchem die Verbindung des Schlundes mit dem Darme durch eine Öffnung noch nicht stattgefunden hat, wo aber in der Darmwand gruppenweise sekundäre Epithelzellen vor- handen sind, wobei jede Zellgruppe von den andern benachbarten durch große (dotterreiche — obwohl Arnold die Struktur dieser Zellen nur ganz schematisch darstellt und dessen Plasma unrichtig als eine ganz homogene Bildung abbildet) Zellen des »primären« Entoderms abgegrenzt sind. Die Umgestaltung des primären dotterreichen Darmgewebes in (las definitive Epithel war für Hubrecht (1885) nicht vollkommen klar. In Fig. 81 seiner Arbeit stellt er eine Masse von Zellmaterial mit Kernen im Lumen des Darmes dar, währeiid in der peripheren Schicht noch keine distinkten Epithelzellen differenziert sind; dies centrale >celmateriaal met Kernen« dient nach Hubrecht wahrscheinlich als Nahrung für das jmige Tier. In andern Larven stellt er in der Darm- wand (Fig. 6G seiner Arbeit) schon definitive Epithelzellen und keine 254 J- Nusbaum und M. Oxner, centrale Masse dar, und drückt sich darüber folgendermaßen aus (S. 35): »Dat bij andere larven dit verschijnsel blijkbaar uitbleef en de oor- spronkelijke hypoblast-cellen in hun geheel tot het definitieve cel- bekleedsel van den darm werden, ist eene afwijking van der regel, waarop ik de aandacht wilde vestigen, maar waarvan ik niet in staat ben voorsliands eene verklaring te vinden. << Die komplizierte Art und Weise der Entwicklung des definitiven Darmepitliels, wie wir sie oben beschrieben haben, ist den mit der ÜESORschen Larve versehenen Lineiden eigentümlich, während bei denjenigen, die eine Pilidiumlarve besitzen, dieselbe wahrscheinlich ein- facher ist. Sehr wahrscheinlich ist diese Differenz damit verknüpft, daß die Pilidiumlarve sehr bald sich aktiv zu ernähren beginnt, während bei der in den Eihäuten verbleibenden DESORschen Larve, die sich lange Zeit selbständig zu ernähren nicht imstande ist, das Entoderm viel dotterreicher sein muß, d. h. eine ziemlich reiche Quantität des Ernährungsmaterials für die Gewebe der anwachsenden Larve ent- halt 3n muß. Beim Pilidiiim soll nach den Untersuchungen von 8a- LENSKY (1912) die Entwicklung des Darmes wirklich sehr einfach verlaufen. »Der Darm, << sagt er, »behält wiihrend der ganzen Ent- wicklung seine ursprüngliche Form eines rundlich ovalen Sackes und nur zum Schluß der Entwicklung fängt er an, schneller als die um- gebenden Körperteile zu wachsen. << Doch scheint es uns, daß auch hier manche Prozesse ähnlich wie bei der DESORschen Larve verlaufen, die aber von Salensky (54) unerwähnt geblieben sind. Wir sehen z. B. in Fig. 23 der Arbeit Salenskys im Mitteldarm eine faltenförmige Bildung, die bloß aus dotterreichem Material ohne Kerne zu bestehen scheint (bezeichnet durch Mg). In Fig. 31 und 31/1 ist der Mitteldarm so von Salensky abgebildet, als stelle er eine in gewissen Distrikten kompakte zellige Bildung dar; in Fig. 36 C der Arbeit desselben Autors sehen wir im Mitteldarm in seiner hinteren Abteilung eine kompakte Masse mit wenigen Kernen. Auch die Fig. 40, 39 A und andre überzeugen uns, daß in der Entwicklung des Darmes beim PiUdium sehr wahrscheinlich weit gehende Veränderungen hervortreten, die auf einem Verbrauche des Dottermaterials und auf einer Differenzierung des definitiven Darm- epithels aus dem primitiven dotterreichen Material zu beruhen scheinen, ähnlich wie wir es bei der DESORschen Larve (aber hier in weit größerem Maße) beschrieben haben. Was die Bildung der Analöffnung anbetrifft, so erscheint dieselbe bei L. ruher verhältnismäßig sehr spät^ und zwar bei dem schon Die Eiiil)i-vonaI('iit\vi>nur von dem somatischen Blatte des Mesoderms begrenzt ist« und zwar nach eignen Untersuchungen von Salensky, während in typischen Fällen das Cölom sich immer zwischen dem somatischen und visceralen Blatte des Mesoderms befindet; 2) die Rhynchocölhöhle hegt nicht zwischen dem Ectoderm (oder Entoderm) und dem Meso- derm, wie ein typisches Blastocöl, sondern sie ist von allen Seiten vom Mesoderm begrenzt, und zwar von Produkten der parietalen Schicht desselben. Wenn wir also die außerhalb des Rhynchocöls vorhandenen Spalten im Kopfabschnitt des Lineus-'EmhTyos als eine Zeitsclirift f. wisseiisch. Zoologie. CVII. Bd. 11 162 J- Nusbaura und M. Oxner, sekundäre Leibeshöhle erklären, so müssen wir dasselbe auch in bezug auf die Khynchocölhöhle annehmen. Was diese Spalten anbelangt, die im Kopfabschnitt des Embryos außerhalb der Rhynchocölomwand vorhanden sind und die wir ebenfalls für Derivate der sekundären Leibeshöhle halten, obwohl sie mit der weiteren Entwicklung des Wurmes vom Parenchym fast vollkommen verdrängt werden, so er- scheinen sie zwischen der Rhynchocölwand, dem Gehirne, den beiden Cerebralorganen und der Schlundanlage als ansehnliche Höhlen, die z. B. in Fig. 88 (Mikrophotographie, Querschnitt) gut zu unterscheiden sind; auch in Fig. 87 (Mikrophotographie, Horizontalschnitt) ist das Kopfcölom zwischen dem Schlund, Cerebralorgan und Gehirn sehr schön zu sehen. Diese provisorischen Spalten — mit andern Worten Derivate des Kopfcöloms — sind bei Lineus ruher von Mesodermzellen begrenzt, die vorzugsweise der parietalen Mesodermschicht entstammen. Im Rumpfe existiert die Cölomhöhle nur sehr kurz, da sie von dem sich entwickelnden Parenchym, Bindegewebe, tiefer Schicht der Hautdrüsen und von den Muskelschichten allmählich vollkommen verdrängt wird. Über die Kopfhöhlen wird noch später die Eede sein (s. weiter). Die Differenzierung des Mesoderms zum Bindegewebe, Parenchym und Muskelschichten erfolgt erst in verhältnismäßig späten Entwicklungsstadien, wenn das Tierchen schon frei wird. Nach unsern Beobachtungen beginnen die beiden primären Mesodermschichten : die viscerale und parietale Schicht sehr viele Zellen zu produzieren, die die Cölomspalten zwischen beiden Schichten ausfüllen. Somit bildet sich eine einheitliche sekundäre Mesodermschicht zwischen Ectoderm und Entoderm, die dann weiteren Veränderungen zu unter- liegen beginnt und zwar differenziert sie sich wahrscheinlich in alle Gewebsarten, welche sich zwischen der Haut und der Darmwand ent- wickeln. Wir sagen in alle Gewebsarten; wir müssen jedoch bemerken, daß dies keinem Zweifel unterliegt, insofern es sich um die circuläre und um die innere longitudinale Muskelfaserschicht und auch um die Mehrzahl der Parenchymelemente handelt; was jedoch die sogenannte Cutisschicht samt der äußeren longitudinalen Muskelschicht, wie auch der sehr spärhch entwickelten und zuerst bei L. ruber von mir und Oxner (36) beschriebenen Schicht der feinen äußeren circulären Muskel- faserchen anbetrifft, die am meisten peripher liegen, so ist die Sachlage ziemlich kompliziert und sehr schwer zu ermitteln, so daß die Quelle dieser Schichten noch speziell von uns betrachtet werden muß. Bürger (6) war der erste, der bei den Heteronemertinen nicht nur bei erwachsenen Tieren die Cutisschicht samt der äußeren longi- Die Enibryonalentwicklung des Liiieus rulxT Müll. 163 tiulinalen Muskclfaserschicht beschrieben hat, viehnehr auch in eutwickhingsgeschichtlicher Hinsicht diese Bildungen näher unter- suchte, indem er zum Schluß gelangte, daß die Cutisschicht mit der äußeren longitudinalcn Muskelfaserschicht im Gegensatz zu allen übrigen Muskelschichten und Parenchymschichten, die mesodermalen Ursprungs sind, sich sonderbarerweise aus dem Ectoderm entwickelt. Er beschreibt diese Verhältnisse beim Pilidium, indem er sich folgender- maßen ausdrückt: »Nicht allein das Epithel leitet sich von den Keim- platten her, . . . sondern auch die Cutis mitsamt der äußeren Längs- muskelschicht des Hautmuskelschlauches. In der Anlage der Cutis, die anfänglich eine Schicht von Kernen darstellt . . . fielen uns auch zuerst Drüsenzellen, kleine, meist kugeHge, glänzende . . . Gebilde auf, welche einen dünnen Stiel besitzen, der in das Epithel hineingeht (Ausführgang). Sodann aber sehen wir in der Schicht, zuerst spärlich verstreut, kleine, hellglänzende eckige Pünktchen, welche die Schnitte von i\Iuskelfibrillen sind. Diese gehören freilich teils der Cutis an, zumeist aber bilden sie die äußere Längs muskelschicht des Haut- muskelschlauches . . .<< »daß der dreischichtige Hautmuskel schlauch der Heteronemertinen also doppelten Ursprungs sei und sich mit des Cutis in Gemeinschaft anlege.« (Die Nemertinen des Golfes von Neapel 1895. S. 476.) Die Abljildungen, die Bürger zum Beweise des obigen Entstehungs- modus der Cutisschicht samt der äußeren longitudinalcn Muskelfaser- schicht gibt, sind aber keineswegs für den Leser überzeugend; wir finden hier keine allmähhchen Übergänge, die uns in unzweideutiger Weise eine solche Entwicklungsweise beweisen könnten. Die Beob- achtungen Bürgers wurden von Salensky (1912) vollkommen be- stätigt. Nach diesem Autor läßt sich die Entwicklung der Cutisschicht bereits in sehr jungen Entwicklungsstadien in Form einer Ectoderm- verdickung in den Rumpf keimscheiben erkennen; erst nachträglich dringt die Cutisschicht aus dem Rumpfe auch in den Kopfteil des Wurmleibes vor. Die Verdickung des Ectoderms beginnt zuerst in den vorderen Teilen der Rumpfscheiben und dann schreitet sie auch nach hinten vor; nach dem Verwachsen der Rumpfscheiben mit der Rückenscheibe erscheint die Verdickung auch in dieser letzteren. Die histologische Differenzierung der Cutisschicht tritt, nach Salensky, erst nach dem Schluß des Umwachsens der Rückenseite des Embryos ein. »In den jungen Stadien — sagt Salensky — wo die Cutisschicht von der Hypodermis noch nicht abgetrennt ist, besteht dieselbe aus cyhndrischen Zellen, welche denjenigen der Hypodermis vollkommen 11* Jg4 J- Nusbauai und M. Oxner, o-leich sind . . . dann nimmt die Cutisschicht allmählich ein binde- gewebiges Aussehen an. Es bildet sich zwischen ihren Zellen eine Zwischensubstanz, welche die cyhndrischen Zellen der Cutisschicht voneinander abtrennt ... die Zellen verlieren ihre cylindrische Ge- stalt, werden teils abgerundet oder oval . , . Am Schluß der Entwick- lung der Nemertine kann man an den mit Eisenhämatoxylin gefärbten Präparaten die ersten Muskelfasern ... in Form von kleinen schwarz- gefärbten Pünktchen . . . erkennen«. Diese Verhältnisse sind leider nicht mit ganz überzeugenden Abbildungen illustriert. In der von Sa- LENSKY zitierten Fig. 40 ist schon eine scharfe Grenze zwischen dem Hypoderm und der darunterliegenden Schicht zu sehen und in dieser letzteren bezeichnet Salensky mit Rms Kingsmuskelschicht (?), in einer andern Figur, nämlich 36 A, sollen die Muskeif ibrillen in der Cutisschicht auftreten (im Text bezeichnet mit Mf, S. 48), aber in der Abbildung sieht man weder diese Muskelfibrillen, noch die im Text erwähnte Bezeichnung Mf. Wir müssen überhaupt bemerken, daß in dieser wichtigen Frage, die sonst überall so äußerst klare und über- zeugende Arbeit Salenskys uns nicht unzweideutig erscheint. Wir haben deshalb unsre Aufmerksamkeit ganz besonders auf diese Frage gelenkt; wir müssen aber leider bemerken, daß es uns nicht gelungen ist, zu einem ganz sicheren Schluß in dieser äußerst schwierigen Frage zu gelangen; es scheint uns aber die Angabe Bürgees und Salenskys nicht genug überzeugend zu sein, und sogar wenig wahrscheinlich. Unsre Beobachtungen in der betreffenden Frage sind folgende: Die Rumpfkeimscheiben bestehen, ähnlich wie andre Keimscheiben, zuerst aus einer Schicht Zellen (Fig. 63 u. Ä); auf der inneren Fläche legen sich dieser Ectodermschicht, wie wir schon gesehen haben, zahl- reiche Mesodermzellen an, die wir als die parietale Mesodermschicht bezeichnet haben, wobei sich diese Zellen energisch vermehren. Nach der Verwachsung der beiden Bumpfkeimscheiben miteinander und mit der Rückenscheibe bildet hier die parietale Mesodermschicht eine kontinuierliche Lage. Sehr früh beginnen aber auch die Ectoderm- zellen der Scheiben sich zu vermehren und wir bestätigen die Angabe Salenskys, daß man die dadurch bedingte Verdickung der Keimscheiben zuerst in den vorderen Abschnitten der beiden Rumpfkeimscheiben erkennen kann ; später aber tritt sie auch an allen andern Stellen hervor. Solange aber die Keimscheibe einschichtig ist, kann man eine scharfe Grenze zwischen dem Ectoderm derselben und dem darunterliegenden Mesoderm beobachten. Wenn jedoch in der Ectodermschicht eine Zellenproliferation beginnt, verändern sich die Verhältnisse. Manche Die Einhrvoiialcntwicklung des Lineus ruhor ^Müll. 165 Zellen dringen tiefer hinein und erscheinen unterhalb dem Niveau der Ectüdernischicht, indem sie sich zwischen die darunterliegenden Mesodernizellen hineinschieben; anderseits dringen man- che Mesodermzellen zwischen die tiefer liegenden Ecto- dermzellen hinein und somit wird die Grenze zwischen dem Ectoderm und Mesotlerm verwischt. Solche Verhältnisse sehen wir z. B. in einem tSagittalschnitt durch die Rumpfkeimscheibe im Stadium, in welchem mit den Rumpf keimscheiben die Rückenscheibe schon vollkommen verwachsen ist (Fig. 69, Taf. VII). Wir erblicken hier cylindrische Ectodermzellen, die in einigen (zwei bis drei) Schichten liegen, darunter rundliche oder spindelförmige Meso- dermzellen und endUch spindelförmige Mesodermelemente, die dem Entoderm (der Darmwand) direkt anliegen und die splanchnische Mesodermschicht darstellen. In diesem Präparate war es schon un- möghch, eine scharfe Grenze zwischen dem Ectoderm und Mesoderm durchzuführen. In dem ein wenig älteren Entwicklmigsstadium, am Sagittalschnitte durch eine ganz entsprechende (wie in Fig. 69, Taf. VII) Gegend der Rumpfkeimscheibe erblicken wir ein folgendes Bild (Fig. 70). Wir sehen eine Schicht Ectodermzellen, wo in manchen Zellen der Kern am Grunde liegt und im oberen Abschnitte der Zelle ein drüsiger Inhalt vorhanden ist (seröse Drüsen der oberflächlichen Schicht); unterhalb dieser Schicht trifft man Ectodermzellen von birnförmiger Gestalt, die peripherwärts in einen Hals übergehen, der sich zwischen die oberfläch- lichen Zellen hineinschiebt — junge Drüsenzellen der tieferen Schicht (unter welchen es etwas später zur Differenzierung von serösen und schleimigen Drüsenzellen kommt) ; unterhalb dieser tiefen Drüsenschicht- anlage erblicken wir einige Lagen von rundlichen, rundlich-ovalen Zellen mid noch tiefer spindelförmige Mesodermzellen; mitunter sieht man auch verästelte Zellen vom bindegewebigen Charakter zwischen der tiefen Drüsenschichtanlage und der erwähnten Lage von rundlichen und rundlich-ovalen Zellen. Wir sehen alle diese Verhältnisse in Fig. 70 (Taf. VII). Wenn wir nun die Fig. 69 mit 70 vergleichen, wird es uns fast unmöglich, mit aller Sicherheit zu entscheiden, ob diejenigen Zellenlagen, die unterhalb der tieferen Drüsenschichtanlage liegen, ectodermaler oder mesodermaler Herkmift seien. Wir haben viele Präparate der betreffenden Stadien durchgesehen und immer waren wir in Verlegenheit, wenn wir wünschten, diese Frage zu entscheiden; es ist ja sehr klar, daß wenn zwei innig nebeneinanderliegende Zellen- schichten (Ectoderm und Mesoderm) sich vermehren und vielfach IQQ J. Xusbaum und M. Oxner, ineinandergreifen, so ist es äußerst schwer zu entscheiden, ob die in der Mitte zwischen denselben zu liegen kommenden Zellenlagen der einen oder der andern primären Schicht ihre Herkunft verdanken. In noch späterem Entwicklungsstadium, vermehren sich stark die unterhalb der tiefen Drüsenzellenanlage liegenden Zellen, wie es in den Mikrophotographien Fig. 86 oder 87 (Taf . VIII) zu sehen ist ; es bildet sich eine dicke Schicht von ganz locker liegenden Mesodermzellen, die sich später in verschiedenen Richtungen zu differenzieren beginnen, indem sie alle Muskelschichten, das Bindegewebe und Parenchym liefern. Diese Differenzierung erfolgt schon in einem verhältnismäßig sehr späten Entwicklungsstadium, bei den schon frei kriechenden Würmchen. In Fig. 72 (Taf. VII), die einen Teil des Sagittalschnittes durch das kriechende, äußerst junge Würmchen darstellt, sehen wir schon die wichtigsten Mesodermprodukte differenziert. Unter dem Haut- epithel, dem die oberflächlichen erytrophilen und die viel tiefer liegenden erytrophilen und cyanophilen Drüsen angehören, sehen wir eine feine homogene Schicht (c), die teilweise der Cutisschicht entspricht und in derselben äußerst feine Pünktchen (schwärzlich oder tief blau bei Eisenhämatoxylinfärbung), welche die äußeren circulären Muskel- faserchen darstellen; diese Bildungen sind wahrscheinlich Produkte des Ectoderms (s. weiter); unter diesen Bildungen sehen wir die äußeren longitudinalen Muskelfasern (L), dann folgt eine sehr lockere Schicht mit Bindegewebszellen ; — weitör nach innen — die Schicht der inneren circulären Muskelfasern (C) und noch tiefer die inneren longitudinalen (LI) Muskelfasern, die schon dem Entoderm {DW) anliegen. In Ver- bindung mit manchen Muskelfasern sehen wir länglich-ovale Kerne, welche wahrscheinlich Myoblastenkerne darstellen. Außerdem finden wir im Epithel und unter dem Epithel noch viele lichtbrechende Dotter- kugeln, die denjenigen gleich sind, welche äußerst zahlreich in den Entodermzellen liegen; diese Kugeln färben sich mit Eisenhämatoxylin tief violett bis schwarz. Wir müssen noch hinzufügen, daß beim ausgewachsenen Exemplar des Lineus ruher die äußeren longitudinalen Muskelfasern in zwei Lagen liegen: die eine, äußere, dünnere liegt nach außen von den Leibern der Drüsenzellen der tiefen Schicht, die andre, innere, dickere, nach innen von diesen letzteren, in direkter Nachbar- schaft der dicken circulären Schicht (s. Fig. 74, 75, Taf. VII). Aus dem Vergleich der Fig. 72 und 74 ist es leicht zu erkennen, daß zuerst nur die äußere dünnere Lage der äußeren longitudinalen Muskelschicht zum Vorschein kommt. Die Einhrvonaleiitwicklung dos Lincus ruber Müll. 167 Wir vermochten also nicht auf dem Wege einer direkten Beob- achtunpj zu entscheiden, ob die Cutisschicht mitsamt den äußeren longitudinalen Muskelfasern dem Ectoderm entstamme; wir können jedoch auch keine direkten Gegenbeweise anführen. Wenn wir jedoch folgende Tatsachen berücksichtigen, und zwar 1) daß die Verdickung des Ectoderms und die Bildung von mehreren Zellenschichten in dem- selben mit der Ausbildung von tief unter dem definitiven Epithel liegenden sehr zahlreichen Drüsen und Drüsenpaketen (von seröser und schleimiger Natur) innig verknüpft ist, 2) daß es keine scharfe Grenze zwischen den aus der Teilung der Ectodermzellen und den aus der Vermehrung der Mesodermzellen entstehenden Elemente durchführbar ist, 3) daß die äußeren longitudinalen Muskelfasern vollkommen dem Bau nach denjenigen der circulären und inneren longitudinalen Schicht gleichen und daß endlich 4) die äußerst zarten und direkt unterhalb dem definitiven Hautepithel spärlich verlaufenden äußeren circulären Muskelfaserchen sich dem Bau nach und dem Habitus nach (viel dünner und zarter) von andern Muskelfasern im Leibe des Lineus ruber unterscheiden — wenn wir alle diese Tatsachen in Erwägung ziehen, so gelangen wir zu einem sehr wahrscheinlichen Schluß, daß die äußeren longitudinalen Muskelfasern ebenso wie alle andern tiefer liegenden Muskelschichten samt den Bindegewebs- und Parenchymelementen dem Mesoderm ihren Ursprung verdanken. Die äußerst zarten, spärlichen, ganz oberflächlich liegenden Muskel- faserchen der äußeren circulären Schicht samt der homogenen Schicht unter dem Hautepithel, die teilweise der Cutisschicht andrer Formen entspricht (Fig. 72), verdanken aber sehr wahrscheinlich einzelnen Ectodermzellen, die als Mesenchymelemente sich vom Ectoderm ab- trennen, ihren Ursprung. Diese ganze Frage halten wir aber noch nicht für endgültig erledigt. An andern, in embryologischer Hinsicht vielleicht günstigeren Objekten wird diese Frage noch definitiv gelöst sein müssen. Die Entwicklung des Blutgefäßsystems ist innig mit den Fragen über das Mesoderm und Cölom verbunden. Nach den Unter- suchungen von Hubrecht entwickeln sich die Blutgefäße bei der DEsoEschen Larve im Prinzip auf ähnliche Weise wie das Rhyncho- cölom, mid zwar aus dem Blastocöl (Archicöl), indem gewisse Ab- teilungen desselben von Mesodermzellen umgeben werden. Bürger beschreibt beim Pilidium die Bildung des Gefäßsystems folgender- maßen. Ehe die vorderen Keimscheiben verschmolzen sind, existieren zwei linsenförmige Hohlräume in der »Gallerte« des Pilidium', die 168 J- Nusbaum und M. Oxner, Hohlräume entwickeln sich auf Kosten der »Gallerte« des Pilidium und zwar durch Verflüssigung derselben. Außerdem bildet sich in der »Gallerte«, d. h. im Mesoderm an der Stelle, wo die beiden Kopf Scheiben verschmelzen, ein unpaarer Hohlraum, der große »Binnenhohlraum«, der bestehen bleibt, während die zuerst erwähnten verschwinden. In diesen Hohlraum stülpt sich das Rhynchocölom, den Rüssel enthaltend, vor. Diesen »Binnen- hohlraum« nennt Bürger Archihämalraum; diese Höhle bleibt sehr lange einheitlich und wird erst nach der Bildung des Rhynchodäums durch ein ventrales und dorsales Septum längs in je zwei Räume zerlegt, die, nachdem sie enger geworden sind, die beiden Kopf gef äße dar- stellen. Die Entstehung der Archihämalhöhle kommt nach Bürger dadurch zustande, » daß die Gallerte (Mesoderm) des Pilidium teil- weise flüssig wird. Die frei werdenden Zellen bilden die Tunica propria des Archihämalraums ; es werden wohl aber auch solche als Urblut- körper in der Höhle flottieren«. »Den Hohlraum «, sagt Bürger, »welchen Salensky im Bereich der hinteren Keimscheiben als Cölom bezeichnet, muß ich als Blutraum — Urblutgefäß — auffassen. « Das endgültige Resultat von Bürgers Beobachtungen lautet: »Indem die Archihämalhöhle sich nach hinten ausdehnt und gegliedert wird, wan- delt sie sich in das Blutgefäßsystem der Nemertine allmählich um« (»Die Nemertinen«, 1895, S. 470). Salensky (1912) behauptet, daß die Archihämalhöhle Bürgers derjenigen Höhle beim Pilidium entspricht, welche er (Salensky) als Cölom bezeichnet. Und nun sagt Salensky, nachdem er den zuletzt erwähnten Passus aus der Arbeit Bürgers anführt, daß seine Beobachtungen ihn zum Schluß führten, »daß die Blutgefäße hier durchaus nicht als Teile des Cöloms erscheinen, sondern daß sie in das Cölom hineinragen. Das Blutgefäßsystem der Nemertinen ist doch sehr kompliziert gebaut und besteht, wie mir scheint, aus zweierlei verschiedenen Elementen: aus den echten Blutgefäßen mid aus den Überbleibseln der Cölomhöhle, welche beide, wie bei den Hiru- dineen, miteinander in Verbindung treten können. Es ist deswegen zulässig, daß einige Bestandteile des Cöloms als Blutgefäße bei den ausgebildeten Nemertinen funktionieren, aber im morphologischen Sinne doch Teile des Cöloms darstellen.« Wir sehen also, daß im Grunde genommen keine große Differenz in den Anschauungen Bürgers und Salenskys existiert. Unsre Untersuchungen bei L. ruber führten uns zum Schlüsse, daß manche Blutgefäße und zwar ohne jeden Zweifel die großen Seiten - gefäße wirklich als Verlängerungen des Kopfcoeloms oder mit Die Embryonalont Wicklung des Lineus ruber Müll. 169 andern Worten des sogenannten Archihämalraums Bürgers darstellen, während andre Gefäße, besonders das Rückengefäß, sich nicht im Zusammenhauge mit diesen Kopfhöhlen entwickeln und höchst wahrscheinlich als Interstitien und Spalten im Mesoderm entstehen, weshalb sie, vom morphologischen Standpunkte, als Residua des Blastocöls gedeutet werden müssen; wir möchten uns also der Anschaumig Salenskys anschließen, daß die Blutgefäße der Nemertinen, ähnlich wie diejenigen der Hirudineen, sehr wahr- scheinlich von zweierlei Ursprung sind. Was die Kopf höhlen anbelangt, die den Seitengefäßen des Blutgefäßsystems den Anfang geben, so ist es sehr charakteristisch, daß diese Höhlen zuerst von lockeren Mesodermzellen und vom dotter- reichen primären Ernährungsmaterial ganz ausgefüllt sind, welches vorzugsweise dem primären Ectoderm entstammt und dann vollkommen zugrunde geht, indem es teils resorbiert, teils in eine flüssige Substanz verwandelt wird, welche sehr wahrscheinlich auch der Blutflüssigkeit den Anfang gibt, in welcher die Mesodermzellen frei flottieren, die ersten Blutkörperchen darstellend; ein Teil der Mesodermzellen, die die Höhle auskleiden, verwandelt sich in die zarten Wandungen der Blutgefäße. Erinnern wir uns an die Verhältnisse, die wir schon oben dar- gestellt haben und zwar bei der Beschreibung des ZusammenfHeßens der Keimscheiben. Erinnern wir uns, daß im Stadium, in welchem vorn die Rückenscheibe mit den Kopfscheiben sich noch nicht ver- bunden hat und eine schmale zungenförmige vordere Verlängerung bildet, beiderseits des Rüssels samt der sie umgebenden Mesoderm- hülle zwischen der Rückenscheibe und den Kopfscheiben in das Blasto- cöl zahlreiche dotterreiche Elemente des primären Ectoderms (der Serosa) hineindringen. Wir sehen das sehr schön in Fig. 81 D (Quer- schnitt, Mikrophotographie), wo wir bemerken können, daß diese zelligen Massen bis zur visceralen Mesodermschicht, die die Darmwand bedeckt, hineindringen ; sie füllen etwa zw^ei laterale ansehnliche Gruben aus, die sich beiderseits des Rüssels samt seiner mesodermalen Hülle befinden, wie es in der Fig. 81 (Taf. VIII) zu sehen ist. Zwischen der Rückenscheibe, die hier, wie gesagt, noch sehr schmal und mit den Kopfscheiben lateral noch nicht verbunden ist, und dem Rüssel oder richtiger gesagt, seiner mesodermalen Hülle zieht sich ein provisorisches mesodermales senkrechtes Septum, welches eben in der Fig. 81 zu sehen ist, und das die beiden erwähnten Gruben oben voneinander abgrenzt. Ähnliches sehen wir in Fig. 82 (Querschnitt, Mikrophotographie). 170 J. Nusbaum und M. Oxner, Wenn in etwas späteren Stadien die Verschmelzung der Rücken- scheibe mit den Kopfscheiben stattgefunden hat, verwandehi sich die erwähnten Gruben in geschlossene Höhlen, die ebenfalls von dem er- wähnten dotterreichen zelligen Material primär-ectodermalen Ursprungs erfüllt sind, wie die Fig. 83 (Taf. VIII) zeigt (Querschnitt, Mikrophoto- graphie) ; hier sieht man links schon eine völlige Verbindung der Rücken- scheibe mit den Kopfscheiben, rechts bleibt noch eine enge Spalte zwischen denselben. Es entstehen also beiderseits des Rüssels und seiner Hüllen (wie auch des inzwischen sich differenzierenden Rhyn- chocöloms) zwei ansehnliche Höhlen, mit dem erwähnten zelligen Materiale ausgefüllt und von einer Lage des Mesoderms begrenzt und zwar seitens der Außenwand (durch die Verschmelzung der Keim- scheiben entstanden) von der parietalen Schicht des Mesoderms, seitens des Darmes von der visceralen Mesodermschicht und endlich median durch die äußere (mesodermale) Rhynchocölomwand begrenzt, wie wir das eben in Fig. 83 so äußerst klar sehen. In die genannten Höhlen dringt außerdem ein dotterreiches em- bryonales Zellenmaterial auch von unten durch eine Spalte zwischen den unteren und hinteren Rändern der Kopfscheiben und dem primären Schlund (Embryonalschlund), wie wir es in Fig. 77, Taf. VIII (Sagittal- schnitt, Mikrophotographie) sehen, wo aus dem primären Ectoderm ein Zellenstrang vor dem embryonalen Schlund in die Leibeshöhle des Embryos hineindringt. Unterhalb des Rüssels und seinen Hüllen ver- binden sich die beiderseitigen Höhlen in eine unpaare Höhle, die zwi- schen dem Schlünde, den Cerebralorganen und dem Rüssel samt seinen Hüllen (dorsalwärts) und dem Darme gelagert ist und ebenfalls vom erwähnten embryonalen dotterreichen Zellenmaterial ausgefüllt und von einer Mesodermschicht begrenzt ist. Da diese Höhlen vom visce- ralen und parietalen Mesoderm umschlossen sind, halten wir dieselben für die Derivate der sekundären Leibeshöhle, d. h. des Cöloms (mit Salensky). Die unpaare, mediane Höhle ist in Fig. 87 (Taf. VIII) im Horizontalschnitte (Mikrophotographie) zu sehen und sie ist, wie gesagt, nur eine direkte Verlängerung der beiden oben erwähnten paarigen Höhlen. Wie schon oben erwähnt, verwandeln sich die bisher — sit verbo venia — soliden Höhlen, d. h. Höhlen, die mit einem dotterreichen, von außen her eingewanderten Materiale vollgestopft sind, in wirk- liche Höhlen, in dem Maße, als die zelHgen Materialien allmählich teilweise resorbiert und teilweise verflüssigt werden. Wenn wir z. B. die Fig. 85 mit der Fig. 87 (Taf. VIII), welche letztere ein viel älteres Die Kmhrvonalontwifklmii,' des Linons ruber Müli. 171 Entwickliingsstadium darstellt, vergleichen, so finden wir, daß die vorher mit zelligeni Materiale, welches als ein Ernährungsmaterial dient, vollgestopfte Höhle sich in eine wirkliche Höhle verwandelt hat, in der nur eine Anzahl von wandernden Mesodermzellen und eine helle Flüssig- keit zu finden ist. Wie das erwähnte zellige Ernährungsmaterial zugrundegeht, das haben wir schon eben beschrieben. Wir erinnern uns, daß die dotter- reichen und körnchenreichen Zellen, die typisch erythrophil sind (wie das zugrunde gehende primäre Ectoderm und das zugrunde gehende Gewebe des embryonalen Schlundes und das primäre zugrunde gehende Gewebe des Darmes) einer Vergrößerung unterliegen, wobei das Plasma viel stärker als der Kern wächst, daß infolge der ungünstig werdenden Kernplasmarelation die Zellen ihre Lebensfähigkeit verlieren, dann in Körnchen und Schollen zerfallen und von den Mesodermzellen allmählich resorbiert und teilweise auch ganz verflüssigt werden. Nun können wir weiter einstimmig mit Bürger die interessante Tatsache bestätigen, daß die erwähnten primären Höhlen sich teilweise direkt in Gefäßstämme verwandeln, teilweise Gefäße aus sich hervor- sprossen lassen. Dies bezieht sich vor allem auf die Seitengefäße. In Fig. 87 (Taf. VIII) sehen wir die centrale Höhle sich nach hinten verlängern, so daß sie jederseits das Cerebralorgan umgibt; bei stärkeren Vergrößerungen sieht man klar an diesem Präparate, daß eine Schicht Mesodermzellen hier die Höhle von allen Seiten umgibt, so daß das r^erebralorgan etwa wie in einem zweischichtigen Sack vertieft ist, dessen Höhle eben den Anfangsabschnitt des Seitengefäßes darstellt. In älteren Entwicklungsstadien sehen wir diese Höhlen jederseits sich weiter nach hinten und lateral verlängern, wir erblicken, sie z. B. in Fig. 89 schon hinter dem Oesophagus, in noch älteren Stadien jeder- seits noch weiter nach hinten lateral vom Darme. Wir konnten fast Schritt für Schritt an zahlreichen Präparaten die Verlängerung der erwähnten Höhleu nach hinten hin in die Seitengefäße beobachten, so daß uns die Entwicklung dieser Gefäße aus den genannten Höhlen keinem Zweifel zu unterliegen scheint. Was jedoch die andern Gefäße anbelangt, vor allem das Dorsalgefäß, so ist es sehr wahrscheinlich, daß dasselbe in situ im Mesoderm entsteht, indem zwischen den Ele- menten desselben zahlreiche Spalten und Lücken überall sich vorfinden. Es folgt aus dem Obigen, daß die umfangreichen Seitengefäße als Produkte des Cöloms sehr wahrscheinlich aufgefaßt werden müssen. Dieser Schluß, zu dem wir durch unsre embryologischen Untersuchungen gelangt sind, findet auch eine nicht unbedeutende Stütze in manchen 172 J- Nusbaum und M. Oxner, anatomischen und entwicklungsmechanischen (Regeneration) Tat- sachen. Bei den Lineiden sind ja die Seitengefäße am stärksten ent- wickelt im Vergleich mit andern Blutgefäßen und bei manchen, z. B. beim Lineus lacteus bilden sie kolossale Säcke, die viel eher an das Cölom, als wirklich an Blutgefäße erinnern. Dazu kommt noch eine von uns (43) konstatierte, höchst interessante Tatsache, daß bei der Regeneration der Hinterabschnitte des Körpers bei L. lacteus die Seitengefäße in ihrem hinteren Abschnitte kolossale, sackförmige, fast den ganzen Leib zwischen dem Darm und der Körperwand samt Musku- latur ausfüllende Auftreibungen bilden, die nur vermittels eines dor- salen und ventralen longitudinalen Septums, etwa wie Mesenterien, voneinander abgegrenzt erscheinen und was noch viel interessanter ist, daß in diesen beiden so stark verbreiterten Seitengefäßen eine Anzahl sehr regulär angeordneter Quersepten erscheint, wie wir es in den Fig. 15 (Textfigur), Fig. 37 (Taf. VII) und in der Mikrophotographie Fig. 38 (Taf. VI) unsrer Arbeit »Fortgesetzte Studien über die Regeneration der Nemertinen. II. Regeneration des Lineus lacteus Rathke« (Arch. f. Entw.-Mech. Bd. XXXV. Hft. 2. 1912) dargestellt haben. Alle diese, sowohl die direkten, wie auch die zuletzt angeführten indirekten Beweise führen uns zum Schlüsse, daß in den Blutgefäßen der Nemertinen sehr wahrscheinlich zweierlei Bildungen zu unter- scheiden sind, die einen, die nur Derivate des Cöloms sind und den Charakter desselben behalten und das sind näm- lich vor allem die Seitengefäße, und andre Gefäße, die sich sehr wahrscheinlich unabhängig von den letzteren ent- wickeln und sekundär mit denselben in Verbindung treten, sich aus den Lücken im Mesoderm herausbilden und alsResidua desBlasto- cöls aufgefaßt werden müssen — das Rückengefäß. Es finden somit die Anschauungen Salenskys, was das Vorhandensein von zweierlei Arten von Gefäßen im Leibe der Nemertinen in bezug auf die Genese derselben anbelangt, eine Bekräftigung durch unsre Unter- suchungen und theoretische Erwägungen. — Daß große Bluträume, als welche wir die Seitengefäße der Nemertinen betrachten,' Teile des echten Cöloms darstellen können, das möchte auf den ersten Blick etwas befremdend lauten. Aber erwägen wir, daß auch bei den Hiru- dineen gewisse Bluträume als reduzierte Abschnitte des Cöloms allge- mein anerkannt werden und daß die ganze Leibeshöhle der Insekten, die als ein kolossaler Blutraum mit speziellen Einrichtungen zur Circu- lation (Diaphragmamuskeln, Pericardialsinus usw.) funktioniert, morpho- Die Embrvonalonfwicklung des Lineus ruber Müll. 173 logisch als eine Summe der Cölomsäckehöhlen und des Blastocöls ange- sehen werden muß. da sich hier, bekanntlicherweise die zuerst ver- schlossenen Cölomsäcke öffnen und mit dem Blastocöl in direkte Ver- bindung treten. Die Theorie von Miguel Fernandez (13 bis), das »dreistämmige Nemertinengefäßsystem auf einen Darmblutsinus zu- rückzuführen«, wobei der Darmblutsinus genetisch als »ein Spaltraum im Parenchym«, ganz unabhängig vom Cölom, betrachtet wird — kann uns nicht befriedigen, da er keineswegs auf Tatsachen beruht und überhaupt ganz willkürlich ist. XII. Die Entwicklung des Nervensystems. Hubrecht (19) hat bekanntlicherweise das ganze Nervensystem der DESORschen Larve aus dem Mesoderm hervorgeleitet. »Das Ge- hirn — sagt er — und die beiden seitlichen Nervenmarkstämme (Seiten- stämme), in welchen sich schon früh zellige und faserige Nervenele- mente unterscheiden lassen, entwickeln sich aus Mesoblastzellen, welche sich gegen die Platten sekundären Epiblasts lagern. « Diesen großen Irrtum Hubrechts hat Salensky korrigiert, indem er im Jahre 1886 in seiner Arbeit über Bau und Metamorphose des Pilidium zu folgenden Resultaten gelangte: »Die ersten Anlagen des Nerven- systems der Nemertinen erscheinen in Form von zwei Ectodermver- dickungen, die im Bereiche der vorderen Scheibenpaare zu beiden Seiten der Eüsseleinstülpung entstehen. Die vorderen verdickten Teile dieser gemeinsamen Nervenanlagen stellen die Anlagen der Bauch- und Rückenlappen des Gehirns, die hinteren die der Lateralnerven- stämme (Seitenstämme) dar. Die Bauchcommissur der Gehirnganglien kommt infolge der Verwachsung beider Bauchlappen . . . und tritt viel früher als die Rückencommissur zutage. Die Lateralnerven (Seiten- stänime) bilden sich als unmittelbare Fortsetzungen der primitiven Nervenanlagen aus . . . und setzen sich nach erfolgter Verwachsung im Rumpfteile fort. << Das ganze Nervensystem stellt also nach Sa- lensky nur ein Produkt des Ectoderms der Kopfkeimscheiben dar und von hier aus wächst es (die Seitenstämme) in den Rumpf des Ne- mertinenleibes hinein, Bürger (6), der die ectodermale Herkunft des Nervensystems beim Pilidium bestätigt hat (1895), nimmt aber gegen Salensky an, daß -owohl die Kopfscheiben wie auch die Rumpfscheiben sich an der Bil- dung des Nervensystems beteiligen : »Es ist nicht richtig — sagt Bürger (l. c. S. 474) — wenn Salensky nur den Kopfscheiben die Bildung des Centralnervensystems zuschreibt, behauptend, von dort aus wüchsen 174 J- Xusbaum und M. Oxner, die Seitenstämme innen an den Rumpfscheiben nach hinten aus, sondern ich muß es nach meinen Untersuchungen an Pilidium als völhg sicher hinstellen, daß sich sowohl das hintere als auch das vordere Scheiben- paar an der Bildung des Centralnervensystems beteihgen. Es bringen nämlich die Kopfscheiben nur die dorsalen Ganglien und die sie vor- bindende dorsale CommLssur hervor, die Rumpfscheiben aber liefern ganz und gar die ventralen Ganglien und die Seitenstämme nebst der die ventralen Ganghen verbindenden (ventralen) Commissur. << Das Nervensystem der Nemertinen entsteht also nach Bürger nicht aus einer einzigen, sondern aus einer zweifachen, zuerst örtlich getrennten Anlage hervor, indem die ventralen Ganglien und die Seitenstämme einen andern Mutterboden besitzen als die dorsalen Ganghen. Einer ähnlichen Anschauung ist auch Lebedinsky; auch nach ihm hat >>das NerveiLsystem der Nemertinen einen doppelten Ursprungs« und ent- wickelt sich aus einer ventralen und dorsalen Abteilung. In seiner letzten Arbeit (1912) verteidigt Salensky mit aller Kraft seinen bisherigen Standpunkt in betreff der Entwicklungs- geschichte des NerveiLsystems und führt neue Tatsachen und neue Beweise an, um die Unzulässigkeit der Anschauungen von Bürger zu beweisen. Er ist der Meinung — was wir auf Grund unsrer eignen Untersuchungen über die DESORsche Larve des Lineus ruher für voll- kommen richtig halten — daß Bürger deshalb sich geirrt hat, weil er sich nur der Querschnitte bedient hat. Wenn zu entscheiden ist, ob die Seiteastärnme durch Fortsetzung der Kopf an lagen des Nerven- systems nach hinten hin entstehen, so müssen wir uns der Längs- schnitte bedienen; Querschnitte würden uns, wie Salensky richtig Ijemerkt, nicht viel in dieser Hiasicht aufklären. Und nun auf Grund vom Studium zahlreicher SagittaLschnitte und Horizontalschnitte außer den Querschnitten kommt Salensky zum Schluß, daß die erste Anlage des NerveiLsystems in den Kopfscheiben auftritt, daß in den Rumpf- scheiben vor ihrem Verwachsen mit den Kopf Scheiben keine Spur des Nervensystems vorhanden ist und daß die Seitenstämme von dem Gehirn aus wachsen und in die verwachsenen Rumpfscheiben hinein- treten. Unsre Untersuchungen an Lineus ruher bestätigen voUkonmien in allen diesen Hinsichten die Angaben Salenskys über die Entwicklung des Nerveasystems beim Pilidium. Wann beginnt die allererste Differenzierung der Nervensystem- anlage im Ectoderm der Keirascheiben? Salensky beobachtete die erste Anlage dieses Gewebesystems noch bevor die beiden Kopfkeim- scheiben miteinander zusammen geflossen waren und sogar bevor nocli Die Einbiyoualentwic'klung dos Lincus ruber Müll. 175 die Anlage des Rüssels zum Vorschein kam. Bei der DfisoRschen Larve haben wir das nicht bemerkt; bis zu diesem Stadium sind die beiden Kopfkeimscheiben durchwegs einschichtig, so daß keine Spur irgend- welcher Differenzierung eines Nervensystems in denselben zu sehen ist. Bei Embryonen, bei welchen die erste Anlage des Rüssels hervortritt, hat Salensky die Anlage des Nervensystems noch viel deutlicher ge- sehen; die Kopfkeimscheiben bestehen in diesem Entwicklungsstadium nach Salensky aus drei ectodermalen Zellenschichten, von welchen die obere die Anlage des späteren Hautepithels, die zwei unteren aber die Anlage des Nervensystems bilden, indem in denselben eine fibrilläre Substanz zum Vorschein kommt. Bei der ÜESORschen Larve haben wir auch in diesem Stadium noch keine Bildung des Nervengewebes (z. B. der fibrillären Substanz) in den Kopfkeimscheiben angetroffen, obwohl stellenweise das Ectoderm dieser Scheiben schon aus zwei Zellenschichten besteht: aus einer äußeren, die aus hohen cyHndrischen Zellen besteht und einer inneren, die aus niedrigeren Zellen zusammen- gesetzt ist (vgl. z. B. die Fig. 63). Wir müssen bei dieser Gelegenheit bemerken, daß man überhaupt sehr vorsichtig sein muß, wenn man die Keimscheiben als mehrschichtig erklären will, da es ziemlich schwer ist, einen vollkommen queren Schnitt zu bekommen; wenn derselbe etwas schief durch die Keimscheibe durchgeführt worden ist, scheint dieselbe schon mehrschichtig zu sein. Wir haben die Entwicklung des Nervengewebes ganz klar erst in dem Stadium gesehen, in welchem die beiden Kopfkeimscheiben schon vollkommen miteinander zu- sammengeschmolzen waren, wenn aber noch die rinnenförmige Grenze zwischen denselben zu beobachten war. Die Anlage des Nerven- systems ist paarig. Sowohl an der unteren wie auch an der oberen Seite der gebogenen, kuppenartigen Keimscheiben, d. h. sowohl unter- halb der Rüsselanlage, wie auch oberhalb derselben erblicken wir eine, sehr starke Proliferation des Ectoderms; es entstehen hier zahlreiche Zellenschichten, die eine lange Zeit hindurch noch nicht von der ober- flächlichen Schicht, d. h. der späteren Hautepithelschicht abgegrenzt sind. Gleichzeitig tritt also sowohl unterhalb der Rüsselanlage, die schon stärker nach hinten vorgewachsen ist, wie auch oberhalb der- selben eine starke Verdickung im Ectoderm, die eine Art verdickten Ringes darstellt und den Rüssel samt seiner MesodermhüUe von allen Seiten rings umgibt und an der inneren gegen das Kopfcölom zuge- kehrten Fläche ebenfalls von einer dünnen Mesodermschicht bekleidet ist. Die rinirförmiffe Verdickunii, die zuerst gleichmäßig dick 176 J- Nusbaum und M. Oxner, ist, differenziert sich sehr bald so, daß in zwei Punkten: einem dorsalen und einem ventralen, die in der Medianebene liegen, wie auch in zwei lateralen Punkten, die in der Querachse des Körpers liegen, die ring- förmige Anlage dünner wird, während in den vier Feldern, die zwischen diesen vier Punkten liegen, eine stärkere Verdickung erscheint. In diesen vier Feldern tritt auch zuerst die fibrilläre Substanz hervor, in den verdünnten Verbindungsteilen an der dorsalen und ventralen Seite des Kopfes erscheint sie ein wenig später: diese zwei verdünnten Verbindungsteile, eine dorsale und eine ventrale, bilden die dorsale und ventrale Gangliencommissur, während die mehr lateralen Verdickungen jederseits ein dorsales und ein ventrales Ganglion darstellen. Es entstehen somit durch Differenzierung des primären Ringes sowohl die beiden Paare der Ganglien: das dorsale und ventrale Ganglienpaar, wie auch die beiden Gangliencom- missuren, so daß wir sagen können, daß das ganze Gehirn eine einheitliche ringförmige Anlage hat, die aus zwei primär paarigen Anlagen gebildet worden ist. Wir müssen noch eine interessante Tatsache hervorheben und zwar, daß Ganglien- anlagen länger mit der künftigen Epithelhautschicht zusammenhängen als die Commissuren, besonders die dorsale Commissur, die verhältnis- mäßig am frühesten frei wird. In Fig. 88, Taf. VIII (Querschnitt, Mikrophotographie), die einen Schnitt darstellt, der in querer und dabei etwas schiefer Richtung durchgeführt worden ist, sehen wir beiderseits des Rüssels (sammt seinen Hüllen) die beiden seitlichen, dorsalen Verdickungen, in welchen central die fibrilläre Substanz liegt — die Anlagen der beiden dorsalen Ganglien, zwischen denselben die dor- sale Commissur, die oberhalb des Rüssels frei verläuft, während die Ganglienanlagen noch mit dem Hautepithel zusammenhängen; unter- halb jedes Dorsalgauglions sieht man die gangliösen Massen der Cere- bralorgane und endlich ventral — die Anlagen der VentralgangHen ebenfalls mit der fibrillären Substanz in der Mitte (alle diese Anlagen sind in demselben Querschnitt zu sehen und weil der Schnitt etwas schief durchgeführt worden ist, sieht man auch den Schlund durch- geschnitten). Was die Seitenstämme, d.h. Lateralnerven anbelangt, so be- stätigen wir die Untersuchungen Salenskys, daß dieselben nicht in situ in den Rumpfkeimscheiben oder, sagen wir kürzer, im Rumpfe entstehen, sondern von der Gehirnanlage und zwar von dem ventralen Teile dieser Anlage nach hinten hin in den Rumpf hineinwachsen. Dieses Hineinwachsen haben wir so- Die Embiyüuak'Utwioklung dos Lineas ruber Müll. 177 wohl an horizontalon Rchnitton und zwar an vollständigen Serien- schuitten wie auch an Querschnitten studiert. Diese letzteren überzeug- ten uns, daß die Nervenstämme, die durch die Anwesenheit der fibrillären Substanz sehr leicht zu erkennen sind, in einer Serie von Querschnitten in jungen Stadien in mehr hinteren Sclinitten nicht zu sehen siiul, vielmehr erst in mehr vorderen Schnitten zum Vorschein kommen,- aber da, wo sie hervortreten, sind sie in keinem Zusammenhange mit dem Hautepithel, sondern liegen schon tief unter der mehr lockeren Zellenschicht, die, nach unsern Untersuchungen nicht bloß aus den Ectodermzellen vielmehr auch schon aus Mesodermzellen besteht, wie wir es oben dargestellt und näher erörtert haben. Die Seiten- stämme wachsen also in ein Gewebe hinein, das nicht rein ectodermal ist und zeigen keinen kontinuierlichen Zusammenhang mit dem Haut- epithel, wie dies im Gegenteil lange Zeit in der Gehirnanlage zu sehen ist. Diese einzige Tatsache spricht schon sehr gewichtig gegen die Annahme, daß sich die Nervenstämme in situ im Rumpfe als Ecto- dermverdickungen bilden möchten. An Sagittalschnitten konnten wir mit aller Bestimmtheit das allmähliche Hineinwachsen der Seitenstämme konstatieren. Wir be- sitzen Präparate, in welchen die Seitenstämme nur bis zur Gegend des Schlundes reichen, dann solche, in welchen die hinteren Enden der Seitenstämme schon zu einem Drittel Länge des Darmes reichen, zur halben Länge desselben und endlich solche, in welchen die hinteren Enden der Seitenstämme bis zum Hinterende des Körpers gelangt sind. In allen diesen Präparaten war die Unabhängigkeit des Seitenstammes vom Epithel der Haut zu konstatieren. Wir werden diese Verhältnisse nur durch eine Abbildung illustrieren, die aber sehr lehrreich ist. Und zwar in Fig. 87 (Taf. VIII) sehen wir an einem Horizontalschnitte (Mikrophotographie), daß die hinteren Enden der Seitenstämme schon ziemlich weit hinter die Gegend, wo der Schlund sich befindet, reichen; wir sehen dabei sehr klar, daß die Seitenstämme durch ein helles lockeres Gewebe vom Epithel abge- trennt sind. Ein Vergleich mit allen andern Schnitten derselben Serie ül)erzeugt uns, daß die Nervenstämme wirklich nur bis zu einer ge- wissen Gegend nach hinten reichen und daß das Bild nicht ein Re- sultat nur eines etwas schiefen Schnittes ist. In Fig. 90 reichen schon die beiden Nervenstämme bis zum Hinterende des Körpers. Wir könnten noch viele andre Horizontalschnitte und Querschnitte dar- stellen, um den Leser zu überzeugen, daß es sich hier wirklich um ein allmähliches Hineinwachsen der Nervenstämme und nicht um Bildung Zi-iisclirift f. wissensch. Zoologie. CVII. Bd. ]2 178 J- Nusbaum und M. Oxner, derselben in situ aus dem Ectoderm des Rumpfes handelt. Wir halten es aber für überflüssig in Anbetracht dessen, daß Salensky auf diesen Punkt speziell und sehr detailliert seine Aufmerksamkeit gelenkt hat und daß in dieser Hinsicht kein Zweifel mehr vorhanden sein kann. Nur auf einen Punkt möchten wir noch bei dieser Gelegenheit unsre Aufmerksamkeit lenken. Bei der Besprechung der Entwicklungsgeschichte der Muskel- schichten äußert sich Salensky (1912) folgendermaßen (S. 56): »Die Undeutlichkeit der Grenze zwischen dem somatischen Blatte und der Cutisschicht (beim Pilidium) bietet ein ernstliches Hindernis bei der Untersuchung der Entwicklung einiger Organe, z. B. der Muskeln dar. Wenn die Grenze zwischen den beiden Zellenlagen der Rumpf- schicht so verwischt ist, kann man nicht immer vollkommen sicher sein, daß die Organe aus der oder jener Schicht entstehen. Um aus dieser schwierigen Lage sich herauszuhelfen, muß man Organe finden, welche als Orientierungspunkt bei der Untersuchung dienen können. Ein solches Organ stellt das Nervensystem dar, namentlich die Lateralnerven dar . . . Die Lateralnerven wachsen in die Cutis- schicht der Rumpfscheiben hinein und kommen in den inneren Teil der- selben dicht unter der Somatopleura zu liegen. Lifolgedessen müssen alle Organe, die nach außen von den Lateralnerven erscheinen als Derivate der Cutisschicht, diejenigen, welche nach innen von derselben auftreten als Derivate der Somatopleura betrachtet werden. << Auf Grund eines solchen Standpunktes hält Salensky, wie schon oben bemerkt, die äußere Längsmuskelschicht, da sie außerhalb der Lateral- nerven liegt, für ein Produkt der Cutisschicht, also für eine ectodermale Bildung — ein Standpunkt, welchen wir nicht teilen. Nach unsern Untersuchungen wächst nämhch der Seitenstamm (Laterahierv) in das Gewebe des Rumpfes, welches keineswegs als rein ectodermal bezeichnet werden kann; im Gegenteil, dieses Gewebe, wie wir schon oben gezeigt haben, entsteht durch eine rege Vermehrung sowohl der Ectodermzellen, d. h. des Epithels der Rumpfkeimscheiben, wie auch der Zellen des Mesoderms, die in sehr jungen Stadien diesen Keimscheiben von innen anhegen und von Anfang an mehrere Schichten bilden. Die Seitenstämme wachsen also keineswegs in das »Cutisgewebe «, sondern eher in das Gewebe der parietalen Mesodermschicht ; die rein ectodermalen Elemente, d. h. die tiefe Schicht der Hautdrüsen und sehr wahrscheinlich auch die zarten äußeren circulären Muskelfaserchen, die in einer homogenen Basalschicht unterhalb des Hautepithels ver- laufen, bilden nicht das ganze lockere Gewebe, in welches die Seiten- Die Euibryuiialentwicklung des Lineua ruber Müll. 179 stamme hinoiiiwach.sen, und wie wir schon oben dargelegt haben, haben wir keinen Grund zu behaupten, daß wirkUch alles, was außenwärts der Nervenstänime liegt, ectodernialen Ursprunges sei, wie dies Sa- LKNSKY annimmt. Beim ausgewachsenen Tier {Lineus ruber) sehen wir (Fig. 71, Taf. Vll), daß außenwärts von dem Seitenstanmi nicht nur die äußere longitudinale MuskeUaserschicht (auch die zarte äußere circuläre) liegt, sondern auch sehr viele Bindegewebszellen und Paren- cliymzellen vorhanden sind und unter anderm — eine besondere Lage des Bindegewebes zwischen der tieferen Lage (s. oben) der äußeren longitudinalen Muskelfasern und der äußeren, d. h. kortikalen Sub- stanz (Zellenlage) des Seitenstammes hervortritt, wie es in Fig. 74 klar zu sehen ist. Es ist a priori höchst unwahrscheinlich, daß alle diese nmskulösen und bindegewebigen Bildungen Produkte des Ectoderms wären und unsre embryologischen Untersuchungen beweisen uns, daß dies bis jetzt wirklich nicht bewiesen worden ist und daß wir im Gegen- teil diesen Bildungen viel eher einen mesodermalen Ursprung zuschreiben müssen. Von einem solchen Ursprünge wären also auch die binde- gewebigen Hüllen des Nervensystems, die bei den Nemertinen so gut ausgeprägt sind. XIII. Einige theoretische Erwägungen. Unsre Beobachtungen führen uns zu folgenden Schlüssen von allgemeinem Interesse. Zuerst möchten wir die Tatsache besonders betonen, daß zwischen der DESORschen Larve und dem Pilidium eine höchst auffal- lende Ähnlichkeit in den Verwandlungsprozessen hervor- tritt. Die gleiche Zahl von Keimscheiben, die gleiche Anordnung derselben, die im Prinzip gleiche Entwicklungsweise dieser Keim- scheiben und zwar das Vorhandensein von Amnion und Amnionhöhle, die große und auffallende Ähnlichkeit im Verhalten der Dorsalkeim- sclieibe beim Pilidium und der ÜESORschen Larve (Delamination, se- kundäre Anmionbildung), die ähnliche Art und Weise des Verwachsens und Zusammenfließen s der Keimscheiben usw. Diese große und auf- fallende Ähidichkeit in der Verwandlung der frei lebenden Pilidium- Larve und der in EihüUen rotierenden DESORschen Larve ist sehr interessant und bildet einen Beweis dafür, daß in vielen Fällen zwischen der direkten und indirekten (d. h. mit freilebender Larve) Entwicklung nur sekundäre adaptive Differenzen vorhanden sein können. Die erwähnte Ähnlichkeit in der Verwandlung beider Larven ist besonders 'leshall) interessant, weil unter anderm die eine {Pilidium) bei Lineus 12* 180 J. Nusbaum und M. Oxner, lacteus, die andre (DESORsche Larve) bei L. ruher, also bei zwei sehr nahestehenden und innig verwandten Formen auftreten. Beide sind littorale unter Steinen lebende Formen. Beide sind negativ photo- trophisch usw. Die Embryologie des Lineus ruher zeigt, daß wir auf Grund von entwicklungsgeschichtlichen Tatsachen einerseits eine Verwandtschaft der Nemertinen mit den Turbellarien, anderseits mit den Anneliden annehmen müssen. Die Verwandtschaft mit den ersteren folgt u. a. aus dem Vorhandensein eines embryonalen, provisorischen Schlundes, der ganz zugrunde geht in dem Maße, als sich der sekundäre entwickelt, wie dies bei den Turbellarien bekanntlicherweise Metschnikoff, Hal- LEZ (15), JiJiMA (21 bis), Mattisen (29) und viele andre Forscher nachgewiesen, und was wir auch bei L. ruher gesehen haben. Auch die Ähnlichkeit mancher Larven, z. B. der Turbellarienlarve Stylochopsis mit dem Pilidium, spricht für die Verwandtschaft beider Tiergruppen, worauf schon Salensky die Aufmerksamkeit gelenkt hat. Anderseits aber sprechen in hohem Maße für die Verwandtschaft der Nemertinen mit den Anneliden folgende embryologische Tatsachen: ein Spiral- furchungstypus, die Bildung des Mesoderms aus zwei Urmesoblasten, die der Mikromere 4 d ihren Ursprung verdanken. Eine weitere wichtige Tatsache, die auf die Verwandtschaft der Nemertinen mit den Anne- liden hinweist, ist die, daß im Embryo der Nemertine eine ansehnliche Höhle, vom parietalen und visceralen Blatte des Mesoderms ausge- kleidet, entsteht, die wir als eine sekundäre Leibeshöhle betrachten müssen. Dazu kommen noch andre wichtige Tatsachen: die neue- sten Untersuchungen Wolterecks (58) über die TrocJw])hora -liawe der Anneliden und besonders über die Entstehung des Polygor- diusleibes aus der Trochophora -ha,r\e (1902) haben uns viele hoch interessante Tatsachen geliefert, welche, unsrer Meinung nach, uns in vielen Hinsichten Analogien und Ähnlichkeiten mit denjenigen Verhält- nissen beweisen, die über die Entwicklung der Nemertinen und zwar über die Verwandlungsgeschichte der Pilidium-haxwe und der ÜESORschen Larve in den letzten Jahren bekannt geworden sind. So wie bei den Nemertinen nur aus gewissen Teilen der Larvenhaut (primäres Ectoderm) sich Keimscheiben bilden, die zum Bau der neuen Körperwand dienen, während der ganze Eest der Larvenhaut als eine kontinuierliche zellige Schicht (Serosa) zugrunde geht^ so geschieht es 1 Die Serosa dient aber zum Schutze der Larve und als Reservoir für das flüssige Medium, in wc^lchem die Larve schwimmt, waö sehr wichtig ist in bezog auf die chemisch-physikalischen Prozesse (Osmose, Resorijtiou usw.) Die Einl)iyonalcnt\\icklung des Lincus ruber Müll. 181 iiucli im Prinzip ))ei der Trochophora des Pohjgordius. >>Di(> fiuik- tioiiioiviiden Hautzellen der Larven gehen zugrunde . . . und die ganze Haut (des Annelids) mit ihren Organen ist neu<< (Woltkkkok). Den beiden bald miteinander verwachsenden Kopfkeinischeiben, die dem Kopfe des Nemertinenleibes den Anfang geben, entspricht das »Scheitelorgan« der Trochophora, welches den Kopf (das Prostomium) des Annelids bildet; den beiden Runipfkeitnscheiben, die ebenfalls miteinander zusammenfließen und den Rumpf des Nemertinenleibes bilden, entspricht das »Präanalorgan«, d. i. ein Wulst embryonaler Zellen um den After, der den Rumpf des Annelidenkörpers bildet. Dazu kommen noch die im Trochophora-Gewehe entstehenden »Ver- bindungsstücke« von Kopf und Rumpf (gewisse Muskeln und Nerven enthaltend) ; und wir wissen, daß auch bei den Nermertinenlarven ebenfalls noch manche embryonale Anlagen aus dem Larvenleibe ent- stehen, die zur Bildung des Wurmkörpers dienen. Dazu kommt noch, daß der Darm der Trochophora-haiiVe teils neu-, teils umgebildet wird, ähnlich wie bei den Nemertinenlarven. Es ist nun weiter sehr inter- essant, daß nach Wolterecks Untersuchungen »der Mund und Oeso- phagus in Analogie mit den (ebenfalls ectoder malen) Aidagen von Kopf und Rumpf einer völligen Neubildung von zwei seit- lichen Keimstellen aus anheimfällt und seine alten Zellen verliert! . . . und das Mitteldarmepithel einerseits durch Form Ver- änderung seiner Zellen anderseits durch diffuse Neubildung« einer Verwandlung in denjenigen des Annelids unterliegt. Was für eine auffallende Analogie zu denjenigen Verhältnissen, welche wir bei der DEsoRschen Larve beschrieben haben, wo ebenfalls der ectodermale larvale Oesophagus von zwei seitlichen Keimstellen aiis (den rinnenartigen Anlagen) einer völligen Neubildung anheimfällt und seine alten Zellen, die vollkommen resorbiert werden, verliert ! Und auch im Mitteldarmepithel der Larve des Lineus ruber haben wir tief- greifende Umbildungen, die auf Veränderung der Form der Zellen und Neubildung beruhen, beim gleichzeitigen Zugrundegehen (Resorption) zahlreicher alter Elemente. Aber wir können noch weiter gehen ! Die- jenigen, welche keine nahe Verwandtschaft zwischen den Nemertinen und Anneliden annehmen wollen, möchten vielleicht als einen Gegen- beweis dieser Verwandtschaft die Tatsache anführen, daß zwar das Mesoderm der Nemertinen aus den zwei Urmesol)lasten den Anfang nimmt, diese letzteren aber, wie wir es bei Lineus ruber fanden, keine 1 Gesperrt von uns. 182 J. Nusbaum und M. Oxner, typischen »Mesodermstreifen« und >> kästchenartig << aufgereihten So- miten bilden. Aber wir erfahren aus Wolterecks Untersuchungen daß >>in der RumpfanUige der Nordseelarve (Pohjgordius) suchen wir vergeblich nach den bandförmigen Mesodernistreifen, wie wir sie bei Annelidenlarven und zumal auch bei der bekannten LovENschen Larve zu finden gewöhnt sind, mit ihren Teloblasten und ihren käst- chenartig aufgereihten Somiten. Statt dessen finden wir jederseits , . . eine kompakte Masse embryonaler Zellen . . . Aus dieser embryonalen Zellmasse werden nun schon während des Larvenlebens alle die Organe gebildet, die wir als mesodermal oder mesoblastisch zu bezeichnen pflegen«. Zu diesen Organen gehören nach Woltereck alle Muskeln, Splanchnopleura, Dissepimenta, Blutgefäße und Nephridien (also ebenfalls wie bei L. ruher nach unsern Untersuchungen). Die Gonaden werden erst später in Anneliden differenziert, also ebenfalls wie bei den Nemertinen, bei welchen sie auch erst nachträglich beim reifenden Wurme zum Vorschein kommen (aus dem Bindegewebe des Körpers nach unsern Untersuchungen, die wir bei einer andern Gelegenheit gemacht haben und die anderswo zur Veröffentlichung gelangen werden). Endlich noch eine sehr auffallende und interessante Analogie. Die larvalen Organe der Trochophora {Pohjgordius) werden teils ab- geworfen, teils aber resorbiert und diese »Resorption . . . spielt eine allerdings kleinere Rolle, die aber nicht zu unterschätzen ist<< (Wolter- eck). Und besonders interessant ist für uns die Tatsache, daß auch Teile der larvalen Haut (Teile der »Hemisphären«, der »Troche« und des »Intertrochalsaumes <<) häufig nicht abgeworfen werden, sondern beim Verschmelzen der Ränder der Kopfanlage und Rumpfanlage »eingeklemmt«, »in das Blastocöl hineindringen und hier mitsamt einigen andern larvalen Organen einer Resorption anheimfallen«. In den Fig. 6, 7, 8 der Arbeit von Woltereck sind diese Verhältnisse sehr schön dargestellt. Und nun erinnern wir uns, daß auch die larvale Haut bei der DESORschen Larve zwischen den Rändern der Kopf- und Rumpf anläge (vgl. die Fig. 79, 81, 82) und an manchen andern Stellen (zwischen der Rückenanlage und Kopfanlage) in die Leibeshöhle der Larve hineindringt und hier einer Resorption unterliegt. Eine besonders interessante Frage von großem theoretischem Werte ist diejenige, wie sich die Embryologie des Lineus ruber zu seiner Re- generationsgeschichte verhält? Ist die Regeneration des Lineus ruber eine »Embryomorphose « (J. Nusbaum), d. h. ob sie nach denselben Regeln verläuft, wie die embryonale Entwicklung, oder ganz anders; und im letzteren Falle, in wie weit sie von der ersteren abweicht und Die Embryonalentwitklimj^ tles ryineus rnhor Müll. 183 sich auf (iruiul \t>ii tMiihryoIo^ischcii Tatsachen tliooretiscli erklären hllU^ \\ ir sclireihen einen besonderen Wert diesen Betrachtungen zu, da wir in unserem Falle eine bis jetzt in der wissenschaftlichen For- schung fast einzeln stehende Tatsache antreffen, daß bei einem und demselben Tierspecies dieselben Forscher sowohl den ganzen Ver- lauf der embryoiuilen Entwicklung, wäe auch den ganzen Verlauf der Regeneration, histogenetisch wo möglich gründlich erforscht, aus eignen Untersuchungen kennen gelernt haben und somit imstande wären wirklich kritisch diese interessanten gegenseitigen Verhältnisse zu ergründen. In einer Reihe von Publikationen haben wir (3G — 13, 48 — 50) die verschiedenen Fälle der Restitution bei L. ruher (auch bei der verwandten Species L. hicieas) beschrieben und nun betrachten wir, wie sich die- selben zur Embryologie dieser Species verhalten? Wir haben unter andern! nachgewiesen, daß von beiden Formen des Lineus ruber, die wir als schmale und breite Form unterschieden haben, die eine, d. h. die schmale Form, in größerem Maße regenerationsfähig ist als die andre, die breite. Die schmale kann in eine sehr große Anzahl von winzig kleinen, halbmillimeterlangen Fragmenten quer durchschnitten werden und diese Fragmente können sogar noch längs in zwei Hälften zerschnitten werden, und alle diese Fragmente regenerieren schnell vollkommen. Solche winzig kleine Körperfragmente, die, wenn sie in der Ruhe und in Dunkelheit liegen, sich sehr oft sogar mit einer Cyste umhüllen, sich abrunden und nach einer Reihe von Verände- rungen sich in ein sehr kleines, aber vollkommenes Tierchen, etwa wie in eine Miniatur des fertigen Organismus verwandeln, erinnern in manchen Hinsichten an einen Embryo oder an eine Larve. Für den Vergleich mit den embryonalen Prozessen sind für uns freilich von Wichtigkeit nur die histogenetischen Erscheinungen und am wichtigsten i^t die Frage, ob die verschiedenen Umbildungen und Metaplasien der Gewebe, die wir in einem solchen Regenerate finden, den embryonalen Prozessen entsprechen, ob sie überhaupt in den Grenzen der embryona- len Möglichkeiten zustande kommen, mit andern Worten, ob sie homo- genetisch oder heterogenetisch (J. Nusbaum) verlaufen? Zum größten Teil entstehen die neuen Gewebe des Regenerates aus den gleich- namigen Geweben des alten Körperteils, also homogenetisch; z. B. das neue Bindegewebe und Parenchym aus den alten, die Seitenstränge wachsen in das Regenerat von den alten Teilen her usw. Besonders wichtig ist die Tatsache, daß (in den kopflosen Fragmenten) das Gehirn, wie beim Embryo, aus dem neugebildeten Hautepithel (Bctoderm) den 134 J- Nusbaum und M. Oxner, Ursprung nimmt, die Muskelschichten aber nicht aus dem neugebildeten Hautepithel, sondern immer aus genetisch mesodermalen Elementen zur Regeneration gelangen, wobei auch die äußeren longitudinalen Muskelfasern in dieser Hinsicht keine Ausnahme bilden ! Vom größten Interesse ist aber die Tatsache, daß bei Fragmenten, die des ganzen alten Darmes künstlich beraubt worden sind, der neue Darm sich aus der Wand des alten Rhynchocöloms oder aus dem Parenchym des Körpers (aus den sich drinnen differenzierenden Wanderzellen) bei L. ruher, ausschließlich aber aus den Parenchymzellen und Bindegewebs- zellen (die sich ebenfalls in Wanderzellen verwandeln) bei L. lacteus nach unsern sehr detaillierten Untersuchungen entsteht. Die Tatsache, daß der neue Darm, daß das typische Darmepithel aus Wanderzellen mesodermalen Ursprunges entstehen kann, ist ohne Zweifel höchst interessant. Manche Forscher, wie Braschet (4), haben aus diesen unsern Untersuchungen den Schluß gezogen, daß unsre Beobachtungen zum Umstürzen der Keimblätterlehre führen möchten. Braschet bemüht sich zu beweisen, daß trotzdem, daß aus denselben folgt, daß eine entodermale Bildung aus einer mesodermalen den Anfang nehmen kann, dies keineswegs die Keimblätterlehre umzustürzen ver- mag. Diese Auseinandersetzungen von Braschet waren für uns sehr überraschend, da der Leser der BRASCHETschen Arbeit sich leicht einen ganz falschen Begriff machen könnte, daß wir selbst Gegner der Keim- blätterlehre seien und das Braschet diese Lehre gegen uns in Schutz genommen hat. Wir selbst sind aber nirgends gegen die Keimblätter- lehre aufgetreten und einer von uns (34) hat auch in einer Schrift von allgemein biologischem Inhalte, wo die Frage der Gewebsmetaplasie im Tierreich erörtert wurde, die Keimblätterlehre nicht angefochten, und auch in vielen andern Schriften, z. B. über die Keimblätterbildung der Insekten (35, 44, 45, 46) zu beweisen sich bemüht hat, daß sogar in dieser Tiergruppe, trotzdem daß hier Heymons die Unhaltbarkeit der Keimblätterlehre nachzuweisen suchte, diese Lehre vollkommen ihre Rechte behält. Wir sind nämlich der Meinung, worin wir mit Heider und Kor- schelt vollkommen im Einklänge sind, daß der neue erweiterte Be- griff der Keimblätter als embryonaler Primitivorgane, die immer nur gewisse, bestimmte Anlagen in sich enthalten und bestimmte Gewebe und Organe bilden, sich auf diejenigen Entwicklungsvorgänge bezieht, die unter ganz normalen Bedingungen vor sich gehen. Die Keim- blätter, ebenso wie die Blastomeren haben eine gewisse, streng be- stimmte prospektive Bedeutung, wie sich Driesch ausdrückt. Aber Die Embryonalentwickluug des Lineus ruber Müll. 185 dem ungeachtet k (innen Blastomercii, Kcinihlätter und ihre Produkte eine verschiedenartige prospektive Potenz (Driesch) auf- weisen, die nur unter besonderen Bedingungen, unter dem Ein- fkisse gewisser innerer (Aufhebung gewisser innerer Korrelationen) oder äußerer (Trauma, Operationsreiz, direkter Einfkiß des neuen Mediums usw.) Reize zu Geltung kommt und ausgelöst wird. Wenn wir von einem solchen Standpunkte ausgehen, so können wir sagen, (laß die Tatsache, daß die mesodermalen Gewebe des Nemer- tinenk()rpers eine prospektive Potenz besitzen, manche andre Gewcbsarten produzieren zu können, keineswegs im Gegensatze zur Keiniblättcrlehre in dem neuen erweiterten Sinne steht. Da aus dem Parenchymgewebe des fertigen Wurmes verschiedene Gewebe, wie das Epithel des Darmes, Muskelfasern (und zwar die sich neubildenden Muskelfasern an der Stelle derjenigen, die bei der Re- geheration der darmlosen Kopffragmente in großem Maße zu gründe genen), phagocy totisch sich ernährende Wanderzellen, während der Restitutionsprozesse hervorgehen können, so ist besonders wichtig, die morphologische Zusammensetzung des Parenchyms genetisch zu analy- sieren. Wir haben gesehen, daß das Parenchym und das Bindegewebe des Lineus: 1) aus den zwei Urmesoblasten, die der Genese nach dem primären Entoderm angehören (viertes Quartett der Micromeren, Lage am vegetativen Pol) und 2) aus vielen sekundär aus dem ein- gestülpten Entoderm austretenden Zellen (Mesenchymzellen) ihren Anfang nehmen. Außerdem dringen. auch in späteren Entwicklungs- stadien Ectodermzellen aus den Rumpfkeimscheiben tiefer unter das Hautepithel in den Leib hinein, um hier sehr wahrscheinlich eine binde- gewebige basale Schicht mit den circulären Muskelfaserchen zu bilden; ob sie auch andre Elemente der sogenannten Cutisschicht (Bürger) bilden, ist noch, nach unsern Beobachtungen, sehr fraglich und un- wahrscheinhch. Sei wie es sei, verdanken das Bindegewebe und das Parenchym dem Mesoderm ihre Genese, welches mit dem primären Entoderm seinerseits im genetischen Zusammenhange bleibt und außerdem vielleicht auch teilweise mit dem sekundären Ectoderm in einem solchen Zusammenhange ist. Im Bindegewebe und im Paren- chym des Lineus-Jjelhe^ können also verschiedenartige prospektive Potenzen schlummern, die sich beim normalen Verlaufe der Entwick- lung nicht auslösen, die aber während der Restitution infolge von besonderen Reizen ausgelöst werden und hier das Epithel des sich ueubildcnden Darmes, dort Muskelfasern bilden. Das Körperparen- X86 J- Nusbaiim und M. Oxner, chym und das Bindegewebe des Lmews-Körpers ist also fast totipotent, da wir in Erwägung ziehen müssen, daß auch die Geschlechtsdrüsen und Geschlechtszellen, deren Spuren bei schon ausgeschlüpften und kriechenden Würmchen nicht zu sehen sind, sich erst viel später, beim geschlechtsreifenden Organismus infolge von lokalen Differenzierungen des Bindegewebes und des Parenchyms zum Vorschein kommen. Wir können uns vorstellen, daß während alle andern Zellen des Lineus-^mhiyos während der embryonalen und postembryonalen (Wachstums-) Periode sich so vollständig erbungleich teilen, daß in die verschiedenen Zellengruppen nur gewisse, genau bestimmte An- lagen eintreten, unterhegen die Zellen des primären Entoderms, die sich zu Mesodermelementen differenzieren, einer nur unvollständigen erbungleichen Teilung, vielmehr aber in hohem Grade erbgleich sich teilen, weshalb sie viele primitive Anlagen, verschiedene prospektive oder, wie wir sie nennen möchten, entwicklungsmechanische Potenzen in sich behalten, um bei entsprechenden Bedingungen, unter gewissen Reizen, dieselben auszulösen. Was die Ähnlichkeit mancher embryonalen und regenerativen Erscheinungen anbelangt, so möchten wir noch folgendes bemerken: 1) Bei der embryonalen Entwicklung entsteht das Nervensystem immer aus dem Ectoderm, bei den Restitutionsprozessen, insofern es sich nicht aus den alten Teilen des Nervensystems weiterbildet, ent- steht es durch Proliferation des neugebildeten Hautepithels, also eben- falls aus ectodermalem Materiale; 2) bei der Bildung des Mitteldarms während der Ontogenese haben wir eine Verwandlung eines primitiven Materials in ein sekundäres, in ein definitives Epithel, wobei zahl- reiche Zellelemente zugrunde gehen und einer tiefen Verarbeitung und Resorption unterliegen. Ahnliches haben wir beobachtet bei der Re- stitution des Darmes aus den Wanderzellen, wo ebenfalls zahlreiche Zellelemente zugrunde gehen, viele andre einer tiefen Verarbeitung unterliegen und seitens des sich herausbildenden Darmepithels einer Resorptioii anheimfallen. Bei der Restitution treten Erscheinungen einer zweifachen oder mehrfachen Phagocytosis (Diphagocytosis, Poly- phagocytosis), auf, da die Wanderzellen verschiedene zugrunde gehende Gewebe in sich aufnehmen und verdauen und dann selbst einem Zer- falle unterliegen und von andern mehr peripherisch liegenden Zellen resorbiert werden, bis endlich die am meisten peripherisch gelagerten Zellen der ganzen Anhäufung in das definitive Epithel übergehen. Solche höchst tiefgreifende Verwandlungen erscheinen jedoch bei der Ontogenese nicht; aber es ist sehr interessant, daß in dem ontogene- Die Enibryonalentwicklung des Lineus ruber Müll. 187 tischen Frozcssc doch inanclie Erscheinungen zum Vüi'.schein küniinen, ilie ;in die komplizierten Verwandlungen bei der Restitution lebhaft erinnern (der fast kompakte, vorübergehende Bau des Darmes, das Zugruiid(\gehen zahlreiclier Zellen. Vacuolisation, das Erscheinen des definitiven Epitiiels an der Peripherie der fast kompakten Masse und starke Resorptionserscheinungen ) . XIV. Kurze Zusammenstellung der gewonnenen Resultate. 1) Das Kernkörperclien der wachsenden Ovocyten besteht aus einem basiphilen und oxyphilen Bestandteile; der Kern der Ovocyten wächst sehr rasch, wird ganz polständig und noch bevor das erste Polkörperchen ausgestoßen wird unterliegt er einer kolossalen Größen- abnahme. 2) Im Stadium der Bildung des ersten Polkörperchens finden wir im Ei 32 Chromatinkörner und zwar so verteilt, daß sie acht Gruppen, jede aus vier Chromatinelementen bestehend (acht Vierergruppen) l)ilden. 3) Nach der Bildung des zweiten Polkörperchens enthält der weibliche Vorkern acht Chromosomen. Der Segmentationskern ent- hält deren 16. 4) Die Eier werden in Schnüren oder Klumpen — Eikokone — abgelegt; die äußere Hülle des Eikokons besteht ans einer schichten- weise von den Hautdrüsen secernierten serösen und mukösen Substanz. Unter dieser Hülle befindet sich eine weichere schleimige Substanz, in welcher die Eierkölbchen (Eierfläschchen) mit ein bis acht Eiern (am meisten drei bis sechs) eingebettet liegen. 5) Die Kölbchen sind Produkte, etwa wie Abgüsse, der Gonaden- säckchen und deren Ausstülpungen. Zwischen den einzelnen Eiern eines Kölbchens befinden sich schleimige Septen, die die Eier von- einander abgrenzen und bei deren schwacher Entwicklung oder gänz- lichem Fehlen es zum Zusammenfließen der benachbarten Eier kommt. 6) Bei der Entwicklung der Eier in den Gonaden und einer starken Vergr('»ßerung dieser letzteren kommt es zu einer teilweisen Involution mancher umgebenden Gewebe des Körpers, z. B. des Darmepithels. 7) Die Eifurchung ist total und inäqual, verläuft nach einem Spiraltypus und unterliegt nicht geringen individuellen Schwankungen. 8) Schon die erste meridionale Furche teilt mitunter das Ei in awei nicht ganz gleiche Blastomeren. 9) Die zweite meridionale Furche ist zum größten Teil, aber nicht immer, eine Brechfurche. 188 J- Nusbauni und M. Oxner, 10) Im Stadium von zwei und vier Blastomeren ist eine nicht unbedeutende Variabilität in der Furchung und in gegenseitigem Ver- halten der Blastomeren zu beobachten. 11) Das Achterzellenstadium entsteht infolge einer dexiotropen Teilung aller vier Blastomeren. Die vier ersten Mikromeren stellen das erste Micromerenquartett dar, 12) Nach dem achtzelligen Stadium folgt gewöhnlich das zehn- zelhge und zwar durch die leiotrope Teilung der Zellen 1 c und 1 d des ersten Micromerenquartetts. 13) Das Zwölfzellenstadium kommt zustande infolge der leiotropen Teilung der Zellen la und 16 des ersten Micromerenquartetts. 14) In der Furchung des Eies finden wir eine Tendenz zur Bildung von Zellenrosetten, je aus acht Zellen bestehend, und zwar infolge- dessen, daß die Zellteilungen zwar dexio- oder leitrop, aber dabei auch fast horizontal verlaufen. 15) Das 16-Zellenstadium entsteht durch die Bildung des zweiten Micromerenquartetts infolge einer leiotropen Teilung der vier Macro- meren, und das 24-Zellenstadium durch die dexiotrope Teilung der vier Micromeren des zweiten Quartetts und durch die Bildung von vier Zellen des dritten Quartetts infolge einer dexiotropen Teilung der Macromeren. 16) Das 32-Zellenstadium bildet sich durch eine gleichzeitige leiotrope Teilung der vier Micromeren des dritten Quartetts und der vier Macromeren, welche das vierte Micromerenquartett liefern. Das 64-Zellenstadiura entsteht infolge der Teilung aller Zellen des vorher- gehenden Stadiums. 17) Die Zelle Id ist die Urmesoblastzelle und teilt sich bald in zwei Zellen (Telomesoblasten). 18) Im Blastulastadium kommt es zu einer vorübergehenden Ab- flachung des Embryos an der Dorsalseite. 19) Bei der Gastrulabildung kommt es zuerst zu einer charakte- ristischen Abplattung des Embryos in dorso-ventraler Kichtung. 20) Die Blastoporusöffnung schließt sich unvollkommen und an derjenigen Stelle, wo diese Schließung sich vollzieht, kommt eine se- kundäre Ectodermeinstülpung — embryonaler Schlund — zum Vor- schein. 21) Das Mesoderm bildet sich nicht nur als Produkt der zwei Ur- mesoblasten, sondern auch als Produkt vieler, vom primären Entoderm sich abtrennenden Zellen (Mesenchym), welche sich mit den Teilungs- Die Embiyonalentwicklung des Lineas ruber Müll. 189 produktoii der Urmesoblasten vermischen, lockere Zellenanhäufungen bildend. 22) Das Me.sodenn differenziert sich in eine splanchnische und parietale Schicht; die Höhle zwischen diesen Schichten entspricht dem Cölom. 23) Bei der DESORschen Larve unterscheiden wir ein Paar prä- oraler oder Kopfkeimscheibeii, ein Paar postoraler oder Rumpfkeira- scheibeu, eine Tliickenkeimscheibe, ein Paar Cerebralscheiben (Arda(>;en der Cerebralorgane) und eine Rilsselscheibe. In den prä- und post- oralen Scheiben kommt es zur Bildung eines Amnions und einer Amnion- liöhle, die Rückenkeimscheibe bildet sich durch eine üelamination, aber auch in ihr erscheint nachträghch eine Aranionhöhle und ein Anmion (ähnlich wie beim Pilidium nach Salensky). 24) Die gegenseitige Verbindung und das Zusammenfließen der Keimscheiben vollzieht sich folgendermaßen: Es verbinden sich zuerst die beiden Kopfkeimscheiben und zwar vermittels der Rüsselscheibe und dann miteinander, fast gleichzeitig verschmelzen die beiden Rumpfscheiben und zwar wie die ersteren in der Richtung distal-proximal; die beiden Cerebralscheiben verbinden sich mit den Rumpfscheiben und erst dann erfolgt die Verbindung und Verschmelzung der beiden Kopfscheiben mit den Rumpf Scheiben ; die Rückenscheibe verschmilzt zuerst mit den Rumpfscheiben und erst viel später erfolgt die Verbindung der ersteren mit den Kopf- scheibeu. 25) Eine nicht geringe Anzahl von Zellen des primären Ectoderms (Serosa), die dotterreich sind, dringen durch Schlitze und Öffnungen zwischen den noch nicht zusammengewachsenen Keimscheiben in den Enibryoleib, um hier zugrunde zu gehen und einer Resorption zu unterhegen. 2G) Bei der Bildung des Darmes müssen wir einen ectodermalen und entodermalen Abschnitt unterscheiden. Nämlich nach der er- folgten Einstülpung und Schließung des Blastoporus kommt es nicht zur Trennung des Entoderms vom Ectoderm, sondern die beiden Blätter (unvollständiger BlastoporverscliluB) bleiben hier im innigen Zusammenhange haften und in diesem Punkte erfolgt eine Nachein- stülpung des Ectoderms, die zur Bildung eines embryonalen Schlundes führt, während die verschlossene Blastoporstelle nach innen an der Grenze zwischen Schlund und Darm verdrängt wird, wo erst später eine Öffnung und eine Kommunikation zwischen beiden Darmab- schnitten erscheint. 1 90 J. Nusbaum und M. Oxner, 27) Aus dem embryonalen, aus großen, dotterreichen, erytrophilen Zellen bestehenden Schlünde entsteht der definitive Schlund auf die Weise, daß seitlich, oberhalb der Mundöffnung in der Schlundwand zwei rinnenartige Anlagen aus hohen cylindrischen cyanophilen Zellen sich differenzieren, die gegeneinander und dorsalwärts wachsen und das primäre Zellenmaterial verdrängen und resorbieren. 28) Aus dem embryonalen, aus großen, dotterreichen erythrophilen Zellen bestehenden Darme entsteht der definitive Darm, indem zahl- reiche cyanophile, hohe, cylindrische Zellengruppen sich in der primären Darmwand differenzieren, die allmählich miteinander verwachsen, das dotterreiche Material resorbieren und eine kontinuierliche Epithelschicht bilden. 29) Die Differenzierung des Darmes in den Mitteldarm und Hinter- darm und die Bildung des Afters infolge des Ver Wachsens der ento- dermalen Darmwand mit dem Ectoderm am hinteren Körperende und des Durchbruches einer Analöffnung erfolgt verhältnismäßig sehr spät, schon bei einem kriechenden Würmchen. 30) Die Schlundwand bildet paarige sackförmige seitliche Aus- stülpungen, die nur provisorisch sind, ebenso wie eine mediane Falte an der Vorder wand des Schlundes. Die Ausstülpungen haben nichts mit der Nephridienanlage zu tun, 31) Die Nephridien entwickeln sich höchst wahrscheinlich aus besonderen Mesodermzellenanhäufungen, die paarig zwischen Schlund, Cerebralorganen und Rhynchocölwand erscheinen und einem Paare von Kanälchen den Anfang geben, die nach hinten wachsen. 32) Die Leibeshöhle tritt als eine vorn paarige, hinten unpaarige, geräumige Kopf höhle, die zuerst vom primären, dotterreichen von außen her eingewanderten Zellmateriale ausgefüllt ist, das aber bald einer vollständigen Resorption unterliegt; im Rumpfe wird die embryonale vom parietalen und visceralen Blatte des Mesoderms ausgekleidete Leibeshöhle sehr bald durch die sich entwickelnden Parenchym- und Muskelelemente verdrängt. Endlich bildet sich eine sehr geräu- mige Rhynchocölhöhle infolge dessen, daß das die Anlage des Rüssels früh bedeckende Mesoderm sich in zwei Schichten — eine innere und äußere — spaltet, zwischen welchen die Rhynchocöl- höhle entsteht. Alle diese Höhlen halten wir für Derivate des Cöloms. 33) Die Blutgefäße entwickeln sich auf zweifachem Wege: die geräumigen Seitengefäße stellen direkte Verlängerungen der embryo- nalen, sehr früh erscheinenden Kopfhöhlen (Cölom) dar, andre Gefäße, Die Einbryonalentwicklung des Lineus ruber Müll. 191 besonders das Rückengefäß, müssen als Residua der Spalten im Mesen- c'hyin, also als Blastocölpiodukte aufgefaßt werden. 31) Die »Cutisschicht << ist nicht eine ausschließlich ectodermale Bildung, wie unsrc Vorgänger angenommen haben; vielmehr dringen in die Zellenaidage, die als Cutisschichtanlage gedeutet wird, sehr zahlreiche Mesodermzellen hinein, weshalb es höchst wahrscheinlich ist, daß die äußere longitudinale Muskelfaserschicht ebenfalls, wie die circuläre und innere longitudinale, mesodermalen Ursprunges ist. Aus der >>Cutisschichtanlage <<, also aus Ectoderm der Rumpf keimscheiben entsteht die tiefe Schicht der Hautdrüsen und eine direkt unter dem Epithel sich befindende dünne basale Schicht mit feinen circulären Muskelfaserchen. 35) Das Nervensystem entwickelt sich als eine einheitliche Anlage aus dem Ectoderm der Kopfkeimscheiben, indem diese Anlagen im Kopfe sich in die dorsalen und ventralen Ganglien samt Commissuren differenzieren und in den Rumpf allmählich hineinwachsen, die Seiten- stäninie bildend (mit Salensky, gegen Bürger). 3G) Die embryologischen Untersuchungen sprechen in hohem Maße dafür, daß die Nemertinen in sehr vielen Hinsichten mit den Anneliden verwandt sind (Entwicklung des Mesoderms aus den zwei Urmesoblasten, Produkten der 4(Z-Zelle, sehr viele Analogien im Ver- halten der Nemertinenlarven und mancher Troc7«opÄora-Larven). 37) Die sehr große entwicklungsmechanisch-metaplastische Potenz der Gewebe des fertigen Nemertinenleibes spricht keineswegs gegen die Keimblätterlehre. 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Anat. u. Ontog. Bd. X. 1887. 33. — C'oni2)arativc cytological studies with esiiecial regard to the morphology of the nucleolus. Journ. of Morphology. Vol. XV. 1898. 3J:. J. NusB.\UM, Die entwicklungsmechanisch-metaplastischen Potenzen der tierischen Gewebe. Vorträge u. Aufsätze über Entwieklungsiiiechanik der Organismen. Herausgegeben v. W. Roux. Leipzig 1912. 35. — O pojeciu wtörnej i)otencyi prospektywnej homogenetycznej i hetero- genetycznej usw. In »Festschrift zur Feier des 250jährigen Jubiläum, d. Grund, der Lemberger Universität d. d. König Jan Casimir«. 1912. Lemberg (iiolnisch). 36. J. X'usBAUM u. M. OxNER, Studien über die Regeneration der Nemertinen. Regen, des Lineus ruber. Teil I — III. Archiv f. Entwickl.-Mech. d. Organismen. Bd. XXX. 1910. 37. — Die Entstehung des ganzen Darmkanals aus Wanderzellen mesodermalen LTrsprunges bei der Restitution von Lineus lacteus. Zoolog. Anzeiger. 1911. 38. — Weitere Studien über die Regeneration der Nemertinen. Regen, des Lineus ruber. Teil IV — V. Arch. f. Entw.-Mech. der Organismen. Bd. XXXIL 1911. 39. — Über die Encystierung regenerierender Nemertinen. Biol. Centralblatt. 1910. 40. — Studien über die Wirkung des Hungerns auf den Organismus der Nemer- tinen. I. Teil. Arch. f. Entw.-Mech. d. Organismen. Bd. XXXIV. 1912. 41. — Die Diov^ogonie, d. h. die Entstehung eines Embryos aus zwei Eiern bei Lineus ruber. Arch. f. Entw.-Mech. d. Organismen. 1913. 42. — Zur Regeneration der Nemertinen. Verhandl. d. VIII. Internat. Zoologen- kongresses in Graz. 1912. 43. — Fortgesetzte Studien über die Regenei'ation der Nemertinen. IL Re- gener. des Lineus lacteus. i\j-ch. f. Entw.-Mech. der Organismen. Bd. XXXV. 1912. 44. NüSBAUM und Fulinski, Zur Entwicklungsgeschichte des Darmdrüsen- " blattes bei Gryllotalpa vulgaris Latr. Zeitsehr. f. wiss. Zool. Bd. XCIII. 1909. 45. — Über die Bildung der Mitteldarmanlage bei Phyllodromia germanica Zool. Anz. 1900. 40. J. NusBAUM, Die Entwicklungsgeschichte des Tierreichs. IL Band. Allge- meine Embryologie. Warschau. 1913 (polnisch). iCeitschrift f. wissensch. Zoologie. CVXI. Bd. 13 294 J- Nusbaum und M. Oxner, 47. A. C. OiTDEMANS, The circulatory and Nephridial Apparatus of the Ne- mertea. Quart. Journ. Microscop. Sc. Vol. XXV. 1885. 48. M. OXNEB, Etudes sur la regener. chez les Nemertiens. Annales de l'In.stit. Oceanogr. Monaco. T. I. F. 8. 1910. 49. — Analyse biolog. du phenoniene de la regener. chez Llneus ruber, et L. lacteus. C. R. Acad. Sc. Paris. Juin. 1910. 50. — Contribution a l'analyse biolog. du i^henomene de la regener. chez les Nemertiens. Bullet. Instit. Oceanogr. Monaco. Nr. 236. 1912. 51. W. Salensky, Über die cmbryon. Entwickl. des Prosorochnius viviparus (Monopora vivipara). Bull, de l'Acad. Imp. d. Sc. de St. Petersbourg 1909. 52. — Recherches sur le developpement du Monopora vivipara (Borlasia vivi- para). Archiv. Biolog. T. V. 1884. 53. — Bau und Metamorphose des Pilidiums. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. XLIII. 1886. 54. — Morphogenetische Studien an Würmern. II. B. Über die Mor])hogenese der Neraertinen. Memoires de TAcademie Imperiale des sciences de St. Petersbourg. Vol. XXX. Nr. 10. (Classe physico-mathematique). 1912. 55. Max S. Schultze, Zoologische Skizzen. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. IV. 1853. 56. E. B. Wilson, Experiments on cleavage and localisation in the Nemertine egg. Arch. f. Entw.-Mech. d. Org. Bd. XVI. 1903. 57. B. Ch. Wilson, The habits and early development of Cerebratulus lacteus. Quart. Journ. Micr. Sciences (2.) Vol. XLIII. 1900. 58. WoLTBRECK, Trochophora-studien. I. Zoologica. Hft. 34. 1912. 59. Yatsü, N., Experiments on the development of egg fragments in Cere- bratulus. Biolog. Bullet. Woods Hol). Vol. VI. 1904. 60. — An exiieriment on the localisation problem in the egg of Cerebratulus. Science (2). Vol. XXV. 1907. 61. Ch. Zeleny, Experiments on the localisation of developmental factors in the Nemertine egg. Journ. of Experim. Zool. Baltimore. Vol. I. 1904. Erklärung der Abbildungen. Alle Abbildungen beziehen sich auf Lineus ruber und sind mittels Zeichnungsprisma von C. Zeiss ausgeführt, Taf. VIII enthält Mikro- photogramme. Tafel I. Fig. 1. Drei Ovocyten aus dem Ovarium eines geschlechtsreifen Tieres. Oc. 2. S. hom. Imm. 1/12 Zeiss. Fig. 2 — 7. Veränderungen im Kern vor der Bildung des ersten Richtungs- körperchens. Oc. 2. S. hom. Imm, 1/12 Zeiss. Die Kinhryonulentwicklunf!; des Linons ruber Müll. 195 Fig. 8 — 1;{. liildung der Rieht ungskiirpcrclicii und Befruehtung. Oc. 2. S. hom. rmm. 1/12 Zeiss; Fig. 10. Oc. 8. S. honi. Imm. 1/12 Zeiss. Fig 1.5. Zweizellenstadiuni. Oc. 8. S. 1(1 min. Zeiss. Tafel II. Fig. 14. Zweizellenstadiuin. Oe. S. S. Kimm. Zeiss. Fig. 16 — 20. Vierzollonstadium. Oe. 8. S. 16 mm. Zeiss. Fig. 21. Ein HorizontalschniU dureh alle vier Blastomeren des Vierzellen- stadiums. Oe. 4. iS. 4 mm Zeiss. Fig. 22. Aehtzellenstadinm; das Ei vom oberen Pole und etwas seit lieh ge.sehen. Oe. 8. S. Ki mm Zmss. Fig. 2.1. Zehnzell(>nstadium; das Ei von der Seite gesehen. Oc. 8. >S. Kimm Zeiss. l'^ig. 30. 64-Zellonstadium; das Ei von der Seite gesehen. Oc. 8. S. Ki mm Zeiss. J/, die Urmesodermzellen. Tafel III. (Alle Figuren bei Oe. 8. S. 16 mm. Zeiss). Fig. 24. Ein Zehnzellenstadium; das Ei gesehen vom oberen Pol. Fig. 2.5. Ein Zwölf zellenstadium; das Ei gesehen vom oberen Pol. Fig. 26. Ein 16-Zellenstadiuni; das Ei gesehen vom oberen Pol. Fig. 27. Ein 24-Zellenstadium; das Ei gesehen vom oberen Pol. Fig. 28. p]in ,32-Zellenstadium; das Ei gesehen vom oberen Pol. Fig. 29. P]in 32zelliges Stadium; das Ei von der Seite und von hinten gesehen. Tafel IV. Fig. 31 — 34. Blastulastadien, im Durehsehnitte. Oc. 4. S. 4 mm Zeiss; M, Mesodermzelle. Fig. 35 u. 36. Blastulastadien, in vivo; Oe. 8 Zeiss und S. Nr. 3 Reichert. Fig. 37 — 41. Gastrulastadien. Oc. 4. S. 4 mm Zeiss. Fig. 42 — 47. Anormale Furchungen (Fig. 42, 43, 44. im 2. Tag nach der Eiablage, Fig. 4.5, 46, 47 im 6. Tag nach der Eiablage); in vivo; Oe. 8 Zeiss; S. Nr. 3 Reichert. Tafel V. (Alle Figuren bei Oc. 4, S. 4 mm Zeiss.) . Fig. 48 — .50. Stadien nach dem Blastojjorversehluß; Querschnitte. D, j Darm; 31, Mesoderm. 1, Fig. .51. Fin frühes Stadium der Amnionbildung in der Rum|)flveimseheil)e; : Querschnitt, etwas schief. AH, Amnionhöhle; D, Darm. Fig. 52. Schnitt aus derselben Serie wie Fig. 51, etwas weiter nach vorn; hier ist die Amnionhöhle der Rumpfkeim.scheibe schon geschlossen. AH, Amnion- höhle. Fig. 53. Älteres Entwicklungs.stadium, in welchem die Amnionhöhle der Kumpfseheibe schon ganz geschlossen ist und die Zellen des Amnions au.sgezogen 1^ sind; K, Keimscheibe; A, Amnion; AH, Amnionhöhle; P.E, Primäres Ectoderm (Serosa); M, Mesoderm. 13* 196 J- Nusbaum und M. Oxner, Fig. 54 — 56. Querschnitte durch den Embryo mit den sieh ausbildenden Keimscheiben; A, Amnion; CS, Cerebralscheibe (Anlage des Cerebralorgans) ; DS, Dorsalseheibe; K S, Kopfseheibe; RS, Rumpfscheibe; D, Darm; M, Meso- derm; Seh, Embryonalschlund; S, Serosa oder das primäre Eetoderm, das nicht zur Keimschcibenbildung verwertet worden ist. Fig. 57. Horizontalschnitt durch den Embryo mit den sich ausbildenden Keimscheiben. Buchstabenbezeichnung wie in Fig. 54 — 56. Fig. 65 u. 66. Querschnitte durch die Cerebralanlagen. Tafel VI. (Alle Figuren bei Oe. 4. S. 4 mm Zeiss.) Fig. 58 — 63. Horizontalschnitte durch die Embryonen, mit den sieh aus- bildenden Keimscheiben. Bezeichnung der Buchstaben wie in Fig. 54 — 56. Fig. 64. Querschnitt durch die beiden Rumpfscheiben; A, Amnion; P.E, primäres Eetoderm (Serosa). Fig. 67. Querschnitt durch die Anlagen der Cerebralorgane (CO.) und den Anfangsteil des Schlundes ( Seh). Tafel VII. (Fig. 68—70 u. 72 bei Oc. 4. S. hom. Imm. 1/12 Zeiss, Fig. 71 bei Oc. 4 S. 4 mm Zeiss, Fig. 73 bei Oe. 2. S. 4 mm, Fig. 74, 75 bei Oe. 4. S. hom. Imm. Apochr. 1/18 Zeiss.) Fig. 68. Querschnitt durch einen Teil der Körperwand und Darmwand eines älteren Embryos; ^, Hautepithel; Z), Drüsen; ilf , Mesoderm ; DIF, Darm wand. Fig. 69, 70, 72. Längsschnitte durch die Körperwand von drei immer älteren Embryonen; Fig. 72, eines schon frei kriechenden Tierchens. E, Haut- epithel; D, Drüsen; il/, Bindegewebe; C, eine subepitheliale Schicht mit circulären Muskelfaserchen; L,X(', longitudinale Muskelfasern ; C',eirculäre Muskelfasern; D.W, Darmwand (teilweise gezeichnet); S, Serosa (das zugrunde gehende extraem- bryonale primäre Eetoderm). Fig. 71. Ein Teil eines Sagittalschnittes durch einen Embryo mit einem schon ausgebildeten sekundären Schlünde; N, Nephridium; CO, Cerebralorgan; *SV/(, Schlund; D, Darm; R, Rüssel; RC, Rhynchoeölomwand; G, Gehirn. Fig. 73. Querschnitte durch den Schlund (drei Nachbarschnitte). Fig. 74 u. 75. Längsschnitte durch die Körperwand eines ganz entwickelten L. ruber. E, Haute jiithel ; D, Drüsen; C, eireuläre Muskelfasei'n ; L, longitudinale Muskelfasern; Ss, Seitenstämme (Lateralnerven). Tafel VIII. Mikrophotographische Aufnahmen, alle bei Vergr. 110. Primäres Eetoderm und Entoderm (Darmwand) im rötlich-gelblichem Tone; die Photogramme wurden koloriert nach Präparaten, die mit Oi'ange nachgefärbt worden sind. Fig. 7() — 80. Sagittalschnitte; in Fig. 78 sieht man am Grunde des em- bryonalen Schlundes hinten die zellige Anlage des sekundären Schlundes, in Fig. 79 ist infolgedessen, (hiß der Schnitt etwas schief war, der Schlund nur teilweise sichtbar, in Fig. 80 ist schon der sekundäre Schlund entwickelt. Fig. 81 u. 82. Querschnitte durch junge Embryonen, wo beiderseits der Die Embiyonalentwicklung des Linons ruber Müll. 197 |)oi-s;ilkf'iuiscli(Ml)e der Eiiibryoleib noch offen ist (Eindringen der Elemente des primären Kclodernis der Serosa). Fig. 83. Querschnitt durch einen jungen Embryo, etwas älter, als in Fig. 81 und 82. Fig. 84. Querschnitt durch den Rumpfteil eines jungen Embryos schon nach dem Zusammenfließen der Dorsalkeimschcibe und der Rumpfseheibe. Fig. 85. Horizontalschnitt durch den Embryo, in welchem in dem dorsal- wärts aufsteigenden (quer durchgeschnittenen) primären Schlünde die rinnen- artigen, zelligen, seitUchen Anlagen ( S. S.) des sekundären Schlundes sichtbar sind. Fig. 8G u. 87. Horizontalschnitte durch ältere Embryonen. Fig. 88. Querschnitt durch den Kopfteil eines älteren Embryos (oben Rüssel, unten Schlund, seitlich Cerebralorgane; zwischen diesen Organen CJe- hirnanlagen. Fig. 89. Sagittalschnitt durch einen älteren Embryo (iV, Nephridium- anlage). Fig. 90. Horizontalschnitt durch ein schon kriechendes junges Tierchen. Corrigenda der Figurenbezeichnungen in Tafel VIII: Die Figur, die sich unterhalb der Fig. 78 befindet, soll anstatt mit 80 — mit 85 bezeichnet werden. Die unterhalb dieser letzteren Figur sieh befindende Figur Süll anstatt mit 80 — mit 84 bezeichnet werden. Die unten und ganz rechts sich befindende Figur soll anstatt mit 80 — mit 89 bezeichnet werden. Beiträge zur Kenntnis von Branchiura Sowerbyi Beddard. Von Friedrich Keyl Göttingeu. Mit 56 Figuren im Text und Tafel IX— XL Einleitung. Am 29. November 1909, als, wie alljährlich, das Viktoria regia- Haus im Botanischen Garten zu Göttingen entleert wurde, um die Erde den Winter über im Freien durchfrieren zu lassen, fand der mit der Aufsicht betraute Obergärtner, Herr Wiesemann, im Schlamm einen Wurm, ähnlich dem heimischen Tuhifex. Eine größere Anzahl davon wurde in das Zoologische Institut geschickt zur weiteren Bestimmung. Auf Veranlassung meines hochverehrten Lehrers, Herrn Geheimrat Ehlers, übernahm ich die nähere Untersuchung des betreffenden Wurmes. Die Bestimmung ergab Branchiura Sotverbyi Beddard, einen ostindischen Oligochäten. Zur Zeit der Abfassimg der vorliegenden Arbeit lagen nur zwei spezielle Arbeiten über Branchiura Sotverbyi vor, von Beddard (Lon- don) und Michaelsen (Hamburg). Jener gibt auf Grund seiner Unter- suchung eine kurze anatomische Beschreibung, die natürlich infolge des wenigen zur Verfügung stehenden Materials nicht erschöpfend sein konnte. Michaelsen hingegen lieferte nur eine eingehendere Beschrei- bung des mäimlichen Ausführganges. Während des Abschlusses meiner Arbeit erschienen noch zwei weitere Aufsätze über Branchiura von Stephenson (Kalkutta). Diese bringen eine weitere Fülle von anato- mischen und biologischen Tatsachen. Trotz dieser jüngsten Bearbei- tung möchte ich aber von einer Veröffentlichung meiner Befunde nicht abstehen. Von einer Mitteilung meiner Untersuchungen bezüglich der Muskulatur, der Blutgefäße und des Verdauungskanals habe ich ab- sehen müssen, da ich die diesbezüglichen Beddards Arbeit ergänzenden Zeitsiliriit f. wisseiisoh. Zoologie. CVII. Bd. 14 200 Friedrich Keyl, Ausführungen Stephensons nur einfach hätte wiederholen und somit also bestätigen können i. Dem steten Förderer und Unterstützer meiner Arbeit, Herrn Geheimrat Ehleks, möchte ich auch an dieser Stelle meinen größten Dank aussprechen; ebenso Herrn Geheimrat Peter, dem Direktor des botanischen Gartens, für die große Bereitwilligkeit, mit der er mir den Besuch und die Untersuchung der Warmhäuser gestattete. Biologisches. 1. Fundorte. Beddard fand Branchiura Sowerbyi zuerst im Jahre 1892 in einem Viktoria regia-Becken im Royal Botanical Society's Garden, Regent' s Park in London in einigen wenigen Exemplaren. 1908 fand dann Michaelsen im Warmwasserbassin des botanischen Gar- tens in Hamburg mehrere Vertreter dieses interessanten Oligochäten. Da nach seiner Angabe der Austausch von Pflanzen mit dem Londoner Garten sich nur auf trockenes Material beschränkt, so muß die Form wohl von einem dritten Orte her in Hamburg ein- geführt worden sein. Als Michaelsen von dem Göttinger Funde hörte, stellte er es in den Bereich der Möglichkeit, daß die Ham- burger Exemplare von hier aus mit lebendem Pflanzenmaterial leicht eingeführt worden sein könnten. Gleichzeitig teilte er einen neuen Fundort Dublin mit. Im Frühjahr 1910 zeigte sich Branchiura wieder in sehr großer Anzahl in unserm hiesigen Warm Wasserbecken. Ein Überwintern im durchgefrorenen Schlamme war vorerst von der aus heißen Ländern stammenden Form nicht anzunehmen. Eine im Aquarium langsam aufgetaute Probe zeigte auch keine Exemplare; wohl aber fanden sich in den Töpfen, der in einem andern Warmhause überwinternden Pflanzen aus dem Viktoria regia-Haus einheimische Twöi/ex-Formen und auch vereinzelt Branchiura. Diese überwinterte also in den Töpfen und konnte sich dann im Frühjahr, in günstigere Verhältnisse gebracht, rasch vermehren. Im März 1911 zeigte sich aber nun nur 14 Tage nach dem Beschicken der Becken mit der den Winter über im Freien ge- 1 Besonders erwähnen möchte ich noch, daß ich besondere Aufmerksam- keit dem Vorhandensein von Rückenporen widmete. Beddard und Stephenson erwähnen sie in ihren Arbeiten nicht. Es ist mir nicht gelungen, weder auf Schnitten noch durch Reagenzien Poren festzustellen. Beiträge zur Kenntnis von Brancliiura .Sovverbyi Beddard. 201 lauortoii Erde BrancJiiura in sehr großer Anzahl und in fast völUg gesehlechtsreifcn Exemphiren. Nach Aussage des leitenden Ober- Gärtners i war noch keine Pflanze in dem Becken gewesen. Es mußten die Würmer also doch im Freien in der Erde den Winter überdauert haben. Ich holte nun abermals eine Probe von der noch nicht bewässer- ten Erde herein und untersuclite sie in trockenem Zustande. Da fand sich in einem Erdballen ein Teilstück eines Tubificiden, dessen Be- stimmung mit Hilfe der Borsten und der charakteristischen Lage der Blutgefcäße Brancliiura Soiverbyi ergab. Damit scheint mir der Be- weis geliefert, daß sich der ostindische Oligochäte bei uns eingebürgert hat. Leider fand sich kein weiteres und noch deutlicheres Beweis- stück mehr. Weiter war also zu beobachten, daß BrancJiiura außer- halb des Wassers überwintert hatte, ohne sich in einen Kokon einzu- schließen. Wenn auch Brancliiura diesem einen Befunde nach bei uns im Freien überwintert hatte, so erscheint mir sein alljährliches Wiederauftreten im Warmhause hauptsächlich aber wohl gesichert durch die Verschleppung mit den Wurzelballen der meist in Töpfe gepflanzten Stöcke. Während meines Aufenthaltes in Frankfurt a. M., Ostern 1911, zog ich Erkundigungen ein, ob im dortigen Viktoriahaus des Palmen- gartens bislang das Auftreten eines Tubifex ähnlichen Wurmes be- obachtet worden sei. Die Auskunft erschien günstig, doch war das Bassin noch nicht wieder instand gesetzt worden. Pfingsten darauf wurde mir dann durch die bereitwillige Freundlichkeit des Herrn Gartennieisters Kraus gestattet, eine Untersuchung der Warmwasser- becken vorzunehmen. Da fand ich denn Brancliiura in großer Menge. Alle Exemplare waren von auffallender Größe und alle geschlechts- reif, obwohl auch hier die Kulturen erst 3 — i Wochen angesetzt waren. Als Einschleppungsort für Frankfurt konnte mir auch nur wieder Göttingen angegeben werden; denn der Palmengarten steht mit dem hiesigen botanischen Garten in Pflanzenaustauschverkehr. In dem außerordentlich heißen Sommer 1911 soll Brancliiura in Frankfurt auch in dem im Freien liegenden Wasserbecken aufgetreten sein. Hier in Göttingen findet er sich tatsächlich auch in dem außerhalb des Warmhauses gelegenen, aber durch Heizschlangen erwärmten Becken vor. Hier überwintert er auch in den überdeckten auf 15 — 17 °C gehaltenen Bassins, ohne seine Lebensgewohnheiten in irgendwelcher bemerkbaren Weise zu ändern. 1 Herrn Wiesemann möchte ich für seine vielfachen Unterstützungen bei der Beschaffung des Materials Dank sagen. 14* 202 Friedrich Keyl, Schon im Jahre 1909 veröffentlichte Perrier einige sehr wichtige Beobachtungen von Branchiura Sowerhyi im Freien. Er fand näm- lich im August 1906 in einem kleinen Altwasser der Rhone, das aber noch durch unterirdischen Zufluß mit dem Strom in Verbindung stand, nahe der Einmündung des Doux in der Nähe von Tournon zahlreiche Exemplare unseres Oligochäten. Das Wasser war nicht sehr tief und der Boden war mit einem dichten Schlamm bedeckt, der zahlreiche verwesende Organismenreste enthielt. Die Würmer fanden sich hier teils in dem Schlamme versteckt, teils mit dem Hinterende frei im Wasser flottierend. Leider trocknete diese Fundstelle im nächsten Jahre aus und ist seitdem verödet. Jedoch fand Perrier bei seinen weiteren Nachforschungen ganz in der Nähe an dem Ufer des Doux eine neue Fundstelle, die von biologischer Wichtigkeit ist. Hier zeigte das Wasser einen ziemlich raschen Lauf und infolgedessen war auch der größte Teil des Bodens mit reinem Sande bedeckt. An den wenigen Uferstellen, wo sich etwas Schlamm ansetzen konnte, war dieser stark mit granitischen Sandmassen gemischt. Bemerkenswert ist, daß die Anzahl der hier beobachteten Individuen allerdings nur sehr gering •war. Rhone -abwärts fand dann Perrier noch weitere zwei Ver- breitungsstellen, die sowohl was die Ortsverhältnisse als auch die Zahl der beobachteten Exemplare anbetrifft, der ersten Station ziemlich gleichen. Am Schlüsse seiner Arbeit sucht Perrier die Frage zu ent- scheiden, ob Branchiura Sowerhyi in der Rhone autochthon oder ein- geschleppt ist. Er konnte leider eine abschließende Auskunft nicht geben. Die Tatsache, daß Beddard und Michaelsen nur so wenige Exemplare in ihren Warmwasserhäusern fanden, er aber in der Rhone so viele, glaubte er zu der Frage benutzen zu können, ob die Lebens- bedingungen in der Rhone nicht doch natürlicher für Branchiura seien, als die in den Viktoria regia- Becken mit ihrer gleichmäßig hohen Temperatur. Stephenson erwähnt in seinen einschlägigen Arbeiten noch weitere Fundorte von Branchiura Sowerhyi. So erhielt er im Mai 1911 durch Mr. Gravely vom Indian Museum lebende Exemplare zugeschickt. Sie stammten aus dem Museumsgarten von Kalkutta, wo sie in einem "earthenware basin", das mit Wasserpflanzen besetzt war, vorkamen. Im November 1911 erhielt er abermals, diesmal aber konservierte, Exemplare, die in der Zeit vom September bis Oktober 1907 durch Prof. K. Ramunni Menon in dem Viktoria regia-tank der Agrihorti- cultural Society's Gardens in Madras gesammelt waren. Des wichtigste aller von Stephenson mitgeteilten Fundorte ist jedoch der von ihm Beiträge zur Kenntnis von Branehiura Sowerbyi Beddard. 20'5 selbst beobachtete, eine "nullah", d. h. ein Wasser, das zeitweilig trocken lioi^en kann, von Labore im Punjab. Dort kam Branehiura in einein kleinen, flachen Teiche vor, der infolge der in ihm abgeleiteten oberfläciilichen Drainagewässer des Gefängnisses selten ganz trocken wird. In der Regenzeit geht durch ihn sogar ein ständiger Wasserlauf hindurch. Dieser Fundort ist insofern wichtig, da er bis jetzt der einzige bekannt gewordene ist, an dem Branehiura in den Tropen im Freien beobachtet wurde. Weiter aber korrespondiert diese Lokalität, die zeitweilig trocken liegen kann, mit dem von mir beobachteten Überwintern des Wurmes im Trocknen. Fundorte: London Warmwasserhaus. Dublin » Hamburg >> Göttingen Warmwasserhaus ; geheizte Becken im Freien. Frankfurt a. M. Warmwasserhaus; Teich im Freien? Kalkutta Warm wasserhaus. Madras » Labore Tümpel im Freien. Tournon Rhone- Altwasser; Mündung des Doux. Überblicken wir noch einmal die neun verschiedenen mir bekannt gewordenen Fundstellen, so fallen sieben davon auf Warmwasser- häuser. Es ist nun wohl anzunehmen, daß im großen und ganzen die Temperatur- und Bodenverhältnisse dieser künstlichen Becken übereinstimmen. An zwei dieser Orte (Frankfurt und Göttingen) wurde Branehiura aber auch schon im Freien beobachtet. Das eine Mal im sehr heißen Sommer, das andre Mal im angewärmten Becken. An den bis jetzt erwähnten Fundstellen ebenso wie auch an den Tüm- peln der Vorstadt von Labore ist eine hohe tropische Temperatur vorhanden; dies trifft aber nicht mehr zu für die Fundorte in der Rhone, wenn man auch berücksichtigen muß, daß das Klima Südfrankreichs und vor allem des Rhonetales sehr milde ist. Perrier betont ja dann auch noch selbst, die einzelnen Stationen, an denen er Branehiura vor- fand, waren, was die Temperatur des Wassers anbelangt, immer die günstigsten der Umgebung. Diese Mitteilung ändert aber nichts an der Tatsache, daß Branehiura dort im Freien überwinterte, denn Peurikr fand ihn dort im August 1907 wie auch im Oktober 1908. Diese Befunde genügen an und für sich schon Branehiura Soiverhyi 204 Friedrich Keyl, als eine eurytlierme Wurmform anzusehen. Die Beobachtungen, die ich im Göttinger Garten machte, bestätigen das nur; denn hier fand ich Brancliiura im Warmwasserbecken mit einer Temperatur von 25 ° C als auch im Winter in den nur angewärmten Behältern mit einer Temperatur von 15 — 17° C. Abgesehen von dieser Unempfindlichkeit gegen Temperatureinflüsse scheint die Beschaffenheit des Wassers und des Bodens keinen besonderen Einfluß zu haben. Brancliiura kommt ja sowohl in stehenden Becken der Warmhäuser, wie in nur wenig Fluß zeigenden Altwässern und Tümpeln, wie auch im fließenden Wasser (Doux) vor; er lebt im Schlamm ebenso gut wie im kiesreichen Boden. In meinen Kulturen, die ich im zoologischen Institut stets hielt, machte ich die Erfahrung, daß sich die eingesetzten Exemplare besser hielten, wenn ich dem Schlamm groben Kies untermischte. Die Meinung Perriers, daß nach den nur spärlichen Funden Beddards und MiCHAELSENs die Warmwasserbecken im Gegensatz zu den Alt- wässern der Rhone Brancliiura wenig natürliche Lebensbedingungen bieten, glaube ich nicht aufrecht erhalten zu können auf Grund des Vorkommens im hiesigen Viktoria regia-Becken. Seit 31/2 Jahren beobachtete ich nun Brancliiura hier und stets ist eine jährliche Ver- mehrung und Weiterverbreitung zu beobachten. Eine schätzungsweise Zahl der Würmer anzugeben, ist mir nicht möglich, doch dürften sich wohl mehrere Tausende von Exemplaren vorfinden. 2. Lebensweise. Brancliiura Soiverhyi lebt, soweit ich Beobachtungen in meinen Kulturen und in dem Warm wasserhause anstellen konnte, ähnlich unserm gemeinen Tuhijex in Röhren, die er durch den Schlamm baut. Diese Wohnröhren, die er mit einem Secret, das den zahlreichen Drüsen seiner Epidermis entstammt, auszutapezieren scheint, verläßt er nur sehr selten. Nur einige Male beobachtete ich einzelne Exemplare, die sich durch schlangenähnliche Windungsbewegungen an Wasserpflanzen weit über den Grund emporgearbeitet hatten. Autotomierte Hinter- enden fanden sich namentlich in den ersten Monaten des Jahres jedoch viel auf der Oberfläche des Schlammes. Es mag dies auf den Mangel des Eingrabevermögens zurückzuführen sein; denn ein Eingraben mit dem Hinterende, wie es sonst bei decapitierten Anneliden beobachtet wird, erscheint mir wegen der großen Zartheit desselben ausgeschlossen. Im allgemeinen bleibt Brancliiura in seiner Schlammröhre und läßt das mit dorsal und ventral stehenden Girren besetzte Hinterende frei im Wasser flottieren durch seitliche Undulation wie unsre Tubificiden. Beiträge zur Kenntnis von Branohiura Sowerbyi Beddard. 205 Hierbei scheinen die Cirren oder Kiemen keine eigne Bewegung aus- zuführen, sondern nur den Rechts- und LinksschUingelungen des Kör- pers zu folgen. Das läßt sich leicht unter der binocularen Lupe erkennen. Eine Eigenbewegung geht den Kiemenanhängen jedoch nicht ab, wie sich an narkotisierten Tieren beobachten läßt. Während hier der eigentliche Leibesschlauch schon längst keine Bewegung mehr voll- führt, schwingen die Kiemenanhänge noch sowohl seitlich als auch vor- und rückwärts. Die Eingangsüffnuug der Röhre liegt nicht in derselben Höhe wie der Boden des Wasserbeckens, sondern sie ist gegen die Umgebung etwas erhöht. Sie liegt auf einem kleinen Krater mit einer äiißeren sanften ]5öschung, aber mit steiler fast senkrechter Innenwandung. Die Röhren reichen, was sich gut an den Wandungen der Glasgefäße meiner Kulturen beobachten läßt, bis auf den Boden. Ihr Verlauf ist ein geschlängelter, auch zeigen sie des öfteren Abzweigungen, die aber wohl nur aus Verschmelzung und Überschneidung benachbarter Röhren zustande kommen. Die Röhren konnten eine Länge bis nahezu 30 cm erreichen. In den Becken des Warmwasserhauses fanden sich auf dem Zementboden stets Anhäufungen zahlreicher Individuen, was einen Abstand von dem unteren Wasserspiegel von nahezu V2 ni ergibt. Von biologischem Interesse ist dann vielleicht noch die Tat- .sache, daß unter flach auf dem Grunde liegenden Steinen oder Schiefer- tafeln sich immer zahlreiche Exemplare von Branohiura aufhalten. Unter einem solchen Schieferstein wurden auch die ersten bei uns hier aufgefunden. Es ist das eine Erscheinung, die mehrfach bei Oligo- chäten beobachtet wird. Die Bewegung von Branohiura ist auf festem Boden eine schlän- gelnde, lateral-undulierende. Bei dieser Art der Fortbewegung liegen die Kiemen rechts und links, indem also so der Hinterkörper um 90° gedreht ist. Die Notwendigkeit dieser Verdrehung ergibt sich durch die dorso-ventrale Stellung der Kiemen. Schwimmbewegungen beob- achtete ich nie bei Branohiura. In das Wasser geworfene Exemplare sinken immer gleich bewegungslos zu Boden und versuchen dort nach wenigen Kriechbewegungen immer sehr bald, sich mit dem Kopfende voran einzugraben. W^as die Nahrungsaufnahme anbelangt, so läßt Branohiura, wie die einheimischen Tubificiden und Lumbriciden, die Erde, die ihm bei seinen Röhrenbauten hinderlich ist, seinen Darm passieren. Dabei ist eine Umänderung derart zu bemerken, daß die lockere körnige Erde allmählich umgewandelt wird in einen zähen, speckigen Mutt. 206 Friedrich Keyl, Es ist dies ein Umstand, der wohl bei der Beurteilung der Schädlich- keit oder Nützlichkeit von BrancJiiura Sowerhyi für unsre Warm- wasserkulturen berücksichtigt werden muß. Um BrancJiiura im lebenden Zustande besser beobachten zu können und auch beim Fixieren vor zu starken Krümmungen zu bewahren, versuchte ich die Würmer zu narkotisieren. Cocain gab auch in den schwächsten noch wirksamen Verdünnungen schlechte Resultate. Es trat nämlich bei seiner Anwendung, schon ehe der Wurm vollständig narkotisiert war, eine Maceration des zarten Kiemenendes und vor allem der Kiemen selbst ein. Chloroform in wenigen Tropfen in das Wasserschälchen, in dem die Würmer waren, getan, leistete stets gute Dienste. Zuviel Chloroform führte eine starke Ringelung herbei. Um eine vollständige Streckung des Leibesschlauches und vor allem des empfindlichen Hinterendes zu erreichen, empfahl es sich, den Wurm mit Hilfe einer Nadel oder eines feinen Glasstabes in Rotation zu ver- setzen, während des Einwirkens des Chloroforms. Diese Empfindlichkeit auf äußere Reize beschränkt sich jedoch nicht nur auf Narkotika oder andre einwirkende Flüssigkeiten, sondern zeigt sich auch in einer äußerst großen Zerbrechlichkeit. Vor allem wiederum ist es das Hinterende, welches sich dadurch sehr auszeichnet. Einfache Druckstellen, hervorgerufen durch das Übertragen des Wurmes von einer Schale in die andere mittels einer Nadel, führen meist zu einer Trennungsstelle in einen hinteren und vorderen Abschnitt. Ich zog es daher vor, solche Übertragungen, wenn es auf die Erhaltung des Tieres ankam, entweder mit der Pipette oder mittels eines stärkeren Glasstabes vorzunehmen. Hand in Hand mit dieser Zerbrechlichkeit oder Autotomie geht nun aber die weitgehende Regenerationsfähigkeit. Nach meinen Beobachtungen wird sowohl das Kopfende als auch unter gewissen Bedingungen das kiementragende Hinterende sehr leicht regeneriert. Über die Zeit der Regeneration des letzteren habe ich einige wenige Versuche angestellt. Ich narkotisierte die Würmer, stets nur größere Exemplare, und trennte mittels einer scharfen Präparations- schere eine Anzahl der kiementragenden Segmente ab. Die so ge- teilten Branchiuren setzte ich in Leitungswasser. In einzelne der Isolier- gefäße gab ich gut abgespülte Pflanzenteile meiner Kulturen hinein. Die kleinen Gefäße stellte ich an einen warmen sonnigen Ort, aber vor den direkten Sonnenstrahlen durch Ölpapier geschützt. Nun stellte sich heraus, daß die vorderen Teilstücke stets das Hinterende samt den Kiemen regenerierten, während die kiementragenden hinteren Teilstücke stets sehr rasch zugrunde gingen. Weiter ließ sich fest- Beiträge zur Kenntnis von Branchiura Sowerbyi Beddard. 207 stellen, daß nach 40 — 48 Tagen äußerlich an den regenerierten Tieren keine Anzeichen der Regeneration mehr zu erkennen waren. Durch das große Vermögen zu autotomieren, erkläre ich mir auch, daß sich in dem aus den Warmwasserbassins herausgeholten Schlanmi in be- stimmten Zeiten (z. B. Jahresanfang) fast nur Bruchstücke fanden. Unter diesen war eine große Anzahl solcher Individuen, die ein hinteres Teilstück einer Bronchi nrn darstellten. Dabei war aber stets festzu- stellen, daß vor den kiementragenden Segmenten immer eine größere Anzahl kiemenloser vorhanden war. Diese letztere Bedingung er- scheint mir nach den oben erwähnten Versuchen notwendig. 3. Schädlichkeit und Vertilgungsmöglichkeit. Durch das zahlreiche Auftreten unseres ostindischen Oligochäten wird er, wie sich aus Beobachtungen im Göttinger Warmhause ergab, dem Pflanzenwuchse schädlich. Die untersten Lagen des Grundes im Becken bestehen hier aus guter Gartenerde, in der die Pflanzen wurzeln. Darüber folgt eine Lage feinen groben Kieses. Unser Oligochäte unter- miniert nun durch seine sehr tiefgehenden Röhren die Kiesschicht und schafft die Erde und den Mutt in erstaunlich kurzer Zeit über den Kies. Dadurch lockert er den Grund in unangenehmer Weise auf, was stellenweise zu Senkungen Veranlassung geben kann. Junge und kleine Pflänzchen verschüttet er gänzlich und hindert sie an ihrem Fortkommen oder tötet sie dadurch gar ab. Die verschiedensten an- gewandten Mittel ihn zu vergiften, schlugen alle fehl, da er sich bei dem frerinosten Reiz in seine Schlammröhren zurückzieht. Auch die zahlreichen in die Bassins eingesetzten Fische scheinen sich aus diesem Grunde nicht als seine Vernichter zu erweisen. In meinen Kulturen, die ich Sommer wie Winter hindurch an einem hellen warmen Fenster- platze hielt, hatte er jedoch im Herbst und Winter 1911/12 einen Gegner gefunden. Durch ihn, eine Planarie, wurden die im Oktober reich- lich mit Exemplaren besetzten Aquarien innerhalb von 4 Monaten gänzlich ausgeraubt. Bald nach der Besetzung hatte ich in einigen der Kulturgläser wohl die Planarien beobachtet, sie aber ruhig darin weiter- leben lassen. Nach einigen Monaten fiel mir das allmähliche Ver- schwinden von Branchiura auf, während sich die Planarien üppig ver- mehrten. Ich unterzog nun die Kulturen einer genauen Durchsicht; dabei setzte ich die noch übrigen Ohgochäten mit den Plattwürmern in ein Glasgefäß. Schon nach ganz kurzer Zeit hatte sich jede der Pla- narien, die den Branchiuren an Größe weit unterlegen waren, einer derselben bemächtigt, und ließ sie, einmal erfaßt, nicht mehr frei. Sie 208 Friedrich Keyl, hatte den Rüssel weit ausgestülpt und sog Branchiura bei lebendigem Leibe aiis. Die Planaria hatte gewöhnlich ihre Beute am Kopfende erfaßt, nur sehr selten in der Mitte des Körpers. Die äußere Haut von Branchiura wurde von ihr nicht aufgenommen, sondern diese bildete schließlich einen dicken Wulst um den Rüssel des Räubers, Mit dieser Beobachtung war mir die Erklärung für das Sterilwerden meiner Kulturen gegeben. Nach einer dankenswerten Mitteilung von Herrn Dr. Voss soll die Räuberin Planaria torva gewesen sein. Viel- leicht ist aber hiermit der Weg gewiesen, wie man Branchiura aus den Warmwasserbecken beseitigen kann. Das Einsetzen von Planarien ist natürlich nur dann auszuführen, wenn diese sich nicht in irgendeiner Weise dem Pflanzen wuchs schädlich erweisen. Größe und äußere Formverhältnisse. Die Länge von Branchiura Soiverbyi wird übereinstimmend von Beddard und Michaelsen auf 38 — 50 mm angegeben. Damit sind sicherlich nur geschlechtsreife Tiere verstanden, d. h. solche, die ihre definitive Größe und Ausbildung erlangt haben. Stephenson gibt eine Länge von 44 — 50 mm und eine Segmentzahl von 74 — 116 an. Diese Größenangaben wurden von den meisten der von mir gemessenen geschlechtsreif en Formen oder solchen, die kurz vor der Reife standen, weit überschritten. Die größte beobachtete Länge betrug 100 mm. In gleichem Maße wurde natürlich auch die angegebene Segmentzahl etwa 170 überholt. Bei 61 mm Länge zählte ich etwa 245 Segmente und bei 100 mm 270. Das Hinterende ist ausgezeichnet durch die in der dorsalen und ventralen Medianen stehenden Girren, die wohl als Kiemenanhänge zu deuten sind. Die Zahl der Girren ist sehr verschieden. Bei einer Anzahl von 213 Segmenten trugen 87 Girren, bei 270 waren es 140 und bei 245 Körpersegmenten waren es hingegen einmal nur 23. Das letzte Segment, das sogenannte Analsegment, ist stets kiemenfrei. Die Länge der Girren wächst von vorn nach hinten ganz allmählich. Zuerst stellen sie sich dar als kleine Höcker oder warzenförmige Ge- bilde, die analwärts sich immer mehr in die Länge strecken. Dire größte Ausbildung erlangen sie aber nicht am vorletzten Segmente, sondern etwas davor. Hier ist ihre Längenausdehnung oft zweimal so groß als die betreffende Segmentbreite. Auf den letzten Segmenten nehmen sie dann wieder etwas an Größe ab. Der Wechsel in der Segmentzahl läßt sich wohl mit der Tatsache vereinbaren, daß Tiere mit einer großen Anzahl von Segmenten in deren Zahl nicht kon- stant sind. Beiträge zur Kenntnis von Branchiura Sowerbyi Beddard. 209 Der Querschnitt des Wurmes ist im cirrenlosen Teile fast genau kreisfcirmig; im cirrentragenden Teile seitlich etwas abgeplattet. Die auf der Tafel Beddards dargestellte bisquitartige Form beruht auf der Kontraktion der Transversalmuskulatur, die an der Einziehunüs- stelle ihren Ansatzpunkt hat. Das erste Segment trägt einen spitzigen, kegelförmigen Kopflappen, das letzte einen kugeligen Anallappen. Die Segmente des Vorder- kürpers sind schmal und zweiringelig, das Verhältnis von Länge zur Breite ist etwa 4:1. Sie nehmen dann rasch an Größe zu und erlangen ihre größte Ausbildung in der Gegend der dorsalen Blutgefäßschleifen. Das größte hier beobachtete Breitenmaß betrug etwa 1,3 mm. Hier ist das Verhältnis von Länge zur Breite 1 : 3. Analwärts reduziert sich die Breite wieder ganz allmählich bis das Verhältnis zu Beginn des cirrentragenden Körperabschnittes 2 : 1 wird. Noch weiter nach hinten nimmt die Länge des Segmentes sehr rasch ab bis, unter Be- rücksichtigung der Gesamtzuspitzung, etwa das gleiche Längen- und Breitenverhältnis wie am Vorderende 4 : 1 erreicht wird. Die Farbe von Branchiura Sowerbyi ist gelblich-braun, bekommt aber infolge der durchschimmernden Blutgefäße einen roten Anflug. Bei älteren Exemplaren ist die Färbung namentlich in der mittleren Körperregion weit dunkler. Die Ursache hiervon ist der dichte Belag des Darmes mit dunkelbraunen bis fast schwarzen Chloragogen- zellen, Borsten: Branchiura trägt vier Reihen Borstenbündel, zwei dorso- lateral gelegene und zwei ventro-laterale. Die dorsalen Borstenbündel enthalten vier bis acht fächerförmig angeordnete Hakenborsten. Zu diesen kommen am Vorderkörper noch je zwei manchmal auch drei lange Haarborsten hinzu. Michaelsen stellte nur eine oder zwei, Stephenson gar stets nur eine Haarborste in jedem dorsalen Bündel fest bei den von ihnen beobachteten Exemplaren. Die ventralen Bündel enthalten bis acht kleine Hakenborsten, die ebenfalls fächerig ange- ordnet sind. Die Hakenborsten sind in allen Bündeln, den ventralen sowohl als den dorsalen, mehr oder weniger deutlich spitzig gegabelt. Die Länge der Borsten beträgt etwa 300 fx, ihre Breite etwa 15 [i. Das Verhältnis des Abschnittes von der Spitze zum Knoten zu dem von dem Ende bis zum Knoten ist etwa 2 : 3. Das untere Ende läuft spitz aus und nicht, wie Beddard zeichnet, stumpf. Meine Angaben stimmen also, was die Form anbelangt, ganz mit denen Stephensons überein. Das erste und das letzte Segment sind borstenlos. 210 Friedrich Keyl, K-L Textfig. 1. Branchmra Sowerbyi. Ober- schluiidganglion und Schlund- commissuren. K.L, Kopflap- pen; /, 1. Segment. Vergr. etwa 100. Nervensystem. 1. Lage und änßere Gestalt des Centralnervensystems. (Textfig. 1 und 2.) Das Oberschlundganglion von BrancMura Sowerhyi weicht von dem der übrigen Tubificiden durch seine einfache und kompakte Ge- staltung ab. Bei diesen ist es ausgezeichnet vor allem durch seine großen seitlichen Lappen, die hier in unserm Falle gänzlich fehlen. Es liegt mit seiner Haupt- masse im ersten Segment. Im Längsschnitt er- scheint es brotlaibförmig und im Querschnitt halbmondförmig mit verhältnismäßig schwacher ventraler Aushöhlung. Die Richtung seiner Hauptachse ist zu der des Körpers stark geneigt und zwar etwa unter einem Winkel von 50°. Bei einem nahezu geschlechtsreif en Tiere be- trug die Länge der Hauptachse des Oberschlund- ganglions etwa 125 ju. Die hierzu senkrechte Querachse in der Medianebene maß etwa 64 /j, und die dritte Achse, die der Segmentalebene parallel läuft, hatte eine Länge von etwa 180 //. Aus diesen Maßangaben ist ersichtlich, daß die Breite des Ganglions größer ist als seine Länge. Mit seiner aus- gehöhlten Hinterfläche liegt das Oberschlund- ganglion der starkdrü- sigen Wandung des Oesophagus bei einigen Exemplaren fast auf, bei andern hingegen konnte der Zwischen- raum zwischen beiden größer werden. Caudal- wärts legt sich das Ganglion an das Dissepiment I/H dicht an. An seiner ventralen Seite gabelt sich das Oberschlundganglion und sendet zwei starke Textfig. 2. Branchmra Sowerbyi. Längsschnitt (median) durcli den Kopf läppen, 1. und 2. Segment. Vergr. 120. og, Oberschlundganglion m, Muskel; n, Nerv; s, Septum; sh, SinneshUgel; ug. Unter schhindganglion. Beiträge zur Kcntitiiis von Hiancliiura Sowcrhyi l'cdriard. 211 Ausläufer in den Kopflappen hinein. An der Ansatz.stelle dieser beiden Ausläufer am (Janglion entspringen seitlich die beiden Schlundcomniissuren. Diese von fast kreisförmigen Querschnitt mit einem etwa 32 [i großen J3urchmesser umfassen den Oesophagus ohne sich aber ihm fest aufzulegen, wenn auch der Raum zwi- schen Nervenring und iSchlund nur sehr klein werden kann (Taf. IX, Fig. 6). Die Schlundcommissuren laufen schräg nach hinten und münden etwas hinter der Mitte des ersten borstentragenden Segmentes in das Unterschlundganglion ein. Dieses erstreckt sich bis fast zum Dissepiment zwischen dem zweiten und dritten borstentragenden Seg- mente. Es ist an seinem vorderen Ende am breitesten, etwa 170 /f, und nimmt analwärts ganz allmählich ab, so daß es schließlich an seinem Ende nur zwei Drittel seiner Anfangsbreite (etwa 110//) zeigt. An der Stelle, wo das Ganglion das Septum durchbricht, zeigt sich eine ganz seichte Einschnürung. Ein typisches Strickleiternervensystcm besitzt Branchiura nicht, da sowohl die Ganglienknoten als auch die Connective miteinander durch eine Scheide eingehüllt sind. Die Verschmelzung der ganglionären Teile des Bauchstrangs läßt sich abgesehen von den weiter unten zu behandelnden inneren Stützsubstanzscheiden, an deren Ganglien- zellen-Belag erkennen. Dieser springt auf der Ventralfläche, wie auf Querschnitten zu ersehen ist, mit einem mehr oder weniger stumpfen First in die fibrilläre Masse ein. Er zeigt also auf dem Querschnitt das Bild einer liegenden 3 (Taf. IX, Fig. 2). Der durch die Verschmel- zung äuiierlich einheitlich gewordene Bauchstrang zeigt innerhalb eines jeden Segmentes eine seitliche und ventrale Anschwellung (Ganghon), die ganz langsam ansteigt und ebenso abfällt. Die stärkste Anschwel- lung in seitlicher Richtung gemessen, betrug bei einem fast ausge- wachsenen Exemplare etwa 233 /< und sie fiel ab bis auf etwa 127 fx. Dies war im Bereich der engsten Stellen des Connectivs, da w'o dieses das Dissepiment durchbricht. Auf seiner dorsalen Seite zeigt das Bauch- mark in seiner ganzen Länge eine firstartige Bildung, die Neurochorde, auf die ich weiter unten ausführlich zu sprechen kommen werde. In der hinteren Körperregion werden die Comiective immer kürzer, und damit rücken die Ganglien dichter zusammen. Es ist das die natür- liche Folge des Kürzer werdens der einzelnen Segmente. Das Bauchmark erstreckt sich frei durch die Körperhöhle und wird gestützt durch die abgehenden peripheren Nerven. Außerdem halten zahlreiche sich an die äußere Hülle einerseits, die Leibesw-and anderseits ansetzende Aufhängebänder es in seiner Lage. Die Septen 212 Friedrich Keyl, legen sich nie ganz dicht an das Baiichmark an, sondern umgeben es abgesehen von der Ventralseite so, daß immer ein Zwischenraum zwi- sehen ihnen und dem Bauchmark bleibt. Der schmale Raum zwischen der Ventralseite des Bauchmarkes und der Körper wand bleibt stets septenfrei. Zur Zeit der höchsten Geschlechtsreife wird der Bauch- strang, wie alle übrigen Organe, in den Geschlechtssegmenten infolge der starken Ausbildung der Sexualorgane nach unten gedrängt. Diese Herabdrückung des Bauchmarks kann so weit gehen, daß es auf der Längsmuskelschicht dann fest aufliegt (Taf. X, Fig. 12). Die Angaben ÖEMPERs für Polychäten {Nais frohoscidia und l^ais elinguis) und Vejdovskys, daß bei allen Oligochäten, deren Körper durch Regene- ration am Hinterende nachwachsen könne, sich der Bauchstrang in dieser Region an die Hypodermis heranlege und nahe an der After- öffnung mit derselben ganz verschmelze, trifft für Branchiura nicht zu. Branchiura gehört aber, wie oben schon gesagt, zu den Oligochäten, die sehr leicht das Hinterende regenerieren. In den letzten Segmenten legt sich das Bauchmark zwar sehr an die Leibeswand an, bleibt aber stets von der Hypodermis durch die, wenn auch hier sehr dünnen, Muskelschichten getrennt. Im Analsegment ist seine fibrilläre Central- masse zu einer sehr feinen Spitze ausgezogen. Das Bauchmark liegt stets unterhalb des ventralen Blutgefäßes, eine Tatsache, die vielleicht aus Beddards einer Zeichnung nicht deutlich genug hervorgeht. In der Körperstrecke, in der ventrales und dorsales Blutgefäß neben- einander verlaufen, liegt es so, daß die firstartig auf der Fibrillärmasse aufsitzende Auftreibung des sogenannten »Neurochords << sich zwischen die beiden Gefäße einschiebt (Taf. IX, Fig. 9). 2. Bau des Centralnervensystems. Am Aufbau des Centralnervensystems beteiligen sich zwei ver- schiedene Elemente, einerseits solche von nicht nervösem, anderseits solche von nervösem Charakter. Unter die ersteren rechne ich die äußere, die Gesamtheit des Nervensystems bekleidende Hülle und eine im Innern auftretende stützende Substanz. Unter die zweiten zähle ich die LEYDiGsche Punktsubstanz, die Fasermasse oder den fibrillären Teil und die Ganglienzellen. Eine Zwischenstellung zwischen beiden nehmen die Neurochorde ein. a. Nicht nervöse Bestandteile des Nervensystems. Die äußere Hülle bedeckt sowohl das Oberschlundganglion, die Schlundcommissuren als auch das Bauchmark und erstreckt sich auch Beiträge zur Keiiiitni8 von Urainliiura S()\verl)yi l'rddard. 213 nch nch Über die peripheren Nerven. Sie «teilt sich dar als eine feine, zarte, strukturlose, homogene, stark lichtbrechende Membran. Hin und wieder vermochte ich auch einzelne Kerne nachzuweisen von etwa 4,5 /f : 1,5 /< Größe. Diese waren flach, länglich und stark chromatin- haltig. Für diese Hülle, wie sie in fast gleicher Ausbildung bei den meisten Anneliden angetroffen wird, möchte ich den Namen Epineurium beibehalten, aber die Benennung »äußeres Neurilemm« vermeiden, da ich auch nicht die vielfach benutzte korrespondierende Bezeichnung >> inneres Neurilemm« beibehalten will. Hierunter versteht man in der Literatur die bindegewebigen Bestandteile, welche die beiden Längsfaserzüge im Bauchmark umhüllen und zugleich, wie Vejdovsky angibt, das Neurochord von den ner- vösen Bestandteilen trennen. Um nun die Bedeutung dieser HüUen und Scheidewände besser be- urteilen zu können, habe ich zum Vergleich noch andre Oligochäten her- angezogen und zwar: Lumbricus ter- restris, Lumbricus communis, Mega- scolex {Perichaeto) musicus, Perichaeta coerulea, Alma nilotica und eine Poly- chäte Eunice violacea. Teils verdanke ich das Material der Vermittlung von " Lumbricus terrestis. Querschnitt durch ein Herrn Geheimrat EhLEES, teils der Bauchmarksconnectlv. Vergr. etwa 107. Freundlichkeit der Herren Professor «''*' Neurochordröhre; hs, Horizontaisep- tum; vs, Verticalseptum. Michaelsen (Hamburg) und Edv\^ard Jacobson (Haag-Java). Ich möchte nicht versäumen auch diesen Herren meinen Dank abzustatten. Fassen wir nun zuerst einmal einen mit DELAFiELDschem Häma- toxylin gefärbten Schnitt durch ein Connectiv des Bauchmarks von Lumbricus terrestris ins Auge, so erkennen wir im dorsalen Teile die drei Neurochordröhren (Textfig. 3). Darunter sehen wir die Quer- schnitte der beiden Connective. Diese sind getrennt von den Neuro- chorden durch eine stark blaugefärbte horizontale Scheidewand und unter sich durch zwei dorso-ventral verlaufende, ebenfalls dunkelblau gefärbte Lamellen einer Stützsubstanz. Der Zwischenraum zwischen diesen beiden ist erfüllt mit fibrillärer Substanz imd bietet dasselbe Aussehen dar wie die Querschnitte der beiden Längsfaserzüge. Diese Lamellen treten an ihrem ventralen Ende in direkte Verbindung mit dem Epineurium und an ihrem dorsalen mit der horizontalen Lamelle, 214 Friedrich Keyl, dem VEJDOVSKYschen »inneren Neurilemm«. Schon Perrier (Etudes sur rOrganisation des Lombricieus terre.stres, 1881) hat diese Lamellen wenigstens in ihrem oberen Teile gesehen, wenn er schreibt: «De plus, les fibres en question (damit ist die Horizontallamelle verstanden) .... plongent dans la masse meme du ganglion et constituent tout le long de son plan median une cloison fibreuse, le separent dans sa partie superieure en deux moities symetriques >>. Haller hat dann später im Jahre 1889 sich genauer mit der Textur des Centralnerven- systems von Liimhricus-Yoimen beschäftigt und ihm sind diese La- mellen auch nicht entgangen, wenn er sie auch in ihrer ganzen Aus- dehnung und Bedeutung nicht recht erkannt hat. So sagt er: »Die Neurogliahüllei sendet bei Lumbricus Fortsätze weder in das centrale Nervennetz, noch bildet sie . . . Umhüllungen um peripher gelegene Ganglienzellen . . . und somit findet sich, bei Lumbricus wenigstens, kein . . . Neuroglianetz innerhalb des Centralnervensystems vor . . . Solche Fortsätze (wie Haller bei Polychäten beobachtete) kommen also nicht vor und mir sind bloß vier solche sehr auffallende bekannt geworden, die jedoch im Centralnervensystem sich nicht verästeln.« So beobachtete er, wie sich zwei solcher Fortsätze von der Wandung der mittleren Neurochordröhre nach unten und zwei andre von der Bauchmarkshöhle nach oben erstrecken und wäe diese sich mit den ersten vereinigen. »Auf diese Weise kommt stellenweise in dem sonst einheitlichen Bauchmark medianwärts die Neurogliahülle zu einer doppelt septalen Bildung. Es handelt sich hier um sehr schmale Septen, die aber noch obendrein unterbrochen sein können. Diese Septen sind aber durchaus kurz und können bei genauer Betrachtung unmöglich als die medianen Teile einer bindegewebigen Separatscheide aufgefaßt werden. Außerdem ist die Stelle zwischen diesen zwei Septen, dort wo sie überhaupt sich vorfinden, nicht nur mit Commissurfasern, sondern auch mit allen übrigen nervösen Teilen des Bauchmarkes durchsetzt . . . An vielen Stellen fehlen aber diese Septen vollständig und an solchen Querschnitten wird die einheitliche Strul^tur des Bauch- markes um so deutlicher.« Diese Beobachtungen Hallers habe ich nun mit Hilfe lücken- loser Schnittserien weiter auszubeuten und damit zu berichtigen ver- mocht. Das Bauchmark von Lumbricus terrestris stellt sich dar als aus zwei bilateral-symmetrischen Längsfaserzügen bestehend, wie sie Vignal schon beobachtet hatte. Sie sind beide voneinander getrennt 1 Gemeint ist die von mir als Epineurium bezeiclinete Hülle. Beiträge zur Kenntnis \"on Brancliiura Sowerbyi Bcddard. 215 durch zwei die ganze Länge des Bauchniarkes durchziehende Septen, die sich ventral mit dem Epineurium und dorsal mit dem die Neuro- chordröhren abtrennenden Horizontalseptum in Verbindung setzen (Textfig. 4). Diese Verticalsepten laufen im Bereich der Connective in mehr oder weniger großem Abstand nebeneinander her; sie können sich stellenweise berühren, aber eine direkte Verschmelzung zwischen beiden habe ich niemals eindeutig beobachtet. Innerhalb des Gan- glions laufen die Verticalsepten konvergent aufeinander zu, um, ehe sie zwischen den Ganglienzellen durch- dringen, entweder ganz zu verschmelzen oder sehr dicht nebeneinander herzu- laufen (Textfig. 5). Im ersteren Falle nch Textfig. 4. Lumbricus terrestris. Schema des Verti- calseptenverlaufes im Bauchmark. Vergr. etwa 75. Textfig. 5. Lumbricus terrestris. Querschnitt durch einen septenf ührenden Teil eines Bauchmarkganglions. Vergr. etwa 107. wc/i, Neurochordröhre; äs, Hori- zontalseptum ; vs, Verticalseptum. läßt sich nur ein ventraler Verschmelzungspimkt mit dem Epineu- rium beobachten; im zweiten aber deutlich zwei, da die Septen dann gewöhnlich in der Nähe ihrer Fußpunkte wieder etwas auseinander weichen. Sobald diese Septen in das vordere Ende der ganglionären Anschwellung eintreten, erleidet ihre Kontinuität eine Einbuße. Es treten nun eine Anzahl von Unterbrechungen auf. Diese Unterbrechun- gen haben, wie sich aus dem allmähhchen Verschwinden der Septen auf Querschnitten erkennen läßt, wohl mehr oder weniger ovale Form. Im Bereich ihrer größten vertikalen Ausdehnung reichen diese »Fen- ster << ventral bis an das Epineurium und dorsal bis an das Horizontal- septum hinan und bringen so die Verticalsepten zu gänzlichem Ver- schwinden (Textfig. 6). Solche Bilder sind es, die das Bauchmark Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CVII. Bd. 1,'3 216 Friedrich Key], von Lumhricus terrestris als ein einheitliches Gebilde, als welche es Haller auffaßte, erscheinen lassen. Untersucht man nun mit stärkeren und stärksten Vergrößerungen die Fasersubstanz im Bereiche der Fenster, so zeigt es sich, daß hier meist querverlaufende Faserzüge zu beobachten sind. Es sind also die, die beide Längsfaserzüge tren- nenden Lamellen oder Septen da unterbrochen, wo Quercommissuren innerhalb der aus zwei Ganglien verschmolzenen Anschwellung auf- treten. Solche Quercommissuren stellte ich für Lumhricus terrestris drei fest (Textfig. 4). Die erste liegt kurz vor dem Austritt des ersten Nervenpaares, die zweite, von größerer Ausdehnung, liegt hinter dem ersten Nervenpaar und die dritte, die an Ausdehnung der ersten etwa gleichkommt, liegt kurz vor der Wurzel des zweiten Nervenpaares. Der Zwischenraum zwi- schen den beiden Verticalsepten läßt innerhalb der Connective, wie oben schon erwähnt, meistens fibrilläre Substanz er- kennen. Hin und wieder aber lagen in dem ventralen Teile Zellen eines lockeren Gewebes, vielleicht Bindegewebe. Nicht allzu selten finden sich in die- sem Gewebe eine oder mehrere Ganglienzellen, die jedenfalls nur versprengt sind. Innerhalb des Ganglions wird der inter- septale Kaum nur von fibril- lärer Substanz erfüllt. Friedländer bezeichnet die fibrilläre Substanz im interseptalen Raum als »medianen Nerv<<, doch ist es nicht not- wendig, daß dieser stellenweise unterbrochene dritte Strang überhaupt selbständige Bedeutung hat. Das nun schon oben mehrfach erwähnte Horizontalseptum (Text- fig. 3 u. 6) verhält sich in seiner Reaktion gegen Farbstoffe genau wie die Verticalsepten und ist als aus der gleichen Substanz bestehend anzusehen. Man darf nun nicht annehmen, daß dieses Septum, welches das ganze Bauchmark durchzieht, stets eine völlig horizontale Platte ist; vielmehr besteht es aus drei Teilstücken, den beiden äußeren. die die lateralen Neurochordröhren von der Fasermasse trennen und einem inneren, welches das mediane Neurochordrohr davon abschließt. Die drei Teilstücke liegen nahezu in einer Ebene an den Stellen, an Textfig. 