f:-^'- r^C* ^^. -^j/^ i^t. 4 Mj. 't^'^im '■M^^ '^'7:^Mr:^^y;-^'t. :;^ .-... ^> ^ tl y^t^ft^x^ ^f >^" w ^'^kM^'rki 3^: ^%'W^ rV%..H>^ '^' z^., #0<^1r' .,' 3^ ^ Il f l. ZEITSCHRIFT FÜR WISSENSCHAFILICHE ZOOLOGIE BEGRÜNDET VON CARL THEODOR V. SIEBOLD UND ALBERT V.KÖLLIKER HERAUSGEGEBEN VON ERNST EHLERS PROFESSOR AN DER UNIVERSITÄT ZU GÖTTINGEN HUNDERTVIERZEHNTER BAND MIT 151 FIGUREN IM TEXT UND 22 TAFELN LEIPZIG VERLAG VON WILHELM ENGELMANN 1915 Inhalt des Imiidertvierzelinten Bandes Erstes Heft Ausgegeben den 20. Juli 1915 Seite W i 1 li e 1 m H a r n i s c li , Über den raänulichen Begattungsapparat einiger Chryso- meliden. Ein Beitrag zur Pbilogenie des Copulationsapparates der Käfer. Mit 71 Figuren im Text und Tafel I 1 A. Abonyi, Experimentelle Daten zum Erkennen der Artemia- Gattung. Mit 13 Figuren im Text und Tafel II— IV 95 Martin Giese, Der Genitalapparat von Calyptraea sinensis Lin., Crepi- dula unguiformis Lam. und Capulus hungaricus Lam. Mit 27 Figuren im Text und Tafel V-VIII 169 Zweites Heft Ausgegeben den 14. September 1915 E. Wasmann, Neue Beiträge zur Biologie von Lomechusa und Atemeies, mit kritischen Bemerkungen über das echte Gastverhältnis. (205. Bei- tra:r zur Kenntnis der Myrmekophilen und Termitophilen.) Mit 2 Figuren im Text, Tafel IX und X und einer statistischen Karte 233 Eduard Michl, Über die sogenannten Kiemenreste der Anuren. Mit 1 Figur im Text und Tafel XI und XII 403 Drittes Heft Ausgegeben den 5. Olttober 1915 Alfred Pfefferkorn, Das Nervensystem der Octopoden. Mit 13 Figuren im Text und Tafel XIII und XIV 425 Richard Conrad, Untersuchungen über den unteren Kehlkopf der Vögel. I. Zur Kenntnis der Innervierung. Mit 0 Figuren im Text 532 Viertes Heft Ausgegeben den 2. November 1915 Erwin Taube, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Euphausiden. II. Von der Gastrula bis zum Furciliastadium. Mit 7 Figuren im Text und Tafel XV— XXI ö77 Arthur Winkler, Untersuchungen über das Nervensystem und das Blut- gefäfSsystem von Kossia macrosoma d'Orb. Mit 11 Figuren im Text und Tafel XXII 6ö7 / 6 I 1 3 über den männlichen Begattungsapparat einiger Chrysomeliden. Ein Beitrag zur Phylogenie desCopulationsapparates der Käfer. Von Wilhelm Harnisch, Dr. phil. (Aus dem Zoologischen Institut zu Halle a. S.) Mit 71 Figuren im Text und Tafel I. Inhaltsverzeichnis. Seite Einleitung 2 Material und Technik 5 Spezieller Teil 6 Gesamtübersicht über die männlichen Organe von Lina populi . 6 Innere Geschlechtsorgane 10 a) Hoden luit Samenleitern (Vasa deferentia) 10 b) Die Anhangsdrüsen 13 c) Der Ductus ejaculatorius 15 d) Die Prostata 17 Der Copulationsapparat 20 a) Letzte sichtbare Segmente 20 b) Penis mit Atrium genitale und 7. und 8. Ventralplatte . . 23 c) Rutenblaso mit Praepenis 26 Über die Muskulatur des Penis und seine Funktion. . . .34 Die weiblichen Geschlechtsorgane 42 a) Im allgemeinen 42 b) Der weibliche Geschlechtsapparat von Lina populi .... 40 Die Begattung ' • ÖO a) Copulationsvorgang 50 b) Austreibemechanismus 51 Der Copulationsapparat anderer Chrysomeliden 55 a) Plateumaris sericea L '^6 1. Chitin.skclct 56 2. Funktion unil .Muskulatur 58 » b) Clytra quadri punctata L 58 1. Chitinskelet 58 2. Funktion und Muskulatur 6i Zeitsclirift f. wissensch. Zoologie. CXIV. Bd. 1 2 Wilhelm Harnisch, Seite Allgcnioiner theoretischer Teil 63 Biologische Bedeutung der Komplikation des Copulationsapparates 63 Vergleichende morr)hologische Erörterungen über die Phylogenie des Copulationsapparates 67 Kurze Zusannuenfassung der wichtigsten Ergebnisse 84 Verzeichnis der benutzten l^itCratur 87 Erklärung der Tafel 94 Einleitung. Vorliegende Arbeit wurde unternommen im Hinblick auf die Bastardierungsversuche, die in neuerer Zeit im Interesse der experimen- tellen Vererbungsforschung angestellt werden. Es galt, die Ursache festzustellen, warum die Kreuzung zweier, auch verwandter Käfer mit so großen Schwierigkeiten verknüpft ist. In der Literatur findet man wiederholt die Ansicht vertreten, daß die genaue Anpassung des männ- lichen Copulationsapparates an die Scheide des Weibchens diese Bastar- dierung unmöghch mache ; doch ist bisher bei Käfern kein einziger Beleg dafür erbracht. Ich beabsichtigte daher, an einer Species möglichst genau das wechselseitige Verhältnis zwischen Männchen und Weibchen festzustellen und weiter — was für unsre Frage eigentlich erst entschei- dend ist — ob genügende Unterschiede zwischen Verwandten über- haupt vorhanden sind. Zwar ist bekanntlich der Penis bei jeder Species anders geformt; aber schon die bloße Beobachtung, daß dieser nur mit der Spitze in die Scheide des Weibchens eindringt, eröffnet für die oben erwähnte Ansicht eine Schwierigkeit, die nicht ohne weiteres zu lösen ist. Es galt daher zuerst die Morphologie des ganzen männlichen Ge- schlechts- und Copulationsapparates festzustellen, um an der Hand dieser anatomischen Grundlage Schlüsse auf den Begattungs Vorgang zu ermöglichen. Das Weibchen wurde nur insofern einer Betrachtung unterzogen, als die Kenntnis seines Geschlechtsapparates zum Ver- ständnis des männlichen Copulationsapparates nötig ist. Zu diesen Untersuchungen wählte ich die Chrysomehden, da auch Tower diese Gruppe für seine Variationsversuche benutzt hat und in der Literatur so gut wie nichts über deren Anatomie bekannt ist. In erster Linie bearbeitete ich Lina populi L., denn von dieser Species stand mir ausreichendes Material zur Verfügung; ferner Plateumaris sericea L., Clijtra quadriqnmcUita L. und Lina tremulae F. Die Literatur bot mir bei meinen Untersuchungen w^ig Hilfe. A\'()hl existiert eine Anzahl von Arbeiten über den Geschlechtsapparat der Käfer, beginnend mit der »Bibha naturae« des alten Swammerdam über den männlichen Begattungsapparat einiger Chryeomeliden. 3 (1738) bis auf den heutigen Tag; docii es hat sich darin bei keinem Teile des Copuhitionsapparates Einigkeit über die Homologien erzielen lassen. Die Arbeit, die dem auf diesem Gebiet unerfahrenen Leser noch immer am meisten bietet, ist die Monographie der weiblichen Ge- schlechtsorgane von F. Stein (1847). Dieses Werk hat den Vorzug vor allen später erschienenen Veröffentlichungen, daß es vergleichend morphologisch diese Organe behandelt, und gleichzeitig ist es mit großer Sorgfalt und Genauigkeit geschrieben. Auch der männliche Copulations- apparat wird nebenbei in seiner Beziehung zum Weibchen dargelegt. Ob sich freiHch Steins Behauptungen, namenthch die über die Ver- teilung der Segmente im Legeapparat, noch heute aufrecht erhalten lassen, mag hier unentschieden bleiben. Soviel steht jedoch fest, daß es bisher niemandem geglückt ist, ihn endgültig zu widerlegen. Die 1875 erschienenen vergleichend anatomischen Untersuchungen von Lindemann »über das männhche Begattungsglied der Borkenkäfer« haben wohl sehr wichtige Tatsachen über das äußere Chitinskelett ge- bracht. Die Arbeit leidet aber an dem Mangel, daß sie die andern Käfer- gruppen nicht mit heranzieht. Daher ist es auch dem Verfasser nicht gelungen, die einzelnen Teile am Copulationsapparat im morphologi- schen Sinne zu definieren, was schon aus seiner Nomenklatur hervor- geht, welche die einzehien Stücke nach ihrer zufälhg äußeren Form be- nennt. Ein weiterer Mangel ist der, daß Lindemann nicht die Art der Ineinanderfügung der einzelnen Stücke beschrieben hat^. Es ist daher verständlich, daß er über die Funktion des Apparates nichts sagen kann. Es war dies ja auch weniger der Zweck seiner Arbeit, sondern vielmehr der, auf diesem Wege, »die Verwandtschaften der Borkenkäfer zu begreifen und mit der Zeit die Geschichte dieser Famihe zu ent- ziffern« (S. 199). Der Gedanke, die Penisform als Artunterscheidungsmerkmal zu verwenden, tauchte bereits bei v. Siebold (1848) ^ auf und wurde später besonders von G. Kraatz (1878 und 1881, 2 und 3) vertreten, der zu diesem Zwecke (1881, 3) eine Tafel mit den verschiedenen Penisformen der europäischen Cetoniiden herstellen ließ. Auch Weise (1886, 2: 1889, 3 und 4; 1893, 14) betrachtet den Penis der Käfer nur unter diesem Gesichtspunkte. Die genannten drei x\utoren haben indessen nur die Chitinteile behandelt, bzw. die äußeren Umrisse dargestellt. Die Arbeit von Escherich (1892) entwickelt mehr theoretisch un> Prostata << bezeichne ich je eine der kugeligen Erweitermigen des paarigen Ductus ejaculatorius, in die die Anhangsdrüse mid der Hodengang münden. Wir finden sie schon bei Hegetschweiler (1820, Textfig. 6) abgebildet unter der Bezeichnung: Vesicula seminalis. Je- doch schon der erste Autor setzt ein Fragezeichen hinter diese Benen- nung. Spätere Autoren waren aber weniger bedenklich, und so finden wir sogar bei Bordas diese »renflements vesicuHformes du canal defe- rent«, wie er sie nennt, als »vesicule<< oder >>receptacle seminal« be- zeichnet. Ein Schnittbild durch dieses Organ (Textfig. 12) gibt er nicht. Wenn wir das Lumen des Samenleiters (Textfig. 6) betrachten und damit das der Prostata (Textfig. 12) vergleichen, so sehen wir auf den ersten Blick, daß das Organ die Funktionen eines Sammelbehälters auf keinen Fall erfüllen kann. Dagegen zeigen mis seine Wände (Textfig. 12 und 13), daß wir es mit einer funktionierenden Drüse zu tmi haben. Hohe Cyhnderzellen mit großen Kernen bilden die dicke Wandtmg. Und um das Lumen, das mit einer dünnen Chitincuticula ausgekleidet ist, sieht man eine Schicht gelb gefärbter Secretgranulae. Auf unsenn Schnittbild erbhcken wir zwei große Secrettropfen , deren Inhalt sich Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CXIV. Bd. 2 18 AVilhelni Harnisch, ^ ^^ ^- / Textfig. 12. ^*"'' Popuii (3: Längsschnitt durch die »Prn«tntn. nK„ • ■• , drüse, nach unten sich fort^fln^ »Prostata«. Oben einmundend Vas deferens und Anhangs- sich fortsetzend der unpaarige Ductus ejaculatorius. Vergr. SOOmal. über den männliclien Begattungsapparat einiger Chrysomeliden. 19 mit Orange G kräftig färbt. Links hat das Secret den Kern zur Peri- pherie gedrängt, rechts der Mitte zu. Textfig. 13 zeigt uns einen Quer- schnitt durch die Drüse in einem späteren Stadium. Die Secretvacuolen sind nach innen zu durchgebrochen, und fertiges Secret befindet" sich rings um das Lumen herum, um die Chitinintima, die wahrscheinhch als Filter dient, zu passieren. Das Secret scheint andrer Natur zu sein, als ünmündunj, def^u.d.Am Textfig. 13. Lina populi (5: Scliematisicrtor Querschnitt durch die »Prostata«. Vcrgr. 3()0inal. das, welches durch die Anhangsdrüsen abgeschieden wird. Es färbt sich etwas dunkler und ist auch feinkörniger. Auf die Möglichkeit seiner Verwendung werde ich später eingehen. AVenn wir nun die inneren Geschlechtsorgane insgesamt betrachten, 80 können wir sehen, daß die beiden Abschnitte des unpaarigen Ductus, der paarige Ductus und die »Prostata« ein einheitliches Stück bilden. Der Übergang vom dünnen zum muskulösen Teil ist, wie gesagt, ein ganz allmähUcher, imd die Zweiteilung hat auf die Struktur des mus- kulösen Teiles keinen Einfluß (Textfig. 10 mid 11). Femer geht ^as Cylinderepithel des Ductus direkt in das der »Pro- stata« über (Textfig. 12), sodaß man diese nur als den kelchiörmigen 2* 20 Wilhelm Harnisch, secretorischen Abschlußteil des Ductus anzusehen hat. Den Namen »Prostata« habe ich dieser Drüse im HinbUck auf- ihre später zu er- örternde Funktion beigelegt. Da ich sie aber nur bei Lina fofuli untersucht habe, so lasse ich die Frage offen, ob sich diese Bezeich- nung für alle Gruppen anwenden lassen wird. Ich habe sie daher in meiner Arbeit stets mit » << versehen. An der Einmündungssteile des Samenleiters und der Anhangsdrüse zeigt sich aber nunmehr eine deuthche Grenze (Textfig. 12), sodaß wir diese beiden Organe als selbständige Teile der inneren Geschlechts- organe anzusehen haben. Der Copulationsapparat. a) Letzte sichtbare Segmente. Bevor wir uns mit dem Copulationsapparat im engeren Sinne be- schäftigen, müssen wir einen Bhck auf die letzten äußerhch sichtbaren 2 Metdthordx Mesof^hoMx '' Prothorax 7^ Kopf Textfig. 14. Lina, popidi (5 ". Q : Körper der Imago nach Entfernung der Flügel und Beine, um die Lage der Tergite und Sternite zueinander zu zeigen. Vergr. 7mal. Segmente werfen. Ich muß dabei eine Tatsache vorausschicken, auf die ich später noch näher eingehen werde i, daß nämhch bei der Teilung der Segmente in Tergite und Sternite eine Verschiebung der beiden Halbringe gegeneinander eingetreten ist, sodaß z. B. das 4. Tergit (Dorsalplatte) über dem 2. Sternit (Ventralplatte) zu hegen kommt (Text- 1 Dort im allgem. Teil findet man auch eine Beschreibung der ersten Ab- dominalsegmente. über den männlichen Begattimusappanit einij^cr Chrysomeliden. 21 fig. 14). Das 7. uiid 8. Sternit sind in das Körperinnere hineingezogen und bilden einen Teil des Copulationsapparates. Zu diesem Zweck haben sie bei den Käfern eine besondere Umwandlung erfahren, so daß man das 7. Sternit selten, das 8. überhaupt nicht als solches erkannt 1; S-/ / / \ / ^^ c^ / V 1 oi ^ •t:; ' \/ !•' 1 «o "^ hat. (Darüber wird später Näheres gesagt werden.) Die Schlußplatten des Abdomens, das 8. Tergit und 6. Sternit berühren im Ruhezustand einander mit den Hinterrändern (Textfig. 14 und 15) und verschheßen so die von ihnen eingerahmte Dann- und Geschlechtsöffnung. 22 Wilhelm Harnisch, Da über den Copulationsapparat von Lina populi speziell keine Veröffentlichmigen vorliegen, die über die andern Käfergattungen aber so widersprechend sind, so würde ein Eingehen auf die bisherige Litera- tur an dieser Stelle das Verständnis dieses Abschnittes nur erschweren. Jedoch werde ich in dem vergleichenden morphologischen Teile dieses nachholen. Während das 2. bis 7. Tergit mehr häutiger Natur ist, da die harten Flügeldecken auf der Eückenseite dem Körper genug Schutz gewähren, ist das 8. Tergit von größerer Festigkeit, da es beim Ausstoßen der Fä- calien und bei der Begattung unter den Flügeldecken hervortritt. Die stumpfe Spitze, in die es aboralwärts ausläuft, ist besonders verstärkt. Das gelbe Chitin, das diese Platte bildet, ist bürstenartig mit nach hinten Endddrm yerbindungshdul zum - — ^"^8. Tergit '5/nneshddre hitbdres Mitte/stuc/i Textfig. 16. Lina vopuli (3: Entfaltetes neuntes Tergit. Vergr. 20mal. gerichteten Chitinhärchen besetzt, die nur mit starker Vergrößerung auf Schnittbildern wahrzunehmen sind. Auch mit Sinneshaaren ist diese Platte versehen. In der Ruhelage verdeckt sie vollkommen das 9. Tergit, welches durch Einfaltung der Körperdecke unter das 8. Tergit geschoben ist (Textfig. 16 und 26). Bis zum 8. Tergit und 6. Sternit sind Männchen und Weibchen gleich gebaut. Während nun beim Weibchen das 9. Tergit eine einheitKche Platte bildet (Fig. 39 u. 45), ist es beim Männchen in zwei Hälften gespalten, die durch eine Zwischenhaut miteinander verbunden sind (Textfig. 16). In der Ruhestellung hegt die Platte so gefaltet, daß der innere Rand der rechten Hälfte über der Unken hegt. Dadurch wird ein dichterer Ab- schluß der Kloakenöffnung erzielt (Textfig. 26). Entfaltete Kahlauge- präparate, von denen jede Spur von Muskeln entfernt ist, schnellen über den iiiäniilichon Hogattungsapparat einiger Chrysomeliden. 23 wieder in die gefaltete Lage zurück, woraus man erselien kann, daß in dem Chitin eine Spannung vorhanden sein muß, die eine auto- matische Faltung veranlaßt. Die beiden nach hinten und innen ge- richteten Ecken der Platten sind mit 8inneshaaren besetzt (Textfig. 16). Von der letzten sichtbaren, d. h. der 6. Ventralplatte, ist nichts weiter zu bemerken, als daß ihre Verbindungshaut zum nächsten (7.) Segment noch einen verhärteten Streifen besitzt, der sich dicht an ihren Rand anschließt. Diesen Rand habe ich bei allen von mir untersuchten Käfern gefunden. Er hat offenbar die Bedeutung, der Reibung des 8. Tergits auf der Zwischenhaut zwischen dem 6. und 7. Sternit Wider- stand zu leisten. b) Penis mit Atrium genitale und 7. und 8. Ventralplatte. Das Atrium genitale ist eine feine durchsichtige C'hitinhaut, die dorsalwärts dicht unter der Darmöffnung ansetzt, ventralwärts die Fortsetzung der am äußersten Rande versteiften Zwischenhaut der 6. Ventralplatte bildet (Textfig. 15). Sie umhüllt schlauchartig den ganzen fi/ngyensfef/unp Afriam ^en/td/e 7. Stern ir Ducfus ydcu/atorius L Muske/^nsar^p/^/fe des 6. Stern/ t Textfig. 17. Lina popitli (3: Chitinskelett des Copiilationsapparates. Vergr. 20inal. Penis und ist auf der Grenze zwischen dem oralen und mittleren Ab- schnitt mit ihm verwachsen (Textfig. 17 und 19), an der Stelle, wo der große Ringmuskel beginnt. Bei dem Präparat, nach dem Textfig. 17 und 19 gezeichnet ist, sind die Muskeln durch Kochen in Kalilauge entfernt, um den Bau des C'hitinskeletes zu zeigen. Auf der Ventralseite ist in dem Atrium ein C'hitinbogen eingelagert, die 7. Ventralplatte. Sie ist un- 24 Wilhelm Harnisch, Querschnitf gefähr halbkreisförmig, die Ecken leicht leierförmig nach außen gebogen (Textfig. 2, 17 u. 26). Im Querschnitt ist sie ungefähr kreisrund mit einer dorsalen Abflachung (Taf. I), an deren beiden Seiten das Atriimi sich ansetzt. Vom 7. Sternit verläuft die Atriumwand ventralwärts zum 8. Sternit, ist also in dieser Strecke als Gelenkhaut zwischen dem 7. und 8. Sternit anzusehen. Von miten her betrachtet, hat das 8. Sternit eine dreizipfhge Ge- stalt (Textfig. 18). Die beiden aboralwärts gerichteten Zipfel laufen spitz aus und umringen kreisförmig den Penis von unten her, so daß sie bei- nahe auf der Oberseite einander berühren (Textfig. 17). Der dritte oral- wärts gerichtete Zipfel ist mit einer Platte versehen, die senkrecht auf ihm steht und als Ansatzstelle für den großen Ringmuskel dient. Zu diesem Zwecke ist sie mit drei flachen Leisten versehen (Text- fig. 17 u. 18, L). Die beiden halbringförmi- gen Seitenarme der Platte sind um ihre Längsachse etwas gedreht, damit sie beim Umgreifen des Penis diesem mit der Fläche anliegen können (Textfig. 17). Von der Seite gesehen, bilden sie mit dem Oral- zipfel daher einen stumpfen Winkel. Auf der Unterseite des Penis ist das 8. Sternit direkt mit dem Penis durch eine kurze und dicke Gelenkhaut verbunden (Taf. I), auf der Oberseite jedoch ist das Atrium eine längere Strecke noch als dünne Zwischen- haut ausgedehnt, ehe es am Penis ansitzt (Textfig. 17 und Taf. I). An dieser Stelle ist in sie noch eine Ringversteifung eingelagert, von der später gesprochen wird (Textfig. 17 und Taf. I). Der Penis besteht aus einer harten chitinigen Röhre, die ungefähr in der Mitte fast in einem rechten Winkel nach unten gebogen ist (Textfig. 17). In der Größe des Winkels finden sich kleine individuelle Unterschiede, wie schon aus dem Vergleich der Textfig. 17 mit Taf. I zu ersehen ist. Die Spitze ist noch einmal nach unten abgebogen, ihr äußerstes Ende zeigt jedoch wieder eine kleine Krümmung nach oben. Von der Seite betrachtet (Textfig. 17) ist der Penis in der Mitte ungefähr 1,00mm breit und verjüngt sich aboralwärts zu einer Spitze. Oralwärts nimmt er erst noch ein wenig an Stärke zu und rundet sich am Ende elhpsoi- disch ab. Von oben oder unten betrachtet ist der Penis mehr gleich- mäßig breit (Textfig. 19 und 20). Die größte Breite zeigt er in der Mitte, Textfig. 18. Lina populi (5: Achtes Sternit. Vergr. 20iiial. über don iniinnlichcn Jiogattungsapparat cinigfr Chrysoinclidcii. 25 Textfig. 19. Lina, populi (S : Penis von der Unterseite gesehen, der Spalt des oralen Teiles klaffend. Vergr. 16nial. WO er von dem 8. Sternit umringt wird. Aboralwiirts rundet er sich ab ; nur das äußerste Ende spitzt sich zu. Der orale Abschnitt zeigt einen senk- rechten Spalt, der auf der Unterseite tiefer ist als auf der Oberseite (Text- fig. 19). Durch diesen Spalt wird der Penis in zwei symmetrische Hälften geteilt, und verschiedene Autoren haben sich veranlaßt gesehen, diesem zweiteihgen Stück einen diesbezügUchen Namen zu geben, je nach der Form, die die Objekte besaßen, welche die Autoren gerade vor sich hatten. So nennt Lindemann (1875) bei den Borkenkäfern die beiden Hälf- ten : » Penisf üßchen <<, Ver- HOEFF (1896) bei derselben Gruppe : >> Femora << und bei den CoccinelUden (1895,7): »Ba- salplatten«. Ich halte derar- tige Bezeichnungen für be- denklich, da dem vergleichen- den Anatomen das Gewdrr von Spezialbezeichnungen ganz außerordentlich die Arbeit erschwert. Bei vielen Käfer- gruppen zeigt der Penis über- haupt diese Form nicht. Es genügt daher vollkommen, zu sagen: »Das Oralstück des Penis ist senkrecht gespalten «. Die beiden Hälften sind hohl, und ihre Ränder passen genau aufeinander, wie aus Text- fig. 20 zu ersehen ist. Zur Versteifung und zum Ansatz von Muskeln verläuft um das Oralstück ein dicker, unten nicht ganz geschlossener Chi- tin ring, der in der Aufsicht beinahe schwarz aussieht (Textfig. 17, Taf. I). Streift man bei einem Kahlaugenpräparat das Atrium geni- tale oralwärts über den Penis hinweg, so gelingt es mitunter, die Ringversteifung mit abzuziehen. Wir sehen also daran, daß der \\ ulst eigenthch eine Verstärkung des Atriums ist. Die Atrialwand setzt A /f/n^t^ensfeifi/n^ A/r/i/m B Textfig. 204 und B. Lina populi S- Penis von der Unterseite gesellen, der Spalt des oralen Teiles gesclilossen. Bei A ist das aclite Sternit abpräpariert. Vergr. 16mal. 26 Wilhelm Harnisch, Spifze ...Öffnung /erscMussMappe sich demnach bis zum äußersten Oralende fort und geht dann direkt in den Penis über. Die Spitze des Penis ist mit zahlreichen Sinneskörpern versehen, denen keine Haare aufsitzen (Taf. I). Auf die weitere Beschaffenheit dieser Organe will ich nicht näher eingehen und verweise daher auf die Arbeit von Hochreuther (1912) über die »Hautsinnesorgane von Dijtiscus marginalis L. <<. Dort sind auch die Sinnesorgane des Penis beschrieben, die im großen und ganzen dieselben Verhältnisse zeigen, wie bei unserm Käfer. Über der Penisspitze hegt die Öffnung. Diese ist mit einer besonderen Ver- schlußklappe versehen (Textfig. 21), die dadurch entsteht, daß die Chitinwand des Penis von der Öffnung her rechts und hnks geschlitzt ist, so daß eine Zunge stehen bleibt. Diese ist wieder in der Mitte gespalten, und ihre beiden Zipfel schlagen sich nach innen ein und berühren die gegenüberhegende Seite des Penis, sodaß auf diese Weise ein Abschluß erreicht wird (Taf. I). Zwischen beiden Zipfeln spannt sich eine Zwischenhaut, die sich ins Innere des Penis fortsetzt. -/K?/ Textfig. 21. Lina populi (5: Penisspitze von der Oberseite gesehen. Vergr. 27mal. I e) Rutenblase mit Praepenis. Der Penis ist ausgekleidet mit einem sackartigen Gebilde, dessen Rand sich unmittelbar an die Penisöffnung anschheßt und das in zahl- reichen Falten hegt (Taf. I und Textfig. 22) : die Rutenblase. Bereits SucKOW (1828) kennt sie, aber nur soweit, als sie mit ihrem spitzen Ende aus dem Penis herausragt i. Er bezeichnet die Blase als Rute, den Penis als »knöcherne Kapsel«. 1837 gelangte v. Siebold durch einen Irrtum zur Aufstellung des terminus: »Rutenblase«. Er fand beim Maikäfer in dem befruchteten Weibchen die Spermatophore und glaubte in ihr die abgerissene Rute des Männchens zu sehen. Er sagt darüber: »Die Art und Weise, wie die männhchen Zeugungsteile in die weibüchen eingestülpt werden, läßt ein Herausziehen der unversehrten 1 Z. B. auch bei Clytra (Textfig. 51). über den inäiinliclu'ii Bogattung.sapparat einiger Chrysomcliden. 27 Rute durchaus nicht zu. Es wird nämlich, nachdem die hornige Ruten- kapsel des männliclien Maikäfers in die Vagina eingedrungen ist, die in jener Kapsel verborgen liegende häutige Blase (eigentliche Rute) so in die Bursa copulatrix eingestülpt, daß die äußere Wand dieser blasen- artigen Rute die innere Fläche der Begattungstasche genau an allen Stellen berührt. Dieser blasenartige Körper ist es nun, welcher vom Männchen nach vollendetem Coitus abreißt und in der Begattungstasche des Weibchens zurückbleibt. — Unmöghch kann das Männchen die so stark ausgedehnte Rutenblase aus der engen Mündmig der Bursa copu- latrix wieder herausziehen. Die Wände der Blase sind überdies sehr dünn, daß ein Zerreißen derselben leicht möglich wird.<< Die erste rich- tige Beschreibung der Rutenblase gibt mis Stein (1847) in seiner Mono- graphie über die weibHchen Geschlechtsorgane. Dort sagt er (S. 87) : »Ich empfehle besonders die kleinen Laufkäfer und StaphyHnen, ferner die Cassiden, Aphodien, Chrysomelen und selbst die größeren Sil- phen. Doch darf man nicht jeden beliebigen Käfer wählen, da bei vielen die Rutenblase ganz fehlt, wie z. B. bei den Elateren, Hydrocanthariden und Hydrophihden. Bei den zuerst genannten Käfern bilden die häuti- gen Wandungen der ausgestülpten Rutenblase die unmittelbare Fort- setzung der hornigen Wandungen der Rutenkapsel i, die Rutenblase ist an ihrem freien Ende zugerundet, aber nicht geschlossen, sondern in der Mitte geöffnet. Der Rand dieser Öffnung ist bisweilen noch be- sonders ausgestaltet, z. B. bei Cassida equestris, wo auf der öffnmig ein kurzer horniger Trichter aufgesetzt ist. Die eingezogenen Ränder der Öffnung gehen unmittelbar in die Epithelialhaut des Samenausfüh- rungsganges über^. Der größere Teil des letzteren liegt in der Bauch- höhle, das hintere Ende aber tritt in die Rutenkapsel ein und durchläuft die ganze Achse derselben und die Rutenblase, um am Orificium der Rutenblase in die Wandungen derselben überzugehen. Wird die Ruten- blase in die Rutenkapsel zurückgezogen, so rückt der Samenausführungs- gang weiter in die Leibeshöhle zurück, während das hinterste Ende der Rutenblase in den vorderen Teil der Rutenkapsel oder auch selbst noch in die Leibeshöhle zu liegen kommt. Wo die Rutenblase fehlt, da gehen die Wandungen des Samenausführungsganges unmittelbar in den Hin- terrand der Rutenkapsel über. An die innere Wand der Rutenblase setzen sich zahlreiche Muskeln an, die von der inneren Wand der Ruten- kapsel entspringen und die dazu dienen, die ausgestülpte Rutenblase 1 Rutenkapsel nennt Steix in Anlehnung an v. Siebold das, was im folgenden als Penis bezeichnet wird. 2 Vgl. zu diesem und dem folgenden Textfig. 22 u. 23 u. Taf. I. 28 Wilhelm Harnisch, wieder in die Ruteiikapsel zurückzuziehen. Die äußere Fläche der Rutenblase ist stets mit dichtgedrängt stehenden Stachelborsten oder mit abgerundeten Schuppen, oder andern Bewaffnungen besetzt, wie sie an allen Epithelialhäuten so gewöhnlich vorkommen.« Leider hat Steins Arbeit nicht immer die Beachtung gefunden, die sie verdient; sonst hätte Veehoeff (1893,9) — S. 143 — nicht vom Ductus ejaculatorius der Chrysomeüden schreiben können : >>Er bleibt im Penis und Hegt in demselben fest, wobei er an dessen Spitze, oder über, oder unter demselben münden kann.« Auch J. Weise (1894,12) — S. 155 — , der ihn auf diesen Irrtum aufmerksam macht, weist nicht auf diese Beschreibung Steins hin. In einem späteren Aufsatze (1895,6), in dem Verhoeff die Anregungen Weises verwendet, gibt er nunmehr eine schematische Skizze, die das Herausstülpen des »Ductus« (den wir in dieser entwickelten Form mit v. Siebold und Stein als »Rutenblase« bezeichnen) veranschaulichen soll. Diesen erweiterten Ductus nennt ■Penis Atrium Ruienbidse Prdepenis Dünn er Tei/ des Ductus ejdcul. Didier Teil des Ductus Pddriger Ductus Textfig. 22. Lina populi (3 : Scliema für tien Penis in der Ruhelage. Verhoeff »Präputium«, obwohl bereits 1832 Burmeister diesen Na- men für das Atrium genitale eingeführt hat^. In der in demselben Jahre erschienenen Arbeit über das Abdomen der Coccinelhden be- zeichnet er die Rutenblase als » Präputialsack «, dem er speziell wieder bei den Coccinelhden den Namen Siphonalhaut beilegt (1895, 7). In den Arbeiten von Boas (1893) und Blunk (1912) finden wir die Ruten- blase vom Maikäfer und Gelbrand beschrieben, bei ersterem unter der Bezeichnung: vesicule de la verge, in der zweiten unter dem Namen »Deckapparat«. Da sowohl Melolontha wie Dytiscus bei der Begattung Spermatophoren absetzen, so hat die Rutenblase bei diesen Tieren ihre 1 Um weiteren Mißverständnissen vorzubeugen, habe ich diese Bezeichnung nicht beibehalten können imd habe daher den Namen » Atrium genitale « ver- wendet. über den märmliclicn Bepattungsapparat eiiiipor Chrysonicliden. 29 besondere Ausbildung erfahren, von deren Beschreibung wir hier ab- sehen müssen. Die beste Darstellung, auf die wir zurückgreifen können, ist mithin die von Stein. Sie zeichnet richtig den Normaltypus, und ich brauche dahei- für unser Tier nur die Besonderheiten hervorzuheben. "Wie auf dem schematisierten Querschnitt durch den Penis (Textfig. 25) ersichthch, hegt die Rutenblase in zahlreichen Falten, die ungefähr bila- teral symmetrisch angeordnet sind. Aus diesen Schnittbildern die Gestalt der prallen Blase zu rekonstruieren, erwies sich als unmöglich. Aus dem -Prdepen/s(Jrichter') Duc/us ßufenb/die Pen/3 f„ fii//e/?Mdp5e/ ") ■Atrium Textfig. 23. Lina populi c5 : Schema für den erigierten Penis mit entfalteter Kutenblase. Längsschnitt (Taf. I) ist nur soviel zu ersehen, daß die untere Partie faltenreicher liegt als die obere; die ausgestülpte Rutenblase sich daher nach der oberen Seite zu wölben wird. Um nun die genaue Gestalt der Blase feststellen zu können, versuchte ich, die Tiere während der Copula abzutöten, sodaß die ausgestülpte Rutenblase ihren Zustand beibehielt. Dies glückte mir jedoch für diese Versuche nie. Bei Übergießen mit kochendem Subhmatalkohol ließen die Käfer augenbhckhch los. Bei Einwirkung von Blausäuredämpfen blieben zwar die Tiere meist auf- einander sitzen, die Rutenblase wurde aber in das Innere des Penis zurückgezogen, wie sich hinterher herausstellte, auch wenn der Penis selbst in der Scheide des Weibchens bheb. Auch beim Herauspräpa- rieren der Blase heß sich ihre Gestalt nicht feststellen. Da nun all- gemein angenommen \\'ird, daß bei der Copula der Blutdruck zum 30 Wilhelm Harnisch, —Penis "Abdomen ' ~W<}chs6idicfiti/njj --6/dsrohr Ausstoßen des Penis beiträgt, suchte ich diesen auf mechanischem Wege zu erhöhen. Ich trennte zu diesem Zwecke von einem betäubten Tiere den Kopf ab und befestigte es mit Wachs so in einem Glasröhrchen, daß das Abdomen aus der Öffnung her- ^ ,,u,w,..-^^>. ausragte. Am andern Ende der ,<:0=, "-------__ ""''■^ Öffnung wurde ein Gummiball an- gebracht (Textfig. 24). Durch Kom- primieren des Balles drückte die Luft auf das Blut, und dieses trieb wiederum den Penis aus dem Atrium heraus und entfaltete die Rutenblase zu ihrer vollen Gestalt. Dieser Ver- such gelingt jedoch nur, wenn der Körper ganz luftdicht in dem Textfig. 24. Eöhrchen eingeschlossen ist. Die Apparat zur künstlichen Erhöhung des Blut- Einrichtung bietet den Vorteil, daß druckes. i t-w i man durch Nachlassen des Druckes die Rutenblase und den Penis wieder zurücktreten lassen und den ganzen Vorgang behebig oft wiederholen kann. Da es aber sehr selten gelingt, einen wirklich luftdichten Abschluß herzustellen, so bediente ich mich -ßummibd/l D/e gezä/inelfen Wülsre_ neben dem Prdepenis ~ ^ ~ ~ Zöt. Atrium Textfig. 25. Lina populi (5: Querschnitt durch den Penis. Vergr. 67mal. später des einfacheren Verfahrens. Ich schob von einem betäubten Tiere die Flügel beiseite mid drückte leicht mit zwei Fingern rechts und links auf die Rückenseite und konnte so nach einiger Übung dieselbe über den männlichen Begattungsapparat einiger Chrysoinelidcn. 31 Dudui e/6cu/. ,-8 Sf. -Atrium Wirkung erzielen. Um die Rutenblase in der gewünschten Lage zu fixieren, umwickelte ich das Abdomen mit einem Streifen von knet- barem Wachs, eine Vorrichtung, die oft länger als 1 Stunde wirksam blieb. Freihch glückte auch dies Verfahren erst nach sehr vielen ver- geblichen und zeitraubenden Versuchen. Man hat dabei besonders darauf zu achten, daß der Käfer nicht äußerUch beschädigt wird, auch nicht an Flügeln oder Beinen, da das Blut beim Druck aus der kleinsten Öffnung herausquillt. Doch gelang es mir noch z. B. bei abgerissener Tarse, die Wunde durch Ausbrennen mit einer glühenden Nadel zu schließen. Zur Narkose der Tiere verw^andte ich Äther oder Chloroform. Der Vorgang, den ich bei dieser Technik beobachten konnte, war folgender: Zuerst er- schien die Penisspitze, imd dann schob sich der ganze Penis aus dem Atrium, die Spitze im Bogen nach unten und vorn wendend. War der Penis in seiner ganzen Länge herausgetreten, dann hob sich die Verschlußplatte von der Penisöffnung, und die Blase quoll hervor und entfaltete sich zu ihrer cha- rakteristischen Gestalt, die uns die Textfig. 27 veran- schauhcht. Sie wölbt sich über die Oberseite des Penis hinaus und hat verschiedene Zipfel und Ausbuchtungen. Das Heraustreten des Penis und der Rutenblase sollen die schematischen Textfig. 22 und 23 erläutern. Im Grmide der nicht ausgestülpten Blase ist ein S-förmiges Chitin- stück angebracht, dessen breite Basis ein Stück der Wand selbst bildet, während die Spitze hakenförmig frei in das Lumen hineinragt (Taf. I). Dieser Haken aber ist durchbohrt und bildet das Mundstück des Ductus ejaculatorius, der an seiner Basis in das Chitinstück eindringt. Es ist Attrdaoren (fer 9. Oorö^/p/dtre Textfig. 26. Lina populi (5 : Penis mit letzten Abdominalplatten von der Ventralseite gesehen. (Die Segmenthäute sind ent- fernt.) Vergr. IGinal. 32 Wilhelm Harnisch, mit dem Stück identisch, das Stein- bei Cassida equestris als trichter- förmigen Aufsatz bezeichnet, Lindemann (1875) bei den ScoUtiden als Penisrinne imd Verhoeff (1895) bei den Coccinelliden als Sipho, — Kerschner (1913) neuerdings gar als Penis. (Wie ich später noch er- örtern muß, beruht dies auf einer Mißdeutung der erschienenen Litera- tur.) Da ich dies Organ bei allen von mir untersuchten Käfern konsta- tieren konnte, die keine Spermatophoren bilden, aber auch nur bei sol- /^utenb/ese - - Praepenis -Penis Textfig. 27. Lina populi (5: Aboraler Teil des Penis mit ausgestülpter Rutenblase. Vergr. 20mal. chen, und zwar immer an dem äußersten Ende des Copulationsappara- tes, so habe ich es als Präpenis bezeichnet. Der Präpenis sitzt auf der ausgestülpten Eutenblase zwischen zwei Wülsten, deren Stachelbekleidung besonders kräftig entwickelt ist, so daß sie schon bei schwächerer Vergrößerung wahrzunehmen ist (Textfig. 25 und 27). Die Zähnchen, die die übrige Blasen wandung bekleiden, sind bedeutend kleiner, und ihre mehr oder weniger feinen Spitzen sind im erigierten Zustande der Blase oralwärts gerichtet, so daß sie während der Copula als Widerhaken dienen können. über den iiuiiuilichen Bcgattungsapparat einiger Chrysomcliden. 33 Auf Taf. I lassen sich bei der üoppelfärbuno;: Häniatoxylin, Orange G, verschiedene Arten des Chitins unterscheiden, deren Verteilung hier geschildert werden soll, da auch sie mit zum Verständnis des Apparates beitragen. Wir haben da zu unterscheiden: 1. Chitin mit eigener Farbe vom hellen Gelb bis zum Braun; 2. Chitin, das sich bei unsrer Färbung mit Häniatoxylin blau färbt, und das ich hier der Kürze halber als blaues Chitin bezeichnen will; 3. Chitin, das mit sauren AniUnfarben tingiert, auf unserem Schnitt also mit Orange G, das ich kurz Acido-Chitin benennen will. Das Chitin mit Eigenfärbung zeigt sich da, wo eine große Festigkeit und Elastizität verlangt wird. Wegen seiner Festigkeit genügt oft schon eine ganz dünne Schicht, so an der Wandung der Penisunterseite. In der Nähe der Spitze kann man zwei Schichten unterscheiden: unter der dünnen sattgelben Schicht beginnt eine hellere, die in der Spitze eine ziemliche Stärke erreicht, da dieser Teil eine besondere Festigkeit haben muß. Wir finden die beiden Schichten an der Spitze von den Sinnes- organen durchbohrt. Diese Zweischichtung finden wir auch auf der Oberseite. Wir können sie verfolgen bis zum Ringwulst. Dort hört die dunklere Außenschicht auf, und nur die hellere setzt sich unter dem Ringwulst fort. Das Chitin dieses Wulstes hat eine gelbe Färbmig. Nur die Breitseite, die dem Penis zugekehrt ist, ist dunkelbraun. Aus gelbem Chitin besteht ferner der Präpenis mit Ausnahme der Spitze, die 7. und die 8. Ventralplatte. Die mit HämatoxyHn färbbare Art scheint dem Chitin mit Eigen- färbung nahe verwandt, da wir stets Übergänge wahrnehmen können i. Wir finden aus ihm bestehend das orale Ende des Penis, eine Schicht unter der Penisverschlußklappe und die Spitze des Präpenis, ferner die Wandungen des Ductus ejaculatorius. Das Acido-Chitin setzt sich deutUch von dem gelben und blauen Chitin ab. Wir haben bei ihm einen einheitlichen Farbton, der sich gleichmäßig über die Schicht verteilt. Aus ihm bestehen die Wandun- gen der Rutenblase und das Atrium genitale. Wenn wir die drei Arten auf ihre Stabilität hin miteinander ver- gleichen, wie dies an den einzelnen Teilen eines Kahlaugepräparates 1 Auf Schnitten durch den Kaumagen von Dytiscm konnte ich feststellen, daß sich zwischen den Chitinmutterzellen und dem gelben Chitin eine homogene blaue Chitinschicht befand. Wir haben in dem blauen Chitin also anscheinend eine unausgereifte Form des gelben vor uns. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CXIV. Bd. 3 34 Wilhelm Harnisch, leicht möglich ist, so finden wir, daß das blaue Chitin elastisch ist, aber weicher wie das gelbe; während das Acido-Chitin nur geringe Elastizität aufweist, sondern weich und faltbar ist, auch wenn es, wie in der Rutenblase, eine ziemliche Dicke aufweist. Die verschiedenen Farbtöne des Chitins mit Eigenfärbung zeigen einen verschiedenen Härtegrad an: Je dunkler das Chitin, desto fester und spröder, je heller, desto weicher und elastischer. Die dunklere Schicht finden wir auf der Außenfläche, die hellere nach innen zu. Auch beim Ringwulst finden wir dies Prinzip durchgeführt, wenn wir uns vorstellen, daß er dem Atrium angehört, die Außenseite also die dem Penis zugekehrte ist. Über die Muskulatur des Penis und seine Funktion. In der Muskulatur des männlichen Copulationsapparates zeigt sich bei verschiedenen Gattungen eine so große Verschiedenheit, daß ich darauf verzichten muß, Homologien mit den andern Gruppen festzu- stellen und die Nomenklatur von andern beschriebenen Arten (Melo- lonta — Boas 1892 — , Dijtiscus — Demandt 1912 — und Coccinella — Veehoeff 1895 — ) zu übernehmen. Gelingt es^ Muskeln als morphologisch homolog aufzuweisen, so hat sich zum Teil die Funktion verschoben; und analoge Funktionen werden zum Teil von andern Muskeln ausgeführt. Die Nomenklatur, die ich für die Muskeln bringe, macht daher keinen Anspruch auf all- gemeine Gültigkeit, sondern dient nur unsrer Beschreibung. Wir betrachten zuerst die Muskeln im Innern des Penis, die Re tra c- toren der Rutenblase (Taf. I). Diese sind einerseits an der Ruten- blase befestigt, anderseits am oralen Ende des Penis und dienen dazu, die Rutenblase nach beendeter Begattung ins Innere des Penis zurück- zuziehen. Sie zerfallen in sechs Bündel, die wieder zu Paaren angeordnet sind (Textfig. 32). Wir wollen die Paare mit I, II und III bezeichnen. I und II verlaufen von der Wandung der Rutenblase bis zur Innenwand des Oralstückes (Taf. I). Paar III tritt jedoch aus dem Penisspalt heraus und verläuft zwischen Peniswand und dem schon oben kurz er- wähnten Ringmuskel außen um das orale Ende dorsalwärts herum und setzt sich an den Ringwulst an (Textfig. 32, 33). Am äußersten Oralende, das vom Ringmuskel nicht mehr bedeckt ist, wird es auf Textfig. 28 frei sichtbar, wie es aus der Spaltöffnung heraustritt und zur Oberseite des Penis herumläuft (s. auch Textfig. 33). Diese Verlängerung der Muskel- fasern dient offenbar dazu, ihre Dehnbarkeit zu erhöhen, die beim Aus- stülpen der Blase ja sehr in Anspruch genommen werden muß. Die Blasenpartie unter dem Präpenis ist frei von Muskeln (Taf. I). I • über den mäimlichen Begattungsapparat einiger Clirysomeliden. 35 Das Austreiben der Rutenblase bewerkstelligt, wie schon oben er- wähnt, der erhöhte l^lutdruek. Dieser wird bekanntlich durch die Kontraktion der Longitudinal- und Transversalmuskeln des Abdomens erzeugt. Da nun eine Copula viele Stunden dauern kann, so würde der ununterbrochen starke Blutdruck eine Stockung der übrigen Körperfunktionen hervorrufen, zumal die Abdominalmuskulatur auch die Atembewegung auszuführen hat, wenn nicht ein Muskel vorhan- den wäre, der die in den Penis eingetretene Leibesflüssigkeit zurück- Vensc/)/u6s Textfig. 28. JAna populi (5: Copulationsapparat mit Muskulatur. Vcrgr. liOiual. hielte. Diese Funktion hat, wie ich zeigen möchte, der große Ring- muskel (Textfig. 28), den wir schon eingangs erwähnt haben. Es ist bemerkenswert, daß diesen Muskel schon Suckow (1828) gesehen und seine Funktion richtig erkannt, oder vielmehr geahnt hat. S. 251 sagt er: »Der hintere Teil (des Penis) zeigt eine bedeutende An- schwellung, die öfters durch eine Furche zweiteihg wird, und deutet den Bulbus cavernosus höherer Tiere in seinen ersten Umrissen an.« Dieser Muskel besteht aus zwei Hälften, von denen jede vom Ring- w^ulst ausgehend im Bogen um das orale Ende herumläuft und am oralen Ansatz des 8. Stemit befestigt ist. Wie aus Textfig. 33 zu ersehen, ist er nicht ganz symmetrisch gebaut. Auf der rechten Seite ist er an der gan- 3* 36 Wilhelm Harnisch, 6. 5t öelenkhauf d8.ör. Textfig. 29. Lina populi ^: Frischgeschlüpftes Tier: Querschnitt durch die Unterseite des Penis und des achten Sternits aboralwärts des Spal- tes. Vergr. 47mal. zen Breitseite der Ansatzplatte befestigt, links nur an der oberen — d. h. der dem Penis zugekehrten — Hälfte. Durch seine Kontraktion werden die beiden Seitenhälften des Oralstückes gegeneinander gepreßt; Text- fig. 19 u. 20 veranschaulichen uns dies. Bei Textfig. 19 klaffen die Eänder der beiden Hälften des Oralstückes aus- einander. Es ist die Kuhelage des Penis, die auch auf Text- fig. 33 ersichthch. Textfig. 20 A zeigt den Penis mit abprä- pariertem 8. Sternit, um zu veranschau- lichen, wie die Rän- der genau aufeinan- der passen. Es bleibt nur eine längliche Öffnung frei, durch die der Duc- tus ejaculatorius in das Innere des Penis ein- dringt. Auf diese Öff- nung paßt genau das 8. Sternit (Textfig. 20 B). Bei Kontraktion des Ringmuskels werden nicht nur die Rän- der der beiden Hälf- ten aufeinander ge- drückt, sondern auch das 8. Sternit auf die Öffnung gepreßt, so- daß der Penis dann Textfig. 31. einen allseitig ge- Ziwa popM« (5: Frisch geschlüpftes Tier: Querschnitt durch Schlossenen HohlkÖr- die Spaltöffnung und das achte Sternit, etwas weiter oral- i^p^, bildet Daß tat- wärts, als bei Fig. 30. Vergr. 47mal. ^ sächhch ein solcher Ver- schluß zustande kommt, zeigen die vier Querschnitte (Textfig. 29 bis 32). Textfig. 29 zeigt den Penis aboralwärts des Spaltes. Weiter vorn (Textfig. 30) tritt die winkhg gebogene Platte in die Spalt- Textfig. 30. üm(^j)0|)mK (5 : Frischgeschlüpftes Tier: Querschnitt durch die Spaltöffnung des Penis und das achte Sternit. Vergr. 47mal. /f//?ymi/^Ae/ über den iiiäiiiiliiheii Begattungsapparat einiger Chrysomeliden. 37 Rin^musfie/ Öffnung. Bei Textfig. 31 ist der Winkel der 8. Platte noch spitzer infolge des schmaleren Spaltes; und weiter oralwärts bei Text- fig. 32 treffen die Spalt- ränder einander. (Die Schnitte stammen von einem frisch geschlüpften Exemplar; das Chitin ist noch schwach entwickelt, dafür zeigen die Mutter- zellen zum Teil noch eine außerordentliche Länge.) Ein dritter Muskel, der Ductor penis, ver- bindet das 8. Sternit mit dem?. (Textfig. 2, 26, 28.) Da nun das 8. Sternit durch die Gelenkhaut und den Ringmuskel innig mit dem Penis verwachsen ist, so wird durch Kontrak- tion des Ductors der Penis Ductus ejdcu/. Textfig. 32. Lina popi/ii (5: Frisch gesell! üpftes Tier: den Penis oralwärts des achten Sternits Querschnitt durch Vergr. 47mal. Textfig. 33. Lina populijf^: Schematisierter Querschnitt durch dcQ Penis mit achtem Sternit und Muskulatur . Vergr. 30mal. aboralwärts gezogen, bis sich das 7. imd 8. Sternit einander so weit ge- nähert haben, daß für den Muskel der »tote Punkt «^ erreicht ist und 1 S. unten. 38 Willielm Harnisch, ^ ^ ^ die Penisspitze eben in der Öffnung des Atriums erschienen ist. Diese geringe Eückwärtsbewegung des Penis stellt die eine Funktion des Duetors dar. Da nun ferner der Penis in der Kuhelage auf der Seite liegt, so befindet sich die orale Ansatzstelle des Muskels auch seitlich (Textfig. 2 und 26), die aborale jedoch ungefähr symmetrisch zur Medianebene des Körpers am festlie- genden 7. Sternit(Textfig.2 und 26). Durch Kontraktion des Duetors muß also gleichzeitig der Penis um seine Längs- achse gedreht werden. Wenn auch eine Drehung von 90 ° nicht vollkommen von dem Muskel erreicht wird, da die An- satzstelle am 7. Sternit nicht ganz in der Mitte liegt (davon später), so genügt diese Drehung doch schon, da die wei- tere Ausrichtung des Penis durch die Form der Kloake bewirkt wird. Diese Funktion der Drehung ist bei unserm Tier die Hauptaufgabe dieses Muskels. Die Austreibung des Penis hat ja in erster Linie der Blutdruck zu besorgen, da der Ductor bereits seinen toten Punkt erreicht hat, wenn dessen Spitze eben erst in der Geschlechtsöff- nung erschienen ist. Trotzdem wird da- durch auch jene erstgenannte Fmiktion des Duetors nicht erübrigt, denn da der Blutdruck gleichzeitig auf die übrigen Organe wirkt, so erscheint leicht der Enddarm in der Kloakenöffnung, wenn diese nicht schon vorher von der Penis- spitze ausgefüllt ist; ein Vorgang, den ich immer wieder experimentell feststel- len konnte: Bei künstHcher Erhöhung des Blutdruckes stülpte sich in der Kegel Dies geschah jedoch nie, wenn zufällig zu- erst der Penis in der Kloake sichtbar wurde. Beim weiteren Austreiben des Penis durch den Blutdruck schiebt <>. zuerst der Enddarm heraus. über den inäimlichen liegattiingsapparat einiger Chrysomeliden. 39 sich das Oralstück des Penis über das 7. Bternit hinaus (das Atrium zeigt daher in der Gegend des 7. Sternits eine so große Weite und Fal- tung (Taf. I), daß das dicke orale Ende darin Platz finden kann). Textfig. 34 veranschauhcht die drei Stellungen des 7. und 8. Ster- nits zueinander ohne Rücksicht auf die Drehung des Penis um seine Längsachse. A zeigt die Ruhestellung. Das 8. Sternit Hegt mit dem oralen Teile des Penis oralwärts vom 7. Hternit. Der Ductor ist gedehnt. B: Der Ductor hat sich bis zu seinem toten Punkt kontra- hiert und dadurch den Penis so weit aboralwärts gezogen, daß er mit der Spitze aus dem Atrium heraussieht. Bei C ist der Penis durch den Blutdruck ganz ausgetrieben, und die Spitze der 8. Platte lagert aborahvärts zur 7. Der Ductor ist also jetzt nach der entgegengesetzten /} ß ^S.--Per?/s Ductor Dudor- löf --■Pen/s Schema zur Veranschauliiluiii: Textfig. 35. (lor Eüekwärts^lrc'huiig des Penis durch den Ductor. Seite gespannt und ist nunmehr imstande, nach vollendeter Copula den Penis wieder so weit zurückzuziehen, bis der Muskel wieder seinen toten Punkt erreicht hat. Die Seitwärtsdrehung beim Rücktreten des Penis wird wieder vom Ductor bewirkt, und zwar dadurch, daß er nicht in der Mitte, sondern rechtsseitig am 7. und linksseitig am 8. Sternit angewachsen ist. Da nun das 7. Sternit fest im Körperinnern liegt, so bekommt der Penis gleich beim Zurückziehen die erste seitliche Neigung, wie es uns Text- fig. 35 A und B veranschaulicht. Zur vollkommenen Drehung zwingt dann den Penis erst der abgeflachte Körper des Tieres, soxne die Fal- tung des Atriums. Der Muskel, der das völhge Zurücktreten des Penis bewirkt und den ich daher den Repressor penis nenne, verbindet die beiden Schenkel 1 40 Wilhelm Harnisch, des 7. Sternits miteinander (Textfig. 2, 26, 28). Er ist aber nicht an den Schenkeln selbst befestigt, sondern an der dazwischen gespannten Atriumshaut (Textfig. 28, 36). Durch seine Kontraktion wird das Atrium, das den Penis dicht umspannt, ventral gefaltet und hier- durch sein Lumen so verengt, daß es auf die Penisspitze einen Druck ausübt. Weil nun das Penisende konisch verjüngt ist, so steht seine Oberfläche schräg zur Druckrichtung, und man kann den Druck in zwei Komponenten zerlegen, von denen die eine den Penis vollends ins Körperinnere zurückdrängt. Nach Vollendung der Copula ziehen zwei Attractoren der 9. Dorsalplatte (Textfig. 26 und 36) diese wieder gegen die Kloake und verschließen die Öffnung gegen außen. Diese Attractoren gehen von den beiden Schenkeln der 7. Ventralplatte aus und verlaufen von dort radiär bis zur Innenwandung der 9. Dorsal - ^^ y/erff// 6.6t. Textfig. 36. Lina populi <$: Schematisierter Queisclinitt durch das Ende des Abdomens. Vergr. 40mal. platte, zwischen sich den Raum für den Enddarm freilassend. Da die 9. Dorsalplatte (Textfig. 26) die ganze Kloake überdeckt (Textfig. 15), somit auch die Afteröffnung, so müssen diese Muskeln ebenfalls nach jeder Ausstoßung von Fäcahen in Kraft treten. Wir haben also fünf Muskeln, die den ganzen komphzierten Copu- lationsvorgang bewerkstelhgen, abgesehen von der Muskelarbeit der abdominalen Körpermuskulatur : 1. die Retractoren der Rutenblase, 2. den großen Ringmuskel, 3. den Ductor penis, 4. den Repressor penis und 5. die Attractoren der 9. Dorsalplatte. über den nuiniilieluii Beguttungsaijpaiat einiger Chrysonieliden. 41 Ein verhältnismäßig gennger Muskelaufwand bei so kompliziertem Mechanismus. Das tritt uns besonders beim Ductor penis entgegen, der nicht weniger als vier verschiedene Funktionen zu verrichten hat und dem ich daher einen so allgemeinen Namen beilegen nmßte. Die Funktionen des Duetors sind: 1. den Penis in die symmetrische Lage zu bringen, 2. ihn in die seitUche Lage zurückzudrehen, 3. den Penis herauszuziehen, 4. ihn wieder zurückzuziehen. Soviel ich weiß, ist eine derartige Menge von Funktionen eines einzigen Muskels noch nicht bekannt geworden. Das Merkwürdigste daran ist, daß er in zwei Tätigkeiten sein eigener Antagonist ist. Dies ist allerdings nur dadurch möglich, daß er durch andre mechanische Wirkungen unterstützt wird (Blutdruck, Körper- form, Spannung des Chitins und andre Muskelkraft). Er übt also in beiden Fällen seine Kraftwirkung nur bis zu seinem toten Punkt aus und muß durch andre Kräfte über diesen hinausgebracht werden, um von neuem seine Arbeitsleistung erfüllen zu können. Zum Schluß dieses Kapitels wollen wir noch als das Endresultat unsrer Untersuchungen das Zusammenwirken dieser Muskeln vom Beginn der Copula bis zur Beendigung im Zusammenhang betrachten: Zuerst dreht der Ductor den Penis in die symmetrische Lage und läßt dabei die Spitze in der Mündung des Atriums erscheinen, worauf durch Kontraktion der Hinterleibsmuskulatur der Blutdruck so erhöht wird, daß er nicht nur den Penis ganz aus dem Körperinnern heraustreibt, sondern auch die Eutenblase in der Scheide des Weibchens zu seiner vollen Entfaltung bringt. Ist dies geschehen, so schheßt der Ringmuskel die Öffnung ab, durch die das Blut ins Innere des Penis eingedrungen ist; und die Rutenblase ist so in ihrer Lage fixiert. Da nun die Ruten- blase den Penis im Weibchen verankert, kann diese auch beim Nach- lassen des starken Blutdruckes nicht wieder in die Leibeshöhle zurück- treten. Die Leibesmuskulatur ist also nunmehr wieder entlastet und kann das Austreiben der Geschlechtsprodukte regeln. Da sich um die Anhangsdrüsen herum keine Spur von Muskulatur befindet, so kann nur der Blutdruck den Transport des Secretes bewir- ken. Ob er auch zum Austreiben des Spermas aus den Hoden in deren Ausführungsgänge dient, oder ob die dicke Wandung der Vasa defe- rentia allein die nötige Kontraktihtät besitzt, nniß dahingestellt bleiben. 42 - Wilhelm Harnisch, Der Ductus ejaculatorius wird durch seine Chitincuticula (Text- fig. 9, 10, 11) wohl davor geschützt, daß er durch den Blutdruck ganz zusammengepreßt wird und so der Durchgang der Geschlechtsprodukte verhindert würde. Die Ejakulation wird also durch die stark entwickelten Eingmuskeln bewirkt, die den Ductus ejaculatorius in seinem oberen Teil umhüllen, welche also peristaltikartig ein mäßiges Zusammen- drücken der elastischen Chitinwand und damit eine Ejakulation be- wirken. Das untere Ende ist, wie schon berichtet, frei von Muskeln und besteht nur aus einer sehr starken Chitinwand. Es ist das Stück, das teils schon in der Euhelage im Innern des Penis hegt, bei der Erektion aber ganz in diesen hineingezogen wird. Dieses Stück würde bei der Kontraktion des Kingmuskels (s. diesen) durch die Verengung des Spaltes einfach eingeschnürt werden, wenn es nicht die starken Wandungen besäße. Das Fehlen der Muskulatur ist daraus zu erklären, daß diese das Hineingleiten des Ductus in den Penis erschweren würde. Ist die Begattung beendet, so öffnet sich der große Ringmuskel. Die Hämolymphe kann in das Körperinnere zurücktreten, während die Retractoren die Rutenblase wieder in die alte Lage zurückziehen. Da- durch wird der Penis frei und kann wieder eingezogen werden. Dies wird anfangs wieder vom Ductor bewirkt, der gleichzeitig dem Penis dabei die rechte Drehung gibt, während der Repressionsmuskel ihn ganz ins Körperinnere zurückdrängt und sich die 9. Ventralplatte mittelst seiner Attractoren über die Kloake legt. Die weiblichen Geschlechtsorgane. a) Im allgemeineii. Ich habe nicht die Absicht, eine genaue Beschreibung des weib- lichen Geschlechtsapparates zu liefern, sondern hier nur eine allgemeine Übersicht zu geben nach den Ergebnissen, zu denen Stein in seiner umfangreichen Monographie gelangt ist. Wenn auch diese Zusammen- fassung etwas über den Rahmen meiner Arbeit hinausgeht, so ist viel- leicht doch manchem damit gedient, da meines Wissens keine kurze und übersichthche Zusammenfassung über den weibhchen Geschlechtsappa- rat existiert. Auch wird die Aufstellung eines Schemas des weibhchen Geschlechtsapparates der Käfer überhaupt das Verständnis für den von Lina populi erleichtern. Wie schon einleitend gesagt, müssen wir immer wieder auf Steins Arbeit als auf die beste zurückgreifen. Sie gibt uns immer noch den heutigen Stand dieser Wissenschaft an. Zwar hat Verhoeff sich auch mit dem Abdomen der weiblichen Coleopteren beschäftigt, in erster Linie jedoch nur mit den äußerHch über den inäiuilirhcn Begattungsapparat einiger Chrysonieliden. 43 sichtbaren Chitinstückeii (Verhoeff, 1893 usw.). Nur bei den Cocci- noUiden (1895, 7) golit er auch etwas auf die Scheide ein. Stein unterscheidet drei Hauptabschnitte des weibhchen Ge- schlechtsapparates (Textfig. 37) : I. Eibildungsorgane und ihre Ausführungsgänge, a) Eierstöcke (ovar), b) Eileiter, c) Eiergang; II. Begattungsorgane, a) Scheide, b) Begattungstasche; III. Befruchtungsorgane. I. Unter Eibildungsorganen versteht Stein die Eiröhreu, die an dem Eierkelch sitzen. In dem Eierkelch finden die reifen Eier Auf- nahme. Nach der Stellung der Eiröhren zum Eierkelch lassen sich drei Haupttypen unterscheiden: a) Eierstöcke mit unterständigem Eierkelch, b) Eierstöcke mit zentralem Eierkelch, c) Eierstöcke mit seitlichem Eierkelch. Zur ersten dieser drei Gruppen gehören die Eier- stöcke der Chrysomehden. Als Zahl der Eiröhren jedes Eierstocks bei die- sen gibt Stein als Durch- schnitt einige 20 an. Unter Eileitern ver- steht Stein die paarigen Ausführungsgänge derEier- kelche und unter Eiergang die mipaarige Fortsetzung der beiden Eileiter. (Es muß dazu bemerkt wer- den, daß diese Einteilung sich nicht ganz eingebür- gert hat und man auch Eileiter und Eiergang im- ter dem gemeinsamen Namen Oviduct zusammenfaßt.) II. Die Begattungsorgane (Textfig. 37 und 38) bilden die direkte Fortsetzung der nach innen eingezogenen Körperhaut der Kloake und des ßegdttun^stdscfye ßefruch/'un^sappdPdt _7 Recepfdculum semrnis . ^ - Anhdngsc/rüse OVdP Textfig. 37. Stlicma für den Q Oeschlechtsapparat zum Verständnis der Ausführungen Steixs. 44 Wilhelm Harnisch, >>Scheidenmastdarmrohrs<<. So schreibt Stein: »Die Verbindungshaut hört mit dem 8. Rückensegmente und mit dem 7. Bauchsegmente i, die oft selbst schon ganz in die Leibeshöhle zurückgezogen sind, nicht auf, sondern sie setzt sich über die Segmente hinaus fort, jedoch nicht weiter nach hinten, sondern sie schlägt sich gleich vom Hinterrand dieser Segmente aus (bei a) nach innen und vorn um und bildet so eine sich mehr oder weniger weit nach vorn in die Leibeshöhle hinein erstreckende Röhre, die sich vorn wieder nach rückwärts umschlägt (bei b), um eine neue, das Scheiden- und Mastdarmende innig umschheßende, häutige Röhre zu bilden, die von hornigen Leisten und Platten gestützt wird. ^J/ Textfig. 38. Schema für die letzten Segmente des Q Käferabdomens zum Verständnis der Ausführungen Steins. An der Mündung des Mastdarmes und der Scheide (bei c und c^) schlägt sich diese häutige Röhre abermals nach vorn um, um die innerste Haut jener Kanäle darzustellen. Ich werde das äußere, weitere Hautrohr, die Kloake, und das innere, engere, von Hornplatten gestützte, das Scheidenmastdarmrohr nennen. « In das Scheidenmastdarmrohr mündet ventralwärts des Darmes die Scheide. Diese ist die »wesentliche Grundlage der Begattungsor- gane« (S. 66). »Der frei in der Bauchhöhle liegende Teil der Scheide 1 Auf Textfig. 38 gebe ich ein Schema für diese Verhältnisse. Bei Lina pop. Textfig. 8 ist das 8. Rückensegment frei sichtbar, während das 7. Bauch - Segment wie immer — als Homologie zum (5 — eingezogen ist. über den inäiinlichen Begattungsapparat einiger Chrysomelidcn. 45 ist in der Regel ein von den übrigen Abschnitten der inneren Geschlechts- organe scharf geschiedener und sehr oft sehr selbständiger, stark musku- löser Schlauch, der sich nur in wenigen Fällen, wo die Scheide die un- mittelbare Fortsetzung des Eierganges bildet und mit ihm von gleichem Durchmesser ist, nicht scharf von dem Eiergange abgrenzen läßt. Da in allen übrigen Fällen bei den Käfern der Eiergang unter der blind endigenden Spitze der Scheide ^ oft sehr weit nach hinten, aber immer auf der unteren Seite derselben mündet, sodaß das vordere Ende der Scheide sehr häufig den Eiergang überdeckt und noch zwischen die eigentUchen Eierstöcke hineinragt, so kann man über die Grenze des Eierganges und der Scheide und über die richtige Deutung dieser Ab- sclmitte nicht im Zweifel bleiben. Außerdem unterscheidet sich die Scheide gewöhnhch auch dadurch von dem Eiergang, daß sie bald ihrer ganzen Ausdehnung nach viel weiter und mehr sackartig ist als der Eiergang, bald nur nach vorn in der Gegend, wo der Eiergang in sie mündet, und darüber hinaus sackartig erweitert ist.« Als Begattmigs- tasche bezeichnet Stein das orale Ende der Scheide, »wenn es so be- deutende Formumwandlung erfahren hat, daß es wirkhch als ein selb- ständiger Abschnitt der Scheide erscheint, und beim Begattungsakte auch eine selbständige Funktion erfüllt.« Bei den Chrysomehden finden wir nach Steins Angabe (S. 69) teils >>eine sackförmige Scheide, d. h. eine grade, weite, vorn bhnd endigende Scheide, auf deren unterer Seite der engere Eiergang mündet«; teils »keine deuthch von dem Eiergange abgesetzte Scheide . . . , indem der Eiergang einen Kanal darstellt, der in gerader Richtung nach der Hinter- leibsspitze verläuft und hier nach außen mündet«. Eine Begattungs- tasche ist also nicht vorhanden. III. Befruchtungsorgane (Fig. 37) : Die Befruchtungsorgane wur- den von V. Siebold (1837) entdeckt. Er nannte sie Receptaculum seminis und unterschied an diesem drei Teile: 1. den Ductus seminalis (Samengang), 2. die Capsula seminalis (Samenkapsel), 3. die Glandula appendicularis (Anhangsdrüse). Stein hat in der Benennung eine kleine Modifikation vorgenom- men, »da dieser Apparat keineswegs bei allen Käfern aus drei Teilen besteht (S. 96), sondern bald einfacher, bald noch zusammengesetzter ist «, imd » da ferner der Ausdruck Samenbehälter für den ganzen Apparat und Samenkapsel für einen Teil derselben leicht zu Mißverständnissen 1 D. h. an der Ventralseite der Scheide caudalwärts zur Spitze. 46 Wilhelm Harnisch, Veranlassung geben kann <<. So hält er es für zweckmäßiger, den ganzen so formenreichen dritten Abschnitt der weibhchen Geschlechtsorgane als Befruchtungsapparat zu bezeichnen und für den Abschnitt, in wel- chem die Spermatozoen aufgespeichert werden, den Ausdruck Samen- behälter (Keceptaculum seminis) zu gebrauchen. »Der Befruchtungsapparat steht mit den übrigen Abschnitten der Geschlechtsorgane stets in einem solchen Zusammenhange, daß die Spermatozoen sowohl aus den Begattungsorganen, in die sie vom Um- hüllungsstoff getragen, durch die Copulation gelangten, ohne Schwie- rigkeit in den Samenbehälter treten, als auch wieder von hier aus mit den aus den Eierstöcken herabsteigenden Eiern in unmittelbare Berüh- rung kommen können. Sehr häufig ist namentlich der Befruchtungs- apparat in dem oberen Winkel i eingefügt, den entweder das freie Ende- der Scheide oder die Begattungstasche mit dem Eiergange bildet. << Die Chrysomeliden haben nach Stein alle eine chitinige, gekrümmte und mit einem Kompressionsmuskel versehene Samenkapsel (Textfig. 43 und 44), einen sehr verschieden langen Samengang und eine kurze, sitzende, bandartige am Grunde der Samenkapsel mündende Anhangsdrüse. b) Der weibliche Geschlechtsapparat von Lina populi. Äußerlich sind Männchen und Weibchen von Lina populi, wenig- stens nach meinen Beobachtungen, nicht zu unterscheiden. Höchstens S/e//7s Textfig. 39. Lina populi Q : Die beiden letzten Tergite. Vergr. 20nial. dürften die Weibchen in der Regel etwas größer sein als die Männchen. Wie bei diesen bilden die 8. Dorsal- und 6. Ventralplatte das Ende des Abdomens und berühren einander mit ihren Rändern, wodurch sie die 1 Soll wohl heißen: der zweite oralwärts gelegene Winkel. über den inännliilien Bcgattungsapparat einiger Chrysomclidcn. 47 Kloake nach außen abschließen i. Diese wird durch die nach innen ge- zogenen Verbindungshäute gebiklet, welche die beiden genannten Platten mit den folgenden verbinden, also auch hier in das Innere des Abdomens verlagert sind. A\'ie auch beim Männchen ist der äußerste Rand der Ventralzwischenhaut verstärkt. Heben war das 8. Tergit ab, so sehen wir unter ihm das 9. Tergit. Es unterscheidet sich von dem des Männchens dadurch, daß es eine einheitliche Platte bildet und nicht wie bei diesem (Textfig. 16 und 26) in der Mitte ge- faltet ist^ (Textfig. 39). Es trägt wie beim Männchen zahlreiche Sinneshaare. Von der Dorsalseite her begrenzt es das »Scheiden- mastdarmrohr <<. Ventralwärts wird dieses von dem 7. und 8. Sternit (Textfig. 40) gebildet. Das 8. Ster- nit ist zweiteihg, das 7. zu einem ^■'^/!9'- kleinen Plättchen reduziert (Töxt- e.Stern//- /.SA äSA Textfig. 40. Lina populi Q : Die beiden letzten Stoinite. Vergr. 20mal. Textfig. 41. Luperus flavipes Q : Legeapparat, » Scheidenniust- darmrohr« Steins. fig. 40), das dem 8. so dicht anUegt, daß Wandollek (1906) — S. 551 — • beide zusammen für eine Platte hielt und zwar für das 8. Sternit. Das »Scheidenmastdarmrohr<<, das bei andern Arten eine außer- ordenthche Länge erreichen kann (vgl. Luperus, Textfig. 41) 3, ist bei Lina populi sehr kurz (Textfig. 39). In ihm befinden sich dorsalwärts der Enddarm, ventralwärts die Scheide. Enddarm und Scheide wer- den durch die 9. Ventralplatte getrennt (Textfig. 42 imd 45). Der weibliche Geschlechtsapparat mündet also wie gewöhnlich zwischen dem 8. und 9. Sternit. Die 9. Ventralplatte ist zweigespalten, und die Hinterränder ihrer beiden Hälften schlagen sich nach innen um. Auf diese Weise ent- 1 Die 8. Dorsalplatte ist also nicht, wie zum Teil bei anderen Käfern (Text- fig. 38) in das Abdomen hineingezogen. - Dieses Merkmal benutzte ich zui- Unterscheidung der Geschlechter, indem ich vorsichtig mit der Nadel das 8. Tergit lüftete. 3 Hier ist in der Ruhelage auch das 8. Tergit ins Körperinnere gezogen. Wir haben also bei Lxiperus nur sechs sichtbare Tergite, wobei das siebente Tergit den äußeren Abschluß des Abdomens bildet, wie bei dem Schema Textfig. 38. 48 Wilhelm Harnisch, stehen zwei cylindrische >> palpenf örrnige << Gebilde (Textf ig. 45). Diese sind mit Sinneshaaren versehen und dienen vielleicht als Keizorgan bei der Begattung oder als Tastorgan bei der Eiablage, vielleicht auch beiden Zwecken. Die Scheide ist bei Lina populi sackförmig (Textfig. 42 und 44). Eine besondere Begattungstasche ist an ihr nicht vorhanden. Sie besitzt eine ganz charakteristische Form, die jedoch nicht ohne weiteres feststellbar ist, da sie von einer muskulösen Schicht bedeckt wird, die in 6Ter^. (ffjf/rö/jren 5. SA 6. Sa ^. Sa Textfig. 42. Lina populi Q : Schema für den Geschlechtsapparat (Sagittalschnitt durch das Abdomen). der Ruhelage stark kontrahiert ist. Es ist daher mit Schwierigkeiten verbunden, die Form der Scheide festzustellen. Ich halte es aus diesem Grunde auch für fraglich, ob die Abbildungen Steins der Wirkhchkeit entsprechen, da sie nach mikroskopischen Präparaten hergestellt sind, wobei auf die Lage im Körper nicht immer Rücksicht genommen ist. Die Scheide von Lina populi zeigt dorsalwärts eine blasige Auftreibung, wobei sie drei stumpfe Zipfel bildet, Ihr Endteil biegt ventralwärts um, und verläuft wieder aboralwärts (Textfig. 42 — 44). Das äußerste Ende läuft ventralwärts im abgeplatteten Eiergang aus. In dem Winkel zwischen Eiergang und Scheide sitzt das Receptaculum seminis. Der Samengang erweitert sich kurz vor seiner Einmündung und bildet über den inaniiliclion Begalt ungsapparat einiger Chrysomeliden. 49 Pen/s .'"' / ; i ^~^Pp<^epen/s /''' ' Sc/?e/(/e- / Z/pre/ aer Sc/?e/(/e Receptsem. /^/' (/e^ Prde/?er7/s Textfig. 43. Lina populi (5 + 2 : Schema für den Copuliitioiisvorgaug. ><'/ ä ^ Sc/?e/de 95/. 65/. '^^ m Compress/om /7?> Scheidenmastdarm- rohr<< kommt dem Penis ein wenig entgegen, die Vulva öffnet sich und nimmt die Spitze des Penis auf. Das Mittelstück tritt nicht mit ein, sondern bleibt während der Begattung frei sichtbar (Textfig. 43). Ist dies geschehen, so wird die Rutenblase entfaltet. Ein flüchtiger Blick auf die Scheide (Textfig. 44) und die Rutenblase(Textfig.27) ge- nügen, um zu erkennen, daß beide genau korrespondieren. Wieschon erwähnt, war dies am frisch präparierten Weibchen wegen der Kontrak- i^bor (k'ii iiiäimliolu'ii Bt-gatlungsapparat einiger Chrysomclidt'n. 51 tion ik'r Scheidenmuskiilatur nicht leicht festzustellen. Ich bediente mich daher in Kalilauge macerieiter Präparate. Ich untersuchte sie unter Wasser mit dem Binocular, indem ich von innen mit der Nadel die Wandung zur Entfaltung brachte und so die Ausbuchtungen fest- stellen konnte. Diese Präparate haben aber den Nachteil, daß sie zu weich sind und sich unter Wassei' so strecken, daß die Scheide einfach wie ein langgestreckter 8ack aussieht, an dessen oralem Ende der Eier- gang einmündet. Daß sie sich jedoch nach hinten wieder umbiegt, kann nur am frisch geöffneten Tier festgestellt werden. Trotz dieser vergleichenden Untersuchungen würde ich über die voll- ständige Übereinstimmung von Kutenblase und Scheide nicht so be- stimmt urteilen können, wenn es mir nicht schließlich doch bei einem Käferpaare gelungen wäre, es während der C^opula mit Blausäure- dämpfen abzutöten, sodaß die pralle Rutenblase in der Scheide stecken blieb. Diese Tiere trennte ich so voneinander, daß ich den Penis an der Stelle durchschnitt, wo er aus dem männlichen Abdomen heraustrat. Dann präparierte ich vom Rücken her den ganzen weiblichen Ge- schlechtsapparat heraus und konnte nun feststellen, daß die Scheide von der Rutenblase völlig aufgetrieben war. Die Wände der Rutenblase lagen fest an denen der Scheide. Das Ende c (Textfig. 27) verschloß den Weg zum Eiergang, wobei die beiden Vorsprünge a und h in die rechts und links vom Eiergang gelegenen Ausbuchtungen paßten. Ebenso traten die Vorsprünge d, e, f, g des Penis in die ent- sprechenden Vertiefungen der Scheide. Durch diesen Mechanismus wird der Penis vollkonmien im Weibchen verankert. Eine derartige Befestigung der beiden Geschlechter aneinander ist schon deswegen nötig, da die Übertragung des Spermas in den weiblichen Befruchtimgs- apparat viele Stunden in Anspruch nimmt. b) Austreibemechanismus. Wie das Sperma aus dem Penis in das Receptaculum seminis ge- langt, darüber herrschte bisher völlige Unklarheit. Stein (1847) sagt darüber (S. 105) : »Ohne das Vermögen der Ortsveränderung würden die Spermatozoen in den meisten Fällen nicht aus den Begattungsorganen in die Samenkapsel gelangen können. Denn Wimperbewegung, denen man bei höheren Tieren die weite Bef()rderung der Spermatozoen aus der Scheide nach den Eierstöcken hin zugeschrieben hat, finden sich, wie schon oben bemerkt wurde, weder in den Geschlechtsorganen, noch in irgend einem andern Organ der Insekten. Auch die Kontraktion der Kanäle, welche die Spermatozoen zu durchlaufen haben, können nicht 4* 52 Wilhelm Harnisch, die alleinige Ursache ihrer Weiterbeförderung sein; denn diese Kanäle sind zum Teil gar keiner Kontraktion fähig, da ihnen die Muskelschicht fehlt, wie dies namentlich von dem Samengang gilt und zwar gerade in den Fällen, wo er sehr lang ist. Daß aber die Spermatozoen selbst den Weg nach der Mündung des Samenbehälters finden sollten, wird sich niemand einreden lassen, der das Tun und Treiben der Spermatozoen und ihre Entwicklung zum Gegenstand anhaltender Beobachtungen gemacht und daraus die Überzeugung gewonnen hat, daß sie keine Tiere, sondern nur zur höchsten Selbständigkeit, bis zur spontanen Bewegmig potenzierte zellige Elementarkeime sind. Daß sie den Weg aus der Scheide nach dem Samenbehälter dennoch niemals verfehlen, erkläre ich mir nur dadurch, daß ihnen die Richtung, in der sie sich innerhalb der Scheide zu bewegen haben, um bis zur Mündung des Samenbehälters zu gelangen, durch peristaltische Bewegungen der Scheide mitgeteilt wird. Sind sie erst bis zur Mündmig des Samen- behälters gelangt, so steigen sie in demselben lediglich vermöge ihrer eigenen Bewegungen hinauf. « Von den Käferarten, deren Männchen den Samen in einer Sperma- tophore ins Weibchen absetzen, sagt Stein, daß hier das Gerinnen der Spermatophore die Spermatozoen in die Richtung zur Mündung des Receptaculum drängte. Nach Blunk (1912) kommt bei Dytiscus noch der Blutdruck hinzu, der den Inhalt der Spermatophore, die nur in die Spermatophorentasche gelangt, in die Scheide preßt. Über die weitere Wanderung des Spermas folgt Blunk der Ansicht Steins, »daß die peristaltischen Bewegungen der Vagina den Transport des Spermas zum Receptaculum übernehmen« (Blunk, 1912 — S. 234 — ). Ob bei den Spermatophoren bildenden Käfern wirklich peristal- tische Bewegungen der Scheide das Sperma in das Receptaculum trans- portieren, muß ich dahingestellt sein lassen. Bei unserm Käfer — aller Wahrscheinhchkeit nach bei allen, die keine Spermatophoren bilden, überhaupt — liegen die Verhältnisse anders. Meine Befunde ergeben, daß — wie auf Textfig. 43 ersichtUch — bei der Copulation die Spitze des Präpenis direkt in die Mündung des Samen ganges eindringt. Die Zähnchen, die die Rutenblase bedecken (Taf.I), namentlich die besonders entwickelten rechts und links vom Präpenis (Textfig. 25 und 27), halten diesen fest in seiner Lage. Demselben Zweck dienen auch die Widerhaken, die die Scheide aus- kleiden. Stein hat also nicht Recht mit seiner Meinmig, sie dienten dazu, die zähe Samenmasse in der Scheide festzuhalten, damit sie nicht mit dem zurückweichenden Penis wieder herausgezogen würde. Er über (Ion nuiniilirluMi Bogalt iingsapparat oinigor Chrysoinolidori. 53 ging dabei von der falschen Voraussetzimg aus, daß das Sperma zuerst in die Scheide gelange. Auch die charakteristische Form des Penis und der Rutenblase, welche derjenigen der Scheide entsprechen, dient dazu, den Präpenis unverrückbar in seiner Lage vor dem Eingang zum Re- ceptaculum zu halten, auch wenn die Tiere sich während der Begattung bewegen. Da nun das Sperma nicht ei-st in der Scheide abgelagert wird, sondern direkt vom Präpenis aus in das Receptaculum gepreßt werden soll, ist diese Fixierung unbedingt notwendig, zumal da bei der zähen Be- schaffenheit des Spermas und bei der Engigkeit der Ausführungsgänge die Begattmig viele Stunden dauert. Wäre die Möglichkeit einer Verschiebung des Präpenis aus seiner Lage vorhanden, so würde sich das Sperma in die Scheide ergießen, von wo aus es nicht in das Receptaculum gelangen könnte. Spermatozoen, die Stein in der Scheide antraf, waren stets abgestorben. Sind die beiden Tiere fest miteinander copuliert, so beginnt die Übertragmig des Spermas, und zwar offenbar in folgender Weise: Da ich mich nämhch davon überzeugt habe, daß sich nach der Be- gattmig im Receptaculum nur reines Sperma findet, und da ferner der Weg der Geschlechtsprodukte bis ins Receptaculum durch die feste Vereinigung von Präpenis und Befruchtungsapparat eine ununter- brochene Röhre bildet, so ist eine nachträgliche Sonderung von Sperma und dem Secret der Anhangsdrüse, wie sie bisher angenonnnen wurde, nicht möghch. Wir haben daher eher anzunehmen, daß das Sperma vorweggeht und von den nachfolgenden Secretmassen vorwärts ge- schoben wird. Bei Dytiscus hat Blunk (1912) bereits eine von Anfang an bestehende Trennung von Sperma und Secret konstatiert. Dort schiebt die Kittmasse das Sperma vor sich her, um es in dem »Penis- deckapparat« zu umhüllen und so die Spermatophore zu bilden. Da bei Lina populi keine Spermatophoren gebildet werden, so wird die Hauptaufgabe der Secretmasse darin bestehen, das Sperma vorwärts zu schieben, ohne dieses Nachschieben wäre es aus rein physikahschen Gründen dem Sperma nicht möghch, in dem langen Ausführungsgang vorwärts zu kommen. Zwar ist der Ductus ejaculatorius von einer dicken Muskelschicht umgeben. Ob aber diesem es vermittels peristal- tischer Bewegung gelingt, aus einem oben geschlossenen Rohr — wir müssen die Geschlechtsausführungsgänge mit den Hoden am Ende so betrachten — eine Flüssigkeit herauszupumpen, möchte ich bezweifeln; denn die AVandungen des Ductus ejaculatorius sind mit einer ziemlich starken Chitincuticula ausgestattet, die der Muskelarbeit nicht luierheb- 54 Wilhelm Harnisch, liehen Widerstand zu leisten imstande ist. Oder es müßte so viel Sperma von den Hoden abgesondert werden, daß die ganzen Ausfüh- rungsgänge damit angefüllt würden und dann nur der äußerste Teil in das Receptaculum gelangen könnte. Aber da die Hoden augenscheinlich nicht imstande sind, eine der- artige Menge Sperma zu produzieren, so hat das Secret der Anhangs- drüsen die Arbeit des Nachschiebens zu erfüllen. Außerdem haben diese Drüsen sehr dünne Wände, und sie werden daher im Gegensatz zu der stark chitinigen Intima des Ductus ejaculatorius ohne weiteres dem Blutdruck und der Saugkraft des Ductus nachgeben. So fällt die rück- saugende Wirkung, die ein geschlossenes Capillar ausübt, fort. Die zähe Beschaffenheit des Secretes bewirkt außerdem, daß ein Rückgleiten bei zeitweilig nachlassendem Blutdruck ausgeschlossen ist. Daß der Blutdruck wirklich eine wichtige Rolle bei der Ausstoßung der Ge- schlechtsprodukte spielt, kann man bei copuHerenden Insekten be- obachten: Das Abdomen des Männchens zieht sich bei der Begattmig in bestimmten Zwischenräumen zusammen, wie ich am besten bei Carabus und Bombyx feststellen konnte. Ob den Anhangsdrüsen noch eine andre Funktion zukommt, möchte ich offen lassen. Bruel (1897) glaubt für CaUipJwra annehmen zu dürfen, dieses Secret habe das Sperma zu verdünnen, und hat daher der Anhangsdrüse unter dieser Voraussetzung den Namen »Prostata« beigelegt. Dieser Auffassung muß ich für mein Tier widersprechen. Das Secret hat nämÜch eine sirupartige Zähigkeit, die ein Mischen namentlich in den engen Gängen meiner Ansicht nach nicht zuläßt; die auch die Bewegung der Spermatozoen — falls sie schon solche besitzen — lähmen müßte, wenn diese versuchten, durch ihre Eigenbewegung in die Masse einzudringen. Außerdem müßte sich dann im Receptaculum wenigstens nur eine Spur dieses Secretes finden, was aber nicht der Fall ist, vne auch Bruel für Calliphora angibt. Endlich findet man auf Schnittbildern stets den Ductus ejaculatorius mit Secret angefüllt, ohne eine Spur von Sperma. Die Aufgabe, das Sperma zu verdünnen, glaube ich einem andern Organ zuschreiben zu dürfen, dem ich auch daher den Namen >> Prostata << (S. 17 imd Textfig. 12 und 13) beigelegt habe. Es ist dies die drüsige Erweiterung des Ductus ejaculatorius. Das Secret in diesem ist sehr feinkörnig mid hat, bevor es in das Lumen tritt, die Chitincuticula, die als Filter wirkt, zu passieren. Da es während der Geschlechtsreife des Tieres produziert wird, im Gegensatz zu den Anhangsdrüsen (s. diese S. 13), so ist auch nicht anzunehmen, daß es erstarrt, bevor der Inhalt über den inännlichoii Begattungsapparat einiger Chrysomelidcn. 55 der Hoden die Drüse passiert. Wir hal)en uns also die Ausstoßung der Geschlechtsprodukte kurz so vorzustellen: Schon bei der Einleitung zur Copula beginnt infolge der Kontraktion der Längsmuskeln der Vasa deferentia das Sperma aus dem Hoden hinabzusteigen und sich beim Passieren der Prostata mit deren Secret zu vermischen. Ist das Sperma so weit vorgedrungen, daß durch Kontraktion der Ausführungsgänge ein weiteres Vordringen nicht iiichi' mögUch ist, dann drängt das Secret der Anhangsdrüsen, das durch den erhöhten Blut- druck ausgetrieben wird, nach und hebt so die rücksaugende Wirkung dei' CJefäße auf. So wird das Sperma bis in die Samenkapsel des Weib- chens hinauf geschoben, was bei der Engigkeit der Gänge und der Zähig- keit der Masse viele Stunden in Anspruch nimmt. Das Secret der Anhangsdrüsen dringt nicht mit in das Innere des Receptaculum ein, kann auch nicht während der Begattung seitwärts in die Scheide gelangen, da der Weg geschlossen und die Scheide durch die Rutenblase prall gefüllt ist. Ob beim Rückziehen des Penis ein Teil noch in die Scheide gelangt, muß ich mientschieden lassen. Das Weib- chen würde in dem Falle hinterher die verhärtete Masse wieder aus- stoßen, wie es bei den Spermatophoren bildenden Käfern beobachtet wird. Auf eine zweite möghche Funktion der Anhangsdrüsen möchte ich zum Schluß noch hinweisen. Wie schon erwähnt, habe ich auf allen Schnitt- bildern im Ductus bis in den Penis hinein das Secret der Anhangsdrüsen gefunden. Anscheinend rührt dies von dem letzten Begattungsakt her. Es ist auch lücht ausgeschlossen, daß auch vor der ersten Begattung die Anhangsdrüse die Ausführungsgänge mit Secret versieht. Bei Eintritt der Copula muß nun der Ductus dies Secret ausstoßen, bevor der Prä- penis vor das Receptaculum gepreßt wird. Und es ist nicht ohne Wahr- scheinhchkeit, daß es dabei zum Teil in die Scheide des Weibchens ge- langt und die Verbindungsstelle zwischen Präpenis und Receptaculmn abdichtet, wozu es seine zähe Beschaffenheit sehr wohl befähigt. Auch der Umstand, daß man die Rutenblase in der Nähe des Präpenis öfters mit verhärteter Kittmasse bedeckt findet, spricht für diese Funktion. Der Copulationsapparat anderer Chrysomelidcn. Bei folgenden beiden Arten habe ich im großen und ganzen diesel- ben Verhältnisse gefunden wie bei Lina populi und kann mich daher bei der Beschreibung kürzer fassen, wo wir keine Abweichungen finden, und nur auf die Organteile näher eingehen, die eine nennenswerte Um- wandlung erfahren haben. 56 Wilhelm Harnisch, a) Plateumaris sericea. L.^ 1. Chitinskelet. Der Penis (Textfig. 46) ist — entsprechend der schlanken Gestalt des Tieres — dünner und langgestreckter als bei Lina 'populi, zeigt aber 6.5a Atrium l/er5chluss/(/dppe Textfig. 46. Plateumaris sericea c^: Chitinskelet des Copulationsapparates. Vergr. 47)nal. ähnliche Differenzierungen. Das Oralstück ist auch gespalten, jedoch nicht so tief. Während der Spalt bei Lina populi auf der Unterseite 1/2 der Gesamtlänge beträgt, beträgt er bei Plateumaris nur 1/4 und reicht auf der Oberseite nur bis über die Endrundung hinweg (bis a auf Textfig. 47. IHateumaris sericea (5: Aciites Sternit. Vergr. 47mal. Textfig. 46). An seinem aboralen Ende läuft der Penis sehr spitz aus. Die Verschlußklappe ist ebenfalls zweiteihg. Eine besondere Umge- staltung hat das 8. Sternit erfahren. Auf der Unterseite des Penis ist es ähnüch gebaut wie bei Lina populi und bildet eine Muskelansatz- platte, die senkrecht zum Penis steht. Die beiden Schenkel verjüngen sich jedoch nicht wie bei Lina, sondern nehmen noch an Stärke zu und vereinigen sich nicht nur zu einem nahtlos geschlossenen Ring (Textfig. 46 1 Eine Donaciine. i'ber den inännliclioii Begattungsapparat einiger Chrysomeliden. 57 iiiul 47) um den Penis, sondern dieser entsendet längs der Oberseite des Penis aborahvärts noch eine schmale leicht fjekrUnnnte Chitingräte, die bis zur Penisspitze reicht. Am äußersten Ende ist sie schräg abgerundet und mit starren, eingelenkten Borsten versehen (Textf ig. 47). Durch eine Gelenkhaut steht der Ring mit dem Penis so in Verbindung, daß eine hebelartige Bewegung ermöghcht wird, wobei wir uns das untere Stück des 8. .Sternits als kürzeren, das obere Stück als längeren Hebelarm zu An^d^on/öf des yerscMussk/äppe Ru/^enö/dse ^^ R/n^muö/^e/ Textfig. 48. Plateumaris sericea_^: Copulationsapparat mit Muskulatur. Vergr. 47iiial. denken haben. Auf diese Weise kommt ein bewegliches Greif organ zustande. Auch Weise (1889, 4 und 1893, 14) — S. 8 — erwähnt diesen »An- hang« der Donaciiden und nennt ihn >>fulcrum«, ohne seinen segmenta- len Charakter, oder auch nur seinen Bau oder seine Fimktion zu erkennen. Das 7. Sternit besteht aus zwei gebogenen Chi- tinspangen, die sich oral- wärts einander in einem spitzen Winkel nähern, ohne sich jedoch zu be- rühren (Textfig. 48). Diese Spangen erreichen beinahe die ganze Länge des Atriums und würden diesem eine Starrheit geben, die ein Heraustreten des Penis nicht zulassen würde, wenn die beiden Spangen nicht an der Stelle unter- brochen wären, an der sich das Atrium beim Austreten des Penis Textfig. 49. Plateumarin sericea ^: Rutenblase niit durchscheinendem Präpenis. Vergr. 47mal. 58 Wilhelm Harnisch, umschlägt. Ebenso dient die Unterbrechung an der Spitze des 7. Ster- nits dazu, eine größere Geschmeidigkeit des Atriums zuzulassen. Der Ductus ejaculatorius tritt durch den Spalt der Unterseite in den Penis und mündet in den pfeilartigen Präpenis der gut entwickelten Eutenblase ein (Textfig. 49). 2. Funktion und Muskulatur. Das Heraustreten des Penis, seine Einführung in das Weibchen, seine Verankerung und sein Zurücktreten wird ebenso bewerkstelligt, wie wir es bei Lina populi kennen gelernt: Wir haben wie dort die Re- tractoren der Rutenblase und den Ductor penis (Textfig. 48). Auch der Muskel, der das Oralstück verschheßt, ist vorhanden. Da das Oral- stück jedoch nur auf der Unterseite gespalten ist, so ist der Muskel nicht ringförmig, sondern verläuft nur von der Muskelansatzstelle des 8. Sternits bis zum Rand des Spaltes (Textfig. 48). Da die dorsale Verlängerung des 8. Ster- nits als Greiforgan dient, konnnt noch ein Muskel hinzu, der ein öffnen des Hebels bewirkt. Dieser Muskel entspringt in der 6 SA Penis Mitte des Oralstückes und reicht bis zu der Stelle, wo der lange Hebelarm am Ring an- Textfig. 50. g-^^^ (Textfig. 48). Er tritt, wie ich beob- Plateumaris sericea o + S • Schema • * i • i t-» ■ für den Co]iulationsvorgang. achten kouutc, lU AktlOU, WCUU der PCUIS aus dem Abdomen des Männchens tritt. Dadurch wird der lange Hebelarm vom Penis abgespreizt, sodaß nur dieser in das Weibchen eingeführt wird (Textfig. 50). Ist die Rutenblase in der Scheide des Weibchens entfaltet, dann kontrahiert sich der >> Ringmuskel <<, der den kurzen Hebelarm mit dem Oralteil verbindet. Dadurch wird nicht nur der Penis abgeschlossen und das Zurücktreten des Blutes verhindert, sondern auch der lange Hebelarm adduziert mid gegen die Bauchseite des Weibchens gepreßt. Auf diese Weise wird das Männchen mit dem Weibchen noch intensiver verbunden (Textfig. 50). b) Clytra quadripunctata L. '. 1. Chitinskelet. Der Penis von Clytra (Textfig. 51) fällt zuerst durch seine unge- heure Größe auf, erreicht er doch die gleiche Länge wie das Abdomen 1 Eine Clytrine. über den männlichen Bogattungsapparat einiger C'hrysonieliden. 59 des ganzen Tieres. Das Chitin, besonders das des aboralen Teiles (Mittelstück und Spitze) zeigt eine scliwarzbiaune Färbung mid ist von großei- Härte und Sprckligkeit. Der Penis ist nicht glatt und rund wie bei Lina und Plateumaris, sondern kantig, mit Längsleisten und Querfalten versehen. Die Spitze ist breit, nur das äußerste Ende zu- gespitzt. Die beiden Stücke, die der Penisverschlußklappe von Lina —Fd/rederRu/en- b/dse/nc/erd/e Spitze des Prae- pen/s //egf: ""Atrium '€)i/cti/s Textfig. 51. Clytra guadripunjata (5: Chitinskelet des CoiHilationsapparates. Vergr. 20inal. und Plateumaris entsprechen, sind halbmondförmige Haken (Text- fig. 51 h), deren Spitze nicht mit der Rutenblase verwachsen ist. Wahrscheinlich dienen sie mit zur Befestigung des Penis im Weibchen. Das Oralstück des Penis ist rund, eiförmig. Statt des Spaltes haben wir eine breite Öffnung an der Unterseite. Da die Ränder dieser Öffnung nicht aneinander gepreßt werden können, so zeigt die 8. Ventral - platte die genügende Breite, um die Öffnung mit ihrer Fläche ver- schließen zu können (Textfig. 51 und 52). Sie ist eiförmig und ge- wölbt, sodaß sie sich dem Oralstück dicht anlegen kann. Auf der Innen- fläche zeigt sie zum Ansatz der IMuskeln eine Längsleiste und am Scheitelpunkt eine kleine Kerbe, um den Ductus hindurchzulassen (Textfig. 52). Die beiden Schenkel der Platte umlaufen den Penis, vereinigen sich aber nicht auf der Oberseite, sondern biegen sich, jedes für sich, leicht oralwärts um (Textfig. 51). Die 7. Ventralplatte zeigt die Form einer Gräte. Am aboralen Textfig. 52. Cll/tra guadripunctala (5: Achtes Stcriiit. Vcrgr. 20mal. 60 Wilhelm Harnisch, Textfig. 53. Clytra quadripunctata (5: Präpenis. Vcigr. 20iiial. Ende ist sie zu einer Gabel gespalten, zwischen deren beiden Zinken die Penisspitze zu liegen kommt (Textfig. 51). Auch hier erreicht das 7. Sternit, wie bei Plateumaris, die gleiche Länge wie das Atrium, hindert dieses aber dadurch nicht an seiner Umstülpung, da es nur mit dem aboralen Ende mit diesem verwachsen ist. Beim Austreten des Penis kommt ihr orales Ende unter die 8. Ventralplatte zu liegen. Der Ductus ejaculatorius dringt an derselben Stelle, wie wir es bisher kennen gelernt haben, in das Oralstück des Penis ein und mündet in den Präpenis, der eine ganz außerordentliche Entwicklung zeigt. Er bil- det einen überaus zarten elas- tischen Stachel mit mikrosko- pisch feiner »Spitze (Textfig. 53), der beinahe dieselbe Länge wie der Penis hat. Seine Basis ist in zwei Wurzeln gespalten, die in die Wand der Rutenblase einge- lassen sind. Die äußerste Spitze liegt in der Ruhelage in einer Falte der Rutenblase und ragt mit dieser oben aus der Penisöffnung heraus (Textfig. 51). Der Ductus mündet winkHg zwischen den zwei Wurzeln in den Präpenis, wie wir es auf Textfig. 54 sehen, die nach einem Präparat mit ausgestülpter Blase gezeichnet ist. Der Präpenis zeigt ein so feines Lumen, -----DifC/'i/s - ' - Wurze/fortsäfze .