6. Lumhricus terrestris. Qneisclmitt durch ein »Fenster (Trema) des Bauchmarkganglions. Vergr. etwa 107 nch. Neurochordröhre ; hs, Horizontalseptum ; ep, Epi neurium. Beiträge zur Kenntnis von Branehiura Sowerbyi Bcddard. 217 denen die Verticalsepten ganz oder nahezu ganz fehlen (Textfig. 6) ; etwas anders wird das Bild dort, wo diese auftreten (Textfig. 3; Taf. IX, Fig. 4), Hier bleiben die äußeren Teilstücke iii ihrer alten Lage, je- doch das Mittelstück kann verschiedene Lagerungen einnehmen. Bald erscheint es nach unten zu vorgebuchtet, bald liegt seine Ansatzstelle an die vorticalen >Septen auf der einen Seite tiefer als auf der andern. Es ist nicht ausgeschlossen, daß zu solchen Unregelmäßigkeiten ver- schiedene Größenausbildungen der medianen Neurochordröhre Ver- anlassung geben. Ein stellenweises Fehlen des medianen Teiles des Horizontalseptums konnte ich nicht feststellen, wenn er auch hin und wieder auf den Querschnitten nicht ganz deutlich und scharf zu er- kennen war. Dieser Umstand ist insofern von Bedeutung als Haller angibt: >>Unter der mittleren der größten dieser Fasern (Neurochord- röhren) zieht ventralwärts, gegen das Nervengewebe zu eine dünne Brücke der Neurogliahülle von einer Seite zur andern hinüber. Ver- folgen wir aber diese Abgrenzung vom centralen Nervengewebe auf den darauf folgenden Schnitten, so finden wir, besonders an Stellen der vorderen Ganglienanschwellungen des Bauchmarkes, wo die großen Nerven abtreten, daß diese Brücke fehlt. Leider habe ich nicht er- mitteln können, ob solche Unterbrechungen der Neurogliahülle unter dieser Kolossalfaser regelmäßig in jeder Anschwellung des Bauch- niarkes auftreten, oder ob sie auch in den Zwischenstücken desselben vorkommen und ob sie überhaupt eine regelmäßige Lage einhalten.« Die Horizontalsepten werden stellenweise durchdrungen von Abzwei- gungen aus den Neurochorden, An den Stellen nun, wo die Verticalsepten zusammentreffen mit dem Horizontalseptum setzen sich dorsalwärts wieder zwei Septen an, die in ununterbrochener Folge die Länge des Bauchmarkes durch- ziehen und somit die drei Neurochordröhren voneinander trennen (Textfig. 3 u. 6). Sie treten an ihren oberen Enden in Verbindung mit dem Epineurium. Schon Nansen und vor ihm auch Vignal hat sie in eben der Art gesehen und erwähnt, wenn er sagt: "Between the tubes may also be seen septa adhearing to the neurilem-sheath or Perineurium, enveloping the ventral nerve-cord inside the muscular layers." Haller (1910) faßt das Horizontalseptum und die dorsal davon gelegenen Verticalsepten als Abspaltungen des Epineuriums auf und seiner Auffassung nach liegen die Neurochorde dann innerhalb des Epineuriums, Diese Septen, sowohl die verticalen als auch die horizontalen, die ich weder als inneres Neurilemm noch als aus Neuroglia bestehend !;■)* 218 Friedrich Keyl, bezeichnen möchte, stellen sich bei Anwendung verschiedener Fär- bungen verschieden dar; immer aber stimmen sie in ihrem Aussehen mit dem Epineurium überein. Bei Anwendung von DELAFiELDschem Hämatoxylin zeigen sie die schon oben erwähnte dunkelblaue homogene Färbung. Ein wesentlich arideres Bild erhält man bei Anwendung der WEiGERTschen Kupferacetatmethode. Hierbei stellt sich das Epineurium und die inneren Lamellen dar als eine schwach bräunlich- gelb gefärbte Fasermasse. In dieser Grundsubstanz lassen sich nun noch deutlich schwarzgefärbte Fasern erkennen. Bei Verwendung von ganz starken Immersionsobjektiven (Winkels Fluoritsystem 1,8) schienen sich mir die Fasern aufzulösen in eine dichte Reihe von schwarz gefärbten Körnchen. Das eine ist damit wohl gezeigt, die Substanz der Septen besteht aus zwei nach Weigert verschieden reagierenden Komponenten. Bei dieser Methode ließen sich nun auch von den Verticalsepten und den äußeren Teilstücken des Horizontalseptums Ausläufer, die sich als feine schwarze Fasern oder Körnchenreihen darstellten, und die in die beiden Längsfaserzüge eintreten, um sich dort stark zu verästeln, deuthch erkennen (Taf. IX, Fig. 4). Stellen- weise schließen solche Abzweigungen den Ganglienzellenbelag von den Längsfaserzügen ab, und begleiten die Ganglienzellenfortsätze in das Innere der Punktsubstanz. Dies tritt aber nicht mit der Häufigkeit und der Regelmäßigkeit auf wie bei andern Oligochäten, so daß ich bei Lumhricus terrestris nicht von einer trennenden Hülle zwischen Ganglienzellen und Fasersubstanz reden kann. Ich möchte nicht un- erwähnt lassen, daß ich an einzelnen Stellen auch zwischen den Verti- calsepten senkrecht dazu ausgespannte Lamellen beobachten konnte, die nach Weigert gefärbte schwarze Körnchen auf gelbbraunem Grunde zeigten. Ich möchte nun die Septen mit ihren Verzweigungen und feinsten Verästelungen, die man sich immer als senkrecht zur Querschnitts- ebene stehende Platten von größerer oder geringerer Ausdehnung denken muß, als ein Stützgerüst für das Bauchmark aufgefaßt wissen, das aus einer Stützsubstanz besteht, die denselben Bau wie das Epi- neurium und wie sie damit in Zusammenhang tritt vielleicht auch denselben Ursprung hat. In diesem Verhalten erinnert das Bauch- mark von Lumhricus terrestris ganz an die Bilder, wie sie Hermann und dann später Schultze von dem gefächerten Bau im Innern der Neurilemmscheiden von Hirudo medicinalis gibt und auch an den ganz analogen Bau der Fühlernerven von Helix fomatia, wie ihn eben- falls Schultze abgebildet hat. Beiträge zur Koiiiituis von Braiuliiura Scnvcrlni Bccldard. 219 Bei Lumhricus communis gestalten sich die Verhältnisse nun be- deutend einfacher. Das Horizontalseptuiii kommt hier ganz in Weg- r7c/? nch Textfig. 7. Textfig. 8. Lumbricus communis. Querschnitt durch ein Lumbricus communis. Querschnitt durch eine Bauchniarksganglion. Vergr. etwa 240. nch, septenlose Stelle (Trema) im Bauchmarksgan- Neurocliord; vs, Verticalseptum ; v, Blutgefäß. glion. Vergr. etwa 240 ncÄ, Neurochordröhre; V, Blutgefäß. fall und es treten nur zwei das ganze Bauchmark durchziehende Ver- ticalsepten auf. Diese treten an der ventralen und dorsalen Fläche des Bauchmarkes mit dem Epineurium in Zu- sammenhang (Textfig. 7). Die Septen erschei- nen sehr dünn und lassen sich auch in den mit DELAFiELDschem Hämatoxylin, das bei Lumhri- cus terrestris so günstige Resultate gab, gefärb- ten Schnitten nicht immer leicht erkennen. Dazu kommt noch, daß oft nur sehr undeutliche Unterbrechungen der Tremata (Fenster) (Text- fig. 8) auftreten, was das Aufstellen eines Verlaufsschemas (Textfig. 9) sehr erschwerte. Auch hier bei Lumhricus communis erstrecken sich die Septen ohne Fensterung durch die Con- nective hindurch. Das erste Fenster beginnt etwa in der Höhe des ersten auftretenden Nervenpaares und erstreckt sich durch das erste Drittel des Ganglions. Es folgt nun Textfig. 9. wieder eine septale Strecke, die oft nur auf Lumbricus communis. Schema wenigen Schnitten deutlich zu erkennen ist. ''"' verticaiseptenveriaufes im ^ Bauchmark. Vergr. etwa 150. Der folgende Teil der ganghonären Masse zeigt dann wieder ein Fenster von erheblicher Ausdehnung. Hinter diesem laufen die Septen an dem austretenden zweiten Nervenpaare vorbei 220 Friedrich Key], und erstrecken sich ohne Unterbrechung durch die Connectivstrecke des Bauchraarkes. Während ich nun die Gestalt der Fenster für Lumhricus terrestris als mehr oder weniger oval feststellte, indem die Unterbrechungen der Septen in den mittleren Teilen klein anfangen und allmählich an Weite zunehmen, erfolgt hier das Verschwinden der Sep- ten ganz plötzlich und ebenso wieder ihr Auftreten. Ich schließe daraus, daß die Fenster hier eine mehr rechteckige Gestalt haben. Die Struktur der Septen läßt sich als faserig deutlich erkennen und zwischen den einzelnen Fasern liegen zahlreiche Kerne, Diese, die in gleicher Ausbildung auch in dem Epineurium auftreten, sind rundlich bis lang gestreckt. Ihre Größe variiert zwischen etwa 3 ^ : 3 /t und etwa 7 jli : 1,5 /«. Sie zeigen in ihrem Innern eine dichte Anhäufung von Chromatinkörnchen. Ob hier bei Lumhricus communis ein ähn- liches Stützsubstanzge- 7'^ \ rüst innerhalb der beiden Längsfaserzüge vorhan- den ist wie bei Lumhricus terrestris und ob es dann eine ähnlich weitgehende Verzweigung erleidet wie ^^ ■^ dort, kann ich nicht ent- Textfig. 10. scheiden. Eine grobe Ver- Alma nüotica. Querschnitt durch ein Bauchniarksconnectiv. zweigUUSf mag Wohl VOr- Vergr. etwa 240. nch, Neurochordrölu-e ; bg, Bindegewebe; i i • n jtj. i sts, Stützsubstanzhülle; ep, Epineurium. handcn Sem, denn Oltmals beobachtete ich innerhalb der Fasermasse Züge von Kernen, von denen die einzelnen ganz den Stützsubstanzkernen an Gestalt, Größe und Chromatinstruktur gleichen. Bei Alma nilotica Grube hegen die Verhältnisse in der Anordnung der Stützsubstanzen ähnlich wie bei Lumhricxis terrestris. Das Bauch- mark, das auch hier von dem Epineurium als Ganzes umhüllt wird, zerfällt in zwei Längsfaserstämme. Diese sind jeder für sich in eine besondere Hülle eingeschlossen und dadurch voneinander gesondert. Ich kann hier also nicht mehr von Stützsubstanzsepten reden, sondern nur mehr noch von Stützsubstanzhüllen, Diese Hüllen liegen im Bereich der Connective dem Epineurium dicht an und können auch ganz damit verschmelzen (Textfig, 10). In der ganglionären Anschwel- lung heben sie sich mehr und mehr von ihm ab, bis sie im centralen Teile des Ganglions ganz frei durch das Bauchmark verlaufen (Text- fig. 11). Sie sind dann von dem Epineurium durch die Ganghonzellen- schicht getrennt. An ihrer inneren Seite können die Faserzüge so eng Beiträge zur Kenntnis von Biaiuliima Sowirbyi Bcddard. 221 nch^ zusammen zu liegen kommen, daß sich die Hüllen direkt berühren. Nie- nials konnte ich aber innerhalb der Connective eine Verschmelzung beobachten. Der interseptale Kaum enthält in seinem dorsalen Teile fibrilläre Substanz und im ventralen Teile ein lockeres Füllgewebe. Im Ganglion tritt kurz vor dem Auseinandervveichen der medianen Teile der Stützsubstanzhülle eine eigentümliche Lockerung in einzelne Fasern ein und damit geht Hand in Hand eine Verfilzung der beiden Hüllen. Es wird so ein interseptaler Raum, der mit Fasermasse erfüllt ist, von den Ganglienzellen abgeschnürt. Ein horizontales Septum ist bei Alma wohl vorhanden, aber nur als das Analogon des Mittelstückes des Hori- zontalseptums von Lum- bricus terrestris. Es stellt eine Brücke zwischen den beiden Stützsubstanzhül- len der Längsfaserzüge her. Die Lage dieses horizontalen Septums ist sehr verschieden und ist bedingt durch die Aus- dehnung des medianen Neurochordrohres, das auf ihm ruht. Seine tiefste Lage beobachtete ich etwas unterhalb der Mitte des Bauchmarkes. Es verläuft auch nicht immer ganz streng genommen horizontal. Es treten nun noch zwei bzw. vier kleine verticale Septen auf, je nachdem wir einen Schnitt durch das Connectiv oder das Ganglion ins Auge fassen. Diese Septen trennen einmal die beiden Lateral- Neurochordröhren von dem medianen und dann aber auch noch von der Ganghenzellenschicht. Sie entspringen alle den Hüllen der beiden Faserzüge und treten in Verbindung mit dem Epineurium. Im Bereich des Bauchmarkconnectivs fallen die äußeren beiden der vier Septen fort, da hier die Stützsubstanzhüllen der Längsfaserzüge dorsal mit dem Epineurium verschmelzen und dadurch die aus Stützsubstanz be- stehende allseitige Scheide um die Lateralneurochordröhren geschlossen wird. Gerade wie bei Lumbricus die verticalen Septen, so sind auch bei Textfig. 11. Alma nilotica. Querschnitt durch eine septeuführende Stelle im Bauchmarksganglion. Vergr. etwa 240. nch, Neurochord- röhre; ep, Epineurium; //, Längsfaserzug; sts, Stützsubstanz- scheide. 222 Friedrich Keyl, Alma nilotica die diesen analogen Teile der Stützsubstanzhüllen der Längsfaserzüge durch Fenster oder Tremata unterbrochen. Die Zahl derselben beläuft sich im Ganglion auf sieben und sie sind hier von mehr oder weniger ovaler Gestalt. Innerhalb der Connective sind keine Tremata vorhanden. An welchen Stellen sie sich befinden, geht aus dem beigefügten Schema wohl deutlich genug hervor (Textfig. 12). Außer diesen Tremata befinden sich innerhalb der ganglionären An- schwellungen auch an den übrigen Teilen der Stützsubstanzhüllen zahlreiche feine Durchbrechnugen, um den Ausläufern der Ganglien- zellen Durchtritt zu verschaffen. Man muß sich an diesen Stellen wohl die Hülle förmlich per- foriert vorstellen. Auch hier findet sich im Innern der Punktsubstanz ein verzweigtes Stütz- substanzgerüst, das seinen Ursprung aus der Stützsubstanzhülle nimmt. Das Vorhandensein läßt sich feststellen durch das Auftreten von Kernen innerhalb der Punktsubstanz, die mit denen der Stützsubstanz übereinstimmen, ander- seits lassen sich auch direkte Abzweigungen aus der Hülle erkennen. Die Struktur der Stütz- substanz ist faserig und läßt nicht allzu selten Kerne beobachten, die denen des Epineuriums gleichen. Sie haben eine mittlere Größe von etwa 10 /< : 2,5//, sind also langgestreckt, schwach bohnenförmig gebogen und führen körniges Chro- matin. Megascolex musicus v. Horst. Was ich bei dieser Form über die neurale Stützsubstanz zu sagen habe, deckt sich im allgemeinen mit dem, was Beddaed über eine nahe verwandte Art, Pleurochaeta Moseleyi, aussagte und abbildete. Bei dieser Form sind die beiden Längsfaser- züge auch durch zwei sie allseitig umschließende Stützsubstanzscheiden getrennt. Tremata konnte ich auf Längsschnitten sicher zwei fest- stellen, die jeweils am Ende oder Anfang der Ganglien lagen. Sie sind ventral gelegen und nehmen etwa ein Viertel des Bauchmarkes ein. Auf Längsschnitten erkannte ich dann noch zahlreiche kleinere Tre- mata, deren Lage ich nicht genau feststellen konnte. Leider war nämlich bei dem mir zur Verfügung stehenden Exemplar innerhalb der Faser- und Ganglienzellenmasse zahlreiche beschalte Gregarinen- sporen zu beobachten, die weitgehende Umgestaltungen hervorgerufen Textfig. 12. Alma nilotica. Schema des »Verticalseptenverlaufes « ( — central gelegene Teile der Stützsubstanzscheiden) im Bauchmark. Vergr. etwa 100. Beiträge ztir Kenntnis von Eranchiura SoAverln'i ßetklard. 223 röhren; sts, Stützsubstanzscheicle ; ep, Epiiieiiriiiin. hatten. Perforiert sind die Scheiden in den gangUonären Teilen, um die Ganglienzellenfortsätze durchzulassen. Ähnlich wie bei Alma nilotica legt sich die Hülle oft dicht an das Epineuriuni an und ver- schmilzt auch stellenweise ganz damit. Im Bereiche des Conncctivs nehmen die beiden Faserzüge die ganze dorso-ventrale Ausdehnung des Bauchmarkes ein (Textfig. 13). Innerhalb der Ganglienanschwel- lung werden sie im ventralen Teile ersetzt durch die Ganglienzellen. Diese fassen weit über die Hälfte des Bauchmarkes nach üben herum und gestatten ^^^o den Faserzughüllen nur sich in ihrem obersten Teile an das Epi- neurium anzulegen bzw. damit zu verschmelzen (Textfig. 14). Durch den Umstand, daß also sowohl in den Connectiven Textfig. 13. als auch in den Ganglien die Megascolex mmicus. Quersclmitt durch ein Bauch- 8tützsubstanzscheide der Längs- "^?'''''"""*^'!:^:._^'^^f-''^^!!-..^'*' f!'^:''^!'^"';''" faserzüge mit dem Epineurium in direkte Verbindung tritt sind zur Abtrennung der drei neben- einander liegenden Neurochord- röhren nur zwei Verticalsepten notwendig, die sich je eines zwi- schen das mediane und laterale Rohr einschieben. Diese Verti- calsepten gehen dorsal aus von dem Epineurium und setzen sich in Verbindung entweder mit den Megascolex musicus. Querschnitt durch ein Bauch- , r , ••! , f(,"j 1 niarksganghon. Vergr. etwa 77. ncÄ, Neurochord- mehrfach erwähnten btutzsub- ^,„^^„. ^,^_ stütz^ubstanzscheide; rp, Epineurium. stanzscheiden oder mit einem zwischen diesen sich ausspannenden Horizontalseptum. Dieses ist hier von sehr unregelmäßig gewellter Beschaffenheit. Das Horizontalsep- tum bildet zu gleicher Zeit die dorsale Wand einer kleinen dritten, median gelegenen Stützsubstanzscheide, die ein viertes Neurochordrohr umschließt (Textfig. 13 u. 14). An der Ansatzstelle des Horizontalseptums an die Stützsubstanz- scheide der Fibrillenzüge beobachtete ich des öfteren Abzweigungen der Stützsubstanz nach dem Innern. Ahnliche Verzweigungen, wenn auch feinerer Art, fanden sich auch sonst noch am inneren Umfange Textfig. 14. 224 Friedrich Keyl, der Scheiden. Der Raum zwischen den Scheiden ist, soweit er nicht von dem vierten Neurochordrohr erfüllt ist, im Ganglion mit Ganglien- zellen, in den Connectiven mit bindegewebiger lockerer Zellmasse erfüllt. Die Struktur sowohl des Epineuriums als auch der inneren Stütz- substanz zeigte hier bei Färbung mit DELAFiELDschen Hämatoxylin ein feines zelliges oder besser wabiges Gefüge. Nach der inneren Seite des Epineuriums zu nahmen die kreisförmig erscheinenden Waben darin merklich an Größe zu. Kerne vermochte ich nur in der Stütz- substanz zu erkennen, nicht aber solche direkt im Epineurium. Hier und da liegen kleine kernartige Gebilde der Innenwand des Epineuriums an, doch will ich über ihre Zugehörigkeit kein abschließendes Urteil fällen. Die Kerne der Stützlamellen sind schwach bohnenförmig ge- krümmt und haben eine mittlere Länge von etwa 4 [jl und eine Breite von etwa 2 /^. Das Chro- ^«^-^ matin liegt sehr dicht, läßt sich aber immer noch als aus kleinen Körnchen bestehend erkennen. Die letzte von mir zum Vergleich herangezo- gene oligochäte Form war Perichaeta coerulea. Ge- rade wie bei der vorher beschriebenen nahe ver- wandten Art sind auch hier die beiden Längsfaser- züge durch die Connective sowohl als auch durch die Ganglien durch Stützsubstanzscheiden voneinander getrennt. Die Zahl der Tremata innerhalb eines Gan- glions ist eine sehr große, und habe ich bei dem nicht gerade glänzend fixierten Exemplare, das mir zur Verfügung stand, keine Gesetzmäßigkeit festzustellen vermocht. Einige Modifikationen im Verhalten der Scheiden unter sich und zu dem Epineurium sind noch zu erwähnen. Nur sehr selten legt sich die Scheide so dicht an das Epineurium an, daß man von einer direkten Berührung oder gar Ver- schmelzung reden könnte. Innerhalb der Connective sind die beiden Längsfaserscheiden gewöhnlich voneinander getrennt, obwohl es auch hier und da einmal zu Berührungen kommen kann (Textfig. 15). Im centralen Teil des Ganghons jedoch lagern sie sich so dicht zusammen, Textfig. 15. Perichaeta coerulea. Querschnitt durch ein Bauchmarlvs- counectiv, Vergr. 116. nch, Neurochordiöhren ; sts, Stütz- substanzscheide; ep, Epineurium. nc/7 Beiträge zur Kenntnis von Braneliiuia .Sowerbyi Beddard. 225 daß hier nur noch eine median verlaufende Trennuu^.swand vorhanden ist (Textfif^. 16). In die Punktsubstanz sendet auch hier die Stütz- substanzscheide Abzweigungen aus und es wird so ein inneres Stütz- geriist gebildet, in dem die Nervenfaserbündcl verlaufen. Vertical- septeu zur Abgrenzung der Neurochordrcihren sind vier vorhanden, die sicli dorsal mit dem Epineurium und ventral mit den Längsfaser- zugscheiden in Verbindung setzen. In den Teilen des Bauchmarkes (hauptsächlich Conncctiven), in denen die Stützsubstanzscheiden sich nicht berühren, tritt unter dem medianen Ncurochord ein kleines Horizontalseptuni auf. Die Struktur der Stützsubstanz des Epincuriums ist auch hier wabig, wenn ich auch ein Anwachsen der Waben nach der Innenseite zu hier nicht feststellen konnte. Kerne habe icli keine beobachtet. Bei Branchiura So- werbyi stieß ich bei der Feststellung und Unter- suchung der Stützsubstanz des Bauchraarkes insofern auf Schwierigkeiten , als die sonst stets mit gutem Erfolg angewandte Fär- bungsmethode mit Dela- rp .f- Iß ° iextfig. 16. FIELDSChem rlamatOXyim penchaeta coerulea. Querschnitt durch ehi Bauchmarks- niich hier f^änzlich im gangUon. Vergr. lie. ep, Epineurium; 7ich, Neurochord- (-,.,,.,, _ , , röiuren; sts, Stützsubstanzscheide. Stich heß. ich versuchte daher einmal die Färbung mit BLOCHMANNscher Farblösimg. Hier vermochte ich die Stützsubstanz sowohl wie das Epineurium von dem homogen blaßgrün gefärbten Bauchmark nur durch die erhöhte Licht- brechung zu erkennen. Es ist diese Erkennungsweise aber wohl nicht immer ganz eindeutig, da vielfach hellere, stärker glänzende Züge im Bauchmarksquerschnitt auftraten, die sich schließlich doch als Kunst- produkte erwiesen. Endlich gelang es mir durch Überfärbung mit Eosin in 90%igem Alkohol und nur kurzem Ausziehen in 96% igen Alkohol die gröberen Stützsubstanzzüge kenntlich zu machen. Doch auch bei dieser Methode mußte ich immer noch zur Erkennung stärkste Vergrößerung anwenden. In den Connectiven zeigen sich die beiden Längsfaserzüge um- scheidet von einer Stützsubstanzhülle. Die beiden Hüllen oder Scheiden können in der Medianebene mehr oder weniger dicht zusammenstoßen und verschmelzen dann in der Regel zu einem senkrechten Septum 226 Friedrich Keyl, nch oder einer Lamelle (Textfig. 17). Eine solche Verschmelzung findet auch mit dem Epineurium an den seitlichen und ventralen Rand- partien statt. An der dorsalen Seite ist fast immer ein Auseinander- weichen der Mittelpartien der beiden Stützsubstanzscheiden zu be- obachten. Hier lagern sie sich dicht an ein typisches Horizontal- septum an. Dieser Aufbau der Stützsubstanz setzt sich vom Connectiv aus in den vorderen Teil des Ganglions fort bis unmittelbar hinter den Austritt des ersten aufsteigenden Nervenpaares. Im ganzen weiteren Verlauf der Hüllen im Ganglion konnte ich die medianwärts gelegenen Teile nicht mehr erkennen, ein großes Trema ist an ihre Stelle getreten (Textfig. 18). Zu Anfang und zu Ende dieses Fensters gehen zwei Quercommissuren von einem Längs faserzug zum andern. Zwischen beiden ließen sich sonst nur längs- laufende Fasern auch innerhalb des Tremas feststellen. Infolge des Ganglionzellenbelags treten nun in dem Verhältnis von Stützsubstanz zu Epineurium Modifikationen ein. Die Längsfaserscheide hebt sich ventral und lateral mehr und mehr von dem Epineurium ab und bleibt schließlich nur noch in den dor- salen seitlichen Randpartien in inniger Berührung bzw. Verschmelzung mit ihm. Es erscheinen also innerhalb des Ganglions hier die beiden Faser- züge von einer gemeinsamen Scheide umschlos- sen, jedoch deutet eine mehr oder weniger weit aufsteigende mediane Einziehung auf der ven- tralen Seite die Trennung der beiden Züge an (Textfig. 19). Diese Verhältnisse stellte ich in derselben Weise auch in den letzten sehr ver- kürzten Ganglien fest. Die Fortsätze der Gan- glienzellen dringen auch hier durch feine Öff- nungen in der Hülle in die Faserzüge ein. Ob innerhalb dieser sich ein verzweigtes Stützsubstanzgerüst befindet, wie z. B. bei Lumhri- cus terrestris, kann ich mit absoluter Sicherheit nicht feststellen, doch scheinen einige Querschnitte, die ich durch ein mit denatu- ep*öi6 Textfig. 17. Branchmra Sowerbyi. Querschnitt durch ein Bauclimarksconnectiv. Vergr. 530. bg, Bindegewebe; ep, Epineurium; m, Muskel- zUge; nch, Neurochordröhre ; sts, Stützsub- stanzscheide. Textfig. 18. Branchiura Sowerbyi. Sche- ma des » Verticalsepten Ver- laufes « im Bauchmarli. Vergr. etwa 100. Beiträge zur Konntiii.s von Branchiiira Sowerbyi Beddard. 227 riorteiu 8piiitus behandeltes Segment ausführte, dafür zu sprechen, in dem darin gewisse Faserzüge länger der Maceration widerstanden. Kerne habe ich in den medianen Teilen der Stützsubstanzscheiden innerhalb der Connective nie beobachten können, doch traten im Bereich der Ganglien in der Stützsubstanz solche auf. Dort lagern sowohl in dem Horizontalseptum als auch in den die Ganglienzellen abtrennenden Teilen der Längsfaserhüllen Kerne von langgestreckter bohnenförmiger Gestalt und einem Größen Verhältnis von etwa 7 jli : 3 jii. Sie erscheinen mit DELAFiELDschem Hämatoxylin sehr dunkel gefärbt infolge ihres dichten körnigen Chromatininhaltes. Innerhalb der Schlundcommissuren und des Oberschlundganglions beobachtete ich keine septalen Stützsubstanzbildungeii. Im Ganglion zeigt sich nur die Faser- masse in eine Stützsubstanzhülle gefaßt, also damit die Ganglienzellenschicht von ihr abgetrennt. Im Laufe dieser vergleichenden Untersuchung machte mich Herr Ge- heimrat Ehlers auf eine Beobachtung aufmerksam, die er schon in den 60er Textfig. 19. Jahren des vorigen Jahrhunderts an der f^nchiura sowerbyi. Querschnitt ö durch das Trema im Bauclimarks- Polvchäte £'Mmce^arassM gemacht hatte. gangUon. vergr. 530. «er, Epineu- Er unterschied damals in dem Bauchmark """^= ;'• ^^"«keizüge; «ca iveuro- chordrohren; sts, Stutzsubstanz- der Eunice dreierlei nervöse Bestandteile, sciiekien. die von außen nach innen gehend sich darstellten als die Ganglienzellen, die Faserschicht und die Punkt- substanz. Er machte nun weiter folgende Beobachtung: »Inner- halb des aus diesen Elementen zusammengesetzten Nervenknotens sieht man auf den senkrechten Querschnitten scheinbare Scheide- wände von der Bauchfläche her durch ihn hindurch gegen die Pigment- bedeckte Rückenfläche aufsteigen und in seinem Innern fachartige Räume abgrenzen. Das was als Scheidewand erschien, erweist sich als ein von unten nach oben durch die Dicke des Nervenknotens auf- steigender Faserstrang . . . Gegen die Bauchfläche hin verfolgt man den Strang bis in die Nähe der Faserschicht, seine einzelnen Fasern stimmen mit den Fasern dieser Schicht überein, doch habe ich nicht entscheiden können, ob zwischen diesen durchsetzenden Strängen in der Faserschicht ein Zusammenhang besteht oder ob die Stränge iiuierhalb dieser Punktsubstanz wurzeln. Auf der Rückenfläche tritt «liT Straiifr aus der Punktsubstanz hervor. (lurch))riclit die Faser- 228 Friedrich Keyl, Schicht . . . und entzog sich innerhalb der Pigmentdecke der weiteren Verfolgung.« Ehlers suchte nun diese Faserzüge zu deuten und kam zu zwei Möglichkeiten: ». . . nach dem Aussehen zu urteilen, möchte ich sie für die Wurzeln von Nerven halten, allein ihre E-ichtung ist mir befremdlich . . . Eine zweite Ansicht ist die, daß diese Stränge mit dem Neurilemm zusammenhängen, bindegewebiger Natur sind und eine Scheidung im Innern der Nervencentren sich vollzieht. « Diese letzte Erklärung schien mit meinen Befunden bei Oligochäten zu- sammenzutreffen und bewog mich auch noch eine Eunice in den Unter- suchungskreis einzuschließen. Ich erhielt einige Exemplare von Eunice violaceck aus Neapel, die in Sublimat und Alkohol 70%-ig bis 90% ig konserviert waren. Ehe ich nun meine Befunde mitteilte, die sich rein anatomisch mit den von Ehlers gemachten decken, möchte ich kurz den Bau des Bauchmarkes von Eunice anführen. Das Bauchmark wird in seiner Gesamtheit umhüllt von dem Epineurium. Dieses hat einen differenzierteren Bau als bei den be- trachteten Oligochäten. Die Hauptmasse besteht aus einem lockeren Gewebe, das sich leider bei den mir zur Verfügung stehenden Exem- plaren nur selten einigermaßen gut erhalten hat. Nach außen wird diese Zellmasse abgegrenzt durch einen deutlichen faserigen Randsaum, nach innen zu lagert ein ähnlicher, doch ist dieser feiner als der äußere. Die austretenden Nerven (es sind hier drei, von denen der mittlere sich gleich nach dem Austritt gabelt in einen auf- und einen absteigen- den Ast) werden durch die Epineuriumschicht hindurch von dem inneren Randsaum umhüllt, dann aber im weiteren Verlaufe von den nun verschmolzenen inneren und äußeren. Die lockere Zellmasse des Epi- neuriums ist nichts andres, als was Haller mit der Benennung »epi- neurales Netz<< bezeichnete. Im Bereich der Connective beschränkt sich das Epineurium dorsal auf die beiden Randsäume ganz und redu- ziert sich ventral und lateral ebenfalls sehr. Am stärksten ist seine Ausbildung innerhalb des Ganglions. Auf den inneren epineuralen Randsaum folgen nun die eigentlich nervösen Bestandteile des Bauch- markes, Ganglienzellen und Punktsubstanz oder Längsfaserzüge. Das Epineurium in seiner Dreiteilung erstreckt sich auch über die Schlund- commissuren und auf den hintersten Abschnitt des Oberschlundgan- glions. Innerhalb des eigentlichen Bauchmarkes lassen sich nun ganz ähnliche Stützsubstanzscheiden und Septen erkennen wie bei den Oligochäten. So ist die Punktsubstanz oder die Fasermasse in ihrer Gesamtheit umschlossen von einer Stützsubstanzscheide. Diese legt Beiträge zur Kenntnis von Branchiura Sowcrbyi Bcddard. 229 I .sich innerhalb der Cüunective an den inneren Randsaum des Epineu- riums dicht an und verschmilzt auch wohl mit ihm (Textfig. 20). Im Ganglion dagegen hebt sie sich in ihrer ventralen und lateralen und dorsalen Teilon davon ab; in dorn so entstehenden Hohlraum liegen die Ganglienzellen (Textfig. 21). Von den innerhalb des ('onnectives auf die verschmolzenen Randsäume beschränkten dorsalen Epineurium ziehen auf Querschnitten zwei Faserzüge durch die Masse des Bauch- markes abwärts, um ober- halb des ventral im Epineu- rium gelegenen von Ehlers als Centralcanal bezeichne- ten Rohres mit dem ven- tralen inneren Randsaum zu verschmelzen (Textfig. 20). Diese als Faserzüge erschei- nenden Gebilde sind nichts weiter als die Homologa der zwei Verticalsepten, w^ie wir sie bei Lumhricus tenestris auftreten sahen. Sie er- strecken sich ohne Unter- brechung durch die Connec- tive bis kurz hinter den Beginn der ganglionären Anschwellung. Hier fin- den sie eine Unterbrechung durch ein erstes Trema. Dieses ist nur sehr kurz; bei den von mir untersuch- ten Segmenten des mittleren Eunice violacea. Querschnitt diircli ein Trema des Bauch- Bauchmarkes von etwa 300//, marksganglion. Vergr. 120. pji», Epineurium ;MfÄ, Xeiiro- Länge ungefähr 5//. Inner- rhordrölire; sts, Stützsubstanzscheide. halb des Ganglion finden sich außer diesem kleinen Trema noch zwei etwa gleich große, die unter sich und von dem ersten Trema durch septale Strecken von ganz geringer Ausdehnung getrennt werden. Innerhalb des zweiten Tremas liegt der Austritt des ersten einfachen Nervenpaares; in der ersten Hälfte des dritten liegen die Wurzeln des Doppelnervenpaares, Hinter diesem dritten Trema setzen sich die Septen dann ohne Unterbrechung durch den Rest des Ganglion und die darauf folgenden Connective /7 C/? Textfig. 20. Eunice violacea. Quersclinitt durcli ein Baueiimarkscon- nectiv. Vergr. 120. ep, Epineurium; hs, Horizontalsep- tum; iep, innerer Randsaum von cp; «c/(,Neurochordröhre; sts, Stiitzsubstanzscheide. Jis n ch Textfig. 21. 230 Friedlich Keyl, fort. Besonders auffallend ist, daß sich an einer besonderen Stelle, nämlich kurz vor dem Anfang des Bauchmarkganglions die Septen auf eine sehr kurze Strecke durch den Epineuriumbelag fortsetzen, um mit den äußeren Randsaum in Verbindung zu treten. Diese Beob- achtungen stimmen mit den von Ehlers gemachten, oben angeführten, überein und lassen wohl seine zweite Deutung als zu Recht bestehen. Ein typisches Horizontalseptuni tritt bei Eimice nicht auf; zu beobachten ist nur das Verhalten des inneren epineuralen Randsaumes bzw. der Stützsubstanzscheide innerhalb der Connective zwischen den beiden verticalen Septen. Dort entwickelt sich der Randsaum in größerer Breite und erstreckt sich mehr oder weniger hoch zwischen den beiden Septen aufwärts. Der Raum oberhalb dieser aufgefaserten Stützsubstanz zwischen den beiden Verticalsepten ist erfüllt mit einer nervösen Fasermasse, die der der beiden Längsfaserzüge völlig im Aussehen gleicht (Textfig. 20). Auch hier braucht dieser strecken- weise auftretende dritte Längsfaserzug keine selbständige Bedeutung zu haben, wie Peuvot es auffaßt, wenn er sagt: <>. Sowohl von den Septen als auch von der Stützsubstanzscheide erstrecken sich nun in das Innere der Faserzüge zahlreiche Lamellen oder Platten und stellen, da sie sich wiederum verzweigen und spalten, ein weitgehendes Stütz- gerüst dar für die einzelnen Nervenfasern und Nervenfaserbündel. In den vorderen Connectiven tritt besonders je ein starkes Septum in jedem Faserzug auf. Dieses Septum nimmt seinen Ursprung aus der Stützsubstanzscheide und zwar etwa in der Mitte zwischen dem Fuß der Vertikalsepten und dem Punkte, an dem sich Stützsubstanzscheide und innerer epineuraler Randsaum von der Wand des Centralkanals abheben. Es erstreckt sich etwa unter einem Winkel von 45° in den Faserzug hinein, ohne aber stets die jenseitige Stützsubstanz zu erreichen. Es tritt also nicht immer als vollständiges Septum auf. Seiner Richtung wegen möchte ich es als ein Diagonalseptum bezeichnen (Textfig. 22). Wie schon erwähnt, tritt es nur im Bereich der Connective der Vorder- region auf. Dieser Umstand ist insofern wichtig, als auch in den beiden Schlundcommissuren Diagonalsepten auftreten (Textfig. 23). Während die vorher beschriebenen in den Faserzügen von links unten nach rechts oben verliefen, ziehen die Diagonalsepten der Schlundcommis- suren von rechts unten nach links oben auf Querschnitten, Dieser Umtausch in der Richtung des Septums ist nur ein scheinbarer und wird hervorgerufen durch den Richtungswechsel der Faserzüge. Diese laufen i)ii Bauchmark horizontal, in den Schlundconunissuren aber Beiträge zur Kenntnis von Hrancliiiira Siiwcrhvi Bcddard. 231 stark nach oben steigend. Man kann also die Diagonalsepten der Schlundcomraissuren als Fortsetzungen der in den vorderen Connec- tiven des Baucliniarkes auftretenden auffassen. Orientieren lassen sie sich am besten nach dem Austritt der Nerven})aare. Ich beobach- tete solcher auf jeder Seite vier. Denkt man sich die ganze Länge der Commissuren in etwa 25 gleiche Teile geteilt, so entspringen die von ihr abgehenden Nerven- paare vom Unterschlund- n ch Textfig. 22. ganglion an gerechnet etwa auf den Teilpunkten 2, 5, 13, 16. Das Septum beginnt zwischen dem dritten und zweiten Nervenpaar und zwar etwas vor der Mitte und reicht von da ohne Unterbrechung bis kurz vor den Eintritt in das Ober- Euntce vtolacea. Querschnitt durch das 1. Connectiv kurz 1,1 T X 11 nach dem Austritt aus dem Unterschlundganglion. V^ergr. SChlundganghon. Im allge- ^.^ ^^_ Eplneurium; ds, Dlagonalseptum; Äs, Horizon- meinen ist die vom Septum talseptum; nch, Neurochordröhre. abgetrennte ventrale Partie des Faserzuges die größere (Textfig. 23). Die Nervenpaare entspringen nun so, daß die Wurzeln je eine aus dem ventralen und eine aus dem dor- salen Abschnitte ihren Austritt nimmt. Einer Modifikation möchte ich noch Erwähnung tun. Es kann sich nämlich in der Mitte des Diago- nalseptums noch ein Radialseptum abspalten. Eine solche Abspaltung beobachtete ich vom den Nervenpaares. Vergr. dritten Nervenpaar bis in die Mitte zwischen ^"l ^*' Diagon^i^eptum; ep, ^ _ Lpineunum ; n, Nerven. Nerv II und I, und dann wieder vom ersten Nerven an, allerdings nur eine sehr kurze Strecke nach dem Oentral- ganglion hin. Eine bestimmte Gesetzmäßigkeit läßt sich wohl auch hier nicht verkennen. Die Septenbildung setzt sich in das Ober- schlundganglion hinein nicht weiter fort. In der Stützsubstanz so- wohl als auch in dem Epineurium lagern ovale bis rundliche stark mit Chromatin erfüllte Kerne von etwa 4,5 n Länge und etwa 3 /< Breite. Ich untersuchte nun noch, allerdings wegen des wenig zahlreichen mir zur Verfügung stehenden Materials nur auf einer Schnittserie, das Oberschlundganglion. Hier konnte ich ein lockeres Epineurium mit seinen beiden typischen Randsämnen nur in den hinteren Abschnitten Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CVII. Bd. 16 Textfig. 23. Eunice violacea. Querschnitt durch eine Schlundcommissur in der Höhe eines austreten- 232 Friedrich Keyl, Textfig. 24. Eunice violacea. Qnersclinitt durch den vorderen Teil des Oberschlundganglions. Vergr. etwa 33. etwa von den Augen an beobachten. Der innere Randsaum war auch hier nur sehr zart aber doch deuthch zu sehen. Der übrige Hauptteil des Oberschhmdganghons Heß nur eine einfache Epineurahimhülhmg erkennen. Irgendwelche Septen analog den im Bauchmark beobachteten lassen sich im Gehirn nicht feststellen. Ebensowenig eine Trennung der Ganglienzellenschicht von der Fasersubstanz durch irgendwelche Stützsubstanzscheiden. Nun zeigen sich jedoch auf Querschnitten namentlich in der Eegion, die hinter den Augenganglien liegt, zahl- reiche Faserzüge und Hül- len, die oft ganze Teile der Nervenmasse in sich ab- schließen. Diese Faserzüge sind alle epineuraler Natur, sie umscheiden sowohl die so- genannten >> Augenganglien << als auch die »Cirrengan- glien«, die ihrerseits nur durch Commissuren mit der Hauptmasse des Gehirnes zusammenhängen. Genauer auf diese Verhältnisse einzu- gehen ist hier wohl nicht der Ort, und verweise ich da nur auf die eingehende Arbeit von Pkuvot. Auf eins jedoch, da es mit den Angaben Pruvots, der sich Textfig. 25. bei der Besprechung der Eunice violacea. Querschnitt durch das Oberschlundgan- JTormVerhältnisse VOU EunicC glion (caudalwärts gelegen von Textfig. 24). Vergr. etwa 33. df, dorsale Falte; vf, ventrale Falte. stctS auf die nahe verwandte Hyalinoecia bezieht, nicht übereinstimmt, möchte ich noch hinweisen; nämlich auf den soge- nannten »ventricule cerebral«. Dieser Ventrikel kommt dadurch zustande, daß sich die Trennung der Ganglienmassen, wie sie durch die starken Ausläufer in die beiden Palpen bedingt wird, noch in das eigentliche Cerebralganglion fortsetzt. So erscheint dieses auf den vorderen Querschnitten deutlich aus zwei getrennten Hälften be- stehend (Textfig. 24). Die inneren Seiten der Epineuriumscheiden laufen dicht nebeneinander her ohne vorerst miteinander zu verschmel- zen. Dieses geschieht dann weiter caudalwärts etwas unterhalb der Beiträge ziii- Kciiiilnis von Branchiura Soworbyi Bcddard. 233 Mitte des quergeschnittenen Ganglions. Sofort nach dieser Verschmel- zung der Epineurien trennen sie sich wieder, doch weichen sie nun nicht seitlich voneinander, sondern sie entfernen sich nun in verticaler llichtung. d. h. die beiden Gehirnhälften sind nun durch eine Comniissur miteinander verbunden (Textfig. 25). Die untere so entstandene epineurale Falte flacht sich rasch mehr und mehr ab und verschwindet schließlich ganz (Textfig. 26). Die dorsale bleibt noch länger bestehen und wird auch nur etwas weniger tief, jedoch nähern sich die beiden Faltenwandungen in ihrem oberen und mittleren Teile mehr und mehr, um schließlich auch dort noch zu verschmelzen. Dadurch wird die Falte äußerlich geschlossen, inner- lich in zwei Teile zerlegt, die sich als zwei kurze blind endende Röh- ren im Innern des Ganglions ein Stück weit fortsetzen (Textfig. 27). Der dorsale kleinere Hohlraum endet etwas vor dem ventralen größeren, dem >> ventricule cere- bral« Pruvots. Auffallend ist mir nur gewesen, daß Pruvot bei der Beschreibung des Gehirns von Eu- nice auf Hyalinoecia verweist, bei der die Ventrikelbildung einfach ist und seiner Zeichnung nach von einer ventralen Faltung ausgeht. Die Lage der die Gehirnhälften ver- bindenden Comniissur ist also eine dorsale, während sie sich bei Eunice viohcea anfangs central befindet, um dann sehr bald die ganze ventrale Hälfte des Ganglions einzunehmen. Die caudalen Teile des Cerebral- ganglions lassen bei Eunice keine Trennung in eine rechte und linke Hälfte mehr erkennen. Textfig. 26. Eunice riolacea. Querschnitt durch das Ober- sclilundganglion (caudalwärts gelegen von Text- fig. 25). Vergr. etwa 33. df, dorsale Falte. Textfig. 27. Eunice violacea. Querschnitt durcli das Ober- schlundganglion im Bereiche des »Ventrikels«. Vergr. etwa 33. vent, Ventrikel. Zusammenfassung. Fasse ich diese Beobachtungen zusammen, so komme ich zu dem Schluß: Bei allen untersuchten Formen, Oligochäten wie Polychäten, stellt das Bauchmark keine Einheit dar, sondern setzt sich zusanmien 16* 234 Friedrifh Keyl, aus zwei getrennt nebeneinander herlaufenden Stämmen, seien diese nun für sich in eine besondere Hülle eingeschlossen, oder nur durch Verticalsepten getrennt. Innerhalb der Ganglien findet dann eine Verbindung zwischen beiden Strängen statt, die in einer verschiedenen Anzahl von commissurellen Faserzügen besteht. Diese Conunissuren nehmen ihren Weg durch in den Stützsubstanzsepten oder Stützsub- stanzscheiden befindliche Fenster oder Tremata , füllen aber nicht in allen Fällen deren Kaum aus. Es bleibt also im Bauchmark der zur Untersuchung herangezogenen Würmer auch unter der äußerlich einheitlichen Hülle innerlich doch der Charakter eines Strickleiter- nervensystems bewahrt. Zu den nicht nervösen Bestandteilen des Bauchmarkes sind für Branchiura Sotverhyi noch vier Muskelzüge zu erwähnen, die sich längs des ganzen Bauchmarkes hinziehen (Textfig. 17 u. 19 m), Zwei davon liegen dicht unterhalb des mittleren Neurochords, die beiden andern schließen sich den seitlichen Neurochorden an und liegen unterhalb des Epineuriums der Punktsubstanz auf. Die Muskelstränge sind deutlich nur bei der Färbung mit Heidenhains Eisen-Hämatoxylin zu erkennen; sie färben sich dann typisch dunkel blauschwarz. Kerne bekam ich darin nie zur Beobachtung. Stephenson, der diese Muskel- züge ihrer Lage nach auch angibt, sagt nur von ihnen aus: "Other fibres . . . are not tubulär, and in their staining reactions somewhat resemble muscle fibres." b. Nervöse Bestandteile des Nervensystems. Was den Ganglienzellenbelag betrifft, so erstreckt sich derselbe über die ganze convexe Vorderfläche des Oberschlundganglions. Er faßt über die dorsale Seite in Gestalt einer feinen, central gelegenen Zunge auch auf die Hinterfläche über (Textfig. 2). In den mittleren Partien und vor allem auf den Grenzpartien der convexen Vorderseite und der concaven Hinterseite ist der Belag am stärksten. Er ist dort gewöhnlich drei- bis fünfschichtig (etwa 30 — 50/<) und nimmt nach den Seiten zu an Stärke ab, bis schließlich zu einer einfachen Ganglien- zellenschicht (etwa 10^). Die Kopflappenfortsätze des Oberschlund- ganghons zeigen einen dichten Mantel von Ganglienzellen. Das Unterschlundganglion zeigt seinen stärksten Ganglienzellen- belag kurz nach dem Eintritt der Schlundcommissuren. Er erstreckt sich übrigens in einer ein- bis zweifachen (10 — 20//) lockeren Schicht auf einen Teil derselben. An der Intersegmentalstelle des Unterschlun^i- Beiträge zur Kenntnis von Branchiura Sowerbyi Beddard. 235 ganglions verringert sich die Dicke der Ganglienzellenschicht, kommt aber kurz vor dem Ende auf ihre anfängliche Stärke zurück. Die Segmentalganglien des Bauchmarks zeigen ihre stärkste Gan- glienzellenbekleidung an der Stelle ihrer größten seitlichen Ausdehnung, also etwa in der Mitte des Segmentes. Hier können bis vier Zellschichten übereinanderliegen (Taf. IX, Fig. 2). Nach vorn und hinten fällt die Dicke des ganglionären Belags ab, um schließlich im ersten und letzten Sechstel der gesamten Masse des Segmentes aufzuhören. Es geschieht dies im Bereich der Connective. Vollständig frei von jeglichen Gan- glienzellen scheinen, wie auch Leydig schon für manche Oligochäten, besonders Lumbriculiden imd Lumbriciden angibt, die Connective nicht zu sein. Namentlich die des Schlundringes zeigen auf ihren Vorderseiten einen lockeren Belag von Zellen mit stark chromatin- haltigen Kernen, die ich für Ganglienzellen ansprechen muß. Die Kerne aller Ganglienzellen sind groß und rundlich, enthalten ein ge- körneltes Chromatin und einen mehr oder minder deutlichen Nucleolus. Die Ganglienzellen des Oberschlundganglions sind birnförmig und etwa 15 jii :10/i groß, die Kerne messen im Durchmesser etwa 8 /(. Etwas kleiner sind die Ganglienzellen im Bauchmark, was namentlich an den Kernen deutlich zutage tritt; diese besitzen nur einen Durch- messer von etw^a 5 — 6 /li. Im übrigen sind die Ganglienzellen des Ge- hirnganglions und der Bauchmarkganglien unter sich alle gleich groß. Sie liegen immer sehr dicht zusammen und lassen nur selten deutliche Zellgrenzen erkennen. Sind diese zu sehen, so läßt sich feststellen, daß die unipolaren Zellen ihren Pol stets der Fibrillärmasse zukehren. Die Fortsätze der Ganglienzellen treten durch die oben behandelte Stützsubstanzhülle hindurch und lassen sich als deutliche Faserstränge oft bis w^eit in die Fibrillärsubstanz verfolgen. Die Fortsätze der zentral in der Medianlinie gelegenen Ganglienzellen schieben sich oft weit nach oben zwischen die beiden Längsfaserzüge des Bauchmarkes ein. Um die Nervenfibrillen des Bauchmarkes deutlich in ihrem Ver- lauf bestimmen zu können, versuchte ich die Methylenblaufärbung anzuwenden. Auf alle mögliche Art und Weise und mit den verschie- densten Modifikationen habe ich sie angewandt, aber leider nie eine Färbung erzielt. Ich versuchte Injektionen, ich hielt die Branchiuren in mit Methylenblau angefärbtem Wasser und ich tränkte gespaltene Stücke auf Fließpapier mit der Farblösung, aber niemals trat die er- wartete Reaktion ein. Die besten Bilder für die Beobachtung der Fibrillen erhielt ich mit Hilfe der HEiDENHAiNschen Eisenhämatoxylin- methode, nachdem ich noch ebenfalls erfolglos versucht hatte, 236 Friedrich Keyl, die Versilberungsmethoden Ramon y Cajals u. a. Autoren anzu- wenden. Die Fibrillen des Oberschlundganglions lassen nach der gemachten Behandlung bei Branchiura einen bestimmten Verlauf nicht erkennen, sondern erwecken eher den Eindruck eines wirren Geflechtes. In den Schlundcommissuren nehmen sie eine deren Achse parallele Richtung an. Im Bauchmarke bilden sie dann die schon oben erwähnten beiden Längsfaserzüge. Diese liegen sehr dicht zusammen und das erschwert sehr die Feststellung der Quercommissuren. Die beiden Längsfaser- züge stellen übrigens keine einheitlichen Stränge dar, sondern sie zer- fallen jeder wieder in eine Anzahl dünnerer Nervenstränge. Diese liegen in den von der Stützsubstanz gebildeten Scheiden oder Kam- mern. Die Längsfaserbündel stehen durch querziehende Faserstränge miteinander in Verbindung. Solcher Querzüge gibt es in jedem Seg- ment zwei. Sie liegen immer am Anfang bzw. Ende der ganglionären Anschwellung und zwar hinter bzw. vor den Segmentalnerven. Sie verlaufen ziemlich in der Nähe der Oberfläche des Bauchmarkes dicht unter dem Neurochord und reichen über das erste Drittel der dorso- ventralen Ausdehnung nicht hinaus. Die erste so beobachtete Quer- commissur im Bauchstrang liegt dicht hinter dem Eintritt des Schlund- ringes in das Unterschlundganglion. Aus dieser Feststellung läßt sich erkennen, daß nicht immer das ganze Trema innerhalb der Stütz- substanz erfüllt zu werden braucht durch die Quercommissur. Die Segmentalnerven treten aus den beiden Längsfaserzügen aus und sind in ihrem Faserverlaufe bis in das Centrum derselben zu ver- folgen (Taf. rX, Fig. 5). c. Das Neurochord. Ich komme nun zu der eingehenderen Besprechung des letzten Bestandteiles des Bauchmarkes, des schon mehrfach erwähnten Neuro- chords. Das Neurochord ist ein Organ, das bei den meisten bis jetzt bearbeiteten AnneHden beobachtet worden ist, über dessen Bedeutung man sich aber bis heute noch nicht in abschließender Weise klar ge- worden ist. Eine Menge von Autoren haben sich seit dem Jahre 1861, in dem Claparede diese «cylindre axiale >>, wie er sie nannte, fand, beschäftigt, und die Literatur darüber ist sehr zahlreich geworden. Spengel gab 1882 in seiner Arbeit >>Oligognathus Bonelliae, eine schma- rotzende Eunice<< eine Aufzählung der bis dahin erschienenen Arbeiten, die sich mit den CLAPAREDEschen »cyhndre axiale» beschäftigten. Eisig ergänzte diese Tabelle und setzte sie fort bis zum Jahre 1887 Beiträge zur Kenntnis von Branchiura Sovvorbyi Beddard. 237 in seiner Monographie der Capitelliden des Golfes von Neapel und gab auch gleichzeitig, ganz wie schon vorher Spengel kurz an, welche Bezeichnung die einzelnen Forscher für das in Frage stehende Organ anwandten. Ich verweise also, was die ältere Literatur anbetrifft auf die dort gemachten Angaben und will nun in der von Spengel und Eisig eingeschlagenen Weise die Tabelle ergänzen und fortsetzen. 18G9. E. ClaparI:de, Histologische Untersuchungen über den Regenwurm. Lumbricus terrestris Linne. Zeitschr. f. vviss. Zool. Bd. XIX. — »riesige Röhrenfasern — «. 1878. Macintosh, Arrangement etc. of Great Nerve-Cords in Marine Annelids. Proceed. Roy. Soc. 1879. C. Claus, Der Organismus der Phronimiden. Arbeit, a. d. Zool. Inst. Wien. Bd. II. — »Riesenganglienzellen mit do. Fortsätzen«. — F. Vejdovsky, Beiträge zur vergleichenden Morphologie der Anneliden. I. Monographie der Enchytraeitlen. Prag 1879. — »LsYDiGsche so- genannte Riesenfasern «. 188(3. W. ÄIiCHAELSEN, Untersuchungen über Enchytraeus Moebii Mich. Kiel. — »Neurochordröhre«. — W. B. BENHiVM, Studies on Earthworms. Quart. Journ. of microscop. Science. — "the great f ihres, giant fibres«. — F. Vejdowsky, Studien über Gordiiden II. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. XLIV. — »Neurochord, Neurochordröhren «. — Fr. Nansen, The structure and coinbination of the Histological Elements of the Central Nervous System. Bergens Museum Aarsbereitning. — "large nerve- tubes, gigantic fibres, large tubes, colossal nerve-tubes". 1887. H. Eisig, Monographie der CapiteHiden des Golfs von Neapel. Fauna und Flora. 16. Monographie. — »Neurochordnerven, Neurochord- röhren «. — E. RoHDE, Histol. Untersuchungen über das Nervensystem der Polychäten. Zool. Beitr. Breslau. Bd. II. — »Kolossale Nervenfasern«. 1888. J. T. CuNNiNGHAM, On some Points in the Anatomy of Polychaeta. Quart Journ. of microscop. Science. N. F. Vol. XXVIII. — "colossal fibres, neuralcanal". — B. Hatschek, Lehrbuch der Zoologie. Jena. — B. Friedländer, Beiträge zur Kenntnis des Centralnervensystems von Lum- bricus. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. XLVII. — »Neuralkanal «. 1889. B. Haller, Beiträge zur Kenntnis der Textur des Centralnervensystems höherer Würmer. (Arb. a. d. Zool. Inst. Wien. Bd. VIII). — »Kolossal- faser, kolossale Nervenfaser«. — B. Friedl.änder, Über die markhaltigen Nervenfasern und Neurochorde der Crustaceen und Amieliden. I\Iitt. a. d. Zool. Stat. Noaj)el. Bd. IX. — »Neurochord <■. 1892. P. Cereontaine, Contribution ä TEtude du Systeme nerveux central du Lombric terrestre. Bull, de l'Acad. Royal de Belgique. 3. S6rie. T. XXIII. — «fibres geantes». 238 Friedrich Keyl, 1892. M. Lenhossek, Ursprung, Verlauf und Endigimg der sensiblen Nerven- fasern bei Lumbricus. Arch. f. mikr. Anat. Bd. XXXIX. — »Neuro- chord «. — G. E.ETZIUS, Das Nervensystem der Lumbricinen. Biol. Unters. N. F. Bd. III. — »Kolossalfaser«. — F. Vejdovsky, Die Organogenie der Oligochäten. Entwicklungsgesch. Unters. von Vejdovsky, Prag. — »Neurochoi'd, Nervenscheide«. 1894. A. G. BouBNE, On Moniligaster grandis, A. G. B. from the Nilgiris S. India. Quart. Journ. of microscop. Science. N. F. T. XXXVI. — »giant-fibre«. — Fbiedländeb, Altes und Neues zur Histologie des Bauchstranges des Regen- wurmes. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. LVIII. — »Nervenröhre«. Beiträge zur Physiologie des Centralnervensystems und des Bewegungs- mechanismus der Regenwürmer. Arch. f. Physiol. Bd. LVIII. — »Neurochordröhre, LEYDiGsche Faser«. — A. Lang, Lehrbuch der vergleichenden Anatomie der wirbellosen Tiere. Jena. — »Neurochord «. 1895. Fbiedländeb, Über die Regeneration herausgeschnittener Teile des Cen- trahiervensystems von Regenwürmern. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. LX. — »LEYDiGsche Faser«. 1898. J. J. Hamakeb, The Nervous System of Nereis virens Sars, Bull. Mus. Harvard College. Vol. XXXII. — "giant fibre". — Mabgabet Lewis, Studies on the Central and Peripheral Nervous System of two Polychaete Annehds. Proceed. Amer. Academie of Arts and Science. Vol. XXXIII. — "Leydig's fibres". 1905. J. Kbawany, Untersuchungen über das Centralnervensystem des Regen- wurms. Arb. a. d. Zool. Inst. Wien. Bd. XV. — »KolossaLfaser, Neurochord «. 1906. F. Hempelmann, Zur Morphologie von Polygordius lacteus Seh. und Polygordius triestinus Woltereck, nov. spec. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. LXXXIV. — »Kanalsystem «. — • H. Eisig, Ichthyotomus sanguinarius, eine auf Aalen schmarotzende Annehde. Fauna und Flora des Golfs von Neapel. 28. Monographie. — »Neuro- chordnerven «. 1907. BüEGEB, Nemertinen. Bkonns Klassen und Ordnungen. — »Neuro- chord «. .. 1908. J. H. AsHWOBTH, The Giant Nerve Cells and Fibres of Halla parthenopeia (Abstract). Proceed. of Roy. Society London. Vol. LXXX. — "Giant Fibres". 1910. B. Halleb, Über das Bauchmark. Jenaische Zeitschr. f. Naturwiss. Bd. XLVL N. F. Bd. XXXIX. — »Kolossalfaser«. — J. HöNiG, Die Neurochorde des Criodrilus lacuum Hoffmstr. Arb. a. d. Zool. Inst. Wien. Bd. XVIII. — »Neurochord, Kolossalfaser«. 1912. J. Stephenson, On Branchiura Sowerbyi Bed. and on a new species of Limnodrilus with distinctive characters. Trans, of the royal Society of Edingburgh. Vol. XLVIII. — "giant fibres, large fibres, tubulär fibres". Beiträge zur Kenntnis von Branchiura Sowcrbyi Beddard. 239 Von einem chronologisch geordneten Referat der einzehien Ar- beiten will ich absehen, jedoch werde ich im Laufe der Arbeit des (ifteren den einen oder den andern Autor zitieren, und dabei auch auf die älteren Arbeiten zurückgehen. Außer Branchium Sowerhiji habe ich dieselben andern Aimeliden wie schon oben bei der Behandlung der inneren Stützsubstanz des Bauchmarkes in den Kreis meiner Unter- suchung gezogen. Lage, Zahl und Veilauf iler Neuroch orde. Die Lage der Neurochordröhren ist bei den einzelnen Anneliden sehr verschieden. Im allgemeinen liegen sie bei den Oligochäten an der dorsalen Seite des Bauchmarkes, während bei den Polychäten ihre Lage ganz bedeutend wechselt; sie liegen teils im dorsalen Ab- schnitt, teils im ventralen des Bauchstranges. Zwei typische Lagen- unterschiede lassen sich nun feststellen, wie auch schon Haller für zwei nahverwandte Oligochäten, Lumbricus terrestris und Lumbricus communis erwähnt, nämlich das eine Mal liegen die Neurochorde inner- halb der äußeren Nervenhülle, dem Epineurium, im Bauchmark selbst, das andre Mal liegen sie zwar auch innerhalb des Epineuriums, sind aber von den nervösen Bestandteilen des Bauchmarkes getrennt durch faserige Stützsubstanz (Horizontalseptum). Für den ersten Fall möchte ich die Bezeichnung >>e ndoneurale Lage«, für den letzteren den Namen >)epineurale Lage<< vorschlagen. Haller suchte diese wechselnde Lagerung durch verschiedene Gestalt des Bauchmarkes zu erklären, so soll der erste Typus bei Formen mit drehrundem Bauchmarke, der letzte Typus bei solchen mit abgeplattetem Bauchmark auftreten. Für die beiden von ihm betrachteten Lumbricus-Fonnen trifft diese Erklärung zu. ob auch für die Fülle der übrigen Anneliden wäre noch zu prüfen. Die Zahl der Neurochordröhren ist sehr verschieden, doch läßt sich bei Oligochäten am meisten die Dreizahl beobachten. Für die größte Mehrheit der Polychäten läßt sich aus der Literatur ersehen, daß die Dreizahl nur in den seltensten Fällen auftritt, und sind es in der Regel zwei oder gar nur eine Neurochordröhre. In einer Reihe von Vorkommnissen lassen sich aber eine größere Anzahl feststellen, ja bis zu sechs, worauf Ehlers ^ schon hingewiesen hat. Über das Verhalten der Neurochorde an ihren Enden läßt sich ebenfalls nichts allgemein gültiges aussagen, und mögen namentlich in den Beziehuno;en der Kanäle unter sich für die einzelnen Arten große ^ Ehlers, Die Borstenwürmer. Leipzig 1868. 240 Friedrich Keyl, Verschiedenheiten herrschen; ich wende mich daher gleich zu der Be- schreibung der Verhältnisse bei Branchiura Sowerbyi. In der mittleren Körperstrecke wird hier von dem Horizontal- septum einerseits und dem Epineurium anderseits ein etwa dreieckiger Raum abgegrenzt, der der Fasersubstanz des Bauchmarkes firstartig aufsitzt. In diesem Räume lagern die drei epineuralen Neurochorde dicht aneinandergedrängt. Dieses Verhalten erleidet an den beiden Enden des Wurmes weitgehende Modifikation. Für das Vorderende ist es mir gelungen, die Zusammengehörigkeit der drei Neurochorde zu einem gemeinsamen System festzustellen (Textfig. 28). Über dem Anfang des Unterschlundganglions lagert ein einziger Kanal, dem ich Textfig. 28. Branchiura Sowerbyi. Schematische Darstellung des Vorderencles des Neurochordsystems. die Bezeichnung Stammkanal geben möchte; er beginnt mit einem kreisförmigen Lumen von etwa 5 — 6 ju Durchmesser. Von ihm aus gehen zwei ganz kurze Fortsätze von ebenfalls kreisförmigem Quer- schnitt (etwa 3 //) in die Wurzeln der Schlundcommissuren hinein und verlaufen dort auf Querschnitten zur Hauptachse des Wurmes auf der Innenseite. Es ist das ein ähnliches Verhalten, wie es Vejdovsky für Psammoryctes harhatus abbildet. Von einer Fortsetzung innerhalb der Schlundcommissuren bis in das Oberschlundganglion hinein, wie es Leydig für Lumhncus angibt, kann hier nicht die Rede sein. Nach einem mehr oder weniger kurzen Verlauf, diese Verhältnisse scheinen bei Branchiura sehr zu wechseln, tritt innerhalb des Stammkanals, der nun eine horizontale Ausdehnung von etwa 22 /< und eine verticale von etwa 9 fi erreicht hat, ein horizontal verlaufendes Septum auf, das eine Trennung in einen dorsalen und einen ventralen Teil vor- nimmt. Der obere Abschnitt wird im späteren Verlauf zur medianen Neurochordröhre. Bald nach dieser Teilung tritt in dem ventralen Rohr eine senkrechte Scheidewand auf und entstehen so die beiden lateralen Neurochorde. Das Lumen des ganzen Kanalsystems ist an Beiträge zur Kenntnis von Branchiura Sowerbyi Beddard. 241 der Stelle dieser zweiten Teilung in verticaler Richtung gemessen etwa 14 1.1, in horizontaler etwa 28 ^t groß. Die beiden lateralen Neurochorde laufen noch eine kurze Strecke weit dicht nebeneinander her, dann weichen sie auseinander, indem sie gleichzeitig langsam um den unteren Umfang des medianen Neurochordrohres herumwandern, bis sie schließ- lich in ihre typische seitliche Lagerung kommen. Die innerhalb des Stammkanals auftretenden Septen sind äußerst zart und daher in den aufeinander folgenden Schnitten nicht immer unzerrissen erhalten. Ein ähnliches Verhalten der Neurochordr Öhren hat Vejdovsky für Stylaria beobachtet. Hier handelt es sich nach seiner Angabe allerdings um den umgekehrten Fall. Stylaria besitzt in den mittleren und hinteren Körper Segmenten nur eine Neurochordröhre, in den vorderen dagegen zwei getrennte Röhren. Vejdovsky sah nun nach dem Zusammenfluß der beiden Röhren in eine in dieser noch eine Strecke weit eine Membran auftreten, die ihm den Beweis an die Hand gibt, daß es sich bei Stylaria wirklich um die Verschmelzung einer paarigen Anlage zu einem gemeinsamen Kanal handelt. Von der Trennung des Stammkanals in die drei Neurochorde an, läßt sich für die Lumina eine Größenangabe nicht mehr geben. Diese können nämlich ganz bedeutend variieren, eine Tatsache, die von i allen Autoren in gleicher Weise angegeben wird. Besonders auffallend i waren hier für Branchiura die stellenweise auftretenden Auftreibungen ider einen oder der andern seitlichen Neurochordröhre (Taf. X, Fig. 10). Auch der Größenunterschied der medianen und der lateralen Neuro- chorde kann ganz bedeutend werden. Im allgemeinen ist in den vor- deren und mittleren Segmenten die mittlere Röhre stets weitlumiger als die seitlichen, eine Beobachtung, die auch für alle darauf unter- suchten Oligochäten im allgemeinen zutrifft. Dieser Größenunter- schied war für Branchiura am schärfsten in der Gegend der Geschlechts- organe; hier waren einmal die Dimensionen der mittleren oder un- paaren Neurochordröhren etwa 52 /< : 32 /< und die der lateralen oder paarigen etwa 12 jli : 12 /^. Gerade umgekehrt liegen die Verhältnisse im caudalen Ende. Dort nimmt die mittlere Röhre rasch an Durch- messer ab und verschwindet bald ganz. So können Bilder auftreten, bei denen die paarigen Neurochorde eine weite kreisförmige Lichtung besitzen von etwa 25 fi Durchmesser. Die unpaare Neurochordröhre liegt dann in dem ventralen Winkel, der durch die Berührung der paarigen entsteht und zeigte einmal eine Breite von etwa 5 fi und eine Höhe von etwa 8/i (Textfig. 29; Taf. IX, Fig. 2). Noch weiter anal- wärts nehmen dann auch die seitlichen Kanäle an Lumen ab, um 242 Friedrich Keyl, schließlich ebenso blind zu endigen, wie schon vorher der mittlere. Wo die einzelnen Endigungspunkte der Neurochordröhren liegen, scheint bei den einzelnen Individuen sehr zu variieren. Ich möchte nur noch erwähnen, daß in einigen Fällen in den letzten Segmenten das ventrale Blutgefäß sich ganz zwischen die lateralen Neurochorde, die hier nur noch vorhanden waren, ein- klemmte (Textfig. 30; Taf. IX, Fig. 9). Auch für Branchiura treffen bezüglich des Verhaltens der Neurochorde in regene- rierten Bauchmarkteilen die Beobachtun- gen Fried LÄNDERS und Honigs zu. Ersterer gibt für den Begenwiirm an, daß eine regelmäßige Abweichung bei Ke- generation die reiche Verästelung der LEYDiGschen Faser sei, und er benutzt diese Eigenschaft als Stütze für die Homo- logie mit den markhaltigen Fasern der Wirbeltiere, Letzterer führt für Criodrihis lacuum aus: »In regenerierten Körperpar- tien spalten sich die Kolossalfasern mannig- fach auf und verlagern sich sogar in den ventralen Teil des Bauchstrangs.« Den letzteren Fall habe ich bei meinen Begene- rationen des Kiemenendes von Branchiura nicht beobachtet, wohl aber die reich- lichere Verzweigung und Aufspaltung. Wegen der Kleinheit der abgespaltenen Teile läßt sich ihre Zahl nicht leicht er- schöpfend feststellen, doch zählte ich deut- lich bis zu fünf normal große Bohren, ohne die zahlreichen kleineren (Taf. IX, Fig. 5). Textfig. 29. Branchiura Soiverhyi. Querschnitt durch eiiiBauchmarkgaiigüon der liin- teren Segmente. Vergr. 360. nch, Xeurochordröhren. nch nch Textfig. 30. Branchiura Sowerbyi. Querscluiitt durch ein Bauchmarkganglion eines der letzten Segmente. Vergr. 360. nch, Xeurochordröhren; t\ ventrales Blutgefäß. Wandung der Neurochorde. Diese zeigt die größte Verschiedenheit, je nachdem man ver- schiedene Konservierungsflüssigkeiten anwendet. Auf diesen Umstand hat Fried LÄNDER seinerzeit schon in der Arbeit »Über die markhaltigen Nervenfasern und Neurochorde der Crustaceen und Anneliden« hin- gewiesen. Er hat dort eine Liste der verschiedensten Beagentien aufgeführt und gleichzeitig ihren Einfluß auf die Neurochordröhren- wandung von Mastobranchus angegeben. Als bestes und einwand- Beiträge zur Kennt iiis von Braneliiura So\verl)yi Bcddard. 243 s _c t4 Q^ Im -2 3 ü J5 ^ Ol tn - Ol r^ 3 CS u 3 CS ^ to 3 C^ 3 'S 3 ^ 3 s ü r^ to _ s i^ <» nb |0 'P. 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Die hier für Lumbricus und Alma nilotica mitgeteilten Verhältnisse bezüglich des Zusammenhangs des Inhalts der Neiirochorde mit großen Zellen stimmen im wesentUchen überein mit den Befinden Vejdowskys für Bhynchelmis , Honigs für Criodrilus und in größeren Modifikationen auch mit denen Fried länders für Lumhncus. nchw Megascolex musicus. Weitere interessante Befunde stellte ich für diesen Oligochäten fest. In dem einen untersuchten Exemplar, was der Größe nach wohl ein ausgewachsenes Tier sein dürfte, zeigten sich die Neurochorde in den allermeisten Fällen leer. Nur selten fand ich eine kleine Gerinnungs- masse darin vor. Mehr Inhalt fand ich in einem längsgeschnittenen Bauchmarkstücke. Hier zeigten sich unregelmäßige Schollen einer feinkörnig erscheinenden Gerinnungs- masse mit verwaschenen Rändern; diese Schollen färbten sich mit DELAFiELDschem Hämatoxylin schwach gelblich. Stellenweise gingen Ausläufer dieser Masse nach den Wandungen zu ähnhch wie es bei Branchiura vorkam. Ein ganz andres Bild ergab sich jedoch für den noch jugendlichen Mega- scolex. Auf Querschnitten fand sich hier eine dunkelblau gefärbte rundliche bis ovale " ' ^ Megascolex musicus. Längsschnitt central gelegene Masse vor, deren Ränder durch ein xeurochordrohr. vergr. nicht immer scharf begrenzt waren, sondern «^^'^ ^ßß- »chn, xeurochordnerv; ^ nchw, Xeurochordwand. stellenweise mit den innersten Lamellen der Neurochordwandung verHefen. Prüfte ich diese Gebilde auf Längs- schnitten, so stellten sie sich dar als innerhalb des Neurochordlumens verlaufende Stränge von nicht immer ganz gleichem Querschnitt und 262 Friedrich Keyl, dunkler Hämatoxylinfärbung. Bei Anwendung von sehr starken Ver- größerungen ließ sich innerhalb dieses Stranges noch ein dünner, schwach gewellter Achsenfaden erkennen (Textfig. 35). Perichaeta coerulea , ein ganz junges Exemplar, untersuchte ich nur auf Querschnitten und fand dort die gleichen Bilder, wie für Megascolex musicus. Eunice violacea. Zum Schlüsse habe ich nun noch die Beobachtungen für Eunice violacea mitzuteilen. Hier erwies sich das Neurochordrohr bis auf die vorderste Partie des Bauchmarkes als völlig leer. Nur hier und da zeigten sich central gelagert ein paar wirr durcheinander gehende Faserreste. Kurz nach dem Eintreten der Schlundcommissuren in das Unterschlundganglion zeigt sich das Neurochordrohr erfüllt mit einer durch ÜELAFiELDsches Hämatoxylin blaß gelblich gefärbten, fein gekörnelten Substanz. Diese zieht sich nach vorn in die beiden Schlundcommissurzweige des Neurochords hinein und läßt hier auf den mehr längsgetroffenen Schnitten eine zarte faserige Struktur er- kennen. Sie zieht auf der ventralen Seite entlang und wendet sich dann aber sehr bald nach innen in die Fibrillarmasse, wird immer feiner und entzieht sich schließlich ganz der Beobachtung. Eine Ver- einigung mit einer besonders gestalteten Zelle fand ich nie. Verfolgt man die Inhaltsmasse der Neurochorde caudalwärts, so zeigt sie ein immer lockerer werdendes Gefüge, bis sie schließlich ganz verschwindet. Zusammenfassende Betrachtung über Deutung und Funktion der Neurochorde. Nach diesen mitgeteilten Beobachtungen bezüglich der Neuro- chorde gilt es nun zu prüfen, ob sie sich alle unter einen Gesichtspunkt ordnen lassen und welche Schlüsse sie über die Art des Inhalts und ihre Funktion erlauben. Zwei verschiedene Ansichten stehen sich da schon seit dem Auffinden der Neurochorde gegenüber; die einen Autoren erklären den Inhalt für nervöse Fasern, die andern hingegen für eine nicht nervöse Substanz oder eine Flüssigkeit, die nach der Fixierung eine Gerinnungsmasse erkennen läßt. Alle die Arbeiten zu zitieren, halte ich auch hier für überflüssig. Es gilt nur zu be- leuchten, was für die eine und was für die andre Auffassung spricht. Der nervöse Charakter erscheint den meisten Autoren gesichert durch die mehrfache Beobachtung von faserigen Abzweigungen, die sich mit Beiträge zur Kenntnis von Branchiura Sowerbyi Beddard. 263 , Zellen, welche sie als Ganglienzellen auffassen, in Verbindung setzen. Auch Methylenblaufärbungen sind angewendet worden, wie z. B. von Krawany für den Regenwurm und es zeigte sich in der blaßblau ge- färbten Hülle eine intensiv blaue Fibrille, die in der von ihm gegebenen Abbildung denselben Eindruck macht, wie der oben beschriebene feine axiale Faden im Neurochord von Megascolex musicus. Retzius, der auch die Frage nach der Art des Nem'ochordinhaltes berührt, spricht von Nervenfasern, die aber eine andre Beschaffenheit haben müssen wie die regulären Fasern des Bauchmarkes. Dieser Ansicht liegt wohl ; die Überlegung zugrunde, daß gleiche Fasern sich auch gleich gegen I dieselben Reagenzien verhalten. Nun zeigte sich aber, daß die Nerven- i fibrillen des Bauchniarkes erhalten bleiben, während sehr oft die so- 1 genannten Nervenfasern der Neurochorde sich nicht konservieren i lassen. Diese Tatsache und die öfteren Befunde von Überresten in \ den Röhren führte dann weiter andre Autoren dazu, den nervösen I Charakter ganz abzulehnen. Hierfür sprachen auch die Verhältnisse j, mit, wie sie bei den sedentären Polychäten gefunden werden, wo die I einzelnen Neurochordröhren die Gesamtheit des Bauchmarkstranges I oft weit an Größe übertrifft i. Die Gegner der Anschauung, die Neuro- chorde seien nervöse Organe, faßten sie dann meistens als einfache Stützorgane für das Bauchmark auf. Eisig nahm nun als erster eine i Mittelstellung zwischen diesen beiden Anschauungen ein. Er suchte an Capitelhden nachzuweisen, daß ursprünglich den Neurochorden nervöse Eigenschaften zukommen, daß sie Nervenfasern enthalten, die aber allmählich degenerieren und daß schließlich nur die in einer resul- tierenden Flüssigkeit befindlichen Überreste noch zu beobachten sind. Dieser von Lang aufgenommenen Lehre, möchte auch ich das Wort reden, da sich ihr fast alle meine Befunde gut unterordnen lassen. Durch sie läßt sich erklären, daß in den weitaus meisten Fällen Bran- chiura Soiverbyi in den Neurochordi'öhren nur Reste eines Inhalts zeigte, und daß, wenn das ganze Lumen erfüllt war, der Eindruck einer Gerinnungsmasse sich nicht abweisen läßt. Da es mir auf die Anatomie in erster Linie ankam, habe ich fast ausschließlich ältere, zum Teil sogar völlig geschlechtsreife Tiere geschnitten. Wie alt die untersuchten Xwm&ncws- Formen waren, läßt sich nicht aussagen, jedenfalls waren sie noch nicht geschlechtsreif. Auch die mitgeteilten Beobachtungen an Alma nilotica lassen sich mit Hilfe der EisiGschen 1 Vgl. Clap AREDE, E., «Recherches sur la structure des annelides seden- ^aires». (Geneve, Bale, Lyon). 1873. CrrNNiNGiiAM, J. T., "On some points in the ^natomy oi Polychaeta. (Jonrn. of microscop. Science. Vol. XXVIII. 1888.) Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CVII. Bd. 18 264 iFriedrich Keyl, Ansicht erklären. Die Nervenfasern des Neurochords waren schon in Degeneration begriffen, während die in das Neurochord eindrin- genden Fasern noch teilweise erhalten waren. Diese Befunde sind vielleicht zum Teil noch problematisch, doch scheint mir Megascolex zur Stützung der EisiGschen Auffassung wohl geeignet. Das ausge- wachsene Exemplar zeigt keinen Neurochordinhalt mehr, die Jugend- form dagegen läßt eine deutliche Fibrille erkennen, der man ihren nervösen Charakter wohl nicht absprechen kann. Der hier beobachtete Achsenfaden entspricht wohl bei Lumhncus dem dunkleren Gentral- teil, der äußere Bestandteil dann der dort körnig erscheinenden Sub- stanz. Bei der von mir untersuchten Eunice war der Degenerations- vorgang noch nicht völlig vor sich gegangen. Daß jedoch die faserige Inhaltsmasse sich in einer Art Auflösung befindet, läßt sich an dem caudalwärts eintretenden allmählichen Lockererwerden erkennen. Was nach erfolgter Degeneration mit den Abzweigkanälen geschieht, kann ich aus eigner Beobachtung nicht entscheiden. Ebenso entzieht sich mir, was aus den großen Zellen wird, und das ist wohl auch der schwie- rigste aber wichtigste Punkt in der ganzen Neurochordfrage. Daß die Zellen wirklich nervöser Natur sind, ist wohl nach den letzten Arbeiten Vejdovskys und vor allem Friedländees, Hallers und Honigs nicht abzuweisen, dafür spricht denn auch ihre Lage und der mehrfach auch von mir wieder beobachtete Faserzug, der auch bei stärksten Vergrößerungen dasselbe Bild liefert, wie die Ausläufer der gewöhn- lichen typischen Ganglienzellen. Zweierlei ist hier möglich, einmal die Degeneration erstreckt sich auch auf den Ausläufer der großen Zelle und diese selbst oder aber die Zelle bleibt bestehen, wenn auch ihre Verbindung mit dem nun als Stützorgan funktionierenden Neuro- chord unterbrochen wird. Eisig gibt an, daß an Stelle der vielfach durchbrochenen Scheide später eine allseitig hermetisch verschlossene tritt. Gänzlichen Aufschluß über diese Gebilde werden wir wohl erst dann bekommen, wenn die Entwicklungsgeschichte sich erst einmal allein mit ihnen befaßt hat. Einige Angaben liegen ja schon heute vor, so von Kowalevsky und Bülow für Lumhncus, von Vejdovsky für Criodrilus. Sie alle lassen das Neurochord oder besser seine Wan- dung aus einem kleinen mesodermalen Zellhaufen entstehen und sich in den jüngsten Stadien als soliden Strang anlegen. Vejdovsky jedoch widerruft seine Angabe später und gibt Gliazellen als Ursprung der Neurochorde an. Nach ihm soll auch die Neurochordwandimg also i nervöser Natur sein. Werfen wir nun noch einmal einen Blick auf die Funktion der) Beiträge zur Kenntnis von Branchiura Sowerbyi Beddard. 265 Neurochorde, so geht es hier wie es mit der Deutung der Neurochorde ging, die Anschauungen gehen auseinander. Die Anhänger des ner- vösen Charakters der Neurochorde legen ihnen naturgemäß auch die Funktion von Nerven zu. Besonders beachtenswert erscheinen mir die Arbeiten von Vignal, Friedländer und Hamaker. Vignal faßt die Neurochorde auf als den Teil des Bauchmarkes, der eine Ver- einigung der beiden Längsstämme zu einem Ganzen herbeiführt, wenn er sagt: «Je pense que ces tubes sont destines a assurer la solidarite des differentes parties de la chaine et surtout de ces deux moities, car je crois qu'elle ne le serait qu'insuffisamment par le peu de contact qu'ont les tubes nerveux de chaque moitie entre eux.» Friedländer sagt über die Funktion der Neurochorde aus: >)Für Reaktionen, die den Wurm als ganzes betreffen, dienen die Neurochordröhren. « Das soll bedeuten, sie sind die einzigen Nervenfasern, die den Wurm in seiner ganzen Länge durchziehen, und sind damit die Nerven, die die Zuckbewegungen, die sämtliche Segmente gleichzeitig vornehmen, hervorrufen. Ganz ähnlich spricht sich Hamaker aus. Die Vertreter des nicht nervösen Charakters sehen in den Neuro- chorden meistens, wie schon oben angedeutet, ein Stützorgan^, das bei den Windungen des Wurmes eine Knickung des Bauchmarkes ver- hindern soll und so also in gewisser Beziehung der Wirbeltierchorda analog zu setzen sei. Diese mechanische Auffassung wird gestützt durch ältere Angaben Vejdovskys, der eine Korrelation zwischen Hautmuskelschlauch und Neurochord feststellte und zwar folgender Art: Ist der Hautmuskelschlauch schwach ausgebildet, so sind die Neurochorde sehr groß, und umgekehrt; bei mürben zerbrechlichen Würmern sollen sie ihre größte Entwicklung erlangen. Damit wäre die große Ausbildung bei Branchiura allerdings erklärt. Bei starren Formen wie den Phreoryctiden sollen sie nach älteren Angaben Ley- digs und Timms sogar gänzlich fehlen. Ähnliche Angaben macht Cunningham: "It is noticable . . . that the canals always reach their greatest development in worms, which are extremely long in Proportion to their thickness." Dieser Ansicht von der mechanischen Funktion der Neurochorde möchte auch ich mich, der EisiGschen Anschauung folgend, anschließen, mit der Einschränkung, daß diese stützende Tätigkeit des Neurochords aber etwas sekundäres, erst durch Funktionswechsel erworbenes ist. ^ Emery betrachtet die Neuralkanäle bei Nephtys, Lumhriconereis, Asterope als eine Art Lymphgefäß, das mit der Ernährung des Nervensystems in Verbin- dung zu bringen sei. 18* 266 PViedrich Keyl, Beachtenswert ist dann noch eine Angabe Vejdovskys für Rhyn- chelmis. Trotz der Deutung der Neurochorde als gewöhnhche Nerven- fasern weist er auf das Verhalten der Wandungen bei Zusammenzie- hungen des Wurmes hin: »Dabei gestalten sich der Reihe nach ein- geschnürte Neurochorde als schraubenförmige Stränge, deren Win- dungen in den lateralen Neurochorden von links nach rechts, in den medianen dagegen in entgegengesetzter Richtung verlaufen. Bei der Dilatation des Wurmkörpers verschwinden plötzlich die Einschnürun- gen . . . << Dieser Befund muß nach Aussagen des Herrn Prof. Wachs- MUTH vom Physikalischen Verein in Frankfurt a.M., dem ich über die Beurteilung der Neurochorde als mechanische Stützapparate des Nerven- systems manche Anregung verdanke, wohl auf einer Täuschung be- ruhen, da er mechanisch unausführbar sei. In der Tat jedoch stellen die mit einer Flüssigkeit erfüllten, die von der Degeneration der Nerven- fasern herrührt, und blindgeschlossenen zu einem System verbundenen Neurochordröhren, wie sie sich bei Branchiura finden und die gerade infolge ihres Zusammenhanges einen rein nervösen Charakter für sehr schwer erklärbar machen, eine starre Stütze dar, infolge der Inkom- pressibilität des Inhalts. Es lassen sich nun auch die einzelnen seit- lichen Auftreibungen erklären. Infolge von Krümnmngen wird der Querschnitt der auf der convexen Seite liegenden Röhre verengert, die Flüssigkeit weicht aus und verursacht auf der concaven Seite die Auftreibung. Eine weitere Beachtung bedarf dann wohl noch die verschiedene Lage der Neurochorde, ob sie endo- oder epineural liegen. Haller hat für ZMm6ncws- Formen einen Zusammenhang dieser verschiedenen Lage mit der Bauchmarksgestalt festgestellt: drehrundes Bauchmark — endoneurale Neurochorde; abgeplattetes Bauchmark — epineurale Neurochorde. Es sei einer späteren Untersuchung überlassen, einmal festzu- stellen, ob diese Korrelation auch für die Fülle der andern Anneliden sich feststellen läßt. Weiter wäre noch zu prüfen, ob überhaupt das, was bis jetzt bei terricolen und limicolen Oligochäten und erranten wie sedentären Polychäten als Neurochord bezeichnet wird, auch wirklich homologe Bildungen sind. Dann wäre weiter zu untersuchen, ob eine Homologie herrscht zwischen den Neurochorden der Anneliden und Bildungen, wie sie Spengel für Echiurus als »Längskanal <<, Vej- DovsKY für Sternaspis als »Neurochord«, Bürger für Nemertinen als »nervöse Neurochorde«, Hempelmann für Gordiiden als »Excretions- organe für das jugendliche Nervensystem« und Leydig für Aithro- Beiträge zur Kenntnis von Branchiiira Sowerbyi Beddard. 267 podeii als »nuirkluiltige Nervenfasern« beschreiben. Endlich aber ob man sie als Honiologa der Wirbeltiernervenfasern ansehen kann. Die Hoffnung, die Nansen schon 1886 aussprach "that these organs might at last enjoy that reste Avhich they so well served" ist also noch heute immer nicht erfüllt. 3. Peripheres Nervensystem, Nervenendapparate und Seitenlinien. Bei Brunchiura vermochte ich vier ziemlich starke Nerven, die aus dem Oberschlundganglion austreten, zu erkennen. Sie entspringen zu je zweien aus der Spitze der Kopflappenausläufer, und laufen in den Kopf läppen hinein (Textfig. 2 w). Hier verzweigen sie sich sehr stark. Wahrscheinlich treten ihre feinsten Ausläufer mit den Neuro- cilien des Prostoniums in Verbindung. Den Zusammenhang genau und sicher festzustellen gelang auch mit den stärksten Vergrößerungen nicht. Die Neurocilien sind feinste Sinnesborsten, die sowohl auf dem Prostonium als auch auf der Unterlippe auf kleinen Sinneshügeln stehen (Textfig. 2s/i). Die Sinneshügel sind in großer Anzahl und ohne bestimmbare Anordnung auf der Oberfläche verteilt. Die Hypo- dermis zeigt an diesen Stellen größere Zellen, die meilerartig zusammen- stehen. Sie umschließen winzig kleine, beim lebenden Tier stark lichtbrechende rundliche Zellen, die Träger der Sinnesborsten, Diese kleinen Zellen zu beobachten, gelang nur bei besonderer Behand- lung und den stärksten Vergrößerungen. Ich trennte den Kopfab- schnitt vorsichtig vom lebenden chloroformierten Tiere ab und stach ihn in der Nähe der Spitze des Prostoniums mit einer feinen Nadel mehrfach an. Nun setzte ich das Präparat zwischen Deckglas und Objektträger einem allmählich sich steigernden Drucke aus, indem ich das Wasser, in dem es lag, verringerte. Dann traten durch den Druck die Hypodcrmiszellen an den Stichöffnungen nach außen. Es bheb schließlich übrig: die feine Cuticula mit den Sinnesborsten und den darunter liegenden kleinen, lichtbrechenden Zellen. Es scheint, als wenn zu jeder solchen Zelle mehrere Sinneshärchen gehören. Diese waren auf jedem Sinneshügel etwa in der Anzahl 15 — 20 vorhanden, während jedoch immer nur wenige kugeHge Centralzellen in einem solchen Sinneshügel zu erkennen waren. Kurz vor dem Austritte der Schlundcommissuren aus dem Ober- schlundganglion nähert sich dieses sehr der Leibeswand und entsendet drei bis vier kurze Nervenstränge (Textfig. 36). Diese treten in Ver- bindung mit dem noch weiter unten zu behandelnden Organ der Seiten- linie. 268 Friedrich Keyl, Aus der Schlundcommissur entspringen je drei Nerven, die nach der Leibeswand ziehen. Die Tatsache, die Vejdovsky für Tubificiden im allgemeinen feststellte, daß nämlich das letzte Nervenpaar schon aus der Ganglienanschwellung der schon zum Bauchmark vereinigten Hälften hervorgeht, trifft für Branchiura nicht zu. Alle drei entspringen noch direkt aus der Fasermasse des Schlundringes. Der erste von diesen Nerven kommt un- mittelbar nach dem Austritt des Connectivs aus dem Oberschlundganglion hervor. Das Unterschlundgan- glion gibt fünf bis sechs Nervenpaare zur Peripherie ab. Einen unpaaren Nerven- oder Ganglienfortsatz , wie ihn Nasse auf Taf. I, Fig. 5, zeichnet, und der nach der J^Z Zellen; m, Muskelzug; n, Nerv; og, Oberschlundganglion; slz, Seitenlinienzellen. Textfig. 36. Branchiura Sowerbyi. Querschnitt, durch das Ober- schlundganglion und die nach der Seitenlinie abgehen- "Qjj^'t^ej-liüDe ffcht konutc ich den Nerven. Vergr. 550. (Z, Drüsenzellen; g^z, Ganglien- }-" ^ .'. . für meinen Tubificiden nicht feststellen. Drei der beob- achteten Nervenpaare wen- den sich nach oben, die beiden bzw. drei andern nach unten. Ebenso ist auch das Ver- halten der Nerven der Bauch- marksganglien. Es entsprin- gen einem jeden vier Nerven- paare (Textfig. 37). Hiervon sind zwei Paar aufsteigende Textfig. 37. Branchiura Sowerbyi. Schematische Ansicht eines Bauch markstückes. n, Nerven; nch, Neurochordröhren. (Taf. IX, Fig. 5 n) und zwei Paar absteigende Nerven. Die ersteren entspringen kurz nachdem die Connective in das Gan- gUon eingetreten sind, die letzteren treten fast unmittelbar davor aus. Der Austritt der Nerven erfolgt in der ventralen seitlichen Partie des Bauchmarkganglions. Die absteigenden Nerven wenden sich sofort in die Muskulatur der Leibes wand und lassen sich dort bis zur Ringmuskel- Beiträge zur Kcmitiiis von Bnint-hiura .Sowerbyi Beddard. 269 Schicht verfolgen (Tai. IX, Fig. 7 n). Die aufsteigenden Nerven legen sich an die Wand der Leibeshöhle an und sind deutlich bis zu der Höhe der dorsalen Borstenbündel zu verfolgen; sie stellen Nerven- spangen dar. Die hintere der beiden Spangen im Segment ist die, die die Innervation der Borstensäcke vornimmt. Die vordere Spange nimmt jenseits der Seitenlinie sehr rasch an Stärke ab und ist in ihrem Verlauf oft nicht viel weiter zu verfolgen gewesen. Seitenlinie. Semper entdeckte 1875 dieses Organ als eine An- häufung zahlreicher Kerne in reihenweiser Anordnung zwischen der Längsmuskulatur von Nais, und er gab ihm infolge seiner charakte- ristischen Lage den Namen »Seitenlinie«. Er konnte an einem ein- fachen Essigsäurepräparat von Nais elinguis und Slavina appendicuhta die Ansatzstelle der Seitenlinie an dem Orte, wo das Oberschlund- ganghon die Schlundcommissur abgibt, feststellen. Bei Slavina be- obachtete er auch seitlich abgehende Aste. Semper hält den rein nervösen Charakter der Seitenlinie für wahrscheinlich und homologisiert sie mit der Seitenlinie der Fische. Timm stellte das Vorkommen dieses Organs dann noch bei Plireoryctes MenJceanus fest. Vejdovsky erklärt die Seitenlinie, der er den Namen »lateraler GangUenzellenstrang << gab, für einen allgemeinen Charakter der Oligochäten. Auch er be- obachtete bei einzelnen Arten Abzweigungen des Seitenstranges. So z. B. den Ganglienzellenring in der Mitte der Segmente von Slavina, der die dort auftretenden Sinneshügel versorgt und bei derselben Form noch Abzweigungen am Kopfe. Weiter sollen bei Anachaeta hohemica einzelne Organe nur von Nerven der lateralen Ganglienzellenstränge versorgt werden, u. a. die Pharyngealmuskulatur, die Borstenbündel und die Mündungen der Excretionsorgane. Die Zellenstränge der Seitenlinie entstehen nach Vejdovsky aus dem Epiblast und sollen auch stets mit demselben in Verbindung bleiben. Die Ganghenzellen sind größtenteils unipolar und sind im lebenden Zustande glänzende, mit homogenem Inhalt erfüllte, einen rundlichen Kern enthaltende Zellen. Wahrscheinlich treten einzelne Abzweigungen noch in Ver- bindung mit dem sympathischen Nervensystem, soweit ein solches vorhanden ist. Hesse fand nun, daß die Seitenlinie nichts ist, als die in der seitlichen Mittellinie zusammengedrängten Sarcoplasmateile der Ringmuskeln. Pointner, der als letzter der Seitenlinie der Oligo- chäten Erwähnung tut, modifizierte die Angaben Hesses in einigen Punkten. Nach ihm liegen die sarcoplasmatischen Teile der Ring- muskulatur nicht nur in der Seitenlinie, sondern besonders am Hinter- ende auch außerhalb derselben. Die Seitenlinie, die am Kopflappen 270 Friedrich Keyl, und dem ersten Segment fehlt, enthält auch noch Ganglienzellen. Vor allem sind solche zu beobachten an den Kreuzungspunkten mit den peripheren Nerven des Bauchmarkes. Sie sind uni- bis multipolar. Sie zeigen sich von einer Membran umschlossen und enthalten fein granuliertes Plasma, in dem die Granula in Längsreihen angeordnet sind. Die Kerne liegen stets im birnförmig erweiterten Teil der Zellen. Von diesen Ganglienzellen sollen Fasern zu den Epithelzellen gehen und dort mit besonderen spindelförmigen Zellen in Verbindung treten. Außer diesen Ganglienzellen und den kernhaltigen Teilen der Ring- Textfig. 38. Branchiura Sowerhyi. Querschnitt durch die Seitenlinie des Mittelkörpers, Vergr. 550. Im, Längsmuskelzüge ; p, peritoneale Auskleidung der Leibeshölile ; rm, Ringmuskulatur; sl, Seitenlinie. muskulatur befinden sich nach Pointner in der Seitenlinie noch die saicoplasmatischen Teile der Transversalmuskulatur. Bei Branchiura stellt sich die Seitenlinie auf Längsschnitten und im Totalpräparat dar, als eine zwischen der Längsmuskulatur in der seitlichen Mittellinie liegende mehrreihige Anhäufung von Kernen (Textfig. 38; Taf. IX, Fig. 2, 7 s/). Diese unterscheiden sich von denen der Längsmuskulatur durch ihre Form und Größe. Die letzteren sind länglich, schmal (etwa 10 /t lang, 3 — 5/^ breit) und zeigen un- regelmäßig gelagerte Chromatinmassen ; die ersteren sind groß, rund- lich oder polygonal und lassen sowohl einen Nucleolus als auch ein körniges Chromatinnetzwerk erkennen. Zu den Kernen zugehörige Zellgrenzen habe ich in den kiemenlosen Segmenten nicht beobachten Beiträge zur Kemitnis von Branchiura Sowerbyi Beddard. 271 können. Innerhalb der kienientragenden Segmente erscheinen sie jedoch öfters als Unigrenziiiigen von Haschen-, birn. oder gar retorten- förmigen Zellen, die ihren Hals in Verbindung setzen mit der Ring- miiskulatur. Die Seitenlinie läßt sich als einfache Linie verfolgen von der JMitte des ersten Kumpf Segmentes etwa bis in das Analsegment. Im Vorderteil des Rumpfsegmentes und auch im Kopfsegment zer- splittert sich die vorher einfache Kernreihe. Die Beobachtung am Kopfsegment wird überdies noch erschwert durch die hier zahlreich a uf tretenden Sinneshügel. Wie schon aus den angeführten Literaturangaben oben hervor- geht, ist die Seitenlinie kein einfaches Organ, sondern setzt sich aus verschiedenen Elementen zusammen. Elemente der Seitenlinie. 1) Nervöse Elemente. a. Abzweigungen vom Oberschlundganglion. b. Abzweigungen der Spangen- oder Segmentalnerven. 2) Muskulöse Elemente. a. Sarcoplasma der Ringmuskulatur. b. Sarcoplasma der Transversalmuskulatur. c. Ansatzstelle von Dissepimentmuskeln. d. Ansatzstelle der Horizontalmuskelzüge der Kiemenseg- mente. Hier in dem Kapitel über das Nervensystem interessiert uns vor allem der nervöse Bestandteil der Seitenlinie. Gerade wie Semper versuchte ich mit Hilfe von Essigsäure das Verhalten der Seitenlinie zum Oberschlundganglion festzustellen. Man sah dort deutlich, wie sich der in Frage stehende Zellkernstrang an das Oberschlundganglion anlegt kurz vor der Stelle, wo die Schlundcommissuren austreten. Nebenbei sei bemerkt, daß dieses Anlegen der Seitenhnie an das Ober- schlundganglion sich besonders schön beobachten läßt bei einem nahen Verwandten von Branchiura, dem einheimischen Tubifex tuhifex. Untersucht man diese Stelle auf Querschnitten, so lassen sich bei Branchiura drei bis vier kurze Nervenfaserzüge feststellen, die aus der Fasermasse des Oberschlundganglions kommend, sich in die Längs- niuskulatur begeben (Textfig. 36). Hier liegen auch kleinere Anhäu- fungen von typischen Ganglienzellen in der Nähe der Seitenlinie (Text- fig. 36 gz). Ganz analoge Abzweigungen gehen von den Spangen- nerven der einzelnen Segmente aus in die Seitenlinie. Ob nun über- 272 Friedrich Keyl, dies noch ein Längsuerv durch das SeitenUnieuorgan durchzieht, ver- suchte ich mit Hilfe der Methylenblaufärbung zu entscheiden, doch ließ mich diese, wie oben schon erwähnt, stets im Stich. Nicht so einfach wie im Vorder- und Mittelteil von Branchiura stellt sich die Seitenlinie im kiementragenden Teil dar. Dort war die Kernanhäufung nur innerhalb der Längsmuskulatur zu beobachten, hier aber tritt sie auch aus derselben heraus in die Leibeshöhle (Taf. IX, Fig. 2). Intermittierend, immer kurz vor dem Dissepiment zeigt sich auf Querschnitten eine kalottenartige Vorwölbung der Seitenlinien- zellen, die hier in größerer Anzahl vorhanden sind, in die Leibeshöhle. Nach innen zu wird diese Zellanhäufung überdeckt vom Peritoneum. Auch können sich die Zellen des öfteren bis in die Nähe der ventralen und dorsalen Borstenbündel erstrecken. Stephenson stellte diese Zellhaufen ebenfalls fest, läßt aber die Seitenlinie innerhalb der ein- zelnen Segmente unterbrochen sein. Das ist bei den von mir unter- suchten Individuen niemals der Fall gewesen. Die Seitenlinie mit ihren Kernreihen läuft auch in den kiementragenden Segmenten in ihrer gewöhnlichen Stärke ununterbrochen weiter und nur kurz vor den Dissepimenten wird die Kernzahl stark vergrößert imd findet so keinen genügenden Platz innerhalb der Längsmuskulatur. Dieses Verhalten läßt sich verstehen, wenn man bedenkt, daß die Kerne der Seitenlinie der Hauptsache nach die Kerne der Ringmuskelzellen sind. Innerhalb der kiementragenden Segmente bedarf jedoch die Ringmuskulatur einer bedeutenden Vermehrung, da sie dort die Muskulatur der Kiemen (s. u.) abgibt. Weiter ist zu berücksichtigen, daß in diesen Segmenten noch außer der Transversalmuskulatur (Taf. XI, Fig. 7) horizontale Muskelstränge sich in der Seitenlinie ansetzen. Auch diese lassen in ihrem Verlaufe keine Kerne beobachten und legen die Vermutung nahe, daß ihre zugehörigen Kerne in der Seitenlinie liegen. Genauer auf die Verhältnisse der Muskulatur der Seitenlinie einzugehen, habe ich unterlassen, da diese Verhältnisse ebenso wie die Muskulatur des Leibesschlauches in den neuen Arbeiten Stephensons eingehend fest- gestellt worden sind. Zum Schlüsse dieser Mitteilungen über das Nervensystem ist noch anzugeben, daß ein sympathisches Nervensystem mit einem ausge- sprochenen ösophagealen Ganglion bei Branchiura nicht vorhanden ist. Ich beobachtete auch niemals Nerven, die zur Darmwand zogen. Beiträge zur Kenntnis von Branchiura Sowerbyi Beddard. 273 Kiemen. Beddard hat in seiner Arbeit auch dieses wichtigsten Charak- teristikums für Bionchiura Sou-erhiji gedaclit in Wort und Bild, und ebenso tat es auch Stephenson in seiner jüngsten Arbeit. Beide jedoch befassen sich der Hauptsache nach nur mit den fertig ent- wickelten Kiemen. Wie schon oben in dem Abschnitt Formverhält- nisse angegeben, stellen sich die Kienien in den vordersten Segmenten ihres Auftretens als einfache Erhebungen oder kleine Warzen dar, die auf den folgenden Segmenten zu Zapfen werden, bis sie ihre völlige Größe erlangen. Dieser Umstand erlaubt von vorn nach hinten schrei- tend eine allmähliche Entwicklung der Kiemen festzustellen. Aus praktischen Gründen möchte ich jedoch der Schilderung der Kiemen- entwicklung aber auch erst eine Beschreibung der vollendeten Kiemen vorauf schicken. Zu äußerst wird die Kieme bedeckt von einem einfachen Epithel, das sich als Fortsetzung des Körperepithels erweist (Taf. IX, Fig. 9) und auch ganz ebenso wie dort von einer feinen Cuticula überzogen ist. Drüsen, wie sie sich im Körperepithel zahlreich finden, fehlen auf den Kiemen vollständig. Die Epithelzellen zeigen große länglich bis runde, im unteren Teil der Zelle gelegene Kerne mit körnig ver- teiltem Chromatin und einer Größe von ewta 2,5 — 3 //. Die einzelnen Zellgrenzen sind nicht immer deutlich zu erkennen. Im fixierten ZiLstand zeigt das Epithel infolge von starker Kontraktion zahlreiche Falten, doch läßt sich eine mittlere Epithelzellenhöhe von etwa 5 /j, feststellen. Unter dieser Epithelschicht folgt eine Lage von Längs- muskeln. Die einzelnen Längsmuskelfasern stellen innerhalb der Kieme .Schleifen dar, derart, daß die Faser auf der einen Seite aufsteigt, nach oben zieht, dann umbiegt, um auf der gegenüberliegenden Kiemen- seite wieder abzusteigen. Die Höhe dieser einzelnen Muskelschleifen ist verschieden, so daß also nicht alle von ihnen bis zur Spitze der Kieme hinaufreichen. Die Zahl der auf Querschnitten durch die Kieme getroffenen Muskelfasern nimmt daher mit der Höhe der Schnittlage ab. Zu dieser Abnahme der Muskelfasern in aufsteigender Richtung innerhalb der Kieme kommt noch, daß die einzelnen Fasern in ihren basalen Teilen etwas dicker sind wie in den oberen Teilen. Diese beiden Faktoren, die Abnahme der Muskelfaserzahl und die Abnahme der Muskelfaserdicke, bewirken wohl die Zartheit und damit auch den eichten Zerfall der Kiemenspitze, von dem ich oben im biologischen 274 Friedrich Keyl, Teile schon gesprochen habe. Am unteren Ende treten die Muskeln direkt in Verbindung mit der Körperringmuskulatur. Auf ihrer inneren Seite werden sie bedeckt von Zellen, die Stephenson als »epithelial layer«, Beddard als >>peritoneum<< bezeichnet. Daß sie wirklich peritonealer Natur sind, wird die Entwicklung lehren. Innerhalb des Hohlraums der Kiemen liegen dann die auch jüngst von Stephenson diskutierten Zellen mit ihren sich durch die Lichtung spannenden und an den Wandungen sich ansetzenden spangenförmigen Ausläufern. In ihrer wahren Gestalt sind sie nur am lebenden Objekt deutlich zu erkennen. Beddard sieht sie für Muskeln an; Stephenson teilt diese Anschauung nicht, ohne eine andre Erklärung für ihre Funktion zu geben. Die Blutgefäßschleife liegt rechts und links der peritonealen Auskleidung der Kiemen höhlung dicht an, und brauche ich wohl über ihren Zusammenhang mit dem Blutgefäßsystem des Körpers nur auf Beddards genaue Beschreibung und deutliche Abbildung und auf Stephensons weitere Ergänzungen hinzuweisen. Fassen wir nun noch den Abschluß des Kiemenraumes gegen die peritoneale Cavität ins Auge. Beddard stellt ein Diaphragma fest, das den ganzen Hohlraum der Kieme fest abschließt gegen die Körper- höhle. Stephenson erkennt ein solches Diaphragma nicht an und läßt den Raum innerhalb der Kiemen an der Basis abgeschlossen wer- den einfach durch die Längsmuskulatur der Körperwand. Ein völliger Abschluß des Kiemeninnern von der Leibeshöhle ist aber nun tat- sächlich garnicht vorhanden, das läßt sich am lebenden Tier leicht beobachten. Innerhalb der Leibesflüssigkeit sind zahlreiche unregel- mäßig geformte, oft auch regelmäßig spindelförmige Körperchen suspen- diert. Beddard erwähnt diese letzteren auch, sah sie aber nur in dem Kiemenhohlraum und nie in der Leibeshöhle. Diese Körperchen nun kann man bei den Bewegungen des Tieres oft ihren Weg in die Kieme und auch wieder aus dieser heraus nehmen sehen, was eine ungehinderte Verbindung zwischen beiden verlangt. Jedoch nicht die ganze Ansatz- fläche der Kieme stellt eine offene Verbindung mit der Leibeshöhle dar, sondern die Kommunikation wird eingeschränkt durch die Leibes- höhlenmuskulatur. Die Ring- und Längsmuskeln sind an der Basi^^ der Kieme so angeordnet, daß rechts und links unterhalb der Kieme eine Verbindungsöffnung mit der I^eibeshöhle bleibt. Durch diese Öffnungen treten die Schenkel der Blutgefäßschleifen, doch nehmen sie den freien Raum nicht völlig ein. In welcher Weise Längs- und Ringmuskeln sich an dem Aufbau des BEDDARDschen Diaphragma^' beteiligen, werde ich unten auseinander zu setzen suchen. I^citrägc zur Kcmitiiis von l^atuliiura Sowcrbyi Bcddard. 275 Die Bewegung der ausgewachsenen Kieme wird ermöglicht durch die in ihr auftretende Längsrauskulatur, die sich, infolge ihrer Her- kunft aus der Ringmuskulatur des Leibesschlauches, als Muskelfaser- schleifen darstellt. Eine allseitige Kontraktion der Fasern führt eine Verkürzung der Kieme herbei. Das Ausstülpen der Kieme mag dann durch die Blutge- fäßschleife erfolgen, unter- stützt durch die Entspan- nung der Muskulatur. Eine Bewegung nach rechts oder links, vorn oder hinten, erfolgt durch teilweise Kontraktion einzelner Muskelfasern. Michaelsen gibt an, die Kiemen von Branchiura seien nichts als eine epitheliale Aus- stülpung, der eine Blutgefäß- schleife gefolgt sei. Stephen- SON erklärt den Kiemenraum für einen Spaltraum, der zwischen den beiden Körpermuskellagen entstanden sei. Diese Angabe vermag ich unter gewissen Einschränkungen nur zu bestätigen. Textfig. 39. Branchiura Sowerbyi. Medianschnitt durch das erste Stadium einer Kienienanlage. Vergr. 697. Im, Längs- muskulatur; pz, i)eritoneale Zelle; rm, Ringmuskulatur; s, Septum. Textfig. 40. IWiinchiura Sowerbyi. Medianschnitt durcli eine jugendliche Kiemenanlage. Vergr. 097. pz, iieritoneale Zellen; s, Septum. Das früheste Anzeichen einer sich bildenden Kieme ist ein kleiner Spaltraum zwischen der Läng.s- und Biiigmuskulatur der Körper- wand (Textfig. 39). In diesem Baume liegt eine Zelle mit großen blasigen Kernen von etwa 5 fi Durchmesser. Das Chromatin des 276 Friedrich KeyL KeniT- " - ' '-"ükömig und erscheint des öfteren mehr oder weniger ii: Et - „et. Ein zu dem Kern gehöriger Zelleib ist nur in g r Ausfaildiuig zu eiiennen. ÄußerUch ist auf diesem ichts von der werdenden Kieme zu erkennen. Auf einer - IST die Zahl der zwischen den Muskebi übenden Zellen gewachsen (Textfig. 4fJ). Se bedürfen nun eines größeren Raumes, - . kulatur vor, und damit auch das Körper- - - -_ noch ganz jugendlichen Zustande läßt sich e: - Fasern der Bingmuskulatur gehoben werden, 5-: : ihrer alten Lage. Die Zellen, die den A; - - rn geben, sind peritonealer Xatur. E _ :r solche Zellen des die Leibeshöhle ums durch die Län^muskulatur treten, um zmu^ulatur zu gelangen. Ob mm immer _ t^^in wandern, oder ob die an&ings einge- : - ich nicht aus Beobachtungen anzu- _- Das erste ersc: : jedoch das wahrscheinhchere, da ich ^-obachten konnte, anderseits aber „ „ - - - ^- ^wickelten Kiemen immer noch äch eine »K- rs Kiemenraumes durch die VTi>k- amzög. Die Zahl der eingewan- derten .: :Ser imd damit hebt sich die ent- st-rt^r:: - i= ^Teau der Körperfläche empor. läßt sich immer deuthcher erkennen, H^ebung nicht gefolgt ist. Ist ein- -.:. daß sie sich als deutlicher Zapfen :, so fangen die Peritonealzellen, die jch in dichtea Haufen zusammenlagen an, sich Toneinanda und legi»! sie ^h nun an die Längsmu^nlatur der Kieme :lEl-ir des Kräpezs) an (Textfig. 41). Es kann nun natür- hcb. von e: hamschen Toxw^ben der Kien^ durch die Zellen nicht : - sein und es tritt nun wohl ein dgentliches Wach»- - -- ~ "^- '':'-T;ddem wird die Innenwand des Hohlraumes -Adet von den aus dcx ScHnatopleura ein- o^- Zelien. Ans strichen ZeHrai besidiend scheinen mir auch dl' im Innern der fertägen Kirane ausspannendrai Zr: -^CToBfli des Kernes g^idich mit diesen übcr- ei 7edeoiaSis möchte ich mich Stephessos anschKeßen HZ- elzeflen anseheu. wie Beddaed es tat. Am — ,w^ .^. : diese Zellen mit ihren Plasmaspangen deut- Beiträge 7.iir Könnt nis von Branchiura Sowerbyi Beddard. 277 lieh erkennen lassen, sah ich niemals solche Kontraktion in ihnen auf- treten, die in irgendeiner Weise die Bewegung der Kieme veranlassen könnten. Wann der Eintritt des Blutgefäßes in die Kieme stattfindet, entzog sich, der Feinheit der Blutgefäßwandung wegen, meiner Be- obachtung. Ich möchte hier noch erwähnen, daß sich bei dem ge- ringsten Reiz (z. B. durch Chloroform) das Blut aus den Kiemen gänz- lich zurückzog. Auch an lebenden Objekten vermochte ich in den jüngeren Stadien noch nichts von Blutgefäßen zu erkennen. Es gilt mm noch den Verlauf der Fasern der Leibesmuskulaturen unterhalb der Kieme festzustellen. Ein Teil der Ringmuskulatm- ist Textfig. 41. Branchiura Sourrbi/i. Medianschnitt durch eine junge Kieme. Vergr. 607. il, Drüsenzelle; pz, peritoneale Zellen; rm, Ringniuskulatur; s, Septuni. bei der Entwicklung der Kieme mit vorgewölbt worden und bildet die Kiemenlängsmuskulatur. Ein andrer Teil der Bingmuskelfasern jedoch ist in seiner alten Lage geblieben und l)ildet mit Längsmuskel- fasern zusammen, das den Kiemenhohhaum teilweise abschließende »Septum. Dieses ist an zwei Stellen durchbrochen, indem die Ring- nuiskelfasern dort auseinanderweichen, um sich aber im Centrum der Kiemenbasis wieder zusammenzulegen. Das läßt sich auf Querschnitten durch ein Kiemensegment leicht beobachten. Hat man die Kieme etwa in der Mitte getroffen, so zeigt sich in der sie gegen die Körper- höhle abschließenden Ringmuskulatur rechts und links an den Stellen, wo sich die Kieme der Körperoberfläche aufsetzt, je eine Unterbrechung der Rinjimuskeln. Diese läßt sich auf einigen Schnitten vor und nach 278 Friedrich Key], dem Medianschnitt durch die Kieme noch feststellen, dann aber tritt der central unter der Kieme gelegene Teil der Kingmuskulatur wieder in Kommunikation mit der Körperringmuskulatur. Die Längsmus- kulatur der Leibeswand tritt unterhalb der ausgebildeten Kieme ganz zurück und nur ein schmaler Muskelfaserzug zeigt sich in der dor- salen und ventralen Mittellinie herlaufend. So kommen durch das teilweise Zurücktreten der Längsmuskulatur und das stellenweise Aus- einanderweichen der Ringmuskulatur die beiden Kommunikations- wege zwischen Kiemenhohlraum und Leibeshöhle zustande (Textfig. 42). Die Kieme stellt sich also dar als eine Vorwölbung des Körper- epithels und eines Teiles der Ringmuskulatur. Hervorgerufen wird die Vorwölbung durch Zellen, die aus der Somatopleura durch die Längs- muskulatur zwischen diese und die Ringmuskulatur eintreten. Diese Zel- len verbleiben in der fertigen Kieme als ein peritonealer Überzug ihres Hohlraumes und als diesen durch- querende Spangenzellen. An der Basis wird der Kiemenraum teilweise abgeschlossen durch die Ring- und Längsmuskulatur der Körperwand. Beddard will in seiner Arbeit die dorso-ventralen Kiemen homo- logisieren mit den unpaaren Extremi- täten der Wirbeltiere. Von einer Homologie ist auf Grund der Entwicklung wohl hier nicht die Rede. Wir haben gesehen, daß sich bei Branchiura die Kiemen darstellen als Ausstülpungen der Ringmuskulatur und des Epithels, hervorgerufen durch eingetretene Peritonealzellen, sie stellen also keine »Neubil- dungen« dar. Bei den Wirbeltieren sind die unpaaren Gliedmaßen zwar ebenfalls Ausstülpungen des Epithels, in diese hinein aber dringen Muskelknospen, die sich von den Urwirbeln abspalten. Die Muskulatur ist also hier eine Neubildung. Unter dem Vorbehalt, daß man die Leibesschlauchmuskulatur der Würmer mit der Muskulatur der Verte- braten nicht ohne weiteres in Einklang bringen kann, darf man aber doch vielleicht von einer Analogie zwischen den in der Mediane dorso- ventral stehenden Kiemen bei Branchiura und der unpaaren Extremität der Wirbeltiere reden. Textfig. 42. Branchiura Sowerbyi. Schema des Muskel- faserverlaiifes in der Körperwand unterlialb der Kieme. Im., Längsmuskelfasern; rm, Eing- muskelfasern. Beiträgo zur Kcmilriis von l*>r;mcliiiir;t Sowciltvi l'cddard. 279 Excretionsorgane. Die Nephridien treten, wie auch schon Beddard und Stephenson angeben, zuerst im zwölften Segmente auf. Sie lassen sich bei den einzelnen Individuen in einer verschieden großen Anzahl von Seg- menten beobachten. Gewöhnlich sind die 20 — 30 Segmente vor der kiementragenden Körperstrecke bei geschlechtsreifen Tieren schon frei von Nephridien gewesen. Die kiementragenden Segmente zeigen niemals Nephridien. Was den Bau anbetrifft, so kaim ich die ganz kurze und nur auf die äußerliche Gestaltung bezug nehmende Angabe Stephensons nur bestätigen. Die äußere Öffnung ist etwa 7 //. weit und liegt etwas 50 /t vor der Mitte der ventralen Borstenbündel. Von ihr aus führt ein gerader Kanal schräg durch die Leibeswand mit einer ungefähren Länge von 150 — 200 ^<; er läßt keine innere Wimpe- rung erkennen. An seinem oberen Ende zeigt er gewöhnlich eine mehr oder minder große hakenförmige Umbiegung, an die sich die sogenannte Endblase anschließt (Taf. X, Fig. 10 npJie). Sie ist langgestreckt birn- förmig. Die Länge schwankt zwischen 80 und 120 fi, die mittlere Breite zwischen etwa 35 und 60/(. Äußerlich wird diese Auftreibung umhüllt von einer sehr feinen Hülle, die der eigentlichen Wandung dicht aufliegt. Sie enthält langgestreckte mit DELAFiELDschem Häma- toxylin sich dmikel tingierende Kerne von 6,5 jli : 2,5 ju Größe. Die Wandung der Blase ist etwa 4,5 /t dick und läßt einen deutlichen inneren dichteren Randsaum erkennen. Zellwände lassen sich in ihr nicht auffinden, wohl aber Kerne. Diese sind etwa 4,5 ^t lang und etwa 3/i breit und führen zahlreiches Chromatin. Die Grundmasse der Wan- dung läßt eine gekörnelte mit Eosin sich rot färbende Substanz er- kennen. Nach der Lichtung trägt die Wandung zahlreiche Wimpern. Diese Wimperung setzt sich auch auf den nun folgenden eigentlichen Schleifenkanal fort und ist am lebenden Tiere in ständiger Bewegung. Der sich an die Endblase ansetzende Kanal ist von beträchtlicher Länge in den einzelnen Segmenten, nimmt aber in den kürzeren Segmenten entsprechend an Ausdehnung ab. Lifolge seiner zahlreichen Win- dungen und Aufknäuelungen (Taf. IX, Fig. 7 nph) ist es ausgeschlossen, seine wahre Länge zu messen, weder am lebendenTiere noch an Schnitten. Ich versuchte deshalb ihn herauszupräparieren, doch ^\alrde er bei Entfernung des Darmes stets mit abgerissen. Der Kanal legt sich nämlich dicht um das ventrale Blutgefäß und das dorthin verlagerte dorsale Blutgefäß herum und dringt des öfteren in den dichten Chlora- gogenzellenbelag des Darmes ein (Taf. IX, Fig. 7 nph [links]). Diese Zeitschrift f. wissenscli. Zoologie. CVII. Bd. 19 280 Friedrich Keyl, Chloragogeiizellen uniwucherten dann in einigen beobachteten Fällen auch solche Teile des Schleifenkanals, die eigentlich sonst frei in der Leibeshöhle liegen, und es kann das den Anschein geben, als seien die Kanäle von einem selbständigen Drüsenbelag umkleidet. Der Querschnitt des Schlauches ist meist etwas abgeplattet und an seinen dicksten Stellen bis 15 // : 22 /^ stark. Das Lumen ist dort ebenfalls oval und etwa 9 // : 3 // weit. Die Wandung läßt auch hier abgesehen von dem inneren Randsaum keine Zellgrenzen erkennen. Trotz dieser Tatsache möchte ich aber doch den Schleifenkanal für einen inter- cellularen und nicht intracellularen erklären, da sich des öfteren auf einem Querschnitt mehrere Kerne in gleicher Höhe erkennen lassen. Diese stimmen an Größe und Aussehen mit denen der Endblase über- ein. Stellenweise beobachtete sich auch hier auf Längsschnitten durch den Schleifenkanal ganz dicht an dem äußeren Rande liegende, sehr schmale, langgestreckte Kerne (6,5 /< : 2,5 /i) von körnigem Chromatin- gehalt. Diese gehören der auch die Endblase bedeckenden feinen Umhüllung an, die wohl eine feine Muskellage darstellen kann. Das letzte Ende des nephridialen Kanals durchbricht das vorhergehende Septum zwischen Darm und Blutgefäß und trägt einen kurzen Flimmertrichter. Die Lage des ganzen Nephridiums innerhalb des Segmentes ist sehr inkonstant. Das eine Mal bleibt die Auf- knäuelung des Schleifenkanals fast ganz ventral vom Darm, das andre Mal erstrecken sich die steilen Windungen desselben bis fast an die obere Körperwand seitlich am Darm vorbei. Dazu kommt noch, daß bei den Bewegungen des Wurmes ständige Verschiebungen und Lageveränderungen eintreten, so daß z. B. die Endblase bald horizontal, bald vertical zu liegen kommt. Vergleiche ich diese Befunde mit denen Beddards, so entspricht seinem "pear-shaped vesicle, dilated where it receives the excretory tubule and gradually narrowing towards the external orifice" dem von mir beschriebenen Ausführgang + Endblase. Der von Beddard gegebenen Abbildung nach setzen sich bei dem Londoner Exemplar diese beiden Teile nicht scharf voneinander ab. Geschlechtsorgane. Der Geschlechtsapparat ist das Organ von Branchiura Soiverhyi, was bis jetzt am eingehendsten eine Bearbeitung erfahren hat. Alle drei Autoren, Beddard, Michaelsen und Stephenson, widmeten ihm eingehendere Untersuchungen, aber alle drei weichen in ihren Angaben mehr oder weniger weit voneinander ab. Ich habe meine Untersuchung Beiträge zur Kenntnis von lirancliiura Sowcihyi IJrddanl. 281 bis jetzt ausgedehnt über völlig geschlechtsreife Individuen (Taf. XI, Fig. 17) und einige in bezug auf die Entwicklung der Sexualorgane noch jugendliche Formen (Taf. XI, Fig. 16). In erster Linie jedoch bearbeitete ich den völlig ausgebildeten Apparat. Dieser besteht aus den männlichen und weiblichen paarigen Ausführgängen, den paarigen Receptacula seminis, den paarigen Hoden mit dem unpaarigen Samensack und den paarig angelegten Ovarien. Ein Clitellium ist nicht vorhanden. Männlicher Ausführgang. In den äußerlichen Umrissen gleicht dieser ganz den von Micha- elsen gemachten Angaben, und behalte ich auch die von ihm gewählten Bezeichnungen bei. Der atriale Teil wird völlig umhüllt von dem Textfig. 43. Branchiura Sowerhyi. Miiiinlicher Ausfülirgaiig. Veigr. t'twa 100. a, Atrium; h.s, Atrialsclilauch; M, Cölomsack; da, diätales Atrium; pa, Paratrium; pas, Paratrialsclilaucli; sl, SainiMiIeiter; st, Sameu- trichter; Q, männliche Gesclileditsöffiuing. Cölonisacke (Textfig. 43 es ; Taf. X, Fig. 12, 15 es). Dieser hat von dem Dissepiment aus gesehen, eine meist sichelförmige Gestalt und legt sich in seinem mittleren und oberen Teile ziemlich nahe an die Körper wand des elften Segmentes an (Taf. X, Fig. 15). Er besteht 19* 282 Friodrich Key], aus einer etwa 7 // dicken Längsmuskellage. Wie auch bei dem Ham- burger Exemplare durchziehen ihn zahlreiche Muskelfaserbündel in schräger Kichtung und auch Blutgefäße treten in seiner Wandung und seinem Innern auf. Seine Länge beträgt etwa 700 [i. Sein Lumen erweist sich am distalen Ende als 60 //,, in der Mitte als etwa 170 [x und am proximalen Ende als 100 /f groß. Von einer Dickenzunahme nach oben, wie sie die Hamburger Befunde erwiesen, ist meist nichts zu beobachten, gerade das Gegenteil. Das untere Ende des Cölom- sackes setzt sich an die Längsmuskulatur an und umschließt dort fest den äußeren Teil des distalen Atriums. Dieses steigt von der an Stelle der ventralen Borstenbündel liegenden Öffnung bis zu einer Höhe von etwa 460 // auf (Textfig. 43 c?a ; Taf. X, Fig. 12, Ihda). Auf diesem Wege ändert es mehrfach die Weite seines Lumens, und zeigt in seiner den Hohlraum auskleidenden Wandung zahlreiclie Längs- und Quer- falten. Das distale Atrium verläuft nicht frei durch den Cölomsack, sondern legt sich in der oberen Partie des ansteigenden Teiles an die Außenwand des Cölomsackes an. Bald darauf biegt es um und bildet eine etwa 203 // weite Schleife, die schräg nach vorn und innen gerichtet ist, und es berührt auch dabei einmal mit dem absteigenden Schenkel die Innenwand des Cölomsackes. Im Verlauf dieser ersten Schleife hat das Lumen etwas abgenommen. In einer Höhe von etwa 520 biegt der aufsteigende Ast der Atrialschleife nach hinten um und setzt sich in dem mittleren Atrialteil fort. Das distale Atrium trägt äußerlich einen sehr lockeren Belag von unregelmäßig gestalteten Zellen und sehr variierender Höhenausdeh- nung. Die Zellen erscheinen hell und führen rundliche bis längliche Kerne (6 ^t : 4 //) mit nur wenig Chromatin. Doch zeigen sich nicht auf einem Schnitt in allen Zellen Kerne, wie nachher bei der inneren Zellschicht. Einzelne Stellen sind sogar ohne diesen Belag, der mir eine peritoneale Bekleidung zu sein scheint. Unter diesen Zellen folgt die etwa 4 // dicke Muskelschicht. Diese besteht, wie sich bei Prüfung mit starken Vergrößerungen ergibt, aus einer äußeren Längsmuskel- schicht und einer inneren Ringmuskelschicht. Auf diesen muskulösen Teil der Wandung folgt eine einfache Zellschicht von fast kubischen Zellen. Diese Zellen zeigen größtenteils eine Ausdehnung von 10 /< Seitenkante, doch liegen auch des öfteren kleinere Zellen von ganz gleichem Bau dazwischen, so daß dadurch Einbuchtungen und Falten entstehen. Sie besitzen einen sehr fein granulierten Zellinhalt. Die Kerne, die auf jedem Schnitt getroffen waren, sind groß und rund und zeigen einen Durchmesser von etwa 6 — 7 /<. Das körnige Chromatin Beiträge zur Kenntnis von Branehiura Sowerbyi Beddard. 283 i.st locker in ihnen verteilt und sie weisen einen dunklen runden, scharf- kantigen Nucleolus auf. Auf ihrer inneren Oberfläche sind diese Zellen überzogen von einer dünnen, einfachen, stark lichtbrechenden homo- genen Schicht von nicht ganz 1 /t dick (schätzungsweise). Der mittlere Teil des Atriums beschreibt nun imierhalb des oberen Teiles des Cölomsackes mehrere (3) Windungen (Textfig. 43), indem er sich hierdurch bis fast zum proximalen Ende des Cölomsackes empor- schraubt. Zu Beginn ist der Atrialschlauch etwa 45/* dick und hat ein Lumen von etwa 15/(, was aber allmählich an Weite abnimmt. Schon gleich nach der ersten Hälfte der ersten Schraubenwinduug teilt sich das Rohr durch eine Querwand in einen oberen Atrialschlauch (22 /() und einen unteren Paratrialschlauch (etwa 18 /.i). Beide durch- laufen gemeinsam die drei Schraubenwindungen, erstrecken sich dann nach oben in die proximale Spitze des Cölomsackes, von wo sie nach unten und vorn wieder absteigen, um etwa in zwei Drittel der Höhe des Cölomsackes aus diesem auszutreten. Kurz vor dem Austritt treimen sich aber nun Atrialschlauch und Partarialschlauch und laufen beide gesondert untereinander her. Außen wird der mittlere Atrialteil ebenfalls von den peritonealen Zellen bekleidet. Hierauf folgt in genau derselben Weise wie im distalen Atrium die doppelte Muskelschicht, doch scheint hier nun die Ring- muslvulatur stärker zu werden. Auf diese folgen die inneren kubischen Zellen, die sich von denen des distalen Atriums nur dadurch unter- scheiden, daß sie lange und zahlreiche Wimpern tragen. Im gemein- samen Verlauf des Atrial- und Paratrialschlauches sind beide umhüllt von dem peritonealen Zellbelag. Die beiden Schläuche zeigen zu- sannnen einen kreisförmigen Querschnitt und liegen mit stark abge- platteten Flächen aneinander. Eine starke Ausbildung zeigt ihre Ringmuskelschicht. Das Lumen des Atrialschlauches ist sehr deutlich und beträgt etwa 6/(, während von einem paratrialem Lumen an- fängUch kaum zu reden ist. Die innere Zellschicht des Paratrialschlau- ches erweist sich als weniger hoch wie die des Atrialschlauches. Kurz vor dem Austritt aus dem Cölomsack beträgt die Dicke des Atrialschlauches etwa 55 /ii, das Lumen etwa 20 //. Der dicht darunter- liegende Paratrialschlauch mißt 25/*, sein Hohlraum ist aber noch immer sehr gering. Die beiden Schläuche trennen sich nun bald nach ihrem Austritt und zwar läuft der Atrialschlauch nach oben in das Atrium, der Paratrialschlauch aber nach unten in das Paratrium. Dieses läuft ebenso wie das weiter unten zu beschreibende Atrium zwischen dem Cölomsack und dem Darm nach hinten, indem es sich 284 Friedrich Keyl, sehr dicht an den Cölomsack anlegt. Es verläuft in einem mehr oder weniger flachen nach oben offenen Bogen nach hinten oder zuerst eine Strecke weit horizontal etwa 350 ji über der Bauchfläche des Wurmes (Textfig. 43 fo). Vor dem Septum XI/XII steigt es dann ein wenig abwärts, um in dem letzten Drittel seiner linearen Gesamt- ausdehnung, die etwa 550 /< beträgt, in scharfem Bogen aufwärts zu steigen (Taf. X, Fig. Ufa). Es kann sich dabei noch etwas über die vordere Hälfte des zwölften Segmentes hinaus erstrecken und endigt vollkommen bUnd in einer stumpf abgerundeten Spitze. Ein deut- liches Lumen war erst im Paratrium nach etwa 75 ^t zu erkennen, blieb aber dann im ganzen Verlauf deutlich vorhanden (Taf. X, Fig. 12, 15 pa). Es zeigte sich zuerbt als ein schwach S-förmig gebogener Spalt, dessen dorso-ventrale Ausdehnung etwa 37 // und seine horizontale Weite etwa 7 fJL betrug. Doch nahm das Lumen nun sehr rasch zu, etwa in der Hälfte ergeben sich die Maße als 80 /i : 20 ^a, bei dem Durchtritt durch das Sep- tum sind sie etwa 100 /t : 20 /^ und nehmen dann langsam wieder ab. Es lassen sich an dem Paratrium drei histologisch verschiedene Bestandteile erkennen (Taf. X, Fig. Ibpa). Tax innerst eine das Lumen auskleidende Zellschicht, dann eine Muskelschicht und zu äußerst ein dichter Zellbelag. Mit Berücksichtigung dieses letzteren hat das Paratrium eine mittlere Höhe von etwa 200 /t und eine solche Breite von etwa 140 /<. Es stellt also analog seinem Lumen einen seitlich zusammengedrückten Blindsack dar. Die inneren Zellen sind von prismatischer Gestalt und haben nicht überall die gleiche Höhe, als mittlere Maße habe ich für die Höhe etwa 30 ^t und die Breite etwa 7 /« festgestellt. Der Inhalt erweist sich bei Fixierung mit Pikrin-Schwefel- säure und Färbung mit DELAFiELDschem Hämatoxylin und Eosin als aus dicht zusammengelagerten feinen Körnern bestehend von rötlicher Farbe. Die Kerne liegen alle an der Basis der Zellen, sie sind rund und im Durchmesser etwa 6 /^ groß. In ihnen locker zerstreut liegen die Chromatinkörner. Nach der Lichtung zu sitzen auf den Zellen zahlreiche lange Wimpern mit stellenweise ganz deutlichen Wimper- füßchen. Je weiter man sich dem blinden Ende nähert, um so weniger deutlich lassen sich die Wimpern erkennen, dafür aber zeigt sich das Lumen namentlich in der Nähe der Zellwand erfüllt von einem sich mit Eosin blaßrosa färbenden Secret. Dieses scheint aus den aus- kleidenden Zellen zu stammen. Man kann erkennen, wie es anfangs noch in Gestalt von keulenförmigen Tropfen damit in Zusammen- hang steht. Das Secret muß von sehr zäher Beschaffenheit sein; es ver- klebt die noch stellenweise vorhandenen Wimpern; weiter tritt es mit Beiträge zur Kenntnis von Brancliiiira Sowerbyi Boddard. 285 dem Secret der gegenüberliegenden Zellen oft zusammen, und es ent- stehen so das Lumen durchziehende Seeretfäden. Die Bedeutung des Secrets ist mir unklar geblieben ; vielleicht entspricht es dem der Zement- drüse der übrigen Tubificiden und dient dann also zur Bildung von »Sperniatophoren. Auf diese inneren das Paratrium auskleidenden Zellen folgt eine sehr dünne Muskelschicht, in der ich auch bei den stärksten mir zur Verfügung stehenden Innnersionen nur Ringnmskel- fasern zu erkennen vermochte. Diese beiden bis jetzt erwähnten Schichten, die die eigentliche Wand des Paratriums ausmachen, werden umhüllt von einem dichten Belag von Zellen, die ich mit Michaelsen als Drüsenzellen bezeichne. Der Belag ist von ganz verschiedener Dicke. Die einzelnen Zellen haben eine birnförmige oder tropfenförmige Gestalt. Der Plasma- körper der Zelle ist nämlich zu einem langen Stiele ausgezogen, mit dem die Zelle auf der Paratrialwand festsitzt (Textfig. 44). Der ZelHnhalt ist flockig und wird mit DELAFiELDschem Häma- Textfig. 44. toxylin bläulich gefärbt. In dem oberen Branchiura Sowerbyi. Drei isolierte ", . , , m -1 1 f(i • 1 11 I- ,1 rr 11 Stislzellenaus (leui äußeren Zellmantel verdickten Teil der Stielzelle liegt der Zell- ^^^ Paratriums. vergr. iioo. kern. Er ist rmid und mißt im Durch- messer etwa 7 — 8 //. Seine groben nicht zu dicht stehenden Chromatin- körner sind hauptsächlich randständig geordnet. Einen ganz ähnlichen Bau wie hier beim Paratrium finden wir beim Atrium (Textfig. 43 a). Die Einmündung des Atrialschlauches in dieses erfolgt etwa 30^ weiter nach hinten, als die des Paratrial- schlauches in das Paratrium. Das Atrium legt sich dorsal auf das Paratrium dicht auf (Taf. X, Fig. 12, 15 a) und verläuft in einer mittleren Höhe von etwa 550 /< durch das elfte Segment nach hinten, durchbricht das Septum, erstreckt sich aber nur ganz wenig (30 — 40 /t) im das zwölfte Segment hinein. In seinem Verlauf neigt es sich mehr und mehr von dem Cölomsack ab in die Leibeshöhle hinein, so daß die Achse des Paratriums nicht mehr senkrecht darunterUegt. Seine lineare Gesamtausdehnung beträgt etwa 375 ^(. Das Lumen ist kreis- förmig und wächst sehr rasch zu einem Durchmesser von 100^« an. Diese Weite behält es bei bis etwa in das letzte Viertel, wo es sich auf 80 /( verengert, um dann breit, abgerundet zu enden. Der Querschnitt des Atriums ist fast kreisförmig und zwar beträgt die mittlere Höhe etwa 250 /<, die Breite etwa 215 ,a. 286 Friedrich Keyl, Auch hier im Atrium lassen sich drei Schichten erkennen analog wie beim Paratrium, eine innere Zellschicht, eine Muskelschicht und ein äußerer Drüsenbelag (Taf. X, Fig. 15 a). Die innere Zellschicht ist ganz ähnlich zusammengesetzt wie im Paratrium, nur sind die Cyhnderzellen hier bedeutend weniger hoch, etwa 13 /< und etwa 7 [.i breit. Der Zellinhalt jedoch verhält sich ganz gleich und stimmen auch die Kerne bezüglich ihrer Größe (6//) und ihrer Lage und ihres Chromatingehaltes vollständig mit denen des Paratriums überein. An ihrer Innenseite sind sie mit langen Wimpern besetzt. Auf diese Zellen folgt eine 3 — 4 /t dicke Muskelschicht mit deutlichen Ringfasern. Die außen das Atrium bedeckende Drüsenzellenummantelung weicht von der des Paratriums etwas ab. Vor allem erweist sie sich in den mit DELAFiELDschem Hämatoxylin gefärbten Schnitten als viel heller. Es beruht das darauf, daß der Zellinhalt hier viel weniger dichtflockig ist, ja er macht stellenweise sogar den Eindruck eines wabigen Gefüges. Die einzelnen Zellen sind sonst ganz analog gebaute Stielzellen in etwa derselben Größe. Besonders bemerkenswert erscheint mir noch, daß sich durch diesen Belag eine Anzahl ven Blutgefäßen hindurchzieht, die auf Querschnitten mehr oder weniger quer getroffen werden. Von solchen habe ich bei dem paratrialen Drüsenzellenbesatz nie etwas gesehen. Michaelsen zeichnet auch hier Blutgefäße. Die Dicke des atrialen Belages wechselt auch sehr und ist im Mittel etwa 50//, groß, kann aber stellenweise bis über 100 /* steigen. Ganz am proximalen Ende des Atriums entspringt der Samen- leiter als flachgedrückter Schlauch von 31 //, Breite und 17 // Höhe und einem Lumen von 15/^:6^ (Textfig. 43 s^). Im Verlauf der letzten zwei Fünftel des Atriums liegt er innerhalb der atrialen Wan- dung und zwar zwischen der inneren Zellschicht und der Muskellage. Dann aber durchbricht er die Muskelschicht und den Stielzellenmantel und steigt abwärts und vorwärts, immer an der inneren Seite des Par- atriums herlaufend (Taf. X, Fig. 15 s^). Dabei ist sein Querschnitt seitlich zusammengedrückt und erst, wenn er frei durch die Körper- höhle zieht, wird er mehr kreisförmig. Auf seinem Wege macht er wenig Schlängelungen. Er durchbricht mit einem Durchmesser von etwa 54 ja. und einem Lumen von etwa 13 /^ : 9 /< das Septum X/XI dicht über der Längsmuskelschicht und erweitert sich dann rasch zu einem großen vielfach gefalteten bewimperten Samentrichter. Seiner ganzen Länge nach ist der Samenleiter an einem dorso-ventral aus- gespannten Mesenterium aufgehängt, das die gleiche histologische Be- schaffenheit zeigt wie der Cölomsack (Taf. X, Fig. 15 ms). Es setzt Beiträge zur Kenntnis von Branehiura Sowerbyi Becklard. 287 sich einerseits an der ventralen Leibesmuskulatur anderseits dorsal an dem Ovarium an. Das Lumen des Samenleiters wird begrenzt von Cylinderzellen, die Wimpern tragen. Ihre Höhe beträgt im mittleren freilaufenden Teil etwa 10 f.i. Die Kerne sind rundlich bis eirundlich, etwa 9 /( : 6 /t imd zeigen randständiges körniges Chromatin. Nach auioen folgt dann eine ganz minimale Ringmuskelschicht. So hoch kompliziert und differenziert der männliche ausleitende Apparat in seiner höcli^ten Entwicklung ist, so viel einfacher stellt er sich dar im noch nicht geschlecht-sreifen Tier (Taf.X, Fig. 13 ; Taf. XI, Fig. 10). Bei dem von mir untersuchten Tiere, bei einer Länge von 5 cm und einer Breite von 750 fi waren die Hauptteile des Apparates zwar schon zu erkennen: 1) distales Atrium, 2) Atrium, 3) Paratrium, 4) Samen- leiter mit Samentrichter. Alle diese Teile bis auf die Haupterstreckuug des Samenleiters und den Samentrichter zeigen sich umhüllt von einer gemeinsamen Zellmasse (Taf. X, Fig. 13 zm). Sie besteht aus mehreren (bis G) aufeinanderliegenden Zellschichten. Diese sind umso dichter, je näher sie den eigentlichen Ausleitungsgängen liegen und umso lockerer, je näher sie der Leibeshöhle kommen. Die Zellen selbst sind rundhch bis länglich (10/t:5/;) und lassen keinen Zellinhalt erkennen. In dieser Beziehung und auch in der Kerngröße (4 /< : 6 fj.) stimmen sie ganz mit den schon mehrfach beschriebenen Peritoneal- zellen überein. Durchzogen wird dieser Zellmantel mehrfach von Blutgefäßen. Die äußere männliche Geschlechtsöffnung ist oval und zeigt einen großen Durchmesser von 15 /f und einen kleinen von etwa 10/^, verengt sich aber sehr rasch auf etwa 3/^. Das distale Atrium zeigt sich hier nur als ein versical nach oben ziehender einfacher Schlauch. Das an seinem höchsten Punlvte etwa 9 /.i weite Lumen wird ausgekleidet von cylindrischen Zellen. Ihre Höhe ist nicht überall gleich groß, was zu Falten und Furchungsbildungen führt. Im Mittel ergab sich die Höhe als etwa 12 /< betragend, die Breite ist ungefähr 4,5 ju. Die Kerne der Zellen liegen alle an der Basis. Sie sind oval, 7 /.t : 4 /i, führen körniges Chromatin und hier und da ließ sich ein dunkel ge- färbter Nucleolus wahrnehmen. Der Zellinhalt erscheint grob granu- hert. Flinmiern oder eine ähnliche cuticulare Randsaumbilduug wie bei dem Ausführyanoe des entwickelten Tieres konnte ich nicht er- kennen. Nach außen folgt auf diese Zellschicht eine etwa 1,5 a dicke Muskellan-e. die nur Längsfasern erkennen läßt und auch diese setzt sieh dann sogleich der schon oben geschilderte Zelhiiantel auf. Etwa in einer Höhe von 90 jli über der Öffnung des distalen Atriums zweigt nach der Innenseite zu das Paratrium ab (Taf. X, Fig. 13 pa). 288 Friedrich Keyl, Diese Abzweigung erfolgt unmittelbar aus dem distalen Atrium; von einem Paratrialschlauch ist nichts zu erkennen, wenn man nicht die sehr kurze senkrecht zur Körperwand laufende Verbindungsstrecke zwischen dem dorso-ventralen distalen Atrium und dem caudat-rostrat sich erstreckenden Paratrium als den Beginn eines solchen auffassen will. Die Lage des Paratriums ist nicht horizontal, sondern es zeigt eine leichte Ansteigung nach oben. Seine Länge beträgt etwa 50 /«, sein Umfang 30 /.t : 37 /,<, und ist also von ovaler Gestalt. Gleich von Beginn an zeigt es ein deutliches Lumen (6 /t : 12 jli). Es wird begrenzt von einer einfachen Zellschicht aus cylindrischen Zellen von einer Höhe von etwa 12 ^t und einer Breite von etwa Q fi. Die Kerne dieser Zellen sind basalständig, breit-oval (7,5/^:6/«) und führen körniges Chromatin. Die Zelle scheint feine Wimpern zu tragen. Der Zell- inhalt stellt sich grob granuliert bis flockig dar. Auf diese Zellschicht folgt eine Muskulatur von etwa 1,5 /^ Dicke. Auch hier konnte ich nur Kingmuskulatur erkennen. Dorsal auf das Paratrium legt sich das Atrium auf (Taf. X, Fig. 13 a). Es zweigt dieses in derselben Weise von dem distalen Atrium ab wie das Paratrium und zwar etwa 130/« über der Öffnung nach außen. Seine Länge beträgt 50 /« und sein Umfang, ein breites Oval, ist 65 /( breit und 40 /< hoch. Das Lumen, stark niedergedrückt , beträgt 27 fi : 9 ju. Die innere Zell- wandung des Atriums ist genau so hoch (12/() wie die des Paratriums. Die Kerne stehen ebenfalls basalständig, doch sind sie bedeutend schmäler, etwa 7,5 /^ lang und nur 1,5 /t breit und lassen körniges Chromatin erkennen. Wimpern scheinen auch hier vorhanden zu sein. Auf diese Zellschicht folgt eine Muskellage (1,5/« dick) analog wie bei dem Paratrium. Der Samenleiter beginnt mit einem stark dorsoventral flachge- drückten Wimpertrichter, der sehr nahe an der Körperwand anliegt. Seine Dimensionen betragen: Höhe = 30/«, Breite = 150 /( und Länge = 40 fi. Der Trichter setzt sich im elften Segment fort in eine dünne, etwa 12 ju im Durchmesser betragende Röhre. Sie verläuft anfangs dicht an der Leibeswand her und steigt erst in ihrem letzten Verlaufe ziemlich rasch nach oben. Sie dringt nahe an der Kuppe in den das Atrium und Paratrium umhüllenden Zellmantel ein und mündet in das proximale Ende des Atriums ein. An der Wandung des Samen- leiters lassen sich drei Teile erkennen: 1) ein äußerer lockerer peri- tonealer Zellbelag, 2) eine dünne Muskellage und schließlich 3) eine meist nur aus vier Zellen auf dem Querschnitt bestehende Zellschicht. Die Kerne sind oval, 4,5 /j, : 2,5 ^u groß. Das Lumen ist sehr klein, Beiträge zur Kenntnis von Hranchiura Sowerln'i Beddard. 289 mir etwa 3 /i weit und daher ist es oft schwer zu erkennen, daß eine feine Winiperung vorhanden ist. Aufgehängt ist der .Samenleiter an einem Mesenterimn, das sich einmal an der ventralen Muskulatur, das andre Mal an der weiblichen Keimdrüse festheftet. Vergleiche ich nun alle diese bezüglich des männlichen Ausführ- ganges gemachten Feststellungen mit den Angaben Michaelsens und Stephensons, so ergeben sich da eine große Anzahl von Abweichungen. Auf die verschiedenen Größenverhältnisse der einzelnen Teile, auf Anzahl und Art der Windungen innerhalb des Cölomsackes glaube ich natürlich kein Gewicht legen zu dürfen, da das ganz sicher nur individuelle Verschiedenheiten sind, wie ich selbst durch den Vergleich mehrerer Schnittserien durch gleich geschlechtsreife Tiere feststellen konnte. Hierher scheint auch die Form des Cölomsackes zu gehören; denn ich fand auch solche Individuen, bei denen die Gestalt des Cölom- sackes mit den von Michaelsen gezeichneten mehr übereinstimmte und die Lage sich auch nahezu mit seinen diesbezüglichen Angaben deckt. Andre Abweichungen lassen sich so erklären, daß eben den beiden Forschern nicht so ganz entwickelte Exemplare bezüghch des Geschlechtsapparates vorlagen wie mir. Dies trifft sicher für Stephen- SON zu, der selbst angibt: "I think it probable that most, if not all, the differences between the Hamburg specimens and the present one are to be referred to their being in different stages of development." Stephenson sagt weiter: "The atrium and paratrium are con- fined to segment XI and do not encrouch on XII", ein deutliches Zeichen, daß die Entwicklung des männlichen Ausführganges noch nicht abgeschlossen war, wie aus dem Vergleich des ausgebildeten und jugendlichen Tieres, wie ich sie vorstehend beschrieb, hervorgeht. Auch die Angaben: "The distal sectionof the atrium is straight through- out, not hooked at its dorsal extremity" mid "their (Atrial- und Par- atrialschlauch) lumina never unite and open separatly into the distal section of the atrium", lassen sich als auf Beobachtungen an noch nicht völlig geschlechtsreif en Individuen beruhend erkennen. Jedenfalls ist die von Stephenson seinen Angaben zugrunde gelegte Brcmchiura aber schon etwas weiter entwickelt gewesen als meine jugendliche Form. Dafür spricht schon das Vorhandensein von Windungen in dem Cölom- sack, wenn er sagt: "The combined atrium and paratrium undergo fewer windings in the coelomic sac than is described by Michaelsen." Nicht vereinbaren läßt sich bis jetzt mit meinen vergleichenden Unter- suchungen seine Angabe: "The proximal part of the atrium is a spherical sac, sharply marked off from the middle portion" und weiter "There 290 Friedrich Keyl, is no bulky covering of gland cells surrounding either atrium or par- atrium." Ich komme nun zu einem Vergleich der Angaben Michaelsens mit den meinigen. Für eine weitere Entwicklung meiner Individuen spricht vielleicht die Vermutung, daß das einfach nur »hakenförmig umgebogene proximale Ende« des distalen Atrialteiles, wie es an dem Hamburger Exemplar zu beobachten war, bei fortgeschrittenem Wachs- tum sich etwa zu einer großen Schleife herausbildet. Nicht so einfach zu erklären scheinen mir die Angaben bezüglich der Gestaltung des Paratriums und des Atriums. Jenes soll >> ein fast bis zum Schwinden stark verengtes Lumen« besitzen, keine Flimmerzellen im Innern auf- weisen und auch keine Muskulatur haben. Bei den Göttinger Exem- plaren zeigte sich sowohl im Jugend- als auch im völlig entwickelten Zustande ein deutliches Lumen, es treten Flinnnerzellen auf, es findet sich eine, wenn auch nur sehr dünne Ringmuskulatur. Dazu kommt noch das im Innern des entwickelten Paratriums vorhandene Drüsen- produkt. Bezüghch des Atriums gibt Michaelsen ähnlich wie Ste- phen son einen erweiterten proximalen Teil an, die Göttinger Indivi- duen zeigen stets ein breit abgerundetes und verengertes Ende. Das Lumen des Atriums erweist sich auch als alles andre wie >> mäßig weit «. Besonders bemerkenswert erscheint mir noch der Unterschied der Hamburger Individuen von den von mir untersuchten bezüglich des Eindringens des Samenleiters in die Wand des Atriums. Michaelsen zeichnet dies als im zwölften Segment geschehend, während es von mir stets schon im elften beobachtet wurde. Einen besonderen Vergleich mit Beddards Ausführungen bezüg- lich des männlichen Ausführungsganges diskutierend einzugehen, kann ich wohl unterlassen, da Michaelsen sich darauf ausführlich einließ. Ich glaube Michaelsen beipflichten zu können, daß die Unterschiede zwischen den Londoner Exemplaren einerseits und den Hamburger und Göttinger anderseits nicht auf verschiedene Alterszustände zurück- zuführen sind; denn auch das von mir beschriebene junge Stadium läßt keine Homologie mit den BEDDARDschen zu. Der Ausbildung der übrigen Teile des Geschlechtsapparates nach zu urteilen, müßte das Londoner Individuum zwischen den von mir behandelten Alters- stadien stehen. Von einem differenzierten Atrium und Paratrium, wie sie von mir als deutlich abgezweigte Bildungen vom distalen Atrium festgestellt wurden, läßt sich dann aber in dem doch älteren Exemplar Beddards nichts erkennen. Es muß also entweder, wie Michaelsen schon nahelegt, die Londoner BrancJdura-Foim. eine andre sein als Beiträge zur Keiitidiis \(iii l^i'aneliiiii'a Sowcrljvi Biiltlaiil. 291 die sonst beschriebenen, oder aber Beddard hat sich infolge seines geringen Materials geirrt. Weiblicher Ausführgang. Über den weiblichen Ausführgang finden sich bei den Autoren Beddard und Stephenson nur ganz kurze Angaben. Beddard spricht von einer weiblichen Geschlechtsöffnung, die sich auf der Inter- segnientalfurche XI/XII befindet. Etwas weitere Angaben macht Stephenson; er schreibt: "I find an ovarian funnel on septum XI/XII, which leads to the exterior by a short oviduct opening on segnient XII, a little distance behind the level of septum XI/XII". Diese Angabe besteht zu Recht. Etwa 30 1.1 hinter dem Dissepinient XI/XII befindet sich die etwa 50,« weite weihliche Geschlechtsöffnung. Ihre Lage scheint nicht ganz fest bestimmt zu sein. Meist fand ich sie in der Ecke liegend, wo die mehr oder weniger abgeplattete Bauchseite von Bran- chiura mit der gewölbten Seitenwand zusammenstößt (Taf. X, Fig. 11). Einmal jedoch und dies aber auf nur einer Seite, war sie etwas dorsal- wärts verschoben. Die Öffnung, die sich als eine deutliche Einstülpung der Epidermis erkennen läßt, führt in einen sehr engen Oviduct, dessen Wandungen stellenweise zusarmnenstoßen und dadurch das Lumen = 0 werden lassen. Beim oder manchmal auch schon kurz vor dem Aus- tritt aus der Längsmuskulatur erweitert sich der Kanal und durch- bricht gleichzeitig das Septum XII/XI. Im elften Segment befindet sich dann nur noch der Eitrichter. Dieser kann verschiedene Gestalt annehmen. Einmal zeigt er sich dorso- ventral flachgedrückt und kann eine mehr schlitzförmige Öffnung haben, deren Maße 160 /t : 10 /^ betragen, das andre Mal ist seine Öffnung etwa kreisförmig mit einem Durchmesser von etwa 60/<. Die Höhe des Oberrandes des Trichters oberhalb der Körperoberfläche des Wurmes schwankt zwischen 150 bis 170 /^ Die ganze Längenausdehnung des weiblichen Ausführ- ganges berechnet sich vom Septum an nach der Anzahl der durch ihn gelegten Schnitte auf ungefähr 140 — 150/«. Die Wandung des Oviducts setzt sich aus einer einfachen Zellschicht zusammen. Diese Zellen besitzen cylindrische Gestalt und sind im Mittel, ihre Höhe schwankt nämhch, etwa 8« hoch. Das Lmnen des Oviducts zeigt infolge dieser wechselnden Zellhöhe mancherlei Falten. Die Zellgrenzen sind nicht deuthch zu erkennen, ebenso wenig ist eine Flimmerung zu beobachten. Die Kerne sind länglich, oval und etwa 10 ,m : 4/^ groß; sie lassen ein deuthches körniges Chromatin erkennen. Ein dem Ei- leiter an sich zukonmiejider Muskelbelaü ist nicht vorhanden. Die 292 Friedrieh Keyl, Muskeln des Septums legen sich jedoch der Trichterwand fest an und verfolgen streckenweise den Oviduct durch die Längsmuskulatur. In dem jugendlichen Exemplar war von einem weiblichen Aus- führgange nichts zu entdecken. Es zeigt sich nur 100 // über der Körper- oberfläche im Septum XI/XII der Trichter schon vorhanden; er ist etwa 40 /t lang, 30 /t breit und stellt eine Kommunikation zwischen dem XI. und XII. Segmente dar. Receptaculum seminis (Tat". X, Fig. 14; Taf. XI, Fig. 17 rs). Das Receptaculum seminis liegt, wie Beddard, Michaelsen und Stephenson auch angeben, im zehnten Segment. Seine 30 /t weite Öffnung liegt etwa 100 /i hinter dem ventralen Borstenbündel und 60 /( vor dem Septum X/XI. Die Gestalt ist sehr wechselnd; sogar innerhalb eines Tieres kann das rechte Receptaculum von dem linken verschieden sein. Stets kann man zwei Abschnitte deutlich vonein- ander unterscheiden: den Ausführungskanal und das eigentliche Re- ceptaculum. Der Ausführgang erhebt sich mehr oder weniger senk- recht in die Leibeshöhle hinein (Taf. X, Fig. 14 rs). Sein Lumen ist verschieden weit infolge zahlreicher Falten, die sich in sein Inneres erheben. Sie kommen durch die verschiedene Höhe der Zellen der inneren Zellschicht zustande. Sie werden bis 20 /^ hoch und etwa 7 /x breit. Die Kerne liegen ungefähr in der Mitte der Zellen, sind etwas lang gestreckt (etwa 9 /t : 6 /<) und erhalten verstreute Chromatin- körner. Wimperung habe ich auf diesen Zellen nie beobachtet. Auf sie folgt nach außen eine Muskelschicht aus inneren Längsmuskeln (etwa 3 // dick) und äußeren Ringmuskeln (etwa 6 /() bestehend. Über- zogen wird der ganze Ausführgang analog wie das distale Atrium von peritonealen Zellen. Diese sind von blasiger Gestalt und lassen keinen gefärbten Zellinhalt erkennen. Ihre Größe steigt bis zu etwa li ju : 10 ^. Der Kern liegt wandständig, ist schwach bohnenförmig gebogen und führt nur wenige Chromatinkörnchen. Seine Maße ergeben sich etwa 7 jii : 4,5 fi. Dieser Teil des Receptaculums, der etwa 350 jli lang ist, zeigt bei allen untersuchten Formen ziemlich übereinstimmende Gestalt, nicht so jedoch der eigentliche blasige Teil. Dieser zeigt entweder einen kreisförmigen Querschnitt oder er ist seitlich stark zusammengepreßt. Einmal mündet der nach außen führende Kanal auf der äußeren Seiten- fläche etwa in der Höhe eines Drittels der Blase in diese ein, das andre Mal setzt er sich auf der Mitte der ventralen Fläche an. Während im einen Falle dann die Hauptmasse des Receptaculums nach innen überhängt (Taf. X, Fig. 14 rs [rechts]), tut sie es im zweiten Falle Beiträge zur Keimt uis von Üraiicliiiira Sowcrbyi Bcdd.inl. 293 nicht oder aber nach innen uiul nach außen; die Einniünduug des verticalen Kanals kann so in die Blase selbst eingestülpt sein. Das eigentliche Receptaculuni, dessen Achse horizontal liegt, erstreckt sich von der mehrfach erwähnten Einniündiingsstelle des Ansführkanals aus nach vorn bis nahe an das Septuni IX/X. Seine Ausdehnung nach hinten i.--t sehr gering und kommt es hier fast zu einer Berührung mit dem Dissepiment X/XI. Der caudale Teil der Blase ist weit, kreis- förmig oder seitlich zusammengedrückt. Nach dem vorderen Ende des Segmentes zu nimmt der Querschnitt immer mehr ab. Das Recepta- culuni endet stets blind. Jedoch kann es das eine Mal hakenförmig nach unten umgebogen sein, das andre Mal schließt es einfach stumpf ab. Zu äußerst wird die Blase des Receptaculums ebenfalls bedeckt von dem hier aber nur sehr lockeren und darum nur stellenweise er- haltenen peritonealen Zellüberzug (Taf. X, Fig. 14). Darunter folgt eine dünne Muskellage, 1 ,5 — 2 /< stark, die auf den Querschnitten nur Ringmuskeln erkennen läßt. Darunter folgt dann eine etwa 15 — 18 ju, dicke Zellschicht. Die Zellen sind etwa 10 — 15// breit und führen einen längUchen bis runden Kern. Dessen Maße liegen zwischen 7 und 10//, das Chromatin ist locker und körnig. Der Zellinhalt, soweit er überhaupt vorhanden, ist gekörnelt. Nach außen tragen die Zellen einen kontinuierlichen Randsaum. Innerhalb des Hohlraumes be- findet sich in den von mir untersuchten Exemplaren ein formloser, körniger Inhalt, der sich stellenweise den Zellen auflegt, stellenweise nur den Centralraum, wohl infolge von Kontraktion durch das Fixieren, einnimmt. Oft ziehen sich von dieser im Innern gelegenen Masse strahlig ausgehende Fäden zu den Zellen. Dem Aussehen nach gleicht diese Masse dem Zellinhalt und ist wohl als ein Drüsenprodukt anzu- sehen. Spermamasse ist es nach dem unten noch zu beschreibenden Aussehen der Spermatozoen keinesfalls. Auf den Präparaten des jugendlichen Individuums zeigt sich an der Stelle des Ausführganges des Receptaculuni seminis innerhalb der Muskulatur der Körperwand ein dichter Zellhaufen analog dem, der den männlichen Ausführgang umhüllt (Taf. XI, Fig. 16). Er erstreckt sich niu: wenig über die Längsmuskulatur in die Leibeshöhle hinein und hat an seinem dicksten Teile einen Durchmesser von etwa 100 — 130 jn. Von außen her führt ein ganz feiner Kanal in diesen Zellhaufen, läßt sich aber dann darin nicht weiter verfolgen. Vergleiche ich meine Befunde mit denen der andern Autoren, so können sie trotz der beobachteten großen Variabilität des Recepta- culums diesen allen nicht gerecht werden, Beddard bezeichnet die 294 Friedrich Keyl, Gestalt als "more or less pear-shaped, narrowing towards the external opening". Michaelsbn beschreibt wohl einen scharf ausgeprägten Ausführungsgang, die eigentliche Ampulle aber als annähernd kugelig, so daß für das ganze Receptaculum eine >>retortenförmige Gestalt« resultiert. Stephenson endlich sagt: "The spermathecae are small egg-shaped, with thick walls and small lumen". Ob hier nun die große Verschiedenheit der einzelnen Beobachtungen auch auf ver- schiedene Alterszustände der untersuchten Formen zurückzuführen ist, wage ich in diesem Falle vorerst noch nicht zu entscheiden. Hoden und Samensack. Die Hoden sind bei Branchiura Soiverhyi paarig vorhanden und liegen im zehnten Segmente (Taf. XI, Fig. 16, 17 h). Sie sind festge- wachsen am unteren Teile des Septums IX/X und erstrecken sich von hier sowohl rückwärts als auch aufwärts am Darm vorbei. Äußer- lich sind sie umhüllt von einer sehr dünnen, homogenen imd kernlosen Membran. Am dorsalen Teil tritt der Hoden in die oder vielleicht besser den Samensack ein. Dieser Samensack stellt sich nach dem jüngsten von mir geschnittenen Tiere dar als ausgehend von einer Divertikelbildung des Dissepiments XI/XII (Taf. XI, Fig. 16). Es be- findet sich nämlich seitlich des Darmes etwa in der Mitte der Segment- höhe vom Septum gebildet eine sich in das elfte Segment erstreckende Einstülpung. Abweichend von den sonst bei Tubificiden und Oligo- chäten überhaupt angestellten Beobachtungen tritt bei Branchiura das ganze Septum in die Divertikelbildung ein und nicht nur die dem elften Segmente zugekehrte Hälfte. Es besteht also hier eine Kommuni- kation zwischen dem Samensack und dem zwölften Segmente. Ein weiterer beachtenswerter Umstand ist der, daß ich eine derartige Diver- tikelbildung nur auf der einen Seite feststellen konnte, obwohl sonst im Bau des Samensackes bilaterale Symmetrie herrscht. Das Divertikel, das schließlich schlauchförmige Gestalt annimmt, wendet sich zuerst nach außen der Körperwand zu. In deren Nähe biegt er nach oben um in einem scharfen Bogen, so daß die beiden Schenkel sich berühren. Bald tritt nun eine Erweiterung des Samensackes ein, der in Gestalt einer Blase dann dem Darm stellenweise aufliegt. In der Medianen dicht oberhalb des Darmes führt ein schmaler Ductus durch das Disse- piment in das Segment X. Hier tritt sofort eine Erweiterung ein derart, daß der ganze Raum oberhalb des Darmes angefüllt ist von dem Samen- sacke, dieser erstreckt sich im hinteren Teil des Segments an dem Darme vorbei nach unten. Die Wandung schmiegt sich sowohl den Beiträge zur Kenntnis von Branchiura Sowerbyi Beddard. 295 Dissepimenten als auch der Körperwand dicht an. Besonders auf- fallend ist innerhalb des dorsalen Teils des Samensackes im zehnten Segmente das Auftreten eines Pseudoseptums. Die Wandung des Samensackes wird begleitet und überzogen von zahlreichen Schlingen des Blutgefäßes. Eine solche Schleife tritt auch in den Samensack ein und läuft entlang einem sich einerseits auf der dorsalen Wand des Darmes, anderseits an der dorsalen Längsmuskulatur sich fest- heftenden muskulösen Aufhängeband, das so den Samensack durch- zieht. Ganz analog wie durch das Septum XI/X, so führt auch durch das Septum X/IX eine schmaler Ductus aus der Hauptmasse des Samensackes in das Segment IX hinein. Die Form dieses Abschnittes ist die einer auf dem Darm beinahe aufliegenden Blase, die nach den Seiten zu sich verlängert und abgestumpft blind endet. Sie war in dem Branchiura Sowerbyi. Textfig. 45. Hodenspitze eines jugendlichen Tieres. Vergr. 1100. untersuchten Tiere kleiner als die des elften Segmentes. Gemäß der Herkunft der Samensackwandung lassen sich Muskelfasern und die schon erwähnten begleitenden Blutgefäße feststellen. Die in der Wand hegenden Kerne lasen körnio;es Chromatin erkennen und haben eine mittlere Größe von etwa 6 /< : 3 /<. Wie sich die seitlich vom Darm gelegenen ventralen Teile der Samensack wandung des zehnten Seg- mentes verhalten, läßt sich nicht genauer erkennen. Dem Verlauf der Blutgefäße nach reicht der Samensack im hinteren Teil des Segmentes X, das von Hoden frei ist, ziemlich tief herab. Im vorderen Teile setzt er sich in Kommunikation mit dem Hoden, der seine Wandung durch- bricht. Die Entwicklung des Samensackes ist eine spätere als die des Hoden, denn ich besitze Präparate, bei denen der Hoden schon ent- wickelt, wenn auch noch klein ist, von einem Samensacke aber ist Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CVII. Bd. 20 296 Friedrich Keyl, dort noch nichts entwickelt. Eine so ausgedehnte Entwicklung, wie Beddard sie angibt, vom IX. — ^XVII. Segment, bekam ich nie zur Beobachtung. Der Hoden selbst besteht aus einer mehr oder weniger fein granu- lierten plasmatischen Grundmasse, die im jüngsten beobachteten Zu- stande syncytialen Charakter trägt (Textfig. 45). Zahlreiche Kerne liegen dicht gedrängt in dieser Grundmasse, sie sind etwa 5 — 6 fx groß Textfig. 46. Branchiura Sowerbyi. Spermatocyten, »Cyto- pliorenstadium «. Vergr. 1100. Textfig. 47. Branchiura Sowerbyi. Teilung der Spermato- cyten. Vergr. 1100. Textfig. 48. Branchiura Sowerbyi. Spermatiden am Central- körper sitzend (niclitalle gezeichnet). Vergr. 1100. Textfig. 49. Branchiura Sowerbyi. Spermatozoid auf dem Centralliörper sitzend. Vergr. 1100. und rundlich. Sie erscheinen infolge des randständigen deuthchen körnigen Chromatins im optischen Querschnitt hell. Feingekörnelte Chromatinfäden spannen sich zwischen den Körnern aus und führen auch zu dem deutlichen Nucleolus hin. In älteren Teilen des Hodens lassen sich dann auch deutlichere Zellgrenzen erkennen, doch wird der größte Teil der Zellen von dem Zellkern, der nun bis 7 ,u groß wird, ausgefüllt. Innerhalb des Hodens lassen sich dann noch zahlreiche Beiträge zur Kemitiiis von Brunchiura Öowerbyi Beddard. 297 Kernteilungen beobachten. Diese Zellen, die ich als Spermatocyten ansehe, lösen sich nun aus dem Verbände des Hoden los und fallen in die Samensäcke (Taf. X, Fig. 14 ss). Hier treten sie in Teilung ein; denn es lassen sich dort Zellgruppen bis zu 30 Einzelzellen dicht kugeüg zusammenlagernd beobachten. Deren Größe beträgt etwa nur die Hälfte der ursprünglichen Zellgröße. Trifft man so eine Zellkugel im Querschnitt, so erkennt man einen grob granulierten Zentralkörper, auf dem die einzelnen Zellen mittels feiner Plasmastielchen aufsitzen (Textfig. 46). Es ist das sogenannte Cytophorenstadium. Eine weitere Stufe in der Entwicklung ist folgende: der Centralkörper hat an Größe zugenommen, ebenso die ihn umlagernden Zellen. Deren vorher fein- körniger Inhalt ist nun ganz hell und strukturlos; der Kern ist sehr dunkel geworden und hat seine runde Gestalt vertauscht mit einer zackigen (Textfig. 47). Ich bin geneigt, auf Grund von ähnHchen Bildern im Hoden selbst, diese Veränderungen, vor allem im Kern, für eine Teilungserscheinung zu halten, derart, daß sich nun als resultierende Zellen die Spermatiden bilden. Der Centralkörper nimmt an Größe weiter zu und in einem späteren Stadium zeigt er sich dicht umlagert von spindel- förmigen 15 — 16 [.i langen Zellen, den werdenden Spermatozoen (Textfig. 48). Der ebenfalls spindel- förmige Kern zeigt dichtes körniges Chromatin und läßt dem Plasma nur wenig Raum. Dieses zieht sich nun allmählich zu dem Schwanzfaden aus Textfig. 50. (Textfig. 49 u. 50). Das fertige Spermatozoon hat BrancMura sowerbyi. f.., -r •• ff ^ ■ nt^ -r\ i Reifes Spermatozoid. eme ungefähre Lange von 55 bis oO fji. Der lang- ^Qxgx looo gestreckte Kopf trägt vorn eine rundliche Ver- dickung und geht allmählich in den Schwanzfaden, der sich nur durch hellere Färbung erkennen läßt, über. Wie die Spermatozoen in die Leibeshöhle gelangen, könnte auf zwei Arten geschehen. Entweder die Wandung des Samensackes zerreißt oder aber sie gelangen durch die Divertikelöffnung durch das Septum XI/XII in das zwölfte Seg- ment und können sich nun von hier aus in die Leibeshöhle verteilen, um schließlich durch den männlichen Ausführungsgang nach außen ge- bracht zu werden. Sehen wir nun noch einmal kurz wie sich die Verhältnisse bezüglich des Hodens und des Samensackes bei solchen Individuen verhalten, die sowohl die Ausführungsgänge als die Receptacula gut entwickelt haben. Ich möchte da zwei Exemplare ins Auge fassen; beide zeigen 20* 298 Friedrich Keyl, weit vorgeschrittene Eier im Ovarium und läßt sich danach nicht gut ein Altersunterschied angeben. Bezüglich der männlichen Keimdrüse jedoch zeigt sich nun bei beiden eine Verschiedenheit in der Entwicklung. Das eine Individuum stimmt in allem, Lage und Gestalt der Hoden und des Samensackes mit dem oben beschriebenen jungen Tiere überein, nur das die Größe eine stark reduzierte ist (Taf . XI, Fig. 17 ss). Der Hoden umhüllt hier ganz den vertical liegenden Teil des im selben Segmente sich befindenden Keceptaculum seminis, geht aber über den Ausführkanal desselben nicht hinaus. Der Samensack erstreckt sich durch Segment IX, X und XI, doch vermag ich nicht mehr den direkten Zusammenhang mit dem Septum festzustellen, was auf Quer- schnitten ja auch nicht gut möglich ist. Anders gestaltet sich das Bild bei dem zweiten Individuum, das bezüglich der ausleitenden Apparate auf demselben Entwicklungs- stadium steht wie das vorige. Der Hoden ist hier jedoch viel geringer ausgebildet, er nimmt nur den Raum zwischen dem Keceptaculum und dem Darme ein und reicht über die Höhe desselben nicht mehr hinaus. Auch der Samensack zeigt einen ganz andern Entwicklungs- zustand. Weder im elften noch im zehnten Segment ist irgendeine Spur von ihm oder von sich entwickelnden Spermatozoen zu erkennen, nur im neunten Segment ist noch ein kleiner Rest vorhanden. Ich glaube auf Grund dieser Befunde eindeutig feststellen zu können, daß das letzte Individuum das älteste, bei welchem, wie ja bei fast allen Oligochäten, der Hoden nach Erfüllung seiner Tätigkeit zugrunde geht. Wäre, wie sich nach der geringeren Ausdehnung des Hodens ja auch schließen ließe, das betreffende Exemplar auf einem jüngeren Ent- wicklungsstadium gewesen, so müßte dann doch der Samensack noch in voller Entwicklung vorhanden sein, da sich dieser ja schon in ganz jungen Stadien in fertiger Entwicklung und Ausdehnung nachweisen läßt. Aus diesen vergleichenden Beobachtungen geht hervor, daß die Hoden früher reifen als die Ovarien, d. h. die Tiere sind proterandrisch. Ovarien. Die Ovarien sind bei Branchiura ebenfalls paarig vorhanden. Sie nehmen ihre Entwicklung vom unteren Teil des Dissepiments XI/X (Taf. XI, Fig. 16. 17 ov). In ganz jungen Tieren liegen sie dicht über dem Samenleiter und legen sich dem Zellmantel des sich bildenden männ- Hchen Ausführapparates auf, Sie reichen auf diesem Entwicklungs- zustande über das elfte Segment nicht hinaus. Im Laufe ihrer Ent- wicklung wachsen sie jedoch in die folgenden Segmente hinein, und ' Beiträge zur Kenntnis von Branchiura Sowerbyi Beddard. 299 konnte ich ihre Erstreckung bis in das XVI. Segment beobachten (Taf. XL Fig. 17 or); niemals sah ich jedoch Eier im XVII.— XIX. Seg- ment wie Beddakd. Zur Zeit ihrer vollsten Entwicklung nehmen sie im vorderen Teil des elften Segmentes den ganzen Raum der Körper- hohle ein und sind in ihrem oberen Teile oft nur durch den Rest des Samensackes getrennt. Im Bereich des Cölomsackes des männlichen Ausführkanals, sind sie auf den Raum zwischen diesem und den Darm eingeschränkt. Dorsal über dem Darm kann es hier schon zu einer Verschmelzung der beiden Ovarien kommen (Taf. X, Fig. 15 ov). Vom zwölften Segment ab läßt sich dann beobachten, daß das Ovarium der rechten Seite das Übergewicht bekommt, das linke dann ganz obliteriert. Eingehüllt ist das Ovarium von einer feinen kern- und struktur- losen Membran, gerade wie der Hoden. Auf ganz frühem Entwicklungszustande las- sen sich auch, was die Zellen anbetrifft beide, Hoden und Ovarium, histologisch nicht voneinander unterscheiden. Bald jedoch werden die Kerne, der dichtgedrängt liegenden Zellen im Ovar größer und bläschenhafter (Textfig. 51). Im gleichen Entwicklungszustand ist die Größe der Einzelkerne etwa 10 ju gegen 7 ^ im Hoden. Die Zellgrenzen sind deutlich zu erkennen, das Protoplasma ist gröber, flockiger granu- üert als in den Hodenzellen. Wie sich die Eier nun entwickeln, läßt sich in den Eierstöcken eines reifen Tieres vollständig beobachten i. Der Kern und mit ihm vor allem sein Nucleolus nehmen an Größe zu, das Plasma der sich bildenden Eizelle wird dichter und feinkörniger (Textfig. 52). Dieses Wachstum schreitet fort. Hat der Kern, das wer- dende Keimbläschen, eine Größe von etwa 20 ju erreicht, so erkennt man, wie sich das Chromatin, das vorher hauptsächlich randständig war, mehr und mehr flockig verteilt (Textfig. 53). Das Plasma der 1 Schon im XI. Segment zeigen sich innerhalb des Ovariums einzelne in die Weiterentwicklung eingetretene Eizellen, deren Anzahl gegenüber den Ureizellen in den folgenden Segmenten zunimmt. (Taf. X, Fig. 15.) Textfig. 51. Branchiura Sowerbyi. Spitze des jugendlichen Ovariums. Vergr. 1100. 300 Friedrich Keyl, Eizelle zeigt noch keine weitere Veränderung. Mit etwa 60^ Durch- messer erreicht das kugelige Keimbläschen sein Maximum (Textfig. 54, Taf. X, Fig. 15 oh). Der Nucleolus hat sich in zahlreiche runde Chro- matinkugeln aufgelöst. Von nun ab streckt sich das Keimbläschen in die Länge (Textfig. 55). Hat es eine Länge von 100 fji erreicht, so haben sich die Einzel- teile des Nucleolus wieder vereinigt zu einem großen deutlichen Keimfleck. Auf diesem Stadium geht auch im plasmatischen Teile des Eies eine Veränderung vor sich. Die Grundsubstanz erscheint immer noch fein- körnig. Doch lassen sich in derselben zahlreiche kugelige Gebilde, Dotterkugeln, erkennen. Diese nehmen der Grundsubstanz gegenüber immer mehr überhand und schließlich sind nur sie im Ei, das eine Textfig. 52. BrancMura ' Sowerbyi.'^ Jugendliche Eizellen. Vergr. 1100. Textfig. 53. Branchiura Sowerbyi. Junge Eizelle. Vergr. 825. Textfig. 54. Branchiura Sowerbyi. Keimbläschen Vergr. 550. mittlere Größe von etwa 1 mm annehmen kann, vorhanden (Text- fig. 56 o). Im Keimbläschen lassen sich nun auch schon Spindelbildungen bemerken, die das Ausstoßen der Richtungskörper bezwecken — das Ei ist reif geworden. Diese reifen Eier liegen stets an der Spitze des Beiträge zur Kenntnis von Branchiura .Suvverbyi Beddard. 301 Ovariums, also in den Segmenten XVI, XV . . . Der Körper des Wurmes erhält dann eine schon äußerlich deutlich erkennbare dorso- laterale Auftreibung. Die Organe, wie Bauchmark und Blutgefäße Textfig. 55. Branchiura Sowerbyi. Keimbläschen (kontrahiert). Vergr. 550. werden ganz auf die ventrale Muskulatur gedrückt, der Darm muß nach der Seite hin ausweichen. Die Leibeswandmuskulatur erscheint an diesen aufgetriebenen Stellen sehr dünn (Textfig. 56). Eine wichtige Frage ist nun die, wie gelangen diese mächtigen Eier nach außen? Auch hier ergeben sich zwei Möglichkeiten. Einmal, wie es gewöhnlich der Fall ist, und wie sich aus dem Vor- handensein eines Oviducts schheßen läßt, das Ei fällt aus dem Ovarien in die Leibeshöhle und gelangt durch den weibhchen Ausführgang nach außen. Die zweite Mög- lichkeit ist die, die Körper- wand reißt auf und durch diese Ruptur wird das Ei frei ; es wäre auch denkbar, daß der Wurm an der Stelle, wo das Ei liegt, zerbräche. Diese Wege wären die ungewöhnlichen. Eigne Beobachtungen habe ich hierüber ebensowenig Textfig. 56. Branchiura Sowerbyi. Querschnitt durch das 16. Seg- ment mit einem reifen Ei. Vergr. 50. Kh, Keimbläs- chen; nb, Bauchmarlc; o, Ei; ov, Ovarium; v, Blutgefäße. 302 Friedrich Keyl, wie über die Art der Befruchtung gemaclit, doch ist mir der letzte, wenn auch noch so gewaltsame Weg, der einleuchtendere. Von einem Fallen in die Leibeshöhle kann, bei derartig großen Eiern eigentlich garnicht die Kede sein, denn eine Leibeshöhle ist durch die ungeheure Entwicklung des Ovars ganz verdrängt. Geschähe das dennoch, so müßte das große Ei vom XVI. Segment bis ins XL gelangen, um in den Trichter des Oviducts zu fallen. Es müßte also Segment XVI. bis XII gänzlich passieren. In diesen Segmenten liegen aber die Ovarien mit ihren noch nicht überall reifen, aber immerhin schon sehr großen Eiern, die oft zu zwei bis drei nebeneinander liegen, die Leibes- höhle also ziemlich versperren. Der Durchgang durch die Segmente wäre daher ebenso wie der Durchtritt durch die Septen mit großen Schwierigkeiten verknüpft. Schließlich ist zu beachten, wie soll das fast 1 mm im Durchmesser messende Ei durch den nur 160 /t breiten Trichter und die nur bOju weite äußere Geschlechtsöffnung ins Freie gelangen. Es müßte sich dann die äußere Öffnung um das fast 20- fache ausdehnen. Diese Bedenken möchte ich hier nur angedeutet haben, ohne aber, aus Mangel an eignen Beobachtungen, mich gänzlich für die eine oder andre Art der Eiablage zu entscheiden. Zu berück- sichtigen ist noch, daß bei einer Eiablage infolge einer Ruptur es uner- klärlich bleibt, wie eine Kokonbildung zustande kommt, ja dies ist dann wohl sogar ganz ausgeschlossen. Da ich nun aber junge Branchiuren innerhalb vom Kokon beobachtet habe, so wäre es vielleicht möglich, daß hier zwei Arten der Ablage vorkommen, einmal mit und einmal ohne Kokon. Einige entwicklungsgeschichtliche Beobachtungen. Zum Schlüsse dieses ganzen Abschnittes über den Geschlechtsapparat möchte ich noch einige interessante Daten und Beobachtungen mit- teilen, die ich zu Anfang meiner Bearbeitung von Branchiura bezüglich des Schicksals der in Kokons abgelegten Eier gemacht habe. Leider wurde ich damals durch Krankheit verhindert, diesen wichtigen Funden die gebührende Aufmerksamkeit zu schenken. Die Kokons fand ich damals in meinen Kulturen, seit jener Zeit gelang es mir aber niemals mehr sie dort wiederzufinden, ebensowenig wie in den Becken des Warmhauses. Trotz dieser Lückenhaftigkeit der damaligen Beob- achtungen stehe ich nicht davon ab, sie mitzuteilen. Die Periode der Geschlechtsreife ist bei BmncJiiura eine ziemlich ausgedehnte. So fand ich am 8. Februar 1910 abgelegte Kokons und schnitt eine am 12. August 1910 fixierte Form, die ein Ei kurz vor der Beiträge zur Kenntnis von Branchiura Sowcrbyi Beddard. 303 Ablage enthielt. Daß dieser letzte Grenztermin kein Ausnahmefall ist, bezeugen die Zwischenfunde reifer Geschlechtstiere vom 9. und 26. Juni. Von dem im Februar 1910 erhaltenen wenigen Kokons hatte ich drei isoliert und einige Zeit lebend erhalten. Ein Kokon, am 8. gefunden, enthielt zwei Embryonen. Er besaß eine Längen- ausdehnung von 5 mm und eine Breite von 3 nun Die beiden Em- bryonen lagen zusammengeringelt nebeneinander, nochmals, außer in der derben Kokonhaut, in eine zarte Hülle eingeschlossen. Am 10. zeigte sich der Kokon verletzt, am 13. war er leer und nur erfüllt von einer Unmasse von Infusorien. Ein zweiter, auch am 8. gefundener Kokon enthielt einen kleinen "Wurm, der schon Kiemenanhänge auf- wies und ein Ei. Er zeigte eine Länge von etwa G,5 mm und eine Breite von 3.7 mm. An dem Inhalt zeigten sich bis zum 14. keine wesentlichen Änderungen. Der junge Wurm böfand sich in der mit einer Flüssigkeit, über deren Beschaffenheit und Zusammensetzung ich nichts aussagen kann, erfüllten inneren Hülle stets in einer sich um seine Achse drehen- den Bewegung. Am 15. war der kiementragende Wurm ausgeschlüpft und nur noch das Ei, das in seiner Größe (etwa 1 mm) ungefähr mit dem reifen noch im 0 varium liegenden Ei übereinstimmte, oder vielleicht schon ein junger runder Embryo, im Kokon, ohne irgendwelche Veränderungen gegen die früheren Tage aufzuweisen. Das ausgeschlüpfte Tier hatte eine Länge von etwa 10 mm. Am 16. waren die Anfänge der »Herz- schleifenbildung« deutlich zu erkennen. Am 17. hatte er schon um 3 mm an Länge zugenommen. Dieses Längenwachstum ging nun ziemlich rasch vor sich, doch ist das Exemplar leider am 25. zugrunde gegangen. Ein dritter, in der Zeit vom 11. bis 12. abgelegter Kokon war schon am 25. völlig leer. Ich bin aber nicht in der Lage gewesen, ihn in der Zwischenzeit zu beobachten und kann daher nicht sagen, ob das darin enthalten gewesene Ei zur völligen Entwicklung und der daraus entstandene Wurm zum Auskriechen gelangt ist. Sollte das der Fall gewesen sein, so war die Entwicklung im Kokon innerhalb 14 Tage vollendet gewesen. Auffallend ist vielleicht noch die Beob- achtung am zweiten Kokon, in dem das eine Ei oder der ganz junge Embryo immer unverändert blieb. Vielleicht geht auch in unserm Falle von mehreren Eiern in einem Kokon immer nur eins in die Ent- wicklung ein, doch würde von dieser bei andern Formen beobachteten Regel der erste bechriebene Kokon mit den zwei Embryonen abweichen. Sämtliche Kokons stimmten in der zitronenförmigen Gestalt und der gelblichen zelluloidartigen, durchscheinenden Hülle überein. An dem einen Pol fand sich immer ein pinselartiges Gebilde vor, was viel- 304 Friedrich Keyl, leicht zum Anheften dienen dürfte. Ich fand allerdings die Kokons immer nur im Schlamm. Diese Tatsache, würde allerdings nicht gegen ein Anheften unter günstigeren Bedingungen, wie meine Kulturen sie boten, sprechen. Im Januar und Februar gingen mir nämhch regelmäßig die darin gehaltenen Wasserpflanzen aus, an denen ein Anheften eventuell hätte statthaben können. Die Wandung des Kokons war an den beiden Polen stets verdickt und am meisten an dem, der den pinselartigen Anhang trug. Ich gedenke nun meine Aufmerksamkeit speziell auf die ent- wicklungsgeschichthchen Verhältnisse von BrancJdum 'Sowerhyi Bed- dard zu richten und dabei mehr und genaueres auch über diese jüngsten Stadien feststellen zu können. Göttingen, im Juni 1913. Benutzte Literatur. F. E. Beddard, On the Anatomy and Histology of Pleurochaeta Moseleyi. Trans. Roy. Soc. Edingbourgh. Vol. XXX. 2. Part. (499). 1883. — A new branchiate Oligochaete. Journ. of microscopical Science. 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Allgemein geltende Bezeichnungen, a, Atrium; nb, Bauchmark; CS, Cölomsack; nch, Neurochordrohr; da, distales Atrium; ncha, Neurochordabzweigung; ep, Epineurium; nchz, Neurochordzelle; gz, Gaughenzelle; nph, Nephridien; h, Hoden; npha, Nephridialausführgang; Im, Längsmuskeln; nphe, Nephridialendblase; ms, Mesenterium; o, Ei; n, Nerv; ug, Oberschlundganglion; 308 Friedrich Ke}!, Beitr. zur Kenntnis von Branchiura Sowerbyi Beddard, oh, Keimbläschen; schlk, Schlundcommissur; ot, Eitrichter; sl, Seitenünie; ov, Eierstock; ss. Samensack; p, Peritoneum; tm, Trans Versalmuskulatur; pa, Paratrium; v, Blutgefäß; rtn, Ringmuskeln; zm, Zellmantel um den jugendlichen rs, Receptaculum seminis; (5 -Ausführgang. sal, Samenleiter; Tafel IX. Fig. 1. Lumbricus terrestris. Querschnitt durch das Bauchmark in der Höhe einer doppelten Abzweigung des medialen Neurochords. Vergr. etwa 225. Fig. 2. Branchiura Sowerbyi. Querschnitt durch ein Kiemensegment und die Anhäufungen der Seitenlinienkerne. Vergr. etwa 90. Fig. 3. Alma nilotica. Querschnitt durch das Bauchmark. Vergr. etwa 225. Fig. 4. Lumbricus terrestris. Querschnitt durch das Bauchmark. Vergr. etwa 125. Fig. 5. Branchiura Sowerbyi. Querschnitt durch das Bauchmark, die hin- teren Spangennervern und die ventrale Körperwand. Vergr. etwa 125. Fig. 6. Branchiura Sowerbyi. Querschnitt durch das Oberschlundganglion und die Schlundcommissuren. Vergr. etwa 120. Fig. 7. Branchiura Sowerbyi. Querschnitt durch ein mittleres Körper- segment in der Höhe der Borstenbündel. Vergr. etwa 90. Fig. 8. Lumbricus terrestris. Querschnitt durch das Bauchmark und eine laterale Neurochordabzweigung. Vergr. etwa 225. Fig. 9. Branchiura Sowerbyi. Längsschnitt durch eine Kieme. Vergr. etwa 225. Tafel X. Fig. 10. Branchiura Sowerbyi. Querschnitt durch ein mittleres Körper- segment und dabei Längsschnitt durch die Nephridialendblase und den Aus- führungsgang. Vergr. etwa 90. Fig. 11. Branchinra Sowerbyi. Querschnitt durch das zwölfte Segment in der Höhe des Oviducts und Eitrichters. Vergr. etwa 90. Fig. 12. Branchiura Sowerbyi. Querschnitt durch das elfte Segment in der Höhe der männhchen Geschlechtsöffnungen. Vergr. etwa 55. Fig. 13. Branchiura Sowerbyi. Längsschnitt durch den männlichen Aus- führgang eines jugendhchen Tieres. Vergr. etwa 150. Fig. 14. Branchiura Sowerbyi. Querschnitt durch das zehnte Segment in der Höhe des Ausführungsganges des Receptaculum seminis (etwas schief). Vergr. etwa 90. Fig. 15. Branchiura Sowerbyi. Querschnitt durch das elfte Segment in der Höhe der männlichen Geschlechtsöffnungen. Vergr. etwa 90. Tafel XI. Fig. 16. Branchiiira Sowerbyi. Geschlechtssegmente des jugendlichen Tieres (halbschematisch). Vergr. etwa 50. Fig. 17. Branchiura Sotverbyi. Geschlechtssegmente des reifen Tieres (halbschematisch). Vergr. etwa 50. Beiträge zur Kenntnis der Bryozoen. I. Das Nervensystem von Cristatella mucedo Cuv. Von Adolf (jerwerzhagen, Assistent am zoologischen Institut Heidelberg. Mit 3 Figuren im Text und Tafel XII— XIV. I. Einleitung. Vorliegende Arbeit wurde im Sommer und Herbst 1912 im zoolo- gischen Institut zu Heidelberg ausgeführt. Angeregt dazu wurde ich durch meinen hochverehrten Lehrer, Herrn Prof. Dr. Bütschli, dem ich schon an dieser Stelle für das Interesse, mit welchem er das Fortschreiten der Arbeit verfolgte, meinen herzlichsten Dank aus- sprechen möchte. Mancherlei Gründe gaben Veranlassung, zunächst die Gattung Cristatella zum Objekt meiner Untersuchungen zu machen: einmal die relativ beträchtliche Größe der Einzeltiere, ferner die geringe Aus- bildung der Ectocyste, die Leichtigkeit, mit der die Tiere sich ausge- streckt erhalten lassen, was alles die Untersuchung sehr förderte; endhch aber als ausschlaggebender Faktor die Möglichkeit, jederzeit frisches Material in größter Menge aus nicht allzu beträchtlicher Entfernung beschaffen zu können. Es scheint vorerst nicht gerade günstig, daß meine Untersuchung sich nur auf einen Vertreter der Bryozoen bezieht. Vor allem wäre ein vergleichendes Studium der Gymnolämen erwünscht. Ich hoffe, das recht bald nachholen zu können. Da aber immerhin noch einige Zeit vergehen wird, bis ich zu einem Aufenthalt am Meere Zeit und Gelegenheit finde, halte ich es für zweckmäßig, die beim Studium der Cristatella gewonnenen Resultate einstweilen selbständig zu pu- büzieren. 310 Adolf Gerwerzhagen, II. Historisches. Der Darstellung meiner Ergebnisse schicke ich einen Überblick über die Geschichte der Ei'forschung des Nervensystems der phylactolämen Bryozoen und den zurzeit erreichten Stand unsrer Kenntnisse voraus. 1843, mehr als 100 Jahre nach der ersten Beobachtung einer Süßwasserbryozoe durch Trembley, ent- deckten DuMORTiER und VAN Beneden das Nervensystem dieser Tiere. Sie be- schreiben ein Nervencentrum, aus zwei Ganglien bestehend, die durch eine darüber liegende Commissur verbunden seien, aber sonst — wie sie speziell für Lophopus angeben — jedes in einer besonderen Höhle liegen, und zwar supraösophageal, hinter dem Epistom. Fünf Jahre später gibt van Beneden, merkwürdigerweise ohne es zu bemerken, eine erheblich abweichende Darstellung, spricht er doch nur von einem einzigen Ganglion, das auf der »Vorderseite« eingebuchtet sein soll. Ebenso beschreibt Allman in seiner berühmten Monographie der »Fresh- Water Polyzoa« (1865) ein unpaares GangUon als ovales Gebilde von etwas gelapp- tem Umriß, das dem Oesophagus analwärts, dicht unter dem Munde aufliegt. Hyatt (1867) dagegen erklärt das Ganglion, zweifellos unter dem Einfluß der ersten Darstellung Dümortiers und van Benedens, wieder für paarig, trotz- dem er an ihm nichts von einem Einschnitt oder einer Ausbuchtung beobachten konnte. Er vermutet deshalb, daß die Commissur ebenso dick wie die beiden Ganglien sei und darum eine Abgrenzung der letzteren nicht möglich. Für die Nierenform des Ganglions in der Seitenansicht, die er deutlicher erkennt als die früheren Autoren, findet er eine höchst absonderliche Erklärung. Vor jeder Einziehung des Polypids soll eine Kontraktion des Ganglions stattfinden, die dazu führe, daß das basale Ende des Ganglions umbiege und sich dem apicalen Ende anlege. Nitsche (1868) bestätigt und vervollständigt die ALLMANsche Darstellung. Er erkennt, daß das in der Einzahl vorhandene, etwa dreimal so breite als lange Ganglion von der Seite gesehen stets nierenförmig ist, da seine Ventralfläche eine tiefe, Querfurche besitzt. Embryonal soll sogar eine Hirnhöhle vorhanden sein, die später durch Aneinanderlegen der Wände verschwinde. Die ventrale Querfurche denkt er sich durch sekundäre Einstülpmig entstanden. In seiner »Monographie der Süßwasser bryozoen« (1886) korrigiert Krae- pelin alle früheren Autoren, indem er feststellt, daß das Ganglion auch in lateraler Ansicht nicht nierenförmig, sondern ellipsoidisch erscheint. Die ventrale Furche der Niere sei eine Hirnhöhle, die ja freilich Nitsche schon bei Embryonen ge- sehen hatte. Die Hirnhöhle trennt einen analen, äußerst massigen, von einem ösophagealen, sehr dünnwandigen Hirnabschnitt. An einer Schnittserie be- schreibt Kraepelin diese Höhle genauer als medianen geschlängelten Spalt mit einem im Centrum des Ganglions schräg dorsal-aboralwärts ziehendem Divertikel. Anscheinend in Unkenntnis der Arbeit Kraepelins, läßt Saefftigen (1888) die ösophageale Wand des Ganglions von der Endothelschicht gebildet sein, trotz- dem spricht er — begriffüch anfechtbar — von einer Ganglionhöhle. Erst Braem gibt 1890 eine völlig klare Beschreibung des Ganghons. Er bezeichnet es ganz richtig als Blase mit äußerst dümier ösophagealer imd ver- dickter analer Wand. Die Verdickung besteht aus einem von ihm sogenannten Basalstück und einem dasselbe umziehenden ringförmigen Wulst. Boitiäge zur Kiniitnis clor Bryozoen. 1. 311 Was den liistologischen Bau des Canglions betrifft, so versteht es sich von selbst, daß hierauf erst durch die Schneidetechnik Licht fallen konnte. Wir finden denn auch erst bei Nitsche eine kurze Bemerkung hierüber. Er läßt das Gan- glion bestehen aus Kernen und einer feinkörnigen Masse, wobei erstere über- wiegen sollen. Verworn (1887) glaubt Unterschiede in der Größe der Ganglienzellen zu bemerken. Kraepelix stellt fest, daß die Ganglienzellen peripher liegen, während im limern Xervenfaserstränge verlaufen. Auch Braem spricht von einer Rindensehicht, aus Ganglienzellen bestehend, die feine Faserzüge im Innern umschließe. Ganz richtig erkennt er, daß im analen Wulst die Fasern konzentrisch verlaufen. Wenn so Gestalt und Bau des Ganglions im wesentlichen klar gestellt sind, so gilt dies doch nicht für die peripheren Teile des Nervensystems, deren Er- forschung naturgemäß sehr viel schwieriger ist. Drei Organsysterae: Tentakel - kröne, Epist o m und Darm, sind es vor allem, deren Innervierung die einzelnen Autoren zu entdecken sich bemühten, und für welche denn auch fast alle in ver- schiedener Weise, oft durch nicht immer glückliche Verquickimg von Beobachtung und Phantasie, ein System von Nervenbahnen entwarfen. Bezüglich der Innervierung der Tentakelkrone macht zuerst Allmax be- stimmte Angaben. Nach seiner Beschreibung soll das Ganglion beiderseits einen ziemlich dicken Nervenstrang abgeben, der sofort in den Lophophorarm der betreffenden Seite hineinzieht und dort imter der oralen Wand des Armes bis zur Spitze verläuft, dann aber umbiegt, auf der Medianseite des Armes zurückkehrt, um (dieses allerdings nur vermutungsweise) sich am Ursprünge der Arme mit dem entsprechenden Nerven der andern Seite zu vereinigen. Nur auf der Lateral- seite soll dieser, das Hufeisen also völlig umziehende Nerv intertentakulär gelegene Zweige zur Versorgmig der Tentakeln abgeben. Ehe die beiden Lophophornerven- stränge, vom Ganglion ausgehend, die Lophophorarme erreichen, senden sie einen Ast nach der ventralen Seite (der hämalen nach der AiLMANschen Nomenklatur), welcher die Innervierung der dort gelegenen Tentakeln in entsprechender W^eise übernimmt. Von dieser Darstellung luiterscheidet sich diejenige Hyatts insofern, als dieser Autor die dorsalen, nach seiner Nomenklatur brachialen Lophophornerven an der Spitze der Arme enden läßt. — Auch Nitsche konnte von einem Umbiegen und Zurückkehren dieser Nerven nichts bemerken. Durch einen glücklichen Zufall gelingt ihm die Entdeckung, daß sie überhaupt keine eigentlichen Nerven sind, sondern zum Centralnervensystem gerechnet werden müssen, da sie dem Ganglion als mächtige hornartige Auswüchse aufsitzen, deren Bau sieh in nichts von dem des Ganglions unterscheidet. Intertentakuläre Nerven sollen in regel- mäßigen Abständen, aber nur nach der Lateralseite, von diesen Ganglionhörnern entspringen. Auf der Medianseite hat er diese Nerven auch gesehen, konnte aber ihren Ursprung nicht feststellen. Ventralwärts läßt er ganz richtig die beiden seit liehen Enden des Ganglions selbst sich in einen sehr feinen Nerven fortsetzen, von dem, ebenso wie von den GangUenhömem, intertentakuläre Nerven ent- springen. Er bezeichnet diesen »oralen« Nerven, der dem von Allman beob- achteten hämalen entspricht, als Schlundring, den er zunächst auch für geschlossen hält. In einer späteren Arbeit hat er sich aber nicht wieder davon überzeugen Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CVII. Bd. 21 312 Adolf Gerwerzhagen, können. Die intertentakulären Nerven, von denen schon Allman und Hyatt vermuteten, daß sie die Tentakeln versorgen, läßt Nitsche nach der sogenannten Kelchmembran ziehen und dort nach Spaltung in zwei bis vier Äste endigen. Verwobn schließt sich, soweit es ihm gelang, die von Nitsche geschilderten Details zu sehen, der Auffassmig dieses Autors an. Auch Kraepelin konnte bezüghch der Innervierung der Tentakelkronc nichts wesentlich Neues finden. Den Schlundring Nitsches hält er für geschlossen. Als erster sieht er, daß, wie das Ganglion, so auch die Ganglionhörner hohl sind. Die intertentakulären Nerven enden nach seinen Beobachtungen nicht an der Kelchmembran, sondern setzen sich in die Tentakeln fort. In ihrem Verlauf sollen sie mindestens eine Ganglienzelle aufweisen. Die Abbildung, welche er zur Erläuterung dieser Behauptimg gibt, ist aber derart, daß man unmöglich glauben kann, er habe die wirklichen Tentakelnerven gesehen. Die bei weitem exakteste und ausführlichste Darstellung der Innervierung der Tentakelkrone verdanken wir Saefftigen. Das orale Nervenpaar hält er, wie Nitsche und Kraepelin, für einen wahren Schlundring, der auch dann ge- schlossen sei, wenn ein Tentakel in die Medianebene fällt. Dorsalwärts vom Ganglion beschreibt er einen entsprechenden kleineren Nervenring, der seine Entstehung dem Umstände verdankt, daß die zur Versorgung der analen Ten- takeln bestimmten Nerven die Epistomhöhle überbrücken müssen. Die einzelnen Tentakelnerven, von ihm als Radiahierven bezeichnet, sollen mit einer tripolaren GangUenzelle entspringen, die zwei Fortsätze in die beiden vorhandenen Wurzeln und den dritten in den Radialnerven entsendet. Auf dem Wege zur Tentakel- bäsis schalten sich in diesen Radialnerven kleine Ganglienzellen ein, von denen Fasern direkt zur Kelchmembran ziehen sollen, um dort mit SinneszeUen zu en- digen. Distal von diesen intertentakulären Ganglienzellen teilt sich jeder Radial- nerv, so daß von dem intertentakulären Teilungsjiunkte aus zwei Nerven in die beiden nächststehenden Tentakeln hineinziehen. Dort gabeln sie sich wieder- holt, lassen sich aber nicht über ein Zehntel der Tentakellänge verfolgen. Braem konnte manche der von Saefftigen beschriebenen Einzelheiten nicht finden. Er hält es für zweifelhaft, ob der Schlundring geschlossen sei, be- stätigt dagegen das Vorhandensein des dorsalen, vielleicht geschlossenen Nerven- ringes, ebenso die dichotome Teilung der Radialnerven an der Tentakelbasis und das Vorhandensein wenigstens einer Ganglienzelle am Ursprung und einer am Teilungspunkt der radialen Nerven. Für alle weiteren Einzelheiten überläßt er Saefftigen die Verantwortung. Weit unsicherer noch als das Bild der Innervierung der Tentakelkrone bleibt das der übrigen Teile des peripheren Nervensystems. Was zunächst den Darm angeht, so behaupten schon Dumortier und van Bbneden, daß vom abora- len Teil des Gehirns ein Nervenpaar zum Oesophagus ziehe. ■ — Ihnen schließt sich Allman an. Hyatt läßt ebenfalls zwei Nerven zum Oesophagus ziehen, glaubt aber, daß sie diesen umfassen und sich auf der ventralen Seite zu einem Ringe schheßcn. Dieser Ring ist nach seiner Meinung der wahre Schlundring. Auch Allman sah schon in den beiden Oesophagealnerven die eigentlichen Repräsentanten des Schlundrings. Hyatt und Allman stehen damit allein; denn alle übrigen, früheren oder späteren Beobachter bezeichnen das die ventralen Tentakeln versorgende Nervenjiaar als Schlundring. Beiträge zur Kenntnis der Bryozoen. I. 313 Nach Hyatt sollen zwei weitere Ner\nenpaare Mittel- und Enddarm ver- sorgen. — XiTsciiE beobachtete überhaupt nichts von Darmnerven. — Krae- PELiN bestätigt die Angaben Dumortiers und van Benedens. Saefftigen vermutet das Vorhandensein von sympathischen Nerven, konnte aber nur Andeutungen davon finden; Braem bestreitet wieder die Existenz ösophagealer Nerven, glaubt aber, daß Fasern zum Enddarra ziehen. Noch schwankender erscheint die Tnnervierung des Epistoms. Dfmor- tier und VAN Beneden lassen ein Nervenpaar dahin ziehen; nach Allman sollen tue ösophagealen Nerven auch diese Funktion übernehmen. — Hyatt vermutet, daß ein von der gemeinschaftUchen Wurzel des brachialen und oralen Nerven jederseits entspringender Ast das Epistom versorge, Nitsche dagegen, daß vom Ganglion ein feiner Nervenfaden ins Epistom eintrete. — Nach Kraepelin sind zwei derartige Nerven vorhanden. — Saefftigen und Braem bemerkten nichts von epistomalen Nerven. Zum Schluß noch einige Worte über die Innervierung der Tentakelscheide und der Koloniewand. Erst Hyatt läßt jederseits vom Ganghon, distal vom epistomalen Nerven, aus der gemeinschaftlichen Wurzel der brachialen und oralen Nerven einen Ast zur Endocyste abgehen, konnte ihn aber nicht weiter ver- folgen. — Verwobn erwägt rein theoretisch die Möghchkeit eines kolonialen XcTvensystems gerade hei Cr istatella, hält es aber schUeßlich doch für überflüssig. — Als völlig sicher betont Kraepelin das gänzliche Fehlen von Nerven sowohl an der Tentakelscheide als an der Koloniewand. — Demgegenüber stehen die Be- obachtungen Saefftigens, der aus der Aboralfläche des Ganglions nach der Ventralseite zwei Nerven entspringen sah, die im Dissepiment verlaufen und schließlich auf der Subösophagealseite an die Leibeswand gelangen, wo sie sich verbreiten. Dorsalwärts sollen mehr als zwei Nerven aus dem Ganglion austreten, die, im dorsalen Teil des Dissepiments verlaufend, sich gabeln und in einer An- zahl von Zweigen an die Körperwand treten. Auf der Tentakelscheide vermochte er weder diese noch die ventralen Nerven zu verfolgen. — Die dorsalen Nerven hat Braem wohl auch gesehen, läßt sie aber zum Enddarm ziehen. Über etwa vorhandene Körperwandnerven bemerkt er nichts. Ob den ectoprocten Bryozoen Sinnesorgane zukommen, erscheint allen Autoren mehr oder weniger zweifelhaft Allman spricht sie ihnen ab, wenn nicht etwa das Epistom sich als ein solches erweisen sollte. — Nitsche bemerkte an den Tentakeln von Alcyonella steife Borsten,, die er für Tastborsten hielt. — Auch Verworn, Kraepelin imd Braem haben diese Gebilde gesehen, nicht aber die Sinneszellen selbst, denen sie aufsitzen. — Saefftigen sagt nichts von Sinnes- zellcn an den Tentakeln, wohl aber beschreibt er solche im Epithel der Kelch- membran. Das ist im wesentlichen alles, was bis jetzt über das Nervensystem der Bryo- zoen bekannt wurde. Eine Fülle von zum Teil bewimderungswürdig feinen Be- obachtungen hegt vor, und doch ist es schwer, aus der Gesamtheit der sich viel- fach widersprechenden Angaben das richtige Bild herauszuschälen. Gerade die genaueste und ausführlichste Darstellung, welche Saefftigen gegeben hat, bleibt wegen des gänzlichen Fehlens von Abbildungen einigermaßen unsicher. Zudem wird sie von einem so zuverlässigen Beobachter wie Braem nur in wenigen Pmik- ten bestätigt. 21* 314 Adolf Gerwerzhagen, III. Technisches. Unsere mangelhafte Kenntnis des Nervensystems der Bryozoen ist weniger auf Vernaclilässigung dieses Gebietes als auf technische Schwie- rigkeiten zurückzuführen. Heben sich doch am ganzen gefärbten Tier nicht einmal die centralen Teile deutlich ab. Die Rekonstruktion von Schnitt- serien, wie sie vor allem Kraepelin,Saefftigen und Bkaem versuchten, verhalf zwar zu einer genaueren Kenntnis dieser Teile, scheiterte aber an der außerordentlichen Feinheit der peripheren Nerven. Es lag also auf der Hand, daß, wenn es mir überhaupt gelingen sollte, zu einer eini- germaßen erschöpfenden Kenntnis des Nervensystems zu kommen , dies nur durch Anwendung neuer Methoden möglich sein konnte. Vor allem mußte ich daran denken, systematische Versuche mit den verschiedenen specifischen Nervenfärbungsmethoden anzustellen. Eine Reihe neuerer Autoren sind dem gleichen Gedanken gefolgt, kamen aber zu keinem Ergebnis. Kraepelin behauptet geradezu, daß das Nervensystem der Bryozoen durch specifische Färbungen nicht darstellbar sei ; Calvet kam zu dem gleichen Ergebnis bei den marinen Ectoprocten, und selbst einem so gewiegten Techniker wie Retzius versagten alle be- kannten Methoden bei Phylactolaemen. — Obgleich also die Aus- sichten nicht sonderlich verlockend schienen, probierte ich nachein- ander die ApATHYsche Nachvergoldung, die Silbermethoden von Cajal und BiELSCHOWSKY und schließhch die EHRLiCHsche Lebendfärbung mit Methylenblau. Zunächst schien mir die CAJALsche Silberimprägnierung nach Aceton- fixierung und nachheriger Reduktion mit Hydrochinon am aussichts- reichsten; bald aber erzielte ich mit der EHRLiCHschen Methode so schöne Resultate, daß ich mich auf diese beschränkte. Vor allem auch deshalb, weil diese Methode, wenn sie gelingt, die einfachste und wenigst zeitraubende ist. Sie ermöglichte es mir, die gesamten vor- liegenden Untersuchungen am Totalobjekt auszuführen. Was die Fixierung betrifft, so geben die beiden bekannten Me- thoden, die mit Ammonpikrat wie die von Betiie in die Technik ein- geführte mit Ammonmolybdat, erst bei Zusatz von etwas Osmium- säure gute Resultate. Es ist zu beachten, daß man nicht zuviel Osmium- säure zusetzt, da sonst zu starke Bräunung eintritt, welche die Total- untersuchung erschwert. ' Bezüglich der Färbung ist folgendes zu be- merken. Es empfiehlt sich, stets mit frischer Methylenblaulösung zu arbeiten und für die Färbung recht lebenskräftige Kolonien mit mög- lichst großen Einzeltieren auszusuchen. Ich pflegte die Kolonien in Beiträge zur Ktnntnis der Bryozoen. I. 315 mit Aquarienwasser gefüllte Petrischalen zu bringen und dann er^t Methylenblaupartikelchen zuzusetzen, bis das Wasser eine ziemlich kräftige blaue Farbe annahm. Je nach der Stärke der Lösung tritt die Färbung früher oder später ein; den richtigen Augenblick gilt es abzupassen und dann — bevor der Höhepunkt der Färbung erreicht ist — die Tiere zu betäuben, um die sonst unfehlbar eintretende Ein- ziehung zu verhindern. Ich verwendete dazu stets Kokain, das ich in fester Form der Farblösung direkt zusetzte. Nach erfolgter Betäubung spült man kurz in Wasser ab, um dann bis zu 24 Stunden in einem der obigen Gemische zu fixieren. Da die Tiere in zu starker Methylenblaulösung bald absterben, anderseits aber eine starke Lö- sung wegen der schneller, oft schon nach 1/2 Stunde erfolgenden Fär- bung bequemer ist, kann man sich so helfen, daß man die Kolonien, ehe die Tiere absterben, aus der starken in eine schwach blaue Lösung bringt. In dieser erholen sie sich rasch, und die Färbung tritt meist sehr schnell und schön ein. Auf diese Weise läßt sich die Innervierung der Tentakelkrone vollständig darstellen. Später als die Färbung der Nerven der Tentakelkrone erfolgt die der übrigen Teile des Nerven- systems, und zwar meist so, daß sich zunächst die Längsstämme der Tentakelscheide und das dazwischenliegende Ganglienzellnetz, dann die Darmnerven und schließUch erst das Ganghenzellnetz der Kolonie- wand färben. Vor allem die Innervierung der Sohle, wo die dicke äußere Gallertzellenschicht das Eindringen der Lösung erschwert, ist nach dieser Methode kaum darstellbar. Ich versuchte daher Injektionen von Methylenblau in die Leibeshöhle, Ganz gleichgültig, ob die ziem- lich starke Lösung mit gewöhnlichem W^asser oder mit physiologischer Kochsalzlösung hergestellt war, trat, ohne daß die Tiere durch das injizierte Methylenblau geschädigt zu sein schienen, sehr bald die Färbung des kolonialen Nervensystems ein. Wirkte auch noch Me- thylenblau von außen ein, so erhielt ich bisweilen ziemlich vollständige Darstellungen des gesamten Nervensystems. Um das Nervennetz des Darms recht deutlich zu bekommen, läßt man die Tiere vorteilhaft einen Tag hungern, da der Darm frisch gefangener Tiere meist strotzend gefüllt ist, und seine Undurchsichtigkeit die Beobachtung erschwert. Es bedarf dazu keiner besonderen Veranstaltungen, scheitert doch das Halten von Cristatellen in Aquarien bedauerlicherweise stets daran, daß die gefräßigen und mit einer kolossalen Verdauungsfähig- keit begabten Tiere nicht genügend Nahrung finden. Ich glaube damit alles angeführt zu haben, was für die Methylen- blaufärbung von Bedeutung ist. Eines möchte ich noch hinzufügen. 316 Adolf Gerwerzhagen, nämlich, daß oft trotz Erfüllung aller Vorbedingungen, die Färbung ausbleibt oder sich nur auf wenige Individuen beschränkt. Absolut gleichaussehende Tiere können unter denselben Bedingungen sich doch ganz verschieden schnell färben. Da außerdem die Entfärbung sehr bald, nachdem der Höhepunkt der Tinktion erreicht ist, eintritt, so wird es niemals gelingen, alle Tiere einer Kolonie gefärbt zu erhalten. Es empfiehlt sich deshalb, stets mit reichlichem Material zu arbeiten. Man wird dann aus der Gesamtheit der gefärbten Tiere das vollständige Bild leicht rekonstruieren können. IV. Beschreibung des Nervensystems von Cristatella mucedo Cuv. A. Centralnervensystem. Im folgenden will ich versuchen, in systematischer Weise die Resultate meiner Untersuchung darzulegen. Wie aus den vorhergehenden Abschnitten schon ersichtlich, be- steht das Nervensystem aus einem supraösophagealen Ganglion, den durch Ausstülpung desselben entstandenen Ganglionhörnern, einer Reihe von Nervenstämmen und typischen Ganglienzellnetzen (Taf . XII, Fig. 1 und Textfig. 1). Das Ganglion wurde von Kraepelin und Braem schon ziemlich genau beschrieben. Ich kann daher hier im wesentlichen nur die Er- gebnisse dieser Forscher bestätigen. Es entsteht embryonal durch Invagination und liegt beim erwachsenen Tier als querovale Blase, dicht analwärts vom Ursprung des Epistoms, der Dorsal wand des Oesophagus an, befestigt durch das hier vom Oesophagus abgehobene und das Ganglion auf der Dorsalseite umschließende Endothel der Leibeshöhle. Der Hohlraum der Blase ist zum Teil reduziert infolge der mächtigen Entwicklung der dorsalen und basalen Wand, wo ein ringförmiger Wulst, gebildet von einer großen Zahl konzentrisch ver- laufender Fibrillen, nach innen vorspringt (Textfig. 2, S. 318). Da- her erscheint die Dorsalwand des Ganglions in der Seitenansicht nieren- förmig. Zwischen der apicalen und basalen Hälfte des Wulstes läßt sich eine besondere Verdickung unterscheiden, das von Braem so- genannte Basalstück, welches vom Wulst ringförmig umschlossen wird (Taf. XIII, Fig. 11). Der dem Oesophagus anliegende Teil der Gan- glionwand ist sehr dünn und wurde deshalb von den älteren Autoren übersehen. Sie mußten so naturgemäß dazu kommen, dem ganzen Ganglion eine nierenförmige Gestalt zuzuschreiben, die, wie bemerkt, nur der Dorsalwand zukommt. Der histologische Bau des Ganglions ist nur ungenügend bekannt. Beiträge zur Kenntnis der Bryozoen. I. 317 Da ich inicli in dieser Arbeit auf die Ergebnisse meiner Untersuchungen an Totalpräparaten beschränken will und erst in einem weiteren Bei- Textfig. 1. Schematisches Bild eines Einzeltieres von Cristaiella, Ansicht auf die linke Seite: Tentakeln größtenteils abgeschnitten gedacht. Die wichtigsten Xenenbahnen eingezeichnet, Radial- nervenseitenäste weggelassen und Ganglieiizellnetz der Tentakelscheide nur angedeutet. Ep, Epistom. oig Adolf Gerwerzhagen, tra<.e zusammen mit der Histologie der übrigen Gewebe, auch die de» Nervensystems behandeln möchte, kann ich hier nur d,e wemgen •^^ -^ Tatsachen anfuhren, die sich am Totalpräparat ergeben haben. Die Ganglienzellen, welche, wie Kraepelin ausge- führt hat, und wie ich mich selbst an gele- gentUch angefertigten Schnittserien überzeu- gen konnte , vor allem den äußeren Belag des Gan- glions und die Ausklei- dung seiner Höhle bil- den, sind alle von glei- cher Größe, relativ klein, spindelförmig mit gros- sem ovalem Kern. Ob neben vorwiegend bi- polaren Zellen auch uni- und multipolare vor- kommen, war nicht zu entscheiden, da sich mit Methylenblau immer nur sehr wenige Ganglien- zellen darstellen ließen (Taf.XIII,Fig.ll). Bes- ser als diese färbten sich die Fibrillen, welche im Ringwulst circulär ver- laufen, im übrigen aber, zu gröberen oder feine- Textfig. 2. ^g^ Bündeln verfloch- Schnitte durcli das Ganglion. A: Querschnitt in der Richtung nlpxUSarti«^ in der Linie ./auf Tig. B u. C; B: Horlzontalsehmtt m der teu, Slch plCXUSartl Richtung der Linie cd auf Fig. A u. C; C: Medianer Sagittal- ^^^ ^^^^^ ^^j. GangllOU- schnitt in der Richtung der Linie ah auf Fig. A u. B. ^^^^^ verbreiten. Auf der Analseite sitzen dem Ganglion apicalwärts^ zwei mächtige Arme auf, die Ganglionhörner, (Taf.XII, Fig.2), wie sje N^^«^«- ^erei treffend genannt hat. Sie entstehen embryonal als Auswüchse des \«V^^ fÜangl.Horn ^r — ' ax-Han. Basa/sHJcM Beiträge zur Kenntnis der ßryozoen. 1. 319 Ganglions und lassen im Innern einen Kanal erkennen, der mit der Hirn- liöhle komnumiziert (Tat. XIII, Fig. 11 und Textfig. 2 S. 318 r/a:.Ä'(m.). Demnach sind sie morphologisch zum Centralnervensystem zu rechnen. Vom Ganglion aus ziehen die Ganglionhörner zunächst schräg lateral- wärts, biegen dann nach der Dorsalseite um und treten in die Lophophor- arme ein, wo sie in der Medianebene des betreffenden Arms unter dem ectodermalen Epithel der Decke verlaufen. Gegen das Distalende der Arme zu werden sie allmählich dünner und enden schließlich ein Stück von der Spitze der Lophophorarme entfernt (Taf. XII, Fig. 1 u. 2.) Der feine Kanal ist ziemlich weit in die Hörner hinein zu verfolgen. Von der apicalen Hälfte des Eingwulstes aus ziehen Bündel von Nerven- fasern in die Ganglionhörner hinein. Ein axiales dickes Bündel ver- läuft regelmäßig basalwärts vom Centralkanal, plexusartig verflochten mit einigen weiteren Bündeln seitlich und apical vom Kanal. Diese Faserstränge durchziehen in wechselnder Anordnung die ganze Länge der Ganglionhörner (Taf. XII, Fig. 2, 3, 4; Taf. XIII, Fig. 7 u. 10). Ver- flochten mit ihnen sind feinere Bündel und Einzelfasern, die am Ursprung der Ganglionhörner in den schon erwähnten Faserplexus übergehen, der sich in der Wand des Ganglions verbreitet. Ich muß an dieser Stelle bereits hervorheben, daß m allen Fällen, wo ich den Ausdruck Nervenfasern gebrauche, diese nicht ohne weiteres zu identifizieren sind mit den in den Zeichnungen dargestellten Ele- menten. Letztere sind ausschließlich Neurofibrillen. Nur diese ver- mochte ich, wie das im Wesen der Methylenblaufärbung begründet hegt, scharf zu erkennen. Bezüglich der Ganglienzellen in den Ganglionhörnern ist zu be- merken, daß sie in der Basis der Hörner dicht gehäuft liegen (Taf, XII, Fig. 4). distalwärts dagegen stets zu Gruppen vereinigt sind, die sich hauptsächlich an den Wurzeln der später zu besprechenden Radial- nerv'en finden (Taf. XII, Fig. 2 u. 4). Dazwischen sind allerdings weitere Ganglienzellen in geringerer Anzahl verteilt. Eine strenge Scheidung in Faser- und Zellschicht ist in den Ganglionhörnern nicht vorhanden. Die Ganglienzellen (Taf. XIII, Fig. 7 G.Z.) entsprechen in Größe und Form vollkommen denen des Ganghons. Sie sind wie diese spindel- förmig und besitzen einen relativ großen Kern. Nur ganz minimale Größenunterschiede kann man an den durchweg bipolaren Zellen be- obachten. Für ziemhch sicher halte ich, daß die in die Zelle eintretende Fi- brille sich zu einem den Kern umhüllenden Gitter aufsplittert, (Taf. XIII, Fig. 7 u. 10 G.Z.), doch scheint die Methylenblaumethode für eine voll- 320 Adolf Gerwerzhagen, kommen klare Darstellung dieser Gebilde nicht geeignet zu sein. Frag- lich ist auch, ob dieses Verhalten allgemein gültig ist. Nähere Angaben über den Fibrillenverlauf werden erst im Anschluß an die jetzt zu bespre- chenden Radialnerven vorzubringen sein. B. Innervierung der Tentakeln. Die von Saefftigen beschriebenen Radialnerven entspringen zum größten Teil von den Ganglionhörnern, zum Teil aber auch vom Ganghon, die letzteren unter Bildung eines dorsalen ( = epistomalen) und eines ventralen (= oralen) Nervenringes (Taf. XII, Fig. 2). Sie dienen im wesentlichen zur Innervierung der Tentakeln. Ihres ein- facheren Verlaufs wegen beginne ich mit den Radialnerven, welche von den Ganglionhörnern entspringen. Betrachtet man letztere von der Apikaiseite, so bemerkt man zuweilen schon am ungefärbten Objekt seitliche Verdickungen der Hörner, und zwar immer dort, wo die Quersepten der Lophophorarme deren Leibeshöhlenraum einengen. An diesen Stellen, also intertentakulär, entspringen nun, meist lateral und medial fast genau sich entsprechend, nach beiden Seiten die Ra- dialnerven. Daß die Radialnerven auf der Lateral- und Medianseite der liophophorarme sich völKg entsprechen, ist natürlich nicht mög- lich, da wegen der größeren Tentakelzahl auf der Lateralseite auch die Zahl der Radialnerven auf dieser Seite überwiegt. Am Ursprung der Radialnerven liegen Gruppen bipolarer Ganglienzellen, von welchen Nervenfasern ausgehen, zu denen aber noch viele direkt aus den Hörnern tretende sich gesellen. Erst in einiger Entfernung von den Hörnern vereinigen sich die Fasern zu einem Radialnerv (Taf. XII, Fig. 2). In dieses Wurzelsystem sind oft einzelne Ganglienzellen hineingerückt. Nachdem sich die Wurzelfasern zum Radialnerv vereinigt haben, zieht dieser unter dem ectodermalen Epithel der Lophophorarmdecke lateralwärts, biegt am Armrand apicalwärts um und verläuft zunächst wie bisher intertentakulär zwischen die Basis zweier Tentakeln (Taf. XII, Fig. 1 ; Taf. XIII, Fig. 6). Dort gabelt er sich. Die beiden Äste treten in die beiden benachbarten Tentakeln und sind unter deren proximalem und distalem (in bezug auf den ganzen Lophorarra) Epithel bis zur Tentakelspitze zu verfolgen. In jeden Tentakel ziehen also, wie Saefftigen bereits feststellte, zwei Nervenäste, die zwei benachbarten Radialnerven entstammen. Sie sind aber nicht die einzigen Nerven, welche in die Tentakeln ein- treten. Schon an seiner Umbiegungsstelle gibt jeder Radialnerv beider- seits einen dünnen Seitennerv ab (Taf. XII, Fig. 3), und dieser Vorgang Beiträge zur Kenntnis der Bryozoen. I. 321 wiederholt sich bis ziu' Gabehing des Radialnervs noch drei- oder vier- niah Es vereinigen sich nun jeweils die proximalen Seitenzweige eines Radialnervs nacheinander mit den distalen des proximalen Nachbars, so daß schließlich ein lockerer Plexus von Fasern in den Tentakel ein- tritt, der zwischen den Radialnerven liegt, von denen sie entspringen. In» Tentakel verlaufen die Fasern auf der Medianseite, aber wie der proximale und distale Tentakelnerv un- mittelbar unter dem Ectoderm. In Taf. XII, Fig. 3, habe ich den Modus, nach welchem dieser Nervenplexus durch Vereinicfunfr von Seitenzweigen der Eadialnerven entsteht, genau ab- \ ^ Helch. Mmbn. latPlexTenk gebildet. Man erkennt leicht, daß im einzehien erhebliche Modifikationen vorkommen können. Auffällig ist die Feinheit der Seitenzweige, die bis auf den distalsten nur wenige Fibrillen enthalten. Kurz vor der Gabelung des Radial- nerven gibt dieser noch einen äußerst feinen Nerven nach beiden Seiten ab. Auch hier vereinigen sich die proximal abbiegenden Fasern des einen Radial- nervs mit den distalwärts ziehenden des proximalen Nachbars, genau wie es für die mehr basal entspringenden Seitennerven schon beschrieben ist. Während letztere jedoch nach ihrer Vereinigung auf der Medianseite der Tentakeln verlaufen, biegen diese late- ralwärts und ziehen auf der Außen- seite unter der Ansatzlinie der Kelch- membran gegen die Tentakelspitze hin (Textfig. 3). Insgesamt durchziehen also jeden Tentakel vier Systeme von Nervenfasern: ein proximaler und distaler Nervenstamm, ein lockerer Plexus auf der Medianseite und ein entsprechender, aber äußerst zarter Plexus auf der Lateralseite. Weder in diese Nerven, noch in die sie erzeugenden Radialner- ven sind Ganglienzellen eingeschaltet. Was von solchen vorkommt, be- Textfig. 3. Lateraler (Äußerer) Nervenplexus der Ten- takeln. Tentakel, Kelchmembran, Radial- nerven und die motorischen Tentakelnerven schematisiert. Der auf der Innenseite ver- laufende Tentakelplexus weggelassen. 322 Adolf Gerwerzhagen, schränkt sich auf die schon erwähnten Zellen, die bisweilen aus den Ganglionhörnern in die Radialnervenwurzeln gerückt sind (Taf. XIII, Fig. 7 c). pie gegenteiligen Angaben von Kraepelin, Saeffti- GEN und Bkaem kann ich also nicht bestätigen. Der verschiedenartige Ursprung und Verlauf der Tentakelnerven legt es nahe, an eine Differenzierung in motorische und sensorische Nerven zu denken. Schon Saefftigen vermutete dergleichen, da er außer den Gabelästen des Radialnervs in jeden Tentakel ein Paar feiner Seitennerven ziehen sah. In der Tat ist nun ein funktioneller Unterschied feststellbar, in- dem der proximale und der distale Nerv höchstwahrscheinlich die Ten- takelmuskeln innervieren, während die Fasern des medianen Plexus in epithelialen Sinneszellen endigen (Taf. XIII, Fig. 6). An der Basis der Tentakeln stehen diese in Reihen gedrängt, aber nur auf der Median- seite oder etwas lateral, was ja verständlich ist, da sich auf der Außen- seite die Kelchmembran ausspannt. Weiter distal am Tentakel liegen die Sinneszellen auch lateral und außen, jedoch in größeren Abständen. Die Sinneszellen (Taf. XII, Fig. 5) sind stets zwischen die Epithel- zellen eingeschaltet. Sie sind klein, spindelförmig, mit ovalem bis kugeligem Kern von relativ beträchtlicher Größe, gleichen also auf- fällig den Ganglienzellen des Centralnervensystems, von denen sie sich nur durch den Besitz einer langen, steifen Endborste unterscheiden, welche an die Stelle des zweiten Nervenfortsatzes der bipolaren Gan- glienzellen tritt. Bis gegen das Tentakelende findet man Sinneszellen. Braem ver- mutete am Tentakelende selbst ein besonderes Sinnesorgan, weil dort im Tentakel ein kleiner Hohlraum durch eine Querwand vom übrigen Tentakellumen abgetrennt wird und durch einen feinen Spalt mit der Außenwelt in Verbindung steht. Ich muß diese Frage offen lassen, da meine Präparate am Tentakelende nie eine Färbung von Sinnes- zellen zeigten. Nur die Fasern des medianen Nervenplexus endigen mit den beschrie- benen Sinneszellen. Die proximalen und distalen Nerven treten dagegen allem Anschein nach in Beziehung zu den Muskelzellen der Tentakeln. Bei meinen bis jetzt vergebhchen Bemühungen, motorische Nervenendi- gungen zu finden, färbten sich oft die Muskelzellen sehr schön mit Methylenblau. Dabei zeigte sich, daß letztere eine ganz charakteristi- sche Form besitzen (Taf. XIII, Fig. 14 u. 15). Von dem in der Mitte liegenden Kern zieht sich die Zelle distalwärts (in bezug auf den ein- zelnen Tentakel) in einen schmal lappenförmigen Fortsatz aus, während Beiträgo zur Kenntnis ilcr Hiyozoiii. I. 323 sich zwei längere, spitz endende Fortsätze nach der Tentakelbasis er- strecken. Dabei ist der distale Fortsatz einer Muskelzelle stets zwischen die beiden proximalen Fortsätze der distal folgenden Zelle eingekeilt. Die Muskulatur ersclieint als einfache Fortsetzung der der Lophophor- arine, da sie am Tentakelgrunde in letztere übergeht. Ganz unklar blieb die Funktion der Nervenfasern an der äußeren Tentakelseite. Ich vermute, daß sie sensorisch sind, doch konnte ich vorerst keine Verbindung mit Sinneszellen nachweisen. Da alle Nerven eines Tentakels aus dem Radialnerven hervor- gehen, muß dieser sowohl motorische als sensorische Fasern enthalten. Mit dieser funktionellen Differenzierung ist jedoch eine histologische nicht verbunden. Alle Fibrillen sind gleich dick und auch sonst in nichts verschieden. Wegen der großen Zahl der im Radialnerven vorhandenen Fibrillen ist es leider nicht möglich, eine einzelne in ihrer ganzen Länge zu ver- folgen. Es läßt sich daher nicht sicher entscheiden, ob die Fibrillen völlig getrennt verlaufen, wie man theoretisch fordern müßte, oder ob sie durch Teilung und Anastomosen in Beziehung zueinander treten. Am Ursprung des Radialnerven ziehen die Neurofibrillen durch die hier gehäuft stehenden bipolaren Ganglienzellen hindurch, um dann in der axialen Fasermasse des Ganghonhoms zu verschwinden (Taf. XIII, Fig. 7 h). Man beobachtet aber stets, daß ein Teil der Fibrillen diesem Verhalten nicht folgt, sondern unter Vermeidung der Ganglienzellen entweder gleich in die Axialbündel übergeht (Taf. XIII, Fig. 7 a), oder aber das Ganglionhorn durch-cjuert und zu den gegenüberliegenden Radialnerven tritt (Taf. XIII, Fig. 10 b, c). Andre Fibrillen verlaufen längs dem Seitenrande des Ganglionhorns und stehen in Verbindung mit Fibrillen benachbarter Radialnerven (Taf. XIII, Fig. 10 d). So scheint für eine diffuse Ausbreitung jeder Erregung über die ganze Tentakelkrone gesorgt zu sein. Nicht überall entspricht der Bau der Radialnerven der hier ge- gebenen Darstellung. Erhebliche Abweichungen kommen vor; sie beziehen sich aber stets nur auf den basalen Teil dieser Nerven, vor allem auf ihr Wurzelsystem. Vom Distalende der Ganglionhörner bis in die Nähe ihres Ursprungs aus dem Ganglion zeigen die Wurzelfasern der Radialnerven das gleiche Verhalten. Sie entspringen in unregelmäßi- ger Verteilung getrennt voneinander und treten nahe den Seitenrändern des Lophophorarms zur Bildung des Radialnervs zusammen (Taf. XII, Fig. 2 u. 3, Taf. XIII, Fig. 7 u. 10 Wurz.Rad.N.). An der Basis der Lophophorarme erscheint das Wurzelsystem der Radialnerven mehr 324 Adolf Gerwerzhagen, in die Länge gezogen. Immer deutlicher tritt die Tendenz hervor, die Wurzelfasern in zwei Hauptwurzeln zu vereinigen, die, in einigem Ab- stände voneinander entspringend, in spitzem Winkel zusammenlaufen, um einen Radialnerv zu bilden (Taf . XII, Fig. 2 u. 3). Ganz am Ursprung der Gauglionhörner tragen letztere seitliche lappenartige Vorsprünge, in welche die zur Versorgung der Radialnerven nötigen Ganglien- zellen hineingerückt sind. Diese Vorsprünge bilden die gemeinsame Basis zweier nicht zusammen gehöriger Hauptwurzeln, also stets der distalen Wurzel eines Radialnervs und der proximalen des distal darauf folgenden (Taf. XII, Fig. 2 u. 4). Am Ganglion selbst erreicht dieser Prozeß seinen Höhepunkt, indem die apicale Fläche des Ganglions lappenartig verbreitert und ausgezogen erscheint. Von den seitlichen Verbreiterungen gehen sekundäre Vorsprünge aus, die dann erst als gemeinsame Wurzelbasis dienen (Taf. XII, Fig. 2 u. 4). Da zwischen den Vorsprüngen noch Querverbindungen auftreten, und zuweilen auch mehr als zwei Wurzeln zu einem Radialnerven sich vereinigen können, dabei aber alle diese Bildungen im einzelnen großen Variationen unterliegen, so gestalten sich die Verhältnisse recht kompliziert. C. Nervenringe. Sowohl der epistomale oder dorsale als auch der orale oder ventrale Nervenring (Taf. XII, Fig. 2) werden von Radialnerven gebildet. Was den epistomalen Ring betrifft, so steht er in enger Beziehung zu der eigentümlichen Bildungsweise der Tentakeln in der Lophophorarmbucht. Da sich dort das Epistom einschiebt, ist die Bildung der Tentakeln, welche stets von der Wand der Lophophor- höhle erfolgt, nur dadurch ermöglicht, daß von der Lophophorhöhle ein Kanal ausgeht, der das Epistom gabelförmig überbrückt. Die Wand dieses von Braem sogenannten Gabelkanales ist es, welche die fragUchen Tentakeln erzeugt. Die Radialnerven, welche zur Versorgung dieser Tentakeln dienen, können daher nur im Anschluß an diesen Gabelkanal zu ihnen ge- langen. In den beiden Innenwinkeln, welche die Gauglionhörner mit dem Ganglion bilden, trägt dessen apicale Fläche einen strangförmigen Auswuchs mit vielen Ganglienzellen (Taf. XII, Fig. 4 epist. Nerv. Ring). Die beiden Stränge folgen der Richtung des Gabelkanals, und zwar stellte Braem fest, daß sie sich unter dem Ectoderm des Mundrandes zwischen die inneren Epithelien der Epistomhöhle und des Gabel- Beiträge zur Könnt nis dor Bryozoon. F. 325 kaualö ciuscliieben. Entsprechend der Zahl der von letzterem ausgehen- den Tentakeln geben beide Stränge zusammen ohne weitere Wurzel bil- dung insgesamt fünf (seltener sieben) oder sechs Radialnerven ab. Im ersteren Falle wird der mediane, dorsale Radialnerv von beiden Strängen gemeinschaftlich gebildet; so entsteht ein geschlossener Nervenring, wie er von Saefftigen und Braem bereits vermutet wurde (Taf. XII, Fig. 4). Aber auch im letzteren Falle wird ein ge- schlossener Ring erzeugt, wenn auch auf andre Weise. Dann stellen nämlich einige wenige, nach Abgabe des dritten Radialnervs auf jeder Seite noch übrig bleibende Fibrillen die Verbindung her (Taf. XII, Fig. 2). Natürlich wird der Ring auf etwas indirektem Wege schon durch die Bildung des sensorischen Nervenplexus im medianen Ten- takel geschlossen. Auf analoge Weise entsteht der orale Nerven ring oder soge- nannte Schlundring (Taf. XII, Fig. 2 u. 4 or. Nerv. Ring). AVie dort das Epistom, so zwingt hier der Schlund die Radialnerven zur Bildung eines Ringes. Der orale Nervenring setzt sich zusammen aus den Wurzeln der Radialnerven, die vom Ganglion aus ventralwärts ziehen müssen, um die den Mund umstellenden Tentakeln zu innervieren. In der Ansicht auf die Oralfläche scheinen die Wurzeln jederseits zu einem kompakten Strang verschmolzen zu sein (Taf. XII, Fig. 2 und 4). Die Seitenansicht (Taf. XII, Fig. 3; Taf. XIII, Fig. 12 or. Nerv. Eilig) lehrt jedoch, daß hier die Bildung der Radialnerven, abgesehen von der ungemeinen Streckung ihres Wurzelsystems , durch- aus nichts Besonderes bietet, sondern völlig dem Bilde entspricht, das schon oben von den Radialnerven an der Basis der Ganglion- hörner gegeben wurde. Verfolgt man von diesen aus die sich ven- tral anschließenden, vom Ganglion selbst ausgehenden Radialnerven, deren Ursprung schon früher erörtert wurde, so sieht man, daß die nächsten noch einfach nach dem Seitenrande ziehen, die übrigen aber oralwärts umbiegen und sich, allerdings nur mit dem Wurzel- teil, dem Mundrande anlegen, wo sie zwischen dessen Ectodermlage und der inneren Auskleidung des Ringkanales verlaufen. Da alle ventralwärts ziehenden Wurzeln denselben Weg einschlagen, so wird die Entstehung von Querverbindungen zwischen ihnen begünstigt; doch kommen auch Verschmelzungen vor. Niemals führen letztere aber zur Ausbildung eines einheitlichen Stranges. Die Radialnerven der einzelnen Wurzeln helfen nicht den Nervenring bilden, sondern biegen sofort nach der Oralfläche um. Nach der ventralen Medianlinie zu nniß der orale Nervenring demgemäß immer zarter werden, bis schließlich 326 Adolf Gerwerzhagen, entweder die letzten Wurzeln beider Seiten zur Bildung eines gemein- schaftlichen, median stehenden Eadialnerven zusammentreten (Taf. XII, Fig. 4), oder die letzten Wurzeln jeder Seite für sich einen Ner- ven bilden (Taf. XII, Fig. 2). Das erstere Verhalten entspricht einer paarigen Bildung der Tentakeln, während das letztere an das Vor- handensein eines unpaaren, median stehenden Tentakels gebunden ist. Es stimmt dies völlig mit den Verhältnissen am epistomalen Nerven- ring überein. Wie dort, so ist auch hier der Ring in beiden Fällen geschlossen, bei unpaarer Tentakelzahl allerdings nur durch wenige Fibrillen. Die beiden Nervenringe zeigen somit eine weitgehende Überein- stimmung. Merkwürdig ist, daß gerade der größere orale Ring wegen der geringen Verschmelzung der Radialnervenwurzeln als der primitivere erscheint. Das erleichtert jedoch die Entscheidung der Frage, ob wir diesen Nervenring als Schlundring bezeichnen dürfen, wie das fast alle früheren Autoren taten. Der Bau des ventralen Ringes läßt keinen Zweifel an seiner Zusammensetzung aus typischen Radialnerven; mit- hin kann er erst mit der Ausbildung der Tentukelkrone entstanden sein. Dadurch wird eine Homologisierung mit dem Schlundring etwa der Anneliden, unmöglich. Um kurz zusammenzufassen, was bis jetzt über die Nerven der Tentakelkrone dargelegt wurde, kann man sagen: daß zur Versorgung der den Mund und die Lophophorarme umsäumenden Tentakeln vom Ganglion und den Ganglionhörnern die sogenannten Radialnerven ausgehen, welche sich überall in der gleichen, gesetzmäßigen, im ein- zelnen allerdings variierenden Weise in motorische und sensorische Nerven verzweigen, wobei die vom Ganglion abgehenden Radialnerven zwei Nervenringe bilden, einen epistomalen (dorsalen) und einen oralen (ventralen). D. Weitere Sinneszellen der Tentakelkrone. Außer den schon beschriebenen Tentakelsinneszellen kann man in der Tentakelkrone, vor allem um den Schlund, an den Seitenwänden der Lophophorarme und schließlich in der sogenannten Kelchmembran zahlreiche weitere Sinneszellen unterscheiden, deren Innervierung ebenfalls durch Radialnerven geschieht. An der Stelle, wo diese nach der Oralfläche umbiegen, entsenden sie ein Bündel von Fasern, das, in den Lophophorarmen schräg basalwärts im Transversalseptum ver- laufend (Taf. XIII, Fig. 12 u. 16, sens.N.Loph.Arm), am Schlund über den Ringkanal weg nach außen ziehend (Taf. XIII, Fig. 9), in jedem Falle Beiträge zur Kenntnis der Bryozoen. I. 327 zum ectodermalen Epithel der Körperwand gelangt und sich dann in eine Anzahl feiner Nerven teilt. Viele der letzteren biegen gleich oralwärts um und steigen in der Kelchmembran aufwärts, wo sie, meist nach vorhergehender Ver- ästelung, mit im Ectoderm liegenden Sinneszellen endigen (Taf. XIII, Fig. 9 Sinn.Z.Klch.Mmbr.). Die übrigen Nervenzweige verhalten sich verschieden am Schlund und in den Lophophorarmen. Am Schlund liegt gleich dort, wo das Nervenbündel die äußere Körperwand erreicht, eine Gruppe von drei bis sechs Sinneszellen, an welche der Rest der Fasern herantritt (Taf.XIIL Fig. 9 Simi.ZJIundE.). In den Lophophorarmen rücken diese Sinneszellen weiter aus- einander. Nur am Ursprung der Arme liegt da, wo das Nervenbündel sich aufsplittert, noch eine einzelne Sinneszelle, distalwärts dagegen keine mehr, indem dort sämtliche Fasern erst ein Stück in der Seiten- wand des Armes verlaufen, ehe sie mit Sinneszellen enden. Letztere sind daher in der Seitenwand der Lophophorarme ganz diffus zer- streut (Taf. XIII. Yicr.lQlat.Sinn.Z.Loph.Ärm). Während am Mundrand von den Sinneszellen nur ein Reizleitungs- weg, nämhch der zum jeweiHgen Radialnerv, auszugehen scheint, ist hier durch ein System feinster Verbindungsfasern zwischen den Fort- -ätzen aller Sinneszellen (Taf. XIII, Fig. 16 Verh.Fas.) für eine diffuse Ausbreitung der Erregung gesorgt. Möglicherweise fehlen solche ver- bindenden Nervenfasern jedoch auch am Mund nicht. Ob in der Lo- phophorbucht ebenfalls Sinneszellen vorhanden sind, die dann mit den Radialnerven des epistomalen Nervenrings zusammenhängen, konnte ich nicht beobachten. Wenn die Anordnung der Sinneszellen auch keinerlei strenge uesetzmäßigkeiten erkennen läßt, so kann man im Verlauf der zu- gehörigen Nervenfasern doch gewisse Hauptrichtungen unterscheiden, ^'or allem fällt auf, daß die feinen Nerven, welche nach Aufteilung des 'om Radialnerven kommenden Bündels unter dem Ectoderm der ^eitenwand hinziehen, im großen und ganzen nach dem distalen Ende ler Lophophorarme gerichtet sind. Dadurch wird ermöghcht, daß inzelne besonders lange Fasern, welche nicht mit Sinneszellen enden, ie Verbindung mit den vom distal folgenden Radialnerven kommenden asern herstellen. So entsteht in der Seitenwand der Arme ein parallel lit den Ganglionhörnern, aber sehr unregelmäßig verlaufender zarter, lexusartiger Nervenstrang (Taf. XIII, Fig. 12). Die Sinneszellen der Kelchmembran, des Mundrandes und der Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CVII. Bd. 22 328 Adolf Gerwerzhagen, Lophophorarme besitzen einen mit den Tentakelsinncszellen fast völlig übereinstimmenden Bau. Nur in der Zahl und der Dicke der distalen Sinneshaare scheinen Unterschiede vorzukommen. Doch konnte ich mir darüber kein endgültiges Urteil bilden. E. Innervierung des Epistoms. Einfacher als die komplizierte Innervierung der Tentakelkrone gestaltet sich die der übrigen Körperteile, also vor allem des Epistoms, der Tentakelscheide, der Koloniewand und des Darms. Im Anschluß an die Tentakelkrone betrachten wir zunächst die Innervierung des Epistoms (Taf. XIII, Fig. 11). Schon die älteren Autoren vermuteten im Epistom den Sitz besonderer Sinnesfunktionen. Es zeigt sich nun in der Tat, daß von der apicalen Fläche des Gan- glions, vor allem vom ventralen Rande eine Anzahl feiner Nerven- fasern ins Epistom eintritt und sich in der ganzen Fläche seiner ventralen Wand unter dem Ectoderm ausbreitet. Die einzelnen Fasern enden mit Sinneszellen, welche sich zwischen die ectodermalen Epithelzellen einschieben. Diese Sinneszellen (Taf . XIII, Fig. 11 Sinn. Z.Epist.) schei- nen schlanker zu sein als die der Tentakelkrone, lassen aber sonst keine Unterschiede wahrnehmen. Distal tragen sie ein einzelnes Sinnes- haar. Die Innervierung der Epistommuskeln habe ich nicht beobachtet. F. Innervierung der Tentakelscheide. , Die Nerven der Tentakelscheide sind, wenn wir von dem später , zu betrachtenden Ganglienzellnetz absehen, alle auf zwei Paar mäch- tige Faserbündel zurückzuführen, die von der aboralen Fläche de.^ Ganglions entspringen (Taf. XII, Fig. 1—4; Taf.XIII.Fig.il, 12; Taf. XIV, Fig. 26 dors. u. ventr.N.Tent.Sch.). Von den beiden Seiten- rändern der aboralen Fläche des Ganglions zieht je ein Nerv nach der dorsalen und der ventralen Körperregion. In der Wand des Ganglion- ist durch entsprechend gerichtete Faserbündel nicht nur der dorsale Nerv jeder Seite mit dem entsprechenden ventralen verbunden, sondern durch quere Fasercommissuren wird auch eine breite Verbindung dei beiden Nerven der einen Seite mit denen der andern Seite hergestelb (Taf. XII, Fig. 4). Alle diese Fasern verlaufen ganz oberflächüch ii' der Wand der Ganglionblase. : Verfolgen wir zuerst die beiden ventralen Nerven {ventr.N. Tent. Seh.) Sie ziehen zwischen den Wänden des Dissepiments, das den Ringkana nach der Aboralseite abschließt, ventralwärts, gelangen aber, ehe si Beiträge zur Kenntnis der Bryozoen. I. 329 die Ventralseite ganz erreichen, an die Körperwand und biegen dann aboralwärts um. Schon vorher spalten .sie sich in zwei Aste, so daß unter dem ectodermalen Epithel der Tentakelscheide jederseits zwei Hauptstämme verlaufen. Aber auch diese gabeln sich sofort wieder und geben eine Anzahl feinerer Seitenzweige ab, welche die einzelnen Längsnerven untereinander verbinden oder dem Grunde der Tentakel- scheide zustreben. — Ganz entsprechend verhalten sich die beiden dorsalen Nerven (Taf. XIII, Fig. 8). Sie verlaufen zunächst im dorsalen Teil des Dissepiments, erreichen dann noch lateral die Körperwand, gabeln sich wiederholt und geben Seitennerven ab ganz wie die Ventral- nerven. Die Seitenzweige verbinden nicht nur die dorsalen Längs- stämme untereinander, sondern auch mit den ventralen und erzeugen so einen weitmaschigen Plexus. In der aboralen Hälfte der Tentakelscheide splittern sich die zu- nächst recht ansehnlichen ventralen wie dorsalen Längsstränge völlig auf. Keine einzige der Fasern konnte ich über die Tentakelscheide hinaus verfolgen. Sowohl in den Verlauf der ventralen als der dorsalen Tentakel- scheidenerven sind stets einige Ganglienzellen eingeschaltet (Taf. XII, Fig. 1 G.Z.Tent.Sch.Nrv.), die sich durch ihre Größe von denen des Centralnervensystems unterscheiden, dagegen denen des gleich zu besprechenden Ganglienzellnetzes recht ähnlich sehen. In Fig. 23, Taf. XIV, ist eine dieser Ganglienzellen gesondert dargestellt. Auf- fälUg sind ihre breiten, viele Fibrillen enthaltenden Fortsätze, mit denen sie sich in den Verlauf der Nerven einschieben. Wie sich die Fibrillen im Protoplasma der Zelle verhalten, konnte ich nicht sicher erkennen. Diese Ganglienzellen der Tentakelscheidenerven finden sich nur in der Nähe des Ursprungs dieser Nerven, nie jedoch im Dissepiment, sondern stets in der Wand der Tentakelscheide. Sie liegen wie die Nerven selbst unmittelbar unter dem ectodermalen Epithel. Man könnte geneigt sein, sie für die Erzeuger der Tentakelscheidenerven zu halten. Der Verlauf der Nerven in der Tentakelscheide ist bei den ein- zelnen Individuen nicht konstant, sondern zeigt erhebliche Variationen. Schon im Dissepiment kommen kleine Abweichungen vor. Auch der Ursprung aus dem Ganglion ist nie ganz der gleiche; recht oft ent- springen die Nerven mit gegabelter Wurzel. Sowohl die ventralen als die dorsalen Nerven sind in ihrem Ur- sprungsteil breit, aber bandartig dünn, so daß sie im Querschnitt kaum 22* 330 Adolf Gerwerzhagen, hervortreten. Weiter distal werden sie immer sclimaler und zarter und führen in den Endverzweigungen und den feineren Seitennerven schließheh oft nur eine einzige Fibrille. In den Hauptlängsstämmen lassen sich dagegen, besonders im Anfangsteil, stets zahlreiche Fibrillen unterscheiden. Unter den querverlaufenden Seitennerven treten vor allem die- jenigen hervor, welche zur Innervierung eines Teiles der Retractoren der Tentakelscheide dienen. Im Dissepiment und mehr noch im vor- dersten Teil der Tentakelscheide verbinden diese Seitennerven die dor- salen mit den ventralen Hauptstämmen. Dort wo die Muskelfasern am Dissepiment und an der Tentakelscheide inserieren, breiten sich die Nerven plexusartig aus. Zarte Nervenf äserchen, die an die Muskeln herantreten, begleiten diese vielleicht, wahrscheinlich erfolgt die Inner- vierung aber schon an der Ansatzstelle der Retractoren (Taf. XII, Fig. 1 und Taf. XIII, Fig. 12 Plex.Retr.). Alle Nerven der Tentakelscheide, welche auf die dorsalen und ventralen Hauptstämme zurückzuführen sind, liegen wie diese außer- halb der gut ausgebildeten Ringmuskellage, also unmittelbar unter dem Ectoderm. Innerhalb von der Muskellage verbreitet sich mm das schon mehrfach erwähnte Ganglienzellnetz (Taf. XIII, Fig. 13), welches durch nach außen ziehende und die Muskellage durch- querende Fortsätze mit den äußeren Nerven verbunden ist (Taf. XIV, Fig. 17). Die Zellen dieses Netzes sind beträchtlich größer als die des Central- nervensystems. Äußerst selten besitzen sie nur zwei Fortsätze, meist drei bis fünf. Alle Fortsätze zeigen ein gleiches Verhalten. Sie werden bald nach Verlassen der Ganglienzelle sehr dünn und erreichen oft deren 20fache Länge (Taf. XIV, Fig. 18). Derartig riesige Fort- sätze ziehen an der Tentakelscheide nur längs; die quergerichteten sind stets kürzer. Die meisten Fortsätze verbinden die Ganglienzellen untereinander. Es kann nicht der geringste Zweifel bestehen, daß es sich dabei nicht nur um Kontakt handelt. Der Fortsatz der einen Zelle geht ohne weiteres in den der benachbarten über. Daher ist es ganz unmöglich, festzustellen, wo der Fortsatz der einen Ganglienzelle auf- hört und der der nächsten anfängt (Taf. XIII, Fig. 13 a, h, c). Die Ganglienzellen sind relativ plasmareich. Der ovale bis läng- liche, selten nierenförmige Kern zeigt wabige Struktur. Dem Proto- plasma sind fast stets mit Methylenblau sich stark färbende Schollen eingelagert. Vor allem liegen diese an der Basis der Fortsätze. Oft schien es mir, als umgebe den Kern ein Fibrillengitter, und dann lagen Beiträge zur Kenntnis tler Bryozoen. I. 331 die Schollen an den Kreuzungsstellen der Fibrillen. Doch gelang es mir nie, durch Methyleublaufärbung, welche dafür allerdings nicht so geeignet zu sein scheint wie andre Nervenfärbungsmethoden, derartige Gitter ganz deutlich darzustellen, weshalb ich ihre Existenz nur ver- muten kann. Die vorhandenen Unterschiede im färberischen Ver- halten verbieten, die Schollen als tigroide aufzufassen. In den Fortsätzen sind Fibrillen nicht unterscheidbar. Allerdings übertrifft ihr Durchmesser auch nicht viel den einer einzelnen Fibrille. 31an wird aber trotz des Fehlens deutlicher Fibrillen an der nervösen Natur der Zellen nicht zweifeln können. Wenn schon die oft kolossale Länge der Fortsätze (Taf. XIV, Fig. 18) für Bindegewebszellen merk- würdig wäre, so sind es jedoch besonders zwei Gründe, die mich be- stimmen, an der nervösen Natur der Zellen festzuhalten: einmal die zahlreichen Anastomosen mit echten, fibrillenführenden Nerven und dann der Umstand, daß, wie später zu erörtern sein wird, an der Kolonie- wand, w^elcher eigentliche Nerven ganz fehlen, nur die Fortsätze dieser Zellen für die Reizleitung in Anspruch genommen werden können. Ob die Fortsätze dabei lediglich protoplasmatische Verbindimgen darstellen, wie es in der Tat der Fall zu sein scheint, oder ob schon Fibrillen in ihnen differenziert sind, scheint gleichgültig, denn dadurch dürften doch wohl nur quantitative Unterschiede in der Reizleitungs- fähigkeit bedingt sein. Die geschilderten Ganglienzellen stehen bei jungen und alten Individuen gleich dicht. Schon daraus ergibt sich die Notwendigkeit einer Vermehrung der Zellen. Daß diese durch Teilung der vorhan- denen Zellen erfolgen muß, scheint selbstverständlich. Ich konnte nun zwar die Teilung selbst nicht beobachten, aber Stadien wie in Fig. 19 — 22, Taf. XIV, die bei der Fixierung zufällig festgehalten wurden, bestätigen wohl zur Genüge meine Vermutung. An späterer Stelle werde ich darauf noch zurückkommen müssen. Da an der Tentakelscheide nur wenige, ungenügend beobachtete Sinneszellen vorhanden sind, liegt es nahe, sowohl für ihr Ganglien- zellnetz als auch für die Nervenstränge motorische Funktion anzuneh- nehraen. Um das zu entscheiden, versuchte ich, auch die Muskelzellen der Tentakelscheide mit Methylenblau darzustellen, und gelangte dabei zu recht merkwürdigen Resultaten. Nach NiTSCHEs Angaben, denen sich Kraepelin und Braem anschließen, besteht die Muskulatur der Tentakelscheide nur aus einer schwach ausgebildeten Längsfaserlage, An meinen Präpara- 332 Adolf Gerwerzhagen, ten zeigte sich dagegen, daß in der Hauptsache eine Ringmuskel- schicht entwickelt ist. Die Zahl der längsgerichteten Muskelfasern ist verschwindend gering. Die einzelnen Muskelzellen sind bandförmig und besitzen in der Mitte den ovalen Kern, welcher stets aus der die contractilen Fibrillen enthaltenden Lage herausgerückt erscheint und der Zelle oft seitlich anliegt. Die Fibrillen sind zum Unterschied von denen der Nerven nur als Punktreihen erkennbar (Taf. XIV, Fig. 25). Während des individuellen Wachstums wird die Zahl der Muskel- zellen durch Teilung andauernd vermehrt. Die neugebildeten Zellen behalten meist die quere Richtung bei, zuweilen jedoch stellen sie sich mehr oder weniger schräg. Nur ganz selten gehen sie in die Längs- lage über, vielleicht ausschließlich dann, w^enn schon der eine Fortsatz der Mutterzelle zu dieser eine Winkelstellung eingenommen hat. Während diese Verhältnisse sich schon an gew^öhnlicheu gefärbten Präparaten erkennen lassen, zeigt sich bei der Lebendfärbung mit Methylenblau, daß die einzelnen Muskelzellen durch zarte Protoplasma- brücken verbunden sind (Taf. XIV, Fig. 25 Plasmodesm.). Unmittelbar nach vollzogener Teilung, also wenn die Muskelzellen noch eng nebeneinander liegen, sind ihre Verbindungen breit und kräftig. Je weiter die Zellen auseinander rücken, um so feiner er- scheinen die Fortsätze, und um so mehr verästeln sie sich. Es liegt auf der Hand, daß durch diese f einfädigen Plasmodesmen der Muskelzellen das Auffinden motorischer Nervenendigungen unge- mein erschwert wird. Ich glaube aber doch feststellen zu können, daß die Innervieruug der Tentakelscheidenmskulatur sowohl durch die außen darüber wegziehenden Nerven als durch das nach innen sich anschließende Ganglienzellnetz erfolgt. Die Endigungen selbst zu beobachten, gelingt deshalb nur selten, weil die Nervenfasern und Ganglienzellfortsätze nach innen, bzw. außen biegen müssen, um au die Muskelfasern herantreten zu können. Um jede Täuschung aus- zuschließen, hat man auch noch in Betracht zu ziehen, daß die ver- meintliche Endigung noch gar nicht das letzte Ende der Faser dar- zustellen braucht, sondern durch unvollständige Färbung vorgetäuscht sein kann. Es ist aber bei gründlicher Beobachtung nicht unmöglich, Irrtümer zu vermeiden. Man erkennt bald, daß da, wo eine wirkliche Endigung vorliegt, in die Muskelzelle fast regelmäßig mit Methylenblau dunkel gefärbte Schollen eingelagert sind, und daß die zutretende Nerven- faser sich etwas verbreitert. Ihr distales Ende erscheint dann als ein Fortsatz der Muskelzelle und ist von deren Plasmodesmen nicht zu Beiträge zur Kenntnis der Bryozoen. I. oöo unterscheiden, wenn man nicht den ganzen Verlauf bis zur Gangüen- zelle oder einem der äußeren Nerven verfolgen kann (Taf . XIV, Fig. 25 a. b, c). Als besondere Eigentümlichkeit möchte ich hervorheben, daß nicht nur ein und derselbe Nervenfortsatz eine Reihe von Muskelzellen versorgen, sondern umgekehrt auch jede Muskelzelle mit verschiedenen Nerven sich verbinden kann. Ich werde später auf diese Verhältnisse zurückkommen müssen, da sie wichtige theoretische Folgerungen' zulassen. G. Das koloniale Nervensystem. AVie aus dem historischen Überblick hervorgeht, haben schon etliche Forscher aus theoretischen Gründen die Möglichkeit eines kolo- nialen Nervensystems gerade bei Cristatella erwogen. Sie sind aber alle zu einem ablehnenden Urteil gelangt, wie ja auch die Fritz Mül- LERsche Entdeckung eines Kolonialnervensystems bei marinen Bryo- zoen sich sehr bald als irrig herausstellte. Am schärfsten verneint Kraepelin das Vorhandensein eines kolo- nialen Nervensystems bei Cristatella. Die Tatsache, auf welche er sich stützt, nämlich das Fehlen von Tentakelscheidenerven, im Anschluß an welche er die der Koloniewand sich nur denken konnte, ist jedoch nun widerlegt. Auch spricht rein theoretisch alles dafür, daß das mächtig entwickelte Muskelsystem der Koloniewand, welches die kriechende Bewegung vermittelt, innerviert sein muß. Da die zwischen Ectoderm- und Ringmuskellage verlaufenden Nerven der Tentakelscheide sich schon auf letzterer vollständig auf- splittern, ist es wenig wahrscheinlich, daß sie sich auf die Koloniewand fortsetzen. Ich habe denn auch niemals unmittelbar unter dem Ecto- derm der Koloniewand Nerven beobachtet. Dagegen ließ sich bei der Methylenblaufärbung sehr schön zeigen, daß sich das in der Tentakel- scheide beobachtete Ganghenzellnetz auch in der Kolonie wand ver- breitet (Taf. XII, Fig. 1). Die Ganglienzellen der Koloniewand entsprechen nach Bau und Verteilung vollkommen denen der Tentakelscheide. Auch gehen am Grunde der Scheide die Fortsätze dieser Zellen ohne weiteres inein- ander über. Das Ganghenzellnetz erstreckt sich über alle Teile der Kolonie- wand und zeigt nirgends besondere Eigentümlichkeiten, auch nicht in der Sohle, wo es sich allerdings nur selten und unvollkommen färbt, 334 Adolf Gerwerzhagen, weil die vacuolisierte, dicke Ectodermschicht und eine mächtiee Muskellage das Eindringen des Farbstoffes erschweren. Da Sinneszellen der Koloniewand ganz fehlen, so kann die Funk- tion des Ganglienzellnetzes lediglich eine motorische sein. Die Muskelzellen, die sich durch ihre bedeutende Größe, den oft strahligen Bau, vor allem aber durch ihre Zahl und ihre Anordnung in Längs- und Querfaserschicht von denen der Tentakelscheide unter- scheiden, sind wie die letzteren durch Plasmodesmen verbunden und lassen deshalb nur selten die motorische Innervierung erkennen, be- züglich deren sie sich auch wie jene verhalten. H. Das sympathische Nervensystem. Die Methylenblaufärbung zeigt, daß der ganze Darm in relativ ein- facher Weise versorgt wird. Von der aboralen Fläche des Ganglions tritt eine große Zahl recht feiner Nerven aus, welche dorsal und dorso- lateral am Oesophagus herabziehen. Viele Fasern biegen jedoch zu- nächst nach der Ventralseite und scheinen mit dem oralen Nervenring zu anastomosieren. Auch Beziehungen zu den ventralen Tentakel- scheidenerven sind nicht von der Hand zu weisen, wenn auch die aller- meisten Fasern deutlich darunter wegziehen. Schließlich begleiten aber diese Nerven lateral und ventral ebenfalls den Vorderdarm (Taf. XIV, Fig. 26, oesoph.Plex.). Durch abwechselndes Zusammenlegen und Wiedertrennmig der Nerven entsteht ein weitmaschiges Netz. Einzelne Plexusnerven sind noch am Cardiateil des Magens deutlich zu miterscheiden. Am Über- gange vom Oesophagus zum Magen verengern sich die Maschen des Nervennetzes, so daß eine Art Nervenring gebildet wird. Weiterhin gehen die Fasern des Plexus in ein Ganglienzellnetz über, das alle Teile des Darmes überzieht. Am Oesophagus schalten sich die Ganghenzellen in die Maschen des Nervennetzes ein. Auf dem Pylorusabschnitt des Magens ist das Ganglienzellnetz ebenso ausge- prägt wie auf dem Cardiateil. Am äußersten Grunde des Blindsacks konnte ich es nicht darstellen. Zweifellos ist es aber auch hier ent- wickelt, nur verhindert die hier kolossal ausgebildete Bingmuskulatur des Darmes ein Ausfärben des darunter liegenden Ganglienzellnetzes. Auf dem Eectum läßt sich das Ganglienzellnetz besonders schön und vollständig darstellen. Am After kommt es gleichfalls zur Bildung eines Nervenringes, und die Ganglienzellfortsätze stehen hier in Ver- bindung mit Fasern der dorsalen Tentakelscheidenerven (Taf. XIV, Fig. 26 c). Beiträge zur Kenntnis der Bryozoen. I. 335 Die Funktion dieses sympathischen Nervensystems scheint rein motorisch zu sein. Für den histologischen Bau der Muskellage, die hier nur aus Ringfasern besteht, und die Art der motorischen Endi- gungen gilt wieder genau das, was weiter oben für die Tentakelscheide ausgeführt wurde. Die aus dem Ganglion entspringenden Darmnerven und das Gan- glienzellnetz sind nicht durch die RingmuskeLschicht getrennt, sondern liegen beide unmittelbar dem Epithel des Darmes auf. Außer der Darmmuskulatur wird von den Darmnerven auch ein Teil der Retrac- toren versorgt, und zwar scheint es, daß ausschließlich Plexusfasern an diese Muskeln herantreten. Vielleicht lassen sich erstere nur aus diesem Grunde nicht über die letzten Cardiaflexoren hinaus auf dem Darme verfolgen. V. Theoretisches. In den vorhergehenden Abschnitten habe ich an einigen Stellen schon gewisse Eigentümlichkeiten im morphologischen Bilde hervor- gehoben, auf deren theoretische Deutung ich jetzt näher eingehen möchte. Es handelt sich vor allem um die Zellen der peripheren Ganglien- zellnetze. Sie unterscheiden sich, wie schon gezeigt wurde, durch ihre Größe, die Vielzahl ihrer Fortsätze und den im Verhältnis zum Plasma kleineren Kern beträchtlich von denen des Centralnen^ensystems. Auch schon die Lage der Ganglienzellnetze ist merkwürdig. Wäh- rend die vom Ganglion stammenden Nerven stets unmittelbar unter dem ectodermalen Epithel verlaufen, sind die Ganglienzellnetze von diesem vollständig unabhängig. Dagegen erweisen sie sich in eigentüm- licher Weise abhängig von der Muskulatur. Sowohl am Darm als an der Tentakelscheide werden sie durch die Ringmuskellage von außen um- schlossen. — Es fragt sich, ob die Beziehungen zwischen beiden Ge- weben nicht noch intimere sind. Ihrer Entstehung nach müssen wir die zartfädifjen Verbindungen zwischen den Muskelzellen als Plasmo- desmen auffassen. Genau dasselbe gilt aber für die Fortsätze der Ganghenzellen; denn auch diese entstehen wahrscheinlich nur dadurch, daß sich nach vollzogener Teilung (Taf. XIV, Fig. 19—22) die aus- einanderrückenden Zellen nicht vollständig trennen, sondern durch zarte Protoplasmastränge verbmiden bleiben. Ganz entsprechende Fortsätze wie diejenigen, durch welche die Muskelzellen und ebenso die Ganglienzellen untereinander anastomo- sieren, stellen die Verbindung zwischen Ganglien- und Muskelzellen, 336 Adolf Gerwerzhagen, d. h. also die motorische Innervierung her. Je nach Betrachtung ihrer Enden, kann man sie für Fortsätze der einen oder der andern halten. Meist innerviert ein Fortsatz mehrere Muskelzellen, oft schickt jedoch auch jede Muskelzelle Fortsätze zu verschiedenen Ganglienzellen, so daß das Gesamtbild etwas kompliziert wird. Nichts spricht für einen bloßen Kontakt oder eine sekundäre Verschmelzung von Ganglien- zellfortsätzen mit Muskelzellen, vieles dagegen für die Plasmodesmen- natur auch dieser Verbindungen. Ganglien- und Muskelzellen wären somit embryonal auf gemeinsame Mutterzellen zurückzuführen. Es ist zweilfellos von Interesse, daß ich gelegentlich an schon entwickelten, wenn auch jungen Tieren einiges beobachten konnte, das sich für diese Auffassung verwerten läßt. Ich fand nämlich hier und da Ganglienzellen, die schon deutlich entwickelte Fortsätze besaßen, aber noch durch breite, lappenartige äußerst dünne Protoplasmastränge mit Muskelzeilen anastomosierten (Taf.XIV, Fig. 24 a, b, c). Diesen Dingen habe ich leider erst Beachtung geschenkt, als sich kein lebendes Material mehr beschaffen ließ, war also nicht imstande, mir ein abschließendes Urteil zu bilden. Vorläufig sind daher meine Schlüsse, so berechtigt sie mir scheinen, noch einigermaßen hypothe- tisch. Ein strikter Beweis wird nur durch embryologische Untersuchun- gen zu führen sein. Sollten diese gelingen, was noch keineswegs aus- gemacht ist, so wäre damit erwiesen, daß das Nervensystem dieser Tiere nicht einheitlichen Ursprungs ist; denn das Ganglion mit den ausstrahlenden Nerven ist ectodermaler, die Ganglienzellnetze dagegen wären mesodermaler Herkunft. Verbindungen zwischen beiden Teilen des Nervensystems sind aber, wie früher schon erwähnt, vorhan- den (Taf. XIV, Fig. 17) und diese würden dann wohl als sekundär zu bezeichnen sein. Für das Verständnis der Funktion des Gesamtnervensystems er- geben sich erhebliche Schwierigkeiten aus der Tatsache, daß man nirgendwo abgegrenzte Neuronen erkennen kann. Vollständig aus- gefärbte Methylenblaupräparate erlauben keinen Zw^eifel an der Kon- tinuität aller Ganglienzellfortsätze sowohl im Centrum wie peripher. Ohne behaupten zu wollen, daß man bei genauerer Forschung für alle Tiere zu einem entsprechenden Resultat kommen muß, insbe- sondere ohne an den glänzenden Ergebnissen der Neuronenforschung bei Wirbeltieren rütteln zu wollen, kann man doch nicht verkennen, daß ebenso wie schon zahlreiche Befunde Apathys und Bethes, so Beiträge zur Kenntnis der Bryozoen. I. 337 auch die vorliegenden mit den Anforderungen der Neuronenlehre un- vereinbar >sind und deren Allgemeingültigiveit mithin in Zweifel stellen. Zwar wird behauptet, daß diese Theorie die physiologischen Er- scheinungen im Nervensystem bis zu einem gewissen Grade verständ- lich mache. Das kann aber natürlich kein Grund sein, das morpholo- gische Bild für falsch zu erklären, nur um die Theorie zu retten. Da auch bei ganz diffuser Leitung, d. h. bei Kontinuität aller Ganglienzellfortsätze, ein specifischer Effekt durch Unterschiede in der Reizschwelle ermöglicht sein kann, indem nämlich die reizbaren Muskelfasern in den verschiedenen Körperbezirken er.-t bei ganz be- stimmter und für die einzelnen verschiedener Reizstärke reagieren, fragt es sich auch, ob die nervösen Verrichtungen der Cristatella über- haupt so kompliziert sind, daß man sie nicht dadurch allein schon zu erklären vermöchte. VI. Vergleichend-anatomische Bemerkungen. Mit Rücksicht auf die große Bedeutung, welche dem Nerven- system bei der Beurteilung der Stammesverwandtschaft der Tiere stets eingeräumt w^erden muß, wäre es angebracht, auf Grund der jetzt erreichten Kenntnis des Nervensystems der phylactolämen Bryozoen einen Vergleich mit den übrigen Vertretern der Oligomeren zu ver- suchen. Dem steht jedoch das Hindernis im Wege, daß unser Wissen über das Nervensystem dieser Tiere noch am wenigsten als abgeschlossen gelten kann. Vor allem gilt dies für die gymnolämen Bryozoen, deren peripheres Nervensystem fast ganz unbekannt ist. Das Ganglion stimmt zwar nach Entstehung, Lage, Gestalt und Struktur, soweit letztere erforscht, mit dem der phylactolämen überein. Ein geschlossener Schlundring wurde von Kraepelin für PalludiceUa beschrieben. Calvet (1900) behauptet jedoch für andre Formen, daß die den Schlund umfassenden Nerven die Medianlinie nicht erreichen. Trotz dieser Unsicherheit besteht wohl kein Zweifel, daß der sogenannte Schlundring der Gymno- lämen dem oralen Nervenring der Cristatella homolog sein muß. Krae- PELiN möchte ihn mit den Ganglionhörnern der Phylactolämen ver- gleichen, doch scheint mir dies völlig unbegründet. Während die nahe Verwandtschaft von Gymnolämen und Phy- lactolämen nur selten angefochten wurde, hat man schon lange ver- bucht, die Entoprokten von den Sctoprocten zu trennen. Das Ganglion der Entoprocten muß nach der auf ontogenetischen Untersuchungen basierenden Auffassung von Barrois (1886) und 338 Adolf Gerwerzhagon, Harmer (1887) als Unterschlundganglion bezeichnet werden. An der Entoproctenlarve stellt die kurze Mund- Afterlinie die Ventral linie dar. Bei der Metamorphose bleibt der Larvendarm erhalten und vollführt eine höchst eigentümliche Umrollung um die Querachse, so daß auch am erwachsenen Tier die kurze Mund-Afterlinie ventral bleibt. Das dort zwischen Mund und After entstehende Ganglion ist demnach subösophageal. Das Ganglion der CnstateUa habe ich ohne weiteres als Oberschlund- ganglion aufgefaßt. Ob das richtig ist, müßte die Ontogenie lehren. Die versagt aber völlig, da die Larve über das rudimentäre Stadium einer Cöloblastula nicht hinauskommt, an deren Wand das Primär- zoöcium bereits nach dem Schema der Knospenbildung entsteht. Auch bei den Gymnolämen läßt uns die Entwicklungsgeschichte im Stich, weil bei der Metamorphose der zum Teil gut ausgebildeten freischwim- menden Larven stets Histolyse des Larvendarms eintritt. Man kann also bei keiner ectoprocten Bryozoe entscheiden, ob das Ganglion supra- oder subösophageal liegt. Die große Übereinstimmung der Larven der Ecto- und Entoprocten könnte dazu verführen, für die Ectoprocten dieselbe Orientierung an- zunehmen wie für die Entoprocten. Das stößt jedoch auf unüber- windliche Schwierigkeiten wegen der nicht gut wegzuleugnenden engen Beziehungen zwischen phylactolämen Bryozoen und Phoroniden, bei welch letzteren sich das Ganglion einwandfrei als Oberschlundganglion erwiesen hat. Es wäre schwer verständlich, wenn bei diesen nahe verwandten Gruppen das Ganglion einmal ventral, das andre Mal dorsal vom Vorderdarm liegen würde, um so mehr, als man dasselbe ja auch für das Epistom annehmen müßte. Letzteres ist deshalb schon nicht mögUch, weil überall, wo bei den Oligomeren eine dem Epistom entsprechende Bildung sich nachweisen läßt (Phoroniden, Pterobran- chier, Enteropneusten und Brachiopoden), diese, entsprechend ihrer wahrscheinlichen morphologischen Bedeutung als Prostomium, dorsal vom Munde liegt. Fassen w^ir aber das Ganglion der Phylactolämen als supraöso- phageal auf, so fällt jede Vergleichsmöglichkeit mit dem der Ento- procten weg. Das Nervensystem der Phoroniden ist noch ungenügend bekannt. Seine völlig epitheliale Lagerung läßt es erheblich primitiver erscheinen als das der Bryozoen. Das GangUon bildet lediglich eine Verdickung des ectodermalen Epithels. Wie die Bryozoen besitzt auch Phoronis einen oralen Nervenring. Abgesehen davon wurde nur noch ein in Beiträge zur Kenntnis der Bryozoen. I. 339 der Regel asyininetrischer Längsnerv beschrieben, der meist auf der linken Seite im Körperwandepithel nach hinten zieht. Ihn mit einem der Tentakelscheidenerven der Cristatella zu vergleichen, erscheint schon wegen der Asymmetrie, vor allem aber deshalb unmöglich, weil dieser Nerv nach Caldwells allerdings nicht unbestrittenen Angaben zum Typus der Neurochorde gehören soll. Besser bekannt als das Nervensystem der Phoroniden ist das der Pterobranchier und Enteropneusten. Wie die ectoprocten Bryozoen mid Phoroniden besitzen diese Tiere ein dorsales Ganglion im ersten Segment, als welches wir das Halscölom der Pterobranchier, die Kragenhöhle der Enteropneusten, sowie die Lophophorhöhle der Bryozoen und Phoroniden ansehen müssen, wenn wir Kopfschild, Eichel und Epistom als Prostomium auffassen. Das Ganglion wie das gesamte periphere Nervensystem der Pterobranchier liegt epithelial. Bei Enteropneusten ist wenigstens das Ganglion, welches man hier als Kragenmark bezeichnet, vom Epithel abgelöst und ins Kragencölom eingesenkt. Wahrscheinlich entsteht es durch Invagination, wofür die oft ausgeprägte Hirnhöhle spricht. Der Wert dieser Übereinstim- mung mit den Bryozoen wird aber herabgedrückt durch die bei den Enteropneusten ausgebildeten Neurochorde, welche den Bryozoen stets fehlen. Den dorsalen und ventralen Tentakelscheidenerven der Cristatella entsprechende Nerven besitzen sowohl die Pterobranchier als auch die Enteropneusten. Bei beiden ist aber der dorsale Nerv unpaar. Bei Pterobranchiern läßt sich neben diesem nach hinten ziehenden Dorsalnerven ein vorderer miterscheiden, der in den Kopfschild zieht. Im Gegensatz zu den Epistomnerven der Cristatella verläuft der vordere Dorsalnerv der Pterobranchier in der dorsalen Wand des Kopf Schildes. Die beiden ventralen Nerven unterscheiden sich von denen der Cristatelki dadurch, daß sie nicht lateral basalwärts ziehen, sondern den Schlund umfassend, sich in der oralen Medianlinie vereinigen und einen medianen Ventralnerven nach hinten, d. h. basalwärts schicken. Pterobranchier und Enteropneusten besitzen also einen echten Schlund- ring. Eine dem oralen Nervenring der Cristatella entsprechende Bildung fehlt, weil bei diesen Tieren die den Mund umsäumende Tentakelreihe nicht vorhanden ist. Man kann wohl annehmen, daß dieser Tentakel- kranz und damit auch der orale Nervenring von den Bryozoen sekundär erworben wurde, und daß anderseits der bei Formen mit ursprüng- licherem Nervensystem (Pterobranchier, Enteropneusten) noch ent- 34:0 Adolf Gerwerzhagen, wickelte Schlundring sekundär, vielleicht im Anschluß an die Aus- bildung der Invaginationsfähigkeifc des vorderen Körperendes, bei den Bryozoen verloren ging. Statt der Ganglionhörner der Cristatella besitzt jeder Lophophorarm der Pterobranchier drei Nerven, von denen zwei ventrale die Tentakel- nerven liefern sollen. Nerven- und Ganglienzellnetze sind sowohl bei Pterobranchiern als bei Enteropneufeten vorhanden. Besonders reich sind sie bei letzteren entwickelt. Auch die Ganglienzellnetze sollen stets unmittelbar sub- epithelial liegen. Noch weiter als diese Tiere entfernen sich die Brachiopoden von den Bryozoen. Das ganze Nervensystem der Brachiopoden liegt epithelial. Das Cerebralganglion stimmt insofern wenigstens mit dem von Crista- tella überein, als auch hier das Ganglion selbst sich in die Arme hinein- erstreckt und als sogenannter Hauptarmnerv, entsprechend den Gan- glionhörnern von Cristatella, Tentakelnerven abgibt. Durch einen Schlundring verbindet sich das obere Ganglion mit dem viel stärker entwickelten Unterschlundganglion, von dem neben Mantel- und Muskelnerven die Nebenarmnerven abgehen. Insgesamt wird jeder Arm also wie bei Pterobranchiern von drei Nerven durchzogen, die aber hier von beiden Ganglien stammen. Doch ist es vorläufig noch keineswegs sicher, ob man die Armnerven der Brachiopoden so ohne weiteres mit denen der Pterobranchier und Bryozoen vergleichen darf, da die Homologisierung der Arme selbst auf Schwierigkeiten stößt. Zumal für den Hauptarmnerven, der nach Entstehung und Funk- tion so große Übereinstimmung mit den Ganglionhörnern der Phylacto- lämen zeigt, wird ein Vergleich dadurch erschwert, daß er auf der Medianseite der Arme verläuft und zwar unter der Armfalte und über dem großen Armsinus, den man der Epistomhöhle der Bryozoen für homolog zu halten geneigt ist. Die dorsalen und ventralen Mantelnerven der Brachiopoden, die vom Unterschlundganglion entspringen, könnte man mit den Tentakel- scheidenerven der Cristatella vergleichen, mit denen sie in der Paarig- keit und der Plexusbildung gut übereinstimmen. Der Umstand, daß zuweilen der Ursprung der Mantelnerven auf den Schlundring ver- schoben ist, bewirkt eine weitere Annäherung an die Verhältnisse bei 1 Cristatella. Neben dem Mantelnerven plexus sollen die Brachiopoden an den Armen typische Ganglienzellnetze besitzen, also gerade an : einer Stelle, wo ich bei Cristatella niemals etwas Derartiges gefunden j Beiträge zur Kenntnis der Bryozocn. T. 341 habe. Nach der Beschreibung die Van Bemmelen (1883) gibt, muß ich es aber für gewagt halten, diese Zellnetze als nervös zu bezeichnen. Bezüglich der letztenKlasse derOligomeren, der Chaetognathen, erheben sich dieselben Schwierigkeiten wie bei den Brachiopoden. Die Lage des Cerebralganglions im Kopfsegment, dessen Deutung als Prostomium aber wegen des fast endständigen Mundes viel unsicherer erscheint als bei den übrigen Oligomeren, der Besitz eines größeren ventralen Ganghons im Rumpfabschnitt und die vöüig epitheliale Lage aller Teile des Nervensystems deuten wohl nähere Beziehungen zu den Brachiopoden an, ergeben aber keine direkte Vergleichsmöglichkeit mit den Verhältnissen der ectoprocten Bryozoen. Überhaupt bestätigt die Vergleichung der Nervensysteme der verschiedenen Klassen der Oligomeren, daß man keineswegs daran denken kann, alle in genetischen Zusammenhang zu bringen. Man wird vielmehr wenigstens drei parallele Entwicklungsreihen annehmen müssen (Chaetognathen — Brachiopoden; Enteropneusten — Ptero- branchier; Phoroniden — ectoprocte Bryozoen). Nur bei den Bryozoen gibt das Nervensystem vollständig die epitheliale Lagerung auf. Zu- sammen mit der ungemein differenzierten Innervierung der Tentakel- krone läßt das die Bryozoen als die höchst entwickelte Klasse erscheinen. Der ^langel eines Unterschlundganglions erklärt sich vielleicht durch sekundären Verlust nach Ausbildung des dorsalen Armapparats bei den Lophopoden. Da manches dafür spricht, daß die Gymnolämen, die keinen Lophophor besitzen, aus Phylactolämen sich entwickelt haben, so würde daraus auch bei ihnen das Fehlen des Unterschlundganghons verständlich erscheinen. Die rudimentäre Beschaffenheit der Körper- wandnerven wäre auf Reduktion nach Umbildung der Körperwand zur invaginierbaren Tentakelscheide zurückzuführen. Doch sind das lediglich Vermutungen, die erst durch umfassende vergleichend ana- tomische Untersuchungen zu stützen oder zu berichtigen wären. Heidelberg, im Mai 1913. Literaturverzeichnis. 1856. G. Allman, A Monograph of the Fresh- water Polyzoa. London. 1897. St. v. Apathy, Das leitende Element des Nervensystems und seine topo- graphischen Beziehungen zu den Zellen. Älitt. zool. Stat. Neapel. Bd. XII. 342 Adolf Gerwerzhagen, 1883. J. F. A'AN Bemmelen, Untersuchungen über den anatomischen und histo- logischen Bau der Brachiopoda Testicardines. Jen. Zeitschr. f. Naturw. Bd. XVI. 1848. P. VAN Beneden, Recherches sur les bryozaires fluviatiles de Belgique. Xouv. Mem. de l'Acad. Roy. des Sc. et B.-lettres de Bruxelles. XXI. 1903. A. Bethe, Allgemeine Anatomie und Physiologie des Nervensystems. 1890. Fr. Braem, Untersuchungen über die Bryozoen des süßen Wassers. Bibl. Zool. Bd. II. Hft. VI. 1900. L. Calvet, Contributions ä l'histoire naturelle des bryozaires ectoproctes marins. These Montpellier. 1843. B. Ch. Dumortier et P. van Beneden, Histoire naturelle des polypes composes d'eau douce. Nouv. Mem. de l'Acad. Roy. des Sc. et B.- lettres de Bruxelles. XVI. 1865 — 66. A. Hyatt, Observations on Polyzoa, Suborder Phylactolaemata. Com- munic. Essex Inst. Bd. IV u. V. 1887. K. Kraepelln, Die deutschen Süßwasserbryozoen. Monographie. I. Anat.-syst. Teil. Abh. Nat. Ver. Hamburg. Bd. X. 1868. H. XiTsCHE, Beiträge zur Anatomie und Entwicklungsgeschichte der phylactolaemen Süßwasserembryozoen, insbesondere von Alcyonella fungosa. Müller' s Arch. f. Anat. u. Physiol. 1868. 1905. G. Retzius, Das sensible Nervensystem der Bryozoen. Biol. Unters. Neue Folge. Bd. XII. 1888. A. Saepftigen, Das Nervensystem der phylactolaemen Süßwasserbryo- zoen. Zool. Anz. 1888. 1887. M. Verworn, Beiträge zur Kenntnis der Süßwasserbryozoen. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. LXVIII. Erklärung der Abbildungen. Verzeichnis der gebrauchten Abkürzungen. Acc.Fas., accessorische Nervenfasern; 6-'. Z.Drra.A^;:., Ganglienzelle des Darm- ax.Bünd., axiales Bündel von Fibrillen; netzes; Anasto7n., Anastomosen; ö.Z.iL'oZ.IF.A''>Das eigentliche Blutgewebe spielt bei Lomechusa nur eine ganz se- kundäre Rolle im Vergleich zum hauptsächlichen Exsudatgewebe, dem Fettgewebe im engeren Sinne.« Zwischen Tergit und Sternit schiebt sich eine Hautfalte ein, die im Innern mit einem Ausführgang versehen sein soll und infolgedessen für Wasmann der Ort der Secre- tion ist. Er erklärt den Vorgang folgendermaßen : »Die gelben Borsten sind Sinneshaare, durch deren Reizung bei der Beleckung des Käfers durch die Ameisen das Exsudat gefördert wird. Durch Kontraktionen der lateralen Muskelbündel, die dem gewulsteten Seitenrand des Hinter- leibes jederseits schräg vorgelagert sind, sowie durch mechanischen Druck, den die Beleckuug und Zerrung der Haarbüschel auf die borsten- Zur .Mor]iliologie u. Biologie d. niyrinecophilen Gattungen Lomechusa usw. 353 tragenden Zipfel ausübt, wird das Exsudat in die membranÖsen Zvvi- schenzipfel gedrängt, wo es ausgeschieden wird.<< Er erwähnt wohl auch ein paar Drüsenzellen, sagt aber, daß die- sen eine ganz sekundäre Rolle zukommt. Eines aber läßt er völlig außer Acht: nämlich den Seitenzipfel, der so überaus reich mit Tricho- nien besetzt ist. Es liegt nahe, auch hier den Hauptsitz des Exsudats zu suchen. Beiläufig sei noch bemerkt, daß auf Querschnitten die Seitenzipfel sich vollkommen losgelöst vom Hinterleib zeigen. Das beruht alier darauf, daß sie gewissermaßen gestielt sind. Dieser dünne stielähnliche Teil verläuft erst ein Stück parallel zu dem Abdomen, verbreitet sich dann plötzlich und richtet sich senkrecht empor. Es fällt nun auf, daß unter dem dichten Kranz derTrichome sich eine besonders starke Chitinschicht befindet, in die die Trichome ein- gelenkt sind (s. Fig. 2). An dem Chitin selbst lassen sich drei Haupt- schichten unterscheiden, die sich durch die Fär- bung deutlich vonein- ander abheben. Die äußerste Schicht ist die dunkelste und auch die härteste, während die innere einen mehr häu- tigen Eindruck macht, eingelenkt. E Fig. 2. Das eigentliche Haar ist in die äußere Schicht befindet sich in einer Grube, die sich nach oben ver- engt, so daß beim Lecken und Zerren den Ameisen das Herausreißen unmöglich gemacht ist. An die Basis eines jeden Haares geht ein ziem- lich breiter Kanal, durch den sich ein feiner Nervenfaden zieht. Von da setzt sich der Nerv weiter fort, vereinigt sich mit Nachbarfasern und läuft schließlich durch den stielähnlichen Teil ins Körperinnere. An den Vereinigungsstellen der Nerven und in ihrem weiteren Verlauf treten wiederholt Ganglienzellen auf (s. Fig. 3, S. 354). Zwischen den Sinneszellen aber, direkt unter dem Chitin, stehen in großer Anzahl noch andre Zellen, die Wasmann entweder über- sehen oder für die Sinneszellen gehalten hat. Auf seiner wenig deut- 354 Karl Jordan, liehen Zeichnung ist das nicht zu unterscheiden, wohl aber zeichnet er besondere Hypodermiszellen ein, die in Wirklichkeit an diesen Stellen nicht zu finden sind. Diese Zellen, die zwischen den Sinneszellen stehen, haben die Form von Kölbchen und sitzen ganz dicht unter der Cuticula, Nach der Chitinschicht zu werden sie schmäler und enden in einem feinen Ausführgang, der das Chitin durchsetzt und nur bei sehr starker Vergrößerung zu sehen ist. Der oberste Teil nimmt keine Fig. 3. Farbe an, während man durch die beiden untersten Schichten das mit Hämalaun gefärbte Secret verfolgen kann. Das Protoplasma dieser Zellen scheint gegen den Eand etwas dichter zu sein, an der Ausmün- dungsstelle liegt ein hellerer Hof. Der Kern ist der Chitinschicht ab- gewendet und erreicht eine ansehnliche Größe. Diese Zellen sind als die eigentlichen myrmecophilen Drüsenzellen anzu- sprechen, und wegen der großen Anzahl, die im Zipfel vor- handen ist, scheinen sie auch die aIleinio;en Träger der Zur Morphologie u. Biologie d. niyniiecophiloii Gattungen Loraechusa usw. 355 Secretion zu sein. Wasmann hat nun diese Ausführgänge zwischen den Trichonien übersehen, wohl aber glaubt er feine Porenkanäle be- merkt zu haben, die in die Gruben der Haare einmünden. Trotz eifrigen Suehens konnte ich diese Kanäle nie finden, wohl aber zeigen sich nach Abschneiden der Trichome die Ausführgänge neben den Haaren, In der Region der Seitenzipfel ist das Fettgewebe meist durch das Blutgewebe (im WASMANNschen Sinne) vertreten, dasselbe Ge- webe, das nach Wasmann nur eine sekundäre Rolle als Exsudatgewebe spielt. Darin eingelagert findet man aber oft ein Gebilde — selten mehrere — , das durch seine bläschenförmige Struktur auffällt. Schon Wasmann stellte fest, daß es eine Übergangsform zum Fettkörper- Fig. 4. läppen bildet, und er hält es für eine modifizierte Fettkörperzelle. Da es aber von Nerveufäden durchzogen wird, und er bei den größeren dieser Zellen einen Sammelkanal bemerkt zu haben glaubt, so hält er sie für einzellige Drüsen (s. Fig. 3 F.L.). Ich konnte nie einen Sammelkanal beobachten, und auch die mehr centrale Lage im Seiten- zipfel deutet darauf hin, daß es keine Drüsenzellen sind, sondern nur Reste von Fettgewebe. Daß Wasmann sie als Drüsen deutet, hängt auch mit seiner oben geschilderten Ansicht über den Ausführort des Exsudats zusammen. Er erwähnt ja den Seitenzipiel gar nicht, sondern schildert nur die Verhältnisse, wie sie an den Enden des Tergits und Sternits sich vorfinden (s. Fig. 4). Aber auch dort ist die An- ordnung von Drüsen und Trichonien die gleiche wie im 356 Karl Jordan, Seitenzipfel. Der membranöse Zwischenzipfel hat nicht das ge- ringste mit der Secretion zu tun. Er ist nichts andres, als eine Haut- falte, die als Gelenkfalte dient und verwandten Staphyliniden ebenso zukommt. Von einem Ausführgang war trotz eifrigen Suchens nichts zu finden, und die obigen histologischen Befunde bestärken die Ansicht nur, daß Wasmann sich getäuscht hat. Man kommt vielmehr zu folgendem Schluß. Das Fettgewebe bei LomecJmsa und Atemeies hat mit der Secretion nichts zu tun. Es ist nur ein Nahrungsreservoir, das nicht myrmecophilen Formen ebenso zukommt wie den symphilen. Da es außerdem je nach der Jahreszeit verschieden stark ausgebildet ist, so wird diese Annahme nur noch bestärkt, da doch die Ameisen immer das Leckbedürfnis haben und auch ausüben. Es ergibt sich somit eine Übereinstimmung mit Krüger, der auf Grund der anatomischen Befunde bei Claviger dem Fettgewebe auch jede Bedeutung als Exsudat- gewebe abspricht. Die Secretion erfolgt nur durch Drüsen- zellen, die durch Poren direkt nach außen münden. Die Sinneshaare reizen nicht, wie Wasmann angibt, die seitlich ansitzenden Muskeln. Diese sind eine allgemeine Erscheinung unter allen Staphyli- niden und dienen zur Hochhebung des Abdomens. Bekräftigt wird aber obige Behauptung noch dadurch, daß ja am Seitenzipfel, dem Hauptträger der Drüsen undTrichome, Muskeln überhaupt ganz fehlen. Vielmehr muß man sich das Secernieren der Zellen auf nervösem Wege erklären, worauf ja auch die Sinneshaare verweisen. Zugleich aber kommt diesen noch die Aufgabe zu, die Verdunstung des Exsudats zu befördern und den Mundwerkzeugen der Ameisen einen günstigen Angriffspunkt zum Lecken zu bieten. Wie weit sie als Transport- organe und als Schutz in Betracht kommen, wird unten erläutert werden. Diese myrmecophilen Drüsen sind, wie schon aus ihrer Lage er- sichtlich ist, umgewandelte Hypodermiszellen. Da nun die Ameisen nicht nur die Seitenzipfel, sondern bisweilen auch das ganze Tier be- lecken, so ist zu erwarten, daß auch an andern Stellen des Körpers sich derartige Zellen vorfinden. Schon eine schwache Vergrößerung zeigt, daß dorsal die Hypodermiszellen viel größer sind als ventral, und vor allem nimmt der Kern in den .dorsalen an Größe zu. Nähere Beobachtung ergab, daß die Zellen der langgestreckten Form der Drüsenzellen sich nähern, und daß etliche vollkommen zu Drüsen umgewandelt sind (s. Fig. 5). Der Ausführkanal ist in dem hier viel dünneren Chitin anfänglich sehr breit, verengert sich aber im äußeren Teil und mündet in eine kleine Grube, die man unter einer starken Lupe bei den Tieren schon in der Aufsicht sehen kann. Diese Drüsen Zur Morphologie u. Biologii' d. in\ rnu'copliilcii (lattimgcn Loincchusa usw. 357 sind über das ganze Abdomen verteilt, aber aiieh das Halsschild zeigt ähnliche Gebilde (s. Fig. 6). 8ie ähneln in der Form den normalen Hypodermiszellen mehr als die Drüsen des Abdomens; denn sie sind äußer.'^t klein und zeigen noch wenig von der kolbenartigen Form. Beiden Zellarten, denen des Abdomens wie des Halsschildes, scheint eine myrmecophile Bedeutung nicht im gleichen Maße zuzukommen, Sie scheinen vielmehr nach Art von Schmierdrüsen das charakteristische fettglänzende Äußere un.srer Symphilen zu bedingen. Da auch die Beine mit Trichomen besetzt sind, so ist von vorn- herein zu _ vermuten, daß sich auch hier Drüsenzellen befinden. In ihrer gesamten Anordnung gleichen sie völlig denen der Seitenzipfel, nur unterscheiden sie sich durch ihre geringere Größe. Bereits Wasmann erwähnt, daß Atemeies und Lomechusa sowohl in der Morphologie als auch bezüglich der Histologie keine Unterschiede zeigen, und in den Hauptgrundzügen stimmen sie auch überein. Die Anordnung der Drüsen in den Seitenzipfeln ist genau so wie die bei ÜZ. H.L Cu, Fig. 6. Lomechusa, aber bereits an den hochgebogeuen Kändern des Tergits und Sternits macht sich der Mangel an Trichomen geltend, und man findet oft mehrere Drüsen zusammen stehen, ehe sich ein Sinneshaar dazwischen einschiebt (s. Fig. 7). Bedeutender ist der Unterschied in den Drüsen der Abdominalsegmente. Während sich bei Lomechusa nur vereinzelt zwischen den Hypodermiszellen Drüsen befinden, zeigt sich hier in den beiden letzten Segmenten dorsal eine ununterbrochene Reihe von Drüsenzellen, die durch ihre Form sofort auffallen (s, Fig. 8). Sie stehen äußerst dicht beieinander, was wohl auch veranlaßt, daß sie die lange cylindrische Form angenommen haben. Der Ausführgang ähnelt wieder ganz dem von Lomechusa. Im unteren Teil ist er breit und verengt sich beim Übertritt in den äußeren Chitinteil auf ein Drittel seines ursprünglichen Volumens. Im dritten Segment ändert sich der Charakter der Zellen insofern, als sie jetzt weiter auseinander- rücken, und so Platz für Sinneshaare geschaffen wird. Von den echten Trichomen unterscheiden sich diese vor allem durch ihre geringere 358 Karl Jordan, ^ ..„ ,, Fi. 9) Außerdem .ind sie noch tiefer m das Chtm em- U En Lvlfaden von der Basis des Haares laßt srch auch gesenkt. ^'^ !^^^T^ i^^ verfolgen. Die Hypodermiszellen im tdomLld: b TltL mngL und flach, parallel zur Chit.n- Abdomen smQ wie ^jemdes auch ventral schon Schicht verlaufend^^ Kerne XrHyTodermis.ellen an Große zunehmen, bemerkbar daß "i'^ f ™^ ^^ J4„,, ^er DrUsenzellen. Möglicher- ^^■'^st"d.rr:rls er te^ St^^^^^^ - ü-™-^ i^ M--»-- 0« ^1 n™ an den Beinen keine Tnchome befinden, so kommen doch vereinzelt Drüsen und Sinneshärchen vor. Tr- "- \ , Ei,,. Der Gesamtnnterschied in den myrmecoph.len ^-9^^^^^ terenbeiXo«*«und^<»e..istdenmachnure g zu^^^^^^^^^ undnur auf den Mangelan Trichon^nzur^^^^^^^^^ Da^ ^^^^^^^^^^^ Drüsensystem aber, das ja fui die BeiecK Ausbildung auf. Bedeutung ist. weist bei At.n>eles -e ™^ -^^ «b sie Büdingen Die geschilderten Vorgänge legen die Frage nahe, od s .ui genel, also specfisch myrinecophile A-P-™«» die.r ^f;^^ Gattungen repräsentieren, oder ^'^"»:^f;X' Verwandten zu- i„ vereinfachter Form - den » ** ™J™>''^°j';^,,^tige Ausbildung kommen. Es wurde schon erwähnt ^^\'^'\2AiLles^t:iem des Fettgewebes nichts Typisches für Lomechusa ^'^ :~;" ^^^en alle nahen Verwandten und auch die ferner ^^^^;-^2n^;^,,,_ zeigen den Fettkörper in gleicher Ausbildung, ^ni nun fe t^us ob auch Hautdrüsen entwickelt sind, wurden vor f> ^ ^^^ ™ J ^^ nächststehenden Formen untersucht. I-S--";^^^ J ^^de herausgegriffen, und zwar ist die systematische ^»^nung zug gelegt, die Reittbr in seiner »Fauna germanica« mnehalt. Zur Morphologie- «. Biologie ,1. n.ynnooopliilon Gattungen Lomechusa nssv. 359 Uuterfamilie : Aleochariiiae. 1. Aleochara spaticea Er. 2. Oxifpoda longipes Rey. 3. Dinarda dentata Grav.* 4. Lomechusa strumosa Grav.* 5. Atemeies emarginatus Payk.* 6. Atemeies puhicolUs Brit,.* 7. Myrmedonia funesta Grav. 8. Atheta analis Grav. 9. Atheta fungi L. 10. Astilhus canaliculatus F.* Unterfamilie Tachyporinae. 1. Conosoma puhescens Grav. 2. Tachyporus obtusus L. 3. Tachyporus chrysomelinus L. 4. Tachyporus hypnorum L. 5. Tachyporus nitidulus F. 6. Tachinus collaris Grav. Unterfamilie S t a p h y 1 i n i n a e . 1. Heterotops praevia ab. n%m Kr. 2. Quedius longicornis Kr. 3. Quedius ochripennis var. nigro-coerulea Men.* 4. Larve von 3. 5. Staphylioius erythropterus L. 6. Staphylinus similis F. 7. Philonthus splendens F.* 8. Xantholinus linearis Oliv. Unterfamilie Paede rinae. 1. Lathrohium fulvipenne Gr. 2. Paederus litoralis Grav.* Unterfamilie Oxyporinae. 1. Oxyporus rufus L. In der oben stehenden Tabelle wurden diejenigen Tiere, die mit Hautdi-Üsen versehen sind, mit einem Kreuz bezeichnet. Beginnen wir unsre Darstellung mit Dinarda dentata, so ist zu betonen, daß an der Stelle, die dem Seitenzipfel von Lomechusa homolog ist, man veremzelt Sinneshaare und ^Yohl ausgebildete Drüsenzellen findet. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CVII. Bd. 24 360 Karl Jordan, Diese Drüsen unterscheiden sicli von den Hypodermiszellen durch einen größeren Kern und vor allem durch eine größere Ausdehnung der Zelle. Die kolbenförmige Gestalt der myrmecophilen Drüsenzellen haben sie nicht. Aber auch die Anlage des membranösen Zwischen- zipfels und des Seitenzipfels ist hier angedeutet. Zwischen Tergit und Sternit befindet sich ein Chitinstück, das von zwei kleinen Haut- falten begrenzt ist. Dieser chitinöse Teil hat sich bei Lomechusa und Atemeies zum Seitenzipfel, die Hautfalten zum membranösen Zwischen- zipfel entwickelt. Interessant ist fernerhin, daß auch die Drüsen auf den Segmenten des Hinterleibes recht zahlreich sind. Ziemlich dicht stehen die kleinen Zellen beisammen, und sowohl Form wie Anordnung erinnern lebhaft an Atemeles (s. Fig. 10). Selbst in den Beinen sind vereinzelt Drüsen und Sinneshaare vorhanden. Es macht fast den Eindruck, als ob Dinarda eine Mittelform zwi- schen einem Symphilen und einem nicht myrmecophilen Käfer sei, und in der Tat nimmt sie bio- logisch die gleiche Stellung ein. Sie ist ebenso wie Lomechusa ein -^.G. —-u.Z. Fig. 10. Fig. 11. regelmäßiger Gast in den Kolonien von Formica sanguinea, und doch gehört sie nur zu den Synoeken, d. h. den geduldeten Mitbewohnern der Kolonie. So nimmt sie gewissermaßen eine Mittelstellung zwischen Symphilie und Nichtmyrmecophilie ein, die sich denn auch in den histologischen Befunden widerspiegelt. Von den aus der Unterfamilie der Aleocharinen untersuchten Formen weist nur noch Astilbus canaliculatus Hautdrüsen auf. Sie stehen ganz vereinzelt auf dem Abdomen und gleichen im großen und ganzen denen von Dinarda. Ebenso gering ist die Anzahl der Drüsen, die bei Quedius ochri- fennis gefunden wurden. Interessant ist nur, daß sie im Kopf liegen. Zahlreiche Hautdrüsen treten bei Paeder us litoralis auf, die in ihrem Bau etwas abweichend von der gewöhnlichen Form sind (s. Fig. 11). Vor allem fällt auf, daß die Gänge, die ziemlich breit sind, nicht so regelmäßig verlaufen wie bei andern Drüsen, sondern in kleinen Krüm- mungen und Wendungen das Chitin durchsetzen. Man findet sie Zur Morpliolügi o u. Biologie d. niyrniccophilen Cattung(Mi Lomcchusa usw. 361 häufig auf der Ventralseite des zweiten Segmentes, doch sind sie auch dorsal in geringerer Anzahl nachzuweisen. Aus diesen kurzen vergleichend histologischen Bemerkungen er- geben sich interessante Schlüsse, die die myrmecophilen Anpassungen als sehr leicht erwerbbare Eigenschaften zeigen. Bei allen Staphyli- niden wurden Sinneshaare in mehr oder wenig großer Anzahl gefunden. Es bedurfte also bei Lomechusa und Atemeies nur einer Vermehrung und Konzentrierung auf bestimmte Stellen, um die Trichombüschel heranzuzüchten. Die Hautdrüsen dagegen sind bei weitem nicht so verbreitet, und doch kommen sie ganz fernstehenden Formen zu, während nahe Verwandte sie nur zum Teil haben. Auffällig ist besonders das überaus reiche Auftreten der Hautdrüsen bei Paederus litoralis. Doch ist hier die biologische Bedeutung nicht schwer zu finden. Wie alle Staphyliniden hat auch Paederus die Gepflogenheit, das Abdomen oft liochzubiegen. Gerade am zweiten Abdominalsegment findet die größte Biegung statt; dabei greift das erste Segment mit seinen Rändern ungewöhnlich weit über das zweite. Dort befinden sich die Drüsen, die genau so weit reichen, als die Ränder des ersten Segmentes das zweite überragen. Man geht wohl nicht fehl, wenn man diese Drüsen als Schmierdrüsen deutet, die das Gleiten des ersten Segmentes er- leichtern sollen. Dieses kurze Beispiel soll darauf hindeuten, daß Hypodermiszellen das Bestreben haben, sich leicht in Drüsenzellen umzuwandeln, wenn das Tier einen Vorteil dadurch erhält. Hier bei Paederus war es ein rein mechanischer Zweck, der die Veränderung hervorrief. Bei den Ameisengästen wm'de ein Gleiches vollzogen im Dienste der Myrme- cophilie. Zu gleichem Resultate kommt H. Borgert in seiner Arbeit über Die Hautdrüsen der Tracheaten << : »Die Fälle genügen, um zu zeigen, wie sehr selbst unter nahen Verwandten die Ausbildung der Haut- drüsen variiert . . Die Hautdrüsen kommen eben ganz nach dem Bedürfnis der einzelnen Arten zur Entwicklung.« — Es muß daher I affallen, daß Dinarda als naher Verwandter von Lomechusa und Alemeles zahlreiche Hautdrüsen hat, ohne daß sie beleckt wird. Es -r nicht unmöglich, daß sie auf dem Wege ist, ein echter Gast zu werden. Andre Vorbedingungen, die dazu einen großen Vorteil ge- währen, sind auch vorhanden. Doch sollen diese weiter unten be- handelt werden. Es wurde schon angedeutet, daß Hand in Hand mit der Umwand- lung der Hypodermiszellen eine Verdickung des Chitins geht; denn 24* 362 Karl Jordan, die scharfen Mandibeln der Ameisen brachten leicht Verletzungen mit sich. Die Wirtstiere sind gewöhnt, ihre Artgenossen bei verschiedenen Anlässen, wie Gefahr usw., zu transportieren, und diese Gepflogenheit dehnte sich sogar auf ihre Gäste aus. Sicher war dies ein weiterer Anlaß, das Chitin zu stärken, und zwar mußte es da geschehen, wo die Ameisen hauptsächlich Zugriffen. Infolge ihrer exponierten Lage und ihrer Größe ist das geeignetste Objekt der Seitenzipfel, und hier auch ist das Chitin doppelt so stark wie sonst am Abdomen. Wie aber ist das Chitin der verwandten Form beschaffen? Sind dort auch Veränderungen eingetreten, die durch besondere biologische Verhält- nisse bedingt wurden? Es sei von vornherein gesagt, daß die Chitin- schicht bei allen Tieren sehr variiert, insofern sie bald ziemlich dünn ist, bald wieder stärkere und festere Schichten aufweist. Ganz be- sonders abweichende Strukturen zeigt wiederum Paederus, die so fjjj [______-__} 1 1__ \l[.^^J auffallend sind, daß auf ihre ~" " -n/Ch.T. H.Z. Chi. N.ChX Fig. 12. Fig. 13. Beschreibung hier nicht verzichtet sei. Alle Segmente haben die schon erwähnte Eigentümlichkeit, daß sie weit über die nachfolgenden ragen. An diesen Stellen nun ist das einheitlich braune Band des Chitins in regelmäßigen Intervallen unterbrochen (s. Fig. 12). Die unterste mem- branartige Schicht setzt sich kegelförmig nach außen hin fort und er- reicht zugespitzt die Oberfläche. Bei stärkerer Vergrößerung sieht mau eine feine parallele Schichtung, ganz entsprechend der normalen Chi- tinstruktur. Auch geht die Struktur durch die braunen Chitinteile ohne Unterbrechung fort. Dies stimmt überein mit den Angaben W. Biedermanns, der feststellt, daß Fibrillen benachbarter Felder sich ohne Unterbrechung durch GrenzHnien fortsetzen. Man muß annehmen, daß eine gleichmäßige Ausscheidung seitens der Matrixzellen vor sich ging; denn auch die Untersuchung dieser Zellen, die wie normale Hypo- dermiszellen gelagert sind, zeigt keine Größenunterschiede. Wichtig aber ist, in der Aufsicht das Chitin zu betrachten ; denn dadurch wird erst klar, daß die nicht chitinisierten Teile gar keine Kegel sind, sondern fortlau- fende trennende Wände, so daß man in der Aufsicht ein gewürfeltes Feld Zur Morphologie u. Biologie d. myrmecophilen Gattungen Lomechusa usw. 363 erhält (s. Fi«:;. 