--'Rutenö/dse daß es nur bei starker Ver- größerung wahrgenommen werden kann. Bei der außerordent- lichen Länge der Ruten- blase und des Präpenis wäre nun in der Scheide für dieses Organ gar nicht der genügende Platz, wenn nicht der Präpenis wieder im Samenleiter des Receptaculum einen Ausgang fände. Ich schloß daher daraus, daß dieser bei Clytra nicht gewunden sein dürfe, wie bei Lina, sondern gestreckt. Als ich später ein Weibchen erhielt, ergab sich nun tatsächhch der Befund, daß das Receptaculum einem langen spitzen Zipfel der Scheide auf- sitzt und einen gestreckten Samengang besitzt, in den der Präpenis aller Wahrscheinlichkeit nach bis zur Samen- kapsel hinauf eingeführt wird, und so das Sperma direkt an seinen Bestimmungsort befördert wird. Diese auffallende Anpas- Textfig. 54. Clytra quadripunclata (5: Mündungsstelle des Ductus in den Präpenis. Vergr. 40mal. über den männlichen Begattungsapparat einiger Chrysomeliden. 61 sung der beiden Geschlechter aneinander ist mir auch ein Beweis für die Richtigkeit meiner Ansicht über den Copulationsvorgang, wie ich ilni bei Lina popuJi entwickelt habe. Merkwürdig ist es, wie das Sperma die Capillarwirkung überwinden nnd das überaus feine Lumen des Präpenis passieren kann. Wir können uns dies nur dadurch vorstellen, daß das Capillar schon vor der Begat- tung mit einer Secretflüssigkeit angefüllt ist. 2. Funktion und Muskulatur. AVährend bei allen von mir untersuchten Käfern der (*opulations- apparat im Körper gedreht liegt, was auch Demandt (1912) bei Di/tiscus und Kerschner (1913) bei Tenebrio hervorhebt, finden wir den Penis von CJiß'a im Abdomen in symmetrischer Lage. Der Hinterleib ist dem- entsprechend gewölbt und etwas nach unten gebogen, sodaß der Penis in dieser aufrechten Stellmig Platz findet. Namentlich das 7. Tergit zeigt eine große Wölbung, die den ganzen hinteren Teil des Abdomens überdacht (Textfig. 56). Unter diesem liegt die 8. Dorsalplatte, an der die 9. nur als ein schmaler Streifen er- halten ist. Ebenso ist die 6. Ventral- platte zugunsten der 5. zu einer Haut reduziert, die nur an den beiden Ecken eine Verstärkung zeigt; die aber wegen Textfig. 55. ihrer Longitudinalmuskeln noch deutlich ^''^"'■'' «««'^'•»>»««<«'« c5: sed.«tes _ _ Sternit. Vergr. 20mal. als Sternit zu erkennen ist (Textfig. 55). An das 7. Tergit setzen sich zwei starke Muskelstränge an, die dieses mit dem oralen Teile des grätenförmigen 7. Sternits verbinden (Textfig. 56). Durch ihre Kontraktion pressen sie das 7. Tergit fest auf die Genitalöffnung. Gleichzeitig wird dabei das 6. Sternit ein wenig abo- ralwärts gezogen, wodurch die Ränder des Atriums aneinander gepreßt werden. Der Muskel entspricht also dem Attractor der 9. Dorsal- platte bei Lina populi. Wegen der symmetrischen Lage des Penis hat auch der Ductor im Vergleich zu dem von Lina populi und Plateumaris cericea eine Abände- rung erfahren. Da er nicht gleichzeitig die Funktion des Drehens zu verrichten hat, so ist er paarig, bilateral-symmetrisch. Er entspringt rechts und links von dem oralen Teil der Gräte oberhalb der Ansatz- stelle des Attractors der 7. Dorsalplatte und setzt dicht hinter dem 8. Sternit aboralwärts von diesem am Atrium an. Wir haben also hier den weiteren Unterschied zu konstatieren, daß 62 Wilhelm Harnisch, nämlich der Muskel bei Lina und Plateumaris am 8. Sternit, bei Clytra aber am Atrium angewachsen ist. Wenn ich aber vorausschicken darf, worauf ich im vergleichend morphologischen Teile zurückkomme, daß sich nämUch das Atrium bis zum oralen Rande des 8. Sternits fortsetzt, also seine ganze Oberfläche überzieht, so müssen wir ebenso auch den Ductor von Lina und Plateumaris als am Atrium angewachsen bezeich- nen, wie bei Clytra. Es besteht also nur der Unterschied, daß bei letzte- rer die Muskelansatzstelle etwas mehr aboralwärts liegt. Wir haben mithin in diesem Muskel ein Homologon zu dem Ductor^ den wir bei den bisher beschriebenen Arten kennen gelernt. Endlich habe ich noch einen dritten Unterschied zu erwähnen, daß sich nämhch der Ductor von Clytra in der Ruhelage des ganzen Appara- tes auf dem »toten Punkt« befindet, insofern seine Ursprungs- und An- se//? /l/7/df. ^Ouctus 3:rr. Textfig. 56. Clytra quadriimnctatu (5: Copulationsapparat mit Muskulatur. (Die letzten Segmente durchsichtig gedacht, um die darunter liegenden Teile erkennen zu lassen. Ebenso die Lage des Ductus und Präpenis eingezeichnet.) Vergr. 20mal. satzstelle bereits in größtmöglicher Nähe Hegen, der Muskel selbst also die größte unter der gegebenen Organisation möghche Kontraktion aufweist. Er kann daher auch beim Austreiben des Penis nicht in Be- tracht kommen. Dieser Funktion bedarf es aber bei Clytra nicht, da der Penis in der Ruhelage schon vor der Öffnung Hegt. Der Blutdruck genügt also von Anfang an zur Emission. Demnach dient hier der Duc- tor ledigHch dem Zurückziehen des Penis. Der >>Ringmuskel« setzt an den Rändern der 8. Ventralplatte an und wölbt sich über das orale Ende des Penis, an dessen Oberseite er befestigt ist. Durch seine Kontraktion wird zur Blutstauung bei der Copulation das 8. Sternit auf die Öffnung gedrückt. Zum Abheben dieser Platte dient wieder ein Antagonist, der von den hebelartigen über den männlichen Begattungsapparat einiger Chrysomeliden. (53 Armen der 8. Platte zur Oberseite des Penis verläuft, wie bei Plateu- maris. Die Ketractoron der Kuteiiblase sind wie bei Lina fopuli. Der Austreibungsvorgang geht folgendermaßen vor sich : Das Blut drückt den Penis heraus, und dieser gleitet auf den beiden Zinken der Gabel des 7. Sternits nach außen. Dabei zwingt ihn seine gebogene Gestalt ebenso wie die Gestalt der 7. Dorsalplatte in der Richtung nach unten und vorn. Das orale Ende des 7. Sternits kommt dabei unter das 8. zu liegen. Die Retraction kann der Ductor allein bewerkstelligen, da sein »toter Punkt« ja erst in der Ruhestellung erreicht wird. Wahrschein- lich aber wird er durch die sehr kräftigen Attractoren des 7. Tergits da- durch unterstützt, daß das 7. Tergit auf die abgeschrägte Spitze drückt und so dieselbe W'irkiuig erzielt wird wie bei dem Repressionsmuskel bei Lina populi. Allgemeiner theoretischer Teil. Biologische Bedeutung der Komplikation des Copulationsapparates. Bei Th. v. Siebolü (1848) lesen wir (S. 660 Anm. 2): »Diese ver- schiedenen Formverhültnisse der äußeren männlichen Geschlechts- werkzeuge sind bis jetzt noch wenig von den Entomologen zur Unter- scheidung verwandter .Species benutzt worden und würden, wenn man sie gehörig beachtet hätte, die Aufstellung mancher schlechten Species verhindert haben. Dieselben bestimmten Verschiedenheiten der ein- zebien hornigen und starren Teile der Rute machen es auch den ver- wandten Arten unmöglich, durch C'opulation Bastardverbindungen einzugehen, indem die harten Begattungsorgane eines männlichen In- sekts den gleichfalls harten Umgebungen der weibhchen Geschlechtsöff- nung seiner Art so genau entsprechen, daß nur diese allein zusammen passen und sich innig miteinander vereinigen können. Leon Dufour (1825) bezeichnet daher die hornigen Copulationsorgane der Insekten ganz gut als die »garantie de la conservation des t)^es«, und als die >>sau- vegarde de la legitimite de l'espece«. Auch Ormancey (1849) stellt die Behauptung auf, daß eine Ver- mischung der Arten physisch unmöghch sei durch die Verschiedenheit der Copulationsorgane, und Schmidt (1876) sagt — S. 199 — in seinem Handbuch der vergleichenden Anatomie: »Die männlichen Begattuugs- organe zeigen bei den Insektenarten eine so bestimmte Form der ver- schiedenen sie bildenden Leisten, Platten und Zangen, daß sie ganz 64 Wilhelm Harnisch, ^ genau an und in die weiblichen Geschlechtsorgane passen und schon des- halb eine Vermischung der Arten sehr erschwert ist. In neuerer Zeit ist namentlich Escherich (1892, 1) zu nennen, der auch diese Ansicht vertritt in seiner Arbeit über die »Biologische Bedeutung der Genital- anhänge der Insekten <<. Er schildert zuerst den großen Formenreichtum des Copulationsapparates der männlichen Insekten, der bei jeder .Species so charakteristisch sei, daß er als sicherstes Artunterscheidungsmerkmal gelten könne. Dafür, daß auch bei den Weibchen eine große Verschie- denheit in den Geschlechtsorganen bestünde, führt er als Autoren Hofmann (1890, 2), Dzietdzicki (1889, 1) und Hoffer (1888) an und kommt zu folgendem .Schluß {H. 232): »Die weiblichen Genitalan- hänge bilden den korrespondierenden Teil zu den männlichen; wo also in dem einen Geschlecht eine Erhöhung sich befindet, da ist in dem andern eine Vertiefung zu suchen; wenn z. B. für das Männchen die Widerhaken an den Haftklappen einen Zweck haben sollen, so müssen sich doch beim Weibchen Vertiefungen finden, in welche die Widerhaken eingreifen können; wenn das primäre Stück i des Männchens gebogen ist, so muß der Rutenkanal des Weibchens ebenfalls gebogen sein; wenn die Genitalanhänge des Männchens trivalvulär sind, also drei Klappen besitzen, so müssen auch beim Weibchen drei entsprechende Höhlungen vorhanden sein usw.; überhaupt müssen sich die Genitalanhänge der beiden Geschlechter ganz genau ergänzen, um bei der Copula ein kom- paktes Ganzes zu bilden. « Leider beachtet Escherich nicht, daß der weibliche Geschlechtsapparat nicht nur der Copulation, sondern auch der Eiablage dient und daß auch verschiedene Verhältnisse bei dieser gewisse Verschiedenheiten im Bau des weiblichen Genitalapparates be- dingen können. Inwieweit nun Verschiedenheiten der weiblichen Ge- schlechtsorgane mit solchen des männhchen Copulationsapparates tat- sächhch korrespondieren, das läßt sich nur ermitteln, wenn man ein männliches und ein weibhches Tier daraufhin untersucht, ob sich ihre Copulationsapparate wirklich derart ineinander fügen. Das aber hat Escherich ebenso wie die älteren Autoren unterlassen^. Hätte sich Escherich dieser Mühe unterzogen, so würde er gesehen haben, daß im allgemeinen seine Anschauungen über eine Korrespondenz der bei- 1 So nennt Escherich den Penis. 2 Darum konnte auch seine Arbeit keine Autorität beanspruchen. Schon Vekhoeff (1893, 12) — p. 213 — hält diese Ansicht Esoherichs für bedenk- lich; auch PoLJANEC (1901) widerspricht ihm, wobei er sich auf Gosse (1881, 1) beruft, der bei Lepidopteren vergeblich zu jeder Eigentümlichkeit der männhchen Genitalorgane eine entsprechende Besonderheit bei dem Weibchen gesucht hat. über (Ich rniinnliihcii Hc<,'attiiiigsapparat oiiiigor Chrysoniolklcn. 05 den Geschlechter richtig sei, daß aber im eiiizehien und zwar in dem Hauptpunkte seine Vorstelhingen irrtümUch waren, da der Penis nur mit der äußersten Spitze in das Weibchen eingeführt wird, eine Tatsache, auf die bislier einzig und allein Blunk (1912, S. 232) bei Di/tiscus hin- gewiesen hat. Die Verschiedenheit des Penis und der Hiifs- Werkzeuge spielt al.so bei der Kr eu Zungsverhinderung bei den Käfern nur eine untergeordnete Rolle im Vergleich zur Verschiedenheit der Rutenblase. Daß diese eine für jede Species konstante Gestalt besitzt und mit der Scheide des Weibchens bis auf das Kleinste harmoniert und daß also diese enge Korrespondenz der beiden Geschlechtsapparate hauptsächlich in dieser Übereinstimmung begründet ist, ist eine bisher völlig unbekannte Tatsache. Zwar wäre es sehr wohl denkbar, daß eine kleinere Species trotzdem die Rutenblase in die größere Scheide einführen könnte. Dann aber würde der Präpenis nicht vor die Mündung des Receptaculum gelangen und so eine Be- fruchtung trotzdem unmöglich gemacht werden, weil die Spermatozoen nicht allein den Weg in das Receptaculum finden würden. Daß "\Airklich heterogene Paarungen von Insekten versucht werden, ist \'ielfach beobachtet worden. Escherich schreibt (1892, 1, S. 234) von einer Elateride, die in Copula mit einer Chrysomelide (Orina) und einer Sesiide, die in Copula mit einer Wespe angetroffen sei. Auch Hoffer (1888) hat derartige Beobachtungen bei Hummeln gemacht, Blunk (1912) bei Dytisciden; und ich selbst habe Gastrophysa viridula (Weibchen) zweimal in Copula mit einer Curculionide (Männchen) gefunden. Daß Lina populi (Männchen oder Weibchen) mit Lina tremulae (Weibchen oder Männchen), in Gefangenschaft Begattungsversuche machten, war mir eine alltäghche Erscheinung. Die Copulation gelang auch ohne Schwierigkeiten, da der Bau des Penis bei beiden Species fast vollkommen übereinstimmte. Ich untersuchte daher auch die Rutenblase von Lina tremulae. Das Resultat dieser Untersuchungen veranschauUcht die Textfig. 57, wenn wir sie mit Textfig. 27 vergleichen. Während bei Lina populi die Rutenblase sich oralwärts umbiegt, ist sie bei Lina tremulae gestreckt. Trotzdem lassen sich Homologa finden, die auf die nahe Verwandtschaft hinweisen, wenn auch in starker Abänderung; so z. B. das Ende / und die beiden Zipfel g. Man vergleiche ferner die Punkte h und c. Der Präpenis liegt wie bei Lina z^\^schen zwei Vor- sprüngen, ist aber dünner und steht von der Rutenblase ab. Gern hätte ich sämtUche Species von Lina auf ihre Rutenblase hin unter- sucht, aber wegen der ungünstigen Witterung des letzten Sommers Zeitsclirift f. wissensch. Zoologie. CXIV. B4 5 66 Wilhelm Harnisch, habe ich außer Lina fofuli und tremulae trotz der erdenkhchsten Mühe auch von auswärts nichts erhalten können. Aber auch schon dieses treffliche Beispiel erlaubt die Schlui3folgerung, daß auch zwischen andern nahe verwandten Arten eine fruchtbare Copula durch die Verschiedenheiten der in jedem Falle komplizierten Rutenblase und ihres weiblichenNegativs ausgeschlossenist. Um bei meinen Resultaten ganz sicher zu gehen, habe ich noch folgenden Versuch zur Nachprüfung gemacht. Ich zog Lina fopuli und tremulae aus Larven, um so ganz genau zu wissen, daß die ge- schlüpften Käfer auch noch unbefruchtet waren und machte dann mit diesen Tieren Kreuzungsversuche. Wohl konnte ich oft eine Copula beobachten, aber niemals fand ich hernach im Receptaculum der Weib- chen Sperma. Ahnhche Versuche hat Hoffer (1888) mit Hummeln ge- macht, wobei er feststellte, daß bei diesen wegen der Verschiedenheit der Geni- talien nicht einmal eine Einführung des Penis statt- finden konnte, geschweige denn eine ejaculatio semi- nis, wie er sich an mehr als 100 Fällen überzeugt hat. Wenn auch der Bau des Copulationsapparates bei diesen Insekten ein völlig andrer zu sein scheint als bei den Käfern, so ist also auch bei diesen das Prinzip der Formanpassung durch- geführt, wie es auch Bruel bei der Diptere CalUphora nachgewiesen hat, bei der Vorsprünge des Penis in die dazu gehörigen Vertiefungen der Scheide passen. Escherich hat nun eine Erklärung für diese Erscheinung gesucht und schheßt sich der Ansicht von Kraatz (1881, 2) an, daß diese indi- viduelle Ausbildung der Begattungsorgane die »Reinerhaltung der Art« zum Zwecke habe. Für die Ursache weiß er sich keine andre Erklärung als die »Annahme einer unbekannten Kraft <<, und diese Kraft nennt er das »Prinzip der Reinerhaltung der Art<<. Er setzt also für ein Un- ■Preepenis Textfig. 57. Lina tremulae c^: Aboraler Teil des Penis mit «ausgestülp- ter Rutenblase. Vergr. 20mal. i'bor (Ion männlichen Begattungsapparat einiger Chrysomeliden. 67 bekanntes ein andres Unbekanntes, wodurch die Frage der Lösung um keinen Schritt näher gebracht wird. Meiner Ansicht nach gibt die beste Lösung für die Ursache die Zuchtwahltheorie : Nur solche Tiere konnten die fruchtbarste Copula eingehen, deren männlicher und w^eibUcher Genitalapparat am besten miteinander harmonierten, während die Zwischenformen allmählich ausstarben. Vergleichende morphologische Erörterungen über die Phylogenie des Copulationsapparates. Gleich zu Anfang meiner Untersuchungen brachte mich die Gestalt des Penis auf den Gedanken, ob wir es hier nicht mit einem umgewan- delten Sternit zu tun haben könnten, zumal es seit Stein (1847) außer Zweifel gestellt ist, daß die Platten, die die weibHche Scheide umrahmen, umgewandelte Steniite sind. In der Literatur findet sich hierüber keine weitere Angabe als die Behauptung Verhoeffs (1893, 12, S. 224), daß der weibhche Apparat aus Segmentplatten bestehe, der männüche jedoch nie, eine Behauptung, die schon deswegen stutzig machen muß, weil die Zahl der sichtbaren Ventralplatten bei Männchen und Weib- chen übereinstimmt; es müßten also die Platten, die beim Weibchen den Legeapparat bilden, beim Männchen verschwunden sein. Es war nun für meine diesbezüghchen Untersuchungen zunächst notwendig, festzustellen, ob man eine allen Käfern gemeinsame Segment- zahl annehmen darf. Die sich widersprechende Literatur bietet keinen Anhalt, da sie zum Teil von Autoren beherrscht wird, die das völHge Verschwinden einzelner Segmente annehmen, ohne dafür einen unanfechtbaren Beweis zu hefern. Urheber dieser Auffassung ist Strauss -Dürkheim (1828) und ihr jetziger energischster Vertreter: Verhoeff. Die entgegen- gesetzten Ansichten der verschiedenen Autoren sind in der Heymon- schen Arbeit »Der morphologische Bau des Insektenabdomens« (1899) in dankenswerter Weise übersichtlich zusammengestellt, so daß ich von einer Wiederholung der Einzelheiten absehen kann. Die Autoren schwanken danach zwischen den Zahlen neun bis elf. Die Zahl elf kommt dadurch zustande, daß ein Teil der Autoren auf die Zahl der Segmente zurückgreift, die im Embryo angelegt werden ; und diese Zahl ist, wie auch spätere embryologische Untersuchmigen (Graber, 1890) bestätigt haben, in der Tat elf für den Käferembryo, ebenso wie für den der Orthopteren (Heymons, 1895). Deswegen sah sich Berlese (1909) in seiner umfangreichen ^Monographie veranlaßt, als Grundzahl für die Segmente der Insekten überhaupt die Zahl elf anzugeben. 68 Wilhelm Harnisch, Diese rein theoretische Grundzahl hat aber für nnsern Zweck keine Bedeutung, da bei der Larve bereits nie mehr diese Zahl gefunden wird. Bezüglich der letzteren schwanken die Angaben der Autoren zwischen 9 und 10. Schaum i (1863) tritt für 9 Abdominalsegmente ein. S. 251 heißt es: »Bei den Insekten mit vollkommener Verwand- lung wird dies schon durch die Tatsache bewiesen, daß keine Larve mehr als nemi Hinterleibsringe hat. Newport und Westwood legen zwar den Larven der Hymenoptera aculeata und der Maikäfer zehn Hinterleibssegmente bei, indem sie von 14 Körpersegmenten derselben 1. Kopf, 2. bis 4. Thorax, 5. bis 14. Abdomen sprechen, ebenso wie einige Lepidopterologen ein 14. (Anal-)Segment der Raupen annehmen, es ist aber längst von Brichson und Stein (S. 23) nachgewiesen, daß dieses vermeinthche zehnte Hinterleibssegment nichts andres als der nach außen umgestülpte After ist und dem Nachschieber vieler Käferlarven, der nirgends als Segment betrachtet wird, analog ist. << Auch Saling (1907) stellt die Zahl 9 für die Abdominalsegmente des Mehlwurms auf. Verhoeff dagegen schreibt (1893, 9 S. 121): »Ich behaupte, daß alle Insekten zehn Abdominalsegmente besitzen.« Um diese Behaup- tung zu beweisen, erklärt er den sogenannten »Nachschieber« der Käferlarven für ein Segment, ohne diese Behauptung jedoch beweisen zu können. Kerschner (1913) will ein 10. Segment aus einem Paar abdominaler Anhänge konstruieren. Nach Kenntnisnahme dieser Literatur war ich geneigt, auch meinerseits die Segmentzahl 9 für das Abdomen der Käferlarven an- zunehmen, zumal an den von mir untersuchten Species von einem 10. Abdominalsegment nichts zu erkennen war {Lina populi, Lina tremulae, Gastrophysa viridula, Tenehrio ?nolitor). Indessen zeigen neuere Untersuchungen von Brass (1914), daß bei einigen Käfer- larven tatsächlich das 10. Abdominalsegment noch vorkommt; so fand Brass bei der Chrysomelide Galerucella viburni noch ein 10. Segment (dort Taf. IV, Fig. 6). Seinen weiteren Ausführungen kann ich jedoch nur zum Teil beistimmen. Brass wendet sich dagegen, daß der »Nachschieber«, wie Müller mit andern Autoren annimmt, ein Stück des Enddarms sei. S. 109 sagt er: »Wenn man bei oberflächlicher Betrachtung zu dieser An- schauung kommen konnte, so führt uns ein Studium der Ringmus- kulatur des Intestinalkanals mid der Retraktoren zu der Überzeu- gung, daß der ausgestülpte Teil nicht eigentlich dem Darm angehört, 1 ScHAXJM ist in der Zusammenstellung von Heymons (1899) nicht mit aufgeführt. über den niäiiiilichen Begattungsapparat einiger Chrysomeliden. 69 sondern ein sekundär eingestülptes Stück der modifiziciten äußeren Körperhauti darstellt.« Die Darmringmuskulatur setzt sich nämlich nicht in dem >>Nachschieber« fort, sondern endet schon vorher (Brass 1914, Taf. IV, Fig. 2). Bis dahin stimme ich mit Brass überein, aber nicht so weit, daß nun dieses eingezogene, dünnhäutige, gelappte Organ das verschwundene 10. Segment sei. Der Autor sucht dies an der Längsnmskulatur zu beweisen. Die Retractoren hält er — wohl nicht mit Unrecht • — ■ für homolog mit der Interseg- mentalmuskulatur mid schließt daraus, daß das Stück, an dem diese aboralwärts ansetzt, das ausgefallene 10. Segment sei. Er läßt aber dabei unbeachtet, daß diese Intersegmentahnuskulatur, wie es auch aus seinen eigenen Abbildungen ersichtlich ist, nicht in erster Linie den Segmenten selbst. (2) (3) M (5) (J)(2) (-3) Textfig. 58. Melolontha vulgaris (5 + Q : Abdomen nach Stkauss- wirMicheS i><''KKHEl3l(1828). (Die in Klammern angegebenen Zahlen sind diejenigen unserer Zählung.) an sondern an den Interseg- mentalhäutenbefestigtist. Daraus folgt aber, daß die weiche, ausstülpbare Haut als die Verbindungshaut zwischen After undAnal- segment zu betrachten ist. Für diese meine Auffassung spricht auch, daß gleich- zeitig mit diesem »Nach- schieber « ein 10. Abdominalsegment auf- treten kann ( Galerucella viburni). Die Annahme von Brass, daß sich hier das Segment nur zur Hälfte verwandelt habe, erscheint doch recht unwahrscheinlich. Im übrigen findet sich für die Annahme, daß wir es bei dem »Nachschieber« mit einer umgewandelten Zwischenhaut zu tun haben, ein Analogon bei der Imago an der Rutenblase, wie ^vir später sehen werden (S. 80 — 82). Soviel aber dürfen wir auf jeden Fall feststellen, daß das 10. Seg- ment als solches bei den Käferlarven eine starke Neigung zum Aus- fall zeigt. Bei der Imago, bei der die Segmente in Tergite und Ster- nite zerfallen, habe ich immer nur neun feststellen können, die zimi Teil in das Körperinnere zurückgezogen sind, wo sie die Funktion eines Endoskeletes zu erfüllen haben. AVenn man aber einmal diese ver- steckten Segmente gefunden hat, dann kann man bei allen Käferima- gines die Zahl neun wiederfinden; jedoch nur bei den Dorsalplatten. 1 Von mir durch gesperrten Druck hervorgehoben. 70 Wilhelm Harnisch, Textfig. 59. Ventralplatten findet man stets nur sechs. Es ergibt sich also die kon- stante Differenz von drei Platten. Diese Differenz von drei Platten haben einige Autoren dadurch zu erklären gesucht, daß sie, wie bereits kurz erwähnt, vorn einen Aus- fall von Sterniten annahmen. Strauss-Düekheim (1828) gibt daher für das Maikäferabdomen folgende Erklärung: Da er das erste ver- steckte Tergit^ nicht gefunden, so zählt er nur die acht sichtbaren Eückenplatten (Textfig. 58, die richtigen Plattenbezeichnungen habe ich in Klammern neben die von Strauss-Düekheim gesetzt). Da nmi das letzte sichtbare Sternit unter dem 8. Tergit liegt, so bezeichnet er auch dies Sternit als 8. und zählt von da an rückwärts, und kommt so bis zur Zahl drei. Dieses Sternit glaubt er aber nun aus zwei Platten verwachsen und zeichnet daher auch eine deuthche Grenze. Diese Grenze ist aber in Wirkhchkeit nicht vor- handen, wovon man sich leicht bei jedem Maikäfer überzeugen kann. Trotz dieser seiner künsthchen Zu- sammensetzmig des ersten Sternits Melolontha vulgaris cJ: Siebentes Sternit nach ^^ ^wci Platten fehlt aber StRAUSS- Steauss-Dürkheim (1828). DÜRKHEIM immer noch sein erstes Sternit; und da greift er nun zu der Annahme, daß dieses erste Sternit ausgefallen sei. Da nun außerdem nach seiner Auffassung das Abdomen des Engerhngs zehn Segmente hat, so glaubt er sie auch bei der Imago nachweisen zu müssen : Vor dem ersten sichtbaren Tergit glaubt er eins mit dem Metathorax verbunden. (Daß tatsächlich noch eins vorhanden ist, werde ich später zeigen; es ist jedoch nicht mit dem Metathorax verwachsen, sondern in das Innere des Abdomens eingezogen). Für dieses Tergit nimmt Strauss-Dürkheim ein weiteres geschwundenes Sternit an. Ein paar chitinige Punkte neben dem After — die ich nicht habe ermitteln können — sind für ihn der Rest des 10. Tergits, und das zum Copulationsapparat verwendete 7. Sternit (Textfig. 59) ist für ihn das 10. Eine nach seinen Angaben aufgestellte Formel für das Maikäferabdomen hätte also folgendes Aussehen: (1) 2 3 4 5 6 .7 8 9 (10)2 [1] [2] 3 4 5 6 7 8 9 (10). 1 Auf die Lage des ersten Tergits komme ich noch zu sprechen. 2 Die nicht ohne weiteres als solche erkennbaren Tergite oder Sternite setze über tk-n inämilichou Bogatdingsapparat einiger ChrysDineliden. 71 J.Terg/l Ausgehend von den niederen Insektengruppen sucht in neuerer Zeit Verhoeff die ZehngUedrigkeit des Kiiferabdoniens zu beweisen und will auch bei manchen Käfern die Spuren eines 10. Tergits gefunden haben. A\'enn icli auch die Zehngliedrigkeit des Abdomens für einige Käfergruppen theorctiscli nicht als ausgeschlossen betrachte, so halte ich sie doch nicht für genügend begründet. Sollte sie aber dennoch richtig sein, so bleibt eine Differenz von drei immer noch den Sterniten gegenüber bestehen, soweit man nicht bereits das von mir als 7. bezeich- nete Sternit als ein solches erkannt hat, wie es Strauss-DürkheimI und — bei einigen Gruppen — auch Verhoeff getan. Im letzteren Falle besteht die Differenz von zwei Platten, und diese beiden Sternite glauben die Autoren vorn ausgefallen. Diesen Sternitaus- faU brauchen wir aber nicht anzunehmen, wenn es uns gelingen sollte, die beiden fehlenden Ster- nite im Copulationsap- parat wiederzufinden. Dann hätten wdr also tat- sächhch in dem ersten ver- steckten Sternit das wahre erste, in dem folgenden sicht- baren das zweite. Wie nun auf Textfig. 14 ersichthch, liegt dieses aber unter dem 4. Tergit; es muß also eine Verschiebung der Rücken- und Bauchplatten gegenein- ander stattgefimden haben, wie es bereits Stein (1847) bei dem weiblichen Käfer nachzuweisen versucht hat. Eine Formel für Lina 'po'puli würde demnach folgender- maßen aussehen: (1) 2 3 4 5 6 7 Q Textfig. 60. Lina populi (5 u. Q : Rückendecke des Abdomens von der Ventralseite gesehen. Vergr. 7mal. (1) 2 3 4 5 6 ich in ( . . . ), während die angebUch ausgefallenen in [ . . . ] stehen. Von den Tergiten ist (1) das, welches St. D. niit dem Metathorax verbunden glaubt, (10) das, welches von einigen Punkton neben dem After repräsentiert werden soll. Von den Sterniten sollen [1] und [2] ausgefallen sein, (10) zum Copulationsapparat ven^-andt. 1 Bei Str.-D. als 10. 72 Wilhelm Harnisch, Für meine Beweisführung, daß wir diese ausgefallenen Sternite tatsächlich im Copulationsapparat wiederfinden, werde ich zuerst bei Lina populi und einigen andern Käfern die neun Dorsal- und sechs Ventralplatten nachweisen, also die Differenz von drei Platten zeigen; zweitens den segmentalen Charakter der drei Stücke des Copulationsapparates feststellen. Betrachten wir also zuerst die Rückendecke von Lina foyuli, so können wir an ihr auf den ersten Bhck sieben sichtbare Platten unter- scheiden (Textfig. 14) ; wie wir sehen werden, die 2. bis 8. Die 9. Platte ist — wie schon S. 22 erwähnt — in das Innere zurückgezogen und liegt unter der 8. (s. oben und Textfig. 26 und 15), wird aber beim Emporheben des 8. Tergits sofort sichtbar. Die 1. Platte dagegen liegt vollkommen im Körperinnern verborgen (Textfig. 60). Beachtenswert ist, daß das erste Stigma die doppelte Größe der beiden folgenden hat, und es ist daher nicht ausgeschlossen, daß es aus der Verwachsung zweier Stigmen, des der ersten und des der zweiten Dorsalplatte, ent- standen ist. Es ist zu verwundern, daß diese doppelte Größe des ersten Stigmas nicht schon eher zur Auffindung dieses Tergits geführt hat, welches eingeschlagen unter dem zweiten liegt, so daß sein vorderer Rand aboralwärts gerichtet ist. Man nahm allgemein an, es sei aus- gefallen, wenn es nicht, wie bei den Caraben, nur zur Hälfte ein- geschlagen und sein aboraler Rand von außen zu sehen ist. Von den sechs Ventralplatten sind bei den Chrysomeliden nur fünf sichtbar. Die erste liegt auch hier im Körperinnern verborgen, ist «,ber trotzdem bereits von Stein als solche richtig erkannt. Sie ist zu einer schmalen Spange reduziert (Textfig. 2 und 61) und verbindet in der Tiefe die drei Vorsprünge des 2. Sternits. Bei allen von mir daraufhin untersuchten Käfern [Lina tremulae, Plateumaris sericea, Donacia lineata, Clytra quadripunctata, Chrysomela graminis, Timarcha violaceonigra, Gastrophysa viridula; Melolontha vul- garis, Tenehrio molitor, Carahus auratus, Carahus nemoralis und Melasoma sycophanta) liegen die Verhältnisse ähnlich. Abweichungen sind nur in- soweit vorhanden, als bei einigen Käfern die bei Lina popuU unsichtbaren Platten ganz oder zum Teil sichtbar sind. So sind bei Melolontha und den Caraben alle sechs ersten Bauchplatten frei sichtbar, bei den Caraben ist außerdem das 1. Tergit nur zur Hälfte eingeschlagen und bei Tenehrio endUch das 7. Sternit deuthch entwickelt und wird beim Herausziehen des Penis sichtbar. Diese Abweichungen beziehen sich also lediglich auf die verschiedene Entwicklung und Umwandlung der Platten, nicht aber auf ihre Zahl. Die Differenz zwischen Tergiten und Sterniteu über diu iiKiiinlichoii Bi-galtungsapparal einiger Cliiysomeliden. 73 ,--' CoAe/7 J.6t. bleibt also — wenn wir vorläufig das 7. Sternit noch nicht als solches ansehen — immer drei. Wir werden jetzt unteisuchen, ob wir diese drei fehlenden Sternite mit den drei Stücken des Copulationsapparates homologisieren können. Die drei Stücke, die den Copulationsapparat ausmachen und die durch die Wand des Atriums miteinander verbunden sind, bilden mit diesem die direkte Fortsetzmig der eingezogenen Körperwand. Sie zeigen bei den einzelnen Käfergruppen eine sehr große Formverschieden- heit. Es läßt sicli jedoch leicht der Beweis ihrer Homologie führen, zu welchem Zwecke wir sie in der Reihenfolge von außen nach innen be- trachten wollen. Untersuchen wir zunächst das 7. Stern it. Hat es eine Gestalt, wie wir sie bei Lina und Plateu- maris gefunden, so erkennt esauch Verhoeff alsSternit. 1893,9 S. 127 sagt er: »Bei den ClirysomeUden erscheint die 9. Ventralplatte 1 häufig hufeisenförmig als ein dünner Chitinbogen. Meist aber sind die Seiten dieses Hufeisens in der Mitte geknickt, werden gerade und rücken gegenein- ander, so daß dann eine ga- belige Gräte entsteht, welche in der Mitte getrennt ist, oder verbunden. Man kann sich leicht folgende Entwicklungs- reihe kombinieren : Hufeisen- förmig, ungeknickt {Lina); hufeisenförmig, geknickt (Donacia); gabelig getrennt (Chrysomela) ; gabelig verschmolzen (Timarcha). In welcher Richtung diese Entwicklung der 9. Ventralplatte bei den Ghrysomehden erfolgt sein mag, ist vorläufig nicht sicher anzugeben. « Verhoeff be- schreibt also die Formen, wie wir sie bei Lina mid — annähernd — bei Plateumaris vor mis haben (Textfig. 17 und 48). Aber auch wenn das 7. Sternit eine derartige Abänderung erfahren hat, wie bei Clytra, läßt sich eine Homologie mit dem 7. Sternit von 1 Verhoeff glaubt oralwärts zwei Sternite ausgefallen und sieht daher in dem siebenten das neunte Sternit. Textfig. 61. Lina populi (5 u- Q' Bauchdccke des Abdomens von der Ventralseite gesehen. Vergr. 7nial. 74 Wilhelm Harnisch, Lina und Clytra ist ^- ^- o» Plateumaris nach Lage und Funktion leicht ermittehi. Bei das Sternit als eine abgeplattete Gräte ausgebildet, wie auf Textfig. 51 ersichthch. Was hier den Segment- charakter eventuell in Frage stellen könnte, ist der Umstand, daß sein aborales Ende nicht im Atrium eingelagert ist, sondern frei ins Innere des Körpers hineinragt. Wir können uns aber diese Bildung sehr gut erklären, wenn wir uns vorstellen, daß ursprünghch das ganze Sternit im Atrium einge- lagert war, dann sich das Atrium auf der Ober- j Seite des Sternits faltete und schheßhch mit die- ] sem verwuchs, wie es uns das Schema (Textfig. 62) veranschauhcht. Verhoeff hat in dieser Form das Clytra quadripunctata (J: r/um Textfig. 63. Schema eines Längsschnittes durch das achte Sternit. 7. Sternit nicht mehr als solches erkannt und sieht in ihm ein accessorisches Stück, dem er den Namen Spiculum gastrale beilegt, das er allerdings als vom 7. Sternit ausgehend, aber nicht mit diesem identisch ansieht. Das 7. Sternit hält er für fort- gefallen (Verhoeff, 1896, 3 S. 114 und 1895, 8 S. 260). Lindemann (1875) bezeichnet dieses Or- gan als »Stengel«, konnte aber nicht zur Erkennt- nis seines segmentalen Charakters gelangen, da er den Copulationsapparat nicht in seiner Gesamt- heit betrachtete, sondern nur die einzelnen Stücke gesondert abbildete i. Der Plattencharakter des 8. Sternits tritt von den drei beschriebenen Chrysomeliden am deuthchsten bei Clytra hervor, wie aus Text- 1 Vom Maikäfer bildeten auch Stbauss-Dübkheim (1828) xmd Boas (1893, 1) das siebente Sternit ab, ohne es als solches zu erkemien (Fig. 59). Einen beson- deren Namen legen sie ihm nicht bei. Boas bezeichnet es nur als »bände chiti- neuse «. w ^ ^ ¥- 1 Übt>r den luäiiiilichen Begattungsapparat oiiiigor Chrysomcliden. 75 fig. 51 und 52 ersichtlich. Das Atrium, von der aboralen Seite kommend, überzieht seine ganze Ventralseite und ist am oralen Rande, we man sich an einem Kalilaugenpräparat leicht überzeugen kann, mit ihm verwachsen (Textfig. 63). Die Zwischenhaut, die das 8. 8ternit mit dem Penis verbindet, ist am aboralen Rande der Platte angewachsen. Das 8. »Sternit bildet also mit seiner ganzen Fläche einen Teil der (6dbe/ Ldm. ) d.ÖA Prsepen/s (Pen/srinne Ldm.) 0r<9/es frrc/e (Pen/sPüs5chen Ldm.) '~Peß/5 ( Pen/shörper Ldm ) Textfig. 64. Polygraphus pubescens (5: Copulationsapparat nach Lindemanx (1875). ZöA (Stenge/ Ldm.) d'.st. Textfig. G5. Cnjpturgus pusillus <^: Copulationsapparat nacli LiNDEJiANX (1875). Atrialwand, obwohl es bei der bloßen Betrachtung den Anschein hat, als ob es nur mit dem aboralen Rande am Atrium angewachsen sei (Textfig. 51). Bei Lina popuU hat das 8. Sternit bereits eine Umwandlung erfaliren (Textfig. 18 und 17). Der oralwärts gerichtete Zipfel steht nämhch senkrecht zur Medianebene des Penis, ebenso wie die Muskel- ansatzplatte, in die das 8. Sternit oralwärts endet. Eine Aufklärung 76 Wilhelm Hariiiscli, ,P Ö.5t Testfig. 66. Pityophthorus exculptus Q: Copulations- apparat nach Lindemann (1875). über die Entstehung dieser seitlich abgeplatteten Form des 8. Sternits geben uns die Schnittbilder durch ein frisch geschlüpftes Tier (Text- fig. 29 — 31). Hier, wo die Bildung des Chitinskeletes noch nicht ab- geschlossen ist, ist das Stück eine horizontale, d. h. frontal zum Penis gerichtete, gebogene Platte. Erst später verwachsen die gegeneinander gebogenen Flächen miteinander und stehen nunmehr vertikal zum Penis. Betrachten wir endlich das 8. Ster- nit von Plateumaris (Textfig. 46 — 48) mit seinem langen aboralwärts gerich- teten Ausläufer, so möchte es auf den ersten Bhck uns vielleicht nicht als eine Platte erscheinen. Daß aber auch dieses Organ sich darauf zurückführen läßt, dafür geben uns die Bilder, die Linde- mann vom Penis der Borkenkäfer ge- geben hat, einen vortrefflichen Anhalt (Textfig. 64 — 67). Hier finden wir alle Übergänge. Textfig. 64 zeigt eine einfache bandartige Platte mit einer Verbreiterung in der Mitte, die sich bei Textfig. 65 bereits zu einer längeren Spitze auszieht. Auf Textfig. 66 ist die Spitze, die der Muskel- ansatzplatte bei Lina und Plateumaris entspricht, noch deuthcher aus- gebildet, und die beiden Schenkel haben sich um den Penis herum zu einem Ring geschlossen. Auf ■ Textfig. 67 zeigt sich der erste Ansatz zu einem abo- ralen Fortsatz, wie wir ihn bei Plateumaris ausgebildet finden. Aus dieser extremsten Form schloß nun Vekhoeff, daß wir in diesem Organ Gonapophysen vor uns hät- ten entsprechend den Ovi- positoren der Weibchen andrer Insektengruppen. Er sieht daher in ihnen ein ursprünghch paariges Organ rechts und links vom Penis, das sich bald nach unten, bald nach unten und oben (»kapsehger Paramerentypus <<) ausgedehnt hat. Zeigt das 8. Sternit nicht diese ausgebildete Form wie bei Plateumaris, so sieht er das Organ einfach als rudimentär an. 1894, 8 (S. 131) schreibt er: »Die Parameren, welche die Homologa der Ovipositores posteriores vorstellen und einem ventralen /.Sa Textfig. 67. Cryphalus piceae (5: Copulationsapparat nach Linde MANN (1875). über (Itii inäiHilichen BcgattungsapiJarat einiger Clnysol meiden. 77 Gliedmaßenpaar entsprechen (wie die vier Paare der Mundteile und die Antennen) fehlen bei Coleopteren (soweit bekannt) nie, sind aber in vielen Fidlen einer Reduktion anheimgefallen, ja man kann sagen, daß bei mehreren Ordnungen der Coleopteren (z. B. den Cara- boidea und der Familie der Chrysomeliden) geradezu eine Tendenz zum Aufgeben der »Parameren << herrscht. Aber es kommt, wie gesagt, nie zu deren völligem Schwunde«. Diese »Tendenz« zur Reduktion der »Parameren« sieht Verhoeff (1896, 3 S. 119) gerade bei den Scolytiden verkörpert, indem er sie in der umgekehrten Reihenfolge betrachtet wie ich, als ich an der Hand dieser Gruppe das Entstehen der langen Gräte von Platemnaris zu erklären suchte. Er sieht also das Organ (Textfig. 67) als das phylogenetisch ältere an, und bei Text- fig. 64 glaubt er seine »Parameren« im völligen Verschwinden begriffen. Auch bei Verhoeff ist der Ge- danke aufgetaucht, ob wir in diesem Organ ein umgewandeltes Segment vor uns hätten. Er beantw^ortet diese Frage aber mit einem uneingeschränk- ten »Nein« (1893, 9 S. 131), und zwar »1. wegen seiner Lage innerhalb der wie ein Handschuhfinger aus- und einstülpbaren Geni- ^,^,„,„, nemoräli^S: Achtes Stcrnit. talganghautl, Vergr. 20mal. 2. weil es gerade den entgegen- gesetzten Anfangszustand zeigt, wie ein Segment bei Insekten «. Wollen wir diese beiden Gründe prüfen. Der erste ist nicht stich- haltig. Daß dies Organ wde ein reguläres Segment im Atrium eingelagert ist, habe ich bei Clytra gezeigt. Und daß es sekimdär einen Fortsatz in das Lumen des Atriums entsendet, spricht nicht im geringsten gegen seinen segmentalen Charakter. Ist doch die Bildung von uneingelenkteu Fortsätzen eine häufige Erscheinung der Insektensegmente. (Ich er- innere nur an die Chrysoniele Hispa.) Der zweite Grund, den Verhoeff anführt, ist ungefähr folgender- maßen zu verstehen. Wäre dies Organ ein Segment, so müßte sein segmentaler Charakter bei den ursprünglichsten Käferformen am deut- üchsten erkennbar sein. Nun zeigt aber dies Organ bei den niedrigsten Käferformen (Caraben) einen ausgesprochenen Paramerentyp, während er nur bei den höheren Formen einen Segmentcharakter trägt. Leider ist Verhoeff dabei ein sehr grober Irrtmn untergelaufen. Er hält nära- 1 Atrium genitale. Textfig. 68. 78 Wilhelm Harnisch, lieh die Parameren, die man tatsächlich noch bei den Caraben gut ausgebildet findet, für identisch mit unsrem Organ, während sich dieses außerdem noch als eine deutliche Platte im Atrium ventralwärts vom Penis eingelagert findet, wovon ich mich persönlich überzeugen konnte (Textfig. 68). Diese wahren Parameren sind jedoch bei den meisten Käfern völhg verschwmiden. Eine Stütze für meine Beweisführung bietet in hervorragendem Maße der Copulationsapparat des Maikäfers. Ich wurde auf ihn auf- merksam durch die Arbeit von Boas (1893), nach der auch die Text- fig. 69 gezeichnet ist. Hier ist unser Organ zu einer runden Kapsel um- gebildet, die Boas »plaque basale« nennt. Daß wir tatsächhch in ihm ein Homologon mit un- serm Organ vor uns haben, zeigt mis seine Stellung zwischen 7. Sternit und Penis. Nach dem 6. sichtbaren Ster- nit folgt die »bände chitineuse«. Von dort schlägt sich die Kör- perhaut nach innen um und setzt sich bei a an diesem Organ an. An einem Kahlaugenprä- parat kann man sich jedoch leicht davon überzeugen, daß es von der Stelle an noch die »plaque basale« überzieht und erst an seinem oralen Eande bei h mit dieser verwachsen ist. An ihrem aboralen Kande setzt sich dann mittels einer Gelenkhaut die »pince« an, die dem Penis unsrer Käfer entspricht. Daß die »plaque basale« also unserm Organ homolog ist, steht demnach außer Zweifel. Auch Verhoeff glaubt diesen »kapsehgen Paramerentypus « mit seinen »Parameren« gleichen Ursprungs, ohne dabei die Haltlosigkeit seiner Theorie zu erkennen. Denn daß sich ein Extremitätenpaar zu einer solchen Kapsel umbilden soll, ist viel weniger leicht denk- bar, als daß die Ränder einer Platte sich so weit umbiegen können, bis sie miteinander verwachsen und so ein röhrenförmiges Organ entsteht. Wir kommen nunmehr zum dritten Teile des Copulationsapparates, Penis (pince -Boas) Q,St. (plaaue basaie - Boas) Aöpperiidut Textfig. 69. Melolontha vulgaris (5: Copulationsapparat nach BOAS (1892). Vhcv clt'ii niätiiilichen Begattungsapparat einiger Chrysoineliden. 79 dem Penis, und wollen versuchen, ob wir in ilim die notli fehlende 9. Ventralplatte wiederfinden. l^ereits Haase (1889, 2) stellt fest, daß der Penis der niederen Insekten aus der äußeren Körperhaut hervorgeht, eine Angabe, die auch von Heymons (1896) bestätigt wird. 1913 zeigt Kerschner (S. 351), wie die Penisanlagen noch im Puppenstadium äußerhch sichtbar sind. Diese Beobachtungen lassen es nicht als ausgeschlossen erscheinen, daß zu dieser Einstülpung ein Segment verwandt wird, ja die Beobachtung von Kerschner macht dies sogar wahrscheinhch. Einen endgültigen Aufschluß über diese Frage werden jedoch die embryologischen Unter- suchungen nicht bringen kchinen, da bei den Verw^andlungen der In- sekten die neue Körperhaut immer wieder selbständig unter der alten entsteht. Eine direkte Umwandlung eines Segmentes in ein andres Organ läßt sich also nicht feststellen. Dagegen glaube ich, daß unsre vergleichend morphologischen Untersuchungen darüber einige Klarheit bringen w^erden. Bei unsern drei Käfern besteht der Penis aus einem rings geschlosse- nen Rohre. Betrachten wir aber die Oberseite des Penis von Lina fopuli (Textfig. 21), so sehen wir in der Mitte deuthch eine Naht, die auf eine Verwachsung schUeßen läßt. Die beiden Ränder der löffei- förmigen Spitze scheinen auch auf eine umgebogene Platte hinzudeuten. Diese Anzeichen haben zwar die Frage nach dem Segmentcharakter des Penis in mir angeregt, können aber selbstverständhch allein nicht als Beweis gelten. Dagegen verschafft uns ein Blick auf die verschiedenen Penisformen, die uns Lindemann (1875) von den Borkenkäfern ge- geben hat, hierüber wichtige Anhaltspunkte. Ich gebe daher einen Teil dieser Bilder, die für unsern Zweck besonders in Betracht kom- men, wieder, Textfig. 65 zeigt uns einen Penis von Crypturgus fusillus, von dem Lindemann (S. 245) schreibt: »Dieser Körper ist hier sehr wenig entwickelt, so daß er nicht die gewöhnliche Gestalt einer Rinne, sondern die einer abgerundeten schaufeiförmigen Platte hat.« Auch Crypturgus cinerius Herbst hat nach Lindemann (S, 245) eine derartig plattenförmige Gestalt, während Pitt/ophthorus exculptus Ratzb. (Textfig. 66) bereits einen zu einer geschlossenen Röhre verwachsenen Penis besitzt. Nur die auf der Oberseite befindliche Öffnung läßt noch den Plattencharakter erkennen. Dazwischen finden sich alle Über- gangsstufen, von denen ich hier nur zwei angebe: die von Cri/phalus piceae (Textfig. 67) und PoJi/r/rapJius puhescens (Textfig. 64). Ob man bei Pithyophthorus (Textfig. 66) auch wie bei Lina populi noch die Ver- wachsungsnaht wahrnehmen kann, gibt Lindemann nicht an, ist auch 80 Wilhelm Harnisch, aus seiner Abbildung nicht zu ersehen i. Bei Plateumaris habe ich eine Verwachsungsnaht nicht konstatieren können, was aber meiner Hypo- these nicht widerspricht, denn ebensogut wie die Ränder so innig mitein- ander verwachsen können, kann auch phylogenetisch die Verwachsungs- naht sch^^änden. Verhoeff kann also seine Theorie nicht stützen, wenn er 1893, 9 (B. 132) schreibt: >>Der Penis zeigt also gerade, wie die Parameren, einen Anfangszustand, welcher zu dem eines Segments bei Insekten im Gegensatz steht. Bei den Segmenten der Insekten handelt es sich anfangs stets um mehrere Bestandteile. Der ursprüngUche Penis^ dagegen ist ursprünglich einfach ein rundes chitinisiertes Rohr. << Verhoeff denkt bei dem »chitinisierten Rohr« an den Caraben-Penis, hat aber nicht beachtet, daß gerade bei diesem Penis (ich untersuchte Carabus nemoraUs) eine sehr deutliche Verwachsungsnaht vorhanden ist. Außerdem bieten aber gerade die Caraben einen Anhalt für den Plattencharakter des Penis, da bei diesen ein Paar ein- gelenkter Gonapophysen dar- an sitzen. Und da, wie Ver- hoeff selbst behauptet und wie es durch die embryolo- gische Untersuchung von Heymons wahrscheinUch ist, diese Gonapophysen auf rudi- auf nur ein Sternit sein. Penis Ductus Tcxtfig. 70. Dytiscus marginalis (5: llutenblase, gezeichnet in An- lehnung an Blunk(1921) (»Penisdeckapparat«). mentäre Gliedmaßen zurückzuführen sind, so kann das Organ dem sie eingelenkt sind, woh Nachdem wir nmimehr als richtig annehmen dürfen, daß wir in dem Penis ein umgewandeltes Sternit vor uns haben, ist es nicht schwer, auch für die Rutenblase eine richtige Erklärung zu finden. Man nahm bisher an, daß sie eine Erweiterung des Ductus ejaculatorius sei. Betrachten wir dagegen das Schnittbild (Taf. I), so sehen wir, daß sich das Chitin der Rutenblase deutüch von dem des Ductus unter- scheidet. Während wir im Ductus glattes »blaues« Chitin haben, zeigt das der Rutenblase eine ausgeprägte Zähnelung auf einer weichen durch- 1 Dagegen zeigten sämtliche Formen des Cetoniidenpenis diese Naht, wie aus Taf. I von Kraatz (1881, 3) hervorgeht. 2 Ich möchte dem Leser die Definition nicht vorenthalten, die Verhoeff (1893, 9, S. 121) von dem Penis giebt: »Manche Forscher haben sich damit abge- quält, zu erläutern, was derm eigentlich als Penis zu bezeichnen sei. Ich denke, daß die Klarstellung der Parameren auch schon den Begriff Penis klargestellt hat. Das Organ ist Penis, welches (je nach der Lage der Parameren) zwischen, unter, über, oder innerhalb derselben liegt.« über den männlichen Begattungsappaial einiger Chi ysonu-liclcn. 81 sichtigen Haut (aus Acidüchitiu bestehend), eine tStiuktur, die eine Homologie des Ductus mit der Rutenblase als ausgeschlossen erscheinen läßt. Es hegt daher die Wahrscheinhchkeit nahe, daß wir in der Ruten- blase nicht den erweiterten Ductus, sondern einen eventuell sekundär eingestülpten Teil der Körperoberfläche vor uns haben; umsomehr als der Ductus meist stark von der Rutenblase abgegrenzt ist; wie wir sehen werden, viel schärfer als die Rutenblase zum Penis. Unter dieser Voraussetzung läßt sich auch der >>Penisdeckapparat<<, den uns De- MANDT bei Dijtiscus beschreibt, mit unsrer Rutenblase homologisieren. Dieser »Penisdeckapparat << ist eine häutige Faltung, die dorsalwärts dem rinnenförmigen Penis anliegt (Textfig. 70) und die durch Blut auf- gebläht die Form einer Kappe annimmt und so einen Hohlraum bildet, in dem die Spermatophore entsteht. Am C4runde dieser Falte mündet ■—/^ö/. Ducf'us Pen/3 Textfig. 71. Melolontha vulgaris (S: Rutenblase nach BOAS (1912) (»vesicule de la verge«). der Ductus (Textfig. 70). Eine derartige ventrale Ausbauchung zeigt die Rutenblase auch beim Maikäfer (Textfig. 71), die Boas (1893) unter dem Namen »vesicule de la verge << beschrieben hat. Sie hegt jedoch innerhalb des rings geschlossenen Penis und bildet so eine Übergangs- form zwischen der »Rutenblase« von Dytiscus und der unsrer Käfer. Wie schon erwähnt, setzt sich der Ductus ejaculatorius von der Rutenblase scharf ab. An der Einmündungssteile hat sich noch ein be- sonderes Organ herausgebildet: der Präpenis. Allem Anschein nach ist dieser eine spezielle Neubildung, die nicht allen Käfern zukommt. Lindemann bildet ihn bei den Scolytiden ab (Textfig. 64) imd nennt ihn Penisrinne, Stein beschreibt ihn bei Cassida als »trichterförmigen Aufsatz. « Bei manchen Arten kann er eine außerordentliche Entwick- lung zeigen, so z. B. bei unsrer Clytra und bei den Coccinelliden, wo Verhoeff ihn unter dem Namen »Sipho« beschreibt (1895, 7)^. Auch 1 Verhoeff kennt dies Organ nur bei den Coccinelliden und .'>Valven<< Zanders, ein Irrtum, der dadurch entschuldbar ist, daß Kerschner keine andern Käfergruppen zum Vergleich mitersucht hat. Daß dieses von Kerschner unter dem Namen »Penis« beschriebene Organ tatsächhch dem von mir aufgestellten Terminus Praepenis ent- spricht, zeigt schon eine Zählung der Segmente : sechs sichtbare Bauch- platten, 7. und 8. Sternit, das nächstfolgende Organ, das Kerschner als ein Doppelstück (Cardo + Valven) betrachtet, entspricht dem 9. Ster- nit, also dem von allen bisherigen Autoren als »Penis« bezeichneten Organ. Der »Penis« Ker^chners bleibt also als accessorisches Stück übrig und entspricht somit dem Präpenis. Eine andre Frage wäre freihch die, ob es nicht richtiger wäre, mit der alten Nomenklatur zu brechen, den Penis als 9. Sternit zu bezeichnen und dem accessorischen Stück den Namen »Penis« beizulegen, wozu Kerschner durch falsche Homologisierung geführt wurde. Dies ist aber abzulehnen, da, wie wir bereits gesagt, das Organ nur bei den Käfern vorkommt, bei denen das Sperma auf direktem Wege in das Receptaculum befördert werden soll. Es fehlt wahrscheinhch aber bei allen Arten, die das Sperma in einer besonderen Kapsel absetzen. Wir werden daher weiter das Organ als Penis bezeichnen, das in beiden biologischen Gruppen für die Funktion der Begattung ausgebildet, und nicht das, welches nur bei einem Teil der Coleopteren vorhanden ist. Wie wir aus VorUegendem ersehen können, ist es wohl möghch, das Käferabdomen unter einem morphologisch einheit- lichen Schema zu betrachten, dem sich — wie ich sicher glaube — auch die bisher noch nicht untersuchten Gruppen fügen werden. In dem Copulationsapparat haben wir umgewandelte Sternite vor uns, wobei wir das Atrium, die Gelenkhaut zwischen 8. Sternit und Penis und die Kutenblase als Zwischenhäute anzusprechen haben. Auch die Longitudinalmuskulatur finden wir dabei wieder in dem Ductor (zwischen 7. und 8. Sternit), dem Ringmuskel (zwischen 8. und 9. Ster- nit) und den Retractoren der Rutenblase, die wie beim Nachschieber der Larven vom 9. Sternit her zur letzten Zwischenhaut verlaufen. Die von mir angewandte zum Teil neue Nomenklatur ist so gewählt, daß man sie für alle Gruppen anwenden kann, auch wenn den über den männlichen Begattungeapparat einiger Clu-ysomeliden. 83 P-i o ja +•= fü a OQ »4 'S o< .2 '-3 Cm O Sm Pm ja a o ®.2 00 -*e ^ 3 ö « « o a r2 w CC 1=1 m PLI ® 4- ö Ph PL, PL( Ph Ph rill P-I P-I ^ ö M a •^ ö o ari:j W 4- ,tJ -u hß a ali^ « S H C/J «2 od 00 00 s ® 3 "-' PU '-' ^- »-( a es Pm c3 03 5" 'S 03 l| 03 es a S Gl «3 05 d pq ^S p^ q^ ■S P o o o O |-- -a ^ « C3 ü P *-*3 03 a ^ a o 'S OQ '■5 >> a II 'S es a o P P JH CO ü g Q 'S CO ^ CO 03 CM C3 CD >o (M Ol 05 >o o l> (M 00 T-H y-^ 1—1 03 C5 05 05 00 [^ ■^ ~f CO GM T-H O T- ( C5 T-H 00 l-H 00 tH 00 00 T-l 00 l-H 00 l-H 00 00 00 00 rH a S rß a W ^ < o ^ fä !zi 22 w < 2 2 G* o Ü 84 Wilhelm Harnisch, morphologisch homologen Teilen im einzelnen eine ganz spezielle Form und Fmiktion zukommen sollte. Würde durch diese neuen Bezeichnmigen der verwirrenden Menge von Spezialnamen ein Ende gemacht, so wäre dies für die weitere Erforschung des Copulationsapparates der Coleop- teren sicher von großem Nutzen. Denn es ist namentlich für den An- fänger sehr schwer, bei den verschiedenen Bezeichnungen die homologen Stücke zu erkennen. Ich gebe daher auf Seite 83 eine Übersicht über die verschiedenen Bezeichnungen, die die bisherigen Autoren verwendet haben, um durch diese Liste das Verständnis der Literatur zu erleichtern. Kurze Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse. Innere Geschlechtsorgane. S. lOff. Der Hoden von Lina populi besteht aus zwei selbständigen Eosetten von je 14 Follikeln, die beide einen gemeinsamen Ausführungsgang haben (Textfig. 1, 2 und 5). Eine Samenblase fehlt und wird durch den relativ weiten Ausführungsgang er- setzt (Textfig. 4). S. 17 ff. Die bisher für eine Samenblase (vesicul seminal, Bordas) ge- haltene Anschwellung des paarigen Ductus ejaculatorius ist ein drüsiges Gebilde, das wir als »Prostata << bezeichnen wollen (Textfig. 1, 2, 12 imd 13). S. 13ff. Das Secret der Anhangsdrüsen wird bereits im Puppenstadium und im Jugendstadium der Iniago abgesondert. Zur Zeit der vollen Geschlechtsreife läßt die secretorische Tätigkeit der Drüsenwände nach. Das Secret der Anhangsdrüse besteht aus einer zähflüssigen sirupartigen Masse. Die Ausstoßung des Secrets geschieht nicht durch Muskeln, sondern durch den er- höhten Blutdruck beim Begattungsakt. S. 15ff. An dem Ductus ejaculatorius unterscheiden wir zwei Haupt- teile, den dünneren und stark chitinisierten miteren und den oberen dicken Teil, der mit einer kräftigen Muskelschicht ver- sehen ist. ■ Ersterer mündet in den Penis, letzterer gabelt sich oben. Jeder der beiden Arme verdickt sich am Ende zur Pro- stata (Textfig. 1, 2, 9, 10 und 11). Der Copulationsapparat. S. 20ff. Bei der Teilung der Segmente in Tergite und Sternite ist eine Verschiebung der Halbringe gegeneinander eingetreten, sodaß über den männlichen Begattungsapparat einiger Clnysoineiiden. 85 z. B. das 4. Tergit über dem 2. Sternit zu liegen kommt (Text- fi^'. 14). Das 7. und 8. Sternit sind in das Körperinnere hin- eingezogen und bilden einen Teil des Copulationsapparates. tS. 23. Das 7. Sternit ist als ein hufeisenförmiger Chitinbogen im Atrimn genitale eingelagert (Textfig. 17). Das 8. Sternit ist dreizipfelig und umschließt mit den beiden aboralwärts gerich- teten Zipfeln kreisförmig den Penis (Textfig. 18 und 17). S. 23ff. Der Penis, der in der Ruhelage 90° um seine Längsachse gedreht ist (Textfig. 1), besteht aus einem rechtwinklig ge- bogenen Chitinrohr mit dorsoventral abgeplatteter Spitze und senkrecht gespaltenem oralem Teil. Verstärkt wird der Penis durch eine dem Atrium zugehörige Chitinversteifung (Text- fig. 17, 19 und Taf. I). S. 26. Die Spitze des Penis ist mit Sinneskörpern ausgestattet (Taf. I); seine dorsalwärts gelegene Öffnung ist mit einer Ver- schlußklappe versehen (Textfig. 21). S. 26ff. Der Penis ist innen mit einem blasenförmigen Gebilde, der Rutenblase, ausgekleidet, die im Ruhezustande stark gefaltet ist (Textfig. 25), während der Copulation jedoch zur Öffnung heraustritt und zu einer ganz charakteristischen Gestalt an- schwillt (Textfig. 27). Durch den Penis läuft der düime Teil des Ductus ejaculatorius hindurch (Textfig. 22 und 23), der mittelst eines besonderen Mündungsstückes, dem Präpenis, durch die Rutenblase nach außen mündet (Fig. 27 und Taf. I). S. 33 f. Wie auf Taf. I ersichtlich, zeigt das Chitin bei der Doppelfär- bung: Hämatoxyhn, Orange G mannigfaltige Farben, aus denen man die verschiedenen Stufen der Reife, der Härte und der Elastizität des Chitins ersehen kann (s. Tafelerklärung). Über die Muskulatur des Penis und seine Funktion. S. 34ff. Die Austreibung des Penis und die Entfaltung der Rutenblase wird durch den erhöhten Druck der Leibesflüssigkeit bewirkt. Die Aufgabe aber, die Rutenblase bei ihrer Gestalt zu erhalten, fällt einem Muskel zu, dem »großen Ringmuskel«. Dieser um- schließt das orale Ende des Penis und preßt den Spalt zusam- men, sobald der Blutdruck innerhalb des Penis den Höhepunkt erreicht hat (Textfig. 28, 33, 19 und 20). Weitere Muskeln sind die »Retractoren der Rutenblase«, die diese nach beendeter Be- gattmig inslunere des Penis zurückziehen (Textfig. 33 und Taf .1). Ferner der »Ductor penis« mit seiner vierfachen Funktion: 86 Wilhelm Harnisch, Drehimg nach rechts und Hnks, Vorwärts- und Rückwärts- bewegung des Penis (Textfig. 28, 34 und 35). Drittens der Re- pressor penis, der den Penis nach beendeter Begattung durch Verengung des Atriums gänzHch ins Innere zurückdrückt (Textfig. 28 und 36). Und endhch die Attractoren der 9. Dorsal- platte, die die Genitalöffnung durch Aufpressen des 9. Tergits nach außen abschließen (Textfig. 36). Die weiblichen Geschlechtsorgane. S. 47. Das $ miterscheidet sich vom (^ dadurch, daß bei ihm das 9. Tergit eine einheitliche Platte bildet, während es beim (^ in der Mitte gefaltet ist (Textfig. 39 und 16). S. 47. Die $ Geschlechtsöffnung befindet sich zwischen dem 8. und 9. Sternit. Das 9. Sternit ist zweigespalten und zu einem Paar tasterartiger Organe umgewandelt (Textfig. 45). Das »Scheidenmastdarmrohr« (Stein) ist sehr kurz (Textfig. 39). S. 48ff. Die Scheide ist sackförmig und von charakteristischer Gestalt. Eine Begattungstasche fehlt. Das Receptaculum seminis ist hufeisenförmig mit langgestreckter Anhangsdrüse. Der Eier- gang ist in der Ruhelage dorsoventral abgeplattet. Die Eier- stöcke mit unterständigem Eierkelch tragen je 20 Eiröhren (Textfig. 44). Die Begattung. S. 50 f. Die Form der Rutenblase entspricht bis ins Einzelne der der Scheide. Sie entfaltet sich nach der Einführung des Penis, und ihre Wandung legt sich dicht der Scheide an. Auf diese Weise wird eine feste Verankerung erzielt (Textfig. 27 und 44). S. 52 ff. Bei der Copulation dringt die >Spitze des Präpenis direkt in die Mündung des Samenganges ein, so daß das Sperma direkt vom Präpenis aus in das Receptaculum gepreßt wird (Text- fig. 43). S. 53ff. Das Secret der Anhangsdrüsen hat wahrscheinlich den Zweck, das Sperma vor sich her zu schieben und ein Zurückgleiten zu verhindern. Die Aufgabe, das Sperma zu verdünnen, hat die »Prostata <<. Der Copulationsapparat anderer Chrysomeliden. Bei Plateumaris sericea und Clytra quadripunctata finden wir ähn- Uche Verhältnisse wie bei Lina populi. Doch sind auch bemerkens- werte Abweichungen zu verzeichnen. über don niännliclioii Bcga(tungsai)i);\rat einiger Chrysomeliden. 87 8. 56ff. So ist das 8. 8teinit bei Plateumaris zu einem Greiforgan um- gewandelt (Textfig. 46). Dementsprechend hat auch die Mus- kulatur eine Abänderung erfahren (Textfig. 48). S. 58ff. Der Penis von Clytra zeigt eine außerordenthche Größe. Das 8. Sternit ist plattenf()rniig und bedeckt die ovale Öffnung am oralen Teil des Penis (Textfig. 51 und 52). Der Präpenis ist nadeiförmig, von außerordenthcher Länge (Textfig. 53) ent- sprechend dem ungewundenen Samenleiter des Receptaculum seminis beim $. Der Penis liegt in der Ruhelage nicht seit- wärts gedreht, we bei Lina und Plateumaris, sondern sym- metrisch im Abdomen. Biologische Bedeutung der Komplikation des Copulationsapparates. S. 63ff. Auch bei nahe verwandten Arten, wie bei Lina populi und Lifia tremuloe, zeigt sich eine Verschiedenheit in der Gestalt der Rutenblase (Textfig. 27 und 57), sodaß auf diese Weise eine Kreuzung solcher Arten miteinander verhindert wird. Vergleichend morphologische Erörterungen über die Phylogenie des Copulationsapparates. S. 67 ff. Bei der Imago der Käfer finden wir neun Tergite, aber bloß sechs Sternite. Die Differenz beträgt also drei. Aus drei Stücken finden wir aber auch den Copulationsapparat zu- sammengesetzt, und durch vergleichend morphologische Be- trachtung läßt sich feststellen, daß wir es hier mit umgewan- delten Sterniten zu tun haben. Der Penis selbst wird aus dem 9. Sternit gebildet. Das Atrium haben wir demnach als In- tersegmentalhaut anzusehen, ebenso die Rutenblase. Die Verhältnisse bei den (^(^ entsprechen also denen der $$, bei denen bereits Stein (1847) den segmentalen Ursprung der Genitalstücke festgestellt hat. Verzeichnis der benutzten Literatur. 1609. Malpighi, Dissertatio epistolica de Bombyce, London! 1669. 1734. Reaumur, Memoires pour servir a rhistoire des Insectcs. Paris 1734. 1738. SwA>LMERDAM, Biblla naturae sive historia Insectorum. Leyden 1737 — 1738. 1811. MALrs-owsKY, Beobachtungen außen sichtbarer Geschlecht.sanhängc einiger Käfergattungen und -arten. 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(Nur das Chitin ist farbig wiedergegeben.) Es färbt sich: blau: das unausgereifte Chitin, orange: das geschmeidige, nicht elastische Chitin. Braun und gelb ist Eigenfärbung des elastischen Chitins : Je dunkler, desto spröder, je heller, desto elastischer. Experimentelle Daten zum Erkennen der Artemia-Gattung. Von Dr. A. Abonyi, Privatilozont, Builai)est. •Viis di-m zoologischen Institut der Universität in Bucla|e,st. J)irektcr Dr. G. Ej^tz, K. iing. Hofrat, öffentl. ord. Univ.- Professur.) Mit 13 Figuren im Text und Tafel II- IV. Inhaltsverzeichnis. se^e I. Einleitung 69 II. Die historische Entwicklung unserer Kenntnis der Artemia-CJattung 79 III. Von den bisher beschriebenen Artemia- Arten 121 IV. Das System Verhältnis der früheren Branchipus- und Artemia-Fami- lien 111 V. Die der Konzentration des Se(!wassers zuzuschreibenden Forniinodi- fikationen an den Artemien und an anderen Branchipusen ... ll'J VI. Die heutige Stellung der Gattung Artemia in der Systematik, deren Formen und Ort ihres Vorkommens 123 VII. Die Variation der Arten der Gattung Artemia in alter und neuer Be- leuchtung 128 VIII. Die Verschiedenheit der Zuchtflüssigkeiten. Salinen. Salzseen. Natron- laiigeseen. Künstliche Salzlösungen 131 IX. Die Provenienz meines Versuchsmaterials. Meine an den Artemien gemachten biologis:,iien Beobachtungen. Männliche Tiere .... 134 X. Meine Artemia-Züchtungen von Süßwasser angefangen bis ziu: • Grenze der Kristallisationsdichtigkeit 137 XI. Die der Salzkonzentration entsprechende Form. Die Modifikation des Gabclfortsatzes. Änderung des Wuchs Verhältnisses 140 XII. Variationsreihe und die Rolle der Neotenie hierbei ...."... 143 XIII. Darstellung der Konstanten der Variationen mit Kurve 146 XIV. Die Eigentümlichkeiten der XaCl-Variantenkmve und die Bezcich- ninigsweise der dazu gehörenden Artemia- Formen bj- XV. Experimentelle Daten der beständigen und veränderten Koir/xn- trationen der neutralen Salzlösungen, sich auf die Kurve NaCl be- ziehend ^^* 96 ^ A. Abonyi, .Seite XVI. Von dem wirklichen Wert der Gattung Ai'temia 157 XVII. Folgerung aus der Sumniierung der Resultate 160 XVIII. Schluß 161 XIX. Literatiu'verzeichnis 162 XX. Die Erläuterung der Tafeln II— IV 168 Einleitung. Die Wellen der durch Darwins epochemachende Werke er- weckten Revolution haben das Bollwerk der Stabilität der Arten schon gründlich erschüttert, als zu den Prinzipien der Entstehung und Veränderung der Arten nach der neuen Lehre angeführten zahl- reichen Beispielen der russische Biologe Schmankewitsch im Jahre 1872 überraschende neue Daten lieferte, Avelche die Veränderung der Art, nur auf Grundlage der Veränderung gewisser äußerer Faktoren, so zu sagen von einem Tag auf den andern, beweisen. Nach den Un- tersuchungen ScHMANKEWiTSCHs hat sich die im Salzwasser lebende Artemia salina M. Edw. nach Zunahme der Konzentration des Salz- wassers in die Art Artemia mühlhauseni M. Edw. verwandelt, hingegen haben sich nach Diluierung der Salzlösung bei der Artemia salina solche Artcharaktere gezeigt, welche der Schwestergattung Branchipus zu- kommen. Hingegen wandelt sich der Branchipus ferox M. Edw. des Süßwassers während seines Lebens im Salzwasser stufenweise in den Branchipus medius Schmankewitsch um, den er deshalb so benannte, weil er ihn als Übergang in die Artemia-Ait betrachtet. In den Erklärungen Darwins der Umwandlung der Arten spielen eine kamn zu berechnende lange Zeit, wenigstens eine lange Reihe von Generationen, eine Rolle, während welcher mittelst Auslese oder Anpassung die neue Form — die neue Art — sich stufenweise heraus- bildete. Nmi erscheint eine Art, bzw. erscheinen einige Arten, welche nicht Jahrtausende oder Jahrmillionen zui Umwandlung in neue Arten bedürfen; es genügen für sie einige Generationen, welche sie vom Frühling bis zum Herbst, unter mehr oder weniger günstigen Lebensverhältnissen, durchmachen. Wenige experimental-zoologische Abhandlungen haben so großes Aufsehen und Interesse erregt, als die des Schmankewitsch. Die im Originale russisch geschriebenen Abhandlungen sind binnen kur- zem übersetzt oder umgearbeitet in englischen, französischen und deutschen Fachzeitschriften erschienen. Diesen folgten gekürzte Be- kanntmachungen und Kritiken in großer Zahl. Die ^4r/emm-Gattung ExiH'iiinciUc-llo Daten zum Eikt-nncn der Artemia-Gattung. 97 bildet seitdem, teils zur Aufklärung der Frage der Veränderung der Arten, teils wegen deren besonderer Lebensverhältnisse, den Gegen- stand zahlreicher Untersuchungen und Abhandlungen, nach welchen 8cHMANKE\viTSCHs Daten, bzw. deren Erklärungsweise, was ihre Richtigkeit anlangt, zustimmend oder nicht zustimmend beurteilt werden. In der großen Menge der die Artemia betreffenden Abhandlungen ist der Schwerpunkt der Hauptfrage, die Altumänderung nämlich, ein wenig beiseite geschoben worden, weil das Problem nicht als von so großer Bedeutung sich zeigte, als es auf den ersten Blick erschien. Die Frage ist jedoch ungelöst geblieben, neben welcher noch neuere auftauchten, von deren systematischer Zusammenstellung und Weiter- entwicklung ich mit Benutzung älterer und neuerer Daten der be- treffenden Literatur, auf eigenen Beobachtungen beruhend, ein zu- sammenhängendes einheitliches Bild zu geben, hiermit versuche. Langsam und stufenweise ist die Frage in das Stadium ihrer gegenwärtigen Klärung gelangt. In der durch die ursprünglichen Beschreibungen ins Unendliche gewachsenen Zahl der Artemia- kiteix und -Varietäten konnte man sich kaum orientieren. Ein Teil der Systematiker vereinigte früher verschiedene Arten, der andre hin- gegen zersplitterte die ^rtemia-Arten hauptsächlich nach Fundorten. Sowohl das eine als das andere Extrem dachte auf Grund der reichen Variation der vereinigenden oder trennenden Zeichen, neuere allge- meine Gesichtspunkte, behufs Systematisierung dieser, der Ordnung sich nicht fügen wollenden Crustacea-Gruppe, gefunden zu haben. Gehen wir in Ordnung vor! Betrachten wir zuerst die historische Entwicklung der Frage, damit wir die aus meinen Beobachtungen zu folgernden Resultate mit den bestehenden Daten organisch in Ein- klang bringen, und soweit es möglich aus denselben allgemeinen "Wert besitzende Beziehimgen feststellen können. I. Die historische Entwicklung unserer Kenntnis der Artemia-Gattung. Die Artemien sind den in der Umgebung von Salzseen wohnenden Völkern und in den Salinen beschäftigten Menschen gewiß schon von jeher bekannt, dies beweist deren zahlreiche populäre Benennung i. Das Interesse der Männer der Wissenschaft erweckten sie jedoch erst vor anderthalb Jahrhunderten. Im Oktober des Jahres 1755 beobachtete der englische Arzt und 1 »Söfereg«, »Salztierchen«, »Brineworm«, »Brine shrinip«, »venne de sale«, »Bahar el dud« ( = Seewunn), Fezzan-wurm usw. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CXIV. Bd. 7 98 A. Abonyi, Naturforscher Schlosser (88) in Süd-Hampshire, als er die Sahnen Lyniingtons untersuchte, mit Verwunderung, daß in dem zur kon- zentrierten Sole verdichteten Seewasser noch kleine gegliederte Tiere lebten, welche durch ihre rote Farbe auffielen und durch lebhafte Schwimmbewegungen die Aufmerksamkeit des Beobachters auf sich lenkten. Sie wimmelten in dem die Sole fassenden Becken in solcher Menge, daß sie ihr eine rote Farbe verliehen. Schlosser sendete eine am 6. — 7. Oktober des bezeichneten Jahres datierte briefliche Mitteilung über die Lymingstoner Krebschen an Maty, den Redak- teur des Journal Brittannique. Diese Mitteilung ist bald darauf er- schienen. Diese sonderbaren Krebschen haben wegen ihres eigen- tümlichen Aufenthaltsortes und ihrer rätselhaften Lebensverhältnisse großes Interesse erregt. Besonders auffällig war die so hohe Dich- tigkeit der Flüssigkeit, in Avelcher sie vorkamen, welche kein anderes Tier vertragen hätte. Um dem großen Interesse zu genügen, hat Gautier in der Pariser »Observations sur la Physique<< im nächsten Jahre (1756) Schlossers Mitteilung mit kolorierten Tafeln versehen nochmals drucken lassen. LiNNE (75) führt schon im Jahre 1758 in der 10. Auflage der »Sy- stema naturae« diese im Salzwasser vorkommenden Krebschen mit dem Namen Cancer salinus an. Es ist jedoch in dieser Beschreibung, wie Siebold anführt, ein Fehler, welcher die Vermutung zuläßt, daß dem LiNNE die von Schlosser im Jahre 1755 gegebene ursprüngliche Beschreibmig nicht bekannt gewesen sei. Linne erwähnt nämlich 10 Paar Füße, während Schlosser, richtig, >>22 das heißt auf beiden Seiten je 11 Füße« angibt. Es ist zwar wahr, daß Linne im Irrtum war, aber hieraus kann man um so weniger darauf schließen, daß ihm die in Frage stehende Arbeit unbekannt gewesen wäre, als er in der 10. Auflage der »Systema naturae« sich auf die in dem »Journal Bri- tannique« Matys erschienene Mitteihmg Schlossers berufend, den benannten Cancer salinus folgendermaßen beschreibt: »Cancer ma- crourus articularis, manibus adactylis, pedibus patentibus, cauda subulata« »Matii diar. brittan. 1756 1. Habitat in Angliae Salinis Limingtonianis. D. Schlosserus. Corpus pediculo majus, oblongum. Oculi distantes laterales, pe- dunculati. Antennae setaceae, corpore breviores. Cauda fiUformi subulata, exserta, longitudine corporis. Pedes utrinque 10 patentes et quasi primati digesti. << 1 Die Mitteilung Schlossers erschien noch im Jahre 1755. Experimentelle Daten zum Erkennen der Artemia-Gattung. 99 81EBOLD und Friedenfels haben irrtümlich Obiges behauptet, was übrigens Linne nahezu rechtfertigt, denn Schlossers Beschrei- bung war richtig und dem Gegenstand entsprechend. Es ist vielleicht richtiger, die Sache so aufzufassen, daß Linne hierauf kein Gewicht legte; ist er doch bei der Beschreibimg einer anderen ähnlich geformten Branchipus {Cancer) stagnalis auch nicht mit übermäßig großer Ge- nauigkeit vorgegangen, denn er beschreibt hier die Zahl der Füße wie folgt: »pedes multi (12 circiter) ad latera corporis«. Ich habe all dieses deshalb hervorgehoben, weil nachher, als die LiNNEschen Beschreibungen als Dogmen galten, dieses Vorurteil An- laß zu manchem Mißverständnisse gab. Zu derselben Zeitperiode (1771) erwähnt Pallas (83) diese Salz- wasserkrebschen aus den Salzseen Sibiriens, von seiner russisch-asia- tischen Reise berichtend. Fabricius (51) reiht sie mit dem Namen Gammarus salinus unter die Garnelae (Entomol. syst. II. p. 518). Von dieser Zeit an erscheint das >>Lymingtoner Krebschen« abwechselnd mit dem Namen Cancer salinus und Gammarus salinus immer auf Linnes fehlerhafte Daten basierend, ohne jedoch Schlossers Abhandlung zu berücksichtigen. Die Systematiker jener Zeit, unter ihnen Pennant, Gmelin und Herbst, behandelten diese Crustacae in gleicher Weise. Im Jahre 1794 erwähnt Grossinger dieses Tier unter dem Namen >>söfereg<< (Salztierchen) aus den salzigen Seen Siebenbürgens. Er kannte das Tier nicht aus eigener Anschauung, konnte es daher nicht mit dem LiNNEschen Cancer salinus identifizieren (Historia physica regni Hun- gariae T. IV. p. 402). Auch Rackett (86), der 1812 auf eigene Beobachtungen gestützt, neue Daten zur Kenntnis dieses Tieres anführt, zeichnet ihm imrich- tigerweise 10 Paar Füße. Das noch immer wenig bekannte Krebschen figuriert bei Lamark (69) unter dem Namen Artemisus salinus. Auf S. 1.35 des V.Bandes bemerkt er folgendes: »Je nonnne Artemis un branchiopode dont on pretend que M. Leach a fait un genre sous le nom d'Artemisia denomination que l'on sait etre consacree ä un beau genre de plante« etc. Lamark hat den von Leach proponierten Namen Artemisia nach der obigen Begründung in Artemisus umge- wandelt. Bis zu dieser Zeit war die systematische Stellung unseres Krebses ziemlich zweifelhaft. Endlich reiht ihn Latreille (70) 1817 in Cu- viERs Regne animal (III. Bd. S. 68) in die Gruppe der Branchiopoda der kiemenfüßigen Krebse mit dem Namen Branchipus salinus em. Man 100 A. Abonyi, sollte annehmen, daß in diesem großen Werke Cuviees die irrtüm- lichen 10 Fußpaare Linnes nicht mehr als Spuk erscheinen werden. Es ist aber dem nicht so, denn noch in der, im Jahre 1829 erschienenen, erneuerten und vervollständigten Auflage (Regne animal T. IV p. 124) ist zu lesen : » . . . portant dix paires des pattes . . . << Aber hier er- scheint er schon mit dem Namen Artemia salina (= Cancer salinus Lin.), welcher Name von Leach (71) herrührt, der sie schon im Jahre 1819 aus gewichtigen Gründen von der 5rancÄtpMS-Gattung als Arte- Wi'a-Gattung (nicht Artemisia, siehe die obige Bemerkung Lamarks) ausschied und in dieser neben der Artemia salina die Artemia eulimene, welch letztere aus den Salinen von Nice stammt, unterscheidet. Da er aber bei diesen Tieren, wie richtig, 11 Paar Füße gezählt hat, hat auf sie Linnes fehlerhafte Beschreibung nicht gepaßt. Latreille (70) ordnet daher diese Form in ein neues Genus Eulimene und reiht sie systematisch als Eulimene alhid'^, ein {Eulimene blanchatre Latr.). Hierdurch figuriert das Salinenkrebschen in der Systematik in zwei Gattungen und zwei Arten, welche infolge Festhaltens an der fehler- haften Beschreibung noch beträchtliche Zeit hindurch sich erhalten haben. So übernimmt sie auch Demarest (47, 1825). Systematische Beobachtungen und Studien über die Artemien leitet Thompson (105) im Jahre 1834 mit seiner Abhandlung ein. Er brachte neue Daten zur Klärung der Frage. Er bestrebt sich, als erster das Verhältnis der Artemia- und Branchipus- Arten zu einander durch Versuche zu beleuchten. Die künstlichen Züchtungen bis zur Geschlechtsreife der Artemien, aus dem Schlamme der Sahnen von Lymington, waren bahnbrechend für spätere ^rfemm-Versuche. Im Jahre 1840 erscheint eine groß angelegte Studie von Joly (66), der in den salzigen Pfützen um Montpellier, dann in mehreren Salinen des Mittelmeeres (Martignane, Berre, Villeneuve) Artemien fand. Die Arbeit Jolys ist von fundamentaler Bedeutung. Er bringt in ihr nicht nur systematische, sondern auch biologische Daten und Beob- achtungen. In dasselbe Jahr (1840) fällt das Erscheinen des grundlegenden Werkes von Milne Edwards: »Histoire naturelle des Crustacees«. Milne Edwards scheidet endgiltig den seit Linne in der Beschreibung der Artemia salina sich fortschleppenden Fehler aus, indem er fest- stellt, daß die nach der ursprünghchen Beschreibung Schlossers angeführten 11 Fußpaare richtig sind und daß die in Linnes Gefolge Schreitenden irrtümlicherweise weniger angeben. Milne Edwards (77) behält jedoch die beiden Artemia-Geneva, aus andern Motiven dennoch ExiK'iimcntolle Daton zum Erkennen dir Arteinia-Ciattung. 101 bei. Es sind dies die Genera Artemia und Eulimene, zu welchen gehörend die Artemia salina, Artemia Mülhausenii und die Euli- mene albida angeführt werden. Die Artemia salina ist Schlossers Art. Die A. MüViausenii ist die Art, welche Fischer (52) im Jahre 1834 unter dem Namen BrancJiipus Mülhausenii beschrieben hat, von welchem schon Rathke (Fauna der Krym., 8. 395, PI. 6, Fig. 14 bis 21) feststellte, daß er zum Genus Artemia gehört. Nach Milne Edwards ist dies dieselbe Artemia, welche Audouin (18) 1836 als aus den ägyptischen Natronseen stammend beschreibt. Als weniger bekannte Art erwähnt Milne Edwards die Artemia Guildingi nach Thompsons Werk. Letztgenannte Artemia wird als von den Antillen stammend angeführt. Milne Edwards behält noch das überflüssigerweise aufgestellte Genus Eulimene, nach Latreille, mit der Artbenennung E. albida, bei. Nach Erscheinen des großen Werkes von Milne Edavards und den Mitteilungen über die Beobachtungen Jolys fängt die Aufmerk- samkeit an, sich den Artemien gesteigert zuzuwenden. Nacheinander erscheinen teils selbständige Arbeiten, teils diesen Gegenstand betref- fende Kapitel größerer Werke^ welche sich immer enger an die Basis unseres gegenwärtigen Wissens über diesen Gegenstand anschließen. In dieser Beziehung ist der die Artemien betreffende Teil der Ab-, handlung über die Krebse niederer Ordnung des Baird (20) wichtig (1850). Im nächsten Jahre (1851) erscheint von Leydig (72) eine hervorragende Studie über Artemia salina und Branchipus stagnalis. Dem folgt (1853) die den Beginn einer neuen Ära bedeutende Abhand- lung Grubes (61) mit dem Titel: »Bemerkungen über die Phyllo- poden«, in welcher er auch die Systematik der Artemia- Arten behandelt und zu dem Resultat gelangt, daß von den bisher beschrie- benen Arten nur fünf aufrecht zu halten sind, welche nach richtigen Systematisierungsprinzipien in das Genus Branchipus zurückzuversetzen sind, welchen daher die Benennung Branchipus salinus, Br. Milhau- senii^, Br. Köppenianus, Br. arietinus und Br. Eulimene zukommt. So figuriert auch noch bei Grube eine Art, der Branchipus Euli- mene, deren Erzeuger der LiNNESche Lapsus war. Im folgenden Jahre (1854) veröffentlichte Zenker (116) über die Systematik der Crustaceen eine Arbeit, in Avelcher er die Auf- merksamkeit auf jenes Faktum lenkte, daß man männliche Individuen der Artemien an wenigen Orten ihres Vorkommens fand. 1 Milhausenii ist die richtige Benennung, nicht Mülhausenii. .Siehe DadaY, »Phyllopodes anostracees«, p. 12.>. 102 A. Abonyi, Das Vorhandensein der männlichen Tiere oder ihr Fehlen ist jedoch kein allgemein charakterisierendes biologisches Moment, denn sie kön- nen auch dort vorkommen, wo sie früher nicht gefunden worden sind. Zenker hebt hervor, daß auch er selbst im Jahre 1851 in Greifswald gelegentlich der ersten Entwicklung einer ^rtemta-Generation unter einigen Hundert weiblichen drei männliche Tiere fand, während er im Juli desselben Jahres unter mehreren Tausend Weibchen kein einziges Männchen finden konnte. Dann lenkte Lievin (74) 1856 das Interesse den Artemien zu, der schon die von Audouin (18) erwähnte, in den Natronseen Ägyptens lebende Artemia zum Gegenstande spezieller Forschung machte. Es ist dies dasselbe Tier, welches schon Baird (19) mit dem Namen Artemia Oudneyi beschrieben hat, und welches Milne Edwards mit der Art Artemia Mülhausenii zusammenzog. Lievin weist in seiner Arbeit nach, daß diese Art selbständig ist und die ursprüngliche Be- nennung ^ranchipus Oudneyi beizubehalten sei. Was die Benennung anlangt, war diese Auffassung Lievins gerechtfertigt, hat doch Grube 3 Jahre zuvor sämtliche Artemien dem Genus Branchifus eingereiht. Der Branchipus Oudneyi ist jenes Salzwasserkrebschen, welches die Reisenden in von Arabern bewohnten Gebieten »Fezzanwurm<<, mit der einheimischen Bezeichnung auch >>dud« nennen. Diese Artemia lebt nicht in Salzwasserseen, Salinen oder in Lagunensümpfen sich verdichtendem Seewasser, sondern in ätznatronhaltigen Seen, in wel- chen sie in unglaublicher Menge wimmeln. Es sei erwähnt, daß die Araber diese Tiere getrocknet mit anderen zur Nahrung dienenden Substanzen vermischt zu Kuchen backen und als Lebensmittel ge- nießen. Wegen dieser nationalökonomischen Bedeutung und der eigentümlichen Lebensverhältnisse konnte dieses Tier mit Recht die Aufmerksamkeit auf sich lenken. Der Genuß des »Dud« ist der Gesundheit nicht schädlich, obwohl er in einer konzentrierten Natronlösung lebt, die ihn nicht zu durch- dringen scheint. Es wird wahrscheinlich ein ähnliches Verhältnis vorliegen wie bei den von mir untersuchten Artemien, deren Chlor- natriumgehalt nicht nur von der Konzentration ihrer Nährflüssigkeit unabhängig ist, sondern unter allen Umständen als stabil betrachtet werden kann (z. B. in einer Nährflüssigkeit von etwa 10% NaCl ge- züchteten Artemien 0,8% NaCl). Das Vorkommen der in den Salzseen Siebenbürgens lebenden Artemien erwähnt als erster Grossinger im Jahre 1794 unter dem Namen >>söfereg<< (Salzwurm); da er jedoch das Tier nur nach münd- Experiment ello Daten zum Erkennen der Artemia-Gattung. 103 lieber Mitteilung von andern kannte, konnte er nicht wissen, daß es mit dem Cancer saUnus Linnes identiscli ist. Später (1844) erwälint es J. Hankö in seiner topographischen Beschreibmig der Stadt Torda, als in den Tordaer Salzseen vorhanden (Viski 108). Im Jahre 1861 stellt SiLL (102) fest, daß die dort lebende Artemia die Artemia sa- lina Leach ist. Die mn die Salzseen wohnende Bevölkerung kennt das Tier sehr gut und nennt es >>s6fereg<< (Salz wurm). Sill fand her- aus, daß schon vor ihm im Jahre 1844 zwei in Vergessenheit geratene Beobachtungen über diese Artemien gemacht worden sind, und zwar stammten diese, einen wissenschaftlichen Wert habenden Beobach- tungen von BiELTZ und Kayser. Chyser (38) schloß später den Be- obachtungen SiLLs vervollständigende und ergänzende Daten an. Später (1869) macht der die Fauna der nordamerikanischen Seen erforschende Verril (107) auf den Fundort einer neuen Artemia-kit aufmerksam. Briggs (32) beschäftigt sich neuerdings mit der unter den übrigen Tieren des großen Salzsees vorkommenden, von Verril beschriebenen Artemia fertilis. Auch Garman (56) beschäftigt sich später (1872) mit dieser neuen Artemia-k.vt Verrils. In demselben Jahre veröffentlicht Vogt (109) eine interessante Untersuchung über das Verhältnis der Branchipus zur Artemia. Es folgt hierauf eine neue Ära. Es wendet sich die Aufmerksamkeit der Biologie den Artemien zu. In der Zeit zwischen 1871 und 1876 wendet Siebold (99 — 101) große Sorgfalt auf die Erforschung der jungfräulichen Fortpflanzung der Arthropoden, währenddessen er auch die Lebensverhältnisse und Fortpflanzungsweise der Artemia salina untersucht. Im Jahre 1872 macht er auf die parthenogenetische Fortpflanzungsart der Artemia salina aufmerksam, wodurch er die von Joly vertretene früher her- maphroditisch gedachte Fortpflanzungsart in die richtige Bahn lenkte. Siebold hob natürlich hervor, daß die parthogenetische Vermehrmig, wie dies das zeitweilige Erscheinen von männlichen Tieren beweist, nur zufällig sei, denn mit dem Erscheinen derselben pflanzen sie sich mittelst befruchteter Eier fort. Diesen Forschungen Siebolds schließen sich auch jene Untersuchungen an, welche er an den aus den Salzseen Utahs stammenden, in München gezüchteten Exemplaren der Arte- mia fertilis durchführte. Aus der bisherigen historischen Übersicht können wir entnelunen, daß bis zu dieser Zeit nur wenige sich mit der Biologie der Artemia beschäftigt haben, während ihre systematische Einreihung viele Fach- leute in die Hand nahmen. Die Svstematiker haben die Artemien, 104 A. Abonyi, mit der größten Inkonsequenz, einmal in das Genus Gammarus, so- dann Artemia und Eulimene gesetzt, bald in das Cienus Branchipus eingeteilt, um sie von doit wieder zu entfernen. Diese Unentschie- denheit beruhte gewiß darauf, daß sich die Ordner auf solche Cha- raktere stützten, welche bei diesen Tieren nicht an bestimmte Formen gebunden sind. Noch größer wurde in dieser Beziehung die Rat- losigkeit nach dem Erscheinen der Abhandlungen Schmankewitschs (89 — 96) und der hierauf folgenden Zeit, während welcher die vergeb- liche Anstrengung der Systematiker immer mehr und mehr hervor- tritt. ScHMANKEWiTSCH will, auf die Beobachtung in den natürlichen Lebensverhältnissen und Versuchen in dem Laboratorium gestützt, die Frage der systematischen Ordnung des Genus Artemia lösen. In seinen Schlüssen konnte er jedoch nicht auf sicherer Grundlage bauen, da zu jener Zeit die ganze Krebsordnung der Phyllopoda in geringem Maße bekannt war. Es ist ohne Zweifel ein sehr großes Verdienst ScHMANKEWiTSCHs, auf die Tatsache hingewiesen zu haben, daß die Formvariationen der Artemia vorzugsweise mit der Zusammensetzmig ihrer Zuchtflüssigkeit zusammenhängen. Von 1870 — 1877 veröffentlicht Schmanke witsch mehrere Ar- beiten, welche den Einfluß des Salzwassers auf die Entwicklung des Körpers der Artemia zum Gegenstande haben. Das bedeutendste und überraschendste Ergebnis der Untersuchungen Schmankewitschs war, daß die Artemia salina Milne Edwards durch Erhöhung der Kon- zentration des SalzAvassers stufenweise in eine andre w^ohlcharakte- risierte Artemia-Ait übergeht, und zw^ar in die als Artemia Mülhau- senii Milne-Edw. beschriebene Art. Hingegen nimmt diese stufen- weise die Charaktere der A. salina nach Verdünnung der Lösung an. Endlich erscheinen, nach fast vollständiger Verminderung des Salzes in der Lösung (Süßwasser), solche Charaktere, welche schon dem Genus Branchipus zukommen. Es ist begreiflich, daß der Übergang einer Art in eine andre, so- gar in ein anderes Genus, rein auf Grund der Veränderung äußerer Faktoren, großes Aufsehen erregt hat, ein um so größeres, als infolge des damals siegreich durchgedrungenen Darwinismuses, welcher eine langsame und stufenweise Entwicklung lehrt, die Biologen den Wert dieser, sozusagen von einem Tag auf den andern vor sich gehenden schnellen Umwandlung verschieden beurteilt haben. Als Folge der Resultate Schmankewitschs entstand ein neuer Zweig der Literatur. Die Veröffentlichungen, Kritiken, sowie selb- Expcriineiitelle Daten zum Erkonnen der Arteinia-Cattung. 105 ständige Untersuchungen folgen einander. Auch populäre Werke behandeln diese, eine biologische Revolution bedeutende Frage (Kar- ting [03], 1877). Im Jahre 1879 erscheint das große Werk über die Crustaceen in Bronns Klassen und Ordnungen des Tierreichs von Gerstaecker, der auch die bisherigen Erfahrungen über das Leben und die Syste- matik der Gattung Artemia bearbeitete. Die Aufmerksamkeit einer großen Schar von Biologen wendet sich den Branchipoden zu. Friedenfels (53) 1880 verfaßt über die in den Salzseen Siebenbürgens lebenden Artemien eine in jeder Be- ziehung hervorragende Monographie, in welcher wir nicht nur die Systematik betreffende, sondern auch biologischen und allgemein zoologischen ^^'ert besitzende Bearbeitmig des Gegenstandes finden. In bedeutendem Maße hat zur Verbreitung der ^rtewia-Frage das 1880 erschienene Werk Sempers beigetragen, in welchem er, mit einer der AVichtigkeit angemessenen Kritik, die Resultate der eine riesige Tragweite habenden Versuche und Beobachtungen Schman- KEWiTSCHs mitteilt. Semper sucht und findet auch den Berührungs- punkt, in welchem diese einfache Beobachtungsreihe mit den größten biologischen Problemen in Zusammenhang steht. Gissler (57) 1881 lenkt bald die Aufmerksamkeit auf die allge- meinen physikalisch-chemischen Einwirkungen als beeinflussende Fak- toren der Entwicklung der Branchipoden durch Mitteilungen in zwei amerikanischen zoologischen Zeischriften. Darauf veröffentlicht Briquel (33) im Jahre 1882 eine kleine Studie über die Artemia salina. In demselben Jahre beschäftigt sich Certes (37) mit der Biologie der Artemia salina und stellt die Lebens- zähigkeit der eingetrockneten Eier fest. Im Jahre 1883 tritt Packard (82) mit der Monographie der nord- amerikanischen Phyllopoden hervor, in welcher wir die Artemia- Gattmig nach den systematischen Prinzipien seiner Zeit entsprechend eingeteilt finden, ganz vne in dem von Daday (41) 1885 erschienenen Werke über die Crustaceafauna Siebenbürgens. Auch in diesem Jahre veröffentlicht Friedenfels (54) seine neueren Beobachtmigen über Artemien der Salzseen Siebenbürgens. Das Jahr 1885 brachte einen hervorragenden Beitrag zur Kennt- nis der Artemien, indem Kulczycki (68) für eine aus Callao (Peru) stammende Artemia, weil sie ein besonders wichtiges charakte- ristisches Zeichen in bezug auf das relative Verhältnis des Stammes zmn Abdomen zeigt, das Genus Callaonella aufstellt und unter dem 106 A. Abonyi, Namen Callaonella Jelshii in die Familie der Artemiidae reiht. Dieses Krebschen ist dasselbe, welches Gkube schon im Jahre 1874 unter dem Namen Artemia Jelskii erwähnte i. Im folgenden Jahre (1886) veröffentlichen A. Brauer (27) und Claus (39) je eine Studie, in welcher sie versuchen, die Artkriterien der Genera Artemia und Branchipus und das Verhältnis beider zu- einander auf Grundlage anatomischer Untersuchungen zu legen. Brauer hat übrigens schon vom Jahre 1874 an zahlreiche Abhand- lungen über Systematik und Biologie der Phyllopoden geschrieben, in welchen er seine sorgfältigen Beobachtungen veröffentlicht hat. Claus betont als erster (1873 — 1886) in seinen Arbeiten über vergleichende Entwicklungslehre und Anatomie der Phyllopoden, ge- genüber ScHMANKEWiTSCH in bczug auf den Übergang der Artemien in das Genus Branchipus, daß jener Unterschied zwischen den Genera Branchipus und Artemia, nach welchem die Branchipuse ein neun-, die Artemien ein achtgliedriges Abdomen besitzen, kein kardinales Zeichen ist. Denn das letzte Segment ist bei keinem Genus ein wirk- liches Segment, sondern ein gabeltragendes »Telson<<, welches bei dem Genus Branchipus nach Art eines Segments gegliedert ist und das neunte Abdominalsegment bildet, hingegen ist es bei der Artemia mit dem achten Segmente verwachsen, weshalb auch das letzte Ab- dominalsegment der Artemien bedeutend länger ist als die ersteren. Die Lehre Schmankewitschs erhält neue Nahrung durch jene theoretischen Kombinationen Fr. Brauers (28 — 29), nach welchen das Genus Artemia notwendigerweise aus dem Genus Branchipus sich entwickelt hat, und zwar in der Weise, daß die gut entwickelte >> Furca << des Genus Branchipus in konzentriertem Salzwasser allmählich stu- fenweise geschwunden ist, so daß in Korrelation damit auch ihr Or- ganismus sich änderte; wodurch als Endresultat das heutige Genus Artemia sich gebildet hat. Nach Fr. Brauer (1885 — 1886) ist diese Umwandlung damit zu erklären, daß in den gesättigten Salzlösungen die Gabeln keine Ruderbewegungen vollführen können und infolge des Nichtgebrauches sich zurückbilden, hingegen die zum Schwimmen verwendeten Füße sich mehr entwickeln. Diesen theoretischen Kombinationen entgegen ist Entz (48) auf Grund eigener Beobachtungen zu einem andern Resultate gelangt. Entz hat im Jahre 1886 in dem >>Orvos termeszet tudomänyi Ertesitö<< jene seiner Beobachtungen »über die in den Salzseen Siebenbürgens 1 Sitzung der Nat.-hist. Sektion d. Schlesischen Ges., den 4. Nov. 1874. 1 Experimentelle Daten zum Krkoimon der Artemia-Gattung. 107 lebenden Artemien« mitgeteilt, welche die Erklärung der Einwirkung der Lebensverhältnisse und der Umgebung auf die Entwicklung dieser Tiere ins richtige CJeleise lenkte. In dieser Abhandlung stellt Entz auf Grund seiner vergleichenden Untersuchungen fest, daß die in verschieden konzentrierten Salzlösungen lebenden Formen der Ar- temia salina in zwei Typen — nennen wir sie Varietäten — zusammen- gezogen werden können. Mit der Benennung i>hiloha« und >>furcata<< bezeichnet er diese zwei Gruppen, welche als Grenzgruppen betrachtet werden können. Die erste bevölkert die konzentrierte, die zweite die diluierte Salzlösung. Zwischen beiden Gruppen besteht ein kon- tinuierlicher Übergang, davon aber kann keine Eede sein, daß mit der Diluierung der Lösung die Artemia zum Branchipus wird. Was das Variieren des Schwanzanhanges anlangt, ist Entz zum Resultat gelangt, daß dessen Verschwinden oder verschiedengradige Entwicklung unmittelbar auf die Dichtigkeit der Flüssigkeit und den durch diese verursachten Widerstand zurückzuführen ist (vide Abonyi [5], S. 53). Es ist dies eine solche Erscheinung, welche auch bei andern Phyllopoda-G'dttungen vorhanden sein kann, ohne daß diese PhyUopoda deshalb zu dem Genus Artemia gehört. Dadurch, daß die Artemia-FTSige sich in dieser Weise gestaltet hat, hat es sich als notwendig herausgestellt, daß man vorerst das Verhältnis der Artemia- und Branchipus-Geneisi bzw. -Familien zu- einander zu beleuchten hat, wodurch dann die reiche Varietätenreihe der Artemien von selbst sich klären kann. Man beginnt die schalenlosen Blattfüßlerkrebse aufs neue mit der Benennung PhyUopoda anostraca zusammenzufassen, welcher Name schon 1867 von Sars in Umlauf gesetzt wurde, indem man eingesehen hat, daß die bisherige Benennung >>Branchipus<< hierzu viel zu weit ist, wie etwa in der Volkssprache Vogel oder Käfer, weshalb auch nicht geeignet zur systematischen Bezeichnung einer Hauptgruppe. Es ist dies besonders ersichtlich geworden, als nach- einander die Arbeiten Murdochs (1884), Kulczyckis (1885), Simons (1886), Walters (1887) und v. Dadays (1888) und noch andrer, welche zum Teil ein ganzes Heer unbekannter Arten in die Reihe der beste- henden einschalten, wodurch sie immer mehr Anlaß für spätere Unter- suchungen abgeben. Sodann stellt Bateson (21) 1894 fest, daß die bis dahin als Art geltende Artemia Milhausenii nur eine Varietät der Artemia sali)ia ist. Er stellt ferner fest, daß auch andre Varietäten der Artemia sa- lina nicht an die größere oder geringere Konzentration des Salzwassers 108 A. Abonyi, gebunden sind, daß sie auch in derselben Konzentration des Salz- wassers beisammen vorkommen können. In der Motivierung hat Bateson offenbar geirrt, denn wenn die aufeinanderfolgenden Gene- rationen in andrer Form sich zeigen, so läßt dies nicht auf Stabilität der Varietät schließen, sondern ist darauf zurückzuführen, daß die während der Entwicklung der früheren Generation dominierenden Faktoren sich verändert haben, und daß die neue Generation unter dem Einfluß veränderter Faktoren sich entwickelt, weil die Artemien femer genügend langlebig sind (sie leben 2 — 3 Monate) und während ihrer Lebensdauer vier bis fünf Generationen bis zur Fortpflanzungs- fähigkeit sich entwickeln können, welche sich dann in ihrer entwickel- ten Gestalt kaum verändern, so können sehr verschiedene Fomen beisammen leben (Benning [22]). Im Jahre 1895 beschreibt Grochowsky (60) eine Süßwasser- Artemia, welche einen der Callaonella Kulcyczkis- Typus hat. Er reiht sie mit dem Namen Callaonella Dyhowskii in die Systematik ein. Grochowsky wendet die Schärfe seiner Angaben zugleich gegen ScHMANKEWiTSCH, indem er sagt, daß diese Artemia gewiß im Süß- wasser lebt und trotzdem nicht zum Branchipus wurde. Wir werden jedoch bald sehen, daß die Schärfe dieser Angaben nicht so schneidend ist, als es sich Grochowsky dachte. Die neueren Daten sind zum Teil mit den Resultaten Schman- KEWiTSCHs übereinstimmend, zum Teil jedoch widersprechend. Die experimentelle Beobachtung erwies sich als vollkommen richtig, hin- gegen entbrannte gegen die Schlüsse, die aus ihr gezogen wurden, der Kampf. Die Verschiedenheit der Körpergröße der Varietäten der Artemia hält Höber (65) 1899 nur von dem Unterschied der Konzen- tration der Körpersäfte und der des Mediums, in welchem es sich auf- hält, und dem darauf beruhenden osmotischen Gleichgewicht abhängig. In seiner Erklärung betrachtet er die Artemia als einen Schlauch, dessen Wände wasserdurchlässig sind, während sie für die innerhalb, oder außerhalb der Membran (Wand) gelöst vorhandenen Salze un- durchlässig ist. Der molekulare Druckunterschied gleicht sich dann aus, wenn die innere und äußere Fläche der Membran von der gleichen Menge von Molekülen berührt werden, d. h., wenn die Konzentration der Flüssigkeit innen und außen gleich geworden ist. Wenn die Konzentration außerhalb kleiner ist als innen, so dringt Flüssigkeit ein, das Tier schwillt an, wächst, wenn hingegen die Konzentration außerhalb größer ist, so entzieht es dem Tier Wasser, es schrumpft, wird kleiner. Experimentelle Daten zum Erkennen der Artemia-Gattung. 109 Den theoretischen Deduktionen Höbers entgegen glauben Amkix (G) 1898 mittels Züchtungsversuchen, Samter und Heymons mittels statistischer Analyse das Problem lösen zu können. Der Russe Anikin (6) hält (wie Adelung referiert) von den an der Artemia nach Veränderung des Salzgehaltes sich zeigenden Ver- änderungen der Form, daß die in dieser Weise gebildeten Formen keine Varietäten sind, sondern durch Verkümmerung entstandene Formveränderungen. Nach ihm ist die Verkünnnerung um so aus- gesprochener, je größer und schneller die Änderung der Konzentration des Wassers. Bei Versuchen mit allmählich gradatim verdichteten Salzlösungen beobachtete Anikin an den Artemien gar keine Ver- änderimg. Infolgedessen glaubt er die nach Schmankewitsch sich zeigenden Formmiterschiede auf die schnell geänderte Konzentration zurückführen zu können, und deshalb die Formveränderung als eine auf krankhafter C4rundlage entstandene anzusehen. Die so entstan- denen Eigenschaften vererben sich nicht auf die Nachkommen, und die unter den ursprünglichen Verhältnissen sich entwickelnden Tiere erscheinen wieder in ihrer ursprünglichen Form. Anikin erAvähnt nebenbei, daß in derselben Salzlösmig sie oft verschiedene morpho- logische Eigenschaften zeigen. Welche in diesem Falle die Grund- form ist, welche die verkümmerte, hierüber schweigt Anikin. Viel wertvoller ist der andre Teil der Untersuchungen Anikins, in welchem er die Umstände der Entwicklung der Artemia-^iev be- leuchtet. Er stellt fest, daß die Eier mit der Verminderung der Kon- zentration der Lösung sich entwickeln. Dies bestätigen auch die im Jahre 1901 systematisch vollführten Versuche Ostrumoffs (81), nach welchen nicht nur bei der Entwicklung der Eier, sondern auch beim Austreten der Naupliuse, dem Unterschiede des osmotischen Druckes die Hauptrolle zufällt. Breckner hat 1909 die Beobachtmigen imd systematischen Untersuchungen Anikins über das Aufgehen der Arte- mw-Eier gründlich ausgearbeitet, und gibt an die daran geknüpften Auseinandersetzungen eine detaillierte Beschreibung. Diese auf osmo- tischer Differenz beruhende Art des Aufgehens der Eier ist ähnlich der von mir mitgeteilten, an den Eiern der im Süßwasser lebenden Euphyllopoden beobachteten, nämlich daß bei diesen die ausgetrock- neten Eier nach Übergießen aufzugehen beginnen (Abonvi 2, 3, 4, 1910—1911). Anikin ist es auch gelungen, in hungernden Artemia -Kv\on\o\\ Männchen zu züchten von solchen Artemien, die sich für normal par- thogenetisch fortpflanzen. 110 A. Abonyi, Samter und Heymons (87) untersuchten die aus den salzigen Lagunen von Molla-Kary am östlichen Ufer des Kaspisees stammen- den Artemien. Nach ihnen ist die Auffassung Batesons richtig, daß es so viele Varietäten der Artemia gibt als Orte, an welchen sie vor- kommen, so daß die Artemia salina-kxt aus lauter lokalen Varietäten besteht. Samter und Heymons stellen fest, daß mit zunehmender Kon- zentration die Körperlänge der Artemia stufenweise abnimmt, das Abdomen hingegen im Vergleich mit dem vorderen Teil des Körpers relativ länger wird. Die Verkürzmig betrifft hauptsächlich den vor- deren Teil des Körpers. Die »Furca« verkleinert sich ebenfalls und ihre Borsten vermindern sich gradatim, hingegen wachsen die Kiemen. Die Verändermig ist eine stufenweise, mid Schmankewitschs fünf Artemia sa/ma-Varietäten gehen in kontinuierlicher Weise ineinander über, können aber auch nebeneinander existieren. An Konzentration gebundene Varietäten gibt es daher nicht. Auch die Artemia Mil- hausenii ist keine besondere Art, sie ist nicht einmal eine Rasse, son- dern eine solche örtliche oder zeitliche Form, wie im Tierreich mehrere bekannt sind. Deren Wert ist ein ähnlicher, wie ihn v. Daday (45) 1888 bei dem stark variierenden Branchipus ferox beschrieben hat. Samter und Heymons haben gelegentlich der Durchsuchung ihres immensen Materials nur ein Männchen gefunden, dessen Er- scheinen sie nicht auf besondere Ursache zurückführen. Samter imd Heymons sagen, indem sie sich der Meinung meh- rerer obengenannter Biologen anschließen: »Ebensowenig wie gegen- wärtig in der freien Natur noch eine Artemia zu einem Branchipus oder umgekehrt werden kann, so wird es sicherlich auch niemals ge- lingen, auf künstlichem Wege in den Aquarien die eine Tierform in die andre zu überführen. << Bald schließt sich Steuer (103) in seiner zusammenfassenden Abhandlung der Ansicht Samters und Heymons' an und erklärt, daß die Auffassung Schmankewitschs hinfällig ist, ist aber doch der Meinung, daß bis jetzt die Frage noch bei weitem nicht ge- klärt ist, weil weder deren systematische Grundlage, noch ihre Untersuchung und Statistik endgiltig festgestellte Resultate erkennen lassen. Eine planmäßige Klärung ist noch immer Frage längerer Zeit. In Wirklichkeit hat es sich auch so herausgestellt. Andre For- scher betrachten Schmankewitschs Resultate aus andren Gesichts- punkten. Ohne Zweifel sind seine Versuche exakt, seine Beobach- Experiment eile Daten zum Erkennen der Artcmia-Gattung. 111 tungen richtig, es kann somit nur jener Faktor einen Fehler in sich bergen, welcher im gegebenen Falle als Art bzw. Arten auftritt. Seit 1900 kommt neuerdings das Interesse an Artemien in Schwung. Gleichzeitig mit dem großen Werke Samters und Heymons' (1902) erscheint eine Arbeit von Petrunkiewitsch (85), welche die partho- genetische Reifung des Eies der Ärtemia salina beleuchtet. Er er- gänzt mit seinen Untersuchungen A. Bauers (27) Beobachtungen über die parthogenetische Reifung des Eies benannten Tieres. Zog RAF (118) beschäftigt sich 1905 mit den anatomischen Charak- teren des Nauplius der Artemia. Im folgenden Jahre (1906) bespricht NoviKOFF (80) die aus dem Naupliuszustand vererbten Frontalorgane der Artemia salina. Kellog (67) beschreibt eine neue Artemia-Ait {Artemia franciscana) und deren Existenzverhältnisse. ZoGRAFs (117) PhijUopoda-^tvidie sowie Bouviers (26) Abhand- lung über die, eine Umwandlung hervorbringende Einwirkung der Umgebung sind 1907 erschienen. 1909 macht Borge a (24) über die in der Umgebung Jassys ge- fundenen Artemien biologische und experimentelle Beobachtungen. Größer angelegt und bedeutender ist die in demselben Jahre erschie- nene Arbeit Breckners, in welcher er die Gesetzmäßigkeit der Ei- entwicklung der Artemia und die Zusammensetzung der zu ihrer Ent- wicklung notwendigen Salzlösungen, bzw. den Einfluß der in ihnen enthaltenen Ionen feststellt. Fries (55) untersuchte die im Verlaufe der Eireifung sich entwickelnden Chromosomen. Im Jahre 1909 wurde von Keilhack der LEACHsche Artemisia Name benutzt — cum jure prioratus. Steuer (104), 1910, beschreibt die Phototaxis der Artemia, welche, sich ganz in der Weise offenbart, wie ich es in demselben Jahre bei den Apus und Branchipus experimentell nachgewiesen habe [siehe Abonyi (1)]. Im Jahre 1910 ist v. Dadays (43) Arbeit »Monographie syste- matique des Phvllopodes anostracees« erschienen, in welcher er die bisher beschriebenen .Irtimia- Alten auf Grund strenger Kritik mid großen Materials zur Vergleichung in die Arten Artemia salina L. und Artemia Jelskii Grub, zusammenfaßt. Im Rahmen der Art Ar- temia salina unterscheidet er jedoch die Varietäten »principalis<<, mrietina«, »Milhausenii << und >>Köppeniana«. Besonders wichtig ist jene systematische Tat v. Dadays, mittels welcher er die Familie der Artemiidae aufhebt und deren Formen auf Grund der Greif- antennen ihrer Männchen in die Familie der Branchinectidae einreiht. 112 A. Abonyi, In neuerer Zeit hat Bujor (34), 1911, an den Artemien biologische Beobachtungen, zum Teil auch Versuche, gemacht. Artom (7 — 17) berichtet 1905 — 1912 über zahlreiche biologische, auf Variation Bezug habende Beobachtungen. Anfangs (1905) dienten ihm die in den Sa- linen Cagliaris lebenden Artemien, unter welchen die männlichen und weiblichen in gleicher Weise vertreten waren, als Untersuchungs- objekte. Später, 1905 — 1906, untersuchte er die von der Konzentra- tion des Salzwassers abhängigen Unterarten und stellt das fest, was avich schon ScHMANKEWiTSCH beobachtet hat, er hat auch mit neuen Daten zur Klärung der Frage beigetragen. In der späteren Reihe (1906) seiner Untersuchungen vergleicht er die >}Artemia parthenogenetica << aus Capodistria mit der »Artemia sessuata« aus Cagliari; in einer andern Arbeit teilt er sie nach dem Stand an Chromatin und der Zahl der Chromatosomen in >>univalens<< und >>hivalens« ^4 r^emm- Varietäten. Diese Einteilung bestrebt er sich 1912 weiter auszubauen und trachtet, die Systematik der Gattung Artetnia auf cellulare Basis zu stellen. Artom hat damit auf Sand gebaut, dies kann ich schon hier erwähnen, denn ich habe aus meinem, aus Portorose (bei Pirano, in der Nachbar- schaft Capodistrias) stammenden Züchtungsmateriale zwei Männchen gezüchtet, obwohl nach Artom diese ^4 r/emta- Varietät kein Männchen hat und auch keins haben kann. Ich erwähne noch Behnings Beobachtung (22), 1912, in welcher er über die im Gouvernement Astrachan Rußlands vorkommende Artemia salina »pnncipalis<<, deren Formen, Fundorte und Lebens- verhältnisse, genaue und wertvolle Mitteilungen veröffentlicht. Zurückblickend auf die die Gattung Artemia betreffende histo- rische Entwicklung, können wir uns eine Vorstellung davon machen, daß ihre biologische und systematische Stellung noch weit davon ist, definitiv festgestellt zu sein. Ich habe es für notwendig erachtet. Obiges anzuführen, damit ich, die Details hervorhebend und ihnen meine eigenen Untersuchungen hinzufügend, über diesen Gegenstand eine umfassende und einheit- liche Bearbeitung geben könne. III. Von den bisher beschriebenen Artemia-Arten. Die Modifikationen, welche innerhalb des Rahmens der Gattung Artemia, was ihre Systematik anlangt, nach und nach vor sich gegangen sind, können wir nur in der Weise gehörig erklären, wenn wir in Rech- nung ziehen, welche Formen es sind, deren Kenntnis und deren An- häufung als »Arten« nach und nach die Klarstellung der Frage not- Experimentelle Daten zum Erkennon der Artemia-Gattung. 113 wendig erscheinen ließ. Bis zum Jahre 1910 war die Zahl der Arten ungemein groß, in welcher die Synonyme und neuen Arten in bunter Reihe abwechselten. Cancer salinus Linne 1758; Gammarus salinus Fabricius 1755; Branchipus salinus Latreille 1817; Eulimene albida Latreille 1817; Artemia Eulimene Leach 1819; Artemia salina Leach 1819; Artemisus^ salinus Lamark 1814; Branchipus Milhausenii Milne Edwards 1840; Artemia Guildingii Thompson 1834; Artemia arietina Fischer 1851; Artemia Köppeniana Fischer 1851; Branchipus salinus Grube 1853; Branchipus Köppenianus Grube 1853; Br. arietinus Grube 1853; Artemia proxima King-Brady 1886; Branchipus Oud- neyi Levin 1856; Artemia gracilis Verril 1869; Artemia monica Verrill 1869; Artemia Utahensis Lockington 1883; Artemia intermedia Schman- kewitsch 1872; Artemia franciscana Kellog 1906; Artemia urniana Günther 1898; Artemia australis Sayce 1902; A. Westralensis Sayce 1902; Artemia asiatica Walter 1887; Callaonella Jelskii Kulz 1885; CaUaonella Dyhowskii Groch 1895; Artemia Jelskii Grub und ein ganzes Heer von Varietäten. Wenn wir auch von den obsoleten Artbenennungen der hier an- geführten Arten absehen, so bleiben doch 20 auf den ersten Blick, vom Standpvmkt der Systematik einwandsfrei charakteristische Arten übrig. Wenn wir noch bedenken, daß sie sich auf fünf Weltteile ver- teilen, so können wir ihre Zahl, im Vergleich zu andern systematischen Gruppen, für nicht zu groß halten. Denn wenn auch ihre morpholo- gischen Zeichen ähnlich sind, so sichert ihnen die Jahrhunderttau- sende dauernde Isolierung des Terrains, wo sie vorkommen, die Selb- ständigkeit der Entwicklung. Doch ist hier zu bemerken, daß, von je verschiedeneren Orten sie stammen und gesammelt werden, um so häufiger werden solche Formen gefunden, welche trotz ihrer räum- lichen Abgeschiedenheit voneinander, ihrer Charaktere halber, als zusammengehörend erklärt werden müssen. Man kann auf ihr Variieren hinweisen, welches sich im größten Teil ihrer verschiedenen Fundorte gleichartig offenbart. Die Auf- rechterhaltung der großen Zahl der Arten hat sich jedoch nach und nach als unmöglich herausgestellt. In v. Dadays (43) 1910 erschie- nener Systematik finden wir bereits die Artemien nur in einer Gat- 1 Über den Namen Genus Artemisia, den Leach zuerst empfahl und ■welchen einzelne Systematiker (Keilh.vk) neuerer Zeit wieder anwenden, hat schon Lamark (69) nachgewiesen, daß er ein »nomen praeoccupatum« (für die Pflanze Genus Artemiaia) ist, daher in der Systematik des Tierreiches keine Existenzberechtigung hat. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CXIV. Bd. 8 114 A. Abonyi, tung und zwei Untergattungen mit zwei Arten angeführt. Innerhalb einer Art hält er vier ältere Artbenennungen als Varietäten aufrecht. Somit bleiben im ganzen fünf Formen übrig. Übrigens sind vielleicht auch die zwei Untergattungen, folglich auch die zwei Arten zu viel. Die Varietäten können, wie wir sehen werden, beliebig aufgefaßt werden, etwa als Rechtfertigung dessen, daß die früheren Beschreiber der Arten auf solche Zeichen sich stütz- ten, deren Labilität ihnen unbekannt war. Schon ScHMANKEWiTSCHs Vcrsuchc haben die Festigkeit der Artemia- Arten wankend gemacht; es stellte sich gerade das Entgegen- gesetzte von dem heraus, was die übertriebenen Darwinisten von der Klärung der Frage erwarteten. Es stellte sich heraus, daß die Arten eher »Kunstarten« waren, welche nicht die Kritik einer normalen Art bestehen. Dies gibt uns zu bedenken, ob nicht auch andre, mit- tels solcher Artzeichen charakterisierte Arten das Resultat eines ähn- lichen Systemspieles sind. IV. Das System-Verhältnis der früheren Branchipus- und Artemia- Familien. Die Untersuchungen über Systematik in neuerer Zeit haben immer mehr und mehr zur Überzeugung geführt, daß die Systematik der Artemien bei weitem nicht so stabil ist, als sie im allgemeinen bei andern Tiergruppen beobachtet werden kann. Der systematische Teil der Frage kann nur so weit als geklärt betrachtet werden, als die Systematisierung durch Experimente und beobachtete Fakta bestätigt wird. In der Geschichte der Gattung Artemia hat der bei Linnes Be- schreibung später angewendete klassifizierende Wert eine entschei- dende Rolle gespielt. So wie die Umformung der Namen der ver- wandten Cancer stagnalis mit dem der Gattung Branchifus geschah und hieraus der Name der Branchipodidae geformt wurde, ebenso ist aus dem Cancer salinus nach verschiedenen Schwankungen all- mählich die Familie der Artemiidae entstanden. Wir finden im Laufe der historischen Entwicklung eine Tendenz der Vereinigung, als unser Tier in die Familie und Gattung Branchipus eingereiht wurde, bald aus ihr entfernt, selbständig geworden ist. Daß die Frage für sich allein nicht zu lösen war, wird uns klar, wenn wir die hierauf bezüglichen Kapitel Simons 1886 und später v. Dadays Monographie der Phyllopoden studieren. Sie war eben nicht zu lösen, weil die Frage der Artemia-G Sittxmg zugleich die Frage Experimentelle Daten zum Erkennen der Artemia-Gattung. 115 der Systematik sämtlicher schalenloser, blattfüßiger Krebse ist, und aus ihrem Zusammenhang gerissen, auf keine richtige Basis gestellt werden konnte. Dem mit sämtlichen Branchipus-Formen sich Be- schäftigenden wird vor allem klar, daß die über Linnes zwei Arten gestellten zwei Kategorien nicht gleichwertig sind. Die auf den Cancer stagnalis, dann auf die Gattung Branchipus gebaute Gruppe der >>P}ii/Uopoda anostracn«{^A'RS 1867) wuchs zur Unterordnung heran mit fünf Familien und in zahlreiche Gattungen gehörenden Arten. Doch vereinigt sich die Gruppe des anfangs gleichwertigen Cancer salinus, nach gehöriger Bewertung ihrer anatomischen Zeichen, als einzige Art mit derselben Unterordnung. Innerhalb des Rahmens der Unterordnung gelangen sie auch in eine Familie mit den wirk- lichen, im alten Sinne verstandenen Branchipusen, von welchen sie, wegen Unkenntnis der anatomischen Zeichen und unrichtiger Deu- tung derselben, geschieden waren. Die Untersuchungen Schmankewitschs sind außer ihrer Wich- tigkeit und ihrem Interesse, hauptsächlich wegen der Anomalie der Systematik, in bezug auf ihre Bedeutung so sehr gewachsen, weil man die Branchipus- und ^4r^^mra-Gattungen zu jener Zeit als von- einander sehr entfernt betrachtet hat. Es ist wohl auffallend, wenn aus einem zu einer Art gehörigen Tiere ein zu einer andern Art ge- höriges Tier — nach Änderung der Umgebung — wird. Wäre es nicht überraschend, wenn infolge einer besonderen Einwirkung aus einem Fuchs ein Wolf oder gar ein in eine andre Familie gehöriges Tier, z. B. ein Panther, sich bilden würde, welcher den Gang seiner Verände- rung wieder zurückmachen könnte? Und doch wäre in obigen Fällen von einem Übergang so großer Entfernungen in der Systematik die Hede gewesen. Die Veränderungen bestehen wohl, daß sie aber an- ders bewertet werden müssen, steht außer Zweifel. Betrachten wir nun jene Zeichen, welche Schmanke witsch bei Bearbeitung der Resultate seiner Untersuchungen als positive an- genonmien hat. Der Hauptunterschied zwischen der alten Gattung Branchipus und der Gattung Artemia ist nach ihm: 1. Bei den Artemien folgt nach einem mit 11 Fußpaaren ver- sehenen Stamm ein aus acht Segmenten bestehendes Abdomen, von welchen das letzte Segment fast zweimal so lang ist als das vorher- gehende. Die Branchipuse hingegen haben ein aus neun Segmenten bestehendes Abdomen; 2. die Branchipuse pflanzen sich nur durch befruchtete Eier fort, die Artemien auch parthenogenetisch. 116 A. Abonyi, ScHMANKEWiTSCH bemerkt, daß der morphologische Unterschied von größerer Wichtigkeit sein muß, denn dieser unterliegt einer Ver- änderung durch Einwirkung des umgebenden Mediums, wenn die Artemia die Charaktere des Branchipus annimmt, eventuell umge- kehrt. Ferner hebt er hervor, daß die letzten zwei Segmente des Ab- domens des Branchipus mit dem sehr langen Abdomensegment der Artemia homolog sind. GelegentUch seiner Versuche (92, S. 107) nahm er wahr, daß nach Diluierung der Lösung, im Laufe mehrerer aufeinanderfolgender Generationen, das sehr lange Segment sich einschnürt, sich bald in zwei Segmente scheidet und in diesem Falle die Artemia ebenso viel (neun) Abdomensegmente be- sitzt als der Branchipus. Er hebt ferner hervor, daß in der Jugend des Branchipus die Zahl der Abdomensegmente ebenfalls nur acht ist, ebenso wie bei den in starker Salzlösung lebenden Artemien. Aber auch ohne künstliche Züchtung kann man sich von der Gleichwertigkeit des achten Ab- domensegmentes der Artemia mit dem achten und neunten des Branchipus über- zeugen. Sowohl bei der Artemia als beim Branchipus steht nämlich an der rechten und linken Seite eines jeden Segmentes wenigstens je eine Fühlborste aus der Cuticula hervor. Je eine Fühlborste be- findet sich auch in der Mitte des sehr langen letzten (achten) Abdomensegmentes der Artemien als Zeichen dessen, daß die . „.„ sich hier befindet zwischen den Klammern bezeichnen '^ '^ die zwei letzten, voneinander nicht se- (Fig. 1) . Diese Acht-, bzw. Neungliedrigkeit der Abdomensegmente ist das Hauptzeichen und Branchipus-F onnen. Schon LiNNE hat näm- Textfig. 1. Schematische Darstellung des Abdo- menendes der » Artemia 1 (A) und eines »Branchipus« (B) nach SCHMANKE- WITSCHS modifizierter Zeichnung. D, Segmentdornen; jF, Fulcra. Die ein- gescliriebenen Zahlen zeigen die ent- sprechenden Segmente. Die Zahlen VerwachsungSgrenze parierten Segmente der Artemien. des Unterschiedes zwischen den Artemia- Auch andere Zeichen waren vorhanden, lieh seinen Cancer salinus, welcher dann zur Familie der Artemiideae herangewachsen ist, so charakterisiert, daß sein Abdomen gleich lang ist wie sein Stamm, daß hingegen bei dem Cancer stagnalis, aus welcher die FamiHe der Branchipodidae wurde, die Länge des Abdomens die des Stammes nicht erreicht (»cauda terretiuscula articulata longi- Experimentelle Daten zum Erkennen der Artemia-Gattung. 117 tiuliiio fere corporis«). Bei den späteren Klassifikationen sind auch nachfolgende, Linnes Unterscheidungsmerkmale enthaltende Zeilen als wichtige Zeichen angesehen worden. Beim Branchipus >>cauda cilindrica bifida« und »pinna horizontali bifida acuta«, hingegen bei der Artemia »cauda filiformi subulata exerta longitudine corporis«. Es handelt sich darum, daß die relative Länge des Stanmies zum Abdomen, dann der Ruderpinne Gabel- oder Stachelform als Unter- scheidungszeichen zu gelten hatten. Die relative Länge des Abdomens gilt noch heutzutage als Art- zeichen, auf Grund dessen in der Gattung Artemia zwei Arten unter- schieden werden und auf welcher Basis Kulczycki (68) die Gattung CallaoneUa aufgestellt hat. Von den Untersuchungen, welche über die anatomische Über- einstimmung der Artemia- und Branchipus-Gattnngen gemacht W'Or- den sind, sind die Resultate von Claus (39) am wertvollsten. Nach ihm ist das achtgliedrige Abdomen der Artemien homolog dem neungliedrigen der Branchipuse. Er stellt mit seinen detaillierten embryologischen Untersuchungen fest, daß das neunte Glied der Branchipuse eigentlich sekundär ist, da^ das letzte Glied sämtlicher Branchipus-¥oTmen als »präfulcraler Teil« sich entweder abschnürt, und dadurch scheinbar das Abdomen aus neun Gliedern besteht, oder mit dem eigentlichen Glied (d. h. dem achten) verwächst und dadurch das letzte Glied verhältnismäßig lang wird. Claus hat diese seine Auffassung auf die bei der Entwicklung von Larven wahrgenommenen Erscheinungen gegründet. Wenn wir den Gegenstand selbst nachuntersuchen, so finden wir Claus' Resul- tate richtig, doch nicht seine Auffassung. Denn ob der »präfulcrale Teil« vom vorherigen Glied sich abschnürt oder nicht, ist kein so leicht zu entscheidendes, morphologisch sonderndes Kriterium. Sowohl bei den Artemien als bei den Branchipusen, sowie bei sämtlichen, mittels Nauplius sich entwickelnden Krebsformen er- scheinen gelegentlich der Entwicklung der Larven stufenweise die Glie- derungen, und zwar ausnahmslos von vorne beginnend nach hinten. Die vorderen Glieder sind schon vollkommen entwickelt, w^enn die Segmente des Abdomens sich noch nicht abgeschnürt haben. Das Erscheinen der Segmente in der Reihe von vorne nach hinten läßt — wie bei allen aus Gliedern bestehenden Tieren — darauf schließen, daß das letzte Glied einen zusammengezogenen Wert hat, jedenfalls ein solches Glied ist, welches den vorhergehenden nicht gleichwertig ist. Wenn wir die Zahl der Glieder der Phyllopoden in Betracht ziehen, 118 A. Abonyi, SO nehmen wir sehr weite Grenzen wahr. Die Branchi'pus-YoTnien. gesondert berücksichtigend, werden die Polyartemien durch 17 — 19, die genau genommenen Branchipuse durch elf Fußpaare charakte- risiert, welchem entsprechend auch die Zahl der Glieder verschieden isti. Aus dem Angeführten folgt, daß die wirklichen Branchipuse, mit ihnen auch die Artemien, von solchen Ahnen abstammen, welche mehrgliedrig waren als sie es durch Reduktion der Zahl der Glieder sind. Daß die genau genommenen Branchipus-¥ ovmen in der Tat von mehrgliedrigen Ahnen abstammen, dies hat v. Daday (43), eine große Menge anatomischer Charaktere in Betracht ziehend, detailliert entwickelt. Wenn der Entwicklung des Stammes in Wirklichkeit die indivi- i duelle Entwicklung nachfolgt — wir haben keinen Grund das Ent- ; gegengesetzte anzunehmen — , so können wir mit Bestimmtheit fest- stellen, welches, bei der Abgliederung des letzten Segmentes der i Artemien und andern Branchipusen , der primäre, und welches der ; sekundäre Zustand ist, bzw. welcher Zustand von beiden der ältere i ist. Das Erscheinen der Glieder nacheinander zeigt, daß deren Nicht- | trennung, bzw. Nichtabschnürung die ältere, daher zurückgebliebenere | Form darstellt. Eben deshalb ist die Annahme Claus', daß die Ar- , temia deshalb achtgliedrig ist, weil das achte Glied mit dem »präful- } cralen« Teile verwachsen, hingegen bei den Branchipusen nicht ver- 1 wachen ist, verfehlt. Wenn wnr das Obenerwähnte überlegen, wäre der der Sache entsprechende Ausdruck etwa, daß bei den Artemien nach Ausgestaltung des achten Gliedes das neunte Glied sich nicht abschnürt, hingegen dies bei den Branchipusen der Fall ist. Oder daß die Artemia in dieser Beziehung im Vergleiche zum Branchipus die Eigenschaft des Larvenzustandes bekundet (Brauer 28). Es wird dies auch anderweitig bestätigt. Claus' >>Präf ulcrum « kann nur dort vorhanden sein, wo auch ein Fulcrum vorhanden ist. Nun haben aber gewisse Artemia-Vane- täten und andre Artemien in ihrem jungen Larvenzustand überhaupt kein Fulcrum. Mit andren Worten: der Körperteil, aus welchem das Fulcrum durch Entwicklung des Endes desselben heraus zu wachsen hätte, ist noch vor Erscheinen des Fulcrums in seiner Entwicklung stehen geblieben {Artemia Köppenimia). Bei andern Artemia-'P ovmen zeigt sich je eine Borste {A. Milhausenii), deren Basis zu einem finger- förmigen Fortsatz sich hervorstülpt und auf dessen Seiten neue Bor- 1 Die Zahl der Kopfglieder ist 6; des Stammes 11, 17, 19; des Abdomens 8 oder 9; daher die Zahl sämtUcher Glieder: 25, 26, bzw. 31, 33. Experimentelle Daten zum Erkennen der Artemia-Gattung. 119 steil wachsen {A. arietina), endlich solche, bei welchen das wachsende Fulcruin seine vollständige Form erreicht, auch gelenkig werden kann {A. principalis, A. Jelskii). Die Differentiation schreitet nach gewissen Entwicklungsstadien — der Abnahme der Salzkonzentration entsprechend — fort, auf welchen Vorgang und dessen bewertende und detaillierte Erklärung wir zurückkommen werden. Solange man die auf dieser Entwicklungsstufe stehen gebliebenen Unterscheidungszeichen der /Irtem/a-Arten als vollwertige morpho- logische Zeichen betrachtete und diese zur Differenzierung den Bran- chipusen gegenüberstellte, war die Motivierung, mit welcher Schman- KEWITSCH seine Experimente und Beobachtungen kommentiert hat, gerechtfertigt. Dies ändert sich jedoch, wenn wir schon wissen, daß die Artemia Artemia ist, ob sie in bis an die Grenze der Kristallisation konzentrierter Salzlösung oder in Süßwasser lebt. Die der Konzen- tration entsprechenden Formveränderungen, welche nach Schman- KEWiTSCH Brauer, Entz, Samter und Heymons und noch andre beobachtet haben, sind wohl in Wirklichkeit vorhanden, es besitzt jedoch ihr Wert in einer andren Beziehung Wichtigkeit, als dies Schmankewitsch erklärte. Dies besitzt nämlich eine große Bedeu- tung, um die Gesetzmäßigkeit der Artbildung im allgemeinen kennen zu lernen. V. Die der Konzentration des Salzwassers zuzusclireibenden Form- IVIodifikationen an den Artemien und anderen Branchipusen. Wir konnten uns schon im Vorausgegangenen davon die Über- zeugung verschaffen, daß die Artemien nach Maßgabe der Konzen- tration ihres Zuchtsalzwassers gewisse Veränderungen erleiden, welche Veränderungen die mit ihnen sich beschäftigenden Fachleute, von verschiedenen Gesichtspunkten auffassend, verschieden deuten. So halten Grube (61) und die ihm folgenden die Artemien, an welchen infolge der Salzkonzentration Veränderungen eingetreten sind, auf Grund dieser für verschiedene Arten, oder wenigstens für Varietäten. Hingegen halten sie Entz, Samter und Heymons, Artom und mit ihnen mehrere nur für eine Reihe von Formen, welche der Verschie- denheit der Salzkonzentration entsprechen. Damit wir beurteilen können, wie eigentlich diese Sache steht, müssen wir jene Zeichen feststellen, welche durch die Konzentration des Salzes verändernd beeinflußt werden und die als solche früher als artunterscheidende Zeichen galten. 120 A. Abonyi, Entsprechend der Salzkonzentration des Wassers erleiden eine Veränderung : 1. die Größe des Wuchses, 2. die relative Länge des Stammes und Abdomens zueinander, 3. das gegenseitige Verhältnis der Segmente des Abdomens, 4. die Gestalt der Füße und der an denselben befindlichen Kiemen, 5. die Gabelanhängsel, und endlich 6. die Art und Weise der Fortpflanzung. Was den ersten Punkt anlangt, ist es eine alte Erfahrung, daß die Artemien in sehr konzentrierten Lösungen einen um vieles klei- neren Wuchs haben als in Lösungen mittlerer oder geringer Dichte. Hingegen verkürzt sich der Körper wieder, wenn die Lösung zu Süß- wasser wird. Die Länge der geschlechtsreifen Artemien schwankt, ohne Rücksicht auf ihre Form, zwischen 5,5 — 18 mm. Der Stamm und das Abdomen reagieren auf die Änderung der Konzentration der Salzlösung nicht in gleicher Weise. Auf Zunahme der Dichte der Salzlösung verkleinert sich der Stamm, das Abdomen hingegen wird länger und dünner, die Zunahme ist anfangs allgemein, später nur relativ. Der Stamm kann länger, gleich oder kürzer sein als das Abdomen. Mit dem Längerwerden des Abdomens steht auch die Verände- rmig des relativen Längen- und Breitenverhältnisses der einzelnen Glieder zueinander im Zusammenhang. Die Lösung hat, je nach dem Inhalte an Salz, ein verschiedenes spezifisches Gewicht, auch ihre Viscosität ändert sich. Um sich in ihr zu bewegen, gestalten sich die Füße entsprechend. In weniger dichten Lösungen können sie sich schneller bewegen als in den einen größeren Widerstand leistenden konzentrierteren Lösungen. Mit der Dichte der Lösung ändert sich auch die Möglichkeit, das Oxygen der in ihr absorbierten Luft auszunutzen, dem entsprechend accommo- dieren sich die Kiemen. Bemerkenswert ist das Verhalten des als Steuer-, zum Teil auch als Ruderorgan dienenden Gabelanhängsels, je nach der Dichte der Lösung. In Lösungen geringer Dichte ist dieser Körperteil gut ent- wickelt, in dichteren verkümmeit er, in gesättigten Lösmigen kann er vollständig schwinden. In der Weise der Fortpflanzung zeigt sich folgender Unterschied. Die in geringer dichter Lösung Lebenden gebären lebende Jungen, die in konzentrierten Lösungen Lebenden legen Eier, welche bei Ab- nahme der Dichtigkeit der Lösung durch natürlichen Wasserzufluß, Experimentelle Daten zum Erkennen der Artemia-Gcattung. 121 Regen oder Grundwasser sich entwickeln. Unter den in wenig dichter Lösung Lebenden sind die männlichen Tiere häufig, in den Lösungen mittlerer Dichtigkeit selten. Bei den in gesättigter Lösung Lebenden sind bisher keine Männchen gefunden worden. Um beurteilen zu kcnmen, welcher Weit diesen Veränderungen innewohnt, ist es notwendig, auch andere Salzw^asserbranchipuse, von gleichem Gesichtspunkte ausgehend, zu untersuchen. Es gibt zwar wenige solcher Branchipuse, doch liefern sie einen genügend starken Beweis dafür, daß die Zunahme der Konzentration der Salzlösung auch bei diesen zum Teil dieselben Formveränderungen auslöst, wie ^ bei den Artemien. In dieser Weise z. B. A R . . stimmt die zur Familie der Branchipo- didae gehörige Parartemia Zietziana Sayce ABC Textfig. 2. Parartemia Zitziana Sayce. Ä. der Kopf des Männchens; B, die letzten Segmente des Abdomens mit nicht abgeschnürtem Gabelanhängsel. Zeichnungen v. Sayce nach V. Daday. ' Textfig. 3. Gabelanhängsel. A, der Artemia saHna L. var. arietina (Fisch.); B, der Branchinectella salina Daday; C, der Branchinecta jerox M. Edw. nach v. Daday (43). (Fig. 2), welche in salzigen und brackigen Tümpeln lebt (in Südaustra- lien, in der Gegend des Alexandrasees), mit nachstehend angeführten Zeichen mit den Artemien überein : Der Stamm (zwei Drittel in Länge des Abdomens) ist bedeutend kürzer als das Abdomen, ferner ist das Abdomen ebenfalls achtgliedrig, dessen letztes Glied aus zwei Seg- menten zusammengewachsen ist. Mit diesem letzten langen Gliede sind die Gabelfortsätze wie bei manchen Artemien unbeweglich verwachsen (Fig. 2 h). Daß sie übrigens mit den Artemien nichts gemein haben, verrät der Kopf (Fig.2 a) des Männchens (vgl. m. Fig. 5). Eine andre interessante Salzwasser- jBrancÄt/)t<5- Form ist die Branchinectella salina Dad., welche in den salzigen Wässern Nord- 122 A. Abonyi, afrikas lebt. Mit dieser Art mag jene identisch sein, welche Schman- KE WITSCH (89 — 92) als in den Salz wassern um Odessa lebend unter dem Namen Branchipus medius anführt. Diese Art hielt Schman- KEWiTSCH für eine Übergangsform der Branchinecta ferox M. Edw. (dazumal war sie noch unter dem Namen Branchipus ferox bezeichnet) in die Gattung der Artemia (92, p. 106). Nach Schmankewitsch lebt in derselben Limane in wenig dichter Lösung >>Branchipus spi- nosus<<, bei Verdichtung löst sie >>Br. ferox <<, bei noch größerer Ver- dichtung der Br. medius ab, mit welcher zusammen die >> Artemia salinad erscheint (Fig. 3 ö, h, c). Nach den Beobachtungen Schmankewitschs zeigt sich beim ^Branchipus ferox <<, je nachdem er in halbsalzigem (brackigem) oder salzigem Wasser lebt, eine so große Verschiedenheit der Form, daß man sie füglich als Artunterscheidungszeichen ansehen könnte. Die in 5° Beaume lebende Form macht auf den Systematiker schon den Eindruck einer andren Art, auch in der Größe ist der Unterschied ein sehr bedeutender. Die in Salzwasser lebenden sind 17 — 22 mm lang, die im Süßwasser lebenden hingegen 29 — 34 mm. Nach Angabe von Entz jun. können dieselben bis 70 mm lang werden (50). Solche Unterschiede sind beim >>Branchipus spinosus<< schon bei 3 — i° Beaume zu beobachten. Auch bei Chirocephalus stagnalis Daday ist eine Veränderung wahrzunehmen, wenn er in einer zur Hälfte salzigen (brackigen) Lö- sung lebt, es entsteht dann aus ihm der deutlich charakterisierte Ch. stagnalis var. salinus Daday (44). Die meisten Branchipus-YoTnien vertragen übrigens auch das wenig gesalzene Wasser nicht. Hiervon habe ich mich mittels Ver- suches überzeugt. So vertragen der Branchipus stagnalis L. und der Streptocephalus tornicornis Waga nicht einmal eine l%ige Kochsalz- lösung, um so überraschender ist es, daß die vorher angeführten, ins- besondere die zur Familie der Branchinectidae gehörenden Tiere, die solche Lösung sehr gut vertragen, in ihr sogar Formmodifikationen ein- gehen. Auch die Artemia gehört, wie dies v. Daday nachgewiesen hat (43), zu dieser Familie, deren viele Formen in mehr oder minder dichten Kochsalz- und Sodalösungen leben; die Artemia-G&ttung ist jene Gruppe der Familie, welche in ihrer Fähigkeit zur Accommodation den größten Spielraum bietet. Aus der höchstwahrscheinlich ursprüng- lich im Süßwasser lebenden Branchinecta-^ oxnx ist jetzt schon ein typischer Salzwasserbewohner geworden, der aber bei gegebener Ge- legenheit in einer zum Süßwasser verdünnten Lösung zu leben, bzw. Experimentelle Daten zum Erkennen der Artemia-Gattung. 123 den in diesem vorhandenen Faktoren aufs neue sich zu accommo- dieren fähig ist. Da entsprechend der Konzentration des Salzwassers nicht nur die Artemien, sondern auch andre Branchipuse variieren, die einzehien Formenkreise jedoch ineinander nicht übergehen, bleiben sie in bio- logischer und morphologischer Beziehung isolierte Gruppen. Die an ihnen sich zeigenden gleichartigen Modifikationen und konvergenten Erscheinungen sind in allen Fällen auf die Einwirkung äußerer Faktoren zurückzuführen. Indessen sind die Hauptzeichen des Or- ganismus stabil, d. h. die Artemia salina bleibt auch im Süßwasser Artemia, und der Branchipus ferox wird auch im Salzwasser nicht zur Artemia. Die an ihnen sich darbietenden gleichartigen Verän- derungen liefern jedoch wertvolle Daten zur Kenntnis des Kampfes der Organismen um das Gleichgewicht im Medium, im allgemeinen aber zur Kenntnis der Faktoren der Artbildung. VI. Die heutige Stellung der Gattung Artemia in der Systematik, deren Formen und Ort ihres Vorkommens. In der Geschichte der Systematik der Gattung Artemia habe ich schon darauf hingewiesen, daß die Gattung und später die Familie der Artemia wegen ihres Lebens in Salzwasser und der hiermit ver- bundenen Formveränderungen der Gattung Branchipus, bzw. der Familie der Branchipodideae von den ordnenden Systematikern ge- genübergestellt worden ist. Schon früher gab es deren, die die Ab- trennung der Gattung Artemia von der Gattung Branchipus für ge- zwungen hielten, und es ist aus ihren Werken zu entnehmen, daß aus der auf den LiNNEschen >> Cancer stagnalis« gebauten Gruppe der Branchipoda die auf >> Cancer salinus« gehobene .4rtemia-Gruppe nicht ausgeschlossen werden kann. Fischer (1834), später Grube (1853) waren der Meinung, daß die von Leach im Jahre 1819 aufgestellte Gattung Artemia aufzu- hören habe und deren Formen, auf Grund ihrer anatomischen Zeichen, der Gattung Branchipus einzureihen seien. Es wurde, besonders seit Grubes Arbeit, das Verhältnis der Branchipoden zueinander klarer. Insbesondere haben Zenker (116), Schmankewitsch (92), Claus (39—10), Brauer (28—29), Simon (98), Grochowsky (60), Entz (48—49), Samter und Heymons (87) und Artom (8—13) dies- bezüglich, auf überzeugende Argumente gebaute, entscheidenden Ef- fekt hervorbringende Untersuchungen vollführt. Auf Basis der Er- gebnisse der genauen und grundlegenden Arbeiten der erwähnten 124 A. Abonyi, Gelehrten durchgeführten Ausarbeitung, ferner der ordnenden Unter- suchung des aus den verschiedensten Gegenden der Erde gesammelten ^r^emm-Materials hat neuestens v. Daday (1910) (43) innerhalb des Rahmens der Unterordnung der gesamten Phyllopoda anostraca der Gattung Artemia den ihr zukommenden Platz, wie es scheint, defi- nitiv angewiesen. V. Daday hat die alte Familie der Artemiidae, welche, nach Modi- fikation der Systematik Grubes abermals spukt, als Unterfamilie mit dem Namen Artemiinae eingeordnet und schließt diese mit den Branchinectinae in eine neue Familie unter dem Namen Branchinec- tidae zusammen wegen der gleichartigen Konstruktion der Greif- antennen ihrer Männchen. Derzeit befindet sich daher die Gattung Artemia in der Unterordnung der Phyllopoda anostraca (schalenlose, blattfüßige Krebse) und in der Familie der Branchinectidae; außer dieser gehören noch vier andre Familien, Branchipodidae, Chirocepka- lidae, Streptocephalidae und Poly artemiidae, in diese Unterordnung. Dieses Bild der Systematik erklärt es, warum diejenigen, welche die Artemien mit den verschiedenen von den Artemien fernstehenden Formen der dazumal noch für gleichartig gehaltenen >>Branchipo- didae<< verglichen haben, voneinander abweichende Daten erhalten haben. V. Daday ist gelegentlich der Durcharbeitung des Artemia-Ma,te- rials der Erde zu dem Resultate gelangt, daß von der beschriebenen, sehr großen Zahl von Arten der Artemia, deren Formen bisher zum Teil in die Gattung Artemia, zum Teil in die Gattung Callaonella ge^ hört haben und mit 20 Arten vertreten waren, in eine einzige Gat- tung Artemia gefaßt, nur zwei Arten aufrecht erhalten werden können, und zwar die Arten Artemia salina L. und die Artemia Jelskii Grube. Letztere ist die Süßwasser- und Halbsalzwasser- (Brackwasser-) Ar- temia-Avt, die erstere hingegen die eigentliche Salzwasserform. Die Artemia salina löst v. Daday, unter Beibehaltung der Überlieferungen der bisherigen Systematik, in vier Varietäten auf: 1. principalis, 2. arietina, 3. Milhausenii und 4. Köppeniana. Er hebt hierbei her- vor, daß diese Varietäten in ununterbrochener Verkettung zueinander stehen, und daß einzelne morphologisch besonders charakterisier- bare Fbrmen es waren, welche die bisherige große Zahl der Arten ergeben haben. Die zwei Untergattungen Artemia und Callaonella, in welche er die eigentliche Gattung Artemia zergliedert, sind ebenfalls das Resul- tat des Anknüpf ens an die historische Vergangenheit. In der Unter- Exporinicntolle Daten zum Erkennen der Artemia-Gattung. 125 gattung Callaonella vereinigt er die Arten Callaonella Jelskii Kul- czyski (Grube) und die C. Duho icskii Grochowski mit der Art Jr^emia Jelskii (Grube). Der Unterschied der beiden Untergattungen ist, daß bei der Unter- gattung Ärtemia das Abdomen länger ist als der Stamm, hingegen ist es bei der Untergattung Callaonella kürzer als der Stamm. Daß wir aber die Untergattung Callaonella mit der zu ihr gehörigen einzigen Art nur geschichtlichen Gründen zuliebe aufrecht erhalten können, erhält gelegentlich der Abhandlung über meine experimentellen Daten Bestätigung. Die volle Bexechtigung v. Dadays zu diesem Vorgange der Zu- sammenziehung stellt sich heraus, wenn \\'\y das Vorkommen und die Verbreitung der Artemien überblicken. Ärtemia Jelskii; Callao (Peru), Vranasee (Cherso) auch ,^. Ärtemia salina var. principalis; Baskuntschaksee (Astrachan), Olaushaven (Grönland), Fontainebleau (Frankreich), Marocco, Mergen- Sor (Sibirien) (^, Montpellier (Frankreich), New-Hawen (Nord- Ame- rika), San Jose (Kalifornien) (^, Taudja-el-Balia (Marocco) c^, Terma- cin- (Algeria), Torda, Vizakna (Ungarn), Weissowo (Kußland). Ä. salina var. arietina; Adana (Syrien), Ahmaruh (Ägypten), Ain-el-Sira (^, Aureansee (Australien), Bedah (Ägypten), Berre (Frank- reich), Bouche du Rhone, Bukarest, Cagliari ,^, Kairo (^, Capodistria, Cette (Frankreich), Chott-el-Ariana (Tunis), Damas (Klein-Asien), Dieuze (Frankreich), Djeroud (Ägypten), Fezzan, Glenelg (Austra- lien), Great-Salt-Lake ^, Greifswald (^ (Deutschland), Goumphidieh (Ägypten), Haway-Insel, Herault (Frankreich), Kamakselsin (Akmo- linsk), Karabugas (Rußland, Umgebung des Kaspisees), Kujalniksee (Rußland), Kurgaldschin, Larnaka (Cypern), Libia, Little-Salt-Lake, Loire inferieure, Lorraine (Frankreich), Luneville (Frankreich), Lu- sace (Frankreich), Lymington (England) (^, Marignan (Frankreich), Marseille, Menotici (Krim), Missourghi (Algier), Monosee (Nord- Ame- rika), Montpellier, New-South- Wales, Nizza, Ochotskisches Meer, Odessa (^, Palmira, Pirano (^^, Pouligen (Frankreich) 3^, Redw^ood- City (Nord- Amerika), Sandhills (Australien), Saskojesee (Krim), Sassyk- Kul (^, Sebkhet-er-Riana (Tunis), Szek, Torda (Ungarn), Villeneuve (Frankreich), Vizakna (Ungarn). Ä. salina var. Milhausenii; Aitiban (Kirgesia), Cagliari c^^, Isetzki (Kirgisia), Kulat-Kul (Kirgisia), Menotiki (Krim), Mulla-Kara (Trans- kaspien) ^, Provusha (Kirgisia), Schirri-ele-Kul (Kirgisia), Torda 1 Aus meinen Züchtungen (Portorose). 126 A. Abonja, (Ungarn), Saki (Krim), Usbaisee (Transka spien), Urmi (Persien), Vizakna (Ungarn). A. salina var. /iöjö/jewmrirt; Kujalnik-Liman, Odessa, Saki (Krim). Unter diesen Fundorten gibt es viele, aus welchen zwei Artemia- Varietäten, weniger solche, aus welchen drei herrühren. Bei syste- matischer Sammlung werden immer häufiger Männchen bekannt, deren Vorkommen ich mit (^ bezeichnet habe. Ich bemerke hier- bei, daß an diesen Orten Artemiea sich auch parthogenetisch fort- pflanzen, an einzelnen Orten zeigen sich nur sehr selten, und auch nur einzelne Männchen. Ein interessantes Bild gibt die Verteilung der Artemien auf ein- zelne Kontinente. Die betreffenden Daten sind jedoch, mit Ausnahme über Europa und Asien, nur sporadisch, weshalb die hier folgende Zusammenstellung nicht als vollständig gelten kann. Die Gattung Artemia kommt vor in: Artemia Jelskii Princi- palis Arietina Milhau- senii + +? — + + — + + — + -+- + -t- + + Köppe- nimia Australien . . Süd-Amerika . Nord-Amerika. Afrika . . . Asien . . . Europa . . . + + Bei Betrachtung der Orte des Vorkommens und der Tabelle der Verbreitung sehen wir, daß die Gattung Artemia auf der ganzen Erde verbreitet ist und hierbei die Formen nicht auf bestimmte einzehie Gegenden beschränkt sind. So ist die Artemia Jelskii aus Europa und Süd- Amerika bekannt. Die A. princifalis kommt in Süd-Ame- rikai, Nord-Amerika, Grönland, Asien, Afrika und Europa vor. Die A. arietina ist von den meisten Fundorten bekannt und hat die größte Verbreitung, wahrscheinlich deshalb, weil diese Form in Salzwasser mittlerer Konzentration lebt, wie es die meisten Salzseen und die Salinen sind. Man hat sie in Europa, Asien, Afrika, Amerika, Austra- lien und auf den Inseln Oceaniens gesammelt. Die A. Milhauseniiy 1 Nach Gerstaecker (Bronns Klassen und Ordnungen der Arthropoden, Bd. V, S. 1041) ist es wahrscheinüch, daß die von Darwin (Reise eines Natur- forschers um die Welt, übers, von Carus, S. 73) erwähnten Branchiopoden in Salzwasser Artemien waren. Experimentelle Daten zum Erkennen der Artemia-Gattung. 127 sowie A. Köppeniana, welche in sehr konzentrierten Lösungen vor- kommen, sind nur in der Nachbarschaft der Grenzen Europas und Asiens gefunden worden. Wenn wir überdies die einzehien Fundorte der ^r^emia- Varietäten in Betracht ziehen, so finden wir, daß an mehreren solchen Orten, an welchen mehrere Varietäten vorkommen, diese solche sind, welche einander nahe stehen. So in Montpellier die principalis- und arietina- Formen, in Cagliari die arietina und Milhausenii, auf Saki die Mil- hausenii und Köppeniana. In Torda und Vizakna kommen die prin- cipalis-, arietina- und MiJhai(senii-¥oTmen vor. Das Vorkommen dieser Formen in verschiedenen, voneinander fernen Kontinenten, andernteils das Gedeihen einander nahestehender Formen an gleichen Orten spricht dafür, daß dies nicht solche Varie- täten sind wie z. B. die Varietäten des Haushundes, welche als stabil betrachtet werden können, sondern, wie dies Schmanke witsch ausein- andergesetzt hat (obwohl er einen Artübergang wahrzunehmen meinte), dem Grade der Salzwasserkonzentration entsprechende Formen. Das Salzwasser ist in Grönland ebenso wie in Australien oder der Hayti- Insel. Bei gleicher Dichte können gleiche Formen vorkommen. Sind doch diese Salzw^asserbewohner gewissermaßen sogar von dem Einflüsse des Klimas geschützt, indem das Salzwasser nach dem Konzentrationsgrad sich schichtet und ihre wärmesammelnde Eigen- schaft sich überall geltend macht (es ist dies w^ahrscheinlich nicht das Privilegium der Siebenbürger Salzseen. Viski (108)). Die Verbreitung der Artemien auf der Erdoberfläche hat schon zur Zeit der Teilung des Urkontinentes stattgefunden, wie dies v.Daday aus einigen glücklichen paläontologischen Funden, sowie aus den rela- tiven morphologischen Zeichen der modernen Artemien zu den Branchi- pusen festgestellt hat, welche im Wege der Accommodation der Urform der Brafichinectidae zmn Salzwasser entstanden sind. Dieser Prozeß ist noch vor der Eocänperiode vor sich gegangen, denn der von den Paläontologen erwähnte Branchipodites vectensis Wood ist bereits ein vollständiger Arteniia-OTganismus. v. Daday und Arldt suppo- nieren aus dem Erscheinen des Branchipusites anthracinus Goldenberg (welche übrigens ebenfalls eine Branchinecta ist) zur Karbonperiode, daß die Urform der PhyUopoda anostraca schon im Kambrium sich in die heutigen charakteristischen Kreise verteilt hat. So sind auch die Artemien auf den betreffenden Kontinenten zurückgebliebene Boten uralter Zeit. Um so auffallender ist es, daß trotz ihrer seit uralter Zeit bestehenden Isolation und Vorkommens an verschie- 128 A. Abonyi, Cl Oq ^. ö o' K- > ?Ö ö' 5 o- M. OQ f o 3 tti. pl' P ^ a 3 TO TO 1 ^ § ^ a' ■■ 5ä •• •• zo c^ c/) c o> 3 ■ 0 E. S «^ c S^ CB re t» c. o Q 3 3- 3 3 £. C: o 2 ~: er > vernalis <<■ und ^>aestivalis<< beobachtete, solche hat übrigens auch Hartwig (64) beobachtet, er hält sie für Hungervarietäten. Die besonders starke Variation bei den Ar- temien entsteht nach Brauer (28) infolge von Gebrauch, eventuell Nichtgebrauch gewisser Or- gane. Nach Entz (48) bestimmt die Dichtigkeit ExiH'rinuMitfUo Daten ziiin Kikcniien dor Aitemia-Gattung. 129 der Lösuii»,', bzw. die Größe des inneren Widerstandes (Viscosität) die Entwicklung der Form der Artemia. Höber (65) sucht in den osmo- tischen Eigenschaften des Salzwassers den Grund der formenden Kräfte der Artemien. Steuer (103) meint durch eine gew^isse Einigung beider Auffassmigen die Erklärung der Variabilität geben zu können. Ganz neu ist Artoms (17) xVuffassung, der unter den Artemia-Y avietäten nach deren Fortpflanzungsweise (10) oder nach der Zahl der Chromo- somen Ordnung zu schaffen glaubt. Artom nennt die regelmäßig mit (^- und $-Formen zweigeschlechtlich sich vermehrenden Artemien »iinivalens<<, die parthenogenetisch sich fortpflanzenden »bivalens<< Va- rietäten (16). Artom hat diese Varietäten auf Grund seiner Studien über Arte- mien, welche durch befruchtete Eier sich fortpflanzen, aus Cagliari, oder parthenogenetisch sich fortpflanzen, aus Capodistria, aufgestellt. Es kann dies aufrecht erhalten werden, solange an dem betreffen- den Orte keine männlichen Tiere gefunden werden. Capodistria be- treffend, kann dies kaum aufrecht erhalten werden, denn mir ist es gelungen, in meiner aus Pirano-Portorose — in der Nachbarschaft Capodistrias — stammendeu Züchtung zwei Männchen bis zur Ge- schlechtsreife aufzuziehen. Daß übrigens die parthogenetische Fort- pflanzungsweise der Artemien nur gelegentlich ist und kein solch sta- biles Kriterium, welches zur Aufstellung einer »Varietät« berechtigt, wird nicht nur durch meine aus Portorose stammende Züchtung (Fig. -1) bekräftigt, es bestätigen dies auch Anikins (6) Versuche, dem es als ersten gelungen ist, aus den Nachkommen parthenogenetisch sich fortpflanzender Artemien (durch »Hungern«) Männchen zu züchten. Artom selbst hält in dieser Beziehung Lymington und Odessa, an welchen Orten schon gelegentlich Männchen vorkamen (Butschinsky 35) für problematisch. Über Odessa hebt Schmankewitsch hervor, daß während seiner Beobachtung im Laufe des Frühlings die Männ- chen häufig waren. Zu diesen hebe ich noch aus Europa Greifswald hervor, von wo, nach Zenkers (116) Angabe, Männchen ebenfalls be- kannt sind. Übrigens werden Männchen, nach sorgfältiger Untersuchung, immer an mehr und mehr Orten gefunden, nur in deren Häufigkeit besteht ein sehr großer Unterschied (s. Daday 43). Die parthenogenetischen und mittels befruchteter Eier sich fort- pflanzenden Varietäten sind kaum aufrecht zu erhalten. Einstweilen müssen wir die von Schmankewitsch aufgestellten, auch von Samter und Heymons behaltenen Formen, oder die mit den Branchipuseu Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CXIV. Bd. 9 130 A. Abonyi, in engem Zusammenhang stehenden ÜADAYschen Arten und Varietäten als bestehend annehmen. Wir müssen aber den Wert, welchen diese Formen im Verhältnis zueinander darstellen, kennen. Textfig. 4. Zwei männliche und zwei weibliche Artemia salina aus meiner von Portorose stammenden Zucht. 4fache Vergrößerung. Die fünf Formen des Schmanke- WITSCH 1. Artemia salina var. b = 2. Artemia salina var. a ] 3. Artemia salina var. typica \ = 4. Artemia Milhausenii var. 1 = 5. Artemia Milhausenii var. 2 = bei ScHMANKEWiTSCH nicht vor- handen. Dadays Arten bzw. Varietäten 1. Artemia salina var. principalis 2. Artemia salina var. arietina 3. Artemia salina var. Milhausenii 4. Artemia salina Köppeniana 5. Artemia Jelskii Nach der Einteilung von Entz (48) gehören die Formen 1, 2 und 3 ScHMANKEWiTSCHs Und die Formen 1, 2 und 5 Dadays zur Gruppe Artemia salina var. furcata und die Formen 4 und 5 Schmanke- wiTSCHs sowie 3 und 4 Dadays zur Gruppe Artemia salina var. biloba. Die Einteilung von Entz hat einen sehr großen orientierenden Wert, weil bei ihm die in wenig dichtem Salzwasser lebenden gegen- über den in konzentriertem Wasser lebenden einen gesonderten For- menkreis bilden. . Experimentelle Daten zum Erkennen der Artemia-Gattung. 131 VIII. Die Verschiedenheit der Zuchtflüssigkeiten. Salinen, Salzseen, Natronlauge-Seen, künstliche Salzlösungen. Die Variationen der Arteniien sind weder an einen geographi- schen Ort, noch an eine bestimmte Zusammensetzung der Salzlösung gebunden. Sie kommen auf dem Erdball überall vor, und sind nicht wählerisch in den Salzwässern. Die an verschiedenen Orten der Erde befindlichen Salinen, welche zur Eindampfung des Seewassers dienen, sind noch am ähnlichsten zusammengesetzt. Abwechslungsreicher sind schon die vom Meer abgeschlossenen Limanen zusammengesetzt und die ganz selbständig entwickelten Salzseen, unter welchen auch "die laugenhaltigen Seen bevölkert sein können. Der Umstand, daß die Artemien nicht nur in den meisten natür- lichen Seen, sondern gelegentlich künstlicher Züchtung in den ver- schiedensten Salzlösungen fortkommen, läßt darauf schließen, daß bei diesen Tieren — abgesehen von gewissen zum Stoffwechsel not- wendigen Salzen — wenn dieses Salz für sie nicht direktes Plasmagift ist, die Qualität des in der Zuchtflüssigkeit gelösten Salzes ganz gleich- giltig ist. Hingegen ist jener Zustand der Lösung von Einfluß, welcher je nach der Konzentration der Lösung, deren physikalische Eigen- schaft bestimmt. So kann die Formveränderung der Artemien zu- rückgeführt werden auf das spezifische Gewicht der Lösung, deren innere Reibungsverhältnisse (Viscosität?) auf die den Stoffwechsel beschleunigende Wärme der zumeist nach verschiedener Konzentra- tion geschichteten Salzlösungen, die Verdünnung der Salzlösungen infolge von Niederschlägen und vielen in ihren Details noch unbe- kannten Faktoren. Daß bei der Variation der Artemien nicht die Zusammensetzung der Salzlösung maßgebend ist, sondern der Grad ihrer Konzentration, erhellt sogleich, wenn wir einige Orte ihres Vorkommens in bezug auf die Zusammensetzung der Lösungen vergleichen, mit solchen, in welchen allen dieselbe Artemia-FoTm, z. B. die Ärtemia salina var. arietina, der gemeine Bewohner ist. 1. Zusammensetzung des Aknasees (Ungarn) in 1 1 Lösung (ViSKi 108). NaCl 131,8590 MgCU 0,7220 132,5810 g 9* 132 A. Abonyi, CaS04 . . Mg(HC03)2 Fe(HC03)2 A1(0H)2. . Übertrag 132,5810 0,4118 1,7784 0,0584 0,0089 0,0119 Summa der Salze 134,8572 g 2. Zusammensetzung des Tökölysees (Ungarn) in 1 1 Lösung (Breckner 30). NaCl 157,649 MgClg 23,334 NagSOi 10,352 CaS04 CaCls KCl Br, Fe, AI in Spuren 3,144 6,309 1,969 Summa der Salze 203,007 g 3. Portorose, 31° Beaume, Sole in 1 1 Lösung (Damiri) MgClg 165,268 MgS04 72,634 Na2S04 12,365 NaBr 19,258 NaCl 66,287 KCl 23,590 SiOg 0,557 Summa der Salze 359,959 g 4. Cagliari, in 1 1 Mutterlösung in g (Artom 7). 25° B. 30° B. 35° B. sp. G. = 1201 sp. G. = 1264 sp. G. = 1320 CaS04 . . . 2,07 — — MgS04 . . . 22,64 78,76 114,48 MgC\. . . . 29,55 101,60 195,31 KCl .... 4,90 18,32 32,96 NaBr .... 5,23 14,72 20,39 NaCl .... 268,90 218,80 159,76 333,29 426,20 522,93 Experimentelle Dalon zum Erkennen der Artemia-Gattung. 133 Wonu wir die Zusanniiensetzung der Lösungen vergleichen, so sehen wir, daß nicht nur die Lösungen der verschiedenen Orte, son- dern auch je nach verschiedener Konzentration selbst die an dem- selben Orte sehr voneinander abweichen. Das Verhältnis wird noch komplizierter, wenn wir berücksichtigen, daß in den Salzseen die Zu- sammensetzung der Lösung von Schicht zu Schicht sich ändert; und wenn wir den saisonmäßig eintretenden verdünnenden Einfluß der Niederschläge in Betracht ziehen, so wird die Veränderlichkeit noch auffallender. Diesen Veränderungen wohnt eine bestimmende Rolle inne, bei Beurteilung dessen, wie die Variationen in demselben Nähr- wasser zu gleicher Zeit vorkommen können. Aber nicht nur durch Niederschläge, sondern auch durch Ver- dampfung ändert sich nicht nur die Dichte, sondern auch das relative Verhältnis der einzelnen Salze zueinander. In auffallender Weise wird dies durch Artoms obige Tabelle illustriert, nach welcher die Mg-Salze bei größerer Dichte bedeutend zunehmen, während die Na-Salze abnehmen. Daß die Zusammensetzung der Salze die Artemien nicht alteriert, können wir aus dem Vorangegangenen vermuten. Aber auch experi- mentell kann man dies deutlich beweisen. Schon Ostroumoff (81) hat die Entwicklung der Eier in verschiedenen Salzlösungen und deren Mischungen zum Gegenstande seiner Untersuchungen gemacht. Breckner (30 — 31) hat überdies durch seine systematischen Unter- suchungen nachgewiesen, daß die Chloride und Sulfate des Na, Mg, Ca nicht nur nicht giftig sind, sondern wenigstens in kleiner Menge zur Entwicklung der Artemien notwendig sind. Nur von den K-Salzen stellte er einen vergiftenden Einfluß fest, der sich übrigens bei Gegen- wart der andern oben genannten Salze nicht äußert. Meine Experimente bestätigen Breckners Wahrnehmungen, und zwar konnte ich außer in der in NaCl-Lösung vorgenommenen Haupt- züchtung auch in MgSO^ und CaClg-Lösungen normale, geschlechts- reif sich fortpflanzende Züchtungen bewerkstelligen. Meine Züchtungen in KCl und K2SO4 sind nach Aufgehen der Eier eingegangen. Es ist mir auch bis jetzt nicht gelungen, in Na2C03- Lösungen dauernde Züchtung zu erhalten, wenn sie auch durch Monate lebend blieb. Bezüglich dieser meiner Züchtungen erwähne ich, daß ich von den durch Breckner festgestellten notwendigen Salzen der zum Experiment ;iotwendigen Hauptlösung eine minimale Menge (2 — 3%) hinzugesetzt habe. Ich erwähne hier, daß die Formentwicklung der Artemien in 134 A. Abonyi, diesen Mg und Ca enthaltenden Lösungen beiläufig so war, wie bei derselben Konzentration in den von mir als Hauptlösung verwendeten Na-Lösungen. Bezüglich dessen, in welcher Menge die Salze der Zuchtflüssig- keit bei den in derselben lebenden Artemien vertreten waren, dies zu bestimmen war Herr L. Eckert, Adjunkt an dem chemischen Institut der Universität in Budapest, so freundlich, wofür ich ihm hier meinen Dank abstatte. Wir haben die in 1080 spez. Gewicht habender Seesalzlösung (ca. 10% NaCl) lebenden, ausgewachsenen Artemien erst rasch mit destilliertem Wasser, dann mit nach dem Vorgang Winklers voll- kommen wasserfrei gemachtem (über metallischen Ca-Feilspänen de- stilliertem) Alkohol abgespült, dann nach rascher Entfernung des Alkohols ihr Gewicht bestimmt. (Das Gewicht eines Stückes durch- schnittlich = 14 mg.) Dann haben wir nach Einäscherung der Tiere den Cl-Gehalt, und auf Grund desselben den NaCl-Gehalt bestimmt. Der Durchschnitt dreier Versuche ergab 0,8% Kochsalzgehalt, beiläufig so viel, als in der Gewebsflüssigkeit der Arthropoden nachzuweisen ist (Turner 106). Jedenfalls beweist dies Ergebnis so viel, daß die innere Zusam- mensetzung des Organismus von der Konzentration der äußeren Zucht- lösung unabhängig ist. Wir müssen daher die im Organismus vor sich gehenden Modifikationen auf den Reiz, den die äußere Lösung ver- ursacht, zurückführen. Dasselbe Resultat hat auch Entz, auf einem andern Weg wandelnd, festgestellt. IX. Die Provenienz meines Versuchsmateriales. Meine an den Artemien gemachten biologischen Beobachtungen. Männliche Tiere. Die Umstände, unter welchen die Eier der blattfüßigen Krebse sich entwickeln, untersuchend, bin ich zum Ergebnis gelangt, daß sie sich gleichgesetznaäßig entwickeln, ob wir die Eier eintrocknen lassen, ihnen durch Salzlösung Wasser entziehen, oder ihre konzentrierte Zuchtlösung verdünnen (Abonyi 2, 3, 4). Meine Untersuchungen bezogen sich auf einige Süßwasserphyllo- poden, ich war der Meinung, das Resultat meiner Beobachtungen mit dem Lebendiggebären der Artemien in Einklang bringen zu können. Zur Erreichung dieses Zweckes habe ich Ärtemia-Züchtun- gen benötigt, von welchen ich im Dezember 1910 die erste angelegt habe. Durch Gefälligkeit der Badedirektion von Portorose bei Triest bin Experimentelle Daten zim\ Erkennen der Arteraia-Gattung. 135 ich zu Artemieneiern — in halb eingetrocknetem Salinenschlamm — gelangt, hierfür spreche ich ihr hiermit meinen Dank aus. Auch Herrn J. Viski schulde ich Dank, der so freundlich war, mir aus einem der »Siebenbürger Salzseen, aus dem »Dörgötö<<, im Oktober 1912 Eier zu senden. Herr Viski, der dazumal eben die geo- phvsischen Eigenschaften dieser Salzseen studierte, sandte mir die auf der Oberfläche des Sees schwimmenden Eier, auf Fließpapier gesammelt und getrocknet, in einem Brief. Letztere Methode der Einsammlung ist einfacher, entspricht ebenso dem Zwecke, als die Versendung mit Schlamm; in letzterem Fall muß man bei Anlegung und Bevölkervmg der Zucht die Entwicklung einer besonderen Algen- fauna abwarten. Meine Beobachtung und Aufarbeitung bezieht sich zum größten Teil auf das Material aus Portorose, ich konnte nämlich aus dem Dör- götö bis jetzt nur einige Generationen aufziehen. Mein Material aus Portorose habe ich im Juli 1912 an Ort und Stelle, mit Unterstützung der Direktion der Triester zoologischen Station, ergänzt. Ich habe Artemien gesammelt und in lebendem Zustande transportiert, damit sie mir zum Vergleich meiner Resul- tate als kontrollierende Zucht dienen (Taf. V). Das Entwickeln der Artemia-'Eiiev betreffend, habe ich auf Breck- NERs (30) Erfahrungen gebaut. In einer mit 3,5% Seesalzlösung an- gesetzten Flüssigkeit entwickelten sie sich und Ende Dezember 1910 hatte ich schon einige (3 — 5) geschlechtsreife Exemplare, welche dann parthenogenetisch sich nach Tausenden vermehrt haben — miter diesen habe ich im ganzen zwei männliche gefunden. Sie stehen seither in Salzlösungen verschiedener Konzentration in ununterbrochener Be- obachtung. Nachdem ich mich davon überzeugt habe, daß das Reifen der unbefruchteten Artemia-Wiev auf derselben Gesetzmäßigkeit beruht, wie ich es schon für die in Süßwasser lebenden blattfüßigen Krebse festgestellt habe (Abonyi 4), habe ich mich entschlossen, die Ver- suche ScHMANKEWiTSCHS, was die weitere Züchtung und Erhaltung der Zucht in Zuchtflüssigkeit verschiedener Konzentration anlangt, zu wiederholen. Solange ich die Schwierigkeiten des Anfanges nicht überwunden hatte, ist die Bevölkerung voneinander abweichender Lösungen sehr schwer gegangen. Die Zuchtflüssigkeiten habe ich, anstatt der früher gebrauchten BEAUMEschen Skala, der Übersicht- lichkeit halber nach spezifischem Gewicht bezeichnet, zusammen- gestellt. 136 A. Abonyi, Bei allmählichem Übergang der Züchtung in dichtere Salzlö- sungen waren die Schwierigkeiten geringer, als umgekehrt. Schon im 6. Monate der Züchtung ist in einer Salzlösung zwischen 1035 — 1110 spezifischem Gewicht bei einer Temperatur zwischen 18° bis 30° C die Vermehrung so gut gegangen, daß ich weitere Erfolge erwarten konnte. In den ersten Tagen des Juni habe ich in der in Lösung von 1045 spec. Gewicht bewerkstelligten Züchtung Individuen ungewöhnlicher Form wahrgenommen, welche nach einigen Häutungen (zwei Exemplare waren vollkommen ausgewachsen) sich als männliche Tiere erwiesen haben. In einem viereckigen, 12 1 fassenden, die Zucht enthaltenden Glasgefäß habe ich sie mehrere Tage hindurch beobachtet. Man konnte sie leicht an ihren Greifantennen erkennen, hauptsächlich daran, daß sie mit den gefangenen weiblichen Tieren in längerer Ko- pulation verblieben, mit ihnen in Zwischenräumen von 4 — 5 Minuten einen befruchtenden Aktus vollbrachten, dann nach mehrstündigem Miteinanderschwimmen ein andres weibliches Tier einfingen. Um die Veränderungen zu beobachten, welche die männlichen Artemien durch die Befruchtung auf die Eier ausüben, habe ich sie mit je einem weiblichen Tier isoliert. Ich habe jedoch weder in der Dicke der Eihaut, noch in der Keifung des Eies, bzw. im Lebend- gebären der Weibchen einen Unterschied wahrgenommen, sie reiften ebenso innerhalb des Eihalters wie bei den in gleicher Konzentration lebenden jungfräulichen Schwestern. Am 11. Juni 1911 zeigten sich an beiden Männchen Alterserschei- nungen. Ihre rote Farbe verblaßte, sie ruderten träge mit ihren kie- mentragenden Füßen. Am 12. lebte das eine nicht mehr, das andre bewegte sich kaum. Beide habe ich in Formalin und dann in Alkohol konserviert samt ihren Weibchen (s. Fig. 4). Das Erscheinen von Männchen hat mich um so mehr überrascht, als es die ersten Exemplare waren, welche aus den Salinen bei Capo- distria herrühren. Es ist dies um so überraschender, als nach Artom (10) dort keine vorhanden sind, auch keine Männchen vorhanden sein können, weil die dort vorhandene Artemia salina die männchen- lose Varietät ist. Artoms Auffassung kann daher jetzt nicht mehr aufrecht erhalten werden, wahrscheinlich auch für die parthenogenetischen Artemien andrer Orte nicht, denn, wie ich es schon oben auseinandergesetzt habe, wird allmählich kaum ein Ort zu finden sein, wo Männchen sich nicht vorfinden ließen. Die auf histologischer Grundlage gebauten zwei Formen Artoms, univalens und hivalens, habe ich keinen Grund, Experimentelle Daten zum Krkcnncn der Artemia-Gattung. 137 in Zweifel zu ziehen; glaube jedoch, daß ihre Bedeutung als >> Varie- tät« von nicht solcher Tragweite ist, daß hierauf weiter gebaut werden könnte. Meine männlichen Exemplare unterscheiden sich übrigens von den aus Cagliari stammend beschriebenen gar nicht, wovon wir uns durch Vergleichung der Köpfe des von Artom mitgeteilten und dem eines von meinen Männchen überzeugen können (Fig. 5). Übrigens hat auch schon Anikin (G) von Aitemien, welche in der Eegel sich paithenogenetisch fortpflanzen, Männchen gezüchtet, deren Vorkommen er auf Nahrungsmangel zurückfühlt. Da ich bis jetzt A B Textfig. 5. Köpfe miinnlicheT Artemia salina. Ä, aus Cagliari nach Photographie Artom (7); B, aus meiner Züchtung von Protorose, eigene Photographie. 1 Stäche Vergrößerung. in meiner Züchtung außer den erwähnten zwei Männchen keine andern gefunden habe, kann ich keinen bestimmten Standpunkt einnehmen. Ihr Erscheinen kann ich derzeit nicht begründen. Möglicher- weise kann man es — auf Grund von Analogien — auf eine schnellere Entwicklung in höherer Temperatur zurückführen. X. Meine Artemiazüchtungen von Süßwasser angefangen bis zur Grenze der Kristallisationsdichtigkeit. Ich hatte im Sommer 1911, in Lösungen zwischen 1012 und 1142, welche ich durch Verdünnung oder Verdichtung meiner Nährlösungen dargestellt habe, stabile Züchtungen erzielt. Zu dieser Zeit konnte ich schon die voneinander abweichende Einwirkung der verschieden konzentrierten Salzlösungen auf das Gehaben der Aitemien auch in bezug auf das Legen der Eier und Gebären lebender Tiere beobachten. 138 A. Abonyi, In Lösungen geringer Dichtigkeit schwammen sie lebhaft ohne Hindernis in jeder Kichtung, hingegen zeigten sie sich in dichteren Lösungen träger, ihre Bewegungen waren weniger lebhaft, die Ruder- bewegungen ihrer Kiemenfüße seltener; sie mußten immer gegen die hebende Wirkung der dichten Lösung kämpfen. In den dichtesten Lösungen kämpften sie mit dem Kopf nach unten gewendet gegen die auftreibende Kraft der Lösung, welche die weniger strebsamen so- gleich an die Oberfläche jagte. Dieses fortwährende auf dem Kopf- stehen beginnt schon im Larvenzustand. Der Abdominalteil der Naupliuse enthält die an Fettropfen reichen embryonalen Zellen, welche diesem Körperteil, im Vergleich mit dem vorderen, ein gerin- geres specifisches Gewicht verleihen. Es ist anzunehmen, daß diese Wirkung des Unterschieds des specifischen Gewichts auf die sich entwickelnde Artemia ebenso modi- fizierend einwirkt, als das freie, rasche Herumschwimmen in wenig dichter Lösung. In dichter Flüssigkeit ist das Abdomen mit seinem Furcalende ein außer Tätigkeit gesetzter Körperteil, ein überflüssiges Organ, hingegen ist es in diluierten Lösungen »Steuerapparat mid Schwimmorgan, wie bei den in Süßwasser lebenden Branchipusen. Der Beobachtende gelangte zu demselben Schluß, welchen Entz (48) für die Artemien der Salzseen Siebenbürgens gezogen hatte, ins- besondere daß der Schwanzanhang ein Steuerapparat ist, welcher der Inanspruchnahme entsprechend sich entwickelt. Ich habe auch beobachtet, daß die Artemien in weniger dichtem Salzwasser größer und in dichterem kleiner sind, worauf übrigens schon ScHMANKEWiTscH die Zoologen aufmerksam gemacht hat. Ferner habe ich beobachtet, daß die Artemien in weniger dichten Lösungen (unter 1050 spec. Gew.) keine Eier gelegt haben, sondern ohne Ausnahme lebende Junge gebaren; hingegen nahm oberhalb be- zeichneter Dichtigkeit (1050) mit Zunahme derselben die Zahl der Eierlegenden zu. Die Eier haben sich in diesen dichten Lösungen an die Oberfläche gehoben und in sehr großer Menge angehäuft, in kleinem bot sich ein Bild dar, wie es in den konzentrierten Salzseen Siebenbürgens im Herbst sich einzustellen pflegt (Viski 108). Bei vorsichtigem Zusatz wenigen Süßwassers, wodurch die obere Schicht der Salzlösung stark verdünnt wird, entwickelt sich eine ungemein große Zahl von Eiern, welche das Aquarium wieder bevölkern. Gewiß wird auch in der freien Natur die Verdünnung der Salzlösung durch Regen- oder Grundwasser, in Salinen durch Zufluß von neuem Meer- wasser die Entwicklung der Eier durch Anregung osmotischer Er- Experimentelle Daten zum Erkennen der Artemia-Gattung. 139 scheinungon begünstigen, wie dies Ostrumoff (81) und Breckner (30) bei der Entwicklung der Artemia-Eier beobachtet haben, und wie ich es in bezug auf die Entwicklung der Eier sämtlicher Phyllo- poden experimentell sichergestellt habe (Abonyi 4). Es ist schon Schmankewitsch aufgefallen, daß in weniger salz- haltigem Wasser das Verhältnis des Abdomens zum Rumpfteil bei der Ärtemia ein andres ist, als in konzentrierten Lösungen (Taf. I). Es war ein allgemein angenommenes Axiom der Systematik, daß im Verhältnis des Kopf-Rumpf (Stamm) und des Abdomens der Arte- mien zueinander bei den i>Artemia-A.xtQ\\<<- das Abdomen länger ist als der vordere Körperteil, hingegen bei den » Callaonella- Avten<<, welche in Süßwasser oder wenig salzigem Wasser fortkommen, der Kopf-Rmnpf länger ist als das Abdomen. Ich war sehr überrascht, wahrzunehmen, daß bei den in meiner verdünntesten Salzlösung (1012) lebenden Artemien das Körperverhältnis sich in einer solchen Weise änderte, wie es für die Untergattung Callaonella charakteristisch ist, d. h. das Abdomen ist kürzer geworden als die Länge des Kopfes und Stammes zusammen. Diese Beobachtung hat mich veranlaßt, zu versuchen, dieses Verhältnia bei den Artemien durch weitere Verdünnung der Lösung auf das für Callaonella festgestellte Verhältnis zu führen. Dies ist mir jedoch bisher nicht gelungen, weil meine Artemien unter 1010 spec. Gewicht der Lösung keine stabile Zucht ergaben. Sie leben noch bei 1005, sogar bei vorsichtiger Verdünnung dieser Lösung, — so daß sie schon als Süßwasser betrachtet werden kann, wie es mir auch gelungen ist, in so wenig dichter Lösung gleichzeitig Branchipus stagnalis, Streptocephalus torvicornis und Artemien mehrere Tage hin- durch lebend zu erhalten. In eine so wenig dichte Lösung kann man nur aus der unmittel- bar nächsthöheren Konzentration Artemien überführen, weil die aus den Lösungen mittlerer und hoher Konzentration übertragenen in kurzer Zeit zugrunde gehen, gewiß deshalb, weil — wie es Höber (65) voraussetzt — das osmotische Gleichgewicht mit der Salzlösung so hoch eingestellt ist, daß es sich mit der verdünnten nicht mehr ausgleichen kann. Mit allmählicher und gradueller Verdünnung habe ich mehrere Monate hindurch meine Artemien durch fünf bis sechs Generationen in die verdünntesten Lösungen überführt, aus welchen mittels vorsichtig vollführter gradueller Manipulation sie wieder in die konzentrier teste Lösung zurückversetzt werden können. Das letztere geht jedoch leichter, denn durch gleichmäßige allmähhche 140 A. Abonyi, Verdampfung kann man ohne Unterbrechung leichter zu Flüssigkeiten größerer Konzentration und dadurch neuer Artemienformen gelangen. Ich habe jedoch einen hartnäckigen Widerstand beobachtet, den der einmal sich accommodiert habende Organismus, wenn er einmal schon differenziert ist, auch in seinen Nachkommen zu leisten bestrebt ist. Daß die äußeren Faktoren dennoch über den konservativen Or- ganismus siegen, wird durch beifolgende drei Originalphotographien, im Vergleich zu daneben gestellten zwei CaUaonella -Zeichnungen Grochowskis und Kulczyckis, auffällig illustriert (Taf. I, Fig. 1 — 5). XI. Die der Salzkonzentraiion entsprechende Form. Die Modifikation der Gabelanhängsel. Änderung des Wuchsverhältnisses. Schon die oberflächliche Besichtigung der Züchtungen hat mich davon überzeugt, daß zwischen den in größter Konzentration und am wenigsten dichter Flüssigkeit gezüchteten Artemien ein Unter- schied in der Farbe, Größe, Gabelfortsätzen, Körperverhältnissen und Umwandlungsfähigkeit besteht. Jedoch zeigen die Züchtungen, welche einander in der Konzentration nahe stehen, einen derart minimalen Unterschied, daß man bei diesen nur wegen der Konti- nuität der Reihe darauf schließen könnte, daß auch bei diesen eine ähnliche Modifikation des Organismus besteht, wie sie bei den Re- präsentanten der extremen Formen sich auffällig zeigt. Zuerst habe ich die Gabelanhängsel untersucht. Nach Form derselben wurden eben die Artemien in Arten, bzw. Varietäten ein- geteilt. Ich sende voraus, daß die in den verschieden konzentrierten Sa- linen Portoroses (Piranos) vorkommenden Artemien in der Literatur als Artemia arietina Fischer, bzw. Artemia salina (L.) var. arietina (Fisch.), Dadays Bezeichnung, figurieren. Erwachsen sind sie 12 bis 14 mm lang, vermehren sich parthenogenetisch, ihre Gabelborsten sind zumeist 4 — 4, 4 — 3, 3 — 3, 3 — 2, nur selten und bei den unent- wickelten Formen ist ihre Zahl geringer. Wenn der Borsten wenig sind, und zwar 2 — 2, 1 — 2, so sind die Gabelfortsätze fingerförmig, sind die Borsten zahlreicher, so sind die Gabelfortsätze plattenförmig ausgebreitet. In der permanent gehaltenen Lösung des Laboratoriums hörte die Variation der Borstenzahl auf, oder war aufs Minimum reduziert, HO daß ich bei den permanenten Züchtungen kaum eine Abweichung gefunden habe, wenn ich vollständig ausgewachsene Exemplare unter- sucht habe. Hingegen konnte ich bei Züchtungen in Lösungen ver- Expci'iiiu'nti'Uo Diitcii zum Krkcunrn dvv Arti'inia-Gattung. 141 ^^(•llio(lelUM• Dichte eine Vcrschiedoiilioit dor Zahl der Borsten und der Form des (iabelfortsatzes beobachten, welche nicht nur von der Muttorzüchtunt;, sondern auch voneinander wesentlich unterschieden waren (Fig. (>). Von den diluiertesten Lösungen 1003, 1005 und 1010 spec. Gewicht abgesehen, in welchen die normale Fortpflanzung nicht bestand, daher auch eine dauernde Züchtung nicht m()glich ist, sind die Tiere unter gewissen Zeichen der Verkümmerung noch vor ihrer Geschlechtsreife zugrunde gegangen. Diese trugen bis zu ihrem Ende jene Merkmale, welche sie von der ■Mutterzucht mitgebracht haben. Hingegen schien Textfig. 6. ])ii' Oabrll'ortsätzc mit den Borsten der in verschitd.^nen dirhton Lösungen lebenden Artcmien. Die eingeschriebenen Zalden zeigen das specitische Gevviiht der Lösung an. Vergr. etwa 25fach. bei den stabilen Züchtungen ein Zusammenhang zwischen der Kon- zentration der Lösung und der Zahl der Borsten zu bestehen, wie ihn Entz (98) in den Salzseen Siebenbürgens und Artom (8) bei den in Cagliari vorkommenden Artemien auch beobachtet haben, daß nämlich in weniger dichten Lösungen die Zahl der Borsten geringer, in kon- zentrierten Lösungen zahlreicher ist. Bei 1012 spec. Gewicht ist die Züchtung nach und nach gut ge- gangen, noch besser, wenn ich die Konzentration der Lösung auf 1015 hob. In dieser Lösung entwickelten sich plattenförmig die Gabelfort- sätze, auf welchen viele Borsten entstanden, und die sich zum Teil oder ganz abschnürten, was wahrscheinlich deshalb notwendig geworden ist, weil hierdurch die Artemien, sowie die im Süßwasser lebenden 142 A. Abonyi, Branchipuse das Abdomen leichter biegend, schneller, sogar schnellend schwimmen können. Hiermit steht im Zusammenhang, daß der ab- gegliederte Gabelfortsatz von der Nachbarschaft Muskeln erhält. Die Nachkommenschaft der ursprünglichen >>anetina<<- Formen hat in diesen wenig dichten Lösungen einen für die »'principalisi^-Yarietät charakteristischen Gabelfortsatz entwickelt, einen ebensolchen, wie er bei den Süßwasserbranchipusen , sowie auch bei der in Süßwasser und Halbsüßwasser (Brackwasser) lebenden Artemia Jelskii vorhan- den ist. In der Lösung von 1023 — 1035 ist die Zahl der Borsten noch immer bedeutend, aber die Abgliederung des Gabelfortsatzes kommt nicht einmal ausnahmsweise vor. Die Artemien schwimmen lang- samer, führen mit ihrem Abdomen nur ausnahmsweise Schnellbewe- gungen aus, ihr Gabelfortsatz ist plattenförmig mit vielen Borsten, von welchen die mittleren sozusagen auf Kosten der übrigen sich zu verlängern beginnen. Diese Form ist schon die »an'e^ma «-Varietät, doch steht sie noch nahe der »principalis«. Mit Zunahme der Konzentration nimmt von da an die Zahl der Borsten rasch ab. Dementsprechend fangen die plattenförmigen Gabel- fortsätze an, fingerartig zu werden. Von 1045 angefangen bis 1050 bis 1055 und weiter bis 1080 nimmt die Zahl der Borsten gradatim ab, bis sie bei 1080 auf 2 — 2 reduziert ist, deren eine oft verkümmert ist, sowie auch der sie tragende Gabelfortsatz. Bei noch dichterer Lösung verkümmert der fingerförmige Fort- satz noch mehr und erhebt sich aus ihm nur je eine stachelförmige Borste. Es liegt eine andre Form der Systematik, var. Milhausenii, vor uns. Bei den in einer Lösung von 1142 lebenden Tieren sind in großer Zahl schon solche Exemplare vorhanden, welche von den je einen Stachel führenden darin abweichen, daß der eine oder der andre Stachel samt dem Stumpf des Gabelfortsatzes sich gar nicht entwickelt. Es kommen auch solche vor, die weder einen Gabelfortsatz noch Borsten besitzen, diese neue Form ist die den Gabelfortsatz entbehrende var. Köppeniana. Aus den Nachkommen ein und derselben Zucht habe ich eine ganze Schar von Formen gefunden, welche älteren Arten und noch neueren Varietäten entsprechen. Im Wege der Konzentration verändern sich auch die von ScHMANKEWiTSCH uud Artom detailliert untersuchten Kiemen- blätter. Auch der Wuchs verändert sich, mit dessen Verhältnissen Experimentelle Daten zum Erkennen der Artemia-Gattung. 143 wir uns noch besonders beschäftigen werden. Schmankewitsch hatte somit recht, er hat aber das Wesen der Sache mit der Äußer- lichkeit verwechselt. Nicht die Artemia salina hat sich in eine andre Art verwandelt, sondern die Form der Art wurde durch die Umgebung gezw^ungen, eine andre Gestalt anzunehmen. Es kann als Polymor- phismus angesehen werden, wenn ein oder das andre Zeichen aus bekannten oder unbekannten Gründen konsequent sich verändert ent- wickelt. XII. Variationsreihe und die Rolle der Neotenie hierbei. Was den Gabelfortsatz und die Variation der Zahl der auf ihm befindlichen Borsten anlangt, so habe ich schon gelegentlich der ersten vergleichenden Untersuchung festgestellt, daß ich eine gewisse in einheitlicher Richtung stattfindende Variation vor mir habe, welche mit der Dichtigkeit des Wassers einen gewissen beständigen Zusam- menhang zeigt. Daß nicht die chemische Zusammensetzung des .Salzes — in den bisherigen vorwiegend NaCl — der die Reaktion auslösende Faktor ist, sondern die Dichtigkeit der Lösung, konnte ich mit Salzlösungen von Mg804 ^^^^^ CaCl2 gewonnenen Daten bald konstatieren. Wahrscheinlich wirken die Isotonie, die Isoviscosis und das gleiche specifische Geweicht zusammen zum Hervorbringen gleichartiger Resultate. Darauf muß ich noch besonders zurück- kommen, hier kann ich nur auf den die Entwicklung hindernden Ein- fluß des Grades der Konzentration hinweisen (Brauer 28). Diese Variationsreihe, welche in ihrer Vollständigkeit auf in gleicher Temperatur, von demselben Orte, von gleichen Eltern in verschieden konzentrierten Lösungen gezüchteten Nachkonmien stam- men, besteht aus solchen Formenzeichen, deren Individuen im Gange ihrer Entwicklung mit gradatim auftretenden Zeichen auffallen. AVenn wir vom Salzwasser aufwärts die Varietäten principalis, arietina, Milhausenii und Köppeniana als Formgruppen beibehalten, so müssen wir, wenn wir die Differenzierung des Gabelfortsatzes und die Zunahme der Borstenzahl in Betracht ziehen, umgekehrt von der Köppeniana-^ orn\ ausgehen, um die Einheitlichkeit der Ent- wicklmigsreihe zu verstehen. Wenn wir die Zucht der einzelnen Formen, mit Rücksicht auf die Entwicklimg des Endes des Abdomens, bzw. des Gabelfortsatzes, der Reihe nach untersuchen, so kommen wir sogleich darauf, daß in der Zucht der Köppeniana, sowohl bei jungen als entwickelten Individuen, von den Naupliusen aufwärts, keine einzige Entwick- 144 A. Abonyi, lungsform einen Gabelfortsatz besitzt, alle haben ein abgerundetes Ende des Abdomens. In der Zucht der Milhausenii (Fig. 7) zeigen sich die Naupliuse, auch die Postnaupliuse mit abgerundetem Hinterleibende, auch unter W Textfig. 