13). Mit Hänialaun gefärbt erscheinen die gelben Chitin- felder von einem mattblauen Rande umgeben, während der als Spitze erscheinende Teil des Kegels sich als scharfe blaue Linie kenn- zeichnet. Ohne Zweifel muß hier ein biologisches Moment mitsprechen, daß diese Veränderung hervorruft, besonders da Lathrohius und Oxy- porus in kleinem Maßstabe Ahnliches zeigen. Die zahlreichen Schmier- drüsen bei Paederus ließen schon darauf schließen, daß die Beweg- lichkeit des Abdomens möglichst erleichtert und erhöht werden soll. Es läßt sich denken, daß diese Durchstoßung des harten Chitins durch elastische Bänder wesentlich dazu beiträgt, die Beweglichkeit zu er- höhen und zu erleichtern. Völlig anders aber ist das Chitin bei zwei Formen gestaltet, näm- lich bei Philonthus splendens und Heterotops praevia. An den gleichen Stellen wie bei Paederus hat hier die Veränderung eingesetzt. Bei Fig. 14. anderen Formen ist allein die Oberseite der überragenden Teile mit Chitin versehen, die Unterseite dagegen einfach durch eine membranöse Schicht abgegrenzt. Hier aber ist von den Matrixzellen nach allen Seiten hin Chitin ausgeschieden worden, so daß die einzelnen Zellen von einer Chitinkapsel umgeben sind (s. Fig. 14). Bei Heterotops liegen oft zwei Zellen in einer solchen Kammer, im allgemeinen aber ist jede Hypodermiszelle, die sich hier durch ihre Größe auszeichnet, gesondert gelagert. Fragt man nun nach einer biologischen Deutung, so kann man kaum die Elastizitätserhöhung mit heranziehen. Eher bedingt so eine allseitig ausgeschiedene Chitinschicht eine erhöhte Stabilität. Es ist nicht unmöghch, daß ein Schutzbedürfnis diese Anpassungen hervorgerufen hat. Da beide Tiere Fäulnisbewohner sind, werden sie unter Schmarotzern wie Milben usw., viel zu leiden haben. Gerade diese Stellen, die gewissermaßen Hautfalten bilden, bieten den Bulben ein gutes Versteck und einen günstigen Angriffs- punkt. Möglich ist es da wohl, daß die feindlichen Insulte diese all- seitige Ausscheidung als einen Schutzpanzer hervorriefen. ^64 Karl Jordan, Schreckdrüsensystem. Es ist auffällig, daß Wasmann in seiner histologischen .Arbeit über Lomechusa und Atemeies nicht das Geringste von einem großen Drüsensystem im Abdomen vermerkt. Dieses Gebilde ist viel mehr in die Augen fallend als die kleinen myrmecophilen Drüsen, und man könnte leicht versucht werden, es als myrmecophiles Organ anzuspre- chen, wenn nicht schon die Lage, die gar nichts mit den Trichomen zu tun hat, auf eine andre Funktion hinwiese. Die biologischen Be- obachtungen aber zeigen einwandfrei, daß es sich hier um ein Abwehr- organ handelt, wie dies im biologischen Teil erläutert werden wird. Unsrer Beschreibung mögen die Verhältnisse bei einem Atemeies zugrunde gelegt werden, der übrigen? vollkommene Übereinstimmung Dk — mit Lomechusa zeigt. Besonders gut geeignet sind zur Verfolgung des Systems Sagittalschnitte, da sich die Drüsen über mehr als zwei Seg- mente erstrecken. Im Anfang des vorletzten Abdominalsegmentes treten dorsal gelegene Zellgruppen auf, die durch ihre abnorme Größe sofort von der Umgebung abctechen. Besonders das drittletzte Seg- ment ist ganz erfüllt von ihnen; denn hier liegen sie in kleinen Gruppen von drei und vier dicht zusammengeschart. Sieht man diese Zellen unter starker Vergrößerung an, so bemerkt man im Innern ein kreisrundes Gebilde, an dem eine feine aber deut- lich sichtbare radiäre Streifung auftritt (s. Fig. 15). Das Centrum selbst zeigt diese Streifung nicht, sondern hat einen Hohlraum, der mit einem durch Hämalaun stark färbbaren Sekret angefüllt ist. Von diesem Hohlraum aus geht ein dünner Kanal, der nach Verlassen des ge- Zur Älorpliologio u. Biologie d. ni\Tmecophilen Gattungen Lomechusa usw. 365 U- -$ i streiften Teiles sich flasclienfönuig- erweitert, um sich dann noch inner halb der Zelle wieder zur normalen Breite zu verengen. Das Proto plasma dieser Zellen läßt um den cen- tralen Teil einen schmalen hellen Ring erkennen, der wiederum seinerseits von einem dunkleren und breiteren eingefaßt ist. Der Kern ist ziemlich groß und fällt durch seine helle Fär- bung auf. Im Innern dagegen sind zahlreiche dunkle Chromatinkörner ein- gelagert. Die gesamte Zelle ist dem- /' ^^ nach eine typische Insektendrüseuzelle, // f wie sie andern Käfern, z. B. Dytiscus marginalis usw., auch zukommt. Nur ein Gebilde fällt im Gegensatz zu normalen Drüsenzellen auf, nämlich die Anwesenheit eines zweiten Kernes. Nahe der Austrittst teile des Beeret- // W ' ~ . '^ ^ ganges liegt dies längliche mit Chroma- // tin reich angefüllte Gebilde, das einem typischen Kern gleicht. Nicht alle // yV/'\ "^^^ V^ Zellen zeigen ihn; doch tritt er immer- hin sehr häufig auf. Zunächst ver- mutete ich, daß sich eine dünne Mem- bran finden ließe, die den Kern als zu einer zweiten Zelle gehörig erwiesen hätte. Aber trotz schärfster Vergröße- rung und verschiedener Einbettungs- verfahren der Schnitte war dergleichen nicht zu sehen. Wohl aber fiel auf, daß er ganz den Kernen ähnelt, die den Secretgängen ansitzen, die sich von den Zellen aus ziemlich weit erstrecken. Form und Gestalt ist dieselbe, auch die Lage an dem Ausführgang ist die gleiche. So kann man wohl annehmen, daß er zu den Ausführröhren gehört und erst sekundär in die Drüsenzelle gekommen ist. Es wurde erwähnt, daß die Secret • 366 Karl Jordan, gän^e sich weit verfolgen lassen, und in der Tat erstrecken sie sich durch das ganze drittletzte Segment (s. Fig. 16). Nach und nach ver- einigen sie sich, so daß schließlich ein ganzes Bündel gemeinschaf blich in eine Hauttasche mündet. An der Einmündungssteile zieht sich das Chitin des Tergits ein Stück ins Körperinnere, so daß die Aus- führgänge der Drüsen dort das Chitin durchbohren müssen. Auch die Hauttasche zeichnet sich durch eine recht ansehnliche Größe aus. Es seien deshalb gleich die Maße angeführt, die wohl der beste Beweis sind, wenn man berücksichtigt, daß Atemeies selbst nur ein Tier von 4 — 5 mm ist. Die Längenausdehnung beträgt 230 /<, die Höhe 33 ß und die Breite 900 /(. Wenn man nun noch berücksichtigt, daß sich die Tasche im viertletzten Abdominalsegment befindet, an dem der Hinterleib sich bereits verjüngt, so kann man verstehen, daß auf Quer- schnitten dorsal fast die ganze Breite des Tieres von der Hauttasche eingenommen wird. Die Unterseite dieses Keservoirs ist von hohem cylinderartigem Epithel gebildet, das der Funktion nach wohl drüsig sein dürfte. Nach vorn aber flacht sich das Epithel ab und läuft in ein Band aus, das sich in scharfer Biegung rückwärts Avendet und an dem überragenden Teil des viertletzten Segmentes endet. Es bleibt also zwischen den beiden Segmenten ein Spalt, der Eingang in die Hauttasche, frei. Am blinden Ende dieses Hohlraumes setzt ein feiner quergestreifter Muskel an, der dorsal von der Chitinschicht seinen Ursprung nimmt. Nach diesen Befunden scheint die Tätigkeit dieser Drüsen folgender- maßen vor sich zu gehen. Die zahlreichen Drüsenzellen — es wurden bis 38 auf einem Querschnitt gezählt — sezernieren andauernd und lassen das Secret in die Hauttasche abfließen. Diese ist das Reservoir, das gegebenenfalls entleert werden kann. Wie die Entleerung vor sich geht, wird erst durch die biologischen Beobachtungen verständ- lich und soll im biologischen Teil der Arbeit behandelt werden. Wie bei den myrmecophilen Drüsen nach ähnlichen Strukturen bei Verwandten gesucht wurde, so war es auch hier naheliegend, inner- halb der Staphylinidengruppe nach diesem mächtigen Drüsensystem zu forschen. Da bereits erwähnt wurde, daß Lomechusa ähnliche Ver- hältnisse wie Atemeies aufweist, war es von großem Interesse zu sehen, ob diese auffälligen Drüsen nur ein Merkmal der Myrmecophilen sind, oder ob es sich um ein typisches Merkmal innerhalb einer Gruppe handelt. Es stellte sich denn auch heraus, daß bei folgenden das gleiche Drüsensystem vorhanden ist: Zur Morphologie u. Biologie d. myrmecophilen Gattungen Lomechusa usw. 367 Aleochara spadicea Er. Oxypoda longipcs Rey. Dinarda dentata Grav. Mijrmedonea funesta Grav. Atheia fungi L. Aiheta analis Gr. Astilbus canaliculat/us F. Gerade diese sind die nächsten Verwandten der Symphilen, und man darf wohl verallgemeinern und kann die Behauptung aufstellen, daß die gesamte Unterfamilie der Aleocharinae im Besitze dieser Drüsen ist. Nicht überall zwar ist die Anzahl der Drüsen so groß wie bei Atemeies und Lomechusa. Wohl aber liegen die Hauttasche, und die Drüsen stet^ in den gleichen Segmenten. Bei Oxypoda, Aleochara, Dinarda und Aiheta ist der obere Teil der Hauttasche mit dem Chitin verwachsen, und nur am Ausführgang hängt ein kleiner Hautlappen vor, der scheinbar den Spalt abschließen soll, um ein Verdunsten des Secretes zu verhindern. Auch ist hier eine Veränderung in der Struktur der Tasche selbst eingetreten. Das Reservoir, das bei all diesen Formen viel tiefer ist, hat auf der unteren Seite nicht das hohe Cylinderepithel. Viel mehr tritt hier ein membranartiges Band auf, das bei manchen Formen höchstens eine kleine Verbreiterung zeigt. Astilbus ist die einzige der von mir untersuchten Formen, wo sich auch das Cylinder- epithel vorfand. Von den andern Staphylinlden, die noch geschnitten wurden, zeigte keine auch nur ähnliche Gebilde. Große Drüsensysteme, die im Abdomen liegen, sind zwar von der Gattung Staphylinus und Ocypiis bekannt. Es sind das die schon von Leydig beschriebenen Säckcheu, die am analen Pol hervorgestülpt werden können, sie sind aber so anders geformt, daß man sie nicht hiermit in Beziehung bringen kann. Auch sind sie nicht der ganzen Unterfamilie der Staphylininae zu eigen; da die Formen, die hier untersucht wurden, sie nicht zeigten. Wohl aber fanden sich bei zwei Gattungen eigenartige Drüsensysteme im Thorax, die nicht unerwähnt bleiben sollen, da sie bisher noch nicht beschrieben wurden. Sie kommen bei Heterotops praevia und bei Phi- lonthus splendens vor. Von letzterem, der ja durch seine Größe und Häufigkeit ein bequemes Objekt ist, sei dieses thoracale Drüsensystem beschrieben. Hebt man bei einem Philonthus die Flügeldecken ab, so kann man lateral gelegen zwei große Gruben sehen, in deren Umkreis zahlreiche Haare stehen. Unter dieser Grube steht ein dichter Kranz von Drüsen- 3 68 Karl Jordan, Zellen, die in ihrer Struktur interessante Einzelheiten zeigen (s. Fig. 17). Die Drüse selbst ist langge&treckt und hat flaschenförmige Gestalt. Der Kern, der der Chitinwand abgekehrt liegt, i^t ungewöhnlich groß und zeichnet sich durch zahlreiche Chromatinkörner aus. Von ihm H.l. Fig. 17. aus zieht im Protoplasma, das sonst in der ganzen Zelle gleichmäßig verteilt i&t, ein dunkler Streifen, der den Eindruck erweckt, als ginge ein Gang nach einem kleinen Sammelreservoir, das direkt an das Chitin angrenzt. Dieses rundliche Reservoir ist durch Hämalaun &tets stark gefärbt, nur in der Mitte unter der Chitin- - — <^ . — .y-^:^-"^:^—D.s. Schicht zeigt sich ein heller Streifen, der \ / ( / —'-Cü. . . ^ . . rts=^ ir ^^ \r:l^,~,.^^_.^g in emen Ausführgang durch das Chitm I l Jf ll^^ u^ündet (s. Fig. 18). Das Chitin selbst ]f hii 1" \ ^^^ ^®^^ einzelnen Drüsen sehr günstig / // / 1\ \ angepaßt; denn für iede Drüse wird durch / /' \ / II --V — o.z. . . / ;! \i 'I \ Emsenkung eme Grube gebildet, und I ^ A \ ■ ''" l)\ nj. Über diese erhebt sich als Deckel eine V ^s^' i ^^^'' / schräg stehende Schutzschuppe. Ob die '■^_^^ \.^__^ Schuppen gelenkig sind, konnte mit Sicher- pig_ 18^ heit nicht festgestellt werden. Es machte an manchen Stellen den Eindruck; doch spricht die überall gleiche Stellung der Schuppen auch dagegen. Zwi- schen den Drüsen finden sich häufig zellige Gebilde, deren Form sichtlich unter dem Einfluß der Drüsen steht. Das dichte Epithel drängt diese Zellen so zusammen, daß sie entweder ganz langgestreckt, dreieckig oder flach gedrückt werden. Stets zeichnen sie sich durch den Reich- tum an Chromatin aus. Man geht wohl nicht fehl, wenn man sie für Hypodermiszellen hält, die nicht der Umwandlung in Drüsenzellen Zur Morpliologic u. Biologie tl. m^'i-moeophilen Gattungen Lomechusa usw. 369 erlagen. Bei Heterotops ist die Anordnung des gesamten Systems und der einzelnen Drüsen die gleiche, nur sind diese nicht mit dem Sammel- reservoir ausgestattet. Über die Funktion dieser Drüsen etwas auszusagen, ist sehr schwer. Versuche, die angestellt wurden, ergaben keine Resultate. Man könnte annehmen, daß es eine Stinkdrüse ist, da sie ja beiden Geschlechtern zukommt, doch bemerkt man nie, wenn man Philonthus reizt, daß er die Flügeldecken hebt, um etwa das Secret dem Angreifer entgegen- zuschleudern. Vielleicht bringen längere biologische Beobachtungen und Zuchtversuche darüber Aufschluß. Biologie. Besonderen Wert erhalten anatomische und histologische Unter- suchungen erst dadurch, wenn wir sie in Beziehungen zu den Lebens- gewohnheiten der Tiere bringen können. Es liegt also auch hier die Frage nahe, ob unsre Befunde betreffs der myrmecophilen Drüsen im Einklang stehen zu der Beleckung seitens der Ameisen. Wasmanx und andre Beobachter haben so oft das Belecken der Gäste durch die Ameisen beschrieben, daß es fast überflüssig erscheinen möchte, nochmals hierauf einzugehen. Aber wie schon Wasmann in seiner histolcgischen Untersuchung den Seitenzipfel nicht beachtet, so wird auch von keinem der Autoren beim Belecken näher auf diesen eingegangen. Es sei im folgenden eine Notiz meiner täglichen Be- obachtungen mitgeteilt, die über die Bedeutung des Seitenzipfels gut Aufschluß gibt. 11. Oktober 1912. Eine Formica sanguinea kommt auf eine Lo- mechusa von vorn zu. Wie üblich tauschen die Tiere einige trillernde Fühlerschläge aus, und dann beginnt die Ameise mit der ihr so ange- nehmen Beschäftigung, dem Lecken. Nichts an dem Tier bleibt un- berührt. Erst wird das Halsschild rasch beleckt, dann kommen die Flügeldecken an die Reihe und schließlich wird das Abdomen auf allen Seiten untersucht. Endlich ist sie in der Region der Seitenzipfel. Das scheint ihr eine bekannte Stelle zu sein; denn mit weit geöffneten Mundwerkzeugen umschließt sie gleich den ganzen Zipfel. Es scheint ihr außerordentlich zuzusagen, denn erst nach einer Viertelstunde ließ sie die Lomechusa, die weniger darüber erfreut schien, frei. Immer war zu beobachten, daß die Gäste nicht gerade willig sich einer so langen Prozedur unterzogen. — Diese einzige Beobachtung schon zeigt, welcher Wert dem Seitenzipfel zukommt. Während überall am Tier, also auch auf dem Abdomen, nur kurz darüberhin geleckt wurde, 370 Karl Jordan, SO verweilte die Ameise am Seitenzipfel eine volle Viertelstunde. Da nun wiederholt das Gleiclie auch an andern Individuen beobachtet wurde, so kann man wohl im Zusammenhang mit den morphologischen und histologischen Befunden als erwiesen ansehen, daß die Seitenzipfel die Hauptträger der Exsudation sind. Es erübrigt sich also w^eiter auf diese Drüsen einzugehen, da die Beobachtungen von allen Autoren über die Beleckung im wesentlichen übereinstimmen. Wichtiger ist es, ausführlich zu begründen, welches die Funktion des andern Drüsensystems ist, das so vielen zukommt und so reich in seiner Ausbildung ist. Von vielen Beobachtern sind Versuche darüber angestellt worden, wie sich unsre Ameisengäste den Wirten und fremden Ameisen gegen- über verhalten. Da sie aber nicht die histologischen Verhältnisse kannten, so wurde auf ihre vorzügliche Waffe, das große Drüsensystem, wenig Wert gelegt. Es war ihnen nur bekannt, daß eine Lomechusa einen Feind durch Hochbiegen des Abdomens abzuwehren versucht und zwar mit Hilfe eines Secretes, das aus dem After kommen sollte. Ich habe nun mit zahlreichen Ameisen Versuche angestellt und be- merke von vornherein, um Mißverständnissen entgegenzutreten, daß es sich nicht um eine Wiederholung der Versuche handelt, die Was- MANN in seinen »internationalen Beziehungen der Gäste zu den Ameisen << angestellt hat. Dort ist ja der Endzweck die Aufnahme in die Kolonie,, hier aber wurde nur auf das Verhalten der Gäste bei Begegnung mit Ameisen Wert gelegt, wie das im Freien oft genug der Fall sein wird. Es handelt sich also im Grunde genommen nur um einen Teil und zwar den ersten der internationalen Beziehungen. Es wurden daher auch die Versuche meist mit wenig Tieren ausgeführt, da ja über Aufnahme und Benehmen ganzen Kolonien gegenüber Wasmanns Arbeit vollen- Aufschluß gibt. Setzt man nun eine Lomechusa mit feindlichen Ameisen zusammen^ so wird bei Angriffen stets der Hinterleib in die Höhe gebogen. Dabei befindet sich die Öffnung der Hauttasche ungefähr in Kopfhöhe, so daß das Secret über den Kopf weg den Gegner treffen muß. Die Leerung des Reservoirs ist wahrscheinlich durch Blutdruck zu erklären. Beim Hochbiegen des Abdomens wird bereits ein Druck auf das Reservoir ausgeübt, zu dem sich der Blutdruck gesellt und die Wirkung noch erhöht. Da nun noch ein Muskel ansetzt, so könnte man der Meinung sein, daß dieser durch Kontraktion zur Vermehrung des Druckes auf die Hauttasche beitrüge. Doch ist dies nicht so wahrscheinlich, weil er viel zu klein und die Hauttasche zu faltenreich ist. Vielmehr kommt Zur Muipliülügio u. Biologie cl. luyrmecopliilea Gattungen Lomechusa usw. 371 ihm die Aufgabe zu, das Herausstoßeu der Hauttasche zu verhindern, wenn der Blutdruck allseitig auf sie wirkt. Das Verhalten von Lomechusa zu fremden Ameisen. F 0 r ))i i c a s a n g u i n e a . Es wird vielleicht verwundern, daß sogar das eigne Wirtstier hier mit aufgeführt wird. Aber frisch gefangene Exemplare mit fremdem Nestgeruch werden nicht immer sofort freundlich begrüßt, wie nach- folgende Beobachtung zeigt. Vier Lomechusen werden in eine Kolonie gesetzt, die seit einem Vierteljahr ohne Gäste gewesen ist. Da die Lomechusen möglichst vorsichtig hineingebracht wurden, so war die Kolonie nicht in Aufregung. Zwanglos bewegten sich die Tiere unter den Ameisen. Nur eine F. sanguinea, die einem Gast etwas abseits von dem Gewühl begegnete, wurde erregt. Lebhaft schlug sie mit den Fühlern auf den Gast, der seinerseits besänftigend diese Begrüßung erwiederte, doch plötzlich wurde er von der F. sanguinea in den Fühler gebissen. Sofort bog sich sein Hinterleib in die Höhe. Ein einziger Schuß aus seiner Hauttasche und die F. sanguinea ergreift eiligst die Flucht, um im Gewühl zu verschwinden. Formica fusca. In einem besonders kleinen Beobachtungsnetz wurde eine Lome- chusa zu wenigen Formica fusca gesetzt. Ungeniert marschierte das Tier auf die Ameisen zu, immer mit den Fühlern lebhafte Bewegungen ausführend. Das erste Tier, das ihr begegnete, macht sofort wütende Angriffe. Hiebartig erfolgen die Bisse nach den Beinen, trotzdem sucht die Lomechusa durch Fühlerschläge den Gegner zu beruhigen, jedoch ohne Erfolg. Als nun aber die F. jusca gar in die Fühler beißt, wird der Hinterleib hochgehoben und die Ameise so getroffen, daß sie wegtaumelt und mit eigenartig abgespreizten Beinen durch das Formicarium rutscht. Der Käfer ist ruhig auf seinem Platz geblieben; er zieht mit Hilfe des Vorderbeines den angegriffenen Fühler durch die Mundwerkzeuge und beschäftigt sich mit dieser Prozedur eine volle Viertelstunde. Formica rufa. Interessant war dieses Zusammentreffen, weil die Ameisen sich zu zweit auf den Eindringling stürzten und von hinten die Angriffe unternahmen. Eine F. rufa biß sich am Hinterleib fe&t und es be- durfte energischen Schütteins und Hin- und Herbiegens des Abdomens, 372 Karl Jordan, um von dem gefährliclien Gegner freizukommen. Dann aber drehte sich die Lomechusa um. Ein kurzes Zittern ging durch das Tier, und eine Abwehrsalve wurde den beiden Angreifern entgegengeschleudert. Ein Tier ergriff sichtlich irritiert die Flucht, während das andre noch- mals den Angriff eröffnete. Aber auch hier half ein zweiter Schuß sofort ab. Die Tiere, die nun aufgeregt im Formicarium umherlaufen, gehen bei geringster Berührung sofort der Lomechusa aus dem Wege. Formica rufibarbis v. fusca-rufibarbis. Das Verhalten ähnelt dsm von Formica fusca. Nur schien das Secret hier nicht so stark wirksam zu sein; denn die Angriffe wurden mehreremals wiederholt, ehe die Ameisen den Gast in Ruhe ließen. Es ist zwar möglich, daß die Lomechusa nicht gleich richtig getroffen hat. Lasius umbrat US. Zunächst läuft die Lomechusa ungestört zwischen den Ameisen umher. Zum Teil gehen diese sogar dem Tier aus dem Wege, teils aber kriechen sie völlig ungestört zwischen den Beinen durch; selbst als die Lomechusa in das dichteste Gewühl geht, werden die Tiere nicht auf- geregt. Nach einer halben Stunde endlich beginnen einige Lasius mit geöffneten Kiefern Angriffsversuche zu machen, die sich jedoch gegenüber dem dicken Chitinpanzer von Lomechusa völlig erfolglos erwiesen. Lasius niger. Die Ameisen scheinen äußerst furchtsam zu seijpi. Sie ergreifen immer die Flucht vor dem Tier, so daß nach einer halben Stunde der Versuch unterbrochen wird, weil kein näheres Zusammentreffen mehr stattfindet. Lasius fuliginosus. Beide Teile, sowohl Lomechusa wie die Lasius, sitzen ruhig im Nest und nehmen voneinander zuerst nicht die geringste Notiz. Nach 10 Minuten beginnen sie mit ihren Streifzügen, doch kommt es zunächst zu keinem näheren Zusammentreffen, weil alle Ameisen der Begeg- nung aus dem Wege gehen. Endlich wagt sich eine Ameise vor und kommt mit Fühlerschlägen auf den Gast zu. Sie betrillert ihn einmal, aber schon nimmt die Lomechusa ihre drohende Kampfstellung ein, und nach Abgabe einer Salve geht die Ameise ohne besondere Schreck- anzeigen ruhig weg. Der Vorgang wiederholt sich noch dreimal mit Zur ^lorpliologio u. Biologie d. niyrnu'cophik'n CJuttuiigcn Loincchusa usw. 373 andern Tieren, bis sie schließlich der Lomechusa keine Beachtung mehr schenken. Camponotus herculaneus. Es war zu erwarten, daß unsre größte Ameise sich den Lomechuscu gegenüber mutig und tapfer zeigen würde, aber eigentüuiHcherweise schrecken die Tiere stets vor dem Käfer zurück, ohne daß dieser sein 8ecret ausgespritzt hat. Mehrere Minuten vergehen so, bis die Lome- chusa selbst ihre Wanderung miternimmt. Sie geht mitten auf die größte Gruppe der Ameisen los und betrillert die ihr zunächst sitzende. Da kommt plötzlich Leben in die Tiere. Sie fahren auf und fallen mit wuchtigen Bissen über den Käfer her; vor allem beißen sie sich in den Beinen fest, und die Lomechusa gibt mehrere Schreckschüsse ab. Ein Camponotus, der getroffen wurde, läßt ein paar Minuten von den Angriffen ab, kommt aber bald wieder und beißt sich vorn am Fühler fest Ein erneuter Schuß von seiten der Lomechusa hat eine außerordentliche Wirkung; denn der Camponotus war wie betäubt und taumelte seitwärts weg. Andre aber fielen erneut über den Gast, dessen Abwehrschüsse immer matter wurden ; denn er hatte etv, a 20mal seine Waffe gebraucht. Arg zerbissen ließen sie ihn dann liegen. Myrmica laevinodis. Nachdem die Lomechusa in das Nest gesetzt ist, unternimmt sie sofort Streifzüge durch das ganze Formicarium. Eine Myrmica, die ihr mit geöffneten Kiefern begegnet, wird rasch durch einige Fühler- schläge besänftigt und läßt den Gast unbehelligt. Andre wieder machen vor dem großen Eindringling Kehrt. Endlich kommt ein Tier von hinten und beißt die Lomechusa in das rechte Hinterbein. Es ist ihr das sichtlich unangenehm; denn in ganz verwunderlicher Verdrehung sucht sie den Hinterleib so seitlich zu biegen, daß die Drüsenöffnung in Richtimg des Feindes ist. Sie erreicht auch ihren Zweck; denn das Tier ver.-x-hwindet äußerst schnell aus ihrer Nähe. Der Lomechusa scheint der Aufenthalt bei diesen Gästen wenig zu behagen. Sie beginnt mit Flugversuchen. Dabei hebt sie die Elytren, steckt die häutigen Flügel hervor, und mit Hilfe des Abdomens werden alle Falten schön ausgestrichen und geglättet. Dann aber gibt sie die Flugversuche wieder auf und beginnt mit gleicher Geschicklichkeit die Flügel zusam- menzulegen. Das Abdomen entwickelt hierbei eine solche Geschick- lichkeit und Bev.eglichkeit, daß es vollkommen eine Extremität er- ■^f'tzt. Bis an den Kopf sind die Tiere imstande, den Hinterleib zu biegen ; 374 Karl Jordan, dabei werden die Flügel in die natürlichen Falten gelegt und sorgsam unter die Elytren geschoben. Ein leichter Druck auf die Flügeldecken beendet meist die Prozedur. Polyergus rufescens. Die Amazonenameise verhielt sich den Lomechusen gegenüber vollkommen indifferent. Es ist dies ja auch erklärlich, da sie so von ihren Sklaven abhängen, daß sie sogar den Wacht- und Soldatendienst trotz ihrer langen Kiefern diesen überlassen. Als Lofnechusa sich ihnen näherte, ergriffen sie alle die Flucht. Es würde ermüden, die zahlreichen Versuche, die mit Atemeies und Dinarda angestellt wurden, einzeln aufzuzählen. Meist ist das Resultat das gleiche. Es sei aber das eine betont. Das Hochtragen des Hinterleibes bei diesen myrmecophilen Formen ist nicht nur dazu da, um eine Mimikry vorzutäuschen; denn sie wollen stets kampf- bereit sein. Und nicht nur für fremde Ameisen ist die Abwehrdrüse berechnet, auch Insulte der eignen Wirte werden erwidert. Vor allem aber erscheint das Secret wichtig, wenn sie in eine neue Kolonie ein- wandern wollen. Man kann wohl annehmen, daß sie nicht von vorn- herein nur jene Kolonien finden, wo sie einer freundlichen Aufnahme gewiß sind. Vielmehr werden sie auch an solche kommen, wo ihnen der Tod sicher wäre. An den Nesteingängen aber treffen sie immer nur einige wenige Ameisen. Sind es nun Feinde, so wird wohl in den meisten Fällen ihre Abwehrdrüse genügen, um die Gegner zurück- zuschrecken. Sie wendet sich dann einer neuen gastlicheren Kolonie zu, bis sie schließlich die Wirtsameise findet. Aus obigen Versuchen ergab sich die eigenartige Tatsache, daß auf große Ameisen die Wirkung des Secrets viel besser und sicherer ist. Besonders bei Formica fusca war dies bei allen Versuchen auf- fallend, und man kann wohl geneigt sein, daß dies eine besondere An- passung seitens der Symphilen ist. Durch die Größe und die gleiche Lebensart wie Formica sanguinea kann beim Aufsuchen einer neuen Kolonie sehr leicht eine Täuschung stattfinden, so daß ihre Waffe gegen diese Tiere besonders gut ausgebildet ist. Den histologischen Befunden nach könnte man leicht der Meinung sein, daß die Öffnung der Hauttasche nicht gerade an einer günstigen Stelle liegt, weil Angriffe von hinten und von der Seite nicht so gut a.bgewehrt werden können. Die obigen Versuche belehren uns aber eines Besseren. Bisse in die Beine zum Beispiel bleiben sehr oft un- beachtet, weil ja hier das Chitin genug Schutz gewährt. Sehr empfind- Zur Morphologie u. Biologie d. niyriiiccophiloii (JatluiigcMi Loiiiechusa usw. 375 lieh dagegen waren die Käfer, wenn sich eine Ameise in den Fühler festbiß. Daraus wird auch die Lage der Hauttasche verständhch, denn bei hochgebogenem Hinterleib trifft das Secret gerade den Gegner, der sich in Höhe der Fühler, dieser wichtigsten aller Sinnesorgane, befindet. Hervorzuheben ist ferner, daß so viele Staphyliniden mit dem Drüsensystem ausgestattet sind und zwar gerade aus der Gruppe, die die meisten Vertreter als Ameisengäste stellt. Deshalb auch wurde angedeutet, daß Dinarda durch ihre Schreckdrüse prädestiniert, sehr Wühl ein echter Gast werden kann, wenn ihr Hautdrüsensystem nur noch eine geringe. Ausbildung erfährt. Secret. Interessant ist die Frage, ob sich über die Qualität des Secrets der Symphilen ein Aufschluß gewinnen läßt; denn bei der Bedeutung der Drüsensysteme muß man schon annehmen, daß die Käfer ein Secret produzieren, das auf Ameisen von ganz besonderer Wirkung ist. Auch hier hat Wasmann einige Versuche angestellt, ohne jedoch zu einem befriedigenden Schluß zu kommen. Bei der Kleinheit der myrmecophilen Drüsen muß man wohl von vornherein sagen, daß ein chemisch-analytischer Weg hier ausgeschlossen ist. Mit unsern eignen Sinnesorganen aber, also Geschmack und Geruch, zu probieren, hat bei den myrmecophilen Drüsen auch wenig Erfolg; denn Wasmann gibt an, daß er beim Belecken der Trichome nichts geschmeckt habe, während ich auch wiederholt mit der Zunge die Trichome beleckt habe und im Gegensatz zu ihm doch einen süßlichen Geschmack bemerkt zu haben glaube. Es wäre das auch denkbar, daß in dem Secret Zucker enthalten ist, da ja bekanntlich Ameisen mit Vorliebe Süßigkeiten an- nehmen. Aber zweifellos ist das nicht der einzigste Bestandteil des Exsudats und die Annahme Wasmanns, ein ätherisches öl könne das Secret sein, hat gewisse Berechtigung. Es wurden nun Versuche gemacht, um über die Löslichkeit des Exsudats etwas aussagen zu können. Bepinselt man dem Käfer die Trichome mit Äther oder Chloroform, so kleben sie aneinander. Diese Tiere nun wurden m das Formicarium gesetzt, um das Verhalten der Ameisen zu studieren. Et- liche liefen darüber hinweg, andre wieder betrillerten sie mit den Fühlern, und schließlich kam eine, die zu lecken versuchte. Aber sofort, als sie die Trichome berührt hatte, ließ sie wieder davon ab. Der Versuch wurde mehrmals mit gleichem oder ähnlichem Erfolg wiederholt. Der Geruch des Chloroforms oder Äthers scheint die Tiere nicht abgehalten Zeiuchrift f. wissensch. Zoologie. CVII. Bd. 25 376 Karl Jordan, ZU haben; denn das Benehmen nach dem Betrillern deutet darauf hin, daß sie keineswegs gestört waren. Daß eine Ameise sogar zu lecken versuchte, bestärkt diese Annahme. Nun aber kann es zwei MögHch- keiten geben. Hörte die Ameise beim Leck versuch deshalb auf, weil das Secret gelöst war, oder weil noch Spuren des Chloroforms in den Trichomen hingen? Dies zu beantworten ist aus den obigen Ver- suchen nicht möglich. Läßt man die Lomechusen länger warten, ehe man sie in das Formicarium setzt, so ist ja die Wahrscheinlichkeit größer, daß das Lösungsmittel verflogen ist. Anderseits aber kann sich auch neues Exsudats ansammeln, und der Versuch zeigt wieder keinen Erfolg. In oben erwähnten Fällen wurde meist eine Viertel- stunde vom Bepinseln an bis zum Einsetzen zu den Ameisen gewartet. Die Ausdehnung des in ein ansehnliches Reservoir ausmündenden Schreckdrüsensystems läßt vermuten, daß man über seine biologische Bedeutung und über die Natur des Secretes schon eher zu exacten Schlüssen kommen kann. Wenige Tiere nur genügen, um das Secret auch uns zugänglich zu machen. Sperrt man mehrere Tiere in eine kleine Röhre und reizt sie noch durch Schütteln, so setzen sie sofort ihre Schreckdrüsen in Tätigkeit, die den Raum mit einem aromatisch riechenden Stoff erfüllen, der sich sehr rasch verflüchtigt. Der Geruch ist, wie mir von fachmännischer Seite wiederholt bestätigt wurde, sehr ähnlich oder fast gleich dem des Amylacetats oder des Methyl- Heptenons. Auf dieses chemisch irgendwelche Proben zu machen, ist bei der Schwierigkeit des Nachweises unmöglich. Es sei denn, daß man mehrere Tausende von Käfern zusammen verarbeiten könnte. Interessant aber ist es zu erproben, ob die genannten ätherischen Flüssigkeiten giftige Einwirkungen auf die Ameisen haben. Es wurden hier viele Versuche angestellt, die stets das gleiche Resultat ergaben, so daß es sich erübrigt, sie einzeln aufzuführen. Um bei den Versuchen möglichst schwache Quantitäten entsprechend dem Exsudat der Sym- philen zu haben, wurde der Stopfen eines Glasröhrchens von etwa 5 cm Länge nur betupft mit dem Stopfen, der von den Flaschen der Flüssigkeiten genommen war. Zunächst wurden die Wirtsameisen selbst in die Röhrchen gesetzt; es ergab sich folgendes: In beiden Gläsern benehmen sich die Ameisen höchst aufgeregt. Sie laufen mit geöffneten Kiefern hin und her und beißen auch ab und zu in den Kork. Nach 4 Minuten wird die Ameise, die im Amylacetat- glase sitzt, matter, Sie fällt auf den Rücken, krümmt den Hinterleib ein, verrenkt die Glieder nach allen Richtungen und quält sich so noch 3 Minuten. Dann bleibt sie bewegungslos auf der Seite liegen. Zur Morphülogio u. Biologie d. myruieuophik-n Giattungcn Lonicchusa usw. 377 Die andre Formica sanguinea in Methyl-Hcptcnon ist noch munter, während ihre Genossin im Amylacetat schon auf dem Rücken liegt, aber auch sie zeigt schon die ersten Spuren der Gifteinwirkung und stirbt unter gleichen Erscheinungen. Es erfolgte im Amylacetat nach 7 Minuten, im Methyl-Heptenon nach 9 Minuten der Tod. Bei Formica fusca wurden gleiche Versuche angestellt, und ob- gleich der Geruch mittlerweile sich noch mehr verflüchtigen konnte, so starben auch hier die Tiere äußerst rasch. Im Amylacetat lebten sie nur 5 Minuten, im Methyl-Heptenon 13. — Myrmica laevinodis hielt es im Amylacetat 9 Minuten und im Methyl-Heptenon 12 Minuten aus. Auch w^urden die Käfer selbst dem Geruch ausgesetzt und auch hier zeigte sich, wenn auch erst nach 20 bzw. 25 Minuten, daß die Einwirkung des Giftes tötlich für sie ist. Selbstverständlich war es, die Dauerwirkung des Eigengeruches der Symphilen in seiner Wirkung auszuprobieren. In der oben be- schriebenen Weise wurden 10 Käfer in einem Röhrchen gereizt. Nach 3 Minuten nahm ich sie heraus und steckte nun Ameisen hinein. Auch hier war das Benehmen ganz das gleiche wie bei den Versuchen mit Amylacetat und Methyl-Heptenon. Nur mußte man erwarten, daß entsprechend der schwächeren Konzeutrierung des Geruches der Tod später erfolgen müßte. Und in der Tat starben die Tiere erst nach längerer Zeit. Die Durchschnittswerte sind: Formica sanguinea 25 Minuten Formica fusca 20 >> Mijrmica laevinodis 27 >> Daß der Tod nicht durch Luftabschluß bewirkt wurde, zeigen Kontroll- versuche in einer gleichgroßen Glasröhre, in der nach 7 — 8 Stunden die Tiere wohl etwas matt, aber noch lebensfähig herausgenommen wurden. Es wurde oben erwähnt, daß bei allen Versuchen die Zahlen an- nähernd die gleichen sind. Doch läßt sich feststellen, daß Amylacetat die größere Wirkung auf Ameisen wie auf Käfer hat, und daß Formica fusca am ehesten der Einwirkung des Geruches in allen Fällen erlegen ist. Dies ist eine eigenartige Übereinstimmung mit den Versuchen, die betreffs der Wirkung der Schreckdrüse angestellt wurde. Auch dort zeigte sich, daß eine Formica fusca, von dem Schreckdrüsensecret getroffen, am meisten darunter zu leiden hatte. Es liegt nun nahe, aus den obigen Versuchen, den Schluß zu ziehen, daß eine der beiden Flüssigkeiten in dem Abwehrsecret enthalten ist. 25» 378 Karl Jordan, Da Araylacetat die stärkere Wirkung hat, auch der Geruch ihm etwas ähnhcher zu sein scheint, so kann man wohl annehmen, daß es sich im Secret befindet. Daß natürlich dieser Stoff nicht rein darin vor- kommt, läßt sich schon daraus erkennen, daß das Secret nicht lediglich nach der oben erwähnten Flüssigkeit riecht. Es wäre dies auch ein ungewöhnliches Naturvorkommen; denn in fast allen Fällen, wo Secrete in Frage kommen, finden sich Gemische von verschiedenster Art. — Daß der Stoff auf die Symphilen selbst giftig wirkt, ist nicht verwunder- lich. Es sei nur daran erinnert, daß Ameisen, die man in einem kleinen Behälter sehr stört, so viel Gift ausspritzen, daß sie in oft kurzer Zeit vom eignen Gift betäubt werden und oft genug sterben. Wichtiger dagegen ist die Frage, die Wasmann angeschnitten hat. Er kannte auch diesen Geruch, den er allerdings für dem Fenchelöl ähnlich erklärte. Er sagt nun, daß dieser Geruch derselbe sei, wie der an den Trichomen, nur weit kräftiger. Eine feinere Dosis sei, ähnlich wie für uns der Alkohol und Tabak, angenehm für die Ameisen, während starke Mengen sie narkotisieren. Auch G. Brandes nimmt für die Duft- und Stinkdrüsen von Blaps an, daß sie gleiches Secret produ- zieren. Für unsre Käfer dies zu bestimmen, ist schon deshalb sehr schwer, weil sie bei Berührung mit der Pinzette sofort die Schreck- drüsen in Tätigkeit setzen. Wiederholt wurden sie im Formicarium von mir und andern berochen, ohne daß ein Geruch wahrgenommen wurde. Er trat stets nur dann auf, wenn ein Grund zur Abwehr vorlag, und es ist sehr wahrscheinlich, daß Wasmann sich durch den schwachen Geruch eines einzelnen gereizten Käfers hat täuschen lassen. Es sei die Möglichkeit, daß es sich um ein identisches Secret handelt, nicht in Abrede gestellt, aber mindestens müßte es erst erwiesen werden. Über die Entwicklnng der Symphilie. Nichts im Bereiche der Myrmecophilenkunde ist wohl so ver- schieden aufgefaßt worden, wie das der Entwicklung des Symphilie- instinktes. Und doch erscheint diese Symbiose keineswegs so kom- pliziert, wenn man die biologischen Tatsachen mit den histologischen Befunden in rechten Einklang bringt. Wasmann nimmt an, daß das echte Gastverhältnis ein wechsel- seitiges Verhältnis ist, wobei die Hauptrolle eine »Amikalselektion << seitens der Ameisen spielt. »Die Amikalselektion ist nicht ein Über- leben des Passendsten, sondern eine positive Auslese von selten der Wirte gegenüber den Gästen.« Er begründet dies damit, daß sie ein Pärchen auslesen und zur Copula zulassen, während die andern, die Zur Mor})liologio u. Biologie d. myrim'cophilen Cattungen Lomcchusa usw. 379 nicht geeignet sind, auswandern müssen. Er stützt sich bei diesen Behauptungen auf Beobachtungen, die er im Formicarium gemacht zu haben ghiubt. Wenn man auch zugibt, daß in einem so kleinen Räume, wie es ein Formicarium doch immer ist, eine Kontrolle seitens der Ameisen über ihre brünstigen Gäste möglich wäre, so kann man aber unmöglich annehmen, daß bei ausgedehnten Kolonien im Freien ein gleiches der Fall ist. Schon das spricht dagegen, daß man oft be- trächtliche Mengen von Tieren in einer Kolonie findet, die unmöglich nur von einem Pärchen abstammen. Dann aber wurden von mir wiederholt Copulationen von mehreren Pärchen zu gleicher Zeit im gleichen Formicarium beobachtet, ohne daß die Ameisen den Tieren besondere Aufmerksamkeit geschenkt hätten (s. Tab. S. 382, 3., 4., 5. April). Ein andrer Be- obachter teilte mir mit, daß auch er in einer Kolonie im Freien acht Pärchen in Copula antraf. Alles das weist wohl darauf hin, daß eine »positive Auswahl«, eine »künstliche Zuchtwahl« eine unhaltbare Hypothese ist. — Die züchtende Wirkung der Amikalselektion soll der Symphilieinstinkt der Ameisen sein, so daß die echten Gäste »ein Züchtungsprodukt des Symphilieinstinktes ihrer Wirte vermittels der Amikalselektion darstellen <<. Durch obige Gegenbeweise kommt man zu wesentlich andern Schlüssen. Der Grund zur Symphilie ist nicht bei den Ameisen zu suchen, sondern einzig und allein bei den Gästen. Diese haben den Hauptvorteil, und auch sie allein haben die Anpassungscharaktere. Noch heute ist Lomechusa wie Atemeies als Räuber anzusprechen; denn man kann des öfteren beobachten, daß Larven oder verletzte Puppen der Ameisen von ihnen angefressen werden; und diese räube- rische Lebensweise ist bei vielen Staphyliniden ein so hervorstechender Zug, daß man ihn zweifellos für Lomechusa und Atemeies als eine alte Gepflogenheit annehmen darf. Hiervon muß man auch ausgehen, um das Eindringen dieser Staphyliniden in die Ameisenkolonie zu er- klären. Nun war es eine gefährliche Sache, sich vor die scharfen Man- dibeln der Ameisen zu wagen. Doch auch dagegen waren sie gesichert, weil ihnen die Schreckdrüse zur Verfügung stand, die für wenige Feinde stets genügt. Daß dies wiederum eine alte Erwerbung ist, die nicht durch die Myrraecophilie hervorgerufen ist, zeigt die Verbreitung unter den Verwandten nichtmyrmecophilen Formen. Ähnlich wie der Termitophile, Orthogonius, der vom Versteck aus die Termitenlarven frißt, wird Lomechusa auf Schleichwegen eingedrungen sein, um sich die Beute zu holen. W^ie auch fremde Ameisen in Verkehr mit den 380 Karl Jordan, Koloniegenossen kommen, sowie sie den Nestgeruch haben, so werden auch Lomechusa und Atemeies durch den Nestgeruch bald zu einem geduldeten Einwohner, einem Synoeken, avanziert sein. Durch ge- schicktes Benehmen, wie Fühlerverkehr, und durch Mimikry — Hoch- tragen des Abdomens — ist das symbiotische Verhältnis nach und nach sicherer geworden, so daß es nur noch der Erwerbung eines ange- nehmen Secretes bedurfte, um in den jetzigen höchsten Grad der Sym- philie zu kommen. Wie diese Drüsen entstanden sind, führt Esche- KiCH bei Oxysoma an: »Die Entstehung solcher Drüsen kann sehr wohl durch Naturzüchtung verständlich werden, da wir ja wissen, wie reich viele Insekten an Hautdrüsen sind, und es daher an Material für die Selektion nicht fehlte. Mit dem reichlicheren Auftreten der Sekrete verschwand die feindliche Haltung der Ameisen immer mehr und mehr, und an ihre Stelle trat allmählich eine freundliche Gesinnung.« So ist der auch Vorgang bei unsern Symphilen zu erklären. Sie wandelten die Hypodermiszellen in Hautdrüsen an den Stellen um, welche den Ameisen leicht zugänglich waren und erwarben sich so einen Unterschlupf, wo sie immer Nahrung und Schutz fanden. Erleichtert wurde die Aufnahme durch den sozialen Sinn der Ameisen, die Tiere gleichen Geruches als zur Kolonie gehörig betrachten. Dieser Sinn, der so eng mit ihren Brutpflegeinstinkt verbunden ist, ließ sie auch die Pflege der Larve ihrer Gäste übernehmen. Aber alles dies war den Ameisen schon zu eigen. Die Gäste brauchten nur gegebene Verhält- nisse auszunutzen. Die Ausbildung eines besonderen Instinktes anzu- nehmen, ist überflüssig und erschwert nur die an sich so einfach liegen- den Tatsachen. Fortpflanzung. Bei dem großen Interesse, das man myrmecophilen Formen schon seit so langer Zeit entgegenbringt, müßte man eigentlich der Meinung sein, daß ihre Fortpflanzung allgemein bekannt ist. Wohl beschreiben auch viele der Autoren Larven in allen Stadien, aber nie findet man Angaben über Copulation und über Eiablage. Ja letztere ist noch nie beobachtet worden, so daß Wasmann für die Symphilen sogar Viviparität annimmt. Längere Zeit war es mir möglich, 20 Pärchen von Lomechusa zu halten, die in ihrem Liebesleben so interessante Details zeigen, daß es von Interesse ist, die Beobachtungen mitzuteilen. Die erste beob- achtete Copulation fand am 24. März in den Vormittagsstunden statt, und es sei hier gleich bemerkt, daß die meisten Copulationen von 10 Zur Morphologie u. Biologie d. inyrmeeophilen Gattungen Lomechusa usw. 381 bis 12 Uhr vormittags beobachtet wurden. Nachmittags waren nur selten die Pärchen zusammen anzutreffen. Schon seit einigen Tagen bemerkte ich unter den Gästen des Formicariuras eine eigentümliche Erregung, öfters sah man zwei Lomechusen zusammensitzen und mit Fühlerschlägen sich eifrigst unterhalten. Da Männchen und Weibchen äußerlich nicht zu unter- scheiden sind, so war ich zunächst nicht klar über die Bedeutung dieses Fühlerspieles. Endlich brachte der 24. März Aufklärung darüber: das Betrillern sollte nichts andres sein als das Liebeswerben des Männ- chens um das Weibchen. Oft ging auch ein Zittern durch den Körper des einen Tieres. Plötzlich wurde mit blitzartiger Geschwindigkeit der Penis hervorgestülpt und in das Weibchen eingeführt. Die Käfer saßen dicht aneinander; das Männchen hob das Abdomen schräg über das des Weibchens, bog es dann rasch herab und umklammerte das Fig. 19. Hinterleibsende mit seinem Abdomen. Dabei überschlug es sich und kam in die eigenartige Lage, wie sie Fig. 19 darstellt. Die beiden Tiere blieben 5 — 10 Minuten ruhig, und man konnte nur mit Hilfe einer Lupe eine pumpende Bewegung im Körper des Männchens wahrnehmen. Nach dieser Zeit, die wohl die eigentliche Copulation darstellt, begann sich das Weibchen zu befreien, indem es das Männchen in dieser höchst unbequemen Lage durch das Formicarium schleppte. Das Männchen versuchte sich oft festzuhalten, um den ihm sicher lästigen Transport aufzuhalten, aber meist dauerte es 10 Minuten, ehe es frei kam. Das Verhalten der Ameisen zu den copulierenden Pärchen war ein höchst friedliches. Sie ließen die Tiere völlig in Ruhe, ja es konnte sogar einmal beobachtet werden, daß während des Aktes das Weibchen beleckt ^vurde. Nur einmal hielt eine Ameise das Männchen fest, als es durch das Nest geschleppt wurde. Die Tiere hatten viel Mühe voneinander loszukommen und benahmen sich daher äußerst auf- 382 Karl Jordan, fällig. Es kam eine Formica sanguinea hinzu, hielt das Männchen am Bein fest, und darauf löste sich die Verbindung. Im folgenden sei gleich tabellarisch angegeben, wie oft die Copu- lationen bei 20 Paaren erfolgten. 24. März 1 Copulation 29. » 1 2. April 1 3. >> 5 4. >> 8 5. » 4 6. >> 7. >> 8. >> 10. >> 14. >> 15. » 16. >> 17. >> 19. » 30. >> Es wurden insgesamt also 30 Copulationen beobachtet. Daß aber vielmehr stattgefunden haben, steht aus folgendem fest. Vier Pärchen wurden sofort nach der Copula isoliert, um die Eiablage feststellen zu können. Bei diesen Pärchen wurde wiederholt Copula beobachtet, so daß manche Pärchen bis dreimal den Akt vollzogen. Die Männ- chen sind dabei stets die Aktiven; denn oft genug wurde ihr Werben abgewiesen. Mehrmals ereignete es sich, daß das Weibchen von dem drängenden Männchen überrascht wurde, und der Penis so rasch ein- geführt war, daß das Weibchen das Abdomen nicht wegziehen konnte. Stets erfolgte dann ein heftiger Kampf. Durch rasches Auf- und Ab- bewegen des Hinterleibes erreichte das Weibchen fast immer seinen Zweck, und das Männchen fiel dann im Bogen abgeschleudert etwas unsanft zur Erde. Als Kuriosum sei hier auch erwähnt, daß ein Ateme- fes-Männchen, das frisch gefangen einstweilen zu einem Loniechusa- Weibchen gesetzt wurde, sofort auf dieses losstürzte und es begatten wollte. Es wurde aber wie die andern Männchen nach einer Minute weit abgeschleudert. Überhaupt kann man feststellen, daß die männ- lichen Tiere äußerst brünstig sind; denn in ihrer sexuellen Erregung liefen sie oft einen halben Tag lang mit hervorgestülptem Penis umher, Zur Morphologie u. Biologit' d. myrmecophik'n Gattungen Loniechusa usw. 383 und ähnlich wie bei Fröschen suchte oft ein Männchen das andre vom WoihchtMi \vegzudrän<2;en, selbst wenn diese schon in Copula waren. Nach diesen zahlreichen Copulationen hätte man auch recht zahl- reich Eier erwarteji dürfen. Dem war aber nicht so. Die isolierten Pärchen hielten sich 8 — 14 Tage, fraßen auch selbständig und gingen doch ein. Das Abdomen wurde jedesmal geöffnet und zeigte dann eine eigentümliche Eintrocknung. In einem größeren Formicarium dagegen wurde am 12. April ein Weib- chen beobachtet, das mit eigentündich abgebogenem Hinterleib in einer Ecke saß. Unter der Lupe war am Ab- domen ein matt -grünlichweißes Ge- bilde zu beobachten, das an einem Ästchen festgeklebt wurde. Es war verhältnismäßig groß und ist wohl mit Sicherheit als Ei anzusprechen; denn es hatte das typische Aussehen eines Insekteneies und unterschied sich von den Excrementen der Tiere völlig. Leider fiel es beim Heraus- nehmen aus dem Formicarium herunter und blieb trotz eifrigen Suchens ver- schwunden. Die Annahme Wasmanns, daß die Tiere vivipar sind, findet im Bau der Geschlechtsorgane keine Be- stätigung, da die Präparation zahl- reicher Weibchen in der Copulations- zeit das normale Verhalten ergab. In pj„ 20. keinem Falle war es möglich Eier mit Embryonen zu finden, die einen Rückschluß auf eine Viviparität gestattet hätten. Vielmehr kann man auf Grund der obigen Tatsachen nun mit Sicherheit annehmen, daß eine Eiablage stattfindet. Wahr- scheinlich geht sie in den dunklen Stellen des Formicariums vor sich, wo man nicht beobachten kann, und vielleicht ist dies eine Ursache, daß die isolierten Pärchen aus Mangel au passender Gelegenheit die Eiablage nicht vollzogen. Am 15. April wurden die ersten Larven gesehen. Sie waren äußerst klein — etwa 1 mm — , aber trotzdem munter und sehr beweglich (s. Fig. 20). Das Wachstum ging rasch vor sich, wahrscheinlich ist dies bedingt durch die abnorm warmen Verhältnisse, die in meinen 384 Karl Jordan, Formicarien herrschten. Die weitere Entwicklung der »Symphilen ist zur Genüge bekannt, und es erübrigt sich, hier darauf einzugehen. Daß die Tiere nach der Copulation noch längere Zeit leben, erhellt schon aus der Tatsache, daß man bis Ende Mai die Tiere in Ameisenkolonien fangen kann. Bereits Ende August trifft man die neue Generation. Zusammenfassung der Hauptergebnisse. 1) Es wurde bei den myrmecophilen Gattungen Loynechusa und Atemeies nachgewiesen, daß die Secrete, die von den Ameisen geleckt werden, von zahlreichen einzelligen Drüsen stammen. Diese Drüsen liegen in Zipfeln, die seitlich dem Abdomen ansitzen. Sie münden zwischen den Trichomen direkt nach außen. 2) Ferner befinden sich auf dem Abdomen zahlreiche Hautdrüsen, die verwandten Formen zum Teil auch zukommen. Für die Myrme- cophilie scheinen sie von nebensächlicher Bedeutung zu sein, vielmehr dienen sie als Schmierdrüsen. 3) Das Exsudatgewebe im WASMANNschen Sinne ist nichts andres als typisches Fettgewebe, wie es der gesamten Familie der Staphyliniden zukommt. Mit der Exsudation hat es nichts zu tun. 4) Als Abwehrmittel besitzen die Symphilen ein Drüsensystem, das aus zahlreichen Einzeldrüsen und einem großen Reservoir besteht. Dieses liegt dorsal unter dem vierten Abdominalsegment und mündet zwischen dem dritten und vierten nach außen. 5) Diese Schreckdrüsen kommen der gesamten Unterfamilie der Aleocharinae zu. 6) Bei Heterotops praevia und Philonthus splendens, die unter andern als Vergleichsmaterial untersucht wurden, liegen unter den Flügeldecken zwei Gruben, die dicht mit drüsigem Epithel besetzt sind. Über die Funktion kann nichts näheres gesagt werden. 7) In zahlreichen Versuchen wurde die Wirkung der Schreckdrüse auf Ameisen untersucht. Sie dient als Abwehrniittel gegen Insulte seitens der Wirte und gegen fremde Ameisen, denen die Käfer beim Aufsuchen neuer Kolonien oft begegnen. 8) Das Secret der Schreckdrüse wirkt betäubend auf die Ameisen. Es stimmt im Geruch fast überein mit dem des Amylacetats oder des Methyl-Heptenons. Diese beiden Stoffe haben die gleiche Wirkung auf Ameisen wie das Secret der Schreckdrüse. 9) Die Entstehung der Symphilie beruht auf Anpassungen seitens der Gäste an die Ameisen. Erleichtert wurde die Einwanderung der | Käfer in die Kolonie durch ihre Schutzmittel, die Schreckdrüse, die ! Zur Morphologie u. Biologie d. inyrmecophilen (Jattungen Lonicchusa usw. 385 ein altes Merkmal und keine niyrniecophile Neuerwerbung abgibt. Aus dem ursprünglich nur geduldeten Einmieter wurde durch Er- ^\■T'^bung der myrmecophilen Drüsen der jetzt gepflegte Gast. 10) Die Copidation der Lomechusa erfolgt mehrere Male. Es copuliert nicht nur ein Pärchen, wie Wasmann annimmt, sondern oft mehrere zu gleicher Zeit, ohne daß die Ameisen sie dabei stören. Die Männchen sind sexuell äußerst erregt. 11) Die Symphilon pflanzen sich nicht vivipar fort, da in einem Falle P]iablage beobaclitet wurde. Diese geht in den dunkelsten Ecken des Forniicariums vor sich. Leipzig, im Juni 1913. Literatur. 1. A. Bauer, Die Muskulatur von Dytiacus marginalis. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. XCV. Leipzig 1910. 2. A. Berlese, Insetti. Vol. I, II. Milano. 1909. 3. W. Biedermann, Über die Struktur des Chitins bei Insekten und Crusta- ceen. Anat. Anz. Bd. XXI. 1912. 4. H. Blunck, Die Schreckdrüsen des Dytiscus und ihr Seeret. Zeitschr. f. wiss. Zoologie. Bd. C. 5. H. Borgert, Die Hautdrüsen der Tracheaten. Inaug.-Diss. Jena 1891. 6. G. Brandes, Über Duftapparate bei Käfern. Zeitschr. f. Naturwiss. Stutt- gart 1899. 7. Emery, Über myrmecophile Insekten. Biolog. Centralbl. Bd. IX. 1889 bis 1890. 8. Eric'HSEN, Naturgeschichte der Insekten Deutschlands. Berlin 1858. 9. K. Escherich, Die Ameise. Braunschweig 190(5. 10. — Die Termiten oder weißen Ameisen. Leipzig 1909. 11. — Termiten auf Ceylon. Jena 1911. 12. — Biologische Studien über algerische Myrinecophilen. Biolog. Centralbl. Bd. XXII. 1902. l.'i. A. FoREL, Die psychischen Fähigkeiten der Ameisen und einiger andrer Insekten. München 1897. 14. CJanolbaur, Die Käfer Mitteleuropas. II. 189.5. lö. J. Oeorgewitsch, Die Segmentaldrüsen von Ocypus. Zool. Anz. Bd. XXI. Leipzig 1898. H5. V. Ha(!ENS, Die Castfl-eundschaft der Ameisen. Jahres])ericht d. naturw. Vereins f. Elberfeld. 180.3. 17. R. Heymons, Der morphologische Bau des Insektenabdomens. Zool. Cen- tralblatt. 1899. 18. Nils Holmgren, L^ber die moi'phologische Bedeutung des Chitins bei den Insekten. Anat. Anz. Bd. XXL 1902. 386 Karl Jordan, Zur Morphologie n. Biologie d. myrmccophilen Gattungen usw. 19. Nils Holmgren, Über das Verhalten des Chitins und Epithels zu den unterliegenden Gewebearten bei Insekten. Anat. Anz. Bd. XX. 1901. 20. — Termitenstudien. I. Anat. Unters. Kungl. Svensk. Vetenskaps Akad. Handel. Bd. XLIV. Nr. 3. 21. Krüger, Beiträge zur Anatomie und Biologie des Claviger testaceus Preyssl. Zeitschr. f. wiss. Zool. Leipzig. 1910. 22. F. Leydig, Zum feineren Bau der Arthropoden. Arch. f. Anat. u. Physiol. von Reichert u. Du Bois Reymond. 1855. 23. Reitter, Fauna Germanica. Käfer II. Stuttgart 1909. 24. C. ScHENKLiNG, Die deutsche Käferwelt. Leipzig. 25. F. Schimmer, Beitrag zu einer Monographie der Gryllodeengattung Myrme- cophila Latr. Zeitschr. f. wiss. Zool. Leipzig 1909. 26. E. Wasmann, Zur Bedeutung der Palpen bei den Insekten. Biol. Centralbl. Bd. IX. 1889. 27. — Vorbemerkungen zu den »Internationalen Beziehungen der Araeisen- gäste«. Biolog. Centralbl. Bd. XL 1891. 28. — Die Myrmekophilen und Termitophilen. Compt. rend. III. Congres intern. Zool. Leyden 1896. 29. — Die psychischen Fähigkeiten d. Ameisen. Stuttgart 1899. Zoologica. Hft. 26. 30. — Gibt es tatsächlich Arten, die heute noch in Stammesentwicklung be- griffen sind? Biolog. Centralbl. Bd. XXI. 31. — Zur näheren Kenntnis des echten Gastverhältnisses (Symphilie) bei den Ameisen und Termitengästen. Biolog. Centralbl. Bd. XXIII. 32. — Beispiele recenter Artenbildung bei Ameisengästen und Termitengästen. Biolog. Centralbl. Bd. XXVI. 33. — Über das Wesen und den Ursprung der Symphilie. Biolog. Centralbl. Bd. XXX. 34. — Nils Holmgrens, Neue Termitenstudien und seine Exsudattheorie. Biolog. Centralbl. Bd. XXX. 35. Ritter v. Wielwiesjski, Über das Blutgewebe der Insekten. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. XLV. Erklärung der Bezeichnungen. A.O, Ausführgang; M.D.Z, myrmekophile Drüsenzelle; B.G, Blutgewebe; M, Muskel; Cu, Cuticula; M.Z.Z, membranöser Zwischenzipfel; Ch.T, cliitinisierter Teil; N, Nerv; D.K, Drüsenkern; N.ch.T, nicht chitinisierter Teil; D.E, Drüsenepithel; P, Protoplasma; D.S, Deckschuppe; 8.H, Sinneshaare; F.G, Fettgewebe; S.R, Sammelreservoir; F.L, Fettgewebelappen; S.Z, Sinneszelle; H.T, Hauttasche; S.Zi, Seitenzipfel; H.Z, Hypodermiszelle; Tr., Trichome. K, Kern; Die Körperdecke und die Drüsen von Dytiscus marginalis L Ein Beitrag zum feineren Bau des Insektenkörpers. Von Alois Casper. (Aus dem zoologischen Institut der Universität Marburg.) Mit 44 Figuren im Text. Einleitung. Die nachfolgende Arbeit schließt sich an eine Reihe bereits in dieser Zeitschrift veröffentlichter Untersuchungen über die gröbere und feinere Morphologie des Dytiscus marginalis an, zumal an die von EuscHEE über das Chitinskelet und die von Hochreuther und Lehr über die Hautsinnesorgane. Außerdem ergeben sich Beziehungen zu der Arbeit von Bauer über die Muskulatur, insofern die durch die Insertion der Muskeln an der Körperwand hervorgerufene Modifi- kation der Hypodermis eine Untersuchung der Muskelinsertion er- forderte. Diese wurde aber hier nur insoweit ausgeführt, als dies bei der in letzter Zeit vorgenommenen Bearbeitung dieses Gegenstandes an andern Objekten (aus dem Arthropodenreich) notwendig und wegen des Zusammenhanges in der vorliegenden Arbeit wünschenswert er- schien. Das zur Untersuchung verwandte Material wurde zum größten Teil im hiesigen Institut aus den Eiern aufgezogen. Nebenher wurden auch im Freien eefangene Käfer und Larven benutzt. Die Tiere wurden mit ZENKERscher Lösung sowie mit Sublimat-Alkohol-Eisessig und FLEMMixGschem Gemisch konserviert. Bei der Größe der Objekte war es notwendig, daß die älteren Larven (zweites und drittes Stadium), sowie Puppe und Käfer vor der Konservierung zerschnitten wurden, da sonst die Fixierungsflüssigkeiten nicht schnell genug eindringen konnten. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CVII. Bd. 26 388 Alois Casper, Die im Prothorax gelegenen Komplexdrüsen wurden mit einigen wenigen Schnitten möglichst rasch aus dem Käfer heraus präpariert und sofort in die Konservierungsflüssigkeit gebracht. So wurde ein möglichst schnelles Einwirken des Fixierungsmittels auf die Drüse erreicht. Die nach den üblichen Methoden in Paraffin eingebetteten Objekte zerlegte ich in 2 — 15 (.l dicke Schnitte. Dieselben wurden mit Häma- toxylin nach Delafield, Nachfärbung mit Eosin, ferner mit Häma- toxylin nach Heidenhain und mit Safranin gefärbt. Das Chitin der alten Larven, sowie der harten Käfer bereitet beim Schneiden große Schwierigkeiten, so daß zuweilen Mastix zu Hilfe genommen werden mußte. Zur morphologischen Untersuchung der Komplexdrüsen des Käfers wurde hauptsächlich eine lückenlose Querschnittserie des ganzen Körpers eines jungen Käfers verwandt, der sofort nach seiner Häutung aus der Puppe konserviert worden war. Die zur Untersuchung der Prothoraxdrüsen und ihrer Secretion angewandte Methode wird weiter unten in dem betreffenden Kapitel dargestellt werden. Anordnung des Stoffes. A. Die Körperdecke. I. Die Hypodermis. a. der Larve, b. der Imago. IL Die Cuticula a. der Larve, b. der Puppe, c. der Imago. 1. Das Derma. 2. Das Epiderma. 3. Die Chitinzapfen der Elytren und des Pronotums. 4. Die Chitinbildung und Entstehung der Strukturen. III. Die Muskelinsertion. B. Die Drüsen. I. Die einzelligen Hautdrüsen a. Vorkommen der Drüsen, b. Bau der Drüsen. II. Die Drüsenpakete a. 1. Typ, b. 2. Typ, c. 3. Typ. Die Körpcrdcckc und die Drüsen von Dytiscus inarginalis L. 389 III. Die Komploxdrü.seu. a. Die Schreckdrüsen. 1. Bau der Schreckdrüsen. 2. Histologie der Schreckdrüsen. b. Die pseiidoacinösen Drüsen. 1. des Mesothorax, 2. des Abdomens. c. Die Pygidialdrüsen. 1. Bau der Pygidialdrüsen. 2. Histologie der Pygidialdrüsen. 3. Morphologische Deutung der Pygidialdrüsen. d. Die segnientale Anordnung der Komplexdrüsen. e. Die Entwicklung der Komplexdrüsen. f. Die Funktion der Komplexdrüsen. C. Zusammenfassung der Ergebnisse. A. Die Körperdecke. Wie die Insekten selbst, oder die Arthropoden im allgemeinen, so hat auch ihre Körperdecke ein weitgehendes Interesse erregt, was sich in der großen Zahl der sich mit ihr beschäftigenden Untersuchungen zu erkennen gibt. Dieses Interesse ist durchaus gerechtfertigt, denn ihre Bildungen sind äußerst mannigfaltiger Natur. Selbst wenn man von ihren zahlreichen Differenzierungen wie Haaren, Schuppen und Sinneswerkzeugen absieht, so bleibt noch ihre Bedeutung als Schutz- organ des Körpers, als Skelet und Muskelstützpunkt. Dementsprechend sind auch gerade die Beziehungen der Körperdecke zum Skelet und zur Muskelinsertion besonders eingehend untersucht w^orden, so daß eine reiche Literatur über diesen Gegenstand vorliegt. Noch in jüngster Zeit sind eine Reihe von Arbeiten erschienen, welche die Lösung der sich hier bietenden schwierigen Probleme versuchen; trotzdem sind durchaus noch nicht alle diesbezüglichen Fragen als gelöst zu betrachten. I. Die Hypodermis. Eine Grundlage aller Beschreibungen der Körperdecke und ihrer Modifizierungen muß das Studium der Hypodermis, des Mutterbodens jener Differenzierungen bilden. In der Tat finden sich denn auch sowohl in beinahe jeder monographischen oder anatomisch-histologischen Untersuchung eines Insekts, sowie in den speziellen Arbeiten über Differenzierungen der Körperdecke immer Angaben über die Hypo- 26* 390 Alois Casper, dermis. Diese selbst ist aber im ganzen Insektenreich ziemlich einheit- lich gebaut, weshalb denn auch die vielen kurzen Literaturangaben im ganzen recht übereinstimmend lauten, so daß von ihrer Bespre- chung hier wohl abgesehen werden kann. Hinsichtlich ihres Baues zeigt die Hypodermis eines Insekts ein geradezu auffallend gleichförmiges Bild, bietet also nur sehr wenig Probleme; infolgedessen ist von einer Spezialliteratur kaum zu reden. Anders liegen die Verhältnisse in bezug auf die Physiologie der Hypodermis (z. B. Chitinbildung) und ihre Bildungsprodukte. Auf die zahlreichen einschlägigen Arbeiten soll weiter unten in den betreffenden Kapiteln eingegangen werden. Die Körperdecke von Dytiscus marginalis besteht aus der Hypo- dermis und der ihr aufgelagerten Cuticula. Die Hypodermis ist eine einschichtige Lage von Zellen, welche die Körperoberfläche und alle ihre Einstülpungen in das Innere des Körpers überzieht. Sie ist die Matrix, welche das Chitin, die Cuticula, an ihrer Oberfläche abgeschieden hat. Nach innen ist die Hypodermis durch die Basalmembran ab- gegrenzt. Während der Entwicklung des Käfers aus dem Embryo durch Larven- und Puppenstadium bis zur Imago erfährt die Hypodermis tiefgreifende Veränderungen. Ein besonders scharfer Unterschied besteht zwischen der Hypodermis der Larve einerseits und der Hypo- dermis der Imago und Puppe anderseits. Infolgedessen erscheint eine getrennte Besprechung der Körperdecke der Larve und Imago von Vorteil. a. Die Hypodermis der Larve. Die Hypodermis der Larve weist sowohl in den drei Altersstadien als auch in den einzelnen Körperregionen wechselnde Verhältnisse auf. Diese Verschiedenheiten sind jedoch nur geringfügiger Natur; infolge- dessen bietet die Hypodermis der Larve im ganzen ein ziemlich ein- heitliches Bild. Die Höhe der Zellen richtet sich im allgemeinen nach der Mächtigkeit der abzuscheidenden Cuticula. Davon kann man sich ein Bild machen, wenn man eine Schnittserie durch eine Larve (z. B. zv/eites Stadium) durchsieht. Die Hypodermis des Kopfes, des Thorax und der ersten Abdo- minalsegmente, also der besonders kräftig gepanzerten Körpera()schnitte, ist gut entwickelt und übertrifft an Mächtigkeit die Hypodermis der letzten nur von einer dünnen Cuticula bedeckten Hinterleibsringe bei weitem. Das Epithel der zarten Schwimmbeine erreicht nur annähernd die Höhe der Hypodermis der letzten Abdominalsegmente. Dazu Die Körperdecke und die Orüson von Dytiscus inargiiialis L. 391 kommt, daß auch in den einzelnen Segmenten des Körpers, z. B. in dem ersten Hinterleibsringe, ein geringer Höhenunterschied des Epithels unter der Rücken- und unter der Bauchdecke gelegentlich entwickelt ist. So war bei dieser Larve die Matrix des Tergit 27 /^t hoch, die des Sternit 20/<. Jedoch war in einem andern Falle das Epithel der ven- tralen Schiene stärker als das der dorsalen. Es scheinen also bei den einzelnen Individuen geringe Schwankungen in der Höhe der Hypo- dermis der verschiedenen Partien der Körperdecke vorhanden zu sein. Besondere Beachtung verdient der Umstand, daß die Hypodermis der Gelenkhaut, welche die Verbindung der teleskopartig ineinander ge- schobenen Segmente des Larvenkörpers (z. B. des Thorax) bewirkt, gleiche Höhe wie die Matrix der harten Rückendecke eines Thorax- segmentes besitzt. Bei dem Durchlaufen der drei Larvenstadien nimmt die Hypodermis mit wachsender Körpergröße an Mächtigkeit zu, wie folgende Maß- angaben zeigen. Die Hypodermis des dritten Thoraxsegmentes einer Larve des ersten Stadiums besitzt im Durchschnitt eine Höhe von 7 — 9 i-i, die eines zweiten Stadiums 10 — 15 u und endlich die eines dritten 20 — ^25 /<. Diese Zahlen sind Mittelwerte; schon oben war be- merkt worden, daß bei den einzelnen Individuen abweichende Ver- hältnisse vorliegen können. Es haben sich also in bezug auf die Dicke der Hypodermis in den verschiedenen Körperregionen einer Larve nur geringe Unterschiede und in den aufeinander folgenden Altersstadien nur eine allmähliche Steigerung der Höhe ergeben. Diesem gleichförmigen Verhalten des Epithels entspricht eine weitgehende Übereinstimnmng im Bau der Hypodermis der verschiedenen Körperregionen sowohl als der drei Larvenstadien. Der typische histologische Bau der Hypodermis sei an Hand eines Querschnittes durch die dorsale Decke des ersten Abdo- minalsegments einer jungen Larve des dritten Stadiums näher unter- sucht (Fig. 1). Die Hypodermis {H) besteht aus mäßig hohen prisma- tischen Zellen, die meist dicht aneinander gelagert sind und sich gegen- einander abplatten. Gelegentlich war jedoch auch ein anderes Ver- halten zu beobachten. Die Zellen des Epithels unter den seitlichen Partien der harten Rückendecke der Thoraxsegmente einer Larve des dritten Stadiums waren verhältnismäßig ungleich viel höher und schlanker als die Zellen unter dem medianen Teil des Notums. Zwischen benachbarten Zellen bestanden weite Zwischenräume. Da aber häufig die besonders stark gedehnten Zellen zerrissen waren, so möchte ich 392 Alois Casper, es dahingestellt sein lassen, ob dieses abweichende Aussehen der be- treffenden Stellen der Hypodermis durch Zerrung und Schrumpfung, die bei der Konservierung erfolgten, zu erklären ist. Überdies zeigte die Hypodermis der übrigen Regionen derselben Larve das als typisch beschriebnee Verhalten des Epithels. Zwischen benachbarten Zellen des Epithels sind die Zellgrenzen mehr oder weniger deutlich sichtbar (Fig. 1 zg). Der helle bläschenförmige Kern liegt im unteren Teil der Zelle (k) der Basalmembran genähert; er besitzt ovale Gestalt und ist durch eine Membran gegen das Zellplasma deutlich abgegrenzt. Das Chro- matin ist zum größten Teil zu einem unregelmäßig geformten Nucleolus /■ / «-• '^ll*^f sli> '»> <* M\ Fig. 1. Querschnitt durch die Rückendecke des ersten Abdominalsegmeuts einer Larve, 3. Stadium. a, Außenlage ;f&,^ Basalmembran; c, Cuticula; ch, Chromatin; g, Grenzhäutchen ; h, Hauptlage; Lij.)^ Jjj V -ff) Hypodermiszelle ; k, Kern; n, Nucleolus; zg, Zellgrenze. Vergr. 1050. {n) oder zu zwei bis drei großen Klumpen vereinigt, die dann den Eindruck erwecken, als seien mehrere Nucleolen vorhanden. Der Rest des Chromatins ist in Form kleiner Körnchen {ch) über das Reticulum verteilt. Über die funktionelle Bedeutung dieses verschiedenen Ver- haltens des Chromatins kann ich nichts aussagen, da in benachbarten Zellen der Kern bald einen großen Chromatinklumpen, bald zwei oder mehrere aufweisen kann. Das Zellplasma besitzt anscheinend wabigen Bau. Besonders in der Umgebung des Kernes, in den mittleren Partien der Zelle, ist eine netzförmige Struktur schön ausgeprägt (Fig. 1). In dem der Basalmembran benachbarten Teil der Zelle ist diese Struktur nicht mehr zu erkennen, da hier das Plasma stark verdichtet und grob granuliert ist. Auch entlang den Zellgrenzen {zcj) ist eine schwache Die Körperdecke und die Drüsen von Dytisrus nmrffinalis L. 393 Verdichtung des Zellplasmas vorhanden. Der dem Chitin anliegende obere Teil der Zelle ist durch eine feine Längsstreifung des Plasmas ausgezeichnet. Diese Streifen stehen senkrecht auf der Cuticula und lassen sich bisweilen tief in die Zelle hinein bis auf die Höhe des Kernes verfolgen (Fig. 1, 1. Zelle v. links und 3. Zelle v. rechts). Auf diese Struktur wird weiter unten in einem andern Zusammenhang noch einmal zurückgekommen werden. b. Die Hypodermis der Imago. Die Hypodermis des Käfers weist entsprechend dem großen Unter- schiede in der Stärke der Cuticula der einzelnen Körperregionen wech- selnde Verhältnisse auf. Da das Epithel eines frisch geschlüpften Käfers seine höchste Entwicklung besitzt, während es mit zunehmen- dem Alter des Käfers der Degeneration verfällt, so wurde das Ver- halten der Hypodermis an einer Querschnittserie durch einen jungen Käfer untersucht. In der starkwandigen Kopfkapsel mißt die Hypodermis im Mittel 60 — 70//. Auch in den Kauwerkzeugen zeigen die Zellen keine Ab- weichung von dieser Durchschnittshöhe. Nur in den Fühlern und Tastern ist das Epithel entsprechend der dünneren Chitindecke flacher (30 — 40/a). Unter dem außerordentlich harten Rückenschild erreicht die Hypodermis eine Höhe von 110//, und gegen die Ränder des Hals- schildes hin steigert sie sich bis 200 ju, so daß der Raum zwischen dem Notum und seinen umgeschlagenen Rändern von dem Epithel ganz ausgefüllt wird (Fig. 16). Auch das Epithel unter Pleuren und Sternum erreicht eine durchschnittliche Höhe von 100 ju. Die Hypodermis des Mesonotums ist flach ; nur unter den verdickten Leisten und Ausstülpungen (Scutellum) dieses dünnen Skeletteils be- sitzt das Epithel größere Mächtigkeit. Pleuren und Sternum des zweiten Throraxsegmentes haben eine kräftig entwickelte Hypodermis (120 — 140//). Auch im Metathorax ist die Hypodermis des Notums mit Ausnahme einiger Stellen, die gerade unter besonders verdickten Partien dieses Skeletteiles liegen, flacher als die der. Pleuren und des Sternums (140//). Die Abdominalsegmente stimmen bis auf die letzten zwei im Verhalten der Hypodermis überein. Das Epithel der weichhäutigen Tergite mißt 10 — 20//, während die Matrix der Sternite eine Höhe von 70// erreicht. Die Rückendecke des siebenten und vornehmlich des achten Segmentes ist fester als die der übrigen Segmente. Ent- sprechend wächst die Dicke der Hypodermis bis zu 40 //. Das Epithel 394 Alois Casper, der Sternite dieser Segmente zeigt kein Abweichen vom Verhalten in den übrigen Hinterleibsringen. In den drei Extremitätenpaaren stimmen die Maßverhältnisse der Hypodermis untereinander im wesentlichen überein. Die Coxa besitzt ein ebenso mächtiges Epithel wie die Pleuren und Sternite der Thoraxsegmente. In den Coxen des dritten Beinpaares, die mit dem Metasternum fest verwachsen sind, beträgt die Höhe des Epithels sogar 150//. In Trochanter, Femur und Tibia flacht sich die Hypo- dermis bis unter 40— 20/* ab. Die Hypodermis der Tarsalglieder ist infolge des reichen Haarbesatzes und unter den Saugscheiben des Männchens von ansehnlicher Höhe (100 /t). Die gelenkige Verbindung des Kopfes mit dem Thorax und der Thoraxsegmente sowie der Abdominalsegmente untereinander wird durch dünne elastische chitinöse Gelenkhäute bewirkt. Die Hypoder- mis dieser chitinösen Häute ist sehr flach und durchschnittlich nur 5 — 10 lÄ hoch. Da in der Puppe, besonders in reifen Exemplaren, die Hypodermis annähernd gleiches Verhalten zeigt wie bei der Imago, so würde eine eingehende Besprechung der Matrix der Puppencuticula kaum wesent- lich Neues liefern. Nur eine Tatsache verdient erwähnt zu werden. Da die Rückendecke des Abdomens eine festere Chitindecke besitzt als beim Käfer, so ist auch die Hypodermis der Tergite der Hinterleibs- ringe der Puppe im Gegensatz zu der des Käfers wohl entwickelt (45 — 55 jj). Diesen außerordentlich starken Schwankungen der Dicke der Hypodermis der Imago steht ein starres Festhalten an einem Grundtyp des histologischen Baues des Epithels in den ver- schiedenen Körperteilen gegenüber. Zur eingehenden Betrachtung der Hypodermis sei ein Schnitt durch eine ventrale Bauchschiene eines jungen Käfers gewählt, der die Puppenhülle noch nicht verlassen hat (Fig. 2). Die Zellen sind im Vergleich zu den Elementen der Hypo- dermis der Larve außerordentlich schlank und hoch. Zwischen be- nachbarten Zelleü sind fast immer Zwischenräume vorhanden, so daß sich die Zellen nur mit ihren oberen Enden und in der unmittelbaren Nachbarschaft der Basalmembran berühren. Diese Spalträume sind besonders dann stark entwickelt, wenn die Hypodermiszellen, wie z. B. unter dem Pronotum, die außerordentliche Höhe von 150 — 200/* erlangen. In dem flacheren Epithel, etwa der Kopfkapsel, sind die Zellen gedrungener, der Zwischenraum ist auf einen schmalen Spalt zwischen benachbarten Zellen reduziert. Das Epithel der Gelenkhäute Die Köipi-nlcoki" >iiul dio Drüsen von Dytiscus niarginalis L. 395 "■V.:- ':':■':'.'■' ' ul> P ^ /♦ p: 'S'.:-:. läßt auch diese schmalen Spalträume zwischen den Zellen vollständig vermissen; die sehr flachen und eng aneinander gelagerten Zellen erinnern stark an die Hypoderniis der Larven. Das Epithel der Gelenk- häute weicht also ziemlich weit von dem typischen Aussehen der Hypo- derniis der Imago ab. Die Zellgrenzen sind fast immer scharf aus- geprägt (zg). Wenden wir uns nun zur Betrachtung der einzel- nen Zellen einer Partie der Hypodermis, die das nor- male Verhalten zeigt, also etwa der in Figur 2 dar- gestellten Matrix des Ster- nums eines mittleren Abdo- minalsegmentes eines Käfers, der im Begriff ist, aus der Puppe auszuschlüpfen. Das Plasma der Hy- podermiszelle kann flockig erscheinen (Fig. 2) oder eine feine netzförmige Struktur besitzen (Fig. 15). Immer aber ist das Plasma des obersten Teiles der Zelle, der an die Cuticula grenzt, besonders dicht. Auch sind die feinen senkrecht auf der Cuticula stehenden Streifen des Plasmas in diesem Teile der Zelle besonders stark ausgeprägt. Zuweilen ist der untere Teil der Hypodermiszellen fast vollständig plasmafrei; ein dich- terer Plasmabelag der Zellwandung und Basalmembran ist meist vorhanden. Den der Basalmembran benachbarten Teil der Zelle durch- zieht aber nur ein sehr weitmaschiges dünnes Netz von feinen Proto- plasmafäden. Ein solches Aussehen zeigten die Zellen z. B. auf einem Schnitt durch die ventrale Schiene eines Abdominalsegmentes (Fig. 17). Die ovalen, gegen die Umgebung scharf abgegrenzten Kerne sind reich an Chromatin; dasselbe ist in zahlreichen Brocken (ch) von wechselnder Große auf dem Kernnetz verteilt. Ein Nucleolus ist nicht Fig. 2. Lateraler Sagittalsciinitt durch das Stenium eines mittle- ren Abdominalsegments eines jungen Käfers, b, Basal- membran; c, Cuticula {in Bildung begriffen); 2^, Zellgrenze; k, Kern. Vergr. 1050. 396 Alois Casiier, ZU erkennen. Die Kerne (Je) rücken besonders bei Zellen, die noch in der Bildung des Chitins begriffen sind, nahe an die Cuticula (c), wie das schon vor Jahren von Korschelt angegeben und als eine Anteil- nahme an der Tätigkeit* der Zelle gedeutet wurde (Fig. 2). Dieses oben beschriebene Aussehen zeigt die Hypodermis nur bei jungen Käfern (frisch geschlüpft); bei älteren Exemplaren bietet sie ein ganz andres Bild. Wenn nämlich die Matrix die Cuticula fertig gebildet hat, so ist damit ihre vornehmste Aufgabe erfüllt. Sie erfahrt alsdann eine allmähliche Keduktion, die sich dadurch zu erkennen gibt, daß die Zellen stark an Umfang und Höhe verlieren. Unter der Cuticula eines alten Käfers ist das Epithel so stark abgeplattet, daß man es nur noch an den reduzierten Kernen erkennt. Von der tief- greifenden Veränderung, welche die Hypodermis eines Käfers während seines Lebens erfährt, geben die beiden Fig. 16 und 12 Zeugnis. Die hohe, kräftig entwickelte Hypodermis unter dem Pronotum eines jungen Käfers (Fig. 16) ist beim alten Tier (an der gleichen Stelle) zu einem flachen unscheinbaren Epithel zusammengesunken (Fig. 12 H). Es hat sich in den obigen Ausführungen gezeigt, daß ein scharfer Unterschied zwischen der Hypodermis der Larven und der Hypodermis der Puppe und Imago besteht. Diese Gegensätze seien noch einmal gegenübergestellt. Das Epithel der Imago ist durch- schnittlich bedeutend höher als das der Larve, abgesehen von dem Zurücktreten nach Erfüllen seiner Hauptfunktion. Während die Hypo- dermis der Larve nur geringe Schwankungen der Dicke in den ver- schiedenen Körperregionen zeigt, w^eist die der Imago stark wechselnde Verhältnisse auf. Das Epithel der Larve besteht aus mäßig hohen, meist dicht aneinander gedrängten Zellen; hingegen finden sich zwi- schen den hohen und schlanken Zellen der Körperdecke des Käfers Spalträume. Das Plasma der Hypodermiszellen der Larve zeigt häufig einen schön ausgeprägten waben- oder netzförmigen Bau, während diese Struktur beim Käfer nicht so klar hervortritt, weil das Plasma hier dichter, granuliert und flockig erscheint. Besonders scharf ist der Unterschied zwischen dem Kern der Larven- und der Käferhypo- dermis. Der Hypodermiszellkern der Larve besitzt einen Nucleolus oder zwei bis drei große unregelmäßig geformte Chromatinbrocken. Dagegen ist nur ganz wenig Chromatin in Form feiner Körnchen über das Reticulum verteilt. Der Hypodermiszellkern der Imago ist be- deutend chromatinreicher. Das Chromatin liegt in zahlreichen großen Brocken auf dem Reticulum verteilt; ein Nucleolus ist nicht sicher zu erkennen. Die Hypodermis der Larve nimmt beim Durchlaufen Die Körperdecke und die Drüsen von Dytiscus niarginalis L. 397 der drei Altersstadien fortwährend an Mächtigkeit zu. Bei der Imago besitzt sie ihre höchste Entwickhing, wenn der Käfer aus der Puppe ausschhipft. Nach Erfülhuig ihrer Hauptfunktion, der Bildung des Chitinpanzers, verfällt sie einer starken Reduktion. Im Anschluß an diese Ausführungen über die Hypodermis mögen noch einige Worte über die Basalmembran folgen. Die Basalmembran (Fig. 2b) grenzt die Hypodermis nach innen ab. Die Epithelzellen sitzen ihr dicht auf. Sie bildet auf Schnitten (ventrale Bauchschiene) eine homogene, stark lichtbrechende Linie von mäßiger Dicke (Fig. 26), an der ich selbst mit den stärksten Ver- größerungen keine Struktur erkennen konnte. Sie zeigt in allen Körper- regionen durchaus das gleiche Verhalten. Es muß unentschieden bleiben, ob die Membran epithelialer oder bindegewebiger Natur ist. In der Literatur wird diese Frage bald in dem einen bald in dem andern Sinne beantwortet. Dieser Zwiespalt der Meinungen spiegelt sich auch in den großen zusammenfassenden Darstellungen ab. Was speziell diese Verhältnisse bei den Insekten anbelangt, so ist z.B. Berlese in >>Gli Insetti<< nicht in der Lage, dieser Frage gegenüber einen festen Standpunkt einzunehmen. Auch in der vergleichenden Untersuchung Vigxons (Recherches de Cytologie generale sur les Epitheliums), die sowohl die Basalmembran bei Insekten, als auch in andern Tierklassen eingehend behandelt, bleibt diese Frage unent- schieden. In einem zusammenfassenden Referat in den Ergebnissen der Anatom, u. Entw. -Gesch. >>Epithelium << erklärt Merkel alle Basalmembranen für Bindegewebe ; zweifellos hat der Autor vorwiegend Objekte aus der Reihe der Wirbeltiere im Auge. Interessant ist nun, daß Bonnet (wie aus einer Fußnote des MERKELschen Referats hervor- geht) dieselben Gebilde für Abscheiduugen des Epithels hält. Ist die Membran ein epithehales Gebilde, so muß sie eine Abson- derung oder Abscheidung ähnlich wäe die Cuticula sein; sie wäre dann eine dünnere oder dickere homogene Lamelle, die allerdings wie BtJTSHLi und SuKATSCHOFF gezeigt haben, auch eine Struktur, nämlich die Struktur der geronnenen Substanzen, aufweisen kann. Besitzt die Membran jedoch bindegewebigen Charakter, so muß sie durch Verschmelzung von Bindegewebszellen oder deren Fibrillen entstanden sein. TatsächHch beschreibt Mayer in den Flügeln von Schmetterhngen und Motten eine Basalmembran, an der sich deutliche kleine Kerne finden. Die Membran ist also sicher bindegewebiger Natur. Bei Dytiscus ist, wie oben schon gesagt wurde, an der Basalmem- 398 Alois Casper, bran, selbst mit starken Systemen, keine Struktur zu erkennen. Dieser Umstand würde für eine Entstehung, Abscheidung, aus dem Epithel sprechen. Gegen eine Herausbildung aus Bindegewebe spricht, daß an der Membran keine Spur von Zellkernen oder Zellbezirken, oder eine Zusammensetzung aus Fibrillen zu erkennen ist. Anderseits kenne ich das Bindegewebe und sein Verhalten während der Entwicklung des Käfers zu wenig, um mit Sicherheit die Entstehung der Membran aus dem Bindegewebe zu verneinen. II. Die Cuticula. Wie schon vorher erwähnt wurde, hat die Körperdecke, besonders aber das Chitin des Arthropodenkörpers hinsichtlich seiner Struktur und seiner Entstehung von jeher das Interesse der Forscher erregt. Noch in letzter Zeit ist eine Arbeit von Kapzov (1911) erschienen, »Untersuchungen über den feineren Bau der Insektencuticula«, die sich speziell das Studium der Cuticula der Coleopteren zur Aufgabe macht. Von gleicher Wichtigkeit ist Biedeemanns Arbeit »Ge- formte Secrete«, die ebenfalls eine sehr eingehende Beschreibung der Käfercuticula gibt, die aber darüber hinausgehend allgemeine Gesichts- punkte für die Beurteilung von geformten Zellprodukten sucht. In diesen beiden Arbeiten, besonders in der ersten, ist eine gute Zusam- menstellung der älteren Literatur gegeben. Biedermann bespricht die Arbeiten von H. Meyer 1842, Leydig 1855, Schmidt 1845, Köl- licker 1858, Valentin, v. Ebner 1882. Kapzov referiert über die Arbeiten von Meyer, Bernhard-Deschamps 1844, Schmidt, Leydig, Häckel 1857, Köllicker, Graber 1874, Viallanes 1882, Jaworowski 1885, Schneider 1887, Chatin 1892, Zander 1897, Janet 1898, Pantel 1898, Vignon 1901, Holmgren 1902. Hier soll darauf nicht wieder von Neuem, sondern nur soweit als unbedingt nötig eingegangen werden; hauptsächlich wird dies mit den Arbeiten von Biedermann und Kapzov geschehen. Die Ansichten dieser beiden Forscher über den feineren Bau der Insektencuticula gehen recht weit auseinander. Biedermann nimmt an, daß die Chitin- decke der Insekten aus sehr feinen Fibrillen aufgebaut ist, während Kapzov dem Chitin einen wabigen Bau zuschreibt. In der Schilderung der gröberen Strukturverhältnisse stimmen beide Forscher überein. a. Die Cuticula der Larve. Der Körper der Larve von Dytiscus marginalis zerfällt in die drei Abschnitte, Kopf, Thorax und Abdomen. Der Kopf wird von einer Die Körpt-nleckr und die Driisori von Dytiseus inargiiialis L. 399 festen Chitinkapsel umhüllt. Die Cuticula eines Thorax- oder Abdo- minalsegmentes bildet einen Ring. Das Tergit, die Rückenplatte, sowohl wie das Sternit, die Bauchplatte eines Segmentes, sind be- sonders stark chitinisierte Teile dieses Ringes. Seitlich werden die Tergite und Sternite durch eine Gelenkhaut verbunden. In dieser Gelenkhaut sind kleine Bezirke zu Chitinplatten erhärtet; sie werden als Pleuren bezeichnet. Die aufeinanderfolgenden Segmente des Körpers sind wie die Ringe eines Fernrohres miteinander verbunden, indem das hintere Segment mit seinem vorderen Rand unter das Ende des vorhergehenden Segmentes reicht. Eine Gelenkhaut verbindet die Skeletringe der beiden Segmente. Die Chitindecke eines vorderen Abdominalsegmentes einer alten Larve des dritten Stadiums besitzt etwa folgende Dicke: das Tergit 150//, das Sternit 370 /r, die Gelenkhaut zwischen beiden 220 ju. Dennoch bestehen Tergit, Gelenkhaut und Sternit annähernd aus der gleichen Zahl von Lamellen; allerdings sind dieselben im Tergit dichter aufeinander gelagert als im Sternit. Da also die harten Skeletstücke aus gleichviel Lamellen wie die weichen Gelenk- häute bestehen, so erklärt sich auch das oben beschriebene Verhalten der Hypodermis der Larven. Die Matrix ist unter dem Tergit eines Abdominalsegmentes ebenso hoch, wie unter der Gelenkhaut zwischen Tergit und Sternit, weil sie zur Bildung des Tergit sowohl wie der Ge- lenkhaut die gleiche Zahl von Lamellen hervorbringen mußte. Kopf, Thorax und die vorderen Abdominalsegmente sind kräftiger gepanzert als die letzten Bauchringe und die Extremitäten. Nach dem Eintritt in ein neues Larvenstadium, nach der Häutung, erfolgt die Neubildung der Cuticula, die ihre größte Dicke kurz vor der Häu- tung in ein neues Larvenstadium erreicht. In den drei aufeinander- folgenden Larvenstadien steigert sich die maximale Dicke der Cuticula und erreicht ihren höchsten Grad vor der Verpuppung. In allen drei Larvenstadien und in allen Regionen einer Larve besitzt die Cuticula im wesentlichen übereinstim- menden Bau. Querschnitte durch ein vorderes Abdominalsegment einer alten Larve (drittes Stadium) (Fig. 3) zeigen, daß sowohl die harten Platten, als auch die Gelenkhäute, aus übereinandergeschichteten Lamellen bestehen. Die Lamellen zeigen jedoch keineswegs gleiche Beschaffenheit in allen Körperregionen, vielmehr sind in dieser Be- ziehung in den verschiedenen Teilen des Panzers Unterschiede vor- handen. Ein Querschnitt durch das Tergit eines Abdominalsegmentes einer 400 Alois Casper, alten Larve (drittes Stadium) läßt in dem Chitin mehrere Schichten erkennen. Diese einzelnen Schichten bestehen ihrerseits aus einer Anzahl gleichartiger Lamellen, welche zu einer Lage vereinigt sind. Die äußerste Schicht, nach Kapzov die »Außenlage << (Fig. 3a), besteht aus etwa zehn Lamellen, die an manchen Stellen des Panzers so dicht aufeinander gelagert sein können, daß die einzelnen Lamellen kaum zu erkennen sind. Am ungefärbten Schnitte ist die Außenlage durch einen gelblichen Farbton ausgezeichnet. Nach außen wird die Schicht durch ein sehr dünnes Häutchen (etwa 1 /( Dicke) begrenzt, das »Grenzhäutchen << Bütschlis (Fig. 3g). Dieses Häutchen ist, wie Fig. 3. Querschnitt durch das Xotum des Prothorax einer alten Larve drittes Stadium, a, Außenlage; 0, Grenzhäutchen; h, Innenlage; ni, Mittellage. Vergr. 600. BüTSCHLi gezeigt hat, in 35%iger HCl unlöslich, während die gesamten übrigen Lamellen sich beim Kochen in Salzsäure oder bei längerer Ein- wirkung der Säure in der Kälte lösen. Kapzov beschrieb außerhalb des Grenzhäutchens noch eine lockere Lage, die aus einem sehr losen Wabenwerk mit großen ungleichmäßigen Waben bestehen soll. Fig. 3 zeigt die Grenzlinie dieser Schicht, über deren Bedeutung auch Kapzov im Unklaren blieb. Gegen die tiefer gelegenen Lamellen ist die Außen- lage scharf abgesetzt; starke Färbbarkeit mit Eisenhämatoxylin und Anilinfarben ist für sie charakteristisch. Die unter der Außenlage gelegene >>Innenlage<< oder »Haupt- lage« (Fig. 3 Ä) umfaßt die gesamten übrigen Lamellen bis hinab zu den Hypodermiszellen. Sie ist bei einer Dicke von 100 fi etwa sechsmal Die Körperdecko uiul die Drüsen von Dytiscus niarginalis L. 401 so hoch wie die Außenlage. Sie besteht aus etwa 40 Schichten (Fig. 3 h). Diese Imienhige ist jedoch nicht durchweg gleichmäßig gebaut, sondern man kann eine obere dichtere Zone, die »Mittellage« (Fig. 3 m), und eine lockere untere Region unterscheiden. Die der Hypodermis auf- liegenden Lamellen sind bedeutend dicker als die der oberen dichteren Zone. Die Außenlage ist leichter färbbar als die Innenlage. Kapzov beschreibt das umgekehrte färberische Verhalten. Nach Kapzov soll »die Cuticula zuweilen auch zwei Mittellaeen haben, z.B. folgendermaßen: Außenlage, Mittellage — eine dünne Schicht vom Charakter der innersten Lage — , dann wieder eine Mittel- lage, und endlich die Innenlage.« Die Gelenkhaut zwischen Tergit und Sternit eines Abdominal- segmentes besteht aus einer stark gefalteten Außenlage mit Grenz- häutchen und lockerer Außenschicht und aus einer vollständig gleich- mäßig gebauten Innenlage. Die Lamellen des Tergits gehen konti- nuierlich in die der Gelenkhaut über; sie weichen jedoch in der Gelenk- haut etwas weiter auseinander, und dadurch wird die Dicke dieser Schicht im Vergleich zu der des Tergit bedeutend gesteigert. Das Sternit eines Abdominalsegmentes läßt an Schnitten eine Außenlage erkennen, die auch von einem Grenzhäutchen abgeschlossen wird. Die außerordentlich stark entwickelte Hauptlage wird von sehr locker aufeinandergefügten Lamellen gebildet. Gegen die Hypo- dermis hin wächst die Dicke der Lamellen. Die Rückenplatten der einzelnen Segmente zeigen in der Nähe der vorderen Kante eine in der Medianebene des Tieres verlaufende faltenförmige Vorwölbung der Cuticula in die Leibeshöhle hinein (Fig. 3, Kapzov). Kapzov bildet einen Schnitt durch diese Region ab, der sehr schön die halbkreisförmige Biegung aller Lamellen nach innen der Falte folgend erkennen läßt. Diese Beschreibung des gröberen Aufbaues des Chitinpanzers der Larve deckt sich vollkommen mit den Ausführungen Kapzovs über diesen Gegenstand. Dieser Autor hat dann weiterhin auch die feinsten Strukturen der einzelnen Lamellen untersucht; er kommt zu dem Schluß, »daß der feinere Bau des Chitins in den verschiedenen Schichten (oder Lagen) ein wechselnder, im Prinzip jedoch ein ausgesprochen wabiger ist«. Er entwickelt diese Auffassung vom Bau des Chitins, auf die zweifellos die Arbeiten seines Lehrers Bütschli stark ein- gewirkt haben, an Hand sehr klarer Zeichnungen. Eine Nachprüfung dieser Ausführungen liegt außerhalb des Rahmens dieser Arbeit. Den- noch wurden dünne Schnitte (2/0 durch das Chitin hergestellt, ohne 402 Alois Casper, daß dasselbe vorher durch Maceration erweicht worden wäre. Die Schnitte wurden, wie Kapzov angegeben hat, mit EisenhäniatoxyUn nach BüTSCHLi gefärbt. Die so erhaltenen Bilder waren aber leider nicht so klar wie Kapzovs Zeichnungen. Wohl waren zwischen den einzelnen Lamellen feine Verbindungen zu erkennen. Die Lamellen schienen nach oben und unten fein ausgefranst zu sein, und die Fransen der übereinander liegenden Lamellen schienen sich zu vereinigen. Ob diese Fransen Wände eines sehr feinen Wabenwerks sind, wie es Kapzov behauptet, wage ich nicht zu entscheiden, da ich mich auf Grund meiner Untersuchung der wenigen gelungenen Schnitte, die mir vor- lagen, zu einer Kritik der KAPZOVschen Ausführungen nicht befähigt halte. Bemerkenswert ist, daß diese senkrechten Verbindungen zwischen den Lamellen eine bedeutende Stärke erreichen können. Wenn diese Verbindungen, wie in den untersten Lamellen von Fig. 3 und in der Außenlage von Fig. 1 a in mehreren aufeinander folgenden Lamellen senkrecht übereinander stehen, so können sie (wie Kapzov in seiner Fig. 2 abbildet) eine senkrechte Streifung hervorrufen, die fast den Eindruck der horizontalen Streifung überwiegt. b. Die Cuticula der Puppe. Die Cuticula der Puppe zeigt am ganzen Körper ein durchaus gleichförmiges Bild. Ihre Höhe beträgt in einer alten Puppe 30 — 40 //, tind nur auf der dorsalen Seite des Thorax steigt dieser Betrag bis zu 50 — 60/7. Irgendwelche Differenzierungen an bestimmten Körper- regionen, wie z. B. beim Käfer, sind nicht vorhanden. Diese Einfachheit des Baues der Cuticula ist zweifellos eine Folge der Lebensweise der Puppe. Da die Puppe während ihres ganzen Lebens in der Erde vergraben liegt, bedarf sie nicht des dicken Panzers der Larve, um gegen Feinde geschützt zu sein. Anderseits liegt keine Veranlassung vor, irgendwelche Partien der Cuticula zu verstärken, um so etwa der Muskulatur wirksame Fixpunkte zu geben; die einzigen Bewegungen, welche die Puppe ausführt, sind Zuckungen des Abdomens. Wie zu erwarten, zeigt auch der feinere Bau der Cuticula an allen Punkten denselben Typ. Derselbe soll an einem Schnitt durch die dorsale Decke eines Abdominalsegmentes erläutert werden (Fig. 4). Die Cuticula der Puppe besitzt im wesentlichen einen mit dem der Larve sehr übereinstimmenden Bau. Die Außenlage (a) mit etwa 10 bis 15 Lamellen ist die mächtigste Schicht der ganzen Körperdecke. Das Grenzhäutchen (Fig. 4 g) tritt auch hier an Schnitten als eine Dil- KörjK'rck'rkc und die Ürü.sfn von Dytiscus marginalis L. 403 stark lichtbrechendc Linie hervor. Die Innenlati:e (hp) ist stark ab- gesetzt gegen die Außenlage. Die oberste Schicht der Innenlage, die Mittellage (m), ist außerordentlich fein strukturiert im Gegensatz zu der untersten Schicht, deren Lamellen eine bedeutende Dicke auf- weisen (Fig. 4). Das Bild ist nach einem Schnitt durch die Rücken- decke eines Abdominalsegmentes einer Puppe gezeichnet, die kurz Fig. 4. Schnitt (luifh die Cuticula der Eückendecke eines mittleren Abdominalsegmentes der Puppe- a, Außenlage; g, Grenzliäutclien; lip, Innenlage; m, Mittellage. Vergr. 9.')0. vor der Häutung steht; die alte Cuticula ist schon vom Körper abge- hoben, die ersten Lagen der Käfercuticula sind bereits gebildet. Ich lasse es dahingestellt, ob die Figur das normale Verhalten der untersten Schicht {hp) zeigt, oder ob diese Lamellen schon von der Häutungsflüssigkeit stark angegriffen worden sind. Plotnikow hat gezeigt, daß z. B. bei Tenehrio niolitor der größte Teil des Dermas der alten Cuticula von der Häutungsflüssigkeit zerstört wird. e. Die Cuticula der Imago. Die gröbere Morphologie des Chitinskelets der Imago von Di/tiscus nuirginalis ist schon von Euscher untersucht worden. Ein noch- maliges Eingehen auf diesen Gegenstand erübrigt sich also. In diesem Kapitel soll nur der feinere Bau des Chitins untersucht werden. Über den feineren Bau der Cuticula der Imago von Dytiscus mar- ginalis liegt bisher keine Beschreibung vor. Nur Köllicker macht einige Bemerkungen über die Elytren des Käfers, die weiter unten erwähnt werden sollen. Wie zu erwarten war, zeigt die Cuticula unseres Käfers, von kleinen Verschideenheiten abgesehen, sehr ähnliche Verhältnisse des Aufbaues, wie sie von Biedermann bei Lucanus cervus z. B. klargelegt und von Kapzov an dem selben Objekt nachgeprüft worden sind. Zur Unter- Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CVII. Bd. 27 404 Alois CasiJer, suchung des Baues der Cuticula wurden dünne (2 //) Schnitte durch das Notuni des Prothorax nach 24stündiger Maceration in 5%iger KOH hergestellt. Ferner wurden Flächenschnitte von Elytren und mit der Nadel abgezogene Lamellen untersucht. Am Querschnitt durch die dorsale Chitindecke des Prothorax kann man zwei Schichten in dem Chitin erkennen, eine äußere dünne, braun gefärbte Lage, die Emailleschicht Biedermanns oder das Epi- derma nach Beelese (epidermide) Fig. 8 Ep und eine innere bedeutend mächtigere Schicht, die Balkenschicht oder das Derma (Berlese) Fig. 8 D. 1. Das Derma. Das Derma besteht aus einer Reihe von übereinander geschichteten Lamellen, die sich mit starker Vergrößerung in feinere Elemente auflösen lassen. Jede einzelne Lamelle besteht aus Chitinstäben oder Bändern (ba), die dicht aneinander gereiht sind und alle dieselbe Ver- laufsrichtung haben. Die Richtung der Balken in übereinanderliegenden Schichten ist um 60° gedreht, so daß von vier übereinanderliegenden Lamellen jedesmal die Elemente der ersten und vierten gleiche Rich- tung haben (Fig. 5). Diese Tatsache war bereits Köllicker bekannt. Der Querschnitt der Balken ist ein Rechteck, das auf der schmalen Kante steht. Die Ecken sind häufig abgerundet. Da aber der Schnitt in den meisten Fällen die Balken nicht senkrecht zur Verlaufsrichtung trifft, so ist die Schnittfläche sehr oft ein langgezogenes Rechteck, das auf der langen Kante liegt (Fig. 5). In den äußeren Lamellen sind die Chitinbänder dünner als in den tiefer gelegenen der Hypo- dermis benachbarten Lagen. Ihre Querschnitte sind aber keineswegs immer so regelmäßig begrenzt; die tieferen Schichten in Fig. 5 lassen die Mannigfaltigkeit der Form der Balken erkennen. Für diese starken Veränderungen der Form der Querschnitte kann man vielleicht eine bestimmte Ursache angeben. Die Balken haben nur eine gewisse Länge; ihre Enden scheinen zugespitzt und unregelmäßig begrenzt zu sein. Es erklären sich vielleicht die Bilder in den unteren Lamellen von Fig. 5 so, daß der Schnitt hier gerade eine Stelle getroffen hat, wo die Balken einer Lage endigen. Bieder- mann hat schon darauf aufmerksam gemacht, daß sogar in ein und derselben Lamelle die Richtung der Bänder sich ändern kann, ähnlich wie sie in übereinanderliegenden Lagen wechselt. Wenn man in einem Querschnitt auf einen Balken einstellt, der vollständig längs getroffen ist, so kann man zuweilen bei tiefer Einstellung eine schwache verticale Dil' Kör|)cr(l('(kc iiiul d'w Dvdnvii von Dytisous marginalis L. 405 Stroilunj;" in dorn horizontal gestreiften Clütinstab erkennen. Diese h-enkrechten Streifen sind die Kanten der Qnerschnitte von Balken, die hinter dem längsgetroffenen liegen und gegen ihn unter einem Winkel von 60° geneigt sind. Kapzov hat bei Lucanus cervus >> zwischen den benachbarten J^alken senkrecht zur Cuticnlaoberfläche aufsteigende faserähnliche Gebilde« beschrieben. »Zerzupfte Schnitte zeigen, daß diese Fasern ganz flach sind, also eher flache Bänder darstellen. Diese Faserbündel verzweigen sich, umfassen die Balken, oder biegen um, und laufen nun den Schnittflächen parallel. Eigentümlich ist ihr Verhalten an Stellen, wo der Schnitt eine Balkenlage längs getroffen hat und zwischen zwei Fig. 5. Einige Balkeiilage;i aus dem Pronotum des Käfers (Querschnitt), ba, Balken. Vergr. 730. benachbarten Balken hindurchgegangen ist. Die Faserbündel, welche in der angrenzenden Lage in den engen Spalten zwischen je zwei Balken verliefen, und daher schmal waren, breiten sich nun plötzlich aus, um sich dann wieder zu verengen oder zu verlieren. Es kommt auch vor, daß einige Elemente solcher Faserbündel der Schichtfläche parallel weiterziehen. In einigen Fällen schien es mir, als ob die Faserbündel der spitz ausgezogeneu Balkenkante ihren Ursprung verdanken oder von ihr verstärkt werden.« Auch Biedermann beschreibt derartige aufsteigende Fibrillen, z.B. bei Dj/nastes hercules als »rundliche Stränge oder glatte Bänder, die durch die übereinanderliegenden sich kreuzenden Spalträume ge- bildeten Porenkanäle erfüllen und die Schicht daher senkrecht durch- setzen. Durch solche, die einzelnen Lamellen gewissermaßen zu einem Ganzen verbindenden Fasern wird die Festigkeit solcher Chitinbildungen noch ganz wesentlich gesteigert.« Bei Dytiscus konnten diese auf- steigenden Fibrillen nicht sicher festgestellt werden. Nur bei jungen, in Bildung begriffenen Balkenlagen waren zwischen den einzelnen 406 Alois Casper, Elementen Bündel von aufsteigenden Fibrillen zu erkennen, die in ihrem unteren Teil plasmatischer Natur sind und allmählich distalwärts in Chitin übergehen (Fig. 15). Auch Kapzov läßt diese Fibrillen aus den feinen Plasmafortsätzen hervorgehen, die sich zwischen die Balken- anlagen hinein von den Hvpodermiszellen aus erstrecken. Betrachtet man einige Lamellen des Chitins, die mit der Nadel abgezogen worden sind (Fig. 6), so erkennt man, daß die 5 y«? ^^ Fig. G. Aufsichtsbild auf eine isolierte Lamelle von der Elytre des Männchens, ba, Balken; gs, großer Spaltraum mit Ausführungsgang einer einzelligen Hautdrüse; s, Spaltraum. Vergr. 530. Balken (ba) sehr dicht nebeneinander verlaufen (Fig. 6). Die Chitin- bänder zeigen eine feine Längsstreifung, die nach Biedermann auf eine Zusammensetzung aus äußerst dünnen Fäserchen schließen läßt. Nur Fig. 7. Drei übereinanderliegende Lamellen von der Elytre des Männchens. Die sich überdeckenden Spalt- räume s der drei Lamellen bilden die hellen Sternchen. Vergr. 800. in gewissen Entfernungen treten schmale Spalten (s) zwischen den Balken auf, die durch ein Auseinanderweichen der Elemente an diesen Stellen bedingt sind. Die Längsachse dieser Zwischenräume stimmt mit der Verlaufsrichtung der Balken überein. Die Spalten sind in übereinanderliegenden Lamellen so angeordnet, daß sie sich mit einem Die Krirpcrdofko uiul dir Drüsen von Dyti.scus marginalis L. 407 Ende senkrecht übereinander befinden. AVenn also das Präparat aus drei Lamellen besteht, so ist das Chitin mit hell leuchtenden drei- strahligen Sternchen übersät, die dadurch gebildet werden, daß die Spalträume der tieferen Lagen durchschimmern. Der Winkel zwischen den Strahlen beträgt 120° (Fig. 7). Durch diese übereinandergelagerten feinen Schlitze zwischen den Chitinbalken werden enge Kanälchen gebildet, die Porenkanälchen, welche von der Hypodermis aus die ganze Cuticula durchziehen. Außer diesen Spalten sind zuweilen zwischen den Balken größere Lücken vorhanden (gs). Dieselben lassen in ihrer Mitte einen Kreis erkennen. Vielleicht handelt es sich um die Ausführungsgänge der einzelligen Hautdrüsen, die wie die Poreukanäle die Cuticula durchsetzen (Fig. G gs). 2. Das Epiderma. DasEpiderma (Fig. 8 Ep), die äußerste Schicht desChitins, besitzt eine Dicke von 3 — 5 ii Es zeigt eine scharfe verticale Streif ung. y- 6^' 'sm'. ^p \o J''ig. 8. Querbcliiiitt durcli das J'ioiiotuiii dt's altiii Käfers, ha. Balken: 7J, neima ; Ep, Epiderma; g, Grenzliäutclien; p, Poreiikanal der einzelligen Hautdrüse. Vergr. 1120. SO daß es fast den Eindruck eijies Stäbchensaumes macht. Biedermann beschreibt die Emailleschicht bei Cetoniu aurata direkt als Stäbchen- saum. Nach außen ist das Epiderma durch das Grenzhäutchen be- grenzt, das auf Schnitten als eine stark lichtbrechende Linie erscheint. Das Epiderma besitzt braune Färbung; dieser Farbton greift jedoch auch auf die obersten Lamellen des Dermas über und schwindet all- mählich gegen die tiefer gelegenen Schichten hin. Diese obersten braun 408 Alois Gasiger, gefärbten Lamellen des Dermas lassen in Fig. 8, besonders Lamelle 1 und 2, die Balken deutlich erkennen. Die Lagen sind sehr dünn und dementsprechend die einzelnen Balken sehr zart. An andern Stellen desselben Querschnittes durch das Pronotum waren die Balken und Lamellen unter dem Epiderma nicht so gut zu erkennen; das Chitin sah wie ein weitmaschiges, unregelmäßiges Wabenwerk aus. Die Lamellen 4 und 5 der Fig. 8 geben einen Begriff von diesem Verhalten des Chitins. Über die Zugehörigkeit dieser Schicht zum Derma kann aber kein Zweifel bestehen, weil an günstigen Stellen die Struktur der Lamellen und Balken, also die typische Struktur des Dermas, deut- lich ausgeprägt ist (Fig. 8, Lamelle 1 u. 2). Zwischen der letzten Balkenlage des Dermas (Fig. 8, Lamelle 1) und dem vertical gestreiften Epiderma liegt eine dünne Schicht, deren Struktur ich nicht zu erkennen vermochte. Infolgedessen muß es unentschieden bleiben, ob diese Schicht zum Epiderma oder zum Derma zu rechnen ist. Weiter unten wird noch einmal auf diesen Punkt eingegangen werden. Wesentlich andre Verhältnisse müssen nach Kapzovs Beschreibung bei Lucanus cervus vorliegen. Das Epiderma (die Außenlage) der Elytren besteht aus »einem ganz einfachen Wabenwerk, ohne jede Fibrillenbildung <<. Weiterhin sagt Kapzov: »Die Waben haben die Tendenz, sich senkrecht zur Körperoberfläche zu stellen, wodurch die Verticalstreifimg entstellt, welche für die Außenlage charakteristisch ist.« Leider hat Biedermann diese Verhältnisse bei Lucayms cervus nicht untersucht. Bei Dytiscus ließ sich nicht feststellen, ob die Strei- fung, der Stäbchensaum, durch in Reihen angeordnete Wabenzüge hervorgerufen wird, da das Epiderma nur eine Dicke von 3 bis höch- stens 5 /f besitzt, also nur i/gp der Dicke der Cuticula (110/<), wohin- gegen bei Lucanus cervus diese Schicht ein Viertel der Dicke der Cuti- cula ausmacht. Unter dem Grenzhäutchen der Außenlage von Lucanus cervus befindet sich nach Kapzov »ein regelrechter Alveolarsaum«. Viel- leicht entspricht dieser Alveolarsaum der vertical gestreiften Partie des Epidermas von Dytiscus marginalis. Ein Vergleich der wabig- strukturierten Hauptschicht des Epidermas von Lucanus cervus mit den obersten braun gefärbten Lagen des Dermas von Dytiscus ist jedoch nicht angängig, da, wie oben auseinandergesetzt wurde, die Zugehörig- keit der Lamellen 1 — 6 (Fig. 8) zum Derma wohl außer Zweifel sein dürfte. Die Oberfläche des Epidermas zeigt eine sehr feine gleich- Die KiiriH'nlcckc und die Driisrii von Oytiscus niarginalis L. 409 mäßig wabenartige Felderung, indem dunkle Linien helle Bezirke umrahmen (Fig. 9 iv). Bei tiefer Einstellung des Mikroskops tritt in den uiitiM'cn Schichten eine Netzstruktur hervor. Auf Flächen- schnitlen durch die oberen l^auen der Cuticula erkennt man diese Fig. 9. Aufsichtsbild auf die Elytre des Männchens bei verscliieden hoher Einstellung, ha, Härchen; kl, kolbenförmige Sinnesorgane; iv, wabenartige Feklerung der Emaillpsrliicht ; v, Chitinpfeiler. Vergr. 120. Xetzstruktur besser (Fig. 10). Unregelmäßige Vielecke, in der Mehr- zahl jedoch Sechsecke, werden von hellen Linien begrenzt. Die dunklen Felder las.^^en eine schwach wabige Struktur erkennen; ebenso zeigen ^^^^/^^m. .^c^f^^i. Fig. lu. ri;ii'lieii.schnitt durch die Elytre des Männchens dicht unter dem Epiderma. zg, Zellgrenzen. Vergr. 400. die hellen Grenzlinien eine feine Zeichnung. Diese Linien entsprechen nach K.\Pzov den Zellgrenzen der Hypodermis. Der Autor konnte bei Lucduus ceruus an einer Serie von aufeinanderfolgenden Flächen- schnitten verfolgen, wie diese Netzstruktur in den unteren Schichten 410 Alois Casper, des Epidermas allmählich stärker hervortritt, bis die den Zellgrenzen entsprechenden Linien zu festen Strängen und schließlich zu den Balken der obersten Lamelle des Dermas werden, während das Waben- werk in den Feldern jenen Fibrillen oder Bändern entspricht, die sich durch die einzelnen Balkenlagen hindurchziehen und sich in der Höhe der obersten Balkenschicht stark verbreitern. Bei Dytiscus können die Verhältnisse so liegen, wie sie Kapzov bei Lucanus beschreibt. An Querschnitten, Fig. 8, war zwischen der letzten Balkenlage und dem scharf senkrecht gestreiften Epiderma nur eine schmale Zwischenlage zu erkennen, deren Struktur sich nicht feststellen ließ. Durch diese Schicht muß der Flächenschnitt geführt sein, der jene Felderung zeigt. Das Studium dieser Verhältnisse ist bei Dytiscus dadurch erschwert, daß die ersten Balkenlagen schon in einer Entfernung von nur 5 //, von der Oberfläche auftreten. 3. Die Chitinzapfen der Elytren und des Pronotums. In diesem Zusammenhang möchte ich auf eine sehr merkwürdige Struktur des Chitins hinweisen, die zu erkennen ist, wenn man die Elytren eines Männchens von Dytiscus marginalis bei enger Blende mit mäßig starker Vergrößerung bei tiefer Einstellung betrachtet. In dem Chitin leuchten helle gelb gefärbte kreisrunde oder schwach ovale" Bezirke auf. Diese lassen eine konzentrische Streifung um ein in der Mitte gelegenes, aus der Tiefe der Cuticula aufsteigendes, stark gelb- braun gefärbtes, haarartiges Gebilde erkennen (Fig. 11 v). Diese Struktur liegt unter der Emailleschicht, gehört also vollständig dem Derma an. Das Epiderma überdeckt diese Bildungen, ohne sich dabei grubenförmig einzusenken, so daß man bei auffallendem Licht nichts von jener Struktur bemerkt. Biedermann beschreibt diese Gebilde in den Elytren einer Anzahl von Käfern, z. B. bei Oryctes nasicornis, Rhynchophorus Phoenicis, Cyhister Owas. Diese Gebilde sind in den Elytren von Dytiscus marginalis in Reihen angeordnet, die in der Längsrichtung über die Elytren hinziehen. Beim Männchen finden wir sie besonders zahlreich; sie sind in etwa 25 Längsreihen ange- ordnet (Fig. 11). Beim Weibchen liegen sie in den Längsfurchen der Elytren. Biedermann hat gezeigt, daß diese Gebilde die zapfen- oder pfeiler- artigen Verbindungen zwischen oberer und unterer Cuticula der Elytren sind. Die Lamellen der Cuticula sind an diesen Stellen etwa wie zur Bildung eines dünnen Rohres in das Innere der Elytre hineingezogen worden. Die konzentrische Struktur wird durch die Lamellen hervor- Die KöriJiM'drckc und die Drüsen von Dytiseus niarginalis L. 411 gerufen, die fkicii kegelfürinig mit der .Spitze nach der Hypoderniis- zelle zu von der oberen Grenze des Dernias her durch die Cuticula durchziehen ui\(l den Ilohh-auni der Elvtren durchsetzen, bis sie auf :5 Lv^ ">^-v'' ^-^-y ' -'' '^^^ ^.r^ ■^ ^ '■"•'--*-_ \^; ^V^ 'x... ^^f, ^^ ^>-*' .?y Fig. 11. Aufsichtsbild der mittleren l'artie der Elytre des Männchens, ad, Adern der Elytrc; v, Chitin- pfeiler. Yergr. 25. Fig. 12. Sanittalscliiiitt durch den hinteren Querrand des Pronotums eines alten Käfers, c, Cuticula; d, einzellige Hautdrüsen; H, Hypoderniis; 2, Chitinzajtfen; v, Verbindungen zwischen der oberen Cuticula und dein umgeschlagenen Kande des Pronotums. Vergr. 7. die ebenfalls nach innen unigekrüininten Lamellen der unteren Cuticula auftreffen (Fig. 12). Die einzelnen Chitinlagen dieser Kegel zeigen selbstverständlich denselben Aufbau aus Balken wie die übrige Cuticula. Ein Flächen- 412 Alois Casper, schnitt durch die Elytre trifft diese Chitinzapfen in einer Ebene senk- recht zur Längsachse. Die Lamellen (Fig. 13 hk), besonders die in der Nähe der Achse gelegenen, werden also von dem Schnitt fast senkrecht getroffen und lassen den wechselnden Verlauf der Balken in überein- anderliegenden Schichten sehr schön erkennen. In der Achse des Kegels verläuft ein solider Chitinzapfen (c). Zwischen diesen Chitin- zapfen laufen die Schichten des Chitins in sich selbst zurück (Fig. 11). HocHREL'THER hat diese Chitinzapfen oder Pfeiler auch in dem gelben Rande des Pronotums von Dytiscus marginalis gefunden und ihre Verteilung in einem Übersichtsbilde eingetragen (Fig. 81, Hoch- reuther). In den Elytren frisch geschlüpfter Käfer sind noch keine Ver- bindungen zwischen oberer und unterer Cuticula vorhanden. Deshalb Fig. 13. Horizontalschnitt diircli einen Chitinzapfen (Verbindungsstelle der oberen und unteren Cuticiilu in der Elytre des Weibchens), ba, Balken; hl\ Balkenschicht; z, Chitinzapfen. Vergr. 1050. kann man auch an solchen Elytren im Aufsichtsbild die konzentrische Struktur nicht erkennen. Auch die Verbindungen der Cuticula des Pronotums mit seinem umgeschlagenen Rande werden erst nach der Häutung aus der Puppe angelegt, wenn das Chitin erhärtet. Dement- sprechend sind die konzentrischen Ringe oder Höfe in dem gelben Rande des Pronotums nur bei alten Käfern zu sehen. Das Aufsichtsbild einer Elytre läßt bei verschiedener Ein- stellung abwechselnde Strukturen erkennen. Dieselben sind nach- einander folgende (Fig. 9). Bei hoher Einstellung des Mikroskops sieht man in der braunen Emailleschicht kleine helle Höfe, in denen sehr feine Härchen {ha) stehen. Dazwischen zerstreut liegen kolben- förmige Sinnesorgane {kl), die ihrerseits von entsprechend größeren hellen Höfen ujngeben sind. Bei etwas tieferer Einstellung tritt die Dil' Kiirpcnlt'iki- und die Drüsrii von Dytiscus inargiiialis L. 413 Wabenstruktur der Enuullesehiciit (tc) hervor. Bei weiterem tSeukeu de.s Tubus erscheinen dann die konzentrisch geschichteten Chitin- zapfen (v). Gleichzeitig tritt die Zellstruktiir in der Grenze zwischen Ei)idernia und Derma hervor. In Fig. 9 j^ind rechts die sehr feinen Härchen mit ihren hellen Höfen eingetragen; auf der linken Seite die wabige Struktur des Epiderma. Außerdem sind die kolbenförmigen Sinnesorgane mit ihren liellen Höfen und die Chitinpfeiler, die bei tieferer Einstellung erscheinen, in der ganzen Zeichnung angedeutet. 4. Chitinbildung und Entstehung der Strukturen. Bei diesen Untersuchungen über den Bau der Cuticula von Dy- tiscus marginalis liegt nicht die Absicht vor, Stellung zu nehmen zu der prinzipiellen Frage, wie die feinsten morphologischen Elemente des Chitins beschaffen sind, mit andern Worten, ob das Chitin fibril- lären Bau oder wabige Struktur besitzt. Es sollen vielmehr die ge- äußerten Meinungen nur an Hand der Autoren skizziert werden. Nach Biedermanns Untersuchungen läßt die Substanz der La- mellen, bezüglich der Bandfasern vielfach noch eine weitere feinere Struktur erkennen, und zwar eine Zusammensetzung aus äußerst dünneu Fäserchen, so daß jede Bandfaser (Balken) eigentlich als ein Fibrillenbündel aufzufassen ist. Demgegenüber betont Kapzov, daß »die Cuticula der Insekten, wie kompliziert sie auch sein mag, aus einem zusammenhängenden Wabenwerk mit lockerern und dichteren Partien besteht«. Ebenso widersprechende Beai\twortung hat die Frage nach der Entstehung dieser Struktur und die mit ihr aufs engste verknüpfte Frage nach tler Bildung des Chitins erfahren. Folgende Ansichten stehen sich gegenüber: v. Köllicker hält das Chitin für ein Secret der Hypodermiszellen, das zunächst als eine weiche, homogene Masse ausgeschieden wird; seine komplizierten Strukturen erhält es durch ein sekundäres Zerfallen der ursprünglich weichen homogenen Masse. Huxley, Tycho Tulberg, Leydig. Holmgren und Korschelt lassen das Chitin durch eine Umwandlung der peripheren Plasma- schicht entstehen. Biedermann »hält es für das wahrscheiidichste, daß die einzelnen Chitinschichten mit all ihren Eigentündichkeiten entweder unmittelbar aus dem Plasma der Chitinogenzellen sich diffe- renzieren, oder, daß dassellje in einer zunächst homogenen Substanz geschieht, die dann aljpr ihrerseits notwendig als ein zunächst noch lebendiges Differenzierungsprodukt, oder, wenn man will, Absonderungs- 414 Alois Cas2)er, Produkt, der Bildungszellen anzusehen wäre. »Über die Entstehung der komplizierten Balkenstruktur, die er den funktionellen Struktu- ren im Sinne von Roux einreiht, sagt Biedermann: »Die mecha- nischen Einwirkungen mögen als auslösende Reize eine Rolle spielen und für die Wachstumsrichtung der Fibrillen maßgebend sein, die Differenzierung derselben aber aus dem Plasma oder einem homo- genen Plasmaprodukt bin ich geneigt, für einen vitalen Vorgang zu halten. « Plotnikow, auch Berlese und mit ihnen Kapzov, vermitteln zwischen diesen beiden Auffassungen, indem sie die Ansicht vertreten, daß beide Bildungsweisen, also Secretion von Chitin in Form von Tröpfchen (Kapzov) und Umwandlung von Plasma in Chitin neben- einander hergehen. Kapzov beschreibt die Bildung des Chitins bei Cetonia aurata etwa folgendermaßen. »Die Cuticula zeigt auf einem Querschnitt aus der Zellzeichnung hervorgegangene Schuppen. Die Grenzen der Zellbezirke markieren sich in der Cuticula durch einen etw^as dunkleren Strich, der bis zu den Grenzen der Hypodermiszellen hinabreicht. Dieser dunkle Grenzstrich erweitert sieh sogar in der Tiefe ein wenig zu einem zuerst ganz unmerklichen Vorsprung der Cuticula zwischen die benachbarten Hypodermiszellen hinein.« Dieser Vorsprung wächst zu einem Knöpfchen und schließlich zu den halbkreisförmigen Balken heran, die zwischen die Hypodermiszellen hineinragen und allmählich den Raum zwischen sich so verengen, daß nur noch ein schmaler bandartiger protoplasmatischer Fortsatz der Hypodermiszelle übrig bleibt. Dieser Fortsatz chitinisiert von seinem oberen Ende aus, wie Kapzov durch Färbung mit BLOCHMANNscher Lösung feststellte und liefert die senkrecht zwischen den Balken aufsteigenden Fibrillen- bänder des Chitins. Sie entstehen durch Umwandlung des Zellplasmas in Chitin. Das Chitin der Balken hingegen ist eine Absonderung der Hypodermiszellen »die Hypodermiszellen färben sich intensiv mit Ausnahme ihrer den Verdickungen (Balken) des Chitins benachbarten Regionen, die viel heller und blasiger erscheinen«. Das abgesonderte neue Chitin »legt sich an der bestehenden Cuticula in Form von Tröpf- chen an, war aber auch in der Zelle selbst wahrzunehmen.« Über die Ausbildung der Struktur äußert sich Kapzov wie folgt: »Die einfachen Cuticulae bestehen aus feinen übereinandergeschichteten Lamellen, die immer wabig sind. Sie weisen vielfach Kreuzstreifung und fast immer eine gewisse Richtung in dei» Wabenanordnung auf, und diese Richtung kann in verschiedenen Lagen oder Schichten wech- Die KorjuTdcckc und die Driisni von Dytisciis inarginalis L. 415 sein. Diese Strukturen verdanken ihren Ursj)run,^' fyzA -/y . ,,,../',*«.'Ä'~-K. Fig. 15. Längsschnitt durch Muskelansatz beim Käfer (Mesonotum). Bezeichnung wie 14. Vergr. 1050. Die Körperdecke und die Drüsen von Dytiscus niarginalis L. 421 liegen in dem Sarcoplasma zwischen den Fibrillenbündeln zerstreut. Nach außen ist der Muskel von einem Sarcolemm {sl) umgeben. An der Insertionsstelle endigt der Muskel vor der Hypodermis (//), und zwar treffen seine Fibrillen die Basalmembran (b) auf der Höhe der Zwischenscheibe, der Z-Körnchen. Die Hypodermis (//) ändert an der Insertionsstelle ihre Höhe nur unbedeutend gegen die benachbarten Partien. Die feinen Fibrillen, die allenthalben in dem Plasma der Hypodermiszellen zu erkennen sind, besonders klar in Fig. 15 i, treten an der Insertionsstelle sehr zahlreich auf und ordnen sich zu Bündeln an, die in der Verlängerung der Muskelbündel liegen. Nach der Cuticula hin verbreitern sich diese Fibrillenbüudel, wie Snethlage richtig bemerkte. Die Basalmembran (b) zieht zwischen Muskel und Hypodermis durch; zwischen einem Fibrillen bündel des Muskels und dem ent- sprechenden Fibrillenbüudel der Hypodermis ist sie als eine stark punktierte Linie deutlich zu verfolgen. Diese Punkte der Basalmem- bran sind die Vereinigungsstellen der Myofibrillen des Muskels und der Tonofibrillen der Hypodermis. Die Myofibrillen setzen mit den Z-Körnchen der Zwischenscheibe, die Tonofibrillen ebenfalls mit einer punktförmigen Verdickung an der Basalmembran an. An der Cuti- cula (c) ist die Tonofibrille mit einer etwas stärkeren punktförmigen Verdickung befestigt. Das Sarcolemm {sl) verschmilzt an der Ansatz- stelle des Muskels mit der Basalmembran (6). Das Plasma der Hypodermis unterscheidet sich besonders bei der Larve durch seine feinere Beschaffenheit von dem dichteren Muskelplasma (Fig. 14). Die Kerne der Hypodermiszellen {hk) sind ganz bedeutend größer als die Muskelkerne {ynuk). Dieser Insertionsmodus wurde zuerst von Marziarski bei Crus- taceen eingehend untersucht. Stamm nannte das Stück der Hy- podermis, das durch die Ausbildung der zahlreichen Tonofibrillen etwas modifiziert ist, die »epitheliale Sehne«. Die Zellen der epitheUalen Sehne bleiben aber immer noch Hypodermiszellen; vor allem behalten sie die hauptsächlichste Eigenschaft der Matrix- zellen, nämlich die Fähigkeit der Chitinausscheidung. Fig. 14 ist nach einer Larve gezeichnet, die kurz vor der Häutung steht. Die alte Cuticula (cj) ist schon abgehoben. Die junge Cuticula (cg) zeigt an der Stelle, wo sie von der epithelialen Sehne abgeschieden worden ist, dieselbe Stärke wie in den benachbarten Partien, die von unver- änderten Hypodermiszellen gebildet worden sind. Die Insertion der Muskeln an dem Chitin ist also bei Dytiscus 28* 422 Alois Casper, marginalis keine »direkte« wie Snethlage behauptet, sondern, wie auch Törne fand, eine »indirekte«; sie erfolgt mit Hilfe einer »epithelialen Sehne«. B. Die Drüsen. Die Hautdrüsen der Insekten sind modifizierte Zellen der Hypo- dermis. Eine Beschreibung der Körperdecke eines Coleopter muß also auch auf diese umgewandelten Hypodermiselemente eingehen. Die einzelligen Hautdrüsen der Insekten haben seit langem das Interesse der Forscher erregt. Leydig, Hoffbauer, Wasmann, DiERCKx und andre haben diese Gebilde zum Gegenstand eingehender Studien gemacht. Die Hautdrüsen der Insekten erweisen sich für die allgemeine Auffassung der Drüsen auch insofern bedeutungsvoll, als durch das Zusammentreten einer größeren Zahl von einzelligen Drüsen zu einem Paket die Bildung kompliziert gebauter Drüsen angebahnt wird. Aus verschiedenen Ordnungen der Insekten liegen Beschreibungen derartiger höher organisierter zusammengesetzter (Kom- plex-)Drüsen vor. Auch das Vorkommen verschiedener Drüsenformen bei einem Individuum ist schon häufig beobachtet worden. Das Stu- dium der Drüsen von Dytiscus erwies sich nun gerade deshalb als be- sonders lohnend, weil hier alle Übergangsformen von der einzelligen Hautdrüse bis zur hochorganisierten Komplexdrüse vorkommen, so daß man also die hauptsächlichen Phasen des Zustandekommens der Komplexdrüsen hier nebeneinander an einem Objekt studieren kann. Nach Struktur, histologischer Beschaffenheit und Funktion der Haut- drüsen von Dytiscus lassen sich bestimmte Gruppen dieser Drüsen unterscheiden. I. Die einzelligen Hautdrüsen. Zu den charakteristischen Eigenschaften der Hypodermiszellen gehört diejenige, Chitin abscheiden zu können. Außerdem können manche Hypodermiszellen die Bildung verschiedenartiger Secrete über- nehmen. Hand in Hand mit dieser physiologischen Neuerwerbung gehen morphologische Umwandlungen der Zelle. Man kann mit Ber- LESE annehmen, daß es im wesentlichen folgende Vorgänge sind, die aus der Hypodermiszelle eine Drüsenzelle hervorgehen lassen. Die prismatische Hypodermiszelle wächst zu einer birnenförmigen bis kugeligen Zelle von bedeutender Größe heran, so daß sie zuweilen aus der Hypodermis herausgedrängt wird und in die Leibeshöhle hin- einragt. Kern und Plasma erfahren in ihrem feineren Bau Umwand- Die Körperdeckc und dit- Drüsen von Dytiscus marginalis L. 423 lungeii, welche die Zelle an ihre neue Funktion anpassen. Die Drüse beteiligt sich nicht mehr an der Bildung der Chitindecke des Körpers, sondern sie erzeugt einen feinen Chitinkanal, der von der Körper- oljerfläche aus in das Innere der Zelle herabzieht. Die Bildung der einzelligen Hautdrüsen erfolgt bei Dy- tiscus in der Puppe. Sie beginnt jedoch schon in dem dritten Larven- stadium, nachdem die Larve das Wasser verlassen hat und sich zur Häutung anschickt. Leider war es mir nicht möglich, die Entwicklung der Hautdrüsen aus den Hypodermiselementen heraus zu verfolgen. Diese Untersuchungen müssen an Larven ausgeführt werden, die nahe vor der Verpuppung stehen. Nun besitzt aber der Chitinpanzer der Larven zu dieser Zeit gerade seine stärkste Entwicklung; infolgedessen ist es außerordentlich schwierig, dünne Schnitte durch alte Larven anzufertigen. Schnitte, die dünner als 15 — 20 /,t waren, konnte ich nicht erhalten. Deshalb waren meine Schnittserien für die Unter- suchung der Drüsenentwicklung nicht brauchbar. Es ist um so be- dauerlicher, daß dieser Versuch an den technischen Schwierigkeiten scheiterte, da meines Wissens noch keine eingehenden Angaben über die Entstehung der für diese Art von Drüsenzellen so charakteristischen Binnenblase vorliegen. Die Entwicklung andrer Drüsenformen aus Hypodermiszellen ist schon beobachtet. So hat z. B. Verson diesen Vorgang bei den Häu- tungsdrüsen von Bomhyx mori an Embryonen verfolgt. Derselbe zeigt etwa folgenden Verlauf. Eine Hypodermiszelle wächst bedeutend heran, sie baucht sich mit ihrem abgerundeten Plasmaleib gegen die Körperhöhle vor und senkt sich allmählich tiefer in dieselbe, so daß sie nur noch >> mit einem langen konischen Hals bis zur Dermalcuticula vordringt«. »Der konische Fortsatz, der mit dem Hypoderm zusam- menhängt, hat sich länger gestreckt und ist allmählich hohl geworden, wie es aus geeigneten Schnitten hervorgeht, welche ein rundliches Lumeu an Ort und Stelle erkennen lassen.« Dieser kurze röhren- förmige Kanal erhält eine chitinöse Auskleidung. Gestützt auf die übereinstimmende Auffassung der Autoren glaube ich auch bei Dytiscus eine Bildung der einzelligen Hautdrüsen aus Hypodermiszellen annehmen zu können, obwohl ich den Nachweis für die Behauptung wegen der Ungunst des Objektes nicht zu erbringen vermag. Über die Anordnung der Secretherde in der Hypodermis mag kurz bemerkt werden, daß die secretorischen Elemente bei Puppe und eben ausgeschlüpftem Käfer zunächst in der Hypodermis liegen. 424 Alois Casper, Wenn jedoch die Matrix nach Fertigstellung des Chitinpanzers ihre Aufgabe erfüllt hat und zu einem flachen Epithel reduziert wird, so kommen die Drüsen anscheinend unter die Hypodermis zu liegen. Sie werden dann jedoch immer noch von der Basalmembran umhüllt, die man in diesem Falle mit Beelese vielleicht besser als Membrana propria bezeichnet. Über die Zugehörigkeit der Drüsen zur Hypo- dermis kann also auch beim alten Käfer kein Zweifel bestehen, obwohl sie da scheinbar frei unter der Hypodermis in der Leibeshöhle liegen. Wenn man die Fig. 12 und 16 vergleicht, so erkennt man diesen sehr auffälligen Unterschied in der Anordnung der Drüsen bei einem jungen und einem alten Käfer. Die beiden Schnitte sind durch dieselbe Region des Prothorax geführt; die Figuren geben die längsgetroffene hintere Fig. 16. Sagittaler Längsschnitt durch die hintere Querliante des Pronotums eines jungen Käfers, h, Basa membran; c, Cuticula; dr, Drüsenhäufchen; H, Hypodermis; no, Notum; nor, Notumrand; pl. Pleuren. Vergr. 6. Querkante des Pronotums wieder. Man sieht, daß mit zunehmendem Alter die Drüsen an Größe bedeutend wachsen, während das hohe Epithel des jungen Käfers allmählich eine starke Reduktion erfährt. Im vorhergehenden war ausdrücklich gesagt worden, daß die Bildung der einzelligen Hautdrüsen vom LEYDiGschen Typ erst in der Puppe erfolgt. Ob die Larven primitivere Hautdrüsen als die von LEYDia beschriebenen Formen besitzen, kann ich nicht mit Sicherheit be- haupten, weil ich in der Hypodermis der Larve nie Elemente gefunden habe, deren Drüsennatur aus dem Bau der Zelle klar zu erkennen war. Nur bei den Haarzellen der Larven könnte man im Zweifel sein, ob sie neben der Bildung des Chitinhaares auch drüsige Funktion über- nommen haben. Es ist ja bekannt, daß bei Raupen vieler Schmetter- linge die Haare in Beziehung zu Drüsenzellen stehen, die ein ätzendes Die Körperdocke und tue Drüsen von Dytiscu« niarginalis L. 425 Secret aus den Haaren austreten lassen, wenn die Raupe berührt wird. Ob die Haare der Larven von Dytiscus in ähnlicher Weise Beziehung zu einfach gebauten fettabsondernden Drüsenzellen besitzen, kann ich nicht sagen; immerhin möchte ich aber die Möglichkeit andeuten. a. Vorkommen der Hautdrüsen. Die Verteilung der Drüsen im Körper von Dytiscus marginalis wurde hauptsächlich an einer lückenlosen Querschnittserie eines jungen Käfers untersucht, der sofort nach dem Verlassen der Puppenhülle konserviert worden war. Zum Vergleich wurden jedoch auch Schnitte durch den alten Käfer herangezogen. Diese Beobachtungen wurden ergänzt durch das Studium dieser Verhältnisse an aufpräparierten Käfern bei starker Lupenvergrößerung. — ^r*.- X'^^^-viV-ilS'^ 'l^f.-^^'cÄ''.t^, \ \' V'\"' '- I-;.- ■-■ \ hzk c/r y/f Fig. 17. Quersdiuitt durcli die Bauclisclüciie eines nüttleieii Abdominalsegmentes des Käfers, h, Basal- membran; c, Cuticula; de, Driisenkaual ; dk, Drüsenzellkeru; dr, Drüsenhäufclieu ; ü, Hypodeimis; hzk, Hypodermiszellkeru; zg, Zellgrenzen; vs. Binnenblase. Vergr. 425. Von den in der Literatur vorhandenen Arbeiten über die Haut- drüsen der Coleopteren ist vor allen andern die Arbeit von Leydig zu nennen: Zur Anatomie der Insekten. Über das Vorkommen der Hautdrüsen bei Dytiscus marginalis schreibt Leydig da ganz allgemein, daß »an manchen Körperstellen die Drüsenzellen durchaus selbständig waren und sich durch eine Membran abgrenzten <<. Weiterhin heißt es : »Der Drüsenkörper, d. h. die Drüsenzellen ermangeln nicht selten einer scharf begrenzten Kontur nach außen, so daß die Zellen zu einer granulären Masse zusammenschmelzen, aus der die Kerne und besonders lebhaft die Anfänge der ausführenden Chitinfäden hervorstechen.« Die Fig. 17, ein Querschnitt durch die ventrale Decke eines mittleren Abdominalsegmentes läßt dieses Verhalten der Drüsenzellen erkennen. Sie liegen einzeln oder in Gruppen von zwei oder drei Zellen zusammen 426 Alois Casper, unregelmäßig zwischen den Hypodermiszellen zerstreut; und zwar sind die Drüsen der Basalmembran der Hypodermis genähert. Die aus zwei oder mehreren Zellen bestehenden kleinen Drüsengruppen bilden Paketchen von kugeliger bis eiförmiger Gestalt (Fig. 17 dp). Die Zellgrenzen der Drüsen sind an all den Stellen kräftig entwickelt, wo sich die secretorische Zelle gegen die umgebenden Hypodermis- zellen abgrenzt. Zwischen den eng aneinander gefügten Elementen einer kleinen Drüsengruppe ist hingegen die Abgrenzung nicht überall deutlich zu erkennen. Jedoch glaube ich nicht, daß die Zellgrenzeu zwischen diesen Drüsen fehlen, wie Leydig angibt, so daß also eine solche Gruppe ein Syncytium vorstellte. Dagegen spricht das Verhalten der Komplexdrüsen, bei denen die einzelnen Zellen scharf voneinander geschieden sind, obwohl ein viel innigerer Zusammenschluß der ein- //- \ J * *" <^ i^S Fig. 18. Querschnitt durch die Rücl>Ab und zu konnte ich auch kleine rund- liche Kerne vom Habitus der Bindegewebskerne dem Ausführungs- gang anliegen sehen, glaube aber, daß sie mehr zufällig in die Lage geraten waren, und nicht als Bestandteil eines eventuell vorhandenen zelligen Beleges des Ausführungsganges aufzufassen sind, da ich sie nur vereinzelt, nicht überall beobachten konnte.« Dem gegenüber betont aber Krüger, daß die kleinen Kerne an den chitinösen Ausführungsgäugen der »Myrmecophilendrüsen I sicher . . . dem Plasmabelag des Ausführungsganges angehören«. Ferner ist eine Angabe von Dahl zu erwähnen, welche von Sajjerda aussagt: »Hier setzt sich die Drüse zusammen aus einer secernierenden Zelle und einer Zelle, deren Funktion es wohl sein dürfte, den chitinösen Ausführungsgang zu bilden. Wenigstens sieht man in dem Plasma- überzug des Chitinröhrchens einen lang gestreckten Kern.« Die Hautdrüsen von Dytiscus marginalis sind also mehrzellige Gebilde. Sie bestehen aus einer stark modifizierten Hypodermiszelle, dem Secretherd, und einer Reihe mit der Bildung des chitinösen Drüsen- kanals betrauter Matrixzellen, die als verhältnismäßig wenig modi- fizierte Hypodermiszellen anzusehen sind. Das Chitinröhrchen besitzt in seiner ganzen Länge gleiche Dicke. Nur sein in der Drüse gelegenes blindgeschlossenes Ende ist schwach flaschenförmig aufgetrieben und die Wandungen scheinen etwas stärker chitinisiert zu sein (Fig. 19). Dieser erweiterte Teil des Rohres steckt in einer geräumigen Blase, der Binnen kapsei (vs). Dieselbe kann zuweilen von ansehn- licher Länge sein und folgt dann den Windungen und Krümmungen des Chitinkanals, so daß sie eventuell in ihrem Verlauf scharfe Knik- kungen aufweist. Auf Längsschnitten zeigt die Binnenkapsel ellipsoide bis schwach bohnenförmig gekrümmte Gestalt (Fig. 19 b u. c). Der 434 Alois Casper, kreisförmige Querschnitt besitzt annähernd dieselbe Größe wie der Kern (Fig. 19 a). Die geringe Größe der Kerne in Fig. 19 b und c erklärt sich so, daß der Schnitt die Kerne nur sehr peripher getroffen hat. In den Zellen b und c von Fig. 19 tritt die außerordentliche Größe der Binnenkapsel im Verhältnis zur Zellgröße besonders hervor. Gegen das Zellplasma ist der ellipsoide Körper durch eine Membran {mh) abgegrenzt. Von dem erweiterten Teil des Chitinröhrchens geht eine feine radiäre iStrahlung (st) aus; die feinen homogenen Fädchen, die senkrecht auf den Chitinröhrchen stehen, ziehen bis an die Wandung der Blase. Sie bestehen wahrscheinlich aus einem sehr feinen gleich- mäßigen hyalinen Plasma; die gleiche Meinung vertritt auch Was- MANN, der diese Strahlen in den Hautdrüsen von Claviger ebenfalls als Plasmafäden beschreibt. In der Umgebung der Binnenkapsel tritt auch in dem Zellplasma eine mehr oder weniger stark ausgeprägte Strahlung (sp) nach dem ellipsoiden Körper hin auf. Besonders auf- fällig ist diese Erscheinung in Fig. 19 a, wo der Binnenkörper von einem hellen Hof umgeben ist. Die feinen Plasmafäden {sf) ziehen von dem dichten Zellplasma durch diesen Hof an die Wandung der Binnenkapsel. Sie liegen in der Verlängerung der zwischen Chitin- röhrchen und Blasen Wandung ausgespannten Fasern {st). Auf die vielleicht vorhandenen Beziehungen dieser Strahlung zur Ausleitung des Secretes soll bei der Beschreibung der Prothoraxdrüsen eingegangen werden. Die Oberfläche des ausleitenden Chitinkanälchens {de) wird, wenn die Drüse in Secretion begriffen ist, von einer dichten Hülle kleiner Körnchen {ts) bedeckt, die sich wie die im Plasma vorkommenden Secretkörnchen färben, die also auch zweifellos Secrettröpfchen sind. Diese Körnchen liegen entweder vereinzelt auf oder zwischen den radiär ausstrahlenden Fasern, oder sie fließen zu einer dichten Schicht zusammen, welche die Oberfläche des Chitinröhrchens vollständig um- hüllt (Fig. 19). Da in der Wandung des ausleitenden Kanals keine Öffnungen zu erkennen sind, so muß das Secret durch die feinsten Porenkanälchen des Chitins treten, um nach außen zu gelangen. Die Wandung {mb) der Binnenkapsei ist eine Membran von wechselnder Dicke. Bei stärkerer Vergrößerung löst sich diese auf Schnitten in eine Reihe von Punkten auf. In Fig. 19 c ist aber zu erkennen, daß die Punkte in eine homogene Grundsubstanz eingebettet sind; dieselbe tritt bei den Zellen b und c nicht so stark hervor. Diese Punkte sind, wie das auch Dierckx angibt, die Verbindungsstellen Die Körperclceke uiul die Drüsen von Dytiscus niarginalis L. 435 der Fasern der Binneidxupseln und der Strünke des Zellplasnias. Dierckx konnte feststellen, daß bei den Pygidialdrüsen das Aussehen der Mem- bran je nach dem gebrauchten Fixationsmittel verschieden ist. Die gleiche Beobachtung konnte ich bei den Prothoraxdrüsen machen. Jus zu einem gewissen Grade ist also ein derartiger Einfluß der Konser- \ ierungsmittel vorhanden; zum Teil wird das verschiedene Aussehen der Membran aber auch von dem Secretionsstadium abhängen, in dem sich die Zelle gerade befindet. Diesen Umstand hat Dierckx unbe- rücksichtigt gelassen. Einige diesbezügliche Beobachtungen konnte ich an den für diese Untersuchungen günstigeren Komplexdrüsen machen; dieselben sollen weiter unten erwähnt werden. Aber auch bei Benutzung ein und desselben Konservierungsmittels zeigt die Membran gelegentlich verschiedenes Aussehen, so sind z. B. Fig. 19 a, b. c nach drei Zellen gezeichnet, die dicht nebeneinander in einem Schnitt liegen, und trotzdem besitzen die Membranen verschiedene Stärke. Das Objekt war mit Sublimat-Alkohol-Eisessig konserviert. Dierckx glaubt auf Grund dieser Tatsachen auf Verschiedenheiten in dem feineren Bau der Membran in benachbarten Zellen schließen zu müssen. Nach seiner Meinung ist die Wandung der Blase aus dem netzförmig wabigen Plasma >>par la simple regularisation et la soudure en resau des trabecules suivant une surface spherique« entstanden. Diese »scharfe Kontur um den gestreiften Teil der Zelle« (Binnen- blase) kommt nach Törne so zustande, daß die unter rechtem Winkel von dem centralen Kanal abgehenden Ästchen gleiche Länge besitzen. Er hat also die Membran, die Wandung der Blase, nicht gesehen. Jene unter rechtem Winkel vom ausleitenden »Schlauch« ab- gehenden Ästchen sind nach Törne chitijiisiert. Nun haben aber GiLSON, Dierckx und Wasmann die plasmatische Natur jener Strahlen oder Fasern in der Binnenblase nachgewiesen. Törne führt als Stütze für seine Behauptung die Tatsache an, daß bei Einwirkung von kalter Kalilauge das Plasma der Drüsenzelle sehr bald aufgelöst wird, die radiär gestrichelte Zone viel länger widersteht und der Ausführungs- gang sogar in kochender Kalilauge nur sehr wenig angegriffen wird. Aber der Umstand, daß sich die radiär gestrichelte Zone auch in kalter Kahlauge löst, beweist doch die plasmatische Natur dieser Bildung. Wenn diese Partie der Einwirkung des Keagens länger widersteht, •so erklärt sich das einfach so, daß die Wandung der Biunenblase aus einem verdichteten modifizierten Plasma besteht, welches langsamer jvon der Lauge aufgelöst wird und das Eindringen des Stoffes in die 'Binnenblase eine Zeitlang verhindert. Ist aber die Wandung erst Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CVII. Bd. 29 436 Alois Casper, aufgelöst, dann werden die feinen Plasmafäden in der Blase auch sehr bald zerstört. GiLSON hat schon beobachtet, daß Wandung und Fasern der Binnen- blase widerstandsfähiger gegen die Zerstörung durch Reagenzien sind, als das übrige Plasma. Wären jene Astchen feine Chitinröhrchen, wie Törne behauptet, so müßte man ihre Einmündung in den ausführenden »Schlauch << sehen können. In Wirklichkeit ist die Wandung des chitinösen Sammel- kanals vollkommen glatt; Durchbohrungen sind selbst mit den stärk- sten Vergrößerungen nicht festzustellen. Die Meinung der Mehrzahl der Autoren geht dahin, daß die Binnenkapsel eine Blase ist. Die Ab- grenzung des Zellplasmas gegen diesen Hohlraum geschieht durch eine feste Membran, wie alle Forscher mit Ausnahme von Törne über- einstimmend angeben; am frischen Material ist dieselbe sehr deutlich zu erkennen. Die Wandung der Blase ist nach Hoffbauer ein ver- dichtetes wandständiges Plasma, welches keine Poren besitzt. Auch Dierckx läßt die Membran aus dem Zellplasma hervorgehen. Die bei starker Vergrößerung in der Wandung hervortretenden intensiv ge- färbten Punkte sind die Verbindungsstellen zwischen den Strängen des Zellplasmas und den Fasern in der Binnenblase. Meine Auffassung von der Membran deckt sich im wesentlichen mit den Ansichten der oben erwähnten Forscher. Die Wandung der Binnenkapsel ist ein alloplasmatisches Organ, d. h. sie besteht aus einem Plasma, das durch gewisse Modifikationen an eine bestimmte Funktion angepaßt ist und sich von dem übrigen Zellplasma unter- scheidet. Die Funktion dieser Plasmamembran besteht darin, daß sie den Hohlraum der Blase gegen den Plasmaleib der Zelle abschließt. Die Membran besitzt Durchbohrungen, durch die pseudopodienartige dünne Plasmafäden aus der Zelle heraus in den Hohlraum der Kapsel treten und bis an die Wandung des Chitinröhrchens ziehen. Die dunkel gefärbten Punkte, die man bei starker Vergrößerung in der Membran erkennt, sind jene Durchbohrungen. Dieselben erscheinen dunkler als die übrigen Partien der Membran, weil sie von den Plasmafäden, die zur Chitinröhre ziehen, erfüllt sind. Diese Auffassung vom Bau der Binnenkapsel ist auf die Ergebnisse der Untersuchung der Kom- plexdrüsen des Prothorax begründet. Da nun aber alle Hautdrüsen von Dytiscus inarginaUs nach demselben Grundplan gebaut sind, so scheint nichts dagegen zu sprechen, die an dem besonders günstigen Objekt gewonnenen Resultate auch auf die in Rede stehenden ein- zelligen Hautdrüsen auszudehnen. Die Körperdecke und die Drüsou von Dytiscus marginalis L. 437 II. Die Drüsenpakete. In diesem Abschnitt sollen eine Reihe von Drüsenbildungen zu- sannnengefaßt werden, die Übergänge zwischen den einzelligen Haut- drüsen und den Koniplexdrüsen vorstellen. Im wesentlichen sind es drei Momente, die eine Weiterentwicklung von den einzelligen Haut- drüsen zu kompliziert gebauten zusanmiengesetzten Drüsenbildungen bewirken. Durch das Zusammentreten einer großen Zahl von ein- zelligen Hautdrüsen zu einem festgefügten Drüsenhaufen entsteht ein räumlich scharf begrenztes Drüsenpaket. Der feste Zusammenschluß der einzelnen Zellen zu einer Einheit dokumentiert sich dann auf einer nächst höheren Organisationsstufe in der Vereinigung der ausleitenden Chitinröhrchen zu einem gemeinsamen Strang, der die Körperwand in einem Cribellum durchsetzt. Endlich kann der histologische Bau der einzelnen Elemente eines solchen zusammengesetzten Secretherdes specifische Modifikationen erfahren. Auch andre Autoren bezeichnen Vereinigungen von einzelligen Hautdrüsen als Einheiten, Drüsenorgane. Als Beispiel sei die von DiERCKX beschriebene >>glande anexe<< der Pygidialdrüsen von Carabus granidatus genannt. An der Mündung der Pygidialdrüsen dieses Käfers liegt ein Haufe einzelliger Hautdrüsen, dessen ausleitende Chitin- röhrchen an einer eng umschriebenen Stelle der Wandung des Aus- führungsganges der Pygidialdrüsen münden. Die Drüsenzellen bilden einen festgefügten Haufen; ihre Chitinröhrchen verlaufen dicht zu- sammengedrängt und ordnen sich zu einem Bündel an. >>I1 en resulte im ensemble nettement delimite et characteristique que nous sommes tentes de comparer ä un lobe de la glande pseudo-acinose du Blaps<<. Wasmann und Krüger bezeichnen bei Claviger testaceus als "M}Tmecophilendrüsen << Bündel von einzelligen Hautdrüsen, deren ausleitende Kanälchen in Strängen vereinigt zur Körperwand ziehen imd dieselbe in Cribellen durchsetzen. Diese Drüsenzellen bilden »umfangreiche Drüsenbüschel, deren einzelne Zellen gruppenweise zu rosettenförmigen Lobes secreteures oder Pseudoacini (Gilson 89. DiERCKX 99) vereinigt sind.