7. Die Entwicklung des Gabelfortsatzes und der Borsten in einer Lösung von 1142 spec. Gewicht. Die Zahlen zeigen die Länge der gezeichneten Artemien in mm. Vergr. etwa 50 x . den halb ausgewachsenen gibt es noch solche ohne Borsten. Bald wächst eine oder andre Borste heraus, welche bei geschlechtsreifen Tieren stachelförmig sich entwickeln und auf einem sich erhebenden Hügelchen, welches man für den Beginn des Gabelfortsatzes halten Textfig. 8. Die Entwicklung des Gabelfortsatzes. Gang der Entwicklung in einer Lösung von MgSOi von 1045 specifischem Gewicht. Die Zahlen zeigen die Länge des Tieres in mm. Vergr. etwa 20 x . kann, sitzen. Es gibt daher eine Jugend- oder Larvenform der Köp- peniana -¥ovm, und diese wird von der definitiven Milhausenii- Form, mit einem fingerartigen Fulcrum und stachelförmiger Borste, abgelöst. Bei der anetina-Yorm (Fig. 8) finden wir junge Köppenianüf Experimentelle Daten zum Erkcnmn der Artemia-Gattung. 145 Milhausenii mittleren Alters und vollständig geschlechtsreife arietina- Fornien, bei welchen ein plattenförmig verbreiteter Gabelfortsatz mit vielen randständigen Borsten vorhanden ist. Dieser Gabelfortsatz ist vom letzten Gliede des Abdomens nicht abgegliedert. Bei der prmcipalis-Fonn wiederholen sich im Laufe der indivi- duellen Entwicklung in der Reihe die vorangehenden Formen. Der Nauplius und Postnauplius mit abgerundetem Ende des Abdomens L. Textfig. 9. Skizze der Entwicklung des Abdomenendes bei der Gattung Artemia und ilire Formen. I, Nau- plius; //, erster Grad der Entwicklung; ///, zweiter Grad der Entwicklung; IV, Zustand der Geschlechtsreife. Reihe A, Forma Köppeniana; Reihe B, Forma Milhausenii; Reihe C, Forma arietina; Reihe D, principalis: Reihe E, Forma Jelskii. ist der Köppeniana -Tj^ws. Bei der folgenden Entwicklungsform wächst am Ende des Abdomens je eine Borste hervor, welche von einem pyramidenförmig sich erhebenden primitiven Gabelfortsatz getragen wird, es ist dies die Entwicklungsform der Milhausenii, neben dessen Hauptborste seitwärts Nebenborsten hervorsprießen. Durch die Entwicklmig dieser Nebenborsten in großer Zahl wird der Gabelfortsatz plattenförmig gespannt, da haben wir die arietitia-¥oi\Xi Zeitschrift f. wssensch. Zoologie. CXIV. Bd. 10 146 A. Abonyi, vor uns. Infolge des großen Flächenwachstums erhält der Gabelfort- satz vom letzten Abdomenabschnitt Muskelelemente, welche den Gabelfortsatz als Ruderapparat bewegen, die andauernde Muskel- tätigkeit bringt die Gliederung des Gabelfortsatzes hervor. Wir haben dann die principalis -J^orm vor uns, welcher Typus auch für die in Brackwasser (halbsalzigem Wasser) lebende Artemia Jelskii charakteristisch ist. Was die Entwicklung der Gabelfortsätze und hierauf bauend, die aus der individuellen Entwicklung zu schließende Differenzierung anlangt, können wir mit Recht voraussetzen, daß die Stammform der Artemia salina die 'principalis-'Form. ist, welche, was ihren Gabel- fortsatz anlangt, mit den Branchipusen übereinstimmt, während die arietina-, Milhausenii- und Köp peniana-¥ oiraen je nach der Konzen- tration der dichten Salzlösung entsprechende fallweise ModifikationÄi sind, welche in den verschieden bewerteten Stadien der Entwicklung stehen geblieben, geschlechtsreif wurden, und so als auf den ver- schiedenen Stufen befindliche Neotenie betrachtet werden können (Fig. 9). XIII. Darstellung der Konstanten der Variationen mit Kurve. Schon ScHMANKEWiTSCH (92), dann Samter imd Heymons (87), sowie Artom (8) haben zum Zwecke der genauen Vergleichung der in verschieden dichtem Salzwasser lebenden Ärtemia-'F ovmen die Entwicklung der Gabelfortsätze, deren absolute und relative Größe, die Form der Kiemen, die relative Größe des Körpers zum Gegen- stand systematischer Untersuchung gemacht. Auf das letztere will ich besonders hinweisen, weil sie als Artunterscheidungsmerkmal an- gesehen wird. Außer den Daten der oben genannten Forscher habe ich zur Beurteilung letzteren Verhältnisses in v. Dadays Monogra- phie >>Phyllopoda anostraca<< eine wertvolle Reihe von Messungen gefunden, welche mir zur Kontrolle des Wertes meiner Daten behilf-' lieh waren. Auf Grund der vorangegangenen Beobachtimgen habe ich in der Bewertung der Formveränderungen, zur Feststellung der Rich- tung der Variation den Grad der Entwicklung des Gabelfortsatzes benutzt. Dennoch halte ich zum Zwecke der Beurteilung des Wesens der Variationen nicht dieses, sondern die Eigentümlichkeit des rela- tiven Verhältnisses zwischen Abdomen und Stamm für wichtiger. Deshalb habe ich dies genauer durchgenommen, mit welchem, wie wir sehen werden, die andern Zeichen funktionsartig sich anschließen. Experimentelle Daten zum Erkennen der Arteniia-Gattung. 147 Diese Zeichen, welche für die eiiizehien Formen charakteristisch sind, entstehen in AVirklichkeit aus der Veränderung der C4rundgestalt und kihinen deshalb nui- als von sekundärem Wert betrachtet werden. Ich habe auf Grund der Erfahrung, daß die Artemien getötet, auch bei der größten Vorsicht, ihre Form verändern (je nach der Kon- zentration der Züchtungslösung quellen sie einmal auf, das andere Mal schrumpfen sie), die Messung derselben in lebendem Zustande durchgeführt. Sie hat große »Schwierigkeiten, weshalb ich an den Momentphotographien der Tiere die Messungen ausgeführt habe. Behufs Aufnahme habe ich die Artemien in eine Glasküvette gebracht, zwischen deren Wand und einem flachen Uhrglas zusammengehalten, mit zweimaliger Vergrößerung mittels Bogenlampe durchleuchtet, ^/loo ^^^- ausgesetzt. Das flache Uhrglas hat dazu gedient, die Tiere in ihrer Bewegung zu behindern, damit sie in ihrer ganzen Länge im Bilde erscheinen. Die Vergleichung der Lichtbilder, bzw. ihre Zusammenstellung in der Reihe ließ auf den ersten Blick den graduellen Übergang von Salzwasser geringer Dichtigkeit in solches von hoher Konzentration wahrnehmen (Taf. II). Behufs Feststellung des den Übergang indi- zierenden Maßes habe ich die Messungen so vorgenommen, daß ich den vorderen Rand des zwischen Stamm und Abdomen liegenden Eisackes als Mittellinie annahm (Taf. I, Fig. Ex). Der vor dieser Linie befindliche Teil gilt als Kopf- und Stammteil, der hintere Teil als das Maß des Abdomens. Um die Linie der Veränderungen auffälliger zu machen, habe ich das Maß der Lichtbilder fünfmal vergrößert (somit in zehnmaliger Vergrößerung) aufgetragen, und zwar das Maß von je zehn Individuen mit Bezeichnung der Salzkonzentration auf eine besondere Linie, und damit ich den Überblick vereinheitliche, habe ich die Grenzlinie zwischen Stamm und Abdomen mit 0 bezeichnet (Fig. 10). Es ist auf den ersten Blick wahrnehmbar, daß die Reihe des relativen Maß- verhältnisses des vorderen und hinteren Körperteils nach einer be- stimmten Tendenz gleichmäßig fortschreitet. Vom Optimum der Zucht — welches übrigens auch von der sehr guten Entwicklung der in etwa 1050 spec. Gewicht Lösung gezüchteten Artemien wahrge- nommen werden kann — gegen die verdünntere Lösung hin, sowie gegen die höhere Konzentration ist ein allmähliches Abnehmen der Maße zu sehen. Während der auf den Oberleib bezughabende Wert in beiden Richtungen gleichmäßig abnimmt, zeigt das Maß des Hinter- leibes in der Richtung gegen die geringe Konzentration eine rasche 10* 148 A. Abonjä, Abnahme, gegen die höhere Konzentration hin zeigt sich anfangs eine Vergrößerung und nur weiterhin eine Verminderung. Dieses Verhältnis zeigt sich deutUcher, wenn wir mit Mittelwerten rechnen. Wir können diese Formveränderungen sehr auffällig darstellen, wenn wir den auf den vorderen Körj^erteil bezughabenden Faktor Spezifisches Ge- wicht der Koch- salzlösung -^ a g 'S. a WS 3 S § ^^ 2 a 3 1 Mittelpunkt zwi- schen Rumpf u, 0 Abdomen Z 4 h a m 6 i- 50 o 2 ^i/^ ^ ^«^ i 40 i vy /■ 2y 30- ^ .1^ -20- - > / ■■ 1 10 -f^H \ 0 __. S 2 :s\ /: i ^ i o o i o •Ol 1 2 ?. ^ o o :sV i ö o i O o o o «—«'—' ^-« -— • ^-« -10 -# " ^ ^ ^1 —20- ^' yi -30 > ' -w-J / -ÖO Züchtung mit CaCU- Textfig. 11. Die Kurve, welche aus der specifischen Gewichtzahl der Zuehtlösungen und aus den entsprechen- den Verhältniszahlen zwischen Rumpf- und Abdomenlänge der dazu gehörenden Artemien kon- struierhar ist, mit der Auftragung der gegenwärtigen ^r/ewiia-Formen. unter der Linie 0 etwa in der Höhe 40. Auch das Köppenianische Ende der Kurve hört dort auf, wo die Konzentration schon so groß ist, daß mit dem Beginn der Kristallisation des Salzes für sie die Le- bensbedingungen aufhören. Auf diesen Kurven sind sämtliche gegenwärtige .-l/Yew?'« -Formen in der Reihe unterzubringen; auch die benachbarten Formen und deren Grenzformen sind feststellbar. Das Wesen der Ordnung ändert sich auch dann nicht, wenn wir anstatt der auf den Kurven aufge- 152 A. Abonyi, tragenen DADAYschen Namen die ScHMANKEWiTSCHschen Namen auf- tragen. Es wird dann anstatt der Namen Jelskii, principalis, arietinüy Milhausenii und Köppeniana Jelskii Artemia salina var. h, var. a, typica, Mülhausenii var. 1 und var. 2 kommen. Wir können auch die von Entz (49) bestimmten zwei ^4rfemm-Haupttypen mit Recht aufrecht erhalten, welche die Formen der Kurve von der Mitte rechts und links verbinden. So können die Formen Jelskii, principalis und arietina als in dünnen Lösungen lebende Formen in dem »Furcata«- Typus zusammengefaßt werden; hingegen sind die Formen, welche in konzentrierten Lösungen leben, wie die höheren Formen der arie- tina, die Milhausenii und Köppeniana, mit dem Namen y>biloba<< be- nennbar. Es folgt aus der Darstellbarung mittels Kurve auch, daß die ein- zelnen Formenkreise nur in großer Allgemeinheit bezeichenbar sind, weil der Übergang zwischen den Formen ununterbrochen ist. Mit diesen ununterbrochenen Übergängen ist auch jene Tatsache in Zu- sammenhang, daß Daday (43) innerhalb der einzelnen Formenkreise (Varietäten) sogenannte innere Variationen feststellen konnte. XIV. Die Eigenschaften der NaCI-Variantenkurve (Fig. 11) und die Bezeichnungsweise der dazu gehörenden Artemiaformen. Die vorher verhandelte Kurve, die ^rtemm- Variationsreihe, be- zieht sich auf solche Lösungen, in welchen vorwiegend NaCl vorhanden war. Dieses hebe ich deshalb hervor, weil man auch aus den Daten der schon erwähnten in CaCl2- und MgS04- Lösungen gemachten Züchtungen eine solche Kurve konstruieren kann. Mit dem relativen Werte dieser werden wir uns noch weiterhin beschäftigen. Die Variation der ^rtemm-Gattung zwischen solchen breiten Grenzen bedeutet unter allen Umständen so viel, daß die Form je nach der Eigenschaft der Lösung für sich einen Gleichgewichtszustand sichert. Es wäre jede Artemia-Voria am richtigsten so zu bezeichnen, daß in der Bezeichnung auch der Konzentrationsgrad zum Ausdrucke käme, was man mit der specifischen Gewichtsnummer oder mit der diese substituierenden Verhältniszahl zwischen Rumpf und Abdomen zum Ausdruck bringen könnte. 8o könnte man anstatt in dem süßen- halbsalzigen Wasser lebenden Artemia {Callaonella) Jelskii: Artemia 1000 — 1010 oder Artemia 100/60 schreiben; anstatt principalis bei meinen Züchtungen Artemia 1018 (NaCl) —1025 (NaCl), oder Arte- mia Y7^' anstatt arietina: Artemia 1035 — 1050 (NaCl), oder Artemia Experimentelle Daten zum Erkennen der Artemia-Gattung. 153 -^ — ryr , und SO weiter. Man konnte auch für die Arteniien aus CaC'lo und Mg804 diese Bezeichnung beibehalten, Artemia 1020 (CaClg) und Artemia 1040 (CaCl2). Bei den Bittersalzlösungen: Artemia 1045 {MgS04) und Artemia 1125 (MUSO4) oder bei letzteren mit der Bezeichnung Artemia und Artemia , • 140 loo Bezüglich der Kurve wissen wir in jedem einzelnen Falle, auf welchen Platz des Koordinatensystems die in Frage stehende Form gehört, wenn wir den Konzentrationsgrad der Züchtung oder die Verhältniszahl zwischen Körper und Abdomen kennen. Wir können auf Grund dieser Kurve schon vorher sagen, wohin, z. B. bei einer NaCl-Lösung, welche eine Konzentration 1080 hat, die in dieser Lö- sung sich fortpflanzenden Aitemien in dem Koordinatensystem ge- hören. Aber wir werden auch mit andern Tatsachen bekannt, wir werden auch wissen, daß die Kiemenblätter, die Gabelfortsätze, die allgemeine Körpergestalt und die Lebensweise mit jenen Formen übereinstimmen, welche — in diesem angenommenen Falle — mau unter dem Namen var. Milhausenii in der Systematik kennt. Wir können auch in solchen Fällen den richtigen Umstand fest- stellen, daß, wenn wir in der Natur in sehr stark konzentriertem Salzwasser z. B. die »principalis «-Formen sammelten, es klar sein wird, daß diese Formen sich zu einer Zeit entwickelt haben, als das Wasser noch ganz dünn war, und daß erst nach der vollen Entwicklung das Salzwasser schnell sich verdichtet hat. Der von Behning (22) er- wähnte Fall gehört auch hierher. Er hat nämlich, wie er erwähnt, im Sommer Artemia salina var. principalis in solchen stark salzigen kleinen Tümpeln gesammelt, welche im Frühjahr alle wegen der reichen Frühjahrsniederschläge noch zusammenhängend waren, und in wel- chen, trotz der mittlerweile eingetretenen Konzentration, die in der früher dünnen Lösung sich entwickelt habenden Artemia principalis- Formen wimmelten. Die zickzackigen Graphicone in der Arbeit Artoms (8) beruhen wahrscheinlich darauf, daß er die in der Natur gesammelten Tiere nur mit der zur Sammlungszeit vorhandenen Konzentration des Salz- wassers in Zusammenhang brachte, d. h., bei Artoms Beobachtungen sind die Veränderungen der Konzentration während der Entwick- lung nicht berücksichtigt, nur die Konzentration im Momente des Sammeins. Es wäre schwer, die Resultate, welche im Laboratorium sich 154 A. Abonyi, ergeben, in jedem einzelnen Falle mit den natürlichen Bedingmigen in Übereinstimmung zu bringen. Im Laboratorium ist es sehr leicht, den Konzentrationsgrad nach Belieben zu wählen und diesen auch jahrelang zu erhalten. In der Natur sind keine solchen vollständig günstigen Bedingungen vorhanden wie bei Experimenten, weil dort die Konzentration der Salzteiche und der Salinen nicht nur von einem Tag auf den andern sich ändert, sondern auch nach Schichten der Lösung, in welchen auch die Temperatur verschieden sein kann. Wir wissen auch das, daß die Artemien phototaktische Tiere sind (Steuer 104, Bujor 34), bei starkem Lichte im negativen, bei schwachem im positiven Sinne, ebenso wie im allgemeinen auch die andern Branchipus -'Povmen (Abonyi 1) und fast jeder Plankton- organismus. Aus den Eiern der Artemien — wenn sie nicht eben vivipar sind — schlüpfen an der Oberfläche des Wassers die Nauplien aus, aber auch nur dann, wenn die Konzentration des Salzwassers nicht zu hoch ist (OsTROUMOFF 81, Breckner 30). Die jungen Nauplien schwimmen gegen das Licht, bald werden sie negativ heliotropisch, und schwim- men so weit hinunter, bis ihr eigenes specifisches Gewicht (sie sind fast immer leichter als die Zuchtlösung) und ihr Energievorrat dieses ermöglichen. Bis sie ausgewachsen sind, hat sich die ursprüngliche Umgebung schon verändert. Doch jene Tatsache, daß ein Entwick- lungsdurchschnitt existiert, zeigt, daß der Organismus während der individuellen Entwicklung nach einem Mittelzustand strebt, welchen er durch Generationen aufrecht zu erhalten trachtet. Wir können mit Inanspruchnahme der Kurve — • das Obige be- rücksichtigend ■ — über die in der freien Natur gesammelten Artemien eine Aufklärung erhalten, wir können nämlich aus der gesammelten Form und aus deren Verhältniszahl die mittleren Einwirkungen be- stimmen, durch welche die in Frage stehende Form sich entwickeln konnte. XV. Experimentale Daten der beständigen und veränderten Konzentra- tionen der neutralen Salzlösungen mit bezug auf die NaCI-Kurve. Wir wissen schon nach den Angaben Ostroumoffs (81) und Breckners (30), daß die Eier der Artemien außer in den NaCl- Lö- sungen auch in andren Salzlösungen sich entwickeln und in einigen die Nauplien sich noch weiter zu entwickeln beginnen. Nach diesen Daten hoffte ich, daß es mir gelingen würde, in einer oder andern Salz- lösung Artemien nicht nur bis zur Geschlechtsreife zu erziehen, sondern Experimentelle Daten zum Erkennen der Artemia-Gattung. 155 auch zu weiterer Fortpflanzung zu bringen, um einen Vergleich !uit der in NaCl-Lösung betriebenen Züchtungen anzustellen. Außer den NaCl- Zuchtlösungen habe ich mit verschiedenen Konzentrationen der Salzlösungen von Na2S04, K2SO4, MgClg, MgS04, CaClo Versuche gemacht. Zu jeder Lösung habe ich etwa 1% Meersalz gegeben, damit ein Fehlen eines oder des andern Salzes die Entwicklung nicht hemme. Mit der Einvölkerung habe ich 4 70 60 bO\ 40 301 20 10 0 — 10-1 -20 —30 —40 —50] Textfig. 12. • Die charakteristischen Daten im Verhältnis zur XaCl-Kurve der Artemia, nach Veränderung der Konzentration in XaCl. CaCl,- und MgS04-LÖ6ungen. Die Pfeile zeigen die Richtung der Ände- rungen an. •o — bis 5 Tage gewartet, bis aus dem wenigen Schlamm, welchen ich ein- legte, die Algen und Protozoen als Nahrung sich vermehren konnten. Aus den oben erwähnten Lösungen konnte ich tadellose Züch- tungen nur mit der CaCl2 und mit MgS04 erzielen (Taf. III). Ich besitze sehr widerstandsfähige Züchtungen in MgS04- Lö- sungen, deren Daten mir jetzt jedoch nur zum Teil zur Verfügung stehen. Es hat mich sehr interessiert, ob in diesen Züchtimgen die Arte- mien gleichwertige Verhältniszahlen geben, als in der NaCl-Lösung entsprechenden Konzentrationsgrades . 156 A. Abonyi, Als Basis der Vergleichung habe ich die Resultate der schon früher behandelten Kurve benutzt. Nach Konstatierung der entsprechenden Ordinaten und Abscissen habe ich gefunden, daß die charakteristi- schen Punkte der 1040 CaCU-, der 1045 MgSOi- und der 1125 MgSO^- Züchtungen auf die entsprechende Stelle der Kurve fast zusammen oder sehr nahe fallen (Fig. 12). Diese Resultate zeigen, daß auch in andern als NaCl-Salzlösungen bei der Formgestaltung der Artemien gleiche Faktoren wirksam sind. Wahrscheinlich spielen hierbei nicht nur das specifische Gewicht, sondern auch die Molekularkonzentration und die innerliche Reibung der Flüssigkeiten (Viscosis) eine Rolle. Ob und in welchem Maße diese Faktoren die Formgestaltung beeinflussen, habe ich bis jetzt nicht untersucht. Ich halte es jedoch für wahrscheinhch, daß die Abweichungen von der originalen Kurve auf die Außerachtlassung dieser Einflüsse zurückzuführen sind. Um zu erforschen, ob die Konzentrationsänderung bei diesen Flüssigkeiten sich den NaCl-Lösungen ähnlich verhält, bin ich so vorgegangen, daß ich die Resultate jener mit dem in veränderter Kon- zentration der NaCl-Lösungen entstandenen verglich. Schon Schman- KEWiTSCH (92, 96) bemerkte, daß kleine Veränderungen auch bei ge- ringen Konzentrationsänderungen innerhalb einiger Tage bemerkbar sind. Aber die minimalen Veränderungen, welche an ausgewach- senen Exemplaren zum Vorschein kommen, sind kaum so wichtig für die Beurteilung der Formveränderungen als jene, welche bei nach einander kommenden Generationen sich darbieten. Im Verlaufe von zwei Monaten hat sich in einer von 1050 auf 1110 eingedichteten Lö- sung das Verhältnis des Stammes zum Abdomen der Artemien von 100 : 144 auf 100 : 147 gehoben. Während derselben Zeit ist bei einer verdünnten Lösung von 1025 bis 1015 diese Zahl von 100 : 104 auf 100 : 96 gesunken (s. Taf. III). Die Veränderungen in den CaCl2- und den MgSO^- Lösungen zeigen ähnliche Resultate wie die vorigen. Bei einer von 1040 CaCl2 auf 1020 verdünnten Lösung ist die Verhältniszahl von 100 : 130 auf 100 : 117 gefallen. Bei der Erhöhung der Konzentration MgS04 von 1045 auf 1125 hat sich die Verhältniszahl von 100 : 140 auf 100: 168 gehoben. Aus diesen Resultaten darf ich so viel folgern, daß wahrscheinlich nicht nur bei reinen, sondern auch gemischten Lösungen ähnliche Resultate sich ergeben dürften. Experimentelle Daten zum Erkennen der Artemia-Gattung. 157 XVI. Von dem wirklichen Wert der Gattung Artemia. Schlossers (88) Salineiikrebschen hat sich allnüihhch zu einem Heer von Arten vermehrt. Zu Ende des vorigen Jahrhunderts war die Gattung Artemia mit mehr als 20 Arten vertreten, welche Arten V. Daday (43) nach sorgfältiger Untersuchung und Sichtung in zwei Arten, Artemia Jelskii und Artemia salina genannt, zusammengezogen und die letztgenannte Art in vier Varietäten eingeteilt hat. Aus meinen Untersuchungen ist ersichtlich, daß diese Artzusam- menziehung vollkommen gerechtfertigt war. Schon der Umstand, daß unter den von demselben Fundorte stammenden Artemia-Fonnen sämtliche oder die meisten Varietäten zu finden sind, wie dies bei den meisten natürlichen Fundorten der Fall war (s. den auf die Ver- breitung bezüglichen Teil), spricht dafür, daß diese Formen enge zu- sammengehören. Daraus, daß es mir durch meine Züchtungen gelungen ist, die fortschreitende Formenreihe der Gattung Artemia festzustellen, folgt, daß die früheren Artemien, sie mögen als >>Art« oder auch >>Varietät<< genannt sein, mit dieser Bezeichnung nur so aufrecht erhalten werden können, wenn wir in diesem Falle den Begriff von Varietät und Art nicht in biologischer, sondern nur in systematischer Hinsicht ins Auge fassen. Meinen Untersuchungen entgegen sind die Pfleger der Syste- matik in vollem Rechte. Die Gattung Artemia besitzt gut charakte- risierbare stabile Formen in der Natur, denn in den durch die jahres- zeitlichen Niederschläge mehr oder weniger beeinflußten Salzseen, ferner in der fortwährend sich ändernden Konzentration der Salinen, besteht doch eine gewisse Regelmäßigkeit, infolge welcher eine ge- wisse Summierung der Einwirkungen resultiert, wodurch dann ein mittlerer Wert ausgelöst wird. Die Generationen der Artemia ent- wickeln sich diesem mittleren Werte entsprechend, so daß jeder be- stimmte Salzsee oder Saline dem sammelnden Systematiker bestimmte Formen darreicht. Das heißt, für diesen Ort kann die betreffende Artemia -Fonn bei dauernden Verhältnissen als stabil betrachtet werden. Es tritt eben nicht zutage, daß unter andern Verhältnissen die Form sich anders gestaltet hätte, weshalb in diesem Falle, aber auch in andern ähnlichen Fällen, ich jenen Fehler der Systematik, daß sie die Gattung Artemia mit einer so großen Zahl von Arten figu- rieren ließ, natürlich finde. Bateson hatte Recht (ich zitiere nach Steuer), als er behauptet hat, daß es so viele Artemia-Rassen gibt als Fundorte. Die Ursache hien^on ist nicht die Artemia, sondern 158 A. Abonyi, der Umstand, daß unter sämtlichen Fundorten es nicht zwei gibt, die einander vollkommen gleichen würden. Mittels der früher auseinandergesetzten Kurve können wir uns mit großer Leichtigkeit bezüglich dieser großen Reihe der Formver- änderung der Artemien orientieren. Die Gattung Artemia ist ein einheitlicher systematischer Gestaltenkreis, deren Formen, von Fall zu Fall, das Resultat der Accommodation zur Umgebung sind. Bei Entwicklung der Gestalt sind zwei Faktoren im Spiel, der eine ist die Vererbung, welche dasjenige beibehält, was sie unter den gegebenen Verhältnissen beibehalten kann, der andre ist die Um- gebung, welche mit einem Heere von Anregungen den Organismus zur Annahme der Gestalt zwingt. Die folgende Generation macht, im Falle der Veränderung der Umgebung, im Vergleich zur vorher- gehenden nur einen Schritt, schreitet dann fort, bis wir endlich in der vierten bis fünften Generation — was beiläufig ein halbes Jahr aus- macht — die stabil-endgültige Form vor uns haben. Auf die entwickelte Artemia wirkt die Veränderung der Zucht- lösung nicht unmittelbar ein, sie behält ihre bereits entwickelten Hauptzeichen. Schmankewitsch (96) hat wohl in seinen außeror- dentlich genauen Untersuchungen nachgewiesen, daß die Dimensionen der Kiemen und die Verhältnisse des Körpers schon innerhalb weniger Tage sich meßbar ändern. Dies dürfte jedoch wahrscheinlich auf osmotische Einwirkung zurückzuführen sein (Höber 65, du Bois- Reymond 25), während die eigentliche, wesentliche Veränderung, sagen wir die Accommodation an die Zuchtlösung, erst nach mehreren Generationen vor sich geht. Die Lebensweise in diluierter und konzentrierter Salzlösung äußert sich, miteinander verglichen, in vieler Beziehung sehr interessant. Hiervon tat ich schon gelegentlich der »Entwicklung der Formen« Erwähnung. Hier hebe ich nur hervor, daß die in diluierter Lösung lebenden Artemien nicht nur in morphologischer Beziehung den in Süßwasser lebenden Branchipusen näher stehen, ich meine was die Körperverhältnisse und die Entwicklung und Gliederung des Gabel- fortsatzes anlangt, sondern auch darin, daß die Artemien in wenig dichten Salzlösungen nach Art der Branchipuse sich gebaren. Sie schwimmen am Rücken (Abonyi 1 — 3) kreuz und quer in ihrer Nähr- lösung herum, was sie in der konzentrierten Lösung nicht imstande wären, weil sie gegen die auftreibende Kraft des großen specifischen Gewichts derselben kämpfen müssen. Ferner machen die Artemien in diluierten Salzlösungen ebensolche Ruderbewegungen in dorso- Experimentelle Daten zum Erkennen der Artemia-Gattung. 159 ventraler Richtung wie die Branchipuse und führen infolgedessen ebenso lebhafte schnellende Bewegungen aus, wie ihre Süßwasser- verwandten. Eine solche Art zu schwimmen, versuchen die in kon- zentrierten Lösungen lebenden gar nicht, es wäre auch umsonst, denn sie haben keine oder nur rudimentäre Gabelfortsätze, welche bei den in wenig dichten Salzwasserlösungen lebenden die Ruderbeweorunffen des Abdomens erfolgreich macht. Je weniger dicht und je wärmer die Salzlösung ist, desto erfolgreicher ist innerhalb der Existenzbe- dingungen, wegen geringer innerer Reibung der Flüssigkeit, das für Branchipuse charakteristische schnellende Schwimmen. Bei dieser Fig. 13 Schematische Darstellung des Zusammenhanges der Artemia-Pormtn ^ NaapUas -> Entwickelangsgang der Individuen und sogleich der Formen LJ Das Ende des Abdomens, mit der Entwickelungs- sSufe der Fulcra Die Proportionen der Länge des Körpers und des Abdomens conc. Salzwasser -»- Artemia s.str. -> Abfall der Konzentratton -> Callaonella -* Säß\ •*- •*-■ fpArtemia" -Charakter Parthenogonia — -» gemischte Partheno-Gamogonta ^ + ,Branchipas" -Charakter -» herrschende Gamogonia Textfig. 13. Schematisehe Darstellung des Zusammenhanges der Ärtemia-YoTmen. Art zu schwimmen ist die Muskulatur des Abdomens in Tätigkeit, durch welche ein kurzes, kräftiges Abdomen entsteht, welches eben- falls ein gemeinsames Zeichen der Branchipuse und der in wenig dichter Salzlösung lebenden Artemien ist. Aus verständlichen Gründen geschieht in konzentrierter Salz- lösung das Entgegengesetzte, infolgedessen die Entwicklung einer andren Form ganz natürlich ist. Die Modifikation der Form kann daher nicht nur auf die Ein- wirkung der unmittelbaren Umgebung zurückgeführt werden, son- dern der betreffende Organismus wirkt, durch Ausnutzung der bio- logischen Vorteile der Umgebung, hierbei selbst mit. 160 A. Abonyi, Hiermit steht in Zusammenhang, daß man bisher männhche Tiere nur in wenig dichten und mittelkonzentrierten Salzlösungen beobachtet hat {Jelskii, principalis, arietina, Milhausenii), hingegen sind bei den in konzentrierter Salzlösung lebenden {Köppeniana) bis- her noch keine Männchen gefunden worden (Fig. 13). Auf Grund des Obigen können wir die Gattung Artetnia für einen solchen Formenkreis halten, welcher sich nicht in im Sinne der Systematik genommene »Arten<< differen- ziert hat: sie ist eine einheitliche Varietätsreihe, deren jedes herausgegriffene Glied, mit den umgebenden Ein- wirkungen, sich eine Gleichgewichtssituation gesichert hat. XVII. Folgerung aus der Summierung der Resultate. Bei der Variierung, richtiger Bildung von Varietätenreihen, der Artemien ist der sprunglose allmähliche Übergang am meisten auf- fallend. Die Untersuchung dieser Sache vom biologischen Gesichts- punkt aus ist außerordentlich interessant und verrät in seinen Offen- barungen einen auffallenden Zusammenhang mit andern ähnlichen, aber bisher noch nicht auf einheitliche Ursachen zurückgeführten Reihen von Variationen. Bei den Organismen können wir noch in sehr wenigen Fällen den Zusammenhang des Einflusses des Aufenthaltsortes mit der im Organismus erweckten Reaktion, bzw. dessen Äußerung im Verhältnis zu andern Organismen zum Ausdruck bringen. Wir besitzen Daten, aus welchen wir schon früher wußten, daß auf die Einwirkung äußerer Agentien der Organismus mit eigenartigen Veränderungen antwortet. Bei Schmetterlingen zum Beispiel kennen wir bei den unter den Namen Wärme- oder Feuchtigkeitsaberration figurierenden Formen die Ver- änderung hervorbringende Ursache (Standfuß, Linden). Bei sehr vielen Tieren haben wir davon höchstens Ahnungen. Wir können ganze Formenreihen zusammenstellen (vielgestaltige Schmetterlinge, Hirsch- käferreihe usw.), bei welchen wir die Veränderung in einer Richtung beobachten, aber sie nicht auf eine entsprechende Ursache zurück- zuführen versuchen können. Der Polymorphismus der Tiere nach Temporal-, Lokal-, Wüsten-, Polar- und Alpen Verhältnissen, sowie die sogenannten Angoravaria- tionen stehen höchstwahrscheinlich in Kontinuität mit den gleichen Formen, welche unter normalen Verhältnissen leben. Für mich ist es zweifellos, daß auf die Organismen der Einfluß der Umgebung im Verhältnisse seiner Stärke einwirkt, in den meisten Experimentelle Daten /.vun Erkennen der Artemia-Gattung. 161 Fällen zeigt sich äußerlich keine Veränderung, oder wir bemerken solche nur dann, wenn die Form von ihrer Norm bedeutend ab- weicht. Daraus, daß bei den Artemien die Kontinuität gewisser, bisher als Art- oder im Sinne der Systematik mindestens Varietät zeichen im gegebenen Falle graphisch fixiert werden kann, mit andern Worten in mathematische Formel gefaßt werden kann, wage ich zu folgern, daß es auch bei andern Tiergruppen, eventuell bei ganzen systema- tischen Kategorien, gelingen wird — im Fall die Einwirkung der Um- gebung analysierbar ist — , das ununterbrochene, wenn auch lücken- hafte, aber dennoch in einheitlicher Richtung sich darbietende Reagieren nachzuweisen i. XVIII. Schluß. Gelegentlich der Summierung meiner Untersuchungsresultate der Artemia salina müssen wir uns auch mit nebenbei auftauchenden Gedanken befassen. Unter diesen ragt die große Frage der Artbil- dmig hervor. In diesem Falle zeigt sich die gestaltende Kraft der unmittelbaren Umgebung auffällig, der gegenüber der Konservatis- mus der Artentwicklung einen nur geringen AViderstand leistet. Jeden- falls beleuchten sie viele artbildende Modalitäten, bei welchen wir das Ausfallen einzelner GHeder einer Variationsreihe schon aus ana- tomischen Gründen annehmen müssen. Um mein Beispiel zu benutzen: wenn zwischen den Formen der Artemia Jelskii und der Artemia salina, principalis, arietina usw. der Übergang dadurch unterbrochen würde, daß gewisse stabile Kon- zentrationen sich bilden würden, an welche eine oder die andre Form infolge ihrer Existenzbedingungen gebunden wäre, so könnten wir sie mit vollem Rechte als besondere systematische Formen ansehen. In der Systematik sind zahlreiche Tiergruppen auf einer solchen Basis behandelt, daß ihre Systemzeichen, so wie früher bei den Arte- mien, felsenfest zu stehen scheinen, in Wahrheit aber nur beweisen, daß bei der heutigen Behandlung der Systematik wir oft auf Grund solcher Zeichen die Arten oder Varietäten voneinander scheiden, welche eher dazu geeignet wären, sie miteinander zu verbinden. Meinem hochverehrten Meister, Herrn Geza Entz, k. ung. Hof- rat und ö. o. Universitätsprofessor, erstatte ich auch hier für sein Interesse an meiner Arbeit und seiner stets gewährten Anleitung 1 H. Przibräm, Anwendung elementarer Mathematik auf biologische Pro- bleme. Vorträge Rouxs. Heft IIL 1908. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CXIV. Bd. 11 162 A. Abonyi, meinen ergebensten Dank. Dank schulde ich noch dem Herrn ö. o. Professor an der Technik Jenö Daday von Dees für seine fachlichen Mitteilungen, ferner dafür, daß er mir gestattete, die unvergleichlich reiche »Separata «-Sammlung seiner Bibliothek und die Bibliothek seines Instituts zu benützen. Budapest, im Mai 1914. Literaturverzeichnis. 1. Abonyi, SIndor: Az Apus-ok es Branchipus-ok phototropismusaroe. AUattani Közlem. 9. Köt. p. 107—124. 1910. 2. — — : A. Branchipus-petek kikelese sos vizzel valo kezelesre. — AUattani Közlem. 9. 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An die in Wahrheit also links neben dem Schalenmuskel sich befin- dende Geschlechtsöffnung schließt sich eine Wimperrinne an, welche an der Decke der Mantelhöhle auf einem Wulst um den Schalenmuskel herum auf die rechte Seite zieht (Textfig. 2 a u. 3; Taf. V, Fig. la fivr). Hier geht sie zum Rande des rechten Halslappens, der wegen seiner Innervierung durch einen Nerv des Pedalganghons als Epipodium zu bezeichnen ist; sie ist von kubischem Flimmerepithel ausgekleidet {Textfig. 4 wr). An dem Bande des Epipodiums läuft die Samen- DerGenitalappar. v. Calyptraea sin. L., Crcpidula unguif. L. u. Capulus hung. L. 177 rinne zum Fuß des Penis und geht an ihm auf der caudalen Seite hinauf (Textfig. 2a und Taf. V, Fig. la). pen an k- hbrdr amp - vdr pc-\ a Textfig. 2 a und b. b Situationsbilder von Calyptraea sin. a, männliches Stadium; b, weibliches Stadium. Es gelten die allgemeinen Bezeichnungen (S. 229) außerdem für b: rpen, rudimentärer Penis. schm '^ 'S' ^^..^. *?.»•;-_, /> •/^' _ . » ., ^ ,», .V- **' • Textfig. 3. Der proximale Wiinperrinnenteil von Calyptraea zweimal angeschnitten, um zu zeigen, wie die Wimperriime um den Schalenmuskel herum in der Höhe der Mantelhöhle zieht. Allgem. Bez. S. 229. Reich. Obj. 5 Oc. 2. Der Penis von Calyptraea stellt ein großes muskulöses Gebilde dar. Er beträgt bei rein männlichen Tieren manchmal 1/2 — Va der Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CXIV. Bd. 12 178 .Martin (iiese. Körperlänge. Er sitzt unmittelbar hinter dem reeliten Tentakel auf der Grenze von Epipodiuni und Kopf letzterem an (Textfig. "Ja und Taf. V,, Fig. la. pcn). Von früheren Autoren merkwürdigerweise über- sehen — obwohl von stattlicher Größe — ist ein Gebilde, welches dem distalen Ende des Penis wie der Knopf einer Stecknadel aufsitzt, und das ich als Spitzentasche (Akrotheke) bezeichne. .Man köiuite es mit einem aufgeschlitzten Hall vergleichen, an dem diu"ch einen bogen- förmigen Schlitz ein Wand- lappen bis auf eine stielfih-- mige Verbiudung.sstolle aus der Wand herausgelöst ist (Taf. V, Fig. lamidGa u. b, /(?/) ; Textfig. 2 a). Dieser Lap- pen kann von der Spitzen- tasche {*7jf) herabhängen oder ins Innere schraubenförmig liineingedreht werden (Taf . V, Fig. 6b, /(//;). Die Samen- rinne geht links an dem Ur- sprünge des Lappens vorbei ins Innere der Tasche. Der proximale Abschnitt des Penis besteht aus King- nmskulatur und radiären Muskelfasern, zwischen de- nen Bindegewebe uiui große Hlutlacunen gelagert sind. Letzteres dient wohl zum Schwellen des Penis, wo- durch er noch au Größe Auch die Textfig. 4. Wiiuviorrimie von Cali/ptrtiea am Kaiule des nxliten Epi- podiunis. Allijein. Bez. S. 220. Keich. Obj. ö, üc. i. rec- ovd- Textfig. 5. Lage des Penis von Cali/ptraea während der Copiüa. ziUielimen dürfte Schema. Außer den allgeni. Bez. uwd. Vteruswandung. Spitzentasche ist stark nuis- kulös zum Auspressen des in ihr angesamnu^lten Spermas. Drüsen sind bei dieser Species nirgends am Penis vorhanden. A\'erfen wir noch einen Blick auf die nnitnuißliche Funktion der Spitzentasche des Penis! AVahrscheinhch dient sie in der Copula da- zu, eine größere Menge Sperma auf einmal zur Verfügimg zu haben, zugleich aber auch, um bei der Begattmig mit Hilfe des ausgeklappten Lappens und der distalen Hälfte des Taschenrandes einen hermeti- schen Verschluß segen Oviduct imd den übrigen Uterus zu bilden, da I)t'i(ifnitala|)|)iir. v. Calyptiaca sin. L., ('i(|ii(lula uiigiiif. L. u. ('a])uliisluing. L. 179 bei der eigenartigen Beschaffenheit des Receptacuhinis — sehr enge »Schläuche — das Sperma mit Gewalt hineingepreßt werden nuiß. Textfig. 5 soll zeigen, wie beide genannten Teile sich dabei lagern könnten. Der weiblich funktionierende Genitalapparat von Calyp- traea zeigt, obgleich luitürlich in den gröberen Zügen dem im männlichen Stadium befindlichen gleichend, doch mehr Umänderungen und Neubil- dungen, als zu erwarten war. Für die Lage des »Ovars« gilt das bei Be- sprechung des Hodens (S. 175) Gesagte. Die Gestaltung hat sich aber ein wenig geändert, insofern aus den einzelnen Schläuchen der männ- lichen Gonade bläschenförmige Follikel geworden sind (Taf. V, Fig. Ib und Textfig. 2 b, g). Jeder Follikel enthält mehrere dotterreiche Eier. Diese entstehen, wie immer, aus Keimepithelzellen durch enormes Wachstum und Ablösung. Ich möchte mich Kleinsteubers (11) Ansicht anschließen, da mir viele Beobachtungen das gleiche zu zeigen scheinen, nämlich daß jede Epithelzelle zur Eibildung fähig ist, wäh- rend nach Scheidig (36) für Crucibulum von vornherein zwei Sorten von Zellen im Keimepithel vorhanden sind. Kurz vor oder bei Ablösmig vom Follikelepithel beginnt die Eizelle eine enorme Dotterabscheidung. Das Dotter erfüllt später in runden und ovalen großen Schollen die Eier so stark, daß sie, durch die Follikelwand eingeschlossen, eng aneinander gepreßt und in ihrer ursprünglich runden Form verändert werden. Hüllen werden hier noch nicht gebildet. Aus dem »Ovar« zieht sich ohne Windung der kurze »Eileiter« nach vorn. Sein Epithel ist stets in Längsfalten gelegt, sofern er nicht durch ein gerade in ihm sich befindendes Ei gedehnt ward (Textfig. 6). Außen wird er von einer bindegewebigen Hülle umgeben {hgh) und Bindegewebsfasern stützen die Längsfalten (stl). Nach früheren Au- toren sollen in der Nähe der Gonade Muskelfasern in die Hülle ein- gelagert sein, doch konnte ich dieselben nicht finden, obwohl ich VAN GiESONsche Lösung zmn Kenntlichmachen derselben anwandte, eine Reaktion, welche mich sonst nicht im Stich Heß. Auch die beiden 12* Textfig. 6. Querschnitt durch den weiblieh funktionierenden Zwitter- gang von Calyptraea. Allgem. Bez. S. 229. ]{E1CH. Hom. Imm. ^Uz, Oc. 2. 180 Martin Giese, ydr andern (S. 173 angegebenen) Methoden ließen mich keine muskulösen Elemente hier erkennen. — Das Epithel des >> Eileiters << besteht aus annähernd kubischen Flimmerzellen (Textfig. 6, we^?) niit großen Ker- nen. Auf halbem Wege bis zum anschließenden Uterus mündet von links her der Gonopericardialgang in den weiblich funktionieren- den Zwittergang ein. Seine Lage wird bestimmt 1. durch seine Einmündungsstelle in den Gonoduct (Textfig. 2b und Taf. V, Fig. Ib, gyg); 2. durch seine Ausmündung aus dem vordersten Pericardzipfel, aus welchem auch der nach oben zur Niere ziehende Renopericardialgang gegenüber her- vorgeht, und an dessen linker Seite die Atrialdrüse (auch Nephridial- drüse genannt) angrenzt (Taf. VI, Fig. 7 a — d); 3. dadurch, daß er unter der Niere hinzieht (Textfig. 7); mid schließhch 4. durch seine Lagebeziehmi- gen zum Visceralganglion, denn er verläuft etwas hinter und über demselben. Dieses entsendet seinerseits einen Nerv zu der Einmündungs- stelle des Gonopericardial- ganges in den Gonoduct (ne), einen zweiten ans Pericard dicht neben die Ausmün- dungsstelle desselben. Doch innerviert letzterer nicht, wie ich in der vorläufigen Mittei- hmg glaubte wahrscheinlich machen zu können, hier diese Ausmündung, sondern geht am Pericard entlang zur äußeren Nieren- öffnung, deren Sphincter er innerviert. Das Aussehen dieses Ganges gleicht stets dem des » Gonoductes <<, auch ist seine Weite derjenigen des weiblichen Ausführganges ent- sprechend. Ebenso findet man bei Tieren rein weiblicher Funktion das Epithel des Gonopericardialganges in Längsfalten gelegt (Taf. VI, Fig. 7 c imd Textfig. 8, gfg). In einigen Fällen bildete die Ausmündimg unseres Ganges dicke drüsige Lippen mit körnigem Secret (Taf. VI, Fig. 8, drl)\ meist jedoch fehlten diese Drüsenanhäufmigen und die Ausmündung war nur, wie der ganze Gang, lang bewimpert (Text- fig. 8). Ob die Drüsenbildung an dem Gonostom in Beziehmig zu setzen avgl ne Textfig. 7. Schema zur Topographie des Gonopericardialganges. Allgein. Bez. und außerdem avgl, accessorisclies Visce- ralganglion, Ich, Kiemenhöhle; d, Darm. DerGenitalappar. v. Calyptraeasin. L.,Crepidulaunguif. L. u. Capulushung. L. 181 ist ZU dem Alter der Tiere oder zu dem jeweiligen Stadium der Go- iiadenbeschaffenheit, konnte ich trotz der großen Anzahl der unter- suchten Tiere nicht einwandfrei feststellen, da von Tieren, die die Gonade mit Dottereiern angefüllt hatten, einige die Drüsenlippe be- saßen, andere nicht. Es scheint demnach einfach das Alter der Tiere hierbei maßgebend zu sein. Schließhch entspricht auch die Histologie des Gonopericardial- ganges derjenigen des weiblich funktionierenden Zwitterganges. Großes, helles, kubisches Flimmerepithel mit runden, chromatinarmen Kernen bildet die Wandung des Ganges. Die schon erwähnten Längsfalten des Epithels werden von bindegewebigen Septen gestützt. Drüsen finden sich mit Ausnahme der manchmal am Pericard auftretenden Drüsenlippen nicht. Die ebenso wie bei dem »Oviduct<< aus Binde- gewebsfasern gebildete Hülle (Taf. VI, Fig. 8 und Taf. V, Fig. 5, fh) _ .rjil *-e^^ gpg pe Textfig. 8. Gonopericardialgaug von Calyptraea. Allgem. Bez. S. 229. KeIOH. Obj. 5, Oc. 2. des Ganges geht kontinuierlich in die Hülle des Pericards, sein Epi- thel in das Pericardendothel über (Taf. VI, Fig. 8). Der » Ovidukt << geht nach Einmündung des Gonopericardialgan- ges, ohne Änderung seines Aussehens und seiner histologischen Be- schaffenheit, bis links neben den Schalenmuskel. Hier tritt er in einen großen drüsigen Uterus ein (Textfig. 2b mid Taf. V, Fig 1 b, ut). Dieser umfaßt von vorne den Schalenmuskel, indem er ihm ziemlich eng an- liegt. Während sein proximaler Teil noch im Eingeweidesack bzw. .Alantel liegt, hängt der vor dem Schalenmuskel gelegene Teil in einer Mantelabschnürung frei von der Decke der Kiemenhöhle in diese hin- ab. Dabei biegt sein vaginaler Teil nach rechts hinten um und ist \öllig frei, demi er steht am distalen Ende auch nicht mehr mit dem Mantel in Verbindung. Der Angabe Hallers (12 b), nach welcher die Calyptraeen einen kleinen Uterus besäßen, kann ich nicht beistim- men, da dies Organ bei Tieren von etwa 1 cm Länge an 3 mm mißt. 182 Martin Giese, Seine Gestalt ist nach Haller »retortenförmig«, doch trifft diese Be- zeichnung nur dann das Richtige, wenn man auch die Vagina hinzu- rechnet (Textfig. 2b; Taf. V, Fig. Ib, ut\ Taf VI, Fig. 9a, b). Sehr hohes Drüsenepithel bildet seine Wandungen. Von Secreten und Eiern ist er meist prall gefüllt und daher außen faltenlos : im Innern läßt sich allerdings auf Schnitten eine Faltung des Drüsenepithels nachweisen, auch dann, wenn der Uterus von außen ungefaltet aussieht. Haller (12 b) und Kleinsteuber (14) zeichnen und beschreiben ihn als äußer- lich gefaltet. Ich habe indessen nur einige Male bei makroskopischer Präparation solche Beschaffenheit gefunden (Textfig. 9). Sie wird wahrscheinlich hervorgerufen dadurch, daß die Drüsen in übernor- maler Weise ihr Secret abgegeben hatten und gerade eine Ausstoßung von Eiern vor sich gegangen war. Was die Histologie des Uterus betrifft, so ergibt sich folgendes: Lange Drüsenzellen, de- ren chromatinarme Kerne (Taf. VI, Fig. 10, drÄ-) ziemlich weit nach außen gelagert sind, machen die Hauptmasse der dicken Uterus Wandungen aus. Zwischen ihnen, fast regelmäßig alternierend, Textfig. 9. sind keilförmige Stütz- Gefalteter Uterus von CaZi/piraea nach makroskopischem Präpa- wellen (stz\ ffclaffCrt wcl- rat. REICH. Obj. 3, Oc. 2. . . che die Wimpern tragen, die der Calyptraea-Vt&vViB ebenso wie der »Oviduct« besitzt. Bei je- der Färbung erscheint eine bestimmte Stelle besonders differenziert. Zumeist wird sie gar nicht oder ganz schwach von den angewandten Farbstoffen tingiert (Textfig. 10; Taf. VI, Fig. 11, hdrh). Auch histolo- gisch zeigt diese Stelle Besonderheiten. Die Stützzellen [stz) sind hier so von den hellen Drüsenzellen eingeengt, daß von ihnen außer dem sehr länglichen und vom Lumen fortgerückten Kern [stzk) sowie der Bewimperung nichts mehr zu sehen ist (Textfig. 10). Manchmal ist keine scharfe Grenze zu den übrigen Drüsenpartien wahrzunehmen (Taf. VI, Fig. 11 Jidr), in andern Fällen erscheint diese Stelle deutlich begrenzt und im Schnitt knospenförmig zusammengepreßt, so daß die Drüsenzellen der andern Partien sich über sie hinwegdrängen (Text- fig. 10). Daß sich in dieser verschiedenen Färbbarkeit und Struktur des Secretes etwa nur verschiedene Secretionsstadien der im Bau PiM'Conitalai)par. v. Calyptrai-a sin. L.. f"ro])idula ungiiif. L. u. C'apulushung. L. 183 sonst gleichen Drüsen zeigen könnten, ist h(ichst unwahrscheinlich, da diese Erscheinung in allen Serien in gleicher Weise hervortritt und denniach konstant ist. Man könnte daran denken, daß die bei den Pulnionaten und Opisthobranchiern sich findenden Eiweiß- und Schleimdrüsen hier in den verschiedenen Drüsenbezirken des Uterus wieder zu erkennen wären, doch konnte ich über die chemische Be- schaffenheit der Drüsensecrete keine Untersuchungen außer der Farb- reaktion anstellen. So haben wir im Uterus von Cali/ptraea drei Sorten von Drüsen. Textfig. 10. .Schnitt durch das dilfcrenzierte Drüsenband des Uterus von Calyptraea. stz, Stützzcllen; fdr, Drü- sen mit laserig erstarrtem Sccret; hdr, Drüsen mit hellem, homogenem Secret; stzk, Stützzellkerne; sek, Secret; kdr, Drüsen mit körnigem Secret. Reich. Obj. 5, Oc. 2. Die einen bilden das besprochene Drüsenband. Links von demselben scheiden die Drüsen stark färbbares faseriges Secret aus (Textfig. 10 fdr), rechts von ihm sind die Drüsen heller und bereiten körniges Secret {kdr). Doch ist der Unterschied dieser beiden letztgenannten Drüsentypen kein starker und nur im Secret bedingt. Die differen- zierte Stelle mit homogenem, wenig färbbarem Secret (hdr) zeigt da- gegen auch strukturelle Abänderungen. Sie durchzieht als mehr oder weniger scharf begrenztes Band den Uterus etwas vor seiner Mitte von oben nach unten (Taf. VI, Fig. 9a u. b), verläuft dann an seinem konkaven Rand nach rechts und zieht kurz vor Beginn des vaginalen 184 Martin Giese, Teiles nochmals, aber schon diffus, quer durch den Uterus. So müssen die Eier nacheinander drei verschiedene Secretmassen passieren, wel- che sie wahrscheinlich mit verschiedenen Hüllen versehen. Der Ver- such, in Schnitten durch abgelegte Eierpakete dieselben wiederzu- finden, schlug fehl, weil die mir aus Juni und Juli zur Verfügung stellenden Eier schon in Entwicklung (Furchung und Blastulasta- dium) sich befanden, und die Hüllen nicht mehr deutlich vorhanden waren. Nahe an der Einmündung des »Oviductes<< in den Uterus findet sich an dessen linker Seite das Receptaculum (Taf. V,Fig. Ib; Taf. VI, Fig. 9a u. b, rec\ Textfig. 9). Es besteht aus einigen, meist sechs, sehr engen, dicht verschlungenen Schläuchen (Taf. VI, Fig. 12), welche un- mittelbar nebeneinander in den Uterus einmünden. In geringer Ent- fernung von diesem erweitern sie sich sehr zu einer gleichen Anzahl von Blasen (recbl), welche das Sperma enthalten. Die Wand der engen Schläuche (die auch als Ausführgänge (ag) bezeichenbar sind) besteht aus hellem, kubischem Wimperepithel, die der Blasen aus etwas nied- rigerem, wimperlosem Epithel. Hier scheint es der Ernährung der Spermatozoen zu dienen, welche oft mit dem Kopfende der Wandung aufsitzen, manchmal aber auch mit den Köpfen der Einmündung der engen Schläuche zu gerichtet sind (Taf. VI, Fig. 12, sp'). Sie sind in letzterem Falle wohl im Begriff, in den Uterus zur Befruchtung zu wandern, welche dort, wie manchmal an dieser Stelle vorhandenes Sperma zeigt, vor sich geht. Die Receptaculumschläuche werden von muskulösen Fasern (Taf. VII, Fig. 13, m/) umgeben und in ihrer Ge- samtheit von Bindegewebe (bgtv) zusammengehalten; die sperma- haltenden Blasen sind ohne muskulöse Hülle. Durch diese Beschaf- fenheit des Keceptaculums wird es notwendig, daß der Penis die auf S. 178 erwähnte Komphkation aufweist, um bei der Copula (Textfig. 5) durch so feine Schläuche Sperma in die Receptaculumblasen ge- langen lassen zu können. Der Uterus wird rechtsseitig schlanker, sein Drüsenepithel nied- riger. Er geht alsdann in einen engen Halsteil (Vagina) über (Taf. V, Fig. Ib, vag; Textfig. 2b), in dem die Drüsen nach und nach ver- schwinden und nur hohes Wimperepithel bleibt. Dieser vaginale Teil hängt in einem Bruchsack des Mantels frei in die Mantelhöhle hinein. Er biegt nach hinten um, so daß er rechts vom Schalen- muskel zu liegen kommt. Der schlitzförmige Porus genitalis (Taf. V, Fig. 1 b ; Textfig. 2 b, pg $) befindet sich auf einer papillenartigen Vor- ragung und ist nach miten gerichtet (Taf. VI, Fig. 9 a, pap). Drr (;enitalai)|)ar. v. Calyptraea sin. L.,Crepidulauiiguif. L. u. Capulus hiing. L. 185 Interessant werden diese einfachen Verhältnisse, wenn man die UniAvandhmuj bzw. Neubildung der Organe bei dem Übergang vom männlichen zum weiblichen Stadium verfolgt. Bei der großen Anzahl der mir zu Gebote stehenden Calyptraeen war es mir möglich, alle Übergänge mid Veränderungen des Gesamthabitus, Umbildung mid Neubildung der Organe untersuchen zu können. Die Körpergröße von Männchen und Weibchen schwankt inner- halb sehr weiter Grenzen. So betrug sie bei meinen Tieren 1,0 bis 15.5 nun, wobei stets der größte Durchmesser des Mantels nach der Entkalkung gemessen wurde. Dabei fällt es auf, daß der Penis bei Tieren von 1,4 — 3 mm am größten ist; bei größeren Exemplaren ward er relativ und absolut kleiner und kleiner, so daß er bei Tieren von etwa 3,5 mm an nur noch als kleiner, meist recht unbedeutender Zip- fel unmittelbar hinter dem rechten Tentakel zu sehen ist. Aber bei allen diesen größeren Tieren ist entgegen andern Angaben stets noch ein Rudiment des Penis vorhanden und mit der Lupe selbst noch bei den allergrößten Exemplaren wahrnehmbar. Bei einigen wenigen Tieren in der Größe von 1,0 — 1,4 mm war kein ausgebildeter Penis vorhanden. Auf Schnittserien fand sich dann, daß diese Tiere nicht geschlechtsreif waren; viebnehr war die Gonade noch ganz unent- wickelt, und der Gonoduct stellte einen sehr engen Gang ohne Ampulle dar. Auch war der Körper auffallend lang bewimpert, besonders in der Kiemenh<)hle. Diese kleinsten Tiere zeigten also Unterschiede gegenüber denen des männlichen Stadiums, die darauf schließen^ lassen, daß es sich bei ihnen um Jugendstadien handelt. Die Größe der geschlechtsreifen Tiere männlicher Funktion schwankt zwischen 1,4 und 3 mm. Die Länge ihres Penis beträgt ungefähr i/g ^^r Körpergröße. Ihre Gonade befindet sich in Sper- matogenese; doch bezeichne ich sie auch dann noch als Tiere männ- licher Funktion, wenn schon einzelne Ovocyten, wie dies bei größeren Exemplaren regelmäßig der Fall ist, zwischen die Stadien der Sper- matogenese eingelagert sind. Die Größe meiner Übergangstiere bewegt sich zwischen 2,5 und 5,5 mm, wobei aber die größeren in bezug auf Gonade schon fast weib- lich sind; jedoch tragen sie im Besitze einer spermagefüllten oder doch Secret enthaltenden Ampulle und eines zwar kleinen Penis noch Reste männlichen Charakters an sich. Der Penis erhält sich im Zwitter- stadium der Gonade recht lange normal ausgebildet, was wohl damit zusammenhängt, daß eine Latenzperiode zwischen männlicher und weiblicher Fimktion nicht eintritt. Es könnte daher das Tier vielleicht 18G Martin Giese, SO lange als Männchen copulieren, bis das letzte Sperma der Ampulle ejaciiliert ist. Dagegen spricht aber, daß die 8pitzentasche des Penis schon Rückbildungen zeigt, vor allem aber, daß die geringere Größe des Penis eine Copulation mit Erfolg ausschließt, da er nicht bis zum Receptaculum des Partners durch den großen Uterus hindurch vor- dringen kann. Mit dem Ausstoßen des letzten Spermas und dem darauf sicher plötzlich eintretenden Verstreichen der Ampulle, wodurch Material zum Erweitern des Gonoductes gewonnen wird, ist das Tier sofort im Stadium eines funktionsfähigen Weibchens, zumal da der Uterus, wie wir unten sehen werden, sich inzwischen nach und nach heran- gebildet hat. Die weiblichen Exemplare haben eine Größe von 3,7 bis 15,5 jnm. Es gibt also Tiere weiblicher Geschlechtsfähigkeit, welche kleiner, und solche männlicher Geschlechtsfähigkeit, welche größer sind als Übergangstiere; »Männchen« sind aber nie größer als »Weibchen«. Man sieht hieraus, daß günstigere oder ungünstigere Lebensbedingungen auch hier bei der Körperentwicklung eine Rolle spielen und nicht stets mit Sicherheit von der Größe des Tieres auf seine Geschlechtsfähigkeit geschlossen werden kann. Betrachten wir nun die Umbildung der Gonade und des Gono- ductes! In Lage, Größe und Aussehen bleibt die Zwitterdrüse, ob sie als Ovar oder Hoden funktioniert, ziemlich gleich. Die Ausdehnung ist zwar ein wenig beträchtlicher im weiblichen Stadium, und die Schläuche des »Hodens« wandeln sich zu kugeligen Follikeln um. Das Keimepithel produziert dann allmählich statt Spermatogonien Ovogonien (vgl. S. 179). Diese innere Umbildung der Gonade zeigt sich zuerst bei älteren Männchen, bei denen während der Spermato- genese schon vereinzelt hier und da im Hoden Ovocyten auftreten (KuscHAKEwiTSCH [19] gibt dies auch für Conus und Vermetus an). Diese Ovocyten liegen scheinbar ohne Funktion für spätere Zeiten da. In einem Falle sah ich allerdings viele, noch nicht völhg umgewandelte, haarförmige Spermatozoen mit dem Kopfende einer solchen Ovocyte aufsitzen, wie es bei Opisthobranchiern ja gewöhnlich ist. Dies legt den Gedanken nahe, daß dieselbe hier vielleicht als Nährzelle benutzt und verbraucht wird. Doch habe ich die Frage der Basalzellen, da außerhalb des Rahmens meiner Arbeit, nicht eingehend untersucht. Im Übergangsstadium häufen sich die Ovocyten in allen Follikeln stark, und doch findet man oft noch alle Entwicklungsstadien der Spermatozoen in denselben Follikeln. Bei Beginn der weiblichen Go- nadenfunktion hört dann die Bildung neuer Spermatogonien völlig DerGenitalapjKir. v. ('alyjitraca sin. 1^., ( 'rcpidula uiiguif. L. u. Capulushung. L. 18/ wr aut'; das letzte reife Sperma füllt die Ampulle, um baldmöglichst ab- gegeben zu werden. Nach Ejaculation des letzten Spermas verstreicht die Ampulle, wie gesagt, wahrscheinlich plötzlich (vgl. Crepidula S. 199 ff.), denn ältere Zwitter be- sitzen eine Ampulle fast in dersel- ben Mächtigkeit wie die Männchen, da sie ja bis zuletzt benutzt wird. Übergänge in bezug auf die Größen- abnahme der Ampulle habe ich nicht gefmiden. Wie wir sahen (S. 176), liegt der Porus genitalis im männlichen Geschlecht unmittelbar links neben dem Schalenmuskel in der Höhe der Mantelhöhle. Der Anfangsteil der Samenrinne verläuft auf einem ^^'ulst (Textfig. IIa — e, w), vorn vor dem Schalenmuskel herum (Taf. V, Fig. la; Textfig. 2a), auf dessen rechte Seite und von hier aus rechts am Muskel auf das Epi- podium herab (Textfig. 12a, ep). Interessant ist nun, daß bei der Um- bildung zu weiblicher Geschlechts- funktion während der Übergangs- stadien dieser proximale Teil der Samenrinne (Textfig. 12a, pwr), der vor dem Columellarmuskel gelegen ist, zum Uterus wird. Ich konnte diesen Prozeß in allen seinen Stadien feststellen. Bei älteren Männchen, deren >> Hoden« schon einige Ovo- cyten enthält, vertieft sich dieser Samem'iimenteil mehr und mehr (Textfig. IIb). Im Zwitterstadium wird dies Stück der Wimperrinne auch weiter und erscheint im Schnitt (Textfig. 11c, irrt) tiefer in den Mantel eingesenkt. Es häufen sich in diesem Stadium die Kerne, wr/- schm- yyrt schm- brs ut Textfig. IIa— e. Schema der Uterusentwicklung. AUgeni. Bez. und brs, Bnichsack des Mantels; wrt, Wimper- rinnentasche = Anlage des Uterus. 188 ]\Iartiii Giese, und die Zellgrenzen verschwinden, auch die Bewimperung ist dann nicht mehr vorhanden (Taf. VII, Fig. 14a — h, utan). Schon die starke Kernanhäufung spricht * --'-'^Üi;^-"--' i~-pprr P9^- — -^MfR^/ H'—ep -- i4^r -3chm dafür, daß wir es hier mit einem noch nicht fertigen Organ zu tun haben. Unter den Ker- nen lassen sich im Stadium der Taf. VII, Fig. 14 dunklere und hellere unterscheiden ; vielleicht zeigt sich hier- in die beginnende Diffe- renzierung in Stütz- und Drüsenzellen. Teilungs- spindeln habe ich an dieser Stelle nicht gefun- den, ebenso wie auch in andern Organen meiner Tiere nicht, wo ein Wachstum mit Be- stimmtheit stattfindet. Ob dies nur daran liegt, daß die Tiere schon durch die Reise von Neapel in engen Grlas- tuben, bzw. bei dem an Ort und Stelle fixierten Material durch Vorbe- handlung in schwachen Cocainlösungen und durch Warmstellen er- mattet waren, oder ob die Mitosen auch am Textfig. 12 a— e. Normalen plötzlich und Schema der Utcrusentwicklung (nach Rckoustruktionen). Allgem. -neriodcnweise VOr sich Bez., daneben: ?jwr, proximaler Wimperriunenteil; Mi«, Uterus- •'■ o • i j i,- anläge; ö, ihre Öffnung; reca, lleceptaculumanlage. gehen, muß Ich dahin- gestellt sein lassen. Kleinsteuber (14) ist in seinem Falle, wo er in der Spermatoge- nese Mitosen vermißt, letzterer Ansicht. reca^ rec- zg— DcrGenitalappar. v. ('nlyptraoasiii. L.,Crepidula uiiguif. L. ii. Capulusluing. L. 189 Größe iiiul Gestalt der vertieften und erweiterten Samenrinne ändern sich nun während des Überganges zur weibUchen Geschlechts- fähigkeit weiter kontinuierlich. Taf. VII, Fig. 14a — h und das Schema (Textfig. IIa — e) mögen diese Umwandlung demonstrieren. Text- fig. 3 (S. 177) zeigt in zwei Anschnitten den schon vertieften proxi- malen Teil der Samenrinne beim Übergang zum Zwitterstadium. Die schematischen Abbildungen (Textfig. IIa — e) geben Teile von Sagit- talschnitten durch Tiere verschiedener Geschlechtsfähigkeit wieder, die bei der Querlagerung des sich entwickelnden Uterus Querschnitte durch die Samenrinne («), verschieden ausgebildete Uterusanlagen (b, c, d) und einen fertigen Uterus (e) geben. Man sieht die zunehmende Vertiefung der Kinne {a u. b) zur Tasche (c u. d) und das Mächtiger- werden des Wulstes (a, tv), auf dem beim »Männchen« die Samenrinne verläuft, bis aus ihm der frei in die Kiemenhöhle hineinhängende Bruchsack des Mantels geworden ist, der den Uterus enthält (Text- fig. II d und e, brs). Zur Ergänzimg gebe ich in Textfig. 12 a — e die re- konstruierten Längsschnitte des sich entwickelnden Gebildes. In a sehen wir den Teil der Samenrinne, welcher vor dem Schalenmuskel ver- läuft und dann an seiner rechten Seite auf das Epipodium(e2?) herabgeht. In b und c haben wir die taschenförmige Vertiefung der Rinne, doch ist dies Gebilde noch in ganzer Länge schräg nach hinten mid unten offen. In zunehmendem Maße schließt sich in d die stark vergrößerte Tasche, doch ist rechts noch eine erhebliche Öffnung (ö) zum Aus- treten des Spermas in die darunter verlaufende Wimperrinne (nr) vorhanden. Schließlich in e haben wir einen jungen Uterus vor uns, der einen verlängerten vaginalen Teil bekommen hat, und dessen enger Porus genitalis sich nach unten öffnet. Taf. VII, Fig. 14 a — h gibt Schnitte aus der Serie eines Übergangstieres wieder, welches in seiner Uterusentwicklung dem Schema (Textfig. 11, 12 d) entsprechen würde. Man sieht die Tasche hier schon in größter Ausdehnung geschlossen, soweit sie vor dem Schalenmuskel gelegen ist. Auch die enorme Kern- anhäufung, die Differenzierung in hellere und dunklere Kerne und die diesem Stadium fehlende Bewimperung ist auf dieser Abbildung zu sehen. Durch alle diese Übergangsformen des proximalen Samen- rinnenteils bis zum fertigen Uterus ist erwiesen, daß hier die Uterus- bildung als eine Neubildung erfolgt mit Benutzung einer Mantelhöhlen- einstülpung (Wimperrinne, s. theoretischer Teil S. 221). Auch die Bildung des Receptaculums mußte sich notwendiger- weise in Übergangsformen finden lassen, da es ja im männlichen Ge- schlecht noch nicht vorhanden ist. Ich fand bei einigen Übergangs- 190 ^lartiii Giese, tieren, daß das Keceptaculum als Ausstülpungen am unfertigen Uterus entstellt. So war dessen Wand bei jungen Zwittern an der späteren Entwicklungsstelle des Keceptaculunis vorgewölbt (Textfig. 12 c); bei älteren Übergangstieren fanden sich hier einige (zwei bis vier) schlauch- förmige Ausstülpungen (Textfig. 12d reca). Taf. VIL, Fig. 14c — e gibt Schnitte durch diese Receptaculumanlagen (reca). Diese Schläuche sind noch in ganzer Länge von annähernd gleichem Lumen. Li ihren Wandungen sind die Kerne so dicht gelagert, daß kein Zellplasma zu sehen ist. Auch die Bewimperung fehlt noch, die sich später in dem engen Teil der Schläuche ebenso wie im Uterus zeigt. Später werden dann die Receptaculumschläuche proximal englumig und von kubischem Wimperepithel ausgekleidet, ihre Enden dagegen zu unbewimperten, Sperma enthaltenden Blasen. Ihre Zahl beträgt dann fast stets sechs. Wir sahen, daß den Tieren weiblicher Funktion ein Gonoperi- cardialgang zukommt, den männlich funktionierenden Tieren aber nicht. Man sollte meinen, irgendeine Anlage des Gonopericardial- ganges müsse sich auch schon bei letzteren finden, denn wir haben, wie ich im theoretischen Teil erörtern werde, in ihm wohl sicher ein phylogenetisch altes Organ vor uns (S. 220). Bei Tieren rein männhcher Funktion fand sich aber keine Spur von ihm und ich konnte unzweifel- haft feststellen, daß er erst bei der Umwandlung der Geschlechtsfunk- tion angelegt wird, also auch eutwicklungsgeschichtlich des Interessanten nicht entbehrt. Die ersten Anlagen des Gonopericardialganges treten sichtbar als lockere, faserartige Mesenchymzellen auf, wenn das männ- lich funktionierende Tier durch Einlagern einzelner Eizellen im Hoden beginnende Zwittrigkeit zeigt (Taf. V, Fig. 4, adg). Nachstehende statistische Aufstellmig veranschaulicht das Auftreten des Gonoperi- cardialganges, bzw. seiner ersten bestimmt nachweisbaren Anlagen in den Geschlechtern. Geschlechts-Fnnktion 6 (5mEi) (3 + Q SS. Es wurden geschnitten 18 12 10 22 62-') Gonopericardialgang bzw. ) vorhanden 1* 6* 6*+l 22 36 seine ersten Anlagen ) nicht vorh. 14 4 — — 18 unentschieden 3 2 3 — 8 1) (5niE bedeutet, daß vereinzelte Eizellen im Hoden vorhanden sind, die Ausführgänge aber noch rein männlich sind. -) Das Vorhandensein des Gonopericardialganges wurde hier auch bei makroskopischer Präparation vieler Tiere des weiblichen Stadiums nachgewiesen. * Der Gonopericardialgang ist hier nur als Anlage (aneinandergereihte Mesenchymelemente oder Epithelstrang) vorhanden. l)t'r(;fiii(iil;iit|i;u-. V. ( 'alyptiaca sin. L., ("ivpiclula im<^uif. L. u. Capiiliislumg. L. 191 l^aß ich in »lieser Tabelle mehrfach unentschieden gelassen habe, ob eine Anlaj^e des Gonopericardialganges vorhanden sei oder nicht, liegt teils daran, daß einige Serien zerrissen waren an den betreffenden Stellen, teils, weil in den frühesten Stadien seiner Entwicklung es überhaupt oft schwierig zu entscheiden ist, ob eine Anlage des Ganges in (Jestalt eines Biudegcwebsstranges vorliegt, oder ob nur durch zu- fälliges Zusammentreffen mehrerer Mesenchymelemente, wie sie über- all zerstreut liegen, ein Faserstrang vorgetäuscht wird. Als erste Anlage unsres Ganges reihen sich also im männlichen (Geschlecht Bindegewebszellen aneinander und überbrücken mehr oder weniger fest den Raum zwischen dem »Vas deferens« und dem vor- dersten Pericardzipfel. (Taf. V, Fig. 4, adfj) Die Topographie ist natürlich dieselbe wäe die des fertigen Gonopericardialganges. Von beiden Seiten scheint das Aneinanderreihen der Bindegewebselemente ziemlich gleichmäßig zu geschehen. Bei Übergangstieren ist aus die- sem Strang der Mesenchymzellen ein kompakter Epithelstrang ge- worden (Taf. V, Fig. 5). Man sieht hier bereits, wie sowohl das Endothel des Pericards in das Epithel des Stranges, als auch die mus- kulöse Pericardhülle in seine von Muskelfasern gefestigte Hülle, und diese wiederum in die Hülle des Zwitterganges übergeht. Diese Ver- hältnisse werden am fertigen Gang (Taf. V, Fig. 8, 7a — d; Textfig. 8) noch deutlicher. In dem Epithelstrang (Taf. V, Fig. 5) liegen Fasern (/s), deren Beschaffenheit ich nicht mit Sicherheit feststellen konnte. Zellgrenzen sind in diesem Entwickkmgsstadium des Ganges nicht zu erkennen; die Kerne des Epithels sind chromatinreich und liegen sozusagen ungeordnet. Die Kerne der fasrigen Hülle {ß) und die der eingelagerten Faserstränge (/s) sind größer, heller und länglich. In dieser Beschaffenheit finden wir den Gonopericardialgang bei Über- gangstieren. Erst bei fast weiblichen Tieren bekommt dieser Epithel- strang ein Lumen, und erst im rein w^eiblichen Stadium wird er be- wiinjiert (Textfig. 8, S. 181). Auch dann erst legt er sich in Längs- falten wie der Oviduct (Taf. VI, Fig. 7b u. c; Textfig. 8), mid noch später bekonnnt er drüsige Lippen (Taf. VI, Fig. 8) an seiner Aus- nüindmig aus dem Pericard. Taf. VI, Fig. 7a — d gibt einige Schnitte ein und derselben Serie wieder, zur Veranschaulichung des fertigen Ganges und seiner Lagebeziehungen zum Ilenopericardialgang {rpg), zur Niere (n) und zum Visceralganglion {v(jl). Als Übersichtsbild der gesamten L^mwandlung, bzw. Neubildung der Geschlechtsorgane von Calyptraea im Übergang des niännlichen Stadiums zum weibhehen möge folgende Tabelle dienen (s. S. 192 und 193). 192 Martin Giese, Funktion der Gonade Größe der Tiere Gonodukt Gonopericardialgang Samenrinne Rein männlich : nur in Spermato- genese 1,4 bis 3 mm englumiger Gang mit weiter Am- pulle In Spermatoge- nese, aber auch einzelne Ovocy- ten vorhanden 2 bis 3,5 mm wie oben Zwittrig: gleich- zeitig in Sperma- to- u. Ovogenese 2,5 bis 5,5 mm erweitert, Am- pulle noch vor- handen Rein weiblich: nur in Ovogenese 3,7 bis 15,5 mm weit, und sein Epithel in Längs- falten gelegt. Ohne Ampulle nicht vorhanden seine ersten Aulagen in Gestalt aneinander gereihter Mesenchym- zellen Zellstrang ohne Lu- men mit Diiferenzie- rung einer Hülle Bewimperter Gang vom Aussehen des Gonoductes. Sein Epithel meist auch in Längsfalten gelegt verläuft vor dem Schalenmuskel , an ihm auf das Epipod. hinab , an dessen Rande zum Penis und an diesem hinauf Anfang einer Glie- derung im proximalen Teil, soweit sie den Schalenmuskel um- zieht; das Übrige wie oben der proximale Teil bildet die Uterusan- lage; das Übrige wie oben der proximale Teil erhält sich im Uterus, das Übrige schwindet 2. C r ef i dula ung ui f o r mi s. Mit wenigen Abweichungen finden wir die soeben geschilderten Verhältnisse des Genitalapparates bei Crepidula wieder. Die Zwitterdrüse zeigt ein etwas abweichendes Lagerungsbild wie bei Calyptraea; auch ist das Gefüge der im männlichen »Stadium schlauchförmigen, im weiblichen Stadium bläschenförmigen Follikel lockerer. Sie dringt in die Verdauungsdrüse ein und zerlegt diese in drei Lappen. Nach Kleinsteuber (14), dem ich hier beistimme, »zieht die Gonade links unter der Atemkammer hin und nimmt die ganze linke Hälfte des Eingeweidesackes ein, grenzt nach rechts hinten an den Magen, steht unter dem Magen mit dem rechts von diesem Organ liegenden Abschnitt in Verbindmig mid sendet schließlich vor dem ersten Darmabschnitt einen Zipfel nach rechts«. Bei männlicher ]^fr(;i'iütal;i|)par. v. CiilyptriU'asin. L., Cicpidiila iiiiguif. L. u. ( 'ai)uhishuiig. L. 193 Uterus l'orus genitalis Receptaculum Penis Statt seiner d. proxi- links vom .Scha- male Teil der Samen- lenmuskel rinne vor dem Scba- lenmuskel nicht vorhanden Vertiefung? des pro- ximalen Teiles der Samenrinne der proximale Teil der Samenrinne ver- tieft sich zur fast ge- .sclilossenen Tasche. Differenzierung der Kerne wie oben großer drüsiger Ute- rus mit vaginalem Fortsatz. Differen- zierte Drüsenpartien vor oder rechts vom Schalenmus- kel je nach Aus- bildung u. Schlie- ßen der Samen- rinnentasche Grüße Vü— 2/3 der Körperlänge. Mit Spitzentasche nicht vorhanden Größe etwa V2 der Körperl änge. Mit Spitzentasche. rechts vom Scha- lenmuskel auf frei in die Mantelhöhle herabhängender Papille Ausstülp img einiger weiterSchläuche von der Uterusanlage ans ; diese unbewimpert etwa so groß wie ein Tentakel. Spitzentasche mehr oder weniger rück- gebildet etwa 6 enge Kanäl- chen, welche in eini- ger Entfernung vom Uterus zu weiten spermahaltenden Bla- sen werden. Bewim- perung nur in den engen Kanälchen als unbedeuten- des Rudiment stets vorhanden, selte- ner halb so groß wie ein Tentakel. Spitzentasche nicht vorhanden Funktion besitzt die Gonade eine etwas geringere Ausdehnung. In den Scldäuchen der Gonade erfolgt die Spermatogenese in derselben Weise wie bei Calyptraea (vgl. S. 175). Die auch hier nur in der Gonade und in geringer Zahl vorkommenden atypischen Spermatozoen fallen durch ihre Grüße auf und sind oligopyren (Textfig. 13, asp). An die männliche Gonade schließt sich eine große Ampulle an (Taf. V, Fig. 2a, amp), welche durch Erweiterung und Aufknäuelmig des proximalen Teiles des Zwitterganges ihre Entstehung genommen hat. Diese gröbere Morphologie ist schon durch Kleinsteuber (14) be- kannt. Die Ampulle, welche in ihrer Ausdehnung fast noch mächtiger ist als die von Cab/ptraea, enthält ebenso wie dort Sperma und ein hier mehr faserig erstarrtes Secret unbekannter Herkunft. Am Am- pullenepithel konnte ich im Gegensatz zu Kleinsteuber keine Be- wimperung finden. Sodann verläuft der Z\\attergang, hier als Samen- Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CXIV. Bd. 13 f 194 Martin Giese, leiter funktionierend, in gleicher Weise wie bei Calyptraea, ohne größere Windungen nach vorn, wo er, entgegen Kleinsteubers An- gabe, hnks vom Schalenmuskel und etwas mehr hinter diesem zurück als bei Calyptraea, in die Mantelhöhle ausmündet (Taf. V, Fig. 2a, pg^). Im Querschnitt ist der Zwittergang im männlichen Geschlecht kreisrund; eine schwache Bindegewebshülle umgibt sein kubisches Wimperepithel. An den Porus genitalis schließt sich im männlichen Geschlecht die Wimperrinne (ht) an, welche aber bei Crepidula nicht den Bogen um den Schalenmuskel an der Decke der Mantelhöhle aus- führt, sondern sofort, an ihm von links nach rechts herabziehend, auf das rechte Epipodium tritt. Sie ist nur wenig tiefer als bei Calyp- traea (entgegen Kleinsteuber [14]) und von kubischem Wimperepi- thel ausgekleidet (Textfig. 14a n u. b). Sie verläuft am Rande des Epipodiums zum Penis und an dessen Unterseite hin- asp auf bis zur Spitze (Taf. V» Fig. 2a, wr). Der Penis ist ,#^ „„^ ein kompaktes muskulöses ^'^'^^ Gebilde ohne Spitzentasche, dafür jedoch distal zugespitzt (Taf. V, Fig. 2a u. Taf. VII, Fig. 15). Er sitzt an der Grenze von Epipodivim und Kopf unmittelbar hinter dem rechten Tentakel dem Kopf Spermatozoen von Crepidula. eusp, eupyrene, asp, apy- rene Spermatozoen. Reich. Honi. Imm. 1/12, Oc. 4. an. An Seiner Basis finden sich acinöse Einzeldrüsen (Taf . VIT, Fig. 15, edr), an seiner Spitze ein Wulst von Drüsen (Taf. VII, Fig. 15 u. 16, driv), zwischen denen die Wimperrinne verläuft. Diese Drüsen an der Penisspitze (Taf. VII, Fig. 17) haben große, runde Kerne an ihrer Basis, dazwischen nahe der freien Fläche einzelne längliche Kerne mit den Resten von Stützzellen (stz). Man kann zwei verschiedene Zelltypen unterscheiden, größere voll Secretkörnchen (Mr) und schmä- lere, dunklere mit homogenem Inhalt (hdr), welche vielleicht Zellen in Ruhephase darstellen. Der Körper des Penis wird von transver- salen und längsgerichteten Muskelfasern durchzogen (Taf. VII, Fig. 15 u. 16). Zwischen den Muskeln bleiben Räume, welche schwammiges Bindegewebe (Taf. VII, Fig. 15, bgw) und leere Blutlacunen (Taf. VII, Fig. 16 hl) zum Schwellen des Organs enthalten. Diese Gestaltung DerGenitalai>i)ar. v. ('aly|ttracasin. L., Cicpidula iiniiuif. I.. u. ('a|)ulus Innig. L. 195 des Penis ist, wie wii- später (S. 199) sehen werden, für die Copulation von Wichtigkeit. I Bei der weiblichen Geschlechtsfilhigkeit erfüllt die Gonade, in Gestalt vieler locker aneinander gereihter Bläschen, fast denselben Raum, wie als Hoden mit schlauchförmigen Follikeln (Taf. V, Fig. 2b, g). Die Ovogenese vollzieht sich in derselben Weise wie bei Cahjptraea (!S. 179). Das Keimepithel ist etwas höher. Textfig. 14 a und b. Williperrinne von Crepidula ain Eande des rechten Kpipodiunis. AUgeni. Bez. S. 229. Keich. Obj. 5, Oc. 4. Der kurze, hier als Oviduct funktionierende Zwittergang wird von hellem, kubischem Wimperepithel gebildet, welches in Längsfalten gelegt und von einer schwachen bindegewebigen Hülle überzogen ist. Textfig. 6, S. 179 gibt einen Schnitt durch den Oviduct von Cnlijptraea wieder; dasselbe Bild ist auch für Crepidula typisch. Textfig. 15 {ovd) zeigt neben dem Uterus den »Oviduct« von Crepidula. 8o beschaffen zieht der weiblich wirkende Zwittergang nach vorn, nimmt auf halber 13* 196 Martin Giese, Länge den Gonopericardialgang (Taf. IX, Fig. 2 b, g})g) auf und gelangt an die linke Seite des sehr weit rechts im Tier gelegenen Schalenmuskels. Der Gonopericardialgang ist ein wenig kürzer und weiter als bei Cahjptraea ; in seiner Topographie und gröberen histologischen Beschaf- fenheit aber ganz dem von Calyptraea entsprechend. Daneben zeigt sich hier eine eigenartige Komplikation. Der Gonopericardialgang und desgleichen der Teil des >> Oviduktes << von seiner Einmündung bis zur Mündung in den Uterus ist stets von bläschenförmigen Ge- bilden aufgetrieben (Textfig. 16; Taf. VII, Fig. 18). Es sind dies offen- bdr \^* 1 ;i Textfig. 15. Schnitt durch den Uterus von Crepidula, dem der Oviduct (ovd) eng anliegt. AUgem. Bez., außer- dem: sfzk, Stützzellkerne; bdr, becherförmige Drüsen; hgh, Bindegewebshülle. REICH. Obj. 5, Oc. 4. bar einzelhge Drüsen, welche die übrigen Epithelzellen auseinander drängen, wobei sie zu unregelmäßigen Gebilden (Taf. VII, Fig. 18, w) heranwachsen und weit in das Lumen der beiden Gänge hinein wuchern. Mehrere der Epithelzellen legen sich um eine solche Drüse herum und es sieht dann oft aus, als wenn sie ein niedriges Epithel (psep) um sie bildeten. Diese Drüsen enthalten ein feinkörniges Secret {sehr), das sich mit Eisenhämatoxylin hellblau färbt. Thioninfär- bung ergab die lila Farbreaktion, wie es für Schleimdrüsen der Fall ist. Taf. VII, Fig. 18 gibt den extremsten Fall dieser Drüsen- und Epithelwucherung wieder, Textfig. 16 einen nicht so auffallen- Dt T CJenitalappar. v. ( ■aly])traoa sin. L., Cn'pidula wngiüf. L. u. ( 'apuliis liuiig. L. 197 f'lP den, al)er häufigeren Fall. Bilder wie Taf. VII, Fig. 18 legen den Gedanken nahe, da 1.5 hier pathologische Erscheinungen, eventuell nach Infektion, vorliegen. Doch da diese Wucherungen bei allen meinen Exemplaren von Crcpidida mehr oder weniger auftreten, müßten alle Tiere der Fundstelle infiziert sein. Es wäre auch kaum anzunehmen, daß solche Schleimdrüsenbildung als Folge einer Krank- heit auftreten könnte, so daß sie also doch als normal angesehen .werden müßte. Drüsenlippen an der Ausmündung aus dem Pericard, wie wir sie manchmal bei Calyptraea fanden, fehlen hier stets; dafür sind aber bei allen von mir geschnittenen Tieren weiblicher Funk- tion diese bläschenförmigen Drüsen vereinzelt oder in , . ^,} großer Menge im »Oviduct« .-■■••.•• •.."■,'-':■ und Gonopericardialgang .'"/;•: ••' ..W:': vorhanden. .'•'.•'■':' .;•••*'••' Bald nach Aufnahme des Gonopericardialganges mündet im weiblichen Ge- schlecht der Zwittergang in den Uterus, dem er vor der Einmündung erst eine kurze Strecke eng anliegt (Text- fig. 15). Der Uterus ist ein großes drüsiges Gebilde von eiförmiger Gestalt (Taf. V, Fig. 2b, ut) mit einem daran anschließenden, ziemlich lan- gen, engen vaginalen Teil (vag). Er liegt hnks neben dem Schalenmuskel, und der vaginale Teil zieht sich nach vorn und etwas rechts, so daß der Porus geiütalis {pg 0) vor dem Schalenmuskel liegt. Der Uterus ist oft kräftig gefaltet. Seine Wandung besteht aus verschieden hohem Drüsen- epithel, dessen Stützzellen aber bis auf den Kern verschwunden sind (Textfig. lö stzk). Eine Bewimperung fehlt deshalb dem Uterus von Crepidula völlig. Im Anfangsteil des Uterus fallen einige vereinzelt ins Drüsenepithel 'eingelagerte Drüsen durch ihre Größe und abwei- chende Färbbarkeit auf (Textfig. 15, bdr; Taf. VIII, Fig. 19). Diese Drüsenzellen haben ihre größte Breite in einiger Entfernung vom Lumen des Uterus und laufen dann basalwärts kegelförmig zu. Die :JftW Textfig. 16. Gonopericardialgang und Xephrostom von Crepidula; in ersterem geringe Schleiuidrüsenwucherungen. schldr, Schleimdrüsen; n, Niere; nst, Nephrostom. Reich. Obj. 7a, Oc. 2. 198 Martin Giese, Spitze dieses Kegels nimmt der ebenfalls kegelförmige große Kern völlig ein. Man sieht hier gut, wie das körnige Secret der Drüse (Taf. VIII, Fig. 19 sekr) an der Grenze von Kern und Cytoplasma gebildet wird. An den Seiten der Drüsenöffnung befinden sich kleine keilförmige Stützzellen {stz), welche vielleicht die Drüsenöffnung verschließen können. Ebenso wie bei Calyptraea fällt hier im Drüsenepithel des Uterus ein helles Band auf, welches den Uterus längs durchzieht, und zu beiden ■ u/- ' ''':. .'■:*•• • « ^'S -*■"'* .* ? * • .» • ••*. , • / «••• /, • «. , . • . < « ; i'' • • * >4 - Aw^;<:^* Textfig. 18. Epithelwucherungen an der Grenze von Gonade und »Oviduct« bei Crepidula. epw, Epithelwu- cherungen; stl, Stützlamellen; vz, Zellen mit Vacuolen; d, Dotter; ovc, Ovocyte. REICH. Obj. 5, Oc. 2. in der Niere. Ob dies mehr als eine äußere Analogie ist, mag dahin- gestellt bleiben. Jedenfalls ist die damit erfolgende alhnähliche Ab- stoßung und Ersetzung des Ampullenepithels sicher. In einigen Fällen erschienen die Reste dieser Epithelwucherungen bei Tieren weiblicher Funktion freilich von etwas anderm Aussehen, nämlich langgestreckt und wenig Nierenzellen gleichend (Textfig. 19, ziv). Doch die helle Zellfarbe und die in den Zellen enthaltenen Concremente (kon) sind auch hier auffallend. Die Umwandlmig des Zwitterganges vom »Vas deferens<< zum DerGcnitalappar. v. ralyi)traca sin. L.,Cn'pi(lula imgiiif. L. u. Capulusluing. L. 201 Ausführgaiiii; der \\c'il)lirhon Geschlechtsprodukte, sowie die Entste- hung und Ausbildung des Gonopericardialganges verläuft genau so, wie bei Cah/ptraea, so daß ich nur auf das dort Gesagte zu verweisen brauche. Auch hier habe ich alle Übergangsstadien gesehen. Fol- P% :-• ' ■ .'.•" ' ^ •N.'*^ \ ■ff»;».*;-'.'.' /•• # " • » • • / * Textfig. 19. Zi'lhvuchoriingen wie in Fig. 18, aber von andrem Aussehen, kep, Keimepitliel; zw, Zellwuche- rungen, zgQ, Zwittergang in weibl. Funktion: kon, Concremente; ovc, Ovocyte. Reich. 0b,j. 5, Oc. 2. gende Tabelle veranschauhcht das Auftreten des Gonopericardial- ganges bei verschiedener Geschlechtsfunktion. Geschlechts-Funktion 6 i dmEi) § S SS. Ks worden geschnitten fionopericardialgang bzw.) vorhanden seine ersten Anlagen \ nicht vorh. unentschieden i) 5 — 8* 8 1 1 1 4 4* 6 6 242) 13 9 2 ') omE bedeutet, daß vereinzelte Eizellen im Hoden vorhanden sind, die Ausführgänge aber noch rein männlich sind. -) Das Vorhandensein des Gonopericardialganges wurde hier auch bei makroskopischer Präparation vieler Tiere des weiblichen Stadiums nachgewiesen. * Der Gang ist hier nur als Anlage (aneinandergereihte Mesenchymelemente oder Epithelstrang; vorhanden. Einige Besonderheiten ergeben sich für die Uterusbilduug von Crepidula, da hier nicht der proximale Teil der Samenrinne in der 202 Martin Giese, Höhe der Kiemenhöhle am Mantel um den Schalenmuskel herum- zieht, sondern gleich an seiner linken Seite auf das Epipodium herab- geht. Aber auch hier wird der proximale Teil der Samenrinne durch Vertiefung und Schließung, durch starkes Wachstum und Drüsen- bildung zum Uterus der Tiere weiblicher Funktion. Es liegt an dem flacheren Bau von Cre-pidula und dem dadurch bedingten Verlagern des Schalenmuskels nach rechts und Zurückschieben des Eingeweide- sackes bei Größenzunahme des Mantels, daß der Porus genitalis im männlichen Geschlecht hier sich links am hinteren Kande des Scha- lenmuskels befindet (Taf. V, Fig. 2a, 'PQc^), und so das proximale Stück der Samenrinne zuerst ein Stückchen neben dem Schalenmuskel an der Decke der Kiemenhöhle verläuft. Hier bei Crepidula ist es nun das neben dem Columellarmuskel verlaufende Stück der Wimperrinne, welches sich erweitert vmd die junge Uterusanlage bildet. Diese dehnt sich aus und wächst in den Mantel und vorderen Rand des Eingeweide- sackes hinein. Hierdurch erklärt sich auch die Lagerung des Uterus von Crepidula links neben dem Schalenmuskel (Taf. V, Fig. 2b, ut), während sie bei Calyptraea (Taf. V, Fig. 1 b; Textfig. 2b, ut) vor ihm war. In betreff der Receptaculumbildung und Ausbildung des vagina- len Teils des Uterus brauche ich, da beides analog Calyptraea vor sich geht, nur auf das dort Gesagte (S. 180 u. 190) zu verweisen. 3. C ap ulu s h ung ar i c II s. Zu meinen weiteren Untersuchungen stand mir Capulus hunga- ricus, einer der nächsten Verwandten der Calyptraeiden zur Verfü- gung. Seine Gestalt weicht bekanntlich stark von den beiden andern, hier bearbeiteten Formen ab. Hervorheben möchte ich von diesen Abweichungen nur folgende: 1. Die vertikale Windung des Eingeweidesackes, 2. den langen, mit Rinne versehenen Rüssel, 3. den hufeisenförmigen Schalenmuskel, welcher den Eingeweide- sack mit zwei Flügeln von hinten als Halbring umfaßt und sich an beiden Seiten symmetrisch an die Schale anheftet. Doch hier interessiert uns nur der Genitalapparat, der, wie wir sehen werden, ebenfalls von dem der beiden vorher betrachteten Calyptraeiden in manchen Punkten bedeutend abweicht. Die Gonade erfüllt die rechte Seite des Eingeweidesackes und greift auch von oben über die viscerale Organmasse herüber. Sie wird links von Pericard und Magen, vorn und von unten von der Ver- dauungsdrüse begrenzt. Im männlichen Stadium besteht sie aus vie- DerGenitalai)|)ar. v. Calyptraea sin. L., (.'ro|ii(lula uiifiuif. 1^. ii. ('a])ulushung. L. 203 len dichtgedrängten, schlauchförniigen Follikeln. Auch hier unter- scheidet man haarförniige und wunnfönnigo (npvrene) Sperinatozoeu (Textfig. 20). Mitten in der Gonadeiunasse schließen sich die FoUikel- sehläuche zu einer gewaltigen Ampulle zusammen (Taf. V, Fig. 3a, anip). Diese kommt links aus der Gonade hervor und erstreckt sich von links hinten nach rechts vorn im Eingeweidesack. Sie stellt auch hier den proximalen, stark erweiterten und verschlungenen Teil des Samenleiters dar und enthält das reife Sperma . Ihre Wandung wird ' von niedrigem, wimper losem Epi- thel gebildet. Diese Ampulle läuft aus in den engen Samenleiter. Er ist nur kurz, ja noch kürzer als bei Calyptraea und Crepiduki, und geht von links nach rechts vorn. Im Querschnitt ist er kreisrund (Textfig. 21). Helles, kubisches AVimperepithel bildet seine Wan- dung ( )i'ep), eine muskulöse Hülle (nih) umgibt ihn. So zieht er an die linke Seite des rechten Flügels des hufeisenförmigen Schalen- muskels. Hier tritt er in eine Tasche ein (Taf. V, Fig. 3a; Textfig. 22, gt). Dieses, als Teil des männlichen Apparates un- verständliche Gebilde, wird in seiner Bedeutung klar, wenn man die weiblichen Geschlechtsorgane berücksichtigt, denn dann er- kennt man in ihm sofort die junge Uterusanlage. Diese Tasche liegt also eng dem rechten Flügel des Schalenmuskels an (Taf. V, Fig. 3a, gt). Hohes Epithel mit starker Muskellage (Textfig. 22, mh) bildet ihre Wand. Die Tasche ist weit nach vorn und unten hin geöffnet. Im vorderen offenen Teil (Taf. VIII, Fig. 22) liegen die Kerne viel dichter mid sind längUch. Dieser Teil grenzt an die Anuspapille (ap), von der aus ein Lappen, in welchen Muskehi aus- strahlen (vi), links neben der Taschenöffnung herabhängt, so daß eusp- asp Textfig. 20. Spermatozoen von Capulus. eusp, eupyrcne, asp, apyrene Spermatozoen. Reich. Hom. Imm. ^/lo, Oc. 4. Textfig. 21. Zwitterganj; im männlichen Stadium von Capulus. Allgem. Bez., außerdem mh, muskulöse Hülle. KeICH. Obj. 7a, Oc. 2. 204 Martin Giese, er wahrscheinlich zu ihrem Verschhiß benutzt werden kann. Dieser Lappen gehört seiner histologischen Struktur nach an seiner Außen- seite dem Epithel der Körperwand, an seiner Innenseite der Tasche an. Bewimperung ist in diesem taschenförmigen Gebilde, ebenso wie deren Basalapparat, bei meinen Präparaten nicht nachweisbar. Man könnte aber doch vielleicht viele kurze, feine Fasern im Lumen der Textfig. 22. Geschlechtstasche von Capulus im männl. Stadium, gt, Geschlechtstasche; zg<^, Zwittergang männl. Funktion; mh, muskulöse Hülle; rep, Receptaculumepithel; reg, Keceptaculunigang. Da- neben die allgem. Bez. S. 229. Eeich. Obj. 5, Oc. 3. Tasche für abgefallene Wimpern haken (Taf. VIII, Fig. 22, zr?). Die mangelhafte Alkoholkonservierung meiner Tiere erlaubt keine Ent- scheidung, läßt aber anderseits den Wimperabfall fast erwarten. Auch an der Körperoberfläche sind Wimpern nicht zu finden, während sie im Darm und in einigen Teilen des Genitalapparates vorhanden sind. Höchst eigentümlich ist es, daß dieser Tasche im männhchen Di-rCJonitalappar. v. Calyptraeasin. L.. Crrpidula unguif. L. u. Capulushuiig. L. 205 kep Geschlecht schon ein Keceptaculmn, wie wir es im weibUchen Ge- schlecht haben, zukommt. Es besteht aus einer großen, Sperma ent- haltenden Blase (Taf. V, Fig. 3a und Textfig. 22, rec), welche mit kur- zem Stiel, schräg der Gonoducteinmündüng gegenüber, der Tasche ansitzt. Die Wandung der Receptaculumblase besteht aus niedri- gem, wimperlosem Epithel (Textfig. 22, ref). Ihr kurzer Ausführgang {reg), welcher auch unbewimpert zu sein scheint, ist von einer sehr starken Muskellage (wÄ) umschlossen. An diese Tasche schließt sich vorn an ihrer Öffnung eine Samenrinne an, welche links am rechten Flügel des Schalenmuskels zum Halse des Tieres herabzieht und rechts an diesem selbst, da ein Epipodium fehlt, zum Penis geht. Sie ist ziemlich flach und ^^^^^5^- - Z?/?? stellt eine Einsenkung des Halsepithels dar, welches in der Rinne (Textfig. 23, «r) starke A\'impern trägt. Textfig. 23, Der Penis ist ein unmittelbar hinter dem wimperrinne von cavuiw. am rechten Tentakel sitzendes, kompaktes Gebilde ^'"^^^^ verlaufend, «t, wimper- , , . rinne; hm, Halsmuskulatur; kep, ohne Drüsen oder Spitzentasche (Taf. V, Körperepithel, keich. obj. s, Fig. 3a, j)). Er wird meist in die Mantel- ^^■^^■ höhle zurückgeschlagen, und es ist wohl aus diesem Grmide seine Existenz früheren Auto- ren entgangen, so daß die Lehrbücher [Lang {20), Bronn-Simroth (G)] die Capuhden als penislos anführen. An dem Penis geht bis zur Spitze die Wimperrinne hinauf. Längs-, Quer- und Periphermuskelfasern durchziehen seinen Körper und lassen nur Platz für einige Blutlacunen (Textfig. 