« Ich möchte diese Bildungen zu den Drüsenpaketen rechnen und die Bezeichiiung »Pseudoacinus « für kom- tlizierter gebaute Drüsenbildungen aufsparen. Bei der Entwicklung der hier zu besprechenden Drüsen brauchen loch nicht alle drei Momente gemeinsam mitzuwirken, vielmehr leniigen diese Secretherde innner nur zwei der oben angeführten liaraktere in sich, so daß also mehrere Typen von Drüsenpaketen 29* 438 Alois Casper, 6qz- nebeneinander raöglicli sind. Diese verschiedenen Formen sollen im folgenden näher betrachtet werden. a. Erster Typ. Die dem einfachsten Typ angehörenden Drüsenpakete unterschei- den sich nur wenig von den dichten Lagern einzelliger Hautdrüsen, wie wir sie etwa unter dem Pronotum fanden. Während aber die gewöhnliche Anhäufung der Secretherde zur Bildung flacher weitausgedehnter Lager führte, die sich nur schlecht begrenzen lassen, sind die in Frage stehen- den Drüsenpakete auf kleine engumschriebene Bezirke der Körperwand beschränkt. Meh- rere derartige Drüsenpakete hat Demandt an dem Geschlechts- apparat beschrieben. Zur nähe- ren Betrachtung sei eines jener keilförmigen Drüsenpakete gewählt, die dem Teil des Prä- putiums aufgelagert sind, der zwischen den ventralen Kanten der Parameren ausgespannt ist (Kopie 1). Die einzelnen Zellen des Polsters liegen in mehreren Kopie 1. Lagen übereinander dieser Mem- Schnitt durcli ein Drüsei.polster des Präputiums. 13^.^^^ (c/i+Cü) auf. Sie siud Voll- ag, Ausführungsgäuge mit radiär gestreifter Blase \ i > ständig in die Leibeshöhle hinein verlagert; die Matrix der chiti- nösen Membran des Präputiums ist ein sehr flaches Epithel {e]i). Die secernierenden Zellen lassen ; noch keinen Zusannnenschluß zu einzelnen Gruppen erkennen, sondern 1 sie liegen wirr durcheinander; hingegen vereinigen sich ie vier bis fünf i ausleitende Chitinröhrchen {mj) zu Bündeln, die dann die Körperdecke, gemeinsam durchsetzen, um dann »am Grunde grubenförmiger Ein-, Senkungen des Chitinbeleges des Präputiums nach außen zu münden«.) Derartige gemeinsame Mündungen einer Eeihe von ausleitenden Chitin- j (W) in den Drüsenzellen endigend. Das Epithel des Präputiums (?p) mit sehr starker cliitinöser Cuticula (cA), welche mit Stacheln (st) besetzt ist. (Vergr. 300 : 1). C. Demandt, Der Geschlechtsapparat von Dytiscus marginalis. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. CHI. 1912. S. 294. Fig. 74. Die Kürpordecke uiul die Drüsen von Dytiseus niarginalis L. 439 röhrchen sind in ;elit allinählicli in die Matrix des ausleitenden Kanals über; also auch hier ist anscheinend keine scharfe Treiuiunn" vorhanden zwischen der Drüse und den Hilfszellen, die mit der Bildung des ausleitenden Kanals betraut sind. Immerhin ist an diesen Drüsenzellen schon eine klarere Scheidung aus- geprägt zwischen dem vorwiegend secretorischen, birnförmig erweiterten Teil der Zelle und dem schlauchf(")r- migen Fortsatz, der sich wohl kaum an der Secretion beteiligt und dessen Aufgabe wohl allein in der Bildung des Chitinrohres besteht. Diese Drü- sen stellen also eine Übergangsform von den schlauchförmigen zu den typischen Hautdrüsen vor, bei denen eine scharfe Scheidung besteht zwi- schen der eigentlichen Drüsenzelle und den Hilfszellen, den nur schwach modifizierten Hypodermiszellen, deren einzige Funktion die Bildung des Chi- tinröhrchens ist. Die Binnenkapsel (Fig. 23 vs) ist ein walzenförmiger, gerade ge- streckter oder schwach gekrümmter Körper; sie ist kaum halb so lang, wie die der schlauchförmigen Drü- sen, dagegen breiter und somit ge- drungener als jene. Die Membran (nib) tritt auf Schnitten als dunkel gefärbte punktierte Linie scharf her- vor. Die Plasmafäden (st), die von der Wandung an den Chitinkanal ziehen, sind kräftig entwickelt. Die Binnenkapsel zeigt also annähernd dieselben Strukturverhältnisse wie die einer gewöhnlichen Hautdrüse. Auch in diesem Punkte zeigt sich der Übergangscharakter dieser Drüsenzellen. Der ausleitende Kanal (de) kann nach dem Verlassen der Binnenkapsel einige Schleifen in der Zelle bilden, oder er wendet sich sofort, wie in Fig. 23 gezeichnet ist, seiner Mündung zu. Fig. 23. Längssclinitt durch eine Drüse der äußeren Lage der Drüsen des Scheidenrolires. Be- zeichnung wie Fig. 20. Vergr. 1050. 448 Alois Casper, Der Kern {Je) besitzt neben einem Nucleolus («) von ansehnlicher Größe eine beträchtliche Menge von granuliertem Chromatin (cJi). Das Plasma läßt eine feine netzförmige Struktur erkennen. In der Umgebung von Kern und Binnenkapsel ist es granuliert. In dem Plasma ist eine radiäre Strahlung nach der Wandung der Binnenkapsel hin nicht zu bemerken. Die Secrettröpfchen sind sehr klein; sie liegen in dem Plasma zerstreut und heben sich kaum ab. Die dunkle Färbung der Wandung der Binnenblase wird vielleicht durch zahlreiche Secretkörnchen hervor- gerufen, die ihr ein- oder aufgelagert sind. Die >>Vacuolen wechselnder Größe, die mit einer schmutziggrauen Substanz erfüllt sind, welche jedenfalls als vorgebildetes Secret anzusehen ist,<< waren an gut konser- vierten Drüsen nicht vorhanden. In der Literatur findet sich die Beschreibung von ganz ähnlich gebauten Drüsen. Dierckx beobachtete bei verschiedenen Carabiden an den Membranen der Geschlechtsapparate Polster von einzelligen Hautdrüsen, die zwei Zellformen erkennen ließen; die einen waren spindelförmig, die andern kugelig bis keulig. Die letzteren hatten eine kleine, aber deutlich erkennbare Binnenblase, während die spindel- förmigen Drüsen eine derartige Differenzierung vermissen ließen. Ihr Chitinkanal lag direkt in das Plasma eingebettet. Gilson, der diese Drüsen bei Carahus catenulatus untersucht hat, gibt an, daß in der Umgebung des Röhrchens eine radiäre strahlige Anordnung des Plas- mas zu beobachten sei. Auch in der Zeichnung von Dierckx ist ein dichter Plasmasaum um das Rohr herum angedeutet. Vergleicht man mit diesen Angaben die obenstehende Beschreibung Demandts der schlauchförmigen Drüsen, so erkennt man, daß es sich hier um Drüsen handelt, die denen des Scheidenrohres von Dytiscus sehr ähnlich sind. Ich bin übrigens geneigt, anzunehmen, daß man an den spindelförmigen Drüsen von Carabus die Binnenblase bei geeigneter Konservierung und an günstigen Präparaten ganz ebenso wie bei Dytiscus wird fest- stellen können. III. Die Komplexdrüsen. Die Komplexdrüsen stellen einen bedeutend höher organisierten Typ dar als die Drüsenpakete. Die Weiterentwicklung der letzteren wird durch eine Vervollkommnung des feineren Baues der sezernieren- den Elemente angebahnt; dazu kommt dann aber die Ausbildung eines sekundären Ausleitungskanals. Diese Neuerwerbung ermöglicht die Weiterentwicklung der zusammengesetzten Secretherdc über die Drüsen- Die Körperdecke und die Drüsen von Dj'tiscus marginalis L. 449 pakete hinaus zu den Koniplexdrüsen. Der sekundäre Ausleitungs- kanal ist eine Einsenkung der Körperwand von der Oberfläche aus ins Innere des Körpers nach den Drüsen hin. In diesen Kanal münden die feinen Chitinröhrchen der einzelnen Drüsenzellen. Die Zahl der in den verschiedenen Familien der Insekten be- kannt gewordenen Komplexdrüsen ist ebenso groß wie die Mannig- faltigkeit der beschriebenen Formen. B erlese unterscheidet die mehrzelligen Drüsen in >> ghiandole pluricellulare semplice « und >> ghiandole pluricellulare composte <<. Eine Drüse gehört zu der zweiten Klasse, wenn jede secernierende Zelle, wie die Hautdrüsen von Dytiscus, einen chitinösen Ausführungsgang besitzt, der in einen sekundären Aus- leitungskanal, eine Einstülpung der Körperwand, mündet. Haben die Drüsenzellen jedoch an Stelle der vielen einzelnen Chitinröhrchen nur einen einzigen chitinösen Ausführgang ausgeschieden, um den herum sie angeordnet sind, so gehören sie zur ei'sten Gruppe. Die )> ghiandole pluricellulare semplice << können jedoch ganz wie die >> composte« sehr hoch entwickelte Formen aufweisen, wenn nämlich zu dem eigentlichen Drüsenabschnitt ein sekundärer Ausführungsgang hinzutritt. Die bei Dyt iscus marcj inalis v o r k o m m e n d e n K o m p 1 e x d r ü s e n sind typische » ghiandole pluricellulare composte«, und zwar bilden sie einige interessante, von den Schemata Berleses abweichende Variationen dieses Drüsentyps, die in ihrer Verbreitung auf Dijtiscus beschränkt sind und nur entfernte Beziehung zu den beschriebenen Drüsenformen aufweisen. In die Gruppe der »ghiandole pluricellulare composte« gehörige Komplexdrüsen von geradezu schematisch einfachem Bau hat Hoff- bauer bei einigen Coleopteren beschrieben. In den Elytren von Chrysomeliden fand er eine große Zahl von Drüsen, deren Mün- dungen in einer Reihe hintereinander am Bandsaum der Elytren von der Flügehvurzel bis zur Spitze lagen. >>Ein entweder einfach zapfen- förmig gestalteter oder in kurze Äste sich gabelnder Sammelkanal von 0,1 mm Länge im Mittel ist in der unteren frei in das Flügellumen hineinragenden Strecke mit siebförmigen Dur'chbohrungen versehen, den Eintrittsstellen feiner chitiniger Kanäle, welche im Innern ebenso- vieler einzelliger flaschenförmig gestalteter Drüsen verlaufen. Die Drüsenzelle sitzt mit ihrer äußeren Wandung unmittelbar der Matrix, welche die Wandung des Saimnelkanals bekleidet, an. << Da beide Teile einer Komplexdrüse, der secretorische Abschnitt und der Ausleitungskanal, unabhängig voneinander eine geringere 450 Alois Casper, oder weitergehende Vervollkommnung ihrer Organisation erfahren können, so ist die Möglichkeit für das Auftreten verschiedener Formen von Komplexdrüsen gegeben. Bei Dytiscus marginalis treffen wir drei Formen an, die Schreckdrüsen, die pseudoacinösen Drüsen und die Pygidialdrüsen. a. Die Schreckdrüsen. Die Schreckdrüsen unterscheiden sich in Bau und vor allem in ihrer physiologischen Bedeutung von den übrigen Komplexdrüsen des Dytiscus marginalis. Eine Untersvichung dieser im Prothorax ge- legenen Drüsen ist von H. Blunck gegeben worden. Sie macht ein nochmaliges Eingehen auf die anatomischen Verhältnisse dieses Organs unnötig. Da aber im folgenden eine die Histologie betreffende Er- weiterung dieser Beschreibung gegeben werden soll, so ist es vielleicht von Vorteil, wenn an Hand der BLUNCKschen Arbeit die anatomischen Verhältnisse hier noch einmal skizziert werden. 1. Bau der Schreckdrüsen. »Am Vorderrand des Prothorax liegt unmittelbar unter der Rücken- haut, zum größten Teil unter dem nach unten und rückwärts in scharfem Winkel eingeschlagenen Notumrande versteckt, jederseits . . . ein nn Corpus adiposum eingebetteter . . . Drüsenkomplex . . . Dieser zer- fällt in einen secretorischen Teil und eine Sammelblase. « »Die Sammel- blase erscheint in gefülltem Zustand als ein querübergestreckter etwa bohnenförmiger, 3,5mm langer und 1,4mm breiter Sack.« Die Säcke »münden direkt«, also ohne abgesetzten Ausführungsgang, auf ihrer Breitseite an den kleinen zahnartigen Vorsprüngen (z) des ein- geschlagenen Notumrandes in einem schmalen Spalt nach außen (Kop. 3 , Fig. 2, Blunck). »Die Wandung des Sammelbehälters besteht aus einem einschichtigen Epithel, das in die Körperhypodermis übergeht und wie diese die Cuticula, eine chitinöse Intima abgeschieden hat (Kop. 4, Fig. 7, Blunck s). Diese ist unregelmäßig, längs und quer gefaltet und auf der dem Kopf abgewandten Seite etwas dicker als in den der Sackmündung genäherten Partien. Bei älteren Käfern sind die Epithelzelleu bis auf ihre Kerne rückgebildet. Die Histologie des Reservoirs legt nahe, dieses als eine Falte der Hypodermis und der Cuticula aufzufassen. « »Die secretorischen Elemente . . . bestehen aus großen Drüsen- zellen, die sich mehr oder weniger zahlreich zu Komplexen von wech- selnder Größe zusammenschließen und der Wandung des Sammel- Die Körperdcckf und die ])rü.st'n von Dytiscus marginalis L. 451 behälters aufliegen (Kop. 3 Dr). Die Zellhaufen stehen untereinander nicht in Verbindung, schließen sich aber auf der dem Notuni zugekehrten Kopie 3. Rechte Komplexdrüse , bei Z am ungeschlagenen Xotumrand x mündend. Dr, die secretorischen Kiemente, welche dem Keservoir R aufliegen. Vergrößerung 20 : 1. H. Blunck, Die Sclireck- drüsen des Dytücu.s und ihr Secret. 1. Teil. Zeitsclir. f. wiss. Zool. Bd. C. S. 498. Fig. 2. 1912. Kopie 4. Kleiner Abschnitt der Sackwand s mit ihren Drüsenzellen. HD, einzellige Hautdrüsen; E, Binnen- blase; Ep, ]:iiithel der Sammelblase; G, Aiisführgang; GD, die secretorischen Elemente der Koni- plexdrüse; Bd, Kanalbündel; Bgz, Begleitzellen; s, Lumen der Sammelblase. Vergr. 350:1, H. Bluxck, Die Sciireckdrüsen des Di/tiscus und ihr Secret. 1. Teil. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. C. 1912. S. 503. Fig. 7. Reservoirhälfte so dicht zusammen, daß sie die Sackwandung zum großen Teil verdecken. << »Ihre Ausführungsgänge vereinigen sich zu Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CVII. Bd. 30 452 Alois Casper, mehr oder minder starken Bündeln, in denen die Elemente getrennt und parallel nebeneinander herlaufen (Kop. 4, Bd). Diese Drüsen- kanalbündel sind von einer zelligen Hülle mit wenigen langgestreckten Kernen umkleidet« (Kop. 4 Bd). Der sekundäre Ausleitungsgang, die Einstülpung der Körperdecke, ist also an diesen Drüsen zu einer geräumigen Sammelblase entwickelt. Ein besonderer von Blunck aufgefundener Muskel »musculus apertor glandulae prothoracis << öffnet durch seine Kontraktion die Mündungs- stelle derselben und übt gleichzeitig einen Druck auf das Reservoir aus, so daß der Austritt von Flüssigkeit erfolgt. Dieser hohen Ent- wicklung des sekundären Ausleitungskanals steht eine verhältnismäßig primitive Organisation des secretorischen Teiles dieser Drüsen gegen- über. Derselbe besteht aus Paketen von Drüsen, die nach ihrer äußeren Form dem zweiten Typ der Drüsenpakete zuzurechnen w^ären. Immer- hin hat aber auch dieser Abschnitt eine weitere Entwicklung über die Drüsenpakete hinaus erfahren. Diese Drüsenkomplexe vereinigen nämlich alle drei den Fortschritt der Organisation eines zusammen- gesetzten Secretherdes bedingenden Momente in einem Drüsenpaket. Jedes Drüsenbündel stellt also einen von einer Membrana propria umhüllten festgefügten Haufen einzelliger Hautdrüsen dar. Die aus- leitenden Kanäle vereinigen sich zu Bündeln und durchsetzen die Wandung der Sammelblase in einem Cribellum. Schließlich haben alle Zellen dieser Drüsenhaufen eine charakteristische Modifikation ihrer histologischen Struktur erfahren. Ahnliche Drüsenformen sind häufig in andern Gruppen beschrieben worden. So besitzen z. B. die Drüsen der Mandibeln von Myrmica rubra nach Janet einen Bau, der nur insofern von dem der Schreck- drüsen abweicht, als der secretorische Abschnitt nur aus einem Drüsen- paket besteht. Der Stinkapparat von Lacon murinus, einem Coleopter, besteht aus zwei kurzen, hornförmig gekrümmten durchscheinenden Schläuchen, die im letzten sichtbaren Abdominalsegment liegen. Am Grunde dieser ausstülpbaren Säcke münden die gruppenweise vereinigten langen, vielfach verschlungenen Ausführungsgänge von kugeligen Drüsenzellen. Auch die lebhaft gefärbten Warzen, welche Vertreter der Gattung Malachius »auf den Seiten des Pro- und Mesothorax und der Mitte des Abdomens« hervortreten lassen, weisen insofern eine Beziehung zu den Schreckdrüsen auf, als sie in der Ruhelage in das Innere des Körpers eingestülpt sind. Ihre Wandung ist durchbrochen von den Dio Kürpordec'kc uiul die Drüsen von Dytiseus niarginali.s L. 453 aiisleitenden Chitinröhren zahlreicher einzelliger Hautdrüsen. Die Kauälchen vereinigen sich jedoch nicht zu Bündeln. Die Histologie der secretorischen Elemente stimmt bei allen Kom- plexdrüsen überein. Eingehender mögen diese Verhältnisse an den Schreckdrüsen untersucht werden, doch sei gleich hier bemerkt, daß die folgenden Ausführungen auch für die übrigen Komplexdrüsen gelten. 2. Histologie der Prothoraxdrüsen. Im allgemeinen wird eine Drüsenzelle in verschiedenen Secretions- stadien verschiedenes Aussehen zeigen. Will man die an der Drüse parallel zur Secretion vorgehenden Veränderungen untersuchen, so empfiehlt es sich, diese Studien an einem Objekt vorzunehmen, das in lebhafter Secretion begriffen ist. Die Schreckdrüsen eignen sich besonders für die Untersuchung der Histologie, weil man dieselben vermöge ihrer Größe und ihrer Lage dicht unter dem Pronotum leicht aus dem Körper herauspräparieren und schnell konservieren kann. Dazu komrfit noch der glückliche Umstand, daß die Drüse experimen- teller Beeinflussung zugänglich ist. Um möglichst verschiedenartige Secretionsstadien zu erhalten, wurde folgendermaßen verfahren. Eine Keihe frisch ge- fangener Käfer, deren Drüsenreservoire mit Secret angefüllt waren, wurden solange gereizt, bis sie ihr Secret möglichst vollständig abge- geben hatten. Sie wurden am Thorax ergriffen und mit der dorsalen Schädelseite auf die Tischplatte aufgestoßen. Dabei wird der Kopf stark auf die Ventralseite gebogen; infolgedessen wird die Nacken- haut stark gespannt, und es öffnet sich der »spaltenförmige Excre- tionsporus des Reservoirs«, der »für gewöhnlich dank der Elastizität des ihn verdeckenden Chitins zugeklemmt wird«. Das Secret der Drüse tritt in mehreren großen Tropfen aus. In gefülltem Zustand schimmert das Reservoir infolge seines bläulich-milchigen Inhaltes durch das Pronotum durch; nach der Entleerung ist die Drüse nicht mehr zu erkennen. Die so behandelten Käfer wurden in ein Aquarium gesetzt und gut gefüttert. Durch diese Abzapfung des Secrets aus dem Reservoir wird nicht direkt auf den eigenthchen Secretionsherd, die Drüsenbündel, einge- wirkt. Aber man kann sich vorstellen, daß der Käfer bestrebt sein wird, durch gesteigerte Tätigkeit seiner Drüsen das Reservoir wieder zu füllen, und so das Verteidigungsorgan wieder in funktionsfähigen Zustand zu versetzen. Und in der Tat ist nach etwa 20 Tagen, wie Blunck fand, schon wieder so viel Secret gebildet, daß man dem Käfer 30* 454 • Alois Casper, aufs neue einige Tropfen Secret abzapfen kann. Die Drüsen wurden 2, 4, 6, 8 usw. Tage nach der Eeizung konserviert; auf diesem Wege wurden die verschiedenen Secretionsstadien erhalten. Auch an Schnittbildern kann man einen Einfluß des experimentellen Eingriffes auf die 8ecretion der Drüse nachweisen. Während ein Schnitt durch eine ungereizte Prothoraxdrüse in benachbarten Zellen die verschiedensten Secretionsstadien erkennen läßt, zeigen die Schnitte durch gereizte Drüsen ein sehr einförmiges Bild. Fast alle Elemente eines Schnittes befinden sich anscheinend auf demselben Secretions- stadium. Diese Erscheinung erklärt sich so, daß die Zellen, welche in Secretion begriffen sind, durch die Reizung indirekt angeregt werden, ihr Secret schneller als gewöhnlich abzugeben, um dann von neuem mit der Secretbildung zu beginnen. Auch jene Zellen, die im Moment der Reizung im Ruhezustand waren, nehmen die Secretion wieder auf. So wird erreicht, daß einige Tage nach der Reizung fast alle Zellen einer Drüse annähernd auf demselben Secretionsstadium sind. Selbst- verständlich finden sich dazwischen auch Zellen, die davon eine Aus- nahme machen. Diese Zellen waren im Augenblick der Reizung schon in einem mittleren Secretionsstadium begriffen. Sie machen unab- hängig von ihren Nachbarn ihre Secretionsperiode zu Ende durch. Es scheint sich hier eine Möglichkeit zu bieten, die ungefähre Dauer einer Secretionsperiode der Drüsenzelle, die also alle Phasen der Se- cretion umfaßt, zu ermitteln. Meine darauf gerichteten Untersuchun- gen gaben leider keine eindeutigen Ergebnisse. In der Arbeit Bluncks werden die histologischen Verhält- nisse der Drüse folgendermaßen beschrieben. »Jede Drüsenzelle zeigt im wesentlichen dieselbe so überaus charakteristische histolo- gische Struktur, wie sie den einzelligen Hautdrüsen zugrunde liegt. Die Gestalt der Zellen wechselt. Die wenigen isoliert liegenden nehmen Ellipsoid- oder Kugelform an, während bei allen übrigen sich die Wände durch den Druck der Nachbarzellen abplatten.« »Jede Zelle besitzt außer dem großen Kern mit einem am frischen Material sehr deutlich zu erkennenden Nucleolus in dem sehr reichlichen Protoplasma noch eine eigenartige intracelluläre Differenzierung, die ich als Binnenblase bezeichnen möchte. Sie erscheint als ein ellipsoides, stark lichtbre- chendes Gebilde mit dicker, radiär gestreifter Wandung und einem von einer chitinösen Pellicula begrenzten engen Lumen, das in einen, die Zelle verlassenden, ebenfalls chitinösen Kanal übergeht.« Auch die specifischen Modifikationen, durch welche sich diese Zellen von den einzelligen Hautdrüsen unterscheiden, hat Blunck Die KöriJfitlc'ckt' und liio Drüsen von Dytiscus niai-ginalis L. 455 richtig erkannt. >>Sie initersclieiden sich von ihnen aber dadurch, daß ihre Kerne verhältnismäßig größer sind, der plasmatische Teil der Zelle an Masse mehr hervortritt und eine dichtere Struktur zeigt, daß der ellipsoide Körper bedeutend kleiner ist und eine radiäre Strei- fune; nicht so klar erkennen läßt.<< In dem Kapitel »einzellige Hautdrüsen« war eine Reihe von Literaturangaben zusammengetragen worden, welche den Bau der secretorischen Elemente betreffen. In diesem Abschnitt sollen die Ausführungen, welche die Secretion der Drüsenzellen zum Gegen- stand haben, mehr in den Vordergrund treten. Von vornherein nmß da bemerkt w^erden, daß die Secretionsvorgänge in den Drüsen der Insekten nicht so eingehend untersucht worden sind wie jene bei Wirbeltieren. Wohl liegen eine Reihe von Arbeiten vor, welche die Veränderungen der Drüsenzellen wälirend ihrer Funktion genau ver- folgen. Es seien da nur die eingehenden Untersuchungen der Häutungs- drüsen von Bombyx rnori und andern Formen durch Verson, Plot- NiKOW und Schulze erwähnt; oder um einige Untersuchungen an Komplexdrüsen zu nennen Faure-Fremiet : Etüde des Glandes labiales des Hydrocorises , sowie Bordas: Glandes cephaliques des Chenilles de Lepidopteres und schließlich Elmassian: Sur les glandes salivaires chez quelques especes de Tiques. Diese Arbeiten beschreiben aber alle Verhältnisse, die sich von den hier in Frage stehenden so weit unterscheiden, daß eine Heran- ziehung dieser Angaben zum Vergleich nur in sehr geringem Maße angängig ist. Die erwähnten Arbeiten beschäftigen sich mit Drüsen- formen, die keine Binnenblase besitzen. Das Vorhandensein dieses intracellulären Ausführungsganges gibt den Secretionsvorgängen unsrer Drüsen aber gerade ihr charakteristisches Gepräge. Eine neuere Arbeit, die sich eingehend mit diesen Verhältnissen bei den Coleopteren beschäftigt, ist mir nicht bekannt geworden. Es bleiben also nur die kurzen, gelegentlichen Bemerkungen bezüglich der Secretion, die sich in den schon oben häufiger zitierten Arbeiten anatomisch-histologischen Charakters vorfinden. Die ovalen bis kueelieen Drüsenzellen besitzen eine Größe von 40 — 50 //. Die verschiedenen Formen der Zellen in Fig. 24 — 29 kom- men dadurch zustande, daß sich die benachbarten Zellen eines Paketes gegeneinander abplatten. Die einzelnen Elemente eines Drüsenpaketes sind durch Zellgrenzen voneinander abgeschieden. Das Plasma ist wabig netzförmig gebaut. Die Knotenpunkte des Netzwerkes sind stark verdickt, so daß eventuell das Plasma eher granuliert als wabig 456 Alois Casjier, aussieht. Dieses Verhalten ist hauptsächhch zu Beginn einer Secre- tionsperiode zu beobachten. Fig. 24 gibt eine Zelle, die sich zur Secret- bildung anschickt; ihr Plasma ist sehr dicht und grob granuliert. Im weiteren Verlauf der Secretion tritt die Granulation mehr zurück und die Netzstruktur kommt besser zum Ausdruck (Fig. 28). Krügek bemerkt über das Plasma der Drüsenzellen von Claviger testaceus, daß es »bei manchen Tieren gleichmäßig fein granuliert ist, bei andern enthält es kleine lichte Bläschen, die zuweilen so massen- Fig. 24. Fig. 25. Schnitte ps, durcli Zellen der Sclireckdrüse. cä, Chromatiu; i-, Kern; ä:?w, Kernmembran; n, Nucleolus; Plasma; ts, Secret; vs, Binnenblase. Fig. 24, Vergr. 1300. Fig. 25, Vergr. 1120. haft auftreten, daß das körnige Protoplasma die Zelle nur noch in Form feiner Stränge durchzieht« (ausgesprochene netzförmige Plasma- struktur). »In allen diesen verschiedenen Zuständen, die offenbar Stadien der Secretion bedeuten << usw. Gelegentlich ist um den Kern und um die Binnenkapsel herum das Plasma dichter als an der Peri- pherie der Zelle (Fig. 25 u. 27). In dem Plasma fallen stark tingierte Körnchen, die Secrettröpf- chen {ts), auf. Ihre Bildung erfolgt anscheinend in den verdickten Die Körpcrdeckc- und die Drüsen von Dytiscus iiiarginalis L. 457 Knotenpunkten des Wabenwerks des Plasmas. Jedenfalls ist während der Secretbildung das Plasma auÜ'allend granuliert (Fig. 24, oberer Teil der Zelle). Dafür sprechen auch folgende Bemerkungen Was- MANNs: »Das Protoplasma des Zelleibes zeigt eine mehr oder minder dichte zartmaschige Netzstruktur, an der feine Granula aufgereiht sind und die bis zu einer äußerst dichten und feinen Granulierung des ganzen Zelleibes übergehen kann. « (Drüsenzelle von Chaetopristhes) und an andrer Stelle : »Die Granula sind an den Wänden und Berührungs- punkten der Alveolen (Waben des Plasmas) verteilt.« Das Secret erscheint zunächst in Form kleiner mit Heidenhain- schem Hämatoxylin tiefschwarz gefärbter Körnchen, die allmählich an Zahl und Größe zunehmen. Sie wachsen zu kugeligen, komma- bis bandförmigen schwach gekrümmten Gebilden heran (Fig. 26 u. 27). ])ie Secretkörnchen reifen also heran. Ob ihre Entstehung vornehm- lich in der Umgebung des Kernes, unter seiner Mitwirkung erfolgt, konnte ich nicht feststellen. Für diese durch die KoESCHELTschen Untersuchungen sehr wahrscheinlich gemachte Auffassung spricht der Umstand, daß auf einem jungen Stadium, wo die Bildung des Secretes im vollen Gange war, die Secrettröpfchen in einem girlanden- förmigen Strang dicht um den Kern herum angeordnet waren (Fig. 25). Eine Abgabe von geformter Kernsubstanz an das Zellplasma zum Zweck der Secretbildung, wie sie jüngst Elmassian (1910) in den Speicheldrüsen einiger Ixodes-Aiten beschrieben hat, scheint bei Dy- tiscus nicht vorzukommen. Auf einem älteren Secretionsstadium geben die Körnchen ihre Anordnung um den Kern herum auf und gruppieren sich um die Binnen- kapsel (Fig. 26). Es können dann die peripheren Bezirke der Zelle schon ganz secretfrei sein, w^ährend in der Umgebung der Binnen- kapsel reichlich Secret vorhanden ist (Fig. 27). Auch Dierckx be- schreibt in den Pygidialdrüsen eine reichliche Anhäufung der gelben Secrettröpfchen um die Binnenkapsel herum. Dieses Verhalten des Secrets spricht dafür, daß es auf irgendeine Weise von den peripheren Partien der Zellen zui Binnenkapsel gelangt. Unklar ist, ob die Tröpf- chen dahin fließen, oder vom Plasma transportiert werden. Das weitere Schicksal des Secretes wird w^eiter unten erörtert werden. Der bläschenförmige Kern (k) besitzt ansehnliche Größe; er ist kugelig bis eiförmig und von einer Membran {km) umgeben. Sein Aussehen ändert sich im Verlauf der Secretion. Man gewinnt den Eindruck, als ob zu Beginn einer Secretionsperiode von dem großen gezackten unregelmäßig geformten Nucleolus (h) körnige Teile sich 458 Alois Casper, ablösen und in den Kern einwandern. In Kg. 24 sn>d .olche Chronra- ttSe im Begnff, auf den Fäden des Eeticnlmns vom Nuc eoh. an dtp ripherie des Kernes .u wandern. Das Chromatnr (cÄ) erfüllt a sdann den Kern ab eine granuläre spongiöse Masse. D.ese Form des Kernt deutet auf eme lebhafte Tät.gkert der Zelle, weü durch eme derartige Verteilung d,e wirksame Oberfläche des Chroma .ns vergrößert, das Chromatin also aktiviert wird. Dieses spong.ose Chro- Zllm ver chwindet im Verlauf der Secretion; nr den Schlußphasen Fig. 27. 'Fis' '^6 schnitte durch Zell^^. ScMeckdrüse. cH, C^-^atin; ^ «ü«^^ der Matrix des Röhrchens; km, Kernmembran; mbp ^^^^^ •^"^'J^^^^^" /p~^^^^ um blase; n, Nucleolus; p^, Plasma der Matnx ^^«^^. ^^^r hen. p. Hasm^^^^^^^^ ^a ^^^^ die Binnenblase herum ; st, Plasmafäden in der Bmnenb ase ; ... Bmnenblase. Fig. , Fig. 27. Vergr. 1300. besitzt der Kern nur noch den Nucleolus und wenige Chiomatinkörn- "'^Ein thr ählhes Verhalten der Kerne im Verlaufe der Secretion beschreibt Elmassun für die Speicheldrüsen einiger I«>^-/'''^'- cretionsperiode dieser Drüsen beginnt mit einer Vermehrung des Chro- matins vom Nucleolus aus, indem dieser heranwächst und d«^»».« Chromatinelemente in den Kern schickt, die dann ^"«dings bei di em Objekt aus dem Kern in das Zellplasma auswandern. Am tode Dil' KöriK'i-diH'ki' und die Drüsen von Dytiscus niarginalis L. 459 Secretionsporiode enthält der Kern nur iiocli den Nucleolus und wenig körnchenlörniiges Clironiatin. Die Binnenkapsel (vs) ist kleiner als die einer einzelligen Haut- drüse. Ein Vergleich der Fig. 19 und 2G, die bei gleicher Vergrößerung gezeichnet sind, läßt diesen Unterschied erkennen. Auch die Länge der Binnenkapsel ist geringer als die in den einzelligen Hautdrüsen. Wie schon oben angeführt wurde, hat auch Blunck diese Verschiedenheit der Größe der Binnenblase der beiden Drüsenarten bemerkt und in Fig. 28. • Fig. 29. Schnitte durcli Zellen der Schreckdrüse. Buchstabenbezeichnung s. Fig. 26 und 27. Vergr. 1450. Fig. 29, Vergr. I4Ö0. Fig. 28, seiner Figur 7 (Kop. 4) angedeutet. Es muß jedoch bemerkt werden, daß die Größenverhältnisse des ausleitenden Apparates nicht absolut feststehende sind, sondern daß, wie ja auch die Fig. 26 — 29 zeigen, geringe Schwankungen der Größe in benachbarten Zellen einer Drüse und mehr noch bei verschiedenen Individuen möglich sind. Die Binnenblase umhüllt das obere Ende des ausleitenden Röhr- chens nur auf ein kurzes Stück. Der Chitinkanal (de) läßt eine flaschen- förmige Erweiterung seines oberen Endes, mit dem er in der Binnen- bla^e steckt, vermissen. Die Kapsel besitzt bei diesen Drüsen eine sehr starke Wandung {mb, Fig. 26 u. 27). Die Membran ist auf Schnitten durch eine innere und äußere scharfe Kontur begrenzt. In Fig. 27 sind diese Konturen etwas schematisch stark betont; man kann jedoch 460 Alois Casper, an günstigen Schnitten zuweilen ebenso starke Grenzlinien der Wan- dung finden. Die Membran besteht aus einem homogenen, modifizierten Plasma, in dem keine rechte Struktur zu erkennen ist. In Fig. 26 ist eine ganz schwache radiäre Streifung in der Grundsubstanz der Mem- bran angedeutet. Die Wandung färbt sich im allgemeinen dunkler als das Zellplasma. Sie hat die Funktion, das Zellplasma gegen den Hohlraum der Blase abzuschließen. In der Binnenkapsel werden andre Spannungsverhältnisse herrschen als im Plasma der Zelle; die Membran verhindert den Ausgleich dieser Spannung gegen den übrigen Zellinhalt, indem sie dabei wie eine Va- cuolenwand, ein Tonoplast, wirkt. An diese Funktion ist die Wan- dung angepaßt, indem sie aus einer verdichteten membranartig ge- wordenen Plasmaschicht besteht, deren Netz- oder Wabenstruktur außerordentlich fein ist, so daß sie fast vollständig homogen erscheint. Somit dürfte die Membran zwar plasmatischer Natur sein, aber sie besteht aus einem modifizierten Plasma, das an eine bestimmte Funk- tion angepaßt ist; sie ist ein alloplasmatisches Organ. Auf die Funktion der Wandung werde ich weiter unten noch einmal zurückkommen. Die Membran besitzt sehr feine Durchbohrungen (mhp), welche vertical zur Oberfläche der Blase stehen. Diese Öffnungen sind schwach trichterförmig, so daß ihr Durchmesser in der Außenseite der Wandung etwas größer als an der Innenseite ist. In Fig. 28 sind die Durch- bohrungen {7nb]}) als feine Linien dargestellt, die an der Außenseite mit einer schwachen Verbreiterung auf der Grenzlinie aufsetzen und sich nach innen verjüngen. Diese Linien entsprechen den von Dierckx beschriebenen stark tingierten Punkten in der Wandung der Binnen- kapsel der Pygidialdrüse sowie denselben Gebilden, die in den einzelligen Hautdrüsen weiter oben erwähnt wurden. In der Umgebung der Binnenkapsel bildet das Zellplasma einen Hof von hellerem Plasma, der sich gelegentlich gegen den dichteren Zelleib scharf absetzt (Fig. 27). Diese Erscheinung beschreibt auch Wasmann an den Drüsen der Fühler von Paussus cucullatus: »das Protoplasma der Zelle ist sehr fein netzförmig granuliert, in der Um- gebung des B^läschens oft einen hellen oder feingestreiften Hof bildend <<. Die Grenze zwischen Hof und Zelleib ist ungefähr parallel zur Oberfläche der Blase (Fig. 26 u. 28), kann aber auch eine unregel- mäßig ausgebuchtete Grenzlinie gegen das Protoplasma zeigen (Fig. 27). Von dem dichten Zellplasma gehen Strahlen aus, Fig. 26 sj) die sich nach der Binnenblase zu verjüngen und die Membran in den Poren Die KuipiTtleckL' uiul dir Drüsen von Dyti.scus nuirginali« L. 461 diirclisetzen, um daun in der Blase l)is an die Wandung des Chitin- rölirchens zu ziehen. Es seien hier einige Sätze der sehr klaren GiLSONschen Beschreibung der Drüsenzelle des Stinkapparates von Blaps mortisaga zum Vergleich wiedergegeben: »Die radiären Plasmastreifen in der Umgebung der l^iimonblase inserieren an der Wandung der Kapsel. II y a plus; ces trabecides ne fönt pas que s'inserer sur la membrane de la vesicule, elles la traversent et se continuent avec les rayons internes. Ceux-ci ne sont donc que les trabecules radiales du cytoplasme, qui, forti- fiees et regularisees, se poursuivent ä travers la membrane de la vesicule jusqu'a la paroi de l'ampoule centrale. <- Der letzte Abschnitt der Fasern (st), der in der Binnenkapsel ver- läuft, ist im Vergleich zu dem der einzelligen Hautdrüsen sehr zart. Da die Poren der Membran von den feinen Plasmafäden erfüllt sind, hoben sie sich auf Schnitten als dunkle Striche von der Grundsubstanz der Wandung ab (Fig. 27 mhp). Die Anfänge der Strahlen (sp), die vom dichten Zellplasma aus durch den hellen Hof zur Wandung der Binnenkapsel ziehen, lassen ihre plasmatische Natur deutlich erkennen; sie färben sich dunkler als das Plasma des hellen Hofes. Die Binnen- kapsel erscheint infolgedessen wie eine Sonne von einem Strahlen- mantel umhüllt (Fig. 26). Das ausleitende Chi tinröhrchen (de) verläßt nach seinem Austritt aus der Binnenkapsel (vs) die Drüsenzelle sehr bald, ohne die Schleifen und Schlingen zu bilden, die bei Hautdrüsen so häufig zu beobachten sind. Die Wandung des Röhrchens ist nicht besonders stark , seine lichte Weite kaum größer als die einer gewöhnlichen Haut- drüse. Nach dem Verlassen der Zelle ist das Röhrchen von einem feinen Plasmasaum {p'), seiner Matrix, bedeckt, in dem in weitem Abstand kleine länglich-ovale Kerne liegen (Fig. 29 k'). Das Aussehen der Binnenkapsel ist in den verschie- denen Secretionsstadien ein sehr wechselndes. In Zellen mit beginnender Secretbildung sind die Bauverhältnisse der Binnenblase nicht "ut zu erkennen. Dieselbe liegt unmittelbar dem dichten Zell- plasma eingebettet; ein heller Plasmasaum fehlt (Fig. 24 u. 25). Erst mit dem Beginn der Secretausleitung tritt in der Umgebung der Binnen- kapsel die strahlige Anordnung des Plasmas auf. Schon oben war gesagt worden, daß die Secrettröpfchen nach ihrer Reife eine Grup- pierung um die Binnenkapsel herum erkennen lassen. Die Secret- körnchen wandern nun entweder aktiv oder passiv auf den Plasma- Strahlen nach der Wandung der Binnenkapsel. Fig. 26 — 28 zeigen 462 Alois Casper, solche Körnchen auf dem Wege zur Kapsel. Die Secrettröpfchen passieren die Wandung in den Poren, indem sie auch hier entlang den feinen Plasmafäden vorrücken. Dieser Durchtritt durch die Mem- bran scheint einige Schwierigkeit zu bieten und Zeit zvi beanspruchen; jedenfalls sieht man sehr oft die Secretkörnchen an der Außenseite der Membran liegen (Fig. 27). Diese Secrettröpfchen werden wohl einen großen Teil jener tief schwarz gefärbten punktförmigen Verdik- kungen ausmachen, die man auf Schnitten durch einzellige Haut- drüsen in der Wandung der Binnenblase erkennt. Das Secret {ts) erfüllt in Fig. 26 eine große Zahl der Membranporen {mbp). Es scheint fast, als ob die Membran elastisch wäre, weil in den Poren an manchen Stellen des dünnen Secretfadens kleine kugelige oder kolbenförmige Verdickungen auftreten (Fig. 26). Diese Formen können aber auch durch die Konservierung hervorgerufen sein; ursprünglich ist ja das Secret flüssig und erst bei der Fixierung wird es in Körnchenform ausgefällt. Nach dem Durchtritt durch die Membran sammelt sich das Secret auf der Innenseite der Wandung wieder zu Tropfen an und wandert entlang den Plasmastrahlen zum Chitinröhrchen. In Fig. 28 ist dieses Verhalten des Secretes dargestellt. An der chitinösen Wandung des ausleitenden Kanals (de) sammelt sich das Secret zu großen ellipsoidi- schen Tropfen, die zunächst noch auf den Plasmafäden liegen, die aber gelegentlich die Wandung des Röhrchens dicht umhüllen und dabei zu einer granulären Masse zusammenfließen. An der Wandung des Kanals konnte ich weder eine Struktur noch eine Durchbohrung er- kennen. Da aber zwischen den allerfeinsten Strukturelementen des Chitins, gleichgültig ob man ihm wabigen oder fibrillären Bau zu- schreibt, immer kleine Zwischenräume vorhanden sind, so kann man sich den Durchtritt des Secrets durch die Wandung dennoch erklären, obwohl keine Durchbohrungen sichtbar sind. Das Secret wird auf dem Wege der Osmose durch das Chitin hindurch diffundieren. Vermut- lich dürfte die Binnenblase von einer farblosen Flüssigkeit erfüllt sein. Jedenfalls werden in der Blase bestimmte Konzentrations- oder Span- nungsverhältnisse herrschen, welche das Hindurchdif fundieren des Secrets bewirken oder begünstigen. Die Wandung der Binnenkapsel i sorgt dafür, daß sich diese Spannungsverhältnisse nicht gegen die ■ Zelle hin ausgleichen. Die Ansicht aller Autoren, die sich mit Drüsenzellen von ahn- | lichem Bau beschäftigt haben, geht übereinstimmend dahin, daß die Binnenblase mit ihrem Chitinröhrchen der ausleitende Apparat der j ])ic Küiponit'ckc uiul die Drüsen von Dytiscus nuirgiiialis L. 463 Zolle ist, dem die Aufgabe zufällt, das beeret aus der Zelle heraus an die Körperoberfläche 7ai schaffen. Einige charakteristische und leicht zu beobachtende Phasen der Secretausleitung sind schon mehrfach lieschrieben worden. So liegen eine ganze Reihe von Angaben vor, die über eine besonders dichte Anhäufung der Secretkörnchen oder Tröpfchen in der Umgebung der Binnenblase berichten, z. B. Dieeckx in den Pygidialdrüsen von Dytiscus. Aus den Zeichnungen von Gilson geht klar hervor, daß er diese Erscheinung bei Blaps beobachtet hat. Ferner ist das Secret häufig im Innern der Binnenblase gesehen worden. So schreibt Gilson, daß die Flüssigkeit, welche die Binnen- blase erfüllt, häufig kleine Körnchen enthalte, die immer um die Am- pulle herum angehäuft sind und den Kanal verdecken können. Dierckx beobachtete in den Zellen der >>Glande-annexe<< der Pygidialdrüsen von Carahus um das Chitinröhrchen herum eine Anhäufung von Tropfen einer fettähnlichen Substanz, die in der Flüssigkeit, welche die Binnen- blase erfüllt, unlöslich sind. Die feinen Plasmafäden, die nach Was- MANN in der Blase der Myrmecophilendrüse I des Claviger testaceus von der Wandung zum ausleitenden Chitinröhrchen verlaufen, hält Krüger für Secretstränge; er deutet wenigstens die Möglichkeit an, daß jene Strulvtur (Plasmafäden) von dem im Bläschen geronnenen Secret vorgetäuscht sein könne. Über den Durchtritt des Secrets durch die Wandung der Kapsel schreibt Hoffbauer bei Lina populi: »die Entleerung des flüssigen Secrets wird durch Transfusion erfolgen«, da »die Wandung des Bläs- chens keine Durchbohrung besitzt«. Bei Dytiscus sind aber deutlich Öffnungen in der Membran zu erkennen: das Secret kann also sehr wohl die Wandung in Tropfenform passieren, wohl aber müssen bei einer Erklärung des Durchtritts des Secrets durch die Wandung des Chitinröhrchens molekulare Vorgänge zu Hilfe genommen werden. In diesem Sinne äußert sich auch Gulde (1902) in seinen Unter- suchungen der Dorsaldrüsen der Larven der He miptera-Hetero- ptera: »Die Aufnahme des secretorischen Inhalts der Drüsenzelle in die dem erweiterten Lumen des Ausführungsganges entsprechenden Bläschen scheint auf osmotischem, in der Porosität der Zellmembran des Bläschens« (chitinösen Wandung des ausleitenden Röhrchens) >>berifhendem Wege zu geschehen. « Berlese stellt den Satz auf: »che tutte le secrezioni speciali degli insetti devono sortire all'esterno per via osmotica e traversando sempre una pellicola chitinea.« Aus diesen Ausführungen erhellt, daß die oben gegebene Beschrei- 464 Alois Casper, bung der Secretausleitung sich in Übereinstimmung mit den Ansichten der Autoren befindet. Zweifellos würde man die oben beschriebenen feineren Einzelheiten des Vorganges auch an den Hautdrüsen andrer Coleopteren verfolgen können. Unser Objekt ist aber für diese Untersuchungen besonders geeignet, weil sich die Drüse infolge der künstlichen Reizung in gesteigerter Tätigkeit befindet. So kann man zuweilen an einem besonders glücklichen Schnitt (Fig. 28) alle Stadien der Wanderung des Secrets avis der Zelle bis in das Chitinrohr verfolgen. Man findet das Secret auf den Strahlen des Plasmas in der Umgebung der Binnenkapsel. Das Secret liegt der Membran von außen auf; es durchsetzt die Wandung, liegt in an- sehnlichen Tropfen an der Innenseite der Membran auf den feinen Strahlen und umhüllt den Chitinkanal in Form großer ellipsoider Tropfen. Im Lumen des Chitinröhrchens habe ich im Gegensatz zu Leydig, der »fettropfenähnliche Kügelchen in den Kanälen einzelliger Hautdrüsen << beschrieb, nie Secrettropfen gesehen. Vielleicht erfährt das Secret beim Verlassen der Zelle eine Umwandlung, infolge der es nicht mehr von dem Fixierungsmittel ausgefällt wird. Diese Beschreibung des feineren Baues der Drüsenzellen ist nach einer Reihe von Schnittserien durch Schreckdrüsen gegeben, die mit FLEMMiNGscher Lösung konserviert und mit HEiDENHAiNschem Häma- toxylin oder mit Safranin gefärbt worden waren. Man kann an den Fig. 24 — 28 feststellen, daß in der Stärke der Membran der Binnen- kapsel sowie im Hervortreten der Grenzkonturen der Wandung bei den Zellen Verschiedenheiten bestehen, die nicht von dem Secretions- stadium abzuhängen scheinen; diese Unterschiede ward man wohl mit DiEECKX auf feine Verschiedenheiten des Baues der Membran zurück- führen müssen. DiERCKX hat bei den Pygidialdrüsen gefunden, daß die verschie- denen Konservierungsmittel das Aussehen der Membran stark beeinflussen können. FLEMMiNGsche Lösung hatte »une faculte de dissociation et de coagulation remarquable« . Sie betont die Mem- bran der Binnenkapsel als Ganzes, verdeckt aber ihre feine punkt- förmige Struktur. Ein derartiger Einfluß der FLEMMiNGschen Lösung war an den Prothoiaxdrüsen nicht vorhanden, denn die Bauverhält- nisse der Membran der Binnenkapsel waren an den so konservierten Drüsen sehr klar. Konservierung mit Sublimatalkohol (Gilson) zeigt nach DiERCKX an jeder Drüse eine scharfe Grenze der Binnenblase. Wird die Sublimatlösung mit einem gleichen Volumen 3%iger Salpeter- säure versetzt, so verschwindet die Membran vollständig, hingegen Die Kürperdocke und die Drüsen von Dytiseus niarginalis L. 465 wird die k?triililuiig in Binnenkapsel und riiisnia sehr deutlich. Weiter üben hatte sich schon ergeben, daß ein scharfes Hervortreten der Strah- hing auch durch i'in l)estinimtes Secretionsstadiuni der Zelle bedingt sein kann. Auch DiEUCKX konnnt auf Grund eines Vergleiches der verschie- denen Konservierungen und der Beobachtungen an frischem Material zu dem Schluß, daß in jeder Drüse eine wirklich geschlossene Blase vorhanden ist. Die Wandung entsteht »par la simple regularisation et la soudure en reseau des trabecules suivant une surface spherique«. Die verschiedene Einwirkung der Konservierungsflüssigkeiten stellt sich der Autor folgendermaßen vor. <Seul le reseau de pla- stine s'est maintenu, et comme les points nodaux d'une membrane tres mince sont forcement peu epaissis, comme d'une cellule a l'autre la plaque spherique limitante ne s'est pas necessairement accusee au meme degre. il peut arriver qu'une coupe equatoriale ne montre plus que les trabecules rayonnantes avec une simple region d'epaississement dans le voisinage de la surface vesiculaire. << So kommt dann ein Bild zustande, welches mit Fig. 29 große Ähnlichkeit hat. Der Schnitt, nach dem diese Figur gezeichnet wurde, ist mit Sublimat- Alkohol-Eisessig konserviert. Er stellt den extremsten Fall der Auslöschung der Membran der Binnenkapsel dar, den ich in meinen Serien fand; trotzdem ist die Wandung nicht vollständig verschwunden, sondern an der dem Kern zugewandten Seite der Binnen- blase ist die Membran mit ihren Durchbohrungen noch sehr gut zu erkennen. Die Wandung ist also vorhanden, nur tritt sie nicht so deutlich hervor. Dazu kommt noch, daß in dieser Zelle sehr viel Secret gerade im Begriff ist, die Wandung der Binnenkapsel zu passieren, um zum Chitinkanal zu w-andern. Das Bild stellt ein ähnliches Se- cretionsstadiuni dar, wie Fig. 26. Es wnrken hier also Secretionsstadium und Konservierun"; in demselben Sinne, so daß ein Bild entsteht, welches sehr an die Fig. 48 von Dierckx erinnert, wo von einer Wandung der Binnenblase nichts zu erkennen ist; die radiär von dem Chitinröhrchen ausstrahlenden Plasmafäden zeigen ganz wie auf dem Bilde von Dierckx '>eine verdickte Partie in der Nachbarschaft der Oberfläche der Blase«. Im allgemeinen stimmten die Bilder überein, die ich bei Kon- ' servierung mit FLEMMiNGscher Lösung und Sublimat- Alkohol-Eisessig erhielt. Da Dijtiscus zwei Schreckdrüsen hat, so konservierte ich die beiden Drüsen eines Käfers immer verschieden. Durch Vergleich der 466 Alois Casper, verschieden konservierten Objekte mit dem frischen Material komme auch ich zu dem Schluß, daß die Wandung der Binnenkapsel tatsächlich vorhanden ist und nicht etwa ein Kimstprodukt der FLEMMiNGschen Konservierung ist. Interessant ist noch die Beobachtung Dierckx's daß sehr verdünntes Kaliumcarbonat eine ähnliche auflösende Wirkung wie die Salpetersäure hat. »Nach Behandlung mit Kaliumkarbonat scheint nicht nur die Membran der Binnenkapsel, sondern auch die Wandung des ausleiten- den Kanals der Pygidialdrüsen aus Punkten zu bestehen ou plutöt de petites masses irregulieres separees par des intervalles plus sombres simulant des pores.« Hier liegt der Verdacht nahe, daß es sich um künstlich erzeugte Strukturen handelt; tatsächlich gibt auch Dierckx an, daß ohne Benutzung dieses Reagens keine Struktur an dem Röhr- chen zu erkennen sei. Die Modifikationen des Baues der Secretherde der Schreck- drüsen gegenüber den einzelligen Hautdrüsen stellen zweifellos eine Anpassung an die gesteigerte Tätigkeit der Komplexdrüsen dar. Durch die Beschränkung der Binnenkapsel wird mehr Raum für das secer- nierende Plasma erlangt. Die Herausschaffung des reichlicher ge- bildeten Secrets aus der Zelle durch die Wandung des Chitinkanals hindurch erfordert gesteigertere Druck- oder Spannungsverhältnisse in der Binnenkapsel, als sie bei den gewöhnlichen Drüsen nötig sind. Dieser Umstand bedingt einen derbwandigen Abschluß des Raumes der Blase gegen den Plasmaleib der Zelle. Um aber dem Austritt des Secretes aus der Zelle in die Binnenkapsel kein zu großes Hindernis zu bieten, muß die Wandung der Binnenblase ansehnliche Durch- bohrungen besitzen. Der Bau der Binnenkapsel w4rd im Prinzip bei allen Haut- drüsen übereinstimmen. Die Wandung ist eine Membran von modifiziertem Plasma, ein alloplasmatisches Organ, deren Stärke nicht nur in den verschiedenen Drüsenformen, sondern auch in den Zellen ein und derselben Drüse wechselt. Sie besitzt Durchbohrungen, die die entsprechend der wechselnden Dicke der Membran bei den ver- schiedenen Drüsen mehr oder weniger hervortreten. Von dem dichten Zellplasma aus treten feine Fäden durch die Durchbohrungen in den Hohlraum der Binnenkapsel, um an die Wandung des ausleitenden Chitinröhrchens zu ziehen. Auf ihnen gelangt das Secret aus der Zelle in die Binnenkapsel, von wo es durch Osmose in den ausleitenden Chitinkanal tritt. Die Binnenkapsel ist also ein Hilfsapparat der Drüsenzelle und steht im Dienste der Secretausleitung. Dil- Körperdecke und die Drüsen von Dytiscus inarginalis L. 4G7 Auch die Secretion wird bei allen Hautdrüsen überein- stiinineiul etwa folgenden \ frlauf zeigen. Eine Neubildung granu- lierten Cbroniatins vom Nucleolus aus scheint die »Secretion einzuleiten. Alsdann erfolgt in dem dichten stark granulierten Plasma, anscheinend in der Umgebung des Kernes, die Bildung kleiner Secrettröpfchen ; diese waclisen heran und wandern zur Binnenkapsel, treten in dieselbe ein und gelangen schließlich in deii ausleitenden Chitinkanal. Während dieser Vorgänge findet eine Verminderung der granulären Kernsubstanz statt; gleichzeitig nimmt das Plasma eine weitmaschig netzförmige Struktur an. Die Drüsenzelle ist also am Ende einer Secretionsperiode erschöpft. Bevor die Neubildung von 8ecret erfolgt, setzt am Kern wieder die Vermehrung des granulären Chromatins ein, während das Plasma wieder seine dichte granuläre Struktur armimmt. Die Zelle macht also zwischen zwei Secretionsperioden eine Ruhepause durch, in der eine Regeneration von Kern und Plasma stattfindet. Ungefähr gleichen Verlauf der Secretion zeigen nach Elmassian die Zellen der Speicheldrüsen einiger Ixodes. Zu Beginn einer Se- cretionsperiode erfolgt auch bei diesem Objekt eine Vermehrung des Chromatins vom Nucleolus aus und, was hier weniger interessiert, Abgabe von geformter Kernsubstanz an das Plasma. Die Heraus- bildung des Secrets, die im einzelnen sehr kompliziert sein kann, erfolgt im Zellplasma. Das Secret reift heran und wird schließlich ausge- stoßen. Am Ende der Funktionsperiode ist der Kern chromatinarm, die Zelle ist erschöpft. Eine neue Secretion wird wieder durch Ver- mehrung der Kernsubstanz eingeleitet. Diese Drüsen vermögen also mehrere Secretionsperioden hintereinander durchzumachen. Die Fähigkeit der Arthropodendrüsenzellen, mehrmals Secret zu bilden, stellte Nusbaum auch an den Hautdrüsen von Argulus foliaceus fest. Er reizte die Hautdrüsen dieses Krebses durch schwache elek- trische Ströme zur Abgabe ihres Secretes, Nach einigen Tagen ist die Zelle wieder von Secret erfüllt und gibt dieses auf erneuten Reiz wieder ab. Nusbaum konnte drei Funktionsperioden nacheinander beobachten. Leider gingen die Versuchstiere nach einiger Zeit zu- grunde, so daß eine noch öftere Wiederholung des Experimentes un- möglich war. Die Drüsenzelle von Dytiscus ist wie oben ausgeführt wurde, am Ende einer Secretionsperiode erschöpft. Diese Erschlaffung ist jedoch nur leichter Art und wird durch eine nachfolgende Regeneration von Kern und Plasma wieder behoben. Die Zelle wird also bei einer Secretion nicht vollständig aufgebraucht, wie das z. B. bei den Hautdrüsen der Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CVII. Bd. 31 468 Alois Casper, Tri tonen der Fall ist, sondern sie erfährt nur eine vorübergehende Schwächung. Sie bleibt höchst wahrscheinlich während des ganzen Lebens des Käfers erhalten und macht zahlreiche Secretionsperioden nacheinander durch. Gegen eine Neubildung von Drüsen, wie sie bei Vertebraten beobachtet ist, spricht hauptsächlich der Umstand, daß für jeden neuen Secretherd auch ein neuer ausleitender Chitinkanal, der die Cuticula durchsetzt, gebildet werden müßte. Dieser Kanal kann aber die harte Körperdecke nicht nachträglich durchbrechen, sondern er muß gleichzeitig mit der ersten Lamelle des in Bildung begriffenen Chitinpanzers, also kurz vor einer Häutung, angelegt werden. Über die Lebensdauer der Drüsenzellen unsers Käfers liegt eine Angabe von Tökne vor. »Die Drüsen könnten, was doch wohl im Bereich der Möglichkeit liegt, eine kürzere Lebensdauer haben als das Tier selbst, sie mögen, nachdem sie einige Zeit funktioniert haben, degenerieren und bis zur Unkenntlichkeit zusammenschrumpfen; die einmal vorhandenen Porenkanäle können aber nicht verschwinden; ihre Zahl bleibt dieselbe, unabhängig davon, ob die betreffenden Drüsen- zellen erhalten bleiben oder nicht.« TÖRNE hat an kleinen Stückchen der Kückendecke des Prothorax die Drüsen gezählt; darauf die Zellen abgepinselt und dann die Zahl der Porenkanäle an dieser Stelle bestimmt. »Die Zahl der letzteren war immer ungefähr doppelt so groß wie die der Drüsen. « Nun betont zwar TÖRNE selbst, daß eine Zählung der Drüsenzellen sehr schwierig sei, da die Drüsenzellen klein, das Objekt sehr dick und undurchsichtig ist. Ein Blick auf Fig. 12 zeigt aber, daß die Drüseuzellen in mehreren Lagen übereinander geschichtet sind, von denen Törne wahrschein- lich nur die obersten gesehen und gezählt hat. Die Zellen der tieferen Lagen konnte er wohl kaum erkennen; möglicherweise hat er also nui die Hälfte der vorhandenen Drüsenzellen gezählt. Nach Törne müßte also ein alter Käfer weniger Drüsenzellen besitzen, als ein junger. Das ist mir aber sehr unwahrscheinlich. Sicher ist, daß ein alter Käfer ebensowenig benetzbar ist, wie ein junger, also auch einen ebenso guten Firnisüberzug, wie dieser besitzt; sollte da nicht der Schluß gestattet sein, daß dann der alte Käfer auch ebensoviel Hautdrüsen, die doch jenen Überzug abscheiden, als das junge Individuum besitzt? b. Die pseudoacinösen Drüsen. Die zweite Gruppe der Komplexdrüsen sind die pseudoacinösen Drüsen. In der Ausgestaltung des sekundären Ausleitungskanals Die Körperdecke und die Drüsen von Dytiscus marginalis L. 469 -■sdr lierrscheu bei ihnen primitivere Verhältnisse, als bei den Prothorax- drüsen; demgegenüber hat aber ihr secretorischer Abschnitt einen sehr hohen Grad der Vervollkommnmig erreicht. Die einzelnen Elemente der Drüsenpakete liegen nicht mehr Avirr durcheinander zu einem Haufen zusammengeballt, sondern sie erfahren eine bestimmte An- ordnung. Wasmann hat bei Claviger an den Drüsenbüscheln des Abdomens eine gruppenweise Anordnung der Zellen zu rosettenförmigen »Lobes secreteures, Pseudoacini« ge- fimden. Die einzelnen Drüsen- zellen kehren ihre Bläschen nach dem in der Mitte ge- legenen Ausleitungskanal. << »Dieser Kanal zieht schräg nach oben und auswärts (dorso-lateralwärts) gegen den gewulsteten Seitenrand der Hintcrleibsbasis hin, wo sie einzeln, in der Form von Cri- bellen münden.« Diese Se- cretherde von Claviger sind einfache Drüsenpakete, keine Komplexdrüsen. Ich habe sie nur deshalb erwähnt, weil die einzelnen Elemente schon eine symmetrische Lagebe- ziehung zueinander aufweisen. Diese Verhältnisse sind nun bei den pseudoacinösen Drüsen von Dytiscus noch einen Schritt weiter ent- wickelt. Die Drüsenpakete «^^ Pseudoacinöse Drüse ; , ^ und Mesothorax; Mt, Mes' bestehen aus einer so großen Zahl von Zellen, daß ihre An- ordnung zu einer Rosette nicht mehr möglich ist. Indem nun aber an den langen ovalen Drüsenpaketen das gleiche Gestaltungsprinzip, näm- lich die Verlageruns der ausleitenden Kanäle in das Centrum des Paketes, einwirkt, kommt ein Drüsensack zustande, dessen Wandung die secretorischen Elemente bilden und in dessen Innenraum die aus- leitenden Kanälchen verlaufen. Auf Grund dieser Weiterentwicklung 31* Fig. 30. Lateraler Sagittalschnitt durch den Thorax des Käfers. , Gelenkhaut zwisclien Pro- othorax; Pt, Prothorax; sdr, Schreckdrüse. Vergr. 20. 470 Alois CasjDer, des secretorischen Teiles der Drüse zu Pseudoacini stelle ich diese Komplexdrüse in der Keihe der Drüsen höher als die Schreckdrüsen, obwohl der sekundäre Ausleitungskanal viel primitivere Verhältnisse als bei den letzteren aufweist. Als typischer Vertreter dieser Drüsen- gattung sei eine der im Mesothorax gelegenen Komplexdrüsen ein- gehend betrachtet. 1. Die pseudoacinösen Drüsen des Mesothorax. Die zwei Komplexdrüsen des Mesothorax sitzen zu beiden Seiten des Käfers der Gelenkhaut zwischen Pro- und Mesothorax dicht auf. Ihre Mündungen liegen in der Gelenkhaut unter dem ersten thoracalen Stigma, der Medianlinie des Körpers etwas mehr genähert als diese. Fig. 30 ist ein Sagittalschnitt durch den Thorax, der hinter dem Stigma, also näher an der Medianebene, geführt ist. Die Drüse (adr) liegt unter der Trachee (tr), die zum Stigma führt. Stigma und Drüsen- mündung liegen in verschiedenem Abstand senkrecht über der Zeichen- ebene in der Gelenkhaut (gh), die zwischen den Pleuren von Pro- und Mesothorax ausgespannt ist. Der sekundäre Ausleitungskanal {sc) dieser Drüsen (Fig. 31) ist eine baumartig verästelte röhrenförmige Einsenkung der Körper- decke von 125 ß Länge. Er besteht aus einer chitinösen Intima (i), welche ohne Grenzen in die Cuticula (c) übergeht. Auch die Matrix dieses Kanals mit ihrer Basalmembran (scp') geht direkt in die Hypo- dermis (H) über. Das Lumen des Kanals ist durch Zapfen und Höcker der chitinösen Intima (i) verengt. Die Verzweigungen (sz) verjüngen sich nach ihrem oberen blindgeschlossenen Ende hin. Gelegentlich kann ein Zweig auch eine ampullenartige Erweiterung (ap) erfahren; von einer solchen Stelle gehen dann meist mehrere Äste ab (Fig. 31 ap). Die Matrix des Kanals {scp') ist niedriger als die Hypodermis; gegen die Enden der Zweige flacht sie sich mehr und mehr ab. Ihre kleinen chromatinreichen Kerne sind unregelmäßig in dem Plasma zerstreut. Die Zellgrenzen zwischen den Matrixzellen sind nicht gut zu erkennen. Gegen die Leibeshöhle werden die Zellen durch eine Basalmembran (&) abgegrenzt, die unmittelbar in die der Hypodermis übergeht. Jeder Zweig dieses sekundären Ausführungskanals nimmt die feinen Chitinröhrchen {de) eines Drüsenpaketes {Drs) auf. Der secretorische Abschnitt der Drüsen besteht aus etwa 15 — 20 Drüsenpaketen {Drs), die in Eosettenform um den Hauptstamm des ausleitenden Kanals herum angeordnet sind. Ein Sagittalschnitt trifft etwa fünf Drüsenpakete, deren Länge im Durchschnitt 0,38 mm i Die Kür[)c"rclecke uiul die Drüsen von Dytiscus margiiialis L. 471 beträgt. Der größte Durcliniesser der gesamten Drüsenrosette mißt annähernd 0.62 nini (Fig. 31). Die einzelnen Drüsenpakete, die Pseudoacini (Drs), zeigen folgenden charakteristisclien Bau. Die 20 bis 40 Zellen des ellipsoidischen bis birnförmigen Paketes sind dicht aneinander gefügt, lassen im Centrum aber einen Hohlraum frei. Sie bilden also die Wandung eines Sackes. Die einzelnen Zellen sind gegeneinander durch Zellgrenzen {zg) scharf abgesetzt. Bindegewebs- zellen fehlen zwischen den Drüsen. Das Paket wird von einer Mem- ^'^\,. yo\^ Fig. 31. Sagittalsplmitt durch eine pseiuloaciiiöse Drüse des 3Iesotliorax. ap, Ampulle; b, Basalmembran; c, Cutiiula; H, Hypodemiis; Drs, ])rüsensack; de, Clütinröhrchen; dz, Drüsenzelle; i, Intima; k. Kern; gc, sekundärer Drüsenkanal; scp', Matrix; sz. Zweige des sekundären Drüsenkanals; vs, Bin- neublase; zg, Zellgrenze. Vergr. 160. brana propria (mp) umhüllt. Die Zellen zeigen den typischen Bau der secretorischen Elemente einer Komplexdrüse. Im Hohlraum des Sackes verlaufen die chitinisierten Secretröhrchen (de) der einzelnen Zellen. Dieselben vereinigen sich zu einem Bündel, wobei die Plasma- belege der Röhrchen miteinander verschmelzen; die kleinen ovalen Kerne der Matrix der Röhrchen sind zwischen den Kanälchen ver- streut. An der Austrittstelle aus dem Drüsensack hat das Bündel seinen stärksten Umfang. Die Wandung des Sackes nähert sich dem Bündel, und die Randzellen des Pseudoacinus legen sich dem Strang: 472 Alois Ccasper, dicht an. Die Cliitinröhrchen durchsetzen die Wandung des oberen Endes eines Zweiges des sekundären Ausleitungskanals. Die Matrix desselben scheint in den Plasmabelag des Köhrenbündels überzugehen. Bezüglich der Funktion der Drüsen s. S. 499. Diese so charakteristische Anordnung der Drüsenzellen zu Säcken, in deren Innerem die ausleitenden Kanälchen verlaufen, beschreibt GiLSON in dem. Stinkapparat von Blaps mortisaga. Die Pseudoacini oder »Lobes secreteurs<< sitzen in größerer Anzahl einer weichhäutigen Sammelblase auf. Der sekundäre Ausleitungsgang zeigt Verhältnisse, die von den oben beschriebenen stark abweichen und auf die deshalb hier nicht weiter eingegangen werden soll. Die äußere Form der pseudoacinösen Drüsen finden wir in den segmental angeordneten Drüsen der Larven von Ocypus olens wieder. Dieselben bestehen aus zahlreichen Säckchen oder Schläuchen, die von der Spitze eines gemeinsamen Ausleitungsganges fingerförmig ausstrahlen. Sie gleichen also den pseudoacinösen Drüsen außerordent- lich. Im feineren Bau besteht aber ein großer Unterschied zwischen diesen beiden äußerlich so ähnlichen Organen, indem die Drüsen von Ocypus »ghiandole pluricellulari semplici« sind. Die Zellen haben im Innern der Drüsensäcke immer nur ein gemeinsames chitinöses Rohr ausgeschieden, welches das Secret aller Herde aufnimmt. Dieses Beispiel zeigt, daß die »ghiandole pluricellulari« composte sowohl wie die .semplici zur Entwicklung hochorganisierter Drüsen- bildungen befähigt sind und daß sogar ein und dieselbe bestimmte äußere Form in beiden Gruppen auftreten kann. 2. Die pseudoacinösen Drüsen des Abdomens. Drüsen von ganz ähnlichem Bau wie die im Mesothorax gelegenen finden war zu sieben Paaren in den Abdominalsegmenten 1 — 7. Dicht hinter den Stigmen der sieben ersten Abdominalsegmente liegt je eine Drüse. Die Lagebeziehung von Drüse und Stigma ist auf einem Sa- gittalschnitt durch die Drüse des ersten Abdominalsegmentes zu er- kennen (Fig. 32). Das Stigma (sa) ist länglich elliptisch. Die der Seitenkante des Körpers zugewandte Hälfte des Stigmas wird von zwei Hautfalten {hf) überdacht, die vor und hinter dem Stigma ent- springen. Dieselben w^eichen über dem Stigma mit gebogenen Rändern auseinander und lassen die der Mediane des Körpers zugekehrte Hälfte des Stigmas frei. Über dem nach auswärts gewandten Teile des Stigmas befindet sich infolgedessen eine abgeschlossene Höhle, die sich nur durch einen schmalen Spalt (s) nach außen öffnet. Dicht hinter dem Die Kürpcrdeckc und die Drüsen von Dytiscus niarginalis L. 473 Stigma liegt die Komplexdrüse (Dr). Die einzelnen Pseudoacini sind in iViipassung an die gegebenen räumlichen Verhältnisse in einer Ebene ausgebreitet, die der Rückendecke des Segmentes parallel ist. Der Sagittalschnitt hat daher nur einen Drüsensack getroffen. Auf Quer- schnitten kann man sich leicht überzeugen, daß die Drüse fast genau so gebaut ist, wie die im Mesothorax gelegene; nur daß vielleicht die Drüsensäcke kürzer und gedrungener sind als bei den letzteren. Der größte Durchmesser dieser Drüse beträgt auch wieder annähernd 0,62 mm und die Länge eines Pseudoacinus 0,34 mm. Der sekundäre Ausleitungs- kanal (sc) besitzt keine Verzweigungen. Sein blindgeschlossenes Ende Fig. 32. Lateraler Sagittalschnitt durch die dorsale Partie des ersten Abdominalsegmentes, c, Cuticula; Dr, Komplexdrüse ; /<, Fettkörper; fl', Hypodermis ; hf, Hautfalte; 7nu, Muskel; s, Spalte; sa, Stigma; sc, sekundärer Kanal; tr, Trachee. Vergr. 50. wird von den Röhrenbündeln der Drüsensäcke in einer Anzahl Cribellen durchsetzt. Der Kanal mündet dicht über dem Stigma (sa) unter der Hautfalte (hf), welche das Stigma überdeckt. Das Secret muß bei dieser Lage der Mündung unmittelbar auf den Reußenapparat des Stigmas gelangen. Funktion der Drüsen s. S. 499. In den übrigen Abdonainalsegmenten sind die Lagebeziehungen zwischen Stigma imd Drüse etwas andere als im ersten Segment, in- sofern als die Drüse auch wieder hinter dem Stigma, ihre Mündung jedoch neben dem Stigma liegt. Die Tergiten des Abdomens werden durch eine weiche Gelenkhaut mit den Sterniten verbunden. Diese Gelenkhaut kleidet eine tiefe Falte aus, die z-^nschen der Rückendecke und den ^v^üstig vorgewölbten Pleuren verläuft. Da die Stigmen ganz 474 Alois Casper, an die Außenkante der Tergiten gerückt sind, sogar in der weichen Verbindun^shaut liegen, so geraten sie mit ihren nach außen gewandten Enden in diese Falte. Der Band des Stigmas berührt die tiefste Stelle Fig. 33 a—c. Laterale Sagittalschnitte durch ein naittleres ^^^^^f^'l^^^^^::: ^^ Körperrand gegen die Medianebene fortscl.eitend) er, "^"^^"f^X^T^^^ Ve^gr. 60. plexdi-üse; Drs, Drüsensack; krp, Körperdecke; sa, Stigma; sah, Stigmenhof , ^r, der Falte (Fig. 34 a). An eben dieser Stelle, am Grunde der Falte (r/), direkt unter dem Stigma (sa), mündet der sekundäre Drüsengang , die Drüse liegt hinter dem Stigma. Ihre Lage ist aus einem Querschnitt Die Körprrdeokr imd dio Drüsen von Dytiscus inarginalis L. 475 (Fig. 34 h) zu er.selien, der etwa 150 /< weiter caudalwärts geführt wurde als der in Fig. 34 a skizzierte. Diese Verhältnisse sollen durch die Serie von Sagittalschnitten Fig. 33 a — c erläutert werden. Die Figuren sind so angeordnet, daß man von dem lateralen Körperrand gegen die Medianebene vorschreitet. Die Stigmen (sa) sind, wie in Fig. 33 e zu erkennen ist, ein wenig in das Körperinnere eingesenkt. Der erste Schnitt (Fig. 33 a) ist durch die ^.^^gg>'^ Fig. 33 d und e. Laterale Sagittalsclmitte durch ein mittleres Abdominalsegment des Käfers (von dem lateralen Körperrand gegen die Medianebene fortschreitend). Buchstabenbezeichnung s. Fig. 33 a — c. Vergr. 00. Falte (rf) zwischen Rückendecke und Pleuren geführt und zeigt jene schwache Einsenkung (sah), in der das (hier noch nicht getroffene) Stigma liegt. Der sekundäre Drüsenkanal mündet in diese gruben- förmige Einsenkung, also dicht unter dem Stigma (sc). Der Gang zieht von der Drüse schräg nach vorn und lateralwärts zur Körper- oberfläche als ein gerade gestrecktes cylindrisches Rohr (Fig. 33 b, c, d). Das blindo-eschlossene Ende des Gansres weist keine Verzweigungen 476 Alois Casiier, auf. Die Bündel der ausleitenden Chitinröhrchen durchsetzen die Wandung des kugelförmigen Endes des Ganges in mehreren Cribellen. Die Pseudoacini sind dichter zusammengedrängt, als bei der im Meso- thorax gelegenen Drüse; infolgedessen zeigen die Drüsen des Abdomens kein so elegantes Bild wie jene. Die Drüse besitzt ihre größte Aus- dehnung auf dem Schnitt (Fig. 33 e), der gleichzeitig die äußere Partie des Stigmas trifft. Sie liegt also hinter dem äußeren Eande des Stig- mas. (Über die Funktion der Drüsen s. S. 499). Dieser vereinfachten Drüsenform lassen sich die Stirndrüsen von Fig. 34 a und b. Querschnitte durch das dritte Abdominalsegment des Käfers. Dr, Komplexdiüse ; krp, Körper- decke; pl, Pleuren; rf, Randfalte; sa, Stigma; tg, Tergit; tr, Trachee. Vergr. 13. Paussus cucullatus vergleichen. Diese Organe besitzen auch einen un- verzweigten sekundären Ausleitungsgang; die secretorischen Elemente sind zu Pseudoacini vereinigt, die jedoch bloße Drüsenhaufen vor- stellen und die Anordnung zu Drüsensäcken vermissen lassen. Die Größe der Drüse bleibt sich in den verschiedenen Abdominal- segmenten annähernd gleich. Der größte Durchmesser schwankt zwi- schen 0,5 und 0,69 mm, die Länge eines Pseudoacinus zwischen 0,3 und 0,4 mm. Rücksichtlich des sekundären Ausführungsganges herrschen bei diesen Drüsen primitivere Verhältnisse als bei den im Mesothorax gelegenen, weil eine Verzweigune; des Kanals fehlt. Die Körperdeckc und die Drüsen von Dytiscus marginalis L. 477 c. Die Pygidialdrüsen. Ihre höchste Stufe der Entwicklung erreichen die Komplexdrüsen unsres Käfers in den Pygidialdrüsen, und zwar haben beide Teile der ssL Fig. 35 a und h. Querschnitte durch ein mittleres Abdominalsegment einer Larve (drittes Stadium kurz vor der «autung), ri, Larvencuticula; c,. Puppencuticula; Dr, Komplexdrüse; ff, Hypodennis; sal, Stig- menlials; sap, Puppenstigma; tr, Tracheen; tri, alte Tracheenintima. Vergr. 40. Drüse, der secretorische Abschnitt sowohl wie der sekundäre Ausleitungs- gang, eine Vervollkommnung erfahren. Die secretorischen Zellen über- 478 Alois Casi^er, treffen einmal in der Zahl sowohl die der psendoaeinösen wie der Schreck- drüsen bei weitem; dann aber sind sie höher differenziert als diese, indem sie neue Drüsenzellformen ausgebildet haben. Der ausleitende Apparat ist reicher gegliedert als bei den übrigen Komplexdrüsen; er besteht aus einem Centralkanal des Drüsenschlauches, einer Sammel- blase und einem Ausführungsgang. Von den in der Literatur vorhandenen Angaben über die Pygidial- drüsen unsres Käfers reicht die Arbeit von Dufour (1826) am weite- sten zurück; sie bringt im wesentlichen nur eine Beschreibung der gröberen Morphologie des Organs. Meckel (1846) erweiterte diese Darstellung in mancher Beziehung. Sehr gründliche Untersuchungen stellte Leydig (1859) über diesen Gegenstand an. Er erkannte die Morphologie und den feineren Bau der Drüse in den Hauptzügen richtig, wenngleich auch im einzelnen bei der Mangelhaftigkeit seiner optischen Hilfsmittel noch mancher Punkt ungeklärt blieb. In einer Veröffent- lichung BoRDAS (1898) w^erden manche von Leydig schon richtig er- kannte Verhältnisse abweichend beschrieben. Am eingehendsten und gründlichsten hat Dierckx die Pygidial- drüsen der Coleopteren studiert. Besondere Erwähnung verdient die außerordentlich interessante vergleichende Untersuchung >>Les glandes pygidiennes chez les Carabides et les Dytiscides 1899«, in der unser Objekt behandelt wird. In dieser Abhandlung werden die vorher- gehenden Arbeiten besprochen, ihre Resultate nachgeprüft und Irr- tümer richtig gestellt. Was die Beschreibung der gröberen Morphologie anbelangt, so kann ich die Ausführungen von Dierckx nur bestätigen. Eine nochmalige Besprechung dieser Verhältnisse an Hand der fran- zösischen Arbeit scheint mir im Zusammenhang mit der hier gege- benen Darstellung von den Hautdrüsen des Dytiscus auch deshalb geboten, weil bezüglich der Histologie dieser Drüsen einiges zu den Ausführungen von Dierckx hinzuzufügen ist. Morphologie der Pygidialdrüsen. Die Pygidialdrüsen sind bei Dytiscus — wie bei allen Adephagen, wenn sie überhaupt vorkommen — in der Zweizahl vorhanden. Die paarigen Drüsen liegen im Bereich der drei letzten Abdominalsegmente beiderseits vom Rectum und Begattungs- bzw. Legeapparat (Fig. 36 Py). Jede Drüse besteht aus einem langen Drüsenschlauch {Drsch), dessen Wandung die secretorischen Elemente birgt und dessen Centrum der ableitende Kanal, der Centralkanal des Drüsenschlauches einnimmt; ferner aus einem kurzen Ausführungsrohr (sc), welches durch eine Die Körperdocke uiul die Drüsen von Dytiscus marginalis L. 479 blindsackartige Erweiterung einen Behälter (rs) für das Drüsensecret bildet. Der Ansführungsgang selbst zieht als schwach gewundenes Rohr von dem Secretbehälter, der auf der Höhe des unteren Endes der Rectalblase liegt, zu seiner Mündungsstelle in der Nähe des Afters. Der Drüsenschlauch ist knäuelförmig um den Secretbehälter herum aufgewunden und zwar so, daß, wie Dierckx richtig bemerkt, die DrsCfy Fig. 36. Hinterer Abschnitt des Abdomens des Käfers aufpräpariert, ös, Analplattc; W, Blindsack; Dd, Dünndarm; Drsch, nrüsenscldauch; Py, Pygidialdrüse ; ra, Eectalampulle; rs, Reservoir; sc, se- kundärer Drüsenkanal; sg, Segnientgrenzen, ssp, Seitenspangen des Geschlechtsapparates; ttr, Genitalklappen. Vergr. 8. SchUngen von dem Ende des Behälters aus nach innen, also nach dem Darm zu, reichlicher vorhanden sind als nach den Flanken des Ab- domens hin (Fig. 36, linke Drüse). Die Drüse ist von Tracheen kräftig umsponnen und in den Fettkörper eingebettet. In Fig. 36 wurden, nach sorgfältigem "Wegpräparieren von Tracheen und Fettkörper, die Schlingen des Drüsenschlauches in möglichst natürUcher Lage dar- gestellt. 480 Alois Casper, Der Drüsenschlauch besitzt eine Länge von etwa 60 mm; will man die richtigen Maße erhalten, so muß man beim Entwirren des Knäuels, beim Auseinanderlegen der Schlingen sehr vorsichtig ver- fahren, da sich die Drüse durch Zug stark in die Länge dehnen läßt, ohne zu zerreißen. Die durch Zug erreichte Länge kann die natür- lichen Maße weit übersteigen; auf dieser Dehnbarkeit der Drüse be- ruhen jedenfalls auch die verschiedenen Längenangaben früherer Autoren. Der nahe seiner Mündung etwas verjüngte Drüsenschlauch besitzt, wie schon Leydig be- merkt hat, zwei bis drei Blind- säcke von verschiedener Länge (Fig. 36 hl). Im Durchschnitt sind sie 2 — 3 mm lang, jedoch kommen auch solche von 11 mm vor. Betrachtet man die Drüse bei schwacher Vergrößerung, so schimmert das Lumen des Schlauches durch. Im Innern des Schlauches ist der Central- kanal zu erkennen ; an den blin- den Endigungen des Schlauches ist derselbe etwas kugelig er- weitert. In dem letzten Ab- schnitt, kurz vor der Einmün- dung in den Sammelbehälter verläuft der Centralkanal in einer deutlich sichtbaren Zick- zacklinie; aber auch in den übrigen Partien des Schlauches liegt der Kanal nicht immer Querschnitt durch den Secretbehälter der Pygidial- ° drüse. ö, Basalmembran; cmw, circulär verlaufendes Central, wic Querschnitte lehren, Muskelbündel; i, Intima; Zmtt, Längsmuskel ; ma, Ma- Der Secretbehälter ist eine trix; tr, Trachee. Vergr. 320. birnenförmige Blase von 4 bis 5 mm Länge und 3 mm Breite im vöUig gefüllten Zustand (Fig. 36 rs). Er geht allmählich sich verjüngend in das Ausführungsrohr über. Bordas schlägt vor, das Rohr von der Stelle ab zu rechnen, wo der Drüsen- schlauch in das verjüngte Ende der Blase mündet. Der braune bern- steinfarbene Inhalt des Secretbehälters schimmert durch die helle Wanduny; durch. ~~Lmu Die Körperdecke und die Drüsen von Dytiscus marginalis L. 481 Über den Bau der Wandung der Sannnelblase finden sich ab- weichende Angaben. Dufour, Leydig und Bordas sprechen von einer kräftigen Muskelschicht, die den Behälter umhüllt. Nach Dierckx besteht die Muskelhülle nur aus wenigen gekreuzten Muskelbündeln. Ein Bück auf einen Querschnitt durch die Blase (Fig. 37) läßt erkennen, daß Dierckx richtig beobachtet hat. Die Muskulatur besteht nur aus wenigen, im nichtkontrahierten Zustand locker übereinander- geschichteten Lagen von gekreuzt verlaufenden Muskeln. Die äußere Lage weist vorwiegend cirkulär verlaufende Bündel auf (cmu). Die eigentliche Wandung der Blase ist ein reichhch gefaltetes Epithel (ma), das eine stark lichtbrechende Intima abgeschieden hat (^), die natur- gemäß allen Falten der Matrix folgt. Im gefüllten Zustand wird die Wandung stark gedehnt, so daß die Falten verschwinden; die Muskeln liefen ihr dann als eine dünne Schicht dicht an. Das Ausleitungsrohr {sc) ist 8 — 9 mm lang und annähernd doppelt so umfangreich, wie der Drüsenschlauch. Kurz vor der Mündung geht seine Wandung in eine durchsichtige Membran über, welche denen des Geschlechtsapparates vollkommen ähnlich ist. Dadurch wird das Auffinden der Mündung des Ganges erschwert. Sie liegt in der Nähe der Ansatzstelle der oberen Bögen des männlichen und der Seiten- spangen des weiblichen Geschlechtsapparates an den Analplatten. Zwischen den vorderen freien Enden der Analplatten und den Seiten- spangen bzw. den oberen Bögen ist ein u-förmiger Einschnitt. Durch diese Einkerbung zieht das Rohr unter die Analplatten und mündet »dans le pli profond que forme la membrane arthrodiale posterieure du pygidium« (Dierckx). Es kommt daher nicht zur Bildung einer gemeinsamen Mündung von Rectum und Drüse, einer Art von Cloake, sondern jede Drüse gibt ihr Secret direkt nach außen durch zwei Poren rechts und links neben dem After ab. Es muß auf diesen Umstand besonders hingewiesen werden, weil die hier gegebene Darstellimg im Widerspruch mit der landläufigen Ansicht steht, welche die beschrie- benen Drüsen in Beziehung zum Darmsystem bzw. zum After des Käfers setzen will. Eine solche Beziehung ist nicht vorhanden und es wäre daher wünschenswert, wenn die alte Bezeichnung Analdrüsen bald allgemein zugunsten des von Dierckx vorgeschlagenen Namens Pygidialdrüsen fallen gelassen würde. Der Bau der Wandung des Ausleitungsrohres gleicht dem des Secretbehälters fast vollkommen; nur ist die Muskellage hier dünner als an der Blase und die Fibrillenbündel scheinen vorwiegend in der Längsrichtung der Rohres zu verlaufen. 482 Alois Casper, Histologie des secretorisclien Abschnittes der Pygidialdrüsen. Betrachtet man den Drüsenschlauch bei stärkerer Vergrößerung, so erkennt man die Kerne und Binnenblasen der Drüsenzellen, die tcma. Fig. 38. Querschnitt durch den Drüsenschlauch der Pygidialdrüse. h, Basalmembran; ch. Chromatin; de, Drüsenkanal; dz, Drüsenzelle; i, Intima; k. Kern; k^. Kerne der Matrix der Chitinröhrclien; kma. Kerne der Matrix; ma, Matrix; m/p, Membrana propria; n, Nucleolus; v^, Plasma der Matrix des Chitinröhrchens ; ps, Plasma; s, Spaltraum; sc, sekundärer Drüsenkanal; >de douter de leur nature plastinienne <<. Der Durchmesser der Kerne soll nach Dierckx zuweilen die Größe von 36 ii erreichen können. So große Kerne fand ich nicht, ihr Durchmesser betrug im allgemeinen etwa 20//. Das Plasma der Zellen besitzt einen anscheinend wabigen Bau. Seine netzförmige Struktur ist an der Peripherie der Zelle gut zu erkennen, während es im Innern, in der Umgebung von Kern und Binnenblase eine dichte körnige Beschaffenheit annimmt. In diesem verdichteten Plasma fallen stark färbbare Körnchen von unregel- mäßiger Gestalt, die Secretkörnchen (ts), auf. Am frischen Objekt besitzt es granuläre Struktur; seine Einschlüsse sind nach Dierckx öliger Natur. Bei der Konservierung werden diese im Plasma suspen- dierten Tropfen in Form von Secretkörnchen ausgefällt. Dieselben lagern sich häufig in einer dichten Zone um die Binnenblase; daraus darf man schließen, daß die Zelle sich anschickt, ihr Secret abzugeben. Der secre tausleitende Apparat erinnert an die Verhältnisse, die wir bei den typischen einzelligen Hautdrüsen fanden. Das Chitin- röhrchen (de) ist an seinem Ende zu einer dickwandigen Kugel von ansehnlichem Durchmesser aufgetrieben (ap); bei den einzelligen Hautdrüsen besitzt es flaschenförmige Gestalt (Fig. 19). Dieser kugelig erweiterte Abschnitt des Rohres (ap) steckt in einer Binnenblase (vs), die hier ebenfalls Kugelform besitzt. Von der Wandung der Binnen- blase (mh) gehen auffallend viel Plasmafäden (st) zum Chitinkanal, so daß der Raum der Binnenblase von einer sehr dichten Strahlung erfüllt ist. Die Fasern sind kräftiger und bestehen aus einem dichteren körnigeren Plasma als in den übrigen Drüsen. Die Wandung der Blase ist eine sehr dünne Membran (nib); in ihr kann man dunkle Punkte erkennen, die in eine helle Grund- substanz eingebettet sind. Diese Punkte sind die Verbindungsstellen der Plasmafäden im Innern der Binnenblase mit dem außerhalb der Blase gelegenen Zellplasma. Ob irgendeine Beziehung besteht zwischen der auffallend dichten Strahlung in der Binnenblase und dem Um- stand, daß die Wandung nur eine ganz dünne Membran ist, kann ich Die Körpordc'ckr uikI die Drüsen von Dytiscus niarginali.s L. 485 nicht sagen. Sehr häufig war in allernächster Umgebung der Binnen- l)lase eine auffällige Verdichtung des Plasmas zu konstatieren. Dieser Plasmaniantel der Blase erscheint auf Schnitten als ein dunkler Rijig. Es liegt nun die Vernuitung nahe, daß diese Plasmazone mit zur Wan- dung der Binnenblase gehört, so daß auch die Zellen mit centraler Am- pulle die bei den Schreckdrüsen aufgefundene dichte Wandung der Jiinnenblase besäßen. Da aber eine scharfe Grenze der Schicht gegen das übrige Zellplasma nicht zu erkennen ist, so muß man die Zone, die übrigens auch Dierckx in seinen Figuren andeutet, zum Zell- plasma rechnen. Eine ausgesprochen strahlige Anordnung des Plasmas um die Binnenblase herum, wie sie Dierckx beschreibt, war in den von mir untersuchten Exemplaren nicht vorhanden. Das dürfte darauf zurück- zuführen sein, daß mir andre Secretionsstadien vorlagen und die Zellen jene auffälligen Begleiterscheinungen der Secretausleitung also nicht zeigen konnten. Die Drüsenzellen der äußeren Schicht der Wandung des Drüsenschlauches übertreffen im allgemeinen die Zellen der inneren Lage an Größe. In bezug auf Kern und Plasma gleichen sie den obigen so sehr, daß jene Ausführungen auch für diese gelten. Nur im Bau der Binnenblase besteht ein auffälliger Unterschied zwi- schen den beiden Drüsenformen. Das ausleitende Chitinröhrchen dieser Zellen verzweigt sich an seinem Ende in zwei bis vier kurze Aste von unregelmäßiger Form; an den Verzweigungsstellen ist der Kanal schwach aufgetrieben (Fig. 40 dcz). In den Pygidialdrüsen von Anchomenus beschreibt Dierckx auffällig lange Binnenblasen, die an ihrem Ende kurze Verzweigungen aufweisen. In den Zellen der »glande annexe<< von Carabus sind nach demselben Autor in seltenen Fällen zwei Binnenblasen (anscheinend Verzweigungen) vorhanden. Die sonst glatte Wandung des Chitin- röhrehens unsrer Drüsenzellen besitzt in den Zweigen Warzen und buckeiförmige Erhebungen, Ausbuchtungen (Fig. iO dcz). Gegen das l)linde Ende verjüngen sich die Zweige. Die Binnenblase folgt den Verzweigungen des Kanales in einzelnen Ausbuchtungen, so daß sie jetzt nicht mehr einen elliptischen Körper, sondern ein verzweigtes lappiges Gebilde vorstellt. Leydig zeichnet in seinen Figuren klee- blattartig geformte Binnenblasen. Die Wandung der Blase ist eine deutlich zweiseitig begrenzte Membran {mh), wie in den Schreckdrüsen, die sich durch ihre helle Färbung von dem Zellplasma gut abhebt. Sie besitzt Durchbohrungen 32* 486 Alois Casper, (mhp), durch die feine Plasmafäden in die Blase eintreten {st) nnd zu den Ästen des ausleitenden Kanälchens ziehen; diese Verhältnisse stimmen also mit den bei den übrigen Komplexdrüsen beschriebenen überein. Die Ansatzstelleu der Fasern sind über die ganze Oberfläche der Zweige des Chitinröhrchens verteilt. Dierckx stellt in seiner Fig. 46 die Verhältnisse so dar, als sei jeder Ast von einer besonderen allseitig abgeschlossenen Binnenblase umgeben, deren Plasmastrahlung von den blindgeschlossenen Enden der Zweige des Chitinröhrchens ausgeht. Das Schnittbild (Fig. 40) zeigt, daß die Binnenblase ein einheitlicher Kaum ist, der nur Aussackungen aufweist. /77 6 ch ^>a1> die wässerige Flüssigkeit <<, in den Zellen der inneren Schicht gebildet wird. Die Körperdecke und die Drüsen von Djtiscus marginalis L. 489 Das Chitinröhrchcn der Drüsenzellen. Von jeder secer- nierenden Zelle geht ein dünnes Chitinröhrchen aus, welches das Secret in den Centralkanal leitet. Nach dem Verlassen der Binnenblase be- schreibt die Capillare zunächst einige Schleifen und Windungen in der Zelle; ein Schnitt kann also in einer Drüsenzelle das Kanälchen mehr- mals treffen. Die Röhre tritt dann aus dem Secretherd heraus und sucht sich ihren Weg zwischen den benachbarten secretorischen Ele- menten hindurch; sie verläuft also intercellulär. Wenn unter dem Einfluß der Konservierungsflüssigkeit benachbarte Zellen durch schmale Zwischenräume voneinander getrennt worden sind (Fig. 38 s), so er- kennt man deutlich, daß die Röhren (de) zwischen den Zellen hindurch verlaufen. Die gleiche Auffassung vertritt auch Diekckx. Die Capil- laren ziehen zum Centralkanal und durchsetzen einzeln seine W^andung. Die Röhrchen sind von einem feinen Plasmasaum umhüllt, in dem kleine ovale Kerne liegen. Diese Matrix der Kanälchen mit ihren Kernen fanden wir schon bei den einzelligen Hautdrüsen, sovne in den übrigen Komplexdrüsen. Auch auf gleichlautende Beschreibungen in der Literatur war oben schon hingewiesen worden. DiERCKX hat die Bedeutung der kleinen Kerne nicht klar erkannt. Er deutet zwar die Möglichkeit an, daß sie vielleicht zu den feinen Kanälchen gehören, er scheint jedoch mehr geneigt zu sein, sie für die Kerne feiner bindegewebiger Membranen zu halten, die jede einzelne Drüsenzelle wie eine Tasche umhüllen. Der ganze Drüsenschlauch wird außen zweifellos von einer den Drüsenzellen dicht aufliegenden kernlosen Membrana propria umhüllt. Allerdings konnte auch Dierckx dieselbe nie isoliert, etwa durch Schrumpfung von den Drüsenzellen abgehoben, beobachten. Dieselbe ist nach außen nicht scharf kon- turiert, sondern geht fein zerfranst aus (mp). Dierckx stellt sich nun vor, daß die Membran sich eingefaltet hat und taschenartig jede Drüsen- zelle umhüllt. Sie müßte dann aber auf Querschnitten durch den Drüsenschlauch mehr hervortreten, als es die tatsächlich nur vor- handenen einfachen Zellgrenzen (zg) tun. Dazu kommt noch folgendes. Bei Färbung nach van Giesox nimmt die Membrana propria einen intensiv roten Ton an, ist also höchstwahrscheinlich bindegewebiger Natur. Wären die Zellgrenzen Einfaltungen der Membran, so müßten auch sie diese Färbung zeigen. In Wirklichkeit ist aber zwischen den Drüsenzellen nicht die leiseste Spur einer Rotfärbung zu erkennen. Die Zugehörigkeit der kleinen Kerne zur Matrix der Kanälchen geht klar aus solchen Schnitten hervor, in denen die Röhrchen frei in einem Spalt-(Schrumpfungs-)raum zwischen benachbarten Zellen 490 Alois Casi^er, verlaufen (Fig. 38 s). Die Kerne k' liegen dann den Röhrchen direkt auf; sie sind in den feinen Plasmasaum 'p' eingebettet, der dieselben umhüllt. Der Centralkanal des Drüsenschlauches ist, wie schon zu Beginn dieses Kapitels bemerkt wurde, ein Teil des sekundären Aus- leitungskanals der Komplexdrüsen; er ist also eine Einstülpung der Körperdecke. Seine Wandung, die tiefe Falten und Vorwölbungen in das Lumen des Kanals hinein aufweist (Fig. 38 sc), läßt an Quer- schnitten die drei Bestandteile der Körperwand, Chitindecke, Matrix und Basalmembran erkennen. Die chitinöse Intima (^) ist stark ge- faltet und fein lamellös strukturiert. Die Matrix (ma) besteht aus flachen Zellen, deren Grenzen nicht gut zu erkennen sind. Die helle Intima ist gegen das dunkel gefärbte dichte Plasma der Matrix scharf abgesetzt. Die kleinen bläschenförmigen, ovalen Kerne (hna) derselben sind chromatinarm. Die Basalmembran (6) grenzt das Epithel des Kanals gegen die Drüsenzellen hin ab. Der Centralkanal nimmt die ausleitenden Chitinröhrchen sämtlicher secernierender Zellen der Pygidialdrüse auf und führt das Secret der Sammelblase zu. Physikalisch -che mische Natur des Secrets. Es war oben bereits gesagt worden, daß das Secret als eine Emulsion anzusprechen ist; Tropfen einer fettigen Substanz sind in einer wässerigen Flüssig- keit suspendiert. Diese letztere ist leicht flüchtig; es bleibt ein dunkel gefärbter Rückstand, wenn die flüchtige Substanz aus dem Secret verdunstet, Dierckx untersuchte das Verhalten dieses Rückstandes zu den verschiedensten Reagenzien. Das Secret bringt auf Stärke- papier einen dauernden Fleck hervor; es reduziert die Osmiumsäure, wird von Pottasche verseift und bildet mit Säuren wieder Emulsionen. Der Rückstand ist in konzentriertem Alkohol, Äther, Chloroform und Schwefelkohlenstoff löslich. Bei Behandlung mit konzentrierter Schwe- felsäure färbt er sich rot. Aus diesen Angaben geht herv^or, daß der weniger flüchtige Teil des Secrets eine fettige ölige Substanz ist. Sehr auffällig ist die Tatsache, daß das Secret schwerer als Wasser ist; bringt man einige Tropfen des Secrets in Wasser, so sinken diese sofort auf den Boden des Gefäßes. Im allgemeinen sind die Fette leichter als Wasser, schwinnnen also auf ihm. (Funktion der Drüse s. S. 499). Die Zusammensetzung des Secrets der Pygidialdrüsen aus zwei Komponenten bietet nichts Befremdendes und ist kein Ausnahmefall. ÄhnUche Angaben liegen aus verschiedenen Insektenordnungen vor. Es ist z. B. schon lange bekannt, daß das Secret der Spinndrüsen der Seidenraupe aus mehreren Elementen zusammengesetzt ist. Faure- Fremiet unterscheidet in dem Secret der Lippendrüse der Hydro- Dil' lv()r[)crilcclv(" uiul ilic DrüscMi von Dvtisciis margiiialis L. 491 CO res drei verschiedene Substanzen, ein Fett und zwei in Alkohol uulösUche Körper. Blunck zeigt in den Schreckdrüsen (Zweiter Teil), daß auch deren Öecret aus zwei Komponenten zusammengesetzt ist. Bei diesen Drüsen ist aber, wie in einem früheren Abschnitt gezeigt wurde, nur eine einzige Form von Drüsenzellen vorhanden. Die morpliologrische Deatuiig der rygidialdrüsen. Die Pygidialdrüsen sind zweifellos die höchst organisierte Drüsen- form unsers Käfers. Es bleibt nur noch die Frage zu beantworten, wie sich die komplizierten Bildungen auf niedere Drüsenformen, also auf die bereits besprochenen, zurückführen lassen. Da finden wir, daß sie den pseudoacinösen Drüsen am nächsten stehen. Das erhellt aus der Anordnung der secernierenden Zellen im secretorischen Abschnitt der Drüsen. In den Pseudoacini dieser Drüsen waren die einzelligen •Secretherde in der Wandung der kurzen Drüsensäcke angeordnet (Fig. 31 Drs). Auch in den Pygidialdrüsen bilden, wie wir oben gesehen haben, die Drüsenzellen die eigentliche Wandung des Drüsenschlauches. Die zahlreichen Drüsensäcke der pseudoacinösen Drüsen sind bei den Pygidialdrüsen bis auf einen reduziert worden. Da aber die Zahl der Drüsenzellen bei den Pygidialdrüsen eine sehr viel größere als bei den pseudoacinösen Drüsen ist, so muß der einzige Pseudoacinus, der nun alle secretorischen Elemente der Drüse enthält, eine außerordent- liche Entwicklung erfahren; in der Tat ist ein Drüsensack der pseudo- acinösen Drüse nur 0,38 mm lang, während der Drüsenschlauch der Pygidialdrüse eine Länge von 60 mm besitzt. Die außerordentliche »Steigerung der Zahl der secretorischen Elemente und die damit be- dingte Volumenvergrößerung, insbesondere die große Längenausdeh- nung des Pseudoacinus machen einige Änderungen des Baues des Drüsenschlauches nötig, die eine Vervollkonunnung der einfachen »Säcke der pseudoacinösen Drüsen bedeuten. Bei diesem letzteren bilden die Drüsenzellen nur eine einschichtige Wandung der Pseudo- acini (Fig. 31 dz). In den Pygidialdrüsen besteht die Wandung des Drüsenschlauches aus mehreren Lagen von Secretherden (Fig. 38 dz). Im Innern der Pseudoacini der Drüsen des Mesothorax vereinigen sich die chitinösen Ausleitungskanälchen aller Drüsenzellen des Pakets zu einem Bündel (Fig. 31 de) und ziehen zu dem Zweige des sekundären Ausleitungskanals (sz); derselbe reicht nicht bis an die Drüsensäcke, sondern die chitinösen Röhrchen kommen ihm auf halbem Wege ent- gegen und vereinigen sich mit ihm in einiger Entfernung vom Drüsen- säckchen (Fig. 31). 492 Alois Casper, Für die Pygidialdrüsen wäre eine derartige Anordnung von Chitin- röhrchen und sekundärem Ausleitungskanal wenig glücklich. Wenn in den Pygidialdrüsen jede einzelne secernierende Zelle ihr Secret durch ein besonderes Eöhrchen bis in den Sammelbehälter (Fig. 36 rs) leiten sollte, so müßten die Zellen des oberen Endes des Drüsenschlauches außerordentlich lange (eventuell 60 mm) Capillaren bilden. Bei der großen Zahl der Secretherde würde das Bündel der gesamten Chitin- röhrchen so umfangreich werden, daß es in dem unteren Abschnitt des Drüsenschlauches, in der Nähe seiner Mündung in den Secret- behälter, keinen Platz mehr in dem engen Lumen des Drüsenschlauches haben würde. Diese Schwierigkeiten werden umgangen, indem ein Ast des sekundären Ausleitungskanals in den Drüsenschlauch eindringt und ihn als gemeinsames Sammelrohr des Secrets aller Drüsenzellen bis an sein blindgeschlossenes Ende durchzieht. Diese Verlagerung des sekundären Ausleitungskanals in das Innere des Drüsenschlauches bedeutet eine Weiterentwicklung der Pygidialdrüsen über die pseu- doacinösen Drüsen hinaus. Es gibt nun Drüsen, allerdings nicht bei Dytiscus, sondern bei einem andern Adephagen, welche eine Übergangsstufe von der Form der pseudoacinösen Drüsen zum Typ der Pygidialdrüsen des Dytiscus darstellt. Es handelt sich um die von Dierckx beschriebenen Pygi- dialdrüsen von Chlaenius velutinus. Der secretorische Abschnitt die- ses Organs besteht aus zahlreichen Pseudoacini, ganz wie bei den Drüsen des Mesothorax von Dytiscus. In das Innere dieser einzelnen Drüsensäcke ist je ein Zweig des sekundären Ausleitungskanals ein- gedrungen. Diese Pseudoacini lassen also in den wesentlichen Zü- gen den Bau des Drüsenschlauches der Pygidialdrüsen von Dytiscus erkennen. Im allgemeinen findet man eine Anordnung der secretorischen Elemente in der Wandung eines langen Schlauches vorwiegend bei den ghiandole pluricellulari semplici. So bilden z. B. die Spinndrüsen der Raupen von Bombyx mori lange schlauchförmige Organe. Es besteht aber zwischen diesen Drüsen und dem secretorischen Abschnitt der Pygidialdrüsen ein grundlegender Unterschied, insofern als bei Dytiscus jede einzellige Drüse ein chitinöses Ausführungsrohr besitzt. Der im Centrum des Drüsenschlauches verlaufende gemeinsame Secret- kanal ist bei Dytiscus nicht von der Gesamtheit der Drüsenzellen aus- geschieden worden, sondern der Centralkanal ist, wie schon mehrfach betont wurde, ein Abschnitt des sekundären Ableitungsapparates. Wegen seiner eigentümlichen Lage ganz im Innern des Drüsenschlauches Die Körperdeckc und dii' Drüsen von Dytisous nuirginalis L. 493 wurde er in den obigen Ausführungen gemeinsam mit dem secretorischen Abschnitt als Drüsenschlauch bezeichnet und ilim das mit einem Se- cretbehälter versehene Ausleitungsrohr gegenübergestellt. Wo also in den obigen Ausführungen der Ausdruck Drüsenschlauch in diesem Sinne verwandt wurde, war immer im Auge behalten worden, daß der Drüsenschlauch aus den secretorischen Elementen und einem Ab- schnitt des sekundären Ausleitungsganges der Drüse zusammenge- setzt ist. Aber nicht allein in bezug auf die gröbere Morphologie des secretori- schen Abschnittes haben die Pygidialdrüsen eine Weiterentwicklung über die pseudoacinösen und Schreckdrüsen hinaus erfahren, sondern auch in dem specifischen histologischen Bau ihrer beiden Drüsenzell- formen dokumentiert sich die höhere Organisationsstufe dieser Kom- plexdrüsen. Wir finden in den Pygidialdrüsen zwei Formen von Drü- senzellen, die einige weitere interessante Modifikationen des Bau- planes der einzelligen Hautdrüsen bilden, und in ihrem Vorkommen allein auf dieses Organ beschränkt sind. Würde also schon allein die höhere Organisation des secretorischen Abschnittes uns berechtigen, die Pygidialdrüsen als die höchst ent- wickelten Komplexdrüsen des Dytiscus anzusprechen, so läßt sich noch zeigen, daß auch hinsichtlich des sekundären Ausleitungsapparates die Pygidialdrüsen diese Stellung verdienen. Der durch Einstülpung der Körperwand entstandene sekundäre Ausleitungskanal zerfällt in zwei Teile. Er besteht, wäe oben schon ausgeführt woirde, aus einem weiten Rohr, (Fig. 36 sc), welches mit einer blindsackartigen Erweiterung (rs), einer Secretblase, versehen ist. Dieser Abschnitt entspricht dem unverzweigten Stammstück des Ausleitungskanals der pseudoacinösen Drüsen (Fig. 31 sc). Die Aus- stattung dieses Abschnittes mit einer Blase, die eine Eigenmuskulatur aufweist, bedeutet aber einen Fortschritt gegenüber dem Ausleitungs- kanal jener Komplexdrüsen. Der zweite Abschnitt, der Centralkanal, entspricht, wie oben schon ausgeführt wurde, den Zweigen des sekuu; dären Ausleitungsapparates der pseudoacinösen Drüsen. Außerdem dokumentiert die reichere Gliederung in Ausleitungs- rohr, Secretbehälter und Centralkanal des Drüsenschlauches die Weiterentwicklung auch dieses Abschnittes über die Schreckdrüseu hinaus. Auf Cjrund dieser verschiedenen Momente sind die Pygidialdrüsen als die höchst entwickelte Drüsenform unsers Käfers anzusprechen. 49-i Alois Casper, d. Die segmentale Anordnung der Komplexdrüsen. Eine sehr auffällige Eigenschaft der Komplexdrüsen ist ihre seg- mentale Anordnung im Körper von Dytiscus marginalis. Paarweise treten sie im Prothorax, Mesothorax und in den Abdominalsegmenten 1 — 7 und im Analsegment auf. Im Metathorax und im ansehnlich entwickelten achten Abdominalsegment fehlen die Drüsen. Es liegen in der Literatur eine Reihe von Angaben über segmental angeordnete Drüsenbildungen bei Insekten vor, von denen folgende hier angeführt werden mögen: Henseval ver- öffentlichte 1895 eine vergleichende Untersuchung über >>Les Glandes de GiLSON an Phryganea grandis, mehreren Limno'philus- Aiten und Anabolia nervosa. Die Drüsen stimmen bei den genannten Formen darin überein, daß sie paarige stark verästelte schlauchförmige Organe vorstellen, die in den Thoraxsegmenten vorkommen. Die Ausleitungs- kanäle vereinigen sich zu einem unpaaren Gang, der in der Mittellinie der Ventralseite mündet. Der histologische Bau dieser Drüsen weicht von dem der Komplexdrüsen des Dytiscus ganz bedeutend ab; es fehlt den einzelnen Drüsenzellen das ausleitende Kanälchen mit seiner Binnenkapsel. Die secretorischen Elemente sind vielmehr alle um einen central gelegenen Ausleitungskanal angeordnet, der die ganze Länge des Drüsenschlauches durchzieht (Ghiandole pluricellulari semplici). Die Entleerung des Secrets erfolgt durch die chitinisierte Wandung in das Lumen des centralen Ganges. Henseval erblickt in diesen Drüsen »phylogenetisch alte Erbstücke von den wurmähnlichen Vor- fahren der Insekten (Arthropoden). »Sie sind die modifizierten Segmentalorgane. « Auch SuLC (1909) beschreibt bei den Larven der Cocciden zu- sammengesetzte Drüsen in den beiden ersten Abdominalsegmenten. Die secretorischen Elemente bilden die Wandung einer umfangreichen Blase, des Reservoirs. Diese Drüsen glaubt Sulc »mit den Coxaldrüsen und eventuell mit Nephridialüberbleibseln homologisieren zu können«. Viel ausgeprägter ist die segmentale Anordnung der Häutungs- drüsen von Bonibyx mori, die Verson entdeckt und zuletzt 1911 in einer Arbeit zusammenfassend beschrieben hat. »Bis zur Verpuppung finden sich bei Bombyx mori die Exuvialdrüsen in der ständigen Zahl von 15 Paaren vor.« Zwei Paare liegen in jedem Thoraxsegment, je ein Paar in den Abdominalsegmenten 1 — 7 und zwei Paare in dem achten Bauchring. In jedem Segment des Thorax mündet eine Drüse über dem Stigma, die zweite am Grunde der Extremität. In den Die Körperdocke und die Drüsen von D3-tiseus marginalis L. 495 Abdoniinalsegmenten isind die Drüsen direkt über dem Stijxnia ange- ordnet; nur im achten Segment ist auch eine Drüse unter dem Stigma vorhanden. Die vier Drüsen des letzten Abdominalsegmentes werden bei der Häutung in die Puppe resorbiert. Die Häutungsdrüsen von Bomhyx mori sind dreizellige Gebilde. Sie bestehen aus einem einzelligen Secretherd und aus zwei Zellen, welche einen Ausleitungskanal für das Secret bilden. Ganz ähnliche Häutungsdrüsen hat Plotnikow (1904) bei Boni- bi/x. bei Smerinthiis, Gastro pädia pini. PhaJera bucephala beschrieben. Zahl und Anordnung der Drüsen erinnert an die Verhältnisse bei Bombi/x mori. R. Schulze hat 1912 eine kurze Arbeit »Über Verson- Drüsen bei Lepidopteren« erscheinen lassen. Über das Vorkommen segmental angeordneter Drüsen bei Coleopterenlarven berichtet zunächst Claus, der bei Lina populi im Thorax und Abdomen Drüsen fand, die mit den Schreck- drüsen des Dytiscus gewisse Ähnlichkeit haben. Plotnikow beschreibt in seiner oben erwähnten Arbeit segmental angeordnete Häutungs- drüsen bei Chilocorus renipustulatus und einigen nicht näher bestimmten Coccinellidenlarven. Ferner hat Giacosa derartige Anordnungen von Drüsen bei Agelastica Älni beobachtet. Schließlich sei noch die Angabe von Georgevitch (1898) erwähnt, wonach bei Ocypus olens ein Paar Drüsen im Kopf, drei Paar im Thorax und zehn Paar im Ab- domen vorkommen. Diese Drüsen bestehen aus einer großen Zahl von fingerförmigen Röhren, die zuweilen am blinden Ende gegabelt sind. Die Schläuche besitzen ein kleines Lumen, welche von einer chitinösen Intima ausgekleidet wird. Die Wandung des Rohres wird von Drüsenzellen gebildet. Georgevitch wendet sich entschieden gegen die von Henseval vertretene Auffassung, daß jene segmental angeordneten Drüsen mo- difizierte Segmentalorgane seien. In den aufgeführten Beispielen hat man die Drüsen nur bei den Larven gefunden. Dytiscus marginalis ist meines Wissens der ein- zige bisher bekannte Coleopter, der eine so ausgeprägte segmentale Anordnung seiner Drüsen als Image erkennen läßt. Bei der Besprechung der verschiedenen Formen von zusammen- gesetzten Drüsen unsers Käfers war immer besonderer Nachdruck darauf gelegt worden, daß der secretorische Abschnitt aller Drüsen aus einzelligen Hautdrüsen aufgebaut ist. Geht man die oben auf- gestellte Reihe der Drüsen aufwärts durch, so kann man verfolgen, 496 Alois Caspcr, wie der secretorische . Abschnitt zunächst nur aus Haufen typischer einzelliger Hautdrüsen besteht, wie dann diese Elemente sich zu ein- zelnen Gruppen, Paketen, vereinigen, die ihrerseits schUeßlich eine komplizierte Anordnung der Zellen in den Pseudoacini aufweisen können. Immer aber sind es einzellige Hautdrüsen, also modifizierte Hypo- dermiselemente, welche die Bausteine der einfachsten, wie der kompli- ziertest gebauten Drüsen bilden. Bei Dytiscus kann über die Zurück- führung der Komplexdrüsen auf die Hypodermis, d. h. auf Hautdrüsen, kein Zweifel bestehen. Allein auf Grund der segmentalen Anordnung Beziehungen zu den Segmentalorganen der Würmer konstruieren zu w^ollen, dürfte insofern unstatthaft sein, als auch sehr primitive Drüsenbildungen, deren nahe Verwandtschaft zu den einzelligen Haut- drüsen klar auf der Hand liegt, wie die Häutungsdrüsen von Bombyx mori, eine ausgesprochen segmentale Anordnung aufweisen können. Die regelmäßige (segmentale) Anordnung der Drüsen dürfte bei Dytiscus dadurch zu erklären sein, daß sie an den betreffenden Stellen notwendig gebraucht werden. e. Die Entwicklung der Komplexdrüsen. Schon bei Besprechung der einzelligen Hautdrüsen war erwähnt worden, daß Drüsen des LEYDiGschen Typ in den Larven unsers Käfers nicht vorkommen. Auch die Komplexdrüsen würde man in Larven des ersten und zweiten Stadiums vergeblich suchen. Auch in dem dritten Stadium fehlt jede Spur der Drüse während des Wasserlebens der Larve. Zu der Zeit jedoch, wenn die Larve das Wasser verläßt, um sich in die Erde zu vergraben, erfolgt die Anlage der Drüse. Ihre Entwicklung muß sehr rftsch erfolgen, denn sie war auf Schnitten durch eine Larve, die vor 4 Tagen das Wasser verlassen hatte, schon vollständig ausgebildet. Die Anlage erfolgt also zu der Zeit, wenn sich die Häutung in der Larve vorbereitet. Die Loslösung der Hypodermis von der Cuticula beginnt schon, w^enn die Larve das Wasser verläßt; auf Schnitten durch eine Larve, die konserviert wurde, als sie im Begriff war, das Wasser zu verlassen, hatte sich die Hypodermis schon streckenweise von der Cuticula gelöst. Besonders auffällig war diese Erscheinung an der Tracheenmatrix einer etwas älteren Larve zu beobachten (Fig. 35), die sich zur Bildung des viel größeren Puppenstigmas (sap) w^eit von der Intima des Stigmen- halses der Larve (sal) zurückgezogen hatte (Fig. 35 a). Gegen diese frühzeitige partielle Loslösung der alten Cuticula (c^) spricht aber keineswegs der Umstand, daß die Larve noch taselanK nach dem Ver- Dil- Kürpcrdcckc und die Diiiscn von Dytisciis margiiialis L. 497 kusen des Wassers zunächst uiulierkriecht, sich dunu in die Erde ein- wühlt und dort den Puppenkessel baut. Die epitheliale Sehne und die ihr benachbarten Partien der Hypodermis bleiben, wie man auf Schnitten sehen kann, länger mit der alten Cuticula in Verbindung als andre Teile der Hypodermis, z. B. die Matrix der Tracheen. Da also die Muskelinsertion von der beginnenden Häutung vorläufig nicht be- troffen wird, so kann sich die Larve ihrer Muskeln noch sehr wohl zu den oben erwähnten Bewegungen bedienen. Übrigens liegen Angaben in der Literatur vor, die das gleiche Verhalten der Muskeln während der Häutung bei andern Insekten beschreiben. Die Drüsen entstehen zweifellos durch Einstülpung der Hypodermis von der Körperoberfläche aus. Diese Anschauung vertreten die meisten Autoren. Dierckx hat die einzelnen Vorgänge, welche sich im Ver- lauf der Entwicklung der Pygidialdrüsen abspielen müssen, an Hand schematischer Figuren erläutert. Den entwicklungsgeschichtlichen Nachweis für diese Theorie der Bildung der Drüsen durch Einstülpung erbrachte eine Eeihe von Autoren, welche die Anlage der Speicheldrüsen einiger Insekten an Embryonen verfolgten. Grassi, Bürc4ER, Carriere, Graber und Heymons stim- men, wie ich Berlese entnehme, darin überein, daß die Anlage der Drüsen als eine Einstülpung der Hypodermis erfolgt. Bei Dytisciis werden die Drüsen im dritten Larvenstadium ange- legt. Um die Entwicklung der Gebilde zu verfolgen, wurde eine Reihe von Larven in verschiedenen Zeitabständen von dem Augenblick, wo sie das Wasser verlassen, konserviert. Der Untersuchung stellten sich aber große Schwierigkeiten in den Weg. Der außerordentlich harte Chitinpanzer der alten Larven des dritten Stadiums bereitet beim Schneiden große Mühe; trotz aufgewandter großer Sorgfalt gelang es nicht, brauchbare, d. h. lückenlose Schnittserien herzustellen. Ein Abpräparieren des Chitins ist unmöglich, weil man dabei unfehlbar die Hypodermis verletzt. Die neue Cuticula ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschieden, so daß die Hypodermis vollständig unge- schützt unter der alten Cuticula liegt. Die Untersuchung des lücken- haften Materials konnte natürlich kein klares Bild von den Vorgängen geben. Meine Bemühungen scheiterten also an der technischen Schwie- rigkeit, welche das Schneiden der alten Larve bereitet. Nur soviel konnte mit Sicherheit festgestellt werden, daß die Drüsen in den ersten Tagen nach dem Verlassen des Wassers angelegt werden. An einer Larve, die seit 4 Tagen an Land lebte, waren die- selben schon vollkommen entwickelt. Allerdings war von der Chitin- 498 Alois Casper, auskleidung des Ausleituugskanals nocii nichts zu sehen, da die Ab- scheidung des Chitins in dieser Larve überhaupt noch nicht begonnen hatte. Bei der Häutung der Larve und ihrem Übergang in die Puppe sind alle Drüsen vollständig angelegt. Ob sie aber zu diesem Zeitpunkt Secret absondern, ist nicht mit Bestimmtheit zu sagen. Die große Schwierigkeit, die sich dem Studium der Histologie der Drüse ent- gegenstellt, besteht, wie oben schon gesagt wurde, in der Härte des Chitins der alten Larven des dritten Stadiums. Es ist außerordent- lich schwer, genügend dünne Schnittserien herzustellen, die eine histo- logische Untersuchung ermöglichen. Günstiger liegen die Verhältnisse bei der Puppe, wo man in den Drüsenzellen die verschiedensten Secretionsstadien finden kann. Natürlich gilt das, was über Bau und Lage der Komplexdrüsen des Käfers gesagt wurde, mit geringen Einschränkungen auch für die Puppe. Eine Besonderheit der Lage der Drüse in der Puppe verdient Erwähnung. Das Abdomen der Puppe ist walzenförmig und besitzt nicht die dorsoventrale Abplattung des Käferabdomens. Ein Querschnitt durch den Hinterleib der Puppe zeigt eine elliptische, fast kreisförmige Be- grenzungslinie. Die Gelenkhaut zwischen den Tergiten und den Pleuren ist bei der Puppe also nicht zur Bildung der Längsfalte am Außen- rande des Abdomens eingesenkt, sondern sie macht den am stärksten gekrümmten Teil der Ellipse aus. Mithin liegt auch die Mündung des sekundären Drüsenkanals frei auf der Körperoberfläche, ist also nicht wie bei der Imago in jene tiefe Rinne der Rückendecke ver- senkt. Diese Verhältnisse sollen die beiden Querschnitte Fig. 35 a und b erläutern. Die Schnitte sind durch eine Larve geführt, die vor der Häutung in die Puppe steht. Die alte Larvencuticula (ßi) ist schon losgelöst, die alte Tracheenintima (tri) liegt noch in dem neugebildeten Puppenstigma und läßt die Gestalt des alten geschlossenen Stigmen- halses der Larve {sal) erkennen. Der Stigmenhals ist schräg abge- schnitten. Sein Ende ist in Fig. 35 b zu sehen. Dieser Schnitt ist etwas weiter caudalwärts geführt, als der in Fig. 35 a gegebene. Man erkennt, daß die Drüse hinter dem Puppenstigma, aber in gleicher Höhe wie dieses, auf der stark gekrümmten Rückendecke des Abdomens liegt. Auf diesen Punkt wird weiter unten in einem andern Zusammen- hang noch einmal eingegangen werden. Die IvöriHTtlcikc uiul ilio Drüsen von Dyti«cu.s marginalis L. 499 f. Die Funktion der Komplexdrüsen. Von den segmental angeordneten Koniplexdrüsen sind die im Prothorax gelegenen von Blunck eingehend auf ihre physiologische Bedeutung untersucht worden. Aus einer Mitteilung im zoologischen Anzeiger geht hervor, daß Blunck in diesen Drüsen ein Verteidigungs- mittel des Käfers gegen seine größeren Feinde erblickt. Für die üljrigen Komplexdrüsen ist diese Deutung nicht angängig. Ein Versuch, die Bedeutung dieser Drüsen aus der Natur des Secretes zu erschließen, scheiterte an der Unmöglichkeit, größere Mengen des Secrets zu erhalten. Nur soviel scheint klar zu sein, daß das Secret fettartigen Charakter besitzt. Man ist also gezwungen, aus der Lage und Anordnung der Drüse im Körper und ihren Beziehungen zu andern Organen Schlüsse auf ihre eventuelle Funktion zu ziehen. Ein der- artiges Verfahren besitzt naturgemäß spekulativen Charakter, weshalb ich das Folgende nur unter Vorbehalt äußere. Innige Beziehungen scheinen zwischen den Stigmen und den Drüsen zu bestehen. Die Lage Verhältnisse von Drüse und Stigma des ersten Abdominalsegmentes (Fig. 32) lassen vermuten, daß das Secret eine fettartige Substanz sein dürfte, welches den Reusenapparat des Stigmas imprägniert, um das Eindrin- gen von Wasser in die Tracheen zu vermeiden. Haben die Komplexdrüsen wirklich diese Funktion, so ist ihre Lage in den übrigen Abdominalsegmenten unpraktisch, weil das Secret die Haare viel besser benetzen könnte, wenn die Drüsen an dem nach innen gewandten, höher gelegenen Rande des Stigmas mündeten. Auch die Lage der Drüse im Mesothorax unter dem Stigma wäre unter diesen Umständen sehr un^ünstio-. weil das Secret so niemals an die Haare des schornsteinartig in den Gelenkraum zwischen Pro- und Mesothorax hervorragenden Stigmas gelangen kann. Ferner ist unter dieser Voraussetzung das Fehlen der Drüsen im achten Abdominal- Segment ganz unerklärlich, weil diese Stigmen genau so gebaut sind, wie die übrigen abdominalen Stigmen und einer Einfettung ihres Reusen- apparates ebenso wie die andern bedürfen würden. Die oben gemachte Annahme über die Funktion der Drüse muß also falsch sein; schließlich ist ja auch eine Einfettung der Stigmenhaare als Schutz gegen das Eindringen von Wasser in die Tracheen bei den abdominalen Stigmen ganz unnötig, weil sie sich in die Atemhöhle, in die lufterfüllte Kammer zwischen Elytren und Rückendecke des Käfers, öffnen, also mit Wasser nie in Berührung kommen. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CVII. Bd. 33 500 Alois Casper, Fällt somit die Ansicht, daß eine direkte Beziehung zwischen Drüsen und Stigmen besteht, so bleibt immer noch eine Be- ziehung zwischen Drüsen und Atmung^ und somit indirekt zu den Stigmen als möglich bestehend. Bekanntlich benutzt der Käfer in Anpassung an sein Wasserleben den Raum zwischen Elytren und Kückendecke des Abdomens als Atemhöhle, in der er Luft speichert, die ihm einen längeren Aufenthalt unter Wasser ermöglicht. Der Luftwechsel geschieht zwischen dem hinteren Rande der Elytren und der Rückendecke des letzten sicht- baren Abdominalsegmentes hindurch. Nun hat schon Dierckx in seiner interessanten und eingehenden Untersuchung der Funktion der Pygidialdrüsen erklärt: >>La glande pygidienne est destinee ä faciliter la fonction respiratoire <<. Und zwar sondern nach Dierckx die Pygidialdrüsen ein Fett ab, welches in einer dünnen Lage die Elytren, besonders die Ränder der Elytren überzieht und das Eindringen des Wassers zwischen den Pleuren und den Epipleuren der Elytren hindurch unmöglich macht. Sogar die weichen Flügel, die Innenseite der Elytren, sowie die Rückendecke des Abdomens benetzen sich nur schwer, weil sie von einer dünnen Fettschicht überzogen sind. Das Secret der Pygidialdrüsen wird auf folgende Weise von seiner Austrittstelle am Analende aus über den ganzen Hinterleib verbreitet: Der Käfer verreibt nach der Beobach- tung von Dierckx das Secret mit seinen Schwimmfüßen über den ganzen Hinterleib, indem die starren Haare des Tarsus dabei wie Bürsten wirken. Die Verbreitung des Secrets über die vorderen Segmente des Abdomens ist so aber nicht gut denkbar. Vor allem entstehen Schwierig- keiten, wenn man sich klar machen will, wie das Secret in die Atem- höhle hineingelangt und dort die Wände überzieht, wenn man mit Dierckx die Pygidialdrüsen als seine einzige Quelle ansieht. Diese Schwierigkeiten fallen weg, wenn man annimmt, daß jenes Secret, welches die Innenseite der Wandung der Atemhöhle überzieht und die Abdichtung zwischen Pleuren und Epipleuren bewirkt, aus den segmental angeordneten Komplexdrüsen der Abdominalsegmente 1 — 7 stammt. Bei starken Atembewegungen muß das Secret infolge der gege- benen Lage der Drüsen zwischen Pleuren und Epipleuren gelangen. Bei dem bekannten Bestreben der Fette, sich auf ihrer Unterlage aus- zubreiten, ist es weiterhin sehr wohl verständlich, daß die Wandung der Atemhöhle und die weichen Flügel von einer dünnen Fettschicht Die Körperdecke und die Drüsen von Dytiscus niarginalis L. 501 Überzogen sind, da 14 aivsehnliche Drüsen ständig ihr »Secret in diesen Raum hinein absondern. Höchst wahrscheinHch unterstützen die segmental angeordneten Koniplexdrüsen die Pygidialdrüsen in ihrer Funktion. Das Secret der Pygidialdrüsen wird vornehmlich zur Ein- fettung des hinteren Abschnittes des Abdomens dienen. Infolgedessen sind in den letzten Segmenten die pseudoacinösen Drüsen überflüssig. Tatsächlich finden wir sie nur in den sieben ersten Segmenten, während sie in dem achten und den folgenden fehlen. Die Funktion der im Mesothorax gelegenen Drüse müßte man sich dann so vorstellen, daß ihr Secret die Gelenkhaut zwischen Pro- und Mesothorax und besonders die Kanten der harten Skelett- ringe der beiden Thoraxsegmente einfettet. Dadurch würde ein fester Schluß des Prothorax gegen den Mesothorax bewirkt, und das erste thoracale Stigma käme so ebenfalls wie die abdominalen Stigmen in einen Raum zu liegen, der gegen das Eindringen von Wasser allseitig gut abgedichtet wäre. Dieser feste, luftdichte Abschluß der Gelenk- höhle zwischen Pro- und Mesothorax kann dauernd erhalten bleiben, weil dieses Stigma im Wasser nicht funktioniert, sondern nur beim Fliegen in Tätigkeit tritt. Gegen diesen Erklärungsversuch spricht aber anscheinend das Fehleu der Drüse im Metathorax. Man kann diesen Einwand leicht durch folgende Erwägung abschwächen. Das zweite thoracale Stigma, das zwischen Meso- und Metathorax liegt, ist durch seinen besonderen Bau gegen das Eindringen des Wassers besser geschützt, als die übrigen Stigmen. Es vermag seine Öffnung mit den weich- häutigen lippenförmigen Stigmenrändern fest zu verschließen. Dieses Stigma braucht also nicht in eine gut abgedichtete Luftkammer ein- geschlossen zu werden. Eine Drüse, die ihr Secret in die Gelenkfalte zwischen Meso- und Metathorax ergießen würde, wäre also überflüssig, Auch dieses Stigma funktioniert nur beim Flug und ist im Wasser fest geschlossen. Nun könnte man reffen diese Ausführungen einwenden, daß die Drüsen schon zu einer Zeit angelegt werden und funktionsfähig sind, wo die Elytren noch kurze häutige Säckchen bilden, wo also die Atem- höhle überhaupt noch nicht besteht und die Puppe noch in der Erde vergraben lebt, also mit Wasser gar nicht in Berührung kommt. Diesem Umstand ist wohl kaum besondere Bedeutung beizumessen. Es werden ja, wie oben schon auseinandergesetzt Avurde, alle Drüsen des Leydig- schen Typ bei der Häutung der Larve in die Puppe angelegt. Die frühe Bildung der pseudoacinösen Drüsen erklärt sich nun sehr einfach 33* 502 Alois Casper, dadurch, daß ihre Herausdifferenzierung aus der Hypodermis zu jener Zeit erfolgen muß, wo eben am ganzen Körper die tiefgreifenden Ver- änderungen, die Herausbildung des Käferkörpers aus der Larve, statt- finden. Fällt nun auch der eigentliche Zweck des Secrets der Komplex- drüsen, eine Abdichtung der Atemhöhle zu bewirken, bei der Puppe weg, so bleibt immer noch die primäre Funktion der Drüse, nämhch die Einfettung der Körperdecke, bestehen. Die Komplexdrüsen würden also gemeinsam mit den Hautdrüsen einen fettigen Überzug der Körper- oberfläche liefern. Die weiter oben beschriebene Lage der Mündung in der stark gekrümmten dorsalen Seite des walzenförmigen Abdomens der Puppe begünstigt die Verbreitung des Secrets über einen großen Bezirk der Körperoberfläche. Da die Puppe nur eine relativ dünne Cuticula besitzt, so ist ein solcher Fettüberzug der Puppe von großem Vorteil, da er sie gegen die schädigenden Einflüsse der Bodenfeuchtig- keit schützt. Daß die Drüse in erster Linie in inniger Beziehung zum Wasserleben von Dytiscus steht, geht auch schon daraus hervor, daß derartige Bildungen bei Landkäfern nicht beschrieben sind. Ich fasse daher meine Meinung von der Bedeutung der Drüsen dahin zusammen, daß sie in Anpassung an das Wasserleben erworbene Organe sind, deren Funktion mit jener der Pygidialdrüsen übereinstimmt ; sie ermöglichen durch die abdichtende Wirkung ihres Secrets einen guten Verschluß der Atemhöhle und befähigen somit den Käfer zu längerem Aufenthalt unter Wasser. C. Zusammenfassung. 1) Die Körperdecke von Dytiscus marginalis setzt sich zusammen aus der Cuticula und der Hypodermis mit ihrer Basalmembran. Die Hypodermis ist eine einschichtige Zellage, die beim jungen Käfer an- sehnliche Höhe besitzt; beim alten Käfer wird sie stark reduziert. Sie bildet das Chitin teils durch Abscheidung, teils wohl durch direkte Umwandlung des Zellplasmas. 2) Die Cuticula der Larve und Puppe hat annähernd überein- stimmenden Bau; sie besteht aus einer Außenlage mit Grenzhäutchen und einer Hauptlage, die beide aus einer großen Zahl von Lamellen zusammengesetzt sind. 3) An der Cuticala der Imago kann man zwei Schichten unter- scheiden, das Epiderma mit dem Grenzhäutchen und das Derma; das letztere umfaßt viele Lamellen, Balkenlagen, die ihrerseits aus zahlreichen, gleichgerichteten, in einer Ebene verlaufenden Chitin- I Die Körpcrdecko und die Drüsen von Dytiscus niarginalis L. 503 balken oder Bändern bestehen. Das Aufsicht.sbild der harten Teile der Körperdecke, besonders des Pronotums und der Elytren zeigt kompUzierte Strukturen. 4) Die Insertion des Muskeln an der Körperdecke ist eine »indi- rekte«; sie erfolgt mit Hilfe einer epithelialen »Sehne« (modifizierte Zellen der Hypodermis). 5) Die einzeUigen Hautdrüsen sind modifizierte Epidermiselemente. Ihre Anlage erfolgt bei der Häutung der Larve in die Puppe. Sie sind vornehmlich Firnis- oder Schmierdrüsen. 6) Die bei Di/tiscus vorkommenden zusammengesetzten Drüsen- bildungen lassen sich in eine Reihe einordnen, welche die Entwicklung der kompliziertesten Drüsenorgane aus den einfachsten Elementen, den einzelligen Hautdrüsen, darstellt. 7) Durch Vereinigung einzelliger Hautdrüsen zu Bündeln ent- stehen die Drüsenpakete, deren secretorische Elemente specifische Modifikationen des feineren Baues der typischen Hautdrüse erfahren können. 8) Im Typ 1 der Drüsenpakete ist die Vereinigung der Drüsen nur eine lose; ihre Mündungen sind über einen großen Bezirk verteilt. Sie treten am Geschlechtsapparat auf. 9) Die Zellen des Typ 2 bilden ein festumschlossenes Paket. Die Chitinröhrchen vereinigen sich zu einem Bündel und durchsetzen die Körperwand gemeinsam in einem Cribellum. Diese Pakete sind auf die Kauwerkzeuge beschränkt. 10) Die Vereinigung der Elemente ist im Typ 3 wieder nur eine lockere. Im feineren Bau der Zellen besonders ihrer Binnen blase UT\terscheiden sie sich voneinander und von den gewöhnlichen Haut- drüsen. Die beiden Drüsenformen, welche das an dem Scheidenrohr gelegene Paket zusammen bilden, sind die schlauchförmigen und die keuligen Drüsen. Alle drei Formen von Drüsenpaketen sind vorwiegend Schmier- drüsen. 11) Der Erwerb eines sekundären Ausleitungskanals, einer Ein- stülpung der Körperdecke, ermöglicht die Weiterentwicklung der Drüsen über die Pakete hinaus zu den Komplexdrüsen. Daneben tragen Veränderungen des feineren Baues der Zelle zur Vervollkomm- nung der Drüsen bei. Die Komplexdrüsen zeigen drei Formen: die Schreckdrüsen, die pseudoacinösen Drüsen und die Pygidialdrüsen. 12) Der sekundäre Ausleitungskanal der Schreckdrüsen ist eine 504 Alois Casper, Blase. Der secretorische Abschnitt besteht aus Drüsenpaketen des zweiten Typ. Die Wandung der Binnenblase der Zellen ist in An- passung an die gesteigerte Tätigkeit der Drüsen stark verdickt. 13) In den pseudoacinösen Drüsen bildet der Kanal ein Eohr mit zahlreichen Verzweigungen. Die Drüsenzellen sind zu Pseudoaciui, Säckchen, vereinigt, in deren Innerem die ausleitenden Chitinröhrchen zu Bündeln zusammengefügt verlaufen. Jeder Zweig des sekundären Kanals nimmt das Bündel eines Drüsensackes auf. 14) Die Pygidialdrüsen zeigen die höchste Entwicklung. Der sekundäre Kanal besteht aus einem weiten Rohr, welches durch eine blindsackartige Erweiterung einen Sammelbehälter für das Secret bildet, und einem Sammelkanal. Die secretorischen Elemente bilden die Wandung des langen Drüsenschlauches, in dessen Innerem der Sammelkanal verläuft. Der secretorische Abschnitt ist aus zwei Drüsen- formen zusammengesetzt. In der Binnenblase der Zellen der inneren Schicht der Wandung des Schlauches endet das Chitinröhrchen mit einer kugeligen Ampulle; die Wandung der Binnenblase ist eine dünne Membran. Bei den Drüsen der äußeren Schicht verzweigt sich das Röhrchen in mehrere kurze Astchen. Die Sammelblase folgt diesen Verzweigungen mit lappenförmigen Vor Wölbungen. Die Wandung der Binnenblase dieser Zellen ist eine deutlich zweiseitig konturierte Membran. 15) Die Schreckdrüsen sind ein Verfceidigungs mittel des Käfers gegen seine größeren Feinde. Das Secret der pseudoacinösen und Pygidialdrüsen wird zur Abdichtung der Atemkammer-unter den Elytren bzw. der Gelenkfalte zwischen Pro- und Mesothorax benutzt. Die Drüsen stehen im Dienste der Atmung; sie sind sekundäre, infolge des Wasserlebens des Käfers erworbene Organe. 16) Dytiscus marginalis ist meines Wissens der einzige bisher be- schriebene Coleopter, der eine derartig ausgesprochen segmentale An- ordnung seiner Drüsen als Iniago aufweist. Es liegen je ein Paar im Prothorax, Mesothorax, Abdominalsegment 1 — 7 und Analsegment. 17) Die Drüsenzellen besitzen einen bläschenförmigen Kern und anscheinend wabig netzförmig strukturiertes Plasma. Der Secret- ausleitung dient ein dünnes Chitinrohr, das nach dem Verlassen der Zelle von seiner kernhaltigen Matrix umhüllt wird. Sein blindgeschlosse- nes Ende steckt in der Binnenblase. Die Wandung derselben ist eine solide Membran (alloplasmatisches Organ) mit feinen Durchbohrungen, durch die dünne Plasmafäden von der Zelle aus in den Hohlraum der Blase treten, um zum Chitinröhrchen zu ziehen. Die Körpcrdcckc uiul dif Drüsen von Dvliscnis niarginalis L. 505 18) Eine Secretionsperiodo der Drüsen wird durch die Vermehrung des Chromatins vom Nucleolus aus eingeleitet. Das Secret entsteht im Plasma, häuft sich um die Binnenblase herum an und wandert ent- lang den feinen Plasmafäden durch die Durchbohrungen der Membran in die Binnenblase, von wo es auf osmotischem Wege durch die Wan- dung des Chitinröhrchens austritt. Während einer Secretionsperiode wird die Zelle erschöpft, das Chromatin ihres Kernes aufgebraucht. Eine neue Secretionsperiode wird wieder durch Vermehrung des Chro- matins eingeleitet. Die Drüsenzelle hat eine eben so lange Lebens- dauer wie der Käfer; sie macht viele Secretionsperioden nacheinander durch. Zum Schluß sei es mir gestattet, Herrn Geh. Keg.-Ilat Prof. Dr. E. KoRSCHELT für die Anregung zu dieser Arbeit und das stete, gütige Interesse, das er mir bei ihrer Ausführung entgegenbrachte, meinen aufrichtigen Dank zu sagen. Auch den Herren Prof. Dr. TöN- NiGES, Dr. Harms und Dr. Blunck bin ich für ihre freundliche Un- terstützung zu Dank verpflichtet. Marburg j März 1913. Literaturverzeichnis. A. 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Internat. Revue ges. Hydrobiologie u. Hydrogeographie. Biol. Suppl., V. Ser. 1912. Erklärung der Abkürzungen. a, Außenlage; bl, Bhndsack; ad, Adern; c, Cuticula; adr, pseudoaeinöse Drüse; c^, alte Cuticula; ap, Ampulle; c^, junge Cuticula; as, Analplatte; ch. Chromatin; b, Basalmembran; cmu, eirculär verlaufendes Muskel- ba, Chitinbalken; bündel; bk, Bindegevvebskern; er, Cribellum; 508 Alois Casper, Die Körperdecke u. d. Drüsen v. Dj'tiscus margin. L, d, Drüsen; de, Drüsenkanal; dcz. Zweig des Chitinröhrchens; dk, Drüsenkern; dp, Drüsenpaket; dr, Drüsenhaufen; dz, Drüsenzelle; D, Derma; Dd, Dünndarm; Dr, Komplexdrüse; Drs, Drüsensack; Drsch, Drüsenschlauch; Ep, Epiderma; /, Muskeif ibrille; ft, Fettkörper; g, Grenzhäutchen; gh, Gelenkhaut; gs. großer Spaltraum; H, Hypodermis; h, Hauptlage; lia, Härchen; hf, Hautfalte; hk, Balkenschicht; hp, Innenlage; hzk, Hypodermiszellkern ; i, Intima; k. Kern; k^. Kern der Matrix derChitinröhrchen; kma. Kern der Matrix; kl, kolbenförmige Sinnesorgane; km, Kernmembran; krp. Körperdecke; Imu, Längsmuskeln; M, isotrope Scheibe; Mt, Mesothorax; m, Mittellage; ma, Matrix; mh, Wandung der Binnenblase; mbp, Durchbohrungen der Wandung der Biimenblase; mp, Membrana propria; mu, Muskel; muk, Muskelkern; mup, Muskelplasma; n, Nucleolus; no, Notum; nor, Notumrand; pl, ps. Porenkanal ; Plasma der Matrix des Chitinröhr- chens ; Pleuren ; Plasma ; Pt, Prothorax; Pl/, Pygidialdrüsen; Q, anisotrope Scheibe; ra, Rectalamj^ulle; re. Rectum; rf, Randfalte der Rückendecke; rs, Secretbehälter; s, Spaltraum; sa, Stigma; sah, Stigmenhof; sal, Stigmenhals der Larve; sap, Puppenstigma; sc, sekundärer Drüsenkanal; scp, Plasma des sekundären Drüsen- kanals ; sdr, Schreckdrüse; sg, Segmentgrenze; sl, Sarcolem; sp, Strahlung im Zellplasma; ssp, Seitenspangen des Geschlechts- apparates ; sf, Plasmastränge in der Binnenblase; sz. Zweige des sekundären Drüsen- kanals; t, Tonofibrillen; tg, Tergit; tr, Trachee; tri, alte Tracheenintima; ts, Secrettropfen ; ur, Genitalklappen; V, Chitinpfeiler zwischen oberer und unterer Cuticula; vs. Binnenblase; vsc, Binnenblase mit centraler Ampulle ; vsz. Binnenblase mit verzweigtem Chi- tinröhrchen; w, wabenartige Struktur der Emaille- schicht; z, Chitinzapfen; Y, isotrope Scheibe; zg, Zellgrenze; zk, Z-Körnchen. Histologische und vergleichend anatomische Unter- suchungen an Cephalopoden. Von Fritz Rich«ird Tippmar aus Glauchau. (Aus dem zoologischen Institut zu Leipzig.) Mit 39 Figuren im Text und Tafel XV und XVI. Inhalt. Seite Einleitung 510 I. Abschnitt: Histologisches über den Mantel der Cephalopoden 511 1. Vorbemerkungen 511 2. Die Anordnung der Muskelfasern im Mantel 513 3. Der Mantel der gallertigen Cephalojioden 520 4. Das Epithel und das subcutane Bindegewebe 528 5. Über die Pflasterung (Schup]>enbildung) der Haut 533 6. Hautorgane 538 7. Die Hautmuskulatur 540 8. Die Innervierung des Mantels 543 Anhang: Zwei Leuchtorgane von Mastigoteuthis Hyorti 544 IL Abschnitt: V^ergleichend anatomische Untersuchungen 547 1. Teil: Die Körpermuskulatur 547 1. IMusculus depressor infundibuli und retractor capitis lateralis . . . 547 2. Musculus adductor pallii medianus 553 3. Musculus adductor pallii lateralis 555 4. Musculus retractor capitis medianus 556 5. Musculus collaris 557 6. Musculi adductores infundibuli 5G0 2. Teil: Die postembryonale Entwicklung von Calliteuthis reversa 563 Literatvu"verzeichnis 569 Erklärung der Abbildungen 572 I 510 Fritz Richard Tippmar, Für die Anregung zu den vorliegenden Untersucliungen sowie für die Überlassung des kostbaren Materials bin ich meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Prof. Dr. Carl Chun, der meine Arbeit auch jederzeit durch seinen fachmännischen Rat unterstützte, zu großem Danke verpflichtet. Die Arbeit gliedert sich in zwei Abschnitte, in einen histologischen und einen vergleichend anatomischen. In dem ersteren behandle ich den Mantel der Cephalopoden in bezug auf die Anordnung seiner Mus- kulatur und berichte über Besonderheiten, welche mir bei der histo- logischen Untersuchung der verschiedenen Formen aufgefallen sind, woran sich eine Schilderung zweier bisher nicht bekannter Leuchtorgane knüpft. Der zweite Abschnitt zerfällt seinerseits in zwei Teile, einen über die Körpermuskulatur, der sich im wesentlichen auf die Arbeiten von Chun (1910), Appellöf (1898) und Brock (1882, 1880) stützt, und eine Untersuchung über die postembryonale Entwicklung von Calliteuthis reversa. Das Material stammt aus der Ausbeute der Deutschen Tiefsee- expedition (1898 — 99), der MiCHAEL-SARS-Expedition (1910) und aus dem zoologischen Museum der Universität Leipzig; ein Stück {Alloposus mollis) erhielt ich vom ozeanographischen Museum in Monaco. In den Bereich meiner Untersuchungen habe ich folgende Arten hereinbezogen : I. Oegopsiden: II. Myopsiden: Äbralio'psis Morisii Se-pietta minor Pterygioteuthis Giardi Rossia macrosoma Calliteuthis reversa Heteroteuthis dispar Stenoteuthis Bartramii Sepia offizinalis Todaropsis Veranyi Sepia elegans BracJiioteuthis Riisei Loligo marmorae. Mastigoteuthis Hyorti Chiroteuthis imperator Doratopsis sagitta Desmoteuthis III. Octopoden: Argonauta argo Alloposus mollis Tremoctopus violaceus Octopus vulgaris Tremoctopus atlanticus Eledone moschata. Zur Orientierung verwende ich die sogenannte physiologische. Histologische u. vcrgleiclu'nd anatomische Untersuch, an Cephalopoden. 511 I. Abschnitt: Histologisches über den Mantel der Cephalopoden. 1. Vorbemerkungen. Die Körpergestalt der Cephalopoden wird im wesentlichen durch den Mantel bedingt, der zuweilen eine kolossale Größe im Verhältnis zum Kopf erlangt, womit nicht gesagt sein soll, daß nicht auch das umgekehrte Verhältnis Platz griffe. Die Hauptmasse des Mantels besteht aus mehr oder weniger kräftig entwickelter Muskulatur, wobei zu bemerken ist, daß sich die einzelnen ]\Iu8kelfasern zu Muskelschichten zusammenlegen, im Gegensatz zu der eigentliclien Körpermuskulatur, wo sie einzelne Stränge und Stämme bilden, deren im zweiten Teile gedacht werden soll. Um die Anordnung der Muskelfasern im Mantel näher kennen zu lernen, wurden eine ziemlich große Zahl verschiedener Species unter- sucht, und es hat sich dabei herausgestellt, daß sie im Prinzip bei allen Formen die gleiche ist; größere Abweichungen findet man nur bei den gallertigen Formen. Man kann im Mantel vier nach ihrem Verlauf verschieden charak- terisierbare Muskelgruppen unterscheiden: eine Eingmuskulatur, die den Hauptanteil an seinem Aufbau nimmt, eine Längsmuskulatur, die ganz verschieden stark entwickelt sein kann, eine Radiär- und eine Hautmuskulatur. Als erste haben Lebert vmd Robin (1846) die Muskelfasern der Cephalopoden einer näheren Untersuchung unterzogen. Während sie noch die einzelnen Fasern als Fasern von gleichmäßigem Aussehen beschreiben, erkannte sie dann H. Müller (1853) als deutliche ein- fache Faserzellen mit einem Kern. Später haben sich eine ganze Reihe von Forschern damit beschäftigt, wobei sich lange Zeit zwei Meinungen gegenüber standen, nämlich, ob man es bei den Cephalopoden mit glatten oder mit quer gestreiften Muskelfasern zu tun habe. Nach den Untersuchungen von Engelmann (1887), Ballowitz (1892) und Mar- ge au (1907) ist klargelegt worden, daß keine dieser Bezeichnungen berechtigt ist, sondern, daß man sie als doppelt schräg gestreifte an- zusprechen hat. Jede Muskelfaser stellt sich sonach als eine spindelförmig lang ausgezogene Zelle dar und zeigt schon bei geringer Vergrößerung eine äußere Rindenschicht, die sich deutlich gegen einen von körnigem Protoplasma erfüllten Hohhaum abhebt. In der Mitte liegt der läng- hch-ovale Kern, der oft eine ansehnliche Größe erlangen kann. Die 512 Fritz Richard Tippmar, Rindensubstanz ist contractu und bestellt aus Fibrillen, die schrauben- förmig die protoplasmatisclie Achse umschließen. An den breitesten Teilen bestehen sie nach Makceaus Untersuchungen (1907) ihrerseits wieder aus zwei fast verschmolzenen Fibrillen, an den Enden hingegen nur aus einer einzigen. Die Zusammensetzung der Rinde verrät sich auf Querschnitten oft dadurch, daß man diese nicht als homogenen, sondern vielfach unterbrochenen Ring erkennt. Schon R. Wagener (1863) sah an mit Essigsäure behandelten trockenen Cephalopodenmuskeln radiäre Linien der Rinde; Ballowitz (1892) bildet Querschnitte nach Goldpräparaten ab, bei denen an jeder einzelnen Faser diese Radiärstreifung zu erkennen ist. Auf einzelnen, nicht auf allen Querschnitten habe ich ebenfalls eine Auflösung der Rinde in kleine Partien bemerkt, diese glich indessen ,ch nicht einer Radiärstreifung, sondern ich erhielt ^1/ ISf Bilder ähnlich einer Perlenkette (Textfig. 1). Viel- t^ (C\ (®\ leicht ist dies aber auf Schrumpfungserscheinungen \J V_y KJ zurückzuführen. v) Co/ ^ -^^^ Dicke der Rinde, die an ein und derselben ^ ^. , Faser auf dem gleichen Querschnitt im ganzen Um- Textfig. 