24). Der Geschlechtsapparat in seinem weiblichen Stadium gleicht der soeben dargelegten Konfiguration des männlichen Apparates fast völlig. Die Gonade hat dieselbe Ausdehnung; ihre Follikel sind mehr bläschenförmig. Eine Ampulle ist nicht vorhanden; dafür ist der Gonoduct weiter und länger als im männhchen Geschlecht. iVn sei- nem Epithel konnte ich weder Wimpern, noch deren Basalapjjarat nachweisen. Das Aussehen des weiblichen Gonoductes ähnelt sehr dem des männlichen Geschlechtsleiters, indes fehlt hier die musku- löse Hülle, welche wir dort fanden. Seine Mündungsstelle am Uterus .vN.''''''**St Textfig. 24. Querschnitt durch den Penis von Capulus. Reich. Obj. 5, Oc. 2. 206 Martin Giese, und dessen Lage kennen wir schon aus der Beschreibung des männ- lichen Apparates, denn er entspricht ganz der dort vorgefundenen Tasche; er ist jedoch hier sehr groß, und seine Wandung wird von Drüsenmassen gebildet. Textfig. 25 gibt einen schematischen Hori- zontalschnitt, Textfig. 26 einen Vertikalschnitt durch den Uterus wieder. Der vordere Teil, in der Nähe der nach unten gerichteten Geschlechtsöffnung, ist drüsenlos und bewimpert (irep). In den Drü- senmassen der Wandung finden wir dieselbe Differenzierung wieder,, wie wir sie bei Calyptraea und Crepidula sahen. Es sind hier zwei helle Drüsenbänder vorhanden (Textfig. 25, hb), welche von oben nach unten sattelförmig den Uterus umfassen. Bewimperung scheint sich nur am drüsenlosen Teil, aber nicht an den Drüsen- komplexen zu befinden. Ich kann mangels gut kon- servierter Tiere hierüber jedoch nichts Bestimmtes sagen. Aus demselben Grunde kann ich auch auf die feinere Histologie der Uterusdrüsen nicht ein- gehen. Textfig. 27 gibt hierüber einige Auskunft. hb Textfig. 25. Sclieuiatischer Horizontalschnitt. durch den Uterus von Ca- pidiis. dr, Drüsen; hh, helles Drüsenband; wep, Wimper- T)\o, TCprrip A^r DrÜSPU sind epithel. klein und meist länglich. Stützzellen scheinen bis auf wenige Kerne geschwunden zu sein. In der »hellen Stelle« {ddr) finden sich Concremente. Nach außen um- gibt den Uterus eine Hülle, deren Beschaffenheit ich nicht feststellen konnte. Die Keceptaculumblase ist im weiblichen Stadium sehr groß und ihr kurzer Ausführgang mit gewaltigem, muskulösem Sphincter (Taf. VIII, Fig. 23, m) umgeben. Ihre Lagebeziehung zu Uterus und Gonoduct- einmündung gibt Textfig. 26 wieder. Die Wandung des Receptacu- lums wird ebenso wie im männlichen Geschlecht von ganz niedrigem, flimmerlosem Epithel gebildet (Textfig. 22, rep), ihr Ausführgang von kubischem, ebenfalls offenbar flimmerlosem Epithel umkleidet (Taf .VIII, Fig. 23, ep). Samenrinne und Penis fehlen im weiblichen Stadium völhg. Es herrscht also auch bei Capulus protandrischer Hermaphrodi- tismus, was bisher noch nicht bekannt war. Es ist aber der Ge- Der Genitalaji]);!!-. v. ( 'alyptraoa sin. L., ( 'ivpidula uiijiuif. L. u. ( 'apiilus hung. L. 207 schlechtsapparat, inäiinlicli oder weiblich funktionierend, fast gleich beschaffen, so daß im männlichen (Jeschlecht die Organe, welche im weiblichen Stadium gebraucht werden, schon vorhanden sind. Ich hatte allerdings nicht so hinreichend Tiere dieser Species zur Verfü- zg97' P9? -■ Textfig. 26. Schematischer Sagittalschnitt durch den Uterus von Capulti^. Allgeni. Bez. S. 229. Textfig. 27. Helles Drüsenband iin Uterus von Capulus. h, Hülle des Uterus; dr, Drüsen; ddr, differenzierte Drüsen. KeICH. Obj. 5, Oc. 2. gung, daß ich alle Übergänge der einzelnen Organteile verfolgen konnte; doch sind diese Änderungen hier jedenfalls sehr gering. Einem even- tuellen p:inwande des Inhaltes, daß ich vielleicht nicht ganz junge Männchen zur Verfügung gehabt hätte, bei denen dann vielleicht doch noch nicht die Uterustasche und das Heceptaculum angelegt wären, 208 Martin Giese, möchte ich begegnen mit der Erklärung, daß unter den von mir un- tersuchten Tieren eins sich befindet, welches sicher im Stadium rein- ster männlicher Geschlechtstätigkeit ist, denn die Gonade enthält keine Ovocyte, und der Penis ist groß und gut entwickelt; trotzdem ist die Tasche und das spermagefüllte Eeceptaculum auch hier vor- handen. IV. Vergleich der drei Geschlechtsapparate. (Vgl. Taf. V. Fig. 1, 2, 3a und h.) Wenn wir nun einen Blick auf unsre Untersuchungsergebnisse werfen, so sehen wir ein großes Übereinstimmen bei Calyptraea und Crepidula, entsprechend ihrer nahen Verwandtschaft. Capulus weicht dagegen stark ab. Der männliche Apparat ist bei den drei untersuchten Species in den gröberen Zügen fast gleich. Bei ihnen allen haben wir eine, aus schlauchförmigen Follikeln zusammengesetzte Gonade, anschlie- ßend, als Aufknäuelung des proximalen Teiles des Gonoductes, eine große Ampulle und hieraus entspringend einen engen, kurzen » Sa- menleiter <<, welcher in die Nähe des Schalenmuskels zieht. Dann zeigen sich jedoch Unterschiede: bei Calyptraea und Crepidula mündet das »Vas deferens« frei in die Mantelhöhle, bei ersterer Form links vorn, bei letzterer auch links, aber mehr rückwärts neben dem Scha- lennmskel. Bei Capulus dagegen tritt der Zwittergang im männ- lichen Stadium schon in eine, dem später sich bildenden Uterus ent- sprechende, Tasche und mündet durch deren Vermittlung erst in die Mantelhöhle. Bei allen drei untersuchten Formen schließt sich an den männ- lichen Porus genitalis eine offene Samenrinne an, welche am Schalen- muskel herab auf den Hals, bzw. auf das Epipodium herabzieht und an ihm entlang zum Penis geht. Letzteres Gebilde, welches entgegen früheren Autoren auch Capulus zukommt, ist groß und muskulös und sitzt unmittelbar hinter dem rechten Tentakel dem Kopfe an. Es unterscheidet sich aber in den drei Species be- trächtlich: bei Calyptraea trägt der Penis ein kompliziertes Gebilde, die Spitzentasche, welche Crepidula und Capulus fehlt. Bei diesen beiden Formen ist der Penis eine distal zugespitzte Eute, an der die Samenrinne bis zur Spitze hinaufzieht. Er ist bei Crepidula mit einer Drüsenkrone an der Spitze und basalen Einzeldrüsen versehen. D.em Ca^w^MS- Penis fehlt sowohl die Spitzentasche, als auch jegliche Drü- senbildung. Der Penis wird bei allen drei Species gern in die Mantel- I )i r Ooiütalappar. v. Calyptraca sin. L., Ciopidula ungiiif. L. u. Capulushung. L. 209 liölile zurückgeschlagen. Bei Capulus liegt er zumeist so weit nach innen, daß er mit seinem distalen Ende links neben den rechten Flügel des Schalennuiskels gelangt und so unmittelbar neben der Geschlechts- tasche liegt. Im weiblichen Stadium haben wir bei Capulus stärker von denen bei Cah/ptraea und Crepidula, abweichende Verhältnisse. Wäh- rend die beiden letzteren einen kräftigen, in Längsfalten gelegten »Oviduct« besitzen, in den von links her der ebenso gebildete Gono- pericardialgang einnüindet, ist der erstere bei Capulus eng und unge- faltet, und das phylogenetisch wichtige Organ, der Gonopericardial- gang, fehlt hier völUg. Bei allen drei Species mündet der Gonoduct im weiblichen Sta- diuni in einen großen, drüsigen Uterus, von annähernd gleichem Bau und gleicher Differenzierung der Drüsenpartien. Er liegt seiner Ent- wicklung entsprechend bei Calyptraea vor dem Schalenmuskel, bei Crepidula links neben und nur mit dem vaginalen Teil vor demselben, bei Capuhis nur links neben dem rechten Flügel des hufeisenförmigen Schalenmuskels. Das Receptaculum besteht bei Calyptraea aus etwa sechs sehr engen, verknäuelten Schläuchen mit blasigen Erweiterungen, bei Cre- pidula aus drei kolbigen, unverschlungenen Schläuchen, bei Capulus aus einer einzigen großen Blase mit kurzem Stiel. Während Calyptraea und Crepidula eine drüsenlose vaginale Ver- längerung des Uterus besitzen, fehlt eine Vagina bei Capulus völhg, und der Uterus öffnet sich direkt in seinem vorderen Teil zur Mantel- höhle. Wir sahen, daß bei allen drei untersuchten Species protandri- scher Hermaphroditismus herrscht. Hierbei wird bei Calyptraea und Crepidula im weiblichen Stadium dem umgewandelten männlichen Apparat der Uterus als Neubildung angefügt, denn er bildet sich aus dem proximalen Teil der Samenrinne, welche als sekundäre Mantel- höhleneinstülpung nicht zum eigentlichen Genitalapparat gehört; bei Capulus wird indes die schon im männlichen Geschlecht vorhandene Geschlechtstasche zum Uterus. Das Receptaculum bildet sich bei den beiden ersteren durch Ausstülpung vom jungen Uterus, bei Capu- lus ist es schon im männlichen Stadium vorhanden und in Funktion. Entwicklungsgeschichtliche Untersuchungen könnten nur zeigen, ob auch bei Capulus eine Ausstülpung der Uterusanlage ( = Geschlechts- tasche) zur Receptaculumbildung verwandt wird. — Der im Über- gange von einer zur andern Geschlechtsfunktion sich rückbildende Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CXIV. Bd. 14 210 Martin Giese, Penis erhält sich bei Calyptraea stets als Kudiment, bei den beiden andern Species schwindet er völlig im weiblichen Stadium. Anhang: Besprechung neuerer Arbeiten. Wie ich in der Einleitung hervorhob, macht sich ein Mangel an neueren Arbeiten über den Geschlechtsapparat der höheren Proso- branchier recht fühlbar. Spezielle Arbeiten über den Genitalapparat der von mir untersuchten Calyptraeidenspecies und über Capulus hungaricus existieren nicht. In seiner »Morphologie der Prosobran- chier« (12b) hat zwar Haller auch die Geschlechtsorgane mehrerer Calyptraeiden morphologisch sowohl wie histologisch untersucht, doch von meinen Tieren hat er nur Janacus = Crepidula unguiformis (und zwar nur in einem Exemplare) studiert. Da schon Plate (31a) einige Ungenauigkeiten in diesen Untersuchungen aufgedeckt hat und auch Kleinsteuber (14) den Verfasser verbessert, will ich nur kurz auf das über Crepidula unguiformis Gesagte eingehen. Seine Darstellung der gröberen Morphologie stimmt mit meinen Untersuchungsergeb- nissen überein. Haller stellt richtig dar, daß der Ausführgang im männlichen und weiblichen Geschlecht kurz und nicht gewunden ist, daß der >>retortenförmige<< Uterus links neben dem Schalenmuskel ge- lagert und in einen drüsigen, der Kiemenhöhlenwand angewachsenen und einen nicht drüsigen, freien Teil gegliedert ist, daß ferner der Ei- leiter helles, kubisches Wimperepithel trägt und in Längsfalten gelegt ist. Daß eine muskulöse Hülle den hinteren Eileiterteil umgibt, konnte ich allerdings für meine Calyptraeiden nicht finden. Es sollen dann von miten her in den Uterus einzelne, etwas verzweigte Drüsenschläuche einmünden, welche vielleicht als Receptaculum zu deuten wären. >>An Schnitten fand ich«, sagt der Verfasser, >> immer diese Drüsen mit zusammengeballtem Sperma gefüllt, woraus ich schließe, daß sie das in den Uterus eingeführte Sperma längere Zeit zu bergen und so- mit als Receptacula seminis zu dienen haben. << Haller hat dem- nach wohl wirklich das Receptaculum vor sich gehabt; spricht aber dann mit Unrecht von »Drüsenschläuchen«, besonders da er seine Histologie — helles, kubisches Epithel — beschreibt. Drüsen habe ich für die von mir untersuchten Tiere ebensowenig im Receptacu- lum gefunden, wie Scheidig (36) an dieser Stelle für Crucibulum und Kleinsteuber (14) für Trochita, Calyptraea und Janacus. Der Ute- rus ist nach Haller durch Querrinnen auf der Oberfläche segmentiert. Ich halte dies nicht für eine regelmäßige Erscheinung. Die Wandung des Uterus besteht nach ihm bei den Calyptraeiden aus »hohem. Di'rGenitalapiKU-. v. ("alyi)trac'a sin. L.,Crepiclula iin^uif. L. u. Capulushung. L. 211 cilienlosem Drüsenepithel«. Wir dagegen sahen, daß zwischen die Drü- sen des Uterusepithels schmale Stützzellen eingeschoben sind, welche bei Cahfptmea FHnnnern tragen, bei Crepidula allerdings nicht. Das Vorhandensein von protandrischem Hermaphroditismus und dem Go- nopericardialgang ist dem Verfasser entgangen; demgemäß auch die Umwandlungserscheinungen, bzw. Neubildungen des Genitalapparates. Ferner liegt eine Arbeit von Scheidig (36) vor, allerdings über Crucibulut7i; doch da der Verfasser zu seinen Untersuchungen am weibhchen Apparat Crepidula moulinsii heranzieht, will ich hier seine Arbeit streifen. Hinsichtlich der Protandrie hat Scheidig nichts feststellen können. Bei der Besprechung der ORTONschen Unter- suchungsergebnisse über diese Frage sagt der Verfasser: >>Ich glaube sicher, daß dieser protandrische Hermaphroditismus in der Cah^p- traeidenfamilie weiter verbreitet ist, da ich auch bei Crucibulum unter ungefähr 25 Exemplaren zwei Tiere fand, bei denen der Penis fast rudimentär war, während der Uterus wohl entwickelt war. Leider konnte ich andre Zwischenformen nicht beobachten, so daß irgend- ein Schluß nicht gefolgert werden konnte.« Er gibt dann weiter an, daß der männliche Apparat dieselbe Ausdehung hat wie der weib- liche. Der Eileiter ist auch, bei seiner Species in Längsfalten gelegt; seinen direkt an den Eierstock grenzenden Teil soll Ringmuskulatur umgeben (vgl. Haller, S. 210). Letzteres habe ich an Crepidula un- guijormis nicht konstatieren können, doch könnte es ja bei Crepidula moulinsii der Fall sein. Das Receptaculum dieser Form besteht aus drei verzweigten Schläuchen nach Scheidig, doch zeigt seine Abbil- dung es als einen Schlauch mit drei distalen Sprossen. Die Recep- taculumschläuche, welche von niedrigem Epithel gebildet werden, umgibt Ringmuskulatur, die Spermatozoon sind der Wand zugekehrt. Dasselbe habe ich für Crepidula unguijormis auch feststellen können. Der Verfasser unterscheidet auch hier zweierlei Spermatozoen; haar- f()rinige und solche mit breiterem, spiraligem Kopf. Diese letzteren sind, wie ich mit Kleinsteuber (14) annehme, nicht etwa die wurm- förmigen Spermatozoen, sondern Entwicklungsstadien der haarförmi- geii. Der Verfasser hat wahrscheinlich die ersteren nicht gefunden, die doch sicher, wie überall, wo sie bekannt sind, von letzteren völlig abweichen. Der Samenleiter von Crepidula moulinsii liegt nach Scheidig in Längsfalten. Meine Untersuchungen für Calyptraea sinen- sis und Crepidula unguiformis ergaben, daß eine Längsfaltung nur bei weiblicher Funktion des Zwitterganges auftritt. Das über den Penis und seine Innervation bei Crepidula moulinsii vom Verfasser 14* 212 Martin Giese, Angegebene entspricht in den gröberen Zügen den gleichen Verhält- nissen der von mir untersuchten CrepidulaST^ecies. Von größerer Bedeutung für meine Arbeit, als die soeben ange« führten Veröffentlichungen ist die Pubhkation von Kleinsteuber (14), von welcher schon auf S. 171 die Rede war. Ich kann in vielen Stücken die Ergebnisse des Verfassers dieser Arbeit bestätigen, in ebenso vielen Punkten jedoch weichen meine Beobachtungen so stark von den seinen ab, daß ich schon glaubte, geographische Variationen könnten dabei — abgesehen vom Gono- pericardialgang — mit im Spiele sein, denn seine Crefidula stammt aus Chile, meine aus Neapel. Es betreffen jedoch in demselben Maße diese Abweichungen auch Calyptraea, eine Form, welche wir beide aus Neapel bezogen hatten, und es verhert daher meine Annahme, es könnten geographische Varietäten vorliegen, auch für Crepidula an Wahrscheinhchkeit. Das von Kleinsteuber bearbeitete Material mit dem meinigen zu vergleichen, war mir unmöglich, da Herr Pro- fessor Plate, dem dasselbe gehört, sich zur Zeit auf einer Forschungs- reise befindet. Am auffallendsten ist, daß Kleinsteuber bei seinen Untersu- chungen den Gonopericardialgang weder bei Calyptraea noch bei Crepidula gefunden hat, obwohl er den, in nächster Nähe aus dem vordersten Pericardzipfel abgehenden Renopericardialgang genau be- schreibt. Ferner geht der Verfasser, der doch das Vorhandensein des protandrischen Hermaphroditismus kennt, auf die dabei notwen- digerweise stattfindenden Umwandlungserscheinungen gar nicht ein, abgesehen von der Erwähnung des reziproken Verhältnisses von Penis' und Uterus in seiner Tabelle mit Größenangabe der Tiere. Auch kann es den unkundigen Leser geradezu irre führen, wenn er einen »männ- lichen« und »weiblichen« Geschlechtsapparat beschreibt, wo für ihn doch die Zwittrigkeit erwiesen ist. Im einzelnen ergibt sich, wenn ich Kleinsteubers Beschreibungen den meinigen gegenüberstelle, folgendes: 1. Betreffs Calyptraea. Lage und Ausdehnung der Gonade entsprechen dem, was auch ich fand. (Ich spreche aber nicht von Hoden und Ovar, sondern von Zwitterdrüse in männlicher bzw. weiblicher Funktion.) Der Eileiter soll in der Gonade mehrfach verzweigt sein. Dies fand ich nicht, denn er geht kontinuierlich in einen Gonadenfollikel über, und die andern öffnen sich ineinander. Lage und Histologie des Eileiters, desgleichen die Topographie und Morphologie des Uterus stimmen ungefähr mit Der Genitalappnr. v. Calyptraea sin. L.. Crepidula ungiiif. L. u. Capulus hung. L. 213 meinen Untersuchungsergebnissen überein. Die histologische Be- schroibuiiir. die der Verfasser vom Uterus gibt, ist jedoch niclit an- nähernd erschöpfend. Seine Tafel 21, Fig. 17 gibt offenbar (entgegen seiner Tafelerklärung) ein Stück des Uterusepithels nur aus dem vaginalen Teil wieder, da bloß vereinzelt Drüsenzellen abgebildet sind. Richtig ist seine Angabe, daß im hinteren Teil des Uterus viele Drüsen zwischen Stützzellen mit länglichem Kern eingelagert sind. Dagegen muß ich bestreiten, daß »rein drüsige Zellkomplexe (seine Textfig. Y, dr) mit drüsenfreien abwechseln«. Kleinsteuber sagt weiter: >>An ein- zelnen Stellen sind helle Drüsenzellen mit länglichen, schmalen Kernen in Knospenform angeordnet«. Ein Verfolgen dieser »Knospendrü- sen« durch eine Schnittserie hätte dem Verfasser gezeigt, daß hier nicht knospenartige Drüseneinlagerungen vorliegen, sondern daß die- selben ein differenziertes, den Uterus mehrfach durchziehendes Band darstellen (S. 182 u. 183). Daß eine starke Flimmerung den Uterus von Cah/ptraea auszeichnet, kann ich bestätigen, nicht aber, daß dieselbe im hinteren Abschnitt fehlt und hier der Uterus vier Falten aufweist. Verfassers Textfig. Z ut zeigt ja auch schon fünf Falten! Betreffs des Receptaculums gibt Kleinsteuber an, daß dasselbe »nach kur- zem, stark gewundenem Verlauf sich in drei Teile teilt, die — eben- falls gewunden — am Ende sich zu kleinen Blasen erweitern, in denen dichtgeballt das Sperma lagert«. Wir sahen dagegen (S. 184), daß meist sechs enge Receptaculumschläuche vorhanden sind, die neben- einander in den Uterus münden, daß sie aufgeknäuelt und distal zu .spermahaltenden Blasen erweitert sind. Auch Haller (12b) (S. 210) spricht von mehreren Schläuchen des Receptaculums. Kleinsteu- bers histologische Angaben über dieses Organ habe ich im großen und ganzen bestätigt gefunden. Für das männliche Stadium von Calyp- traea stimmen des Verfassers Befunde auch nur in den gröberen Zügen mit meinen überein. So schheße ich mich nicht darin ihm an, daß die Ampulle Flimmern an ihrem Epithel tragen und das Vas deferens vor dem Schalenmuskel herum diesem sich anschmiegend auf das rechte Epipodium treten soll (vgl. meine Angaben S. 176 und 177 u.f.). Völlig abweichend ist der Penis dargestellt. Von der Spitzentasche desselben ist dem Verfasser nichts bekannt. Seine Textfig. F und D^ scheinen mir nicht Tiere rein männhchen Geschlechtes, sondern Über- gangstiere wiederzugeben, da der Penis dort sehr klein und unaus- gebildet gezeichnet ist. Überhaupt glaube ich, daß Kleinsteuber gar kein rein männliches Tier zur Verfügung gehabt hat, wie vielleicht auch keine älteren Tiere weibhcher Geschlechtsfunktion; messen doch 214 Martin Giese, seine Calyptraeeu 3 zu 4 mm bis 7 zu 8,5 imii, während meine im größten Mauteldurchmesser 1,0 — 15,5 mm lang sind, rein männlich funktio- nierende Tiere (nach S. 185) aber nur eine Größe von 1,4 — 3,0 mm haben. 2. Betreffs Crepidula muß ich folgendes für und wider Klein- STEUBERs Angaben vorbringen: Seine Beschreibung der Gonadeulagerung entspricht der meinigen; aber auch hier mündet der Zwittergang aus einem der zusammen- hängenden FoUikel aus und verzweigt sich nicht innerhalb der Gonade. Über Eileiter, Uterus und Receptaculum hat der Verfasser für Crepidula aus Mangel an Material keine histologischen Angaben gemacht, da sein einziges weibliches Tier dieser Gattung schon für makroskopische Untersuchungen verbraucht war. Den Uterus be- schreibt Kleixsteuber als vöUig mngeknickt. Wie wir sahen (S. 199), ist dies eine vereinzelte Erscheinung, die durch das freie Hineinhängen des vaginalen Uterusteües in die Mantelhöhle möghch ist. Im männ- hchen Stadium hat nach Kleinsteuber die Gonade dieselbe Aus- dehnung wie das Ovar mid ist aus Schläuchen in lockerer Anordnung zusammengesetzt. Hiergegen, sowie gegen seine Beschreibung des Vas deferens nebst Ampulle habe ich nichts einzuwenden; in letzterer fand ich jedoch auch hier keine Wimpern. Über die Lage der an- schließenden Samenrinne sagt er nur, daß sie sich zum Penis zieht und auf ihn fortsetzt. Ich konnte ihren Verlauf links am Schalen- muskel und an diesem zum Epipodium herab genau feststellen und so die Entstehung des Uterus, ebenso wie bei Calyptraea, aus dem proximalen Teü dieser AVimperrinne darlegen. Ihre Gestalt — tief in den Seitenhaislappen eingesenkt und fast geschlossen — entspricht ebenso wie Kleinsteubers Textfig. Ej^ absolut nicht dem, was ich fand. Die Samenrinne ist allerdings auch nach meinen Untersuchungen ein wenig tiefer als bei Calyptraea (Textfig. 14a, S. 195). Das Schheßen ihrer Eänder zu einem fast völlig überdeckten Gang könnte Klein- steuber vielleicht dadurch vorgetäuscht worden sein, daß der Epi- podialrand etwas hochgedrückt war; vgl. meine Textfig. 14 b. Die Morphologie des Penis weicht entschieden von meinen Ergebnissen ab, denn einen distalen, fingerförmigen Fortsatz, wie ihn der Verfasser angibt, fand ich nie; dagegen die Drüsenkappe desselben und die basa- len Einzeldrüsen an ihm kennt er nicht. Kleinsteubers Angabe, daß die wurmförmigen Spermatozoen bei Calyptraea und Crepidula etwa gleichgestaltet sein soUen, muß ich widersprechen (Textfig. 1 u. 13, S. 176 u. 194), denn letztere sind von Der Genitalappar. v. Calyptraca sin. L. , Crepidula unguif. L. u. Capulus hung. L. 215 anderer Gestalt und fast doppelt so groß wie erstere und schließlich oligopyren, während erstere apyreu sind. Capulus hat der Verfasser nicht bearbeitet. V. Theoretisches. 1. Über die Phylogenie der Geschlechtswege bei den Prosobranchiern, sowie ihre Beziehung zu den Nephridien. Zwei Wege führen uns zur Klärung der Frage nach der phvlo- genetischen Bedeutung der Geschlechtswege, nämlich 1. die Betrachtung der Verhältnisse, wie wir sie bei den Formen finden, welche sich durch andere Merkmale als Verwandte im natür- lichen System erwiesen haben, dann aber 2. ein Eingehen auf das was die Ontogenie hierüber uns lehrt, soweit sie als Rekapitulation der Phylogenie nach Prüfung der Sachlage betrachtet werden darf. Beide AVege führen uns dazu, die Nieren Verhältnisse mit zu berück- sichtigen, da enge Beziehungen zwischen ihnen und dem Geschlechts- apparat bestehen. An die Basis des Prosobranchierstammes stellt man gewöhrdich die Diotocardier, denn sie weisen in der vielfach noch ausgeprägten bilateralen Symmetrie ursprüngUche Verhältnisse auf. Die Asym- metrie, wie wir sie bei den meisten Gastropoden finden, ist ja als se- kundär erworben anzusehen, wie sie auch in der Onto»enie sekimdär c auftritt. Besonders die Xierenverhältnisse und deren Beziehungen zum Geschlechtsapparat bei den Diotocardiern lassen Anklänge an ein hypothetisches, symmetrisches Urmollusk noch hervortreten. Einige von ihnen, die man deshalb für die Ursprünghchsten hält, haben zwei funktionierende, mit Nephrostom versehene Niereu, welche rechts und links symmetrisch vom Anus in die Mantelhöhle ausmünden. Diese wären nach Pelsexeer (29b) u. a. unter den Docoglossen Patella, Helcion, Lepeta und Acmaea. Nach Haller (12c) hat Cemoria rioachina {Pundurella) sogar symmetrische, beiderseits in die Nieren nüindende Gonoducte. Von den beiden Nieren dieser Formen ist bei den übrigen Diotocardiern eine, zumeist die linke, mehr oder weniger rückgebildet. Sie wird kleiner, der Nierentrichter geht verloren, sie verhert ihre Fähigkeit, Harn auszuscheiden und kann sogar zu einem Gebilde anderer Funktion, dem Papillensack werden, der nach Lang (20) zum Aufspeichern von Reservenahrungsstoffen oder als phagocytäres Organ dient. In der Rückbildung der linken Niere scheinen in den einzelnen Familien, ja unter den Arten Verschieden- heiten zu herrschen, und die Angaben der Autoren widersprechen 216 Martin Giese, sich scheinbar manchmal (z. B. nach Bronn: Willcox imd Pelseneer für Acmaea fragilis bzw. virginea). Auch betreffs der Ausführung der Geschlechtsprodukte durch die Nieren der Diotocardier standen sich die Ansichten noch vor kurzer Zeit vielfach gegenüber. Heute ist man sich überall wohl darin einig, daß stets die Geschlechtspro- dukte der Diotocardier durch das rechte Nephridium entleert werden. Wo die linke Niere rückgebildet und funktionslos geworden ist, hat die rechte dann beide Funktionen (Harnabsonderung und, zur Zeit der Brunst, Ausleitung der Geschlechtsprodukte) übernommen. Wie aber ist es bei den Monotocardiern, wo wir eigene Geschlechts- wege und nur ein Nephridium haben? Letzteres liegt rechts vom Pericard, linksseitig im Eingeweidesack und mündet links vom End- darm nach außen; der Gonoduct befindet sich stets ganz rechts im Tier, der Porus genitalis ziemlich symmetrisch zur Nierenöffnung rechts vom Anus. Welches sind hier die Homologa zu den betreffen- den Organen der Diotocardier? Hierüber ist viel diskutiert worden, und es ist ein Streit um die Frage entstanden: Ist die Niere der Monotocardier homolog der rechten oder linken Diotocardierniere, ist der Gonoduct bei ersteren als Neuerwerb oder als Umbildung einer Niere aufzufassen? Es sind folgende Möglichkeiten hierbei vorhanden: einmal, der Geschlechts- weg der Monotocardier ist als Neubildung anzusehen, wobei die Niere entweder der rechten, der linken oder beiden Nieren der Diotocardier zusammen homolog sein kann; zweitens, der Geschlechtsweg ist aus einer Diotocardierniere hervorgegangen, und zwar dann entweder aus dem linken oder dem rechten Nephridium der Diotocardier. Diese fünf Möglichkeiten sind zu drei Theorien ausgebaut worden, wobei die dritte zwei MögHchkeiten zusammenfaßt; eine ist von vorn- herein als unwahrscheinlich beiseite gelassen worden. 1. Die Niere der Monotocardier ist homolog der rechten der Dio- tocardier, der Geschlechtsgang ein Neuerwerb. Diese Theorie stammt von Haller (12a — c) und stützt sich auf die Tatsache, daß, wie er- wähnt, die linke Niere bei den meisten Ehipidoglossen {Diotocardia) kleiner ist als die rechte, ja Rückbildungen innerhalb dieser Gruppe bis zum völligen Schwund (Acmaea fragilis nach Willcox) zeigt, und nach Haller bei Haliotis und den Trochiden (12c, S. 120 — 122) die Gonade getrennt von der bestehenden Niere ausmündet. Von anderer Seite (Pelseneer) wird dagegen behauptet, daß diese Rückbildung der linken Niere sich nur bei sekimdär flachschaligen Formen finde. Hiermit wird diese Stütze für die Theorie Hallers schon ins Wanken Der Genitalappar. v. Calyptraea sin. L., Crepidula unguif. L. u. Capulus hung. L. 2 1 7 gebracht. Simroth sagt in Bronns Klassen und Ordnungen des Tier- reiches über diese Theorie: >>Er (Haller) sucht durch Konstruktionen die Verschiebung des Nierenporus und die Verlagerung des ganzen Organs plausibel zu machen. Doch teilt man seine Anschauung nicht mehr.« Wie wir unten (S. 218f.) sehen werden, wird diese Ansicht Hallers vor allem durch die ontogenetischen Befunde hinfällig. Die 2. von Perrier (30) stammende Theorie besagt, daß die ein- zige Niere der Monotocardier aus der Verschmelzung beider Nieren der Diotocardier entstanden sei. Man müßte sich dann vorstellen, daß die Scheidewand zwischen den beiden einander genäherten Nieren einer Patella etwa, bei welcher Form die kleinere linke Niere auf die rechte Seite der Pericards gerückt ist, geschwunden sei, so daß bei den Monotocardiern die Nephridialdrüse dem Anteil der linken Niere entspräche und der übrige Teil der Monotocardierniere mit Nieren- öffnung und Nierentrichter der rechten Patellenniere homolog wäre. Ich glaube, daß auch diese Ansicht nach den neueren Untersuchungen in der Ontogenie nicht mehr zu halten ist, wobei auch meine Befunde am erwachsenen Tier (Gonopericardialgang), wie wir sehen werden, mitsprechen. Nach der dritten Theorie haben wir in der einzigen Niere der Monotocardier die linke der Diotocardier vor uns. Dies wird von Erlanger (10b) ausgesprochen mit den Worten: ... »1. That the only remaining kidney in most Prosobranchs is the actual left one. 2. That the actual right kidney has disappeared or become transformed, and that a part of it corresponding to the duct forms a part of the genital apparatus.« Die zweite dieser beiden Behauptungen Erlangers läßt also noch zwei Möglichkeiten offen, denn die rechte Diotocardierniere wäre ver- loren gegangen, oder im Geschlechtsgang enthalten. Letztere An- sicht hat schon von vornherein viel für sich, wenn man die Lage und Ausmündung des Gonoductes der Monotocardier ins Auge faßt und weiter daran denkt, daß schon bei den Diotocardiern die rechtslie- gende Niere zur Ausleitung der Geschlechtsprodukte größtenteils be- nutzt wird. Die Ansicht, daß die rechte Niere verloren gegangen sei, wird aus eben diesem Grunde unwahrscheinhch. Nach allem, was wir sehen werden, wird Erlangers Idee am wenigsten angefochten werden können, doch es wird neben der ersten nur der Teil der zweiten Behauptung bestehen bleiben können, wel- cher besagt, daß die rechte Diotocardierniere bei den Monotocardiern in den Dien.st der Geschlechtswege getreten ist. Diese Theorie Er- 218 Martin Giese, LANGERS ist in ihrer Gesamtheit von den meisten Molluskenforschern heute angenommen, sie wird aber manchmal noch etwas modifiziert. Dies wären die drei bestehenden Theorien, welche vier der er- wähnten Möglichkeiten berücksichtigen. Es bleibt noch diejenige, daß die linke Diotocardierniere die Geschlechtswege geliefert habe. Dem widerspricht schon die, gegen die Ansicht, der Geschlechtsweg könnte ein Neuerwerb sein, geltend gemachte Tatsache, daß bei Diotocar- diern größtenteils die rechte Niere zur Ausleitung der Geschlechts- produkte benutzt wird, dann aber weiter, daß der Gonoduct der Mo- notocardier stets rechts im Tier gelagert ist und rechts vom Enddarm ausmündet. Diese letzte Möglichkeit ist denn auch meines Wissens niemals zu einer Theorie ausgebaut worden. Dieser kurze Rückblick auf die Möglichkeiten, welche für die phyletische Herleitung der einzigen Monotocardierniere bestehen, er- gibt schon, daß eigentlich nur die, als dritte angeführte Theorie, mit der Einschränkung, daß die rechte Niere in den Genitalapparat umgewandelt ist, noch Berechtigung hat, da alle andern Möglich- keiten bei genauerer Betrachtung hinfällig werden. Doch waren die bisher erwähnten Beweise für diese Theorie nur indirekte. Wie steht es aber mit den direkten Beweisen? Hier steht als starke Stütze die Ontogenie, denn sie zeigt für Paludina, daß die ursprünglich linke (nach der Torsion rechte) Niere zur Bildung der Geschlechtswege be- nutzt wird. Wenn es bewiesen wäre, daß das, was an einer Form hier gefunden wurde, für alle Monotocardier gelte, so wäre die Frage nach der Abstammung von Niere und Geschlechtsweg so gut wie gelöst, doch fehlt es leider zu sehr an Kenntnissen bei andern Gruppen, denn nur für Paludina vivipara ist dieser Punkt völlig geklärt. Eine andre direkte, und zwar starke Stütze hierfür glaube ich gefunden zu haben durch den Nachweis eines Gonopericardialganges bei Calyptraea und Crepidula. Um die Bedeutung dieses Ganges, von der ein Teil sofort einleuchtet, ganz hervortreten zu lassen, ist ein Eingehen auf die on- togenetischen Befunde von Paludina nötig. Hier haben sich Er- langer (10 a), Rabl (33) u. a., vor allem aber Drummond (9) und nach ihr Otto (27) das Verdienst erworben, die Beziehungen von Niere und Genitalapparat für Paludina klargestellt zu haben. Aus diesen Untersuchungen möchte ich daher kurz das Wichtigste wiedergeben. Im Gastrulastadium des Embryos wandern Ectodermzellen ins Mesenchym und werden von diesem zu zwei ventralen Zellhaufen verstärkt. Der rechte derselben ist immer der größere und fortge- schrittenere. Diese beiden Zellkomplexe bilden die paarige Anlage Der Cenitalappar. v. Calyj)traea siii. L., Crepidula ungiiif . L. u. Capulus liung. L. 219 des Pericards und der mit ihm in Verbindung stehenden Organe, wie Herz, Niere und Geschlechtsorgane. Die beiden Pericardanlagen höhlen sich zu Säckchen, rücken aneinander und verschmelzen zu einem Pericardsack durch Auflösung der trennenden Zellschicht. Es ent- stehen sodann zwei Verdickungen im Pericard an der ventralen, dem Ectoderm anliegenden Seite: die Anlagen der Nieren. Inzwischen haben sich zu beiden Seiten des Afters zwei kleine Gruben (Mantel- höhlenanlagen) gebildet, welche sich vertiefen und den Nierenanlagen entgegenwachsen; dabei bleibt aber das linke »Hörn« dieser Mantel- höhlenanlage rudimentär, ebenso wie die entsprechende Nierenanlage. Kechts ist die Einstülpung der Mantelhöhle tief und speziahsiert, und die rechtsseitige Nierenanlage zu einer beträchtlichen Ausstülpung des Pericards entwickelt. Letztere wird zur bleibenden (nach der Tor- sion linken) Niere, ihre entsprechende Mantelhöhleneinstülpung zum Nierenausführgang. Die symmetrische Anlage dieser Organe weist, wie Otto (27) hervorhebt, auf die Urform hin. Der große Pericard- sack, der aus der Verschmelzung beider Anlagen entstanden ist, wächst nur noch in seinem rechten Teil. Rechts und dorsalwärts bildet sich alsdann die erste Anlage des Herzens als Verdickung des Pericard- epithels. Weiter entsteht links, unmittelbar neben der linken Niere eine Zellwucherung in dem der Leber angelagerten linken Pericard- zipfel. Dieser Zellhaufen hat ein lockeres Gefüge und schiebt sich als Zellstrang längs der Leber fort; er stellt die erste Anlage der Gonade dar. Die rudimentäre linke (später rechte) Niere hat zu dieser Zeit den Höhepunkt ihrer Entwicklung erreicht und besteht aus einem kurzen Röhrchen, welches in offener Kommunikation mit dem Peri- card steht. Die rechte Niere ist ein Säckchen mit Nierentrichter geworden und mündet später in den rechten Zipfel der Mantelhöhlen- einstülpung. Jetzt findet die Torsion um 180° statt, und die Nieren vertauschen ihre Lage. Die rechte Niere liegt statt rechts ventral jetzt links dorsal. Die Gonadenanlage hat in diesem Entwicklungsstadium einen Hohl- raum gebildet und mündet in den linken (nach der Torsion rechten) rudimentären Nierentrichter. Die rudimentäre Niere hat aber noch keine offene Verbindung mit dem ihr entgegenwachsenden Mantel- höhlenhorn. »Die linke Niere <<, sagt Otto, »macht in der Haupt- sache denselben Entwicklungsprozeß durch, wie die rechte bis zu einem gewissen Stadium, in dem sie dann in den Dienst des Genitalsystems tritt. Sie wird aber nicht etwa rückgebildet, stellt auch nicht zeit- weilig ihre Entwicklung ein.« Es erfolgt, nach Einmündung der 220 Martin Giese, Gonade in den proximalsten Teil der rudimentären Niere, der Durch- bruch derselben zu dem Mantelhöhlenhorn, in dem dann Wimpern entstehen. So ist also die rudimentäre rechte (ursprünglich hnke) Niere in ihrer ganzen Ausdehnung in den Gonoduct aufgenommen. Ihre Verbindung mit dem Pericard schwindet sodann. Erlanger (10 a) hat diese Verhältnisse noch nicht richtig erkannt, denn er hat die Anlage der linken Niere mit derjenigen der Gonade verwechselt. Der Ausführgang der rudimentären Niere, entstanden aus dem Mantelhöhlenzipfel, wächst nun beträchtlich in die Länge und bildet einen bewimperten Gang, welcher später den größten Anteil an der Gonoductbildung hat, denn fast der ganze Eileiter, sowie Uterus und Receptaculum nehmen ihren Ursprung aus ihm; nur der kurze, enge, unbewimperte Anfangsteil des Oviductes zwischen Gonade und Ei- weißdrüse entsteht aus der rudimentären Niere. Im männlichen Ge- schlecht — die Gonade hat sich in diesem Zeitpunkt bereits in Hoden bzw. Ovar differenziert — erhält der Gonoduct einen sekundären Zuwachs, denn es bildet sich eine Einne, welche vom Porus genitalis bis zur Spitze des rechten Tentakels zieht und sich später zu einem Gange schließt. Es besteht eine weitgehende Homologie der Organabschnitte im männlichen und weiblichen Geschlecht; nur der sekundäre Teil des männlichen Ausführganges, der sich aus der Rinne bildet, fehlt dem weiblichen Apparat. Bringen wir nun diese Ergebnisse der Ontogenie von Paludina und die vergleichende Betrachtung der erwachsenen Prosobranchier zu unsren Befunden bei Calyptraea, Crepidula und Capidus in Be- ziehung ! Wir fanden bei den beiden ersteren den Gonopericardialgang. In ihm sehen wir nach dieser ontogenetischen Darlegung ohne weiteres den rechten Nierentrichter vor uns und haben damit eine starke Stütze für die Ansicht, daß auch für diese Formen die rudimentäre hnke (nach der Torsion rechte) Niere im Gonoduct enthalten sein muß. Entspricht doch die Lage und Gestalt dieses Ganges (den man auch >>Gonostom<< nennen könnte) ganz derjenigen eines Nierentrichters. Sogar die Längsfaltung, die der Gonopericardialgang wie der weib- liche Gonoduct aufweist, findet sich (nach Otto) beim Nierentrichter von Paludina. Doch welcher Teil des Geschlechtsganges wird hier bei unsren Formen als Rest der rudimentären rechten Niere anzusehen sein? Bei Paludina zeigt (nach Otto) der proximale Teil des Gonoductes bis DerGenitalappar. V. Calyptraeasin. L.,Cie|>idiila imguif. i.. u. Caimlus Imng. L. 221 zur Eiweißdrüse schon durch abweichende Struktur und Färbbarkeit und durch Mangel der Bewimperung Nierenabstammung, und dies ließ sich auch ontogenetisch beweisen. Der ganze übrige Teil des Gesclilechtsganges mit seinen Anhängen und Drüsen nahm seine Ent- stehung aus dem Alisführgang der rudimentären Niere, welcher sich als ursprünglich linkes Mantelhöhlenhorn anlegte. — Ontogenetische l^efimde über diesen Punkt liegen für die von mir untersuchten Proso- branchier nicht vor, und so kann ich nur Vermutungen über die Frage, wieweit der Gonoduct aus der rudimentären Niere entstanden ist, aussprechen. Es dürfte wohl aber nach Analogieschlüssen aus dem für Paludina Bekannten anzunehmen sein, daß auch hier die Gonade in der embryologischen Entwicklung in den rechten Nierentrichter einnnindet. AA'ährend aber bei Paludina ein ganz bestimmter Teil des Gonoduct es seine Abstammung aus der Niere noch durch abwei- chende Struktur und Färbbarkeit dokumentierte, haben wir bei Calyptraea und Crepidula im Zwittergang männlicher Funktion aber nicht einen, in zwei scharf geschiedene, histologisch differenzierte Abschnitte geteilten Apparat, sondern derselbe ist in seiner ganzen Länge einheitlich. Somit scheint der ganze Gonoduct bis zum Porus genitalis des männlichen Stadiums der rudimentären rechten Niere zu entsprechen, denn man muß nach Analogie mit den Embryonen andrer Tiere mit Wahrscheinlichkeit annehmen, daß e;n Organ, wel- ches aus zwei oder mehr verschiedenen Anlagen zusammengewachsen ist, in seinen Teilen diese Abstammung noch zeigen w^ürde. Dazu kommt, daß durch die Annahme, daß der ganze Gonoduct aus der rudimentären Niere entstanden sei, hier die sonderbare Uterusent- wicklung verständlich wird, denn wir sahen ja dies Organ als Anglie- derung an den eigenthchen Gonoduct aus einer Mantelhöhleneinstül- pung (proximaler Teil der Wimperrinne) entstehen. Dies scheint eine Keminiscenz an einen ähnlichen Ursprung hier wie bei Paludina an- zuzeigen, denn dort entstand ja (nach Otto) der Uterus nebst dem größeren Gonoductteil und Receptaculum aus dem Ausführgang der rudimentären Niere, welcher seinerseits aus dem ursprünglich linken Mantelhöhlenhorn hervorging. Dies wäre ein ontogenetisch verspä- tetes Auftreten gefestigter Zusammenhänge. Es ist die eigenartige Erscheinung, daß ein so offenbar phylogene- tisch altes Organ, wie der Gonopericardialgang, erst so spät angelegt wird — nändich im erwachsenen Tier beim Übergang von männlicher zu weibUcher Geschlechtsfähigkeit — , wohl in demselben Sinne zu deuten. In diesem Falle ist der Grund hierfür der, daß dieser Gang 222 ' Martin Giese, im weiblichen Stadium eine besondere Verwendung erhält und im männlichen Geschlecht noch nicht nötig ist. Solche Verschiebung findet sich ja zuweilen im Tierreich. Welcher Art die Funktion des Gono- pericardialganges sein mag, will ich dahingestellt sein lassen, da ich bis jetzt keine physiologischen Experimente anstellen konnte. Ein Gonopericardialgang ist bei Muscheln bekannt, doch stellt er dort eine Verbindung des Pericards mit dem gemeinsamen End- stück von Niere und Geschlechtsleiter dar. So bei Leda sulculata (Stempeil 1898) und ebenfalls kürzlich für Anodonta cellensis Schrot, von Herbers (13) nachgewiesen. Im letzteren Falle hat er nur im Embryo eine offene Kommunikation mit dem Pericard; im erwach- senen Tier ist er blind geschlossen. Auch dort ist die phylogenetische Bedeutung dieses Ganges wohl eine ähnliche, wie in unserm Falle. 2. Über den primären oder sekundären Charakter des Hermaphroditismus der Prosobranchier. Allgemein wurden bis vor kurzer Zeit noch die Prosobranchier mit wenigen Ausnahmen als diöcisch angesehen. Doch weisen die neueren Untersuchungen vielfach daraufhin, daß Zwittrigkeit in dieser Gruppe verbreiteter sein dürfte, als bisher angenommen wurde, denn die stark protandrische Erscheinungsform, in welcher sich zumeist hier die Zwittrigkeit findet, kann leicht Diöcie vortäuschen, besonders, wenn der zwittrige Übergangszustand nur kurze Zeit dauert. In die- sem Sinne spricht sich auch Simroth in »Bronns Klassen und Ord- nungen des Tierreiches« schon aus. Es nimmt nicht Wunder, daß auch bei den Prosobranchiern Zwittrigkeit vielfach vorkommt, denn alle andern Gastropoden sind ja Zwitter. Demnach könnte man mit Simroth, neuerdings auch mit Otto (27) u. a. annehmen, daß auch die Vorderkiemer ursprünglich Zwitter waren und die Diöcie als sekundär erworben zu betrachten wäre, der Hermaphrodit ismus, welcher sich manchmal zeigt, also primärer Natur wäre. So sagt Otto: »Die Vorderkiemer waren zweifellos Zwitter, sie sind es noch vielfach, wenn man es auch der Protandrie wegen meist übersehen hat.« Nach von Brunn sollen ja auch die wurmförmigen Spermatozoen bei diöcischen Prosobranchiern als »weibliche Tendenz« im Hoden aufzufassen sein, also auch bei ausgesprochen getrennt geschlecht liehen Formen noch Andeutungen ihres früheren Zwittertums vorhanden sein. Andrerseits wird aber der Hermaphroditismus der Prosobranchier gewöhnlich als sekundär erworben aufgefaßt. Diese Ansicht gewinnt schon viel für sich, wenn man bedenkt, daß unter den Prosobranchiern DerGenitalappar. V. Calyptraoasin. L.,CVeiHdulaunguif. L. u.Capulushung. L. 223 gerade die sessilen Foinien der Gezeitenzoiie Zwittrigkeit zeigen, die mit Aufgabe der freien Ortsbewegung auch die Kommunikation der Geschlecht er erschwert fanden und dann beide Geschlechtsprodukte hervorbrachten. Für den sekundären Charakter der Zwittrigkeit spricht dann aber weiter, daß diese bei den Prosobranchiern ganz anderer Art ist als bei den Pulmonaten und Opisthobranchiern. Dort haben wir einen besonderen Apparat für männliche und weibhche Funktion gleich- zeitig nebeneinander entwickelt, hier funktionieren dieselben Teile des Zwitterganges einmal als männlicher, ein andresmal als weibhcher Ausführgang. Bei Prosobranchiern zeigt weiter vor allem der zwittrige tJeschlechtsapparat bei weitem nicht die Komphkationen und Anhangs- gebilde, wie sie bei Pulmonaten und Opisthobranchiern vorhanden sind. Ich glaube nicht zu irren, wenn ich hierin eine primitive Entwicklungs- stufe des Genitalapparates sehe, während mir die größeren Komplika- tionen dort auf ein späteres phyletisches Stadium hinzudeuten scheinen. Daß dieselben dem zwittrigen Genitalapparat der Prosobranchier fehlen, spricht mit dafür, daß sich hier erst sekundär in späterer Zeit der Übergang zum Zwitterstadimn vollzogen hat. Nach meiner Meinung ist nun auch das Verhalten meiner Tiere hierfür ein Beweis. Nichts erinnert in der Zwittrigkeit von Calyp- traen und Crepidula an diejenige der Pulmonaten und Opisthobran- chier, und es würde schwer halten, von letzteren ihren hermaphroditen Geschlechtsapparat abzuleiten. Gehen wir aber von diöcischen For- men aus, so stellt sich uns keine Schwierigkeit in den Weg. Bei ge- trenntgeschlechtlichen Prosobranchiern haben wir einen männhchen und einen weiblichen Apparat, welche beispielsweise für Paludina weitgehende Homologien in den Hauptabschnitten aufweisen, deren Differenzierung in beiderlei Geschlechtscharaktere schon fiüh in der Ontogenie sich vollzieht und im erwachsenen Tier zu völhg verschiedener l^eschaffenheit des Apparates im männhchen und weibhchen Ge- schlecht führt. So erhält beispielsweise das Vas deferens einen sekun- dären Zuwachs in Gestalt eines bis an die Spitze des rechten Ten- takels verlaufenden Ganges, welcher sich zuerst als offene Rinne anlegt, der weibliche Geschlechtsapparat dagegen wird vervollständigt durch Receptaculunibildung und Anlage verschiedener Drüsen. Wenn dann, wie bei unsern Tieren die Gonade befähigt wird, dank der latent vorhandenen anderen Geschlechtsfähigkeit, beide Geschlechtsprodukte hervorzubringen, was nacheinander und nicht nebeneinander erfolgt, so bilden sie beim Übergang zu weiblicher Tätigkeit die notwendigsten Eigentümlichkeiten des weiblichen Apparates aus, reduzieren diese 224 Martin Giese. Komplikationen aber auf das all ernotwendigste. Daher ist das Fehlen von Anhangsdrüsen bei unsern Tieren in diesem Sinne bemerkenswert. Es wird damit erreicht, daß die Umbildung im erwachsenen Tier nicht zu große Umwälzungen erfordert. Diesen Zustand haben wir bei Calyptraea und Crepidula vor uns. Es sind hier, wie wir sahen, nur wenig Neubildungen neben den Umbildungen nötig: der Penis wird rudimentär, der sekundäre Teil des männlichen Apparates — die 8amenrinne — verstreicht bis auf ihren proximalen Teil, welcher zimi Uterus nebst Receptaculum auswächst. Die Ampulle schwindet, wo- durch die Erweiterung des Samenganges zum Oviduct ermöglicht wird; der Gonopericardialgang, welcher während des männlichen Stadiruns überflüssig war, legt sich dann erst an. Dieser Zustand der sekundären Zwittrigkeit wird noch einfacher erreicht bei der in der sonstigen Organisation bedeutend höher stehen- den Familie der Capuhden. .Hier zeigt schon der männlich funk- tionierende Apparat die Anfänge der später notwendig werdenden Neubildungen (Uterusanlage und Receptaculum), so daß die Um- wälzung im Innern noch geringer wird beim Übergang zum weiblichen Stadium. Dies ist entschieden ein Fortschritt, der aus dem Prinzip der Vereinfachung erwachsen ist. Bei dieser Form stoßen wir nun auch schon auf eine Einrichtung, die wir weiter entwickelt bei Pul- monaten und Opisthobranchiern wiederfinden: in dem Vorhanden- sein eines kleinen Uterus und eines spermagefüllten Receptaculums haben wir ein Anzeichen dafür, daß hier das männhch funktionierende Tier manchmal — vielleicht aber auch regelmäßig — schon in diesem Stadium begattet wird. Es wird wahrscheinlich dort das Sperma für spätere Befruchtung, wenn das Tier Bier ablegt, aufbewahrt. So findet bei Capulus also eine wechselseitige Copula statt, worin ich einen Anklang an die Verhältnisse bei Opisthobranchiern und Pul- monaten sehe. Damit hat sich Capulus von der ursprünglichen Diöcie der Prosobranchier weiter entfernt als Calyptraea und Crepidula, bei denen wechselseitige Begattung unmöglich ist, da nur zwischen Über- gangstieren eine erfolglose gegenseitige Copula stattfinden könnte. Für den sekundären Charakter der Zwittrigkeit unsrer unter- suchten Prosobranchier spricht schließlich noch der Umstand, daß wir hier zwei physiologisch ganz verschiedene Typen des Geschlechts- apparates realisiert sehen. Es ist nämlich bei Pulmonaten und Opi- sthobranchiern der Genitalapparat stets auf gleichzeitige Copula ein- gerichtet. Auch da, wo der morphologische Charakter des Apparates in den vielen Gruppen der Opisthobranchier sehr verschieden ist, trifft I Der Cenitalappar. v. Calyptraea sm. L.. Crcpidula iingiiif . L. u. Capuliis Iiung. L. 225 (lies, wie Brüel (7) zeigte, stets zu. Hier aber finden wir die zwei Gruppen (einerseits Cah/ptraea und Crcpidula, anderseits Capulus) sehr verschieden in physiologischer Hinsicht, erstere für einseitige, letztere Form für wechselseitige Copula eingerichtet. Wenn nun die vielen Gruppen der -Pulmonaten und der Opisthobranchier hierin unter sich physiologisch gleich bleiben, müßte man eine Erhaltung dieser vorteilhaften Eigentümlichkeit auch bei anderen Gastropoden erwarten, wenn diese wirklich alle von primär zwittrigen Ahnen ab- stammten. Xach alledem ist wohl sicher der Hermaphroditismus bei den recenten Prosobranchiern als sekundär erworben anzusehen. Zusammenfassung der Hauptergebnisse der Arbeit. 1. Protandrischer Hermaphroditismus herrscht bei Calyptraea si- nensis, Crepidula unguiformis und Capulus hungaricus. 1 a. Alle drei Formen besitzen neben den typischen auch atypische Spennatozoen i . 2. Cahiptraea und Crepidula gleichen sich im Genitalapparat fast völlig; Capulus zeigt abweichende Verhältnisse. 3. Der Penis besitzt bei Calyptraea eine Spitzentasche; der von Crepidula ist statt dessen mit Drüsen an der Basis und einer Drüsen- kappe an der Spitze ausgerüstet. Auch Capulus kommt (entgegen der üblichen Ansicht) ein Penis zu. Dieser ist ohne Spitzentasche und Drüsen. 4. Der Uterus endigt bei Calyptraea und Crepidula mit einem frei in die Mantelhöhle hineinhängenden, drüsenlosen, vaginalen Teil, der dem Uterus von Capulus völhg fehlt. Bei allen drei Formen be- steht die Wandung des Uterus aus hohem, dreifach differenziertem Drüsen epithel. 1 Während der Drucklegung meiner Arbeit las ich die Veröffentlichung von I)r. Gustav A. v. Kemnitz: »Beiträge zur Kenntnis des Spermatozoen-Dimor- phismus« (Arcli. f. Zellforschung XII. Bd. 4. Heft). Es findet sich darin folgende Stelle: »Tatsache .., daß bei dem einzigen bekannten hermapluoditen Proso- liranchier Sperinatozoen-Dimor}ihismus nicht vorkommt, ein l'instand, der zweifel- los stark für einen Zusimmenhang mit der Geschlechtsbestimmung spricht. « Bei der zwittrigen Vahata kämen demnach keine oligo- oder apyrene Spermatozoen vor. Unser Befund an Calyptraea, Crepidula und Capulus zeigt, daß bei diesen zwittrigen Prosobranchiern regelmäßig die atyj)ischen Spermien vorhanden sind. Damit wäre der Schluß des Verfassers, daß der negative Be- fund an atypischen Spermatozoen bei Valvata auf einen Zusammenhang mit der Geschlechtsbestimmung schließen ließe, bereits hinfällig. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CXIV. Bd. 15 226 Martin Giese, 5. Calyptraea und Crepidula besitzen im weib- lichen Geschlecht einen Gonopericardialgang, der sicli erst beim Übergang von männlicher zu weiblicher Funk- tion des Genitalapparates anlegt. Bei Capulus findet er sich dagegen nicht. 6. Während bei Calyptraea und Crepidula Um- und Neubildun- gen bei dem Übergang vom männlichen zum weiblichen Stadium eine große Rolle spielen, zeigt der Geschlechtsgang von Capulus in beiden Geschlechtern annähernd die gleiche Gestaltung. 7. Der Uterus entsteht bei Calyptraea und Crepidula als Zusatz zum männlichen Geschlechtsapparat durch Neubildung mit Verwer- tung des proximalen Teiles der Samenrinne; bei Capulus entwickelt er sich durch Drüseneinlagerung und Vergrößerung aus einer schon im männlichen Stadium vorhandenen Tasche. 8. Das Receptaculum bildet sich bei Calyptraea und Crepidula durch Ausstülpung von der Uterusanlage; bei Capulus ist es schon im männlichen Geschlecht vorhanden; über seine Herkunft könnten hier nur embryologische Untersuchungen Aufschluß geben. Das Re- ceptaculum besteht bei den beiden ersteren Formen aus mehreren (drei, bzw. sechs) Schläuchen; bei Calyptraea sind diese sehr eng und verschlungen, mit blasigen Erweiterungen, welche das Sperma ent- halten; bei Crepidula sind sie nicht so eng, auch nicht verschlungen, aber distal kolbig erweitert. Bei Capulus bildet dagegen das Recep- taculum eine große Blase, deren kurzen, engen Ausführgang starke Ringmuskulatur umgibt. 9. Der Hermaphroditismus dieser Prosobranchiergruppen ist sekun- där erworben. Seine Eigenart läßt sich leicht bei Ableitung von diöcischen Formen verstehen, denn er ist bei Calyptraea und Crepi- dula einerseits und Capulus andrerseits völhg verschieden ausgestaltet, während bei allen Pulmonaten und Opisthobranchiern, trotz morpho- logischer Verschiedenheit des Bauplanes des Genitalapparates, die Modahtät des Hermaphroditismus völlig dieselbe ist, 10. Calyptraea und Crepidula stehen der wahrscheinlich ursprüng- lichen Diöcie der Prosobranchier noch näher als der im System höher stehende Capulus. Bei diesem ist wie bei Pulmonaten und Opistho- branchiern wechselseitige, bei Calyptraea und Crepidula nur ein- seitige Copulation möglich. 11. Der Gonopericardialgang ist als rechter Nieren- trichter aufzufassen. Damit haben wir zmn erstenmal am er- Der tJenitalappar. v. Calyptraea sin, L., Crepidula unguif. L. u. Capuliis luing. L. 227 waclisenon Tier eine J^estätigung der ontogenetisch gefundenen Tat- sache, daß die rudimentäre rechte (ursprünglich linke) Niere zum Gonoduct bei den Monotocardiern umgewandelt wird. Halle a. 8., im Mai 19U. Literaturverzeichnis. 1. A. AsiANDRUT, La Partie anterieure du Tube digestif et la Torsion chez les MoUusques Gasteropodes. Ann. des Sc. nat. Zool. VII. 1898. 2. F, Blochmann, Beiträge zur Erkenntnis der Entwicklung der Gastropoden. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. XXXVIII. 1883. 3. L. BouTAN, La cause priiicipale de l'asymetrie des Mollusques Gasteropodes. Arch. de Zool. experimentale. III. Ser. Tom. VII. 1899. 4. BouviER, Observations sur l'anatomie du Xenophora et de la Cah^^tree. Bull. soc. phil. Paris. X. 1887. .">. J. Brock, Entwicklung der Geschleclitsapparate der stylommatoplioreu Pul- nionaten usw. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. XLIV. 1886. t>. Bronn, Klassen und Ordnungen des Tierreichs. Bd. III. Mollusca. IL Ab- teiig. Gastrop. prosobranchia. Leipzig 1896/1907. 7. L. 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Pohl, Über den feineren Bau des Genitalsystems von Polycera quadri- lineata. Zool. Jahrb. Bd. XXI. 1905. (Anatomie.) Der Genitalappar. v. Calyptraea sin. L., Crepidula unguif . L. u. Capulus hung. L, 229 33. ('. Rabl, a) Die Ontogenic der Süßwasserpulmonaten. Jon. Zcitschr. f. Nat. IX. 1875. — b) Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Prosobranchier. 8itz.-Bcr. d. k. Akad. d. Wiss. Wien. 86. Jahrg. 1883. 34. Salen'SKI, Beiträge zur Entwicklung der Prosobranchiaten. Zcitschr. f. wiss. Zool. XII. 1872. 35. J. ScHAPiRO, Über Ursache und Zweck des Hermaphroditismus, seine Be- ziehungen zur Lebensdauer und Variation mit besond. Berücksich- tigung einiger Nacktschneckenarten. Biol. Centralbl. Bd. XXII. 1902. 30. Scheidig, Zur Anatomie von Crucibulum ferrugineum. Zool. Jahrb. Suppl. XIII. Bd. IV. 1911. 37. P. ScHiE.MEXZ, Zusammenfassende Darstellung der Beobachtungen von Eisig, Rouzaud, Jourdain, Brock, Klotz usw. über die Entwicklung der Ge- nitalorgane der Gastropoden. Biol. Centralbl. 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Im allgemeinen gelten folgende Bezeichnungen und sind nicht im einzelnen angegeben: ad, Atrialdrüse; ep, Epipodium; avip, Ampulle; ß, faserige Hülle; an, Anus; g, Gonade; bgh, Bindegewebshülle; gpg, Gonopericardialgang; bgu; Bindegewebe; hbdr, Hypobranchialdrüse; dr, Drüsen; k, Kiemen; drl, Drü^enlippe; m, Mantel; dru; Drüsenwulst; me, Mesenchymelemente; 230 Martin Giese, mhe, Maulelliöhlenepithel; sclim, Schalenmuskel; n, Niere; sp, Sperma; ne, Nerv; Sft, Spitzentasche des Penis; nö, Nierenöffnung; stl, Stützlamelle; ovd, »Oviduct«; vi, Uterus; ^M}-), Papille; vag, Vagina; fc, Pericard; vdr, Verdauungsdrüse; pe, Pericardepithel ; vgl, Visceralganglion; fen, Penis; wep, Wimperepithel; pg^, Porus genitalis \ im männl. bzw. ivr. Wimperrinne; 'pg'^, >> » / weibl. Stadium; zg, Zwittergang; ph, Pericardhülle; ^g3y ?» Zwittergang im männlichen rec, Receptaculum ; bzw. weiblichen Stadium. rpg, Renoperioardialgang ; Tafel V— VIII. Im allgemeinen gelten die Bezeichnungen auf S. 229. Fig. la u. b. Schema des rein männlich, bzw. weiblich funktionierenden Geschlechtsajjparates von Calyptraea. Allgem. Bez. Außerdem für a j^wr, pro- ximaler Wimperrinnenteil; lap, Lappenfortsatz der Penisspitzentasche spt. Fig. 2 a u. b. Schematische Darstellung des Genitalapparates von Cre- pidula; a in männlicher, b in weiblicher Beschaffenheit. Für a gelten außer den allgem. Bez.: edr, Einzeldrüsen; drw, Drüsenwulst. Fig. Sau. b. Schema des Genitalapparates von Capulus, a im männlichen, b im weiblichen Stadium. Allgem. Bez. und außerdem: gt, Geschlechtstasche. Fig. 4. Anlage des Gonopericardialganges {adg). Reich. Obj. 7 a, Oc. 2. Fig. 5. Spätere Anlage des Gonopericardialganges. fs, Faserstränge. All- gem. Bez. Reich. Obj. 7a, Oc. 4. Fig. 6 a u. b. Penis von Calyptraea, a mit eingerolltem, b mit heraushän- gendem Lappen, spt. Spitzentasche; lap, lappenförmiger Fortsatz; ?«'?■, Wim- perrinne. Fig. 7 a — d. Schnittbilder vom Gonopericardialgang von Calyptraea. Zwi- schen je 2 Zeichnungen liegen 4 Schnitte. Allgem. Bez. Reich. Obj. 3, Oc. 4. Fig. 8. Drüsige Ausmündung des Gonopericardialganges aus dem Pericard bei Calyptraea. Allgem. Bez. Reich. Obj. 5, Oc. 2. Fig. 9 a u. b. Uterus von Calyptraea, a von unten, b von oben gesehen. Nach makroskop. Präparat. Allgem. Bez. Vergröß. etwa 20. Fig. 10. Teilschnitt durch den Uterus von Calyptraea. Außer den allgem. Bez. stz, Stützzelle; drh, Dräsenzellkern ; lilc, Kern der Hülle. Reich. Hom. Imm. Vi 2, Oc. 2. Fig. 11. Längsschnitt durch den Uterus von Calyptraea. Der proximale Uterusteil mit der Oviductmündung ist auch angeschnitten. Allgem. Bez. und ovdm, Oviductmündung. hdrb, heUes (hier nicht scharf abgegrenztes) Drüsen- band. Reich. Obj. 3, Oc. 2. Fig. 12. Längsschnitt durch das Receptaculum von Calyptraea. Allgem. Bez. ag, Ausführgänge; recbl, blasenförmige Erweiterungen der Receptaculum- schläuche; sp' Sperma dem Ausführgang zugewandt. Reich. Obj. 5, Oc. 2. Der Cicnilalai)par. v. Calyptraea sin. L., Ciepidula unguif. L. u. Capulus huiig. L. 231 Fig. 1:5. Querscluiitt dunh die Ausführgänge des Receptaculums. Allgeni. Bez. mf, Mu.skelfasein. Reich. Honi. Imm. i/i,. ^^c. 2. Fig. 14 a — li. Mehrere Schnitte diircli die Uterusanlage eines Übergangs- tieres. Folge der Schnitte: 1, 8, 10, 24, 32, 40, 50, 65. Allgem. Bez. und: utan, Utcrusanlage; reca, Receptaculumanlage; hrs. Bruchsack des Mantels. Reich. Obj. 3, Oc. 4. Fig. 15. Penis von Crepidula, längs. Allgem. Bez., außerdem: edr, Einzel- driisen; drw, Drüsenwulst. Reich. Obj. 3, Oc. 2. Fig. U). Querschnitt durch die Penisspitze von Crepidula. wr. Wimper- rinne; dru\ Drüsen willst; hl, Blutlacune. Reich. Obj. 3, Oc. 2. Fig. 17. Drüsenwulst der Penisspitze von Crepidula. kdr, Drüsen mit körnigem; lidr solche mit homogenem Secret; stz, Stützzellen. Reich. Hom. Imm. 1 12» Oc. 4. Fig. 18. Starke Schleimdrüsenwucherungen im »0^'iduct« und Gonoperi- cardialgang von Crepidula. Allgem. Bez., außerdem: w, Wucherungen; sehr, Secret; psep. Pseudoepithel. Reich. Obj. 5, Oc. 2. Fig. 19. Differenzierte becherförmige Drüse mmitten der andren Uterus- drüsen von Crepidula. Allgem. Bez., außerdem: stz, Stützzellen; sekr, Secret; pl, Plasma. Reich. Hom. Imm. i/x2, Oc. 4. Fig. 20. Receptaculumwandung von Crepidula. mh, muskulöse Hülle; ep, Epithel; sp, Spermatozoen. Reich. Hom. Imm. 1/12» Oc. 4. Fig. 21a. Epithelwucherungen in der verstreichenden Ampulle von Cre- pidula. ovc, Ovocyten; bgh, Bindegewebshülle; epio, Bindegewebswucherungen. Reich. Obj. 3, Oc 2. Fig. 21b. Ein Stück aus Fig. 21a stärker vergrößert. Bezeichnungen wie dort; außerdem: kö, Körner in den blasigen Zeilen. Reich. Hom. Imm. i/ig» Oc. 2. Fig. 22. Öffnung der mämil. Geschlechtstasche von Capuhcs in die Man- telhöhle, tu? eventuell abgefallene Wimpern; gt, Geschlechtstasche; rect, Rec- tum; ap, Anuspapille; vi, Verschlußlappen der Geschlechtstasche. Reich. Obj. 5, Oc. 2. Fig. 23. Receptaculumstiel von Capulus. m, Muskeln, ep, Eipthel; sp, Sperma. Reich. Obj. 5, Oc. 2. Neue Beiträge zur Biologie von Lomechusa und Atemeies, mit kritischen Bemerkungen über das echte Gastverhältnis. [205. Beitrag zur Kenntnis der Myrmekophilen und Termitophilen.ji. Von E. Wasmann, S. J. (Valkenburg, L. Holland.) Mit 2 Figuren im Text, Tafel IX und X und einer statistischen Karte. Kurze Inhaltsübersicht. I. Teil. Kritische Bemerkungen zu Jordans Arbeit. II. Teil. Kritische Beiträge zur Lebensweise, Fortpflanzung und Entwicklung von Lomechusa und Atemeies. A. Aus der Statistik der saTiguinea-Kolomen von Exaten. B. Untersuchungen über die ersten Entwicklungsstände von Lome- chusa und Atemeies. Viviparität oder Ovoviviparität? C. Übersicht über die Entwicklungsstadien vonLomechusa und Afemeles. (Ein ausführliches Inhaltsverzeichnis folgt am Schlüsse der Arbeit.) I. Teil. Kritische Bemerkungen zu Jordans Arbeit. Die äußere Veranlassung zu der vorliegenden Arbeit ist folgende. Im Frühling 1914 sind es gerade 30 Jahre, daß ich meine biologischen Studien über Atemeies und Lomechusa begann. In der Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie (CVII, Heft 2) erschien nun kürzlich eine Arbeit von Karl Hermann Christian Jordan, »Zur Morpho- logie und Jiiologie der myrmekophilen Gattungen Lomechusa und Ate- meles und einiger verwandter Formen <<. Da dieselbe neben einer histo- logischen Untersuchung über LoTnechnsa und Atemeies eine Reihe irreführender und rückständiger Angaben über den Stand der Frage des echten Gastverhältnisses, über die Biologie von Lomechusa usw. 1 Das Manuskript dieser Arbeit wurde bereits im Juni 1914 druckf> Blutgewebe « als nächste Exsudatquelle hinstellen zu müssen. Der von Jordan in der Zusammenfassung seiner »Ergebnisse« (S. 384, Nr. 3) aufgestellte Satz: »Das Exsudatgewebe im WASMANNschen Sinne ist nichts andres als typisches Fettgewebe« — ist daher offenbar ganz falsch. Zweitens hat KRtJGER meine Befunde über das Exsudatgewebe bei Claviger nicht »widerlegt«, wie Jordan vorgibt, sondern wesentlich bestätigt und erweitert: »Die von Wasmann entdeckten Drüsen wur- den eingehender untersucht« (S. 357, s. auch S. 332 ff.). Berich- tigt hat Kritjer meine Anschauung hauptsächlich darin, daß nach ihm die Ausführungsgänge der einzelnen Drüsenzellen sich nie ver- einigen, sondern stets bis zur Mündungsstelle getrennt verlaufen, was mir zweifelhaft geblieben war. Seine Erklärung scheint auch mir jetzt die richtige und auch meiner Abbildung (in Nr. 134, S. 2(»3, Fig. 5) besser zu entsprechen. — Bezüglich der Paussiden hat Reichens- 16* 236 E. Wasmann, PERGER 1 die Stirndrüse von Hylotorus Caroli beschrieben, welche jener, die ich bei Paussus cucullatus entdeckt hatte, ähnhch ist, aber weniger den Eindruck eines Pseudoacinus macht als bei Paussus. Hylotorus ist eine parasitisch degenerierte Gattung, und die 8tirndrüse ist weniger umfangreich als bei P. cucullatus, wo ich ähnliche Drüsensysteme auch im Fühlerbecher, im Prothorax und im Hinterleib (entsprechend den äußern Exsudatorganen) nachweisen konnte. Während ich im Zweifel blieb, ob nur die Ausfuhrgänge der einzelnen Pseudoacini oder die- jenigen sämtlicher Zellen derselben getrennt münden, fand Reichens- PERGER die Kanälchen der einzelnen Zellen bis zum Cribellum getrennt. Nach nochmaliger Prüfung meiner Schnittbilder bin ich geneigt, auch für Paussus dieselbe Trennung anzunehmen, zumal die Zahl der zum Cribellum konvergierenden Kanälchen der Stirndrüse eine zu große ist, als daß sie nur der Zahl der Drüsenbündel entsprechen könnte (s. auch das Photogramm in Nr. 134, S. 240, Fig. 10). Bezüglich der physogastren Aleocharinengattung Termitomimus glaubt Trägärdh^, daß hier das mächtig entwickelte Fettgewebe, nicht aber das Blutgewebe (wie bei Xenogaster und einigen andren von mir [Nr. 134] untersuchten Termitophilen) das eigentliche Exsu- datgewebe sei. Zu den Arbeiten über Anatomie und Histologie der Termitophilen seien noch jene von mir^, Assmuth* und Bugnion^ über die Dipterengattung Termitoxenia erwähnt, ferner die Unter- suchung der myrmekophilen Microdon-harven durch Marie Andries® ; letztere Larven gehören jedoch nicht zu den Symphilen; die Exuvial- drüsen derselben werden von ihr (S. 350 ff.) beschrieben. 2, Bei Besprechung der >>Physogastrie<< sind bei Jordan (S. 351 ff.) wiederum mehrfache Mißverständnisse unterlaufen. Ich soll dieselbe als »fast wichtigstes Merkmal der Symphilie<< bezeichnet haben. An der betreffenden Stelle meiner Arbeit Nr. 134 (S. 66), auf welche er sich vermutlich bezieht', wird nur gesagt: »Speziell bei ^ Zur Kenntnis von Myrmekophilen aus Abessinien I. (Zool. Jahrb. Sy- stem. XXXV. 1913, Heft 2), S. 190 und Tai VI, Fig. 1 u. 2. 2 Description of Termitomimus (Zoologiska Studier, 1907). 3 Nr. 124 und 137. * Termitoxenia Assmuthi Wasm., anatom.-histol. Untersuchung (Nova Acta Leopold. XCVIII. Nr. 2, mit 11 Tafeln. Halle 1913). ß Termitoxenia, Etüde anatomo-histologique (Ann. Soc. Ent. Belg. LVII, 1913, fasc. 1). 6 Zur Systematik, Biologie und Entwicklung von Microdon (Ztschr. f. wiss. Zool., cm, 1912, Heft 2, mit 3 Tai). ' Genau zu eitleren pflegt Jordan überhaupt nicht. Neue Beiträge zur Biologie von Lornochusa und Atemeies. 237 Torinitengästen steht mit der Symphilie häufig eine hochgradige Pliy- sogastrie in Verbiiuiung«. Also nur von gewissen Termitophilen ist lüer die liede, nicht von allen, geschweige denn von den symphilen Myrniekophilen, wo eine hochgradige Physogastrie sogar sehr selten ist. Bei sämtlichen myrniekophilen Paussiden fehlt sie ebenso wie bei Chactopisthes und Verwandten unter den Termitophilen, trotz der starken Entwicklung des symphilen Exsudatgewebes (hier Drüsen- gewebe) bei diesen Gattungen. Unter den myrniekophilen Staphyli- niden findet sich hauptsächlich mir bei einigen Dorylinengästen (s. besonders meine Arbeiten Nr. 95, 114, 138 u. 164) eine bemerkens- werte Physogastrie (z. B. bei Ecitophya, Donjlomimus, Mimeciton). Hier steht sie wohl teilweise mit der Mimikry in Verbindung, ist aber damit nicht kausal erklärt. Jordan (S. 351) meint, »der ausschlag- gebende Faktor« bei der Physogastrie sei auch bei den Termitophilen allgemein die ^limikry, ja er läßt sie bereits eine Vorbedingung für die Tci'initophilie sein, wenn er sagt: »Ohne solche mimetische An- passungen ist wohl ein Eindringen in die Termitenkolonie schwerlich zu denken. << Die auffallende Physogastrie so vieler termitophiler Aleocharinen ist aber sicher erst als eine Folgeerscheinung der Termitophilie aufzufassen, da sie bei ihren freilebenden Verwandten fehlt, sowie auch bei manchen termitophilen Aleocharinengattungen, die nur Synoeken sind (z. B. Tcrmitusd). Wir müssen die Physogastrie dort, wo sie vorhanden ist, doch meist (nicht ausschließlich) mit der Ernährungsweise der betreffenden Gäste in Verbindung bringen. Diese braucht aber keinesw^egs immer eine »Fütterung« von Seiten der Wirte zu sein, durch welche sie dieselbe Nahrung erhalten wie die Brut der se.xuellen Kasten. Sie kann auch eine parasitische Ernährung sein (bei Termitoxenid das Aussaugen der Termitenbrut) oder sogar eine räuberische (bei den Orthogonius-Lsivwen, welche nach Escherich und AssMUTH Termitenfresser sind). Sie braucht auch keineswegs immer auf einer Hypertrophie des Exsudatgewebes zu beruhen. Bei Eci- tophija (s. Nr. 114, 8.229 [15 Separ.]) und Termitoxenia (s. N. 124, 134 und die Taf. IX, Fig. 1 in vorliegender Arbeit) entsteht sie haupt- sächlich durch die riesige Gr()ße der reifen Eier, bei Xenognster beruht sie in beiden (ieschlechtern primär auf der kropfförmigen Ei'weiterung des Vorderdarms, sekundär auf der starken Entwicklung des Genital- systems, besonders der Eier, bzw. der Hoden (s. Taf. IX, Fig. 2 u. 3, und Nr. 134, S. 299ff.). In andern Fällen, z.B. für Ti'mpnrtlienus regius Silv. (s. Taf. IX, Fig. 4) ist sie noch nicht anatomisch untersucht worden, aber wahrscheinlich auf ähnücher Grundlage beruhend wie bei 238 E. Wasmann, den viviparen Gattungen Corotoca und Spirachtha nach HchiödteI und bei der Gattung Xenogaster. Für die Erklärung der Physogastrie sind also mancherlei ver- schiedene Momente zu berücksichtigen, und man muß sich von jeder einseitigen Schablone ferne halten. Hiermit erledigt sich von selber, was Jordan (S. 352) ohne viel Tatsachenkenntnis über die angeb- liche Verallgemeinenmg der Physogastrie durch einen voreiligen Ana- logieschluß von den Termitengästen auf die Ameisengäste sagt. Spe- ziell bei Lomechusa und Atemeies wird niemand im Ernste von einer eigentlichen Physogastrie reden, da bei ihnen der ganze Körper ver- breitert und verkürzt ist. Welche Bedeutung für die Ameisenmimikry der kugelförmig aufgerollte Hinterleib und die ausgehöhlten Hals- schildseiten dieser Käfer haben, ist von mir anderswo näher gezeigt worden (schon 1890, Nr. 11, S. 62, besonders aber Nr. 164, S. 46ff.). 3. Wenden wir uns nun zur Histologie von Lomechusa und Atemeies. Hier meint Jordan, ich hätte die überaus reich mit Tri- chomen besetzten >> Seitenzipfel << der ersten freien Hinterleibsseg- mente — die jedem Beobachter sofort auffallen — »völlig außer acht gelassen« (S. 353), ja »gar nicht einmal erwähnt« (S. 355). Das ent- spricht nicht den Tatsachen. Ich habe jene Zipfel wohl bemerkt, auch besonders hervorgehoben und abgebildet (Fig. 1 in Nr. 134, S. 196), aber ich habe sie eben nicht »Seitenzipfel« genannt, sondern »borstentragende Zipfel« oder » zipf elf örmig ausgezogene Seitenecken der ersten freien dorsalen Hinterleibsringe« (S. 197) oder »borstentragende Segmentzipfel« oder »vorgezogene, borstentragende C*hitinzipfel«(S. 198). Wie Jordan da behaupten kann, ich hätte die von ihm vorgeblich ent- deckten »Seitenzipfel« nicht erwähnt, ist mir unverständlich. Auf Taf. IX, Fig. 8 gebe ich eine Photographie von Lomechusa, welche die gelben Haarbüschel an den Seitenzipfeln der vier ersten freien Hinterleibssegmente sehr schön zeigt bei ausgestrecktem Hinter- leibe. Gewöhnlich trägt Lomechusa (und Atemeies) den Hinterleib halb aufgerollt, wie Taf. IX, Fig. 7 zeigt. Eine wirkliche Differenz zwischen Jordan und mir findet sich in der Erklärung der mikroskopischen Bilder auf den Schnittserien. Jordan glaubt, daß hier das Fettgewebe gar nicht als »Exsudatge- webe« beteiligt sei, sondern nur kolbenförmige Drüsenzellen, die zwi- schen den borstentragenden Sinneszellen unmittelbar unter der Cuti- cula stehen: »Diese Zellen sind als die eigentlichen myrmekophilen 1 Corotoca og Spirachtha: Staphyhiier, som föde levende Unger, og cre Huusdyr hos en Termit. Kopenliagen 1854, mit 2 Taf. Neue Beiträge zur Biologie von Lomechu.s> membranösen Zwischenzipfel«, der zwischen den borstentragenden Chitinzipfeln (Seitenzipfeln) der Segmente liegt und durch deren Verbindungs- membran gebildet wird, ausgeschieden würde. Die zwischen der Basis der borstentragenden Zellen liegenden kolbenförmigen Zellen hatte ich nicht gewagt, für die myrmekophilen Drüsenzellen zu halten; denn ihnen fehlt das für die myrmekophilen Drüsen von Claviger, Paussus und Chaetopistkes so charakteristische Bläschen, und sie stehen zudem nur isoliert., ohne sich zu Bündeln zu vereinigen wie bei letzteren. Ferner vermochte ich den Zusammenhang jener isolierten Zellen mit Poren- kanälen der Cuticula nicht sicher zu erkennen. Auch schien mir die Zahl und Größe derselben zu gering, um ein so reiches Exsudat zu liefern, wie es die eifrige Beleckung von Lomechusa und Atemeies durch die Ameisen an den gelben Haarbüscheln der Hinterleibsseiten zu erfordern schien. Da ich nun aber bei Käfern mit geschlossenem Chitinpanzer wie Claviger usw. ein ganz andres Drüsengewebe als sym- philes Exsudatgewebe gefunden hatte, das bei den Staphyliniden mit frei beweglichen Hinterleibsringen fehlt, hielt ich bei Lomechusa und Atemeies das Fettgewebe für das eigentliche Exsudatgewebe, und die membranösen Zwischenzipfel der Segmentränder für die Ausscheidungs- stellen des Exsudats, das dann an den Trichomen verdunstet. Nach der Ansicht von Jordan sind die das Exsudat liefernden Zellen bei Lomechusa und Atemeies nur einfache Hautdrüsen, die aus umgewandelten Hypodermiszellen hervorgegangen sind. Für diese Auffassung scheint zwar der Umstand zu sprechen, daß jene Käfer auch an rein chitinösen Körperstellen (z. B. an den dicken Halsschild- rändern) von ihren Wirten beleckt werden, wenn auch nicht so an- haltend wie an den Hinterleibszipfeln (Haarbüschelregion). Jordan fand auch z. B. im Halsschild ähnliche Gebilde wie die Drüsen des Abdomens, aber viel kleinere und kaum kolbenartig und mehr den nor- malen Hypodermiszellen ähnlich (S. 357). Diese Zellen traf er aber auch bei einigen andern mvrmekophilen Staphyliniden, die nicht von den Ameisen beleckt werden, ja auch bei nicht m>Tmekophilen Arten (S. 300 ff.). Bei Dinarda sind sie besonders zahlreich. »Es muß daher auffallen, daß Dhmrda als naher Verwandter von Lomechusa und Atemeies zahlreiche Hautdrüsen hat, ohne daß sie beleckt wird.« 240 E. Wasmann, Unter misern Dinarda-Y ormen näliert sich nach meinen Beobach- tungen D. MärJceli (bei Formica rufa) am meisten der Symphihe; aber auch bei ihr ist keine Beleckung zu konstatieren, sondern höchstens eine gelegenthche flüchtige Berührung ihrer Hinterleibsspitze mit dem Munde einer Ameise. Daher erscheint es mir auch bei Lofnechusa und Atemeies noch nicht sichergestellt, daß die Hautdrüsen allein es sind, welche das symphile Exsudat liefern. Das große Drüsensystem im Hinterleib von Lomechusa und Ate- meies, welches Jordan (S. 364 ff.) als »Schreckdrüsensystem« bezeich- net, hatte ich in meiner Arbeit (Nr. 134) nicht erwähnt, weil ich es für ein den Analdrüsen der Carabiden (Dierckx) analoges System hielt, das mit der symphilen Exsudatfunktion nicht zusammenhängt. Jordan gibt eine nähere Beschreibung derselben. Ihm entstammen die bekannten »Geruchssalven«, durch welche Atemeies und Lome- chusa die Angriffe feindlicher Ameisen abwehren (s. unten). 4. Ich komme jetzt zur »Biologie« von Lomechusa und Ate- meies, welche Jordan weiterhin (S. 369 ff.) behandelt. Hier ist vieles zu berichtigen, weil der Verfasser seine noch im Anfangsstadium be- findlichen eigenen Erfahrungen nicht hinreichend kontrolliert hat durch die schon bestehende Literatur. Infolgedessen hat er nicht nur man- ches, was schon bekannt war, für nevi gehalten, sondern auch Irrtümer, die von andern früher begangen und dann berichtigt worden waren, nochmals begangen und als neue Entdeckungen hingestellt. Da ich seit 30 Jahren mit besonderer Vorliebe die Lebensweise von I^omecJiusa und Atemeies verfolgt habe, während mehrerer Jahrzehnte in den betreffenden Monaten fast täglich jene Käfer und deren Larven in den Ameisennestern aufsuchte, für Lomechusa überdies eine Statistik der Wirtskolonien bei Exaten in Holländisch Limburg und bei Lu- xemburg durchführte/, ferner überdies Jahr für Jahr Lomechusa und Atetneles mit ihren Wirten in Beobachtungsnestern im Zimmer hielt und ihre Beziehungen zu den normalen Wirten wie zu Ameisen fremder Arten experimentell studierte und registrierte, hat sich ein überreiches Beobachtungsmaterial angesammelt, das einige Bände ausmachen würde, wenn es nach den stenographischen Tagebuchnotizen veröffent- licht würde. Bisher bin ich leider wegen andrer Arbeiten und wegen Kränklichkeit nicht zur Durcharbeitung dieses Materials gekommen. Deshalb kann ich nur auf einige Punkte verweisen, die schon in frü- heren Arbeiten von mir erwähnt sind und — hauptsächlich im II. Teile 1 S. die Arbeiten Nr. 131 und 168; ferner den II. Teil der vorliegenden Arbeit, A, Neue Boiträgo zur Biologie von Lomochusa und Atoinoles, 241 der Arbeit — einiges Neue beifügen. Die große Zahl der Publikationen, in denen meine Beobachtungen und Versuche seit 28 Jahren behandelt sind, erschwert allerdings das Literaturstudium. Aber bei Jordan ist die diesbezügliche Literaturkenntnis doch eine gar zu dürftige, wie auch sein Literaturverzeichnis (S. 386) zeigt, wo viele meiner hauptsächlichen Arbeiten fehlen (vgl. mein Literaturverzeichnis am »Schlüsse der vorliegenden Arbeit). Nur ein relativ unbedeutender Irrtum ist es, wenn Jordan (S. 348) für Lomechusa und Atemeles angibt, »daß diese eine Vorliebe für hügelige mid bergige Gegenden zeigen«. Diese Begründung für die Seltenheit jener Käfer in der nächsten Umgebung Leipzigs ist in ihrer Allgemein- heit unrichtig, wie aus meinen Beobachtungen in Holland, Rheinland, Westfalen, Luxemburg, Böhmen und Vorarlberg hervorgeht. Auch im Flachlande, z. B. von Holländisch Limburg, wo viel Heide und Kiefernwald und Laubgebüsch sich finden, sind die genannten Käfer' häufig; allein bei Exaten habe ich Lomechusa strumosa, Atemeles emurgi- nntus und paradoxus zu vielen Hunderten angetroffen. Diese Arten sind über ganz Mitteleuropa fast gleichmäßig verbreitet, am zahlreichsten ist meist Atemeles emxirginatus, entsprechend der Häufigkeit seines Larven- wirtes Fnnnica fusca. Nur die größeren Arten und Rassen von Atemeles, die wahrscheinlich die spätesten Anpassungsformen an die betreffenden Larvenwirtei darstellen (s. meine Arbeiten Nr. 149, 154, 179 u. 180), zeigen lokale Beschränkung; von ihnen ist At. pubicollis (bei F. rufa) relativ am weitesten verbreitet; At. puhicoUis Foreli (bei F. sanguinea), pubiroUis tnmcicoloides (bei F. truncicola) und At. pratensoides (bei F. pratensis) sind überhaupt erst von vereinzelten Fundorten bekannt. Die Beleckung von Lomechusa beschreibt Jordan eingehend (S. 3(>9ff.). Dabei behauptet er, daß weder ich noch ein andrer Autor bisher auf die Beleckung der » Seitenzipfel << näher eingegangen sei, die ich auch histologisch nicht beachtet haben soll. Daß letzteres un- richtig ist. wurde bereits oben gezeigt; nur der Name »Seitenzipfel<< ist neu. Das nämliche gilt auch für die Beleckung desselben durch die Ameisen. Daß die vorspringenden gelben Haarbüschel der Hinter- l»'il)sseiten, die mit den Seitenzipfeln reell identisch sind, hauptsächlich ' i'ber (lio Unterscheidung zwischen Larvcnvvirtcn (Sonuncrwirtcn) und Kiifcrwirtcn (Winterwirton) i)ei .AtPiude.'i s. die oben citierten Arbeiten, nament- lich Nr. ISO. Die regelmäßige Dopiielwirtigkeit der Atemeles und ihren biolo- gischen Saisondimorphi.smus habe ich übrigens seit 1891 (Nr. 20, S. 336) für Atemeles cmarginntus und pnadoxus .sclion festgestellt, für Atemeles pubicollis seit 1894 (Nr. 34). 242 E. Wasmann, beleckt werden, ist schon oft beschrieben worden; zuerst 1855 von Ch. Lespes für Atemeies »paradoxus<<; dann von mir für eine Reihe von ^^eme^es-Arten seit 1886 (Nr. 1, S. 54), wo ebenfalls bemerkt wird, daß die Ameise » die gelben Haarbüschel mit besonderer Behaglichkeit durch den Mund zieht«; ferner von mir für Lomechusa strumosa oftmals seit 1888 (Nr. 5, S. 66 ff. 8ep.), später auch mehrmals von H. DonisthorpeI. Die Versuche, welche Jordan (8. 371 ff.) über das Verhalten von Lomechusa zu fremden Ameisen anstellte, enthalten manche inter- essante Einzelheiten über die Bedeutung des »Schreckdrüsensystems« dieser Käfer. Übrigens waren die »Geruchssalven« schon bekannt, welche Atemeles und Lomechusa beim Hochbiegen des Hinterleibs zur Abwehr feindlich angreifender Ameisen abgeben. Für Atemeles ver- weise ich auf Nr. 5 (1888), 8. 42 imd 46 Sep., wo diese Geruchssalven ausdrücklich erwähnt und der »defensive Charakter« des Atemeles- Geruches besonders betont wird; für Lomechusa, besonders auf »Die internationalen Beziehungen von Lomechusa strumosa« (Nr. 24)2, 2. B. 8. 644 und 657^. Daß der Geruch, den die Atemeles in einem Fang- glase bei warmem Wetter von sich geben, die Betäubung und den Tod sowohl der begleitenden Ameisen als auch der Käfer selber verur- sachen kann, wurde schon 1888 (Nr. 5, S. 43 Sep.) berichtet. Die Ate- meles und die Myrmica »wurden durch denselben wie berauscht, tau- melten umher und fielen schließlich in eine Betäubung, aus der manche nicht mehr erwachten«; »auf die Myrmica schien der Geruch noch schneller betäubend zu wirken als auf die Atemeles <'. »Es ist der Ge- ruch eines flüchtigen ätherischen Öls von eigentümlichem Aroma«. »Ich verglich mehrere Äther, namentlich den Oxalsäureäther« und fand das Aroma des ^^emefes-Geruches letzterem zwar ähnlich, aber »viel angenehmer und stärker«. Auch erwähnte ich, daß wiederholtes Riechen an einem Fanggläschen mit Atemeles Kopfschmerzen ver- ursacht*. Ferner wurde von mir darauf aufmerksam gemacht, daß 1 Fourmis et leur hotes (I. Congr. Intern. d'Entomol. Bruxelles 1910) p. 201. 2 Diese Arbeit fehlt im Literaturverzeichnis bei Jordan, während Nr. 20 daselbst aufgeführt wird, die aber nichts Näheres über jene Versuche enthält. Vielleicht hat der Verf. im Texte S. 370 doch die erstere Arbeit im Auge gehabt. 3 Andre Beobachtungen hierüber finden sich noch in späteren Arbeiten. * Das nämliche habe ich auch bezüglich Lomechusa erfahren, aber in schwä- cherem Grade, da Lomechusa weniger reizbar ist als die lebhafteren Atemeles. Andrerseits sind natürlich die Geruchssalven, die eine gereizte Lomechusa von sich gibt, viel stärker als jene der kleineren Atemeles. Als ich am 10. Juni 1897 bei Exateh in der sanguinea-Ji-olonie 293 eine Lomechusa fing, die nur noch einen Fühler hatte, also vorher von den Ameisen mißhandelt worden war, »bombar- Xciie Beiträge zur Biologie von Lomeehusa und Atemeies. 243 aiitli Mf/r)nic(i in schwächerem Grade denselben Geruch von sich geben kann, aber aus doni Kopfe; wenn man letzteren zwischen den Fingern zerreibt, bemerkt man ihn oft sehr stark. Das sind vielleicht Finger- zeige für weitere Untersuchimgen (an den Oberkieferdrüsen von Myr- mica). Jordan vergleicht den Lomechusa-G eiuch — der nach meinen J^eobachtimgen von dem Atemeles-Gevuch sich deutlich unterscheidet — ■ mit jeneni des Amylacetats und des Metylheptenons. Er stellte ferner Versuche an mit diesen Substanzen und fand, daß der Geruch der- selben auf die Ameisen sowie auf die Käfer t()dlich wirkt, und zwar etwas schneller als der Eigengeruch der >>Symphilen<< (Lomeehusa). Immerhin bleibt es auch für Jordan fraglich, ob man aus der Ähn- lichkeit jener Gerüche und ihrer Wirkungen Schlüsse ziehen könne auf die chemische Beschaffenheit des Sekrets der Schreckdrüse. Dar- über, ob der specifische Symphilengeruch von Atemeies und Lome- ehusa, der auf ihre Wirte angenehm wirkt, nur eine schwächere Dosis ihres aromatischen Defensivduftes ist, wie ich vermutet hatte, wagt sich Jordan nicht auszusprechen. Jedenfalls läßt sich die che- mische Identität des Sekrets einstweilen nicht nachweisen. Falls sie sich bestätigen sollte, hätten wir die von Jordan beschriebenen kol- ])enf()rmigen Hautdrüsen zwischen den Trichomen der gelben Haar- büschel wahrscheinlich als Duftdrüsen anzusprechen. Ob sie zu- gleich das eigentliche Exsudat liefern, dessen Beleckung die Ameisen so sehr lieben, bliebe dann noch offen. Während Jordan mit der Beleckung von Lomeehusa (und Ate- meles) sich eingehend beschäftigt, finden wir bei ihm nichts über die Fütterung dieser Käfer aus dem Munde der Ameisen. Und doch ist diese ein Hauptelement ihres echten Gastverhältnisses und wird von allen Beobachtern erwähnt, welche die Biologie jener Käfer näher beobachtet haben. J)ie Fütterung von Atemeies pubicollis wurde von Ch. LEsi'f:si schon 1855 erwähnt; zahlreiche Beobachtungen über die Fütteriuig unserer Atemsles- Arten sowie von I^omeehusa strumosa finden sich in meinen Arbeiten seit 1886 (Nr. 1, S. 53—55). Schon 1888 (Nr. 5, S. 17 u. 65 Sep.) konnte ich feststellen, daß die Atemeies von ihren W'interwirten {Mijrmica) wie eine befreundete Ameise gefüttert werden, die Lomeehusa dagegen von ihren A\'irten (Formica samjuinea dierte sie mit solcher Heftigkeit, daß es einen gell)en, feuchten Fleck auf der Hand gab, welcher einen .sehr .starken aromatischen Lomechusa-(\i'T\\c\\ ver- breitete« (aus den stenographischen Tagel)uchnotizen). 1 Sur les mtrurs de la Lomeehusa ])aradoxa (Bull. 8oc. Ent. Fr. 1855, p. LI ff.). 244 E. Wasmann, und deren Hilfsameisen) wie eine Ameiscnlarve. Diesen interessanten Unterschied, der auf der höheren Initiative und dem ameisenähnU- cheren Benehmen (in der Aufforderung zur Fütterung) der doppel- wirtigen Atemeies gegenüber dem passiveren Charakter der einwirtigen Lomechusa beruht, habe ich in späteren Arbeiten weiter verfolgt in bezug auf die Fütterungsweise jener Käfer bei den Sommerwirten von Atemeies {Formica- Arten) und bei fremden (anormalen) Wirtsameisen von Atemeies mid Lomechusa (s. z. B. Nr. 24, 34, 75, 146 [8. 164], 149, 162 [S. 271], 164 [S. 89]). Es ist schade, daß Jordan noch nichts über die Fütterung dieser Käfer aus dem Munde ihrer Wirte beob- achtet hat. Ebensowenig kennt er die Fütterung ihrer Larven i mid die ganze »ameisenähnliche« Erziehung derselben. Er berichtet nur mit ein paar Worten aus fremder Quelle, daß die Ameisen >>auch die Pflege der Larven ihrer Gäste« übernommen hätten (8. 380). Daß er selber noch keine Larve von Lomechusa oder Atemeies gesehen hat, geht auch daraus hervor, daß er später (S. 383) eine junge Dinarda- Larve als vermeintliche Lom^chusa-hawe beschreibt und abbildet; doch darüber weiter unten. Hier möchte ich nur noch bemerken, daß die Fütterung von Lomechusa und Atemeies und namentlich die Pflege ihrer Larven nicht bloß eins der interessantesten Kapitel in der ganzen Tierbiologie und Tierpsychologie bilden, sondern auch von unentbehr- hcher Wichtigkeit sind für die objektive Bewertung der von mir angenom- menen »Amikalselektion«. Ohne genauere Kenntnis jener Verhältnisse kann man sich über die letztere gar kein selbständiges Urteil bilden. 5. Über die Entwicklung der Symphilie glaubt Jordan auf drei Seiten (378 — 381) zu einem maßgeblichen Urteil gelangt zu sein. Er findet dieselbe gar nicht so kompliziert, wie Andre sie sich vorgestellt haben. Dies dürfte wohl seinen Hauptgrund darin haben, daß er in jene Frage nicht tiefer eingedrmigen ist. Es geht eben hier wie bei vielen andern descendenz-theoretischen Problemen: betrachtet man dieselben nur oberflächlich aus weiter Ferne, so scheinen sie oft äußerst einfach, weil man freien Spielraum hat für Kombination von Möglichkeiten. Je näher man aber auf die betreffenden Probleme sich einläßt und untersucht, welche Entwicklungsreihen und welche Entwicklungsursachen auf tatsächliche AVahrscheinlichkeit Anspruch erheben können, desto komplizierter wird die Lösung. Das vermeint- lich einheitliche Problem löst sich in eine Summe von Spezialpioblemen auf, wie ich es bezüglich der Entwicklung der Sklaverei, des sozialen .Parasitismus und der Myrmekophilie bei den Ameisen näher gezeigt 1 S. hierüber besonders Nr. 75, S. 467 ff. Nene Beiträge zur Biologie von Lonieclnisa und Atemeies. 245 habe (s. besonders Nr. 170, S. 702). Erst durch das Studimn der ein- zcliu'ii Entwicklungsreihen der sklavenhaltenden, parasitischen und nivrinokophikni Ameisen erhalten wir alhniihhch das Material zu einer »alliroiueinen Lösung« jener Probleme. Und so werden wir auch be- ziiglifh der Entwickkmg der Myrmekophilie und der Termitophilie und speziell der Symphilie, die in beiden Erscheinungsreihen sich zeigt, nur dadurch einer befriedigenden Lösmig uns allmählich nähern kön- nen, daß wir den einzelnen Entwicklungsreihen der myrmeko- philen und termitophilen Insekten und speziell der Symphilen unter ihnen unsere eingehendere Aufmerksamkeit schenken. Die Zahl der hier vorliegenden Entwicklungsreihen oder Stämme, innerhalb wel- cher, von freilebenden oder auf einer tieferen Stufe des Gastverhält- nisses stehenden Verwandten ausgehend, eine selbständige Entwick- lung der Symphilie erfolgte, ist namentlich miter den Termitophilen eine beträchtliche, aber auch unter den Myrmekophilen keine geringe. Einen dieser Stämme bilden die Lomechusini, drei stammesgeschicht- licli wahrsclieinlich zusammenhängende Gattungen, Lomechusa, Ate- mvles und Xenodusa umfassend (s. besonders Nr. 56 u. 154). Für die Entwicklung der Symphilie ^ habe ich bisher zwar hauptsächlich die 1 Über zweifache, getrennte Entstehung der Symphilie einerseits aus dem Mimikrytypus, anderseits aus dem Trutztypus bei Dorylinengästen s. Nr. 130, S. 90. Über die Ableitung der Lomechusini von Synechtren aus der Myr- «ieAmikalselektion<< behandelt, die er auf Grund ungenauer Zitate und vermeintlicher »Gegenbeweise« für eine »unhaltbare Hypothese« er- klärt, muß ich doch entschieden Verwahrung einlegen. Wenn man die Ansicht eines Autors einer Kritik unterziehen will, wurde es bisher für eine unumgängliche Pflicht des Kritikers — wenigstens in einer wissenschaftlichen Arbeit — erachtet, genau zu zitieren, so daß auch der Leser kontrollieren kann, ob die dem Autor zugeschriebene Ansicht richtig wiedergegeben ist oder nicht. Dies ist aber bei Jordans Bemerkungen mir gegenüber meist nicht der Fall. Schon in der Einleitung (S. 347) trafen wir bei ihm irrtüm- liche Angaben über mein »Exsudatgewebe« und über das Verhältnis der Untersuchungen Krügers zu -den meinen (s. oben S. 235). Im histologischen Abschnitt der JoRDANschen Arbeit konnte man aber doch wenigstens noch erkennen, auf welche meiner Arbeiten seine Be- merkungen sich beziehen sollten, weil er die Arbeit Nr. 134 »Zur nä- heren Kenntnis des echten Gast Verhältnisses« auf S. 352 ausdrücklich genannt hatte; Verweisungen auf Seitenzahlen derselben fehlen aller- dings auch hier. Im ganzen übrigen Teile der Schrift von Jordan (von S. 369 an bis zum Schlüsse) herrscht jedoch eine erstaunliche Nachlässigkeit im Zitieren. Die einzige meiner Arbeiten, die hier (S. 370) genannt wird, ist irrtümlich zitiert, wie bereits oben (S. 242, Anmerkung 2) bemerkt wurde. An allen übrigen zahlreichen Stellen (S. 369 — 385), wo Jordan auf meine Beobachtmigen oder Ansichten sich bezieht, vermißt man sogar einen Versuch, die betreffende Arbeit, auf welche sein Zitat sich beziehen soll, überhaupt kenntlich zu machen, geschweige denn die betreffende Seitenzahl in einer umfangreichen Arbeit anzugeben. Wird nun an solchen Stellen dem Autor eine Ansicht zugeschrieben, die der Kritiker zu widerlegen sucht, so ist der Leser selbstverständlich außer- Neue Beiträge zur Biologie von T^omecliusa und Atemelcs. 247 Staude, zu entscheiden, welches die wirkUche Ansicht des Autors ist, mid wie er sie begründet hat. Ja, der Autor selbst muß erst mit großem Zeitverlust nachprüfen, in welcher seiner Arbeiten die vom Kritiker »gemeinte« Stelle vielleicht enthalten sein könnte. Daß eine derartige ^^'illkür im Zitieren durchaus unstatthaft ist für eine wissenschaftliche Arbeit, wird jedermann zugeben. Ich meinerseits würde es für einen groben Unfug halten, sie selber anzuwenden. Bezüglich der Entwicklung der Symphilie, die ich in vielen Arbeiten und unter verschiedenen Gesichtspunkten behandelt hatte (s. Nr. 60, 95, 118, 130, 134, 154, 157, 173, 183, 187), berichtet Jor- dan nur folgendes über meine Auffassung (S. 378): »Wasmann nimmt an, daß das echte Gastverhältnis ein wechselseitiges Verhältnis ist, wobei die Hauptrolle eine , Amikaiselektion' seitens der Ameisen spielt. üie Amikaiselektion ist nicht ein Überleben des Passendsten, sondern eine positive Auslese von Seiten der Wirte gegenüber den Gästen'.« Soweit ist sein Zitat dem Sinn nach wenigstens richtig, obwohl jede Angabe darüber fehlt, wo die von ihm in Anführungszeichen gestellten Sätze stehen. Von den verschiedenen Gründen, die ich in den oben- erwähnten Arbeiten für die Annahme einer Amikalselektion angeführt, erfahren wir aber bei Jordan nichts; es kann daher auch von keiner »Widerlegung« derselben die Kede sein. Statt dessen legt er mir die folgende Beweisführung für jene Hypothese unter, indem er fortfährt: »Er (Wasmann) begründet diese Ansicht damit, daß sie (die Ameisen) ein Pärchen auslesen und zur Kopula zulassen, während die andern, die nicht geeignet sind, auswandern müssen. Er stützt sich bei diesen Behauptungen auf Beobachtungen, die er im Formicarium gemacht zu haben glaubt.« Gegen diese meine vorgebliche Beweisführung zu gunsten der Amikalselektion, für die bei Jordan jeglicher Beleg aus meinen Arbeiten fehlt, richtet er sodann seine Gegengründe, die wir unten noch prüfen werden, da sie sich auf die Biologie von Lomechusa beziehen. Sehen wir uns zuerst sein »Zitat« näher an, welches meine ganze Begründung der Amikalselektion enthalten soll. Laut desselben soll ich behauptet haben, daß die Ameisen stets nur ein Pärchen ihrer echten Gäste in ihren Nestern zur Kopula zulassen. In dieser Allgemeinheit ist das Zitat offenbar absolut unrichtig, da mir niemals einfallen konnte, etwas derartiges zu behaupten. Es kann sich also nur darum handeln, ob ich vielleicht für Lomechusa (bzw. Äteimles) irgendwo einen ähnlich lautenden, von Jordan miß- deuteten Satz aufgestellt habe. Daraufhin sah ich die sämtlichen in 248 E. Wasmann, Jordans Literaturverzeichnis (S. 386) aufgeführten Arbeiten von mir mit großem Zeitaufwande durch, sowie auch ein Dutzend andrer Ar- beiten, die er nicht aufführt. Es fanden sich zwei Stellen, die er meinen könnte: in Nr. 162, S. 290 und in Nr. 173, S. 167. Die fragliche An- gabe Jordans bezieht sich wahrscheinlich auf letztere Stelle, da die betreffende Arbeit in sein Literaturverzeichnis aufgenommen ist. Sie lautet: »Dieselbe (die positive Auslese, welche die Wirte gegenüber ihren Gästen ausüben) geht so weit, daß z. B. Formica sanguinea und rufa, wie ich in meinen Beobachtungsnestern wiederholt konstatierte (Nr. 162, S. 290), unter zahlreichen Lomechusen, die man ihnen zu- gesellt, meist nur ein oder höchstens zwei Pärchen zur ,Nach- zucht' auslesen, indem sie nur diese Pärchen zur Kopula gelangen lassen, die übrigen dagegen nicht; letztere sind dann schließlich ge- zwungen, das Nest zu verlassen und andre Kolonien ihrer Wirtsart zur Fortpflanzmig aufzusuchen.« Hierauf folgt eine Parallele zwi- schen der Amikaiselektion und der künstlichen Zuchtwahl, die der Mensch gegenüber seinen Haustieren ausübt. Es handelt sich also hier — und ebenso an der andern Stelle Nr. 162, S. 290 — gar nicht um die Frage, ob in den Ameisenkolonien nur ein Pärchen von Lomechusa kopuliert. Daß man zur Paa- rungszeit anfänglich oft mehrere Pärchen in einer Kolonie beob- achtet, habe ich seit 1888 (Nr. 5, S. 61 Sep.) oft genug selber berichtet. Jordan dagegen schiebt mir — ebenso auch wiederum S. 385 — die Ansicht unter, daß überhaupt »nur ein Pärchen kopuliert«. Es steht somit fest, daß diese Unterstellung falsch ist. In Wirkhchkeit han- delt es sich um eine ganz verschiedene Frage, nämlich darum, ob bei längerer Pflege der Lomechusa in einem Neste, sämtliche Pärchen gleichmäßig zur Fortpflanzung gelangen, oder ob bestimmte Pärchen zu besonderer Pflege von seite der Ameisen ausgelesen und bevorzugt werden. In wenig volkreichen Nestern handelt es sich da- bei »meist« nur um ein Pärchen, in volkreicheren können es aber auch mehrere sein, selten aber sind es mehr als zwei Pärchen. Eine auffallende Bestätigung dieser in künstlichen Nestern erhaltenen Befunde wird sich weiter unten aus den Beobachtungen in freier Natur bei der Statistik der sanguinea-Ko\omen von Exaten ergeben (im II. Teil dieser Arbeit unter A). Aus der angeführten Stelle (Nr. 173, S. 167) geht ferner hervor, daß ich die Auslese bestimmter Zomec/msa- Pärchen durch die Ameisen nicht als meine einzige Begründung für die Amikalselection hingestellt Neue Beiträge zur Biologie von Lomechusa und Atemeies. 249 lial)(\ wie maü nach dem irreführenden Zitat Jordans glauben muß, .soiuU'rn (hirin nur eine weitere Bestätigimg der übrigen Beweise sah, die in meinen Arbeiten über die Entwickkmg der SymphiUe bereits erbracht wonU^n waren. Ich verweise daher nochmals auf letztere, besonders auf die zusammenfassende Arbeit Nr. 173, wo auch die nöti>Co- pulationen von mehreren Pärchen zu gleicher Zeit im glei- chen Formicariu«m beobachtet, ohne daß die Ameisen den Tieren besondere Aufmerksamkeit geschenkt hätten«; da- für verweist er auf eine Tabelle S. 382. Diese Angabe enthält bereits Längstbekanntes, hat aber nichts zu tun mit dem späteren Schick- sal der betreffenden Pärchen. Viertens teilt Jordan mit, daß ein andrer — leider migenannter! — Beobachter ihm mitgeteilt habe, »daß auch er in einer Kolonie im Freien acht Pärchen in Copula an- traf«. Schade, daß der Gewährsmann nicht genannt wurde; eine ganz ähnliche Beobachtung von mir steht nämlich in Nr. 162 (S. 289, Anm. 1) wo es sich um sechs gleichzeitige Pärchen unter 63 anwesenden Lome- chum handelte (in Kolonie 240, 12. V. 97 Exaten). Diese Hochzeits- versammlungen, auf die wir im II. Teil (unter A, Kap. 4, c) zurück- konunen werden, haben aber gar nichts zu tun mit der definitiven Pflege eines oder mehrerer bestimmter Pärchen in einer Kolonie. Es kann somit keine Rede davon sein, daß Jordan durch seine »Gegen- beweise« die Amikalselection als » unhaltbare Hxpothese « nachgewiesen hat. Sie bekunden in Wirklichkeit bloß, daß seine Kenntnisse über 1 S. hierüber im II. Teil dieser Arl)eit unter A, Kap. +— 0 und unter B, Kap. 1, Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CXIV. Bd. 17 250 E. Wasmann, die Biologie von Lomechusa noch auf dem Erfahrungsstandpunkt des Anfängers stehen und deshalb mehr Verwirrung als Klarheit in die vorliegende Frage gebracht haben; daher werde ich im II. Teil meiner Arbeit (unter A) auf Grund zahlreicher Beobachtungen und Versuche Aufschluß zu geben suchen über die wirklichen Fortpflanzungs- verhältnisse von Lomechusa und Atemeies. Hätte übrigens Jordan der Literatur etwas mehr Aufmerksamkeit geschenkt, so würde er bereits in meiner Arbeit von 1888 (Nr. 5, S. 305 [61]) gefunden haben, daß ich über die wiederholte Paarung eines Männchens mit verschiedenen Weibchen und eines Weibchens mit ver- schiedenen Männchen berichtet habe. Auch in späteren meiner Ar- beiten finden sich Angaben über mehrere Lomechusa-Vävchen in einem Neste. Sperrt man — wie es Jordan nach seiner Tabelle S. 382 getan hat — im Anfang des Frühjahrs eine größere Anzahl Lomechusen mit ihren Ameisen in ein Beobachtmigsnest, so kann man in den ersten Wochen allerdings zahlreiche Paarungen von Lomechusa bemerken, wobei bestimmten Pärchen oft keine besondere Aufmerksamkeit von Seiten der Ameisen geschenkt wird. Ich habe viele Jahre lang der- artige Beobachtungen in meinen Notizbüchern aufgezeichnet, bis ich allmählich auf das neue Problem achten lernte, das in dem weiteren Schicksal der betreffenden iomecÄMsa-Pärchen liegt. Hält man die Lomechusa andauernd in einem gut eingerichteten Beobachtungs- neste, so zeigt sich oft allmählich eine eklektische Behandlungs- weise der Lomechusa-Tä,Tchen von selten der Wirte. Bestimmte Pärchen — eines oder mehrere je nach der Stärke der Kolonie — werden sorgfältiger gepflegt als die übrigen und wiederholen manch- mal ein bis zwei Monate lang ihre Paarung in kürzeren oder längeren Zwischenräumen 1. Dagegen suchen die übrigen Lomechusa in großer Unruhe das Nest zu verlassen, werden von den Ameisen nicht selten umhergezerrt und mißhandelt, ja sogar im Fütterungsgläschen oder einem andern die »Außenwelt« darstellenden Nestteil durch Erdklum- pen abgeschlossen, um ihre Rückkehr in das Nest zu verhindern. Das sind Beobachtungstatsachen, gegen welche Jordans vermeint- liche Gegenbeweise nichts besagen. Daß auch die Vorgänge in freier Natur mit jenen Beobachtungen in künstlichen Nestern im Einklänge stehen, wird im II. Teil dieser Arbeit bei der Statistik der sanguinea- Kolonien sich ergeben. 1 Schon in der Arbeit Nr. 5 (S. 61 Sep.) ist berichtet, daß ein Lomechusa- Pärchen im Mai und Juni 1888 über einen Monat lang in Zwischenräumen von 4 — 6 Tagen sich paarte und IVIitte Juli noch lebte. Xi'iio Beiträge zur Biologie von Lomechusa und Atemeies. 251 Die zu große Leichtigkeit, mit welclier Jordan das Problem der Amikalselection mid der Entstehung der Symphilie behandelt, zeigt sich auch in seinen apodiktischen Schlußfolgerungen (S. 379): »Der (Jnmd zur Symphilie ist nicht bei den Ameisen zu suchen, sondern ein- zig und allein bei den Gästen. Diese haben den Hauptvorteil, und auch sie allein haben die Anpassungscharaktere.« Hätte Jordan sich die Mühe geiu)mmen, meine diesbezüglichen Arbeiten oder auch nur eine derselben, z. B. Nr. 173, zu lesen, so hätte er diese Sätze unmög- lich schreiben können, falls es ihm um die Lösung des Problems ernst- lich zu tun war. Der erste jener beiden Sätze ist nämlich eine bloße Behauptung, die hier einfach reproduziert wird, obwohl ich sie früheren Opponenten gegenüber bereits als unzutreffend nachgewiesen hatte. Der zweite Satz enthält aber nur zwei sogenannte Binsenwahrheiten. Daß im Falle von Lomechusa (und Atemeies) die Gäste nicht bloß den Haupt vorteil, sondern den einzigen Vorteil von der Pflege haben, die ihnen und ihrer Brut von selten der Ameisen zuteil wird, habe gerade ich selber nachgewiesen; die Wirte haben nur den Schaden da- von, daß sie ihre »schlimmsten Feinde selber züchten«. Aber sie tun es trotzdem wegen der Annehmlichkeit, welche jene Gastpflege ihnen gewährt; darin besteht eben die Gegenleistung von selten der Gäste. Diese zu ignorieren und jene Gäste nur für »Räuber« aus- zugeben (S. 379), heißt nicht die Symphilie erklären, sondern sie leugnen. Daß die Gäste allein die morphologischen Anpassungs- charaktere haben, ist auch von mir oft genug betont worden. Aber auf Seiten der Ameisen ist trotzdem ein psychisches Korrelat zur Anpassung der Gäste an ihre Wirte vorhanden, nämlich die Diffe- renzierung und Spezialisierung des Brutpflegeinstinktes der Ameisen in bezug auf bestimmte fremde Objekte (Gäste). Zwischen Lome- chusa strumosa und Formica sanguinea, zwischen Atemeies emarginatus und F. fuscd, zwischen Atemeies paradoxiis und F. rufibarbis, zwischen At. pubicollis und F. rufa usw. besteht eine gegenseitige Anpassung, indem nicht bloß die Käfer sich diesen Ameisen als ihren speziellen Larvenwirten besonders angepaßt haben, sondern auch die Ameisen jenen Käfern durch eine erblich gewordene Differenzierung ihres Brut- pflegeinstinktes in bezug auf die Larvenpflege derselben. Daß diese Differenzierung stammesgeschichtlich zu »specifisch verschie- denen Symphilieinstinkten« bei den verschiedenen Formica- Arten, bzw. -Rassen geführt hat, ist eine biologische Tatsache (s. namentlich Nr. 173), die wiederholt von mir klar bewiesen und bisher von keiner Seite widerlegt worden ist. Es sei denn, daß man 17* 252 E. Wasmann, die folgende Behauptung Jordans (S. 380) als eine Widerlegung an- zusehen geneigt wäre: »Die Ausbildung eines besonderen Instinktes anzunehmen, ist überflüssig und erschwert nur die an sich so einfach liegenden Tatsachen.« Es könnte einem wirklich leid tun um die Mühe, die man viele Jahre lang auf die Klärung jenes Problems ver- wandt hat, wenn man so oberflächliche Urteile liest. Jordan hat sich nicht bloß die einschlägigen Tatsachen, die er zum größten Teil gar nicht kennt, allzu einfach zurechtgelegt, sondern er hat auch ebenso einfach die Frage umgangen, was ich denn eigentlich unter jenem »be- sonderen Instinkte« verstehe. Daß es sich hierbei nur um eine im Laufe der Stammesgeschichte erfolgte Differenzierung und Spe- zialisierung des Brutpflegeinstinktes der Wirte in bezug auf be- stimmte neue Objekte (Gäste) handelt, nicht aber um einen von dem Brutpflegeinstinkt in seiner Wurzel verschiedenen Instinkt, wird von ihm mit keinem Worte erwähnt, obwohl es gerade darauf ankam (s. besonders Nr. 173 und 183). Durch diese allzu »einfache« Behandlungsweise des Problems täuscht der Verfasser seine Leser über den wirklichen Stand desselben, statt sie über denselben aufzuklären. Einen wissenschaftlichen Wert wird man einer derartigen Untersuchung über den Ursprung der Symphilie schwerlich zuerkennen können. 6. Der nun folgende Abschnitt der Arbeit Jordans ist mit »Fort- pflanzung« überschrieben. Mit Stamien liest ein Kenner der Myr- mecophilenkunde schon in den ersten Zeilen dieses Abschnittes (S. 380) die Behauptung, daß man »nie Angaben über Copulation und über Eiablage« der »myrmecophilen Formen« in der bisherigen Literatur finde. Gleich darauf folgt die ebenso staunenswerte Behauptung, »daß Wa'smann für die Symphilen sogar Viviparität annimmt«. Und diese Sätze, die nur ein Laie in der Myrmecophilenkunde schreiben konnte, veröffentlicht Jordan in — der »Zeitschrift für wissen- schaftliche Zoologie« im Jahre 1913! Ich halte es deshalb im Interesse der wissenschaftlichen Zoologie für geboten, sie in derselben Zeitschrift zu berichtigen. Daß über die Copulation und Eiablage sämtlicher Myrme- cophilen bisher nichts bekannt war, gilt bloß für den Kenntnisbereich Jordans. Die Paarung und eigentümliche Paarungsstellmig von Myrmedonia wurde bereits 1843 durch v. Kiesenwetter beschrieben i. Über die Copulation und die eigentümliche Copulationsstellung von Atemeies und Lomecliusa — die ein »lebendiges Fragezeichen« bildet — 1 Stettiner Entomol. Ztg. IV., S. 306; vgl. auch Wasmann, Nr. 5 (1888), S. 34 Sep. Nouo Beiträge zur Biologie von Lomechusa und Atcineles. 253 bericlitetc ich bereits 188G und 1888 ^ Näheres, und später noch öfters. Auch DoNisTHORPE^ hat die Paarung von Lomechusa später beschrieben und abgebildet. Über die Paarung von Dinarda berichtete ich 18893. Die vernieintlicho Eiablage von Lomechusa, welche Jordan (8. 383) als neue eigene Entdeckung mitteilt, habe ich bereits 1888* ein- gehend geschildert; leider beruht die Deutung jenes Vorgangs als normaler Eiablage sowohl 1888 wie 1913 auf einem Irrtum des Beob- achters. Über die wirkliche Eiablage und Entwicklung von Clytra berichtete Donisthorpe 1902^. Diese Literaturangaben, die noch keineswegs Anspruch auf Vollständigkeit erheben, dürften genügen, um das >>nie<< des Herrn Jordan auf seinen wahren Wert zurück- zuführen. Die Copulation von Lom,echusa hat Jordan (S. 381) recht hübsch geschildert imd abgebildet. WesentUch Neues bietet er jedoch im Vergleich mit den obigen Literaturstellen nicht. Über den tollen Paarungsdrang der Lo7nechusa-Mä,nnc]ien, die sogar mit Kadavern von Fliegen usw. manchmal hartnäckig zu kopulieren suchen, habe ich bereits 1888^ berichtet und später ebenfalls. Die einzige neue Angabe von Jordan, daß man bei Lomechusa Männchen und Weibchen äußerlich nicht unterscheiden könne, ist nicht richtig, da man schon mit einer gewöhnlichen Lupe die Männchen an den kleinen Haar- büscheln des dritten und vierten Fühlergliedes erkennen kann, die dem Weibchen fehlen. Ein besonderes historisches und psychologisches Interesse weckt die Schilderung, welche Jordan S. 383 von der »Eiablage« von Tjome- chusa gibt. Als ich im Jahre 1888 noch ein Anfänger im Studium der Biologie von Lomechusa war, habe ich mir die Jugendsünde zu schulden kommen lassen, ebenfalls die vermeinthche Eiablage von Lome- chusa zu beschreiben (Nr. 5, S. 306 [62]), und zwar mit ausführlichen Detailangaben. Die Eiablage sollte in den Ecken des Nestes vor sich gehen, wo eine Lomechusa die Erde aufgrub, etwas, was ich für ein Ei hielt, hineinlegte, und dann die Öffnung mit den Kiefern wiederum zuscharrte, um denselben Prozeß an einer andern Stelle des Nestes zu 1 Nr. 1, S. 54; Nr. 5, S. 34 Sep. und (ilff. usw. 2 The lifehistory and occurrence as british of Lomechusa strumma (Trans. Ent. Soo. London 1907—08, Part IV, p. 415 ff.). 3 Nr. 9, S. 158. 4 Xr. -) , S. G2 Sep. ö The lifehistory of Clytra quadripunctata L. (TraiLS. Ent. Soc. London 19U2, Parti, p. Ilff.). « Nr. 5, S. Clff. Sep. 254 E. Wasmann, wiederholen. Die Beobachtungen waren richtig, aber ihre Deutung als »normale Eiablage« war sicherlich falsch. Seitdem ich die ganze Entwicklungsgeschichte von Lomechusa strumosa, Atemeies emarginatus, paradoxus, fubicoUis und ])ubicoUis truncieoloides durch eigene An- schammg kennen gelernt und dabei übereinstimmend gefunden habe, daß sowohl in freier Natur wie in Beobachtungsnestern ^ die jungen, erst 1 mm langen und noch keiner selbständigen Bewegung fähigen Larven stets auf den Eierklumpen der Ameisen kleben oder gleich letzteren klumpenweise zusammengeschichtet von den Ameisen im Maule getragen werden, kann es gar keinem Zweifel unterliegen, daß die Eier oder die neugeborenen Larven — weshalb ich »oder« sage, wird weiter unten erklärt werden — entweder von den Weibchen jener Käfer direkt an die Eierklumpen der Ameisen abgelegt oder von den Ameisen unmittelbar bei ihrer Ablage gleich den Eiern der Königinnen in Empfang genommen werden. Von einer Eiablage in oder auf die Erde des Nestes oder »in dunklen Ecken des Formicariums« kann somit gar keine Rede sein, wenigstens nicht als von einem normalen Vorgang. Ich mußte bereits 1890^, als ich zum erstenmal die jüngsten Entwick- lungsstadien von Lomechusa und Atemeies beobachtet hatte, meinen früheren Irrtum von 1888 reumütig eingestehen mit den Worten: »Was ich früher für die Eiablage von Lomechusa hielt, waren wahr- scheinlich nur krankhafte Äußerungen des Fortpflanzungstriebes, jeden- falls nicht die normale Form der Eierablage.« Letzterem Worte hatte ich noch ein Fragezeichen beigefügt, weil ich auf Grund der dort angeführten Beobachtungen damals schon daran zu zweifeln begann, ob die Brut von Lomechusa und Atemeies als Eier oder als Larven zur Welt komme. So steht es also um die Entdeckung der »Eiablage« von Lome- chusa durch Jordan 1913, die in Wirklichkeit nur die Wiederholimg eines längst berichtigten Irrtums ist. Ob das »grünlich- weiße Ge- bilde«, das er an der Hinterleibsspitze einer Lomechusa, haften sah und das von ihr an einem Astchen festgeklebt wurde, überhaupt ein Ei war, ist ebenfalls noch zweifelhaft, ebenso wie der Eicharakter der vermeintlichen Eier, welche ich bei der 1888 beschriebenen Eiablage sah. Vielleicht handelte es sich nur um ein Tröpfchen jenes zähen, milchweißen Saftes, welchen Lomechusa, wie ich bereits 1886 (Nr. 1, 1 S. die Übersicht der betreffenden Untersuchungen im II. Teil, B, der vorliegenden Arbeit. Ferner bereits in Nr. 149, S. 7. 2 Nr. 11, S. 263 bis 264. Neue Beiträge ziir Biologie von Lomechusa und Atemeies. 255 H. 56) mitteilte, aus der Hinterleibsspitze uiaiicliinal abgibt. Aber wenn die fraglichen Objekte von Wasmann 1888 und Jordan 1913 auch wirkliche Lomechusa-l^iei' gewesen sein sollten, so konnte es sich doch nur mn einen pathologischen Vorgang handeln, dadurch veranlaßt, daß das betreffende Weibchen nicht zum normalen Absatz ihrer Jirut in jenen Nestern gelangen konnte. Wir kommen nmi zur »Viviparität« der Symphilen. Jordan behauptet (8. 380) ganz allgemein, »daß Wasmann für die Symphilen sogar Viviparität annimmt«. Es ist dies wiederum eines jener zwar sehr bequemen, aber ebenso fahrlässigen Zitate, wie sie in der Arbeit von Jordan so häufig sind. In seiner Allgemeinheit ist es offenbar falsch; denn ich habe niemals für die Symphilen — das soll doch heißen für alle Symphilen — Viviparität angenommen. Wenn Jordan nicht die Güte hat, die betreffende Stelle (oder die Stellen), wo ich in meinen Arbeiten jenen Satz aufgestellt haben soll, genau namhaft zu machen, so wird der Vorwurf an ihm haften bleiben, daß er seine Leser durch ein falsches Zitat irrtümlich über meine Ansicht in- formiert hat. Ob bei Symphilen Viviparität häufiger vorkomme, als man früher glaubte — für Corotoca wurde sie von Schiödte 1854 zuerst entdeckt — , das ist eine ganz andre Frage. Ich habe beispielsweise die Vi\äparität als >> wahrscheinlich << nachgewiesen für die physogastren Weibchen von Ecitophya simukins (Nr. 114, S. 230), ferner für Xenogaster (Nr. 134-, S. 300) mid für Termitomyia (Nr. 137, S. 118), und zwar auf Grund von Schnittserien. Bezüglich Atemeies und Lomechusa habe ich mehr- mals meine Ansicht gewechselt, aber auf Grund neuen Beobachtungs- materials. Anfangs ließ ich leider Lomechusa mid Atemeies ihre Eier in die Ecken des Nestes ablegen (vgl. Jordan 1913), verführt durch die obenerwähnte vermeintliche Eiablage von Lomechusa. 1890 (Nr. 11, S. 263) war ich durch das plötzliche Erscheinen ihrer ganz jungen, noch unbeweghchen Larven auf den Eierklumpen der Ameisen bereits stutzig geworden, zog aber einstweilen keine Schlußfolgerungen daraus. 1895 (Nr. 45) beschrieb ich dann ein vermeintliches Ei von Lomechusa. 1897 (Nr. 70, S. 277) sprach ich mich auf Grmid neuer Beobachtungen entschieden für die Viviparität von Lomechusa und Atemeies aus, erwähnte aber auch schon zwei Fälle von Ovoviviparität. Durch spätere Befunde kam ich endlich (1905 und 1908) zur i^sicht, daß diese Käfer wahischeinhch nicht vivipar, sonderi;i ovovivipar sind, indem die Eier in bereits sehr weit fortgeschrittenem Entwickkmgs- zustande abgelegt werden, so daß das Eistadium nur wenige Tage 256 E. Wasmann, oder sogar manchmal nur wenige Stunden dauert. Hierüber liabe ich bereits in Nr. 146, S. 132 und in Nr. 162, S. 290 kurz berichtet. »Die Annahme Wasmanns, daß die Tiere vivipar sind« (Jordan, S. 383), steht somit nicht auf der Höhe des Literaturstudiums des Eeferenten. Ich beabsichtige, im II. Teil der vorliegenden Arbeit (unter B) eine Übersicht über meine sämtlichen diesbezüglichen Unter- suchungen und Befunde zu geben. Aus derselben wird hervorgehen, wie schwierig die Entscheidung ist, ob Lomechusa imd Atemeies als vivipar oder nur als ovovivipar bezeichnet werden müssen. Herr Jordan, der von dem wirklichen Stande der Frage nichts ahnt, hält allerdings die Vi vi pari tat von Lomechusa für definitiv widerlegt durch die von ihm beschriebene vermeintliche Eiablage (S. 383). Ja, er meint sogar, »die ersten Larven« gesehen zu haben, die aus den Eiern von Lomechusa sich entwickelt haben sollen und — mmiter im Neste umherhefen! Eine dieser Larven bildet er auch ab (Fig. 20). Nach dieser vermeintlichen Entdeckung der jmigen Lome- cÄwsa-Larven schließt er mit den allgemein gehaltenen Worten: »Die weitere Entwicklung der Symphilen (welcher?) ist zur Genüge bekannt, und es erübrigt sich, hier darauf einzugehen« usw. Was Jordan hier klar bewiesen hat, ist, daß er weder die Ent- wicklung von Lomechusa, noch diejenige verwandter Symphilen {Ate- meles-Avten) auch nur im geringsten kennt. Die Larve, die er hier als junge Loinechusa-hsirve abgebildet hat, ist auf den ersten Blick als Larve von Binar da dentata zu erkennen. Er hat also mit vollkommener Ahnungslosigkeit noch im Jahre 1913 eine Dinarda- Larve als Lomechusa-haiye ausgegeben, obwohl sowohl die ersteren wie die letzteren bereits seit mehreren Jahrzehnten bekannt sind. Das ist doch etwas stark. Vor 28 Jahren war ich einmal in ähnlicher Lage wie Jordan 1913. Ich sah nämlich in einem Beobachtungsneste, in welchem Atemeies sich gepaart hatten, nach einigen Wochen eine kleine Staphyliniden- larve umherlaufen, von welcher ich damals (Nr. 1, S. 54) bemerkte, ich könnte sie Atemeies nicht sicher zuschreiben, zumal auch einige Dinarda dentata in demselben Neste sich gepaart hätten. Das war vorsichtig geurteilt; denn es stellte sich bald darauf heraus, daß jene muntere kleine Larve — dieselbe, welche Jordan 1913 ohne weiteres kühn als junge Lomechusa-hawe deutet — zu Dmarda dentata gehörte. Beschrieben (mit Angabe der Unterschiede von den Lomechusa-ha,v- ven) und abgebildet wurden die Dinar da-JjSiiven von mir 1889 (Nr. 9, S. 160). Ein Vergleich meiner Abbildung mit jener von Jordan zeigt Neue Beiträge zur Biologie von Loincchusa und Atemeies. 257 sofort die große Ähnlichkeit beider, obwohl ich die erwachsene Larve abbildete; beschrieben wurde auch die junge Larve. Seither gelten die Dmarda-ha,rYen in der entomologischen Literatur für bekannt; sie sind ebenso wie die Lomechusa-harven und die Atemeles-hsiVYen auch in Ganglbauers »Käfer von Mitteleuropa« (IL Bd.) aufgenonunen. Die Zomec/msa-Larven sind noch länger bekannt. Sie wurden zuerst durch L. v. Heyben^ 1866 — 67 beschrieben, eingehender dann von J. Sahlberg2 1883. Von mir wurden sie seit 1890 3 wiederholt be- schrieben, und zwar auch die jüngeren Stadien. Die den Lomechusa- Larven sohl- ähnlichen Ätemeles-hsmyen sind ebenfalls längst bekannt. 1888 beschrieb ich* zum erstenmal die Larven von At. paradoxus, und zwar auch die j unge Larve; 1890^ beschrieb ich die jungen Larven von .1^. emarginatus, 1899® jene von At. puhicollis, und zwar auch das aller- jüngste Stadium. Die Kenntnis der ZomecÄMsa-Larven ist seither in so hol.em Grade Gemeingut der entomologischen Literatur geworden, daß die Abbildung derselben seit 1906 auch in populären Büchern über die Ameisen und ihre Gäste sich findet''. Wie ist es da zu erklären, daß Jordan in der »Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie« 1913 noch eine Dinarda-Luvye als Lomechusa-ha,Tve ausgab mid ab- bildete? In meiner Sammlung befinden sich, in BoLLES-LEEscher Flüssigkeit konserviert, sänithche Entwicklungsstadien von Lomechusa strumosa (einschheßlich der Puppe und des ganz frischentwickelten Käfers), von Atemeies paradoxus, emanjmatus, puhicoUis und puhicollis truncicoloides; ferner verschiedene Larvenstadien von Dinarda dentata und MärTceli, von mehreren Myrmedonia- Arten usw. Um Irrtümer, wie sie hier von Jordan begangen wurden, für die Zulouift mimöglich zu machen, werde ich im IL Teil dieser Arbeit (imter C) die Entwicklimgsstände von Lomechusa und Atemeies auf Grund des obigen Materials zusammenfassend beschreiben und auf Tai. IX mid X photographisch abbilden. Dadurch werden wir- in der 1 Jahrb. Nass. Ver. Naturkunde XXIX— XXX, S. 242. - Meddel. 8oc. Faun, et Flora fcnnica IX, p. 89 — 03 u. Taf. I. 3 Nr. 11, S. 93 ff. * Nr. 5, S. 318 [74ff.]. Damals schrieb ich jene Larven irrtümlich dem At. emarginatus zu. S. Nr. 11, S. 204, wo dies bereits berichtigt ist. 5 Nr. 11, 8. 2ü3. 8 Xr. 109, 8. 408. ' Z. B. in Knauer, Die Ameisen, 1906, S. 98; H. Schmitz, Die Ameisen und iluo Gäste, 1906, S. 132; H. Viehmeyek, Die Ameisen, 1908, S. 76. 258 ' E. Wasmann, Kenntnis der wirklichen Entwicklungsgeschichte dieser beiden Gat- tungen wenigstens einen Schritt vorankommen. Hinter die Geheimnisse der Biologie von Lomechusa und Atemeies kommt man nicht durch einige flüchtige Beobachtungen, sondern nur durch langjährig fortgesetzte sorgfältige Forschungen sowohl an Nestern in freier Natur wie an künstlichen Formicarien ; letztere müssen die ersteren kontrollieren und umgekehrt. Ferner muß man selbstver- ständlich die bereits vorhandene Literatur sorgfältig studieren; sonst gerät namentlich ein Anfänger in Gefahr, nicht bloß bereits Bekanntes für neu zu halten, sondern auch Irrtümer wiederum zu begehen, die schon längst berichtigt sind. Die Literatur ist doch nicht dafür da, um ignoriert oder falsch zitiert zu werden. Die Wissenschaft wird auch auf diesem Gebiete nur dann wirkliche Fortschritte machen, wenn sie gewissenhaft weiterbaut auf dem schon vorhandenen Fundamente. Andernfalls wird unsre Kennt- nis nicht gefördert, sondern eventuell um ein Vierteljahr- hundert zurückgeschraubt. II. TeiL Kritische Beiträge zur Lebensweise, Portpflanzuiig und Entwicklung von Lomechusa und Atemeles. Ich stelle hier aus meinen mehr als zwanzigjährigen Beobachtungen und Versuchen einiges zusammen, was zur Klänmg dieses interessanten Problems beitrageii kann. Größtenteils beruht es auf noch nicht ver- öffentlichten stenographischen Tagebuchnotizen, die ich seit März 1884 über die Ameisen und ihre Gäste in eigenen Notizbüchern in chrono- logischer Reihenfolge aufgezeichnet habe. Da diese stenographischen Notizen rund 1800 Seiten umfassen und mehrere Hundert Seiten darunter auf Lomechusa und Atemeles sich beziehen, kann hier selbstverständlich nur ein kurzer Überblick der wichtigsten Pmikte gegeben werden. Ich beginne mit . den Verhältnissen in freier Natur, und zwar bezüglich Lomechusa strumosa. A. Aus der Statistik der Sanguineakolonien bei Exaten. (Hierzu die statistische Karte.) Von April 1895 bis August 1899, wo ich Holland verlassen mußte, hatte ich eine Statistik der sanguinea-K.o\omen bei Exaten in Hol- ländisch-Limburg angelegt, auf einem Gebiete von etwa 4 Quadratkilo- meter. Auf der Karte, welche auf Grundlage der Katasterkarten der Neue Beiträge zur Biologie von Loinechusa und Atenieles. 259 betreffondoii (loiiieiiuloii ausgeführt wurde (1 : KHK))!, sind, wie aus der beigedruckteu Zeichenerklärung hervorgeht, 410 (bzw. 412) sanguinea- Kolonien verzeichnet, mit einer Gesamtzahl von etwa 2000 Nestern, da die Kolonien vielfach (teils gleichzeitig, teils nacheinander) mehrere Nester besaßen. Von anderen Ameisenarten sind nur einige wenige Kolonien eingetragen, welche mir damals entweder ihrer Gäste wegen oder durch ihre Beziehung zu benachbarten scmguinea-Kolonien be- sonders interessant waren. Im ganzen finden sich auf der Karte acht Zo//tccÄM«a-Pseudogynen-Bezirke, von denen jedoch Bezirk I etwas außerhalb des 4 qkm-Gebietes liegt. Die Statistik wurde ursprünglich unternommen, um zu prüfen, ob ein gesetzmäßiger Zusammen- hang bestehe zwischen der LomecJmsa -Zw cht der sanguinea -Kolonien und der Erziehung einer krüppelhaften Mischform von Weibchen und Arbeiterin der Ameise, die ich seit 1895 als Pseudogynen bezeichnete. Es handelte sich also um die statistische Bestätigung der >>Lomechusa- Pseudogynen-Theorie«^. Die sanguinea -Kolonien jenes Gebietes wurden in der chronologischen Reihenfolge ihrer Auffindung^ mit numerierten Schieferplättchen versehen* und die Befunde über die Nester derselben bei den successiven Besuchen in eigene Notizbücher (Notizbücher V und Va) eingetragen unter den betreffenden Kolonien- nummern. Auf der zugleich begonnenen statistischen Karte wurden 1 Bei der Reproduktion ist sie auf 1 : 5000 verkleinert worden. Wo Kolo- nien nahe beisammen lagen, mußte die Distanz derselben auf der Karte der Deutliclikeit halber etwas größer genommen werden. 2 S. über dieselbe besonders Nr. 46, 131 und 168 meiner Arbeiten. — Die Ergebnisse der Statistik eines sanguinea-Bezirks bei Luxemburg sind samt der betreffenden Karte bereits in Nr. 168 (S. 49 ff.) veröffentlicht. Die viel umfang- reichere Statistik von Exaten ist daselbst nur nebenbei erwähnt. Die Ergeb- nisse der Exatener Statistik in bezug auf die Hilfsameisen von sanguinea sind bereits andei-swo mitgeteilt (Nr. 21, 59, 146 [S. 200— 216, 256—263]), weshalb ich hier nicht mehr darauf zurückkomme. Die verschiedenen Pseudo- gynenformen von sanguinea sind eingehend behandelt in Nr. 168 (S. 52 — 60); daher werde ich im folgenden nur hierauf verweisen. Auch die theoretischen Momente der Zo/nec/* !<.sa-Pseudogynentheoric und die Kontrollversuche in künstlichen Nestern sind dort näher erörtert (S. 60ff. u. 63 ff.). Daselbst ist auch die einschlägige Literatur von Viehmeyer, Wheeler usw. citiert. Nach- zutragen ist seither noch: A Reichenspeeger, Beobachtungen an Ameisen (Biol. Zentralbl. 1911, S. 596 ff.). 3 Viele der Kolonien kannte ich schon vorher; aber erst von 1895 an wur- den sie numeriert. * Über die bei der Statistik befolgte Methode s. auch Nr. ISl, S. 101. — Um einen Einblick in das Nestinnere zu erhalten, ohne das Nest bei jedem Be- such aufgraben zu müssen, wodurch die sanguinea zur Auswanderung veranlaßt 260 E. Wasmann, die Lomec/msft-haltigen Kolonien mit einem roten, die Pseudogynen- haltigen Kolonien mit einem blauen Strich versehen. Bereits durch die Verteilung der roten und blauen Striche auf jener Karte, die ich 1902 auf der Versammlung der Deutschen Zoologischen Gesellschaft zu Gießen vorlegte (siehe Nr. 131), ist das allgememe Ergebnis jener Statistik deutlich sichtbar. Um die Auffindung der im folgenden zitierten Koloniennummern (arabische Ziffern) auf der Karte zu erleichtern, wird stets der Lome- cAwsa-Pseudogynen-Bezirk (große römische Ziffern) angegeben wer- den, in welchem die betreffende Kolonie zu suchen ist. 1. Überblick über die Lomechusazueht in den Sanguineakolonien jenes Gebietes, la. Allgemeine Ergebnisse. Es zeigten sich vor allem die vier folgenden Gesetzmäßigkeiten: 1. Die Pseudogynenbezirke fallen stets mit den Lome- chusabezirken zusammen. 2. Die pseudogynenhaltigen Kolo- nien sind stets die Zentren der Lomechusabezirke. 3. Außer- halb der Lomechusabezirke finden sich niemals Pseudo- gynen in den sawg'twwea-Kolonien. 4. In Kolonien, wo Lomechusa werden, wurden die Heidokrautbüsche, unter denen weitaus die meisten Nester lagen, samt der umgebenden Erde mittels einer Schippe abgestochen und auf dem Neste liegen gelassen; außerdem wurden meist noch andre flach abgestochene Heidekrautschollen auf die ringsum befindlichen Nesteingänge gelegt. Durch das Abstechen der Schollen, unter denen das Nest lag, ließen sich die sanguinea nicht stören, sondern benutzten den dadurch erhaltenen Zwischenraum, um ihr Nest unmittelbar unter der Scholle auszubauen, wie sie es anderswo unter Steinen tun. So konnte man durch das Aufheben der NestschoUen bei den successiven Besuchen der Kolonie den Stand derselben zuverlässig kontrollieren. Während der Untersuchung des Nestinnern wurden die abgehobenen Schollen auf ein weißes Tuch gelegt, da in den Schollen selbst meist noch Nestgänge sich befanden mit Ameisen und deren Larven oder Gästen. Ganz aufgegraben wurde das Nest- innere nur in besonderen Fällen, um Auskunft über Fragen zu erhalten, die sich sonst nicht lösen ließen, z. B. über den Verbleib der alten Lomechusa während der Ei'ziehung von Lomechusa-TiSbrven im Neste, über den Aufenthaltsort der frischentwickelten Lomechusa im Hochsommer, über das Winterquartier von Lomechusa usw. Auf der Heide, wo es keine Steine gibt, ist die Beobachtung der sanguinea-'Nester mittelst abgestochener HeidekrautschoUen die einzig praktisch durchführbare, wenn es um eine mehrjährige Statistik zahlreicher numerierter Kolonien sich handelt. — Bezüglich der Zahlenangaben bei den Funden der Käfer oder der Larven in den einzelnen Kolonien sei bemerkt, daß die Tiere in den meisten Fällen im Nest belassen und ihre Anzahl bei späteren Zählungen in Rech- nung gestellt wurde; andernfalls wird es ausdrücklich angegeben werden. Neue Beiträge zur Biologie von Loniechusa und Atemeies. 201 nur als Käfer sich aufhält, kommt es nicht zur Entwicklung von Pseudogynen, sondern nur in solchen, in denen Lome- chitsa mehrere Jahre hindurch ihre Larven erziehen läßt (Nr. 131, 8. 100). Diese Ergebnisse, welche eine statistische Bestätigmig des ursäch- lichen Zusammenhangs zwischen der Erziehmig der Lomechusa-hawen und der Entwicklung von Pseudogynen in den Söw^m'wm-Kolonien dar- stellen i, sind auch von großer Wichtigkeit für die Kenntnis der Fort- pflanzungsverhältnisse von Loniechusa und der besonderen Pflege, welche die Ameisen den Lomechusa-Yärchen mid deren Brut zuwenden. Da ich nicht weiß, ob und wann ich sonst zu einer eingehenderen Publikation jener Statistik kommen werde, will ich hier die hauptsäch- lichen Resultate bezüglich der letzteren Fragen kurz mitteilen. Das erste Hauptergebnis ist: Die ZomecÄi/sa-Erziehung vertritt in den betreffenden sanguinea-Kolonien die Erziehung der eigenen Fortpflan- zungsindividuen, speziell der Weibchen. Dieses Ergebnis wurde schon früher mederholt hervorgehoben^. Infolge der Erziehung der Loniechusa fällt in jenen Kolonien zuerst die Erziehung geflügelter Weibchen fort; Männchen, deren Erziehung noch länger fortdauern kann, werden meist nur vereinzelte und auffallend kleine erzogen (viel- leicht aus parthenogenetischen Eiern der Arbeiterinnen?). Nachdem die Weibchenerziehung fortgefallen ist, nimmt auch die Arbeiter- erziehung allmählich einen degenerativen Charakter an, der zuerst in dem Auftreten zahlreicher kleiner und blasser Individuen sich zeigt, bis es schließlich zur Erziehung der Pseudogynen kommt, welche eine krüppelhafte Verbindimg von Arbeitercharakteren mit Weibchen- charakteren besitzen^ und auf eine pathologische Aberration des normalen Brutpflegeinstinktes der Arbeiterinnen zu- rückzuführen sind, veranlaßt durch die Brutpflege der 1 Die Luxemburger Statistik (1904 — 1906) hatte das nämliche Ergebnis: »Die p-scudogynenhaltigen Kolonien bilden die Zentren der Lome- c/i w sa-Infektion, von denen aus die Käfer in die umliegenden Nester sich ausbreiten und auch hier allmählich durch ihre Lar- venerziehung die Entstehung von Pseudogynen veranlassen.« (Nr. 168, 8.50). - Z. B. Nr. 168, S. ölff. Es ist auch von A. Reichensperuer (Beobach- tungen an Ameisen, Biol. Zentralbl. 1911, S. 597) bestätigt worden. * Über die verschiedenen Formen der Pseudogynen bei sanguinea s. be- sonders Nr. 168, S. 52 ff. 262 E. Wasmann, Lomechusa-ha.rven. Ob es sich hierbei um eine »Umzüchtung« von ursprüngUch zu Weibchen bestimmten Larven in Arbeiterinnen han- delt (Nr. 46, S. 631) oder umgekehrt, ist eine nebensächliche Frage; jedenfalls handelt es sich um eine pathologische Mischung von Arbeitererziehung mit Weibchenerziehung^. Durch das Über- handnehmen der relativen Pseudogynenzahl wird die Kolonie allmählich dem Aussterbeetat entgegengeführt, bis sie schließlich erlischt; die LomecJmsa, die daselbst erzogen worden waren, sind unterdessen zu andern Kolonien übergegangen, um auch diese zu infizieren. Nur in wenigen Fällen (in 4 unter 52 Kolonien bei Exaten) konnte ich beobachten, daß die sanguinea durch Erziehung einer großen Pseudo- gynenform (der Macropseudogynen) zur Erziehung von geflügelten Weibchen zurückzukehren suchen^; zugleich hört die Lomechusa- Erziehung in diesen Kolonien wieder auf. Typische Beispiele solcher Kolonien, die Übergänge zwischen Macropseudogynen und zweierlei verschiedenen geflügelten Weibchenformen aufwiesen^, sind die Kol. 21 von Exaten (im Bezirk VIII der Karte) und die Kol. 5 von Luxem- burg. Bereits aus dieser Übersicht geht als zweites Hauptergebnis hervor, daß bei den smiguinea-J^ o\onien, je nach dem Grade ihrer Infektion durch LomecJmsa, eine immer mehr sich stei- gernde Neigung sich bekundet, die Lomechusa-Vilege an die Stelle der eigenen Brutpflege zu setzen. Eine eierlegende Lomechusa ist für die Ameisen einer pseudogynenhaltigen Kolonie gleichsam eine sekundäre Königin, welche ihnen die Adoptiv- brut liefert, deren Pflege sie, wie ich oftmals beobachtet habe, mit viel größerem Eifer betreiben als diejenige ihrer eigenen Larven*. Bei Störung oder Erhellung des Nestes retten sie fast immer die Lome- c/msa-Larven vor den eigenen Larven (ebenso geschieht es auch be- züglich der Ateineles-hsiiYen durch ihre Larvenwirte). Sie gestatten 1 S. Nr. J68, S. 60ff. 2 S, Nr. 168, S. 57 u, 58. Macropseudogynen fanden sich in sechs Kolo- nien, aber nur in vier Übergängen zu den Weibchen. 3 S. Nr. 168, S. 57 ff. * Umgekehrt habe ich einmal in einem künstlichen Beobachtungsneste von sanguinea (Luxemburg, 29. VI. 1904) die Erfahrung gemacht, daß die bis- her eifrig gepflegten Lornechusa-hurven vernachlässigt wurden, nachdem ich eine Anzahl junger, frischentwickelter, geflügelter Weibchen von sanguinea (aus einer andern Kolonie stammend) in dieses Nest hatte aufnehmen lassen. Hier- durch wird bestätigt, daß die Erziehung von Lomechusa jene der geflügelten Weibchen vertritt. Neue Beiträge zur Biologie von Loniechusa und Atemeies. 203 ferner niclit nur, daß die jungen Lomechusa-hsirven (desgleichen die Atemeles-La,ryen) die Eierklunipen und jungen Larven der Ameisen, an denen sie kleben, massenhaft auffressen i, sondern sie legen diese Käul)orlarven sogar selbst wieder zu ihrer Brut, wenn dieselben später von ihren Beinen Gebrauch machen. Ja, sie füttern dieselben, so- bald sie einige Milhmeter lang sind, überdies aus ihrem Munde wie Ameisenlarven (dasselbe gilt für die .-l^eme/^s-Larven bei ihren Wirten), und zwar noch eifriger als diese; weil eine Lomechusa-hsiYxe ungefähr fünfmal so schnell wächst wie eine Ameisenlarve, verschUngt die Lome- chusa-hvnt in derselben Zeit auch fünfmal so viel Futtersaft, der den Ameisenlarven der betreffenden Kolonie hätte als Nahrung dienen können. Ich habe 1899 den Schaden, der einer sanguinea-Koionie (Kol. 277 von Exaten) durch die Erziehung zahlreicher Lomechusa- Larven während zweier Monate (Juni und Juli) zugefügt wurde, an- nähernd zu berechnen gesucht mid gefunden, daß er dem Ausfall von mehreren Tausend Arbeiterinnen ungefähr gleichkommt. Daß die Ameisen der Brut dieser Käfer trotz des verursachten Schadens eine fast wahnsiimig eifrige Pflege zuwenden, ist eine biologische Tat- sache. Ebenso ist auch die besondere Pflege bestimmter Lomechusa- Pärchen, von denen diese Brut stammt, ein Beobachtungser- gebnis, das mit der Brutpflege von Lomechusa innig zusammenhängt. Ib. Nähere Übersichtsresultate. Ich will jetzt einige nähere Übersichtsresultate der Exatener Lotnechusa-i^tsit'i^tik hier folgen lassen: a) Unter der Gesamtzahl von 410 (bzw. 412) sanrjumea-Kolonien^ 1 S. hierüber schon Nr. 5, S. 7.5 Sep.; Nr. 11, S. 95; Nr. 46, S. 632; Nr. 70, S. 277 und in vielen späteren Arbeiten. '- Zwei Kolonien, die etwas außerhall) jenes Gebietes lagen (Kol. .500 und 501) wurden 1899 noch entdeckt, wodurch 412 Kolonien sich ergeben. Da im Laufe der Statistik wiederholt Nester, die ursprünglich für verschiedene Kolo- nien gehalten und deshalb getrennt numeriert worden waren, später als zu einer Kolonie gehörig sich ergaben (z. B. Kol. (Hi und 07; Kol. 80, 87 und 240), ist die Gesamtzahl der verschiedenen Kolonien wohl auf höchstens 300 anzu- setzen. Diese Fehlerquelle verteilt sich jedoch gleichmäßig auf die Lomechusa- freien, ZomecÄMsa-haltigen und pseudogynenhaltigen Kolonien und ist daher für die obigen vergleichenden Ergebnisse nicht von wesentlichem Einfluß. Die Entfernung zwischen den später als zusammengehörig erkannten Kolonien war nicht selten eine beträchtliche, z. B. 15 m zwischen Kol. 87 und 240. Hier wurde die Zusammengehörigkeit auch experimentell festgestellt durch Übertragung von Arbeiterinnen (20. VIII. 1890). Jede der Nummern 80, 87 und 240 umfaßte selber wiederum mehrere Nester (s. im Bezirk III der Karte). 264 E. Wasmann, waren 52, also ungefähr 13%, pseudogynenhaltig. In diesen war es also durch die Xomec/msa-Erziehung bereits zur Pseudogynener- ziehung gekommen, b) Unter jenen 52 pseudogynenhaltigen Kolonien fanden sich in 46, also in ungefähr 90%, Lomechusa oder deren Larven in mehr oder minder beträchtlicher Zahl aktuell vor, und zwar in jenen derselben, die öfter besucht und genauer kontrolliert werden konnten, Lome- chusa und deren Larven, mit Ausnahme sehr weniger. So wurden beispielsweise in den Kol. 23 (Bezirk VIII), 57 (Bez. II), 169 (Bez. III) zwar keine Lomechusa-hsivven, wohl aber im August frischentwickelte Käfer gefunden; die Larven waren also hier nur übersehen worden. Dagegen war es in der Kol. 301 (Bez. III), die Macropseudogynen (s. oben S. 262) enthielt, 1897 und 1898 wohl wirklich nicht zur Erziehung von Lomechusa-hsiiven gekommen ; in einer andern macropseudogynen Kolonie (Kol. 35 im Bez. II) wurden nur in einem Jahre (1896) einige iomec/msa-Larven gefunden. Unter den sechs pseudogynen Kolonien, in denen ich weder Lomechusa noch deren Larven aktuell antraf, sind vier, die nur selten besucht und deshalb nicht zuverlässig kontrolliert werden konnten. Die zwei übrigen (Kol. 21 u. 55) sind solche Kolonien, in denen sich die bei der Rück- kehr von der Pseudogynenerziehung zur Weibchenerziehung auftre- tenden zweierlei geflügelten Weibchenformen fanden (s. oben S. 262), Am sichersten konnte ich für Kol. 21 (Bez. VIII), die sehr oft unter- sucht wurde, das Fehlen von Lomechusa und ihren Larven von 1895 bis 1897 feststellen (später verschwand sie). c) Unter der Gesamtzahl von 410 (412) Kolonien waren ferner 79 (bzw. 80), also ungefähr 20%, welche keine Pseudogynen, wohl aber Lomechusa, aber meist nur vorübergehend und in geringer Zahl, enthielten. Larven von Lomechusa wurden nur in sieben derselben gefunden, also in etwa 8,5% jener iomec/msa-haltigen, aber pseudo- gynenfreien Kolonien. Nur in einer dieser sieben Kolonien (Kol. 274, im Bez. V), welche bereits auf der Vorstufe zur Pseudogynenbildung stand, waren die Xomec/msa-Larven regelmäßig und zahlreich vorhanden; in dieser Kolonie wurden auch einmal (Mai 1898) zahlreiche alte Lomechusa zur Paarungszeit beisammen gefunden (20 Stück). Einen Übergang zur hochgradigen Lomechusa-Zucht dieser Kolonie zeigt die Kol. 119 (Bez. IV), wo einmal (April 1897) fünf Lomechusa, darunter ein Pär- chen in Copula, beisammen gefunden wurden und dann Anfang Juni ein halbes Dutzend Lomec/msa-Larven sichtbar waren. Andre jener Neue Beiträge zur Biologie von Lomechusa und Atemeles. 265 sieben Kolonien stellen wiederum Vorstufen zu diesem niederen Grade der Lomechusa -TiXicht dar. Ii\ weitaus den meisten — in mindestens 90% — jener zwar Lome- (•//(/.s^a-liaitiopu, aber noch pseudogynenfreien 80 Kolonien kam OS iiberluuipt noch nicht zur Larvenzucht von Lomechusa, son- dern nur zur Iniaginespflege derselben, selbst dann, wenn die Iinagines zur Paarungszeit in Mehrzahl (zwei bis zehn Stück zugleich) daselbst angetroffen worden waren. d) Das Verhältnis der Gesamtzahl der sanguinea-Kolomen jenes Gebietes zur Zahl der Zomec7msa-ha Itigen betrug 412 : 126, also an- nähernd 3 : 1. Obwohl somit ungefähr 33% der Kolonien jenes Ge- bietes Lomechusa beherbergten, kam es zur Larvenerziehung von Lomechusa doch nur in ungefähr 53 jener Kolonien, also in etwa 13°L der Gesamtzahl des Gebietes, und unter diesen 53 waren 46 (also un- gefähr 90° q) pseudogynenhaltige Kolonien! e) Das Verhältnis der Zahl der damals Lomechusa -iieien Kolo- nien zur Zahl der damals Lomechusa -]ia,\tig,en und zur Zahl der da- mals I^omechusa- züchtenden betrug somit 286 : 126 : 53, oder an- nähernd 11,4 : 5 : 2,1. Fast dasselbe Verhältnis finden wir aber auch zwischen den Lomechusa -iveien^ den iomec/msa -haltigen und den Pseudogynen -haltigen Kolonien, nämhch 286 : 126 : 52! Rechnet man zu den Lomechusa -züchtenden Kolonien noch die- jenigen (6) pseudogynenhaltigen hinzu, in denen damals — teils bloß ziifäUig, teils wegen der Erziehung von Macropseudogynen — keine Ljomechusa-Lsivven aktuell gefunden wurden, obwohl sie früher wenig- stens vorhanden gewesen sein müssen, so gestaltet sich das Zahlen- verhältnis der Lomechusa -h ei ei) , der Lomec/ms« -haltigen und der Lomechusa -züchtenden Kolonien wie 286 : 126 : 59 oder annähernd wie 11,4 : 5 : 2,4. Nach der Theorie müssen ja auch die Lomechusa- züchtenden Kolonien etwas zahlreicher sein als die pseudogynenhal- tigen, weil es erst durch andauernde Lomechusa-Zncht in einer Ko- lonie zur Pseudogynenerziehung kommt. Dabei ist allerdings auch das schließliche Aussterben der pseudogynenhaltigen Kolonien mit in Rechnung zu ziehen. In diesen Ergebnissen a — e tritt der ursächliche ZusamnicMi- hang zwischen der LjOtnechusa-ZiU cht und der Pseudogynener- ziehung klar zutage. Aber es zeigt sich aus ihnen auch ebenso klar, daß über die Lomechusa -TiM cht in einer sanguinea-Kolonie nicht die Anwesenheit von Lomechusa zur Paarungszeit entscheidet, sondern das Verhalten der Ameisen gegenüber den aufgenommenen Zeitsclirilt f. wissensch. Zoologie. CXIV. Bd. 18 266 E. Wasmann, Lomechusa -Pärchen. Dies wird auch durch die nun folgenden Punkte bestätigt. 2. Infektions versuche mit Lomecliusa und Unterdrückungs- versuehe der Lomeehusazueht in freier Natur. 2a. Künstliche Infektionsversuche in freier Natur. Während der fünfjährigen Statistik der sanguinea-J^olonien bei Exaten wurde wiederholt der Versuch gemacht, reine, d. h. Lomechusa- freie und Pseudogynen-freie, kräftige Kolonien mit Lomechusa massen- haft zu infizieren und sie dadurch zur Lomechusa -Zucht und infolge derselben zur Pseudogynenerziehung zu verleiten. Der Erfolg war ein negativer^, obwohl die Versuche mehrere Jahre lang mit allen erforderlichen Vorsichtsmaßregeln^ fortgesetzt wurden, und so- wohl nicht bloß Imagines, sondern auch Larven von Lomechusa zu den Experimenten verwandt wurden. Dieselben beziehen sich auf die Kol. 8 und Kol. 210 der statistischen Karte^. Kol. 8 (im Süden des Bez. II) war eine starke sanguinea-Kolonie (etwa 8000 — 10 000 Arbeiterinnen) von großer Arbeiterrasse, die ich schon seit 1885 kannte. 1895 wurden im April und Mai nacheinander 1 Ebenso vergeblich war auch ein Ende Mai 1901 bei Luxemburg ange- stellter Versuch, eine isoliert gelegene, kräftige sanguinea-K-olonie (mit mfibarbis als Sklaven), die bei Fort Olisy sich befand, durch ein Lomechusa-FeiTcheu. vom Johannisberg bei Düdhngen zu infizieren (Nr. 168, S. 63). Desgleichen ein im Mai 1904 unternommener Versuch, eine prate^isis -K.o[ome bei Luxemburg mit Lomechusa zu infizieren. Über letzteren Versuch s. Näheres in Nr. 168, S. 17. 2 Die zu übertragenden Lomechusa bzw. Lomechusa-Lia,Tveii wm'den nie- mals mit den Fingern berührt, sondern in Glasröhren mit Erde aus den infizierten Kolonien in die zu infizierenden gebracht. 3 Die Sklaven waren in beiden Kolonien fusca, in Kol. 8 nur 1 — 2%, in Kol. 210 3 — 5%. Die Anwesenheit der Sklaven ist von keinem Einfluß auf die Lomechusa-Zucht, wie aus meinen zahlreichen Beobachtungen in künstlichen Nestern hervorgeht. Die Sklaven i'ichten sich stets nach dem Benehmen der sanguinea gegenüber Lomechusa. S. Nr. 164, S. 148, c^. — Unter den 52 pseudo- gynenhaltigen Kolomen der Exatener Statistik hatten drei (Kol. 21, 23, 170) fusca und rufibarhis als Sklaven, eine (Kol. 165) nur rufibarbis, alle übrigen nur fusca, öfters in zahlreichen Prozenten (10% oder mehr der Gesamtbevölkerung). Unter den pseudogynenfreien, aber schon Lomechusa-haltigen Kolonien hatte Kol. 274, welche 1899 zahlreiche Lomechusa-liarven erzog, rufibarbis als Sklaven. Auch in Kol. 66 und 67, welche pratensis als einzige Sklavenart hatte, wurden wiederholt Lomechusa und deren Larven gefunden. Die Sklavenarten kommen für die Lomechusa-Zncht von sanguinea überhaupt nicht in Betracht. Anders verhält es sich mit Atemeies emarginahis (und paradoxus), deren Aufnahme bei sanguinea durch die betreffenden Sklaven erfolgt. S. Nr. 164, S. 116 ff. Neue Beiträge zur Biologie von Loincchusa und Atenieles. 267 35 Lomechusa aus verschiedenen fremden Kolonien vorsichtig unter die Heidekrautschollen, die das Nestinnere bedeckten i, gebracht; Ende Mai imd Anfang Juni dann noch 9 ZomecÄMsa-Larven. Am 20. Mai sah ich eins der Pärchen in Copula unter den Ameisen des Nestes sitzen. Später sah ich in diesem Jahre weder Lomechusa noch Lomechusa-Jjarven daselbst. Es wurden — wie vorher in dieser Ko- lonie — im Juni eine Menge normaler Männchen und Weibchen von surnjüinca erzogen, späterhin, von Anfang Juli an, eine Masse großer normaler Arbeiterinnen. 1896 waren von Ende März bis September überhaupt weder Lomechusa noch deren Larven im Neste zu sehen. Im April 1897 wurden mehrmals Lomechusa unter den Schollen be- obachtet (4. IV.: 2; 15.1V.: 1; 22. IV.: 1; 30. IV.: 3). Lomechusa- Larven erschienen trotzdem nicht. 1898 traf ich weder Lomechusa noch deren Larven im Neste an. Auch in der Brutpflege der Ameisen war keine Änderung zu bemerken. Die im Frühjahr 1897 daselbst beobachteten Lomechusen waren ohne Zweifel von andern sanguinea- Kolonien zur Paarungszeit herzugewandert und dann wieder fortge- gangen, ohne daß es zur Lomechusa -TjM cht kam, weil die Ameisen dieser Kolonie sich noch ganz ihrer eigenen Brutpflege widmeten. — • Analog verliefen auch die mit Kol. 210 (Bez. VIII) 1897—1898 an- gestellten Versuche. 2b. Künstliche Unterdrückungsversuche der Lomechusazucht in freier Natur. Es wurden auch eine Reihe von Versuchen in der Exatener Sta- tistik angestellt, in pseudogynenhaltigen Kolonien die Lomechusa- Zucht und infolgedessen die Pseudogynenzucht zu unter- drücken, indem ich ihnen mehrere JaTire hindurch die Lomechusa und deren Larven fortnahm. Die Versuche beziehen sich auf Kol. 1, 2, 6 und 191 der statistischen Karte. Sie hatten jedoch meist keinen durchgreifenden Erfolg, erstens weil stets neue Lomechusen zur Paarungszeit aus andern Kolonien hinzuwanderten, und zweitens, weil nach meinen Erfahrungen solche Kolonien, die sich durch die Lomechusa-Zncht bereits mehrere Jahre lang an die Pseudogyneu- erziehung gewöhnt haben, auch nach dem Verlust der Lomechusa und deren Larven nicht von der Pseudogynenerziehung ablassen^ (patho- 1 Über die Methode, abgestochene HeidckrautschoUen zu Beobachtungs- zwecken auf die sanguinea-^ester zu legen, s. Nr. 131, .S. 101 und oben S. 259, Anni. 4. - S. hierüber schon Xr. 131, S. 100 und Xr. 168, S. 60ff. und G:}ff. 18* 268 E. Wasmann, logische Aberration des Brutpflegeinstinktes). Immerhin war wenig- stens bei den Versuchen mit Kol. 1 ein kleiner Erfolg bemerkbar, bei Kol. 191 ein etwas größerer. Kol. 1 (Bezirk III) hatte 1894 viele Lomechusa und Lomechusa- Larven besessen. Von April 1895 an nahm ich ihr sämtliche (19) Lo- mechusen fort, die ich dort fand. In diesem Jahre traf ich denn auch keine XomecÄMsa-Larven in jener Kolonie; aber trotzdem wurden neue Pseudogynen neben normaleji Arbeiterinnen von Mitte Juni an er- zogen. Am 7. August sah ich sogar viele frisch entwickelte Pseudo- gynen, scheinbar mehr als frisch entwickelte Arbeiterinnen ; da letztere sich jedoch rascher ausfärben als erstere, ließ sich das Verhältnis nicht näher feststellen. Im Frühling 1896 schien die Kolonie relativ v/eniger Pseudogynen zu haben als am Beginn von 1895 (höchstens 15% statt 25% der sanguinea). Aber obwohl ich in diesem Jahre wiederum die Lomechusen, die ich dort fand, wegnahm und keine Lomechusa-harven erschienen, waren wiederum unter den bis Ende August frisch ent- wickelten Ameisen viele Pseudogynen. Die relative Gesamtzahl der Pseudogynen war aber doch nur noch 10 — 15%. 1897 wurden wiederum die Lomechusen im Frühling weggefangen, es erschienen keine Lome- c/msa-Larven, aber viele neue Pseudogynen. Ende Juni sah ich (im ganzen) ungefähr 20% Pseudogynen, im folgenden Frühling (April 1898) nur noch etwa 10%; hierbei ist zu berücksichtigen, daß die Pseudo- gynen meist viel kurzlebiger sind als die Arbeiterinnen, welche 3 Jahre und darüber erreichen können i, während die Pseudogynen oft nur 1 Jahr alt werden. Die Lomechusa, die ich daselbst fand, wurden weg- genommen; trotzdem erschienen diesmal im Juni eine Anzahl Lome- c7msa-Larven. Die Kolonie war damals noch über mittelstark (über 500 Arbeiterinnen samt den 4% /wsca-Sklaven) und hatte nur noch etwa 5% Pseudogynen. Durch die fortgesetzte Wegnahme der Loynechusa scheint sich die Kolonie doch etwas erholt zu haben, indem trotz alljährlicher Erziehung neuer Pseudogynen die Prozentzahl der- selben immerhin von 20 — 25% in den Jahren 1894 — 1895 auf 5% Ende 1898 gesunken war bei ungefähr gleichbleibender Zahl der Gesamtbevölkerung. Kol. 2 (Bezirk II), welche 1895 nur etwa 5% Pseudogynen besaß, erzog nach der Fortnahme der Lomechusa (1894 und 1895) trotzdem 1895, 1896 und 1897 eine Anzahl Lomechusa-ha,Tven und neue Pseu- dogynen; sie verschwand 1898. — Kol. 6 (im Süden von Bez. II), 1 S. über das individuelle Alter der Formica- Arheiter'mnen Nr. 146, S. 213. Neue Beiträge ziu" Biologie von Lomeehusa und Atemeies. 269 welcher im April 189.5, als sie schon über 15% Pseudogynen besaß, die Lomechusa fortgenommen wurden, hatte trotzdem am 11. Jmii eine erwachsene Lomechusa-Lawe und am 13. September eine (dort entwickelte oder im Herbst hinzngewanderte?) Lomechusa; die Pseu- dogynenzahl hatte damals relativ etwas abgenommen. 1896 mid 1897, wo die LomechusaAY egnsihme nicht mehr durchgeführt wurde, stieg die Pseudogyneuzahl rapid auf 40 — 50% und schließlich auf 70 — 80%, worauf die Kolonie spurlos verschwand und ihr Nest durch die pseu- dogynenfreie Kol. 110 besetzt wurde; sie ist wohl sicher infolge der Lomechusazucht ausgestorben. Der Versuch mit Kol. 191 (Bezirk IV), welche vom 21.— 23. Sep- tember 1898 ganz ausgegraben und ihrer sämtlichen Lomechusen (116 Stück!) beraubt wurde, hatte den Zweck, die Herbstzahlen von Lomechusa mid ihr Winterquartier festzustellen, nicht aber, die Lome- chusa-Zncht in jener Kolonie zu unterdrücken. Die betreffenden Be- obachtungen werden daher später (im 10. Kap.) bei den Herbstfunden von Ljomechusa zu berichten sein. Diese Kolonie scheint sich nach dem Verlust ihrer lomechusa bedeutend gekräftigt zu haben. Über Versuche mit Pseudogynenerziehung in künstlichen Be- obachtungsnestern siehe bereits Nr. 168 (1909), S. 64— 72. In diesen Fällen wurden überhaupt keine Pseudogynen mehr erzogen, selbst wenn Königin und Arbeiterinnen aus pseudogynenhaltigen Ko- lonien entnommen waren. Aber ebensowenig kam es in solchen Nestern zur Erziehung von Weibchen, selbst wenn Königin mid Arbeiterinnen aus normalen Kolonien stammten. Hier scheinen also andre Gründe vorzidiegen, welche trotz der Xomec/m,sa- Pflege die Erziehung von Pseudogynen verhinderten. Letztere fällt in freier Natur zwar zeitlich mit der Arbeitererziehung zusammen (Juli und August), nicht mit der Weibchenerziehung in normalen Kolonien (Mai und Juni). Da sie aber eine pathologische Mischung von A\'eibchenerziehung mit Arbeitererziehung darstellt, ist ihr Fortfallen in den geschlossenen Beobachtungsnestern vielleicht daraus zu erklären, daß hier die Ten- denz der Brutpflege überhaupt nur auf Arbeitererziehung gerichtet ist (s. Nr. 168, S. 69 imten). 3. In freier Natur pseudogyn go wordene Kolonien und deren schließliches Aussterben. 3a. Im Laufe der Statistik pseudogynenhaltig gewordene Kolonien. Trotz des Mißlingens der künsthchen Infektionsversuche Lome- cÄMSö-freier Kolonien (s. oben S. 266) konnte ich doch wiederholt fest- 270 E. Wasmaim, stellen, daß iomec/ms« -züchtende Kolonien in freier Natur von selber pseudogynenhaltig wurden. ^ Im Jahre 1896 fand ich zum erstenmal Pseudogynen in einer Keihe von Kolonien, in denen 1895, bzw. im Frühling 1896 noch keine Pseudogynen gewesen waren, ncämhch in Kol. 36, 56, 165, 182, 231, 235; 1897 wurden zum ersten- mal Pseudogynen gefunden in Kol. 4, 23, mid 57; 1898 in Kol. 95 und 306; letztere beiden Kolonien waren aber schon im Sommer 1897 pseudogynenhaltig geworden, da die ersten Pseudogynen im April, bzw. Mai 1898 daselbst gesehen wurden. In Kol. 36 (Bez. II), welche 1895 Lomechusa-ha.rven erzog, aber noch keine Pseudogynen hatte, wurden die ersten frischentwickelten Pseudogynen im August 1896 gefunden, und zwar bis Ende August sehr viele, so daß am 2. September fast die Hälfte der frischentwickelten Ameisen und 10% der Gesamtbevölkerung aus Pseudogynen bestand. Die Lotnechusa-Zvicht hatte ich 1896 in ihr nicht beobachten können, da die Kolonie Anfang Juni auswanderte und erst Ende Juli zurück- kehrte; im März und April hatte ich jedoch wiederholt Lomechusa im Neste gesehen, einmal sechs Stück zugleich unter den Nestschollen. In Kol. 56 (Bez. 11) wurden die ersten Pseudogynen, etwa 3% der Gesamtbevölkerung, im April 1896 beobachtet; sie war also bereits im Sommer 1895 pseudogyn geworden, wo sie ZomecAwsa-Larven im Mai und Juni hatte, aber dann auswanderte und erst im April des folgenden Jahres wieder am alten Nestplatze erschien. Kol. 182 (Bez. IV) hatte im Juni 1896 Lomec/msa-Larven erzogen; damals waren noch keine Pseudogynen da, im April 1897 besaß sie jedoch etwa 3% Pseudogynen, war also im Juli oder August 1896 pseudogynenhaltig geworden. In Kol. 231 (Bez. IV) wurden im Juni 1896 Lomechusa- Larven erzogen; im Juli und August wurde sie nicht besucht. Im April 1897 enthielt sie einige wenige Pseudogynen, die im Sommer 1896 erzogen worden waren. 1898 war die Pseudogynenzahl auf etwa 5% gestiegen; die Lomec/msa-Zucht wurde in ihr auch in diesem Jahre fortgesetzt. Kol. 235 (Bez. II) hatte im Juni 1896 noch keine Pseudo- gynen; die ersten wurden in geringer Zahl im August erzogen. Die jLomec/msa-Larven hatte ich daselbst nicht gesehen, weil die Kolonie 1 S. hierüber auch Nr. 168, (1909) S. 63. Gegen den blastogenen Ursprung der Pseudogynen (s. Nr. 46) sind diese Beobachtungen entscheidend. Auch Reichensperger (Beobachtungen an Ameisen, Biol. Zentralbl. 1911, S. 596) berichtete über eine Lomedmsa-z\\c\iiQ\\de, 1906 noch pseudogynenfreie und 1907 pseudogynenhaltig gewordene sanguinea-YioloniQ bei Oberwinter im Rhein- land. Neue Beiträge zur Biologie von Lomochusa und Atemeies. 271 im Juni nur ganz vorübergehend besucht worden war. 1897 wurden im Juni Lomechusa-La,Tven erzogen, mid Ende August erschienen wieder frischentwickelte Pseudogynen, aber nur wenige; 1898 hatte die Ko- lonie etwa 3% Pseudogynen. Von besonderem Interesse für den Zusammenhang der Pseudo- gynenerziehung mit der LomecJnisa-Ziicht ist Kol. 23 (Bez. VIII), da hier plötzlich eine große Menge Pseudogynen erschien. Es war eine volkreiche, übermittelstarke Kolonie (über 1000 Bewohner) von großer Arbeiterrasse der sanguinea^. 1895 mid 1896 fand ich keine Pseudogynen im Neste, aber auch keine LomecJmsa oder deren Larven. (Eine Pseudogyne, die ich am 19. Mai 1895 bemerkt zu haben glaubte, erwies sich bei näherer Untersuchung als eine Arbeiterin.) Am 25. August 1897 war ich daher sehr überrascht, etwa 30% Pseu- dogynen unter den frischentwickelten Ameisen zu finden. Wenn meine >>Lomechusa-Pseudogynentheorie<< richtig war, so mußten in diesem Sommer Larven von Lomechusa hier erzogen worden sein; da die frischentwickelten Käfer erst im Herbste wieder gelegent- lich wandern, mußten letztere noch im Neste sein. Im Früh- ling 1897 (April bis Juni) hatte ich diese Kolonie nicht besucht und nur am 9. Juli ihre Anwesenheit am alten Nestplatze konstatiert. Ich beschloß daher, um jetzt die Probe auf das Exempel zu machen, die Kolonie am 28. August auszugraben. In den oberen Nestteilen waren keine Lomechusa; unter den sanguinea waren fast 40% frischentwik- kelte, blasse Pseudogynen, einige wenige größere (an die Macropseu- d(jgynen sich annähernd) schon weiter ausgefärbt^; ferner zahlreiche Kokons von Arbeiterinnen oder Pseudogynen. Endlich in einer Tiefe von 40 cm unter der Oberfläche, in einem der tiefsten Gänge des Nestes, saß ungefähr ein Dutzend Lomechusa mitten in einem dichten Ameisen- knäuel. Das Experiment erbrachte also eine auffallende Bestätigung der Theorie. Nach diesem Funde grub ich das Nest nicht weiter aus, um es nicht ganz zu zerstören; vielleicht hätte ich dabei noch einige Lomechusen gefunden. 1 Als Sklaven waren 1895 — 1897 etwa 5% fusca vorhanden, Ende Mai 1898 überdies 1 — 2% rufibarbis von sehr dunkler Rasse (var. fiisco-rufibarbis For.). 2 Die ÄDcro- und Mesopseudogynen sind überhaupt blasser als die Älacro- pseudogynen und färben sich langsamer aus als die letzteren und als die normalen Arboiterinnen. Das Vorkommen von einzelnen Macropseudogynen in dieser Kolonie, die erst am Anfang der Pseudogynenerziehung stand, ist wohl aus der Größe der Arbeiterrasse erklärlich; Übergänge zu geflügelten Weibchenformen fanden sich hier nicht. 272 E. Wasmann, Daß bereits pseudogyn gewordene Kolonien ihre Pseudogynen in freier Natur wiederum verlieren, kommt sehr selten vor (Kol. 36 und 165). In Kol. 36 (Bez. II), wo 1896 und 1897 Pseudogynen zahl- reich erzogen worden waren, fand ich im April und Juni 1898 keine Pseudogynen mehr vor. Aber hier waren die sanguinea zuletzt über- haupt nur noch sehr gering an Zahl mid die kurzlebigen Pseudogynen waren wahrscheinlich vor den Arbeiterinnen gestorben, während die relative Zahl der /wsca-Sklaven jetzt 20% betrug. Die Kolonie ver- schwand noch in demselben Jahre (1898) ganz; ihr Aussterben wurde durch die fortwährenden Kämpfe mit einer Tetramorium-Kolonie, die in ihr Nest eingedrimgen war, vermutlich noch beschleunigt. — In Kol. 165 (Bez. III) lagen die Verhältnisse anders. Hier fand ich nach vorausgegangener Erziehimg von Lomechusa-Jjawen (Ende Mai und Juni) zum erstenmal im August 1896 zwei frisch entwickelte Pseudo- gynen. 1897 und 1898, wo ich weder Lomechusa, noch deren Larven im Neste fand, wurden keine Pseudogynen mehr erzogen, und die Kolonie, die ihre frühere Bevölkerungsstärke und ihre frühere relative Sklavenzahl (etwa 5%) bewahrt hatte, schien wieder normal gewor- den zu sein. In den ebenerwähnten Fällen handelte es sich um Kolonien mit der gewöhnlichen Pseudogynenform (Micro- und Mesopseudogynen). Daß in Kolonien, welche Ma er o pseudogynen enthalten, in der Pseu- dogynenerziehung gleichsam eine rückläufige Bewegung eintritt, in- dem es — nicht auf dem ehemaligen normalen Wege, sondern auf einem neuen Umwege (dem DoLLOschen Gesetze entsprechend) — durch macropseudogyne Übergangsformen zur Erziehung von zweierlei geflügelten Weibchenformen kommen kann, wurde bereits oben (S. 262 und 264) bemerkt. Näheres über die Macropseudogynen, die nur in etwa i/iQ aller pseudogynenhaltigen Kolonien vorkommen, siehe in Nr. 168, S. 56 ff. Ob die Kolonien, die durch Macropseudogynen zur Weibchenerziehung zurückkehren, dadurch vor dem Untergang ge- rettet werden, blieb selbst für Kol. 21 von Exaten noch zweifelhaft, da nicht sicher festgestellt werden konnte, wie ihr Verschwinden im Herbst 1897 vor sich ging. 3b. Aussterben der Kolonien infolge der Lomeehusazucht und der Pseudogynenerziehung. Daß durch die Lomechusa-Zucht der eigenen Brutpflege in den sanguinea-Kolonien ein ungeheurer Schaden zugefügt wird, wurde bereits oben (S. 263) gezeigt; ebenso auch, daß die Pseudogynener- Neue Beiträge zur Biologie von Lomcchusa und Atcnicles. 273 Ziehung den Clianikter einer pathologischen Aberration des normalen Bratpflegeinstinktes trägt (oben S. 262). Da die Pseudogynen tat- sächlich morphologisch und instinktiv degenerierte Wesen sind, muß mit ihrem Überhandnehmen die Kolonie schließlich eingehen. Aber es war trotzdem in einem sanguinea-reichen Gebiete wie jenem von Exaten sehr schwer, im einzelnen das Aussterben bestimmter 5ow(/»inm-Kolonien durch die Pseudogynenzucht sicher nachzu- weisen; denn die sanguinea wandern häufig aus, und eine ohnehin schwache Kolonie ist dann oft sehr schwer wiederzufinden ; noch schwe- rer ist es aber, in letzterem Falle die betreffende Kolonie individuell wiederzuerkennen, weil die Lomechusd-ziichtenden und pseudogynen- haltigen Kolonien dazu neigen, sich in mehr oder minder zahlreiche kleinere Zweigkolonien zu zersplittern, die man nicht mit einer aus- sterbenden Einzelkolonie verwechseln darf. Immerhin konnte ich wenigstens für einige Kolonien ihr Aussterben infolge der Pseudo- gynenerziehung mit großer Wahrscheinlichkeit im Laufe der Statistik feststellen, z. B. für Kol. 6 (Herbst 1897 verschwunden, siehe oben S. 269) imd Kol. 35 (Sommer 1898 verschwunden). Kol. 35 im Bezirk II ( = 35a, 3 m von 35 entfernt) war schon 1895 bei ihrer Eintragung eine wenig volkreiche, stark geschwächte Kolonie. Letzteres ging hier aus der relativ sehr großen Zahl der Hilfsameisen hervor i {fusca, im April 1895 bereits 50 — 60% der Ge- samtbevölkerimg), die in den folgenden Jahren relativ stetig zu- nahm, während die absolute mid relative Zahl der sanguinea stetig abnahm; die relative Zahl der Pseudogynen, die im April 1895 erst etwa 3% betrug, stieg unter den sanguinea unterdessen stetig, und es Av-urde auch eine Mehrzahl alter magerer Weibchen in der Kolonie gefunden. Im Mai 1895 waren Lomechusa im Neste 35a, im Juni 1896 wurden in 35 und 35a Lomechusa-ltarven und im August frisch- entwickelte Pseudogynen gefunden; da Ende August ziemlich viele frischentwickelte fusca zu sehen waren, muß in diesem Jahre auch 1 Diese hohe Hilfsameisenzahl hätte, für sich allein betrachtet, auch um- gekehrt erklärt werden können, näinhch durch ein sehr jugendliches Alter der gemischten Kolonie; dann wäre sie eine erst 1893 oder 1894 durch ein befruch- tetes .saregrwmea-Weibchen mit Hilfe von fusca gegründete Adoptionskolonie oder Raubkolonie gewesen (s. Nr. 146, S. 203 und Nr. 177, 8. 481 ff.). Aber alle üb- rigen ^lerkmale der Kol. 35 widersprechen dieser Deutung. Da ferner beim Aufgraben des Nestes nur mehrere alte sanguinea-\Vvihch.en, aber keine fusca- Weibchen gefunden wurden, kann es auch keine auf Allometrose beruhende Al- Üanzkolonie gewesen sein. 274 E. Wasmann, noch ein Sklavenraubzug stattgefunden haben i. Unter den frisch- erzogenen sanguinea-V sendogynen waren die meisten Macropseudo- gynen, die auch noch im FrühUng 1897 ungefähr 25% der Gesamt- bevölkerung bildeten. Am 24. April 1898 wurden bei Untersuchung des Nestes 35, das diesmal auch aufgegraben wurde^, außer zwei Lo- mechusa drei alte, magere sanguinea-J^öniginnen, kaum 100 sanguinea- Arbeiterinnen und Pseudogynen, darunter ungefähr 40% Meso- und Micropseudogynen (im August 1897 erzogen) gefunden, aber keine Macropseudogynen mehr, die unterdessen gestorben waren; ferner etwa 300 (?) /(tsc«-Sklaven! Am 23. Mai 1898 waren beide Nester wiederum bewohnt. In Nest 35 war ein altes, mageres sangumea- Weibchen bei nur fünf san^mnea- Arbeiterinnen mid fünf Pseudogynen und bei 60 — 70 /wsca-Sklaven ; in 35 a war die Zahl der sanguinea etwas größer, auch hier viele Pseudogynen darunter; in beiden Nestern befanden sich noch einige Eierklumpen. Mitte Juni 1898 waren die sanguinea bis auf eine Arbeiterin verschwunden, die fusca waren wahrscheinlich fortgezogen. Beide Nester wurden hierauf von Tetramorium bewohnt. Kol. 35 blieb trotz sorgfältigen Suchens spurlos verschwunden. An ihrem Aussterben ist wohl nicht zu zweifehl. Bei der schon früher (oben S. 270 und 272) erwähnten Kol. 36 (Bezirk II) blieb es zweifelhaft, ob nicht die Kämpfe mit Tetramorium der bereits durch Pseudogynenzucht geschwächten Kolonie den Rest gegeben hat. Bei Kol. 21 (Bez. VIII, im Herbst 1897 verschwunden) blieb es zweifelhaft, ob sie nicht ausgewandert ist. Allerdings war sie trotz ihrer früheren Stärke schon im April 1897 nur noch eine schwache Kolonie, kaum -200 Ameisen, mit etwa 50% Pseudogynen unter den sanguinea und etwa 50% /wsca-Sklaven in der Gesamtbe- völkerung! Hiernach ist es sehr wahrscheinlich, daß ihr Verschwinden auf Aussterben beruhte, obwohl sie 1895 durch Erziehung von Macro- pseudogynen zweierlei geflügelte Weibchenformen erzeugt hatte (s. oben S. 262) und 1896 noch eine volkreiche Kolonie von mehreren Tau- send Arbeiterinnen war. Das Nest wurde später von Tetramorium besetzt, bis im Sommer 1898 eine andre sanguinea-Kolonie (wahr- scheinlich war es Kol. 23) einwanderte. 1 Raubzüge, die von der Stelle der späteren Kol. 35 ausgingen und bis auf 100 m weit gegen /wsca-Nester sich richteten, hatte ich schon Juli 1894 vuid in früheren Jahren beobachtet. Mit Sicherheit heß sich jedoch die Identität jener Kolonie mit Kol. 35 der statistischen Karte von 1895 nicht mehr feststellen. ~ Das Nest 35 a war damals unbewohnt. Neue Beiträge zur Biologie von Loinechusa und Atemeies. 275 Zorsplittorun;; clor infizierten Kolonien und Rekon- zentrierunji derselben. — Eine nachteilige Wirkung der Lome- c/a/cSY/-Zuclit auf die 6ViH(/wme«-Kolonien zeigt sich auch, und zwar oft schon vor Beginn der Pseudogynenerziehung, in der Zersplitte- rung der ursprünglich einheitlichen Kolonie. Hierauf habe ich be- reits 1909 (Nr. 16S, S. 52) aufmerksam gemacht. Während Lome- chiisa-irQle Kolonien im Laufe ihrer Entwicklung häufig konstant auf ein Nest konzentriert bleiben und in demselben eine sehr hohe Be- völkerungszahl von gegen 10 000 Arbeiterinnen erreichen (Kol. 8, 59, 216, 225, 226, 385 von Exaten und Kol. 37 von Luxemburg), führt die Lomechusa-Zncht besonders oft zur Zersplitterung der Kolonie, iiukMu viele Zweignester angelegt werden^, in denen die Loniechusa gepflegt untl ihre Larven erzogen werden. Ist aber dann nach Verlauf mehrerer Jahre die Bevölkerungszahl dieser Nester durch die Lome- t7i«6'<<-Zucht stark geschwächt worden — ■ teils durch die Verheerungen, welche die ZomecÄMsa -Larven unter der Ameisenbrut anrichten, teils durch die Erziehung der Pseudogynen — , so vereinigen sich die ge- trennten Zweigkolonien oft wieder in einem Neste (»Zentralkolonie« oder >>Rekonzentrati()nsnest«2), das dann nicht selten eine beträcht- liche Zahl alter, aber meist magerer Königinnen enthält (Kol. 2, 3, 4, 6 [Bez. IIJ, 156—157, 240 [Bez. III], 273 [Bez. V] bei Exaten). Auf dem Johannisberg bei Kayl (bei Düdlingen, Luxemburg) traf ich am 9. Mai 1906 eine pseudogyne Sfflwjjrwmea-Kolonie, die sogar 35 — 40 ent- flügelte Weibchen enthielt. Mit der oben (S. 261) erwähnten Tatsache, daß in den san(juinea-]\.o\o\\\Q\\ beim Beginn der Lomechusa-TjWQht die Weibchenerziehung ausfällt, an deren Stelle die Lo-mechusa- Erziehung tritt, steht diese Erscheinung nicht im Widerspruch. Wäh- rend in einer lebensfrischen normalen sanguinea-Kolonie, die meist nur eine, aber sehr dicke Königin enthält, in jedem Jahr zuerst ge- flügelte Geschlechter (Männchen und Weibchen oder eines von beiden) und dann erst Arbeiterinnen erzogen werden, wird in den Lomechusa- 1 Daß eine sanguinea-'Kolomc mehrere Nester hat, die abwechselnd oder gleichzeitig bewohnt werden, ist eine häufige Erscheinung, die nicht mit dieser Zersplitterung verwechselt werden darf. S. Nr. 59, 2. Aufl. (1900), S. 7öff. und Nr. 168, S. 48. 2 Das Wort » Zcntralkolonie « habe ich (Nr. 162, S. 289 und Nr. 173, S. 99) auch für jene Wirtskolonien gebraucht, in denen die Lomechusa (bzw. die Ate- meies) zur Paarungszeit sich in Masse versammeln. Für samjuinea fallen die Zentralkolonien von Lomechusa mit den Rekonzentrationsnestern der Wirtsameise tatsächlich meist zusammen. Bezüglich der Zentralkolonicn der Ätemeles- Alien liegen die Verhältnisse anders (s. Nr. 173, S. 99 u. 100). 276 E. Wasmann, züchtenden Kolonien, auch wenn infolge der Rekonzentration der Zweigkolonien viele alte Weibchen vorhanden sind, doch für die Fort- pflanzung der Art (abgesehen von den kümmerlichen Männchen) gar nicht mehr gesorgt, sondern außer den Lomec/msa-Larven nur mehr oder minder schwächliche Arbeiterinnen und Pseudogynen erzogen; eine Ausnahme hiervon machen nur die wenigen macropseudogynen Kolonien, die zur Weibchenerziehung zurückkehren. Die Lebensdauer der betreffenden Kolonie kann durch die Rekonzentration der zer- splitterten Zweigkolonien infolge der Vermehrung der Zahl der Ar- beiterinnen und der alten Weibchen zwar verlängert, aber ihr Unter- gang nicht lange aufgehalten werden. Nur wenn in einer solchen degenerierenden Kolonie neue befruchtete Weibchen aus fremden Kolonien aufgenommen werden, ist letztere Möglichkeit vorhanden. In künstlichen Beobachtungsnestern ist es mir zwar öfters gelungen, sanguinea-l^önigmnen durch fremde Arbeiterinnen der eigenen Art aufnehmen zu lassen (s. z. B. Nr. 162, S. 373 und Nr. 168, S. 74); in- wieweit dies jedoch auch in freier Natur, und zwar durch Arbeite- rinnen pseudogynenhaltiger Kolonien geschieht, konnte ich nicht fest- stellen. Die Rekonzentration einer zersplitterten sanguinea-J^olonie in einem Neste dürfte für sich allein wohl nicht genügen, um die oft sehr hohe Zahl alter, magerer Weibchen zu erklären, die 40 erreichen kann. Wahrscheinlich werden schon zur Zeit, wo beim Beginne der Lomechusa-Zucht — sei es nun in demselben Nest oder in Zweignestern der Kolonie — die letzten geflügelten Weibchen erzogen werden, diese durch die Arbeiterinnen vom Paarungsflug zurück- gehalten, wobei ihre Befruchtung immerhin noch durch die im Neste erzogenen Männchen geschehen kann. Dadurch wird die Zahl der Eierlegerinnen vermehrt und der Vernichtung der Kolonie durch den Brutfraß der Lomechusa-hawen entgegengewirkt (vgl. auch die Be- obachtungen über Kol. 240 auf S. 277). Obwohl, wie oben gezeigt wurde, das Aussterben einer bestimm- ten sanguinea-Kolonie infolge der Lomechusa-Zncht und der Pseudo- gynenerziehung sich nur in seltenen Fällen sicher verfolgen läßt (z. B. für Kol. 6 und 35), so ergibt sich jenes Endresultat doch auch aus einem Überblick der betreffenden Erscheinungen auf dem gan- zen Gebiete. Einen allmählichen Niedergang der Volkszahl in pseudogynen- haltigen Kolonien konnte ich während der fünfjährigen Statistik von Exaten besonders im Bezirk II trotz der beträchthchen Zahl der alten Neue Beiträge zur Biologie von Loniechusa und Atemelee. 277 Königinnen in einigen derselben konstatieren. Ferner waren mehrere psoudogynenhaltige Kolonien, in denen ich von 1887 an Lomechusa und deren Larven gefunden hatte, 1895 beim Beginn der Statistik bereits verscli wunden und somit als ausgestorben anzunehmen. Schließliches Schicksal der Infektionsgebiete. — Wie das Schicksal eines von Lomechusa stark infizierten sanguinea-Ge- bietes, das zahlreiche pseudogynenhaltige Kolonien aufweist, nach einer größeren Anzahl von Jahren sich gestaltet, zeigen die folgenden Beobachtimgen. Mein Kollege P. Hermann Schmitz S. J. teilt mir folgendes mit. 1902 — 1905 fand er bei Tüddern in der Rheinprovinz, ^/^ Stunden von der holländischen Stadt Sittard, an den Wegrändern eines Kie- fernwaldes zahlreiche sanguinea-'N ester, migefähr alle 10 m ein Nest. Lomechusa und Pseudogynen waren in denselben zahlreich vorhanden. 1911 konnte er daselbst nach langem Suchen nur noch eine einzige Kolonie finden, mit vielen alten, mageren Weibchen und in 1/2 m Tiefe eine Anzahl Lomechusa. Es war dies offenbar eines der oben- erwähnten Konzentrationsnester (Zentralkolonie), in welchem eine durch Lomecliusa-ZuQ\\t zersplitterte Kolonie sich wieder gesammelt hatte. 1913 endlich suchte er drei Tage lang vergeblich den ganzen Wald ab, ohne überhaupt eine einzige sanguinea-'Kolomei zu finden; die letzte, 1911 noch vorhandene, mußte also unterdessen auch aus- gestorben sein. Für mein auf der statistischen Karte verzeichnetes sanguinea- Gebiet von Exaten kann ich folgendes berichten. Dasselbe war Mitte Juni 1900 (von Luxemburg aus) von mir wieder besucht worden, um der Kol. 2iO (Bezirk III) Lomechusa und deren Larven zu Versuchs- zwecken zu entnehmen. Die Kolonie war seit Juni 1896 registriert und bis Mitte August 1899 sorgfältig kontrolliert worden. 1896 war sie eine starke Kolonie, welche fünf, mehrere Meter voneinander ent- fernte Nester bewohntei. In einem derselben wurden im Juni 1896 noch eine Anzahl geflügelter normaler Weibchen erzogen, und zwar zugleich mit zwei ZomecÄMsa-Larven^; später wurden in allen Nestern dieser Kolonie niemals mehr Weibchen erzogen, sondern nur Arbeite- 1 Das Xest 240a, das erst 1897 (in 8 m Entfernung) angelegt wurde, so- wie die Nester der Kolonien 8G und 87, die erst später als mit Kol. 2-40 wahr- scheinlich zusammengehörig erkannt wurden, smd dabei nicht mitgerechnet. 2 Diese gleichzeitige Erziehung von Weibchen und Lomechicsa in dem- selben Neste ist ein in meiner Statistik isoliert dastehender Ausnahmefall, wes- halb ich ihn hier besonders erwähne. 278 E. Wasmann, rinnen und Pseudogynen und eine Anzahl auffallend kleiner (partheno- genetisch erzeugter?) Männchen. Die Kolonie befand sich 1896 gerade im Beginn des Pseudogynenstadiums. In den folgenden Jahren stieg die Infektion (1897 etwa 8% Pseudogynen) infolge der Lomechusa- Zucht; letztere verteilte sich aber auf die verschiedenen Nester oft ganz verschieden. Unter den Heidekrautsehollen des Hauptnestes fand ich am 12. Mai 1897 63 Lomechusa sitzend, worunter 6 Pärchen in Copula, die aber nachher in die benachbarten Nester dieser und andrer Kolonien sich zerstreuten, um dort ihre Brut erziehen zu lassen; in diesem Neste fand ich 1897 nur eine einzige Lotnechusa-haxYQ. Bei der Untersuchung Mitte Juni 1900 war die .Kolonie in einem Neste rekonzentriert; dasselbe wurde ausgegraben und ergab 30 bis 40 Stück Lomec/msa-Larven, ein altes i Lomec/msa -Weibchen und 30 bis 40 alte, mehr oder minder magere saw^Mmea-Königinnen; Pseudo- gynen waren ungefähr 5%, /wsm - Sklaven ungefähr 3% vorhan- den, ferner eine große Menge Eierklumpen und junge Larven von Arbeiterinnen oder Pseudogynen, außerdem viele ältere Larven und Kokons, aber keine von geflügelten Geschlechtern. Für ein Versuchs- nest wurden nur die Lomechusa und deren Larven, zwei Königinnen und eine Anzahl Arbeiterinnen und Sklaven und etwas Brut mit- genommen; die Kolonie behielt also noch eine Masse alter Weib- chen usw. 13 Jahre später (im Juni 1913) besuchte ich das Gebiet wieder. Kol. 240 sowie sämtliche ehemals in ihrer Nachbarschaft im südlichen Teile des Bezirkes III der Karte gelegenen Kolonien (86, 87, 87a, 53, 54, 156, 157 usw.) waren spurlos verschwunden, obwohl das Terrain gerade hier keine Veränderung (durch Neubepflanzung usw.) aufwies. Nur im äußersten Norden des ehemaligen Bezirks III fand P. Schmitz im Juni 1913 eine einzige pseudogynenhaltige Kolonie, aber an einer Stelle, die auf der Karte keine Kolonie hatte; deshalb ließ sie sich auch nicht mit einer der letzteren identifizieren. Im gan- zen übrigen Pseudogynenbezirk III der Karte war kein einziges sawg'm'wea-Nest mehr zu finden, obwohl derselbe 1895 — 1899 über 1 D. h. nicht ein frischentwickeltes, sondern der Elterngeneration jener Larven angehöriges Weibchen. Ein zweites altes Lomec/msa- Weibchen hatte ich bereits 2 Tage vorher (am 13. VI.) unter einer der Schollen des Nestes ge- funden. Daß man in pseudogynenhaltigen Kolonien zur Zeit, wo bereits Lome- c^Msa-Larven im Neste sind, noch eine alte Lomechusa oben findet, ist ebenfalls ein seltener Ausnahmefall, wie ich weiter unten zeigen werde (s. Kap. 5 und 6). Neue Beiträge zur Biologie von Lomechusa und Atemeies. 