1. ^ ^ chvroteuthü imperator : ^ ^ug dieselbe ist, kann bei den verschiedenen Formen Querschnitte von Ring- [^11 Verhältnis zuiii Durchmesser der protoplasmati- muslvelfasern mit Perl- _ ... sdinurstruivtur. schcu Achsc schr verschieden sein. Man findet im allgemeinen, daß bei den Formen mit derber Mu- skulatur, wie z. B. bei Rossia macrosoma und Sepia officinalis die Rinde sehr dick und das Lumen sehr klein ist, während bei Formen mit schlaffer Muskulatur ( Chiroteuthis) das umgekehrte Verhältnis Platz greift. Quergestreifte Muskelfasern haben sich nach H. Müller (1853) in den Kiemenherzen und nach Guerin (1908) in den transversalen Muskeln der Decapodenfangarme nachweisen lassen, im Mantel nicht. Nach einer Untersuchung von Lapitte-Dupont (1901), die mir leider nicht zugänglich war, kommen im Mantel von Sepia officinalis außer den gewöhnlichen Muskelfasern drei andre Arten von Fasern vor. »Die einen sind bandförmig <> und tragen am einen Ende eine birnförmige, zweischichtige Anschwellung, die häufig auch den Kern enthält. Die andern laufen am einen Ende spitz zu und zeigen in ihrem verbreiterten Teil eine wahrscheinlich spiralige Querstreifung. Endlich kommen selten mehrere Zentimeter lange, quergestreifte Fasern vor; in ihnen wechseln kurze, breite, dunkle Streifen mit langen dünnen hellen in regelmäßigen Abständen ab« (Zoolog. Jahresber. 1901). Histologische u. vergleichend aiia(oiiiischc Untersuch, an Cephalopoden. 513 — mu. long, exh 2. Die Anordnung der Muskelfasern im Mantel. Ein typisches Bild für die Anordnung der Hauptmantelnmskulatur gibt ein Längsschnitt durch den Mantel von Rossia macrosoma (Textfig. 2). Den Hauptanteil beansprucht die Eingnniskulatur {mu.circ). Die einzelnen Fasern verstreichen hier parallel dem Mantelrande und lassen nur bei einigen Formen mit großem Schalensack den Rücken frei. Sie liegen meist in größere Bündel vereinigt und sind sehr flach gewellt. Oft lassen sie auf Querschnittsbildern große Lücken zwischen sich, doch ist es wahrscheinlich, daß diese nur durch Schrumpfung der Muskel- fasern entstehen. Die Angabe von Lebert und Robin (1846), daß die Bündel » durch eine körnichte Interzellularsubstanz << voneinander getrennt seien, >> welche in viel größerer Menge als die Muskelsubstanz selbst existiert«, habe ich nicht be- stätigt gefunden, sondern die Muskelfasern liegen im allgemei- nen sehr dicht beieinander. Nach außen zu liegt der Ringmuskiilatur eine Schicht von Muskelfasern auf, die in der Längsrichtung verstreichen {mu.long.ext.). Sie erreicht bei weitem nicht die Stärke der Ringmuskulatur, kann aber bei einzelnen Formen bedeutender entwickelt sein als bei andern. So erlangt sie z. B. bei Todaropsis Veranyi am Mantelrande eine große Mächtigkeit, bedeutend größer als z. B. bei Rossia macrosoma, sie keilt aber hier in geringer Entfernung davon allmählich aus, so daß nur ein schmaler Ring von Längs- muskeln den Mantelrand umgibt, der übrige Teil aber davon frei ist. Bei Rossia hingegen zieht sich die Längsmuskulatur als dünne Textfig. 2. Rossia macroso7na: yhinttil im Längsschnitt. Vergr. 58. 514 Fritz Richard Tippmar, Lage durch den ganzen Mantel hindurch und ist nur in nächster Nähe seines Bandes etwas verdickt. Vielfach ist nicht nur eine äußere (mu.long.ext.), sondern auch eine innere {mu. long. int.) Längsmuskulatur vorhanden. Bei Argonauta argo ist letztere sogar stärker entwickelt als erstere. Hier findet man auch, daß am Mantelrande beide Lagen ineinander übergehen, während sie meist kurz bevor sie ihn erreichen aufhören (Fig. 9). Appellöf (1898) fand, daß besonders bei den Sepioladen die Längs- muskelbündel gut entwickelt und über den ganzen Körper verbreitet sind. An meinen Präparaten von Sepietta minor habe ich dieses Ver- halten bestätigt gefunden, wobei zu bemerken ist, daß die Längsmuskeln (mu.long.ext.) ihre größte T^- 1 ■, i A -^^^==^%...j»;^^^s^5g^g^^^ - m u. long. ext. Dicke gegenüber der An- --'3,ojra/s,,9>y«-<^ro^(^iiw/_^#»'.^.,.-:^=^--:zn7/?rffwh satzstelle des Musculus adductor pallii medianus erreichen. Die bei weitem stärkste Entwicklung die- ser Fasern haben aber die Octopoden aufzuweisen, wie Schnitte von Argo- nauta (Textfig. 9), Octopus (Textfig. 32), Tremoctopus und Eledone zeigen. Von Nautilus pompilius be- richtet Owen (1832), daß am dünnen hinteren Teile des Mantels die Fasern hauptsächlich in longitudinaler Richtung angeordnet sind, während er zum Verschlie- ßen seiner vorderen Öffnung eine dünne Schicht von Transversalfasern besitzt. Rechtwinklig zur Ringmuskulatur und senkrecht auf den Längs- fasern verstreichen die Radiärmuskelfasern {mu.rad.). Sie bilden ge- wöhnlich dünne Lamellen, die in regelmäßigen Abständen die Ring- muskulatur durchsetzen. Bei den Formen mit derber Muskulatur geht jede einzelne Lamelle als kontinuierliche Schicht durch den Mantel hindurch parallel seinem Rande. Das Verhalten der Radiärfasern bei den gallertigen Formen wird unten noch geschildert werden. Die Radiärfasern strahlen büschelförmig bis in die Längsmusku- latur aus, indem sie sich bald geradlinig, bald sich verästelnd zwischen den Ringfasern hindurchdrängen. Besonders schön kann man ihre Verästelung bei Chiroteuthis imperator beobachten (Textfig. 3), wo auch Textfig. Chiroteuthis imperator : Verzweigung der Radiärfasern. Histologische u. vergleichoiKl aiiatoinischo Untersuch, an Cephalopodcn. 515 die einzelnen Astchen zuweilen miteinander anastomosieren. Eine besondere Eigentümlichkeit lassen sie bei Odopus vulgaris und Eledone nioschata erkennen (Fig. 4). Es zeigt sich nämlich, daß sie sich in einer mittleren Region des Mantels zwei- oder dreimal gabeln und mit benachbarten Faserzügen zusammenlaufen, wobei mannigfaltige Über- kreuzungen entstehen. Bei der Untersuchung des Mantels von Des- moteuthis fellucida fand Chün (1910), daß hier die Kerne der Eadiär- Textfig. 4. Octopus vulgaris: Radmrfaserkreuzuiig. Vergr. 1000. fasern in der Mitte des Mantels liegen und in »verbreiterte Lamellen eingebettet« sind, »von denen die sich gegen die Peripherie verzwei- genden Radiärfasern ausstrahlen«. Ein ganz ähnliches Verhalten konnte ich für Brachioteuthis Riisei feststellen. Auch hier kann man in der Mitte des Mantels verbreiterte Lamellen bemerken, die scheinbar dadurch hervorgerufen werden, daß sich die Eadiärmuskeln auflockern. Auch liegen dort die eigenartig geformten Kerne. Jedoch nicht bei allen Formen liefen die Kerne der Radiärfasern in der Mitte des Mantels. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CVIE. Bd. 34 516 Fritz Richard Tiiipmar, Wohl erkennt man bei schwacher Vergrößerung eine deutliche Mittel- hnie, welche durch eine Anhäufung derselben gebildet wird, aber eine 1|| genauere Prüfung zeigt, daß auch nach außen oder innen noch vereinzelte Kerne zu bemerken sind, wie es z. B. Sepia officinalis oder S. elegans zeigt (Textfig. 4 a). Bei manchen Cephalopoden, die durch den Besitz eines Musculus adductor pallii medianus ausgezeichnet sind, wie z. B. Tremoctopus violaceus, T. aüanticus, haben die Radiärfasern noch eine besondere Bedeutung insofern. ; add.pall.med. Textfig. 5. Termoctopus violaceus: Ursprung des Mu. add.pall.med. Textfig. 4 a. Sepia officinalis : ßadiärmuskel- bündel. / murad. Textfig. 6. Sepia officinalis: Mantelrand. ümbiegimg. als sie in jenen Muskel einstrahlen und ihn so zu nicht unbeträcht- lichem Teile aufbauen helfen (Textfig. 5). Noch innerhalb der Ring- muskulatur zweigen von ihnen kleinere Faserbündel ab, die sich zu Histologische u. vorgleicliciul anatomische Untersuch, an Ceplialopotlcn. 517 größeren Komplexen vereinigen und in spitzem Winkel zu ihnen nach vorn verlaufen. Beim Austritt aus dem Mantel an einer Stelle, wo keine innere Längsrauskelfasern nachweisbar sind, verbreitern sich diese Bündel sehr stark und bilden durch neu hinzutretende Fasern verstärkt den Muse, adductor pall. med. Bei andern Formen, z, B. bei Sepieita minor, ist keine so innige Verbindung desselben mit dem Mantel vor- handen, sondern er ist relativ selbständig. An seinem ventralen Rande erleidet der Mantel meist eine Um- bieguug, die jedoch zuweilen äußerlich nicht zu bemerkeii ist, nämlich dann, wenn sie lediglich die llauptmantelnmskulatur, nicht aber die Cutis in Mitleidenschaft zieht, welch letzteres Verhalten z. B. für Sepia officinalis charakteristisch ist (Textfig. 6). Die Umbiegung kann stärker Textfig. 7. Besmoteuthis: Jlaiitel im Längsschnitt. oder schwächer sein, nach innen [Ahraliopsis Morisii, Sepia officinalis, Octopus vulgaris, Tremoctopus violaceus) oder nach außen {Todaropsis Veranyi, Chiroteuthis imperator, Rossia macrosoma, Argonauta argo, Loligo marmorae) erfolgen. Bei Argonauta schneidet an der Umbiegungs- stelle eine so scharfe Furche in den Mantel ein, daß die Muskulatur außerordentlich verdünnt wird und der Mantelrand rechtwinklig nach außen vorspringt (Fig. 9). Zuweilen tritt am Mantelrande außerdem ein sehr schmaler und dünner Saum auf, der aber deutlich von ihm abgesetzt ist. Man findet ihn bei Todaropsis, Ahraliopsis, Stenoteuthis, und in ihm lassen sich sowohl Ring-, als Radiär-, als Längsfasern nachweisen. Bei Desmo- ieuthis verläuft die Haiiptraantelmuskulatur nicht glatt, sondern sie ist in eine große Zahl dem Mantelrand paralleler Falten gelegt (Fig. 7). Ich glaube nicht, daß sie auf der durch die Konservierung bedingten Schrumpfung beruht; denn während die gegen die Atemhöhle zu 34* 518 Fritz Richard Tippmar, liegende Bindegewebslage mit ihrem Epithel in die Faltung mit in- begriffen ist, nehmen äußeres Epithel und die oberen Lagen der Cutis ihren ungestörten geraden Verlauf. Auf der dorsalen Seite erscheint der Mantel zuweilen stark redu- ziert indem er seine Muskulatur einbüßt und nur noch aus dunneu Lamellen besteht. Diese Umbildung greift Platz bei Formen die einen Schalensack besitzen, wie z. B. bei Sepia officinaUs, wo auf dem Rücken durch den gewaltig entwickelten Schulp die Muskulatur des Mantels auf zwei ziemUch schmale seitUche Streifen zurückgedrängt Histologische u. vergloichciul anatomisclie Untersuch, an Cephalopoden. 519 ist. Appellöf (1898) stellte auch bei Idiosepius, wo kein Schalen- sack vorhanden ist, eine starke Verdünnung der dorsalen Mantel- partien fest. Über Spirula australis schreibt Chun (1910), daß die Schale durch den Mantel hindurchschimmert. >>Es wird dies dadurch bedingt, daß der Mantel sich unter Verlust seiner Muskulatur zu äußerst feinen durchsichtigen Lamellen umbildet, welche mit den unterliegen- mu.lonß.inl- mu.cira | mu.long.exh Textfig. 9. ÄTQonauta argo: Längsschnitt am Mantelrand. den Partien des Schalensackes verwachsen <<. Bei jungen Exemplaren von Ptenjgioteuthis Giardi (Fig. 8), wo der Gladius vorn sehr schmal ist, läßt sich auch die von Muskulatur freie Partie des Rückens als nur schmaler Längsstreifen nachweisen. Nach hinten aber, wo der Gladius zwei seitliche Flügel erhält, nimmt sie zu. Man findet nur jederseits von der dorsalen Firste des Gladius einen dünnen Längs- 520 Fritz Richard Tippmar, muskelstreifen, der an der dorsalen Seite der Flossenbasis entlang läuft. Auch zwischen dem gering entwickelten Flossenknorpel und dem Schalensack ist die Muskulatur nicht vorhanden, so daß die Flossen dem letzteren direkt aufsitzen. Gegen die Schwanzspitze zu, wo der Gladius nach der Ventralseite herumgreift, findet sich nur ein ganz schmaler Streifen von Muskulatur in der ventralen Mittellinie. Im Anschluß hieran sei noch einiges über die Nackenverbindung der Octopoden bemerkt. Es beteiligen sich daran nämlich lediglich die äußeren Längsmuskelfasern und die Cutis. Erstere bilden aber an der Stelle wo die übrige Mantelmuskulatur nach hinten umbiegt und in den Musculus collaris übergeht, keine zusammenhängende Schicht mehr, sondern sie sind in eine Eeihe von einzelnen Strängen gespalten, die nach dem Kopf hin verstreichen. Bei Octopus vulgaris sind sie nicht sehr zahlreich, an den Seiten kräftiger entwickelt als in der Mitte, während Tremoctopus violaceus deren eine größere Anzahl aufzuweisen hat, worin er Eledone moscliuta ähnelt. 3. Der Mantel der gallertigen Cephalopoden. Es sei gestattet, im folgenden auf die Ummodelung des Mantels einzugehen wäe sie bei den gallertigen Formen Platz greift. Zu dieser Untersuchung standen mir drei Oegopsiden, nämlich ^=p=^- -mu. long exh mu.rad. Textfig. 10. Chiroteiithis imperator; Längsschnitt durch den Mantel. Vergr. 58. Chiroteuthis imperator und Doratopsis sagitta von der Deutschen Tiefsee- expedition und Mastigoteuthis Hyorti von der MiCHAEL-SARS-Expedition und ein Octopode und zwar Alloposiis mollis aus dem ozeanographischen Museum in Monaco, zur Verfügung. Histologisclu- u. Vfiglcichcnd anatomischi" l^ntcrsueli. an Cophalopoden. 521 ^mu. long. ext. -mu. circ. --mu.rad. Betrachten ^vil• zunächst nur Chiroteuthis (Fig. 10) und Mastigo- teuthis (Fig. 11), so ergibt sieli. daß hier die Mantelmuskulatur eine eigenartige Reduktion erfahren hat. Die Ringniuskelfasern, die sonst die Hauptmasse des Mantels ausmachen, sind auf zwei ziemlich dünne Lagen beschränkt, die jede nur ein Siebentel {Chiroteuthis) bis ein Fünfzehntel {Mastigoteuthis) r^gj^^^swv^^^^t'lvr'^^^" ^ der Gesamtdicke des Man- ^^^p^^^=^^^5^^^^^"'^^7 tels betragen. Dafür ist zwi- ^ sehen sie eine breite Schicht gallertigen Gewebes einge- schaltet. Diese Gallert- schicht, welche nach Chun (1902) bei Bolitaena eine Dicke von 1 cm erreichen kann, ist fast homogen und nur selten sieht man feine Fasern darin verlaufen. (Eine Ausnahme hiervon zeigt Allo- posus, worauf ich unten ein- zugehen habe). Sie wird durchsetzt von den Radiär- fasern, welche sich beim Auftreffen auf die äußere bzw. innere Ringmuskel- schicht verästeln und sich durch sie hindurchdrängen. Hier bilden sie nicht wie bei Formen mit derber Musku- latur dünne Lagen , die parallel dem Mantelrande Textfif. 11. verlaufen, sondern sie sind Mastigoteuthis Eyorti: Längsschnitt durch tlen Mantel. darin auf eine andre Weise orientiert. Legt man nämlich einen Längs- oder Querschnitt durch den Mantel von Chiroteuthis imperator, so erhält man Bilder, nach denen es scheint, als bildeten die Radiärfasern in schwache Bündel vereinigt, dünne Säulchen, die zwischen die beiden Ringmuskelschichten einge- schaltet sind, ein Verhalten, welches Joubin (1895) von Alloposus mollis beschreibt. Eine andre Vorstellung bekommt man aber, wenn man einen Flächenschnitt betrachtet (Fig. 12). Es zeigt sich dann, daß die Gallertschicht durchsetzt wird von feinen Lamellen, die zu Fünf- oder -mu.lonq.int. 522 Fritz Richard Tippmar, Sechsecken zusammenstoßen, wodurch eine wabenartige Struktur ent- steht. Bei starker Vergrößerung (Fig. 13) erkennt man nun, daß jede mu.rad. Textfig. 12. ChiroteuMs imperator: Flächeusclmitt durch die Gallertschicht. .(Radiärfasern). Vergr. 200. Textfig. 13. Chiroteuthis imperator: Muskelfasern in den Septen und Eckpfeilern. Vergr. 1000. Histologische u. vergleichend anatomische Untersuch, an Cephalopoden. 523 dieser auf den Ringmuskelschichten senkrecht stehenden Lamellen ihrer- seits aus zwei parallel verstreichenden feinen Häutchen besteht, welche zwischen sich gerade so viel Raum lassen, daß eine Muskelfaser darin Platz findet. An den Ecken der Waben jedoch gehen die beiden Häut- chen etwas auseinander, so daß dort ein meist dreiseitiger Hohlraum, ent- steht, der die Gallertlage geradlinig durchsetzt. Während nun in den AVabensepten radiäre Muskelfasern verlaufen, die eine einfache, aller- dings nicht überall zusammenhängende Schicht bilden — es kommen Stellen vor, wo zwischen zwei benachbarten Muskelfasern ein größerer Zwischenraum bleibt, und gerade dort erkennt man die beiden feinen Häutchen, die man auch als Primärlamellen bezeichnen könnte, am besten — , ist dafür in den Eckpfeilern Gelegenheit für eine größere Ansammlung gegeben, und so findet man darin etwa 10 — 30 neben- einander laufende Muskelfasern vor. Auf diese Weise entstehen die Stützbälkchen, die auf jedem Schnitt sofort auffallen. Zuweilen findet man eine Stelle, wo eine Septenlamelle gerade in der Fläche getroffen ist, und dann sieht man, wie eine große Zahl von Muskelfasern neben- einander herlaufen (Fig. 10 ?.). Da die Radiärfasern stets zwischen zwei Primärlamellen einge- schlössen sind, kommen sie nicht mit dem Gallertgewebe in Berührung, was auch für die Ringmuskel ausgeschlossen ist, da sich an der Grenze zwischen ihnen und der gallertigen Schicht eine sehr dünne struktur- lose Membran befindet. Wenn auch Mastigoteuthis Hyorti eine im Prinzip gleiche Aus- bildung des Mantels aufzuweisen hat wie Chiroteuthis, so findet man doch einige Verschiedenheiten. Bei dieser Form geht nicht jede der Septen als gerade Lamelle durch den Mantel hindurch, da man hier mehrere Schichten von Waben findet. Infolgedessen nehmen auch die Eckpfeiler keinen geraden, sondern einen geknickten Verlauf, so daß man auf Schnitten nur kurze Stücke von ihnen erhält. Während nun aber bei Chiroteuthis die Septen stets wieder aus zwei Primärlamellen bestehen, ergibt es sich, daß bei Mastigoteuthis nur eine einzige existiert, auf der sich auch keine Radiärfasern nachweisen lassen (Fig. 14). Nur in den Kanten der Waben (und nur sehr selten einmal auf den Septen selbst) teilt sich jede der aneinanderstoßenden Lamellen dichotom und bildet so einen drei- oder vierseitigen Hohlraum, in dem nun eine größere Anzahl von Radiärfasern verlaufen, welche infolge der Anord- nung der Waben ebenfalls einen mehrfach geknickten Verlauf nehmen. Ein andres Verhalten der Radiärmuskelfasern schildert Chun (1902) von Bolitaena. Hier bilden diese »breite Muskelbänder, welche 524 Fritz Richard Tippmar, radiär den Mantel durchsetzen und sich beiderseits in ein Astwerk von Fasern gabeln. Die Breitseiten dieser aus einer großen Zahl parallel nebeneinander verlaufender Fasern gebildeten Muskellamellen ver- Textfig. 14. Mastigoteuthis Hyorti: Flächenschnitt (liircli die Gallertschicht (Eadiärfasern). Vergr. 1000. streichen parallel dem Mantelrande <<. Eine Wabenstruktur ist sonach bei dieser Form nicht vorhanden, und man wird hier eher an den Ver- lauf der Eadiärfasern bei '' ^^, , den Formen mit derber •mu.lonq.exh -mu. circ. Mantelmuskulatur erinnert. Doratopsis sacjilta zeigt mu.rad. im Mantel ungefähr densel- ben Aufbau wie Chiroteidhis ; indessen verdient diese Form besondere Beachtung wegen einiger primitiver Charak- tere. Es ergibt sich näm- lich, daß hier die Gallert- schicht noch nicht die starke Entwicklung erlangt hat wie bei Chirotheuthis oder Mastigoteuthis (Textfig. 15). Dafür sind die beiden Kingmuskellagen relativ dicker, so daß für das oallertige Gewebe im allgemeinen höchstens ein Drittel Daratopsis sagitta: Textfig. 15. Mantel im Längsschnitt. ~ep. Vergr. 58. Histologische u. vcrgloichoiul anatomische ruf cisucli. an ( 'ciihaloitoden. 525 der .Manteklicke übri^ bleibt. Man findet aber Stellen, wo sich die beiden Ringnmskelschichten bis zur Berührung nähern, so daß man dann eine einzige kompakte Ringnmskellage des Mantels vor sich hat. Jedenfalls haben wir hier ein primitives Verhalten vor uns, auf das ich bei der Frage der Entstehung des gallertigen Gewebes noch zurück- kommen wei'de. und das sehr dafür spricht, daß wir es hier mit einer Jugendform von ChiroteutJiis zu tun haben, eine Ansicht, die beson- ders FiCALBi (1899) vertreten hat, und der gegenüber auch Chun sich »nicht so ablehnend zu verhalten vermag, wie Pfeffer und HOYLE <<. Den Aufbau des Mantels von AUoposus mollis schildert Joubin (1895) und gibt auch die Abbildmig eines Durchschnittes. Er unter- ^^cheidet von außen nach innen fortschreitend sieben Lagen und zwar 1) eine dünne Bindegewebslage <als ob man es mit einem durchsichtigen Heteropoden zu tun hätte«, während bei andern Formen die Gallerte eine milchige Trübung zeigt, die durch feine Fasern hervorgerufen wird. Hand in Hand mit der gallertigen Verquellung der Cutis geht meist eine ganz beträchtliche Dickenzunahme, so daß sie z. B. an einigen Stellen bei MastigoteutJiis ein Drittel der Gesamtdicke des Mantels ausmacht. Vielfach ist die Cutis recht deutlich in zwei Schichten gesondert. Bei ChiroteutJiis Imperator z. B. (Textfig. 21) findet man eine äußere dichte Schicht (ög»!), welche aus vielen sehr feinen und gewellten Bindegewebsfasern besteht und sich durch den Besitz zahlreicher Kerne vor einer inneren (fe^Tg) ebenso dicken Lage auszeichnet, die einen lockeren Aufbau aus breiteren Fasern mit galler- tiger Verquellung zeigt und nur wenige Kerne enthält. An der Grenze zwischen beiden Schichten liegen die Chromatophoren. Textfig. 21. Chiroteuthis imperator : Vergr. 58. Cutis. Textfig. 22. Todaropsis Veranyi: Cutis. Vergr. 58. Eine merkwürdige Struktur weist das Bindegewebe der Haut von Todaropsis Veranyi auf (Textfig. 22). Man findet mit Safranin gut färb- bare Büschel sehr feiner Faserzüge, die reichlich Kerne enthalten und protuberanzenartig in mehr oder weniger geschwungenem Verlauf gegen die Epidermis ausstrahlen. Sie scharen sich aus Fasern zu- sammen, die ihren Ursprung aus einer dünnen faserigen Schicht (/) des Cutisgewebes nehmen, welche selbst wieder einer sehr dünnen, stark lichtbrechenden Membran (m) aufhegt, die eine feine fibrilläre Struktur erkennen läßt und keine Kerne enthält. An diese Membran, welche der Ringmuskulatur direkt aufhegt, setzen sich auf der Innen- Histologische u. vergioitlu'nd aiiatoniisclu' l'iitorsucii. an ( V|)lialü])oden. 531 Seite die Eadiärfasern an. während ihr narh außen zu eine scharf aus- geprägte einfache Schicht großer Kerne l)enachbart ist. Diese Kerne gehören großen Zellen an (Textfig. 23). ileren Protoplasma Vacuolen enthält, die von Protoplasniabrücken hier und da durchsetzt werden, während sie untereinander durch fadenförmige Fortsätze zusammen- hängen, so daß ein netzartiger Komplex entsteht. Die oben erwähnte Membran, die sich auch l)ei »Sepia officinalis, Brach ioteuthis Riisei und Des)iiotcut/u's nachweisen läßt, beschreibt Rabl (1910) von Eledonc Moschata als »dünne Platte, die aus einer in Hämalaun graublau sich färbenden homogenen Masse besteht, in der im Flächenbild kreisrunde Zellen mit roten Kcirnchen in einfacher Textfig. 23. Todaropsis Verangi: Bindegewebszelleii von der Fläche gesehen. Schicht eingelagert sind<<. Wie schon gesagt, fand ich bei Todaropsis in der Membran selbst keine Kerne vor. Das Cutisgewebe von Ileteroteufhis dispar ist insofern interessant, als es aus zwei Schichten besteht, von denen die innere den typischen Aufbau aus flach gewellten Faserzügen zeigt, während die äußere sich durch große Hohlräume auszeichnet, die durch dünne Lamellen gegen- einander abgegrenzt sind, wodurch eine wabenähnliche Struktur hervor- gerufen wird. An einigen Stellen sind diese Hohlräume mächtig ent- wickelt. Muskelfasern lassen sich in diesem Gewebe nicht nachweisen, und auch Kerne sind nur sehr spärlich vorhanden. Sein Vorkommen erstreckt sich nur auf die hintere Hälfte der ventralen Mantelober- fläche und auf die Unterseite der Flossen, auf deren dorsalen Flächen es nur schwach angedeutet ist; auf der übrigen Manteloberfläche läßt es sich nicht mehr nachweisen. In dem Winkel, den die Flossen mit Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CVII. Bd. 35 532 Fritz Richard Tippmar, den seitlichen Partien des Mantels bilden, ist dieses Gewebe sehr eng- maschig, während es nach der Dorsalfläche hin, seitlich von ihrer Mittel- linie die größten Hohlräume aufweist. Einen wabenartigen oder besser schwammigen Aufbau trägt auch die Cutis von Mastigoteuthis Hyorti zur Schau und zwar an solchen Stellen, wo die unten zu erwähnende Pflasterung der Haut nicht oder nur schwach ausgebildet ist. Man findet hier aber das umgekehrte Verhalten als bei Heteroteutkis insofern, als die äußere Region eine kom- paktere faserige Struktur besitzt {hg^, Fig. 11), ähnlich wie bei Chiro- teuthis, während sich das schwammige Gewebe, in dem verschiedent- lich Hautmuskelfasern verlaufen, in unmittelbarer Nachbarschaft der Textfig. 24. Abraliopsis Morisii: Bindegewebszellen. Hauptmantelmuskulatur nachweisen läßt. Übrigens verhält es sich hier, wie auch bei andern Formen, nicht auf dem ganzen Mantel gleich. So findet man z. B. auf der ventralen Seite der Flossen, nahe ihrer Ansatzstelle keine derartige Struktur ausgebildet. Die Bindegewebszellen der Haut von Ahraliopsis Morisii (Fig. 24) und Brachioteuthis Riisei liegen in einer Grundmasse verstreut, die als stark entwickelte Intercellularsubstanz aufzufassen ist. Unter- einander sind sie durch in der Regel zwei lange Ausläufer verbunden, Histologische u. vorgk'itliend anatomische Untersuch, an Cephalopoden. 533 SO dcaß ziemlich lange, oft zu vier oder fünf parallel nebeneinander laufende Ketten entstehen, was besonders für Ahraliopsis charakte- ristisch ist. Es kommen indessen auch Zellen vor, die mehr als zwei Fortsätze besitzen, und dann entsteht ein netzartig verzweigter Kom- plex, der auffallend an einen Nervenplexus erinnert. Die Kerne der Zellen sind bei Safraninfärbung wie auch bei Behandlung mit Eisen- hämatoxylin sehr selten zu erkennen, und das Protoplasma erweist sich als ziemlich grobkörnig. 5. Über die Pflasterung (Schuppenbildung^ der Haut. Die hier zu besprechenden Strukturen verdienen insofern Interesse, als sie bei extremer Ausbildung den Anschein einer Schuppenbildung erwecken. Tatsächlich hat denn auch Joubin (1895) eine Gattung Lepidoteuthis aufgestellt und sie als einen beschuppten Cephalopoden ausführlich beschrieben und abgebildet. Von vornherein möchte ich nun aber darauf aufmerksam machen, daß diese Hautgebilde lediglich bei äußerlicher Betrachtung den Anschein einer Beschuppung erwecken, während sich aus ihrem inneren Bau, den Joubin in einer Abbildung zu versinnlichen sucht, welche einen Querschnitt durch eine solche »Schuppe << darstellt, keinerlei Anhaltspunkte für diese Deutung ergeben ; denn um ein Hautgebilde als Schuppe anzusprechen, dazu gehören doch andre Charaktere als die, welche sich auf Grund seiner Abbildung ergeben. Gewissermaßen in einem ursprünglichen Stadium und weniger regelmäßig ausgebildet als bei Lepidoteuthis findet sich diese Haut- struktur als Pflasterung oder Felderung bei einigen andern Cephalo- poden. So bildet sie Pfeffer (1912) von Tetronychoteuthis Dussumeri, T. Massaye und Moroteuthis ingens ab. In einer demnächst erschei- nenden Arbeit in den Ergebnissen der MiCHAEL-SARS-Expedition be- schreibt Chun (der mir Einsicht in das Manuskript gestattete) eine neue Species von Mastigoteuthis als M. Hyorti, von der zwei Exemplare in Fig. 25 und 26 von der Ventralseite abgebildet sind.' Mau findet die Hautoberfläche dieser Tiere durchzogen von tiefen Furchen, die zwischen sich rundliche oder polygonal umgrenzte Erhebungen lassen, und die zuweilen selbst auf der tief liegenden Mantel- oder Flossenmuskulatur ihre Eindrücke hervorrufen. Es erweckt den Anschein, als ob diese eigenartige Struktur durch den Druck des Netzes entstanden sei, in- dem sich dessen Maschen in die weiche Haut des Tieres eingedrückt hätten. Daß dem nicht so ist, erhellt schon aus den auftretenden Unregelmäßigkeiten in der Größe der Pflaster, sowie daraus, daß sie 35* 534 Fritz Richard Tippmar, aucli an Stellen, die nicht mit dem Netz in Berülirung kommen konnten, wie am Trichter und in den tiefen Gräben, welche sich zwischen den gewalticr entwickelten Flossen und den seitlichen Partien des Mantels Textfig. 25. Mastigoteuihis Hyorti dum, von der Ventralseite. Histologische ii. vciglrielu-iul anatüiiiischr rnter.MicIi. an ('ci.lialonodcn. 535 Textfig. 26. Mastigoteuthia Hyorti >fast vollständig auf den Eingeweidesack, d. h. auf die muskulöse Leberkapsel gerückt ist, während er sonst bei den andern Formen haupt- sächlich vom Mantel entspringt«. Eine Verknorpelung am Schalensack von Chiroteuthis imperator schildert Chun (1910). Allerdings dient dieser Knorpel hier als Flossenknorpel und er tritt auch auf der dorsalen Fläche des Schalen- sackes auf, indessen ist es möglich, daß die sehr feinen zugespitzten Lamellen, in die die Depressoren des Trichters nach ihrer Vereinigung mii.Oepn fe^VS^ft-iV*???? "^ -' " TT-'^**-- Schalensackes Textfig. 35. Albraliopsis Morisii (Erklärung im Text). mit den seitlichen Retractoren des Kopfes auslaufen, auch an dem Knorpel inserieren und dann könnte man ihn dem von Ahraliopsis homolog erachten. Leider gestattete mir der ungünstige Erhaltungs- zustand des mir zur Verfügung stehenden Exemplars keinen ganz sicheren Aufschluß. Es scheint, daß sich ein ähnliches Gebilde auch bei Nautilus findet, denn AVilley (1902) erwähnt bei ihm eine hornige Membran, die mit einem Hornring zusammenhängt und durch deren Vermittlung sich die Retractoren an die Schale ansetzen. Sowohl der Depressor infundibuli als auch der Retractor capit. lat. können bei den einzelnen Formen inbezug auf Stärke der Aus- bildung und auf ihren Verlauf ziemlich variieren. Im allgemeinen sind sie bei Myopsiden und Octopoden kräftig entwickelt und fallen bei Eröffnung der Mantelhöhle sofort auf. Bei Tremoctopus sind die Depressoren des Trichters so mächtig entwickelt, daß die seitlichen 552 Fritz Richard Tippmar, Retractoren des Kopfes nur wie eine Abzweigung der erster en erscheinen. Bei den Oegopsiden sind sie gewöhnlich nicht so groß und lamellen- artig verdünnt, was mit der zarten Körperbeschaffenheit der meisten dieser Formen zusammenhängt. Am kräftigsten entwickelt fand ich sie bei Todaropsis, wo sie beide innig am hinteren Ende verwachsen, so daß man sie auch mikroskopisch nicht mehr voneinander unter- scheiden kann. Auch bei Abraliopsis und Brachioteuthis erweisen sie sich als sehr ansehnlich, wobei aber für letztere Form eine bandförmige Verbreiterung der Depressoren charakteristisch ist, die Chun (1910) eingehend schildert und auf deren Beziehung zu den Cranchiiden und Chiroteuthiden hinweist, wobei er sich gleichzeitig über die auffallende Ummodelung des gesamten Trichterapparates bei den ersteren ver- breitet. Da ich für Desmoteuthis nichts Neues hinzufügen kann, so be- gnüge ich mich damit, auf jene Ausführungen zu verweisen. Erwähnen will ich nur noch, daß im Gegensatz zu Chiroteuthis und Doratopsis, wo Depressor und Retractor sehr dünn und bandförmig gestaltet sind, diese Muskel bei Mastigoteutfiis Hyorti recht kräftig entwickelt sind. Über den Ursprung des Depressor infundibuli und des Retractor capitis lateralis gibt Brock (1882) an, daß sie bei Sepiola und Rossia nebeneinander und nicht mit gemeinschaftlichem Ursprungskopf ent- springen. Ehe ich hierauf eingehe, sei es gestattet eine diesbezügliche Schilderung Appellöfs (1898) anzuführen. Er schreibt (S. 580): »diese letztgenannten Muskeln (Depr. inf. und Retr. capit. lat.), welche bei Loligo und Sepia eine durchaus zusammenhängende Insertions- fläche besitzen, trennen sich nämlich bei Sepiola und Rossia sehr bald voneinander, und der Depressor infundibuli ist unabhängig von der Leberkapsel, d. h. dem Retractor capit. lat. eine Strecke weit mit dem Mantel verwachsen.« Und in seiner Anmerkung heißt es: »leider stimmen meine Befunde über den Ursprung dieser Muskeln und die Verwachsung zwischen Leberkapsel und Mantel nicht mit den An- gaben von Brock überein. Brock gibt nämlich au, daß bei Rossia (macrosoma) wie bei Sepiola Retractor cap. lat. und Depr. inf. neben- einander und nicht mit gemeinschaftlichem Ursprungskopf entspringen ; dabei soll aber der erstgenannte Muskel nicht wie bei Sepiola an seiner Rückenseite mit dem Mantel verwachsen sein. Ich habe zwar nicht Rossia macrosoma, dagegen zwei andre Arten untersucht und kann zwischen diesen und den Sejjiola- Arten keine Unterschiede in dieser Beziehung finden.« Es handelt sich also zunächst darum, ob bei Rossia macrosoma die beiden Muskel an ihrem Mantelursprung vollständig getrennt sind Hisf ologisehe u. \('rgl('iclu'ncl aiiatoinischo l^ntcrsuch. an ('cphalnjiodcn. 553 (Brock) oder ob sie, trotzdein sie sich sehr bald voneinander trennen, einen gemeinsamen Ursprungskopf besitzen (Appellöf). Nach den Schnitten, die ich von Rossia macrosoma anfertigte und von denen einer in Fig. 41 abgebildet ist, muß ich die Angabe Brooks bestätigen. Ein gemeinsamer, zusammenhängender Ursprungskopf wird lediglich da- durch vorgetäuscht, daß der Knorpel die beiden Muskel fest zusammen- hält, so daß man bei der Präparation den Eindruck einer zusammen- hängenden Insertionsfläche bekommt. Was nun aber Sepiola anbe- langt, so stand mir allerdings nur die nahe verwandte Form Sepietta minor zur Verfügung; indessen glaube ich nicht, daß bei Sepiola die Verhältnisse anders liegen als bei dieser Form (s. Fig. 33), d. h. daß auch hier beide Muskeln getrennt entspringen und lediglich durch den Knorpel verbunden werden. In bezug auf die Verwachsung des Retractor cap. lat. mit dem Mantel, fand ich, daß er, wie Appellöf angibt bei Rossia macrosoma an seiner Rückenseite mit dem Mantel verwachsen ist, was Brock verneint, und auch für Sepietta minor fand ich das gleiche Verhalten vor. Bei den untersuchten Formen habe ich feststellen können, daß ein getrennter Ursprung der beiden Muskel für Stenoteuthis Bartramü, Brachioteuthis Riisei, Rossia macrosoma, Sepietta minor und Hetero- teuthis dispar charakteristisch ist, während sie bei Ahraliopsis Morisii, Pterygioteuthis Giardi, Todaropsis Veranyi, Mastigoteuthis Hyorti, Chiroteuthis Imperator, Sepia officinalis, Loligo marmorae, Tremoctopus violaceus, T. atlanticus, Argonauta argo und Octopus vulgaris innig miteinander verschmelzen, so daß man sie auch auf Schnitten nicht auseinander halten kann. Im Anschluß hieran will ich nur noch erwähnen, daß ich dem Vorkommen des Knorpels bei Tremoctopus violaceus noch eine be- sondere Bedeutung beimesse. Stimmt man nämlich der Annahme zu, daß die Herkunft dieses Knorpels, wie ich dargelegt habe, vom Schalensack abzuleiten ist, dann bildet er einen Beweis dafür, daß Tremoctopus obgleich er keinen Schalensack aufweist, doch von Formen abstammt, die ihn einst besessen haben; denn sonst könnte man hier die Anwesenheit des Knorpels nicht verstehen. Und damit wäre eine neue Stütze für die Ansicht gewonnen, daß die Octopoden von schalen- tragenden Formen abstammen. 2. Muse, adductor pallii medianus. Dieser Muskel entspringt bei seiner typischen Ausbiklung von der ventralen Mittellinie der Innenseite des Mantels und zieht von da aus 554 Fritz Richard Tippmar, gegen das Kectum, welclies er in zwei Schenkel geteilt umfaßt, um dann an der ventralen Fläche des Kopfes an der Basis des vierten Arm- paares zu inserieren. Bei Octupoden und Myopsiden steht er in innigem Zusammenhang mit dem vertical zwischen Mantel und Eingeweidesack ausgespannten häutigen Septum. Zuweilen, wie bei Hetcroteuthis dispar und Tremoctopus violaceus ist nur die nach vorn und unten gerichtete Partie dieses Septums muskulös geworden, während sich bei andern Formen, wie Sepietta minor und Rossia macrosoma eine voll- kommene Ummodelung des häutigen Septums in einen kräftigen muskulösen Strang nachweisen läßt. Ein Unterschied des Verhaltens von Sepietta und Rossia läßt sich aber insofern konstatieren, als bei letzterer der Muskel seine Fasern direkt von den Radiärfaseru des Mantels bezieht, ein Verhalten, welches auch für Tremoctopus aüanticus und T. violaceus charakteristisch ist (s. Fig. 5), während er bei Sepietta nur in einer äußerst schmalen Zone mit dem Mantel in dessen ventraler Mittellinie verwächst. Bei den Oegopsiden ist dieser Muskel meist gering entwickelt, und da er bei ihnen >> nicht in das Septum einstrahlt und für die Re- traktion des Mantels kaum in Betracht kommt«, schlägt Chun (1910) dafür die Bezeichnung Muse, rectus abdominis vor. So findet man bei Todaropsis Veranyi auf der ventralen Fläche des Eingeweidesa.ckes jederseits von der Mittellinie zwei Muskel, welche diese Bezeichnung wohl verdienen, obgleich sie nicht sehr kräftig entwickelt sind. Der der Mediane am nächsten liegende spaltet sich nach vorn in zwei Teile, und neben dem äußeren Schenkel verläuft noch ein sehr kurzer Strang nach der Basis der Kieme hin. Bei Pterygioteuthis bildet dieser Muskel ein dünnes zusammenhängendes Band. Während unter den Myopsiden der Adductor pallii medianus nur für die Sepioladen eigentümlich ist, den übrigen aber fehlt, zeigt er seine stärkste Entwicklung bei den Octopoden, wo er zuweilen noch eine besondere Modifikation erfährt. So findet man z. B. bei Tremoctopus violaceus, dort wo der Muskel auf den Eingeweidesack auftrifft und sich in die beiden, das Rectum umfassenden Schenkel spaltet, mehrere Muskelstränge, welche von ihm entspringend auf dem Eingeweidesack jederseits vom Septum nach hinten verlaufen. Auf jeder Seite kann man sechs einzelne Muskelbündel unterscheiden, w^elche zunächst noch auf der Außenfläche des Adductor pall. med. selbst verlaufen, die Fasern des letzteren kreuzend auf den Eingeweidesack übertreten. Diese Stränge, von denen die beiden inneren die stärksten sind, kommen mit dem Mantel selbst in keine Verbinduns;. Ein ähnliches Verhalten Histologische u. vergloic'Iu'iid aiiiitoiiiisrlu' Unfcrsudi. an ( Vi)haloi)oden. 555 wild hei Argonanta anjo <;et'iiiul('n. Mau muß diese Nebenfasern viel- leicht einem Muskel homolog erachten, den Appellöf (1898) als acces- sorischen Adductor pall. med. folgendermaßen beschreibt: »Da, wo bei den Octopodeu (0. vukj. und Elcdone cirrosa) Mu. add. pall. med. mit seinem Vorderraud von der Bauchseite des Mantels entspringt, entspringt auch ein andrer, dünner Muskel, der sich gleich teilt und auf beiden .Seiten des Add. pall. med. verläuft, die Fasern des letzteren kreuzend. Dieser Muskel ist wie der Add. pall. med. überhaupt, bei den höheren Octopoden mit der Leberkapsel verwachsen. Bei den Octopoden ist aber das Muskelstratum bedeutend dünner und schwächer als bei Sepiadarium und hängt bei den Octopoden so fest mit dem Add. pall. med. zusammen, daß es nur den Eindruck eines äußeren Teiles dieses Muskels macht und wolil auch in der Tat so ist, während die entsprechende Bildung bei Sepiadarium sehr lose mit dem Add. med. vereinigt ist und vollständig den Eindruck eines besonderen Muskels macht.« Die Nebenfasern bei Tremoctopus unterscheiden sich also nur darin von den eben geschilderten, daß sie, wie schon erwähnt, ihren Ursprung nicht direkt vom Mantel nehmen. 3. Muse, adductor pallii lateralis. Dieser Muskel findet sich lediglich bei den Octopoden und Sepio- laden, und bildet eine Verbindung zwischen der Leberkapsel und dem Mantel in der Weise, daß ein ziemlich starkes Muskelbündel sich von den Seitenteilen der ersteren losmacht und gegen das GangHon stella- tum ausstrahlt. Einen Vorläufer dieses Muskels sieht Brock (1880) bei Onychoteutliis in zwei symmetrisch gelagerten dünnen Muskeln, welche ein Kopfuackeuverbindung herstellen. Sie entspringen etwas über der Durchtrittsstelle des Nervus pallialis vom Retractor cap. lat. und ziehen gerade nach außen zum Mantel. Die Fasern des Adductor pall. lat. erleiden, wie Brock (1880) zuerst — unter Hinweis auf eine diesbezügliche Zeichnung Cüviers in den Memoires, PI. I, Fig. 2 / — als typisch für Octopoden und Sepiola erwähnt, eine charakteristische Kreuzung, indem nämlich »die ventralen fast wagerecht nach außen ziehen und oberhalb des Ganglion stellatum sich dem Mantel inserieren, während die dorsalen unter dem Nervus pallialis durchtreten und erst am unteren Ende des Ganglion stellatum den Mantel erreichen«. Recht gut läßt sich diese Kreuzung bei Tremoctopus violaceus erkennen, von dem ich eine Zeichnung in Fig. 36 gebe. Bei Eledone moscJiata und Rossia jnacrosoma kommt aber hierzu 556 Fritz Richard Tii^pmar, noch ein fast selbständig entwickelter Muskelstrang, den ich nirgends erwähnt finde. Er entspringt getrennt von der Ansatzstelle des Ad. pall. lat. an der Leberkapsel weiter nach hinten und zieht schräg nach vorn über seinen Nachbarmuskel hinweg, um vor den wagrechten Pallialisfasern und von diesen durch einen Zwischenraum getrennt, mu.^da.pall.lat m U.CO II mu.add. pall. Iah Textfig. 3(5. Tremoctopus violaceus : Mu.add.pall.lat. an der Innenseite des Mantels zu inserieren, nicht ohne sich vorher in einige kleine Ästchen zu spalten. Dieser Strang fehlt bei Tremocto- jyus violaceus, T. aüanticus, Argonauta, Octopus, Heteroteuthis und Sc'pietta. Der Adductor pall. lat. dient bekanntlich als scheidenförmige Hülle für den N. palHalis. Bei Sepietta minor ist diese noch nicht so Histologische u. vergleicluiKl anatomische Untersuch, an Cephalopoden. 557 vollkoinmeu geschlossen wie z. B. bei Tremoctopus aüanticus, aber auch bei T. violaceus liegt der Nerv jioch eine ziemliche Strecke weit vollständig frei. 4. Muse, retractor capitis medianus. Dieser Muskel ist nach Brock (1880) »der einzige Muskel, der seinem Verlaufe nach wirklich einen Schalennuiskel repräsentiert und die Oegopsiden sind »die einzigen Dibranchiaten, welche diesen Muskel wenigstens zum Teil selbständig entwickelt besitzen«. tSein ursprünglichstes Verhalten schildert er bei Enoploteuthis, wo er »von der Schalenkapsel zu beiden Seiten der Mittellinie höher als der De- pressor infundibuli« entspringt. Er »deckt die Schalenkapsel aufwärts (nach vorn !) ziehend mit seinem Gegenüber, mit dem er sich in der Mittellinie berührt, vollkommen zu und inseriert am oberen Rande der ventralen Fläche des Nackenknorpels Von dem Retractor capit lat. wird dieser Muskel jederseits durch einen tiefen Spalt getrennt, welchen der N. pallialis zum Austritt aus der Leberkapsel benutzt « Am meisten ähneln diesem Verhalten Abmliopsis Morisii und Todaropsis Veranyi. Auch bei Mastigoteuthis Hijorti lassen sich beide Muskel als ziemlich kräftige Bündel erkennen, die sich in der Mitte berühren aber nicht miteinander verwachsen und an der hinteren Hälfte der ventralen Fläche des Nackenknorpels inserieren. Es läßt sich aber, obgleich auch hier ein Spalt für den Durchtritt des Nervus pallialis frei bleibt, an ihrem hinteren Ende ein kleiner Verwachsungsbezirk mit dem Re- tractor capit. lat. nachweisen. Obwohl wegen der durchsichtig häutigen Beschaffenheit von der Umgebung schwer zu unterscheiden, lassen sie sich doch auch bei Chiroteuthis imperator als dünne Bänder zwischen den seitlichen Retractoren des Kopfes erkennen. Bei Pe- rygoteuthis Giardi sind sie schwach und bilden zwei kurze aber voll- ständig getrennte Bänder. Die beiden Muskeln können nun aber unter sich und mit den seitlichen Kopfretractoren verwachsen. So fand Brock, daß sie bei Onyclioteuthis »vom Ursprung bis etwa zur Mitte ihres Verlaufes zu einem einzigen Muskel verschmolzen sind«, sie »fangen in dieser unteren Hälfte schon au, sich mit dem Retractor lateralis durch Querfasern zu verbinden«. Am weitesten geht diese Verwachsung bei Sepia, wo die seitlichen und mittleren Kopfretractoren, wie bekannt, zu einem ein- zigen Retractor lateralis verschmolzen sind. Ebenso ist bei Sepietta minor der Retractor capitis med. nicht mehr zu finden, d. h. er ist gleichfalls vollkommen in den Retractor capit. lat. aufgegangen und 558 Fritz Richard Tippmar, der Nervus pallialis durchbricht die geschlossene Leberkapsel durch ein Loch, nicht durch einen Spalt. Auch bei Rossia macrosoma erkeniit man keine Grenze zwischen beiden Muskeln mehr, indessen findet man, daß vom hinteren Ende des Teiles der vereinigten Muskeln, der dem Retractor cap. med. entspricht, spitz auslaufende Fasern auf der Schalenkapsel entlang ziehen. Bei Loligo sind die beiden Muskel zwar von den benachbarten seitlichen Retractoren frei, aber unter sich vollständig verschmolzen (Appellöf, 1898). Hier beteiligen sie sich aach an einer Verwachsung zwischen Leberkapsel und Mantel, die Appellöf auch bei andern Formen ausführlich schildert. So findet sich bei Sefiola Roudeletii auf der dorsalen Seite der Leberkapsel ein bogenförmiger Verwachsungsbezirk zwischen dieser und dem Mantel, der auch bei Sepietta minor zu bemerken ist. >>Die mittlere Partie der Verwachsungshnie entspricht dem Mantelursprung der M. retractores cap. medd., während die hinteren und seitlichen Teile von den Inser- tionen der Depressores infundibuli und Retr. cap. latt., hauptsächlich der letzteren gebildet Vy-erden.« 5. Muse, collaris. Das normale Verhalten des Collaris zeigt sich bekanntlich darin, daß er als eine nach hinten offene Falte vom Nackenknorpel beider- seits nach den Seitenwandungen des Trichters verläuft, welche aus zwei Blätter gebildet wird, deren äußeres mit seinem Rande in die Atemhöhle hereinragt und dessen dorsale Fläche bei Octopoden mit dem Mantel verwächst, während das innere in die muskulöse Leber- kapsel ohne deutliche Grenze übergeht. Nach Appellöf (1898) inserieren »bei allen Myopsiden mit Aus- nahme von Sepiola und einigen nahestehenden Gattungen, wo der vordere Rand des Mantels eine häutige Verbindung mit dem Kopf eingeht, und bei den meisten Oegopsideu (wo ein funktionierender Nackenknorpel vorhanden ist) beide Blätter miteinander an den Sei- tenrändern des Nackenknorpels.« Für die untersuchten Myopsiden und für Abraliopsis und Brachioteuihis fand ich diese Angaben bestä- tigt, indessen zeigten sich bei einigen Oegopsiden auffallende Ab- weichungen. Bei Pterygioteuthis Giardi z. B. vereinigen sich die beiden Col- larisblätter nicht, sondern das äußere inseriert an den Seitenrändern des äußerlich erkennbaren Schildes des Nackenknorpels nk', während das innere an zwei seitlichen Flügeln desselben ansetzt. Man sieht letztere als dünne lamellenartige Knorpelblättchen , wenn man das Histologische ii. vciyIcichciHl aiiatoiuisclic rntfi'sucli. an Cephalopodeii. 559 äußere Collarisblatt vom Knorpel froipräjiariert und zurückschlägt. Noch deutlicher treten sie auf Schnitten hervor, wo man auch er- keiuit, daß sie sich ziendich weit nach den Seiten hin erstrecken (Textfig. 37). Eine ebensolche Ausbildung des Nackenknorpels und Verbindung mit dem Collaris zeige Todaropsis Verawji und Masti- goteuthis Hijorti. Bei Pterygioteuthis zieht übrigens wegen der geringen Längsaus- dehnung des Nackenknorpels, die der Breite des Collaris nicht gleich kommt, ein Teil des äußeren Blattes dieses Muskels ohne Unterbrechung an seiner distalen Spitze vorüber. Für Chiroteuthis imperator ist es charakteristisch , daß die Seitenränder des Nackenknorpels nicht in ihrer ganzen Ausdeh- nung mit dem Collaris verwachsen, da dieser an seinem vorderen Ende abgerundet ist, so daß dort jederseits vom Knorpel zwischen diesem, dem Collaris und dem Halsmuskelschlauch eine annähernd dreiseitige Lücke entsteht. Das in- nere Collarisblatt ist hier übrigens zu einer äußerst dünnen Lamelle geworden und geht un- merklich in den Retractor capit. lat. über. Bei den Octopoden verwächst bekanntlich der dorsale Teil des äußeren Collarisblattes mit der Innenseite des Mantels, und z^^■ar so innig, daß es mir z. B. bei Schnitten durch Tremoctopus atlanlicus nicht möglich war. den Muskel als selbständige Schicht auf der Mantel- innenfläche zu verfolgen. Die Verbindung des Kopfes mit dem Mantel durch besondere Mus- kelstränge habe ich schon bei der Schilderung der äußeren Längsmuskulatur des Mantels be- handelt. Ich möchte nur noch hinzufügen, daß bei Ärgonauta nach Bkock sich eine Gruppe von fünf Muskeln ent- wickelt hat, um die mangelnde Verbindung zwischen Kopf und Leber- kapsel zu ersetzen, daß ich aber außer diesen einen Muskel bemerkte, der von der hinteren dorsalen Fläche des Augenbulbus nach dem Mantelrand zieht und zwar seitlich von dem Muskel, der nach Brock in dem Zwischenraum zwischen dem dorsalen und benachbarten Armpaar entspringt. Er inseriert dort, wo das äußere Collarisblatt mit dem Mantel verschmilzt. Zwischen Formen mit knorpeligem Nackenschließapparat und Textfig. .37. Ptenjgioteuthix Giardi: Querscliiütt des Xacken- kiiorpels. 560 Fritz Richard Tippmar, solchen mit fester Kopfnackenverbindung gibt es nun Übergänge. bei denen der Nackenknorpel zugunsten einer festeren muskulösen Verbindung rückgebildet ist. So hat Appellöp (1898) für Hefero- teuthis dispar nachgewiesen, daß der Nackenknorpel nur noch als dünnes bogenförmiges Stäbchen erhalten ist, zwischen dem sich der Collaris als dünnes Muskelstratum ausspannt, von dem aus Muskel- bündel schräg nach dem Mantel ziehen. Auch für Idiosepius fand er als Rudimente zwei Knorpelstäbchen, die an der Verwachsungs- stelle der beiden Collarisblätter liegen und ebenfalls eine dünne Mus- kellage zwischen sich fassen. Bei Sepietta minor ist nun auch keiner- lei Rudiment von Knorpelstäbchen mehr nachweisbar. Die beiden Collarisblätter vereinigen sich aber dennoch an den beiden Seiten des Nackens, und zwischen den scharf abgegrenzten Verwachsungsstellen zieht ein dünner Muskel (mu.c) über den Nacken, der stärker ist als bei Idiosepius und dessen Fasern fast ausschließlich vom inneren CoUaris- blatt stammen, so daß es den Anschein er- weckt, als bilde es le- diglich eine ununter- brochene Fortsetzung dieses Blattes, an das sich das äußere nur an- legt (Textfig. 38). Der Zwischenraum zwi- schen der mittleren einfachen Partie des Collaris und der Innenfläche des Mantels wird durch Bindegewebe (bg) ausgefüllt. Nur in der dorsalen Mittellinie verwächst der Muskel mit dem Mantel (x), so daß man ihn, wenn man bei der Präparation den Mantel zurückzieht in der Mitte auseinanderreißt. Eine andre muskulöse Verbindung habe ich bei Sepietta zwischen Collaris und Mantel nicht nachweisen können. Mantel Textfig. 38. Sepietta minor: Nackenpartie (Querschnitt). 6. Musculi adductores infundibuli. Die Trichteradductoren befestigen den Trichter an der ventralen Fläche des Kopfes und sind bei den Decapoden gewöhnlich als zwei Paare entwickelt, von denen jedes der beiden Seiten teilweise oder vollständig verschmelzen kann. Letzteres Verhalten erweist sich als charakteristisch für Ahraliopsis, wo die beiden Muskelplatten sich bis zur Berührung genähert sind. Bei Chiroteuthis imperator sind die Muskel jederseits in der Nähe ihres Ursprungs, wo sie den Blindsack Histologische u. vergli'iclu'iul anatomische Untersiuh. an Ccphalopodcn. 561 der Vena cava zwischen sicL fassen, verschmolzen, gabeln sich aber bald und treten getrennt an den Trichter heran. Chun, der diese Verhcältnisse in einer Abbildung darstellt (1910, S. 7), setzt an Stelle der BROCKschen Bezeichnungen dieser Muskel (Muse. add. inf. inferiores mid superiores) die Bennung anteriores und posteriores, die ich weiter- hin anwenden werde. Die Adductoren von Duratopsis entsprechen nach der Schilderung Chuns (1910, S. 297) durchaus denjenigen von Chiroteuthis, nur sind sie auf eine größere Strecke mit der Unterseite des Halses verwachsen und laufen dicht neben der Vena cava entlang. Bei Chiroteuthis sind sie durch gallertiges Gewebe, in das sie vollkommen eingebettet sind von ihr getrennt. Bei Mastigoteuthis Hyorti sind die beiden Adductoren jeder Seite nicht so weit verschmolzen wie bei den eben geschilderten Formen, sondern sie lassen sich getrennt bis in die Nähe ihres Ursprungs ver- folgen. Der Adductor anterior erweist sich hier als ein sehr dünner fadenförmiger Strang, während der Add. posterior bandförmig ist und breit fächerförmig in die Seitenwandungen der Trichters und nach seiner Ventralfläche ausstrahlt. Die Adductoren von Pterygioteuthis sind jederseits getrermt; die beiden anteriores gehen aber ineinander über und inserieren am Kopfknorpel mit einem kurzen gemeinschaft- lichen Stamm, während die posteriores sich bis zur Berührung ge- nähert sind. Im voraus sei erwähnt, daß auch bei Octopus vulgaris die Adductores med. sup. (nach Brock), die den Add. anteriores ent- sprechen, an ihrer Ursprungsstelle zu einem einzigen Stamm ver- wachsen sind. Die Adductoren von Brachioteuthis sind beide zu einem dünnen Strang verschmolzen und liegen ziemlich tief. Hierin zeigen sie gewisse Ähnlichkeit mit Desmoteuthis, wo sie von außen, wie bekanntlich bei allen Cranchiiden, nicht zu bemerken sind. Man findet sie tief an der dorsalen Trichterwand als dünne weißliche Stränge vor. Nach Pfeffer (1900) sind bei den Thysanoteuthiden und Om- matostrephiden die Adductoren des Trichters getrennt und bei letzteren der äußere besonders eigenartig entwickelt, indem er beträchtlich ver- stärkt und nach der Seite gerückt ist, um schließlich als runder Strang eine Verbindung der hinteren Randpartie der Trichtergrube mit der Stelle des Collaris einzugehen, an der sich der Trichter frei von ihm absetzt. Sehr gut ausgebildet findet man diese Verhältnisse bei Toda- ropsis Veranyi vor. Bei den Thysanoteuthiden sind die äußeren Ad- ductoren nicht als freie Strän.^e, sondern mehr plattenförmig entwickelt. 562 Fritz Richard Tippmar, Eine ähnliche Bildung findet sich bei den Sepioladen ( Sepietta minor, Rossia macrosoma), wo man sie in der Tiefe zwischen der dorsalen Trichterwand und der Trichtergrube als quergestellte Muskelplatten wiederfindet. Was die übrigen Myopsiden anbelangt, so sind die Adductoren getrennt, und der vordere erweist sich stets schwächer ausgebildet als der hintere, welcher seinerseits in mehrere feine Stränge gespalten ist. Die Trichtermuskulatur der Octopoden ist reicher entwickelt als die der Decapoden. Brock beschreibt sie (1880, S. 212) von Argonauta argo, von der die übrigen Octopoden nur geringe Abweichungen er- kennen lassen. Er stellt diese Verhältnisse richtig dar, indem er vier Adductoren paare unterscheidet, nämlich zwei äußere seitliche und zwei innere, von denen letztere den Adductores anteriores und posteriores der Decapoden entsprechen. Ich will nur hinzufügen, daß die Fasern der Add. inf. laterales superiores bei Argonauta breit fächerförmig in die Seitenwandungen des Trichters ausstrahlen und sich in seiner ventralen Mittellinie begegnen. Auch den Bulbo-collaris fand ich bei den mir vorliegenden Octopoden ausgebildet. Herrn Pfefferkorn verdanke ich den Hinweis auf einen Muskel, der bisher noch nirgends Erwähnung gefunden hat, und den er bei Eledone moschata vorfand. Es handelt sich um einen dünnen Muskel- strang, der an der gegen die Halspartie gewendeten Fläche des inneren Collarisblattes inseriert, und zwar dort, wo sich der Trichter durch eine Furche vom Collaris absetzt. Er zieht von der einen Seite zur andern über der dorsalen Trichter wand hinweg und geht mit dieser in der dorsalen Mittellinie eine lockere Verbindung ein, welche durch Binde- gewebe vermittelt wird. Ich konnte diesen Muskel noch bei Octojms vulgaris nachweisen, während er bei Tremoctopus und Argonauta fehlt. Über einen gesonderten Muskel am Trichter selbst findet sich in einer Anmerkung auf Seite 222 bei Brock (1880) eine Angabe, deren Wortlaut hier wiederzugeben gestattet sei. Er schreibt: >>Bei Sepia und Loligo fand ich an den Seitenrändern der ventralen Trichterwand, wenn ich die Haut sorgfältig abpräparierte, nicht weit unter der oberen Trichteröffnung ein Muskelbündel, welches sich von der Trichter- wand losmacht, um sich nach kurzem Verlauf fein zugespitzt mit ihr zu vereinigen. Morphologische und physiologische Bedeutung sind mir gleich unverständlich.« Diesen Muskel vermochte ich auch bei andern Formen nachzu- weisen, wo er zuweilen nicht fein zugespitzt verlief, sondern breit in die Trichter wand ausstrahlte. Histologisfhe u. vcTgk'icheiul anatonii.sche Untersuch, an Cephalopoden. 563 Bei den Oegopsiden ist er relativ kräftig entwickelt; vor allem tritt er bei Chiroteuthis impemtor deutlich als weißlicher durch die Haut schimmernder Strang hervor (Textfig. 39 a). Er überspannt hier eine deutlich ausgeprägte Furche , die durch die Umbiegung der Trichterspitze zwischen dieser und der ventralen Trichterwand entsteht. Ahnlich repräsentiert sich dieser Muskel auch bei Mastigoteuthis Ili/orti, nur strahlt er hier nicht breit, sondern fein zugespitzt aus. Am geringsten entwickelt fand ich ihn bei Ahraliofsis Morisii, wo er nur an seiner ventralen Kante frei ist, während er dorsal noch mit der Trichter wand verwachsen ist. Infolge dieser Ausbildung entsteht jeder- seits am Trichter eine kleine halbmondför- mige Tasche, welche nach hinten und unten offen ist. Wohl ausgebildet erweist er sich wieder bei Todaropsis Veranyi, wo beide Kanten frei sind. Hingegen vermochte ich ihn nicht nachzuweisen bei Pterygioteuthis, Brachioteuthis , Doratopsis und Desfnoteuthis. Unter den Myopsiden wird er bei Ros- sia, Sepietta, Heteroteuthis vollständig ver- mißt, während er bei Loligo und Sepia von Brock zuerst aufgefunden Vviirde. Bei Sepia elegans fand ich ihn nur ganz gering entwickelt und fast vollständig mit dem Trichter verwachsen. Durch vollkommenes Fehlen dieses Mus- kels zeichnen sich die Octopoden aus. Was nun seine physiologische Bedeutung anbelangt, so kann vielleicht hierüber Chiroteuthis Aufschluß geben. Man sieht nämUch hier deutlich, daß dieser Muskel bei seiner Kontraktion eine Umbiegung der sonst nach vorn gerichteten Trichteröffnung nach hinten bewirken muß. Ob er bei andern Formen auch in diesem Maße hierzu befähigt ist, hängt von der Stärke seiner Ausbildung ab. Textfig. 39. Chiroteuthis Imperator: Trichtermuskulatur. (Xacli Chun, geändert.) II. Teil: Die postembryonale Entwicklung von Callitheuthis reversa. Unter der Ausbeute der MiCHAEL-SARS-Expedition befindet sich eine Anzahl von Histioteuthidenlarven, von denen die kleinsten auf Station 62/1 9 in einer Tiefe von 300 m zusammen mit ausgewachsenen Zeitschriit f. wissensch. Zoologie. CVII. Bd. 37 564: Fritz Richard Tippmar, Tieren von Calliteuthis reversa gefangen wurden. Da es sich hier um eine Reihe verschieden weit entwickelter Tiere handelt, deren Zuge- hörigkeit zur Gattung Calliteuthis sehr wahrscheinlich schien, so war es möglich ihre postembryonale Entwicklung sehr weit zurück zu verfolgen, wenn auch nicht bis zu dem allerjüngsten, eben aus dem Ei geschlüpften Stadium. Ich lege dieser Untersuchung sieben Exemplare zugrunde und beginne mit dem ältesten, welches die Merkmale von Calliteuthis reversa wohl ausgebildet zur Schau trägt. Was die äußere Form anbelangt, so stimmt dieses Exemplar noch durchaus mit dem erwachsenen über- ein, wenn auch das relative Größenverhältnis zwischen Kopf und Mantel etwas zugunsten des letzteren verschoben erscheint und die geringe Größe des ganzen Tieres von vornherein auf ein Jugendstadium hinweist. Die dorsale Mantellänge beträgt 6 mm, während die Kopf- breite mit Einschluß der Augen 3,2 mm erreicht. Die Breite der Flosse ist mit 2 mm gemessen worden. Man erkennt die Charaktere der Gattung recht gut daran, daß die Flossen relativ klein sind, die dorsale Mittellinie mit ihren Ansatzstellen nicht erreichen, sondern auseinander- klaffen und am hinteren Körperende, welches sie nicht überragen, die charakteristische Einbuchtung zeigen; während die Merkmale der Species durch die Anordnung der Leuchtorgane, die auf den Ventral- armen in drei, auf den übrigen in zwei Reihen sich finden, sinnfällig ausgeprägt werden. Während die Leuchtorgane auf den Armen und der ventralen Kopf fläche, wo sie die charakteristischen Schrägreihen erkennen lassen, in großer Zahl wohl ausgebildet sind, findet man auf dem Mantel nur fünf seinem Rande parallele Reihen vor, die die An- ordnung in Schrägreihen etwas verwischen, und von denen die erste, d. h. die vorderste zehn, die zweite zwölf, die dritte sieben, die vierte sechs und die fünfte drei aufweist. Die am weitesten nach außen liegenden Organe einer jeden Reihe sind in der Entwicklung am weitesten zurück und auch nur durch das kleine glänzende Schildchen und die vorgelagerte Chromatophore charakterisiert. Am Lidrand der Augen erkennt man rechts 17 und links in einiger Entfernung davon etwa sieben Leuchtorgane, während sie sich auf dem Rücken, auf dem die symme- trische Anordnung der Chromatophoren noch wohl erkennbar ist; nirgends nachweisen lassen. Die Maße der Arme betragen für das ventrale Armpaar 3 mm, ' für das dritte und zweite je 5 mm und für das dorsale 4,2 mm, sodaß ihre Formel lautet: 2.3.1.4. Diese bleibt bis auf die jüngsten Exem- plare herab die gleiche. Die Saugnäpfe, welche in zwei Reihen ange- Histologische u. vergleichoiul aiiatoinisclu' Untersuch, an Cephalopodt-n. 565 ordnet yiiid, wei.'^oii einen .. Unterschied ist indessen darin zu bemerken, daß nach Meisenheimer eine ganze Gruppe gleich großer Zellen gleichzeitig in das Innere herein- wächst. Dieser Umstand kann von zwei Ursachen abhängen: ent- weder fehlt bei Ammothea eine deut- lich differenzierte Urentodermzelle, oder aber Meisenheimer hat dieselbe nicht bemerkt. Ich möchte einen so ausgezeichneten Forscher wie Meisen- heimer nicht einmal einer kleinen Ungenauigkeit beschuldigen, allein seine eigne Arbeit enthält offenbar Angaben, welche auf das Vorhanden- sein einer Urentodermzelle bei ^4 »iW?o- Textfig. 13. ihea hinweisen. So ist auf Fig. 28 u. 31 PhoxichüUium. Einwanderung des Zellen- ggjj^g^. rj.^f_ -j^y ^-^^^ ^^^ Zellen bedeu- biiketts. Oc. 4; Object. Hom. Imm. 1/12. tend größer als alle übrigen. Zugunsten meiner Annahme kann auch folgendes Zitat aus Meisen heimers Arbeit dienen: »Die Größendifferenz der Kerne beider Schichten ist zuweilen eine recht beträchtliche, namentlich wenn einige Kerne« (er selbst Knil)rvologi.sche Studii'n an Pantopodcii. 585 zeichnet einen ilerartijien Kern) »der inneren Zellen vorübergehend sehr stark anschwellen« (1902, Ö. 201). Auf quer durch das Bukett aus sich einstülpenden Zellen geführten Schnitten ist deutlich zu sehen, wie eine große centrale Zelle von einem regelmäßigen Kranz aus acht bis zehn Zellen von geringerer Größe umgeben ist (Textfig. 14). Als das darauffolgende Entwicklungsstadium wird man die gänzliche Ein- wanderung der Zellen des Buketts nach innen ansehen müssen. Zuerst verliert die Entodermzelle ihren Zusannnenhang mit der Körperober- flüehe. Der dünne Stiel, vermittels dessen sie mit der Eioberfläche verbunden war, wird eingezogen, die Entodermzelle rundet sich ab und liegt jetzt ganz und gar an der Stelle des früheren Blastocöls. Nach ihr, aber etwas später, folgen auch die übrigen Zellen ihrem Beispiel: sie wandern nach dem Inneren und legen sich rings um die Entodermzelle, zwischen diese und das Ectoderm. Während dieses Vorganges rückt das Ectoderm der unteren (ventralen) Hemisphäre nach oben und be- deckt die Stelle, von wo die Zellen des Buketts ausgewandert sind (Textfig. 19). Auf dieser Seite des Embryos besitzen die Ectodermzellen eine kubische Gestalt, während auf der übrigen Oberfläche des Textfig. 14. Eies die äußere Schicht von Zellen das f^f^^ff«- im centrum liegt die Lrentodermzelle, umringt von Aussehen eines Cylinderepithels darbietet, der Mesodeimaniage. oc 4; ob- Der mehr flache Charakter des ectodermalen '''^- ^°"'- ^°'"'- ^/^-• Epithels erlaubt es auch im Verlauf der wei- teren Entwicklung diejenige Seite zu unterscheiden (wie wir später sehen werden ist es die dorsale), auf welcher die Einstülpung vor sich gegangen ist. Die kleinen Bukettzellen, welche die Entodermzelle umgeben, halte ich für die Anlage des Mesoderms der sechsfüßigen Larve. Wir sehen demnach, daß die Bildung des inneren Blattes (Entoderm + Meso- derm) hc'iPijcnogonum und Phoxichilidium einen Prozeß darstellt, welcher die Mitte zwischen der Invagination und der Epibolie einnimmt. Ich muß dabei hervorheben, daß die Elemente des Mesoderms samt und sonders in das Innere einwandern und sich nicht etwa vermittels radialer Teilungen von den oberflächlichen Zellen abschnüren. Durch eine solche Abschnürung oder Delamination entsteht das Mesenchym bei Lepas, nach Bigelow (1902), und ein Teil des Mesoderms bei den Euphausidae, nach Taube (1909). Morgan endlich (1891, S. 4 — 5) 586 V. Dogiel, behauptet kategorisch, daß der »Entoblast« bei Phoxichilidium und Tanystylum durch multipolare Delamination hervorgeht. Nach meinen Beobachtungen geht weder bei PhoxicJdlidium noch bei Pycnofjonum irgendetwas vor sich, was an eine Delamination er- innern würde, so daß wir es in den Untersuchungen von Morgan höchst wahrscheinlich mit einem groben Versehen in der Beobachtung zu tun haben. Während der Bildung des inneren Blattes sind Mitosen nur im Ectoderm zu beobachten, dessen Zellen sich dazu noch ausschließ- lich in tangentialer Richtung teilen. Wir wollen nunmehr das weitere Schicksal des inneren Blattes verfolgen. Seine Zellen beginnen sich zu teilen. Die erste Teilungs- figur tritt stets in der Urentoderm- zelle auf (Textfig. 15), während die -^ •^•^ - Teilung einiger Mesodermzellen später • • ; - • 9 "- • ► 9 • > . • • ; - -1- » • 0 ■■-.«-. • « 9 ":^ Textfig. 15. Phoxichilidium. Erste Teilung der Entoderm- zelle. Oc. 4; Object. Hom. Imm. 1/12. ^*«« Textfig. 16. Pycnogonum. Stadium, wo das Entoderm aus zwei Zellen besteht. Oc. 4; Object. 4 mm. beginnt. Die Urentodermzelle teilt sich nach und nach in zwei, vier und acht Zellen, welche vor dem Mesoderm sehr deutlich durch die größere Menge des in ihnen enthaltenen Dotters ausgezeichnet sind (Textfig. 16, 17, 18, 19). Diese Zellen fahren fort sich weiter- hin zu teilen und später bildet sich gerade an ihrer Stelle der Mitteldarm. Man wird natürlich die Möglichkeit nicht völlig leug- nen können, daß auch ein Teil der von mir als Mesodermzellen angesehenen Elemente an der Bildung des Mitteldarmes beteiligt ist. Man kann dies aus dem Grunde nicht leugnen, weil der schroffe Unter- schied zwischen den Elementen des Entoderms und der Mesoderms auf späteren Stadien wieder ausgeglichen wird. Auf Grund der scharfen Differenzierung der primären Entodermanlage und des Umstandes, daß Embryologische iStudini an Paiitopodin. 587 bei der sechsfüßigen Larve von Phoxichilidium der Mittcldarm nur wenige Dutzende von Zellen enthält, halte ich es aber für unvergleich- lich wahrscheinlicher, daß der gesamte entodermale Teil des Darmes aus einer einzigen Urentodermzelle hervorgeht. Das die Entodermanlage umgebende Mesoderm, welches zuerst aus einer Zellschicht besteht, wird nach und nach zweischichtig. Hierzu führen häufig zu beobachtende Teilungen der Mesodermzellen. Die Teilungsspindeln in den Zel- len des mittleren Blattes sind Textfig. 17. Phoxichilidium. Das Entoderm besteht aus zwei Zellen. Oc. -1; Object. Hom. Imm. 1/12. Textfig. 18. Pycnogonum. Oc. 4; Object. 4 mm. ohne merkbare Regelmäßigkeit in den verschiedensten Richtungen angeordnet. Der Unterschied von dem entsprechenden Entwicklungsstadium bei Ammotliea (nach Meisenheimer, 1902) besteht nur darin, daß bei letzterer 1) die Stelle, wo die Zellen des inneren Blattes nach innen ausgewandert sind, lange Ze't hindurch nicht vom Ectoderm überwachsen wird, und 2) das Mesoderm im Verlauf eines längeren Zeitabschnittes einen ein- schichtigen Charakter bewahrt. Dagegen legen die darauffolgenden Entwicklungsvorgänge eine außerordent- liche Übereinstimmung mit den Verhält- nissen an den Tag, wie sie von Meisen- heimer beschrieben worden sind. Ich muß überhaupt bemerken, daß die Arbeit dieses Autors unschätzbare Dienste bei dem Studium der Pantopodenembryologie leistet. Textfig. 19. Pl/cnogonum. Übergang des Ento- . l* * 6 • Textfig. 20. Pycnogonum. Querschnitt. Oc. 4; Object. 4 mm. Textfig. 21. Phoxicfdlidium. Im Mittelpunkt sind zwei Entodermzellen zu seilen. Oc. 4; Object. Hom. Imm. 1/12. welche allmählich tiefer wird und das Stomodäum ergibt (Fig. 21). Das innere Ende des Stomodäum berührt bald das Entoderm, aber die Grenze zwischen ihm und der Entodermanlage ist stets deutlich zu erkennen. Inzwischen wird auf der Ventralseite des Embryos eine Querfurche angelegt, welche die Anlage der 50^ abgrenzt. Dement- sprechend entstehen auf näher zur Ventralseite geführten Frontal- schnitten durch das betreffende Stadium vier Abschnitte: die zwei kleineren derselben stellen die pi dar, die zwei größeren dagegen die gemeinsame Anlage der p^ und p^. Bevor ich die Beschreibung der äußeren Veränderungen am Embryo beschließe, muß ich bemerken, daß etwas später auch die Anlagen der p^ und j)^ durch die zweite Querfurche abgegrenzt werden. Von großer Wichtigkeit ist der erstmals von Meisenheimer beschriebene Vorgang der allmählichen Verlagerung des Stomodäums und der Schnabel- I\inl)rvol()jiis(lu' Studien an l'anfopodcn. 589 anläge von der Dorsalseite des Embryos nach dessen vorderen Pol, ein Vorgang, welcher von einer Verlagerung der p^ nach dem Rücken, ihrer (lofiiiiti\ imi Lage, begleitet wird. Bei Pycnogonum gebt diese Er.^cheiniing genau in der gleichen Weise vor sich, wie bei Ammothca. Bei PJio.rirhilidium ist insofern ein Unterschied zu bemerken, daß der Schnabel virl tiefer herabsinkt, als bei den beiden oben genannten Formen und schließhch fast senkrecht zur Bauchfläche des Embryos gerichtet ist. Der Schnabel entsteht in Gestalt eines ringförmigen Hautwulstes um die Einstülpung des Stomodäums und besteht ab origine aus drei Antimeren, worauf man auf Grund von Querschnitten schließen kann. AVir sind demnach nunmehr zu einem Stadium gelangt, 'Vx . .%■ "*■ © '^ ^ ... ^- "' " * * ® « ♦ • .©; 3 • .^/ Textfig. -12. Phoxichilidiiim. Oc. 4; Object. Honi. Imiii. Textfig. 23. Phoxichilidium. Querschnitt. Oc. 4; Object. Hom. Imni. 1,1"2. WO der kurze, runde Körper des Embryos vorn mit einem konischen Vorsprung, welcher den Schnabel darstellt, und auf der Ventralseite mit drei Höckerpaaren — den Anlagen der Extremitätenpaare — versehen ist. Um diese Zeit erleidet die innere Zellenmasse des Embryos folgende Veränderungen. Sowohl im Entoderm wie auch im Mesoderni werden die Grenzen zwischen den einzelnen Zellen weniger deutlich. In der Entodermanlage geht eine Differenzierung der Zellen in zwei Typen vor sich. Ein Teil der Zellen wird ärmer an Dotter, so daß die Kerne solcher Zellen bisweilen nur noch von einem dünnen Protoplasma- saum eingerahmt sind; ein andrer Teil bewahrt das Aussehen großer, homogener Dotterkügelchen mit einem sich intensiv färbenden Kern im Inneren (Fig. 22, 23, 24). Einige dieser Kugeln besitzen offenbar gar keinen Kern. Meiner Ansicht nach hängt dieser Umstand davon ab, daß die kleinen Ento- dermzellen aus den großen durch Abtrennung ihres dotterreichen 590 V. Dogiel, Teiles gebildet werden. Diese Differenzierung des Entoderms tritt um so deutlicher zutage, je weiter die Bildung der sechsfüßigen Larve fortschreitet. Den für die Untersuchung schwierigsten Augenblick in der Entwick- lung des Darmes bildet die Umwandlung der erwähnten entodermalen Masse in den Mitteldarm der Larve. Diese Umwandlung besteht darin, daß die Entodermanlage sich vor allem längs ihrer Peripherie scharf von dem Mesoderm absondert, während in ihrem Mittelpunkt eine kleine Höhle auftritt; es entsteht ein ovales Säckchen mit sehr dicken Wandungen. Während die Ge- Textfig. 24. Phoxichilidium. Querschnitt. Oc. 4; Object. Hom. Imm. 1/12. Textfig. 25. Pycnogomim. Quersclinitt. Im Mittelpunkt Ento- derm. Es beginnt die Differenzierung des Meso- derms der Extremitäten. Oc. 4; Object. 4 mm. samtheit der Entodermelemente zuvor eine lockere Masse durcheinander- gemengter Zellen und Dotterklümpchen darstellte, bestehen die Wände des Säckchens nunmehr aus einem gemeinsamen Syncytium, in dessen Protoplasma die Dotterkerne dicht zusammengedrängt liegen. Die Dotterkugeln sind nicht mehr zu unterscheiden. Es erscheint mir am wahrscheinlichsten, daß die Höhlung des Darmes gleichsam durch Ausschwitzen entsteht, indem durch eine allmähliche Ansammlung von Flüssigkeit im Centrum und den durch dieselbe auf die Magen- wandungen ausgeübte Druck eine Verdichtung dieser Wandungen hervorgerufen wird. Die Darm Wandungen der Larve werden vorzugs- weise auf Kosten der kleinen Entodermzellen aufgebaut. Ich nehme dies aus dem Grunde an, weil wenigstens ein Teil der großen Dotter- kugeln nur als Nährmaterial dient, und die in ihnen enthaltenen Kerne als Dotterkerne (Vitellophagen) anzusehen sind. Dies ist aus der Fig. 16 der Taf. XVII deuthch zu ersehen, welche einen Schnitt durch den Darm der völlig ausgebildeten sechsfüßigen Larve darstellt. Hier Kiiil)ivologische Studien an I'antojjodcii. 591 und da sintl in den Zellen des Darmepithels noch allmählich der Ver- dauung- unterliegende Dotterkugeln xu bemerken; eine derselben, im Innern der Zelle gelegen, ist sogar von einer Höhlung umgeben, d. h. sie liegt im Innern einer Nahrungsvacuole. Das Schicksal des Mesoderms ist entsprechend dem, was Meisen- heimer bei Ammothea beschrieben hat, ein sehr einfaches. Die Zahl der Zellen, aus denen es besteht, wird immer größer, während die Grenzen zwischen ihnen undeutlicher werden. Allein auf Grund der Anoidnung der Kerne kann man ersehen, daß das Mesoderm einen mehrschichtigen Charakter annimmt. Bei zunehmender Differenzierung der Extremitäten durch Hereinwachsen der früher erwähnten Höcker in den Körper, werden auch die die Anlage einer jeden Extremität ausfüllenden Mesodermbezirke abgegrenzt (Fig. 25). Diese ganze Zeit über hat das Mesoderm das Aussehen einer kompakten Plasmamasse mit unregelmäßig angeordneten Kernen; irgendwelche Höhlungen oder leere Räume sind in derselben nicht vorhanden. Erst wenn die Ex- tremitäten beginnen sich in die Länge zu strecken und der Embryo selbst sich bereits dem Stadium der sechsfüßigen Larve nähert, lockert sich die Mesodermmasse, die Zellgrenzen treten von neuem hervor und die Zel- len differenzieren sich zu Muskeln usw. Es muß übrigens bemerkt werden, daß man hier und da Exemplaren von Embryonen begegnet, welche zeigen, daß die Grenzen zwischen den Zellen wäh- rend der gesamten Entwicklung erhalten bleiben können (Textfig. 26). Ich ver- mute daher, daß der syncytiale Charakter des Mesoderms, der von mir und Meisen- Textfig. 26. HEIMER wie auch von Morgan beobachtet ^i/c«offon«m Querschnitt Die spindel- förmigen Zellen an den Korperseiten wurde, in beträchtlichem Maße von der sind die Anlagen von Muskeln. Oc. 4; Wirkung der fixierenden Reagentien ab- Object. 4 mm. hängt. Das Hauptprodukt der Differenzierung des Mesoderms stellen die Muskelzellen dar. Schon auf verhältnismäßig frühen Stadien (Textfig. 2G) kann man im Mesoderm einzelne Elemente unterscheiden, welche sich in die Länge strecken und eine spindelförmige Gestalt annehmen: es sind dies eben die ersten Anlagen der Muskelzellen. Außer Muskeln entstehen auf Kosten des Mesoderms auch zahl- Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CVII. Bd. 39 592 V. Dogiel, reiche, frei in der Leibeshöhle der sechsfüßigen Larve herumschwim- mende Zellen, von denen gelegentlich der Beschreibung dieses Stadiums eingehender die Eede sein wird. Aus dem Mesoderm bilden sich auch zellige Stränge, welche von dem Darm der Larve nach der Wandung ihres Körpers hinziehen. Ein Teil der am vorderen Körperende liegen- den Mesodermzellen wandert in den Zwischenraum zwischen der äußeren Schnabelwand und der Speiseröhre, wo er die Schnabehnuskulatur ergibt (Textfig. 27). Bei der vorhergehenden Beschreibung habe ich die Entwicklung des Nervensystems nicht berührt, weil dieselbe, ver- glichen mit der Entwicklung bei Ammothea, keinerlei interessante Züge darbietet. Einstweilen nehmen die Extremitäten des Embryos ihre definitive Gestalt an. Es geht dies auf folgende Weise vor sich. Die Anlagen der ö«. Textfig. 27. Phoxichilidium. Frontalschnitt. Oc. 4; Object. Hom. Imm. 1/12. Textfig. 28. Pycnogonum. Querschnitt. Im Mittel- punkt sieht man die durchschnittene Siieiseröhre. Oc. 4; Object. 4jmm.' Extremitäten wachsen stark in die Länge, indem sie in der Richtung zur medianen Ventrallinie auswachsen. Hier müßten die entsprechenden Extremitäten der gegenüberliegenden Körperseiten miteinander zu- sammenstoßen, allein dies findet nicht statt, da die Extremitäten beider Seiten in abwechselnder Reihenfolge angeordnet sind. Eine derartige Anordnung der Extremitäten zeichnet auch Meisenheimer, wobei nach diesem Autor bald die Extremitäten der rechten Seite vor denen der linken Seite liegen können (1902, Taf. XIII, Fig. 6), bald umgekehrt (1902, Taf. XIII, Fig. 5, 7, 8, 9). Bezüglich Phoxichilidiim findet sich in dem Hefte, in dem ich meine täglichen Beobachtungen einzeichnete, die Bemerkung, daß die linken p^ und p^ stets vor den entsprechenden rechten Extremitäten liegen (Taf. XXII, Fig. 8). Was das erste Extremitätenpaar betrifft, so biegt sich dasselbe bei Pycnogo • nwm von den Seiten aus nach der Ventralseite um, parallel zu f^ und p^, Enibryologischc Studien an rantopoden. 593 wie (lies auch bei Ammothea der Fall ist: liei L'hoxkhilidium dagegen, dessen Schnabel stark ventralwärts verlagert ist, biegt .sich das erste Extremitätenpaar von vorn her nach der Ventralseite um, indem es annähernd senkrecht zu den beiden übrigen Extremitäteiipaaren an- geordnet ist (Taf. XXII, Fig. 8). In der Entwicklung der pi von Fycnogonum habe ich die inter- essante Erscheinung beobachten können, daß von den beiden Scheren- gliedern das bewegliche Glied vor dem unbewegUchen angelegt wird. Infolgedessen haben die p^ auf einem gewissen Stadium eine haken- förmige Gestalt, gleich den Anlagen der übrigen Extremitätenpaare (Taf. XVII, Fig. 3). Diese Erscheinung hat aber wiederum eine ge- wisse Bedeutung bei der Homologisierung der f'^ mit den Gliedmaßen der übrigen Arthropoden. Sie weist darauf hin, daß die p'^ aus typischen Gangbeinen hervorgegangen sind, und daß ihr Scherencharakter bei den Pantopoden ein erworbenes Merkmal darstellt. Die Larven von Pycnogonum sind, w4e bekannt, durch die außer- ordentlich starke Ausbildung des Spinndorns an dem Basalglied der p^ ausgezeichnet, die Larven von Phoxichilidium dagegen durch die ebenso starke Verlängerung der Endglieder der p- und p"^. In beiden Fällen umschlingen die erwähnten, die Gestalt langer Fäden oder Ranken besitzenden Anhänge, um innerhalb der Eischale Platz zu finden, den Körper der in der Bildung begriffenen Larve mit zwei Windungen. Indem ich hiermit die Betrachtung der Entwicklung von Pycno- gonum und Phoxichüidium innerhalb des Eies abschließe, möchte ich noch die hier erhaltenen Resultate mit den Angaben Mp:isenheimers für Ammothea vergleichen. Meine Beschreibung weicht in zwei Punkten von diesen Angaben ab. Erstens habe ich im Gegensatz zu Meisen- HEiMER, welcher eine gemeinsame Anlage des inneren Blattes beschreibt, von allem Anfang an eine deutliche Differenzierung dieses letzteren in Entoderm und Mesoderm beobachtet. Dabei geht das gesamte Ento- derm aus der einzigen Urentodermzelle hervor. Die Entwicklung der beiden erwähnten Pantopodengattungen ist demnach zu dem deter- minativen Typus zu rechnen. Der zweite Widerspruch betrifft die Differenzierung des Mesoderms. Nach Meisenheimer (1902, S. 207) zerfällt die innere, den Embryo von Ammothea ausfüllende Masse in einen mittleren Abschnitt, aus dem der Mitteldarm hervorgeht, zwei seitliche Teile, welche das »Mesen- chym-Muskelgewebe << der Larve entstehen lassen und einen dorsalen Abschnitt, welcher die Anlage des Herzens darstellt. Letzteren be- 39* 594 V. Dogiel, schreibt Meisenheimer in Gestalt »einer dorsalwärts sich abspaltenden Platte« (1902, S. 210). Meiner Ansicht nach begeht Meisenheimer hier einen argen Fehler, indem er diese dorsale Zellenplatte für die erste Anlage des Herzens ansieht. Aus dem dorsalen Mesodermab- schnitt bilden sich nach meinen Beobachtungen hauptsächlich die- jenigen Zellen, welche wir späterhin in der Leibeshöhle der sechs- füßigen Larve zerstreut liegend antreffen. Gegen die Auffassung von Meisenheimer sprechen vor allem seine eignen Worte. Auf Seite 210 schreibt er, daß die anfangs ganze Herz- anlage in einzelne Zellen zerfällt, >>(deren) eigentümliche, histologische Struktur läßt darauf schließen, daß sie zum mindesten vorübergehend eine excretorische Funktion besitzen«. Allein damit soll ihre Rolle angeblich noch nicht erschöpft sein, indem aus ihnen späterhin das Herz gebildet wird. Abgesehen davon, daß eine solche Annahme a priori wenig Wahrscheinlichkeit für sich hat, kann sie nur von einem Forscher ausgehen, welcher mit der postembryonalen Entwicklung der Pantopodenlarve nicht bekannt ist. Das Herz entsteht unvergleichlich später und, was die Haupt- sache ist, in demjenigen Abschnitt des Rumpfes, welcher hinter dem dritten Extremitätenpaar gelegen ist, d. h. in einem Körperabschnitt, welcher bei der sechsfüßigen Larve (bei der auch Meisenheimer seine Herzanlage gefunden hat) noch gar nicht angelegt ist. Außerdem sind die von Meisenheimer beschriebenen excretorischen Zellen, welche aus seiner dorsalen Zellenplatte hervorgehen, durchaus nicht an der dorsalen Seite des Körpers angehäuft, sondern sie liegen überall zer- streut und werden sogar im Innern der Extremitäten angetroffen. Alle diese Tatsachen veranlassen mich an der Deutung des dorsalen Mesodermabschnittes zu zweifeln, wie sie von Meisenheimer vorge- schlagen wird. Zweite Gruppe. Zu der zweiten Gruppe, d. h. zu den Formen mit mittlerer Dottermenge in den Eiern, gehört Nymplion strömii Kröyer. Die Eier- klumpen dieser Art besitzen den Charakter einer kompakten, ziemlich festen Masse, durch deren Mitte die eiertragenden Extremitäten der Pantopoden hindurchgestreckt sind. Das Herabgleiten dieser Muffen von den Füßen wird durch den Umstand verhindert, daß das fünfte Glied der ^j^, an welchem die Muffe sitzt, von seinem proximalen nach dem distalen Ende zu dicker wird. Reißt man den Fuß ab und zieht die Muffe vorsichtig in der Richtuno; nach der Basis der Gliedmaße, Kinbrvologisflie Studit'U an Paiitopütk-u. 595 I I so läßt sie sich sehr kMcht von dem Fuß herunternehmen. Auf Grund dieser Beobachtun«;' glaube ieh die Erweiterung der Endabschnitte der ;j^, wie wir sie bei vielen Pantopoden antreffen (so z. B. bei der Gattung Cordylochele), eben für eine Vorrichtung ansehen zu können, durch welche die Eierklumpen an ihrer Stelle festgehalten werden. Im Gegensatz zu PhoxicJiilidium und Pycnogonum ruhen die Eier von Nijmphon strömii nicht frei in einer gemeinsamen gallertigen Masse, sondern sie sind dicht miteinander verklebt. Infolgedessen wird auch die kugelförmige Gestalt der Eier zu einer vielkantigen. Am häufigsten erinnert ein Schnitt durch den Eierklumpen von Nymphon an das Bild, welches uns eine Bienenwabe bietet: die sechseckigen Zellen der Wabe sind durch die einzelnen Eier repräsentiert. Allein an den Rändern der jMuff e und häufig auch in deren Mitte (besonders auf späteren Stadien) können die Eier auch eine völliii, unregelmäßige Gestalt aufweisen. Textfig. 29. yymphon. Ei vor Beginn der rurchung. Oc. 4; Object. 8 mm. Textfig. 30. yi/mphon. Stadium von zwei Elastomeren. Oc. 4; Object. 8 mm. Textfig. 31. yymphon. Stadium von vier Blastomeren. Oc. 4; Object. 8 mm. Man wird sich leicht vorstellen können, wäe sehr die richtige Orien- tierung des Embryos durch diesen Umstand erschwert wird. Einzelne Eier aus der Muffe herauszupräparieren ist nicht möglich, da die Eier zu fest miteinander verklebt sind. Das Alter der Eiermuffen kann bis zu einem gewissen Grade schon nach ihrer äußeren Gestalt bestimmt werden. KürzHch abgelegte Muffen sind durch ihre milchweiße Färbung ausgezeichnet, während Muffen, welche Eier auf späteren Entwicklungsstadien enthalten, schmutzig-gelb oder selbst gelblich-braun gefärbt sind. Vor dem Beginn der Furchung ist das Ei von Nymphon strömii (Textfig. 29) dicht mit kleinen Dotterkörnchen angefüllt, w^elche gleich- mäßig über das ganze Ei verteilt sind. Nach Färbung mit Safranin und Lichtgrün werden diese Körner rosafarben, wobei ihr Centrum 596 V. Dogiel, intensiver gefärbt wird, als die Peripherie; die Oberfläche der Körner ist gleichsam von einer äußerst dünnen bläulich-grünen Membran umgeben (Taf. XVIII, Fig. 25). Zwischen den Körnern, namentlich in der Nähe des Eikernes, sind dünne Zwischenwände aus feinkörnigem Protoplasma zu bemerken. Der Beginn der Furchung erinnert sehr an die Furchung der Eier der ersten Gruppe, und zwar ist sie eine totale und anfangs durchaus äquale. Für die Stadien mit zwei Blastomeren ist dies auf der Text- fig. 30 sehr deutlich zu erkennen. Das gleiche läßt sich auch in betreff des vierzelligen Stadiums sagen (Textfig. 31). Aus acht Blastomeren bestehende Stadien haben mir leider nicht vorgelegen, allein bei aus 12 — 16 Zellen bestehenden Eiern tritt ein Unterschied in der Größe der Zellen an zwei einander gegenüberliegenden Eipolen bereits ganz deutlich hervor (Textfig. 32 u. 35). Das Ei kann in zwei ungleiche Hälften zerlegt werden. Die größere Textfig. 32. Textfig. 33. Nymphon. Stadium von 16 Blastomeren. Nymphon. Stadium von etwa 24 Blistomeren. Hälfte wird von vier bis fünf Zellen gebildet, welche bedeutend größer sind, als die übrigen, die andre Hälfte ausmachenden Zellen. Von den fünf großen Zellen ist die eine augenscheinlich durch ihre besonders großen Dimensionen ausgezeichnet. Ich sage augenscheinlich, da ich über die Größe der Zellen nur auf Grund von Schnitten urteilen konnte; die eine der Zellen kam mir dabei auf einer viel größeren Anzahl von Schnitten zu Gesicht, als irgendeine d^r andern Zellen (Textfig. 34 x). Die Macromeren, wie man diese großen Zellen nennen kann, sind viel länger als die Micromeren und haben die Gestalt von Pyramiden, deren Spitzen alle nach ein und demselben Punkt im Innern des Eies gerichtet sind (Textfig. 33). Dieser Punkt fällt wegen der Ungleichheit der Eihälften nicht mit dem Mittelpunkt des Eies zusammen, sondern ist etwas in der Richtung nach der aus kleineren Zellen bestehenden Hemisphäre verlagert. Die Kerne besitzen in allen Blastomeren eine Kmhryologisclic Studien an l'aiitopodcii. 597 uiin'izi'lmäßitie Gestalt, iiuloni die Keniniembraii zahlreiclie Voisj)iünge und Kalten bildet. Die Kerne werden verhältnisniäßi;^; schwach ge- färbt; ihr Chroniatin lieut in CJestalt kleinster Kcirnciien namentlich der Kernniend)ran an und nur das runde Kernkörperchen ruht im Innern des Kernes. Dieses Stadium werden wir mit der Blastula von Pycnogonum, vergleichen können. Allein bei Nymphon besteht ein wichtiger Unterschied von der Entwicklung nach dem ersten Typus und zwar 1) in der Differenzierung der Fur- chungszellen zu Macio- nieren \ind Micromereii >< Textfig. 34. Syniphon. Ei mit differenzierter großer Zelle x. Oc. 4; Object. 8nini. Textfig. 35. Nymphon. Oc. 4; Object. 4 mm. wie auch 2) darin, daß in den Eiern von Nymphon ein Blastocöl voll- ständig fehlt und nicht einmal für kurze Zeit auftritt. Die weitere Entwicklung besteht in der Teilung der Zellen beider Hemisphären in tangentialer Richtung. Dabei teilen sich die Micro- meren viel rascher als die Macromeren, wobei sie die diesen letzteren entsprechende Hemisphäre mützenförmig umwachsen. Da dieser Um- wachsungsprozeß bei Pycnogonum und Phoxichilidium in der Richtung von dem unteren (ventralen) nach dem oberen (dorsalen) Pol vor sich geht, so erhalten wir bei Nymphon die Möglichkeit, die Macromeren- hemisphäre als die obere, die Micromerenhemisphäre dagegen als die untere anzusprechen. Beide Hemisphären gehen allmählich ineinander über. Die Macromeren sind nicht alle von gleicher Größe, und die größten derselben liegen dicht am Pol der oberen Hemisphäre, während die Macromeren von geringeren Dimensionen jenen Gürtel der oberen Hemisphäre einnehmen, längs welchem diese an die untere Hemi- sphäre grenzt. 598 V. Dogiel, Textfig. 36. Nymphon. Beginn der Differenzierung des Meso- derms (centrale Zellen). Oc. 4; Object. 4 mm. Der nächstfolgende Moment in der Entwicklung gibt uns das Bild der Differenzierung der drei Keimblätter. Ein Teil der längs dem Eiäquator, an der Grenze der Micromeren liegenden Macromeren (deren geringste, von mir beobachtete Zahl vier beträgt) dringt zwischen der Micromerenkappe und den übri- gen Macromeren hindurch in das Innere des Eies hinein (Textfig. 36 u. 37) und bildet die erste Anlage des Meso- derms. Von diesem Augenblick an können wir bereits sagen, daß die centralen, größten Macro- meren der oberen Hemisphäre das Entoderm und der Gürtel der wenigen großen Macrome- ren das Mesoderm darstellen, während die Micromerenkappe aus ectodermalen Elementen besteht. Wie ich schon früher bemerkt habe, ist eine regelrechte Orientierung der Eier von Nymphon und deren Studium in toto nicht möglich, wodurch die Untersu- chung der frühen Sta- dien außerordentlich er- schwert wird. Aus diesem Grunde wage ich es nur mit Vor- behalt auszusprechen, daß in den Eiern von Nymphon auf dem oben beschriebenen Stadium augenscheinlich eine wohl ausgesprochene bi- laterale Symmetrie zu bemerken ist. Eine solche ist ganz deutlich auf einigen Schnitten ausgesprochen, welche meiner Ansicht nach senkrecht Textfig. 37. Nymphon. Querschnitt, welclier die bilaterale Anordnung der Zellen erkennen läßt. Oc. 4; Object. 4 mm. Kinbryologische .Studien au rantoiKidru. 599 i Textfig. 38. Nymphon. Differenzierung des Jlesoderms; linlvs ist eine ins Innere wandernde Mesodermzelle zu seilen. Oc. 4; Object. 4 mm. ZU der zuküuftiueu Länosaclise des Enibiyokörpers geführt sind. Beiderseits von de)- Mediaufläche liegen sowohl die Ectodermzellen, wie auch die ersten Mesodermelemente symmetrisch angeordnet. So sehen wir z. B. auf der Textfig. 37 in bilateraler Anordnung: Vier Zellen mit ruhenden Kernen, zwei Zel- len mit von dem Schnitt nicht getroffenen Kernen und zwei Zellen, deren Kerne in mitotischer Tei- lung begriffen sind. Die Zahl der mesoder- malen Elemente nimmt all- mähhch zu (Fig. 38 u. 39) ; besonders deutlich ist zu erkennen, daß das Meso- derm eben durch Einwan- derung von Zellen an der Grenze zwischen den Macro- meren und den Micromeren auf etwas späteren Stadien gebildet wird (vgl. z. B. die Textfig. 38). Von einer Delamination, wie sie Morgan (1891) bei Pallene schildert, kann gar keine Rede sein, indem Mitosen in den An- fangsstadien der Mesodermbil- dung nur in den Ectoderm- zellen beobachtet werden und die Teilung der Zellen dazu noch stets (wie auch bei Pycno- gonum) in tangentialer Rich- tung vor sich geht. Später sehen wir, wie auch in den Mefodermzellen Teilungsl)ilder aufzutreten beginnen. Die Folge einer solchen Vermehrung der Meso- dermzellen ist deren allmähliche Größenabnahme fast bis zu den Di- mensionen der Ectodermzellen. Diese letzteren nehmen inzwischen das Aussehen eines Epithels an, welches die ganze untere Hemisphäre Xymp/ion. Textfig. 39. Dreisclüchtiger Embryo ; Oc. 4; Object. 4 mm. •'^ m, Mesoderm. 600 V. Dogiel, des Embryos bedeckt und allmählich auch auf die obere herüber- wuchert. Dieser Umwachsungsprozeß wird durch den verschiedenen Charakter des Epithels an verschiedenen Stellen der Eioberfläche gut zur Dar- stellung gebracht. Am un- teren Pol des Embryos, wo die Ectodermzellen zu- sammengedrängt liegen, ist das Epithel cylindrisch ; indem sich dasselbe aber dem Äquator nähert, neh- men seine sich auf die noch freie Entodermoberf lache verbreitenden Zellen eine kubische und sogar flache Gestalt an (Textfig. 40 u. 41). Eine solche Epibolie des Entoderms geht indes- sen nur sehr langsam vor sich, so daß noch lange Zeit Nymphon. Umwachsung der dorsalen Oberfläclie des Embryos J^i^durch ein Teil der MacrO- mit Ectoderm. Oc. 4; Object. 4 mm. -i. -u ^ ,.^-ni,^l.> geflammten << Kerne und nehmen Kernfarben sehr leb- haft auf. Indem ich in der Beschreibung der Furchung fortfahre, muß ich unvermittelt zu solchen Stadien übergehen, welche aus mehr als 100 Zel- len bestehen (Textfig. 52). Eine solche Unterbrechung ist indessen nicht von Bedeutung, w^eil die An- ordnung der Blastomeren an- nähernd die gleiche bleibt und nur ihre Zahl zunimmt. Das hier zu beschreibende Stadium ent- spricht dem von Morgan in sei- ner Arbeit (1891) auf seiner Taf. I, Fig. 1, abgebildeten Entwicklungs- stadium von Pallene; der ganze Unterschied besteht darin, daß die Grenzen zwischen den Blasto- meren bei Chaetonymphofi schär- fer ausgesprochen sind, als bei Textfic^. ö2. rüUetie. Chaetonymphon. Fuichiing; die eine Hemisphäre Das Ei zerfällt ziemlich deut- ''^%^'"l besteht aus größeren Zellen mit st^rn- förmigen Kernen. Oc. 4; Object. 16 mm. lieh in zwei Hemisphären, von denen die eine aus zahlreichen Micromeren, die andre aus sieben bis acht Macromeren besteht. Die Macromeren sind, abgesehen von ihrer Größe und der Gestalt ihrer Kerne (»geflammte Kerne«), auch noch durch die Anordnung dieser letzteren ausgezeichnet. Die Kerne der Micromeren liegen an deren Oberfläche, während die Kerne der Macromeren etwas tiefer im Dotter angeordnet sind. Wir w'ollen daran erinnern, daß wir eine ebensolche Anordnung der Kerne in den Eiern von Nymphon strömii kennen gelernt haben. Alle Zellen des Eies sind mit ihren inneren Enden nach dessen Centrum gerichtet, so daß wir das Ei noch inmier als auf dem Blastula- stadium befindlich betrachten müssen. Von dem soeben beschriebenen Stadium gehen wir nunmehr zu demjenigen über, w^o das Ei bereits aus über 400 Zellen besteht. Wäh- 6U V. Dogiel, rend der zwischen beiden Stadien verlaufenen Periode hat das Ei wichtige Veränderungen durchgemacht, welche in folgendem bestehen. Erstens wird der Unterschied in der Größe der Zellen auf beiden Hemi- sphären vollständig ausgeglichen (vgl. ]\Iorgax, 1891, bei Pallene, S. 11); zweitens befinden sich unter der peripheren Zellschicht sehr zahlreiche innere Blastomeren. Das ganze Ei stellt demgemäß eine kucelförmige Anhäufung vielkantiüer Zellen von annähernd aieicher Größe dar (Fig. 53). Auf welche Weise die inneren Blastomeren ent- Textfig. 53. Chaeionymphon. Späteres Furchungsstadium mit zahlreichen inneren Blastomeren. Objeet. 16 mm. Oc. 8; stehen, ob durch Delamination oder durch Einwanderung, habe ich leider nicht feststellen können. Bis jetzt wies der ganze Embryo, trotz des Dotterreichtums der Eier, einen deutlich zelligen Bau auf. Auf dem folgenden Stadium verschwinden die deutlichen Zellgrenzen in der gesamten inneren Dottermasse. Im Inneren des Dotters sind zahlreiche Kerne zer- streut, welche zum Teil in den Dotterbezirken selbst liegen, zum Teil frei zwischen denselben herumkriechen. Im Zusammenhang hiermit kann man abgerundete kleine Dotterkerne und amöboide Kerne unter- scheiden. Zum Unterschied von den zu der zweiten Gruppe gehörenden Embryologische Studien an Pantopoden. 615 Pantopoden bleibt eine große Anzahl von Zellen bis zu dem Aus- schlüpfen des Embryos aus dem Ei und noch darüber hinaus im Dotter erhalten. Dieser Umstand hängt selbstverständlich mit dem Dotter- reichtum bei Chaetonymphon zusammen, in Abhängigkeit von welchem die Dauer der Bearbeitung des Dotters durch die Dotterkerne ver- längert wird, während der Moment der definitiven Bildung des Darmes auf die postembryonalen Entwicklungsstadien verlegt wird. Auf der einen Eiseite bemerkt man auf dem eben beschriebenen Stadium (Fig. 54) bei der Betrachtung des Eies in toto, einen milchweißen Fleck, welcher ein Drittel der Eioberfläche einnimmt. Schnitte zeigen uns, daß der erwähnte Fleck den Keimstreif darstellt. Letzterer hat eine ovale Gestalt und besteht aus einer Schicht von Zellen, welche in dem cen- Textfig. .54. Chaetonymphon. Differenzierung der Eeimblätter. Dz, Dotterzellen; m, Mesoderm. tralen Teil des Streifens ziemlich hoch sind, und nach dessen Räudern zu allmählich niedriger werden. Auf der übrigen, nicht von dem Streifen eingenommenen Oberfläche befinden sich ebenfalls Zellen, aber letztere sind einzeln über dieselbe zerstreut. Diese Zellen ergeben späterhin, gleich denen des Keimstreifens selbst, das Material für die Bildung des Ectoderms für den Embryo. Der Dotter mit den in ihm enthaltenen Zellelementen verwandelt sich in den Mitteldarm, die amöboiden Kerne in die Kerne des Darmepithels. Es bleibt nunmehr nur noch die Differenzierung des mittleren Keimblattes zu besprechen. Ich muß hier leider bemerken, daß ich bezüglich der Entstehung und des weiteren Schicksals des Mesoderms bei Chaetonymphon zu keinen definitiven Schlüssen gelangen konnte, weshalb diese Frage einer ergänzenden Untersuchimo; bedarf. 616 V. Dogiel, An Eiern von etwas späteren Stadien, als die hier beschriebenen es sind, wird der Dotter unter dem Keimstreifen aufgelockert und in seinem dem Streifen anliegenden Teil nimmt die Zahl der Kerne be- deutend zu. Einige dieser letzteren stellen typische Dotterkerne dar (sie sind klein, rund und werden stark und ganz gefärbt), welche zur Auflockerung des Dotters beitragen. Andre von ihnen erinnern durch ihren Bau zum Teil an die Kerne der Zellen des Keimstreifens, zum Teil an die amöboiden Kerne des Dotters. Es sind dies sozusagen gewöhnliche Kerne mit kleinem runden Kernkörperchen und in zahl- reiche Körnchen zerfallenem Chromatin. Auf Kosten dieser unregel- mäßig unter dem Keimstreifen zerstreut liegenden Kerne werden denn auch die Elemente des Mesoderms gebildet; woher aber diese Kerne selbst ihren Ursprung nehmen, kann ich nicht mit völliger Sicherheit angeben. Der Ursprung der von uns betrachteten Kerne kann von zweierlei Art sein: entweder sie bilden sich aus dem Keimstreifen, durch Delamination oder Auswanderung einer Teiles seiner Zellen, oder aber sie entstehen auf Kosten einiger im Innern der Dottermasse liegender Kerne. Am wahrscheinlichsten erscheint mir die zweite dieser Entstehungs- weisen. Die Möglichkeit einer Entstehung des Mesoderms durch Delami- nation (wie Morgan das Auftreten des Endoblast bei Pallene beschreibt) bestreite ich auf das Entschiedenste. Auf mehreren Dutzenden von mir durchmusterter Präparate waren die Teilungsspindeln in den Zellen des Keimstreifens niemals radial, sondern stets tangential angeordnet. Übrigens gibt auch Morgan (1891) zu, daß er bei Pallene keine radialen Mitosen beobachtet hat, hält dieselben aber nach Analogie mit Phoxi- chüidium für wahrscheinlich; was dagegen diese letztere Gattung an- betrifft, so haben wir schon früher auf die Fehlerhaftigkeit der Be- schreibung durch Morgan hingewiesen. Viel schwieriger ist es, die Möglichkeit der Auswanderung eines Teiles der Zellen des Keimstreifens unter denselben in den Dotter zu widerlegen. Ich will hier nur be- merken, daß ich kein einziges einwandfreies Bild einer Einwanderung beobachtet habe, und wenn eine solche vorliegt, so besteht sie in einem Eindrillgen einzelner Zellen des Keimstreifens, an verschiedenen Stellen desselben, in das Innere. Irgendwelche spezielle Einwanderungs- punkte, seien sie paarig oder unpaar, sind auf keinen Fall vorhanden. Im Gegenteil, viele Präparate (Fig. 55) sprechen für die Wanderung eines Teiles der anfangs im Dottar liegenden Kerne nach außen, zum Keimstreifen hin. unter welchem sie sich dann ansammeln. Embryologische Studien an PantoiKnlcn. 617 s®'s^s^fei Bezüglich der Dottcrkenie kann ich mit Bostiniiiithcit angehen, daß hier, besonders auf späteren Stadien der Entwicklung, eine massen- hafte Auswanderung dejselben aus dem Dotter in der Richtung nach dem Keimstreifen stattfindet. Außer ihnen wenden sich äugen- scheinlich auch viele amöboide Kerne des Dotters nach dem Keim- streifen, aus denen das Mesoderm hervorgeht. Ich wage es aus dem Grunde nicht auf der hier ausgesprochenen Ansicht zu bestehen, weil es, wie dies jedem Embryologen wohl bekannt ist, häufig außerordent- lich schwer fällt, auf Grund von Präpa"aten zu entscheiden, in wel- cher Richtung die Zellen sich bewegen, d. h. ob sie aus dem Dotter nach dem Keimstreifen wan- dern oder umgekehrt. Was die Dotter- kerne betrifft, so läßt sich die Frage leicht ent- scheiden, da dieselben sich ihrem Bau nach scharf von allen übrigen Kernen unterscheiden. Wie dem nun auch sein mag, so entsteht doch meiner Ansicht nach das Mesoderm auf Kosten eines Teiles der im Dotter lieg nden amöboiden Kerne des vorhergehenden Entwicklungsstadiums. Es ist dies um so wahr- scheinlicher, als wir in solchem Fall eine weitgehende Analogie in der Entwicklung von Chaetonymphon und Nymphon strömii vor uns haben würden. Die Dottermasse von Chaetonymphon kann man mit der Gesamtheit der Macromeren von Nymphon vergleichen, aus denen bei letzterem sowohl das Entoderm, wie auch das Mesoderm her- vorgeht. Nachdem sich unter dem Keimstreifen Mesodermzellen angesam- melt haben, bildet sich in der Nähe eines der Enden des Streifens, des zukünftigen Vorderendes, eine kleine Entodermeinstülpung (Fig. 56), Textfig. 55. Chaetonymphon. Austritt der Zellen aus dem Dotter nacli dem Keimstreifen. Oc. 4; Object. Hom. Imm. 1/12. 618 V. Dogiel, welche das Stomodäura darstellt. Diese Einstülpung enthält antangs nur wenige Kerne, späterhin aber wird deren Zahl größer. Die weiteren Entwicklungsstadien bieten wenig interessante Eigen- tümlichkeiten, da sie in vielen Beziehungen an die Entwicklung von iiphon vermuten könnte. An der Oberfläche des Keimstreifens treten drei schwache Vor- wölbungen auf, Woher die Kontur des Streifens auf 8agittalschnitteu ein welliges Aussehen erhält (Textfig. 57) ; vor und hinter diesen Vor- wölbungen bleibt je ein von ihnen freil)leibender Bezirk des Keim- streifens übrig: Auf dem vorderen Abschnitt befindet sich die Ein- stülpung des Stomodäums und aus ihm geht später der Schnabel und das Gehirn hervor; der hintere Be- zirk dagegen bleibt bis zu dem Aus- schlüpfen der Larve aus dem Ei undifferenziert, worauf auf seine Kosten die Anlage der p^ hervor- geht. AVas nun die oben erwähnten paarigen Vorwölbungen betrifft, so entsprechen dieselben den drei vor- deren Extremitätenpaaren. Letztere werden nach und nach immer weiter vorgestülpt; ihre paarigen Anlagen krümmen sich in der Richtung nach der ventralen Medianlinie und wach- sen einander entgegen (Fig. 58). Die unter dem Keimstreifen angehäuften Mesodermzellen füllen die Anlagen der Füße aus. Außer- dem bleibt eine beträchtlich große Gruppe voll mesodermalen Elemen- ten, ohne ihren Platz zu verändern, über der Schnabelanlage liegen, und zwar da, wo später die Anlage des oberen Schlundganglions vor sich gehen wird. Aus dieser Gruppe entstehen die »Blut «-Zellen der sechsfüßigen Larve, deren bedeutendste Ansammlung sich gerade in dem Bezirk der Leibeshöhle befindet, welcher das Gehirn umgibt. Hinter den p^ kann man unter dem Ectoderm ebenfalls eine gewisse Anzahl von Mesodermzellen bemerken, welche bisweilen in Gestalt von zwei Häufchen angeordnet sind. Die Verlagerung der mesodermalen Elemente in die Anlagen der Füße ist noch von folgenden Erscheinungen begleitet. Um diese Zeit ist ein verstärkter Zuzug von Dotterkernen nach dem Keimstreifen zu bemerken. Hier «ieht imn, wie aus den Textfig. 58 und 59 zu ent- Textfig. 58. Chaetonymphon. Wanderung der sicli intensiv färbenden Kerne aus dem Dotter in der Rieht unK nacli dem Keimstreifen. Der Sclinitt ist auf dem Niveau der p^ gefülirt. Oc. 4; Object. 10 mm. 620 V. Dogiel, nehmen ist, nicht etwa eine Vermehrung derselben in dem dem Keim- streifen anliegenden Dotterbezirk vor sich, sondern ein Hierherströmen der Kerne aus den centralen Bezirken der Dottermasse. Man kann bemerken, wie die Dotterkerne sich gleichsam wie ein geschlossener Strom nach der Ventralseite des Embryos hinbewegen, hier den unter dem Keimstreifen angeordneten Dotter auflockern, blaß werden und endlich zugrunde gehen, wobei sie durch neue Kerne ersetzt werden. Die Bedeutung eines solchen Vorgangs ist leicht zu begreifen. In unmittelbarem Zusammenhang mit dem Keimstreifen entwickelt sich eine ganze Reihe von Organen (Bauchganglien, die Bewegung der Extremitäten besorgende Muskeln), für deren Unterbringung ein freier Textfig. .59. Chaetonymphon. Querschnitt durch den Embryo auf dem Niveau der p^; färbende Kerne. ()c. 4; Object. 4 mm. sicli intensiv Kaum erforderlich ist. Unter Mitwirkung zahlreicher, den Dotter auflockernder und zersetzender Dotterkerne entsteht zwischen dem Keimstreifen und der kompakten centralen Dottermasse der not- wendige Zwischenraum in Gestalt einer Höhle. In dieser Höhle ver- bleiben nur kleine zerstreut liegende Dotterkerne, von denen ein Teil zusammen mit den Mesodermzellen in die Anlagen der Beine gelangen kann. Es ist von Wichtigkeit, daß auch bei Chaetony?nphon, gleich den früher beschriebenen Pantopoden, im Mesoderm keinerlei Hinweise auf eine Bildung von Cölomsäcken zu bemerken, ist. Die Anlagen der Beine sind stets mit einer kompakten Masse von Mesodermzellen an- gefüllt; auf späteren Entwicklungsstadien wird diese Masse aufge- lockert, allein die in ihr auftretenden Höhlungen zeigen eine ganz Embryologisclu" Stiulicii an l'aiitoixxlcn. 621 unregelmäßige Anordnung und ontbehivn einer epithelialen Ausklei- dung. Morgan (1891) beschreibt in den Extremitätenanlagen von Pallene deutliche Cöloinsäcke. Meisenheimer (1902) spricht sich auf Grund seiner Untersuchungen an Ammothea gegen das Vorhandensein von Cölomsäcken aus, tut dies aber in wenig entschiedener Weise, indem diese letzteren, obgleich sie bei Ammothea fehlen, bei Pallene doch vorhanden sein könnten, deren Eier sich von den Eiern von Am- mothea durch viel größeren Dotterreichtum auszeichnen. Das Fehlen von Cölomblasen bei Chaetonymphon, dessen Eier an Dottergehalt nicht hinter denen von Pallene zurückbleiben, veranlassen mich die obenangeführte Ansicht von Morgan als unbedinst irriii zu erklären. mes Textfig. GO. Chaetonymphon. Differenzierung des Schnabels. End — Entoderm; mes — Mesoderm. Oc. Object. 4 mm. Die Organogenese der sich nach und nach ausbildenden sechs- füßigen Larve verläuft des weiteren in folgender Weise. Um die ecto- dermale Mundeinstülpung herum bildet sich eine Ringfalte — die An- lage des Schnabels (Textfig. 60), wobei sich zwischen den beiden Blättern dieser Falte Mesodermzellen in großer Anzahl anhäufen, aus denen späterhin die Schnabelnuiskulatur hervorgeht. Der Schnabel ist sehr niedrig und schwach und über demselben ist eine paarige Ectoderm- anschwellung zu bemerken (Textfig. 61); diese beiden Anschwellungen verschmelzen späterhin miteinander und verwandeln sich in das obere Schlundganglion. Der Bauchnervenstrang entsteht auf die gleiche Weise wie dies bei Nymphon strömii der Fall ist. Der Mitt^ldarm bewahrt, wie schon weiter oben angeführt wurde, bis zu verhältnismäßig späten Stadien des postembryonalen Lebens 622 V. Dogiel, den Charakter einer kompakten Dottermasse, welche zahlreiche Kerne enthält. Der Hauptunterschied dieser Masse von ihrem früheren Zu- stande besteht darin, daß der ganze Dotter mit einer Schicht von Zellen ausgekleidet wird (richtiger gesagt von Kernen, indem das Protoplasma dieser Zellen auf den Präparaten nicht zu erkennen ist). Die im Innern des Dotters eingeschlossenen amöboiden Kerne treten an mehreren Stellen an dessen Oberfläche hervor und ordnen sich auf derselben in einer Schicht an. Besonders zahlreich sind solche oberflächlichen Kerne in demjenigen Dotterbezirk, welcher an das hintere Ende der Speiseröhre stößt. Noch vor dem Ausschlüpfen der Larve sendet die Dottermasse nach vorn zwei sehr kurze Fortsätze aus, welche in die Basis der j)^ verlaufen. Diese kompakten Fortsätze stellen die An- lagen des ersten Paares von Darmdivertikeln dar. Textfig. 61. Chaetonymphon. Paarige Anlage des oberen Schlundganglions. Oc. 8; Object. 16 mm. Zwischen den beiden Divertikeln befindet sich an der Dorsalseite des Dotters ein ziemlich tiefer Eindruck in demselben, welcher sich nach hinten zu in eine seichte mediane dorsale Furche fortsetzt ; letztere wird nach dem hinteren Körperende zu immer seichter und hört schließ- lich ganz auf. Der oben erwähnte Eindruck im Dotter wird von der Leibeshöhle eingenommen, in welcher das ist allmählich von dem Ecto- derm loslösende obere Schlundganglion sowie auch eine lockere An- häufung mesodermaler Blutzellen liegt. Einige der Blutzellen kriechen auch in die dorsale mediane Furche, welche auf dem Dotter verläuft; infolgedessen entsteht bei intravitaler Färbung mit Methylenblau auf dem hellen Untergrund des Dotters längs der dorsalen Medianlinie des Embryos bisweilen ein blauer Streifen, welcher durch die gefärbten Blutzellen hervorgerufen wird. Unterhalb des Darmes sind die Mesodermzellen wenig zahlreich; eine beträchtlichere Anhäufung derselben befindet sich, wie bereits Kmbrvologischc Studien an Pantopodcn. 623 I weiter oben bemerkt worden ist, nur hinter dem dritten Extremitäten- paar. Der ganze Embryo ist mit einem einscliichtigen Epithel bekleidet, welches auf dem Rücken und den Seiten des Embryos den Charakter einer sehr dütu\en Membran mit flachen Kernen aufweist; auf der Ventralseite ist das Epithel dagegen hoch und seine Kerne sind in radialer Richtung in die Länge gestreckt. Textfig. 62. Chaetonymphon. Querschnitt durch einen Embryo auf dem Niveau der pi. c — Rest des Blastocoels im Innern der Extremitäten; mes — Mesoderm; vü — Dotterl^erne ; am — amoeboide Kerne. Oc. 4; Object. 4 mm. Über den Bau der sich im Ei ausbildenden sechsfüßigen Larve wird weiter unten, im Kapitel über die Metamorphose von Chaeto- nymjihon, ausführlich die Rede sein. Die postembryonale Entwicklung. Die Beschreibung der postembryonalen Entwicklung der Panto- poden kann in sehr bequemer Weise in zwei bis zu einem gewissen Grade selbständige Kapitel zerlegt werden. Das erste Kapitel betrifft hauptsächlich die äußerlichen Veränderungen in der Gestalt des Kör- pers der Larven und deren Biologie, wie auch die Anatomie der sechs- füßigen Larven; das zweite Kapitel umfaßt einige Einzelheiten der Organogenese der späteren Entwicklungsstadien. Während das erste Zeitschrift f. wissenscli. Zoologie. CVII. Bd. 41 624 V. Dogiel, dieser Kapitel, infolge der Verschiedenartigkeit der Larven selbst, wie auch ihrer Lebensweise, in mehrere Teile zerlegt werden muß, bedarf das zweite Kapitel keiner solchen Zerlegung, indem die Organo- genese in ihren allgemeinen Zügen bei allen Larven in gleicher Weise verläuft. I. Die Veränderungen der äußeren Gestalt der Larven und deren Biologie. Die Metamorphose der Larven weist bei den verschiedenen Panto- poden einen sehr verschiedenartigen Charakter auf. Den Ausgangs- punkt derselben bildet in den weitaus meisten Fällen die aus dem Ei schlüpfende sechsfüßige Larve, das Protonymphonstadium. Bei den dotterarmen Pantopodenformen verläßt eine solche Larve sehr bald den väterlichen Körper und geht zum selbständigen Leben über. Die mit Dotter überladenen Larven andrer Pycnogoniden dagegen bleiben noch lange Zeit nach dem Ausschlüpfen hi)idurch an dem Körper des die Eier mit sich herumtragenden Männchens befestigt, in gewissen Fällen {Boreonymphon) selbst solange, bis sie ihre definitive Körper- gestalt erlangt haben. Es scheint mir natürlicher, meine weiteren Darlegungen mit den Larven des ersten Typus zu beginnen, indem der Verlauf der Meta- morphose bei den Larven des zweiten Typus durch den den Körper ausfüllenden Dotter beeinträchtigt werden kann. Auch unter den Larven der ersteren Art wird man noch mehrere Kategorien unter- scheiden können. Und zwar fällt die Lebensweise der einen derselben in ihren wichtigsten Zügen mit der Lebensweise des erwachsenen Organismus zusammen, während bei andern die Biologie der Larve viele durchaus eigenartige Züge aufweist. Die ersteren dieser Larven- formen müssen zuvor besprochen werden, indem bei den zweiten die Metamorphose sehr häufig starken Veränderungen unterworfen ist, und zwar weil diese Larven eine andre Lebensweise führen, als das erwachsene Stadium. Indem wir uns von den soeben dargelegten Erwägungen leiten lassen, beginnen wir das vorliegende Kapitel mit der Beschreibung der Metamorphose von Phoxichilus spinosus. 1. Phoxichilus spinosus Montague. Beschreibungen einiger weniger einzelner Entwicklungsstadien von Endeis vulgaris Dohrn finden wir bei Dohrn (1881), allein der voll- ständige Verlauf der postembryonalen Entwicklung der Gattung Phoxi- chilus ist noch nicht festgestellt worden. Und doch bietet derselbe P^mlirvologischo Studion an Patitnpodon. 625 ein gewisses Interesse, weil bei Phoxickilus, wie bei Pycnogonum eine regressive Metamorphose und das völlige Verscliwinden der beiden vorderen Extremitätenpaare beobachtet wird. Larvenstadien von Phoxichilus spinosus habe ich während meines Aufenthaltes anf der biologischen Station zu Millport Ende Juni und Anfang Juli des Jahres 1911 gesammelt. Larven in recht beträchtlicher Anzahl wurden auf Laminarien an- getroffen, welche mit 06eZi'a-Kolonien dicht bedeckt waren. Die La- minarien wuchsen in sehr geringer Tiefe, von ungefähr 2 — 4 m. Außer den Phoxichilus-hsivven wurden keinerlei andre Pantopoden auf den Laminarien angetroffen. A\'älirend der ganzen Zeit meiner Nach- forschungen nach diesen Tieren habe ich sogar niemals erwachsene, geschlechtsreife Phoxichilus oder Männchen dieser Art mit Eierklumpen antreffen können, sondern stets nur Larven derselben. Anfangs fand ich hauptsächlich junge Stadien, allein nach einigen Tagen gelang es mir auch ältere Stadien zu erbeuten. Der hier angeführte Umstand spricht sehr zugunsten der An- nahme, daß die sechsfüßigen Phoxichilus-'LaiTyen durch das Wasser auf die Laminarien geraten waren. Eine andre Erklärung, z. B. daß nach der Ausbildung der Brut die erwachsenen Phoxichilus ausge- storben wären, erscheint mir sehr wenig wahrscheinlich. Die Lebensweise der Phoxichilus-h&iven ist auf allen Stadien, bis zur Bildung aller Extremitätenpaare einschließlich, eine sehr gleich- artige. Die sechsfüßige Larve kriecht mit dem Kopf voran in den Kelch des Hydranthen von Obelia und setzt sich dort zwischen der Hydrotheca und dem Körper des Polypen in der Art fest, daß die Dorsal- seite der Larve der Hydrotheca, ihre Ventralseite dagegen dem Polypen zugewandt ist (Taf. XIX, Fig. 7). Ihre Scheren hält die Larve weit nach vorn ausgestreckt und klammert sich mit ihnen an der Basis selbst des Hydranthenköpfchens fest. Gleichzeitig dringt der stark nach der Ventralseite herabgebogene Schnabel der Larve (der Vorteil dieser schon von Dohrn erwähnten Krümmung wird nunmehr be- greiflich !), etwas unterhalb des Tentakelkranzes in die Körperwand des Polypen ein und bald darauf beweisen die Schluckbewegungen des Schlundes, daß die Larve begonnen hat, sich auf Kosten des Polypen zu ernähren. Augenscheinlich verzehrt die Larve nicht den Körper des Hydroidpolypen selbst, als vielmehr den Inhalt seiner Gastral- höhle. Wenigstens habe ich niemals Anzeichen einer ernsteren Be- schädigung der Hydranthen durch die Larveii beobachten können. Das zweite und das dritte Beinpaar nehmen gar keinen Anteil an der 41* 626 V. Dogiel, Befestigung am Hydranthen: bei der festsitzenden Larve sind sie weit nach den Seiten ausgebreitet. Offenbar bedient sich die Larve ihrer f^ und p^ nur zum Hereinkriechen in das Innere des Kelches der Es ist von Interesse, daß auch auf viel älteren Entwicklungsstadien befindliche Larven in der soeben beschriebenen Stellung angetroffen werden, wie dies aus der Fig. 8 der Taf. XIX zu ersehen ist. Solche große Formen haben schon nicht mehr im Innern der Hydrotheca Platz , in welche nunmehr nur noch der Schnabel und die ji^ hereinragen. Ob die Larve während ihrer ganzen Entwicklung auf ein und dem- selben Hydranthen sitzen bleibt, oder ob sie dieselben wechselt, kann ich nicht mit völliger Bestimmtheit entscheiden. Es scheint mir, als ob der größere Teil der Entwicklung auf ein und demselben Polypen verläuft, indem die Larve selbst auf den spätesten Stadien stets ganz frei an dem Hydranthen aufgehängt ist, ohne sich mit ihren Beinen an dem Stamm der 06e^*a-Kolonie festzuklammern; die Beine der Larve bleiben wenig beweglich, weshalb auch die Larve selbst wohl kaum dazu befähigt ist, ihren Aufenthaltsort zu verändern und von einem Polypen auf einen andern zu klettern. Die Häutung dagegen, wie dies Loman (1907) für die Larven von Phoxichilidium nachgewiesen hat, kann auch im befestigten Zustand der Larve sehr leicht vor sich gehen. Ich gehe nunmehr zu der Beschreibung der Larven über. Stadium I. Den Ausgangspunkt für meine Studien bildete die sechsfüßige Larve (Taf. XIX, Fig. 1). Das entsprechende Stadium von Phoxichilus vulgaris ist bei Dohrn (1881, auf seiner Fig. 18, Taf. XI) abgebildet worden. Die Larve besitzt einen kurzen, nach dem Hinter- ende zu etwas verjüngten Körper. Dieses Sichstrecken des hinteren Körperendes ist das erste Merkmal des Überganges auf das nächste Stadium. Von dem vorderen Ende des Rumpfes, sozusagen von seinen Schultern, ragt ein Paar mächtig entwickelter f^ nach vorn. Beide Scherenäste der f'^ sind glatt, ohne irgendwelche Vorsprünge oder Zähnelungen an ihrem inneren Rande. An dem Basalglied der f^ befindet sich ein kurzer Spinndorn. Eine charakteristische Eigentüm- lichkeit dieses Dornes bei der Gattung Phoxichilus besteht darin, daß er nicht cylindrisch, sondern in dorsoventraler Richtung stark kom- primiert ist. Genau genommen stellt der Dorn auch hier ein cyliudrisches Röhrchen dar, aber längs der Seite des Röhrchens, welche der Median- linie der Larve zugewandt ist, zieht sich ein dünner cuticularer Kamm oder Keil hin, dessen Anwesenheit dem Dorn ein komprimiertes Aus- Eiiihrynlogisclu' Studien au l'iuilopodcii. 627 sehen verleiht. Dohrn (1881, S. 70) verlegt die öffimnp; der Spinn- drüse irrtümlich an die Basis des Dornes ; in Wirklichkeit befindet sie sich, wie bei den übrigen Pantopoden, ganz an dem Gipfel des Dornes. Die Spinndrüsen selbst bestehen jederseits aus nur zwei Zellen, wie wir dies bei den meisten Pantopodenlarven kennen gelernt haben. Außer diesen Drüsen liegen innerhalb der p^, an deren innerem Rande, noch zwei große, drüsige Massen, von denen eine jede aus mehr als zehn ziemlich großen Zellen besteht. Eine dieser Massen liegt näher an der Dorsalseite, die andre näher an der Ventralseite der p^. Diese Massen stellen nichts andres dar, als die »Scherendrüsen « von Meisen- heimer (1902), welche von ilini für den beweglichen Ast der Schere von Ämmothea und sodann von mir (1901) auch für den unbeweglichen Ast der Schere von Nijmphon strömii entdeckt wTirden. Die Kanäle dieser Drüsenmassen münden an den Enden beider Haken der Schere nach außen. Das zweite und das dritte Beinpaar sind wie stets dreigliedrig, wobei das letzte Glied den Charakter einer Kralle besitzt, welche an ihrer Basis mit einer ziemlich langen Nebenkralle versehen ist. Der mit seiner Basis zwischen den Basalgliedern der p^ sitzende Schnabel der Larve ist fast senkrecht nach unten gerichtet, wie dies bei Dohrn sehr richtig abgebildet ist. Der Darm der Larve bildet eine centrale Tasche mit zwei von derselben abgehenden Paaren blindgeschlossener Ausstülpungen. Das eine Paar derselben ist nach vorn zu den p^ gerichtet, tritt aber noch nicht in dieselben ein; das andre Paar von Divertikeln ragt nach den Seiten und entspricht seiner Lage nach dem dritten Extremitätenpaar. Enddarm und After fehlen. In dem Nervensystem endlich ist außer den von Dohrn beschriebenen oberen Schlundganglion und ersten (doppelten) Bauchganglion auch noch die Anlage des zweiten Bauch- ganglions enthalten, welches den zukünftigen 7)* angehört. Die sechsfüßige Larve geht allmählich, ohne eine Häutung durch- zumachen, in das nächstfolgende Stadium über: Stadium IL Dieses Stadium unterscheidet sich von dem vorher- gehenden hauptsächlich dadurch, daß der Körper der Larve in die Länge gestreckt ist, und daß die Anlagen der p* in Gestalt zweier seitlicher Höcker auftreten (Taf. XIX, Fig. 2). Die vorderen Aus- stülpungen des Darmes reichen nunmehr bis in die Basis der p'^ herein. Außerdem ist, entsprechend den Anlagen der p*, an den Seiten des Darmes noch ein Paar kleiner Fortsätze aufgetreten. Das Hinterende des Darmes ist mit der Körperwand durch einen dichten Zellenstrang 628 V. Dogiel, verbunden. Analoge Verbindungsstränge durchsetzen die Körper- höhle auch seitlich vom Darm. Das erste Bauchganglion hat sich unter das Ectoderm versenkt. Ihm entsprechend bemerkt man unter der Bauch wand des Körpers ein (?) Paar von Ventralorganen. Das Stadium III ist von dem vorhergehenden durch eine Häutung geschieden (Taf. XIX, Fig. 3). Bei einer im allgemeinen übereinstim- menden Körpergestalt zeigt die Larve nunmehr folgende Veränderungen. Vor allem ändert sich die Lage des Schnabels. Nachdem er zuvor senkrecht zur Ventralfläche des Körpers stand, ist der Schnabel nun- mehr fast gerade nach vorn gerichtet und befindet sich in einer Fläche mit dem übrigen Körper. Die Anlagen der 2^* sind stark gewachsen und haben das Aussehen ungegliederter, ziemlich langer, am Ende zugespitzter Fortsätze. Es ist ersichtlich, daß das Tier sich zur nächsten Häutung vorbereitet, indem sich unter der Cuticula bereits eine neue Cuticula gebildet hat, welche zahlreiche Falten bildet, weil die heran- wachsenden Extremitäten nur mit Mühe innerhalb des alten cuticularen Futterales Platz finden. Hinter diesem Beinpaar sind bereits die Ex- tremitäten des fünften Paares in Gestalt eines kleinen nach hinten gerichteten Höckerpaares angelegt. Ihnen entsprechend tritt an der ventralen Körperfläche auch eine paarige Ectodermverdickung auf — die Anlage eines Ganglions. Was die f^ und die j)^ betrifft, so haben dieselben ihre früheren Dimensionen beibehalten, indem sie im Wachs- tum hinter dem übrigen Körper zurückbleiben. Am hinteren Körper- ende wird die Einstülpung des Proctodäums deutlich sichtbar. Eine Verbindung zwischen der Höhlung des Proctodäums und dem Lumen des Mitteldarms ist indessen noch nicht vorhanden. Stadium IV. Dies auf Taf. XIX, Fig. 4, abgebildete Stadium geht aus dem vorhergehenden nach dessen Häutung hervor. Der Haupt- unterschied von dem soeben beschriebenen Larvenstadium besteht darin, daß die ^3* wiederum stark gewachsen sind und eine Gliederung erfahren, sowie an ihrem Ende eine Haupt- und Nebenkralle erhalten haben; außerdem sind die Anlagen der f^ aufgetreten. Was die p^ betrifft, so befinden sie sich jetzt in dem gleichen Zustande, in welchem sich das vierte Extremitätenpaar auf dem dritten Stadium befunden hatte. Der Darm erstreckt sich nunmehr sehr weit in die 2>* und f^ bis zu deren letzten Glied einschließlich. Zwischen dem Mittel- und dem Enddarm ist von diesem Stadium angefangen, eine unmittelbare Ver- bindung vorhanden. Es erfolgt nochmals ein Häutungsprozeß und wir erhalten das Stadium V (Textfig. 63), mit welchem der Moment der Atrophie Kinljrvülofiisclic Studien ;iii l'aiitDiKKlcn. 629 der p~ und p'^ zusaninuMifällt. Das vierte Beinpaar erhält jetzt yeine definitive Gestalt, das fünfte besteht aus nur fünf Gliedern, während das sechste noch ganz unucnliedert ist. Hinter diesem letzteren findet sich schon ein Paar von Höckern, welches das zukünftige siebente Extreniitätenpaar darstellt. Das erste Beinpaar ist wenig gewachsen und dient wie zuvor zur Befestigung am Körper der OftsZm- Polypen. In den p^ und p^ dagegen ist der Inhalt stark geschrumpft und steht nunmehr von der Cuticula ib. Diese Extremitäten haben das Aus- sehen, als wollten sie abfallen. Und in der Tat fallen die p^ bisweilen t^ Textfig. 63. Phoxichiliis. Stadium V. Der Inlialt der p'^ und p* hat sich vou der Cuticula zurückgezogen. noch vor der nächsten Häutung von dem Körper ab und es bleiben an ihrer Stelle nur kleine Erhebungen bestehen. Ein diesem entspre- chendes Stadium ist von Dohrn (1881, Taf . XI, Fig. 21) abgebildet worden. Weiterhin ergibt die vierte Häutung das Stadium VI (Text- fig. 04). Die hauptsächlichste charakteristische Eigentümlichkeit dieses Stadiums besteht darin, daß von den p^ nur ein kleiner eingliedriger Fortsatz übrig bleibt. Die Stelle der früheren p^ dagegen läßt sich nur an dem bindegewebigen Strang erkennen, welcher sich an dem entsprechenden Ort von dem ersten Bauchganglion nach der Hypo- dermis erstreckt. Um dieselbe Zeit habe ich auch erstmals zwei Paare 630 V. Dogiel, von Darmdivertikeln bemerken können, welche weit in das Innere des Schnabels von Phoxichüus hineinreicben. Das erste Beinpaar besitzt noch ein völlig normales Aussehen; innerhalb der j)^ sind sowohl die Spinndrüsen, wie auch die Scheren- drüsen zu sehen. Das siebente Extremitätenpaar stellt noch immer einen ungegliederten Fortsatz dar. Starke Veränderungen hat dagegen c [1^ Phoxichüus. Stadium VI. Textfig. 64. Das zweite Beinpaar hat das Aussehen von Höckerchen; das dritte Paar ist ganz verschwunden. das ventrale Nervensystem erlitten, welches schon dem Nervensystem des erwachsenen Tieres ähnlich geworden ist. Dasselbe besteht aus dem ersten Bauchganglion, welches den j)^ und p^ entspricht, dem zweiten bis fünften Ganglion, welche die Gang- beine innervieren und außerdem noch aus zwei Paaren kleiner, zum Hinterleib gehöriger Ganglien. Diese Ganglien sind vorderhand noch mit allen übrigen in einer Horizontalebene angeordnet. Das Vorhan- densein von zwei Paaren rudimentärer Bauchganglien bei jungen Sta- dien von PJioxichilus ist schon von Dohrn festgestellt worden. Zum Einbryologische Sludicn an Pantopodon. 631 Unterschied von den fiiilKMcn Stadien, sind die znvor einander stark genäherten zweiten bis füiil't.Mi Bauchgan,ulien Lei der uns beschäfti- genden Larve auseinandergerückt und stellen nur noch vermittels ziendich langer Längscommissuren miteinander in Verbindung. Das Stadium VII (Text- £\ ^Y lig. 65) ist von dem sechsten wiederum durch eine Häu- tung getrennt und bezeichnet den Zeitpunkt der Reduktion des ersten Beinpaare«. In sei- ner äußeren Gestalt unter- scheidet sich dieses Stadium dadurch von dem vorher- gehenden, daß alle Gangbeine gegliedert sind, wobei das letzte Paar indessen nur eine noch unvollständige Zahl von Gliedern (im ganzen fünf) auf- weist. Der Hinterleib ist nach oben umgebogen und die Insertionsstellen der p"^ sind einander unter demselben ge- nähert. Entsprechend der Umbiegung des Hinterleibes krümmt sich auch das Ende des Bauchnervenstranges auf den Rücken und zw^ar speziell die beiden Abdominalgan- glien. Von dem dritten Ex- tremitätenpaar bleibt keine äußere Spur bestehen, wäh- rend das zweite Paar, im Vergleich zum Stadium VI, bis auf zwei kleine Höckerchen reduziert wird. Die tiefeingreifendsten Veränderungen beziehen sich auf das erste Beinpaar. An einigen Larven des gegebenen Stadiums haben die p^ noch ein normales Aussehen; mir haben sich ihre Spinn- zellen abgerundet und von ihren Ausführgängen abgelöst; die in das Innere der pi hereinziehenden Blindsäcke des Darmes sind noch deutlich zu erkennen. Textfig. 65. Phoxichilus. Stadium VII. Im Innern der pi sieht man die atropliierenden Spinndrüsen. 632 V. Dogiel, Bei andern Larven von gleichem Alter (Taf. XIX, Fig. 10, linke Seite) «teilt der Inhalt der ^i von der Cuticula ab und ist geschrumpft. Die Darmfortsätze werden eingezogen und verschwinden; die Muskeln und Drüsen der pi unterliegen dem Zerfall und der gesamte Inhalt der 'p^ besteht nunmehr aus zahlreichen Kugeln oder Ballen von verschie- dener Größe; gleichzeitig hiermit erfolgt das Abfallen des Spinndorns. Schließlich verbleibt bei manchen Larven von den ])^ nur noch ein leeres Futteral (Taf. XIX, Fig. 10, rechte Seite). Der größte Teil des Inhalts hat sich in das Innere des Rumpfes zurückgezogen. Allein etwa ein Drittel dieses Inhalts bleibt in Gestalt unregelmäßig geformter körniger Anhäufungen in der Höhlung der -p^ zurück und wird dem- nach aus dem Körper ausgestoßen. Bei dem hierauf folgenden Stadium VIII ist keine Spur der p^ mehr zu bemerken. Ich kann indessen nicht mit Bestimmtheit angeben, od dieses Stadium durch einfaches Abfallen der Futterale der p^ hervorgeht, oder ob der Übergang des einen Stadiums in das andre von einer vollständigen Häutung des Tieres begleitet wird. Das Tier nimmt nunmehr seine definitive Gestalt an. Das zweite Extremitätenpaar sinkt auf die Stufe kaum bemerkbarer, zu beiden Seiten der Schnabelbasis liegender Wülste herab. Was dagegen die p^ betrifft, so beginnt bei den Männ- chen hinter den soeben erwähnten Wülsten die Bildung der definitiven ovigeren Extremitäten. Gleich den Anlagen aller übrigen Extremitäten, entstehen auch die p^ in Gestalt ungegliederter Fortsätze des Körpers, so daß sie erst nach erfolgter neuer Häutung den Charakter von ge- gliederten Füßen annehmen können. Um seine vollständige Meta- morphose zu beendigen, muß das Männchen demnach mindestens sechs Häutungen durchmachen; das Weibchen erreicht den gleichen Zustand bereits auf dem Stadium VIII. In Anbetracht des Umstandes, daß die p^ auf dem Stadium VII spurlos verschwinden, ist Phoxichilus als Objekt wenig dazu geeignet, die wichtige Frage danach entscheiden zu helfen, ob die p^ der erwachsenen Pantopoden dem gleichen Glied- maßenpaare der sechsfüßigen Larve entsprechen, oder ob sie als Neu- bildung gelten müssen. Die Antwort auf diese Frage werden wir bei der Besprechung der Entwicklung einiger andrer Pantopoden geben können. 2. Nymphon strömii Kröyer. Obgleich ich nur sechsfüßige Larven zu meiner Verfügung hatte, so glaube ich die Larven dieser Art auf Grund des Charakters ihrer Metamorphose doch an die Larven von Endeis anschließen zu können, Einbryologischo Stiidicii an I'antopodcn. 633 iiuloiu icli mich hicibci aut ihren liau und auf eine Beobachtung stütze, welche ich über die Ijebensweise der Larven von Nymphon ange- stellt habe. Ihrem allgemeinen Habitus nach erinnern die Larven von Nymphon strömii sehr an diejenigen von Phoxichüus und Ammothea echinata, wie sie von Meisenheimer (1902) beschrieben worden sind. Diese Ähnlich- keit macht sich besonders geltend in den annähernd gleichen Größen- verhältnissen der Spinndorne und der Endglieder der p^ und p^. Der Körper (Taf. XVIII, Fig. 2) ist breit und kurz, aber nicht quadratisch, wie bei den Larven von Ammothea echinata, sondern nach dem Hinterende zu allmählich abgerundet. Vorn, näher zur Ventralseite des Körpers, entspringt der Schnabel, welcher mit dem Körper in einer Horizontalebene liegt. Der Schnabel ist verhältnismäßig kurz und dick und wird nach seinem Vorderende zu nur wenig dünner. Der Gipfel des Schnabels ist gleichsam abge- schnitten und besitzt eine vollständig glatte Oberfläche. In seinem Inneren enthält der Schnabel den Vorderdarm, sowie Muskeln und die Schnabelganglien. Die Extremitäten des ersten Paares sind gut entwickelt und wie stets vorn, über der Schnabelbasis dem Körper angegliedert (Taf. XVIII, Fig. 2). Sie sind dreigliedrig, und dabei bildet das letzte Glied in Gemeinschaft mit dem distalen Fortsatz des zweiten Gliedes eine mächtige Schere. An den inneren Rändern oder Schneiden beider Scherenäste kann man bei starker Vergrößerung des Mikroskopes eine wechselnde Anzahl kleiner Zähnchen bemerken). Das erste, basale Glied der p^ ist mit einem Spinndorn versehen. Letzte- rer hat die Gestalt eines hohlen, cylinderförmigen Röhrchens, wel- ches nach seinem freien Ende zu allmähhch dünner wird. Die Dimensionen des Domes sind annähernd die gleichen, wie bei Ammothea echinata, und zwar ragt seine Spitze kaum über das Ende der Schere hinaus. Die Extremitäten des zweiten und dritten Paares sind einander durchaus ähnlich. Eine jede derselben besteht aus einem sehr kurzen Basalglied, auf welches das zweite Glied folgt, dessen Länge diejenige des ersten um das dreifache übertrifft. Auf das zweite folgt das dritte und letzte Glied, welches die Gestalt einer Kralle besitzt; an Länge übertrifft dieses Glied das zweite um ein weniges. Die Basalglieder der p^ und p^ tragen an ihrer Außenseite je einen ziemlich langen, dünnen Dorn. Meisenheimer (1902) hat zuerst auf die Homologie dieser Dorne mit dem Spiniidoin der p^ hingewiesen. 634 V. Dogiel, Bei der kürzlich ausgeschlüpften Larve sind diese Dorne mit zahl- reichen kurzen und zarten Härchen bedeckt. Analoge Härchen wurden zuerst von Dohrn (1869) für die Larven von Pycnogonum lüorale nachgewiesen. Die Endglieder der p^ und p^ sind an ihren Enden stark zugespitzt, an ihrem inneren Ende mit einem kräftigen Zahn versehen und außerdem sitzen auf ihrer ganzen Oberfläche kleine Dorne unregelmäßig zerstreut (Taf. XVIII, Fig. 16). Die Anordnung der p^ und p^ ist eine etwas andre, als bei 'den Larven von Endeis und Ämmothea. Während diese Extremitäten- paare bei letzteren ziemlich weit von einander abstanden, sind ihre Insertionsstellen bei Nymphon strömii einander dicht genähert und dabei gleichzeitig nachdem vorderen Körperende gerückt. Derartige Einzelheiten verdienen aus dem Grunde Beachtung, weil Veränderungen in der Lage der Extremitäten auch eine Veränderung des Charakters der Bewegungen der Larve zur Folge haben. Dies macht die Annahme wahrscheinlich, daß die andre Lage der Extremitäten bei Nymphon strömii in Abhängigkeit steht von der Anpassung dieser Art an ein andres Substrat als dasjenige, auf welchem die Larven von Ämmothea herumkriechen. Die gleiche Anordnung der Extremitäten wie bei Nymphon strömii, finden wir auch bei einigen andern Nymphon- Arten, und zwar bei N. gallicum Hoek nach Hoek (1881 b, Taf. XXX, Fig. 41), bei N. longitarse Kröyer u. a. nach Meinert (1899, Taf. II, Fig. 20). Der Körper der Larve ist mit einer dünnen cuticularen Schicht bekleidet, unter welcher die Hypodermis liegt. Letztere hat die Ge- staltung eines flachen Epithels. Seine einzelnen Elemente sind sehr klein, mit Ausnahme einiger Zellen, welche einen drüsigen Charakter annehmen. Die sechsfüßigen Larven der Pantopoden sind sehr reich an Drüsen, welche dazu noch einen äußerst verschiedenartigen Charakter auf- weisen. Eine ausführliche Beschreibung des Drüsensystems der Larven von Ämmothea echinata wurde von Meisenheimer (1902, p. 218 — 220) gegeben, welcher eine ganze Reihe neuer Drüsen in den Extremitäten dieser Art entdeckt hat. Bei dem Studium der sechsfüßigen Larven von Nymphon strömii war es mir möglich das Verzeichnis solcher Drüsen noch zu vervollständigen (vgl. auch Dogiel, 1911). In Anbetracht des Umstandes, daß das Drüsen- und das Nerven- system der Larven in meiner früheren Arbeit ausführlich beschrieben worden ist, werde ich hier nur bei einigen Teilen dieser Organsysteme verweilen, welche von mir noch nicht besprochen worden sind. Embryologischc Studien au l'aiitoiiodcii. 