279 60, irroßenteils infizierte, Nester gehabt hatte. Während zweier Tage suchte ich dann das Gebiet der eheniahgen Zomec//«,sa-Pseudogynen- bezirke ab (mit Ausnahme der Bezirke I und V, die weiter abseits lagen), und fand daselbst keine einzige scinguinea -Kolonie. Da- gegen wurden südhch von dem 1899 erst schwach infizierten Bezirke VII, der damals nur zwei pseudogynenhaltige Kolonien besaß, noch eine Reihe kräftiger sanguineu-Kolomen gefunden auf einer Strecke, welche während der Statistik (1895—1899) unter 13 Kolonien bloß drei vorübergehend und vereinzelt von Lomechusa besuchte Kolonien (90, 91, 350) zählte. Es kann wohl kaum zufällig sein, daß auf diesem Gebiete noch 1913 sanguinea-Kolomen zu finden waren. Jene zweitägige Untersuchung war selbstverständhch zu kurz, mn ein endgültiges Urteil über die vielleicht doch noch in den ehe- maligen Pseudogynenbezirken vorhandenen sanguinea-lii estev zu er- möglichen, obgleich deren Zahl im Vergleich zu 1899 sicherlich nur noch eine sehr geringe sein konnte. Es kommen ferner verschie- dene Faktoren für das Verschwinden von sanguinea-K.olomen wäh- rend jener 13 oder 14 Jahre in Betracht. Erstens der periodische Wechsel in der Bebaumig des Bodens, durch den an die Stelle der ehemaligen Heidestrecken neuer Kiefernwald tritt mid umgekehrt. Diese Veränderung der Bodenverhältnisse zeigte sich namentlich im Bezirk II und in einigen Teilen der Bezirke III und VTII. Für jenen Teil des Bezirks III, der die Umgebung der ehemaligen Kol. 240 bil- dete (s. oben), galt dieser Faktor jedoch nicht, auch nicht für den Be- zirk IV. Als zweiter Faktor ist die Einwanderung von rw/a-Kolonien in Teile des ehemaligen sanguinea-Gehietes zu. nennen, wodurch die ohnehin schon durch die Loniechusa-Zucht geschwächten sanguinea- Kolonien ausgerottet oder verdrängt werden. Man vergleiche auf der Karte die Umgebung des n^/a-Nestes ß* (südlich vom Bezirk II), wo vor Beginn meiner Statistik (vor 1895) sanguinea-KoXomen sich befunden hatten, die durch die ru/a-Einwanderung (von Norden nach Süden) verschwanden. Dieser Faktor ist beim Befunde von 1913 in Anrechnung zu bringen für den nordöstlichen Teil des Bezirks III und für den Bezirk VIII, wo rufa sich stark ausgebreitet hatte; aber z.B. nicht für den südlichen Teil von Bezirk III (Umgebung von Kol. 240) und nicht für den Bezirk IV. Für diese letzteren (»ebiete ist das Verschwinden der sanguinea-KoXoxü&n wohl fast ausschheßlich auf den dritten Faktor zurückzuführen, nämlich auf das Aussterben der Kolonien infolge der Lomechus(i-7j\\Q\\t und dor durch sie verur- sachten Pseudogynenerziehung. 280 E. Wasmann, 3c. Gesamtbild des Einflusses der Lomechusapflege auf die Sanguineakolonien. Durch das Eindringen der Lomechusa in ein sanguinea-Gehiet werden zuerst einzebie Kolonien zur Erziehung der Lomechusa -hsuven veranlaßt, welche an die Stelle der Erziehung der eigenen Fortpflan- zungsindividuen, namentlich der Weibchen, tritt; dadurch sind diese Kolonien für die Arterhaltung bereits ausgeschaltet. Nun beginnt in jenen Kolonien unter dem Einflüsse der Loniechusa-Zncht eine pathologische Veränderung des Brutpflegeinstinktes der Arbeite- rinnen, welche für die Lomechusa-hsuveia. sehr günstig, für die Ameisen- larven jedoch sehr ungünstig ist, indem sie zu immer zahlreicherer Erziehung von krüppelhaften Pseudogynen führt. Mit dem Fort- schreiten der Lomechusa-Xncht geht die Kolonie ihrem Untergange zu, teils direkt durch den Parasitismus der Adoptivlarven (Auffressen der Ameiseneier und -larven, Futterentziehung infolge der Fütterung der Lomechusa-hsiTven), teils indirekt durch das Überhandnehmen der relativen Pseudogynenzahl. Unterdessen greift durch die Wan- derung der Lomechusen (s. unten Kap. 4 — 9) die Infektion allmählich auch auf die Nachbarkolonien über und dehnt sich immer weiter aus, bis schließlich der ganze sanguinea-Bezivk ausstirbt, während anderswo durch die geflügelten Weibchen, welche in den noch nicht infizierten Kolonien jenes Gebietes erzogen worden waren, neue, frische sanguinea- Kolonien gegründet werden i. Schlußfolgerungen. Lomechusa strumosa ist somit tatsächlich der schlimmste Feind der sangumea-}Lo\omQ\\, den diese durch die Brutpflege, die sie seinen Larven zuwenden, selber züchten. Die »Amikalselek- tion<< äußert sich hier als positiver Faktor, indem der Brutpflege- instinkt der Ameisen in steigendem Grade immer einseitiger der Pflege der Lomechusa-liarven sich zuwendet. Die Ameisen bevor- zugen die Lomechusa-J^vut vor der eigenen, unterlassen darüber die Erziehung eigener Fortpflanzungsindividuen, ja sie »verlernen« dar- über die Erziehung der eigenen weiblichen Larven (Pseudogynen- erziehung), während sie in der Zomec/msa -Erziehung »Fortschritte machen« und diese Adoptivlarven immer zweckmäßiger behandeln. 1 Über deren Gründungsweise s. die Zusammenfassungen in Nr. 162, S. 376ff., 168, S. 72ff., 177, S. 481 ff. Dort sind auch die Arbeiten von Whee- LER, ViEHMEYER USW. zitiert. Nene Beiträge zur Biologie von Loiiieclmsa und Atemelea. 281 Während in den nicht pseudogynenhaltigen Kolonien bei der Erziehung der Lomechusa-LüTven meist der größte Teil derselben dadurch zu- grunde geht, daß die Ameisen ihnen nach der Verpuppung keine Ruhe lassen, sondern sie — nach Analogie der eigenen Kokons — aus der Erde wiederum hervorziehen i, kommt in den pseudogynenhaltigen Kolonien meist die Mehrzahl der Larven glücklich durch diese kri- tische Periode hindurch, indem die Puppen in der Erde belassen wer- den^. Eine Modifikation des Brutpflegeinstinktes der Ameisen ist hier wohl nicht zu verkennen, obwohl dieselbe — vom Standpunkte der normalen Brutpflege der Ameisen aus betrachtet — einen patho- logischen Charakter zeigt. Die Vervollkommnung der Lomechusa -Zucht, die mit der Pseudogynenerziehung Hand in Hand geht, vollzieht sich meines Er- achtens stets aufs neue in den betreffenden Ameisenkolonien als »individuelle Modifikation« der Arbeiterinstinkte, aber — NB! — auf der erblichen Grundlage der Differenzierung des Brutpflege- iustinktes von sanguinea in bezug auf eine bestimmte Gastart, nämlich Loimchusa strumosa (s. Nr. 173). Die Steigerung jener Instinktmodi- fikation kann sich auf seite der Ameisen nicht mehr vererben, wenn man von den seltenen Fällen der durchv Macropseudogynenerziehung entstehenden Weibchen und der parthenogenetisch in pseudogynen Kolonien erzeugten Männchen absieht. Den Gästen dagegen kommen jene individuellen Fortschritte der Anieisen in der Pflege der Adoptiv- larv^en auch stammesgeschichtlich, d.h. für die folgenden Gene- rationen, zugute. Vergleichspunkte zwischen Lomechusa, Atemeies und Xenodusa. Durch die Einwirtigkeit von Lomechusa strumosa, welche ihre ganze Entwicklung bei derselben W'irtsameisenart (F. sanguinea) durchmacht^, während die Atemeies und Xenodusa doppelwirtig sind ^ Über diese kritische Periode in der Entwicklung von Atemeies und Lo- mechnsa s. bereits in Nr. 11, S. 95 (1890) und in vielen späteren Arbeiten. Fer- ner unten Kap. 5, S. 292, und B, Kap. 4 a, 1 (Exatener Zuchtversuche 1896). 2 S. hierüber besonders Nr. 173, S. 133 ff. und Nr. 180, 8. 63 ff. (Scpar. 6 ff.). Vgl. auch Xr. lU, S. 106. Femer unten Kap. 5, S. 292, und B, Kap. 4a, 2 (Luxemburger Zuchtversuche 1904). ^ Wahrscheinlich gilt dies auch für die ül^rigen paläarktischen Lomechusa- Arten (Nr. .>6). — Lomechusa strumosa geht bei ihren Wanderungen gelegentlich auch zu /'. nifa oder 'pratensis über, wo es ebenfalls zur Pseudogynenbildung durch die Larvenerziehung dieses Käfers kommen kann. S. Nr. 83 und 131, Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CXIV. Bd. 19 282 E. Wasmann, — Atemeies: Myrmica — Formica; Xenodusa: Camponotus — For- mica — , ist es verständlich, daß die pathologischen Folgen der Zucht der Adoptivlarven für die Larven wirte {Formica) bei letzteren Gastgattungen nicht so bedeutend sind wie bei der Lo?nechusa-Zuch.t. Ich habe hierauf bereits früher (Nr. 131, S. 104 ff. ; 164, S. 80 ff. ; 173, S. 99 ff.) aufmerksam gemacht und verweise auf jene Ausfüh- rungen. Pseudogynenerziehung als Folge der Atemeies -Zncht kommt übrigens auch bei F. fusca, rufibarhis und rufa vor (s. Nr. 105, 109, 131, 164, 173). Hier vertritt die ^temefes-Erziehung die Weibchen- erziehung wie bei F. sangumea. Für F. truncicola konnte ich dagegen in dem bisher einzigen Falle, wo die Larven von Atemeies truncico- loides zahlreich in einem truncicola-'N este erzogen wurden, keine Pseu- dogynenbildung beobachten, sondern es kamen hier sogar ziemlich viele geflügelte Weibchen zur Entwicklung (s. Nr. 180, S. 64, S. 10 separ. mid unten B, Kap. 3, d). Für mehrere nordamerikanische For- mica-Arten ist Pseudogynenbildung durch Erziehung der Larven von Xenodusa von Muckermann i und Wheeler^ entdeckt worden (s, auch Nr. 131, S. 105). 4. Die Frühlingszahlen von Lomechusa in den Sanguineakolonien in freier Natur. Paarungszeit und Paarungswanderung. Jordan (S. 379) meinte, die »beträchtliche Menge der Tiere <<, die man oft in einer sanguinea-Kolonie finde, könne »mimöglich nur von einem Pärchen abstammen«. Diese vage Vermutung, die zudem von der irrtümlichen Voraussetzung ausgeht, daß nach meiner Ansicht S. 102 und die rii/a-Kolonie Ri auf der statistischen Karte (im Bezirk II). Wahr- scheinlich ist auch für die blaugestrichenen Kolonien R^, R»'^ und Rsb (links oben auf der Karte) eine, von Kol. 265 ausgegangene Lomechvsa-Jniektion anzunehmen. Für die Pseudogynen von F. nifa kommt übrigens hauptsächUch Atemeies fuhicollis in Betracht (Nr. 105 und 109), für jene von F. pratensis dagegen At. pratensoides (Nr. 149). 1 H. MucK^BMANN, Formica sanguinea, subsp. rubicunda Em. and Xeno- dusa Cava Lee., or the discovery of pseudogynes in a district of Xenodusa cava (Entomolog. News XV., Dec. 1904, S. 339—341, mit Tafel). 2 W. M. Wheeler, A new type of social Parasitism among ants (BuU. Am. Mus. Nat. Hist. XX., 1904), p. 369 ( Xenodusa cava und Pseudogynen von F. incerta); The Polymorphism of ants, with an account of some singular ab- normaUties due to Parasitism (Bull. Am. Mus. Nat. Hist. XXIII., 1907, p. 1 — 93); Ants, thetr structure, development and behavior, New York 1910 (p. 96, 407, 526); Notes on the myrmecophilous beetles of the genus Xenodusa, with the description of the larva of Xenodusa cava Lee. (Joum. New York Entom. Soc. XIX., Nr. 3, 1911, p. 163—169). Neue Beiträge zur Biologie von Lomeehusa und Atemeies. 283 stets nur ein Piiichen von Lomeehusa in je einer Kolonie zur Copula gelangen dürfe (s. oben inil. Teil, S. 247 ff.), veranlaßt mich, auf Grund meiner zahlreichen Befunde in freier Natur gelegentlich der Exatener Statistik auf die Frage einzugehen: wie verhält sich die Zahl der Loniechusen in einer Kolonie (bzw. in einem Neste) zur Zahl der Pärchen, die in derselben nicht bloß zur Copula, sondern zur Brutpflege gelangen? Um diese Frage kritisch zu beantworten, müssen folgende Punkte berücksichtigt werden : 1. Die Zahl der Lomeehusa, die man im Frühling zur Paarungs- zeit in manchen sanguinea-Kolomen findet (erste Wanderungsperiode), 2. Die Zahl der Lomechusa-ha,vven, die in einer Kolonie erzogen werden. 3. Die Zahl der alten Lomeehusa, die man gleichzeitig mit den Larven in den betreffenden Kolonien antrifft. Wo bleiben die übrigen? (Zweite Wauderungsperiode.) 4. Die Zahl der in einer Kolonie frisch entwickelten Lome- ehusa (Hochsommerfunde). 5. Die Herbstzahlen der in einer Kolonie zur Überwinterung sich zusammenfindenden Lomeehusa (dritte Wanderungsperiode). 6. Die Zahl der Eier in den Eierstöcken der iomecAwsa- Weibchen gegen Ende der Paarungszeit. Aus dem Vergleich dieser Befunde mitereinander wird sich er- geben, daß wir in keinem bisher in freier Natur beobachteten Falle mehr als zwei Elternpärchen anzunehmen brauchen, um die Zahl der in einem Neste beobachteten Jjomeehusa (bzw. ihrer Larven) zu erklären. In weitaus den meisten Fällen genügt sogar ein Eltern- pärchen. Diese statistischen Ergebnisse stehen also in vollem Ein- klänge mit meinen Beobachtungen in künstlichen Nestern, wo be- stimmte Pärchen von Lomeehusa besonders sorgfältig gepflegt mid zur Brutpflege in der betreffenden Kolonie »ausgelesen« wurden. In dem gegenwärtigen Kapitel haben wir ims nur mit den Früh- jahrszahlen von Lomeehusa in einer Kolonie zu befassen, 4a. Vorbemerkung über die ,, Paarungszeit" von Lomeehusa. Die oberirdische Er.scheinungszeit von Lomeehusa beginnt je nach dem Frühlingswetter Anfang April oder schon Ende März. Dann kommen die Käfer aus ihrem Winterquartier in den tiefsten Gängen des Nestes herauf unter die Schollen, die man auf das Nest gelegt hat; der Raum unter den Schollen stellt den Versammlungsort 19* 284 E. Wasmann, dar, wo die Ameisen mit ihren Brutkliimpcn (im Beginn des Früh- lings auch oft mit den Königinnen) und mit ihren Gästen bei schönem Wetter sich aufhalten. Mit der oberirdischen Erscheinungszeit von Lomechiisa beginnt auch schon die Vorbereitung zur Paarung; in diesem Sinne kann man den Beginn der Paarmigszeit von Lomechusa mit dem Beginn ihrer oberirdischen Aufenthaltszeit gleichsetzen. Die Paarungszeit im engeren Sinne, wo man die Pärchen in Copula trifft, beginnt jedoch nach meinen Notizen erst nach Mitte April. So hatte ich z. B. schon am 30. März 1897 in Kol. 157 (Bezirk III) unter einer Scholle des Nestes wenigstens 12 Lomechusa beisammen gesehen unter den Ameisen und deren Königinnen. Das erste Lomc- cÄwsa-Pärchen traf ich dagegen erst am 19. April 1897 unter zehn Lomechusa, die unter einer Nestscholle von Kol. 240 (Bezirk III) saßen. Von Ende April an steigt die Häufigkeit dieser oberirdischen Paarmigen und erreicht ihren Höhepunkt um Mitte Mai. Von da an nimmt sie wieder ab und endet durchschnittlich Anfang Juni mit dem Erscheinen der ersten Lomechusa -hsiTven im Neste. Über einige ausnahmsweise späte oberirdische Paarmigen werde ich später (im 6. Kapitel unter g) berichten. Mit der oberirdischen Paarungs- zeit ist auch die oberirdische Aufenthaltszeit der alten Lome- chusa in den Lomec/msa-züchtenden Kolonien zu Ende. (In den nicht Lomechusa-znchtenden Kolonien dauert sie dagegen länger; s. im 7. Kap. unter >>Infektionswaiiderungen<(.) Unterirdisch, d. h. in den tiefsten Brutkammern des Nestes, wird jedoch die Copula von den definitiv aufgenommenen Pärchen noch mehrere Wochen lang fortgesetzt. Dies ergibt sich aus den betreffenden Befmiden in freier Natur (s. unten im 5. und 6. Kap.), sowie mit voller Sicherheit aus den Parallelbeobachtmigen in künstlichen Nestern, wo ich schon seit 1888 (Nr. 5, S. 61 Sep.) oftmals konstatierte, daß einzelne Lomechusa- Pärchen, die von den Ameisen besonders gut gepflegt wurden, bis Ende Juni oder bis in den Juli ihre Paarungen wiederholten. Vor Schluß der oberirdischen Paarungszeit vollzieht sich somit die »Aus- lese« bestimmter Pärchen , die von den Ameisen der betreffenden Kolonie zur Brutpflege zurückbehalten werden. 4b. Frühjahrszahlen von Lomechusa in einem Neste. Während ich 1888 (Nr. 5, S. 60 Sep.) die Zahl der im Frühhng in einem saw^m'wea-Neste gefundenen Käfer nur auf höchstens sieben angab, traf ich später öfters höhere Zahlen: In den 46 pseudogynenhaltigen Kolonien, welche Lomechusa Neue Beiträge zur Biologie V(ju Loinechusa und Ateiuelcs. 285 enthielten, öfters ein Dutzend und darüber glciclizeitiu unter den Schollen des Nestes; z.B.: Kol. 1 (Bez. III). — 30. IV. 1895: 13. Kol. 2 (Bez. II). — 5. V. 1895: 11. Kol. 87a (Bez. III). — 27. V. 1896: 15. Kol. 180 (Bez. IV). — 9. IV. 1897: 15. Kol. 157 (Bez. III). — 30.111. 1897: 12 (dortgelassen). 19. IV. 1897: 29 (bei ungefähr 25% Pseudogynen unter den sanguinea). Kol. 240 (Bez. III). — 15. IV. 1897: 20 (dortgelassen). 12. V. 1897: 63, darunter sechs Pärchen in Copula^. Letzteres ist die Höchstzahl der in einem Neste gleichzeitig gefundenen Loniechusen zur Paarungszeit. Die Erklärung derselben wird uns gleich noch zu beschäftigen haben. In den 79 pseudogynenfreien Kolonien, welche Lomechusa ent- hielten, war die höchste, ganz isoliert dastehende Zahl der gleichzeitig gefundenen Loniechusen: Kol. 274 (Bez. V)2. — 12. V. 1898: 20. In den übrigen pseudogynenfreien Kolonien wurden höchstens zehn (in Kol. 53 [Bez. III], 20. V. 1895), in wenigen vier, fünf oder sieben (Kol. 203, 343, 119, 181), in den übrigen nur eine bis drei Lo- niechusen gleichzeitig in einem Neste gefunden. Es sei ausdrücklich bemerkt, daß meine hier aufgezählten Früh- 1 Hohe Lotnechusa-Zuhlen. in einigen pseudogynenhaltigen Kolonien — diese Nester wurden aufgegraben — fand ich auch auf dem Johaimisberge bei Kayl (Luxemburg) im Mai 1901 und 1906: am 22. Mai 1901 in einer Kolonie 17 Stück, bei etwa 5% Pseudogynen; am 9. Älai 1900 in einer Kolonie über 30 Stück, bei etwa 15% Pseudogynen. Letztere Kolonie war die oben (S. 275) erwähnte Konzentrationskolonie, in wel- cher ich 35 — 40 alte Weibchen fand. Am 22. Juni 1906 wurden üi allen Nestern dieses stark infizierten Gebietes auch zahlreiche Lomechiisa-harvon gefunden. - Diese Kolonie (.s. oben S. 264) stand bereits auf der Höhe der Lomechusa- Zucht, obwohl sie noch pseudogyncnfrei war. Eine hohe Lomechusa-Zuhl fand auch A. Reichensperger Ende Mai 1906 bei (Jbcrwinter im Rheinland in einer noch pseudogynenfreien Kolonie, nämUch gegen 40 Stück (Beobachtungen an Ameisen, Biol. Zentralbl. 1911, S. 596). Diese Kolonie war nach der Lo»iec7r(<«o-Zucht von 1906 bereits 1907 pscudogy- ncnhaltig. Reiciiensperger teilte mir ferner mündlieh mit, daß er im April 191(» hinter Schloß Stolzenfels bei Koblenz eine kleine sow(/«mea-Kolonie (200 bis 250 Bewohner, darunter fusca weit überwiegend) unter einem Sterne fand mit 19 Lomechusa, worunter die Männchen zahlreicher waren als die Weibchen; ein Pärchen war in Copula. Pseudogynen waren keine vorhanden. Wahr- scheinlich handelte es sieh in diesem Falle um eine Paarungsversannnhuig von Lomechusa in emer noch jimgen gemischten Kolonie. 286 E. Wasmann, Jahrsfunde von Lomechusa der Exatener Statistik auf solche Käfer sich beziehen, die unter den Schollen des Nestes saßen, wo man an schönen, windstillen Frühlingstagen die Lomechusen der betreffenden Kolonie sicher mitten unter den Ameisen antrifft; Ausgrabungen um diese Jahreszeit ergaben keine höheren Zahlen, während z. B. am 22. März 1898 in Kol. 86 zehn Lomechusen aus dem Winterquartier in 1 m Tiefe ausgegraben wurden; oben befanden sich damals noch keine. 4c. Paarungswanderungen. Alle dieser Frühjahrsfunde sind von keiner entscheidenden Be- deutung für die Frage, wie viele Lomec/msa- Pärchen in den betreffen- den Kolonien zur definitiven Aufnahme gelangen. Daß in den pseudo- gynen haltigen Kolonien die Lomechusa weit leichter zur Fortpflanzung kommen als in den pseudogynenfreien, geht bereits aus den allgemeinen Ergebnissen meiner Statistik klar hervor (s. oben S. 260 ff.); deshalb sind eben diese Kolonien die Zentren der Lomechusa-lniektion. Aber die auffallend hohen Frühjahrszahlen, z. B. die 63 Lomechusa Mitte Mai 1897 im Hauptnest von Kol. 240, beruhen sicher nur auf einer vorübergehenden Ansammlung der Käfer in einer sogenannten »Zen- tralkolonie« zum Zwecke der Paarung; man könnte diese Kolonien daher auch »Hochzeitskolonien von Lomechusa <( nennen. Von dort aus wandern sie dann in die Nester der Umgebung, wie ich namentlich für Kol. 240 feststellen konnte (s. oben S. 278). Wenigstens einige Spezialbe funde glaube ich hier anführen zu müssen: Kol. 240 (Bez. III), 1897: 22. III.: Noch keine Lomechusa oben unter den Schollen der fünf Nester. 30. III.: 4 Lomechusa oben. 15. IV.: 20 Lomechusa unter allen Schollen zusammen. 19. IV.: 10 Lomechusa unter einer der Schollen, darunter ein Pär- chen in Copula; unter mehreren der übrigen Schollen ebenfalls Lome- chusa, aber keine Pärchen. 12. V.: Hochzeitsversammlung 1: 63 Lomechusa unter den nahe beisammenliegenden Schollen des Hauptnestes, darunter sechs Pärchen in Copula (s. oben S. 285). Vielleicht waren noch mehr vorhanden, da ich nicht alle Löcher der Schollen genau untersuchen konnte. ■•• Witterung ziemlich kühl, regnerisch, aber völlig windstill. Kein Sonnen- schein, sondern andauernd bedeckter Himmel. Trotzdem waren hier an jenem Tage so viele Käfer oben in Paarung versammelt. Neue Beiträge zur Biologie von Lomecbusa und Atemeies. 287 U). V.: Nur 30 Lomechnsa unter allen Schollen zusammen; keine Pärchen. Unter einer Scholle eine tote und eine halbtote Lome- chnsa; letztere \nirde gerade von einer sanguinea umhergezerrt. (Es hatte also bereits die Mißliandlung und Austreibung der überzähligen Lomcchusa begonnen, analog meinen Beobachtungen in künstlichen Nestern.) 19. V.: Keine einzige Lomechusa unter den Schollen; 31. V. das- selbe; 6. VI. dasselbe; 7. VI. dasselbe. 7. VI.: In Nest 240a (8 m vom Hauptnest entfernt) eine 8 mm lange (also wenigstens 8 Tage alte) Lomechusa-hskTve. 8. VI., 10. VI., 12. VI., 17. VI., 21. VI., 1. VIL, 4. VII., 8. VII., 10. VII., 21. VIL, 28. VII., 8. VIII., 16. VIII., 18. VITI usw. weder Lomechusa noch deren Larven in 240 und 240a gefunden. 4. Aul. die ersten frischentwickelten normalen Arbeiterinnen und Pseudogyneni. Es sei ausdrücklich hervorgehoben, daß an dem Vormittag des 12. Mai 1897, wo die Hochzeitsversammlung von mindestens 63 Lomechusa im Hauptnest von Kol. 240 stattfand, in den sämtlichen Nachbarkolonien des Bezirks III, die großenteils ebenfalls pseudo- gynenhaltig waren (wde Kol. 86, 87, 156, 157, 169, 169a), keine ein- zige Lomechusa oben unter den Nestschollen angetroffen wurde, sondern nur je ein Stück in den weiter entfernten, noch pseudogynen- freien Kolonien 254 und 118. Hierdurch wird der Massenfmid in Kol. 240 an demselben Tage und bei demselben kühlen Wetter in ein noch helleres Licht gerückt: diese Kolonie diente in jenem Frühling als »Zentralkolonie« für die Paarungsansammlungen der ZomecÄwsa im ganzen sanguinea-BeyAvk III der Karte. 1898 wurde in den zu Kol. 240 gehörigen Nestern im Frühjahr keine Massenansammlung von Lomechusa beobachtet, sondern nur jeweil 3, 4 oder 5 Stück. Trotzdem wurde in diesem Jahr eine viel größere Zahl von Lomechiisa-'hiivwc.n (20 — 30 Stück) Mitte Juni in dieser Kolonie gefunden. Eine noch viel größere Zahl von Lomechusa- Larven (wenigstens 50 — 60 Stück) wurden im Juni 1898 in Kol. 156a erzogen, obwohl ich in diesem Neste im April und Mai desselben Jahres keine einzige Lomechusa gesehen hatte ! 1 In Kol. 240 habe ich wiederholt beobachtet, daß l)cini Aufheben einer Scholle auch eine Pseudogyne an dem Forttragen der Amcisenlarvcn sich be- teiUgte. Meist verhalten sie sich untätig. Ihre Zahl war in jener noch volk- reichen Kolonie damals 8 — 10% der Ciesamtbcvölkenmg. 288 E. Wasmaiui, Aus meinen Tagebuchnotizen geht hervor, daß im Bezirk III zwi- schen den Kolonien 240 ( = 240a), 86 ( - 86a und 87), etwa 12 m von 240 entfernt, und 156 ( = 156a = 157), mindestens 50 m von 240 und 86 entfernt, ein wiederholtes Hin- und Herwandem der Lome- chusen stattfand. Beispielsweise wurden in Kol. 157, wo am 19. April 1897, also vor der Massenversammlung in Kol. 240 (15. V.), 29 Lome- chusen beisammen gefunden wurden, nachher weder Lomechusa noch deren Larven in diesem Neste 1897 angetroffen. In dem 6m von Kol. 157 entfernten Neste der Kol. 156 wurde dagegen am 18. VIII. 1897 ein Dutzend frisch entwickelter Lomechusen ausgegraben. 1898 kam Kol. 156a (12 m von Kol. 156) an die Reihe mit der massenhaften Erziehung von Xomec^Msa-Larven, obwohl im Frühjahr keine Lome- chusen daselbst getroffen worden waren (s. oben). Aus den Früh- jahrszahlen der Lomechusa in einem Neste kann man somit noch gar keinen Schluß ziehen auf die Lomechusa-Zuclit in der betreffenden Kolonie, wenn dieselbe nicht ganz isoliert liegt, und auch in diesem Falle ist noch kein Schluß möglich auf die zur definitiven Aufnahme gelangenden Pärchen. 4d. Allgemeine Bemerkungen zur Wanderung von Lomechusa. Obwohl Lomechusa strumosa ein wirtig ist, so wandert sie doch namentlich zur Paarungszeit im Frühling häufig von einem sanguinea- Neste zum andern. Bereits Roger berichtete 1857, daß sie an warmen Tagen oft in den Nestern aus- und einspaziere. Donisthorpe fand sie auch in Paarung vor dem Nesteingange. Ich habe im Frühhng nicht selten Lomechusa in der Umgebung der Nester gefunden, ge- legentlich sogar bei verlassenen Nestern (Kol. 36 [Bez. II], 19. V. 1896). Nach C. R. Sahlberg (Insecta fennica 1817) ist Lomechusa in Finn- land auch im Fluge gefangen worden. Flugversuche sind bei ihr aller- dings viel seltener als bei Atemeies emarginatus und paradoxus, die öfter umherfliegend gefangen wurden. Die Wanderungen von Lomechusa gehen auch hervor aus ihrem gelegentlichen Vorkommen bei Formica pratensis (Roger 1857) ^ und F. ruja (Fickler, Lookay, J. Sahl- berg, Wasmann Nr. 83 und 131 2), ja ausnahmsweise auch bei F. rufi- harhis (14. V. 1897 Exaten) in Kol. rfh^ (Bez. II) usw. Sie ergeben sich 1 Vgl. die Literatur bei Wasmann, Nr. 5, S. löff. Separ. und Nr. 38 (Kritisch. Verzeichnis), S. 61 ff. 2 S. auf der statistischen Karte die rot und blau angestrichene rufa-'K.o- lonie Ri nahe bei der sanguinea-Ko\. 3G im Bezirk II. 1897 wurden in Ri un- gefähr 5% Pseudogynen gefunden und juehrere Lomechusa. Neue Beiträge zur Biologie von Lomechusa und Atemeies. 289 ferner aus deu obeu (S. 266 ff.) mitgeteilten Iiifektionsversucheii mit Lomechusa und den Unterdrückungsversuchen der Lomechusa-Zucht in freier Natur. Desgleichen aus den obigen (S. 286ff.) Beobachtungen über vorübergehende Massenversamndung von Lomechusa in einer Zentralkolonie und aus der wechselnden Verteilung der Lomechusa und ihrer Larven in den umgebenden Kolonien. Noch auffallender werden uns die Wandermigen von Lomechusa begegnen in den weiter unten (im 7. Kap.) zu erwähnenden Tatsachen, die mit der Infektion neuer Kolonien durch umherstreifende Lomechusen zusammenhängen. Ohne die Wanderungen von Lomechusa wäre überhaupt die Ausdeh- nung der Infektion von den pseudogynenhaltigen Zentren aus über ein ganzes «««(/«mm-Gebiet uimiöglich (s. die allgemeinen Ergebnisse der Exatener Statistik, oben S. 260 ff.). Schließlich kommen auch noch die gelegenthchen Herbstwanderungen in Betracht (unten im 9. Kap.). Wir müssen somit nach meinen Beobachtungen in freier Natur eine dreifache Wanderung von Lomechusa unterscheiden. Erstens die >>Paarungswanderung<>Infektionswande - rung<< im Mai und Juni; an ihr nehmen hauptsächlich jene Lome- chusen teil, die in den Stammkolonien nach der anfänglichen Paa- rung nicht definitiv aufgenommen und dadurch zur Auswanderung gezwungen wurden (s. unten im 7. Kap.). Drittens die »Überwinte- rungswanderung« im Herbste, bei welcher gelegentlich zur Über- winterung andre Nester aufgesucht werden, als jene waren, in denen die Loinechusen erzogen wurden. Letztere Wanderung, welche unten ini 9. Kap. besprochen werden wird, ist jedoch von nur nebensäch- licher Bedeutung im Vergleich zu den beiden vorigen. Es sei ferner schon hier bemerkt, daß zwischen der Paarungswanderung und der Infektionswanderung keine scharfe Grenze besteht. Der größere Teil der Infektionen neuer Kolonien durch Lomechusa erfolgt nach meinen Exatener Beobachtungen noch vor Ende Mai, der kleinere Teil Ende Mai bis Mitte Jmii, der kleinste Teil endlich im Herbste; daher ist auch zwischen der Infelctionswanderung und der Über- wiiiterunjiswanderunff abermals keine scharfe Grenze zu zielien. Trotzdem glaube ich der Klarheit halber jene drei Wanderungs- perioden unterscheiden zu müssen, von denen die zweite nur der Infektion neuer Kolonien dient, die beiden andern primär andern Zwecken. 290 E. Wasmann, Anhang. Über Paarungsversanimlungcn von Atemeies. Da die Atemeies doppelwirtig sind und stets während der Paa- rungszeit im FrühUng — meist in der zweiten Hälfte des April — von ihren Winterwirten Myrmica >>rubra<< {scabrinodis, laevinodis, rugmodis usw.), wo man öfters mehrere Atefneles- Arten in einem Neste trifft, zu ihren Larvenwirten aus der Gattung Formica übergehen, die für jede Atemeles-Art (bzw. Atemeles-Hasse) verschieden sind, ist die >>Paa- rmigswanderung« von Atemeies eigentlich selbstverständlich. Manch- mal führt sie zu förmlichen >> Hochzeitsversammlungen <<, welche an die 63 Lomechusa in Kol. 240 von Exaten am 12. V. 1897 erinnern (s. oben S. 285). Auf dem Glacis von Luxemburg-Stadt wurden in einer sehr kleinen Kolonie von Myrmica scabrinodis Nyl. unter einem Steine am 12. IV. 1904 von mir 13 Stück Atemeies paradoxus beisammen gefunden und mitgenommen, von Herrn Viktor Ferrant an demselben Tage in demselben Nest, gleichfalls oben unter dem Steine, nochmals zehn Stück. In den übrigen Myrmica-^ e&tern der Nachbarschaft waren an diesem Tage keine At. paradoxus mehr zu sehen; sie hatten sich also in jener kleinen Kolonie, die ihnen als >> Zentralkolonie« für die Paarungsversammlung diente, zusammengefunden. Am 19. IV. waren sie auch hier verschwunden und bereits zu F. rufibarbis übergegangen. Eine noch auffallendere »Hochzeitsversammlung« von Atemeies paradoxus beobachtete Herr V. Ferrant am 3. V. 1904 bei dem Lu- xemburger Städtchen Remich; unter einem Steine, der ein rufibarbis- Nest bedeckte, fand er über 30 paradoxus beisammen, meist in Paa- rung. Beim Umwenden des Steines versuchten viele Käfer sofort, davonzufliegen, so daß nur 15 gefangen werden konnten. In den benachbarten rufibarbis-^estern war dagegen zur selben Zeit kein Atemeies zu sehen. Auch Atemeies emarginatus zieht sich zur Paarungszeit gerne in bestimmten 'Kolonien vorübergehend zusammen. ■ Auf dem Abhang von Schötter-Marial bei Luxemburg-Stadt traf ich am 2. IV. 1904 keinen einzigen At. em,arginatus mehr in den dortigen Kolonien von Myrmica laevinodis, wo sie vorher nicht selten gewesen waren. Dafür saßen 20 Stück beisammen ganz oben in einem Neste von M. scabri- nodis. Derselbe Stein bedeckte auch eine starke /wsca-Kolonie, so daß hier den Käfern der spätere Übergang zu ihren Larvenwirten sehr erleichtert war. Diese zu vorübergehenden Paarungsversammlungen dienenden Nfuo Beiträge zur Biologie von Loniechusa und Ateraeles, 291 »Zentralkolonion« der beiden genannten Memeren Atemeies- Arten dür- fen nicht verwechselt werden mit den von mir in Nr. 173, 8. 99 — 100 bereits erwähnten Zentralkolonien der größeren Atemeies (pubicollis, triincicoloides, pnttensoides). Tiiese Atemeies wählen nämlich zmn dau- ernden Aufenthalt, einschließlich der Brutpflege, gewöhnlich nur eine unter vielen Kolonien der betreffenden Wirtsameise in dem betreffenden Jahre. Natürlich trifft man sie dort dann auch zur Paarungszeit zahlreich an. Aber es handelt sich hier nicht mn vorüber- gehende Hochzeitsversammlungen, sondern um dauernde Besiede- lung der betreffenden Wirtskolonie durch die entsprechende Atemeles- Art für die ganze Aufenthaltszeit, wo die Atemeies in den Nestern ihrer Formica-Wivte wohnen und ihre Larven erziehen lassen. At. emarginatus und faradoxus hingegen zerstreuen sich gleich Lom^chusa stnimosa nach den Paarungsversammlungen wieder in andre Kolonien ihrer betreffenden Wirtsameise. 5. Die Zahlen der Lomechusalarven in den Sanguineakolonien in freier Natur. Successive Larvenserien in einer Kolonie. Hierzu Tafel X. Mit Ende Mai oder spätestens Anfang Juni ist die oberirdische Paarungszeit von Lomechusa zu Ende; hiermit endet auch die ober- irdische Aufenthaltszeit der alten Käfer in den Zomec/msa -züch- tenden Kolonien. Sobald die ersten Lomechusa-harven in denselben erscheinen, verschwinden hier die alten Käfer von der Bildfläche, d. h. aus den oberen Nestteilen, wo die Ameisen mit ihren Larven sich gewöhnlich versammeln; sie sind dann hier nur noch selten und vereinzelt zu treffen, auch wenn sie kurz vorher noch in Menge sichtbar waren. So hatte ich in Kol. 87a (Bez. III) 1896 am 27. V. zahlreiche Käfer — wenigstens 15 beisammen — oben miter den Nestschollen getroffen; von Anfang Juni an, wo in diesem Neste die Lomechusa' Larven erschienen, nur noch einmal (am 11. VI.) einen einzigen. Der späteste Fmid einer alten Lomechusa oben unter den Schollen war unter den pseudogynenhaltigen Kolonien am 17. Juni 1898 in Kol. 306 1 (Bez. VI). In den nicht Lomechusa züchtenden Kolonien kommen noch spätere Funde vor; siehe unter »Inf ektionswandermigen << (Kap. 7). Das nämliche, was für das Verschwinden der alten Käfer aus den oberen Nestteilen der Lomechusa-züchtcnden sanguinea-Kohnncn am 1 In dieser Kolonie habe ieh jedoch im Juni 1898 aktuell keine Lome- chusa-lATven gefunden; vielleicht erklärt sich hieraus der späte Fund einer ober- irdischen Lomechusa. 292 E. Wasmann, Beginne der Larvenperiode gesagt wurde, gilt auch für die Atemeies bei ihren Formica, z. B. für Atemeies emarginatus in jenen /wsca-Kolo- nien und für Atemeies paradoxus in jenen riifibarhis-Kolonien, welche die Larven dieser beiden Käfer erziehen. Bevor wir zu erforschen suchen, wo die alten Käfer bleiben, lasse ich hier einen Überblick über die Lomec/msa -Larvenfunde aus der Exatener Statistik folgen. Aus diesen Daten wird sich bereits die eine Hälfte der Ant- wort auf die Frage ergeben, wo die alten Käfer um diese Jahreszeit (Juni und Juli) verweilen. Bereits aus den allgemeinen Ergebnissen der Statistik (s. oben S. 260ff. u. 263ff.) ging klar hervor, daß die pseudogynenhaltigen Kolo- nien fast immer Lom,ecJmsa-Zi\cht treiben (aktuell damals über 40 unter 52 Kolonien), während es in nicht pseudogynenhaltigen, aber bereits Lomechusa-hahigen Kolonien nur selten zur Brutpflege des Käfers kommt (aktuell damals nur in 7 unter 79 Kolonien beobachtet). Demnach ist auch zu erwarten, daß in den pseudogynenhaltigen Kolo- nien meist auch größere Zahlen von iomec/msa-Larven sich finden werden als in den pseudogynenfreien.. Gewöhnlich ist die Zahl der in einer Kolonie in einem Jahre von mir beobachteten Lomechusa-La,vven nur eine geringe, unter einem Dutzend, oft sogar noch weniger. Einige höhere Zahlen lasse ich hier folgen. 5a. In pseudogynenhaltigen Kolonien. Kol. 3 (Bez. II). — 11. VI. 1895: ziemlich viele halberwachsene LU (vielleicht ein bis zwei Dutzend); sieben davon mitgenommen. 18. VI. 1895: mehrere erwachsene LI, darunter einige, die aus den Puppengehäusen wiederum herausgezogen worden waren; eine davon war sicher schon tot^, wurde aber immer noch umlicr- getragen, obwohl sie bereits geschrumpft und etwas bräunlich war. ^ LI = Lomechusa-Liiivvcn. " Diese Notiz erwähne ich deshalb, weil ich iu künstlichen Beobachtungs- nestern schon seit 1889 (Nr. 11, S. 95) oftmals konstatierte, daß in den nicht pseudogynenhaltigen Kolonien eben hierdurch die meisten Lomechusa-havYen zugrunde gehen (s. oben S. 281). In freier Natur habe ich nuf in Kol. 3 etwas derartiges beobachtet, in keiner andern pseudogynenhaltigen Kolonie. Kol. 3 hatte erst 1894 einige wenige Pseudogynen gehabt, 1895 sah ich im Frühling keine, anfang Juli waren wieder einige wenige (di-ei Stück) frischentwickelte Pseudogynen da. Die Kolonie stand somit damals erst am Anfang der Pseudo- gynenerziehung. Nene Beiträge zur Biologie von Loniechusa und Atemeies. 293 Kol. 4 (Bez. II). — 7. VI. 189G: 3 LI, eine noch klein, zwei halberwach- sene (6 — 7 mm); diese mitgenommen. 11, VI. 1896: in beiden Nestern dieser Kolonie erwachsene LI in Menge (je 20 — 30 Stück); 8 davon mitgenommen. Gleichzeitig noch eine alte Lonie- chusa in einem der Nester^; 10. VII. 1896: 1 LI, noch nicht er- wachsen. — 8. VI. 1897: mehrere halberwachsene LI. 22. VI. 1897: eine erwachsene LI. — In dieser Kolonie sind also 1896 und 1897 wenigstens zwei Serien LI nacheinander erzogen worden (s. Anm. 3). Kol. 156a (Bez. III). — 6. VI. 1898: LI in Menge, wenigstens 50—60 Stück, meist 5 — 8 mm lang, also halberwachsen, aber auch manche ganz kleine. Unter den sanguinea wenigstens 30% Pseudogynen. Über 30 LI mitgenommen. — 16. VI. 1898: wiedermn 25 — 30 Stück LI, ungefähr 10 mm lang, also noch nicht ganz erwachsen^. Diese Larven sind zu denjenigen vom 6. VI. zu addieren 3, also zusammen gegen 100, aus mindestens zwei successiven Serien. Kol. 180 (Bez. IV). — 27. V. 1896: 3 halberwachsene LI (etwa 6 mm). — 8. VE. 1896: wiederum eine Anzahl LI (4 davon mitgenommen), teils noch klein, teils halberwachsen. — 22. VI. 1896: wieder ein halbes Dutzend LI, teils noch klein, teils halberwachsen (also in dieser Kolonie drei successive Serien). Kol. 240 (Bez. III). — 16. VI. 1898: wenigstens 20 Stück LI, einige darunter 4 — 5 mm, die meisten 8 — 10 mm, andre schon erwach- sen (11—12 mm). — 22. VI. 1898: 8 Stück, darunter 6 von 10 mm und 2 von 5—6 mm. — 15. VI. 1900: 30—40 Stück, 7—11 mm lang, wahrscheinlich 8 — 12 Tage alt. (Gleichzeitig zwei alte Zomec/msa -Weibchen in demselben Neste, eines oben imter einer der Schollen 13. VI., das zweite aus der Tiefe des Nestes ausgegraben am 15. VI. (s. oben S. 278). Kol. 277 (Bez. V). (Etwa 30% Pseudogynen.) — 1. VI. 1898: Zwei alte Lomechusa in einem der beiden Nester unter den Schollen (also oben). Im andern Nest wenigstens 20 Stück LI, 1 Leider habe ich nicht notiert, ob dieselbe oberirdisch oder unterirdisch gefunden wurde, da ich damals die Bedeutung dieses Unistandes noch nicht kannte. Auch bei den folgenden Larvenfunden werde ich es stets angeben, wenn glcicii- zeitig noch alte Lomechusa im Neste angetroffen wurden. 2 Die erwachsene Larve ist 11 — 12 mm lang bei ausgestrecktem Körper. * Da nach meinen zahlreichen Beobachtungen in künstlichen Nestern die Lomechusa-harven in 10 bis höchstens 1-4 Tagen auswachsen von 1 — 1 1 mm, nuiß es sich hier bereits um eine zweite Larvenserie in demselben Neste gehan- delt haben. Vgl. auch die Angaben bei Kol. 180, 240, 277 und 274. 294 E. Wasmaiin, .die kleinsten 1 — 2 mm, die größten 4 — 5 mm; nur eine bereits 6 mm (also aus zwei Serien von Eiablagen in einem Intervall von etwa 5 Tagen stammend). — 2. VI. 1898: wiederum zahlreiche LI verschiedener Größe. — 18. VI. 1898: in einem der beiden Nester eine erwachsene LI, im andern eine große Anzahl junger, 1 — 3 mm langer, wenigstens 30 — 40 Stück (viele der letzteren wurden mit- genommen samt den Eierklimipen, auf denen sie klebten, um nach Lomechusa-Eiem zu suchen). — 27. VI. 1898: im einen der Nester eine 7 — 8 mm lange LI, sowie eine kleine, 3 mm lange, die noch auf Eierklmnpen klebte i (letztere mitgenommen). — ■ 8. VII. 1898: in einem Nest 8 erwachsene LI mid eine kleine, 3 mm lange. — 14. VII. 1898: die ersten fünf frischentwickelten Lomeckusa (an der helleren Färbmig kenntlich) miter den Schollen eines der Nester. Keine LI mehr. — In dieser Kolonie wurden also vom 1. VI. bis 8. VII. 1898 70 — 80 Xomec/msa -Larven aus nachweisbar fünf aufeinanderfolgenden Serien gefmiden. 5b. In pseudogynenfreien Kolonien. Kol. 274 (Bez. V). — Diese Kolonie steht unter den sieben noch pseu- dogynenfreien, aber bereits Lomechusa- züchtenden Kolonien durch die große Zahl der LI ganz einzig da. Im April 1898 waren wiederholt mehrere Lomechusa unter den Schollen gesehen worden, am 15. Mai 20 zugleich (P. H. Schmitz!). 1. VI. 1898: noch einige alte Lomechusa sichtbar unter den Schollen (ob unter denselben Schollen wie die LI, habe ich nicht notiert), ferner Eierklumpen mit 1 mm großen LI und Klumpen von 1,5 — 3 mm langen LI (zugleich mit jmigen Arbeiter- larven). — 18. VI. 1898: das Nest war unterdessen gestört worden. Unter den noch liegenden Schollen im ganzen nur 2 LI, beide erwachsen. — 27. VI. 1898: in dem neu angelegten Neste (3 m vom alten) 5 LI unter den Schollen, darunter 2 erwachsene (11 mm), 2 erst 7 — 9 mm, eine erst 4,5 mm. — 8. VII. 1898: 3 erwachsene LI. — 14. VII. 1898: 3 erst 4 mm lange LI; später keine mehr. — ■ In diesem Jahre waren also hier nur etwa 2 Dutzend LI beobachtet worden, von wenigstens vier aufeinanderfolgenden Se- rien. 1 Der spärliche Fund dieses Tages ist wohl daraus zu erklären, daß die Ameisen, durch die oftmalige Plünderung beunruhigt, die Larven und Eier- klumpen diesmal besser versteckt hatten. Die Untersuchung geschah niu: durch Aufheben der Nestschollen. Neue Beiträge zur Biologie von Lomecluisa uud Atemeles. 295 liRR): IJei ileiu Besuche des Exatener sanguinea-Gehictes Mitte Jiiiü (s. oben 8. 277) wurde Kol. 274 am 16. Juni wieder untersucht und zum großen Teile ausgegraben. Befmid: Über 100 LI verschiedener Größenstufen, meist 6 — 11 mm lang, nur ein altes Loniechusa -Weihcheii, in der Tiefe des Nestes. (Nach der Zahl der LI war wahrscheinlich noch ein zweites vorhanden, das nicht gefunden wurde.) Die Kolonie war immer noch stark (meh- rere Tausend sanguinea; rufibarhis als Sklaven). Außer den Arbeite- rinnen, die meist mittelgroß waren, wurden in dieser Kolonie immer noch einige Männchen erzogen (s. auch Kol. 240, oben S. 278). Unter den alten Arbeiterinnen waren noch keine Pseudogynen. Da die neue Arbeitergeneration erst im Juli und August erscheint, konnte ich leider nicht feststellen, ob nicht endlich in diesem Jahre nach der massenhaften Lomechusa-Zncht des Juni Pseudogynen auftreten würden. Jedenfalls hatte diese Kolonie wenigstens seit 1898 zahl- reiche LI aufgezogen, ohne daß es bisher zur Pseudogynenbildung kam. Wahrscheinüch war diese Kolonie eine noch relativ jmige, lebenskräftige Kolonie, die in dem Pseudogynenbezirk V erst vor wenigen Jahren neu gegründet worden war. Dafür spricht auch der Umstand, daß in dem einzigen (3 m breiten) Neste, das sie innehatte, keine einzige alte magere Königin beim Aufgraben gefunden wurde; es war also sicher keine alte Rekonzentrationskolonie (s. oben S. 275 bis 278). Ihre rasch steigende Lomechusa-Zucht ist wohl daraus zu erklären, daß sie nahe bei mehreren stark pseudogynenhaltigen Infek- tionszentren lag (Kol. 273j 277 usw.; s. die Karte, Bezirk V). Ge- flügelte Weibchen wurden schon 1898 in ihr nicht mehr erzogen. 5c. Um einen Vergleich zu ermöglichen zwischen der relativen Häufigkeit der Lomechusa-Zucht in den pseudogynenhaltigen und den pseudogynenfreien Kolonien, will ich hier die Tabelle der sämtlichen Larvenfunde von Juni und Juh 1898 wiedergeben, die ich damals zusammenstellte i. Die pseudogynenhaltigen Kolonien sind mit + gekennzeichnet. l.VI. -1- Kol. 277 {Bez. V): etwa 20 in Stadien von 1 — 5 mm (s. die vorige Tabelle unter Kol. 277). Kol. 274 (Bez. V): etwa 20 in Stadien von 1 — 3 mm (s. die vorige Tabelle bei Kol. 274). 1 Maifunde liabe ich aus diesem Jahre keine; die Larven periode begann 1898 allgemein etwas später als gewöhnlich wegen der kühlen Witterung. 296 E. Wasmann, 2. VI. + Kol. 277: Zahlreich, wie 1. VI. 3. VI. + Kol. 231 (Bez. IV): 1 (4 mm). 6. VI. + Kol. 305a (Bez. III): 1 (5 mm). + Kol. 156a (Bez. III): etwa 60 (4— 9 mm). + Kol. 1 (Bez. III): 4 (7— 8 mm). 7. VI. + Kol. 237 (Bez. II): 1 (5 mm). 9. VI. + Kol. 191a (Bez. IV): 2 (8 mm). + Kol. 305 (Bez. III): 2 (6— 8 mm). (Hierauf war ich 8 Tage verreist.) 16. VI. + Kol. 156a (Bez. III): etwa 30 (10 mm). + Kol. 240 (Bez. III): etwa 20 (meist 8 — 10 mm, einige 4 — 5 mm, einige 11 — 12 mm). 17. VI. + Kol. 95 (Bez. VII): 6 (7— 9 mm). 18. VI. + Kol. 273 (Bez. V): Über ein Dutzend (meist 9—10 mm, einige 11 — 12 mm). + Kol. 273a: 6 (8—10 mm). Kol. 274 (Bez. V): 2 (10 mm). + Kol. 277 (Bez. V): Nesta: 1 (11mm); Nestb: 30 bis 40 (1—3 mm). 22. VI. + Kol. 240 (Bez. III): 8 (6 von 10 mm, 2 von 5—6 mm). 24. VI. + Kol. 229 (Bez. IV): 1 (11mm). + Kol. 231 (Bez. IV): 6 (3 von 11 mm, 2 von 7 mm, 1 von 5 mm). + Kol. 191 (Bez. IV): 1 (11 mm). 27. VI. Kol. 274 (Bez. V): 5 (4,5—11 mm). + Kol. 277 (Bez. V): 2 (3 mm, 8 mm). 8. VII. + Kol. 277: 9 (8 von 11 mm, 1 von 3 mm). Kol. 274: 3 (11mm). 14. VII. + Kol. 277: (5 frischentwickelte Lomechiisa) keine LI mehr. • Kol. 274: 3 (4 mm). Sämtliche Kolonien, in denen im Juni und Juli 1898 Lomechusa- Larven gefunden wurden, waren also pseudogynenhaltige Kolo- nien, mit einziger Ausnahme von Kol. 274. Am zahlreichsten waren sie damals in den pseudogynenhaltigen Kolonien 156a (etwa 90) und 277 (etwa 80), dann folgte die pseudogynenfreie Kol. 274 (über 30), dann die pseudogynenhaltige Kol. 240 (etwa 30), dann die übrigen pseudogynenhaltigen Kolonien. Es sei noch bemerkt, daß in den andren Jahren der Statistik das Neue Beiträge zur Biologie von Loinrchusa und Atemelee. 297 Verhältnis der Larvenzahlen von Lomechusa in den pseudogynenhal- tigen und den pseudogynenfreien Kolonien ein für letztere weit un- günstigeres war, indem in den übrigen sechs noch pseudogynenfreien, aber bereits Lomechusa -züchtenden Kolonien als Höchstzahl nur ein halbes Dutzend LI gefimden wurden, nänihch in Kol. 119 (Bez. IV) 6. VIL 1897, in welcher am 26. IV. 1897 unter fünf Lomechusa ein Pärchen in Copula gesehen worden war. In den übrigen fünf Kolo- nien (Kol. 17 [Bez. IIJ, 34 [Bez. II], G6— 67 [Bez. III], 257 [Bez. VI], 293 [Bez. V]) wurden überhaupt nur vereinzelte LI angetroffen. Es ist jedoch keineswegs ausgeschlossen, daß in einigen derselben mehr LI erzogen wurden, die nur der Beobachtung entgingen; nament- lich gilt dies für Kol. 34, in welcher 1895 — 1896 wiederholt im März und April Lomechusa gefunden worden waren, einigemal sogar meh- rere zugleich (3 bzw. 5), am 12. VI. 1895 eine LI, und in welcher am 10. \T[. 1896 die letzte der überhaupt beobachteten oberirdischen Paarungen (ein Pärchen unter den Nestschollen) gesehen wurde i. Ja, es ist auch wahrscheinlich, daß in einigen der 72 Kolonien, in denen zwar gelegentlich Lomechusa, aber keine Larven derselben tatsächlich gefunden wurden, trotzdem LI zur Entwicklung kamen; so z. B. in Kol. 53 (Bez. III), in welcher am 20. V. 1895 zehn Lomechusa bei- sanunen getroffen wurden (s. oben S. 285) und auch im April und Mai 1896 wiederum mehrere alte Lomechusa vorhanden waren. Trotz- dem erlauben diese negativen Befunde den allgemeinen Schluß, daß es in den noch pseudogynenfreien Kolonien nur relativ selten zur Larvenerziehung von Lomechusa kommt, auch wenn die Kolonien im Frühhng alte Lomechusa enthalten hatten. Dies stimmt auch überein mit den negativen Resultaten der künstlichen Infektion von sanguinea- Kolonien in freier Natur (s. oben S. 266 ff.). 6. Schlußfolgerungen aus den Larvenfunden. Zahl der Elternpärehen derselben. Die Schlußfolgerungen aus den vorhergehenden statistischen Be- funden sind teils unmittelbare, teils mittelbare. a) Die Larvenperiode von Lom£chusa dauert in den sanguinea- Kolonien von der zweiten Hälfte des Mai bis in die erste Hälfte des Juli. Es ist also dieselbe Zeit, in der sonst bei sanguinea die Larven der Fortpflanzmigsgeschlechter erzogen werden, an deren Stelle die ^ Ob dieses Pärchen ein einheimisches war, bleibt jedoch auch abgesehen von den Infektionswanderungen zweifelhaft, weil ich am 9. IV. 1896 aus einer fremden Kolonie (156 — 157) vier Lomechvsa hineingesetzt hatte. Zeitechrirt £. wissensch. Zoologie. CXIV. Bd. 20 298 E. Wasmann, LomeeJmsa-l^Yziehving tritt. Der eigentliche Larvenmonat ist der Juni, wo man die Larven am öftesten und am zahlreichsten findet. Der früheste Larvenfund ist vom 20. Mai 1895 (in der pseudogynenhaltigen Kol. 56 [Bez. II]: eine halberwachsene Larve); hier begann also da- mals die Lomechusa-Zucht schon Mitte Mai; der späteste Larvenfund in derselben Kolonie in jenem Jahre ist vom 5. Juli (eine halberwach- sene Larve, die zum vollendeten Wachstum noch etwa 6 Tage brauchte) ; hier erstreckte sich also damals die Lomechusa-Zucht auf einen Zeit- raum von 2 Monaten (Mitte Mai bis Mitte Juli). Gewöhnlich fallen jedoch die frühesten Larvenfunde in die letzten Tage des Mai und die spätesten in die ersten Tage des Juli, so daß die Larvenperiode in einer Kolonie meist etwas über einen Monat währt. Ein Beispiel einer etwa 5-wöchentlichen Larvenperiode bietet Kol. 277 (Bez. V) im Jahre 1898: 1. VI. bis 8. VII. (s. oben S. 293); ein Beispiel einer etwa 6-wöchentlichen Larvenperiode bietet Kol. 274 (Bez. V) in demselben Jahre: 1. VI. bis 14. VII. (s. oben S. 294). b) Die Wachstumsdauer der einzelnen Lomechusa-Lsuven (von 1 — 11 mm) ist nach meinen zahlreichen Beobachtungen in künst- lichen Nestern 10 — 14 Tage, etwas kürzer oder länger je nach der Güte ihrer Pflege durch die Ameisen und je nach den Temperatur- verhältnissen. In freier Natur siiid diese Faktoren selbstverständlich auch maßgebend. Namentlich die Witterungsverhältnisse des Mai mid Juni sind von Einfluß auf das frühere (z. B. 1895 und 1896) oder spätere (z. B. 1898) Erscheinen der ersten Larven und auf die etwas langsamere oder raschere Entwicklung derselben; aber auch die Pflege- verhältnisse in der betreffenden Kolonie sind von Bedeutung; beson- ders günstig waren sie z. B. in den Kolonien 277 und 274 im Jahre 1898 (s. die Tabelle oben S. 293ff.). c) Aus dem Verhältnis der Wachstums da u er der einzelnen Larve zur Länge der Larvenperiode in einer Kolonie ergibt sich von selber die Aufeinanderfolge verschiedener Larvenserien in jener Kolonie. d) Tatsächlich folgten in jenen Kolonien, welche zahlreiche Lome- cÄwsa-Larven erzogen, auch stets mehrere Larvenserien nach- einander. Siehe in den obigen Tabellen (S. 293 ff.) besonders Kol. 156a, 180, 240, 274, 277. Die Zahl der aufeinanderfolgenden Larvenserien in einer Kolonie kann mindestens vier (Kol. 274) oder sogar fünf be- tragen (Kol. 277). Obwohl 1898 in letzterer Kolonie die Larvenperiode etwas früher schloß als in ersterer, so war doch in der pseudogynen- haltio;en Kol. 277 die Zahl der Serien um eine höher ah in der Neue Beiträge zm- Biologie von IjOineoluisa und Ateinele.s. 299 pseudojiynenfroien Kol. 274. Transgredierende Serien von Larven verschiedenen Alters beisammen sind eine häufige Erscheinung (s. besonders Kol. 240, 274, 277), wenn mehrere Serien aufeinanderfolgen; das Auftreten neuer junger Larven zeigt sich also in verschiedenen Intervallen, die nicht der Entwicklungsdauer einer Larve entsprechen, sondern bald kürzer, bald länger sind als letztere. e) Die successiven Larvenserien in einer Kolonie entsprechen offen- bar den successiven Serien der Brutablagen^ der alten Lome- cÄ ««/-Weibchen in der betreffenden Kolonie. Es findet also eine wiederholte Brutablage dieser Käfer in einer Kolonie häufig statt. Da die jüngsten, kaum 1 mm langen, noch völlig unbeweglichen Larven von LomecJiusa bei den Funden in freier Natur (s. Kol. 277 und 274, ebenso auch in allen übrigen Fällen) stets auf den Eierklum- pen der Ameisen klebend getroffen wurden^, so erfolgt die Brutablage von Lomechusa entweder direkt auf die Eierklumpen der Ameisen, oder die Loniechusa-^vwt wird bei der Geburt von den Arbeiterinnen in Empfang genommen (wäe bei der Brutablage der Königin) und auf die Ameiseneier (bzw. auf die Klümpchen von Eiern und jungen Larven) geklebt. f ) Da niemals in freier Natur Eier von Lomechusa gefunden werden, die von den Ameiseneiern sich unterscheiden ließen (s. hierüber unter B, Kap. 2); da ferner sämtliche vermeintlichen Lomechusa -^ier, die in Beobachtungsnestern erschienen, nicht als solche, sondern als Ameiseneier sich erwiesen (s. unter B, Kap. 4, b); da endlich bei mehreren Zuchten in künstlichen Nestern die jungen Lomechusa- Larven unmittelbar, ohne vorherigen freien Eistand, auftraten^ (s. unter B, Kap. 4, a): so müssen die Eltern der successiven Larvenserien von Lomechusa noch während der Larvenperiode in den Nestern sein und während derselben sich noch öfters paaren. g) TatsächUch wurden alte Lomechusa, aber stets nur in geringer Zahl, in den LowiecÄ us«-züohtenden Kolonien vom Beginn der Larven- 1 Weshalb ich hier »Brutablagen«, nicht »Eiablagen« sage, wird weiter unten klar werden (unter B, Kap. 2, 4 und 6). 2 In einem meiner künstlichen Beobachtungsnester von sanguinea wurden 1896 etwa 150 Lomechusa-harvvn aufgezogen. Nachdem die ersten Serien der- selben alle Ameiseneier im Neste aufgefressen hatten, erschienen immer noch Klümpchen junger Lo m e c h u s a-Larven, die von den Ameisen umher- getragen wurden. (Näheres darüber später unter B, Kap. 4, a.) S. auch Nr. 70, S. 277. Oben sprach ich nur von den Funden in freier Natur. 20* 300 E. Wasmann, periode Ende Mai bis Mitte Juni noch gefunden. Am Beginn der Lar- venperiode waren sie manchmal noch in den oberen Nestteilen zu treffen, später gewöhnlich nur noch in den tiefsten Brutkammern (s. oben S. 293 ff. Kol. 4, 240, 277, 274). Daß sie auch hier noch ihre Paarungen ^wiederholen, geht aus meinen Beobachtimgen in künst- lichen Nestern hervor, wo von einzelnen, durch die Ameisen besonders gut gepflegten Pärchen die Copula bis Ende Juni in Intervallen von 4 — 6 Tagen fortgesetzt wurde (s. schon Nr. 5, S. 61 Sep. und in späteren Arbeiten). Die letzten, ungewöhnlich späten oberirdischen Paarungen habe ich in freier Natur unter den Nestschollen der pseudogynenhaltigen Kol. 240 (Bez. III) am 6: VI. 1898 und unter den Nestschollen der pseudogynenfreien Kol. 34 (Bez. II) am 10. VI. 1896 beobachtet, in beiden Fällen nur ein Pärchen. Lomechusa -haiyen wurden in Kol. 240 erst am 16. VI. 1898 gefunden, etwa 20 Stück, die meisten schon fast erwachsen (s. oben S.. 293 unter Kol. 240). In Kol. 34 wur- den LI überhaupt nicht gefunden. Mit dem Erscheinen der ersten Larven beginnt dann die unter- irdische Aufenthaltszeit der Elternpärchen in den Lomechusa-züch- tenden Kolonien. Bei den Ausgrabungen der Nester von Kol. 240 und 274 wurden Mitte Juni 1900 nur noch eine bzw. zwei alte Lome- chusa -Weih che 11 gefunden, keine Männchen mehr. Die unterirdi- schen Paarungen hatten also hier um diese Zeit schon aufgehört mid die Männchen waren wahrscheinlich gestorben. h) Da die Zahl der Eier in den reifen Ovarien eines Lomechusa- Weibchens etwa 80 beträgt (s. die Untersuchungen unter B, Kap. 1), genügt die Annahme eines Elternpärchens für weitaus die meisten Lomechusa-Lawenbeinnde in freier Natur; für die höchsten beob- achteten Zahlen (Kol. 156a, 277, 274) genügt die Annahme zweier Pärchen, bzw. zweier befruchteter Weibchen. i) Durch diese Befunde in freier Natur wird somit die von mir auf Grmid von Beobachtungen in künstlichen Nestern ausgesprochene Ansicht, daß bestimmte, und zwar nur wenige Lomechusa-T äi - eben von den Wirtsameisen zur Fortpflanzung »ausgelesen« werden, Zweifellos bestätigt. k) Trotz der Succession mehrerer Larvenserien in einem Neste Während l^/z — 2 Monaten ist trotzdem nur eine Generation von Lomechusa strumosa in jedem Jahre anzunehmen, nicht deren mehrere. Die Belege hierfür werden bei den Befunden über die frischentwickelten Lomechusen sich ergeben (Kap. 8, S. 307). Neue Beiträge zur Biologie von Loincchusa und Atenieles. 301 Parallele mit Atemeies. Auch bei sämtlichen einheimischen Atemeies habe ich beobachtet, daß mit dem Auftreten der Larven in einem Neste (in freier Natur) die alten Käfer aus den oberen Nestteilen verschwinden. Bei den kleineren Atemeies {emarginatus und pnradoxus) bleiben dann — wie bei Lomechusa — nur ein oder höchstens zwei Elternpärchen im Neste j zurück, die unterirdisch ihre Paarung und Brutablage noch mehrere ' Wochen lang fortsetzen. Bei den größeren Atemeies {puhicoIUs, trun- cicoloides, pratensoides), welche gewöhnlich in einer Gegend in einem I Jahre nur eine Zentralkolonie ihres Larvenwirtes bewohnen (s. oben S. 291), ist eine größere Zahl von Elternpärchen eher anzunehmen. Was die Dauer der Larvenperiode betrifft, beträgt dieselbe für At. paradoxus und emarginatus häufig 21/2 Monate, seltener 3 Monate (Anfang Mai bis Mitte Juli oder Mitte Mai bis Mitte August) 1 mit einer Succession mehrerer Larvenserien in einem Neste. Die Entwicklung verläuft ein wenig langsamer als bei Lomechusa. Für die größeren Atem^les scheint die Larvenperiode manchmal ebenfalls über 2 Mo- nate zu dauern. Larven von puhicollis fand ich noch Ende Juli und Anfang August (Holländisch-Limburg und Vorarlberg), Larven von truncicoloides (bei Lippspringe in Westfalen 1909) von Mitte Juli bis Mitte August in Menge, wobei der Beginn der Larvenperiode in dem betreffenden Neste spätestens schon auf Ende Mai oder Anfang Juni anzusetzen war (s. auch unten S. 309 und C, Kap. 7). 7. Infektionswanderungen von Lomechusa. Da von Ende Mai oder Anfang Juni an in den pseudogynenhal- tigen und überhaupt in den Lomechusa- züchtenden Kolonien die alten Käfer nur noch in geringer Zahl getroffen werden, ergibt sich von selber die Frage: wo bleiben die übrigen? Hierüber geben die Lomech>(S((-Fnnde in den noch pseudogynenfreien Kolonien einigen Aufschluß. In weitaus den meisten dieser Kolonien — in 72 unter 79 — wurden überhaupt nur Lomechusa gefunden, und zwar in der großen Mehrzahl der Fälle (in etwa 70% der Funde) nur vereinzelte Exemplare; bloß in sieben jener Kolonien wurden auch bereits Lomechusa -Lawen an- getroffen (s. oben 8. 264, 292, 297). Von einer der letzteren Kolonien 1 Der späteste Larvenfund von At. paradoxus i-st vom 11. August 1900 auf dem Glacis von Luxemburg: in einer rufibarbi^-Kolonie noch vier erwach- sene und eine halberwachsene Larve, 302 E. Wasmann, (Kol. 274 [Bez. V]), die bereits bei ihrer Entdeckung auf dem Höhe- punkt der Lomechusa-Zucht stand und bezüglich der Frühjahrszahlen der Käfer wie bezüglich der Larvenzahlen einer stark infizierten pseu- dogynenhaltigen Kolonie entsprach (s. oben S. 294), müssen wir hier offenbar absehen. Unter den übrigen sechs waren zwei Kolonien (Kol. 119 [Bez. IV] und 34 1 [Bez. II]), deren Befunde dafür sprechen, daß sie ebenfalls schon seit mehreren Jahren, wenngleich in gerin- gerem Grade, infiziert waren. In einer Kolonie (Kol. 66 — 67 [Bez. III]) wurden 1896 mehrmals die Käfer gefunden, aber erst 1897 zweimal eine Larve. Bei den drei übrigen (Kol. 17 [Bez. II], 257 [Bez. VI] und 293 [Bez. V]) schien es sich um Kolonien zu handeln, die erst in dem betreffenden Jahre infiziert worden waren. Es ist übrigens selbstverständlich, daß sanguinea-Kolomen, die in Pseudogynenbezir- ken liegen, mehrere Jahre nacheinander stets wieder neu infiziert werden können, wenn es bei den ersten Infektionen noch nicht bis zur Larvenerziehung der Käfer in den betreffenden Nestern gekommen ist. Für die Frage der Infektionswanderungen kommen somit hauptsächlich die Lomechusn-Ynnde in jenen Kolonien in Betracht, in denen zwar bereits die Käfer (L), aber noch keine Larven (LI) odei' erst ganz vereinzelte LI angetroffen wurden. In vielen Fällen ließ sich auch mit großer Wahrscheinlichkeit feststellen, von welchen pseu- dogynenhaltigen Nachbarkolonien aus die Infektion stattgefunden hatte ; so z. B. im Bezirk III für Kol. 66 — 67 von Kol. 86 oder 240 aus; im Bezirk IV für Kol. 181, 183 und 222 von Kol. 180 und 182 aus; im Bezirk V für Kol. 281 und 293 von Kol. 273 und 277 aus, usw. Bezüglich der Jahreszeit fallen die meisten Lomechusa-F iinde in den ebenerwähnten 72 bzw. 76 Kolonien in die Zeit von Ende April bis zur letzten Woche des Mai, nämlich 58 (rund 60) Funde. 30 Funde dagegen fallen in die Zeit von den letzten Tagen des Mai bis Mitte Juni, einer Mitte Juli und einer Mitte September. Hieraus folgt, daß auf die »Ilifektionswanderung<< im engeren Sinne nur 1/3 sämt- licher Infektionen entfällt, beinahe 2/3 dagegen bereits auf die »Paa- rungswanderung«. Immerhin ist die Tatsache, daß 1/3 sämtlicher Lomechusa-¥ unde in den erwähnten Kolonien auf jene Jahreszeit trifft, wo in den Lomec/iMs«-züchtenden Kolonien gewöhnlich keine Käfer mehr oben im Neste uns begegnen, bedeutungsvoll genug. Sie zeigt uns den Weg, den die >> abgetriebenen« Lomechusa nehmen, die 1 In Kol. 34 wurde 1896 schon am 17. März eine Lomechusa unter den Schollen gefunden. Hier hatten also die Käfer bereits überwintert. Nene Beiträge zur Biologie von Loinechusa und Atcnieles. 303 in tliMi j).seu(Jogyjieijhultigoii Staniinkolonieii nicht zur definitiven Aufnahme und zur Brutpflege gelangen. Ebenso bedeutungsvoll ist auch der Umstand, daß die -j ^ der übrigen LomecÄwsa-Funde (fast 60) in den nicht Lonw.clium-vXnAxV^wiX^w Kolonien, welche vor der Periode der eigentlichen »Infektioius\vaiiderung<< liegen, nicht etwa auf den Zeitraum von Ende März bis Ende Mai sich verteilen, wie es in den pseudogynenhaltigen Kolonien der Fall ist, sondern mit nur zwei Ausnahmen erst Ende April beginnen und bis Ende Mai sich mehren. Hierdurch wird offenbar angedeutet, daß auch in diesen Fällen die Infektion durch Wanderungen von Lomechusa erfolgte, die in den ])seudogynenhaltigen Kolonien sich schon gepaart hatten. Die eigentliche »Infektionswanderung <<, welche auf die oberirdische Paarungsperiode in den pseudogynenhaltigen Kolonien folgt, ist somit nur eine Fortsetzung des bereits während jener Paarmigsperiode begonnenen Prozesses der »Abspaltung« von Lomechusen aus den pseudogynenhaltigen Stammkolonien. Die zwei Ausnahmefälle, in denen Lomechusa in nicht Lomechusa- züchtenden Kolonien vor dem Beginn der Paarungswanderung ge- funden wurden, beziehen sich auf Kol. 109 im Süden des Bezirks II (21. III. 1898: 1 L) und Kol. 343 im Bezirk VIII (2. IV. 1898: 4 L). In diesen beiden Kolonien hatten die Käfer augenscheinlich bereits überwintert und waren wahrscheinlich auf einer Herbstwanderung des vorigen Jahres in dieselben gelangt. Daß die Käfer auf ihrer Infektionswanderung Ende Mai bis Mitte Juni häufig auch in solche sanguinea-Kolonien geraten, die gerade eifrig mit der Erziehung geflügelter Geschlechter beschäftigt sind und daher für die Brutpflege von Lomechusa kein Entgegenkommen zeigen, ist selbstverständlich. Besonders charakteristisch hierfür sind die Funde vereinzelter Lomechusen mitten unter den Haufen großer Kokons (von ? oder cJ); z.B. in Kol. 110 (im Süden von Bez. II): 30. V. 1896; in Kol. 213 (Bez. IV): 29. V. 1896; in Kol. 234 (Bez. IV): 9. VI. 1898. Daher konnnt es in sehr vielen Fällen nicht zur erfolg- reichen Infektion der neuen Kolonie, selbst wenn der Besucher ein befruchtetes Weibchen war. Dies ergibt sich übrigens bereits aus der allgemeinen Übersicht der statistischen Resultate, wonach unter 79 noch pseudogynenfreien, aber schon Lomechusa-ha\t\gen Kolonien nur sieben waren, in denen Larven von Lomechusa gefunden wurden. Wenn wir auch annehmen dürfen, daß in manchen andern jener Ko- lonien die LI in geringer Zahl zwar vorhanden waren, a])er nicht be- obachtet wurden (s. oben S. 297), so dürfte doch nur migefähr in ein 304 E. Wasmann, Zehntel sämtlicher noch intakten Kolonien, die während der Paa- rungs- und Infektionswanderung eines Jahres i durch Lomechusa neu besucht werden, eine erfolgreiche Infektion stattfinden. Diese Berechnung dürfte mit den allgemeinen Ergebnissen meiner Bxatener Statistik über die tatsächliche Ausbreitung der Lomechusa-lniektion in jenem sanguinea-Gehiete annähernd übereinstimmen. Von besonderem Interesse ist ein Fund vom 10. VI. 1897 in Kol. 293 (Bez. V). Hier wurde oben im Neste ein altes, verstümmeltes Lomechusa-W eihchen, das nur noch einen Fühler besaß und beim vorsichtigen Aufnehmen mit den Fingern ungewöhnlich heftig bom- bardierte^, zugleich mit einer 7 mm langen Lomechusa-hsiTye und einer Anzahl großer Kokons und Arbeiterkokons gefunden. Ob die großen Kokons Männchen oder Weibchen von sanguinea enthielten, habe ich leider nicht untersucht. Aber aus dem Zustande der alten Lomechusa ging hervor, daß sie hier keine Persona grata mehr war, obwohl es zur Aufzucht einer Larve gekommen war. Daß die Lomechusa bei ihrer Infektions Wanderung vielfach nicht zur normalen Fortpflanzung in den von ihnen besuchten, noch nor- malen Kolonien gelangen, geht auch aus dem Umstände hervor, daß man die alten Lomechusa hier gelegentlich noch viel später oben im Neste findet, als es in den pseudogynenhaltigen bzw. den Lomechusa- züchtenden Kolonien der Fall ist. Während in letzteren der Fund einer alten Lomechusa unter den Nestschollen Mitte Juni eine äußerst seltene Ausnahme ist (s. im 5. Kapitel S. 291 ff.), wurden in den nicht Lomechusa-züchtenden und pseudogynenfreien Kolonien noch weiter- hin wiederholt alte Lomechusa oben im Neste gefunden: Kol. 265 (links oben auf der Karte): 15. VI. 1897: 1 L; Kol. 338 (Bez. VIII): 19. VI. 1898: 1 L; Kol. 371 (Bez. VIII): 20. VI. 1898: 1 L<^^; Kol. 281 (Bez. V): 14. VII. 1898: 1 L, und zwar bei frischentwickelten geflügel- ten Weibchen von sanguineal Letztere muß eine alte^ nicht zur Fort- pflanzung gelangte Lomechusa gewesen sein, da die frischentwickelten Lomechusa durch ihre hellere Färbung um diese Jahreszeit noch leicht kenntlich sind, während dieses Individuum ganz dunkel gefärbt war. Der Herbstfmid in Kol. 324a (Bez. VIII) (5. IX. 1898: 1 L oben unter den Schollen) bezieht sich höchstwahrscheinlich auf einen kürz- lich herzugewanderten Käfer und schließt sich somit an die unter 1 Die Befunde der Statistik beziehen sich auf fünf Jahre. 2 Es ist das im I. Teil der Arbeit S. 242, Anm. 4 erwähnte Individuum. 3 Die andern hier erwähnten Exemplare waren Weibchen, da ich es aus- drücklich in meinen Notizen bemerkt hätte, wenn es Männchen gewesen wären. Neue Beiträge zur Biologie von Loraechusa und Atenieles. 305 jenen 70 Kolonien äußerst seltenen Vorfrühlingsfunde in Kol. 109 und 343 an (s. oben S. 303). Parallele mit Atemeies. Für die Infektionswanderungen der Atemeies- Arten besteht inso- fern ein bedeutsamer Unterschied, als bei ihnen die Infektion neuer jFormjcrt-Kolonien (Larvenwirtskolonien) in der Zeit der Paarungs- wanderung Anfang bis Ende April und im Anschluß an dieselbe im Mai erfolgt, und zwar teils direkt von den Kolonien ihrer Winterwirte [Mijrmicü) ausgehend, teils von solchen Kolonien ihrer Larven wirte (Sommerwirte, Formica) aus, wo ein Teil der Käfer keine definitive Aufnahme zur Brutpflege erlangt hatte (s. oben S. 290 und 301). Die Sommer- und Herbstwanderungen der frischentwickelten Käfer da- gegen beziehen sich nur noch auf das Aufsuchen von Myrmica-J^olo- t nien, nicht mehr auf dasjenige von i^ormica -Kolonien. Bei Lomechusa \j aber dienen auch die Herbstwanderungen zur Infektion neuer Kolo- \\ nien ihrer einzigen normalen Wirtsart (F. sanguinea). Siehe hier- über weiteres im 8. und 9. Kapitel. 8. Sommerfunde frisch entwickelter Lomechusen. Nur eine Generation in einem Jahre. 8a. Sommerfunde frisch entwickelter Lomechusen. Da während der 1 1/2-monatlichen, Ende Mai oder Anfang Juni beginnenden und Mitte Juli schheßenden Larvenperiode in einer stark LomecIiusa-yÄichtenden Kolonie mehrere (bis fünf) Larvenserien auf- einanderfolgen (s. oben S. 291 ff. mid 298ff.); da ferner die Wachs- tumsdauer der einzelnen Larve 10 — 14 Tage beträgt, bis sie von den Ameisen zur Verpuppung mit einem Erdgehäuse umgeben wird oder sich selber in die Erde eingräbt (näheres hierüber folgt später unter B und C) ; da endlich nach meinen • Zuchtversuchen in künstlichen Formicarien der Aufenthalt in der Puppenwiege für die Larve, die Puppe und den frischentwickelten Käfer zusammen durchschnittlich 4 Wochen dauert (näheres unter B und C): so dürfen wir in den Lo- mechusd -züchtenden sanguinea-Ko\on\cn in freier Natur das Auftreten der frischentwickelten Käfer, welche die Puppenwiege verlassen haben, von ungefähr Mitte Juli bis gegen Ende August erwarten. Dies ist auch tatsächhch die Zeit meiner Funde der frischent- wickelten Käfer in der Exatener Statistik. Die jungen Lomechusen sind durch ihre hellere, blutrote Färbung und den stärkeren (Jlanz noch mehrere Wochen lang von den alten, braunroten, mattglänzendeu 306 E. Wasmann, Individuen leicht zu unterscheiden. Erst gegen Ende September haben die meisten Käfer die dunklere Färbung der Früh Jahrsexemplare er- langt, sind aber etwas glänzender als diese. Die folgenden Funde beziehen sich sämtlich auf pseudogynen- haltige Kolonien, da ich aus pseudogynenfreien von Exaten keine habe^. Ich lasse die Funde nach den Kolonienummern folgen. Kol. 2a ( = Kol. 2 und 2b) (Bez. II). — 29. VIII. 1897: eine Lome- chusa vor dem Neste sitzend) 2. Kol. 3a ( = Kol. 4) (Bez. II). — 4. VIII. 1895: drei frischentwickelte Lomechusa oben (d. h. unter einer Scholle des Nestes). Kol. 23 (Bez. VIII). — 28. VIII. 1897: ungefähr ein Dutzend aus- gegraben aus der Tiefe des Nestes (s. oben S. 271). Kol. 36 (Bez. IT). — 22. VII. 1895: 1, oben. Kol. 57 (Bez. II). — 8. VIII. 1895: 1, oben. Kol. 87 (Bez. III). — 10. VII. 1897: 1, oben^. Kol. 156 (Bez. III). — 18. VIII. 1896: 1, oben. 18. VIII. 1897: ungefähr ein Dutzend, ausgegraben. Kol. 169a (Bez. III). — 18. VIII. 1896: 10, oben. Kol. 240 (Bez. III). — 18. VIII. 1896: 1, oben. Kok 277 (Bez. V). — 14. VII. 1898: 5, oben. 12. VIII. 1899: 5, ausgegraben. Kol. 305 (Bez. III). — 25. VIII. 1897: 1, oben. Kol. 500*. — 12. VIII. 1899: 5, ausgegraben. 1 Kol. 274 (Bezirk V), wo 1898 zahlreiche LI erzogen worden waren (s. oben S. 294), würde beim Ausgraben der Kolonie Ende August sicherlich auch frischentwickelte Käfer ergeben haben. — Bei Hohscheid im Luxemburger Ös- ling (486 m Meereshöhe) fand ich am 26. und 28. August 1909 in zwei pseudo- gynenfreien Kolonien einige Lomechusa. Da in den benachbarten pseudogynen- haltigen Kolonien zu derselben Zeit keine Lomechusen getroffen wurden — wenigstens oben im Neste — , werde ich auf diese Funde bei den Herbstwan- derungen zurückkommen. 2 Dieser Fund gehört eigentlich unter die Herbstfunde (s. Kap. 9). 3 Am 18. VIII. 1897 wurde das seit einer Woche verlassene Nest der Kol. 87 ausgegraben, in welchem im Juni LI gefunden worden waren und am 10. Juh eine frischentwickelte Lomechusa. Obwohl das Nest bis auf die tiefsten Gänge untersucht wurde, fanden sich keine Lomechusa in demselben. Ich fügte da- mals diesem Befunde die Notiz bei: »Die Lomechusa bleiben also nicht in den verlassenen Nestern zurück, sondern gehen mit den Ameisen« (VI. Notizbuch, S. 62). * Südlich von Bezirk V, bereits außerhalb des 4 qkm-Gebietes, daher auf der Karte separat eingetragen, rechts unten in der Ecke. Neue Beiträge zur Biologie von Loiiiechusa und Atemeies. 307 Diese Funde begiunen also mit dem il». Juli (Kol, b7) und enden mit dem 28. August (Kol. 23). Aus diesen Funden ergibt sich ferner, daß die frischentvvickelten Käfer sich oben im Neste meist nur in gerinjier Zahl zeigten. Es waren dies kühlere Tage, während sie bei heißem Huiidstagswetter nie oben, sondern nur in der Tiefe saßen (.>im Bierkeller<<, wie einer meiner Begleiter sich damals scherzhaft ausdrückte). Die lick-hste, oben unter den Schollen des Nestes gefundene Zahl war 10 (Kol. iG9a). Ausgrabungen ergaben mehrmals höhere Zahlen (Kol. 23 und 156), aber tatsächlich nicht erheblich über ein Dutzend in einem Neste. In Kol. lG9a, wo zehn oben waren, würden vielleicht bei der Ausgrabung mehrere Dutzend gefunden worden sein. Aber auch diese Zahl würde noch leicht erklärlich gewesen sein durch die Abstammung von einem Pärchen. Sommerzahlen frischentwik- kelter Lomechusen, die nur durch die Abstammung von mehreren Pärchen sich erklären lassen (Jordan), kennt man überhaupt nicht. 8b. Nur eine Generation von Lomechusa in einem Jahre. In einem s<(nguinea-]^este bei Exaten hatte ich 1889, am IG. und 21. Mai eine Anzahl Lomechusa (sechs Stück) gefangen; dann am 12. Juni ungefähr 20 fast erwachsene Larven, endlich am 11. Juli bereits elf frischentwickelte Lomechusa zugleich mit einer jungen, erst 4 mm langen Larve (s. Nr. 11, S. 94). Ich hatte damals auf diese Funde die Vermutung gegründet: »Letztere (die junge Lomechusa-haTve) halte ich für einen Nachkommen der neuen Imagines, da alte schon seit j\Iitte Jimi nicht mehr zu finden waren. Somit scheinen mitcr günstigen Verhältnissen zwei Generationen von L. strumosa in einem Jahre vor- konmien zu kiuinen.« Auch in den folgenden Jahren war ich noch ge- neigt, zwei Generationen von Lomechusa — wenigstens manchmal — an- zunehmen ; von der zweiten Generation vernuitete ich, daß sie bei F. rufa bzw. pratensis lebe, zu denen die bei sanguinea im Juli entwickelten Käfer übergehen sollten, um dort ihre Larven erziehen zu lassen. Auf Grund meiner späteren Befunde in der sangui nea->>tiit'ist[k von Exaten nuißte ich jedoch diese Vermutungen über eine doppelte Generation von Lomechusa in einem Jahre als irrtümlich auf- geben. Die successiven Larvenserien in einer sanguinea-Kolonie von Ende Mai bis Mitte Juli, ebenso wie die entsprechenden successi- ven Serien frischentwickelter Käfer von Mitte Jidi bis Ende August gehören ein und derselben Generation an und stammen sämtlich von den in den betreffenden Kolonien zurücklx'haltenen Elternpärchen &b (s. oben S. 297 — 300). Die gelegentliche Infektion von rufa- oder 308 E. Wasmann, jorate WS w- Kolonien durch Lomechusa erfolgt bei den Infektionswan- derungen der alten Käfer, welche in den sangrumea-Kolonien keine definitive Aufnahme zur Brutpflege gefunden haben. Alle Gründe zur Annahme zweier Generationen von Lomechusa in einem Jahre fallen hiermit fort. Ferner sprechen auch gewichtige Gründe direkt gegen die letz- tere Annahme. Wenn die Käfer der im Juli und August entwickelten Sommergeneration in demselben Jahre sich fortpflanzten, so müßte man sie doch auch wieder in Paarung antreffen. Aber weder in freier Natur, noch in meinen küntlichen Nestern habe ich Paarungen von In- dividuen dieser Generation beobachtet vor dem nächsten Frühling. Fer- ner müßten bei jener Annahme noch im August oder September ge- legentlich Lomechusa -Larven in den sanguinea-}s.o\onien zu finden sein, was ebenfalls nicht zutrifft. Es müßten endlich zum zweitenmal ganz frischentwickelte Käfer noch Ende September oder Anfang Oktober auftreten; auch dies entspricht nicht den Tatsachen. Die Annahme von zwei aufeinanderfolgenden Generationen von Lomechusa strumosa F. in einem Jahre entbehrt somit einer tatsächlichen Grundlage. Vergleich mit Atemeies und Dinarda. Was hier für Lomechusa gesagt wurde bezüglich der Generations- zahl in einem Jahre, gilt auch für Atemeies paradoxus Grav. und emar- ginatus Payk. nach meinen zahlreichen Beobachtungen in freier Natur und in künstlichen Nestern. Höchstwahrscheinhch gilt es auch für die größeren Atemeies, für fuhicollis Bris., pratensoides Wasm. und truncicoloides Wasm. Wenigstens sind auch hier keine zuverlässigen Anhaltspunkte bekannt für die Annahme zweier Generationen. Aller- dings fand ich Larven von At. 'puhicoUis in einer pseudogynenhaltigen rw/a-Kolonie bei Blijenbeek (Holl. Limburg) noch am 25. Juli 1899 in allen Stadien (s. Nr. 105 und 109), ferner zwei erwachsene Larven noch am 2. August 1891 in einem rw/a-Nest (var. rufo-pratensis For.) im Saminatal bei Feldkirch in Vorarlberg. Obwohl im letzteren Neste bereits am 14. Mai 1891 ein Käfer gefunden worden war durch meinen Kollegen P. H. Klene S. J., so sind wir doch auch hier nicht zur An- nahme zweier successiven Generationen von Atemsles berechtigt, zu- mal bei dem im Dunkel eines Fichtenwaldes liegenden, ziemlich feuch- ten Neste die Entwicklung der Larven und Puppen wahrscheinlich langsamer vor sich ging. Für Atemeies puhicoUis subsp. truncicoloides, dessen Larvenentwicklung ich im Juli und August 1909 in einer Kolo- nie von F. truncicola bei Lippspringe in Westfalen verfolgte (s. oben Neue Beiträge zur Biologie von T^omcclmsa iiiul Atcmeles. 309 S. 301 imcl Nr. 17:{, S. lOO und Nr. 1.S0, S. G4 [9 Separ.]), dürfen wir auf Grund jener Beobachtimgen ebenfalls keine aufeinanderfolgenden Generationen, sondern bloß mehrere successive Larvenserien an- nehmen, die wahrsclieinlich von einer größeren Zahl von Elternpärchen in eine ni Neste stammten, als es bei Lomecliusa struniosn, Atemeies emar- ginatus und paradoxus der Fall ist, wo ein bis höchstens zwei Pärchen für die Beobachtungstatsachen genügen. Hierzu kommt noch, daß die frischentwickelten Atemeies — und dies gilt für die kleineren wie für die größeren Arten — nach meinen Beobachtmigen sowohl in freier Natur wie in künstlichen Nestern sobald als möglich die Formica- Nester zu verlassen suchen, in denen sie ihre Larvenentwicklung durch- gemacht haben. Sie gehen dann, nachdem sie sich eine Zeitlang ver- borgen gehalten, zu Myrmica {scabrinodis, laevinodis usw.) über^, wo 1 Die frühesten »Herbstfunde« von Atemeies bei Myrmica sind: ein Atemeies emarginatus in einer Kolonie von Myrmica riiginodis (var. laevinodi-ruginodis), die noch zahlreiche geflügelte Männchen und Weibchen enthielt, am 27. VII. 1910 (Luxemburg); em Atemeies pubicollis bei Myrmica ruginodis 31. VII. 1901 (Luxem- burg, unweit eines rw/a-Nestes). Gewöhnlich findet man die Atemeies erst von Anfang September an wiederum bei Myrmica. Hier ist scheinbar eine Lücke in der Biologie von Atemeies. Wo bleiben die frischentwickelten Käfer so lange, nach- dem sie das i^ormica-Nest, in dem sie erzogen wurden, eventuell schon Mitte Juli verlassen haben? (In meinen Beobachtungsnestem habe ich schon am 15. VII. 1897 einen frischentAvickelten At. paradoxus erhalten.) Für Lomechusa konnte ich fest- stellen, daß die neuen Käfer tief unten im heimatlichen sanguinea-l:ieste nach ihrer Entwicklung sitzen bleiben oder wieder unter den Ameisen oben sich zeigen. Bei den neuen Atemeies sah ich nur, daß sie aus ihrem Mutterneste zu entfhehen suchen, um nicht gefressen zu werden von ihren ehemahgen Pflegerinnen, Was treiben sie, bis man sie wieder bei Myrmica findet? Die Annahme, daß sie sich gelegentlich draußen paaren und dann zum zweitenmal in ein Nest ihres Lar- venwörtes Formica gehen, um dort nochmals ihre Brut erziehen zu lassen — also eine zweite Generation — läge wohl nahe. Auch würden sehr späte Larven- funde — z. B. von At. paradoxus bei F. rufibarhis noch am 11. August 1900 — bequem hierzu passen. Ferner beobachtete ich eine Paarung von At. paradoxus in einem künstlichen Formicarium von Myrmica laevinodis schon am 30. Ja- nuar 190G (Luxemburg). Trotzdem halte ich die Annahme von gelegentlich zwei Generationen auch für Atemeies nicht für hinreichend begründet, obgleich sie nicht so sicher sich ausschUeßen läßt wie für Lomechusa. Die Frage, wo die Atemeies nach dem Verlassen der J'ormica-Nester bleiben, bis man sie wieder unter den Myrmica findet, ist wahrscheinlich zu beantworten durch die von mir als »Quarantäne der Atemeies >Herbstfunden<< von Lomechusa läßt sich keine scharfe Grenze ziehen, weil die Herbstwitte- rung auf der holländischen Heide oft schon Ende August beginnt. Wenn die Nächte kühl werden, kommen in manchen Kolonien die Lomechusen an sonnigen Mittagen wieder nach oben und wandern dann auch von einem Nest zum andern, wobei sie manchmal eine stark geschwächte pseudogynenhaltige Kolonie, in der sie erzogen worden waren, mit einer benachbarten volkreicheren (pseudogynenhaltigen oder pseudogynenfreien) vertauschen und dort das Winterquartier be- ziehen. Das sind die »Überwinterungswanderungen« von Lomechusa. mica zu Myrmica. Der obenerwähnte, am 31. VII. 1901 bei M. ruginodis ge- fundene At. pubicollis saß noch abseits von den Myrmica allein unter dem Steine und hielt sich auch in dem Lubbockneste, in das er mit den Ameisen gesetzt wurde, noch einige Tage in der Erde verborgen. Der objektive Hauptzweck dieser »Quarantäne« ist, daß die Käfer den »Nestgeruch« ihrer alten Wirte ver- lieren und jenen der neuen annehmen. Hierzu kommt noch, daß die Myrmica bei heißem Sommerwetter, solange sie noch Geschlechtstiere erziehen, sehr wild und kampflustig sind. Auch im Herbst (Ende August und Anfang September) fand ich nur selten Atem.eles zugleich mit geflügelten Männchen oder Weibchen in demselben Neste. Die Registrierung dieser Befunde muß ich auf die » inter- nationalen Beziehungen der Atemeies« verschieben, welche hier nicht behandelt werden können. — Die individuelle Entwicklung der Atemeies dauert ferner etwas länger als jene von Lomechusa (s. unter C, Kap. 7). Hierdurch wird der Zwi- schenraum zwischen ihrem Verlassen der J^ormica-Nester und ihrem Erscheinen in den Myrrnica-Nestem vielfach auf ein paar Wochen beschränkt. Neue Beiträge zur Biologie von Loiuechusa und Atemeies. 311 9a. Herbstfunde auf der holländischen Heide. In meiner Exatener Statistik sind die Herbstfunde, d. h. die Sop- tc inborfundo von Lomechusa auffallend spärlich, wenn. 48. 312 E. Wasmann, in diesem Jahre besessen. Daher ist anzunehmen, daß die betreffende Lomechusa Ende August oder Anfang September aus einer andern Kolonie herzugewandert war. Daß die sanguinea, wenn sie umziehen, ihre Lomechusen mit- nehmen, wird durch viele Beobachtungen in künstlichen Nestern nahegelegt, wo diese Käfer beim Nestwechsel mitgezogen oder auch im Maule der Ameisen mitgetragen wurden; in letzterem Falle verhält sich der Käfer mit enge angezogenen Fühlern und Beinen völhg regungslos, während die Ameise — gewöhnlich an einem der Haar- büschel der Hinterleibsseiten ihn festhaltend — • ihn trägt i. In freier Natur beobachtete ich einen solchen LomecAwsa- Transport^ bei Aus- grabung der Kol. 191 (Bez. IV) am 23. IX. 1898 (s. Kapitel 10a, S. 318). Ferner konnte ich am 18. VIII. 1897 bei Ausgrabung der Kol. 87 (Bez. III) feststellen (s. oben S. 306), daß in dem kürzlich ver- lassenen Neste keine Lomechusa zurückgeblieben war, obwohl schon am 10. VII. der erste frischentwickelte Käfer oben im Neste gesehen worden war. Die Lomechusa waren also bei der Auswanderung mit- gegangen oder mitgetragen worden. Bei der gleichfalls pseudogynen- haltigen und Lomechusa- züchtenden Kol. 2^ (Bez. II) machte ich fol- gende interessante Beobachtung. Die Kolonie bewohnte 1897 drei weit voneinander gelegene Nester, 2, 2a und 2b; 2a lag etwa 30 m von 2 und 2 b etwa 26 m von 2a in derselben Richtung (nach Süden). In 2a waren im Juni Lomechusa-LsiTYen und Anfang Juli frischent- wickelte Pseudogynen gefangen worden. Am 3. Juli begann die Aus- wanderung von 2a nach 2b; letzteres Nest war ein ehemaliges fusca- Nest, das die sanguinea von 2a am 22. Juni auf einem Sklavenraubzug geplündert hatten; jetzt siedelten sie in das eroberte Nest zum Teil über. Am 18. August waren alle drei Nester 2, 2a und 2 b gleichzeitig bewohnt. Am 29. August war Nest 2 nur schwach besetzt, 2 a leer und 2b dafür bewohnt. Vor einer der Nestschollen, in freier Luft, 1 S. über den Transport von Lomechusa z. B. Nr. 164, S. 81 — 82. 2 Auch den ^^emeZes-Transport durch Formica beobachtete ich in freier Natur. Am 9. August 1909 sah ich, wie bei Auswanderung einer truncicola-Ko- lonie zu Lippspringe ein Atemeies truncicoloides von einer truncicola im Maule mitgetragen wurde (VIII. Notizbuch, S. 294). Am 6. April 1910 trug eine rufi- barbis zu Luxemburg einen Atemeies paradoxus in ihr Nest (IX. Notizbuch, S. 45) und am 18. Mai 1910 eine ftisca einen At. emarginatus zu Lippspringe (IX. No- tizbuch, S. 50). Die Käfer verhielten sich dabei ganz so, wie es oben für Lome- chusa angegeben wurde. ' Über diese Kolonie s. bereits oben S. 268 und 306, Anm. 2. Neue Beiträge zur Biologie von Lomechusa und Ateraelea 313 saß eine Lomechusa^. Dieses Individuiun war also sicherlich nicht in diesem Neste erzogen, sondern von 2 a entweder mitgewandert oder mitgetragen worden (aktive oder passive Wandermig). Große Herbstzahlen von Lomechusa fand ich in zwei Fällen, näm- lich in den Kolonien 7 (Bez. 11 südlich) und 191 (Bez. IV). Diese Funde beziehen sich jedoch auf Käfer, die nicht oben im Neste, sondern bereits unten im Winterquartier sich aufhielten. Deshalb seien vorher noch einige auf die Herbst Wanderung von Lomechusa be- zügliche Beobachtungen aus Luxemburg und dem Rheinland hier erwähnt. 9b. Herbstfunde im ösling und im Rheinischen Schiefergebirge. Ende August bis Anfang September 1909 untersuchte ich ein sangumea-Teiches Gebiet bei Hohscheid (486 m Meereshöhe) im ös- Ung (Luxemburger Eifel). Ich hatte jene Gegend schon am 6. Juni 1906 (mit Herrn V. Ferrant) zum erstenmal besucht und teilweise stark von Lomechusa infiziert gefmiden. Eine kleine, anscheinend aussterbende Kolonie imter einem Steine zählte nur noch ein Dutzend Ameisen, darmiter die Hälfte Pseudogynen; Lomechusa war hier nicht zu sehen, wohl aber in einer viele Meter entfernten, noch fast pseudo- gynenfreien, beinahe mittelstarken Kolonie, wo zwei Lomechusa unter den Schieferplättchen im Neste bei den Ameisen saßen. Eine andre Lomechusa begegnete mir an jenem Tage auf einem grasbewachsenen Wege jenes Gebietes ganz allein laufend, offenbar auf der Infektions- wandermig. Am 24. VTI. 1906 wurde die Gegend wieder besucht und eine Anzahl entflügelter Weibchen von sanguinea nach dem Paarungs- fluge umherlaufend gefangen und zu Versuchszwecken mitgenonnnen^. Als ich Ende August 1909 mehrere Tage auf die Untersuchung jenes Gebietes verwandte, fiel mir die starke Zersphtteruug der infizierten Kolonien auf und ihre oft nur sehr geringe Individuenzahl im Ver- gleich zu den noch nicht angesteckten Kolonien. In einer sehr kleinen 1 Dieser Fall ist offenbar anders zu erklären als eine Beobachtung vom 19. Mai 1896, wo ich ebenfalls eine Lomechusa außerhalb des Nestes, vor den Nest.schollen von Kol. 36 sitzend fand. Letzteres Nest war von den sanguinea wegen der Trockenheit verlassen worden; unter den Schollen sah ich nur noch eine Dinarda dentata. (Dieselben folgen den auswandernden Ameisen gcwöhn- Uch nach, s. Nr. 2, S. 109). Die Lomechusa war entweder von den Ameisen beim Umzüge zufälUg zurückgelassen worden oder aus einem Nachbameste unter- dessen herzugewandert. 2 S. Nr. 162, S. 371 ff.; Nr. 168, S. 73. Diese Weibchen stammten aus den noch nicht infizierten Kolonien. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CXIV. Bd. 21 314 E. Wasmänn, Kolonie 1 mit kaum 80 Arbeiterinnen, unter denen aber keine Pseudo- gynen waren, wurden am 2G. VIII. ziemlich weit oben im Neste, das in einem alten Strunk sich befand, drei Lomechusa gefunden; in einer andren etwas stärkeren, ebenfalls nichtpseudogynenhaltigen Kolonie waren gleichfalls einige Lomechusa in den oberen Teilen des Nestes. Dagegen wurden in einer noch mittelstarken pseudogynenhaltigen Kolonie (etwa 5% Pseudogynen unter den sanguinea, als Sklaven fusca gleharia Nyl.) bei Untersuchung des in einem alten Strünke be- findlichen Nestes keine Lomechusa getroffen; allerdings konnte das Nest nicht bis auf die tiefsten Gänge an der Basis in die Erde verfolgt werden. . Am 28. VIII. wurden mehrere andre sanguinea-'^ ester des- selben Gebietes ausgegraben, was bei dem aus schiefriger Grauwacke (Devon) bestehenden Boden nur bis auf 1 — 1,5 dm Tiefe gelang. Es waren stark heruntergekommene Kolonien (oder Zweige zersplitterter Kolonien) mit meist nicht einmal 100 Arbeiterinnen, aber mehreren alten Weibchen. Die volkreichste darunter, welche etwa 300 sanguinea und 11% fusca hatte, enthielt auch frischentwickelte Pseudogynen und 35 alte, meist recht magere Weibchen. Lomechusa wurde auch in dieser Kolonie nicht gefunden, obwohl solche höchstwahrscheinlich gerade in diesem Jahre erzogen worden waren; die Käfer saßen ent- weder in den tieferen Nestgängen oder waren in andre, minder stark geschwächte Kolonien ausgewandert. Dagegen wurde eine Lomechusa, und zwar in den oberen Nestteilen, in einer über 100 m entfernten, ziemlich volkreichen (etwa 2000 sanguinea und 6% fusca), noch pseu- dogynenfreien Kolonie angetroffen. Da dieses Nest in weicherem Boden lag, konnte es ganz ausgegraben werden bis auf 1 m Tiefe. In den tiefsten Gängen waren unter den klumpenweise zur Überwinte- rung versammelten Ameisen keine Lomechusa, wohl aber ein großer, myrmekophager Staphylinus fossor Scop.^. Ohne Berti cksichtigmig der mehrere Jahre nacheinander durchgeführten statistischen Untersuchungen über Lomechusa und ihr Verhältnis zu den Pseudogynen in den sanguinea-Gehieten von Exaten und Luxemburg 3 hätten diese öslinger Herbstfunde nur verwirrend wirken können. In Wirklichkeit bieten sie eine Ergänzung jener Be- obachtungen, indem sie zeigen, daß die Käfer im Herbste ihre stark geschwächten Mutternester, in denen sie erzogen wurden, vielfach 1 Wahrscheinlich war es nur ein Zweig einer zersplitterten Kolonie. S. oben S. 275. 2 S. Nr. 174. 3 Letztere s. Nr. 168, S. 49 ff. Neue ßfitiägc zur Biologie von Lomcchusa und Atciuclcs. 315 vtM'lassen und andre, volkreichere Nester zur Überwinterung aufsuchen. Weiui letztere noch nicht infiziert waren, kann durch diese Herbst- wanderuug die Infektion erfolgen und im nächsten Frühling zur Lo- nhechusa-Zwcht führen. Dalier müssen auch die » Überwinterungs- wanderungen<< zu den »Infektionswanderungen« im weiteren Sinne gerechnet werden (s. oben 8. 