6>"i5 1. Die Drüsen der basalen Extre rnitätenglieder. Meisen- heimer beschreibt drei Paare analofier Drüsen, welche in den Basal- gliedern der Extremitäten liegen und duicli einen hingen Ausführgang an der Spitze eines beweglichen Dornes an jeder Extremität nach außen münden. In dem ersten Beinpaar sind diese Drüsen außer- ordentlich mächtig entwickelt und waren schon lange bekannt: es sind dies die Spimidrüsen. Die Spinndrüsen der Larven von Nymphon erinnern sehr an die- jenigen von Ämmothea. Eine jede dieser Drüsen besteht aus zwei sehr großen, birnförmigen, dicht aneinander hegenden Zellen (Taf . XVIII, Fig. 24). Beide Zellen zusammengenommen haben, wie dies aus den Zeichnungen zu ersehen ist, eine herzförmige Gestalt. Die zugespitzten Enden der Zellen sind nach der Basis des Spinndornes der p'^ gerichtet. In dem erweiterten Teil einer jeden Zelle ist ein durchsichtiger Kern mit großem Kernkörperchen zu sehen, während der größere Teil der Zelle dicht mit äußerst kleinen runden Körnchen angefüllt ist. Sowohl die soeben erwähnten Körnchen, wie auch die von den Zellen ausgeschiedenen Spinnfäden bleiben bei der intravitalen Färbung ungefärbt. Weder das Neutralrot, noch Methylenblau, Nilblau und Bismarckbraun üben eine Wirkung auf sie aus. Bei fixierten Larven färbt sich der Drüseninhalt im Gegenteil sehr intensiv mit vielen Färbe- mitteln, wie z. B. mit Boraxcarmin, DELAFiELDschem Hämatoxylin und Eosin. Das zugespitzte Ende der Spinnzelle enthält eine Höhlung, welche die Umrisse der ganzen Zelle, nur in verkleinertem Maßstabe, wieder- holt. Im Innern dieser Höhlung bemerkt man eine zarte Strichelung, welche durch die Anwesenheit feinster Fädchen oder Strahlen des Secrets bedingt ist, die nach der Spitze der Zelle verlaufen; hier ver- schmelzen die Höhlungen beider Zellen zu einem gemeinsamen Kanal. Letzterer ist von einer Cuticula ausgekleidet und verläuft bis zum Ende des Spinndornes, wo er durch eine runde Öffnung nach außen mündet. Der Inhalt des Kanals, wie auch der bereits aus dem Dorn nach außen getretene Spinnfaden sind vollständig homogen; eine Zu- sammensetzung derselben aus dünneren Fädchen ist nicht zu bemerken. Die Wandungen des Drüsenkanals werden von einer Zelle gebildet, welche an der Basis des Spinndornes liegt. Die Spinnzellen selbst sind stets von mehreren Belagzellen umgeben, von denen ein Teil eine ganz bestimmte Lage besitzt. So umfaßt ein Paar derselben stets die zu- gespitzten Enden beider Spinnzellen der Drüse, während die beiden andern (von Meisenheimer nicht bemerkten) Zellenhaare an der 636 V. Dogiel, oberen und unteren Fläche der Stimmzellen angeordnet liegen, wie dies auf der Fig. 24 der Taf . XVIII angegeben ist. Was die den Spinndrüsen entsprechenden Drüsen in den Basal- gliedern der 'p^ und jp^ betrifft, so gebührt Meisenheimer das Ver- dienst, dieselben entdeckt zu haben. Ich selbst habe die erwähnten Drüsen nur mit großer Mühe bemerken können. Ihr Bau ist ein viel einfacherer. Eine jede Drüse stellt ein kleines Zellhäufchen dar (Taf. XX Fig. 15), in dem die inneren, drüsigen Zellen fast nicht von den äußeren Belagzellen zu unterscheiden sind. Außerdem befindet sich zwischen der Drüse und der Basis des Dornes des proximalen Gliedes, wie dies auch bei den f^ der Fall war, eine Zelle, aus der die Wandung des Ausführganges gebildet wird. 2. Die Schnabeldrüsen sind bis jetzt noch von niemandem be- schrieben worden. Meisenheimer (S. 228) sah im Innern des Schnabels eine Anhäufung irgendwelcher Zellen; ob dieselben aber als Nerven- oder als Drüsenzellen anzusehen sind, wagt er nicht mit Sicherheit zu entscheiden. Bai den Larven einiger andrer Pantopoden sind die erwähnten Drüsen viel stärker entwickelt. Bei Nymphon strömii habe ich dieselben erst nach dem Erscheinen meiner ersten Arbeit über die Larven der Pantopoden (Dogiel, 1911) entdecken können. Sie stellen (Taf. XVIII, Fig. 2) drei kleine Komplexe von Drüsenzellen dar, welche ganz das gleiche Aussehen haben, wie die Zellen der Scheren- drüsen. Die erwähnten Komplexe liegen in den drei Schnabelantimeren, während ihre Ausführgänge am vorderen Schnabelende, an den Rän- dern der Mundöffnung, nach außen münden. Den Bau und die Anordnung der Hautdrüsen habe ich schon früher beschrieben, so daß ich hier nur die Frage nach der Funktion der Hautdrüsen berühren will. Es ist dies insofern notwendig, als einer der neuesten Erforscher der Pantopoden, Loman (1907), zu der alten Auffassung von Hoek (1881 B) zurückkehrt, welcher die Hautdrüsen nicht als Drüsen, sondern als zur Atmung dienende Organe betrachtet. Was den drüsigen Charakter der erwähnten Bildungen betrifft, so kann über denselben kein Zweifel bestehen. Dohrn (1881) bezeichnete die- selben ganz richtig als »Hautdrüsen«. Wenn es Loman nicht ge- lungen ist den zelligen Charakter der Drüsensäckchen festzustellen, so hing dies nur mit den von ihm angewandten, ziemlich primitiven Untersuchungsmethoden zusammen; es genügt seine Zeichnungen zu betrachten, um sich von ihrer Grobheit und ungenügenden Genauig- keit zu überzeugen. Indessen hat Loman meiner Ansicht nach Hecht, wenn er mit Embryologischc Studien an Panfopodon. 637 HoEK seinen Zweifel darüber ausspricht, ob die Drüsen zur Ausschei- dung einer Idebrigen Substanz dienen, welche den ganzen Körper des Tieres in einer ununterbrocheneii Schicht bedeckt. Infolge der An- wesenheit eben dieser Substanz bleiben nach Dohrn Diatomeen, Algen, Rhizopoden u. a. ni. in so großer Anzahl am Körper der Pantopoden haften. Ich habe niemals irgende eine Bildung beobachtet, welche man hätte für das klebrige Häutchen Dohrns ansehen können. Aul.k^rdem bleiben die Larven der Pantopoden lange Zeit hiiulurcli ganz frei von Algen und andern kleinen Organismen. Letztere treten erst bei zunehmen- dem Wachstum auf den Pantopoden auf, weshalb Hoek (1881 B) das Ankleben fremder Organismen an dem Körper dieser Tiere auf die bei den erwachsenen Tieren stärker ausgebildeten Systeme von Dornen und Borsten und andern Unebenheiten der Haut zurückführt. Welche Bedeutung hat man aber nun den Hautdrüsen der Panto- poden zuzuschreiben? Ich vermute, daß man dieselben mit großer Sicherheit den VERSONschen Drüsen oder Häutungsdrüsen der Insekten gleichstellen kann. Diese Drüsen sind von Verson (1890), Holmgren (1895), Nassonoff (1901), Plotnikoff (1904 u. 1905), Filiptschenko (1906) u. a. untersucht worden und zeigen sowohl in ihrem Bau wie auch in ihrer Anordnung große Ähnlichkeit mit den Drüsen der Panto- poden. Die VERSONschen Drüsen bestehen aus einer geringen Anzahl (3) von Zellen, wobei das Secret der einzigen ausscheidenden Zelle einer solchen Drüse diese Zelle in Gestalt zahlreicher Vacuolen erfüllt. Die Ausführgänge der VERSONschen Drüsen münden nicht selten am Gipfel kleiner höckerförmiger Erhebungen der Cuticula nach außen (so bei Ocneria monacha), wie wir dies auch bei den Pantopoden kennen ge- lernt haben. Außerdem zeichnen sich die Häutungsdrüsen der Larven verschiedener Insekten, wie auch der erwachsenen Apterygota durch die Regelmäßigkeit ihrer Anordnung aus. So liegen sie zu je einer an der Basis der Beine, paarweise zu den Seiten der dorsalen Medianlinie in jedem Segment usw. Endlich können wir, abgesehen von allem eben Gesagten, bei den Pantopoden, in ihrer Eigenschaft als dazu noch häufig sich häutender Arthropodenformen, a priori die Anwesenheit von Exuvialdrüsen erwarten. Zudem gibt es in dem Körper der Pantopoden keine drüsigen Bildungen, welche ihrem Charakter nach so sehr für die Rolle von Häutungsdrüsen geeignet wären, wie gerade die als >>Hautdrüsen << bezeichneten Organe. Auf Grund aller hier mitgeteilten Betrachtungen halte ich die Haut- drüsen aller Pantopoden für Häutungsdrüsen. 638 V. Dogiel, Das Muskelsystem. Das System der quergestreiften Muskeln bei den Larven von NymfJion erinnert so selir an dasjenige von .4m- mothea echinata, daß seine Beschreibung eine wörtliche Wiederholung des entsprechenden Teiles der MEiSENHEiMERschen Arbeit (1902) dar- stellen würde. Aus diesem Grunde verweise ich den Leser auf die ausgezeichnete Darlegung der Muskulatur der Larve durch den ge- nannten Autor. In dem Körper der Larve ist aber außerdem auch noch ein System von glatten Muskelfasern enthalten, welches Meisen heimer völlig außer Acht gelassen hat. Erstens wird die Leibeshöhle der Larve an ihrem hinteren Ende von mehreren Zellen in verschiedenen Eichtungen durchkreuzt; diese Zellen glaube ich als Muskelzellen ansprechen zu können. Es sind dies spindelförmige Zellen (Taf. XVIII, Fig. 3) mit einem Kern in ihrem mittleren Teil, welche von der Darm- wand nach der Körperwand verlaufen. Sie zeigen keine Querstrei- fung und sind an beiden Enden zugespitzt, während die querge- streiften Muskelzellen in ihrer ganzen Ausdehnung ein und denselben Durchmesser aufweisen und an ihren Enden schräg abgestutzt sind. Das größte Interesse verdienen indessen die Muskeln des Darmes, welche eine außergewöhnlich symmetrische und dabei metamere An- ordnung aufweisen. Dieser Teil des Muskelsystems besteht aus nur drei Paaren großer Zellen, welche der Oberfläche des Mitteldarmes dicht anliegen. Das einzige Mittel, um diese Zellen deutlich sichtbar zu machen, ist ihre Färbung mit Methylenblau, welches sie sehr leicht aufnehmen. Lange Zeit hindurch war ich unschlüssig (vgl. Dogiel, 1911), ob ich die soeben beschriebenen Elemente als muskulöse oder als ner- vöse Gebilde ansehen sollte. Die Entscheidung dieser Frage gelang mir vor allem durch Vergleichung mit den glatten Muskelfasern andrer Evertebraten, wie z. B. der Piatodes u. a. m., ferner hauptsächlich auf Grund der Tatsache, daß bei andern Pantopoden den Stellen, wo den unsern analoge Zellen liegen, deutliche Einschnürungen des Darmes entsprechen. Dies spricht unbedingt für einen muskulösen Charakter der betreffenden Zellen. Das Nervensystem der Larven. Das Centralnervensystem ist von Meisenheimer schon in genügender Weise für Ammothea untersucht worden. Was das periphere Nervensystem der Pantopoden- larven anbetrifft, so war dasselbe bis zu dem Erscheinen meiner ersten Arbeit (Dogiel, 1911) mit Hilfe spezieller Methoden, wie z.B. durch Methylenblau, noch gar nicht untersucht worden. Hmln'yoldgisclii' Studit-n an l';uit(i|)(>(lcii. 639 rnter den Arbeiten nioincr Vorgänger verdient nur die schon so oft von mir zitierte Arbeit von Meisenheimer (1902) Beachtung. Die wichtigste der von diesem Autor mitgeteilten Tatsachen ist die, daß das erste Extremitätenpaar der sechsfüßigen Larven von Ammothea niclit \('n dem oberen SchlundgangHon innerviert wird, wie dies Dohrn, HoEK und andre für erwachsene Pantopoden gefunden hatten, sondern von den Schlundcommissuren. Die Commissuren haben auf dem er- wiihnten Entwickhmgsstadium das Aussehen dicker Ganglienmassen, weshalb Meisenheimer (1902, S. 226) sie für ein »Bauchganglion« hält, »welches dem Segmente der ersten Extremität angehört <<. Ich gehe nunmehr zu der Darlegung meiner eignen Beobachtungen über. Das centrale Nervensystem der Larven von Nym/phon strömii besteht aus dem oberen Schlundganglion, den Ganglien der Schlund- commissuren, dem zusannnengesetzten (doppelten) ersten Bauchganglion und endlich aus den Anlagen des zweiten Ganglions der Bauchkette. Das obere Schlundganglion stellt eine ovale Bildung dar, welche über der Basis des Rüssels liegt und deren Längsachse senkrecht zum Körper der Larve verläuft. Die Schlundcommissuren sind bei der Betrachtung der Larven in toto schwer zu bemerken, indem sie von dem Darm und der Basis des ersten Extremitätenpaares verdeckt werden. Auf Schnitten ist ihr gangliöser Charakter indessen leicht zu erkennen (Textfig. 66). Bei der ferneren Entwicklung verschmelzen die Ganglien der Commissuren vollständig mit dem oberen Schlundganglion. Das erste Ganglion (Textfig. 67) der Bauchganglienkette erscheint schon bei der sechsfüßigen Larve zusammengesetzt und innerviert gleich- zeitig die p2 ^in(j ^{^ ^^z ; es hat sich zu dieser Zeit schon von der Hypo- dermis abgesondert. Die Anlagen des zweiten Bauchganglions (Text- fig. 67 (ß) haben dagegen das Aussehen zweier einander in der Median- linie ])erührender Verdickungen der Hypodermis. Das erste Bauch- ganglion berühren diese Anlagen entweder unmittelbar, oder sie sind mit demselben vermittels eines Paares kurzer Längscommissuren vc- bunden. Meisenheimer hat die bei den Larven aller Pantopoden vorhan- denen Ventralorgane völlig übersehen. Eine ausführlichere Besprechung dieser Organe gebe ich gelegentlich der Beschreibung der Metamorphose von Chaetonymphon, wo sie am deutlichsten ausgesprochen sind. Bei den Larven von Nymphon stellen die Ventralorgane paarige Zell- massen dar, welche durch die eine ihrer Seiten mit der Hypodermis verbunden sind, mit der andern dagegen die Ganglien berühren. Die sechsfüßige Larve besitzt drei Paare von Ventralorganen. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CVII. Bd. 42 640 V. Dogiel, 1X2 Das eine derselben entspricht den Ganglien des Schlundcommis- sur und liegt etwa an der Stelle, wo die Basis der p'^ an ihrem in- neren Kande in den Rumpf übergeht. Die beiden andern Paare liegen unterhalb des ersten Bauchganglions (Textfig. 67 Vo), dessen zusam- mengesetzte Natur durch ihre An- wesenheit in glänzender Weise bestätigt wird. Die Anlagen des zweiten Bauch- ganglions besitzen noch keine Ven- tralorgane. Das periphere Nervensystem der Larven zeigt einen äußerst einfachen Bau, den ich in meiner Arbeit vom Jahre 1911 beschrieben habe. Der Verdauungskanal. Der Vorderdarm durchsetzt den ganzen Schnabel und reicht mit seinem hin- Textfig. 66. teren abgerundeten Ende in den Nmphon. Querschnitt durch die sechs- R^mpf hinein. Die Grenze zwischen fußige Larve im Niveau des Gehirns und ^ der Sehiundcommissuren. Dd, vordere dem Vorder- Und dem Mitteldarm ist narmdivertikel; ezz, excretorische Zellen. YiV deutlich ausgesprochen. Der Oc, 4; Object. 4 mm. _ . . . Mitteldarm bildet drei blind endende Ausstülpungen, wie dies auch bei den Larven ven Ammothea der Fall war. Das vordere Paar derselben beginnt an der oberen Seite des Darmes und dringt in die Basis der p^ ein; das mittlere Paar verläuft ge- rade aVco nach den Seiten des Kör- pers und liegt auf einem Niveau mit der Basis der p^ und p^ (in welche es indessen nicht eindringt). Die Enden der Blindsäcke des dritten Paares sind nach hinten gerichtet und stehen durch zellige mesenchymatöse Stränge mit der Körperwand in Verbindung. Ob dieses Paar von Blindsäcken dem dritten Beinpaar entspricht, wie Meisenhetmer (1902, S. 228) dies vermutet, oder ob es sich späterhin in die Anlagen der p'*= erstreckt, kann ich nicht mit ■Gewißheit angeben. Der Darm besitzt ein ziemlich weites Lumen. Die Wand des C Textfig. 67. Xymphon. Bauchnervenstrang der se chs fiißigen Larve. Vo, Ventralorgane. l''nil)ryoI()^Mscli(' Studien an Pantopodcn. 641 Mitteldarins (Tat. XVlll, Fig.5) bestellt aus einer Schicht von Zellen. Stellenweise sind tlie Grenzen zwischen den einzelnen Zellen schwer zu unterscheiden, an andern Stellen dagegen ist ein deutliches Epithel vorhanden. Die Zellen des Mitteldarins sind dicht nnt zahlreichen großen Dotterkörnchen angefüllt. An der äußeren Oberfläche des Mitteldarms liegen hier und da Zellen des splanchnischen Mesoderms zerstreut. Was den Enddarm betrifft, so fehlt dieser einstweilen noch voll- ständig, worin ich Meisenheoier strikt widersprechen muß, welcher »einen einfacheji, soliden Zapfen, der von der Körperwand zum Mittel- darm hinüberzieht« (1902, S. 229), für die Anlage des Enddarmes hält. Ein solcher, das Hinterende des Mitteldarmes mit der Körperwand verbindender Strang ist bei den Larven von Nymphon wohl vorhanden, aber er trägt den Charakter einer mesenchymatösen Brücke und ist den Strängen durchaus homolog, die, wie wir weiter oben gesehen haben, von dem hinteren Paar der Darmdivertikel ausgehen. Die Anlage des Proctodäums entsteht demnach auf einem späteren Stadium, als dem der sechsfüßigen Larve. Eine Bestätigung hierfür haben wir schon hei Phoxichilus gesehen; das gleiche kann man auch bezüglich der übrigen von mir untersuchten Pantopodenlarven aussagen. Aus dem hier Ge- sagten geht hervor, daß Meisenheimer eines der Mesenterien, an denen der Darm suspendiert ist, für das Proctodäum angesehen hat. In der Leibeshöhle der Larven von Nymphon liegen außer Nerven und Muskelzellen auch noch zahlreiche und sehr verschiedenartige andre zellige Elemente zerstreut. Wir wollen hier vor allem auf die bereits von Meisenheimer für die Larven von Ammothea beschriebenen excretorischen Zellen hin- weisen. Es sind dies ein Paar großer Zellen, welche unter dem Darm, zu beiden Seiten des oberen Schlundganglions liegen (Textfig. 66). Wie dies auch bei Ammothea der Fall ist, sind die excretorischen Zellen dicht mit Vacuolen angefüllt, von denen sich eine oder zwei durch besondere Größe auszeichnen. Die Vacuolen werden durch Neu- tralrot intensiv ziegelrot gefärbt; aus dieser Erscheinung kann man entnehmen, daß der Inhalt der Vacuolen eine alkalische Reaktion besitzt." Meisenheimer (1902, S. 229) schreibt, daß derartige Zellen auch an andern Stellen des Körpers angetroffen werden können. Ich kann diese Beobachtung weder für Nymphon, noch für die Larven von Ammothea laevis bestätigen. Im Gegenteil, bei den Larven aller Panto- poden finden sich die excretorischen Zellen mir zu den Seiten des oberen Schlundganglions. Die excretorischen Zellen sind vermittels eines zarten, schwach färbbaren Stranges entweder an der Körperwand, 42* 642 V. Dogiel, oder aber an den Muskeln befestigt, welche die Leibeshöhle durch- ziehen (und zwar an den Musculi extensores interni des ersten Extremi- tätenpaars). Den Charakter des bindegewebigen Strangs habe ich nicht näher aufklären können. Bei einigen in Drontheim gefangenen Larven fanden sich statt eines, zwei Paare von excretorischen Zellen. Es erscheint mir sehr wahrscheinlich, daß die excretorischen Zellen der Larven denjenigen Excretionszellen der erwachsenen Pantopoden homolog sind, welche seinerzeit von Kowalevsky (1892) entdeckt wurden. Sie werden ebenfalls am besten mit Hilfe intravitaler Färbung mit Säurefuchsin sichtbar gemacht. Allerdings sind bei erwachsenen Individuen die betreffenden Zellen viel zahlreicher vorhanden, doch kann dies nicht als ein Hindernis für die Vergleichung dienen. Zu- gunsten einer Homologie der zu vergleichenden Elemente sprechen dagegen 1) das Vorhandensein eines Teiles der fuchsinophilen Zellen seitlich vom oberen Schlundganglion und 2) die große Übereinstim- mung der Fig. 13 von Kowalevsky mit vielen meiner Zeichnungen, welche excretorische Zellen darstellen. Eine andre Art von Zellen, welche in der Leibeshöhle angetroffen werden, sind kleine, unregelmäßig gestaltete Elemente mit zahlreichen runden Concretien in ihrem Innern. Sie entsprechen denjenigen Zellen, welche bei Ammotliea , nach der von Meisenheimer ausge- sprochenen Ansicht, aus dem dorsalen Abschnitt des Mesoderms entstehen, zeitweilig eine excretorische Funktion übernehmen und späterhin dem Herzen seinen Ursprung geben. Letztere Voraus- setzung entspricht der Wirklichkeit nicht, wie wir schon früher gesehen haben. Die erwähnten Zellen senden lange, dünne Fortsätze aus, vermittels deren sie sich nicht selten zu ganzen Gruppen ver- binden. Die in ihrem Innern enthaltenen Concretien widerstehen der Einwirkung von Essigsäure, Salzsäure und Osmiumsäure; durch letztere werden sie nicht dunkel gefärbt. Die Zellen mit Concretien liegen über den ganzen Körper zerstreut und werden sogar in der Höhlung der Extremitäten angetroffen. Bei den Larven von Ni/mphon ist ihre Zahl verhältnismäßig gering. Die Anlage des Herzens, wie auch die Anlagen der Geschlechts- drüsen fehlen bei der sechsfüßigen Larve. Die weitere Entwicklung der Larven von Nymphon strötnii habe ich nicht verfolgen können. Nach dem Ausschlüpfen bleiben die Larven auf der Oberfläche des Eier- klumpens sitzen und verlassen im Aquarium den Körper ihres Erzeugers nicht. In diesem Zustande können sie zwei Wochen ohne Veränderungen verweilen, worauf sie an Erschöpfung zugrunde gehen. Infolge der l"]i)il)rvologi.sch(' Studien an Pantopodcn. 643 «froßon Ahnliclikeit dieser Larven mit cleiijenigen von Phoxichilus, neige ich zu der Annahme, daß auch die fernere Entwickhing dieser beiden Formen in «"hMcher Weise verläuft. Die Ahnhchkeit besteht erstens in der verhältnismäßig gleichen Größe der Spinndorne und der distalen Endglieder der p^ und p'^, zweitens in dem Fehlen jeglicher Bewaffnung auf dem Schnabel. Meine Annahme wird durch folgenden Umstand bestätigt. Während meines Aufenthalts in Drontheim versuchte ich es Hydroiden mit N ymphon-Liir\Qn zu infizieren. Versuche mit großen Tiefsee-Tubularia mißlangen; die Larven blieben auf den Eier- klumpen sitzen. Erst kurz vor meiner Abreise bemerkte ich einstmals, wie Larven in großer Anzahl sich am Stamm einer Tubularia fest- geklannnert hatten. Es erwies sich, daß sich an dem Stamm die Kolonie eines andern Hydroidpolypen vom C((mpanulina-Typ\i^ ausbreitete, mit opercularen Zähnchen über der Hydrotheca. Diese Polypen waren es denn auch, durch welche die Larven angelockt worden waren. Eine Larve traf ich sogar bei dem Aussaugen eines Hydranten an, welches ing leicher Weise erfolgte wie bei Phoxichilus. Diese Larve (Taf. XVIII, Fig. 2) wies gleichzeitig den Beginn einer weiteren Entwicklung auf. Hinten, zu beiden Seiten des Körpers, begannen sich die Anlagen der ^J* durch zwei Furchen abzugrenzen. Der Darm war durch Nahrung stark angeschwollen und seine vorderen Blindsäcke erstreckten sich bedeutend weiter in die /)i, als dies bei den gewöhnlichen Larven der Fall ist. Die Spinndrüsen, namentlich aber die in ihrem Innern ent- haltenen Höhlungen, waren bedeutend kleiner geworden. Diese vereinzelt ge])liebene Beobachtung kann natürlich nicht als genügend angesehen werden, um die Richtigkeit meiner Vermutung voll und ganz zu beweisen, spricht aber stark zu ihren Gunsten. Die Larvenstadien von Nymphon strümii leben demnach, ent- sprechend meiner Annahme, auf Kolonien von Hydroidpolypen und hängen sich an die Hydranten, wie die Larven von PAoa;ic/«7ws dies tun. Sie leben nicht endoparasitisch, gleich den Larven von Phoxickilidimn und sie durchstechen die Theca der Hydroidpolypen nicht, gleich den Larvenstadien von Ammothea. Das Studium der Metamorphose von N. strömii ist für mich von ganz besonderem Interesse, weil es uns offenbaren nmß, inwiefern es möglich ist, gestützt auf Morphologie der Larve, Schlüsse auf deren Lebensweise zu ziehen, 3. Pycnogonum litorale Ström. Ungeachtet der weiten Verbreitung dieser Art und der Leichtigkeit, mit welcher Beobachtungen über dieselbe angestellt werden können, 644 V. Dogifl, ist ihre postembryonale Entwicklung bis jetzt ganz unbekannt ge- blieben. Beschrieben wurden nur zwei Stadien dieser Entwicklung: das Anfangsstadium, d. h. die sechsfüßige Larve und das Endstadium, wo das Tier schon das Aussehen eines erwachsenen Pycnogoniden besitzt und sich nur durch die noch nicht erfolgte Ausbildung des letzten Beinpaares unterscheidet (Meinert. 1899, Taf I, Fig 4). Dieses Fehlen aller diesbezüglichen Kenntnisse war, wie man erwarten konnte, durch die sehr versteckte Lebensweise der Larven von Pycno- gonum hervorgerufen, welche die Beobachtung außerordentlich er- schwert. Während meines Aufenthalts in Cullercoats bei Newcastle glückte es mir, den ganzen Verlauf der Entwicklung der betreffenden Art auf- zuklären. Die erwachsenen Tiere kommen hier in ziemlich großer Anzahl in der Gezeitenzone vor; sie kriechen auf der imteren Fläche großer flacher Steine umher, welche an vielen Stellen das ganze Ufer bedecken Die Unterseite dieser Steine bietet einer reichen Fauna der verschiedensten Tiere Unterschlupf; man trifft hier Spongien, Ascidien, ferner auch Hydroiden und Actinien. Nach Analogie mit den übrigen Pantopoden, wie auch mit den erwachsenen Pycnogonen, welche an Actinien saugen, nahm ich a priori an, daß auch die Pycno- gonum-J^B,ryeTa. sich auf Kosten irgendwelcher sessiler Cölenteraten ernähren müßten, d. h. entweder auf Kosten von Actinien. oder aber auf Kosten von Hydroidpolypen. Um das Material mit größerer Bequemlichkeit studieren zu können, sammelte ich die Steine in einem Eimer mit Wasser und brachte sie mit allen ihren Bewohnern nach Hause in das Laboratorium. Bei der Durchmusterung solcher Steine fiel mir vor allem ein ge- wisser Zusammenhang auf, welcher zwischen den erwachsenen Pycnogonen und den Actinien bestehen mußte. Die Pycnogonen werden sehr häufig unten am Fuß der Actinie sitzend angetroffen, so daß die Actinie bis- weilen von einer ganzen Rosette von P ycnog 07ium-Individuen umgeben ist, welche sich in ihrem Umkreis angesiedelt haben. Diese Erscheinung war schon längst durch G. 0. Sars (1891) vermerkt worden, welcher sie indessen nicht weiter erklärt hat. Erst im Jahre 1910 stellte Prell definitiv fest, daß die Pycnogonen sich auf Kosten der Actinien er- nähren, indem sie dieselben vermittels ihres Schnabels aussaugen. Ich kann die Beobachtung von Prell vollauf bestätigen und durch eigne Beobachtungen ergänzen. Die Actinien werden von den Pycno- gonen bisweilen restlos aufgezehrt : so habe ich mehrfach an Stelle einer kleinen Actinie nur noch ein unbedeutendes rosa gefärbtes Klümpchen Kiiil)rvnlogiscli(' Sttulicn an l'aiito|Ki(lcii. 645 \()ri:c'tun(liMi. welches xoii zwei bis di'i'i Pi/cnogonui)i-\]H\i\\(\wn uiii- rinjit war. Bei der Eröffmuiji des Darmes solcher Pycnogünen konnte man in demselben leicht eine ungeheure Menge von dem Tier ver- schluckter Nesselkapseln der Actiuie entdecken, welche der Wirkung des Magensafts am längsten Widerstand geleistet hatten. Anfangs vermutete ich, daß auch die jüngeren Entwicklungsstadien von Pf/moijonum auf Actinien oder in deren Innern lebten. Es stellte sich jedoch heraus, daß au der .Sohle der Actinie zwar Pycnogonen der verschiedensten Größe beol)achtet werden können, daß dieselben aber stets vollständig ausgebildet sind und über die definitive Zahl von Extremitäten verfügen. Was nun die frühen Stadien der postembryonalen Entwicklung betiifft. so bringt Pycnogonum Utomle die ganze Periode seiner Meta- morphose damit zu, daß es sich auf Kosten der Hydroidpolypen Clava multicornis Forskai ernährt. Die C/a??a-Kolonien besitzen sich auf der Oberfläche von Steinen ausbreitende Stolonen, von denen sich in gewissen Zwischenräumen einzelne Hydranten nach oben erheben. Sowohl der Stolo, wie auch die Basis der Hydrauten sind mit einer dichten Schicht des Schlamms bedeckt, welcher die ganze ui\tere Ober- fläche der am Ufer liegenden Steine einhüllt. Die Beziehungen der Ptjcnogonum-hmYQw zu dem Hydroidpolypen sind im allgemeinen die gleichen, wie diejenigen der erwachsenen Tiere zu den Actinien: sie klanunern sich an seiner Basis an den Hydranten an, bohren ihren Schnabel in denselben und ernähren sich auf Kosten des Hydroid- polypenkörpers. Wir wollen nunmehr zu der Beschreibung des ganzen Entwicklungs- ganges übergehen. Das erste Stadium der postembryonalen Entwicklung bildet, wie bei den meisten Pantopoden, die sechsfüßige Larve (Textfig. 68). Ich beabsichtige nicht eine ausführliche Beschreibung des inneren Baues dieser letzteren zu geben, indem ich sonst den größten Teil dessen wiederholen müßte, was über die Larven von Nymphon gesagt worden ist. Das Muskelsystem, der Darm (Textfig. 68) und die Drüsen der Extremitäten, darunter auch die Spinndrüsen (Taf. XVII, Fig. 4) weisen den gleichen Charakter auf, wie bei N. strömii. Auch die Scheren- drüsen sind vorhanden, wenn auch schwächer entwickelt, als bei der soeben erwähnten Form. Das Nervensystem erinnert an dasjenige der Larven von NympJion bis in die geringsten Einzelheiten. In der Anordnung der Hautdrüsen dagegen ist ein gewisser Unter- schied zu bemerken, woher man schon auf Grund dieses Merkmals 646 V. Dogiel, allein die Larven voneinander unterscheiden kann. Die Larven von Pi/cnogonum besitzen viel weniger solcher Drüsen. An der Ventral- seite des Körpers befinden sich nur drei Paare von Drüsen, welche in den ersten Glie- dern aller Extremitä- ten liegen (Textfig. 68). Auf derDo'salseite be- finden sich fünf Paare Drüsen (die eine in dem Basalglied der f^, die übrigen am Kör- per selbst der Larve, Außerdem ist noch eine unpaare Drüse vorhanden, welche an- nähernd in der Mitte der dorsalen Körper- oberfläche liegt. Die charakteristi- schsten Merkmale der sechsfüßigen Larve be- stehen indessen in dem Bau ihrer vorderen Ex- tremitäten und ihres Schnabels. Der Schna- bel ist bedeutend dün- ner als derjenige von Nymfhon und , was die Hauptsache ist, an seinem Ende zu- gespitzt und nicht ab- geschnitten wie bei der soeben beschrie- benen Art. Außer- dem bildet die Cuticula an den Wandungen der Mundhöhle drei Verdickungen in Gestalt von Längswülsten oder -kämmen. Diese Cristen sind stark lichtbrechend und bei der Betrachtung der Larven intra vitani leicht zu bemerken. An diese cuticulären Wülste der Mundhöhle treten die distalen Fortsätze der sensiblen Nervenzellen des Schnabels heran. Textfig. 68. Pycnogonum. Sechsfüßige Larve von der Bauchseite gesehen; drei Paar Hautdrüsen sind angedeutet. Oc. 4; Object. Snini. Enibiyologi.scho Stiidicn an l'antoixxlcii. 647 Die Scheren der y>i sind daduuli ausgezeichnet (Textfig. 68), daß außer einigen Zähnchen auf der Schneide beider Aste auch noch auf der Außenfläche dieser letzteren je ein kurzer Zahn oder Dorn sitzt. Dieser Zahn ist nur der sechsfüßigen Larve eigentümlich, indem er nach der ersten Häutung schon verschwindet. Besonders bemerkens- wert ist bei dem ersten Extremitätenpaar die große Länge der Spinn- dornen (Textfig. 68), welche bedeutend länger sind, als der Körper der Larve selbst. Das zweite und das dritte Beinpaar besitzen annähernd die gleiche Gestalt wie bei Nytnphon. Als letztes unterscheidendes Merkmal für die Larven von Pycnogonum kann die starke Entwicklung zahlreicher kurzer und zarter Härchen bei ihnen dienen, welche auf der Innenseite des Endgliedes der p~ und p'^ sitzen, wie auch auf der gesamten Oberfläche der Dornen des Basalgliedes dieser Extremitäten und der Spinndornen der p^. Diese zum Teil schon von Dohrn (1869) bemerkten Härchen bedecken die genannten Körperfortsätze gleich- sam wie mit einem schwachen Flaum. Nachdem die sechsfüßigen Larven aus dem Ei ausgeschlüpft sind, bleiben sie auf der Oberfläche des Eierpolsters der Männchen von Pycnogonum sitzen. Bei dem Herumkriechen dieser letzteren auf der mit C/«w/-Kolonicn bewachsenen Unterseite von Steinen, kann das Eierpolster leicht die von ihrem Substrat senkrecht aufsteigenden Hydranten streifen, ein Umstand, der den Übergang der Larven auf ihr zukünftiges Opfer wesentlich erleichtert. Das Bild des Überganges selbst stelle ich mir ungefähr in der gleichen Weise vor, wie Koltzoff (1905, S. 137) das Ankleben der Spermatozoen von Galaihea au den Ji^iern abbildet. In beiden Fällen spielen lange Fortsätze des Körpers die Hauptrolle (die Spinndornen bei den Pycnogonum-\j^v\e\\, die drei Fortsätze des Acrosoma der Spermatozoen bei Galathea). Da die Hydranten von Clava nur mit den zwei oberen Dritteln des Körpers über den die Steine bedeckenden Schlamm hervorragen, so heften sich die Larven denn auch an diesem freien Teil ihres Körpers fest. Ich selbst habe einige Male Larven beobachtet, welche sich soeben angeklammert hatten und unmittelbar unterhalb des Kopfes des Hy- dranten saßen. Hier bleibt die Larve indessen nicht sitzen, sondern sie kriecht nach unten, bis zu der Basis des Hydranten, wo sie den an der Steinoberfläche sich ausbreitenden Stolon erreicht. Nach- dem sie diesen letzteren erreicht hat, bleibt sie stehen, krallt sich mit ihren Scheren in die Basis des Hydranten fest und beginnt ihre erste Häutung. In dieser Lage sind die Larven ganz von dem Schlamm verdeckt, 648 V. Do^iol. welcher die Basis des Polypen umgibt, und können nur mit großer Schwierigkeit aufgefunden werden. Durch diesen Umstand eben läßt es sich auch erklären, warum die Metamorphose von Pycnogotmm bis jetzt noch nicht aufgeklärt worden ist. Die Beendigung des Häutungsprozesses versetzt die Larve in das Stadium II, welches auf der Textfig. 69 dargestellt ist. Dieses Sta- dium unterscheidet sich in vielen Beziehungen wesentlich von dem vorhergehenden, und zwar durch den Verlust einiger provisorischer Organe und durch die Erwerbung andrer, wiederum temporärer Organe. Vor allem fällt es auf, daß die Larve des zweiten Stadiums ihrem allge- meinen Habitus nach den sechsfüßigen Larven der meisten Pantopo- den (so z. B. von Phoxichilus, Nymphon, Ammothca) viel ähnlicher ist, als die Larve vor der ersten Häutung. Dies steht im Zusammenhang mit dem Ver- j^chwinden 1) der zarten Härchen, welche die Enden der p2 ^t^^^ rpZ -wJe auch die Dornen aller Extremitäten bedeckten; 2) der Zähnchen auf der äußeren Scherenseite und häuptsächlich 3) mit der starken Reduktion der Spinndorne, welche jetzt um das sechsfache kürzer geworden sind und nicht mehr über die Scheren enden vorragen. Alle diese verschwundenen Merkmale sind als provisorische, für das früheste Larvenalter charakteristische Bildungen anzusehen. Im Gegensatz zu den Spinndrüsen hat der Schnabel der Larve bedeutend an Länge zugenommen; vor allem hat sich seine distale Hälfte in die Länge gestreckt und nach der Bauchseite hin gekrümmt (Textfig. 69). Auf Schnitten (Taf. XVII, Fig. 12) kann man erkennen, daß sich weder die Hypodermis noch die Muskeln in den Endabschnitt des Schnabels fortsetzen. Seine Wandung wird auf diesem Abschnitt nur durch eine doppelte Schicht der Cuticula gebildet, d. h. sie besteht aus einer Fortsetzung der Cuticula, welche den ganzen Körper be- kleidet und aus deren Umbieguno; nach innen, welche den vorderen Teil des Darmes umhüllt. Dieser Bau des Schnabels ist sehr eigenartig; wir können weder bei den Larven noch bei den erwachsenen paläarkti- schen Pantopoden etwas ähnliches antreffen. Einen analogen, aber noch stärker entwickelten Schnabel finde ich nur bei einer südlichen Form, und zwar bei Pi])etta weheri Lom., welche von Loman aus den Textfig. 69. Pycnogomun. Stadium II. Oc. 4; Object 8 mm. h]niliiy(il(igis(lu' Studien an l'aiitoiiodcii. 649 Gewässern der !Sundu-lnselu besciirieben wurde (l'JOi). Diese Ver- änderun;i im Ixiii des Schnabels findet ihre Erklärung zwxMfellos in der Art und Weise der Ernälirung der Larven. Zum Unterschied von den Phoxicli il us-LaTyen gelangen sie nicht auf die weichen Teile derHydran- then, sondern auf die durch eine ziemlich dicke und feste Hülle geschützte Basis dieser letzteren. Das dünne Chitinrohr, m welches sich das Schnabelende verwandelt, dient denn auch zum Durchbohren der ge- nannten Hülle. Das röhrenförmige, oft chitinisierte Schnabelende geht bei dem erwachsenen Tier wieder verloren. Wir müssen demnach auch diesen Teil des Rüssels als eine provisorische Anpassung ansehen, welche der Periode des Lebens der Larve auf Clava genau entspricht. Im übrigen unterscheidet sich die Organisation der Lar- ven des zweiten Stadiums nur wenig von der des ersten Sta- diums. Die Spinndrüsen blei- ben erhalten und funktionieren weiter, indem sie Spinnfäden aus den Öffnungen der Spinn- dornen austreten lassen. Nur die letzten Glieder der p^ und j)^, wie auch die Dornen auf den Basalgliedern dieser Ex- tremitäten, sind etwas kürzer geworden. Stadium III. Bezüglich dieses Stadiums (Textfig. 70) kann ich nicht mit Bestimmt- heit aussagen, ob dasselbe die unmittelbare Fortsetzung des vorher- gehenden Stadiums darstellt, oder ob es durch eine Häutung von demselben getrennt ist. Zugunsten dieser letzteren Annahme spricht der Umstand, daß die j)^ und f^ der Larven des dritten Stadiums etwas kleiner geworden zu sein scheinen; eine Verkleinerung aber konnte nicht ohne vorhergehende Häutung erfolgt sein. Von diesem Stadium angefangen beginnt ein verstärktes Wachstum der hinteren Körperhälfte und die Ausbildung der noch fehlenden Extre- mitäten. Der Körper der Larve weist noch eine ovale Gestalt auf, aber unter der Cuticula kann man zu beiden Seiten der hinteren Körper- hälfte bereits die Anlagen der jt)* bemerken. Es tritt allmählich eines der unterscheidenden Merkmale der Gattung Pycnogonum hervor — ^; Pycnogonum. Textfig. 70. Stadium III. Oc. 4; Object. 8 mm. 650 V. Dogiel, die mächtige Entwicklung der Cuticula. Die Dicke der Cuticula nimmt auf den nachfolgenden Stadien noch mehr zn, so daß die innere Organi- sation für das Studium intra vitam schwer zugänglich gemacht wird. Die Cuticula der Larve bildet zahllose kleine Fältchen, welche namentlich vor der Häutung besonders stark ausgebildet sind. Es ist von Interesse, daß sich die Fältchen gerade auf der alten Cuticula be- finden, obgleich es natürlicher erscheinen würde, wenn letztere über dem unter ihr heranwachsenden Tiere straff angespannt wäre. Der Darm der Larve nimmt eine rosa-orangerote Färbung an, welche das Ergebnis des Aussaugens der Hydranten von Clava ist, indem dieselben die gleiche Färbung auf- weisen ; den gleichen Farbenton behalten die Larven auch auf den darauf folgen- den Stadien bei. Das Stadium IV. (Textfig. 71 u. 72) tritt nach der zweiten (dritten?) Häutung der Larve ein. Die Larve nimmt nunmehr , namentlich gegen das Ende dieses Stadiums, eine außer- ordentlich plumpe Gestalt an, durch welche sie sich mit Leichtigkeit von den entsprechenden Stadien der übrigen Pan- topoden unterscheiden läßt. Während die Breite der Larve sich verhältnismäßig nur wenig verändert, nimmt ihre Dicke Textfig. 71. (der Durchmesser in dorso- ventraler Pycnogonum. Stadium IV. Man sieht Richtung) bedeutend ZU. Namentlich eine Andeutung der Anordnung der i -ii t tt ir i -r» i Hautdrüsen. Oc. 4; object. 8 mm. schwillt die Vordere Hälfte des Rückens der ]jarve stark an. welche blasenför- mig aufgetrieben erscheint. Infolge dieses Anschwellens der Larven werden die p^ und p^ bei der Betrachtung des Objekts von oben, ganz unsichtbar. Der vordere Teil der Rückenblase wölbt sich auch über das vordere Extremitätenpaar ; in Abhängigkeit hiervon verän- dert letzteres seine Lage und ist von diesem Stadium angefangen nicht mehr gerade nach vorn gestreckt, wie bei der sechsfüßigen Larve, sondern stark nach unten geneigt. Auf dem vorderen Teil der dorsalen Anschwellung liegt ein Augenpaar. Auf dem Körper der Larve ist eine schwache Einschnürung angedeutet (Textfig. 72), welche denselben in eine vordere Hälfte mit den ersten drei Beinpaaren und eine hintere, breitere Hälfte mit den Anlagen der p^ und p^ ein- l']ml)rv()logis(lic Studien an l';nit(i|)()(k'ii. 651 t K teilt. Das hintere Körpereiule tler Larve bildet drei konische Vor- spränge, einen mittleren und zwei seitliche (Textfig. 72). Der mittlere dors.^lhen repräsentiert die Gesamtlieit des zukünftigen Hinterleibs und der letzten zwei Extremitätenpaare. Die seitlichen Vor- sprünge entsj)reclien den Extremitäten des vierten Paares. Zwi- schen ihnen und dem mittleren Vors])rung liegen die noch kaum differenzierten Anla- gen der j)^. Was die jo* betrifft, so sind unter der die seitlichen Vorsprünge umhüllen- den Cuticula schon in bedeutendem ^laße ausgebildete Extremi- täten zu sehen, welche lang sind und an ihrem Ende mit einer Kralle versehen sind. Diese unter der alten Cuti- cula doppelt zusammengeleg- ten Krallen breiten sich erst nach einer neuen Häutung \\ aus, welche uns das nächst- // folgende Stadium ergibt. Stadium V (Textfig. 74 u. 75). Wie aus den Abbil- dungen zu ersehen ist, stellen pycmgonm die /;* bei diesem Stadium ^^/ w Pycnogonum. Textfig. 72. Stadium IV. Oc. 4; Objeot. 8 mm. Textfig. IW. Kristalle aus Zellen der Leibeshöhleii- fliissii)(lfn. 653 chen befindet sich aiieli auf den Anlagen der }/'. Hinter dem ersten Augenpaar wird auf diesem Stadium ein zweites Paar angelegt, welches anfangs viel schwächer pigmentiert ist, als das erste Paar. Unterhalb der Hypodermis fallen im Innern der runden, in der Leibeshöhle liegenden Zellen, zahlreiche stäbchenförmige Kristalle auf. Dieselben sind auch schon bei früheren Stadien vorhanden (vom zweiten angefangen), jedoch in viel geringerer Anzahl. Die Gestalt dieser Kri- Textfig. 75. Pycnogonum. Stadium V. Aiisidit von der Dorsalseite. Od; Object. 8 mm. stalle ist auf der Textfig. 73 wiedergegeben. Sie sind durchsichtig, farblos und bilden nicht selten kleine Drusen. Bezüglich der chemischen Eigenschaften dieser Kristalle besitze ich Aufzeichnungen, wonach die- selben in starker Essigsäure unlöslich, in starker Schwefelsäure und in 10%iger Ätzkalilösung dagegen löslich sind. Nach diesem Stadium beginnt die Larve in bezug auf ihre Gestalt sich allmählich dem erwachsenen Pycnogonum zu nähern. 651 V. Dogiel, Das Stadium VI (Textfig. 76) ist vor allem durch die Gliederung des fünften Extremitätenpaares ausgezeichnet. Hinter diesem ent- stehen die p^ in Gestalt zweier Fortsätze mit einem Paar kleiner Dornen auf ihrer Dorsalseite. Bei einigen Larven sind unter der Cuticula dieser Fortsätze die bereits ausgebildeten Extremitäten des sechsten Paares zu bemerken. Längs der Medianlinie des Rückens tritt eine Reihe von Höckern auf, welche ihrer Lage nach den Höckern des er- wachsenen Tieres entsprechen. An dem Hinterende des Körpers ist / irr. v/ - \ r '] \ t ^ €• X 0^ yf V )W A Textfig. 76. Pycnogonum. Stadium VI. Oc. 4; Object. Reichert Nr. 3. der After deutlich zu bemerken. Das hintere Augenpaar hat an Größe zugenommen und ist schwarz geworden. Im übrigen ist die Organi- sation der Larve im Beginn des sechsten Stadiums die gleiche wie früher. Die Spinndrüsen sind noch zu bemerken; ob dieselben aber noch fort- fahren Spinnfäden auszuscheiden, wage ich nicht zu entscheiden. Dieses Stadium ist von dem fünften durch einen Häutungsprozeß ge- schieden; die nächste Häutung hat eine radikale Veränderung der Larve zur Folge. Diese Veränderung besteht darin, daß man vor der Häutung Embryologischc Studien an Pantopotk-n. 655 (Textfig. 77) beobachten kann, wie der Inhalt der vorderen drei Ex- tremitätenpaare sich von der Cuticula ablöst und sich alhnählich in das Innere des Körpers des Tieres zurückzieht, und nur die leeren Chitinhüllen hinter sich zurückLäßt. Auf Schnitten (Taf. XVII, Fig. 14) stellt es sich heraus, daß im Innern dieser Chitinhüllen nur die Chitinröhrchen zurückbleiben, welche die Spinnkanäle auskleiden, Textfig. 77. Pycnogonum. Stadium VI (vor dem Übergang auf das nächste Stadium). Von den pi, p^ ii_ p^ sind nur die leeren Hüllen übrig geblieben. Oc. 4; Object. Reichert Nr. 3. sowie die Sehnen der Muskeln des ersten Extremitätenpaares. In dem sich in das Innere des Rumpfes zurückziehenden Inhalt der pi (Taf. XVII, Fig. 15) fällt die völlige Abwesenheit von Muskelelementen auf. Letztere sind augenscheinlich einer vollständigen Histolyse anheimgefallen. Viel- leicht sind es gerade die Muskeln, auf deren Kosten die zahlreichen runden Zellen entstehen, welche sich in großer Anzahl in der Leibes- höhle sich häutender Larven vorfinden, wo sie an der Basis der drei Zeitsclirift f. wissensch. Zoologie. CVII. Bd. 43 656 V. Dogiel, vorderen Extremitätenpaare angetroffen werden. Es sind dies große Zellen mit unregelmäßig gestaltetem eckigem Kern und sich gleich- mäßig färbendem, homogenem Protoplasma. Außer diesen Zellen befinden sich in der Höhle der sich zurückziehenden p^ einige amöboide Zellen und Gebilde, welche man wohl am richtigsten als Überreste der Spinndrüsen ansehen wird. In der Hypodermis der sich einziehen- den Extremitäten liegen zahlreiche Vacuolen zerstreut. Wie man dies leicht voraussetzen konnte, führt das gleichzeitige Pycnogonum. Stadium VII. Textfig. 78. Das letzte Beinpaar liegt in Gestalt kleiner Vorsprünge an den Seiten des Hinterleibes. Verschwinden so vieler Beinpaare zu einer starken Veränderung des Aussehens der Larve. In der Tat hat das Tier auf dem Stadium VII (Textfig. 78) schon das Aussehen eines typischen jungen Pycnogonum, mit Ausnahme des noch nicht zur Ausbildung gelangten letzten Beinpaares. Von den vorderen drei Beinpaaren bleibt nicht die geringste Spur bestehen; das Eostrum entbehrt eines schnabelförmig nach unten gekrümmten Chitinfortsatzes. Der Hinter- leib besitzt anfangs auch auf diesem Stadium eine kegelförmige Gestalt, nimmt aber später, wie aus der Abbildung zu ersehen ist, seine definitive Gestalt an, indem er nach seinem Ende zu breiter wird. Das vierte und das fünfte Beinpaar besitzen je sieben Glieder, das sechste dagegen nur sechs. Einbryologischc Stiulicii an Pantopodon. 657 Ein solches Stadium war auch schon den liüheieu Autoren be- kannt, so z. B. Meinert. Es ist von Interesse, daß ich auf das siebente Stadium als auf den Zeitpunkt hinweisen kann, wo das Pycnogonum von den Hydroidpolypen auf die Actiiiien übergeht. Es ist dies daraus zu ersehen, daß die einen Exemplare dieses Stadiums von mir an der Basis der Hydroidpolypen angetroffen wurden, andre dagegen bereits an der Sohle der Actinien. f Pycnogonum. Textfig. 79. Junges Tier am Ende der Metamorphose. Es tritt nunmehr noch eine weitere Häutung ein und das Tier, welches das letzte Paar von Gangbeinen erworben hat, beendet hiermit seine Metamorphose (Textfig. 79). Wir wollen nunmehr einen umfassenden Blick auf die postembryo- nale Entwicklung von Pycnogonum werfen. Dieselbe zeichnet sich zweifellos durch viele durchaus eigenartige Züge vor derjenigen der übrigen Pantopoden aus. Vom rein biologischen Gesichtspunkt aus- gehend verdient die Verschiedenheit in der Art der Nahrung bei den Larven und den erwachsenen Exemplaren von Pycnogonum hervor- 43* 658 V. Dogiel, gehoben zu werden. Die erwachsenen Tiere ernähren sich, wie bereits bemerkt wurde, durch Aussaugen von Actinien, während die Larven ausschließlich auf Hydroidpolypen angetroffen werden. Auf Grund dieses Merkmals wird man die Vertreter der Gattung Pycnogonum bis zu einem gewissen Grade mit Parasiten vergleichen können, w^elche einen Wirtswechsel aufweisen. Wir haben es hier, wenn man sich so ausdrücken darf, mit definitiven und mit Zwischenwirtstieren von Pycnogonum zu tun. Aller Wahrscheinlichkeit nach liegt ein solcher Wirtswechsel auch bei derjenigen Pantopodenart vor, welche nach der Beschreibung von Merton (1906) im Larvenzustande auf Tethys leforina parasitiert; es ist leider unaufgeklärt geblieben, welcher Art die von Merton aufgefundenen Larven angehören. Wodurch wird nun bei Pycnogonum der Übergang der Larven auf ein andres Wirtstier hervorgerufen? Dieser Übergang läßt sich sehr wohl dadurch erklären, daß die Larven zu zart sind, um sich auf Kosten von Actinien ernähren zu können. Die Actinien besitzen die Fähigkeit sich wenn auch nur langsam zu bewegen; bei ihrem Herum- kriechen von einer Stelle zur andern müßte die Sohle der Actinie un- bedingt die jungen Pycnogonum-haiyen quetschen oder gar zerdrücken. Durch die Ernährung auf Kosten der unbeweglichen Hydroidpolypen wird diese Gefahr völlig ausgeschlossen. Eine sehr wichtige Eigentümlichkeit in der Entwicklung bildet der wiederholte Wechsel der provisorischen Organe. Bei den Pycnogonum-Jjarven finden wir zwei Serien von provi- sorischen Organen. Die erste dieser Serien besteht, wie bereits bemerkt wurde, aus außerordentlich langen Spinndornen, dünnen Härchen auf den p^ und j)^ und aus einem Paar von Zähnchen an der Außenseite beider Scherenäste. Diese Organe spielen eine bestimmte Eolle bei der Befestigung der Larve an dem Hydroidpolypen und verschwinden bei dem Übergang der Larve auf das zweite Entwicklungsstadium. Die zweite Serie rein larvaler Organe wird durch das nach unten ge- krümmte rein chitinöse Schnabelende sowie durch die Spinndrüsen repräsentiert. Indem diese Organe zum Ankleben an den Hydroid- poFypen sowie zum Durchbohren seiner Hülle dienen, verschwinden sie bei dem siebenten Stadium, welches Clava verläßt. Die ersten drei Extremitätenpaare sehe ich nicht als provisorische Organe an: obgleich dieselben im gegebenen Falle auch bei der Larve verschwinden, so charakterisieren diese Organe doch überhaupt bei den Pantopoden sehr häufig auch das erwachsene Tier. Endlich kann auch die außergewöhnlich plumpe äußere Gestalt Embryologisclie Studien an Pantopoden. 659 der Larven auf dem vierten und fünften Stadium als ein charakteristi- sches Merkmal für die Gattung Pycnogonum dienen. Eine wenn auch nur schwache Ähnlichkeit mit den Pi/cnogonum-LuTxen zeigen die auf Td/iys (Merton, 190G) parasitierenden Larven; eine gewisse Ähnlich- keit ist auch auf verschiedenen Stadien der Metamorphose von Achelia laevis zu bemerken, wie wir dies sofort sehen werden. Ich muß indessen wiederholen, daß diese Ähnlichkeit eine nur sehr schwach ausgespro- chene ist. 4, Ammothea laevis Hodge. Die Metamorphose von Ammothea laevis ist zum Teil schon von DoHRN (1869) bearbeitet worden, welcher dazu noch auf der gleichen Station, und zwar in Millport gearbeitet hat, wo später auch ich meine Studien anstellte. Außerdem erinnert die Verwandlung von Tanij- stylum orbiculare, deren allgemeiner Verlauf von Moegan (1891) ziem- lich gut festgestellt worden ist, außerordentlich an diejenige von Achelia. Endlich sehen sich die sechsfüßigen Larven von Ammothea echinata und Achelia levis außerordentlich ähnlich, so daß man sich, wie man annehmen könnte, mit der Beschreibung der Ammothea-haiyen durch Meisenheimer begnügen könnte. Wenn ich mich trotzdem dazu ent- schließe den Verlauf der Metamorphose kurz zu schildern, so geschieht dies aus folgenden Gründen: erstens weil einige Beobachtungen über die Anatomie und namentlich über die Biologie der Larven noch nicht bekannt waren, und zweitens, weil die mit dem Stadium der sechs- füßigen Larve abschließende Arbeit von Meisenheimer unwillkürlich eine Fortsetzung derselben nötig erscheinen läßt. Letztere erhalten wir wenn auch nicht durch Ammothea echinata selbst, so doch wenigstens durch eine ihr nahestehende Form. Die Vertreter von Ammothea finden sich mit vielen andern Panto- poden an der Unterseite der mit Hydroidpolypen bewachsenen Steine, welche massenweise unterhalb der abschüssigen Küste in der Ebbezone liegen. Die erwachsenen Individuen sitzen flach auf den Steinen aus- gebreitet; was dagegen die Larven betrifft, so verläuft deren ganze Entwicklung auf Kolonien von Obelia. Stadium I. Die sechsfüßigen Larven von Ammothea laevis (Taf. XX, Fig. 3) sind schon von Dohrn recht gut beschrieben worden. Nachstehend gebe ich einige Einzelheiten ihrer Organisation, welche von Dohrn übersehen und auch von Meisenheimer für Ammothea echinata nicht angegeben worden sind. Erstens besitzen die Larven bereits ein ziemlich kompliziertes System von Hautdrüsen, welche genau 660 V. Dogiel, den gleichen Bau aufweisen, wie bei den früher beschriebenen Formen. Die Zahl "dieser Drüsen beträgt auf der Dorsalseite des Tieres vier Paare: das eine Paar befindet sich auf den Basalgliedern der ^i, ein andres zu beiden Seiten der Augen, während die übrigen zwei Paare unweit von dem hinteren Körperende liegen. An der Ventralseite befinden sich sieben Drüsenpaare und zwar in folgender Anordnung: sechs Paare liegen auf dem ersten und zweiten Glied der Extremi- täten, das siebente dagegen am Hinterende des Körpers. Ferner findet sich im Innern des ersten Extremitätenpaares eine große Anhäufung von Drüsenzellen, welche ein Paar Ausführgänge nach den Enden beider Scherenglieder entsendet. Meisenheimer hat diese Drüsenmasse bei Ammothea echinata wohl gesehen (1902, Taf. XIV, Fig. 13 — 15), vermutete aber, dieselbe beziehe sich aus- schließlich auf den beweglichen Scherenast. Indessen kann man es nunmehr auf Grund meiner Beobachtungen für eine Regel ansehen, daß bei allen Pantopoden die Ausführgänge der Scherendrüsen an beiden Scherengliedern nach außen münden. In dem Schnabel der Larven von Ammothea bildet Meisenheimer eine kleine Gruppe von Zellen ab und hält letztere entweder für drüsige oder aber für gangiiöse Zellen. In Wirklichkeit befindet sich in jedem Antimer des Schnabels, und zwar unabhängig voneinander, ein Schnabel- ganglion und eine Schnabeldrüse, welch letztere näher zur Basis des Schnabels liegt, als das Ganglion; der Ausführgang der Drüse mündet gewöhnlich am äußersten Ende des Schnabels, am Mundrande, nach außen. Endlich ist unter den Anlagen der Bauchganglien, welche den p* entsprechen, ein Paar von Ventralorganen deutlich zu bemerken. Unter einem jeden dieser Ventralorgane befindet sich auf der Cuticula ein ziemlich tiefer Eindruck. Der eigenartige, schon von Dohrn hervorgehobene Bau des Schna- bels der Amvnothea-harven, besteht darin, daß aus der Mundöffnung eine von dem oberen Antimer ausgehende dreieckige Spitze hervorragt, welche ihrer Gestalt nach an die Spitze eines Pfeils erinnert (Taf. XX, Fig. 6). Dohrn (1869, S. 142) beschreibt das Schnabelende in folgender Weise: »Die Mundöffnung ist umgeben von einer kragenartigen Chitin- leiste. Unter dem oberen Rande dieses Kragens ragt eine sehr scharfe Chitinspitze vor, welche durch zwei konvergierende Leisten gebildet wird. << Die bisher unbekannt gebliebene Bedeutung dieser Spitze kann leicht durch Beobachtungen von Larven intra vitam aufgeklärt werden. Embryologischc Stiulion an Pantopoden. 661 Nnchdein die Ammothea-Lawe aut eine Kolonie von Ohelia geraten ist, kriecht sie nach der Basis des Kelchs eines der Hydranthen und setzt sich dort fest, indem sie sich mit ihrem Hinterende in der Richtung nach der Öffnung des Kelchs dreht (Taf. XX, Fig. 1). Hier bleibt sie im Verlauf einer langen Zeitperiode unbeweglich sitzen und macht eine Hcäutung nach der andern durch. Da die Larve sich auf einem Teil des Hydroidpolypen befindet, welcher von der Theca bedeckt ist, so muß sie. um den Inhalt des Oöe/m-Zweiges aussaugen zu können, notwendigerweise dessen Hülle durchbohren und zu diesem Zwecke dient denn auch das zugespitzte Schnabelende der Larve. In bezug auf ihre Ernährungsweise erinnern die Ammothea-Ls^Tven demnach an diejenigen von Pycnogonum. Ein Unterschied besteht nur darin, daß erstere nicht gleich den Pt/cnogonum-Larven an der Basis der Ohelia- Kolonie sitzen bleiben, sondern auf dieselbe hinaufklettern. Außerdem erscheint der gekrümmte Schnabelfortsatz, wie ihn die Pycnogonum- Larven besitzen, für die ^mmo^Äea- Larven wegen der geringeren Festig- keit und Dicke der Theca von Ohelia überflüssig. Auch die weitere Metamorphose zeigt eine gewisse Übereinstim- mung mit Pycnogonum. Die sechsfüßige Larve häutet sich und ergibt das Stadium II, welches auf Taf. XX, Fig. 4, abgebildet ist. Dieses Stadium entspricht vollständig dem dritten Stadium von Pycnogonum. DoHRN erwähnt dasselbe, hält es aber für eine unmittelbare Fort- setzung des ersten Stadiums (ohne dazwischenliegende Häutung); ebenso spricht sich auch Morgan bezüglich Tanystylum nicht mit Bestimmtheit darüber aus, ob nach dem ersten Stadium eine Häutung stattfindet oder nicht. Der wichtigste Unterschied zwischen diesem Stadium und dem vorhergehenden besteht in dem Auftreten der An- lagen der ^* in Gestalt schwach ausgesprochener Höcker, welche seit- lich am Hinterende des Körpers liegen. Die Afteröffnung und der End- darm sind noch nicht vorhanden. In einigen der in der Leibeshöhle liegenden Zellen sind, wie bei Pycnogonum, lange stäbchenförmige Kristalle zu sehen. Das Stadium III zeigt einen großen Fortschritt in der Entwick- lung der p^. Ob zwischen dem zweiten und dritten Stadium eine Häu- tung stattfindet oder nicht, vermag ich nicht mit Bestimmtheit anzu- geben; ich vermute indessen, daß dies nicht der Fall ist. Die Anlagen der yj* haben sich sehr in die Länge gestreckt und zeigen sogar bis- weilen den Anfang einer Krallenbildung. Hinter den diesen Extremi- täten entsprechenden Ganglien liegt noch ein Paar Ganglien. Es sind drei Paare von Ventralorganen deutlich zu sehen, welche zu den Gan- 662 V. Dogiel, glien der p^, p^ und 'p'^ gehören. Auf diesem Stadium tritt auch die Analöffnung auf. Der Charakter der ersten drei Extremitätenpaare bleibt der gleiche, wie auch früher. Die Larve häutet sich und geht über in das Stadium IV (Taf. XX, Fig. 8). Nunmehr besitzt das Tier auch schon Anlagen der p^ und unter der die p* bekleidenden Cuticula kann man bemerken, daß sich diese Extremitäten nach der nächsten Häutung gliedern und mit langen Krallen versehen sein werden. An der Innenseite des zweiten Gliedes der p^ und p''^ gelangt je ein kurzer Dorn zur Ausbildung. In dem Nervensystem gehen in dem Sinne wichtige Veränderungen vor sich, daß die Ganglien des Segments p* sich nach vorn verschieben und indem sie auf das erste (doppelte) Ganglion der Bauchkette einen Drvick ausüben, dasselbe etwas nach oben, der Dorsalsiete zu, verlagern. Auf diese Weise scheint das erste Bauchganglion, wenn man die Larve von der Bauchseite betrachtet, viel tiefer zu liegen als die übrigen Ganglien. Diese Erscheinung bietet ein gewisses theoretisches Interesse. Und zwar müssen wir in dem- selben eine Fortsetzung jenes Prozesses erblicken, durch welchen die Ganglien der p'^ nach der Dorsalseite des Tieres verlagert werden, um schließlich mit dem Gehirn zu verschmelzen. Besonders deutlich ist die Verlagerung des ersten Bauchganglions auf Querschnitten zu bemerken (Taf. XX, Fig. 7). Hinter den Ganglien der p^ sieht man auch eine schwach ausge- prägte Differenzierung des Ganglions des zukünftigen sechsten Bein- paares. Auf dem vierten Stadium tritt in Gestalt zweier blasser Pig- mentflecke das hintere Augenpaar auf. Stadium V (Taf. XX, Fig. 9). Dieses Stadium ist das Ergebnis einer neuen Häutung und entspricht durchaus dem fünften Stadium von Pycnogonum, wie auch von Tanystylum nach Morgan (1891, Taf. V, Fig. XV). Für dieses Stadium sind die gegliederten (und zwar fünfgliedrigen) p^ charakteristisch. Das fünfte Beinpaar hat das Aussehen ungeteilter, ziemlich langer Fortsätze, während das sechste noch kaum erst angedeutet ist, und zwar in Gestalt kleiner seitlicher Anschwellungen des hinteren Körperabschnitts, w^elcher zwischen der Basis der p^ gelegen ist. Die Cuticula des Tieres wird schon vom dritten Stadium angefangen allmählich dicker und weniger durchsichtig. In dieser Beziehung haben die Larven von Ammothea große Ähnlichkeit mit den Larven von Pycnogonum. Das vierte wie das fünfte Stadium sind bei Dohrn nicht abgebildet, während das darauf folgende in seinen Fig. 11, 12 und 13 dargestellt ist. I Embryologische Studien an Pantopodon. 663 Das Stadium VI (Taf. XX, Fig. 10) verfügt bereits über zwei Paare gegliederter Extremitäten (jd* und p^). Das sechste Extremi- tätenpaar geht in Gestalt noch nicht gegliederter Fortsätze von den Seiten des Hinterleibes aus. Dieser letztere sieht dem Hinterleib des erwachsenen Individuums schon sehr ähnlich, obgleich von ihm noch die Anlage des letzten Paares von Gangbeinen gebildet werden muß. Die ersten drei Extremitätenpaare bewahren noch immer ihre ursprüng- liche Gestalt, nur ist die Zahl der Dornen auf der Innenseite der p^ bis auf drei angewachsen. Das Stadium VII (Taf. XX, Fig. 11) ist charakterisiert durch gegliederte p*, p^ und p^ und das Auftreten der Anlagen von p"^. Der Hinterleib ist noch in einer Ebene mit den Anlagen der p'^ angeordnet; nach beendeter Metamorphose wird er indessen dorsal verlagert, während die Extremitäten des siebenten Paares mit ihrer Basis unter ihm zu- sammentreffen. Die Bauchnervenkette enthält nunmehr schon -die definitive Anzahl von Ganglien, und zwar ein doppeltes Ganglion, welches Nerven nach den p^ und p^ entsendet, vier den vier Gangbein- paaren entsprechende Ganglien und das kleine paarige Abdominal- ganglion. Wichtige Veränderungen im vorderen Körperabschnitt weisen auf ein baldiges Ende der Metamorphose hin. Die Spinndornen der p^ werden kürzer, während die Spinnzellen sich abrunden, kleiner werden und ihre Verbindung mit dem äußeren Medium einbüßen. Allerdings hat das zweite Beinpaar noch immer das Aussehen zweigliedriger Extremitäten, allein dafür werden die p^ zu kleinen Höckern mit einem Dorn an ihrer Spitze reduziert. Der Schnabel weist keinerlei Ver- änderungen auf. Es mag hier bemerkt sein, daß auch Tanystylum nach Morgan (1891, siebentes Stadium, Taf. V, Fig. XVII) die gleichen Veränderun- gen der p^ erleidet, wie Ammoihea. Zwischen den Stadien V — ^\^I und VI — VII war je eine Häutung erfolgt; eine neue Häutung führt zu dem Stadium VIII. Letzteres ist durch noch weitgehendere Reduk- tion der p^ ausgezeichnet, welche sich in kaum bemerkbare Höcker- chen verwandeln. Das zweite Extremitätenpaar ist zweigliedrig und der Schnabel hat seine Spitze, worauf auch Dohrn hingewiesen hat, noch innner nicht eingebüßt. Die Extremitäten des vierten bis sechsten Paares besitzen bereits ihre volle Gliederzahl; das siebente Beinpaar besteht einstweilen noch aus sechs Gliedern. Im allgemeinen kann man annehmen, daß das Tier,mit Ausnahme des Baues der drei vorderen 664 V. Dogiel, Extremitätenpaare, seine definitive Gestalt erreicht hat. Wie viele Häu- tungen noch notwendig sind, damit auch die soeben erwähnten Extremi- täten ihr definitives Aussehen erhalten, kann ich leider nicht angeben. Für die Bewertung des Verlaufes der Metamorphose muß ich noch- mals deren große Ähnlichkeit mit der Verwandlung von Tanystylum hervorheben; diese Ähnlichkeit erstreckt sich so weit, daß eine ganze Reihe von Stadien vollständig miteinander übereinstimmt. Von inneren Zügen der Organisation, welche allen Larven von Ani- mothea in gleichem Maße und auf allen .Stadien der Metamorphose zukom- men, will ich auf folgende Erscheinungen hinweisen. Die Schnabeldrüsen von Ammothea sind, namentlich in den beiden unteren Antimeren, so Textfig. 80. Ammothea. Querschnitt auf dem Niveau des ersten Bauchganglions; unterhalb dieses letz- teren sieht man fünf Zellen der Schnabeklrüsen. Oc. 4; Object. 4 mm. stark entwickelt, daß ihre hinteren Enden bisweilen zwischen dem ersten Bauchganglion und der Hypode mis zu liegen kommen (Textfig. 80). Excretorische Zellen sind in der Zweizahl vorhanden, wie dies auch bei den Larven von Nym-phon strömii der Fall ist. Diese Zellen (Taf . XX, Fig. 5) sind wiederum am Rücken angeordnet, oberhalb des vorderen Paares von Darmdivertikeln. Der Körper der excretorischen Zelle ist mit Einschlüssen angefüllt, welche von Neutralrot intensiv gefärbt wer- den; mit ihrem dünnen Ende ist eine jede excretorische Zelle an einer der Muskelfasern befestigt, welche die Leibeshöhle durchkreuzen. Bezüglich yimmo^Aea laevis verfüge ich über mehrere Beobachtungen, welche es gestatten über die Geschwindigkeit des Wachstums dieses Tieres zu urteilen. Am ersten Juli fand ich einen mit Ohelia-Kolomen Knihryologischc Stiulion an Panto])odt'n. 665 bewachsenen Stein, auf dem sechsfüßige Ammothea-haiyen saßen; andre Stadien waren auf diesem Stein nicht vertreten. Als ich von diesem Stein nach Verlauf eines gewissen Zeitraums genommene Hydroid- polypen untersuchte, konnte ich mich davon überzeugen, daß die Larven 10—12 Tage gebraucht hatten, um das dritte Stadium zu erreichen. Das fünfte Stadium erreichen sie nach 15 — 16 Tagen. Über dieses Stadium hinaus wurden keine Beobachtungen angestellt. 5. Phoxichilidium femoratum Eathke, Änoplodactylus fetiolatus Hodge und A. 'pygmaeus Hodge. Die postembryonale Entwicklung der drei oben genannten Arten, AN eist so viele gemeinsame Züge auf, daß sie in ein und demselben Kapitel beschrieben werden kann. In der Tat stimmen die Larven der genannten Pantopoden, abgesehen von einem so wichtigen Merk- mal, wie die endoparasitische Lebensweise, auch in allen besonders wichtigen Einzelheiten der Organisation miteinander überein. A7iopJodacti/Ius pygmaeus parasitiert in den Hydranthen von Obelia, während den beiden andern Arten (in Millport) Coryne eximia Allman als Wirtstier dient. Der Übergang zu der endoparasitischen Lebensweise erfolgt auf dem Stadium der sechsfüßigen Larve, mit dem ich meine Beschreibung denn auch beginnen will. Stadium I. Die sechsfüßigen Larven von Phoxichilidium und Änoplodactylus sind bekanntlich durch die sehr bedeutende Größe ihres Schnabels ausgezeichnet, ferner durch das Fehlen von Spinndornen auf den p^ und die außergewöhnlich starke Entwicklung der End- glieder der p^ und p^. Außer den soeben angeführten hauptsächlichsten Unterscheidungs- merkmalen waren alle übrigen morphologischen Eigentümlichkeiten der Larven vom Phoxichilidium-TyTpus bis jetzt ganz unbekannt ge- blieben und verdienen daher ein eingehenderes Studium. Der Körper der Larven (Textfig. 81 ; Taf. XXI, Fig. 10; Taf. XXII, Fig. 2) ist annähernd viereckig; von den vorderen Ecken des Kör- pers sind die wohlentwickelten p^ nach vorn gestreckt, während an den Seiten des Körpers die übrigen zwei Extremitätenpaare hervor- ragen. Der Schnabel der Larve ist nach deren Bauchseite verlagert und seine Spitze ist schräg nach unten gerichtet. Er besitzt die Ge- stalt eines an seinem Ende stark abgestumpften, wenig hohen, aber sehr breiten Kegels; an seiner Basis erreicht der Schnabel im Querschnitt etwa zwei Drittel der Breite des ganzen Körpers der Larve. Im Ver- 666 V. Dogiel, gleich mit den Larven der übrigen Pantopoden ist der Schnabel der Larven von Phoxichilidium und Anoplodactylus unverhältnismäßig groß. Das erste Extremitätenpaar besteht, wie immer, aus drei Gliedern (nicht aber aus vier, wie man dies aus den Zeichnungen von Semper [1874] entnehmen könnte). Die Scheren der p'^ sind durch völliges Fehlen von Dornen und Zähnchen an der Innenseite eines jeden Schere n- Textfig. 81. Änoplodactylus petiolatus. Sechsfüßige Larve, von der Baucliseite gesehen. astes ausgezeichnet. An der Außenseite eines jeden Scherenastes be- findet sich näher zu dessen Ende je ein kleiner Auswuchs oder Fortsatz, welcher auf späteren Entwicklungsstadien immer deutlicher wird (Taf, XXI, Fig. 9). Das wichtigste Merkmal der p^ besteht bei den hier beschriebenen Arten indessen, wie bereits gesagt worden ist, in dem Fehlen des Spinndorns an ihrem Basalgliede. Dem Verschwinden des Spinndorns entspricht auch die völlige Atrophie der Spinndrüsen. Allerdings hatAüLEEz (1888) im Innern der p^ bei Larven von Phoxi- chilidium Überreste dieser Drüsen aufgefunden, allein die von ihm Kinl)rvologischc Studioii an Pantopoden. 667 bemerkten großen Zellen gehörten ohne allen Zweifel nicht Spinn- drüsen, sondern den Scherendrüsen an. Die Extremitäten des zweiten und dritten Paares sind nach ein und demselben Typus gebaut. Eine jede Extremität besteht aus drei Gliedern; das letzte derselben ist zu einem sehr langen, fadenförmigen Fortsatz ausgezogen, welcher an Länge die beiden Basalglieder zu- sammengenommen stets übertrifft. Die Länge des letzten Gliedes bei den drei in Rede stehenden Arten ist Schwankungen unterworfen. Bei den Larven von Anoplodactylus petiolatus (Textfig. 81) übertrifft das letzte GUed der p^ und p^ den basalen Abschnitt der Extremität nur um ein weniges an Länge; bei A. pygmaeus verhält sich die Länge des letzten Gliedes zu der Länge des Basalgliedes des Beines etwa wie 3:1; bei Phoxichilidium beträgt dieses Verhältnis 5 : 1 und darüber. A. petiolatus stellt demnach eine Übergangsform zwischen den ge- wöhnlichen Pantopodenlarven zu solchen vom Phoxichilidium-Tyi^ViH dar. Der Übergangscharakter der Larven von A. petiolatus wird auch noch durch einen andern Umstand bekräftigt. Gleich den Larven von Pi/cnogonum, Nymphon u. a. tragen die Basalglieder der p^ und p"^ auch bei den Larven der von uns betrachteten Form je einen ziemlich langen und dünnen Dorn (Textfig. 81). Bei Phoxichilidium imd A. pygmaeus verschwinden diese den Spinndornen der p^ homologe Dornen vollständig (Taf. XXI, Fig. 10; Taf. XXII, Fig. 2). LoMAN (1907) bildet an dem basalen Teil des letzten Gliedes der p^ und p^ der Larven von Phoxichilidium femoratum ein kleines Zähnchen ab. Ein solches Zähnchen finden wir auf einem viel weiter entwickelten Stadium bei den Larven von A. petiolatus (Textfig. 81), wo dasselbe sich gleichsam in Gestalt einer kleinen dünnen und Ersatzkralle diffe- renziert. Indem wir bei unsrer weiteren Beschreibung die gleiche Reihen- folge innehalten, wie wir dies früher für die Larven von Nymphon strömii getan haben, gehen wir nunmehr zu dem Drüsensystem der Larven von Phoxichilidium und Anoplodactijlus über. Im allgemeinen kann man sagen, daß die Larven der genannten Arten weniger Drüsen besitzen, als die Larven der meisten Pantopoden. 1) Die Drüsen der basalen Extremitätenglieder (vgl. Nymphon), die Spinndrüsen mit eingerechnet, fehlen vollständig. 2) und 3) Die Drüsen der Scheren und des Rüssels sind im Gegenteil sehr stark entwickelt. In dem Basalglied der p^ befindet sich ein Paar Scherendrüsen, deren Ausführgänge an der Spitze beider Scherenarme ausmünden. Die Drüsen bestehen aus sehr großen Zellen, 668 V. Dogiel, welche einen runden großen Kern mit deutlichem Kernkörperchen in seiner Mitte besitzen (Taf. XXII, Fig. 9). Die das Innere der jj^ aus- füllenden Scherendrüsen berühren einander gewöhnlich so dicht, daß ihre Paarigkeit nur durch die Anwesenheit der zwei in der Richtung nach den Enden der Scherenarme divergierenden Ausführgänge be- wiesen wird. Auf späteren Stadien kann man bisweilen auch die Paarig- keit der Drüsen selbst gut unterscheiden (Taf. XXI, Fig. 9). Die Scherendrüsen fallen schon bei der Betrachtung intra vitam so sehr in die Augen, daß man sich nur darüber wundern muß, weshalb dieselben bis jetzt noch nicht ausführlich beschrieben worden sind. Adleez (1888) ist der einzige Autor, welcher auf diese Drüsen hinweist, wobei er sie, wie wir gesehen haben, für Überreste der Spinndrüsen ansieht. Mit ihren hinteren, erweiterten Enden reichen die Scherendrüsen in den Rumpf herein, wo sie längs den Seiten der vor- ^ deren Darmdivertikel und zum Teil auch ^\ über denselben angeordnet liegen. Die Zahl der Zellen in beiden Scherendrüsen zu- sammengenommen beträgt 14. Diese Zahl bleibt unverändert bis zu den spätesten Entwicklungsstadien erhalten. Textfig. 82. Ebenso genau festgesetzt ist auch die Pkoxichaidium. Längsschnitt durch ^ahl der Drüscnzellen des Schnabels. Letz- den Schnabeldersechsfüßigen Larve. terer enthält zwölf Drüsenzellen, zu je vier auf jedes Antimer (Taf. XXII, Fig. 3 und Textfig. 82). Der histologische Bau dieser Zellen beweist ihre volle Homologie mit den Zellen der Scheren- drüsen. Es sind dies große, birnförmige Zellen, von denen eine jede je einen äußerst schmalen Kanal nach dem Ende des Schnabels ent- sendet; alle diese Ausführgänge der Schnabeldrüsen münden an den Rändern der Mundöffnung nach außen (Textfig. 82). In Anbetracht der außerordentlich starken Entwicklung des Drüsenapparates der Scheren und des Schnabels muß man vermuten, daß die hier beschrie- benen Drüsen eine wichtige Rolle im Leben der Larven spielen. Ich wage es indessen kaum mich über die Natur dieser Rolle auszusprechen. Vielleicht besitzen die Drüsen eine gewisse Bedeutung für den Schutz der Larven gegen die Wirkung der Verdauungssäfte des Wirtstieres, doch ist dies nur eine ziemlich willkürliche Annahme von mir. 4) Hautdrüsen sind wohl vorhanden, sie sind aber schwach entwickelt und lassen sich durch Neutralrot nur schwach differenzieren, weshalb sie auch schwer bemerkbar sind. Ich konnte diese Drüsen I Embryologische .Studion an Panto])od('ii. 669 nur bei .1. ptjgmaeus feststellen (Taf. XXII, Fig. 2), wo zwei Drüsen- paare in der Nähe des hinteren Körperendes liegen (auf der Zeichnung ist nur das eine derselbeii zu sehen), das dritte dagegen an der Basis der f'^. Höchst wahrscheinlich besitzt die Larve noch mehr Haut- drüsen, welche meiner Aufmerksamkeit entgangen sind. Die Muskulatur der Larven habe ich nur zum Teil untersuchen können, wobei ich mich indessen davon überzeugen konnte, daß dieselbe in ihren wichtigsten Zügen mit derjenigen der Larven von Nymfhon und Ämmothea (nach Meisenheimer) durchaus übereinstimmt. Ein wesentlicher LTnterschied besteht nur in der Anordnung der Beuge- muskeln der p^ und p^ (M. flexores). Bei Ämmothea (Meisenheimer, 1902, Taf. XIV, Fig. 13) sind sie durch zwei Paare von Muskelfasern dargestellt, welche mit dem einen ihrer Enden an der Basis der ent- psrechenden Extremität befestigt sind mit dem anderen Ende dagegen nach der medianen Ventrallinie verlaufen, sich aber noch in weiter Entfernung von derselben an der ventralen Körperwand befestigen. Die Larven von PhoxichiUdium und Anoplodactylus besitzen viel stärker entwickelte Flexores der p^ und p^, was wahrscheinlich mit der stärkeren Entwicklung der Extremitäten selbst zusammenhängt. Die M. flexores (Textfig. 81) sind bei den hier beschriebenen Formen sehr lang, erreichen mit ihren inneren Enden die mediane Ventrallinie und treffen hier in einem Punkt zusammen, indem sie deutlich die Figur eines Kreuzes bilden. Die übrige Muskulatur bietet keine interessanten Züge dar. Glatte Muskelfasern (vgl. Nymphon strömii) habe ich bei Phoxi- chilidium und Anoplodactylus nicht entdecken können. Das c e n t r a 1 e N e r V e n s y s t e m der Lar ven besteht aus dem oberen Schlundganglion, den Schlundcommissuren (Taf. XXI, Fig. 8) und einer ganzen, ungegliederten Bauchnervenmasse, welche Nerven nach den p2 un(j ^3 aussendet. Das obere Schlundganglion zeigt einen deutlich ausgesprochenen paarigen Ursprung. Die Bauchganglienmasse ist noch sehr wenig von dem Ectoderm differenziert und ist bei der Betrachtung intra vitam gar nicht zu unterscheiden. Ventralorgane sind bei der sechsfüßigen Larve noch nicht vorhanden. Augen, welche bei den Larven von Phoxichilidium jemoratum. imd Anoplodactylus femoratus fehlen, sind bei den Larven von A. petiolatus zu einem Paar vorhanden. Die Augen liefern uns demnach ein sehr bequemes Kriterium für die Bestimnmng der Larven der oben erwähnten Anoplodactylus- Alten. Diese Tatsache verdient aus dem Grunde er- wähnt zu werden, weil die Selbständigkeit der Species A. pygmaeus 670 V. Dogiel, bis jetzt immer noch nicht als sicher begründet gelten konnte. So ziehen z. B. Sars, Norman und einige andre Autoren A. fygmaeus und A. ])etiolatus nur aus dem einzigen Grunde zu einer einzigen Art zu- sammen, weil diese beiden Arten im erwachsenen Zustande einander sehr ähnlich sehen. Die deutlich ausgesprochenen Unterschiede in den Larven (die Augen, die verschiedene Länge der letzten Glieder der p^ und p^) liefern uns indessen den Beweis dafür, daß wir es hier mit zwei durchaus selbständigen Arten zu tun haben. Der Darm besteht aus einer Speiseröhre und dem Mitteldarm, welcher bei der unlängst ausgeschlüpften Larve das Aussehen eines einfachen runden Sackes besitzt (Taf. XXII, Fig. 2). Etwas später, aber noch auf dem Stadium der sechsfüßigen Larve, treten aus diesem Sack zwei kurze, blindgeschlossene Auswüchse hervor, welche von demselben nach vorn, zur Basis des ersten Extremitätenpaares ver- laufen (Textfig. 81). Excre torische Zellen habe ich in der Leibeshöhle der Larven nicht bemerken können. Wahrscheinlich sind solche aber vorhanden, wie man dies auf Grund ihres Vorhandenseins bei Larven auf etwas späteren Entwicklungsstadien annehmen muß. Die sechsfüßigen Larven klammern sich, während des Herum- kriechens der sie auf sich herumtragenden Männchen, auf den Kolonien der Hydroidpolypen mit Hilfe ihrer Extremitäten an letzteren fest (Taf. XXII, Fig. 1); zwecks ihrer ferneren Entwicklung müssen diese Larven dann für gewöhnlich in die Gastralhöhle der Hydranten der Kolonie eindringen. Auf welche Weise das Eindringen in das Innere des Hydroidpolypen vor sich geht, wage ich nicht zu entscheiden. Diese Frage könnte, nach dem sehr richtigen Ausspruch von Loman (1907), nur durch einen blinden Zufall entschieden werden, welcher eine Larve gerade in dem Moment wo sie einen Hydroidpolypen in- fiziert, in das Gesichtsfeld des Mikroskops gelangen ließe. Trotz alle- dem ist es mir gelungen, nachstehende Erscheinungen festzustellen. Bei Aiwplodactylus petiolatus wird die sechsfüßige Larve, ohne ihre Gestalt zu verändern, von den Cor^/we-Hydranthen »verschluckt«; den Beweis hierfür kann man darin erblicken, daß ich zweimal derartige Larven in der Gastralhöhle von Coryne angetroffen habe. Die Larven von A. pygmaeus dagegen müssen, bevor sie in das Innere der Obelia- Individuen gelangen, eine Häutung durchmachen und ihre langen p^ und p^ einbüßen. Zugunsten einer zuvorigen Häutung der Larven von A. pygmaeus sprechen einige interessante Beobachtungen, von denen weiter unten die Rede sein wird. I Embryologische Studien an Panto[)oden. 671 Die in die Gastralhöhlo der Hydranten geratenen Larven von A. pi/gmaeus verbleiben auch in derselben; die Larven von A. petiolatus wandern aus den Hydranton in das Linere des Stammes der Coryne- Kolonie, an dessen gesamten Vorlauf sie besondere sogenannte »Cysten« bilden. Bei der ferneren Beschreibung werden die aufeinanderfolgenden Stadien der Metamorphose von A. petiolatus einerseits und A. pygmaeus anderseits in paralleler Reihe dargestellt werden. Was die Entwicklung von FhoxicMlidium anbetrifft, so verfüge ich nur über verhältnismäßig späte Larvenstadien dieser Gattung. Dabei gleichen die Larven von Phoxichilidium den entsprechenden Larven von A. petiolatus in so hohem Grade, daß sie von letzteren nur durch die etwas abweichende Färbung unterschieden werden können : die Larven von Phoxichilidium zeigen eine kirschrote Färbung, während die Larven von A. petiolatus bedeutend heller gefärbt sind. Das Staiiium II habe ich nur bei ^. ^e^iokiws gefunden (Taf.XXI, Fig. 2); das analoge Stadium von Phoxichilidium ist bei Loman in der Fig. 11 der Taf. V, und bei Semper in der Fig. 2 der Taf. XV dargestellt. Die entsprechende Larvenform von A. pygmaeus habe ich nicht angetroffen, trotz des sehr reichen, mir zur Verfügung stehenden Ma- terials. Ich halte es daher für v/ahrscheinhch, daß A. pygmaeus in seiner Entwicklung von dem Stadium I unmittelbar auf das Stadium III übergeht. Das zweite Stadium von A. petiolatus unterscheidet sich von dem ersten hauptsächlich durch die starke Keduktion der p'^ und p^. Ihr Endglied verschwindet restlos, während die beiden übrigen Glieder sich stark verkürzen. Derartige verkürzte und an ihrem Ende abgerundete Körperanhänge sind anfangs beweglich und biegen sich in ihren Ge- lenken (vgl. Loman, 1907, bezüglich der Larven von Phoxichilidium). Späterhin zieht sich der Inhalt der p^ und p^ indessen, wie dies aus meiner Zeichnung zu ersehen ist, fast gänzlich in das Innere des Körpers zurück, so daß ihr zweites Glied vollständig leer wird, Diese Erschei- nung ist ein sicheres Merkmal der herannahenden Häutung. Übereinstimmende Entwicklungsstadien sind für Phoxichilidium von Loman (1907), und Semper (1874) beschrieben worden. Ich kann mich indessen, was die Abbildung der beiden hinteren ßeinpaare betrifft, durchaus nicht mit den erwähnten Autoren einverstanden erklären. Nach den Zeichimngen und Beschreibungen von Loman und Semper verschmelzen die beiden ersten Glieder der p^ und j)^ zu einem ungegliederten konischen Fortsatz des Körpers, an w^elchem das Zeitsclirift f. wisseiisch. Zoologie. C'VII. Bd. 44 672 V. Dogiel, modifizierte dritte Glied der Extremität in Gestalt einer kurzen Kralle befestigt ist. Bezüglich Ä. petiolatus kann ich auf Grund eines reich- lichen Materials mit Sicherheit aussagen, daß das dritte Glied, wie schon oben erwähnt wurde, bei der Häutung ganz abgeworfen wird und nur die beiden ersten Glieder erhalten bleiben. Die Larve häutet sich und geht darauf über in das Stadium III. Anfangs sieht dieses Stadium dem vorhergehenden außerordentlich ähnlich, und unterscheidet sich von demselben nur durch die etwas größeren Dimensionen, sowie dadurch, daß seine p^ und p^ sich in kurze, ungegliederte Auswüchse verwandelt haben. Späterhin indessen macht sich unter der den Körper der Larve bekleidenden Cuticula eine Differenzierung der Schreitbeine bemerkbar (Taf. XXI, Fig. 3). In den runden, scheibenförmigen Eumpf der Larve schneiden seitlich zwei Paare von Furchen ein, durch welche derselbe in nachstehende Abschnitte eingeteilt w^ird. Der vorderste, größte Abschnitt liegt zwischen der Basis der f ^ und dem ersten Furchen- paar; er trägt die Überreste der p^ und p^ und weist ein Paar breiter, seitlicher Ausstülpungen des Darmes auf. Auf Kosten dieser Ab- schnitte entwickelt sich späterhin das vierte Extremitätenpaar. Der zweite, schmälste Abschnitt des Rumpfes wird von den beiden oben erwähnten Furchenpaaren begrenzt, enthält ein Paar Darmdivertikel und entspricht dem Segment der p^. Der letzte, hintere Abschnitt repräsentiert die Gesamtheit der Anlagen der Segmente der p^ und p"^ und des Hinterleibs. Die Fig. 3 der Arbeit von Semper (1874) läßt vermuten, daß zuerst nur ein einziges Paar von seitlichen Furchen zur Bildung ge- langt, und zwar das vordere, durch welches die Anlage der p* abge- grenzt wird; was das zweite Furchenpaar anbetrifft, so entsteht das- selbe in diesem Fall etwas später. Larven mit einem einzigen Furchen- paar habe ich nicht angetroffen, halte aber ein derartiges Entwicklungs- stadium für außerordentlich wahrscheinlich. Bei Anoplodactylus pygmaeus entspricht das auf die sechsfüßige Larve folgende Entwicklungsstadium (Taf. XXII, Fig. 3) dem Beginn des dritten Stadiums bei A. petiolatus. Die Extremitäten p)^ und p^ sind zu kleinen konischen Auswüchsen geworden (bisweilen sind die- selben etwas größer, als auf der Zeichnung angegeben ist); der Darm besitzt nur ein einziges Paar vorderer Blindschläuche, welche den p'^ entsprechen. Auf den beiden soeben beschriebenen Stadien, dem zweiten und dem dritten, fällt der geringe Raum auf, welcher in dem Körper der Einbryologisclu' Studien an PaiitoixKlcn. 673 Larve von dem Mesoderni ciiigenoimnen wird. In tleni Rumpf ist die gesamte Höhle des Körpers von dem umfangreichen Darm ein- genommen, welcher der Hypodermis dicht anliegt; das Innere der p'^ und des Schnabels ist von großen Drüsenzellen angefüllt. Stadium IV. Der weitere Schritt in der Entwicklung besteht darin, daß hinter den p^ ein neues Paar seitlicher Furchen auftritt, welche die Anlagen des Segments der f^ andeuten. Gleichzeitig be- ginnen die durch die Furchen abgegrenzten und den Anlagen der 2>*, p^ und p^ entsprechenden Abschnitte des Körpers in der Richtung nach unten und zur ventralen Medianlinie zu wachsen, wobei sie paarige, stumpfe Vorwölbungen bilden. Auf diese Weise erfolgt der Übergang zu dem auf Fig. 4 der Taf. XXI (für A. petiolatus) und auf Fig. 4 der Taf. XXII (für A. pygmaeus) abgebildeten Larvenstadium. Auf diesem Stadium besitzt die Larve folgenden Bau. Der Rüssel und das erste Extremitätenpaar behalten ihre frühere Gestalt. Die hückerförmigen p^ und p"^ werden bei A. pygmaeus ganz ausgeglichen. Bei A. petiolatus bleiben sie noch erhalten, werden aber durch die starke Entwicklung des vierten Extiemitätenpaares nach vorn und nach der ventralen Körperseite verlagert. Durch eine derartige Ver- lagerung der Rudimente der p^ und p^ läßt sich dann auch der Umstand erklären, warum ^ie definitiven p'^ und p"^ nicht an der Stelle entstehen, wo sich früher die embryonalen Beine befanden. Der erwähnte Um- stand kann, wie wir sehen, nicht als ein Grund (w^ie Meinert, 1899, dies annimmt) für die Verneinung eines Zusammenhangs zwischen den em- bryonalen und den definitiven p^ und p^ geltend gemacht werden. Die p^, p^ und p^ besitzen die Gestalt von drei Paaren stumpfer Körperfortsätze, in deren Innern Ausstülpungen des Darmes enthalten sind und die mit ihren Enden nach der Ventralseite zu gekrümmt sind. Diese Fortsätze nehmen von vorn nach hinten an Größe ab. Zwischan den Insertionsstellen des sechsten Extremitätenpaares befindet sich der hintere unpaare Körperbezirk, aus dem späterhin das Segment der p"^ und der Hinterleib hervorgehen. Der nunmehr mit vier Divertikelpaaren versehene Darm ist an seinem hinteren Ende blind geschlossen. Der histologische Bau der Wandungen des Mitteldarms ist recht eigenartig (Taf. XXI, Fig. 11 u. 12; Taf. XXII, Fig. 13). Die Darmwand wird von einem einschich- tigen Epithel gebildet, welches aus zweierlei Art von Zellen besteht. Die einen derselben gleichen den Zellen eines gewöhnhchen Cylinder- epithels, doch sind sie weniger gleichmäßig angeordnet und nehmen 44* 674 V. JJogiel, oft statt der cylindrisclien eine konische Gestalt an, indem sie nach dem Lumen des Darmes zu spitz werden. Die hier beschriebenen Zellen werden durch Safranin und Boraxcarmin ziemlich intensiv gefärbt. Die Cylinderzellen kleiden entweder beträchtliche Darm- bezirke ununterbrochen aus, oder aber dieselben wechseln mit Zellen der zweiten Art ab. Letztere stellen unverhältnismä(3ig größere, birnförmige Zellenelemente dar, welche mit ihren aufgetriebenen Enden weit in die Höhle des Darmes hineinragen. Auf Grund emiger Prä- parate glaube ich sogar annehmen zu können, daß die aufgetriebenen Zellen, oder doch wenigstens deren Enden, sich losreißen und in die Höhle des Mitteldarmes fallen können. Das Protoplasma der birn- förmigen Zellen färbt sich bedeutend schwächer, als dasjenige der Zellen der erstgenannten Art. Außerdem enthält es zahlreiche körnige Einschlüsse. Es ist von Literesse, daß ich unter diesen Einschlüssen nicht selten Diatomeenpanzer und andre Überreste von Organismen angetroffen habe. Diese Beobachtung ist vor allem ein Beweis dafür, daß die Zellen des Darmes der Larven von Anoplodactylus die Fähigkeit besitzen, Speisepartikelchen zu erfassen und dieselben einer intra- cellulären Verdauung zu unterwerfen, gleich dem Darmepithel vieler niederen Wirbellosen. Diese Ähnlichkeit mit niedersten Evertebraten wird noch dadurch verstärkt, daß die aufgenommenen Diatomeen- algen im Innern der Zelle von einer Verdauungsvacuole umgeben werden (Taf. XXI, Fig. 12). Ferner erhalten wir auf Grund der oben angeführten Beobachtungen die Möglichkeit, die Frage nach der Art und Weise der Ernährung der endoparasitischen Pantopodenlarven zu entscheiden. Dohrn (1881) schreibt, daß die Larven sich auf Kosten von Nahrungspartikelchen ernähren, welche von dem die Larven enthaltenden Hydranten er- griffen werden. Lohmann (1907, S. 281) behauptet im Gegenteil mit Bestimmtheit, daß die Larven vermittels ihrer Scheren Stücke der Epithelzellen von der Gastralhöhle des Hydroidpolypen losreißen und dieselben verschlucken. In dieser Frage muß ich mich voll und ganz der von Dohrn ausgesprochenen Ansicht anschließen. Auf Schnitten durch mit Pantopodenlarven infizierte Hydranten habe ich niemals irgendwelche Beschädigungen des endodermalen Epithels beobachten können, welches deren Gastralhöhle auskleidet. Die Nahrung der Anoflodactylus-hsiTven ist demnach diejenige ihrer Wirtstiere. Das Nervensystem der Larven des dritten Stadiums zeigt eine ganz beträchtliche Differenzierung von der Hypodermis. Es be- steht vor allem aus einem oberen Schlundoani!;lion und einem Enibryologisohc Studipii an Panto])0(lon. 675 Ganglieiipaai- der Scliluiulcüiiiniis.siiren. Die Loslösung der Schlund- ganglien von der Hypodermis erfolgt zu beiden Seiten der Schnabel- basis, wie dies aus der Fig. 4 der Taf. XXII zu ersehen ist. Während des hier geschilderten Vorgangs bildet die Hypodermis an den beiden er- wähnten Stellen zwei sehr deutliche Einstülpungen, die Ventralorgane der Schlundcommissuren ; der Einstülpung der Hypodermis folgt auch die Cuticula, was das Auftreten zweier ziemlich tiefen Grübchen an den entsprechenden Stellen der Körperoberfläche zur Folge hat. Die den p^ und p^ entsprechenden Ganglien stellen von allem Anfang an eine einzige, gemeinsame Ganglienmasse dar. Letztere versinkt tief unter die Hypodermis, so daß die Zellen der Schnabel- drüsen nicht selten mit ihren hinteren Enden in den zwischen der Ganglienmasse und der Haut entstehenden Zwischenraum herein- ragen. Der zweifache Charakter der soeben erwähnten Ganglienmasse wird dadurch in unwiderleglicher Weise erwiesen, daß in derselben zwei Paare von Ventralorganen vorhanden sind. Eindrücke in der Cuticula, welche diesen Ventralorganen entsprechen würden, gelangen nicht zur Bildung. An lebenden Objekten sind die Ganglien der p^ und p^ nicht zu erkennen, da sie in das Innere, unter die Hypodermis, versenkt sind. Es folgen nunmehr drei Paare vollständig ausgebildeter Ganglien, welche den Segmenten der p* und p^ und p^ angehören. Dieselben besitzen Ventralorgane, und zwar bildet die Cuticula unterhalb der Ganglien der p'^ und p^ zwei Paare tiefer Grübchen (Taf. XXII, Fig. 4). Die Ventralorgane zeigen den für diese Gebilde typischen Bau (Taf. XXII, Fig. 11). Es sind dies becherförmige, paarige Einstülpungen der Hypo- dermis an der Ventralseite des Körpers, welche tief in das Innere der Ganglien hineindringen, unterhalb deren sie gebildet werden. Die Einstülpungshöhle steht anfangs durch einen engen Gang mit dem äußeren Medium in Verbindung, späterhin kann das Ventralorgan jedoch von der Hypordermis gänzlich abgeschnürt werden und tritt dann in Gestalt eines hohlen Bläschens in den Bestand des Gaughons. Die Wandungen deö' Bläschens bestehen aus einer Schicht von Zellen, welche viel größere Dimensionen aufweisen, als die Ganglienzellen und in deren Kernen häufig mitotische Teilungsfiguren zu bemerken sind (Taf. XXII, Fig. 13). Hinter dem letzten der oben erwähnten drei Ganglienpaare kann man bisweilen (Taf. XXI, Fig. 4) die Anlagen noch eines Paares von GangHen bemerken, welche nur undeutlich von der Hypodermis ab- 676 V. Dogiel, gegrenzt sind. Es sind dies die Ganglien des Segments des siebenten Extremitätenpaares . Von den peripheren Nerven gelingt es bisweilen die Nerven der ^^^ intra vitani zu sehen, welche von den Ganglien der Schlundcommis- suren ausgehen. So kann man auf der Fig. 9 der Taf . XXI bemerken, daß der in die p^ eintretende Nerv in Aste zerfällt, welche an der Ober- fläche der Muskelfasern der Extremität enden. Was die andern Nerven anbetrifft, so verdient nur die Beobachtung Interesse, daß trotz der starken Atrophie der p^, der dieser Extremität entsprechende Nerv erhalten bleibt (Taf. XXI, Fig. 13). Die Erhaltung dieses Nerven bildet einen indirekten Beweis dafür, daß an Stelle der verschwundenen Extremität die definitiven p^ des Tieres zur Entwicklung gelangen werden. In dem Drüsensystem der Larven fällt das Auftreten zweier großer Drüsenzellen auf der Dorsalseite des Körpers unter der Haut, etwa auf dem Niveau des sechsten Extremi- tätenpaares in die Augen, welche ihrem Charakter nach vollständig mit den Drüsen- zellen der Scheren und des Schnabels übereinstimmen. Die Herkunft dieser Zellen (Text- fig. 83) und die Stelle, wo ihre Kanäle nach außen münden, konnte ich nicht feststellen. Das gesamte Mesoderm der Larve ist auf kleine Zellen beschränkt, welche in dem Zwischenraum zwischen dem Mitteldarm und der Hypo- dermis unregelmäßig zerstreut liegen (Taf. XXI, Fig. 7 und Taf. XXII, Fig. 13). Außerdem liegen in dem vorderen Abschnitt des Körpers an der gewohnten Stelle, d. h. seitlich von den Augen, zwei ziemlich große, runde, excretorische Zellen, welche mit mehreren Einschlüssen von verschiedener Größe dicht angefüllt sind (Textfig. 84). Das Stadium IV (Taf.XXI, Fig.öfür^. petiolatus; Taf . XXII, Fig. 5 für ^. pygmaeus) ist durch die starke Verlängerung der ^* — p^ und durch die Anlage des letzten, siebenten Extremitätenpaares aus- gezeichnet. Nachdem sich die Schreitbeine der rechten und buken Textfig. 83. Anoplodactylus petiolatus. Quersclmittdurch eine Larve. Dr, dorsale Drüsenzellen. Oc. 4; Object. 8 mm. Kmbryologisclio Studien an Pantopodon. 677 Seite, wie wir dies aus der Beschreibung des dritten Stadiums ergehen haben, nacli der ventralen Seite gekrümmt haben, beginnen sie ein- ander entgegen zu wachsen. Nachdem sie auf der ventralen Median- linie zusammengetroffen sind, biegen sich ihre Vordereuden infolge des gegenseitig aufeinander ausgeübten Drucks nach vorn um, und setzen ihr Wachstum nunmehr in dieser Richtung fort. Wie man aus den Abbildungen ersehen kann, sind die Beine derart eingerichtet, daß sie möglichst wenig Raum einnehmen. Bei Anoplodactylus -petiolatus und Phoxichilidium (Taf . XXI, Fig. 6 und Textfig. 85) erlangt das vierte Extremitätenpaar eine solche Länge, daß sich diese Beine, nachdem sie das vordere Körperende erreicht haben, mit ihren Enden nach der Ventralseite krümmen und seitlich von der Basis der p i über den Rücken des Tieres hervor- ragen. Mit zunehmendem Wachs- tum beschreiben alle Beine, namentlich aber bei den beiden eben genannten Arten, mehrere Windungen (Textfig. 85). Der unpaare hintere Körperabschnitt der Larven des dritten Stadiums wird nunmehr durch zwei seichte Furchen in einen mittleren Teil, oder die Anlage des Hinterleibs, und in zwei seitliche Teile, d. h. die zukünftigen p"^ eingeteilt. Am Ende des Hinterleibs (bei A. pygmaeus auf dessen Unterseite) tritt die Analöffnung auf. Loman (1907) gibt an, daß der After bei den Larven von Phoxichilidium bedeutend später auftritt, allein bei den von mir beobachteten Formen war ein Anus immer schon auf dem vierten Stadium vorhanden. Auf Schnitten (Taf. XXI, Fig. 14) kann man sehen, daß die Bil- dung des Anus und des IVoctodäum nicht so sehr durch Einstülpung der Hypodermis, als durch deren Durchreißung mit nachfolgender UmroUung der Hypodermis nach innen, längs den sich bildenden Rän- dern der Öffnung, vor sich geht. Eine Verbindung zwischen dem Lumen des Proctodäum und der Höhle des Mitteldarmes ist noch nicht vorhanden. Nachdem das W^achstum des vierten Stadiums beendet ist, löst Textfig. 84. Anoplodactylus petiolatus. Vorderende der Larve. g, oberes Sclilundganglion ; Exe, excretorische Zellen. Oc. 4; Object. 8 mm. 678 V. Dogiel, sich die larvale Cuticula von der Hypodermis ab, welche an ihrer Ober- fläche eine neue Schicht einer chitinösen Substanz abscheidet (Taf . XXII, Fig. 5). In dieser Zeit beginnt an den mit der neugebildeten Cuticula bekleideten Beinen die Bildung der Krallen und Dorne. Es ist von Interesse, daß die Differenzierung der Krallen bei Phoxicliilidium und A. fetiolatus einerseits und anderseits bei A. fyg- maeus und allen übrigen von mir untersuchten Pantopoden, in ver- schiedener Weise vor sich geht. Bei den Larven von A. fyg^naeus (Taf. XXII, Fig. 5) geht dieser Vorgang in nachstehender Weise vor sich : das äußerste Ende des Beines wird von einer ringförmigen Furche msi Textfig. 85. Anoplodactylus petiolatus. Larve des IV. Stadiums. umgeben; letztere wird allmählich tiefer und bildet eine kleine Grube, an deren Boden ein konisches Wärzchen hervorragt, welches nur mit seiner Spitze aus der Grube her vorsieht. Diese ritzenförmige Warze nun stellt die Anlage der Kralle dar. Nach der Häutung gleicht sich das Grübchen aus und die Kralle tritt dann ganz nach außen hervor. Bei A. petiolatus und Phoxichilidium erfolgt die Bildung der Krallen auf eine bedeutend einfachere Weise. Die Endabschnitte der Schreit- beine (Taf. XXI, Fig. 5 u. 6) strecken sich bedeutend in die Länge, werden schmäler und verwandeln sich vollständig in die Krallen. Eine derartige Bildung der Krallen wurde für Phoxichilidium schon von HoDGE (1862) abgebildet; die andern Forscher haben dieser Erscheinung keine Aufmerksamkeit zugewendet. Kinbiyologischc Studien an Pantoi^oden. 679 Die Bildung der Dorne lial)e ich nur bei A. pygmaeus beobachtet; sie bietet eine genaue Kopie der Krallenbildung: ein jeder Dorn wird am Boden eines besonderen Täschchens der Hypodermis angelegt. In der Hypodermis der Larven des vierten Stadiums liegen (nament- lich an den Beinen) zahlreiche Hautdrüsen zerstreut, deren Inhalt jetzt mit Neutralrot deutlich färbbar ist. Textfig. 86. Anoplodactylus petiolatus. Larve des V. Stadiums. Oc. 4; Object. Xr. 3 Keichert. Nach erfolgter Häutung geht die Larve zum letzten endopara- sitischen Entwicklungsstadium über, und zwar zu dem Stadium V (Textfig. 86). Das Tier gleicht nunmehr völlig dem erwachsenen Organismus, von dem es sich durch die Gliederung seiner Schreitbeine, hauptsächlich aber durch das noch nicht ausgebildete letzte Extremitätenpaar unterscheidet. Außerdem gehen im Ver- gleich zu dem vorhergehenden Stadium ziemlich starke Veränderungen in der Lage einiger Extremitäten vor sich. So standen die Extremitäten des ersten Pnares früher mit ihrer Basis ziemlich weit auseinander: 680 V. Dogiel, sie lagen über dem Schnabel, dabei aber auch seitlich von seiner Basis, Diese ihre Anordnung wies gewissermaßen auf die Herkunft der pi von Abdominalfüßen hin. Auf dem fünften Stadium sind die lusertions- stellen des ersten Extremitätenpaares ganz auf dem Rücken verlagert, wo sie sich einander an der dorsalen Medianlinie nähern und unmittelbar über der Schnabelbasis liegen, statt zu beiden Seiten derselben. Natürlich werden bei einer derartigen Wanderung auch die ent- sprechenden Ganglien, d. h. die Ganglien der Schlundcommissuren, von den Extremitäten mit nach oben fortgezogen; in der Tat treten die soeben genannten Ganglien in innige Verbindung mit dem Gehirn. Die Verlagerung der p^ mußte aber auch eine Wirkung auf die Lage der darauffolgenden Extremitätenpaare, d. h. die Rudimente der j)^ und p^ ausüben. Von den 2^-^ bleibt auf dem fünften Stadium keine Spur mehr übrig, so daß es nicht möglich ist. über eine Verlagerung der entspre- chenden Stellen der Körperoberfläche zu urteilen. Die p^ haben im Gegenteil wie früher das Aussehen kleiner Auswüchse (Textfig. 86), aber diese letzteren liegen jetzt nicht mehr zu beiden Seiten der Schnabel- basis, an der Ventralseite des Körpers, sondern werden beträchtlich dorsalwärts verlagert. Wir können demnach sagen, daß die ganze Region des Körpers, welche die drei ersten Extremitätenpaare trägt, in der Richtung nach vorn und oben verlagert wird. Der Schnabel nimmt seine definitive cylindrische Gestalt an. Die Extremitäten p^ — jj^ sind wohlgegliedert. Hinter den drei Paaren der ihnen entsprechenden Ganglien bemerkt man noch zwei Ganglien- paare. Das vordere derselben gehört dem Segment der p"^ an; das sehr kleine hintere Ganglienpaar stellt die Abdominalganglien dar. Bemerkenswerte Veränderungen bietet die Lage des Hinterleibs, welcher nunmehr wohl differenziert ist, sowie die Lage der Anlagen der p"^. Auf dem vierten Stadium lagen die Extremitäten des siebenten Paares genau in einer Ebene mit dem Hinterleib, zu dessen Seiten. Jetzt verschieben sie sich nach der Unterseite des Körpers und treffen mit ihrer Basis unterhalb des Hinterleibs zusammen, wobei sie letzteren nach der Dorsalseite zu verdrängen (die Verlagerung des Hinterleibs ist so beträchtlich, daß der Hinterleib, bei der Betrachtung der Larven des fünften Stadiums von der Ventralseite, gar nicht mehr zu sehen ist). Eine derartige Wanderung der Anlagen der p'^ wird man mit großer Wahrscheinlichkeit als durch die etwas früher beschriebene Verlagerung der p^ hervorgerufen ansehen können. Indem die Ex- tremitäten des ersten Paares sich nach vorn und oben verschieben, Embiyologische Studien an Pantopoden. 681 ziehen sie dadurch auch alle übrigen Extremitäten des Körpers mit sich fort; mit andern Worten, die Einbuße des früheren Gleichgewichts- zustandes an einem Punkt des Körpers macht sich sofort auch au allen andern Punkten desselben bemerkbar, die am entferntesten liegenden nicht ausgeschlossen. Die Extremitäten des siebenten Paares sind auf dem hier beschrie- Anoplodactylus petiolalm. Textfig. 87. Larve des Y.Stadiums. Auftreten der Anlagen der p». Oc. 4; Object. Xr. 3. Reichert. benen Entwicklungsstadium noch sehr kurz und nicht gegliedert; im Gegensatz zu den analogen Entwicklungsstadien der übrigen Extremi- täten zeigen sie (wie dies schon von Loman, 1907, angegeben worden ist) keine Krümmung ihrer Enden nach der Ventralseite des Körpers, sondern sie sind horizontal ausgestreckt. Auf dem soeben beschrie- benen Entwicklungsstadi;im verläßt die Larve ihren Wirt und geht in den freilebenden Zustand über. 682 V. Dogiel, Das Studium einer großen Anzahl von Larven zeigt, daß auf dem fünften Entwicklungsstadium auch die sekundäre Anlage der f^ vor sich geht (Textfig. 87). Die Extremitäten des dritten Paares wachsen dicht an der Basis der p^ hervor, in Gestalt zweier kleiner Vorsprünge, welche an ihrem Gipfel stark abgestumpft sind. Nachdem die Larve den in der Textfig. 87 dargestellten Zustand erreicht hat, macht sie eine Häutung durch und erreicht nunmehr das Stadium VI (Textfig. 88). Nunmehr ist auch das letzte, siebente Extremitätenpaar der Larve in Glieder zerlegt. Die Extremitäten des Textfig. 88. Anoplodactijlus petiolatus. Vorderende einer Larve des VI. Stadiums. Oc. 4; Object. 8 mm. dritten Paares haben sich stark in die Länge gestreckt und die charak- teristische, schon von Dohrn vermerkte Krümmung erfahren, sind aber noch nicht gegliedert. Sie sind vollkommen glatt, ohne Dornen, Krallen und blattförmige Borsten. Vor und über ihnen liegen die Rudimente der p^ i^ Gestalt zweier kleiner Vorsprünge. Um ihre Metamorphose zu beendigen, braucht eine solche Larve nur noch sich zu häuten und gegliederte p^ zu erhalten. Indem ich die Beschreibung der Metamorphose von Anoplodac- tylus und Phoxichilidium beschließe, halte ich es für angebracht, einige Mitteilungen über den Charakter der parasitischen Lebensweise der Larven dieser Pantopodengattungen zu machen. Die Larven von A. pygmaeus werden, wie schon gesagt, in der l']inlnvoIogische Studien an Panl()|)(Klcn. 683 Gastralhöhle der Hydranten von Ohelia angetroffen. Fast immer enthält der infizierte Hydrant eine einzige Larve; es wurden indessen auch Exemplare mit zwei und sogar mit drei Parasiten angetroffen. Diese letzteren können verschiedenen Altersstadien angehören, so daß ein und derselbe Hydrant offenbar mehrere Male infiziert worden war. Die Lage der Larve innerhalb der Ohelia ist (namentlich von dem ^•ierten Stadium der Metamorphose angefangen) eine ganz bestimmte: der Parasit ist mit seinem Vorderende der Basis des Hydranten zu- gewendet (Taf. XXII, Fig. 6). Die gleiche Lage nehmen auch die von Hallez (1905) im Innern von Bocjuainvillea-Voly^Qn angetroffenen Larven von Phoxichilidium ein. Die Beständigkeit in der Lage der Larven erklärt der französische Forscher in sehr glaubwürdiger Weise durch den Vorteil, welcher der Larve bei dem Aussaugen der Nahrung aus dem Gastro vascularsystem einer Hydroidpolypenkolonie, durch eine solche Lage erwächst. Wie dies schon aus den Arbeiten von Semper (1874), Hallez (1905) u. a. m. bekannt geworden ist, erleiden die infizierten Hydrauthen gewisse Veränderungen ihres Baues. So wird ihr Körper stark hyper- trophiert, während die Tentakel teilweise oder gänzlich atrophieren. Irgendwelche besonderen Veränderungen in dem histologischen Bau des die Gastralhöhle solcher infizierter Polypen auskleidenden Entoderms habe ich nicht bemerken können. Das nicht selten beobachtete Fiacher- werden der Entodermzellen wird, wie dies leicht zu begreifen ist, durch das intensive AYachstum des Parasiten und den durch letzteren dabei auf die Wandungen der Gastralhöhle ausgeübten Druck erklärt. Von besonderem Interesse ist die bei Ä. fygmaeus auftretende Erscheinung des fakultativen Ectoparasitismus. Soviel mir be- kannt, ist diese Erscheinung bis jetzt noch niemals von irgend jemandem beschrieben worden. Das Wesen der betreffenden Erscheinung besteht darin, daß das Eindringen in das Innere der 0&e//«-Hydranten für die sechsfüßigen Larven von A. fygmaeus zu deren weiteren Entwicklung durchaus nicht unbedingt erforderlich erscheint. Etwa 5 — 10% aller Larven, welche sich an den Hydranten festgeheftet haben, gelangen nicht in deren Gastralhöhle, sondern bleiben an dem Hydrant hängen und machen ihre ganze Metamorphose in dieser Lage durch (Taf. XXII, Fig. 7). Solche Larven klammern sich mit ihren Scheren fest an den Körper des Hydranten an und saugen vermittels ihres Schnabels Nahrung aus dem Wirtstier. Ob das Ende des Schnabels dabei in die Mundöffnung des Polypen hineingeschoben wird, kann ich nicht mit 684 V. Dogiel, Sicherheit angeben. Ich habe Larven der verschiedenartigsten Alters- stadien im ectoparasitischen Zustande angetroffen. Man könnte a priori voraussetzen, Ä. pygmaeus stelle eine Art dar, welche uns die Art und Weise offenbart, wie die Pantopodenlarven von der räuberischen Lebensweise und dem Ectoparasitismus zum Endo- parasitismus übergehen. In Wirklichkeit verhält sich die Sache aber anders. Die ectoparasitischen Larven von A. fygmaeus sehen in bezug auf alle Einzelheiten ihres Baues ihren endoparasitischen Genossen durchaus ähnlich (Verkürzung der Schreitbeine, Fehlen der Augen, Zartheit der Cuticula); aus diesem Grunde muß die oben beschriebene Erscheinung als eine bloße Abweichung von dem gewöhnlichen Ent- wicklungstypus angesehen werden. Eine derartige Abweichung ver- dient indessen aus dem Grunde besondere Beachtung, weil sie uns auf die Möglichkeit eines sekundären Zurückkehrens der zu der Familie der Phoxiehilididae gehörenden Larven zu einer ectoparasitischen oder vielleicht gar zu einer freilebenden Lebensweise hinweist. Bezüglich der Larven von Phoxichilidium und A. petiolatus habe ich bereits mitgeteilt, daß diese Arten in Millport Coryne eximia zum Wirtstier haben. Die Larven befinden sich im Innern besonderer keulenförmiger Auftreibungen, welche an verschiedenen Stellen der Kolonie zerstreut liegen und auf einem dünnen Stiel sitzen. Die Bildung der erwähnten Anschwellungen ist schon mehrfach mit der Bildung der Gallen auf Pflanzen verglichen worden und ihr morphologischer Charakter wurde nach Hodge (1864) stets auf die nachstehende Weise erklärt: die Auftreibungen wurden für stark modifizierte Hydranten angesehen; Hodge (1864, S. 128) sagt sogar, daß die Cysten den Ein- druck machten, als wären es unter der Einwirkung des in sie einge- drungenen Parasiten differenzierte Knospen der Kolonie, welche weder Mundöffnung noch Tentakel bilden und von der Theca eingehüllt bleiben. Aul Grund meiner eignen Untersuchungen muß ich den erwähnten keulenförmigen Anschwellungen oder »Gallen« eine andre Bedeutung beilegen. Dieselben sind einfache seitliche Ausstülpungen des Stammes der Cor?/ne-Kolonie, welche dadurch hervorgerufen werden, daß die in Hydranten geratenen Pantopodenlarven aus diesen längs dem Gastro- vascularkanal in das Innere des betreffenden Astes der Kolonie gelangt sind, hier stecken bleiben und zu wachsen beginnen. An Größe zu- nehmend, ruft die Larve an dem Ast eine seitliche Vorwölbung hervor, die allmählich eine »gallen «-förmige Auftreibung bildet. Eine solche Bedeutung der Auftreibunge» wird durch den Bau ihres Stielchens IOml)ry()I()gischo Studien an l*an(c)|)()(lcn. 685 (Textfig. 89) unbestreitbar nachgewiesen. A\'üide die Auftreibung eine differenzierte Knospe darstellen, so müßte ihr Stiel einen einfachen Seitenast des Conosarcs enthalten ; in Wirklichkeit dagegen habe ich im Innern des Stiels stets eine doppelte Krümmung des Conosarcs angetroffen. Letztere kann, wie mir scheint, nur dadurch erklärt wer- den, daß sich die Larve anfangs im Lmern des Stieles selbst (aber nicht der Knospe) befunden hatte; nachdem sie auf demselben eine seitliche Auftreibung gebildet hatte, zog sie die benachbarten (oberen und unteren) Bezirke des Conosarcs passiv mit sich in die Auftreibung hinein. Die Höhle der »Galle« stellt demnach einen Teil der Höhle des Stanmies der Kolonie dar, welcher eine Krümmung erfahren und eine Auftreibung gebildet hat. Der Prozentsatz der infizierten Kolo- nien von Syncoryne war in Millport ein sehr beträchtlicher. Für gewöhnlich war fast eine jede Kolonie mit mehreren, häufig einem Dutzend und mehr rötlich-weißen Auftreibungen versehen. Die Dimensionen dieser letzteren variierten, wobei die größten Textfig. 89. ^ n ^■ r^ -n • cij i in i- Cyste von Phoxichilidmm an eiaem »Gallen« die Große emes Stecknadelkopfes zweite von coryne erreichten. Das Auskriechen der Larven des fünften Stadiums aus den »Gallen << ist schon früher von Hodge (1864) durchaus richtig geschildert worden Die den Parasiten enthaltende Auftreibung platzt an ihrem Gipfel und aus der so gebildeten Öffnung zeigt sich ein Beinpaar der Larve. Ge- wöhnlich sind dies die p^, indem die Larve stets mit ihrem Hinterende dem Gipfel der Auftreibuag zugewandt ist. Hierauf werden allmählich auch die übrigen Beiupaare frei und die aus der »Galle« ausgeschlüpfte Larve beginnt ihre Extremitäten langsam auszustrecken. Der oben erwähnte Unterschied in der Färbung der Larven gestattet es uns sofort zu entscheiden, ob wir eine Larve von A. fetiolatus oder aber eine solche von Phoxichilidium femoratum vor uns haben. 6. Chaetonymphon spinosum. Die Larven dieser Art verlassen die Eischale, gleich den früher beschriebenen Formen, auf dem »Protonymphon «-Stadium, d. h. mit den drei vorderen Extremitätenpaaren versehen. Ihre Entwicklung ist indessen in der Hinsicht bemerkenswert, daß die Larven im Ver- lauf der gesamten Metamorphose unbeweglich mit Hilfe starker, von 686 V. Dogiel, den Drüsen des ersten Extremitätenpaares ausgeschiedener Spinnfäden an den p^ ihres Erzeugers befestigt bleiben. Eine solche Entwicklungs- weise wird durch den außerordentlich großen Dotterreichtum der Larven ermöglicht, indem die Ernährung und das Wachstum der festgehefteten Larven auf Kosten eben dieses Dotters vor sich geht. Die Metamorphose von Chaetonynvphon verläuft im großen ganzen in folgender AVeise. Das Stadium I (Tcxtfig. 90), welches dem Moment des Aus- schlüpfens der Larve aus dem Ei entspricht, gestattet es an der Larve Textfig. 90. Chaetonymphon. Larve des I. Stadiums. Oc. 4; Object. Nr. 3. Keichert. einen ungefügen, fast vollständig mit Dotter angefüllten Körper mit drei Extremitätenpaaren an seinem Vorderende zu unterscheiden. Die Beine der Larve liegen anfangs dem Körper dicht an; späterhin breiten sie sich aus, sie beginnen sich zu krümmen und zu strecken, und das Tier nimmt die auf der Fig. 20 der Taf . XVIII abgebildete Gestalt an. Ihrem Bau nach sind die Larven von ChaetonympJioti typische sechs- füßige Larven. Einige Abweichungen in der äußeren Gestaltung werden durch das Vorhandensein der großen Menge Dotters hervorgerufen. Das hintere Körperende (welches bei den sechsfüßigen Larven nur sehr schwach entwickelt ist) wird infolge Überfüllung mit Dotter zu einem riesigen Sack aufgetrieben. Es sind auch gewisse Eigentümlichkeiten Embryologischc Studien an l'antopüdcn. 687 in der inneren Organisation zu bemerken, welche augenscheinlich durch die verhältnismäßig bedeutenden Dimensionen der Larven von Chaelo- nijmplion (etwa 1 mm Länue) hervorgerufen werden. Diese Eigentüm- lichkeiten (bei denen wir weiter unten länger verweilen wollen) bestehen darin, daß viele für gewöhnlich einzellige innere Organe, bei den Larven der hier beschriebenen Art aus vielen Zellen bestehen. Die Extremitäten der Larven haben die gewöhnliche Gestalt; die /ji sind mit einem kurzen Spinndorn versehen, aus dem stets ein dicker und sehr fester Spinnfaden nach außen hervorragt. Dies erklärt den Umstand, daß es innner sehr schwer fällt, die Larven von dem elter- lichen Körper abzulösen, an welchem sie sich mit Hilfe ihrer Fäden befestigen. Der Schnabel ist kurz, verhältnismäßig schwach entwickelt und auf der Dorsalseite von dem über ihn herüberhängenden vorderen Teil des Rumpfes völlig verdeckt. Der größte Teil des Körpers ist von einer enormen Dotteranhäufung, oder mit andern Worten, von der Mitteldarm- anlage angefüllt. Letztere gibt nach vorn zwei stumpf endigende Fortsätze ab, welche bis zur Basis der pi reichen; es sind dies die späteren vorderen Darmdivertikel. Die Dottermasse ist in zahlreiche, ziemlich große Bezirke von runder oder vieleckiger Gestalt zerlegt. Die Grenze des Dotters tritt nach Färbung der Larven intra vitani mit Neutralrot sehr deutlich hervor; dabei nimmt der Dotter eine zarte himbeerfarbene Nuance an, während die verschiedenen Körne- lungen in den Ectodermzellen, Drüsen, Muskeln u. a. m. ziegelrot gefärbt werden. Die Spinndrüsen sind sehr stark entwickelt. Die beträchtliche Dicke des von ihnen abgeschiedenen Fadens ist darauf zurückzuführen, daß eine jede Drüse bei Chaetonymphon nicht aus zwei, wie wir dies bei den früher beschriebenen Larven gesehen haben, sondern aus mehr Zellen besteht. Die Drüsenzellen (Textfig. 91 u. 92) haben eine birn- förmige Gestalt und ihre dünnen Enden treten zusammen, um einen gemeinsamen Ausführgang zu bilden. Derjenige Teil einer jeden Zelle, welcher dem Übergang in den Kanal am nächsten liegt, ist von einer Höhlung eingenommen. Bisweilen kann mau deutlich erkennen (Text- Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CVII.Bd. 45 Textfig. 91. Chaetonymphon. Querschnitt durch die p i auf dem Niveau der Spinndrüse. Oc. 4; Object. 4 mm. 688 V. Dogiel, fig. 91), wie aus dem plasmatischen Teil der Zelle nach dem Ausführgang Bündel feinster Fädchen hinziehen, welche ein Produkt der Zelle dar- stellen. Der Ausführgang der Drüse (Fig. 92) ist von kleinen Zellen futteralartig umgeben, welche seine chitinöse Auskleidung abscheiden; außerdem kann man auch an der Peripherie der Drüse selbst zahlreiche Belagzellen erkennen. Soweit man auf Grund der Arbeit von Hoek (1881), sowie auch der außerordentlich mangelhaften Beschreibung und den Abbildungen von Meinekt (1899) urteilen kann, sind Spinndrüsen von analogem Bau auch bei einigen Vertretern der Gattung Nyniphon zu finden ; hierher gehören augen- scheinlich Nymphon longicoxa Hoek, N. grossipes Fabr. und N. elegans Hans. Eine Färbung der Spinnfäden intra vitam durch Neutralrot, Methylenblau u. a. Färbemittel ist erfolglos; an fixiertem Mate- rial färben sie sich dagegen auf -Spd"> BeZ das beste durch Eosin und viele andre Färbemittel. Hautdrüsen sind vorhanden, lassen sich aber durch Neutralrot nicht differenzieren, weshalb ihre Lage nur auf Grund der äußeren Drüsenausmündungen festgestellt werden kann, welche von zwei niederen chitinösen Lippen einge- faßt sind. Es ist mir gelungen an dem Körper der sechsfüßigen Lar- ven folgende Hautdrüsen nachzu- weisen: erstens sechs Paar Drüsen, welche an der Ventralseite des ersten und zweiten Gliedes einer jeden Extremität liegen (Taf. XVIII, Fig. 20); zweitens zwei Paar Drüsen an den Seiten des Körpers, über der Basis der p^ und p^. Es ist indessen sehr wahrscheinlich, daß noch andre Hautdrüsen vorhanden sind, welche meiner Aufmerksamkeit entgingen. Es muß hervorgehoben werden, daß ich bei ChaetonympJion, trotz der genauesten Untersuchung, keine Scherendrüsen entdecken konnte. Sollte es sich bestätigen, daß diese Drüsen auch bei den Larven andrer Arten fehlen, welche ihre Metamorphose auf dem Körper des Erzeugers durchmachen (so z. B. bei Boreonymplion robustum), so würde in diesem Textfig. 92. Chaetonymphon. Frontalschnitt durch eine Larve. ff, oberes Sclihindganglion; Spdr, Spiundrüse; Blz, Blutzellen. Oc. 8; Object. 8 mm. Embryologischo Stiulicii an l'aiitopodcn. 689 Falle eine Abhängigkeit dieser Drüsen von der Lebensweise der Larve zutage treten; man könnte dann annehmen, daß diese Drüsen sich nur bei den Larven vorfinden, welche eine mehr oder weniger selb- ständige Lebensweise führen, und daß sie wahrscheinlich Verteidigungs- organe darstellen. Das Nervensystem der Larven vveist keine interessanten Züge auf. Es ist ein oberes Schlundganglion von paarigem Ursprung vorhanden, mit zwei kleineu, über denselben! liegenden Augen. Diese Augen haben gleich denen der Larven von Nymphon strömii u. a. m. das Aussehen zweier pigmentierter, mit ihrer Basis einander zugewandter Becher; diese Becher berühren einander indessen im Gegensatz zu den früher beschriebenen Formen nicht, sondern sie sind durch einen hellen Zwischenraum voneinander getrennt. Außer dem oberen Schlundganglion finden wir bei den Larven noch Schlundcommissuren, ein großes doppeltes Ganglion, welches Nerven zu den p~ und p^ aussendet, und die paarige Anlage eines dem Segment der ^J* angehörigen Ganglions (Taf. XVIII, Fig. 20). Ent- sprechend dem doppelten Charakter des ersten Bauchganglions, liegen unter demselben zwei Paare von Ventralorganen. Die Leibeshöhle ist nur sehr schwach entwickelt, indem der Dotter fast überall der Hypodermis dicht anliegt; nur im Innern der p^ und namentlich unter dem oberen Schlundganglion und um dasselbe herum finden sich einigermaßen beträchtliche Bezirke der Leibeshöhle. In der circumcerebralen Leibeshöhle befinden sich erstens die excretorischen Zellen der Larven und zweitens kleine Zellen mesodermalen Ursprungs, welche den in der Leibeshöhle der .1 Mimo//; e«-Larven (nach Meisen- heimer, 1902) und der Nyfnphon-haTven zerstreut liegenden Zellen ähnlich sind. J)ie excretorischen Zellen bilden zwei Gruppen, welche seitlich von den Augen, über den hinteren Endeii der Spinndrüsen gelegen sind. Eine jede der Gruppen besteht aus fünf Zellen. Letztere können recht leicht daran erkannt werden, daß sie große kugelförmige Einschlüsse und eine Menge kleiner, mit ÜEiDEiNHAiNschem Hämatoxylin stark färbbarer Concretionen enthalten (Taf. XVIII, Fig. 22). Die in dem cerebralen Abschnitt der Leibeshöhle liegenden meso- dermalen Zellen besitzen eine unregelmäßige Gestalt, einen augen- scheinlich amöboiden Charakter und enthalten in ihrem Protoplasma sehr kleine körnige Einschlüsse. Sie sind an der erwähnten Stelle sehr zahlreich (Textfig. 92), weshalb man den Eindruck erhält, als befände 45* 690 V. Dogiel, sich liier ihr Stapelplatz, von wo die Zellen, bei der späteren Vergröße- rung der Körperhöhle, sich nach andern Teilen dieser letzeren begeben. Wenn die sechsfüßigen Larven von ChaetonympJwn aus dem Ei schlüpfen, verlassen sie dasselbe nicht sofort: die Eischale umgibt die Larve bisweilen noch recht lange Zeit hindurch (bis zur dritten Häutung), wobei die Larve nur ihr Vorderende ihr aushervorstreckt (Taf . XVIII, Fig. 21). Gewöhnlich ist der Körper der Larve in solchen Fällen von einer ganzen Reihe dünner Hüllen umgeben, von denen die äußerste der Eischale entspricht, während die inneren den Larvenhäuten ent- sprechen. Es ist mir nicht gelungen, die Zahl der Häutungen festzustellen, welche die Larve während ihrer ferneren Entwicklung durchmacht; aus diesem Grunde habe ich die Einteilung der Metamorphose in Stadien willkürlich, unter Vergleichung mit der Entwicklung von Phoxichilus und Ämmothea vorgenommen. Das Stadium II (Taf. XVIII, Fig. 21) unterscheidet sich von den sechsfüßigen Larven ausschließlich durch das Auftreten der Anlagen der p*. Letztere treten hinter der Basis der p^ auf, in Gestalt zweier kegelförmiger, mit ihren Spitzen nach außen gerichteter Auswüchse. Bei zunehmendem Wachstum und Ausbreitung der p^ sind diese Auswüchse nicht mehr imstande die Cuticula der Larve zu heben und vorzustülpen und biegen sich daher mit ihren Enden einwärts, in der Richtung nach der ventralen Medianlinie. In dieser Stellung fahren die dem Körper dicht anliegenden und sich entwickelnden Extremitäten fort mit ihren Enden einander entgegen zu ^vachsen. Zwischen dem ersten und dem zweiten Stadium findet, so weit man dies aus der Fig. 21 der Taf. XVIII beurteilen kann, eine Häutung statt. Hierauf erfolgt eine zweite Häutung (oder vielleicht sogar deren zwei) und das Tier geht zu dem folgenden Zustande über; derartige Larven be- ziehe ich auf das Stadium III. Die drei vorderen Extremitätenpaare der Larven dieses Stadiums bewahren annähernd ihre frühere Gestalt; die p^ haben sich stark in die Länge gestreckt, sie haben sich an ihrem Ende zu- gespitzt und ragen frei zu beiden Seiten des Körpers hervor. Man bemerkt an ihnen sogar schwache Einschnürungen, doch ist eine wirk- liche Einteilung in einzelne Glieder noch nicht vor sich gegangen; auch die Krallen der p'^ haben sich noch nicht gebildet. Hinter den p^ bemerkt man ein Paar kurzer Fortsätze, die Anlagen der p^. Das dritte Entwicklungsstadium ist, abgesehen von andern Merkmalen, durch die Anlage des zweiten, hinteren Augenpaares gekennzeichnet. Kinbrvologischc Studien an Pantopoden. 691 Die Dottorniejige in den Larven ninnnt ab und an einigen Stellen wird der Dotter durch die Leibeshöhle von der Hypodermis getrennt. Der Darm sendet nunmehr ein Paar kurzer, dicht mit Dotter ange- füllter Divertikel in die Basis der p'^. Das Stailium IV (Textfig. 93) ist dadurcli charakterisiert, daß die p"^ gegliedert sind (mit fünf Gliedern) und Krallen erhalten, daß die p^ die Gestalt annehmen, welche die Extremitäten des vierten Paares auf dem vorhergehenden Stadium der Entwicklung hatten, und daß hinter ihnen das sechste Beinpaar in Gestalt kleiner Aus- Textfig. 93. Chaet&nymphon. Larve des IV. Stadiums. Oc. 4; Object. 2. Leitz. wüchse auftritt. Der Schnabel und die drei ersten Extremitätenpaare erfahren keinerlei Veränderungen. Aus der obigen Beschreibung geht hervor, daß die Metamorphose von Chaetonymphon einen äußerst allmählichen und regelmäßigen Charakter aufweist; ebenso allmählich verläuft auch die weitere Ent- wicklung. So werden auf dem Stadium V (Texttig. 94) auch schon die Extremitäten des fünften Paares gegliedert (fünf Glieder) und sie erhalten Krallen; die p^ strecken sich in die Länge und hinter ihnen werden die Anlagen des letzten Beinpaares bemerkbar; die yj* werden siebengliederig. In den p^ und den p^ löst sich der Inhalt von der Cuticula ab 692 V. Dogiel, und schrumpft zusammen, was auf eine Verringerung der Dimensionen dieser Extremitäten auf der nächstfolgenden Entwicklungsstufe schlie- ßen läßt. Das Stadium VI (Textfig. 95) wird sehr häufig angetroffen und stellt vielleicht eine Pause in der Entwicklung dar. Es entspricht demjenigen Entwicklungsstadium der beiden vor Chaetonyyn/plion be- schriebenen Pantopodengattungen, auf welchem das junge Phoxichüi- dium oder der junge Anoplodactylus den Hydroidpolypen verläßt, der Textfig. 94. Chaetonymphon. Larve_des V. Stadiums. Of. 4; Object. 2. Leitz. ihm früher zur Unterkunft gedient hatte. Das Tier verfügt über drei Paare wohl entwickelter und gegliederter Schreitbeine (die p* aus sechs, die f^ aus acht und die p^ aus fünf Gliedern bestehend), während das vierte Paar derselben (die p^) seitlich von dem deutlich differen- zierten Hinterleib in. Gestalt zweier verhältnismäßig kurzer Anhänge horizontal nach hinten starrt. Letztere sind zu Beginn des sechsten Entwicklungsstadiums noch vollständig ungegliedert, während sie gegen deren Ende zu eine Ringseinschnürung aufweisen (Textfig. 95). Ziemlich starke Veränderungen erleiden die ersten drei Extremitäten- paare. Die Extremitäten des ersten Paares (pi) bedecken sich mit zahlreichen Dörnchen, Börstchen und Zähnchen (an den Innenflächen Kmbryologi.sfhc Studii'n an Paiitopodcn. 693 beider Scherenarme), verlieren aber dafür ihre Spinndorne. Im Innern der pi sind indessen noch Überreste der Zellen dieser Drüsen zu sehen. Die vorderen Darnidivertikol wachsen während der Daner des sechsten Textfig. 95. Chaetonymphon. Larve des VI. Stadiums. Gg, oberes S(liliiiid<:anglion; üpdr. Reste der Spinn- drüse. Oc. 4; Object. 2. LEITZ. Entwicklungsstadiums immer tiefer in die p^ hinein und reichen bis zum distalen Ende ihres ersten Gliedes. Die p^ und p^ unterliegen einer partiellen Reduktion, welche darin zutage tritt, daß die betreffenden Extremitäten kleiner werden, und daß die Einschnürunu zwischen ihrem ersten und zweiten Gliede sich 694 V. Dogiel, verwischt; das dritte Glied der f^ und f^ bleibt in Gestalt einer kleinen Endkralle bestehen. Das dritte Extremitätenpaar nimmt mehr an Größe ab, als das zweite. Der Darm der Larve nimmt in vielen Hin- sichten seine definitive Gestalt an. So besitzt er nunmehr die volle Anzahl von Divertikeln, und zwar fünf Paare derselben (welche den pi und den p* — f^ entsprechen). Ferner erwirbt die Larve einen Anus und einen Enddarm, welcher durch eine tiefe Einstülpung, des Epithels zu- stande kommt. Der centrale Teil des Darmes ist noch dicht mit Dotterklumpen angefüllt; in den Divertikeln des Darmes befindet sich da- gegen ein ziemlich' weites Lumen, welches von einer dicken plasmatischen Wand begrenzt wird. In dem Protoplasma der Wandungen liegen an vielen Stellen große Dotterkugeln eingeschlossen ; letztere können auch frei im Lumen der Diver- tikel liegen, wo sie einer langsamen Verdauung unterliegen. In inniger Verbindung mit dem Nervensystem der Larven stehen besondere, von Morgan (1891) entdeckte Gebilde, welche von diesem Autor als Ventralorgane bezeichnet wurden. Ein jedes Ventralorgan tritt zu Beginn seiner Bildung in Gestalt einer schwachen Einstülpung der Hypodermis auf, welche mit der Textfig. 96. Chaetonymphon. Bauchnei- venstrang und Ventralorgane einer Larve des VI. Stadiums. Oc. 4; Objeet. Nr. 3. REI- CHERT. Textfig. 97. Chaetonymphon. Sagittalschnitt durch eine Larve, ^örf^', Abdominalganglion ; Np, Nerv des ersten Extreniitätenpaares ; Vo, Ventralorgane. Oc. 4; Object. 16 mm. Anlage des entsprechenden Ganglions in inniger Verbindung steht. Je weiter sich das Ganglion von der Hypodermis entfernt und je tiefer Kmhrvologischc Studien an Pantopodon. 695 es in die Körperhölile luMciiisinkt, um so tiefer wird die erwähnte Ein- stülpung, welche sich zu einem einschichtigen zelligen Bläschen ver- schließt, das zwischen dem Ganglion und der Hypodermis in der Körper- höhle liegt (Textfig. 97 u. 98). Textfig. 98. Chaetonymphan. Sagittalschnitt durch den vorderen Teil der Larve. Gg, oberes Schlundganglion; Schff, Ganglion der Schlundcommissuren mit dem entsprechenden Ventralorgan {Vo). Oc. 8; Object. 16. Textfig. 99. Chaetonymphon. Querschnitt durch ein Paar von Bauchganglien mit deren entsprechenden Ventral- organen. Oc. 4; Object. Hom. Imm. 1/12 mm. Bis jetzt sind Ventralorgane in der Literatur über die Entwick- lung der Pantopoden nur von Morgan (1891) erwähnt worden, da Metsenhei.mer (1902) derartige Organe bei den Larven von Ammothea nicht gefunden hat. Morgan kannte nur die Ventralorgane der Bauch- nervenkette. Die Ventralorgane des Gehirns und der Schlundcom- 696 V. Dogiel, missuren sind von mir entdeckt worden. Die ersteren liegen über dem Gehirn (Textfig. 103) während letztere vor den Ganglien der Schlund- Textfig. 100. Chaetonymphon. Schnitt diiicli den unteren Teil eines Bauchganglions un;l zwei Ventralorgane; g, Ganglion; Bz, Belagzelle; o, Öffnung des Ventralorgans. Oc. 4; Object. Hom. Imm. 1/12 mm. commissuren angeordnet sind (Textfig. 98). Die Ventralorgane der Eumpfganglien (Fig. 99 — 102) wurden von mir schon früher be- schrieben (Dogiel, 1911). Über die Bedeutung der Ventralorgane werde ich in dem allge- meinen Teil meiner Ar- beit sprechen. Das Stadium VII (Textfig. 104) habe ich leider nur sehr selten angetroffen, so daß ich bezüglich seiner über recht spärliche Angaben verfüge. Das nunmehr zu beschreibende Sta- dium ist von dem vor- hergehenden durch eine Häutung geschieden. Die ersten drei Paare von Schreitbeinen (p* — p^) besitzen bei den Larven des siebenten Stadiums bereits die de- finitive Zahl von Gliedern; auch die 'p^ sind gegliedert, bestehen aber aus nur fünf Gliedern. Im Vorderende des Larvenkörpers bemerken wir nachstehende, sehr interessante Veränderuniren. Die Extremitäten Textfig. 101. Chaetonymphon. Querschnitt durch ein Bauchganglion (g) mit dessen Ventralorgan (vo) ; vst, Vereinigungsstelle dieses letzteren mit dem Ganglion. Oc. 4; Object. Hom. Imm. 1/12 mm. Embryologischc Stiidim an Paiito^iodcu. 697 des dritten Paares weidcMi noch kleiner, als sie auf dem sechsten Stadium waren und verwantleln sicli in zwei kleine konische Auswüchse. Textfig. 102. Chaetonymphon. Querschnitt durch das obere Schlundgangliou (g) und das Auge (A); vst, Ver- einigungsstelle dieses letzteren mit dem Ganglion. Die p~ dagegen strecken sich stark in die Länge und erreichen mit ihren vorderen Enden fast den Gipfel des Schnabels. Auf der nächsten Entwicklungsstufe beginnt, wie ^ wir gleich sehen werden, auch ' die Einteilung der ^^ in Glieder. Die Entwicklungsgeschichte von Chaeto)ij/mphon ermöglicht es uns demnach, die strittige und vielfach besprochene Frage in endgültiger Weise zu beantwor- ten, ob die definitiven p^ und ])^ der erwachsenen Pantopoden den embryonalen Beinen der sechsfüßigen Larve entsprechen, oder ob sie eine Neubildung dar- stellen. Unter Berücksichtigung Textfig. 103. Chaetonymphon. Querschnitt durcli eine Larve auf dem Niveau des oberen Schlundganglions igg) und seiner Ventralorgane ( Vo). Oe, Oesophagus; Z)rf, Darm- divertikel der p'. Oc. 4; Object. 16 mm. des Schicksals der p^ bei den Larven von Chaetonymphon wäh- rend der Metamorpliose kann man sich mit Sicherheit dahin aus- sprechen, daß die definitiven Extre mitäten unmittelbar aus 698 V. Dogie], den embryonalen hervorgehen. Bezüghch der jfi muß dies als bedingungslos erwiesen gelten, allein natürlich muß die Herkunft der p3 die gleiche sein, was, wie ich annehmen darf, auch die Vertreter der von mir widerlegten Auffassung zugeben werden. Ein älteres Entwicklungsstadium, als das soeben beschriebene, habe ich in zwei Exemplaren untersucht. Wegen der Unzulänglichkeit Textfig. 104. Chaetonijinphon. Larve des VII. Stadiums. des Materials wage ich mich nicht darüber auszusprechen, ob dieses achte )Stadium in der Tat diych eine Häutung von dem siebenten ge- trennt ist, oder nicht. Das achte Stadium ist dadurch charakterisiert, daß die p'^ ihre definitive Gestalt annehmen und die p^ in fünf Glieder zerfallen. Was die p^ betrifft, so erfahren diese Extremitäten keinerlei Veränderungen, JMnbrvologist'lir Stiulicii an Paiitopodcn, 699 (l. li. .sie bleiben in Gestalt kleiner Au«wüclise bestehen. Die Larven des achten Stadiums unterscheiden sich demnach von den erwachsenen Individuen i\ur dadurch, daß das dritte Extremitätenpaar seine volle Entwicklung noch nicht erreicht hat. Larven des siebenten und achten Stadiums habe ich schon von ihrem Erzeuger abgelöst und frei auf den Algen herumkriechend angetroffen. Zum Beschluß der Beschreibung der Metamorphose von Chaeto- ni/mpJion kann noch ausgesprochen werden, daß diese Gattung sich (luich die außerordentliche, deutlich ausgeprägte Gradation, und wenn icli so sagen darf, die besondere Regelmäßigkeit ihrer Entwicklung ausgezeichnet ist. Die Organogenese der Larven. Die wichtigsten Grundzlige in der Bildung verschiedener Organ- systeme sind von mir schon bei der Besprechung der Metamorphose der verschiedenen Arten angehörenden Larven besprochen worden, weshalb ich mich in dem gegenwärtigen Kapitel nur bei folgenden drei Fragen aufhalten werde: bei der Bildung des postembryonalen Mesoderms, des Herzens und der Geschlechtsorgane. Die Herkunft des Mesoderms in den Segmenten der Schreit beine läßt sich nur sehr schwer feststellen. Ich habe schon mehrfach auf das Fehlen ir<>endw sicher Vorräte undifferenzierter Mesodermelemente bei der sechsfüßigen Larve der Pantopoden hingewiesen, auf deren Kosten das Mesoderm der neuauftretenden Segmente entstehen könnte. Am ehesten (wenn auch nur auf Grund einer Analogie mit den Anne- liden) hätte man erwarten können, derartige Mesodermanlagen am hintersten Körperende anzutreffen, von wo aus eine Abspaltung des jMesoderms der neuentstehenden Segmente in der Richtung nach dem Vorderende hin vor sich gehen könnte. Wir finden indessen bei den Pantopoden nichts derartiges, was an Mesodermstreifen oder doch nur an deren Teloblasten erinnern würde. Das gesamte embryonale Mesoderm ist auf die Bildung der Muskeln, der amöboiden Blutzellen mit kleinen Concretionen und der mesenchymatösen Stränge verwendet worden, welche den Darm mit der Körperwand und dem Nervensystem verbinden. Allerdings neigt Meisexheimer (1902) zu der Annahme, daß gerade die oben erwähnten ]51utzelleu während der posterabryonalen Entwicklung bei dem Aufbau des Herzens und vielleicht auch noch andrer Organe aufgebraucht werden. Ich muß mich indessen kategorisch gegen diese Auffassung aussprechen, welche den Tatsachen in keiner Weise entspricht. Erstens 700 V. Dogiel, habe ich in den Blutzellen niemals eine Tendenz zur Dedifferenzierung bemerken können, ohne welche eine Veränderung ihrer Funktion durch diese Zellen undenkbar ist. Zweitens verbleibt ihre Verteilung über den Körper während der ganzen Entwicklung stets eine durchaus gleichmäßige und bezieht sich nicht vorzugsweise auf die Region der Differenzierung neuer Segmente, d. h. auf das hintere Kör per ende. Nur in seltenen Fällen gelaug es mir hinter den p^ zwei kleine Zell- häufchen anzutreffen, welche zu beiden Seiten der ventralen Median- linie liegen. Vielleicht wird man eben in diesen Zellenanhäufungen die Anlagen der Mesodermstreifen erblicken müssen. Die meisten meiner Präparate sprechen indessen zugunsten der Annahme, daß keine ge- meinsame Anlage des postembryonalen Mesoderms vorhanden ist, und daß das Mesoderm eines jeden Beinpaares selbständig, durch Pro- liferieren der Ectodermzellen der ventralen Körperseite zustande kommt. Die Bildung der neuen Segmente erfolgt gewöhnlich auf nach- stehende Weise. Die erste Anlage des Segments der ^* ist schon bei der sechsfüßigen Larve in Gestalt eines paarigen Ganglions vorhanden, welches dem betreffenden Metamer entspricht. Das Ectoderm nimmt auf dem Niveau der Ganglien und etwas hinter denselben an Dicke zu und wird mehrschichtig. Hierauf treten seitlich von den Ganglien und etwas hinter denselben an der Körper- oberfläche zwei niedere Auswüchse auf, die Anlagen der />*. Diese Auswüchse stellen Vorstülpungen des Ectoderms dar, doch ist das Innere der Vorwölbungen ziemlich dicht mit Zellen angefüllt, in denen wir die Anlage des Mesoderms des Segments der f"^ vor uns haben (Textfig. 105). Jede Anlage einer Extremität besteht in ihrer Basis aus einschichtiger Hypodermis, während der Gipfel der Ausstülpung durch eine mehrschichtige Anschwellung des Epithels gebildet wird. Durch Einwanderung eines Teiles der Zellen der erwähnten Anschwel- lung entsteht denn auch das Mesoderm der Extremität. Wie man aus der Textfig. 105 ersehen kann, befindet sich die Anhäufung von Meso- dermzellen anfangs in iimigem Zusammenhang mit dem Ectoderm, so daß es bisweilen schwer fällt, auch nur die Grenze zwischen beiden Keimblättern zu ziehen. Das weitere Schicksal der mesodermalen Zellen, ihre Verwandlung in Muskeln u. a. m. habe ich nicht verfolgt. Die Bildung des Herzens steht sowohl in bezug auf Zeit wie auch in andrer Hinsicht bis zu einem gewissen Grade im Zusammenhang mit der i^nlage der Gonaden. Meine Beobachtungen über die Organo- genese des Herzens und der Gonaden beziehen sich hauptsächlich auf Einbryologi.sclit' Stiulicii au I\into|)0(Icii. 701 diehiiivcn von Chaetonymp/ion uiul zum 'IV'il anch von Phoxichilus. Vor allem ist die ungewöhnlich späte Anlage des Blutgefäß- und Genital- systenis bei den Pantopodenlarven hervorzuheben. Bei Chaetonymphon bezieht sich der Zeitpunkt ihrer halbwegs deutlichen Differenzierung auf das sechste Entwicklungsstadiuni ; bei Phoxichilus beginnt der oben erwähnte Prozeß augenscheinlich etwas früher. Bei den entoparasitischen Eutwicklungsstadien von Phoxichilidium und Anoplodactijlus habe ich die Anlage des Herzens und der Gonaden ebenfalls nicht mehr beobachten können. Der Augenblick, wann die mes Textfig. 105. Chaetonymphon. Querschnitt auf dem Niveau der p*. Am, amöboide Kerne; Blz, Blutzellen; end, Kntoilerm; g, Ganglion des Segments der p*; mes, Mesoderm; Ocul. 4; Object. 4 mm. soeben erwähnten Anlagen deutlich sichtbar werden, fällt demnach, meinen Beobachtungen nach, mit dem sechsten Entwicklungsstadium von ChaetOHijmphon zusammen (Textfig. 95), welches schon Anlagen des letzten Extremitätenpaares aufweist. Das Herz entwickelt sich auf Kosten jener mesenchymatösen Stränge, welche, wie dies schon wiederholt erwähnt ^nirde, die Darmwand mit der Körperwand ver- binden. Anfangs besitzen die mesenchymatösen Stränge eine unregel- mäßige Anordnung und sie bilden ein sehr kompliziertes System von die Körperhöhle durchschneidenden dünnen Membranen, auf derem gesamtem Verlauf ovale Kerne zerstreut liegen. Der Darm ist durch solche Membranen nicht nur mit den Körperwandungen verbunden, 702 V. Dogiel, sondern auch mit den Ganglien der Bauclinervenkette. Späterhin ver- binden sich in der oberen, dorsalen Körperhälfte alle Stränge zu zwei Paaren von längsgerichteten Membranen. Das obere und (in bezug auf die dorsale Medianlinie) innere Membranenpaar stellt die Wandungen des Herzens dar ; das untere und äußere Paar spielt die Rolle einer Septe ( »Septalmembran << von Dohrn), welche die Körperhöhle in eine ventrale und eine dorsale Hälfte einteilt (Textfig. 107 und Taf. XIX, Fig. 9). Die Herzmembranen sind mit ihren äußeren Rändern an der dorsalen Körperwand, die Septalmembranen dagegen an deren seitlichen Teilen gen ji^l Textfig. 106. Chaetonymphon. Teil eines Querschnittes durch die Larve (Dorsalhälfte), gen, Genitalanlage; ge7iz, Genitalzelle; D, Dotter. Oc. 4; Object. 4 mm. befestigt. Es muß hier bemerkt werden, daß auf allen Larvenstadien der Bau und die Herkunft der cardialen Membranen einerseits und der Septalmembranen anderseits, vollkommen die gleichen sind. Irgend- welche mesodermale Anlage, aus der das Herz hervorgehen würde, ist nicht vorhanden, und die Höhlung des Herzens ist ihrer Herkunft gemäß den übrigen Bezirken der larvalen Körperhöhle gleichwertig. Den Bau der Herzwandungen erwachsener Pantopoden beschreibt Dohrn (1881, S. 58 — 59) in folgender Weise: das Herz besteht aus Ringmuskelfasern, deren Kerne in zwei parallelen Reihen zu beiden Seiten des Herzens angeordnet liegen. Außerdem sind diese Muskeln von außen mit einer bindegewebigen Membran umgeben, welche spär- liche Kerne enthält; augenscheinlich findet sich auch auf der inneren Seite der Muscularis des Herzens eine dünne Membran, deren Her- kunft Dohrn indessen nicht feststellen konnte. Erabryologische Studien an Pantopodfii. 703 Zu Beginn seiner Bildung entbehrt das Herz gänzlich einer Muscu- laris und besteht ausschließlich aus einer bindegewebigen Membran. In bezug auf die weitere K()in})likati()n des Herzens besitze ich fast gar keine Angaben. Ich will nur darauf hinweisen, daß ich. hei Phoxichilus auf dem Niveau der p^ und p^ in der Herzwand Verdickungen gesehen habe, welche darauf zurückzuführen sind, daß die Herzmembran an Jlcom. Textfig. 107. Chaetonymphon. Quersclinitt tlurcli eine Larve zwischen den p* und p^. Gen, Genitalanlage; H, Höhle des Herzens; Scom, L<ängsnervencommissuren. Oc. 4; Object. 4 mm. den betreffenden Stellen gleichsam in zwei Schichten — eine äußere und eine innere — gespalten ist, zwischen welchen eine Schicht kleiner ovaler Kerne liegt (Textfig. 109). Man erhält den Eindruck, als drängen diese Kerne aus der Splanchnopleura oder in der Richtung von der Hypodermis herkonmiend in die Herzmembran ein. Bezüglich der- artiger Bilder wird man die Vermutung aussprechen können, daß dieselben uns die Differenzierung der Herzw^ndung in die drei von Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CVII. Bd. 46 704 V. Dogiel, DoHRN beschriebenen Schichten demonstrieren, doch wage ich es nicht, auf einer derartigen Deutung der Textfig. 109 zu bestehen. Die Gonaden entstehen bei Phoxichilus an der Stelle, wo die Quer- scheidewände an der Darm wand befestigt sind. Nachdem die Scheide- wand den Darm erreicht hat, spaltet sie sich in zwei Schichten, eine obere und eine untere, welche sich dann, eine jede in selbständiger Weise, an dem Darm befestigen. Infolgedessen entsteht zwischen der Darmwand einerseits und den beiden obenbeschriebenen Schichten der Zwischenwand anderseits eine Höhlung, welche im Querschnitt eine annähernd dreieckige Gestalt besitzt (Taf. XIX, Fig. 9). In dieser Höhle nun treten die Geschlechtselemente auf. Bei Chaeto- fiyrnfhon ist die Gestalt dieser Höhle eine etwas andre (Textfig. 107), und zwar aus dem Grunde, weil die obere Schicht der zerspaltenen Zwischenwand nicht am Darm selbst, sondern an der äußeren Wand des Herzens befestigt ist. Die ersten Anlagen der Gonaden habe ich bei Chaetonym'pJion- Larven des sechsten Stadiums gesehen (Textfig. 106); diese Anlagen haben das Aussehen zweier ovaler Zellengruppen, welche zwischen der dorsalen Körperwand und dem stark entwickelten Darm zusammen- gepreßt liegen. Die Mehrzahl der Kerne dieser Zellengruppen gleichen in Größe, Färbung und ihrer länglichen Gestalt noch den Kernen der Splanchnopleura und die in der Zwischenwand anzutreffenden Kerne; nur sehr selten (Textfig. 106, Genz) kann man zwischen ihnen die beträchtlich größeren Kerne der Genitalzellen entdecken. Die Genital- anlagen liegen hinter den ^*, zwischen diesem und dem darauffolgenden Extremitätenpaar. Bei Larven eines späteren, des siebenten Ent- wicklungsstadiums (Textfig. 107) ist eme Differenzierung der Kerne der Anlagen (die Grenzen zwischen den Zellen sind nicht zu erkennen) in Elemente von zweierlei Art deutlich zu erkennen; und zwar sind die einen Kerne klein, werden von Kernfarben intensiv gefärbt und liegen an der Peripherie der Anlagen, indem sie allem Anschein nach die Kerne beider Schichten der Zwischenwand darstellen. Außerdem liegt in der von der Darmwand und den Schichten der Zwischenwand begrenzten Höhle ein Häufchen von viel größeren, schwach färbbaren Genitalkernen, in denen nicht selten Mitosen zu bemerken sind. Woher die geschlechtlichen Zellenkomplexe zuerst ihren Ursprung nehmen, kann ich nicht mit voller Sicherheit angeben. Am wahr- scheinlichsten scheint mir ihre Differenzierung aus der Splanchno- pleura, d. h. aus den Mesodermzellen, welche den Darm in Gestalt eines spärlichen Netzes umkleiden. Eine andre Quelle für die Her- Enihryologiselie Studien an I'an(()|i()(lcn. 705 kmit't der Genitalelemente kann es meiner Ansicht nach nicht geben. Ich habe Genitalanlagen mit ganz besonderer Sorgfalt bei den sechs- füßigen Larven verschiedener Pantopoden gesucht, konnte solche aber nirgends entdecken. Die einzigen Zellen, auf welche ihrer beträcht- lichen Dimensionen und ihrer beständigen Lage wegen ein diesbezüg- licher Verdacht fallen könnte, sind die beiden excretorischen Zellen. Allein die excretorischen Zellen bleiben selbst auf solchen Entwicklungs- stadien in unveränderter Gestalt bestehen, wo schon deutlich ange- legte Gonaden vorhanden sind, wodurch jeglicher Zusammenhang derselben mit dem Genitalapparat widerlegt wird. Anderseits liegen die Genitalzellen von allem Anfange an der Darmwand dicht an, was zugunsten ihrer Herkunft von den Zellen der Splanchnopleura spricht. Bei Phoxich ilus entspricht i/ S^n Textfig. 108. Pallene. Querschnitt durch eine Larve. H, Herz; Gen, Anlage der Genitalorgane. Oc. 4; Object. 4 mm. die Entstehung der Gonaden durchaus der soeben mitge- teilten Beschreibung, nur mit dem Unterschied, daß die Ge- nitalzellen von Phoxichilus verhältnismäßig viel kleiner sind, und sich aus diesem Grunde weniger deutlich von den sie umgebenden Zellen der Zwischenwände unterscheiden (Taf. XIX, Flg. 9 u. 11). Bezüglich Pallene hrevi- rostris liegt mir nur ein ein- ziges Entwicklungsstadium der Gonaden vor. Ich fand dasselbe bei einer Larve mit vollständiger Anzahl von gegliederten Schreitbeinen und mit bereits entwickelten, aber noch nicht gegliederten p"^, d. h. bei einer Larve auf späterer Entwicklungsstufe, als die für Chaetonymphon und Phoxichilus beschriebenen Larven. Im gegebenen Falle (Textfig. 108) liegt die Gonade über dem Darm und ist durch ihren unpaarigen Charakter ausgezeichnet; die Gonade beginnt hinter der Basis der p* und endet auf dem Niveau der p^. Da mir die vorhergehenden Stadien in der Entwicklun<>' von Pallene nicht vorliegen, so vermag ich nicht die Frage danach zu entscheiden, ob die Gonade von Pallene ab origine einen unpaaren Charakter besitzt, oder ob sie durch Verschmelzung der beiden primären Anlagen entsteht (was mir mehr Wahrscheinlich- keit zu besitzen scheint). ■46* 706 V. Dogiel, Das Vorliandensein einer unpaaren Gonade bei der jungen Pallene bietet in der Hinsicht Interesse, daß hierdurch die Angaben Lomans (1907) über den Bau des Genitalapparats von Phoxichilidium eine Be- stätigung finden. Dohrn (1881) und Hoek (1881a) bilden die Gonaden der Pantopoden in Gestalt eines Paares langer Säcke dar, welche über dem Darm liegen und nur an ihren hinteren Enden (an der Basis des Hinterleibs) zu einem Ganzen verschmelzen. Im Gegensatz hierzu gibt LoMAN (1907) an, daß die Gonade bei Phoxichilidium in ihrer ganzen Ausdehnung unpaar ist. Durch den Bau der Gonade von Pallene wird diese Tatsache indirekt bestätigt; wir ersehen daraus, Textfig. 109. PhozicMlus. Querschnitt durch^ine Larve. H, Höhle des Herzens. Oc. 4;'^0bject. 4 mm. daß in betreff der Paarigkeit oder der Unpaarheit der Genitalorgane, bei den Pantopoden ebensolche Variationen vorliegen können, wie bei den Crustaceen. Ganz besondere Beachtung verdient bei der Entwicklung des Genitalsystems der Pantopoden die metamere Anlage der Genital- elemente. Bei den Larven des sechsten Stadiums haben wir zwei Gruppen von Genitalzellen kennen gelernt, welche zwischen den ^* und den p^ liegen; bei den Larven des siebenten Stadiums {Chaeto- nymphon und Phoxichilus) habe ich gefunden, daß hinter denp^ ein zwei- tes Paar von Genitalanlagen auftritt, welches die gleiche Lage besitzt, wie das erste Paar. Zwischen beiden Paaren befindet sich ein deutlich Enibryologische Studien an Pantoi^xlcii. 707 bemerkbarer Zwischenraum, in dessen Ausdehnung keine Genitalzellen zu finden sind. Es sind demnach mindestens zwei Paare von Herden für die Bildung der Genitalzellen vorhanden. Noch ältere Entwick- lungsstadien habe ich leider nicht untersuchen können. Es ist sehr wohl möglich, daß sich gleich nach den beschriebenen Paaren noch zwei Paare von Anlagen hinter den j)*^ und ^ß differenzieren; und daß erst dann eine Verschmelzung aller Anlagen einer jeden Seite zu einer einzigen Gonade vor sich geht. Wie dem nun auch sein mag, so ge- nügen doch die angestellten Beobachtungen um von einem metameren Ursprung der Geschlechtsprodukte bei Chaetonymphon und Phoxichilus sprechen zu können. Eine Entstehung des zweiten Anlagenpaares aus dem ersten durch Ablösung oder Wanderung von Zellen habe ich nie- mals beobachten können. Allgemeiuer Teil. Nachdem ich in den vorangehenden Abschnitten meiner Arbeit die von mir erzielten, auf die Entwicklungsgeschichte der Pantopoden bezüglichen Ergebnisse dargelegt habe, beabsichtige ich nunmehr zu einer Vergleichung der verschiedenen Entwicklungstypen überzugehen und hierauf die Embryologie der Pantopoden mit derjenigen andrer Arthropoden zu vergleichen. Von letzteren werden wir namentlich bei den Crustacea verweilen müssen, indem die betreffende Gruppe mit den übrigen Arthropoden verhältnismäßig wenige übereinstimmende embryologische Merkmale aufweist. Die Furchung ist bei allen von mir untersuchten Pantopoden anfangs eine totale und äquale. Die Gleichmäßigkeit der Furchung wird mehr oder weniger rasch beeinträchtigt, je nach dem Dotter- reichtum der Eier. Bei den an Nährmaterial ärmsten Eiern des ersten Typus bleibt die Gleichmäßigkeit der Furchung annähernd bis zum Stadium von 64 Blastomeren bestehen, worauf eines dieser letzteren sich durch seine bedeutendere Größe vor den andern auszuzeichnen beginnt. Bei den Eiern des zweiten Typus wird die Differenzierung der Furchungszellen in Macro- und Micromeren schon auf dem Stadium von 12 — 16 Blastomeren bemerkbar, und bei zum dritten Entwicklungs- typiis gehörenden Eiern von Chaetonym'phon nimmt die Furchung augenscheinlich noch früher einen inäqualen Charakter an. Das äußerste GHed der hier beschriebenen Kette wird durch Pallene dargestellt, bei welcher (Hoek, 1881 b und Morgan, 1891) schon die erste Furchungsrinne das Ei in Macromeren und Micromeren zerleet. 708 V. Dogiel, Indem die Furchung ihren gleichmäßigen Charakter einbüßt, bleibt sie indessen doch noch eine totale und eine solche bleibt sie bei allen drei Typen auch bis zum Ende. In der Tat ist der Embryo bei den zwei ersten Entwicklungstypen während des gesamten Verlaufs der Differenzierung der Keimblätter deutlich in Zellen eingeteilt. Bei PJioxichilidium scheint der zellige Charakter des Baues des Embryos eine ständige Erscheinung zu sein, und das Fehlen von Zellgrenzen auf einigen Stadien der Entwicklung kann einer ungenügenden Fixierung des Materials zugeschrieben werden. Bei Pycnogonum und Nymphon strömii verschmelzen die dotterreichen entodermalen Zellen zu einer gemeinsamen Masse und bilden ein Syncytium. Da die Bildung des Syncytiums nach der Differenzierung der Keimblätter vor sich geht und hauptsächlich das Entoderm betrifft, so hindert es uns nicht daran die Furchung der Eier der oben genannten Formen als eine totale anzusehen. Ebenso verhält es sich augenscheinlich auch mit den Eiern von ChaetonympJion. Bis zu dem Stadium von 300 — 100 Blastomeren besitzt das Ei die Gestalt einer kompakten, vielzelligen Kugel. Auf späteren Entwicklungsstufen besteht der Embryo aus einer ununter- brochenen an Kernen reichen Dottermasse, welche indessen keine Einteilung in Zellen aufweist; diese Masse ist auf einer ihrer Seiten mit einer dünnen, einschichtigen Zellenkappe von epithelialem Cha- rakter bekleidet. Das auf diese Weise entstehende Bild erinnert außer- ordentlich an die superficielle Furchung, nachdem sich das Blastoderm auf der ventralen Eiseite zusammengezogen hat und der Dotter mit Dotterkernen angefüllt wurde. Diese Ähnlichkeit mit der superficiellen Furchung ist indessen nur eine scheinbare. Die im Innern des Dotters liegenden Kerne bei Chaetonymphon lassen zweifellos das Entoderm hervorgehen, vielleicht auch noch das Mesoderm. Aus diesem Grunde entspricht die epitheliale Kappe nicht dem Blastoderm, sondern nur dem Ectoderm des Keimes und der Prozeß selbst des Umwachsens des Dotters durch diese Kappe muß mit einer epibolischen Gastrulation verglichen werden. Den einzigen Hinweis auf einen Übergang zu der superficiellen Furchung kann man in dem Auftreten von Dotterver- dichtungen zwischen den ersten beiden Blastomeren bei CJiaetonym'phon erblicken. Analoge, dem Auftreten der superficiellen Furchung voran- gehende Bilder, sehen wir auch bei einigen Copepoda {Notoptero- phorus und Enteropsis nach Schimkewitsch, 1896). Auf Grund aller oben angeführten Angaben wird man die totale und inäquale Furchungsweise als die für die Pantopoden typische ansehen können. Einbryologischo Studien an Panfopoden. 709 AVir wollen noch bemerken, daß die iiiäquale Furchung unter den Arthropodon hauptsächlich bei den Crustacea Entomostraca ange- troffen wird; von höheren Krebsen ist sie bei den Euphansidae (Taube, 1909) angetroffen worden, und kommt vielleicht in schwacher Ausbildung (zwei centrale, an körnigen Einschlüssen reiche Zellen) auch bei Lcucijer vor (Brooks, 1882). Was die übrigen Arthropoden betrifft, so führen nur Uzel (1898) bei den CoUemboIa und Schim- KEWiTSCH (1906) bei Telyphonus Beispiele einer inäqualen Fuichung an; bei Telyphonus geht die Furchung aus einer totalen später in eine superficielle über. Meine Beobachtungen an Pycnogonum haben in der Furchung dieser Gattung Merkmale aufgedeckt, welche außerordentlich an die spiralige Furchung der Anneliden und der Mollusken erinnern. Das Ergebnis der Furchung ist eine Blastula, welche entweder eine Cöloblastula {PJioxichüidium, Anoplodactylus, Pycnogonum, Am- mothea) oder eine Sterroblastula sein kann {Nymphon, ChaetonympJion). Aus dem hier gesagten geht hervor, daß eine Sterroblastula bei dotter- reichen Eiern augetroffen wird, wo die großen Zellen des vegetativen Pols mit ihren inneren Enden in das Blastocöl hereinragen und das- selbe ausfüllen. Es ist von Interesse, daß die sehr dotterreichen Eier von Pallene augenscheinlich eine Ausnahme von der eben angeführten Regel darstellen. Wenigstens bildet Mobgan (1891, Taf. I, Fig. 2) in den Blastulae von Pallene empusa eine centrale Höhle ab. Ob diese Höhle ein Blastocöl darstellt, oder ob sie nichts andres als ein durch die Wirkung der Fixierungsmittel hervorgerufenes Artefact ist, wagt Morgan nicht zu entscheiden. Die Gastrulation erfolgt, wie aus der Beschreibung zu entnehmen war, entweder durch typische Epibolie (bei den Formen der zweiten und dritten Gruppe) oder aber infolge eines zwischen der Epibolie und der Invagination stehenden Vorgangs (bei den Formen der ersten Gruppe). Von dem Umstand ausgehend, daß die Totalität der Furchung sogar bei den Pantopoda bewahrt bleibt, deren Eier sehr reich an Dotter sind, wird man annehmen können, daß in der gegebenen Klasse von Tieren die alecithalen oder isolecithalen Eier (Korschelt u. Heider 1909) als die primitivsten und typischsten anzusehen sind. Auf der gleichen Grundlage fußend vermute ich, daß auch die Gastrulation aller Pantopoden von der Invaginationsgastrulation abzuleiten ist, obgleich eine solche bei den Pycnogoniden nirgends in typischer Weise ausgesprochen ist. Der Invagination am nächsten steht der Vorgang der Bildung des inneren Blattes bei Phoxichilidium, Anoplodactylus, 710 V. Dogiel, Pycnogonum, wie auch bei Ammothea. Meisenheimer (1902, S. 201) spricht sich hierüber in folgender Weise aus: »Wenn wir die Anord- nung der Kerne allein beobachten, so l^önnen wir uns kaum ein typi- scheres Bild einer Gastrula vorstellen <<. Der Unterschied von einer wahren Gastrulation besteht indessen darin, daß weder eine deutliche, durch die Zellen selbst des inneren Blattes gebildete gastrale Ein- stülpung, noch ein Blastoporus auftritt; die völlige Versenkung der Zellen des inneren Blattes in das Blastocöl erfolgt durch Überwachsen derselben seitens der entodermalen Elemente von der unteren Hälfte des Embryos. Als den Punkt der Oberfläche des Embryos, welcher am spätesten vom Ectoderm bedeckt wird, kann man den Blastoporus ansehen. Der betreffende Punkt liegt, wie dies schon Meisenheimer (1902) nachgewiesen hatte, auf der Dorsalseite des Embryos, näher zu dessen zukünftigem Vorderende. Bei Nymphon strömii und aller Wahrscheinlichkeit auch bei Chaeto- nymphon findet schon eine wahre Epibolie statt. Ich habe schon früher Gelegenheit gehabt, mehrfach auf die offenbare Irrtümlichkeit der Angaben von Morgan (1891) hinzuweisen, welcher für alle Pantopoden eine Bildung des inneren Blattes durch multipolare Delamination an- nimmt. Nach seinen Zeichnungen zu urteilen (Morgan, Taf. I, Fig. 5) erfolgt die Gastrulation bei Pallene durch eine ebensolche Epibolie, wie dies auch bei Chaetonymphon und Nymphon der Fall ist. Überhaupt scheint mir eine Delamination in denjenigen Fällen wenig wahrscheinlich, wo die Abspaltung des inneren Blattes von dem Keimstreifen ausgehen muß, der dem Dotter dicht anliegt. Meiner Ansicht nach müssen die Teilungsspindeln aus rein mechanischen Ur- sachen parallel zur Eioberfläche angeordnet sein, nicht aber senkrecht zu derselben, da in letzterem Fall die Teilung der Zellen durch den Druck des Dotters behindert werden würde, auf welchem der Kern- streifen gleichsam ausgespannt ist. Unter diesem Streifen können die Zellen leichter durch aktive Einwanderung in den Dotter gelangen. Derselben Ansicht bin ich auch in betreff der Bildungsweise der Dotter- zellen aus dem Blastoderm dotterreicher Eier (Arachnoidea, In- secta); wenn auch die Bildung von Vitellophagen durch Delamination in vielen Arbeiten als Tatsache angeführt wird, so bedarf dieselbe, meiner Ansicht nach, dennoch einer Nachprüfung. In jedem einzelnen Fall kann man nur dann von einer Delamination reden, wenn Bilder deuthcher radiärer Mitosen vorliegen. Indem wir zur Gastrulation der Pantopoden zurückkehren, können wir nachstehende Abänderungen des betreffenden Vorgangs in etwas Ernbryologisehe Studien an Pantojwdeii. 711 schematisierter Form feststellen. Das von dem Ectoderm umwachsene innere Blatt stellt eine Vereinigung von Ectoderm und Mesoderm dar. In der einen Gruppe der Pantopoden besteht das ganze Entoderm aus einer einzigen primären Entodermzelle ; letztere ist von einem Kranz von neun bis zehn Mesodermzellen umgeben. In der zweiten Gruppe der Pantopoden, zu welcher Ni/mphon strömii gehört, enthält die deutlich differenzierte Entodermanlage lange Zeit hindurch 20 bis 24 Zellen mit riesigen Kernen ; das Mesoderm wird etwa auf die gleiche Weise gebildet, wie bei der vorhergehenden Gruppe und ist durch eine größere Anzahl von zelligen Komponenten ausgezeichnet. Bei den Formen der dritten Gruppe von Pantopoden, deren Eier den größten Dotterreichtum aufweisen, ist es mir nicht gelungen, einen so deutlich ausgesprochenen Unterschied zwischen den Elementen des Entoderms und denjenigen des Mesoderms festzustellen, wie bei den Vertretern der beiden ersten Gruppen. Eines der wichtigsten Ergebnisse meiner Untersuchungen erblicke ich in der Feststellung des determinativen Entwicklungs- typus bei den Pantopoda. Diese Entwicklungsweise ist besonders stark ausgesprochen bei Phoxichilidium, Änoplodactylus, Pycnogonum, und wahrscheinlich auch bei Ammothea (vgl. Seite 584), was durch den Charakter der Gastrulation bei den genannten Gattungen nachgewiesen wird. Bei Nymphon strömii ist der determinative Charakter der Furchung schwächer ausgesprochen, w^ährend er für Chaetonymphon überhaupt wohl kaum nachweisbar ist. Im gegebenen Falle ist es von Interesse, daß wir bei einer Reihe einander sehr nahestehender, zu ein und derselben Tiergruppe ge- hörender Formen, eine modifizierende Wirkung des Dotters auf die Entwicklungs weise der Eier erkennen können. Der Dotter übt eine unterdrückende Wirkung auf die determinative Ent- wicklungsweise aus. Ich will damit indessen nicht gesagt haben, daß die Entwicklung in radikaler Weise geändert wird. Es ist sehr wahrscheinlich, daß die Rolle der einzelnen Zellen bei der Entwicklung des Embryos von Chaetonymphon ebenso prädestiniert ist, wie bei der Entwicklung von Phoxichilidium ; allein die äußeren histologischen Unterschiede zwischen den verschiedenen Zellen, welche es gestatten deren Schicksal während des Entwicklungsprozesses zu verfolgen, verschwinden in den dotter- reichen Eiern. Vergleichung der Anfangsstadien in der Entwicklung 712 V. Dogiel, der Pantopoda und der Crustacea. Die Furchung und die Bildung der Keimblätter bei den Pantopoden erinnern außerordentlich an die entsprechenden Vorgänge bei den Krebsen, und zwar bei den Entomo- straca. Die Ähnlichkeit mit den Crustaceen ist schon von Meisen- heimer hervorgehoben worden und ich kann dieselbe nicht nur be- stätigen, sondern auch noch neue Beweismittel für eine derartige Ähn- lichkeit liefern. Mei.senheimer w^ar bei seiner Vergleichung durch den Umstand behindert, daß er den seiner Ansicht nach nicht deter- minativen Entwicklungstypus (der Pantopoden) mit dem determinativen (der Entomostraken) vergleichen mußte. Durch meine Untersuchungen wird die erwähnte Schwierigkeit beseitigt und man erhält sogar die Möglichkeit, die einzelnen Zellen des Embryos der Pantopoden und der Krebse miteinander zu ver- gleichen. In der Arbeit von Grobben (1879) über Moina rectirostris wird das Vorkommen des determinativen Entwicklungstypus bei den Krebsen zum ersten Mal nachgewiesen. Hierauf wurde durch eine ganze Reihe andrer Forscher, welche die Angaben Grobbens bestätigten, ungefähr nachstehendes Schema für die frühesten Entwicklungsstadien aufge- stellt, welches für die Cope-poda (Grobben 1881, Urbanowicz 1884, ScHiMKEWiTSCH 1896, Pedaschenko 1898, Mc. Clendon 1907, Hacker 1902), die Cirripedia (Groom 1884, Bigelow 1902), die Sommereier der Cladocem (Grobben 1879, Kühn 1911), vielleicht für die Ostrocoda (Woltereck 1898), wie auch für die Euphausidae (Taube 1909) unter den Malacostraca gemeinschaftlich ist. Die totale und am häufigsten inäquale Furchung führt zum Blastula- stadium, auf dem sodann die Differenzierung der Keimblätter beginnt. An einem der Pole der Blastula differenziert sich ein Teil der Zellen (welcher sich durch seinen Bau von den übrigen Zellen auszeichnet) und ergibt wohl voneinander unterscheidbare Anlagen : die entodermale, die mesodermale und die Genitalanlage. Besonders leicht verständlich wird die Ähnlichkeit der Entwick- lung der verschiedenen Entomostraken, wenn wir die Blastulae aller oben erwähnten Formen in ein und derselben Lage schematisch dar- stellen, und zwar mit dem vegetativen Pol nach oben gerichtet. In diesem Falle ergibt es sich, daß das Centrum des vegetativen Pols durch die Anlage des Entoderms eingenommen ist. Der Beginn dieser letzteren konnte in einigen Fällen bis zu einer einzigen Zelle verfolgt werden {Cyclops nach Urbanowicz, Lernaea nach Pedaschenko, Lepas nach Bigelow, Moina nach Grobben, Polypliemus nach Kühn) ; Kiiihryologisclu- Studien an l'aiitopotlen. 713 bei andern Vertretern der Entomostraken sind mehrere primäre Ento- dermzellen vorhanden (so z. B. bei Chondracanthus merlucci nach ScHiMKEWiTSCH deren acht). Die soeben beschriebene, zweifelsohne entodermale Anlage ent- spricht in beziig auf ihre Lage in der Blastula stets dem künftigen Blastoporus und ist stets von einem Kranz von Zellen umgeben, welche sich während der Gastrulation zusammen mit dem Blastoporus unter das Ectoderm versenken. In der Deutung des Zellenkranzes stimmen die verschiedenen Autoren bei weitem nicht überein; meiner Ansicht nach wird man indessen bei sorgfältiger Vergleichung aller Beobach- tungen die Gewißheit erlangen, daß der erwähnte Kranz von Zellen überall das Mesoderm repräsentiert. Dabei stellt ein Teil der Zellen des Kranzes die Urgeschlechtszellen dar, welche sich von allem Anfang an von den übrigen Zellen durch ihren histologischen Bau unterscheiden können, oder aber eine derartige Differenzierung der Zellen kann auch nicht statthaben. Die Entwicklung von Chondracanthus merlucci paßt ohne weiteres in dieses Schema ; hier versinken in das Innere des Blasto- cöls acht Entodermzellen, welche von einem Kranz zuvor am Rande des Blastoporus gelegener Mesodermzellen umgeben sind. Genau den gleichen Charakter besitzt auch die Gastrulation vieler Pantopoden {Phoxichilidium, Pycnogonum, Anoplodactylus), allein mit dem Unter- schied, daß das gesamte Entoderm bei ihnen in Gestalt einer einzigen Zelle angelegt wird. Aber auch dieser Unterschied wird ausgeglichen, wenn wir uns der Entwicklung von Cyclops nach Urbanowicz (1884) erinnern. Urbanowicz nimmt an, daß bei Cyclops nur eine einzige Urentodermzelle vorliegt, die von einem Ring von Zellen umgeben ist, welche die mesodermalen Bildungen des Nauplius hervorgehen lassen. Eine analoge Art und Weise der Keimblätteranlage finden wir auch bei den Cirriyedia, wo Bigelow eine centrale Entodermzelle beschreibt, welche von vorn durch vier mesenchymatöse Zellen, von hinten da- gegen durch zwei (anfangs durch eine) Urmesodermzellen eingeschlossen wird. Die Bilder der Entwicklung von Cetochilus (nach Grobben, 1881), Cyclops (nach ILvcker, 1902) und der Euphausidae (nach Taube, 1909) können als genaue Kopien der vorhergehenden angesehen werden. Allerdings wird ein Teil des das Entoderm umgebenden Zellenkranzes, von den oben angeführten Autoren ebenfalls zu der entodermalen Anlage gerechnet. Allein auf Grund eigner Beobachtungen und nach Ver- gleichung mit den früher zitierten i\j:beiten kann ich nicht daran zweifeln, daß eine solche Deutung nicht richtig ist, und daß die angeblichen peri- pheren Entodermzellen in der Tat das Mesoderm der Larve ergeben. 714 V. Dogiel, Die Ähnlichkeit der bei den Cirripedien, Cetochilus und den Eu- phausidae einerseits, und bei Chondracanthus, Cydops (nach Urba- Nowicz) und den Pantopoden anderseits gewonnenen Bilder ist in der Tat so groß, daß von einer verschiedenen Bedeutung des circumento- dermalen Zellenkranzes schwerlich die Bede sein kann. Indessen hat ScHiMKEWiTSCH bei Chondracanthus auf das deutlichste nachgewiesen, daß die Zellen des Kranzes in keinerlei Beziehungen zu dem zukünftigen Mitteldarmepithel stehen; dasselbe habe ich auch für Phoxichilidium und Pycnogonum nachweisen können. Das Vorhandensein von Urgeschlechtszellen als Komponenten des Zellenkranzes wird durch die Beobachtungen von Hacker (1902) an Cyclops, wie auch durch diejenigen von Grobben (1879) und Kühn (1911) an Cladoceren bewiesen. Die Anordnung der Keimblätter- anlagen bei den Cladoceren weicht etwas von dem angeführten Schema ab, weshalb ich nicht länger bei derselben verweilen werde. Zum Schluß muß ich nochmals die Übereinstimmung in der Keim- blätterbildung betonen, wie sie zwischen den Pantopoden und vielen Entomostraken beobachtet worden ist. Die Beschreibung der Ent- wicklung von Cyclops nach Urbanowicz stimmt völlig überein mit meiner Beschreibung der Entwicklung der ersten Pantopodengruppe in der vorliegenden Arbeit. Eine ganz besondere Ähnlichkeit weisen meine Präparate indessen mit den Zeichnungen von Schimkewitsch (1896) auf, welche sich auf seine Arbeit über die Entwicklung der para- sitischen Copepoden beziehen. Einige seiner Zeichnungen gleichen den Abbildungen der entsprechenden Entwickluugsstadien von Pycno- gonum und Phoxichilidium in dem Maße, daß man glauben könnte, beide wären nach ein und denselben Präparaten angefertigt worden. Ich erwähne diese Ähnlichkeit aus dem Grunde, weil sie meiner Ansicht nach bis zu einem gewissen Grade als Garantie für die Richtig- keit der von Schimkewitsch (1896) und mir angestellten Beobach- tungen dienen kann. Das weitere Schicksal des inneren Blattes während der Embryonalentwicklung, a. Das Entoderm und die Dotterzellen. Was die entoder- malen Elemente sensu strictiore betrifft, so genügt es einige Worte über dieselben zu sagen. In der auf Kosten einer oder mehrerer Macro- meren entstehenden entodermalen Anlage verschwinden die Grenzen zwischen den Zellen und es bildet sich ein Syncytium. Die Kerne des Syncytiums differenzieren sich in amöboide und in Dotterkerne. Die Einbryologische Studioii an l'an(()])U(k'ii. 715 Dotterkerne ^eliou späterhin zugrunde, wäluend die lunöboiden Kerne an die Oberfläche des Dotters hervortreten und das Epithel des Mittel- darms ergeben. Das Hervortreten der amöboiden Kerne erfolgt auf der gesamten Peripherie des Dotters, so daß man von einer diffusen Anlage des ]\Iitteldarniopitliels reden kann. Allerdings geht die Wanderung der amöboiden Kerne an die Oberfläche des Dotters in der Umgebung der stoniüdäalen EinstiUpung am lebhaftesten vor sich, doch ist bei den Pantopoden nicht zu finden, was an die vordere und die hintere Anlage des Mitteldarms erinnern würde, wie sie bei den Insekten oder an die hintere Entodermanlage, wie sie bei einigen Arachnoiden (Schim- KEWiTSCH bei Tehjphonus, 1906, bei Ichnocolus, 1911) gefunden wor- den ist. Vergleichen wür dagegen die Pantopoden mit den Entomostraken, so sehen wir, daß erstere in bezug auf das Schicksal des Entoderms bei der Entwicklung des Darmes als ein Glied in die Kette der bei den niederen Krebsen beobachteten Variationen im Prozeß der Bildung des Darmes eingefügt werden können. Bei den Cirripedia (Groom, 1894) bewahrt das Entoderm von Anfang bis zu Ende seinen zelligen Charakter; das gleiche hat ScHiMKEWiTSCH (1896) auch für Chondracanthus nachgewiesen. Das zuerst aus einer mehr oder weniger beträchtlichen Menge deutlich abgegrenzter Zellen (bei NymjiJion bis zu 24) bestehende Entoderm der Pantopoden verschmilzt späterhin zu einem Syncytium. Mc. Clendon (1908) stellte fest, daß bei einigen Copepoden {Eudactylina) die entodermale Macromere acht Zellen ergibt, welche sodann ihre Grenzen einbüßen und sich in ein Syncytium verwandeln; bei andern Copepoden kommt es bis zu der Bildung von vier Zellen, während das Entoderm bei Lernaea (Pedaschenko, 1898) von allem Anfang an den Charakter eines Syncytiums erhält. Nach den hier mitgeteilten Angaben zu urteilen, schließen sich die Pantopoden in der erwähnten Beziehung eng an die Krebse an. Es muß indessen auch auf einige Ausnahmen hingewiesen werden. Erstens verwandeln sich bei den Crustacea alle Zellen des Entoderms (oder alle Zellen des Syncytiums) in das Darmepithel; bei den Panto- poda dagegen dient der von mir als Dotterkerne bezeichnete Teil der Kerne ausschließlich zum Auflösen des Dotters und nimmt keinerlei Anteil an dem Aufbau des Mitteldarms. Zweitens sammeln sich die intralecithalen Kerne bei Lernaea fast ausschließlich in dem Rayon an, wo Stomodäum und Proctodäum dem Dotter anliegen, was das Auftreten einer vorderen und einer hinteren Entodermanlage zur 716 V. Dogiel, Folge hat. Bei den Pantopoden haben wir nur einen schwachen Hin- weis auf eine analoge Konzentration der Kerne im Bereich des Sto- modäum. Wir gehen nunmehr zu einer Charakteristik der Dotterzellen bei den Pantopoden über. Unter diesen Zellen verstehe ich nur die Ele- mente, welche nicht in den Bestand des Darmepithels übergehen und nach der Erfüllung ihrer hauptsächlichsten Funktion, d. h. nach Zer- setzung des Dotters, zugrunde gehen. Vor allem muß gesagt werden, daß unter dem Namen von Dotter- zellen von den verschieden Autoren Gebilde verstanden werden, welche von sehr verschiedener Herkunft und äußerst verschiedenartiger pro- spektiver Bedeutung für die Entwicklung des Tieres sind. Die Dotterzellen lassen sich durchaus nicht so einfach charak- terisieren, wie dies von Korschelt und Heider (1909) geschehen ist, die die Vitellophagen als abortive Entodermzellen bezeichnen, welche den Dotter auflösen und zum größten Teil keinen Anteil an dem Aufbau des Mitteldarms nehmen. Eine solche Deutung paßt, wie dies aus meiner Arbeit zu ersehen war, außerordentlich genau auf die Dotter- zellen der Pantopoden, allein sie ist durchaus nicht allumfassend. Den ersten Typus von Dotterzellen liefern uns demnach solche Zellen, welche ihrer Herkunft nach eng mit dem Entoderm verbunden sind und dessen abortiven Teil ausmachen. Es sind dies entodermale Zellen, welche in ihrer Anpassung zum Auflockern und Auflösen des Dotters eng spezialisiert erscheinen. Diesen Charakter besitzen die Dotterzellen (richtiger die Dotterkerne) bei den Pantopoda; eine ebensolche entodermale Herkunft derselben wird von Heymons (1897) bei Lepisma, von J. Wagner (1896) bei Mysis u. a. m. anerkannt. Die zweite Gruppe von Dotterzellen bilden echte Entodermzellen, welche meiner Ansicht nach fälschlicherweise die Bezeichnung von Dotterzellen erhalten haben. Ich habe hierbei die Arbeit von Peda- SCHENKO (1898) im Auge, welcher die Bezeichnung von Dotterzellen auf das gesamte Entoderm von Lernaea anwendet. Wenn alle im Innern des Dotters enthaltenen Zellen sich in das Epithel des Mittel- darms verwandeln, so braucht man für dieselben nicht einen besonderen Namen »der Dotterzellen« einzufügen: es ist dies Entoderm und weiter nichts. Der Umstand allein, daß ein Teil der Entodermzellen zeit- weilig an der Phagocytose des Dorsalorgans Anteil nimmt, genügt nicht, um diese Zellen in Dotterzellen umzubenennen. Den dritten Typus von Dotterzellen treffen wir bei einigen Krebsen an, namenthch bei den Cladoceren. Am besten läßt sich über diesen Kinbryologisc'lic StudiiMi an i'aiitopDiIcti. 717 Typus von Zelloii nach der gründlichen Arbeit von Vollmer (1912) über Daphnia magna und D. pulex urteilen; außerdem liegen bei Holo- pedium gihhcrum (nach A(^\r, 1908) und einigen andern Cladocera (nach 8a,massa 1893) gleiche Verhältnisse vor. Die Dotterzellen der erwähnten Cladocoren, entstehen, nach den zuverlässigsten Angaben von Vollmer zu urteilen, noch vor der Differenzierung der Keim- blätter auf Kosten der inneren Blastomeren des morulaartigen Embryos. Samassa, dessen Beobachtungen bekanntlich in vielen Beziehungen auf ihre Richtigkeit hin angezweifelt werden, läßt die Dotterzellen von der Anlage des inneren Blattes herstammen. Wie dem nun auch sein mag, so sind doch in bezug auf das weitere Schicksal der Dotterkerne bei den beiden angeführten Autoren keine Meinungsverschiedenheiten zu finden. Der Darm der Cladoceren ent- steht in Gestalt eines massiven zelligen Stranges an der Ventralseite des Embryos, während die Dotterzellen die Leibeshöhle seitlich vom Darm einnehmen und mit fortschreitender Resorption des Dotters in das mesodermale Gewebe übergehen (Vollmer, S. 181). Über die Natur dieses Gewebes spricht sich Vollmer nicht aus, doch treten die Dotterzellen hier jedenfalls in Verbindung mit dem mittleren Keimblatt. Zu dem vierten, dem vorhergehenden nahestehenden Typus, kann man die Dotterzellen der Arachnoidea und vieler Insecten rechnen. Hieran schließen sich auch einige Myriopoda (nach Heymons, 1901) und Crustacea {Jaera marina nach Mc. Murrich, 1895). Gewöhnlich beginnt der Prozeß der Vitellophagenbildung bei den angeführten Formen noch vor der Differenzierung der Blätter. Die Dotterzellen entstehen auf Kosten des Blastoderms, bei Isotoma (Philiptschenko, 1912) und den Phalangida (Schimkewitsch, 1906) dagegen auf Kosten der inneren (d. h. der im Innern des Dotters verbleibenden) Blastomeren. Allein auf Schritt und Tritt dauert die Bildung der Vitellophagen auch noch dann fort, wenn die Keimblätter sich schon differenziert haben, w^obei sie aus einem Teil der Zellen der gemein- samen raeso-entodermalen Anlage hervorgehen. Was das fernere Schicksal der Vitellophagen des vierten Typus bei der Entwicklung betrifft, so stimmen die meisten Autoren darin überein, daß dieselben zugrunde gehen, ohne irgendwelche Rolle im Organismus des Embryos zu spielen. Es liegen allerdings auch andre Mitteilungen vor, welche dieser Auffassung widersprechen. So verwandeln sich die Dotterzellen der Arachnoidea auf Grund der Angaben einiger Autoren (Kishinouye, 718 V. Dogiel, 1891 u. a. m.) in Blutzellen und dienen auch zur Bildung des Mittel- darms (KiSHiNOUYE, 1891; Kautzsch, 1909). Heymons (1901) ist bei Scolopendra der Ansicht, daß die Vitellophagen ihrem Ursprung nach zu einer mit dem Entoderm gemeinsamen Anlage gehören, aber etwas früher als die typischen Entodermzellen entstehen. So be- hauptet denn Heymons einerseits, daß die Entstehung der Dotter- zellen der Differenzierung der Keimblätter vorangeht, während er anderseits anscheinend geneigt ist, die Vitellophagen als abortives Entoderm anzusehen. Bei den Insekten wird die Bildung der Mitteldarms auf Kosten der Vitellophagen, wie sie von einigen Autoren noch aufrecht erhalten wird (vgl. die Zusammenstellung bei Philiptschenko, 1912, S. 97 — 98) von den meisten neueren Autoren geleugnet. Die von mir mitgeteilte ausführliche Übersicht der diesbezüglichen Literatur soll zeigen, daß unter dem Namen von Dotterzellen die alier- verschiedenartigsten Elemente vereinigt wurden und auch noch ver- einigt werden; es erscheint aus diesem Grunde unmöglich, den be- treffenden Begriff in morphologischer Beziehung genau zu fixieren, wie dies von Seiten einiger Forscher versucht worden ist. Die Be- zeichnung »Dotterzellen << ist meiner Meinung nach hauptsächlich eine physiologische, unter welcher Zellenelemente zu verstehen sind, welche den speziellen Zweck haben, den Dotter aufzulösen; die Herkunft dieser Elemente, wie auch ihr ferneres Schicksal bei der Entwicklung des Embryos kann bis zur Unendlichkeit variieren. Wir haben bereits gesehen, daß der Name eines >>abortiven Ento- derms<<, welcher den Vitellophagen von Korschelt gegeben wurde, in Wirklichkeit durchaus nicht immer berechtigt erscheint. Ebenso eng begrenzt ist auch die Deutung der Vitellophagen durch Philip- TSCHENKO (1912), welcher bestrebt ist, das beständige Fehlen eines Zusammenhangs derselben mit irgendeinem der Keimblätter nach- zuweisen; die Herkunft der Dotterzellen bei den Pantopoden legt ein gewichtiges Zeugnis gegen diese Auffassung ab. Am überzeugendsten sprechen zu meinen Gunsten diejenigen Fälle, wo bei ein und demselben Tier die Vitellophagen zweierlei Her- kunft aufweisen. Hierher gehören die Arachnoidea, bei denen die Dotterzellen aus dem Blastoderm und aus dem Meso-Entoderm ge- bildet werden; d. h. im gegebenen Fall werden Elemente von zweierlei Herkunft an ein und dieselbe Funktion angepaßt, b. Das Mesoderm. Bezüglich des Mesoderms ist von mir schon mehrfach hervorgehoben worden, daß dessen gesamte embryonale An- iMubryologischc Studien an Pantopodc-n. 719 läge für die Bildung der Muskulatur, der Blutzellen usw. der sechsfüßigen Larve verwendet wird. In dem Körper dieser letzteren sind daher keinerlei Spuren irgendwelcher Anlagen von Mesodernistreifen mehr vorhanden. Wie aus der Ik^schreibung der Keiniblätterdifferenzierung zu erselien war. wird es vielleicht am richtigsten sein, das Mesoderm der sechsfüßigen Larve mit dem embryonalen, oder nauplialen Meso- derm der Krebse und deren Geuitalaulage zu vergleichen (welch letztere bei den Pantopoden nicht zu erkennen ist). In welcher Beziehung es zu dem metanauplialen Mesoderm steht, kann ich leider nicht angeben, ■\Aeil ich die Herkunft dieses letzteren nicht ausführlich genug ver- folgt habe. Die sechsfüßige Larve. Für die postembryonale Entwicklung der Pantopoden ist das Stadium der sechsfüßigen Larve, oder des Prototiymphon, außerordentlich charakteristisch. Dieses Stadium wird nicht nur bei den Pantopoden mit dotterarmen Eiern angetroffen, sondern auch bei solchen, wie z. B. Chaetonym'phon, deren Larven erst nach beendeter Entwicklung und Gliederung aller Extremitäten zu einem selbständigen Leben übergehen. Die hauptsächlichsten Ergebnisse meiner Beobachtungen über das betreffende Stadium lassen sich in Nachstehendem zusammenfassen. Erstens stellt die sechsfüßige Larve die fundamentale, primäre Larvenform der Pantopoden dar. Hierfür spricht nicht nur ihre weite Verbreitung bei verschiedenen Vertretern der Pantopoden, sondern auch die außergewöhnliche anatomische Übereinstimmung der Larven verschiedener Gattungen und Arten; letztere findet ihren Ausdruck in der Anzahl von excretorischen Zellen und in der Anordnung der Haut- drüsen, abgesehen von andern, leicht erkennbaren Merkmalen. Die Larve besitzt einen segmentierten Bau. Wir sehen bei ihr einen präoralen Abschnitt, drei postorale Segmente mit Extremitäten, die Anlage des vierten postoralen Segments und einen hinteren, unge- gliederten Körperabschnitt. Meisenheimer (1902) sieht den Körper der Larve einfach als aus fünf Segmenten bestehend an und vergleicht den präoralen Abschnitt einem Segment, während er den hinteren Körperabschnitt als Analsegment bezeichnet; gleichzeitig gibt er an, daß die äußere Körpergestalt bis zu deren Einzelheiten, mit der Gestalt des Naupliuskörpers übereinstimmt. Ich kann mich mit der Einteilung des Körpers der sechsfüßigen Larve in Abschnitte nicht einverstanden erklären, wie sie von Meisen- heimer aufgestellt wird. Das hintere Körperende kann schon aus dem einen Grunde nicht als Analsegment bezeichnet werden, weil der Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CVII. Bd. 47 720 V. Dogiel, Anus, wie ich dies in meiner Arbeit nachgewiesen habe, erst auf be- deutend späteren Entwicklungsstadien auftritt. Was dagegen den praeoralen Körperabschnitt der Larve betrifft, so werden wir denselben schwerlich einem einzigen Segment homolog erklären können. Das obere Schlundganglion der Pantopoden besitzt ein Paar Ventralorgane, was auf das Vorhandensein von mindestens eines präoralen Metamers hinweist. Aber abgesehen hiervon kann man, wie wir aus der Be- schreibung der Ventralorgane ersehen haben, auch das vordere Augen- paar mit einem gewissen Grade von Wahrscheinlichkeit als Ventral- organe ansehen. In diesem Falle haben wir es höchstwahrscheinlich schon mit zwei präoralen Segmenten zu tun. Die Vorsicht verhindert mich daran, den parallelen Abschnitt der sechsfüßigen Larve mit einem Metamer zu homologisieren. In betreff der Bedeutung des Schnabels der Pantopoden sind wir seit DoHRNs Zeiten um keinen Schritt vorwärts gekommen, wobei dieser Autor ihn als ein Organ sui generis erklärt hatte, dem kein Organ bei den übrigen Arthropoden analog sei. Allerdings versucht Meinert (1899) in dem Rostrum der Arachnoideen ein Homolog on des Schnabels zu erblicken, allein die paarige Anlage des Rostrum (viel- leicht sogar aus zwei Paaren von Anlagen) spricht deutlich gegen eine solche Annahme. Im Jahre 1904 machte Loman den meiner Ansicht nach sehr gelungenen Versuch den dreikantigen Bau des Schnabels durch dessen Saugfunktion zu erklären. Loman nimmt an, daß in dem Falle, wenn dem vorderen Darmabschnitt die Bedeutung eines Saug- apparats zukommt, der Bau der Speiseröhre nach dem Typus eines dreikantigen Rohres vom Gesichtspunkt der Gesetze der Mechanik aus betrachtet, am günstigsten erscheint. Eine derartige Einrichtung des Saugapparats wird denn auch nicht selten bei verschiedenen Tieren angetroffen, w^elche chitinisierte Körperhüllen und eine ebensolche Auskleidung der Speiseröhre besitzen, wie zum Beispiel bei einigen Milben, den Phalangida, und auch bei den Nematoda. Bevor ich die Embryonalentwicklung der Pantopoden kennen gelernt hatte, war ich oft geneigt, ihren Schnabel mit dem nach auüen vorgestülpten Schlund einiger räuberischen Polychäten zu vergleichen. Diese Vergleichung schien auch in einigen Einzelheiten im Bau des Schnabels der sechsfüßigen Larven eine Bestätigung zu finden. So befinden sich z. B. an der inneren Wand der Speiseröhre der Pycno- gforiMm- Larven, näher zum freien Ende des Schnabels, drei kamm- förmige cuticulare Fortsätze, welche man mit den Schlundzähnen der Polychäten oder mit den Kiefern der Egel vergleichen könnte. Wenn Embryo logische Studien an Pantopoden. 721 endlich der iSchnabel einen umgestülpten Schlund vorstellen sollte^ so würde man die Schnabeldrüsen mit den Speicheldrüsen der Hinidineen vergleichen können. Allein alle diese Betrachtungen finden durch die embryonale Entwicklungsgeschichte leider nur wenig Bestätigung: bei der Bildung des Schnabels habe ich keinerlei Spuren der Umstül- pung seiner Anlage bemerken können, welche zugunsten meiner Annahme hätte sprechen können. Alle Extremitäten der sechsfüßigen Larve sind nach ein und dem- selben Typus gebaut: es sind postorale, dreigliedrige Körperanhänge, deren letztes Ghed den Charakter einer Kralle aufweist. Was die Zugehörigkeit der ^^ zum postoralen Körperabschnitt anbetrifft, so hat Meisenheimer (1902) sich als erster in ganz bestimmter Weise zugunsten der Annahme ausgesprochen, daß die Ganglien des ersten Beinpaares an der Ventralseite des Körpers angelegt werden; erst später wandern sie samt den Extremitäten nach der Dorsalseite des Larvenkörpers, worauf die Ganglien der p^ zu den Ganglien der Schlundcommissur werden. Es ist mir gelungen die Angaben Meisenheimers vollauf zu be- stätigen und seinen Beweisgründen eine Reihe neuer Beobachtungen hinzuzufügen. So wird die postorale Anlage der j)^ bewiesen: durch die primäre Lage der Ventralorgane der Ganglien dieser Extremitäten an der Ventralseite des Körpers [Anoplodactylus] ; durch die Färbung der Nerven der p^ mit Methylenblau, wie auch dadurch, daß die p^ des Embryos von Pycnogonum, wegen des Fehlens des unbeweglichen Scherenastes, den beiden hinteren Extremitätenpaaren der Larve sehr ähnlich sind. Im Laufe der Zeit kann man bemerken, daß die Ganglien der pi längs den Seiten der Speiseröhre immer höher herauf wandern, bis sie zuletzt mit dem oberen Schlundganglion verschmelzen. Außerdem ist mir der Nachweis dafür gelungen, daß die Ver- lagerung nach vorn und auf die Ventralseite nicht allein die pi be- trifft, sondern auch die beiden darauffolgenden Extremitätenpaare, wie man dies während der Metamorphose der Larve sehen kann. Der erwähnte Prozeß ist nur aus dem Grunde unbeachtet geblieben, weil die p2 und f^ bei den meisten Pantopoden während der Verlagerung reduziert sind. Um Wiederholungen zu vermeiden, will ich bezüglich der übrigen Organisation der sechsfüßigen Larve nur bei einer Frage verweilen und zwar bei der Frage über die Konstanz der histologischen Elemente, wie sie im Jahre 1909 von Martini formuliert wurde. Schon beim ersten Beginn meiner Beobachtungen an Pantopoden- 47* 722 V. Dogiel, larven hatte ich mein Augenmerk auf die ungewöhnliche Beständig- keit in Zahl und Lage der einzelnen Zellenelemente ihres Körpers gerichtet. Am besten läßt sich diese Beständigkeit durch Anwendung verschiedener Färbungen intra vitam an den Tag legen. Außer der schon von Meisen heimer bewiesenen ganz bestimmten Anzahl der Muskelzellen, konnte ich die gleiche quantitative Gesetz- mäßigkeit auch für die Zellen der Hautdrüsen (vgl. Nymphon strömii, Pycnogonum und Ammotkea), für die sensiblen Nervenzellen (vgl. N ym- phon, Pycnogonum und Chaetonymphon), für die glatten Muskeln (vgl. Nymphon), für die Zellen der Schnabel- und Scherendrüsen (vgl. Phoxi- chilidium und Anoplodactylus) , endlich für die excretorischen Zellen nachweisen. Außerdem ließen einige Schnitte durch den Schnabel vermu,ten, daß auch die Anzahl der eine jede Seitenfläche der Speiseröhre zu- sammensetzenden Zellen eine beständige ist. Hieraus drängte sich unwillkürlich der Gedanke auf, daß vielleicht auch die Lage sämtlicher Zellen des Larvenkörpers (natürlich mit Ausnahme der Blutzellen) streng festgesetzt ist. Der Beweis für diese Annahme konnte indessen nicht beigebracht werden, und zwar wegen der geringen Größe und der großen Anzahl der epithelialen und andrer Zellen der Pantopodenlarven. Um so angenehmer war es mir daher zu erfahren, daß bei andern Tieren die Konstanz der histologischen Elemente unbedingt festgestellt worden ist. Martini gelang es nach mehreren nur zum Teil erfolg- reichen Untersuchungen an den Appendiculariae (1909a und 1909b) endlich in Hydatina senta (1912) ein sehr geeignetes Object zu finden, an dem er den Nachweis dafür liefern konnte, daß der Körper dieses Rotators stets aus 959 Zellen besteht, welche in bestimmter Weise angeordnet sind. Es liegt auf der Hand, daß wir es bei den Pantopoden mit einer analogen Erscheinung zu tun haben. Dazu kommt noch, daß wie bei den verschiedenen Arten der Pantopoden die Zahl der Zellen eines bestimmten Typus nicht selten die gleiche bleibt, so auch die ver- schiedenen Formen von Rotatorien augenscheinlich aus der gleichen Anzahl von zelligen Elementen bestehen. Es drängt sich nunmehr die Frage auf, welche Schlüsse wir aus den soeben angeführten Beobachtungen ziehen dürfen. Martini be- gnügt sich mit einer Einteilung in solche der Tiere mit konstanter Zellenzahl und in solche mit nicht konstanter Zellenzahl. Erstere rech- net er aus irgendwelchem Grunde zu den blindendenden Verzweigungen des Tierreichs, welche keine neuen Triebe entstehen lassen können. Embryologischc iStudicn an Pantopoden. 723 Mir persönlich will es scheiuen, als wären beide Grundsätze von Martini irrtümlich. Erstens haben wir, meiner Ansicht nach, keine Veranlassung, die Tiere in so strenger Weise in die beiden oben ange- führten Typen einzuteilen. Die von Martini und mir angestellten Beobachtungen, wie auch zahlreiche, auf eine durchaus bestimmte Anzahl von ectodermalen und mesodermalen Teloblasten bei einigen Anneliden und Crustaceen bezügliche Angaben gehen darauf hinaus, daß alle Tiere eine mehr oder weniger beständige Zahl von Zellen auf- weisen. Es erscheint dies um so wahrscheinlicher, als die gemachten Beobachtungen sehr weit voneinander stehende Tiergruppen betreffen. Wenn sich aber auch die Beständigkeit der Zeilenzahl nicht in bezug auf alle Tiere bestätigen sollte, so erhalten wir doch jedenfalls aus den an Pantopodenlarven angestellten Beobachtungen die volle Überzeugung, daß die Determinativität der Furchung auch das Ecto- derm betrifft (da die Hautdrüsen und die Nervenzellen beide von dem äußeren Blatt herstammen), obgleich auf den embryonalen Entwick- luugsstadien eine solche Determinativität nicht festgestellt werden kann. Die Überzeugung Martinis, daß Tiere mit beständiger Zellenzahl nicht dazu befähigt sind, durch Evolution neue Formen hervorgehen zu lassen, ist völlig unbegründet. Wird man denn nicht voraussetzen können, daß Mutationen, indem sie in abändernder Weise auf ver- schiedene Merkmale des Organismus einwirken, auch zu einer Ab- änderung der Zahl von Zellen führen können, welche diesen Organismus zusammensetzen ? Aus der postembryonalen Entwicklungsperiode verdienen folgende Punkte im allgemeinen Teil der vorliegenden Arbeit erwähnt zu werden: a. die Vergleichung des allgemeinen Verlaufs der Meta- morphose bei den verschiedenen Pantopoden; b. das Schicksal der f^ und der f^ während der Verwandlung; c. die Bedeutung der Ventral- organe; d. die Bedeutung des metembroynalen Mesoderms; e. der Ursprung des Herzens und f. die Herkunft der Genitalanlage. a. Der allgemeine Verlauf der Metamorphose gestattet es uns zu bemerken, daß trotz der überaus großen Übereinstimmung in ihrem Anfangsstadium (d. h. der sechsfüßigen Larve) die späteren Stadien der Verwandlung bei den verschiedenen Formen durchaus nicht übereinstimmen. Das Fehlen einer Übereinstimmung ist auch in der verschiedenen Anzahl von Häutungen ausgedrückt, ebenso in dem Charakter des Baues der Larve, so daß z. B. das zweite, dritte usw. Stadium der Gattung Phoxichilus den entsprechenden Stadien andrer Pantopoden nicht entspricht^ 724 V. Dogiel, Man hätte a priori eine starke Abänderung der Metamorphose bei den Formen mit entoparasitischen Larven erwarten können, allein das obenerwähnte Fehlen einer Übereinstimmung im Tempo der Ent- wicklung macht sich auch bei der Vergleichung der Pantopoden mit freilebenden, oder richtiger gesagt, mit ectoparasitischen Larven be- merkbar. So sehen wir zum Beispiel, indem wir die Entwicklung von Phoxichilus und Pycnogonum miteinander vergleichen, daß das zweite Stadium der Metamorphose von Pycnogonum gleichsam in die Ent- wicklung eingeschoben, d. h. überflüssig ist. Es ist nicht durch eine Wachstumsperiode von dem ersten Stadium geschieden und die Häu- tung, welche das zweite Stadium von Pycnogonum hervorgehen läßt, dient nicht dazu, um den herangewachsenen und unter der alten Cuticula zusammengepreßten Körperteilen Gelegenheit zu geben, sich auszu- breiten, sondern vielmehr zur Entfernung einiger provisorischer Merk- male (lange Spinndorne usw.), deren die Larve nach ihrer Festsetzung auf Clava nicht mehr bedarf. Erst nach erfolgter erster Häutung beginnt das Tier sich auf Kosten des Polypen zu ernähren. Bei der Gattung Pycnogonum erfährt die sechsfüßige Larve dem- nach eine besondere, vorbereitende Häutung, welche bei Phoxichilus und Ammothea fehlt. Eine vorbereitende Häutung findet sich außer bei Pycnogonum auch noch bei den Pantopoden mit entoparasitischen Larven. Was diese letzteren betrifft, so macht sich der Einfluß der parasitischen Lebensweise an ihrer Organisation nur in sehr geringem Maße be- merkbar. In der Tat bleiben alle wesentlichen Züge der Organisation bei den Larven von Phoxichilidium und Anoiplodactylus unverändert be- stehen. Die einzigen Modifikationen von Organen, welche ich bei diesen Arten als durch die Lebensweise hervorgerufen betrachten kann, lassen sich auf nachstehendes zurückführen. Erstens verschwindet der Spinnapparat, wogegen aber die Drüsen der Scheren und des Schnabels ein außerordentlich starkes Wachstum erfahren; zweitens bleibt die Gliederung der Extremitäten zurück, wobei letztere eine äußerst cha- rakteristische Lage einnehmen, indem sie sich dem Körper anschmiegen und ihn gleichsam umschlingen. Eine derartige Lage der Extremitäten dient zweifellos dazu, eine Ersparnis an dem Kaume herbeizuführen, welchen die Larve im Körper des Tieres einnimmt. Die Wandungen des Hydranten sind für den Parasiten eine sich ebenso eng anschmiegende Wiege, wie es die Eischale für die sechs- füßige Larve ist. Aus diesem Grunde wickeln sich denn auch sowohl Embryologische Studien an P;intopoden. 725 die Beine der parasitischen Larven, wie auch die langen Beinend- glieder der sechsfüßigen Larven von Phoxichilidium in gleicher Weise um den Körper herum. Die Vertreter der Pantopoden mit dotterreichen Eiern können in zwei Kategorien eingeteilt werden. Die zu der einen derselben ge- hörigen Formen {Chaetonymphon) weisen keinerlei Abweichungen von dem gewöhnlichen Verlauf der Metamorphose an den Tag. Ihre Ver- wandlung ist eine sehr vollständige und außerordentlich successive. Die Metamorphose der zu der andern Kategorie gehörenden Formen {Pallene und PseudopaUene) ist im Gegenteil sehr stark abgeändert, sogar stärker als bei den Pantopoden mit entoparasitischen Larven. Angaben über die Metamorphose der soeben angeführten Formen müssen wir der Arbeit von Meinert (1899) entnehmen, da in den von Morgan (1891) an Pallene empiisa angestellten Beobachtungen eine ziemlich umfangreiche Lücke enthalten ist. Außer verschiedenen wichtigen Unterscheidungsmerkmalen (so z. B. der Einrichtung des Spinnapparats), unterscheidet sich die Entwicklung von Pallene und PseudopaUene wesentlich von derjenigen der übrigen Pantopoden in den zwei nachstehenden Merkmalen aus der Bildung der Extremitäten. Erstens macht das zweite und das dritte Beinpaar bei allen Panto- poden, wie wir gesehen haben, während der Metamorphose das Stadium von dreigliedrigen Extremitäten durch, sodann ein mehr oder weniger deutlich ausgesprochenes Stadium ihrer Keduktion und endlich eine Periode sekundärer Wucherung. Bei Pallene ist das erste dieser drei Stadien vollständig unterdrückt: die p^ und p^ werden nur in Gestalt kaum bemerkbarer Hügelchen angelegt, welche augenscheinlich immer- hin eine Periode der Reduktion durchmachen ; ein Stadium dreigliedriger p2 und p^ ist indessen nicht vorhanden. Das zweite Unterscheidungsmerkmal besteht darin, daß statt einer successiven und allmählichen Entwicklung der Schreitbeine von vorn nach hinten, die p* und p^ bei PseudopaUene die übrigen Beine beträchthch überholen, indem sie schon vollständig gegliederte Ex- tremitäten darstellen, während die p^ und p"^ noch das Aussehen kleiner stumpfer Auswüchse besitzen. Soweit ich nach den Zeichnungen von Meinert urteilen kann und auf Grund einiger zu meiner Verfüguiig stehender Entwicklungsstadien von PseudopaUene spinipes kann ich annehmen, daß die Larven dieser Form im Vergleich mit den Larven andrer Pantopoden in der Tat ein äußerst eigenartiges Aussehen be- sitzen. Der Reichtum der Eier an Nährmaterial kann demnach in viel 726 V. Dogiel, höherem Maße als ein verschiedene Abänderungen der Entwicklung hervorrufender Faktor angesehen werden, als die Lebensweise der Larvenstadien (so z. B. deren Entoparasitismus). b. Das Schicksal der f'^ und f^ während der Metamor- phose ist an verschiedenen Stellen der vorliegenden Arbeit schon ausführlich genug beschrieben worden, so daß ich mich hier auf folgende Bemerkungen beschränken kann. Auf Grund meiner Beobachtungen über Chaetonymphon kann man die Tatsache als endgültig festgestellt annehmen, daß die larvalen und die definitiven Extremitäten des zweiten und dritten Paares identisch sind. Die Frage darnach, wodurch die bei den Pantopoden so weit ver- breitete zeitweilige Atrophie der 2^^ und p^ hervorgerufen wird, kann man in nachstehender Weise beantworten : Die Ursache der Reduktion läßt sich auf die Notwendigkeit einer Anpassung der larvalen p^ und p^ an jene durchaus neue Funktionen zurückführen, welche ihnen bei dem erwachsenen Tier zukommen. Eine derartige Anpassung ist undenkbar ohne radikalen Umbau der p^ und p^, wodurch dieselben denn auch gezwungen sind, zeitweilig zum embryonalen Zustand zurückzukehren, d. h. zum Stadium kleiner Tuberkel. Die larvalen p^ und p^ sind in der Tat typische lokomotorische Hakenbeine, während bei dem erwachsenen Tier die p^ die Funktion von Tastern ausüben, die p^ dagegen zum Herumschleppen der Eier und zum Reinigen des Körpers von anhaftenden Fremdkörpern dienen (Prell, 1910). Es liegt demnach auf der Hand, daß ein Bein, um in einen Taster umgewandelt zu werden, wesentliche Abänderungen er- fahren muß, und im gegebenen Fall haben wir es mit einer Erscheinung der gleichen Art zu tun, wie bei der Verwandlung der Abdominal- segmente von Spirographis spallanzanii in thoracale Segmente, nachdem der vordere Körperabschnitt des genannten Wurms abgeschnitten worden ist (Ivanoff, 1912). c. Von ectodermalen Bildungen der Pantopodenlarven verdienen die Ventralorgane eine gewisse Beachtung. Darüber, welche Be- deutung diesen unzertrennlich mit dem centralen Nervensystem der Larven verbundenen Organen beizumessen ist, finden wir bei Morgan (1891) an verschiedenen Stellen seiner Arbeit verschiedene Angaben. An der einen Stelle hält er die Ventralorgane für eine Anhäufung von Teloblasten, welche die Ganglien des Nervensystems hervorgehen lassen. In einem andern Kapitel seiner Arbeit betrachtet Morgan die uns beschäftigenden Gebilde als ein Rudiment irgendwelcher Organe, welche bei den Vorfahren der Pantopoden funktionierten. Die gleiche Embr^'ologische Studien an Pantopoden. 727 Auffassung habe auch ich in meiner Arbeit vom Jahre 1911 ver- treten. Gegenwärtig jedoch scheint mir die teloblastische Bedeutung der Ventralorgane immer mehr und mehr Wahrscheinlichkeit zu erlangen. Die Ventralorgane stellen eingestülpte Ectodermbezirke dar, welche aus großen Zellen, Neurob lasten, bestehen. Letztere lassen durch ihre intensive Teilung Ganglienzellen entstehen. Das fernere Schicksal der Organe kann variieren. Bei den einen Pantopoden treten die Ventral- organe in den Bestand der Ganglien selbst und verschmelzen, nach- dem sie ihre Funktion erfüllt haben, mit der ganzen Ganglienmasse. Bei andern Pantopoden dagegen {Chaetonymphon) behalten sie eine von den Ganglien gesonderte Lage und erscheinen in Gestalt kleiner, einschichtiger zelliger Bläschen, welche mit dem betreffenden Ganglion vermittels eines Büschels von Nervenfasern kommunizieren. Allein auch hier verschwinden die Ventralorgane bei dem erwachsenen Tier mit der Zeit spurlos. Zugunsten eines teloblastischen Charakters der Ventralorgane spricht eine ganze Reihe von Angaben. Erstens spricht dafür die regel- mäßige Anordnung und die beträchtliche Größe ihrer Zellen, welche an die Neuroblasten vieler andrer Arthropoden erinnern; zweitens sind die Ventralorgane, wie dies schon von Morgan (1891) hervor- gehoben worden ist, die einzige Stelle der Ganglien, wo eine Teilung der Zellen (durch zahlreiche Mitosen) beobachtet wird. Drittens ist die scharf ausgesprochene Sonderung der Ventralorgane von den Ganglien eine verhältnismäßig seltene Erscheinung. Endlich haben wir in den gangliösen Einstülpungen verschiedener Aiachnoideen den Ventralorganen völlig analoge Bildungen. Bei den Arachnoideen unterscheiden sich die Elemente der Wandungen dieser Einstülpungen in histologischer Hinsicht so wenig von den Ganglien- zellen, daß die Einstülpungen selbst keiner besonderen Bezeichnung, in der Art von »Ventralorgane«, bedürfen. Ich glaube mich daher völlig Heymons anschließen zu können (1901, S. 127 u. 128), welcher die Bedeutung der Ventralorgane als selbständige Bildungen (Sinnesorgane oder dergleichen) leugnet und sie für einfache »Bildungsherde« für die Ganglien des Nervensystems hält. In wie weit die Anordnung der Ventralorgane einen streng meta- meren Charakter aufweist, ist schwer zu entscheiden. Bezüglich der Organe der Bauchnervenkette wird man die Metamerie der Anordnung bedingungslos zugeben können. Wollte man das gleiche auch für den 728 V. Dogiel, präoralen Körperabschnitt annehmen, so müßte derselbe aus einem Segment bestehen, da ich in ihm nur ein einziges Paar typischer Ventral- organe gefunden habe. Zieht man übrigens die Übereinstimmung in der Innervation der Augen mit der Innervation der Ventralorgane in Betracht, so wird man bei der Bildung des präoralen Abschnitts die Anteilnahme einer größeren Anzahl von Segmenten zugeben können. Gegen eine vollständige Metamerie der Ventralorgane spricht namentlich der Umstand, daß bei Scolopendra (Heymons, 1901, S. 125) eine mit einem Ventralorgan durchaus übereinstimmende Bildung von der Wand des Stomodäums gebildet wird und das Ganglion frontale des sympatischen Nervensystems hervorgehen läßt. d. Die Herkunft des postembryonalen Mesoderms ist in meiner Arbeit leider nicht vollkommen genug aufgeklärt worden, weshalb ich es nicht wage, die Entwicklung der Pantopoden in dieser Hinsicht mit derjenigen der übrigen Arthropoden zu vergleichen. Ich glaube eine Tatsache als unbedingt erwiesen hervorheben zu können, und zwar das ausnahmslose Fehlen von Cölomsäcken auf allen Stadien der Entwicklung der Pantopoden. Sowohl bei der sechsfüßigen Larve, wie auch später, haben die Mesodermanlagen das Aussehen massiver Zellenanhäufungen. e. Die Entstehung des Herzens der Pantopoden ist ganz eigenartig, wie man dies unter Berücksichtigung seines originellen anatomischen Baues auch voraussetzen konnte. Das Herz der Panto- poden (DoHRN, 1881) stellt nicht etwa eine selbständige Köhre dar, gleich dem Herzen der übrigen Arthropoden, sondern es besteht nur aus zwei längsgerichteten verticalen Membranen, welche zwischen der Rückenwand des Körpers und dem Darm ausgespannt sind. Das Herz besitzt demnach an seinen dorsalen und ventralen Flächen keine eignen Wandungen. Die Bildung des Herzens (siehe oben) erfolgt in sehr einfacher Weise, und zwar auf Kosten jener dünnen Bindegewebs- stränge, durch welche der Darm mit den Wandungen des Körpers verbunden ist. In seiner Entstehungsweise unterscheidet sich das Herz in keiner Weise von der horizontalen Membran, welche die Höhle des Körpers in einen dorsalen und einen ventralen Abschnitt einteilt. Irgendwelche spezielle Cardioblasten, auf deren Kosten das Herz der meisten übrigen Arthropoden gebildet wird, habe ich nicht finden können und vermute, daß solche hier fehlen. Die Wandungen des Herzens bewahren bis zu den spätesten der von mir untersuchten Stadien ihren bindegewebigen Charakter. Die Anlage der zukünftigen Muskelschicht wird vielleicht durch die Embryologische Studien an Pantopoden. 729 Anhäufung von Kernen in den intersegmentalen Bezirken der Herz- wandungen gebildet. Den eigenartigen Charakter des Ursprungs des Herzens wird man wahrscheinlich dadurch erklären können, daß Car- dioblasten nur da angetroffen werden, wo sich mehr oder weniger deutlich ausgesprochene Mesodermstreifen finden, sowie Somiten, welche sich zu den Seiten des Darmes weit nach oben erstrecken. In- -dessen ist das postembryonale Mesoderm der Pantopoden, wie wir gesehen haben, nur sehr schwach ausgebildet und konzentriert sich hauptsächlich in den Anlagen der Gliedmaßen. f. Die Genitalanlage der Pantopoden ist vor allem durch ihre sehr späte Differenzierung ausgezeichnet. Die determinative Natur der Furchimg einerseits und die frühe Absonderung der Genitalzellen bei den verschiedenartigsten Pantopoden anderseits, gestatten die Annahme, daß die Genitalanlage sich bei den Pantopoden im Ver- gleich zu andern Elementen des Embryos mehr oder weniger früh ab- sondert. In Wirklichkeit treten Komplexe von Genitalzellen schon vor Beendigung der Metamorphose auf. Ich habe bereits von den Ursachen gesprochen, welche mich daran hindern die sogenannten excretorischen Zellen der Larven für Genitalzellen anzusehen, obgleich der Gedanke an eine derartige Bedeutung der erwähnten Zellen mir häufig gekommen war; andre Zellen, in denen man die Genital- anlage hätte erblicken können, sind in dem Körper der sechsfüßigen Larve indessen nicht vorhanden. Wie dem nun auch sein mag, so kann ich mich doch nur schwer mit der Annahme einer späten Ab- sonderung der Genitalzellen versöhnen und beabsichtige in nächster Zeit meine Beobachtungen nachzuprüfen. Beachtung verdient auch die metamere Anordnung der Genital- zellen bei den Larven von Phoxichilus und ChaetonympJion. Es versteht sich von selbst, daß die metamer angeordneten Gruppen von Genital- zellen wahrscheinlich aus einer gemeinsamen primären Genitalanlage hervorgehen. Man wird demnach nachstehendes Schema für die Ent- wicklung des Genitalsystems bei den Pantopoden geben können. Ein Paar Urgenitalanlagen (welche höchst wahrscheinlich aus einer einzigen >>Urkeimzelle << entstehen), lassen metamer angeordnete Gruppen von Genitalzellen aus sich hervorgehen. Letztere verschmelzen hierauf jederseits zu einem massiven Strang. Beide Stränge verbinden sich auf späteren Stadien miteinander oberhalb des Darmes, und zwar ent- weder auf ihrem ganzen Verlauf {Phoxichilidium nach Loman, 1907), oder aber nur an der Basis des Hinterleibes (die übrigen Pantopoden). Das Stadium der metamer angeordneten paarigen Gruppen von 730 V. Dogiel, Genitalzellen erinnert an die Entwicklung der Insekten. Dieses Merk- mal spricht indessen natürlich nicht für irgendwelche genetische Ver- wandtschaft der Pantopoden mit den Tracheaten, sondern es weist vielmehr auf die große Ursprünglichkeit des Charakters der Entwick- lung des Genitalsystems bei den Pantopoden hin (vgl. die Annelida Polychaeta). Phylogenetische Schlußfolgerungen. Einen der obligatori- schen Paragraphen einer jeden embryologischen Arbeit bildet das von den phylogenetischen Beziehungen der betreffenden Tiergruppe han- delnde Kapitel. Es ist dies durchaus verständlich, indem die Phylogenie irgendeiner Gruppe von Tieren mehr als zur Hälfte auf dem biogene- tischen Gesetz der Entwicklung begründet ist. Die Embryologie der Pantopoden liefert, wie wir sofort sehen werden, eine gewisse Grund- lage für die Entscheidung der Frage nach der Abstammung dieser Arthropoden. Die drei am meisten verbreiteten Auffassungen von der Phylogenie der Pantopoden bestehen darin, daß nach der einen derselben die Pantopoden Verwandte der Krebse darstellen, nach der andern sie zu den Arachnoideen zu stellen sind, während die Vertreter der dritten Auffassung die Pantopoden direkt von den Anneliden herleiten, und zwar als eme Gruppe, welche weder mit den Crustaceen, noch mit den Arachnoideen in unmittelbarem Zusammenhang stehen. Eine der neuesten und ausführlichsten Arbeiten über die Embryo- logie der Pantopoden, und zwar der Aufsatz von Meisenheimek (1902) enthält zahlreiche Beweisgründe, welche zugunsten der ersten der oben angeführten Annahmen sprechen. Meisenheimek findet vor allem eine Ähnlichkeit in der Gastrulation von Ämmothea mit derjenigen der Entomostraken (namentlich von Branchi'pus und Chondracanthus) ; indessen hebt er die wesentliche Übereinstimmung der Larvenformen beider Tiergruppen (des Nauplius und der sechsfüßigen Larve) ganz besonders hervor. Außer der gleichen äußeren Gestalt findet Meisen- heimer bei den miteinander verglichenen Formen auch noch eine Über- einstimmung in der Einrichtung der Extremitätendrüsen, des centralen Nervensystems, der Sehorgane, des Darmes und zum Teil auch der Muskulatur. Die Vergleichung mit dem Nawplius wird von Meisenheimek sehr gut durchgeführt, und ich muß bemerken, daß ich selbst das Verzeichnis der auf einen Zusammenhang zwischen den Pantopoden und Crustaceen hinweisenden Merkmale durch eine Reihe neuer An- gaben ergänzen kann. Erstens besitzen die Pantopoden eine deter- Ernbryologische Studien an Panto|)oclen. 731 minative Entwicklung imd dazu noch von ganz gleichem Typus, wie die Crustacea Entomostraca. Die- Ähnlichkeit mit den Copepoda und Cirn'pedkt kann, wie wir schon gesehen haben, bis in Einzelheiten durchgeführt werden. Das Entoderm und das Mesoderm der Embryonen der Pantopoden sind den entsprechenden Bildungen bei den Ento- mostraken durchaus homolog. Wenn zweitens die Anlage der j)^ bei Pyciiogonum in Gestalt eines gewöhnlichen Schreitbeins und die spätere Verwandlung desselben in eine Schere auch nicht direkt zugunsten der ersteien Auffassung Zeugnis ablegt, so spricht sie doch jedenfalls gegen eine Verwandtschaft der Pantopoden mit den Arachnoideen. Bei den Arachnoideen ist der scherenähnliche Bau der Cheliceren ein primäres Merkmal ; es wird dies durch die Entwicklung von Ischno- colus (ScHixMKEWiTSCH, 1911) besonders gut verdeutlicht, bei dem die Cheliceren vor dem Ausschlüpfen aus dem Ei das Aussehen von Scheren aufweisen. Im Gegensatz hierzu zeigt uns die Entwicklungsgeschichte von Pycnogonum, daß bei den Pantopoden die Scheren eine sekundäre Bildung darstellen. Das dritte der von mir anzuführenden Merkmale endlich besteht in der Möglichkeit die excretorischen Zellen der Panto- podenlarven mit den Augendrüsen des Nauplius von Lernaea zu ver- gleichen (Pedaschenko, 1898). In der Tat besitzen beide verglichene Gebilde die gleiche Anordnung und einen ähnhchen Ursprung (aus dem Mesoderm). Die Zusammensetzung der Augendrüsen von Lernaea aus vielen Zellen hindert eine Vergleichung nicht, indem bei Chaeto- nymphon jederseits mehrere excretorische Zellen vorhanden sind. Eine Verwandtschaft der Pantopoden mit den Arachnoideen ist in letzterer Zeit durch Morgan (1891) und Meinert (1899) vertreten worden. Die Entwicklung des Nervensystems, wie sie aus der Be- schreibung hervorgeht, sowne die Anwesenheit von Höhlungen in den Ganglien (in Gestalt der Ventralorgane) weisen in der Tat eine gewisse Ähnlichkeit auf. Allein abgesehen von diesem einen Merkmal ist in der ganzen übrigen Entwicklung der beiden miteinander verglichenen Gruppen nichts gemeinsames zu bemerken, so daß die Annahme einer gewissen Verbindung zwischen den Pantopoden und den Arachnoideen meiner Ansicht nach endgültig fallen gelassen werden muß. Besprechen wir nunmehr, um dies zu beweisen, die verschiedenen Argumente, welche von Morgan und Meisenheimer zugunsten ihres Gesichtspunktes vorgebracht werden. Nach Morgan ist die Verwandtschaft mit den Arachnoideen bei den Pantopoden vor allem in der Bildung des Entoderms durch multi- polare Delamination und durch die iVnwesenheit von Cölomsäcken in 732 V. Dogiel, den Anlagen der Beine ausgesproclien. Wie aus meiner Arbeit hervor- geht, finden wir bei den Pantopoden weder eine Delamination noch Cölomsäcke. Ein weiteres übereinstimmendes Merkmal bietet die Anwesenheit in die Beine hereinreichender Darmdivertikel bei beiden Gruppen. Eine Ähnlichkeit in dieser Hinsicht läßt sich nicht ableugnen, allein Meisenheimer ist bemüht, die Bedeutung dieses Merkmals abzu- schwächen, indem er behauptet, auch die Crustaceen neigten zur Bil- dung seitlicher Einstülpungen des Darmes {Daphnia, Larve von Apus), welche bei ihnen nur schwächer ausgesprochen sind. Der scherenartige Charakter des ersten Extremitätenpaares ist bei beiden Gruppen, wie dies aus dem oben Gesagten hervorgeht, höchst- wahrscheinlich das Ergebnis einer Konvergenz, nicht aber eines gene- tischen Zusammenhangs zwischen den Pantopoden und den Arach- noideen. Die von Meinert vorgebrachten Argumente fallen zum Teil zu- sammen mit den soeben erörterten. Als neu erscheint folgendes: 1) Der Schnabel der Pantopoden kann mit dem Rostrum der Arachnoideen verglichen werden (siehe oben). 2) Die Spinndrüsen der Pantopoden- larven sind den Chelicerengiftdrüsen der Arachnoideen homolog. Diese Behauptung ist so sehr unbegründet, daß sie mit Stillschweigen über- gangen werden kann. 3) Die Pantopoden sind, im Gegensatz zu den Crustaceen, mit Nebenkrallen versehen. Ich bin geneigt das Vorhanden- sein von Ergänzungskrallen bei den Pantopoden auch in dieser Hinsicht als eine nur zufällige Übereinstimmung mit den Arachnoideen anzu- sehen. Die ursprüngliche, oder die Grundform der Pantopodenextre- mität erblicke ich in den drei vorderen Beinpaaren, welche niemals Ergänzungskrallen tragen. Erkennen wir indessen eine Verwandtschaft zwischen den Pantopoden und den Arachnoideen an, so würden wir die p^ der Pantopoden mit dem ersten Paar von Schreitbeinen der Spinnen vergleichen und Ergänzungskrallen an ihnen finden müssen. Die Pantopoden weisen demnach zu wenig gemeinsame Züge mit den Arachnoideen auf, als daß wir von einer Verwandtschaft dieser Tiere untereinander reden könnten. Was die Frage darnach betrifft, ob die Pantopoden und Crustaceen aus einer gemeinsamen Wurzel entstanden sind, oder ob beide Gruppen ganz unabhängig voneinander von den Anneliden herstammen, so läßt sich dieselbe wohl kaum mit völliger Sicherheit beantworten. Eine große und mannigfaltige Übereinstimmung zwischen der Entwicklung der Pantopoden und derjenigen der Entomostraken läßt Embryologische Studien an Pantopoden. 733 sich nicht leugnen; sie tritt in einer ganzen Reihe von Merkmalen zu Tage. Man wird aber gleichzeitig auch auf einige wesentliche Züge im Bau der Pantopoden hinweisen müssen, welche sich in keiner Weise mit der Organisation der Crustaceen vergleichen lassen. Der Schnabel und die Einästigkeit der Extremitäten legt ein gewichtiges Zeugnis ab gegen eine nahe Verwandtschaft mit den Crustaceen. Die zwei- ästige Extremität wird beiden Krebsen überall angetroffen, bis zu deren höchststehenden Vertretern; dieses Merkmal wird weder durch die Lebensweise, noch durch partielle Unterdrückung der Metamor- phose verwischt (viele Decapoda Macrura). Bei den Pantopoden können dagegen nicht die geringsten Hinweise auf einen früheren zweiästigen Charakter der Beine angeführt werden. Aus diesem Grunde ist es wohl am richtigsten, die Pantopoden und die Crustaceen als zwei gleichwertige Klassen der Arthropoden anzu- sehen, welche von einer Gruppe der Anneliden divergieren. Wo sich aber der Ausgangspunkt der Divergenz befindet, ob unter den Anne- liden selbst, oder höher, in einer Gruppe irgendwelcher hypothetischer Protost raca, läßt sich schwer entscheiden. Indem ich meine Arbeit beschließe, halte ich es für meine angenehme Pflicht, meinen Lehrern, den Herren Professoren M. T. Schew'iakofp und M. A. ScHiMKEWiTSCH für ihr ständig an den Tag gelegtes teil- nehmendes Interesse an meiner Arbeit meinen herzlichsten Dank aus- zusprechen. Ich benutze die Gelegenheit, die Herren K. M. Derjugin, G. A. Kluge und D. M. Fedotof, welche mir durch Sammeln von Material behilflich waren, sowie die physiko-mathematische Fakultät der Uni- versität zu St. Petersburg, die mir die Mittel für die Ausführung der Zeichnungen für meine Arbeit bewilligte, meiner aufrichtigen Erkennt- lichkeit zu versichern. St. Petersburg, im Oktober 1913. Literaturverzeichnis. 1888. G. Adlerz, Bidrag tili Pantopodernes morfologi ocli utvecklings historia. Bih. Svenska Vet. Akad. Handl. Bd. XIII. Afd. 4. 1908 M. Agar, Note on the early development of a Cladoceran (Holopedium gibberum). Zool. Anz. Bd. XXXIII. S. 420—427. 1902. M. BiGELOW, The early development of Lepas. Bull. Harv. Coli. Vol. XV. Nr. 2. 12 Plates. 734 V. Dogiel, 1892. A. Brauer, Über das Ei von Branchipus grubei von der Bildung bis zur Ablage. Abb. Akad. Wiss. Berlin. S. 1—66. 3 Tafeln. 1882. Lucifer Brooks, A Study in Morphology. Philosophical Transact. London. Vol. CLXXIII. 1907. G. Carpenter, Pycnogonidae of the Percy Sladen Trust Expedition to the Indian Ocean. 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Embryo von der Ventralseite gesehen; Stadium des Auftretens der medianen Ventralfurche. Fig. 3. Pi des Embryos mit noch nicht zur Entwicklung gelangtem unbe- weghchen Scherenast. Ocul. 4; Object. Hom. Imm. 1/12 mm. Fig. 4. Längsschnitt durch die p^ der sechsfüßigen Larve mit den Spinn- drüsen und einer Hautdrüse {Hd2) und der Ausmündung. Ocul. 4; Object. 4 mm. Fig. 5. P2 einer sich zur ersten Häutung vorbereitenden sechsfüßigen Larve. Ocul. 4; Object. Hom. Imm. 1/12 mm. Fig. 6. Hydrant von Clava multicornis mit einer an seiner Basis sitzenden Larve von Pycnogonum. Embryologische Studien an Pantopoden. 737 Fig. 7. Oberes Schlundganglion der Larve mit seinen Ventralorganen ( Vo). Ocul. 4; Object. 4 mm. Fig. 8. Zellen mit Concrctionen aus der Leibeshöhle der Larven. Ocul. 4; Object. Hom.Imm. 1/12 mm. Fig. 9. Schräger Schnitt durch die p^ mit den Spinndrüsen (Spdr) und Scherendrüsen (Schdr.). Ocul. 4; Object. Hom. Imm. 1/12 mm. Fig. 10. Querschnitt durch die p^ auf dem Niveau der Spinn- und Scheren- drüsen. Ocul. 4; Object. Hom. Imm. 1/12 mm. Fig. 1 1 . Extremität des zweiten Paares einer sechsfüßigen Larve. Im Innern der Extremität Blutzellen und die Drüse (Dr) des Basalgliedes des Beines. Ocul. 4; Object. 4 mm. Fig. 12. Schnitt durch einen Bezirk der Hydrorhyza von Clava und das Vorderende einer an ihr befestigten Larve. R, Schnabel der Larve. Ocul. 4; Object. 4 mm. Fig. 13. Querschnitt durch eine Larve. FK, Zellen mit Concrctionen. Ocul. 4; Object. 8 mm. Fig. 14. Sagittalschnitt durch ein auf dem Stadium der Rückbildung der pi fixierten Larve, i?, Schnabel; S, Sehne. Ocul. 4; Object. 8 mm. Fig. 15. Sagittalschnitt durch die atrophierendcn p^ der auf Fig. 14 ab- gebildeten Larve. Ruz, runde, das Produkt der Zerstörung von Muskelfasern der pi darstellende ZeUen ; Spdr, Überreste der Spinndrüsen. Ocul. 4; Object. 4 mm. Fig. 16. Querschnitt durch den Darm einer sechsfüßigen Larve. Dz, im Innern einer Darmepithelzelle der Verdauung xmterHegende Dotterzelle. Ocul. 4; Object. 4 mm. Fig. 17. Querschnitt durch das Vorderende einer Larve; Au, Augen; Schk, Schlundcommissuren ; Exz, Excretorische Zellen. Ocul. 4; Object. 4 mm. Fig. 18. Querschnitt, etwas hinter dem in Fig. 17 dargestellten, geführt; D, Anfang des Mitteldarms; Dr, Drüsen der Speiseröhre. Ocul. 4; Object. 4 mm. Tafel XVIII. Alle Abbildungen (mit Ausnahme der Fig. 20 — 23) beziehen sich auf die Entwicklung von Nymphon strötnii. Fig. 1. Embryo von Nymphon strömii. Ocul. 8; Object. 8 mm. Fig. 2, Sechsfüßige Larve mit auftretenden Anlagen der p*; Rdr, Schnabel- drüse; Rg, Schnabelganglion. Ocul. 8; Object. 8. Fig. 3. Glatte MuskcKaser aus der Leibeshöhle einer sechsfüßigen Larve. Ocul. 4; Objekt. Hom. Imm. 1/12 mm. Fig. 4. Runde ZeUe einer Hautdrüse mit Belagzellen. Ocul. 4; Object Hom. Imm. 1/12 mm. Fig. 5. Querschnitt durch eine sechsfüßige Larve; Dd, seithche Darm- divertikel. Ocul. 4; Object. 4 mm. Fig. 6. a, Riesenkern; b, normaler Kern eines in der Furchung begriffenen Kernes von Nymphon strömii. OcOl. 8; Object. Hom. Imm. 1/12 mm. Fig. 7. Kern aus einer Ectodermzelle eines Embryos von Nymphon. Ocul. 8; Object. Hom. Imm. 1/12 mm. Fig. 8 — 12. Verschiedene Stadien des Zerfressens des Dotters durch Dotter- keme; K, Kern. Ocul. 4; Object. Hom. Imm. 1/12 mm. 48* 738 V. Dogiel, Fig. 13. Frontalschnitt durch einen Embryo; Spdr, Spinndrüse. Ocul. 4; Object. 4 mm. Fig. 14. Zellen mit Concretionen aus der Leibeshöhle einer sechsfüßigen Larve. Ocul. 4; Object. Hom. Imm. 1/12 mm. Fig. 15. Schnitt durch das Basalghed der p* einer sechsfüßigen Larve mit dem Dorn des BasalgUeds, der dem Dorn entsprechenden Drüse {Dr) und einer den Chitinbelag des Drüsenausführganges ausscheidenden Zelle. Ocul. 4; Object. Hom. Imm. 1/12 mm. Fig. 16. Letztes Glied der p2 einer sechsfüßigen Larve. Ocul. 4; Object. Hom. Imm. 1/12 mm. Fig. 17. Excretorische Zeilen der sechsfüßigen Larve nach deren Färbung mit Neutralrot. Ocul. 4 mm; Object. Hom. Imm. 1/12 mm. Fig. 18. Sagittalschnitt durch eine sechsfüßige Larve. Mstr.. den Darm mit der Hypodermis verbindender Strang; Spdr, Spinndrüse; Ventralorgan eines Ganglions der Schlundcommissur. Ocul. 4; Object. 4 mm. Fig. 19. Excretorische Zelle einer sechsfüßigen Larve. Subhmat; Borax- carmin. Ocul. 4; Object. Hom. Imm. 1/12 mm. Fig. 20. Chaetonymphon. Sechsfüßige Larve von der Ventralseite gesehen; Hdr, Ausmündung der Hautdrüsen, Ocul. 4; Object. Nr. 3 Reicheet. Fig. 21. Chaetonymphon. Larve des IL Stadiums mit Anlagen der p*. Ocul. 4; Object. 2 Leitz. Fig. 22. Chaetonymphon. Zwei excretorische Zellen nach Färbung mit HElDENHAiNSchem Hämatoxylin und Eosin. Ocul. 4; Object. Hom. Imm. 1/12 mm. Fig. 23. Chaetonymphon. Larve des III. Stadiums; Spf, Spinnfaden. Ocul. 4; Object. 2 Leitz. Fig. 24. Extremität des ersten Paares einer sechsfüßigen Larve von Nym- phen strömii. Ocul. 4; Object. 4 mm. Fig. 25. Nymphen strömii. Kern einer Eizelle mit ihn umgebenden Dotterkörnchen. Ocul. 4; Object. Hom. Imm. 1/12 mm. Tafel XIX. Alle Abbildungen (mit Ausnahme der Fig. 6 u. 13) beziehen sich auf die Entwicklung von Eudeis spinosus. Fig. 1. Sechsfüßige Larve; Gg, oberes SchlundgangUon; Hdr, Hautdrüsen; M, Muskeln; Schdr, Scherendrüse. Ocul. 8; Object. 8 mm. Fig. 2. Larve des IL Stadiums; Dd, seitliche Darmdivertikel; Mstr, Binde- gewebsstränge zwischen Darm und Hypodermis; Vo, Ventralorgane. Ocul. 8; Object. 8 mm. Fig. 3. Larve des III. Stadiums; A, After. Ocul. 4; Object. 8 mm. Fig. 4. Larve des IV. Stadiums; Ocul. 4; Object. Nr. 3 Reichert. Fig. 5. Querschnitt durch die Ventralorgane, von denen sich die Zellen eines zukünftigen BauchgangUons abzusondern beginnen. Ocul. 4; Object. Hom. Imm. 1/12 mm. Fig. 6. Chaetonymphon. Zellen mit Einschlüssen aus der Leibeshöhle einer Larve. Ocul. 4; Object. Hom. Imm. 1/12 mm. Fig. 7. Hydrant von Obelia mit an ihm festgeklammerter Larve des III. Stadiums. Ocul. 4; Object. Nr. 3 Reichert. Embryologische Studien an Pantopoden. 739 Fig. 8. Larve des IV. Stadiums auf einem Hydrant von Obelia. Ocul. 4; Object. Nr. 3 Reichert. Fig. 9. Querschnitt durch eine Larve des VII. Stadiums zwischen den p* und p°; Gen, Geschlechtsdrüsen; U, Herz. Ocul. 4; Object. 4 mm. Fig. 10. Vorderende einer Larve des VIT. Stadiums; die rechte und linke Hälfte der Zeichnung stellen verschiedene Phasen in der Reduktion der p'^ dar. Aus zwei Präparaten combiniert. Ocul. 4; Object. Nr. 3 Reichekt. Fig. IL Den Körper durchsetzende Querscheidewand mit in derselben sich differenzierenden GenitalzcUen {gen). Ocul. 4; Object. Hom. Imm, 1/12 mm. Fig. 12. Querschnitt durch die pi einer Larve auf dem Niveau der Spinn- und Scherendrüsen (Schdr). Ocul. 4; Object. Hom. Imm. 1/12 mm. Fig. 13. Chaetonymphon. Querschnitt durch eine Larve mit Anlagen der Genitaldrüsen (gen) im Innern einer die Leibeshöhle durchsetzenden Scheidewand. Ocul. 4; Object. 4 mm. Tafel XX. Alle Abbildungen beziehen sich auf die Entwicklungsgeschichte von Ammo- thea laevis. Fig. 1. Sechsfüßige Larve, in der für sie charakteristischen Stellung auf einem OöcZia -Hydrant sitzend. Fig. 2. Querschnitt durch den Schnabel im Niveau der Schnabeldrüsen. Fig. 3. Sechsfüßige Larve. Hdr, Hautdrüsen; Rdr, Schnabeldrüsen; Rg^ Schnabelganglion; Schdr, Scherendrüse. Fig. 4. Larve des IL Stadiums. Vo, Ventralorgane der GangUen des Seg- ments der f*. Fig. 5. Larve des III. Stadiums von der Dorsalseite gesehen; Exz, excre- torische Zellen. Fig. 6. Gipfel des Schnabels einer sechsfüßigen Larve. Fig. 7. Querschnitt durch eine Larve des IV. Stadiums auf dem Niveau des oberen Schlundganglions und der zwei ersten Bauchganglien {g^ und g^). Fig. 8. Larve des IV. Stadiums. Fig. 9. Larve des V. Stadiums. Fig. 10. Larve des VI. Stadiums (die p2 sind auf dem Körper als Hinter- grund schlecht zu sehen). Fig. 11. Larve des VII. Stadiums; Sfdr, Überreste der Spinndrüsen. Tafel XXI. Alle Abbildungen (mit Ausnahme der Fig. 8 und 10) beziehen sich auf die Entwicklungsgeschichte von Anoplodactyliis petiolaius. Fig. 1. Sechsfüßige Larve. Ocul. 8; Object. 8 mm. Fig. 2. Larve des IL Stadiums; Schdr, Scherendrüsen. Ocul. 8; Object. 8 mm. Fig. 3. Larve des IIL Stadiums mit Rudimenten der p2 xmd p*. Ocul. 4; Object. 8 mm. Fig. 4. Larve des IV. Stadiums. Ocul. IV; Object. 8 mm. Fig. 5. Larve des V. Stadiums von der Ventralseite gesehen. Ocul. 4; Object. Nr. 3 Reicheet. 740 V. Dogiel, Fig. 6. Larve des V. Stadiums von der Dorsalseite gesehen; A, After. Ocul. 4 ; Object. Nr. 3 Reichert. Fig. 7. Querschnitt durch die Extremitäten des V. Stadiums. Zwischen dem Ectoderm und den Darmdivertikeln sind hier und da Mesodermzellen zu sehen. Ocul. 4; Object. 4 mm. Fig. 8. Phoxichilidium. Frontalschnitt durch eine sechsfüßige Larve; Schk, Schlundcommissuren; M, Muskeln. Ocul. 4; Object. Hom. Imm. 1/12 mm. Fig. 9. Vordere Extremität einer Larve von Anoplodactylus nach einem Totalpräparat. D, Darmdivertikel ; M, Muskeln; N, Extremitätennerv, mit Verästelungen zu den Muskeln. Ocul. 8; Object. 8 mm. Fig. 10. Phoxichilidium. Sechsfüßige Larve. Ocul. 8; Object. 4 mm. Fig. 11. Schnitt durch einen Darmwandabschnitt einer Larve von Ano- plodactylus. Ocul. 4; Object. Hom. Imm. 1/12 mm. Fig. 12, Dasselbe. Na, Nahrungseinschlüsse in den Zellen des Darm- epithels. Ocul. 4; Object. Hom. Imm. 1/12 mm. Fig. 13. Schnitt durch den vorderen Teil des Nervensystems einer Larve des V. Stadiums. Gg, oberes SchlundgangUon, auf welches die Speiseröhre und die zwei ersten Ganglien der Bauchnervenkette folgen; p^, Rudiment des dritten Extremitätenpaares. Ocul. 4; Object. 4 mm. Fig. 14. Frontalschnitt durch das hintere Körperende einer Larve des V.Stadiums; A, After. Ocul. 4; Object. 4 mm. Tafel XXII. Die Fig. 1 — 8 beziehen sich auf Anoplodactylus pygmaeus, die Fig. 9 — 13 auf A. petiolatus. Fig. 1. Befestigung der sechsfüßigen Larve an dem Hydrant von Obelia. Ocul. 8; Object. 8 mm. Fig. 2. Sechsfüßige Larve; Hdrl — Hautdrüsen?. Ocul. 4; Object. Hom. Imm. 1/12 mm. Fig. 3. Larve des IL Stadiums mit Überresten der p^ und p^. Ocul. 8; Object. 8 mm. Fig. 4. Larve des IV. Stadiums; Voo, Ausmündung des Ventralorgane. Ocul. 8; Object. 8 mm. Fig. 5. Larve des V. Stadiums; A, After. Ocul. 8; Object. Nr. 3 Reichert. Fig. 6. Hydrant von Obelia mit in seinem Innern parasitierender Larve. Ocul. 4; Object. Nr. 3 Reichert. Fig. 7. Auf einem Hydrant von Obelia ectoparasitierende Larve des V. Stadiums. Ocul. 4; Object. Nr. 3 Reichert. Fig. 8. Sechsfüßige Larve in der EihüUe. Ocul. 4; Object. Hom. Imm. 1/12 mm. Fig. 9. Querschnitt durch die pi einer Larve des V. Stadiums; im Innern die großen Zellen der Scherendrüsen. Ocul. 4; Object. Hom. Imm. 1/12 mm. Fig. 10. Dasselbe. Längsschnitt. Ocul. 4; Object. 4 mm. Fig. 11. Querschnitt durch ein Bauchganglion mit dessen Ventralorgan Ocul. 4; Object. Hom. Imm 1/12 mm. Embryologische Studien an Pantopoden. 741 Fig. 12. Querschnitt durch das obere Schlundganglion mit dessen Ventral - organ (es ist nur die eine Hälfte der Schnitte abgebildet). Ocul. 4; Object. Hom. Imm. 1/12 mm. Fig. 13. Querschnitt durch eine Larve des IV. Stadiums auf dem Niveau der p*. Schdr, eine Zelle der Scherendrüsen. Der Schnitt ist etwas schräg geführt worden. Ocul. 4; Object. 4 mm. Bei der Anfertigung der Zeichnungen benutzte ich ein Compensationsocular und die Serie von Apochromatin eines ZEissschen Mikroskops; die Fälle, wo Objective von Reichert und Leitz zur Anwendung kamen, sind besonders ver- merkt worden. Zur Morphologie der unpaaren Flossen. III. Die Entwicklung des Skelettes der hypochordalen Caudaüs von Pristiurus und der unpaaren Flossen von Aoipenser. Von J. J. Schmalhausen, Privatdocent und Assistent am vergleichend-anatomischen Institut der Universität Moskau. Mit Tafel XXIII. Die vorliegende Arbeit enthält einige nachträgliclie Beobaclitungen, welche meine früheren Angaben über die Flossenentwicklung i vervoll- ständigen sollen. Der Liebenswürdigkeit meines Kollegen, Herrn M. Makuschok verdanke ich es, ein reichliches Material von Aci'penser ruthenus zur Verfügung zu haben; ich spreche ihm hier meinen besten Dank dafür aus. Kürzer gefaßt, sind diese Beobachtungen schon in meiner russischen Arbeit über die unpaaren Flossen gedruckt^. I. Die Entwicklung des Skelettes der hypochordalen Caudalis von Pristiurus melanostomus. Bei einem Embryo von Pristiurus melanostomus, welcher ungefähr 30 mm lang war (genau konnte ich ihn nicht messen, weil der Kopf abgeschnitten war) finde ich eine ganze Keihe noch ziemlich kurzer EJQorpelradien, welche mit den entsprechenden Hämalbögen ein Kon- tinuum bilden und deren untere Enden in eine Mesenchymmasse ein- gebettet sind; in dieser Mesenchymmasse können wir einen Überrest der früher beschriebenen skeletogenen Platte erkennen. Die Knorpel- radien der hypochordalen Caudalis erscheinen also, wenigstens in dem mittleren und hinteren Teile der Flosse, als untere Fortsätze der Bögen ; proximal bestehen sie aus richtigem Knorpelgewebe, welches distal wärts allmähUch in jüngeres Gewebe und schheßUch in das dicke Mesenchym 1 Zur Morphologie der unpaaren Flossen I und II. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. C. 1912 und Bd. CIV. 1913. * Die unpaaren Flossen der Fische und deren Phylogenese. Memoires de la Societe des Naturalistes de Kieff. T. XXIII. 1913. Zur Morphologie der unpaaren Flossen. III. 743 des erwähnten skeletogenen Streifens übergeht. Wir können hieraus schließen, daß die histologische Differenzierung dieser Skeletteile in axifugaler Richtung fortschreitet. Ebenso wie es bei andern Selachiern geschieht, wird das skeletogene Mesenchym zwischen den Radien- anlagen allmählich lockerer, und zwar ebenfalls erst in den proximalen Teilen der Platte und dann allmählich weiter distalwärts — das Mesen- chym wird mit der Ausbildung der Radienanlagen aufgebraucht, und es spielt dann auch noch längere Zeit im appositioneilen Wachstume derselben eine große Rolle (als distaler Mesenchymstreifen), bis es endlich in späteren Stadien ohne Rest aufgebraucht wird. Wichtiger sind die Befunde am vorderen Ende der Skeletanlage. Auf der Fig. 1 ist dieses Stadium rekonstruiert. Das vordere Ende der skeletogenen Mesenchymplatte ist noch unberührt erhalten (Sk.Pl), weiter sind aber Differenzierungen in derselben eingetreten — bei c ist eine starke Mesenchymverdichtung zu sehen, welche gegenüber einem mit ihren Enden eben nur zusammengetroffenem Hämalbogenpaare liegt, ohne dasselbe zu berühren, und nicht anders als eine Radienanlage gedeutet werden kann ; bei b und a sind eine prochondrale und eine junge Knorpel- anlage zu sehen, welche, wenn auch nicht ganz von den entsprechenden Bogenpaaren unabhängig erscheinen, so doch einen gewissen Grad von Selbständigkeit zeigen: diese Anlagen sind nämlich gleichmäßig aus wenig differenziertem Gewebe aufgebaut, welches von den Hämal- bögen durch eine Zwischenzone von jungem prochondralem Ge- webe getrennt ist, dessen Zellen ziemlich stark abgeplattet sind; die unteren Bogen selbst bestehen aus deutlichem Knorpelgewebe, welches ganz scharf von der prochondralen Zwischenzone begrenzt ist. Auf den weiter hinten folgenden Fortsätzen, welche deutlich knorpelig erscheinen, ist keine Zwischenzone mehr nachweisbar — sie bilden mit den entsprechenden Bögen ein Kontinuum. Bei einem späteren Embryo, 32 mm lang, sind die knorpeligen unteren Fortsätze schon gut ausgebildet; die vorderen derselben scheinen an die unteren Bögen eben erst angewachsen zu sein. Dieses Stadium ist auf der Fig. 2 abgebildet ; der Fortsatz / zeigt nur einen einseitigen Zusammenhang mit dem entsprechenden unteren Bogen; in diesem Segmente, wie auch in den weiter nach vorne folgenden, sind die Enden der Hämalbögen unten noch nicht zusammengetroffen; im Bereiche dieser Bögen, ganz unabhängig und dabei bedeutend entfernt von diesen, liegt eine Reihe deutlich begrenzter knorpehger Radienanlagen (Fig. 2 g, h, i, j, k, l). Es ist bemerkenswert, daß diese Anlagen in der Zahl nicht mit den Ele- menten des Achsenskelettes übereinstimmen — sechs Knorpelstücke 744 J- J- Schmalhausen, liegen im Bereiche von drei unteren Bögen; ganz regelmäßig verteilt finden wir in jedem Segmente je zwei Radienanlagen. Auf einem nächstfolgenden Stadium, 33 mm lang, welches auf der Fig. 3 ab- gebildet ist, erscheint der dritte untere Fortsatz doppelt — offenbar entsprechen beide Zweige dieser Gabel zwei Radienanlagen, welche hier untereinander nicht verschmolzen sind; cranialwärts von den unteren Fortsätzen der hypochordalen Caudalis ist auch auf diesem Stadium eine Reihe freier knorpeliger Radienanlagen zu sehen. Die unteren Bögen der entsprechenden Gegend sind schon paarweise unter dem Hämalkanal vereinigt. Die cranialste Anlage stellt ein kleines, aber deutliches Knorpelcentrum vor, welches in eine dichtere Mesen- chymmasse eingebettet ist (Fig. 3 t) ; weiter hinten folgen drei separate Knorpelstücke {s, r, q) und noch weiter zwei größere Knorpelstücke, deren eigentümliche Form offenbar die komplexe Natur derselben aufweist (p, o); man kann annehmen, daß beide Knorpelstücke Ver- schmelzungsprodukte von je zwei Anlagen vorstellen. Beide letzte Stücke (p, o) liegen je einem Bogenpaare gegenüber; die vier vorde- ren Anlagen entsprechen zwei Segmenten des Achsenskelettes; also liegen auch auf diesem Stadium je zwei Radienanlagen einem jeden Bogenpaare gegenüber. Die komplexen Knorpelstücke (p, o) zeigen uns auch den Weg, in welchem die Übereinstimmung mit der Seg- mentation des Achsenskelettes erzielt wird — die, im Bereiche eines Segmentes liegenden Anlagen verschmelzen paarweise untereinander, bevor sie an die unteren Bögen anwachsen. In einigen Fällen kann diese Verschmelzung sich verspäten, es wachsen beide Anlagen einzeln an das entsprechende Bogenpaar, und wir finden dann einen doppelten unteren Fortsatz, wie wir ihn auf der Fig. 3 sehen können. Bei einem Pristiurus-^mbijo von 35 mm Körperlänge sehe ich in der hypochor- dalen Abteilung der Schwanzflosse vorne nur eine undeutliche Knorpel- masse, welche noch Spuren einer Selbständigkeit nachweisen läßt und distal an das Ende des vorderen Hämalfortsatzes angefügt ist. Der folgende Embryo ist 37 mm lang und im allgemeinen etwas höher entwickelt, man kann aber noch einige separate Anlagen in dem vor- deren Teile der hypochordalen Caudalis desselben erkennen. Auf der Fig. 4 ist dieses Stadium abgebildet ; der Knorpelradius w berührt eben das entsprechende Bogenpaar und ist mit demselben schon durch Vorknorpelgewebe verbunden; cranialwärts von diesem Knorpelradius (w) liegen zwei deutlich begrenzte Knorpelstücke {x, y), welche als An- lagen eines proximalen und eines distalen Gliedes eines Strahles ge- deutet werden können; außerdem ist noch ein deutliches Knorpelstück Zur Morphologie der unpaaren Flossen. III. 745 (2) zu sehen und einige nicht besonders bezeichnete weniger deutlich be- grenzte Centren (Fig. 4). Wir haben also gesehen, daß l)ei Pristiurus in der vorderen Hälfte der hypochordalen Caudalis eine ganze Reihe von Radien mehr oder weniger selbständig angelegt werden. Auf frühen Stadien werden die vorderen Radien als separate Mesenchymverdichtungen unabhängig von Teilen des Achsenskelettes angelegt; diese Anlagen verbinden sich aber schon im prochoudralen Stadium mit den entsprechenden unteren Bögen ; bis zum Knorpelstadium ist aber eine gewisse Selbstän- digkeit im histologischen Differenzierungsprozesse noch nachweisbar (Fig. 1). Auf späteren Stadien werden weiter cranialwärts noch mehrere Radien als separate Knorpelcentren in einer merkbaren Entfernung vom Achsenskelette angelegt; es ist interessant, daß diese Anlagen zahlreicher als die Elemente des Achsenskelettes sind und ziemlich regel- mäßig zwei Knorpelcentren einem Bogenpaare gegenüberliegen (Figg. 2, 3). Bevor die Radienanlagen an die unteren Bögen anwachsen, werden sie vermittels Verschmelzungen an die Segmentation des Achsen- skelettes angepaßt (Fig. 3). In derselben Reihenfolge, in welcher sie angelegt waren, wachsen die Radien an die entsprechenden Bogen- paare an und bilden dann ebensolche untere Fortsätze, wie die weiter hinten folgenden, welche im Zusammenhange mit dem Achsenskelette gebildet wurden (Figg. 1, 2, 3, 4). Schließlich werden vorne noch einige weniger regelmäßige Knorpelelemente angelegt, welche auch als Anlagen einzelner Glieder der Radien gedeutet werden können (Fig. 4) und danach verschmelzen auch diese mit dem Achsenskelette, wie wir das aus dem Befunde bei erwachsenen Tieren schließen müssen. Das Resultat dieser Beobachtungen ist also ungefähr dasselbe wie auch das meiner früheren Untersuchungen über Mustelus und Scyllium; es könnte deswegen auch diese Mitteilung als überflüssig erscheinen; ich muß aber darauf aufmerksam machen, daß die Beweis- kraft der Befunde bei Pristiurus höher ist, als dieselbe bei Mustelus und Scyllium es war. Bei Mustelus wird eine Reihe von Radien selb- ständig, aber doch in unmittelbarer Nähe am Achsenskelette angelegt; nur einige späteste Radien werden in einiger Entfernung angelegt; die Zahl der Anlagen stimmt mit der Zahl der Elemente des Achsen- skelettes überein, und nur die allerspätesten drei Strahlen sind näher aneinander gerückt. Wichtiger waren die Beobachtungen bei Scyllium, wo eine ganze Reihe von Radien in weiter Entfernung vom Achsen- skelette und oft in größerer Zahl angelegt werden. Obwohl ich auf 746 J- J- Schmalhausen, frühen, wie auch auf späteren Stadien, Radienanlagen auf verschie- densten Entwicklungsstadien treffe — vorne werden die Anlagen eben nur als Mesenchymverdichtungen sichtbar, hinten findet man alle Stufen eines allmählichen Anwachsens an die unteren Bögen, so kann ich doch nicht ganz unbestreitbar beweisen, (ich selbst halte aber dieses für eine allein mögliche Annahme), daß diese separaten Anlagen nicht nur den auch bei erwachsenen Tieren selbständigen vorderen Radien der hypochordalen Caudalis entsprechen. Auf keinem Stadium finde ich bei Mustelus mehr als acht separate Anlagen ; aber auch beim erwachsenen Exemplare sind acht separate Radien vorhanden. Bei Pristiurus kann man aber die Unmöglichkeit einer phylogenetisch sekundären Abgliederung streng beweisen. Es werden mehrere Knorpelradien in ziemlich großer Entfernung vom Achsenskelette angelegt; gleichzeitig kann man sechs bis acht Anlagen nachweisen; die gesamte Zahl frei entstandener Radien muß aber sehr viel größer sein, weil man Radienbildung am vorderen Ende der hypochordalen Flosse lange Zeit beobachten kann; auf verschie- densten Stadien sieht man vorne eben angelegte Knorpelcentra und weiter hinten eben an das Achsenskelet angewachsene Radien. Alle, oder beinahe alle Anlagen wachsen axipetal bis zur Berührung mit dem Achsenskelette und verschmelzen mit den Enden der unteren Bögen. Bei erwachsenen Exemplaren von Pristiurus melanostomus fand ich in einem Falle ein freies Knorpelstück unmittelbar vor dem ersten unteren Fortsatz in ziemlich weiter Entfernung von dem Bogen- paare (zu richtigem Dornfortsatz vereinigt) des entsprechenden Seg- mentes, und in einem andern Falle gar keinen freien Knorpelstrahl — alle Radien erscheinen als untere Fortsätze der Bögen, und nur dem ersten Fortsatze sitzt distal ein kleines Knorpelstückchen an. Das Skelet des vorderen Teiles der Schwanzflosse dieses letzten Exem- plares ist auf der Fig. 5 abgebildet; das Präparat ist durch sehr sorg- fältige Präparierung nach vorhergehender Färbung des Knorpels ver- mittels Viktoriablaulösung hergestellt; es konnte dabei kein kleinstes Knorpelstückchen übersehen werden und verloren gehen; alle Umrisse sind auf der Zeichnung möglichst genau wiedergegeben. Im Falle aber beim erwachsenen Tiere gar keine separaten Radien vorhanden sind (oder nur ein Radius), kann selbstverständlich auch gar keine Rede von einer sekundären Loslösung derselben vom Achsenskelette sein — die separaten Anlagen beim Embryo müssen unbedingt als Rekapitulation eines phylogenetisch früheren Zustandes gedeutet wer- den, anders bleiben die ontogenetischen Vorgänge unbegreiflich. Zur Morphologie der unpaarcn Flossen. III. 747 Diese Tatsachen sprechen also ganz unzweideutig für eine auch in der Phylogenese unabhängige Entstehung der Kadien der hypo- chordalen Caudalis, II. Die Entwicklung des Skelettes der unpaaren Flossen von Acipenser ruthenus. Die früheste Anlage des Skelettes erscheint in der Rücken- und Afterflosse in Form einer nicht besonders starken Mesenchymver- dichtung. Diese skeletogene Mesenchymplatte ist in der Dorsalis bei Acifenser von 10 — 11 mm Länge schon ziemlich dicht, aber nicht deutlich begrenzt; in der Analis ist auf diesen Stadien noch kaum etwas zu sehen. Bei einer 12 mm langen Larve kommt auch in der Analis eine sehr kleine und schmale, aber deutlich begrenzte skeletogene Platte zum Vorschein. Bei einem andern, ebenfalls 12 mm langen Sterlet sehe ich in der Rückenflosse schon die ersten Radienanlagen, als Mesenchymstäbchen innerhalb der skeletogenen Platte; in der Afterflosse ist die Mesenchymplatte deutlich begrenzt und ziemlich dicht, läßt aber immer noch keine Spuren einer weiteren Differenzierung erkennen. Bei einem 14,5 mm langen Acipenser sind die Radienan- lagen in der Dorsalis als Stäbchen aus sehr dichtem Mesenchym deut- lich zu sehen ; diese Anlagen sind in der Mitte durch ein ziemüch lockeres Gewebe voneinander getrennt, distal und proximal sind die Enden der- selben durch ein etwas dichteres Mesenchym miteinander verbunden. In der Afterflosse beginnt erst jetzt die Konzentrierung des skeleto- genen Mesenchyms zu Radienanlagen. Wie es aus dieser Beschreibung deutlich zu ersehen ist, geht die Anlage und früheste Entwicklung des Skelettes bei Acipenser beinahe genau ebenso wie bei den Selachiern vor sich. Es wird das Mesenchym innerhalb der Flossenfalte zu ebenso einer skeletogenen Platte kon- zentriert; diese Mesenchymverdichtung ist vom Mesoderm des Achsen- skelettes durch eine Strecke lockeren Mesenchyms getrennt. Innerhalb der skeletogenen Platte treten die Radienanlagen als örtUche Mesen- chymverdichtungen hervor; zwischen den Anlagen wird das Mesen- chym lockerer, folglich wird es mit der Radienbildung aufgebraucht; diese Prozesse beginnen ungefähr in der Mitte der Mesenchymplatte — die distalen und die proximalen Teile der Platte bleiben als Mesenchym- streifen erhalten, in welchen die Enden der Anlagen eingebettet er- scheinen. Der einzige Unterschied besteht darin, daß das Mesenchym der skeletogenen Platte, und folglich auch später des distalen und proxi- malen Mesenchymstreifens, viel lockerer, als bei den Selachiern erscheint. 748 J' J- Schmalhausen, Das mesenchymatöse Stadium der Skeletanlagen ist bei Acifenser ziemlich dauerhaft — Verknorpelung beginnt erst bei Larven von 15 — 16 mm Körperlänge. Gleichzeitig mit der Verknorpelung wird auch eine Teilung der Radienanlagen in je zwei Abschnitte sichtbar; ein distaler Abschnitt besteht aus jungem Knorpelgewebe und ent- spricht dem definitiven mittleren Gliede eines Strahles und ein proxi- maler Abschnitt verbleibt noch eine kurze Zeitlang auf dem mesen- chymatösen Stadium und stellt die Anlage des proximalen Gliedes vor. Auf der Fig. 7 ist so ein Stadium abgebildet, sie bezieht sich auf eine Analis eines Acipenser von 17 mm Körperlänge; das mediale Glied (m) eines mittleren Strahles ist knorpelig, das proximale (pr) erscheint als Mesenchymverdichtung, dessen Konzentration wahrschein- lich noch nicht beendet ist — es liegt im etwas dichteren Mesenchym des proximalen Streifens eingebettet ; ein schmaler distaler Mesenchym- streifen verbindet die entgegengesetzten Enden der Anlagen (d.St.). Die Anlagen sind ungefähr gleich groß; am höchsten entwickelt sind die Radien in einer hinteren mittleren Region der Flosse ; dieses betrifft besonders die histologische Differenzierung — das mediale Glied des letzten Strahles ist vorknorpehg, vorne aber sind einige Strahlen noch nicht einmal angelegt, ein Strahl ist als Mesenchymverdichtung wahr- nehmbar, und in etwa zwei Radien sind die medialen Glieder vor- knorpelig. Es ist dieses also gerade die der typischen entgegengesetzte Differenzierungsrichtung — in allen bekannten Fällen schreitet die histologische wie auch morphologische Differenzierung in einer Richtung fort, die als Kombination einer craniocaudalen Richtung mit einer Reihenfolge von der Mitte zu den Rändern bezeichnet werden kann; in der Analis von Acipenser ruthenus wird die Reihenfolge der Diffe- renzierung der Knorpelradien durch Kombination einer caudocranialen Richtung und einer Reihenfolge von der Mitte zu den Rändern erzielt. Es steht dieses im vollen Einklänge mit der Beobachtung von W. Sa- LENSKY (99), daß auch die Muskelknospen in dieser Flosse in der Rich- tung von hinten nach vorne ausgebildet werden. In der Rückenflosse wird das Skelet früher ausgebildet — auf der Fig. 6 ist eine graphische Rekonstruktion des Skelettes der Dorsalis des- selben Acipenser von 17 mm Körperlänge abgebildet; die Strahlen er- scheinen viel höher entwickelt als in der Analis; beide proximalen Glieder bestehen aus Knorpelgewebe, und nur die ersten Glieder der zwei letzten Radien sind prochondral. Die Radienentwicklung schreitet wie gewöhn- lich, von einem mittleren Punkte im vorderen Teile der Flosse zu den Rändern hin. Distal sitzen den Radien Mesenchymverdichtungen an, Zur Morphologie der unpaarcn Flossen. III. 749 welche die Anlagen der distalen Glieder einschließen (dist.); auf den nächsten Stadien, 18 und 19 nun lang, sind diese Mesenchymverdichtungen auch in der Analis deutlich zu sehen, es findet auf Kosten dieser Ver- dichtungen wahrscheinlich erst noch ein weiteres Wachstum des medialen Gliedes statt. Auf diesen Stadien, 18 und 19 mm Körperlänge, er- scheinen die hinteren Radien der Analis schon zweighedrig ; die proxi- malen Glieder bestehen aber aus jüngerem Knorpel, als die medialen und in den vorderen Strahlen sind sie noch mesenchymatös ; die hinteren Strahlen dieser Flosse sind auch auf diesen Stadien höher entwickelt, als die vorderen. Sogar bei einem 23 mm langen Acipenser sind die vorderen Radien der Analis noch prochondral. Bei Acipenser von 25 mm Körperlänge und auf den folgenden Stadien werden die hinteren Radien der Analis ganz beträchtlich größer als die vorderen, und nur auf ganz späten Stadien, beim Sterlet von etwa 60 mm Körperlänge, wird diese Größendifferenz ausgeglichen. Was diese sonderbaren Wachstumsvorgänge zu bedeuten haben, kann ich gar nicht entscheiden — die progressive Entwicklung der hinteren Hälfte der Analis ent- spricht einer bleibenden Differenz beim erwachsenen Tiere nicht und widerspricht allem, was wir von der Ontogenese solcher Organe über- haupt kennen ; mit dem Namen »Cenogenese << können wir diese Accele- ratiou natürlich bezeichnen, damit wird aber nichts erklärt. Das distale Radienglied wird an Stelle und teilweise auf Kosten der distalen Mesenchymverdichtung (soweit sie nicht mit dem Wachs- tum des medialen GHedes aufgebraucht ist) (Fig. ß dist.) angelegt; bei einer Larve von 23 mm ist es als flaches prochondrales Hütchen, welches den Enden der Radien aufsitzt, in der Dorsalis deuthch angelegt; beim Aci'penser von 25 mm Körperlänge sind die distalen Glieder auch in der Analis prochondral vorgebildet. Bei einem jungen Sterlet von etwa 40 mm Körperlänge sind die distalen Glieder in der Dorsalis schon knorpelig; sie haben eine Hütchen- oder Kuchenform mit etwas kon- kaver Unterseite; nur die zwei ersten Radien besitzen gar keine End- glieder, und auf den vier letzten Radien sind die Hütchen noch pro- chondral. Ebenso sehe ich in der Dorsalis eines Acipenser ruthenus von etwa 60 mm Länge auf den ersten drei Strahlen keine Endglieder, auf allen folgenden sind es deutliche kuchenförmige Knorpelstücke. In der Analis desselben Exemplares besitzen die ersten drei Radien keine deuthchen distalen Anlagen, auf den folgenden vier Strahlen sitzen deutliche prochondrale Hütchen, und mit dem achten Strahle beginnend, besitzt ein jeder Radius ein deutliches knorpeliges Endglied, welche caudalwärts immer größer werden. Letzteres zeigt, daß auch 750 J- J- Schmalhausen, die distalen Glieder der hinteren Radien in der Analis sich progressiv im Vergleiche mit den vorderen entwickeln. Wir haben gesehen, daß das mittlere Glied etwas früher als das proximale knorpelig angelegt wird; auf den nächsten Stadien wächst es auch beträchtlich schneller als das proximale, und es wird die be- trächtliche Größendifferenz zwischen den beiden wichtigsten Radien- gliedern ausgebildet, wie wir sie z. B. auf der Fig. 6 sehen können. Auf den nächsten Stadien, 18 und 19 mm Körperlänge, ist diese Differenz sehr groß. Auch in der Analis von Aci-penser, 23 mm lang, ist das mediale Radienglied beträchtlich größer als das proximale. Auf späteren Stadien wird der Größenunterschied zwischen diesen beiden Gliedern allmählich ausgeglichen. In der Dorsalis eines Acipenser, 25 mm lang, ist das mediale Glied noch ungefähr zweimal so lang wie das proxi- male ; bei einem Acipenser von etwa 60 mm Körperlänge ist das mediale Glied ungefähr eineinhalbmal länger als das proximale, aber in den zwei ersten Radien sind jetzt beide ungefähr gleich lang. In der Anaüs ist die Differenz überhaupt nicht so groß wie in der Dorsalis und wird auch schneller ausgeglichen; bei einem Acipenser von 25 mm Körper- länge ist das mediale Glied der meisten Radien noch etwas größer, als das proximale, in den vorderen Strahlen sind aber beide Glieder schon beinahe gleich groß; in der Afterflosse eines Sterlet von etwa 60 mm Länge sind die medialen Glieder der meisten Radien noch etwas länger als die proximalen, in den vorderen Strahlen aber, wie auch in den allerletzten, ist das proximale Glied schon länger als das mediale. Beim erwachsenen Sterlet wird das proximale 'Glied in allen Radien merkbar länger als das mediale. Die embryonalen Zustände weisen hier offenbar auf Verhältnisse bei weiten Vorfahren der Chondrostei hin — die relativ beträchtliche Länge des medialen Gliedes auf früheren Entwicklungsstadien stellt eine Rekapitulation eines primitiven Zu- standes vor, welches auch jetzt noch bei vielen Selachiern erhalten ist. Das progressive Wachstum des proximalen Gliedes und Reduktion des distalen ist ein Vorgang, welcher unter andern die phylogenetische Entwicklung in der Reihe der Teleostomi charakterisiert. Die Entwicklung des Skelettes der Rücken- und Afterflosse von Acipenser ist, wie wir gesehen haben, den entsprechenden Vor- gängen bei den Selachiern außerordenthch ähnlich: eine mehr oder weniger deutlich begrenzte Mesenchymverdichtung innerhalb der Flossenfalte stellt die gemeinsame Anlage des Skelettes einer Flosse vor ; durch örtliche Mesenchymkonzentrierung entstehen säulenartige Radien- anlagen in der Mitte des skeletogenen Blastems; die Verknorpelung Zur Morphologie clor unpaaron Flossen. 111. 751 beginnt, wie auch bei den Selachiern, mit dem mittleren Gliede, setzt .sich auf das proximale Olied fort und wird mit dem distalen Gliede beendet; ein jedes Eadienglicd verknorpelt immer aus einem eignen Zentrum; auf früheren Stadien ist das mittlere Glied das größte, und das distale bleibt immer am kleinsten. Es sind einige unwesentliche Unterschiede vorhanden: die skeleto- gene Mesenchymplatte und später der proximale und der distale Mesen- chymstreifen bestehen aus einem viel lockereren Gewebe als bei den untersuchten Selachiern. Andere Unterschiede sind, als Resultate progressiver Umbildungs- vorgänge zu betrachten: zur Zeit der Verknorpelung der medialen Radienglieder sind die proximalen Glieder schon in Form von Mesen- chymverdichtungen vorgebildet (bei den Selachiern werden sie etwas später konzentriert); auf späteren Stadien unterliegt das proximale Radienglied einem progressiven Wachstume im Vergleiche mit dem medialen. Beides ist als durch phylogenetische Progressierung hervor- gerufene Verfrühung der Anlage und accellerierte Entfaltung im Sinne E. Mehnerts zu deuten. In der epichordalen Abteilung der Schwanzflosse beginnt das skeletogene Mesenchyni bei 11 — 12 mm langen Acij)enser-IjSiV\en sich unmittelbar über dem Neuralrohre zu verdichten. Bei einem weiter entwickelten, ebenfalls 12 mm langen Acipenser liegt epichordal im Bereiche der Schwanzflosse ein schmaler Streifen von dichtem Mesen- chyni dorsal dem Neuralrohre an. Auch auf einem 14,5 mm langen Stadium ist noch keine weitere Differenzierung nachweisbar. Auf der Fig. 8 ist eine Rekonstruktion des vorderen Teiles des Schwanz- flossenskelettes eines 17 mm langen Acipenser abgebildet. Epichordal ist in einiger Entfernung vom Neuralrohre eine Reihe unregelmäßiger Mesenehymverdichtungen zu sehen, welche Anlagen der Radien vor- stellen; etwas weiter, näher zur Mitte der Flosse (aber doch im vor- deren Teile derselben), sind auf diesem Stadium auch schon einige kugelförmige vorknorpelige Radienanlagen vorhanden. Bei einem 19 mm langen Exemplare ist eine ganze Reihe solcher kleiner kugel- förmiger prochondraler Centren ausgebildet; in einer vorderen, mitt- leren Region bestehen einige Radienanlagen auch schon aus jungem Knorpelgewebe und bekommen schon die Form kurzer Stäbchen. Während weiterer Entwicklung, bei Larven von 23 und 25 mm, be- kommen alle Anlagen allmählich diese Stäbchenform und damit ist die Ausbildung der Radien eigentlich vollendet. Die Form und Größe der Anlagen, wie auch später der ausgebildeten Radien ist niclit kon- Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CVH. Bd. 49 752 J- J- Schmalhausen, stant; offenbar sind die Radien aucli nicht immer gleichwertig, Ver- schmelzungen und Reduktionen finden öfters statt; alles dieses, wie auch die späte Anlage dieses Skelettes, weisen auf den reduzierten Zustand des Skelettes der epichordalen CaudaUs der Chondrostei hin. Die Elemente des Skelettes der hypochordalen Caudalis wer- den sehr früh angelegt; vorknorpelige Hypuralia entstehen als separate unpaarige Elemente ventral unmittelbar an der Chorda auf einem Stadium, auf welchem in den übrigen unpaaren Flossen noch nichts zu sehen ist; paarige untere und obere Bögen des Achsenskelettes sind ebenfalls in dieser Gegend noch nicht angelegt. Bei 11 mm langen Äcipenser-ha.vyeiß. kommen Anlagen der unteren Bögen zum Vorscheine; sie haben das Aussehen kleiner paariger Knorpelstückchen, welche an der Chorda zur Seite von den Caudalgefäßen sitzen; die Reihe der unteren Bögen zieht nach hinten genau bis zur Stelle, wo die Reihe der unpaarigen Hypuralia beginnt, und nur in einem Segmente kann man neben dem ersten Hypurale auch zwei kleine Bogenanlagen sehen. Bei Acifenser ruthenus von 12 mm Körperlänge bestehen die Anlagen aus jungem Knorpelgewebe. Auf etwas späteren Stadien, 14 und 14,5 mm lang, sind die knorpeligen Hypuralia merkbar größer ge- wachsen; zwischen diesen Anlagen, und besonders zwischen den Enden derselben, befindet sich ein dichteres Mesenchym, dessen Zellen eine sehr charakteristische Anordnung besitzen — sie erscheinen quer auf- gespannt, was auf ein appositionelles Wachstum der Anlagen hinweisen muß; zu den ersten Hypuralia scheinen Mesenchymzellen von allen Seiten heranzuziehen. Auf der Fig. 8 ist das hypochordale Skelet eines 17 mm langen Acifenser zu sehen; neben dem ersten Hypurale (Hyp) ist auch bei diesem Exemplare ein kleines separates knorpeliges Bogenstück zu sehen {JJ.B.')\ in zwei davorliegenden Segmenten sind die Enden der unteren Bögen vermittels einer unpaarigen Fortsatz- anlage paarweise vereinigt. Diese unteren Fortsätze werden offenbar durch Konzentrierung des skeletogenen Mesenchyms und nicht durch Auswachsen aus den Bögen angelegt; es ist eine gewisse Selbständig- keit in der Anlage derselben deutlich zu sehen, wenn sie auch in un- mittelbarem Anschlüsse an die Enden der Bogenstücke stattfindet. In den weiter vorne folgenden drei Segmenten ist die Konzentrierung des Mesenchyms im Anschlüsse an die unteren Enden der Bögen auf ver- schiedenen Stadien getroffen; die Zellen werden von allen Seiten zu diesen Konzentrierungszentren herangezogen. Die Anlagen erscheinen aus quer ausgezogenen spindelförmigen Zellen hergestellt und behalten diese Beschaffenheit bis zur Verknorpelung ; die letztere geschieht Zur Morphologie der uapaaroii Flos.sen. 111. 753 plötzlich und mit einem Gusse. Die Entwicklung der unteren Fort- sätze sclueitet auf späteren Stadien sehr allmählich nach vorn hin und immer ist die Beteiligung des umgebenden Mesenchyms an der Herstellung der Anlage deutlich nachweisbar. Auch das weitere Wachs- tum der unteren Fortsätze findet in großem Maße auf Kosten dieses skeletogenen Mesenchyms statt, wie es die Anordnung der Zellen beweist. Diese Beobachtungen stellen das Vorhandensein eines skeletogenen Mesenchyms außer Zweifel. Was aber die Frage über die Bedeutung dieses Mesenchyms betrifft, so reichen dieselben leider nicht aus — ich kann über die Herkunft dieses Mesenchyms nichts sagen; vom axialen Mesoderm ist es bei Acipenser auf den Stadien, welche ich untersucht habe, nicht begrenzt. Das skeletogene Mesenchym ist weit ausgebreitet — es füllt die ganze Flossenfalte und reicht proximal bis an die Achse. Es scheint mir aber doch wichtig zu sein, daß in dem Modus der Her- stellung der Anlage unverkennbare Zeichen einer gewissen Selbständig- keit nachweisbar sind — die unteren Fortsätze entstehen nicht als Auswüchse aus zusammengetroffenen Bögen des Achsenskelettes. Daß in dem skeletogenen Mesenchym Elemente, die genetisch dem Achsen- skelette zugehören, eingeschlossen sind, ist unzweifelhaft, aber es scheint mir wahrscheinlich zu sein, daß auch Elemente des vom Achsen- skelette primär unabhängigen Flossenskelettes ebenfalls noch in diesem Mesenchym erhalten geblieben sind. Bei einem Äcifenser ruthenus von 23 mm Körperlänge ist die Bil- dung der unteren Fortsätze noch nicht beendet; auf den Enden der Hypuralia sitzen jetzt aber Hütchen von sehr dichtem Mesenchym. Auf der Fig. 9 ist ein etwas späteres Stadium abgebildet ; die distalen Hütchen sind scharf begrenzt; sie sind auf dem letzten unteren Fort- sätze (sp.) und auf den 12 — 15 ersten Hypuralia zu sehen. Bei einem 29 mm langen Acipenser bestehen die vorderen Hütchen aus Vorknorpel- gewebe; auf dem ersten Hypuralc (Fig. 10 Hyp.) ist im Endkäppchen ein deutliches Knorpelcentrum vorhanden (dist.). Auf einem späteren Stadium, Acipenser von 40 mm Körperlänge, welches auf der Fig. 11 abgebildet ist, sitzen auf einer Reihe Hypuralia prochondrale End- käppchen, auf den zwei letzten unteren Fortsätzen sind aber schon deutliche knorpelige EndgUeder zu sehen (Fig. 11 dist.). Bei einem 60 mm langen Sterlet fand ich fünf solche distalen Knorpelstücke, drei auf den drei letzten unteren Fortsätzen und zwei auf den zwei ersten Hypuralia; auf den weiter hinten folgenden Hypuralknorpeln sind noch prochondrale Endkäppchen erhalten. 49* 751 J- J- Schmalhausen, Diese Beschreibung zeigt, daß die distalen Knorpelstücke in der hypochordalen Caudalis von Acipenser als selbständige Knorpelcentra in besonderen Mesenchym Verdichtungen angelegt werden, welche an den unteren Enden der unteren Fortsätze und einer ganzen Reihe Hyp- uralia gebildet werden; die Entwicklung dieser Elemente ist der Entwicklung der distalen Glieder der Knorpelradien in der Rücken- und Afterflosse auffallend ähnlich. Daß die Endkäppchen auf Kosten eines skeletogenen außerhalb der Achse liegenden Mesen- chyms hergestellt werden, erscheint nach allem Gesagten selbstver- ständlich. Es scheint mir, daß die Spuren der Selbständigkeit, welche man bei der Anlage der unteren Fortsätze nachweisen kann, auf die ehe- malige Unabhängigkeit dieser Teile vom Achsenskelette hinweisen — Radien des Flossenskelettes sind an die unteren Bögen angewachsen und durch das Achsenskelet assimiliert worden. Einige Unregelmäßigkeiten im Baue des hypochordalen Skelettes scheinen ebenfalls auf eine gewisse Selbständigkeit der unteren Fort- sätze den Bögen gegenüber hinzudeuten. In einigen Fällen trifft man doppelte untere Fortsätze (Fig. 9, 11). was durch Anwachsen zweier Radien an ein Bogenpaar, oder durch unvollkommene Ver- wachsung eines Radius mit einem richtigen Dornfortsatze erklärt werden kann; in andern Fällen sieht man einen Fortsatz auf zwei Bogenpaaren, was durch Anwachsen eines Radius an zwei Bögen, oder durch Verwachsung benachbarter Fortsätze erklärt werden kann (ScHMAT,HAüSEN 12, Taf. XV, Fig. 12). Noch wichtiger scheinen mir solche Fälle zu sein, wo unpaarige Fortsätze ganz getrennt von den paari- gen Bogenstücken hervortreten. In den unpaarigen Hypuralia haben wir ein Beispiel unzweifelbar sekundärer Loslösung von den Bogen- stücken, welche reduziert worden sind. Ein interessanter Übergang der Region des Hämalkanals in die Region der Hypuralia ist auf der Fig. 8 und der Fig. 10 zu sehen; neben dem ersten Hypurale liegen unzweifelhafte Rudimente des entsprechenden Bogenpaares (sog, Intercalaria sind auf diesen Stadien noch nicht vorhanden; nur auf einem viel späteren Stadium, bei einem Acipenser von 40 mm Körper- länge tritt die Reihe der Intercalaria nach hinten bis in diese Region heran [Fig. 11]). Das Hypurale ist aber doch unzweifelbar sekundär von den Bögen losgelöst und entspricht in keinem Falle den primären Radien — es kann nur als Verschmelzungsprodukt eines richtigen Dornfortsatzes mit einem Radienrudiment gedeutet werden; dieses ist ein analoger Prozeß der I^oslösung der oberen Dornen im Schwänze Zur Morphologie der unpaaren Flossen. III. 755 der Teleostier, wo wir ebenfalls im Übergangsgebiete neben einem schon abgetrennten Dornfortsatze noch separate Rudimente paariger Bogenstücke gesehen haben. Ganz andre Bedeutung muß aber eine auf der Fig. 10 abgebildete Variation haben; ein separates Knorpelstück, derselben Form wie die nebenstehenden Fortsätze, liegt in einiger Entfernung von der Chorda unter dem Hämalkanal; hinter diesem Knorpelstück liegt ein normaler Fortsatz au dem entsprechenden Bogenpaare, dieser ist aber etwas dünner und kürzer als die übrigen. Das separate Knorpelstück könnte man in zweierlei Weise deuten : entweder als einen überzähhgen Radius, oder als Radius des folgenden Segmentes, dessen Vereinigung mit dem Bogenpaare aus irgend einem anormalen Grunde unterblieben ist (als abgelöster Dornfortsatz kann er nicht gedeutet werden, weil in allen Segmenten Dornfortsätze vorhanden sind und keine entsprechenden Bögen ohne Dornfortsatz). Ich meine, daß die zweite Annahme viel besser die Tatsachen erklärt. Daß das separate Knorpelstück dem folgenden Segmente gehört, dafür sprechen: 1. die Tatsache, daß dieses Element etwas schwächer als der davorliegende Fortsatz und viel schwächer als das hinten folgende erste Hypurale ist; 2. daß der folgende Fortsatz viel dünner und kürzer erscheint, als er sein müßte, wenn er ein vollständiges Element eines Segmentes wäre, und schließlich 3. daß dem separaten Knorpelstücke ein prochondrales Endkäppchen, wie auch den typischen Fortsätzen und Hypuralia dieser Gegend, aufsitzt, dem folgenden Dornfortsatze solch eine Bildung aber fehlt. Aus diesen Gründen scheint es mir wahrscheinlich zu sein, daß das separate Knorpel- stück einen zum folgenden Segmente gehörenden Radius vorstellt, dessen Verschmelzung mit dem entsprechenden Teile des Achsen- skelettes unterblieben ist; dieser letztere besteht aus allen typischen Bestandteilen — das Bogenpaar ist vermittels eines richtigen, zum Achsenskelette auch genetisch gehörenden Dornfortsatzes vereinigt; der Dornfortsatz trägt keine Anlage eines Endgliedes — diese letzteren gehören zum Flossenskelette. Wenn man diese Erklärung annimmt, daß also, aus irgendwelchen uns unbekannten Gründen, die skeleto- genen Elemente des Achsenskelettes und die Elemente des Flossen- skelettes statt einer einheitlichen Anlage eines unteren Fortsatzes anormal zwei Anlagen entsprechend ihrer verschiedenen Genese — einen Dornfortsatz und einen Radius — herstellen können, so kann man von diesem Standpunkte aus auch einige andre Unregelmäßigkeiten erklären, welche bei Acipenser so oft vorkommen. Auf derselben Fig. 10 ist ein doppeltes Hypurale zu sehen, man könnte denken, daß auch hier 756 J- J. Schmalhauscn, eine unvollkommene Teilung beider Bestandteile, des Dornfortsatzes und des Flossenradius, anormalerweise eingetreten ist; ebenfalls könnten auch beide Zweige des gabeligen vorletzten Fortsatzes des auf der Fig. 9 abgebildeten Exemplares, in dieser Weise erklärt werden. In andern Fällen können natürlich auch andre Erklärungen nötig werden (z. B. Schmalhausen 12, Taf. XV, Fig. 12). Alles dieses, wie auch die Bildung der frühesten Anlage, scheint mir darauf hinzuweisen, daß das primäre Flossenskelet noch nicht spurlos verschwunden ist; Spuren der früheren Unabhängigkeit sind jetzt noch in der autonomen Konzentrierung des skeletogenen Mesen- chyms bei Herstellung der Anlagen erhalten geblieben; das skeletogene Mesenchym muß folglich auch noch ein genetisch zum Flossenskelette gehörendes Material enthalten. Im Falle die unteren Fortsätze in der hypochordalen Caudalis bei Acipenser Bildungen komplexer Natur vorstellen, so können die distalen Knorpelstücke nichts andres bedeuten, wie distale Grheder des in diese eingeschlossenen Flossenskelettes. Große Ähnlichkeit mit der Entwicklung der distalen Glieder in den übrigen Flossen und die Tatsache, daß die Endkäppchen auch auf den folgenden Strahlen an- gelegt werden, spricht zugunsten dieser Annahme. Wenn unsre Deutung der auf der Fig. 10 abgebildeten Variation richtig ist, so können wir den Schluß ziehen, daß die Dornfortsätze in dem vorderen Teile der hypochordalen Caudalis, im Vergleiche mit den Selachiern, stark weiterentwickelt sind und beinahe schon die Größe der Flossenradien erreicht haben. Wie man auf den Figg. 1 — 4 sehen kann, bildet ein Radius im vorderen Teile der Flosse bei Pristiurus beinahe den ganzen unteren Fortsatz; bei Acipetiscr ist ein richtiger Dornfortsatz, als Verschmelzungsprodukt paariger Bögen, schon zum bedeutenden Bestandteile des komplexen Fortsatzes geworden. Der Dornfortsatz unterliegt einer progressiven Entfaltung; der Radius des Flossenskelettes verliert seine Individualität, indem er an das Achsenskelet anwächst, wird reduziert und durch das Achsen- skelet vollständig assimiliert. Zum Schlüsse können wir bemerken, daß das Skelet der Schwanz- flosse von Acipenser, wie es die Ontogenese beweist, nicht nur in der epichordalen Abteilimg, sondern auch hypochordal viel näher zum Ske- lette der Selachier steht, als zum Skelette der höheren Teleostomi, bei welchen Elemente des Achsenskelettes das Flossenskelet voll- ständig verdrängen. Zur Morphologie der unpaaron Flossen. III. 757 Nachträgliche Anmerkung über die Flossen der Dipnoer. In den meisten Fällen ist vom Skelette der unpaaren Flossen fossiler Dipnoer nichts erhalten geblieben, es ist aber das Skelet der Analis einer sehr primitiven Form mit noch getrennten Flossen und heterocerkem Schwänze, Scaumenacia aus dem Oberdevon von Canada, bekannt. Dieses Skelet hat mit dem Flossenskelette der rezenten Dipnoi nichts zu tun: es ist ein vom Achsenskelette unabhängiges Skelet wie bei allen andern Fischen und besteht aus einem Basale, welchem distal einige Radien ansitzen. Ganz besonders möchte ich die Ähnlichkeit dieses Skelettes mit dem bei fossilen Crossoptery- giern hervorheben; ganz auffallend erscheint die Ähnlichkeit mit dem Skelette der Analis von Eusthenopteron (S. Woodward 98, Fig. 20). Diese Tatsache kann die Annahme einer nahen Verwandtschaft zwischen den ältesten Vertretern beider Gruppen bekräftigen. Das Skelet der Analis von Scautnenacia ist ein beträchtlich spezialisiertes Flossenskelet — die Radien werden proximal durch ein einziges Basale gestützt; ebenso hoch war auch das Skelet der unpaaren Flossen aller fossilen Crossopterygier spezialisiert; wir können daraus schließen, daß auch bei den ältesten Dipnoern die hohe Spezialisierung des Flossenskelettes eine allgemeine Erscheinung war und nicht nur eine für Scaumenacia spezifische Besonderheit vorstellte. In der hohen Spezialisierung dieses Skelettes liegt wahrscheinlich auch die Ursache der Ersetzung derselben durch die Schwanzflosse. Ein Leben in dicht durchwachsenen Gewässern konnte eine Ersetzung der Ortsbewegung vermittels scharfer Schwanzschläge durch eine solche vermittels undulatorischer Bewegungen des ganzen Körpers fördern. Zu diesem Zwecke mußten die einzelnen Flossen durch einen kontinuier- lichen Flossensaum ersetzt werden. Dieses könnte in zwei Wegen er- zielt werden — durch eine Ausbreitung der Rücken- und Afterflossen und Ersetzung der zurücktretenden Schwanzflosse (Ausbildung einer Gephyrocerkie), oder umgekehrt durch eine Ausbreitung der Schwanz- flosse. Es ist dieses letztere geschehen, und wir können das leicht be- greifen, wenn wir nur die Schwierigkeiten bedenken, welche einer Ausbreitung einer so spezialisierten Flosse, deren Skelet durch ein einziges Basale gestützt wird, entgegenstehen. Zur Ausführung undula- torischer Bewegungen nmß solch eine Flosse unbedingt segmentiert sein und möglichst im Einklänge mit der Körper metamerie. Die Schwanz- flosse dieser Gruppen besaß aber schon einen metameren Bau (sekundäre 758 J- J- Schmalhausen, Heterocerkie 1 — das Skelet besteht aus Dornfortsätzen) und konnte diese abgeänderte Funktion mit Erfolg übernehmen. Moskau, im Juni 1913. Erklärung der Abbildungen. Tafel XXIII. Fig. 1. Pristiurus melanostomus, etwa 30 mm lang. Skelet des vorderen Teiles der hypochordalen Caudalis, nach Sagittalschnitten graphisch rekonstruiert. c, mesenchyraatöse Radienanlage; b, prochondrale Anlage; a, Radienanlage im Beginne der Verknorpelung. Fig. 2. Pristiurus melanostomus, .32 mm lang. Ebenso eine Rekonstruk- tion, g — /, knorpelige Radienanlagen; /. Radienanlage im Beginne der Ver- schmelzung mit den unteren Bögen (einseitiger Zusammenhang). Fig. 3. Pristiurus melanostomus, 33 mm lang. Ebenso eine Rekonstruktion. 0, p, doppelte Radienanlagen; q — t, knorpelige Radienanlagen. Fig. 4. Pristiurus melanostomus, 37 mm lang. Dasselbe, w, Knorpel- radius im Beginne der Anwachsung an den unteren Bogen; x — z, knorpelige Radienanlagen. Fig. 5. Pristiurus melanostomus, erwachsenes Exemplar, natürliche Größe. Vorderer Teil des Schwanzskelettes. ep.R, epichordale Radien. Fig. 6. Acipenser ruthenus, 17 mm lang. Das Skelet der Dorsalis nach Sagittalschnitten rekonstruiert, pr. und m, proximales und mediales Radien- gUed; dist., mesenchymatöse Anlage des distalen Radiengliedes. N, Neuralkanal. Fig. 7. Acipenser ruthenus, 17 mm lang. Skelet der Analis rekonstruiert, m, knorpelige Anlage des naedialen Gliedes; pr, mesenchymatöse Anlage des proximalen Gliedes; H, Hämalkanal. Fig. 8. Acipenser ruthenus, 17 mm lang. Vorderer Teil des Skelettes der Caudalis nach Sagittalschnitten rekonstruiert. ep.R, epichordale mesenchyma- töse Racüenanlagen ; hyp.R, hypochordale knorpelige Radienanlage (untere Fort- satz); Hyp, erstes Hypurale; U.B., untere Bogen; N, Neuralkanal; Ch, Chorda; H, Hämalkanal. Fig. 9. Acipenser ruthenus, 25 mm lang. Vordei'cr Teil des hypochordalen Schwanzskelettes; Hyp, erstes Hypurale. Fig. 10. Acipenser ruthenus, 29 mm lang. Ebenso eine Rekonstruktion. U.B. , Rudiment des letzten unteren Bogens; Hyp, erstes Hypurale; dist., distales Radienglied; D, richtiger Dornfortsatz (?); R, ein vollkommen selbständig aus- gebildeter Radius (?) (als Variation). Fig. 11. Acipenser ruthenus, 40 mm lang. Vorderer Teil des hypochordalen Schwanzskelettes, dist., distale Radienglieder ; //^/>, erstes Hypurale; 7. , Intercalare. 1 Statt der allgemein angenommenen Bezeichnung »Heteröcerkie « wäre es zutreffender für Fische die Bezeichnung »Epicerkie« zu gebrauchen. Dann wären auch meine Benennungen bequemer: »Protepicerkie« für die primäre Heteröcerkie und »Metepicerkie« für die sekundäre. Zur Morphologie der uupaaren Flossen. III. 759 Wichtigere Berichtigungen zum I. Teil dieser Arbeit, Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. C. 1912. Seite 513, gedruckt — Mustelus 24 mm lang, statt 34 mm. » 538. Ich habe bei demselben erwachsenen Exemplare von Amia calva auch den vierten Strahl gefunden. >> 550. P. Mayer hat auf späten Stadien Muskclknospen in der Analis ge- sehen, dessen Herkunft aber nicht verfolgt. » 563, dritte Zeile von unten, gedruckt — Frontalschnitten statt Sagittal- schnitten. » 564, dritte Zeile von oben, gedruckt — tiefen, statt flachen. > 586, weggelassen — Fig. 32. Pristiurus, 22 mm. Sagittalschnitt durch die Caudalis. M.st — myogcner Mescnchymstrcifen. » 587, erste Zeile von oben, gedruckt — hinten, statt vordere Teil. Berichtigungen zum IL Teil derselben Arbeit, Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. CIV. 1913. Seite 49, 22. Zeile von oben, gedruckt — gleichwertig, statt functional gleich- wertig. > 74, 9. Zeile von oben, gedi'uckt — den Schwanz stark nach oben biegen müssen, statt — eine deutlich assymetrische Schwanzflosse besitzen müssen. Auf Taf. II, Fig. 18, ist der Flossenträger des ersten Strahles der Schwanzflosse weggeblieben. . Druck von Breitkopf & Hiirtel in Leipzig. Zeilsciwift f. wiss Zoologie Bd. CVII. Tai: I W um: rrT?j f;Vv# •^^ 12. ^% fit^ /7 .^A»"o»^ ^fAtVJ^ 15 O0 = J Nusbawn gez. Liik Aasi. r Johannes Arndt, Jer^. Zeitschrift f. wiss Zoologie Bd CVII. Taf. II. .Uk.AüSt V Johannes Arndt. Jeiut. Zeitschrift f wiss. Zoologie. Bd. CVU. Taf. III. luh ÄTisl V JohanJUS An Zeitschrifl f. wiss. Zoologie Bd. CVII. Taf. IV. J Nusbaam gtt LtÖi.Anst.v.Joho/iMS Arndt, Jena. Zeitschrift F. wiss. Zoologie Bd. CVII. Tat. V. Zeitschrift f. wiss^ Zoologie. Bd. CVII. Taf. VI. ik Anst vJokmms Arndt, Jem, ZeUschrifi f.iviss. Zoologie. Bd. CVII. Taf. VII. J Nusbaum gei Ycrl^ m WÜlu»^'^*^l^lUfagmdBerlm. L uhJnstvJohan/us Arndt, Jena I ZcUschrtfl f. wiss. Zoologie Bd. CVII. .1 ■ 77 .' ' .'"<''"".'"'*S;,. ''^'f^^mm^m^ ,0 Tai: VIII. läil' J Hiisbawn uM Oxatr- IPlutagr Br Wcigll VtrUg „^ w*^^"'''*'*^^^^^;;^;;;^^^ 'H^ ^%#i#g iii^ Ansi f JckajinfS Arndt. Jena. , von Will"'" ^"^'T" ■» Leipiig unä Zeitschrift f. wiss. Zoologie. B(t. CVII. Taf. X. V„las von H'.lftfte «''*"• i„>,,j „„j g,^,.^^ I rig. lö Zeitschrift f. niss. Zoologie Bd. CVII. Taf. XI. Keyl gez. Verlag von Wilhelm Engebnüna in Leipzig und Berlin. Lith.Anst.v.Johames Arndt, Jena.. lettschrift f. niss. Zoologie ßd. I'MI Taf.M : Willtrl.ru f.michimnii --_\-.T/;;'i' Bjr::yi Zeilschrift f. väss. Zoologie Bd. CV71 Taf.XJII. von Wüfirim Engelmann iileipn^ iz Btrl l(th.AnsL v.A. Glitsch. Jena Zeitsekritt f. niss. Zoologie ßd. CW. Taf.Mr Ä Oem/crzhagc/i. del .\vlhclmH Zeitsckrifl f. wiss. Zoologie Bd. CVIl. ^ \ 'X' f ^'^mM Tai: XV. /■ig. 'I. fig 7. Fig. 6. ^mw^^ Vcrlxg .» WiM'^^'>9'«^inu,mg uM l Li'Ji.An$t. y.JokaJVtes Arndt. J Zeitschrift f.iviss. Zoologie Bd. CI7I. Tai: XVI ^ '''*^V3, ^>*r'»t' Fig V). -Hl Fig. VI %^;!^ti. Y.rl.^gvo.imdml'S' '*l'!-