289). Ähnliches ergibt sich auch aus meinen Oktober fun den von Lomechusa bei Linz am Rh. 1896. Während ich auf dem alluvialen Sandboden der Heide von Holländisch-Limburg während 20 Jahren schon Mitte September keine einzige Lomechusa mehr oben unter den Nestschollen traf, lagen hier die Verhältnisse auf einem sehr war- men, nach S\V gerichteten, aus blättrigem Grauwackenschiefer (Devon) gebildeten Bergabhang (nahe dem Basaltwerk Sternerhütt) für den oberirdischen Herbstaufenthalt von Lomechusa offenbar viel gün- stiger ^ Seit 1892 hatte ich bei Linz a. Rh. teils im Herbst, teils im Frühling an acht verschiedenen, mehrere Kilometer voneinander ent- fernten Stellen sanguinea-KoXomew angetroffen imd untersucht. An sieben Stellen wurden weder Lomechusa noch Pseudogynen in den Nestern gefunden, an der achten Stelle (bei Sternerhütt) beide, aber nicht in derselben, sondern in benachbarten Kolonien (im Ok- tober 190G). Daß hierin abermals eine auffallende Bestätigung der >>L o me c Ä M s a-Pseudogynentheorie<< liegt, bedarf wohl keiner weiteren Ausführung. Am 6. X. fand ich drei Lomechusa, ziemlich hoch oben im Neste unter den Schieferstücken sitzend, in einer ziemlich volkreichen Ko- lonie^, welche keine Pseudogynen hatte, wohl aber neben vielen größeren eine Anzahl kleiner, mißgefärbter, scheinbar künnnerlich ernährter Arbeiterinnen, wie sie in den sanguinea-lLolonmn von Exaten ui\d Luxemburg häufig vor Beginn der Pseudogynenerziehmig auf- traten (s. Nr. 168, S. 52). Am 7. X. wurde in einem Zweignest der- selben Kolonie, das sich in 1 m Entfernung in einem alten Strunk befand, wiederum eine Lomechusa nahe der Oberfläche gefunden; auch hier waren keine Pseudogvnen zu sehen. Am 8. X. wurden endlich in einer mehrere Meter von den beiden vorigen Nestern gelegenen, sehr schwachen sa7Ujuinea-Ko\o\\\Q viele Pseudogynen (etwa 35%) 1 Daselbst fand ich im Oktober noch Claviger testacem in Menge bei La- aius alienus und (1898) Lamprinus haematopterus bei Tapinoma erraticum ziem- lich zahlreich. - Auch Larven von Microdon rhenanus Andries wurden in ihr gefunden. Die in Xr. S;l, S. 7 mitgeteilten Beobachtungen Ixziehen .sich auf diese Art. 21* 316 E. Wasmann, entdeckt; Lomechusa waren hier keine, wenigstens in den oberen Nest- teilen, obwohl es ein sehr warmer, sonniger Herbsttag war. Am 9. X. wurde dieses Nest ausgegraben, soweit es wegen des steinigen Bodens möglich war. Bis in etwa 2 dm Tiefe war keine Lomechusa zu finden, tiefer konnte ich nicht vordringen; wenn Lomechusa vorhanden waren, saßen sie jedenfalls in den tiefsten Gängen im Winterquartier. Die vier in der pseudogynen freien Nachbarkolonie am 6. und 7. gefundenen Käfer waren wahrscheinlich aus ihrer stark geschwächten Mutter- kolonie dorthin ausgewandert, um hier mit den Ameisen zu über- wintern. Jedenfalls ist die letztere Kolonie von der pseudogynenhal- tigen Nachbarkolonie aus mit Lomechusa infiziert worden; ob im Herbst 1896 zum erstenmal, ist jedoch fraglich. 10. Höchste Herbstzahlen von Lomecliusa im Winterquartier. Vorfrühlingsfunde. Rückblick. 10a. Höchste Herbstzahlen der Käfer im Winterquartier. Kehren wir nun zu den Herbstfunden der Exatener »Statistik zurück. Während vor Mitte September hier und da noch eine ver- einzelte Lomechusa oben unter den Nestschollen zu sehen war (vgl. S. 311), wurden größere Zahlen nur beim Aufgraben von Nestern pseudogynenhaltiger Kolonien gefunden. Am 4. September 1890, also 41/2 Jahre vor Beginn der Statistik, wurde eine pseudogynenhaltige Kolonie untersucht, an deren Stelle sich 1895 die Kol. 7 der statistischen Karte befand, eine bereits stark geschwächte, pseudogynenreiche Kolonie (15 — 20% Ps. im April 1895); ob dieselbe identisch war mit jener von 1890, bleibt allerdings noch fraglich. Die am 4. September 1890 untersuchte Kolonie^ war noch mittelstark (etwa 500 Arbeiterinnen) und enthielt neben 5% fusca ungefähr 20% großenteils frischentwickelte Pseudogynen; hieraus war auf eine reiche Lomechusa-Zncht daselbst in jenem Jahre zu schließen. Oben im Nest war keine Lomechusa, obwohl es ein schöner Herbsttag war. Erst aus einer Tiefe von mehreren Dezimetern (1/2 — l^/i) wurden teils in den tieferen Nestkammern mitten unter den Ameisen, teils isoliert in Nebengängen 30 Stück ausgegraben und mitgenommen; die meisten Käfer waren schon ziemlich weit ausgefärbt, die Larven also wahrscheinlich vor Ende Juni erzogen worden. Mit dem Aus- graben des Nestes wurde erst aufgehört, als sich keine tiefereu 1 In ihr wurden auch 54 Dinarda dentata gefunden, die übrigens in allen «angfwnea-Kolonien von Exaten ziemüch häufig war. Neue Beitrüge zur Biologie von Lomechusa und Atemeies. 317 Nestgänge mehr zeigten. Es ist also anzunehmen, daß hier nicht viel mehr als 30 Lomechusen vorhanden waren. Hier sei ein Fmid von A. Reichensperger^ eingeschaltet. In demselben sanguinea-'N este bei Oberwinter (Rheinland), in welchem er Ende Mai 1906 gegen 40 Lomechusen ausgegraben hatte, zählte er Anfang September beim oberflächUchen öffnen des Nestes elf, teil- weise noch ganz frischentwickelte Käfer; wahrscheinlich waren mehr da. Pseudogynen waren damals noch nicht zu sehen, sondern erst im Juli 1907, nach nochmahger Lomechusa-Zncht. Um festzustellen, wie groß die Lomechusa -Zsihl im Herbste in einer pseudogynenhaltigen Kolonie sei, und wo die Käfer überwintern, beschloß ich im Herbst 1898 den ganzen Umfang des Nestes einer dieser Kolonien vollständig mid restlos auszugraben. Obwohl diese Arbeit an und für sich in dem Sandboden der Heide nicht schwierig ist, so erfordert sie doch, auch wenn mehrere Mann daran teilnehmen, viel Mühe mid Zeit, weil die Nester oft über einen Meter tief unter die Oberfläche reichen und bei einer Länge und Breite des Nestes von nündestens 1 m über ein Kubikmeter Erde handvoll für handvoll, den Nestgängen folgend, vorsichtig ausgegraben, und die ausgegrabenen Erdklumpen stets sorgfältig auf ihren Inhalt (auf einem großen Lein- tuch) untersucht werden müssen. Ich wählte zur Ausgrabung die Kol. 191 (im Bezirk IV der Karte), da diese im September 1898 nur ein, aber umfangreiches Nest bewohnte, das an derselben Stelle lag wie das Frühlingsnest. Im Mai 1898 war die Kolonie mittelstark, über 500 sanguinea, darunter viele große, mid etwa 5 — 6% fusca', Pseudogynen hatte ich damals nur ungefähr 2% gesehen. Ein nied- riger Haufen von trockenen Heidekrautblättern bedeckte die Nest- oberfläche. Lomechusa hatte ich im Mai und Juni dieses Jahres unter den Nestschollen nicht gesehen. Lomechusa -hawen waren, aber nur in geringer Zahl, am 9. und 24. Juni im Neste 191a gefunden wor- den ; dieses Nebennest war Anfang Juni 4 m vom Hauptneste entfernt gegründet worden, aber im September wiederum verlassen und seither leer. Die Kolonie befand sich wiederum ganz in Nest 191. Am 21. IX. 1898 wurde die Ausgrabung mit Hilfe mehrerer jün- gerer Kollegen begonnen, und da sie an diesem Nachmittag nicht ganz vollendet werden konnte, am 23. IX. zu Ende geführt. Es wurden unter den sanguinea ungefähr 15% Pseudogynen gefunden, unter den frischentwickeiten Ameisen sogar 30%. Unter den alten sanguinea- 1 Beobachtungen an Ameisen (Biol. Centralbl. 1911), S. 597. 318 E. Wasniann, Arbeiterinnen waren noch manche große Individuen; es war also bei Beginn der Infektion eine in kräftiger Entwicklung befindliche Ko- lonie gewesen. Die mit den Pseudogynen dieses Jahres frischentwik- kelten Arbeiterinnen waren dagegen höchstens mittelgroß oder kleiner. Bis in die tieferen Nestgänge wurden auch nach und nach zusammen 12 alte, meist magere Königinnen gefunden; dies deutet an, daß die Kolonie schon seit mehreren Jahren infiziert war und nach der Zer- splitterung beim Beginne der Lomechusa-Zucht sich später wieder in einem Neste konzentriert hatte (s. oben S. 275). Aus der großen Zahl der frischentwickelten Pseudogynen ließ sich schließen, daß weit mehr Lomechusa-Jjaryen in diesem Jahre erzogen worden seien, als ich unter den Nestschollen von 191a bei nur zwei Besuchen gesehen hatte. Die ersten Lomechusa wurden in einer Tiefe von 3 dm (etwa 1') unter der Oberfläche in den Nestgängen gefunden (oben waren keine!); von da an nahm ihre Zahl nach unten hin zu; zwischen 5 und 9 dm Tiefe waren sie am zahlreichsten, dann wurden sie wiederum spär- licher. Weitaus die meisten dieser Käfer saßen mitten unter den zu- sammengeballten Ameisenklumpen in den Nestkammern und Nest- gängen; nur wenige der am tiefsten gefundenen saßen isoliert in sonst leeren Gängen. Die Zahl der Käfer wurde successiv notiert und alle mitgenommen. Am 21. IX. waren es 97 Stück; am 23. IX., wo die letzten und verborgensten Gänge weiter imtersucht wurden, noch 19Stück; es waren also im ganzen 116 Lomechusa im Winterquartier in dieser einen pseudogynenhaltigen und Zorn^^cAMsa-züchtenden Kolonie ! Als ich zur Fortsetzung der Ausgrabung am 23. IX. wieder an das Nest kam, sah ich gerade, wie eine sich regungslos still haltende Lomechusa von einer snnguinea, die sie an den gelben Haarbüscheln der Hinterleibsseite mit den Kiefern gefaßt hatte, auf dem Boden des Nestloches umhergetragen wurde; die Ameise suchte den Käfer offen- bar irgendwo in Sicherheit zu bringen. Vielleicht war es den sanguinea und ihren fusca während meiner Abwesenheit am 22. IX. gelungen, einige Käfer, die sie aus den tiefsten Nestgängen miterdessen heraus- geholt, erfolgreich zu verstecken; wahrscheinlich ist es jedoch nicht, da ich alle Stellen in dem ausgegrabenen Erdhaufen, wo die Ameisen sich seit dem 21. wieder angesammelt hatten, sorgfältig untersuchte. — In dem großen Fangglase, in welchem ich die bei der Ausgrabung an beiden Tagen gefundenen Käfer mit einer Anzahl Ameisen lebend mit nach Hause nahm, war trotz der Größe des Glases i, der beige- 1 1,5 dm hoch, 1 dm weit. Das helle Tageslicht wurde durch Umwick- lung des Glases mit einem Tuche abgehalten. Neue Beiträge zur Biologie von Loniechusa und Atemeies, 319 gebenen feucliten Erde, der kühlen Witterung und der Vermeidung jeder p]rschütterung ein so starker Lomechum-Duit entstanden, daß fast alle Ameisen bei ihrer Ankunft wie schwer betrunken dalagen imd nur nocli schwach mit den Beinen zuckten; nach Zutritt frischer Luft erliolten sie sich allmähhch wieder i. Ob alle in Kol. 191 gefundenen Käfer in dieser Kolonie erzogen wurden, ist wegen der Herbst Wanderung der Käfer Ende August und Anfang September nicht sicher, zmnal drei andre peudogynenhaltige und Lomechus(t-7Äichtende Kolonien, 228, 229 mid 231, von denen die zwei letzteren nur schwach bevölkert waren, in der Nähe lagen (Bez. IV). Aber wenn auch alle 116 Lomechusa in diesem einen Sommer in dieser einen Kolonie erzogen worden sind, so brauchen wir doch nur zwei Lojnechusa-VäTchen anzmiehmen, die hier im Mai zur definitiven Auf- nahme und zur Brutpflege durch die Ameisen gelangten; denn, da die Zahl der Eier in den reifen Eierstöcken von Lomechusa etwa 80 beträgt, könnten von zwei befruchteten Weibchen sogar 160 Indivi- duen abstammen, wenn alle Larven zur Entwicklung kommen^. Als ich IVIitte Juni 1900 von Luxemburg aus das sanguinea-Gehiet von Exaten wieder besuchte, fand ich am 13. VI. das Nest der Kol. 191 (Bez. IV) 4 m westlich vom ehemaligen Hauptneste wieder an der Stelle, wo im Juni 1898 das Zweignest 191a gewesen war. Die Kolonie schien sich durch die Fortnahme der vielen Lomechusa sichtlich erholt zu haben^. Sie hatte an Volkszahl zugenommen und fast alle Arbeite- rinnen waren mittelgroß oder darüber; kleine, mißfarbige sah ich fast keine mehr, Pseudogynen nur etwa 1%. Es wurden weder Ijome- chusa noch deren Larven aktuell daselbst gesehen. 10b. Vorfrühlingsfunde im Winterquartier. An diese Herbstfunde von Lomechusa schließen sich die gleich- falls zu den Überwinterungsfunden gehörigen »Vorfrühlingsfunde« an, vor Beginn der Paarungswanderung, also bis Ende März. Hier kommen natürlich nur solche Kolonien in Frage, welche ihr Winter- quartier an derselben Stelle hatten wie das Frühlingsnest (s. oben Ö. 311). 1 Vgl. das oben im I. Teil, S. 242 über die Wirkung des Atemeies -Buttea Gesagte. 2 S. oben 8.281 und :iOO; ferner unter C, Kap. 1, ' Vgl. die Versuche über künstliche Unterdrückung der Loinechusa-Zucht S. 269. 320 E. Waamann, Aus pseudogynenhaltigen Kolonien habe ich folgende März- funde von Lomechusa verzeichnet: Kol. 4 (Bez. II). — 19. III. 1896: 2 L oben unter den Nestschollen. Kol. 36 (Bez. II). — 13. III. 1896: 2 L oben (mitgenommen). 17. III. 1896: 1 L oben (dortgelassen). 19. III. 1896: wenigstens 6 oben (2 mitgenommen). Kol. 86 (Bez. III). — 22. III. 1898: noch keine Lomechusa oben unter den Ameisen, aber 10 Stück ausgegraben. Die Käfer saßen nicht nahe der Oberfläche, sondern 1 — 31/2' (0,3 — 1 m) unter derselben im Winterquartier, in den Gängen und Kammern des Nestes, mitten unter den noch halberstarrten Ameisen. Pseudogynen ungefähr 5 — 8%)i. Kol. 157 (Bez. III). — 22. III. 1897: 2 L oben unter den Schollen bei den Ameisen. 30. III. 1897: wenigstens 12 oben. Kol. 240 (Bez. III). — 30. III. 1897: mehrere L (wenigstens 4) oben. Aus pseudogynenfreien Kolonien habe ich dagegen nur zwei Märzfunde, von denen einer (in Kol. 34 im Bez. II) auf eine bereits Lomechusa-züchtende Kolonie fällt, während im andren Falle (in Kol. 109 im Bez. II) die Lomechusa wahrscheinlich auf einer Herbst- wanderung des Vorjahres in das Nest gekommen war. In beiden Fällen wurde nur ein Individuum gesehen: Kol. 34: 17. III. 1896: 1 L oben. Kol. 109: 21. III. 1898: IL oben. Der früheste Fund einer Lomechusa oben im Neste ist vom 13. März 1896 (Kol. 36). In Kol. 86 dagegen waren am 22. März 1898 noch alle Käfer tief unten im Winterquartier. Diese Verschiedenheiten hängen teils von dem früheren oder späteren Eintreten des warmen Frühlingswetters, teils von der Lage der betreffenden Nester usw. ab. An diese Vorfrühlings funde schließen sich dann die eigent- lichen Frühlingsfunde mit Beginn des April an (s. oben im 4. Kap. dieses Abschnittes). Hier trifft man dann häufig höhere Zahlen von 1 Im Frühimg ist die Prozentzahl der Pseudogynen stets kleiner als am Ende des Sommers, weil die Pseudogynen oft nur sehr kurzlebig sind. In meiner Statistik finden sich zahlreiche Angaben darüber. Dieselben können aber ebenso wie die Angaben über die Ameisenbrut, die zugleich mit den Lomechusa oder mit ihren Larven gefunden wurde, hier keinen Platz finden, da die vorliegende Arbeit nur mit den wichtigsten Ergebnissen der LomecÄWÄa-Statistik sich be- fassen kann. Neue Beiträge zur Biologie vou Lorueohusa und Atomeies. 321 Lomechusa in den oberen Nestteilen der pseudogynenhaltigen Kolonien an; der obige Fund von 12 Käfern am 30. III. 1897 (Kol. 157) ge- hört bereits in diese Kategorie. Dann beginnt die Vorbereitung zur Paarung und die Paarungswanderung. 10c. Rückblick. Obwohl eigentlich das ganze Leben von Lomechusa in den san- <7?/ /wert -Nestern sich abspielt, so können wir doch bezüghch der Ima- gines oberirdische und unterirdische Phasen ihres Aufenthaltes in den Nestern ujiterscheiden ; je nachdem sie nahe der Oberfläche oder in den tiefsten Gängen sich aufhalten. Die hauptsächliche oberirdische Phase fällt mit der Paarungszeit im Frühling zu- sammen (s. Kap. 4); sie beginnt mit dem Heraufkommen der Käfer aus dem Winterquartier um Ende März und dauert mit Einschluß der Paarungswanderungen bis Anfang Juni in den Lomechusa-züoh- tenden Kolonien. Die daselbst zur Brutpflege definitiv aufgenom- menen wenigen Elternpärchen setzen ihren Aufenthalt und ihre Paa- rung in diesen Nestern noch einige Wochen unterirdisch fort, bis sie sterben; sie spielen daselbst die Rolle von »Ersatzgeschlechts- tieren«, die von den Ameisen besonders sorgfältig gepflegt werden. Mit dem Beginn der Larvenperiode von Lomechusa in der betreffenden Kolonie (s. Kap. 5 u. 6) endet auch durchschnittlich die oberirdische Aufenthaltszeit der alten Käfer daselbst. In den nicht Lomechusa- züchtenden Kolonien dagegen findet man alte, auf der Infektions- wanderung befindliche Käfer noch öfter im Juni und bis Mitte Juli in den oberen Nestteilen an (s. Kap. 7). Die frischentwickelten Käfer, die in den Lomechusa-züchtenden Kolonien gegen Mitte Juli zuerst auftreten, führen eine vorwiegend unterirdische Lebensweise in den tiefsten Nestkammern; man trifft sie nur selten in größerer Anzahl nahe der Oberfläche (s. Kap. 8). Ende August oder Anfang September verlassen manche junge Lomechusen ihre Mutterkolonien und wandern in benachbarte Nester; dies ist die sekundäre oberirdische Phase (s. Kap. 9). Die meisten Käfer überwintern jedoch — oft in großer Zahl beisammen — in den pseudogynenhaltigen Stammkolonien (Kap. 10). Ihr unterirdischer Aufenthalt im Winterquartier beginnt auf der Holländischen Heide schon Mitte September, im Rheinischen Schiefer- gebirge (wenigstens manchmal) erst Mitte Oktober (Kap. 9). Die Fütte- rung und Beleckung der Käfer wird in künstlichen Beobachtungsuestern von den Ameisen auch während des Winters fortgesetzt. 322 E. Wasmann, B. Untersuchnngen über die ersten Entwicklungsstände von Lomechusa und Atemeies. Viviparität oder Ovoviviparität? Vorbemerkung. — Wenn ich schon im vorigen Abschnitt (A), welcher den Fortpflanzungszyklus von Lomechusa auf Grund der Exatener Statistik behandelte, nur einen smnmarischen Auszug der wichtigsten Ergebnisse meiner Beobachtungen bieten konnte, so muß ich mich in den folgenden Abschnitten noch kürzer fassen, damit die Arbeit nicht zu mnfangreich werde; deshalb können nur noch wenige Hauptfragen zur Behandlung gelangen. Unter diesen dürfte wohl das Problem der Viviparität oder Ovoviviparität von Lo- mechusa und Atemeies besonderes Interesse beanspruchen (s. im I. Teil der Arbeit S. 252 — 257). Deshalb will ich hier die ersten Ent- wicklungsstände dieser Käfer nach einigen Gesichtspunkten be- sprechen. 1, Untersuchungen der Ovarien von Lomech.usa. Es wurden am 8. VI. 1894, 10. VE. 1896, 15. VI. 1897 (Exaten) und am 29. V. 1901 (Luxemburg) Zomec/iMSo-Weibchen teils aus künsthchen Beobachtungsnestern von sanguinea genommen, teils in freier Natur frisch gefangen, seziert und die Ovarien samt Eileiter und Samen- tasche herauspräpariert. Bei der Untersuchung vom 15. VI. 1897, wo es sich um zwei Weibchen aus einem künstlichen Formicarium handelte, in welchem bereits seit dem 24. IV. wiederholte Paarungen von Lomechusa und seit dem 12. V. mehrere Larvenserien von Lome- chusa beobachtet worden waren, fanden sich beim einen Weibchen nur noch wenige große Eier im Ovarium und eines im Eileiter, beim andern nur ein großes Ei im Eileiter, aber auch diesmal keine junge Larve. Bei der Untersuchung vom 29. V. 1901 wurde ein großes Ei, das im Eileiter sich fand, zu Schnittserien verwendet; wegen mangel- hafter Durchdringung des Eies mit Paraffin bei der Einbettimg ge- lang jedoch die mit Hämatoxylin-Eosin gefärbte Schnittserie schlecht und zeigte bloß, daß bereits ein Keimband über dem Dotter vorhanden, nicht aber, wie weit die Entwicklmig desselben vorangeschritten war. Die Zahl der Eier, die in den Ovarien von Lomechusa bei den Un- tersuchungen vom 8. VI. 1894, 10. VI. 1896 und 29. V. 1901 gefunden wurde, war eine sehr beträchtliche. Das Weibchen vom 10. VI. 1896, das an dem nämlichen Tage in Kol. 105 frisch gefangen war — in einer pseudogynenfreien Kolonie ohne XomecAMsa-Larven — zählte we- nigstens 40 Eier in jedem Ovarimn, zusammen über 80; die Eier Neue Beiträge zur Biologie von Lomccbusa und Atemeies. 323 waren v(in verschiedenen Grüßenstufen, die größten erst 0,44 x 0,3 mm lang^ ; im Eileiter fand ich hier keine Eier. Dieses Weibchen schien noch nicht zur ersten Brutablage gekommen zu sein. Die größten Eier, die im Eileiter der andren Exemplare gefunden wurden, maßen 0,5 X 0,375 mm^: sie waren kürzer und runder als die abgelegten Ameisen- eier^ und auf der einen Längsseite etwas abgeplattet. Diese Ovarienbefunde sprechen offenbar nicht für die Vivi- parität, sondern höchstens für die Ovoviviparität von Lome- chusa. 2. Untersuchungen auf Eier von Lomeehusa strumosa F. in den Sangiiineanestern in freier Natur. Nach der Beschaffenheit der im Eileiter von Lomeehusa gefun- denen Eier hätte man mit Sicherheit erw^arten sollen, in freier Natur beim Beginn der Larvenperiode unter den Eierklumpen der Ameisen, an denen die jüngsten L o me chu s a-heirven kleben, auch Eier zu finden, die durch relativ geringere Länge bei relativ größerer Run- dungsbreite von den Ameiseneiern sich unterscheiden ließen und dem- nach als L 0 m e ch u s a-^ier anzusprechen wären. Schon öfters hatte ich bei den Funden der jüngsten Lomechusa-liaTven die Eier- klumpen, an denen sie klebten, draußen mit der Lupe untersucht, um Lomechusa-'Eier zu entdecken. Diese Untersuchung war jedoch nicht genügend, zumal die Ameisen, die betreffenden Eierklumpen und jungen I^arven in größter Eile wegschleppen. Deshalb beschloß ich, die Sache gründlicher zu machen und sofort beim Aufheben der Nest- schollen möglichst viel von dem vorhandenen jungen Brutmaterial in ^ So nach meinen Messungen mit dem Ocularmikrometer (kontrolliert mit dem Objektmikrometcr) an dem Canadabalsampräparat 30. März 1904. In meinen Notizen vom 10. Juni 1896 ist die Größe jener Eier auf 0,5 — 0,G nun angegeben, aber nur nach Messungen unter der Lupe. Vielleicht hat während dieser 18 Jahre auch eine kleine Schrumpfung der Eier im Canadabalsam statt- gefunden. 2 So n>Lomechusa-Wi>Centralkolonie<< für die Atenieles-Zncht der dor- tigen /nmcico/a-Kolonien geworden war (s. Nr. 180, S. 64). Die Untersuchung der Brutklumpen vom 15. und 20. Juli 1909 aus dem Hauptnest der Kol. I ergab nur Ameiseneier und junge A temele s-LsLi-yiin. Am 30. III. 1914 wurden an dem in Bolles- Leescher Lösung seither konservierten Material Messungen mit dem Oculaniiikrometer vorgenonunen. Einige Maße seien hier mit- geteilt. Anieiseneiei- (Arbeiterinnen von truncicohi liefernd): 0,60 X 0,28. 0,68 X 0,30. 1 Über die in einem Beobachtung-sncste aus dieser Kolonie aufgezogenen Larven s. unter C, Kap. 7, i-, S. 383. 22* 332 E. Wasmann, Jüngste Larven von Atemeies truncicoloides (Sta- dium I — II ; s. C, Kap. 5 c) : a) Kleinste Larve: 1,04x0,40 (Oberansicht). b) Etwas größere Larve: 1,64 x 0,56 (Oberansicht). (Taf. X, Fig. 28.) c) Leere Haut einer Atemeles-ljarve: 2,00 x 0,90. Die jüngsten Larven von At. truncicoloides sind somit relativ etwas schmaler sackförmig als die ebensolange junge iomecAwsa -Larve (s. oben S. 326). Die leere Larvenhaut deutet an, daß die (zweite?) Häutung der truncicoloides-Jjavve bei einer Länge von etwa 2 mm erfolgt. Bei der Lomechusa-hsiTve, die erwachsen um etwa 2 mm größer ist als diese Atemeles-LarYe, erfolgt die erste Häutung bereits bei etwa 1,8 mm (s. oben S. 326), die zweite bei ungefähr 2,8 mm (s. unten C, Kap. 5,c, S. 376). Eier, die dem Atemeies truncicoloides zugeschrieben werden könn- ten, sind somit ebensowenig bekannt wie Lomechusa-Wiev in freier Natur. Bei der größeren Zahl der Elternpärchen in der erwähnten truneicola-Kolonie und bei der riesigen Zahl der in ihr beobachteten Atemeles-hsiTven aller Stadien aus mehreren Serien hätte man doch neben den wenigen noch vorhandenen Ameiseneiern die gleichzeitig vorhandenen Atemeles-Wier schwerlich ganz übersehen können, wenn solche überhaupt existierten. Diese Befunde sprechen somit ohne Zweifel eher für die normale Viviparität als für die normale Ovoviviparität von Atemeies, wenigstens von At. truncicoloides. 3e. Untersuchungen auf Eier von Atemeies pratensoides Wasm. bei F. pratensis Deg. i (Hierzu Taf. IX, Fig. 6.) Hier lassen sich die Befmide in freier Natur von den gleichzei- tigen Befunden in Beobachtungsnestern noch weniger trennen als bei At. truncicoloides. Während ich im übrigen die Befunde über Vivi- parität oder Ovoviviparität von Lomechusa und Atemeies, die aus künstlichen Formicarien stammen, in eigenen Kapiteln weiter unten geben werde, muß ich für At. pratensoides die Befunde in Beobach- tungsnestern bereits bei den Untersuchungen über Atemeles-Wiei in freier Natur behandeln. In doppelter Beziehung sind die folgenden Notizen, die ebenso wie jene über At. truncicoloides nur einen kurzen Auszug aus vielen 1 Die Beschreibung des At. pratensoides s. Nr. 140 und 179 (S. 271). Über die Biologie s. Nr. 149, ferner Nr. 173 (S. 99). Neue Beitrüge zur Biologie von Loincchusa und Atemelea. 333 Seiten meiner betreffenden stenographischen Tagebücher enthalten, von besonderem Interesse. Erstens, weil ich bei At. pratensoides zwei- mal durch die vermeintliche Entdeckimg eines Atemeles-Eies getäuscht wurde; zweitens, weil im Gegensatze zu At. truncicoloides, wo in der betreffenden Kolonie eme sehr große Menge von Atemeles-haiTven mit nur sehr wenigen Ameiseneiern getroffen wurde, umgekehrt bei At. pratensoides eine riesige Masse von Ameiseneiern in der betreffenden Kolonie sich vorfand, aber trotz der großen Zahl der alten Käfer keine einzige A t e m e I e s-L&vwe erschien. Wie diese Verschiedenheiten zu erklären sind, wird sich unten ergeben. Da ich bereits in Nr. 149 (Zeitschr. f. wiss. Insektenbiol. 1906, Heft 1 u. 2) über die Lebensweise von Atemeies praterisoides nach meinen Beobachtungen und Versuchen von 1903 berichtet und auch die Füttermig desselben aus dem Munde von F. praterisis abgebildet habe (S. 5), hebe ich hier nur die wichtigsten Befunde bezüglich der Fortpflanzung jenes Atemeies hervor (die Photographie desselben siehe Taf. IX, Fig. 6). In freier Natur. — Die ersten Käfer in jener pratewsw-Kolonie 1 wurden am 29. April 1903 in den oberen Nestteilen zahlreich entdeckt (ungefähr 25) mid zur Hälfte mitgenommen; Pseudogynen waren keine vorhanden, weder damals noch später^; massenhafte Eierklumpen bereits Ende April. Am 4. Mai wurde das ganze Nest vorsichtig bis auf den Grund aufgegraben, um die Königin zu finden; keine vorhan- den. Atemeies wiedermn zahlreich in den oberen und mittleren Teilen des kleinen Nesthaufens, einige davon mitgenommen. Am 7. Mai waren wieder etwa zehn Atemeies unter den obersten Nestschollen zu sehen, am 20. Mai keine mehr oben, aber noch etwa ein Dutzend tiefer unten im Neste. Wiederum die Abwesenheit einer Königin konsta- tiert, obwohl Hunderttausende von Eiern vorhanden. Am 9. Juni wurde das Nest wieder bis auf den Grund mitersucht: nur ein Aie- ineles noch da, tief unten im Neste (mitgenommen); keine Königin; keine /l^emeZes-Larven auf den unzähligen Eierklumpen. Am 11. Juli (und später) keine Atemeies mehr gefunden^; keine einzige Atemeles- Larve auf den noch immer in ungeheurer Menge vorhandenen (viel- leicht Millionen) Ameiseneiern; zahlreiche Ameisenlarven verschie- ^ D. h. in dieser pratensis -K-olome, wohl aber in der etwa 100 m ent- fernten Kol. 4; s. Xr. 149, S. 11. ^ Alle Bemühungen, in andern /)ra/e»st«-Kolonien oder in Myrmica-}i.olo- nieu den Atemeies pratensoides seither wiederzufinden, waren vergebens. S. Nr. 149, S. 12. 334 E. Wasmami, dener Größe und viele große Kokons (von Männchen). Am 1. und 17. September eine Menge, zum Teil noch frischentwickelter Männchen, aber weder geflügelte Weibchen noch Arbeiterkokons; männliche Ko- kons noch viele vorhanden. In künstlichen Beobachtungsnestern. — Im Mai 1903 wurden zwei Kontrollnester eingerichtet mit Arbeiterinnen und Eier- klumpen aus pratensis-K.o\. 1, das eine mit Atemeies, das andre ohne dieselben, um feststellen zu können, ob in denselben Eier von Ate- meies erscheinen würden oder direkt junge Atemeles -ha, rven'^. Vom 4. Mai ab waren in ersterem Neste wiederholte und lang andauernde Paarungen mehrerer Pärchen zu sehen. Die beiden flachen Glasnester (Lubbocknester) wurden hierauf täglich mehrere Wochen lang sorg- fältig mit der Lupe abgesucht, um Eier oder junge Larven von Ate- m^les zu finden. Vergeblich. In beiden Nestern erschienen keine Atemeles-hsiTven, die ersten jungen Ameisenlarven in beiden am 8. Juni. In beiden entwickelten sich nur Männchen. Weitaus die größte Zahl der Eier wurde jedoch von den Ameisen aufgefressen (trotz reich- licher Insektennahrung an Schmeißfliegen usw.), manchmal unter meinen Augen; auch viele junge Ameisenlarven, besonders im zweiten Neste, wurden von den Ameisen verzehrt .(z. B. während einer Be- obachtung am 25. VI.). Das Ergebnis ist somit kurz: Die pratensis -J^ol. 1 besaß keine Königin mehr. Die sämtlichen, in ungeheurer Menge vorhandenen Eier waren von Arbeiterinnen gelegte, parthenogenetische Eier; daher auch die Neigung der Ameisen, sie großenteils wieder aufzufressen^. Die Abwesenheit einer Königin erleichterte in jener Kolonie wohl die Aufnahme so zahlreicher Atemeies (s. auch Nr. 149, 5. 11), erschwerte aber die Bedingungen der Brutablage. Für ge- wöhnlich findet man ja in freier Natur die jüngsten Larven von Lom,e- 1 Näheres über die Versuchsanordnung s. Nr. 149, S. 8. — Wenn im zweiten Neste (ohne A t em el e s)), das erst am 20. Mai mit Eierklumpen aus dem Hei- matneste eingerichtet wurde, Atemeles-Liarven erschienen wären, so würde nicht bloß die Viviparität, sondern je nach dem früheren oder späteren Erscheinen der Larven auch die Ovoviviparität jenes Atemeies definitiv widerlegt worden sein. 2 Daß die verschiedenen i^ormica-Arbeiterinnen [sanguinea, rufibarbis, fusca usw.), bei denen ich Parthenogenesis in künstlichen Nestern beobachtete, ihre Eier wieder auffressen, habe ich nicht bloß bei künstlicher Temperatur- erhöhung (Biol. Centralbl. 1891, Nr. 1, S. 21 — 22), sondern auch unter normalen Temperaturverhältnissen oftmals feststellen können; s. hierüber auch Nr. 59, 2. Aufl., S. 122 und in andern meiner Arbeiten. Neue Beiträge zur Biologie von Lomechusa und Atemeies. 335 chusd luul Atcmeh's nur an jenen Klumpen von Anieisenciern, aus denen Arbeiterinnen oder Pseudogynen entstehen, also an befruch- teten (weiblichen) Eiern. Wenngleich in künstlichen Versuchsnestern von F. sanguincn manchmal auch dann noch ZomecÄMS«-Larven er- schienen, wenn überhaupt keine Eier mehr im Neste waren, so ist doch der noimale Platz für die Brutablage beider Gattungen {Lome- chusa und Atemeies) auf den Eierklumpen der jungen Arbeiter- (bzw. Pseudogynen-) Generation i. Wahrscheinlich verließen deshalb die Atemeies pratensoides am Schlüsse der Paarungszeit das fratensis-N est Kol. 1, um andre Kolonien ihres Larvenwirts aufzusuchen, wo bereits die junge Arbeiterbrut zu finden war. In dem geschlossenen Beob- achtungsneste aus Kol. 1 aber, das die Käfer nicht verlassen konnten, wurde entweder gar keine Atem^les-BTut abgesetzt oder von den Amei- sen, deren Naschhaftigkeit durch den Fraß ihrer eigenen Eier und jungen Larven hochgradig gesteigert war, sofort verzehrt. Eine andre Erklärung für das negative Resultat jener Beobachtimgen in freier Natur sowie der entsprechenden Kontrollversuche dürfte schwerhch zu finden sein. Eier von Atemeies pratensoides kamen somit in der pratensis- Kol. 1 nicht zum Vorschein, weder draußen, noch im Zimmer. Bei sorgfältiger Untersuchung der aus dem Neste mitgebrachten Eier- klumpen konnte ich ebensowenig Eier finden, die von den betreffenden Ameiseneiern sich in Größe, Form oder Färbung unterschieden, wie bei Durchmusterung der in den künstlichen Versuchsnestern liegenden Eierklumpen. Trotzdem glaubte ich gerade bei Atemeies pratensoides zweimal, ein echtes Ei desselben gefunden zu haben. Zum <{lück wurden diese Irrtümer schon in meinen Notizbüchern bald wieder korrigiert; da sie jedoch lehrreich für andre sein können, will ich sie hier kurz berichten. Als ich aus einem großen Beobachtungsglase, in welchem die am 29. IV. 1903 mitgebrachten Atemeies pratensoides samt Eierklmnpen und Arbeiterinnen aus Kol. 1 damals gehalten wurden, nach 3 Tagen einen Atemeies mit der Pinzette herausnahm, um ihn in Alkohol-Formol zu setzen, »gab er ein Ei von sich<<, das ich sofort eigens konservierte (VII. Notizbuch, S. 93). Daneben steht jedoch, nachträglich beige- fügt: »Nein, es war ein Ameisenei, das zufällig an ihm klebte.« Die Täuschung war so vollkommen, daß ich das Ei mit der heute noch * Die Larven der Fortpflanzungsgeschlechter sind in den Formica-Xestem um jene Zeit, wenn überhaupt vorhanden, schon weiter in der Entwicklung fort- geschritten. 336 E. Wasmann, aufbewahrten Etikette versah: >>A t e mel e s -^i\ vor memen Augen vom Käfer abgegeben 1. V. 03. << Ich hatte nämUch das Ei erst in dem Augenblick an der Hinterleibsspitze des Käfers klebend be - merkt^ als ich letztern mit der Pinzette bereits in der Luft hielt. Aber es war zweifellos von einem der Eierkliunpen im Glase dorthin ge- kommen, als der Käfer den Hinterleib aufkrümmte. Nachdem ich schon 1903 den Irrtum eingesehen, untersuchte ich der Sicherheit halber am 31. III. 1914 das unterdessen in Bolles-Leescher Lösung konservierte Ei nochmals unter dem Mikroskope mid verglich es mit einer Reihe von Ameiseneiern aus den am 29. IV. 1903 konservierten Eierklumpen der Kol. 1. Größe, Form (elliptisch- oval) und Färbung (fast milchweiß) sind bei dem >>Atemeles-'E\<< dieselben wie bei den Ameiseneiern. Einen Embryo konnte man noch in keinem der Eier bei durchfallendem Licht erkennen, weder in dem >>Ateineles-^i<<, noch in den Ameiseneiern. Die Maße sind, mit dem Ocularmikrometer (Zeiß AA, Oc 2) gemessen: a) Vermeintliches Ei von Atemeies pratensoides'^'. 0,99 X 0,48. b) Parthenogenetische pratensis-Wiev (Männchen): 1,00x0,48. 1,04x0,5. 0,98 X 0,56. 0,96 X 0,403. 0,96 X 0,56. 0,92 X 0,555. 0,90 X 0,46. Dieses vermeintliche Atemeles-^i ist somit wohl sicher als »un- echt« zu streichen. Der zweite Fall, wo ich wiederum ein Ei jener Atemeies- Avt zu sehen glaubte, ist vom 8. V. 1903, 11 Uhr vormittags (VII. Notizbuch, S. 109). Um die »internationalen Beziehungen« dieses Atemeies zu studieren (s. Nr. 149, S. 39ff.), hatte ich unter andern Versuchen auch sieben Exemplare des Käfers vom 2. Mai an nacheinander in ein kleines Beobachtungsnest von F. sanguinea (mit wenigen fusca und rujiharbis als Sklaven) gesetzt; eine Königin war nicht dabei. Die Käfer wurden aufgenommen und gut gepflegt, bis ich am 7. Mai eine Königin aus der nämüchen sanguinea-^o\om.& von Luxemburg (bei Fort Ohsy) 1 Dasselbe wurde außerdem mit dem Objekt mikrometer nachgemessen zur Kontrolle. Neue Beiträge zur Biologie von Lomcchusa und Atenieles. 337 holte und hinzusetzte. Jetzt änderten die Ameisen des Forniicariunis ihr Benehmen gegenüber den Atemeles und griffen sie wiederholt heftig an. Ein Pärchen von At. pratensoides saß jedoch am 7. abends noch friedlich in Copula neben der Königin. Am 8. Mai vormittags sah ich dann die obenerwähnte Szene: >>Eine so/i>die gewöhnliche Regel« bei meinen Zucht- versuchen von Lomechusa bezeichnen. Als Beispiele wähle ich einige Fälle aus, wo die Eier von Lomechusa, wenn sie vorhanden gewesen wären, hätten bemerkt werden müssen. 1. Bei Exatener Zuchtversuchen. In einem volkreichen Beobachtungsnesti von F. sanguinea mit mehreren (je nach den Jahren wechselnden) Sklavenarten und zwei 1 Die Abbildung desselben s. Nr, 95 , und "164, Taf. I. Es handelt sich um eine Kombination von zwei flachen Lubbocknestern (Hauptnest und Neben- nest) mit einem Vornest, einem Obernest, einem Abfallnest und einem Fütte- rungsrohr. Hauptnest und Nebemiest waren für gewöhnlich mit einem schwar- zen Tuch bedeckt, das bei den Beobachtungen langsam fortgezogen wurde. Die übrigen Nestteüe waren vom Tageslicht konstant erheUt und bildeten die »Um- gebung« des Nestes. 1896 benutzten die Ameisen nur das Hauptnest als »Nest- inneres«, wo die ganze Brutpflege stattfand. Trotzdem wurde auch das Neben- nest täglich mit der Lupe kontrolliert. Neue Beiträge zur Biologie von Loinechuaa und Atemeies. 339 K('»ni>,änneii, das ich vom I.August 18U3 bis zum 11. Juni 1*.)04 hielt, fand 1896 eine sehr frühzeitige und reichhaltige Lomechusa-Zucht statt. Die erste Paarung von Lomechusa wurde bereits am 23. März beob- achtet, die ersten Lomechusa-LnTyQn erschienen auf den Eierklumpen der Ameisen am "28. April, am 15. IMai begann die Einbettung der er- wachsenen LI. am K). Juni kam schon der erste frischentwickelte Käfer aus der Puppenhöhle, also einen Monat früher als in freier Natur. Im ganzen wurden in dieser Saison gegen 150 LI, von mindestens zwei Pärchen stammend i, in diesem Beobachtungsnest erzogen. Da ich dasselbe täglich sorgfältig unter einer starken Lupe durchmusterte, besonders auf Eier und junge Larven, ließ sich in dem flachen Glas- nest, in welchem die ganze LomecI/usa-Zwcht sich abspielte, eine zu- verlässige Kontrolle über den Brut bestand im Neste durchführen, zumal die Ameisen nicht in der Erde des Nestes, sondern vollkommen offen auf der dünnen Erdschicht desselben mit ihrer Brut sich auf- hielten. Am 28. April sah ich unter den Eierklumpen im Hauptnest einige Dutzend kleiner Larven, die zum Teil Ameisenlarven, zum Teil Lo- tnechusa -h'dvven waren, letztere etwa 1,5 mm lang. Die Eier waren sämtlich Ameiseneier von sanguinea, und zwar solche, die Arbeiterinnen üeferten (Männchen und Weibchen wurden hier aus den Eiern der Königin nicht erzogen). Die Copula der LomecAwsa- Pärchen im Haupt- nest wiederholte sich häufig bis gegen Mitte Mai (10. IV., 19. IV., p4.IV., 26. IV., I.V., 2. V.,3. V., 4. V., 5. V., 6. V., 7. V., 8. V., 9. V., 10. V., 13. V.). Am 2. Mai waren schon über zwei Dutzend junger LI (Lotnechusa-hsiTven) sichtbar, die kleinsten kaum 1 mm, die größten 1 bis 5 mm. Eier von Lomechusa waren nicht zu finden. Am 3. Mai waren schon über 30 LI vorhanden, am 4. Mai noch mehr, die größten hatten 5,5 nun erreicht; daneben zahlreiche ganz kleine. Eier klumpen ^'on Ameisen waren bereits fast gar keine mehr vorhanden, da die jungen Li sie aufgefressen hatten. Am 5. Mai waren neben den ^ Am 10. IV. waren zwei Pärchen, die unterdessen fortwährend von Jen Ameisen sanft beleckt wurden, gleiclizcitig im Hauptnest in Copvda. Später wurden noch einige Lomechusa hinzugesetzt, aber niemals mehr als ein Pärchen zugleich in Coimla gesehen. Von wie vielen Weibchen die 150 LI dieses Nestes tat.sächlich stammten, läßt sich nicht feststellen. Daß nur ein Teil der ^it dem 22. IV. anwesenden zehn Käfer im Hauptnest sorgfältig gepflegt wurde, während die andern sich meist im Xebenncst aufhielten, das sie oftmals zu ver- aasen suchten, habe ich zwar notiert, kann jedoch keine näheren Angaben iber die Zahl der zur Brutpflege ausgelesenen Pärchen machen, da ich damals luf diese Verhältnisse noch nicht meine spezielle Aufmerksamkeit gerichtet hatte. 340 E. Wasmann, größten (6,5 mm) mid den Mittelstadien auch wiederum ganz kleine LI von etwa 1 mm sichtbar. Am 6. Mai waren die größten LI 6 — 7 mm lang, im ganzen etwa 40 Stück vorhanden; Eierklumpen von Ameisen kaum mehr zu finden. Am 8. Mai morgens waren bereits alle Amei- seneier aus dem Neste verschwunden. Die größten LI maßen etwa 8 mm; ihr Darm zeigte sich stramm mit braunem Honig i ge- füllt. (Die mittelgroßen bis großen LI werden meist aus dem Munde der Ameisen gefüttert und fressen viel seltener an der Ameisenbrut, während die jungen LI fast ausschließlich Ameiseneier und junge Ameisenlarven fressen und seltener von den Ameisen gefüttert werden.) Die jungen LI klebten jetzt teils untereinander, teils mit den noch vorhandenen wenigen jungen Ameisenlarven zu Klümpchen zusammen, seitdem keine Ameiseneier mehr da waren. Am 9. Mai betrug die Zahl der LI 50 — -60; es waren also wieder junge Larven nachgekommen. Die ältesten LI waren schon etwa 9 mm lang. Ameisenlarven waren nur noch sehr wenige, von 3 — 4 mm, zu sehen. Trotz des fortwäh- renden Neuerscheinens junger L o mechu s a-hsuven wurde nicht ein einziges Ei im ganzen Neste mit der Lupe gefun- den. Am 10. — 12. Mai desgleichen. Am 13. Mai waren über 30 der ältesten LI schon fast erwachsen (10 — 11mm); sobald sie den Kopf hin- und herbewegten, wurden sie sofort von den Ameisen gefüttert, wobei die Ameise den Kopf der Larve in ihren Mund nahm und unter Hin- und Herbewegen des Kopfes ihr den Futtersaft gleichsam ein- pumpte. Die größeren LI lagen bereits einzeln frei im Neste, in Grup- pen beisammen. Die jüngeren klebten noch als Klümpchen zusammen und fraßen einander großenteils gegenseitig auf^, in Ermangelung von Ameiseneiern oder Ameisenlarven; letztere waren jetzt ebenfalls verschwunden. Eine junge, kaum 1 mm lange LI lag isoliert auf dem Boden und machte, ohne bei der Kürze ihrer Beinchen von der Stelle zu kommen, zuckende Bewegungen; eine Ameise, die sie vielleicht vorher fallen gelassen hatte, nahm sie rasch auf und trug sie im Maule weiter. Das Nest wurde jetzt täglich zweimal mit der Lupe revidiert auf >>Lomechusa-^iev<<; aber es waren weder Lomechusa-l^iei noch 1 Letzterer befand sich im Kolben des Fütterungsapparates wo die Ameisen ihr Kröpfchen füllten. 1897 färbte ich das Zuckerwasser des Kolbens mit Kar- min bzw. mit Methylenblau, worauf die von den Ameisen gefütterten LI blaßrot oder blau wurden. S. Nr. 75 , S. 468 ff. 2 Den gegenseitigen Kannibalismus der jungen Lomechusa-J^airven, wenn' sie keine Ameisenbrut mehr zur Verfügung haben, beobachtete ich auch sonst in andern Versuchsnestem, z. B. am 29. V. und 1. VI. 1894 (Exaten). Neue Beiträge zur Biologie von Lomechusa und Atemeies. 341 Ameiseneier im ganzen Neste; also mußten die jungen Lomechusa- Larven als solche geboren werden. Am 14. Mai verwendete ich noch längere Zeit als gewöhnlich auf Durchmusterung des Brutmaterials im Beobachtflngsneste unter der Lupe. Obwohl wiederum neue ganz junge LI nachgekommen waren, ist kein Ei zu finden. Die aller jüngsten, nur 1 mm messenden LI waren kurz sackförmig, vorne und hinten ein wenig zugespitzt, der Kopf bereits deutlich abgesetzt und die drei Beinpaare als winzige Spitzen vorstehend. Am 15. Mai begann die Einbettung der er- ' wachsenen, 11 — 12 mm langen^ LI, die ich gleich näher schildern werde. Am 17. schätzte ich die Zahl der LI im Neste mit Ausschluß der jüngsten Stadien auf etwa 80, mit Einschluß der letzteren auf etwa 100. Daß die Gesamtzahl der Larven bis zum 21. Mai nur wenig zunahm, ist aus dem gegenseitigen Kannibalismus der jüngeren Larven eiklärlich. Am 18. Mai war wieder ein Pärchen von Lome- chusa in Copula, aber nicht mehr im Hauptneste, sondern im Neben - nest. Am 19. Mai waren schon einige 20 Einbettungshügel geschlos- sen. Zwei große Ll^ sind gerade damit beschäftigt, eine dritte LI, die von den Ameisen wieder aus der Puppenwiege herausgezogen worden war, gemeinschaftlich zu zerkauen. Am 20. Mai war ein hal- bes Dutzend eingebetteter LI wiederum herausgezogen; sie waren bereits etwas kürzer (zusammengezogen) und dunkler gelb als die noch iiicht eingebetteten, fast weißen erwachsenen Larven; sie wurden von den Ameisen emsig umhergetragen, um sie wieder einzubetten (da- durch gehen in den nichtpseudogynenhaltigen Kolonien, wie die vorhegende es war, die meisten LI zu Grunde; s. oben unter A, S. 281). Es lag auch wieder eine winzig kleine, kaum 1 nmi lange LI isoliert mitten im Neste auf der Erde. Am 21. Mai fand noch eine Copula eines Lo>/i^cÄwsa- Pärchens statt, aber wiederum nicht im Hauptneste, wo die LI waren, sondern im Nebenneste. Die Zahl der LI, die noch zu sehen waren, betrug mit Einschluß der eingebetteten 100 oder 'darüber. Von der Unterseite des Hauptnestes waren durch die Glas- wand liindürch drei Larven in ihren Puppen wiegen sichtbar. Am 25. Mai war noch eine Paarung von Lomechusa im Nebenneste. Die Zahl der LI im Hauptneste, wo die XowecÄwsa- Zucht stattfand, be- trug bereits etwa 130; es waren immer noch neue ganz kleine nachgekommen, ohne daß Eier vorher dagewesen wären. * Bei ausgestrecktem Körper gemessen; in der schwach gekrümmten Hal- tung 10 mm. 2 Bei den großen LI kommt sonst Kannibalismus viel seltener vor. 342 E. Wasmann, Am 27. Mai waren nur noch 50 — ^60 LI auf der Oberfläche zu sehen (die übrigen schon eingebettet), darunter die meisten schon erwachsen oder halberwachsen, wenig kleinere und keine ganz kleinen (1 mm) mehr. Von da an 'kamen überhaupt keine neue Larvenserien mehr nach. Hier muß ich wenigstens eine Spezialschildermig der Einbet- tung der L 0 m c c h u s a-hsiTven aus dieser Beobachtungsserie ein- fügen (vom 15. Mai 1896, IV. Notizbuch, S. 184). Die erwachsenen Larven wurden von den Ameisen (sanguinea und ihren Sklaven rufi- harbis) an einem gemeinschaftlichen Platze im Hauptnest nahe bei- einander, in einer Distanz von 1,5 — 2 cm auf die Erde gelegt, und dann um jede Larve eine kleine Erdkuppel von der Form einer großen Erbse allmählich aufgebaut. Es war sehr hübsch, den Ameisen bei dieser Arbeit zuzusehen. Von Zeit zu Zeit beleckten mid fütterten sie dazwischen die bereits von einem Erdwall umgebene Larve, bis derselbe so hoch war, daß er oben geschlossen wurde. Zu lange an einem Stück durfte man die Ameisen bei dieser Beschäftigung jedoch nicht beobachten, weil sie sonst unruhig wurden, die Larven wiederum herauszogen und forttrugen. Die benachbarten erbsengroßen Pup- penwiegen bildeten nach ihrer Vollendung noch an demselben Vor- mittag zusammen einen ziemlich umfangreichen, welligen Erdhügel. Eine photographische Abbildung eines einzelnen dieser Erdgehäuse ist auf Taf. IX, Fig. 12 gegeben. Innerhalb des Erdgehäuses spinnt die LI dann einen sehr feinen Kokon aus dünnem Seidengespinst. Wenn die Ameisen dann nach einiger Zeit kommen und die Kokons nach Analogie der von den Formiea-hsiTven (die vor der Verpuppung meist ebenfalls in die Erde eingebettet werden) gesponnenen zähen Kokons wieder hervorzuholen suchen, so zerreißt das dünne Seidengespinst, und die LI wird von den Ameisen wieder neu eingebettet. Daran gehen so viele LI zugrunde, daß ich früher (s. Nr. 11, S. 95) glaubte, nur jene Larven von Lovnechusa und Atenieles kämen glücklich durch, welche von den Ameisen nach der Einbettung vergessen würden. Seitdem ich aber später öfters beobachtet habe, daß die Puppenhügel von Lomechusa und Atemeies von den Ameisen wochenlang sorgfältig bewacht wurden, ohne daß es zur Eröffnung der Gehäuse kam (s. z. B. die unten S. 347 folgende Beobachtung), mußte jene Erklärung durcli eine andre ergänzt werden: daß nämlich die Ameisen vielfach, nament- lich in pseudogynenhaltigen Kolonien, allmählich die richtige Behand- lungsweise dieser Adoptivlarven »lernen« — allerdings zu ihrem eigenen Schaden. — Es sei übrigens ausdrücklich bemerkt, daß du Neue Beiträge zur Biologie von Lomcchusa und Atemeies. 343 Larven von Lomechusa und Atemeies auch selber zur Verpuppung in die Erde sich eingraben können; sie haben also die Einbettung nicht absolut nötig; s. Nr. 180, S. 62 ff., wo die betreffenden Beob- aciitungen (von mir und P. H. Schmitz) angeführt sind. Die gewöhn- liche Hegel ist jedoch die Einbettung der Adoptivlarven durch die Ameisen, wenigstens für Lomechusa. Bei Atemeies scheinen Aus- nahmen öfter vorzukommen. Aus den weitereu Notizen dieser Beobachtungsserie erwähne ich nur einiges kurz. Am 28. Mai beobachtete ich eine gegenseitige Fütterung zweier Lomechusa''- im Nebenneste. Die eine hatte den Kupf in den Mund der andern gesteckt und leckte an ihrer Unterlippe wie sonst an derjenigen einer Ameise. Ein Pärchen in Copula wurde im Nebenneste noch am 2. Juni beobachtet, während die übrigen Lomechusa schon seit Mitte Mai von den Ameisen nicht mehr gepflegt wurden wie früher, allein im Nebennest saßen oder dasselbe durch den in das Vornest fühlenden C4ang zu verlassen suchten. Am 3. Juni war eine von den Ameisen halb aufgefressene Puppe von Lomechusa zu sehen. In den folgenden Tagen wurden zahlreiche Puppen aus den Einbettungshügeln hervorgeholt und gefressen. Die gleichfalls zahl- reich wieder hervorgezogenen und wiederholt eingebetteten LI wurden jedoch, auch wenn sie bereits unmittelbar vor der Verpuppung standen, meist nicht angefressen, sondern lange noch umhergetragen, bis sie eingeschrumpft und braun waren (s. auch obenmiter A, 8. 292, Anm. 2). Ich erhielt von den gegen 150 Lomechusa-Lawen, die 1896 in diesem Neste erzeugt worden waren, nur eine einzige Lomechusa, die am 16. Juni bereits hinreichend erhärtet die Puppen wiege spon- tan verheß und von den Ameisen sofort, besonders an den gelben iHaarbüscheln der Hinterleibsseiten, eifrig beleckt und gefüttert wurde. iDie Fütterung derselben sah ich nicht bloß von Seite der satiguinea, jsondern auch der damaligen Hilfsameisen {pratensis und fusca) am jl7. Juni. Von den vier reifen Puppen, die noch am 12. Juni von der jUnterseite des Glasnestes aus in ihren Puppenwiegen sichtbar gewesen waren, kam nur diese glücklich durch. Die Aufmerksamkeit der Ameisen war in diesem geschlossenen flachen Beobachtungsneste in verhäng- JnisvoUer Weise auf die in den Puppenhöhlen befindlichen Entwick- 1 Ein sehr seltener Fall. (Gegenseitige Fütterung bei Atemeies habe ich häufiger beobachtet, wobei die Aufforderung zur l-^ütterung — wie bei Atimde.'i Mie Regel ist — ganz nach Anicisenart erfolgte, d. h. durch Streicheln der Kopf- ^iten des Gebers durch die Vorderfüße des Bettlcr.s. Lrtmechvsa tut dies nie, auch nicht den Ameisen gegenüber, sondern begnügt sich mit Fühlerschlägen. 344 E. Wasmann, lungsstände des Käfers gerichtet, die nur unter einer dünnen Erd- schicht lagen. Nachdem sie einmal zufällig eine weiche, weiße Puppe darin gefunden und deren Wohlgeschmack erfahren hatten, war das Los der übrigen eingebetteten Larven und Puppen zu ihrem Unheil entschieden. Am 8. Juni war die Einbettung der LI — soweit sie nicht wieder herausgezogen worden waren — fast vollendet. Die wenigen, noch nicht eingebetteten Larven wurden von den Ameisen fast fortwährend im Maule gehalten und beleckt, aber nicht gefressen. An diesem Tage erschienen auch wiedermn die ersten drei Klumpen Ameisen - eier im Neste, von der Königin gelegt, während vier Wochen lang kein einziges Ei zu sehen gewesen war. Daß ich diese Beobachtungsserie etwas ausführlicher berichtete, wird man wohl begründet finden. Denn sie ergänzt in vielen Punkten die Beobachtungen in freier Natur über die Lomechusa-Zncht (unter A, Kap. 5 u. 6), sowie über den Mangel von >> Lomechusa-'Eiern<<. in freier Natur (unter B, Kap. 2) und bietet manche interessante Einzel- heiten, die sich der Beobachtung draußen entziehen. Die Larvenperiode von Lomechusa dauerte in diesem Formicarium 1896 sechs Wochen (28. IV. bis 10. VI.), wie auch meist in freier Natur, begann und schloß aber einen Monat früher als dort wegen der gleichmäßigen höheren Nesttemperatur im Zimmer. Es folgten auch hier mehrere (sieben!) Larvenserien aufeinander, aber in kürzeren Intervallen als bei den meisten Nestern draußen. Der Umstand, daß schon die ersten Serien der LI in diesem Beobachtungsneste sämtliche Ameiseneier auffraßen, und daß die Königinnen dann mehrere Wochen lang keine neuen Eier legten, kam der Lösung des Viviparitätsproblems von Lome- chusa sehr zu statten. Denn während bereits vom 28. April bis zum 8. Mai unter den wenigen noch vorhandenen Ameiseneiern kein einziges »L o m e c A w s a-Ei<< zu finden war, so war nach dem Ver- schwinden der Ameiseneier vom 8. Mai bis zum 8. Juni überhaupt kein Ei im ganzen Neste zu sehen. Hieraus folgt: Die zahlreichen jungen Z o m e c A w s «-Larven, die vom 8. bis 25. Mai — also während drei Wochen — in mehreren Serien noch nachkamen, müssen also unmittelbar als Lar- ven zur Welt gekommen sein; sonst hätten wenigstens einige Eier bemerkt werden müssen bei den täghchen sorgfältigen Un- tersuchungen des Nestes mit der Lupe. Es bleibt somit nichts andres übrig, als daß die Lomechus a -Weibchen ihre jungen Larven ent- weder unmittelbar an die Klümpchen der noch vorhandenen jungen Neue Beiträge zur Biologie von Lonieehusa uud Atemeies. 345 Ameisenlarven und später an die Klihnpchen der jungen LI ablegten, oder daß die neugeborenen LomccJiKsn-lijiiryQn durch die Ameisen (wie bei der Eiablage der Königin) von der Hinterleibsspitze der gebärenden Weibchen in Empfang genommen und dann zu Klümpchen zusammen- geklebt wurden. Letzteres scheint mir das wahrscheinlichere zu sein. Das Ergebnis dieser Beobachtmigen ist also: Die Eihaut der jungen L o m e c h u s a-hsivve wird gewöhnlich bereits bei der Geburt abgestreift. Dafür, daß es schon früher (im Eileiter) geschehe, fehlen bisher Anhaltspunkte^. Dafür, daß es manchmal vielleicht erst später geschehe, sprechen einige, jedoch sehr zweifel- hafte Fälle von >> Lomechusa-^ievn<<, die im nächsten Kapitel folgen. Nach diesen Befunden wäre somit Lomechusa als vlvipar zu bezeichnen, aber an der Grenze der Ovovivi- parität stehend. Dieser Ansicht gab ich bereits während jener Beobachtungsserie am 13. Mai 1896 in meinen Tagebuchnotizen (IV. Notizbuch, S. 183) Ausdruck: >>Es scheint also doch, daß Lo- m eck u s a für gewöhnlich lebendige Larven zur Welt bringt.« Die Lomechusa-Zvic)it im nämlichen Beobachtungsneste im fol- genden Jahre (1897) hatte dasselbe Ergebnis: plötzliches Erscheinen der jmigen LI, ohne daß ZomecAMsa-Eier vorhergingen; desgleichen die Beobachtimgen in andern künstlichen Formicarien von sanguinea zu Exaten, auf die ich nicht weiter eingehe. 2. Bei Luxemburger Zucht versuchen. Auch mit den Luxemburger Lomechusa habe ich ähnliche Erfah- rungen gemacht wie mit den holländischen. Am 11. Mai 1904 wurde ein Lubbocknest eingerichtet mit Arbeiterinnen, Sklaven (fusai)^ und zwei Königinnen aus zwei Lomechusa- und pseudogynenhal- tigen Kolonien (Kol. 3 und 5 der Luxemburger statistischen Karte, s. Nr. 168, S. 49). Am 27. Mai sah ich eine 5 mm lange LI im Neste, 'lie von den Ameisen umhergetragen wurde. Es waren damals vier alte Lomechusa im Neste. Das plötzliche Erscheinen dieser bereits meh- rere Tage alten LI ist nicht maßgebend, da ich während der vorher- gehenden Woche das Nest nicht nüt der Lupe auf »Lomechusa-Eiev« 1 Dagegen sprechen auch die Kleinheit der neugeborenen Larve (kaum I mm) sowie die negativen Befunde der Untersuchungen des Eileiters von Lo- «ecÄttsa-Weibchen (oben S. 322ff.). 2 Später kamen noch rufibarbis und rufa hinzu aus Arbeiterkokons, die ch den sanguinea gegeben hatte. Zeitsclirift f. wissensch. Zoologie. CXIV. Kd. 23 346 E. Wasmann, revidiert hatte; dies geschah erst von da an. Die erwähnte LI war am 6. Juni ausgewachsen, hatte also 12 — 14 Tage zum Wachstum gebraucht. Die am 27. Mai begonnene tägliche Untersuchung des Brutmaterials im Neste ergab nie ein >>Lomechusa-'Ei«. Ende Mai waren überhaupt keine Eier mehr zu sehen; die Königinnen w^aren schon seit 2 Wochen tot, und aus ihren Eierklumpen hatten sich junge Arbeiterlarven entwickelt. Auf diesen bemerkte ich am 2. Juni eine ganz junge LI klebend; sie war somit ohne vorherigen freien Eizustand erschienen. Die letzte Copula eines der beiden Lo- mechusa-Värchen im Neste hatte ich am 28. Mai beobachtet, die nächste Paarung sah ich am 3. Juni. An diesem Tage erschienen plötzhch zahlreiche junge LI, auf oder zwischen den Klumpen der Ameisen- larven liegend; von Eiern war keine Spur am 2. und 3. Juni zu finden. Die kleinsten LI waren »wenig größer als ein reifes Ameisenei« (also wahrscheinlich etwa 1 mm, wie gewöhnlich), »breit kahnförmig, mit der Wölbung nach oben, vorn mid hinten etwas zugespitzt«. Am 4. Juni zählte ich etwas über ein Dutzend junger LI; ob seit dem 3. neue hinzugekommen, konnte ich nicht feststellen. Von da an traten keine neue LI in diesem Neste mehr auf. Eier waren noch am 9. Juni keine da. Das Wachstum der jungen LI ging auf Kosten der Ameisen- larven, die aufgefressen wurden, und später durch die reichliche Fütte- rung aus dem Munde der Ameisen rasch voran. Am 12. Juni waren zehn LI bereits fast erwachsen, am 13. deren zwölf. Die Ameisen- larven waren jetzt alle von den LI verzehrt. Da das Nest nur schwach bevölkert war und die Pflege der LI die Ameisen ganz in Anspruch nahm, hatte die Pflege der alten Loynechusa schon Anfang Juni nach- gelassen. Es erfolgte keine Paarung mehr, und die Käfer suchten aus dem Neste zu entkommen. Am 15. Juni wurde die erste LI ein- gebettet (also 13 Tage nach ihrem Erscheinen), am 16. deren drei, und zehn erwachsene waren noch übrig (also im ganzen 13). Wenn meine Zählung vom 4. Juni richtig war, so waren sonach alle damals vorhandenen jungen Larven bis zur Vollendung ihres Wachstums ge- kommen. Am 19. Juni waren bereits acht LI (von der Unterseite des Glasnestes aus) in ihren Puppen wiegen sichtbar; eine derselben schon verpuppt (?). Am 20. waren zehn LI eingebettet, nur drei noch übrig. Von der Unterseite des Nestes waren neun Larven und eine Puppe in den Puppenhöhlen zu sehen, am 22. Juni elf Larven und eine Puppe. Am 23. wurde endlich die letzte (die 13.) LI eingebettet. Verpuppt war erst eine; diese Puppe war am 26. morgens schon röt- lich, also nahe am Ausschlüpfen, Am 28. Juni waren auch die zuletzt Neue Beitrage zur Biologie von Loineehu.sa und Atenielcs. 3-47 eingebetteten Larven bereits als Puppen von der Unterseite des Nestes sichtbar. Am 29. morgens war an Stelle der ältesten Puppe schon ein iiell rötlichbrauner, frischentwickelter Käfer' in der Puppenwiege, verließ dieselbe aber noch nicht. Ich zwang nun die Ameisen des Beobachtungsnestes zur Auswan- derung, um den frischen Käfer und einige Puppen zur Konservierung (in BoUes-Leescher Lösung) herausnehmen zu können und die Ent- wicklung der übrigen Puppen vor der eventuellen Naschhaftigkeit der Ameisen zu sichern. Obwohl die kleine Versuchskolonie in der letzten Zeit unter Milbenräude (durch zahlreiche Hypopen von Tyro- gh/phus Wasmanni Mon. verursacht) zu leiden hatte, setzten die Amei- sen der Auswanderung einen ungewöhnlich haitnäckigen Widerstand entgegen; sogar nach Einblasen von Tabakrauch blieben sie über den aus der Erde hervorragenden Puppenwiegen ihrer Lomechusa sitzen, als ob sie dieselben bewachen wollten (s. Nr. 164, S. 106 und Nr. 180, S. 63). Vielleicht wäre zur Sicherung der glücklichen Entwicklung der sämtlichen in diesem Nest erzogenen 13 LI die gewaltsame Entfernung der Ameisen nicht einmal nötig gewesen. Denn sie hatten seit 14 Tagen, wo die erste jener LI eingebettet worden war, keine einzige Pup- penhöhle wieder geöffnet, um die Larven oder Puppen heraus- zuholen (vgl. dagegen oben S. 343). Dies bestätigt somit meine auch auf Beobachtungen in freier Natur begründete Ansicht, daß in den pseudogynenhaltigen Kolonien die L o ine c h u s a-ha,vven zweckmäßiger behandelt werden und die kritische Ver- wandlungsperiode deshalb glücklicher überstellen als in den pseudogynenfreien Kolonien (s. oben unter A, S. 281 und 292 und unter B, S. 342 — 343) i. Am 7. JuU waren in dem unter- dessen ohne Ameisen gehaltenen Lubbockneste auch die drei letzten 1 Auch daß die Sklavenarten, mögen sie nun normale oder anormale sein, l>ei der Lomechitsa-Zucht von sanguinea sich dem Benehmen ihrer Herren völlig akkominodieren (s. Nr. 164, 8. 148 und oben unter A, S. 266, Anm..'}) und deshalb kein modifizierendes Moment in derselben darstellen, wird durch den Vergleich 'ItT obigen Lu.xemburger Lomechusa-Zncht von 1904 mit jener von Exaten 1896 Ijcstätigt. In beiden Nestern waren außer den ursprünglichen Sklaven {jusca) noch andre Hilfsameisen, aus Arbeiterkokons aufgezogen, im Exatener Neste int/o, pratensis und nifibarbis, im Luxemburger Neste nifa und rufibarbis, und zwar sogar in größerer Prozentzahl als in ersterem. Trotzdem wurden im letz- teren Neste die eingebetteten Larven völlig in Ruhe gelassen, im ersteren nicht. Öie Erdschicht auf dem Boden der Lubbocknester war im Luxemburger Falle sogar noch dünner als im Exatener Fall, vmd daher die Einbettungshügel stärker vorragend und auch für die Anteisen leichter bemerkbar. 23* 348 E. Wasmann, ZomecÄMsa-Puppen nahe am Ausschlüpfen. Am 9. Jiih, wo ich sämt- liche noch vorhandenen Puppen zur Konservierung herausnahm, stellte ich dann für die Entwicklungsdauer von Lomechusa in der Verpuppungsperiode (Aufenthalt in der Puppenwiege) fol- gende Ergebnisse auf Grund dieser Versuchsserie zusammen: Larve in der Puppen wiege vor der Verpuppmig: 6 — 8 Tage lang. Puppenstand: 10 — 14 Tage. Erhärtung und Ausfärbung des Käfers bis zum Verlassen der Puppen wiege: 7 — 10 Tage. Also zusammen: 3 Wochen bis 1 Monat (s. oben unter A, S. 305). Um Wiederholungen zu vermeiden, habe ich diese Ergebnisse bereits hier beigefügt, obgleich sie eigentlich in das 7. Kapitel des folgenden Abschnittes C gehören. Bezüglich der Frage, ob Lomechusa ihre Brut als Eier oder als junge Larven zur Welt bringt, sprechen auch diese Luxemburger Beobachtungen entschieden für die zweite Alternative, d. h. für die normale Viviparität, da auch hier, wie in der obigen Exatener Versuchsreihe, Eier von Lomechusa, wenn sie vorhanden gewesen wären, hätten bemerkt werden müssen. 4b. Beobachtungen über mutmaßliehe Eier von Lomechusa in künstlichen Formicarien. Gegenüber der gewöhnlichen Regel, daß bei meinen Zuchtver- suchen von Lomechusa strumosa die jungen LI plötzlich, ohne vor- herigen freien Eizustand erschienen, sind einige wenige Fälle zu ver- zeichnen, wo ich »Eier von Lomechusa« vor dem Auftreten der LI bemerkt zu haben glaubte. Alle diese Fälle sind aber bezüglich ihrer Deutung sehr zweifelhaft, während das plötzliche Erscheinen der jungen LI ohne vorher abgelegte Eier wenigstens für die oben- erwähnten Versuchsreihen als sicher, für die meisten übrigen als sehr wahrscheinlich bezeichnet werden muß. 1. Bei meiner ersten Lomechusa-Zucht zu Exaten 1889 bemerkte ich am 8. Juni in dem betreffenden Lubbockneste von sanguinea, welches sechs Lomecliusa enthielt, eine 3 mm lange Larve, die ich so- fort als junge iomec/mm-Larve (nach J. Sahlbergs Beschreibmig) erkannte, und zwar auf den Eierklumpen der Ameisen. Am 9. Jiuii sah ich über ein halbes Dutzend 3—4 mm langer LI, die mir am Tage vorher wegen ihrer Kleinheit entgangen waren. Die Eierklumpen, die damals tatsächlich im Neste waren imd an denen die jungen LI meist klebten, erkannte ich damals als Arbeiterinneneier (d. h. aus Neue Beitrage zur Biologie von Loinechusa und Atomcles. 349 ileiien Arbeiterinnen erzogen werden) von sanguinea. Da ich jedoch zu jener Zeit noch unter dem Einfluß jener vernieintHchen Eiablage von Lomechusa stand (Nr. 5, 8. 306 [62 Sep.]), die ich erst später (Nr. 11, 8. 264) als irrtünilich erkannte, fügte ich meinen Notizen damals die Vermutung bei, daß die Ameisen der Eier von Lomechusa sich be- mächtigen und sie zu den ihrigen tragen. Auch glaubte ich, mich er- innern zu können, vor 8 Tagen Eier in jenem Neste gesehen zu haben, die größer und länghcher waren als die Ameiseneier. Diese Vermutung kann heute keinerlei AVert mehr beanspruchen. Wenn ich damals wirkHch solche größere Eier gesehen habe, so können es auch männliche Eier von sanguinea gewesen sein, die merklich größer sind als die Arbeiterinneneier, und deren Ablage in den nor- malen Kolonien mehrere Wochen früher erfolgt als jene der letzteren. Die sanguinea-¥.o\omQ^, aus welcher die Ameisen jenes Beobachtungs- nestes entnommen worden waren, gehörte aber zu den normalen, noch niclit infizierten Kolonien; die sechs Lomechusa hatte ich erst am 19. IMai aus andern Kolonien hineingesetzt. Dieser Fall von ver- meintlichen LomecJiusa-Wv&vn scheidet also einfach aus. 2. Mitte Mai 1894 (Exaten) hatte ich zum Studium der »Vivi- parität« von Lomechusa ein eigenes Probenest von sanguinea in einer kleinen Kristallisationsschale eingerichtet, das nur wenige Arbeite- rinnen ohne Eier und ohne Nesterde, aber mit einem Lomechusa- Pärchen enthielt, welches sich wiederholt paarte. Die Glasschale wurde täglich mehrmals sorgfältig mit einer starken Lupe durch- mustert. Am 27. Mai vormittags erschien plötzlich, ohne vorheri- ges Ei, eine ganz junge Lomechusa-Lsuve, erst wenig größer als ein Ameisenei, kurz sackförmig, vorn und hinten ein wenig zugespitzt; das kleine Köpfchen und die sechs Beinchen waren unter der Lupe deutlich sichtbar. Die Larve klebte an der untern Glaswand des Nestes. , Xm. Nachmittag desselben Tages lagen zwei dieser jungen Larven inahe beisammen auf derselben Stelle. Ein Ei war inzwischen im Neste nicht zu sehen gewesen. Diese ersten Beobachtungen an dem Probeneste sprechen somit intschieden für die Viviparität von Lomechusa und gehören daher unter die Serie der Befunde von 4a, nicht unter jene von 4b. Nun kommt erst die >>Eientdeckung«i. Später am Nachmittag desselben Tages sah ich nahe bei den bei- den jungen LI ein Ei an der Unterwand der Schale kleben. Dasselbe war (nach damaliger Schätzung unter der Lupe) etwa 0,8 mm 1 Die Arbeit Nr. 45 bezieht sich hereit.s auf diese Beobachtungen. 350 E. Wasmann, lang und 0,3 mm breit, walzenförmig, schwach gebogen, deutlich länger als die Ameiseneier (d. h. als die Arbeitereier). Am 28. Mai morgens war das Ei verschwunden, dafür lag aber eine neue LI da, die kleiner war als die beiden andern, gestern erschienenen. Ich nahm des- halb damals an^ daß das Ei vom Vorabend bereits in eine junge LI sich verwandelt habe. [Das Ei kann aber -auch ein parthenogene- tisches Ameisenei gewesen sein^ (Männchenei von sanguinea), von einer der Arbeiterinnen gelegt; sein Verschwinden läßt sich auch daraus er- klären, daß es von den beiden jungen LI während der Nacht auf- gefressen wurde.] Am Morgen des 29. Mai glaubte ich endlich in mein Notizbuch schreiben zu dürfen: »NB.! Jetzt völlige Sicherheit über die Eier von Lomechusa s tr um o s aU< Der tatsächlich vorlie- gende Befund war folgender: In der Kristallisationsschale lag ein Klümpchen junger LI, das ich mit einem Pinsel herausholte und sorgfältig unter dem Mikroskop untersuchte. Es enthielt: 1. Eine LI von fast 2,5 mm Länge; 2. eine von etwa 2 mm; 3. fünf bis sechs sehr kleine, ganz junge LI von etwa 1 mm; 4. ein Ei, gelblich weiß, »fast doppelt no lang als ein Arbeiterei von sanguineabjektmikrometer genau festgestellt. 352 E. Wasmann, Spur einer Larve zu sehen war, obwohl das Ei bereits nach wenigen Stunden sich in die neugeborene Larve hätte verwandehi sollen! Die Eihaut, welche den reifen Embryo umhüllte, hätte daher nur noch ganz düim sein dürfen, ähnlich wie bei den reifen Ameiseneiern (s. auch den unter 3 folgenden Fall). Tatsächhch besaß aber das suppo- nierte Lomechusa -'Ei ein sehr dickes Chorion. Bei dem Versuch (1894), dasselbe nach vorheriger Eosinfärbmig einzubetten, schrumpfte es imd setzte dann beim Schneiden dem Messer starken Widerstand entgegen, so daß die Schnitte zerrissen i. Auf letzteren war außer Stücken der Eihäute nur feinkörniges Dottermaterial zu sehen, aber keine Spur von einer jungen L o me c hu s a-hsirvel Ich glaube deshalb dieses, bei seiner Entdeckung für »ein sicheres Lomechusa-^'u gehaltene Objekt heute nicht mehr als solches aner- kennen zu dürfen. Es war höchstwahrscheinlich ein männ- liches s an g uin e a-Wi^ das eine der im Neste befindlichen Arbeite- rinnen parthenogenetisch erzeugt und frisch gelegt hatte. Drittens. Am 12. Juni 1896 (Exaten) hatte ich abermals in einer Kristallisationsschale ein Lomec/msa- Pärchen, das soeben wie- derum copuliert, mit vier Arbeiterinnen von sanguinea, einer jungen Arbeiterlarve und sechs Arbeitereiern zusammen gesetzt, um die >>Eiablage<< von Lomechusa zu kontrollieren. Am 14. Juni morgens bemerkte ich in der Glasschale eine sehr kleine (0,8 mm lange und 0,4 mm breite), noch mit einem dünnen Eihäutchen umhüllte Larve, die ich anfangs für eine neugeborene Lomechusa-havve hielt, nach der Untersuchung unter dem Mikroskop jedoch als eine junge Ameisenlarve mit eingekrümmtem Kopfende und ohne »Beinzäpf- chen« erkannte. — Wäre diese Larve eine iomecÄMsa-Larve gewesen, so hätte für den vorliegenden Fall Ovoviviparität angenommen werden müssen, da nur Ameiseneier vorher in der Glasschale sich befanden. , Viertens. In dem nämlichen Lubbocknest von F. sanguinea zu Luxemburg aus Kol. 3 und 5, in welchem später das unmittelbare Erscheinen jüngster LI ohne vorherige Eier festgestellt wurde (s. oben S. 345), wurde am 12. Mai 1904, als noch Eierklumpen von Amei- sen im Neste waren, ein großes, cylindrisches Ei gesehen, das auf den Arbeitereiern klebte. Am 13. Mai waren bereits mehrere dieser Eier 1 Die später (seit 1902 und 1903) beim Einbetten und Schneiden chiti- nöser Objekte von mir angewandte Methode, welche sogar bei den steinharten Paussus-FüYilern unversehrte Schnitte lieferte, kannte ich damals noch nicht (s. Nr. 134, S. 245, Fig. 13 und Nr. 184, Taf. XV, Fig. 21). Nene Beiträge zur Biologie von Loinochusa und Atomeles. 353 vorhanden, die ich als ^>L o m e c h u s a -¥jIoyU< damals notierte. Sie verschwanden jedoch nach ein paar Tagen wieder — wahrscheinlich von den Ameisen anfgefressen — , ohne daß eine LI erschien. Es ist kaum zu bezweifeln, daß es männliche Eier von sanguinea waren, wahrscheinHch von Arbeiterinnen nach dem Tode der beiden Köni- ginnen gelegte Zusammenfassung. — Blicken wir zurück auf die unter 4b erwähnten viermaligen Befunde über vermeintliche Lomechusa-Kiev in künstlichen Formicarien, so zeigt sich, daß keines jener Eier als echtes L o m e c Ji u s a-¥i sich bestätigte. Wäre es bei meinen zahlreichen Zuchtvfersuchen von Lomechusa auch nur ein ein- zigesmal gelimgen, nach der Wegnahme der alten Käfer aus dem Neste noch das Auftreten junger L o m e cJi u s a-hsiTven zu beobachten (s. unten S. 356 bei Atemeies emarginatus), so wäre für diesen Fall die Entwicklung der Larven aus vorher abgelegten Eiern sicher gewesen. Aber bei Lomechusa kam mir ein derartiger Fall niemals vor. 5. Befunde über ,,Viviparität" oder ,,Ovoviviparität'' von Atemeies in künstlichen Nestern. Die negativen Befunde über »AtemeJes-}LieT> Lomechusa und Atemeles sind wahrscheinlich ovovivipar, •1 h. sie legen Eier, aus denen bereits nach kurzer Zeit die junge Larve lilüpft« — zu stark verallgemeineit und deshalb nicht das Richtige •troffen wurde. Wir müssen zwischen Lomechusa und Atemeles iinterschoiden und dürfen auch nicht sämtliche Atetneles-Arten *^'iuander völlig gleichstellen: 360 E. Wasmann, 1. Gemeinschaftlich für Lomechusa und Ätemeles gilt bloß, daß ihr erstes, auf den Eierklunipen der Ameisen auftretendes Lar- venstadium sehr ähnlich ist^, und daß bisher keine Eier derselben zuverlässig bekannt sind, die von den Ameiseneiern sich äußerlich unterscheiden lassen, 2. Für Lomechusa strumosa allein gilt, daß bei meh- reren Zuchtversuchen überhaupt keine Eier (auch keine Ameisen- eier) in den Beobachtungsnestern zu finden waren, während immer noch junge Lomec/msa-Larven erschienen. 3. Für Lomechusa strumosa allein gilt, daß bei den wieder- holten Untersuchungen des zugleich mit den jüngsten Loynechusa- Larven in freier Natur gefmidenen Brutmaterials nicht bloß keine von den Ameiseneiern abweichenden Eier gefunden wurden, sondern auch sämthche Eier, in denen eine Larve bereits erkennbar war, als Ameiseneier sich herausstellten, sowie daß die in künstlichen Ver- suchsnestern vereinzelt beobachteten vermeintlichen Lomechusa-'EiieT ziemlich sicher nur parthenogenetische Ameiseneier waren. 4. Aus der Kombination dieser Tatsachengruppen von 2. und 3. ergibt sich mit hinreichender Zuverlässigkeit der Schluß: also ist Lomechusa strumosa normalerweise vivipar^ d. h. sie bringt gewöhnlich direkt junge Larven zur Welt, deren Eihaut wahrscheiu- I lieh bei der Geburt abgestreift wird. Wenden wir mis nun zu den Atemeles-Aiten, und zwar zuerst zu den größeren: 5. Für Atemeies pratensoides ist nur festgestellt, daß in freier Natur zur Zeit der gewöhnlichen Brutablage keine Eier gefunden wurden, die trotz sorgfältiger Untersuchung von den Ameiseneiern (diesmal parthenogenetische, männliche Eier) sich unterscheiden ließen, sowie, daß ein in Versuchsnestern zweimal beobachtetes vermeint- liches Atemeles-'Ei ziemhch sicher nur ein ebensolches Ameisenei war. Junge Atemeles-hsiTven erschienen in diesen Fällen überhaupt nicht. Wie dieselben auftreten, ob unmittelbar oder nach einem kurzen freien i Eizustand, ist daher noch unaufgeklärt. Wahrscheinlich schließt sich ; jedoch At. pratensoides in seiner Fortpflanzungsweise an pubicollis und ' truncicoloides an. 6. Für Atemeies pubicollis ist bloß festgestellt, daß in dem zu- gleich mit den jüngsten Larven in freier Natur gefundenen Brutmate- rial keine Eier sich fanden, die von den sicheren Ameiseneiern sieh; 1 Aber nicht gleich; denn das eigentliche Stadium I konnte ich nur bei den iowecÄMsa-Larven finden. S. unter C, Kap. 3 und 5. Neue Beitrage zur Biologie von Loniechusa und Atemeies. 361 unterschieden, so daß hier die jungen Atemeles-haiyen unvermittelt aufzutreten schienen. 7. Für Atemeies pubicoUis truncicoloides ist durch mehrere succes- sive Funde in einer Kolonie festgestellt, daß im Brutmaterial zugleich mit den jüngsten Atemeles-Larven keine Eier zu treffen waren, die von den wenigen überhaupt noch vorhandenen Ameiseneiern sich unterscheiden ließen. Hier ist auf Grund des vorliegenden Beobach- tungsmaterials das unmittelbare Auftreten neugeborener Atemeles- Larven sehr wahrscheinlich, obwohl nicht so zuverlässig bewiesen wie bei Lomechusa. Nun erübrigen noch misre beiden kleineren Atemeies- Arten: 8. Für Atemeies paradoxus steht nur fest, daß bei wiederholten Untersuchungen des Brutmaterials aus Nestern in freier Natur zu- gleich mit den jüngsten Atemeles-hsivven keine Eier gefunden wurden, die von den Ameiseneiern zuverlässig zu unterscheiden waren; ferner, daß jene Eier, in denen der Embryo bereits deutlich erkennbar war, sämtlich Ameiseneier zu sein schienen. Aus künstlichen Nestern liegen keine Beobachtungen vor, welche für die Ovoviviparität dieser Art sprechen, indem die vermeintlichen paradoxus-^ier sich nicht als echt bestätigen ließen. Die Wahrscheinlichkeit ist somit einstweilen für die Viviparität von paradoxus, obwohl Übergänge zur Ovovivi- parität nicht ausgeschlossen sein dürften. 9. Bei Atemeies emarginatus wurden zwar in dem aus Nestern in freier Natur untersuchten Brutmaterial ebenfalls keine Eier ge- funden, die von den Ajmeiseneiern sich unterscheiden ließen; ferner blieben auch die in künstlichen Nestern beobachteten vermeintlichen enuinjinatus-Kiei bezüglich ihrer Deutung zweifelhaft. Dagegen ge- lang es in drei Fällen, nach dem Fortnehmen der alten Atemeies aus 'lern Versuchsneste noch einige junge Larven zu erhalten, die aus vorher abgelegten Eiern gekommen sein müssen, und deren Eizustand auf 1 bis 3 Tajie zu schätzen war. Für At. ema,r- 'ihiotus ist somit wenigstens in einigen Fällen Ovoviviparität di- lokt nachgewiesen; Übergänge zur Viviparität sind jedoch für andre Fälle, wo am Beginn der Larvenperiode junge Larven in den \ ersuchsuestern unvermittelt aufzutreten schienen, noch keineswegs ausgeschlossen. Hieraus ergibt sich als Zusammenfas.sung der Schlußfolge - im gen: 10. Nur für Lomechusa strumosa, die auf der höchsten Stufe der \vmphilen Anpassung steht, ist bisher Viviparität als normale Zeitschrift f. wissenscli. Zoologie. CXIV. Bd. 24 362 E. Wasmann, I Fortpflanzungsweise mit hinreichender Zuverlässigkeit nachge- wiesen. Für Atemeies emarginatus dagegen, der unter seinen Ver- wandten auf der niedrigsten Stufe der symphilen Anpassung steht und auch morphologisch (in seiner Halsschildform) am weitesten vom Lomechusa-Ty^iis abweicht, ist wenigstens in einigen Fällen umge- kehrt Ovoviviparität zuverlässig konstatiert. Für die größeren Ätemeles- Arten (puhicollis-GTu^p^e) , welche auch morphologisch am meisten an Lomechusa sich annähern, ist es wahrscheinlich, daß sie auch in ihrer Fortpflanzungsweise der Viviparität sich nähern; und zwar ist es für At. truncicoloides nach dem bisherigen Beobach- tungsmaterial am wahrscheinlichsten. Atemeies 'paradoxus endlich, der einerseits an emarginatus (emarginatus, Form foveicoUis Wasm.), andererseits an •pubicollis [paradoxus, Form laticollis Wasm.) sich an- nähert, nimmt wahrscheinlich auch in seiner Fortpflanzimgsweise eine Mittelstellung zwischen beiden Gruppen ein. Da zwischen Ovovivi- parität und Viviparität je nach der langsameren oder rascheren Ent- wicklung der Eier im Eileiter mannigfache Übergänge vorkommen können, so werden bei den kleineren Atemeies- Alten je nach den Er- nährungsverhältnissen vielleicht beide Fortpflanzungsweisen auftreten. C. Übersicht über die Entwickluiigsstäude vou Lomechusa und Atemeies. (Hierzu Taf. IX— X.) Da der Hauptzweck der vorliegenden Arbeit ein biologischer, kein morphologischer, ist, wird auf die Detailbeschreibung der Larven- und Puppenstadien hier kaum eingegangen. Die Stadien werden nur, kurz charakterisiert und Bemerkungen über Lebensweise und Ent-' Wicklungsdauer beigefügt. 1. Eier. (Siehe B, Kap. 1—6.) ■ Hier ist nur vom freien Eizustand die Kede. Für Lomechusa' strumosa ist ein solcher normalerweise höchstwahrscheinlich nicht vor- handen, indem die Eihaut bereits bei der Geburt abgestreift wird' (Viviparität). Bei Atemeies emarginatus ist ein freier Eizustand mehr- mals indirekt konstatiert (B, 5, c), dauert jedoch höchstens wenig« Tage (Ovoviviparität). Wahrscheinlich sind die wirklichen Eier voi Atemeies den Ameiseneiern sehr ähnlich. Vermeintliche Ate7neles-^\ef die in Größe, Form oder Färbung von den Ameiseneiern abwichen wurden zwar mehrmals beobachtet, blieben aber in ihrer Deutun; Neue Beiträge zur Biologie von Loincchusa und Atenieles. 363 zweifelhaft. Die venneintlichen Lomechusa-EieT, die ebenfalls beob- achtet wurden (B, 4, b und Textfig. A, 8. 351), waren ziemlich sicher nur Ameiseneier. Also: Eier sowohl für Lomechusa wie für Atemeies unbekannt. 2. Allgemeines über die Larvenstadien. (Siehe A, Kap. 1, 5 u. 6; B, Kap. 2—6.) Bei der Brutablage von Lomechusa und Atemeies werden die jungen Larven (bzw. die Eier) von den Elterntieren an die Brutklum- pen der Ameisen abgelegt oder bei ihrer Geburt von den Ameisen in Empfang genommen und dorthin gebracht. Tatsächlich finden sich die jüngsten Larvenstadien, die noch keiner selbständigen Bewegung fähig sind, stets auf den Brutklumpen der Wirte, oder untereinander zu Klümpchen zusammengeklebt gleich der jungen Ameisenbrut. Den Larven von Lomechusa und Atemeies sind folgende Eigen- tümlichkeiten gemeinschaftlich: Die von andern StaphyHnidenlarven völhg abweichende Körper - form der Larvenstadien, die von der anfänglichen kurz kahnförmigen bzw. sackförmigen Gestalt (Stadien I und II) durch ein Übergangs- stadiimi (III) zu der definitiven lang walzenförmigen Form (Stadium IV) .übergeht. Gemeinschaftlich sind ihnen auch die kurzen Beine, die sehr kurzen Fühler, die kurze Beborstung und das Feh- len von Augenpunkten in allen Stadien. Erst mit dem Beginn des definitiven Formstadiums IV sind die Larven einer selbständigen Ortsbewegung fähig, machen aber auch dann für geW'öhnlich keinen Gebrauch von ihren Beinen, sondern hegen in gekrümmter Haltung unbeweglich wie Ameisenlarven zwischen der Brut ihrer Wirte. Hierin ist eine instinktive Nachahmung des Benehmens der Ameisenlarven zu sehen, eine >> aktive Mimikry«, welche mit der Pflege der Adoptiv- larven durch die Ameisen zusammenhängt. Die erwachsenen Lome- '/msa-Larven kriechen nur äußerst selten im Neste umher, wenn sie nämlich von den Ameisen vernachlässigt oder sonst beunruhigt werden ; bei den erwachsenen /Iteme/es-Larven beobachtet man die selbständige Bewegung etwas häufiger, aber auch nur ausnahmsweise. Die Ernährungsweise der Larven ist eine doppelte: eine räu- berische, durch Auffressen der Eier und jungen Larven der Ameisen, und eine symphile, durch Fütterung aus dem Mmide der Ameisen, '^is zum Beginn des IV. Stadiums überwiegt die erstere Ernährungs- weise, von da an die letztere; beide Ernährungsweisen kommen aber auch zugleich vor. Bei der Verpuppung werden die Larven gewöhn- 24* 364 E. Wasmann, ^ lieh von den Ameisen durch »Einbettung« unterstützt (s. oben S. 342), gleich den Formica-Lavven, die einen Kokon spinnen. Bei den Lo- mechusa-JjSiTven kommt es nur sehr selten vor, daß sie selbständig zur Verpuppung in die Erde sich einbohren, bei Ätemeles-haTv eii etwas häufiger. Absolut notwendig ist für beide die Mithilfe der Ameisen durch Einbettung nicht. Das Wachstum der A t e m ele s-hgiTven ist etwas langsamer als dasjenige der L o m e c Ji u s a-harven. Die Verpuppung erfolgt in einer fast kugelförmigen Erdhöhle (Puppen wiege), die von der Larve mit einem feinen Seidengespinste ausgekleidet wird. Der Käfer bleibt in derselben bis zur Erhärtung des Chitinskelets, da er sonst von den Ameisen bei der Beleckung zerrissen würde. Gemeinschaftlich ist den Larven von Lomechusa und Ate- meles auch die Färbung, welche in den Stadien I bis III rein weiß ist, im Stadium IV bei den Lomechusa-hsuven hell weißgelb wird, im Stadium IV bei den Atemeles-harven satter weißgelb bis gelblich. 3. Larvenstadien von Lomecliusa strumosa. ^ (Taf. X, Fig. 15—22 u. Fig. 24—27.) ! Stadium I (Taf. X, Fig. 15). (Vor der ersten Häutung der j Larve.) 0,9 — 1,4 mm lang, ziemlich breit und kurz kahnförmig, unten ', flach, oben stark gewölbt, etwas mehr als halb so breit wie lang, j ungefähr halb so hoch wie lang (Detailmaße s. oben S. 326). Seg- mentierung der Körper wand namentlich bei seitlicher Ansicht sehr deutlich. Kopf ziemlich groß, die Beine noch in Hauttaschen steckend, kurz zapfenförmig. Beborstung des ganzen Körpers ziemlich rauh,' verhältnismäßig dicht und grob im Vergleich zum Stadium II, aber immerhin absolut genommen fein und kurz. Daß eine erste Häutung bei einer Größe von etwa 1,4 mm statt- findet, ist nicht direkt beobachtet, sondern geschlossen aus der ver-| schiedenen Gestalt und Behaarung der Stadien I und II. Die zweite' Häutung, welche bei Atemeies truncicoloides direkt konstatiert wurde,; kommt bei der Lomechusa-hdiTve sicher ebenfalls vor, da sie den Über-i gang von der sackförmigen zur walzenförmigen Körpergestalt und ena bedeutende Vermehrung der Borsten bedingt ; bei der Larve von At , truncicoloides erfolgt sie bei einer Länge von etwa 2 mm, bei der Lome chusa-JjSbYve erst bei einer Länge von etwa 2,8 mm, entsprechend dei| verschiedenen Größe beider Larvenarten am Ende des Stadiums IL Stadium II (Taf. X, Fig. 16). (Vor der zweiten Häutung .de~ Larve.) 1,5 — 2,8 mm lang, elliptisch sackförmig, etwas mehr als dop pelt so lang wie breit, Breite und Höhe ungefähr gleich. Die Larv Neue Beiträge zur Biologie von Loniechusa und Atemeies. 365 dieses Stadiums ist wie aufgeblasen, so daß an den Kurven der Kör- perwand keine »Segmentgrenzen deutlich sichtbar werden. Der Kopf ist schärfer abgesetzt als im Stadium I, wegen des größeren Körper- unifangs relativ kleiner als dort, die Beine treten als kleine, aber noch ungegliederte, kurz kegelförmige Zäpfchen vor. Die Beborstung des Körpers ist viel spärlicher als im Stadium I, ungefähr ebenso kurz wie dort; dagegen ist sie im folgenden Stadium (III) wenigstens viermal dichter als im Stadium II, also muß eine Häutung dazwischenliegen. Stadium III (Taf. X, Fig. 17). (Nach der zweiten Häutung.) 2,8 — 3,5 mm. — Dieses Stadium vermittelt den Übergang zur defini- tiven, walzenförmigen, deutlich geringelten Gestalt der Larve. Ob am Schlüsse dieses Stadiums noch eine dritte Häutung stattfindet, konnte ich nicht feststellen. Im Beginn des Stadiums III ist die Lome- cÄusa-Larve zwar schon deutlich geringelt, aber noch nicht gekrümmt, sondern gerade ausgestreckt, oben flachgedrückt, hinten stärker zu- gespitzt als vorn, nur etwa 3 1/2 mal so lang wie breit; der Kopf ist noch sehr wenig abgesetzt, eng an den Prothorax gerückt, oben drei- eckig eingedrückt; die Beine sind spitz kegelförmig, unter dem Mi- kroskop bereits in Schenkel, Schiene und Tarsus undeutlich geglie- dert, noch nicht gebogen, sondern steif vorgestreckt; die Behaarung >t kurz, abstehend, dicht und fein, viel dichter als im Stadium II; .so bleibt die Behaarung von da an bis zum Schlüsse des Larvenwachs- tums. Diesem frühen Stadium III entspricht Taf. X, Fig. 17 der Lomechiisa-Larxe und Taf. X, Fig. 29 der Larve von At. truncico- joides; erstere ist 3 mm lang, letztere 2,3 mm. Die Loniechusa-Laive .in Fig. 18, die bei einer Länge von kaum 3,2 mm schon schwach ge- krümmt und (bei Oberansicht) stärker walzenförmig ist, zeigt die wei- tere Entwicklung des Stadiums III ; der Kopf ist bereits weniger flach, lie Beine minder steif abstehend ; sie nähert sich dem folgenden Stadium. Stadium IV (Taf. X, Fig. 19—20 und 24—27). 3,5—11 mmi. — Dieses Stadium umfaßt den längsten Teil des Larvenwachstums, uindestenes V4 desselben, also ungefähr 8 Tage. AVesentliche Ände- ungen der Körperform und der Behaarung gehen jetzt nicht mehr or, sondern es erfolgt nur eine stärkere Ausprägung des defini- iven Typus. Die Larve wird bei zunehmender Größe schlanker, iefer geringelt, der Kopf relativ größer und schärfer abgesetzt, die ^eine schlanker, stärker gekrümmt und schärfer gegliedert. Vgl. ^ Bei ausgestrecktem Körper, namentlich wenn die Larve kriecht, ist sie atürlich länger als in der bogenförmig gekrümmten Normalstellung, wo sie 'Ur etwa 10 mm mißt. 366 E. Wasmann, Fig. 19, welche eine 5 mm lange Lomechusa-Jjarve darstellt, mit der Fig. 20 der erwachsenen Larve. Daß während dieser Periode noch eine Häutmig stattfindet, ist nicht beobachtet; miter den Hunderten von Larven dieses Stadiums fand ich nie eine abgestreifte Larven- haut. Aus der starken Größenzunahme während dieses Stadiums läßt sich trotzdem auf eine nochmalige Häutung schließen. Direkt beobachtet ist also nur eine Häutung der Larven von Lomechusa und Atemeies während ihrer Wachstumsperiode, nämlich die als zweite Häutimg bezeichnete am Schlüsse des Stadiums II. Die erste Häutmig am Schlüsse des Stadiums I, die dritte am Schlüsse des Stadiums III mid die vierte im Verlauf des Stadiums IV beruhen auf Schlußfolgerungen. Stadium V (Taf. X, Fig. 21). ■ — Die erwachsene Larve in der Puppenhöhle in der Vorbereitung zur Verpuppmig. Der Körper zieht sich zusammen, wird kürzer und breiter, und an den Ventralsegmenten erscheinen dunkel (bräunlich) pigmentierte Schilder. Bevor ich zu den Larvenstadien von Atemeies übergehe, seien hier noch gegeben einige: 4. Nähere Bemerkungen über Stadium IV der Lomechusa-Larve. (Taf. X.) 4 a. Äußere Morphologie. Diese Larvenform von Lomechusa ist schon 1883 von J. Sahl- bergI näher beschrieben, von L. Ganglbauer 1895 in den II. Band seiner »Käfer Mitteleuropas« aufgenommen und von mir seit 1890 (Nr. 11) wiederholt beschrieben und abgebildet worden. Ich be- schränke mich daher hier auf einige ergänzende Angaben. Die äußere Gliederung (Taf. X, Fig. 20) zeigt 14 Abschnitte, Kopf (1 Segment), Thorax (3), Hinterleib (10), wobei das letzte Ghed ein kegelförmiges Analzäpfchen darstellt. Die Fühler^ der erwachsenen iomec/msa -Larve (Taf. X, Fig. 22) sind äußerst kurz, papillenförmig, nur ^/iqo ^^^ Körperlänge mes-; send; bei der 10 — 11 mm langen Larve sind sie 0,1 mm (etwa 110 ^,i mit dem Ocularmikrometer gemessen) lang. Sie entspringen aus einer' seichten Grube jederseits über den Oberkiefern (der vortretende Gru-; benrand ist von dem wirklichen Basalgliede deutlich zu unterschei-j 1 Medd. Soc. Faun, et Fl. Fennica IX., S. 89—93 und Taf. 2 In Ganglbaueb, Käfer Mitteleuropas II., S. 115 ist sowohl die Be-; Schreibung der Fühler der LomecMisa-'L arve (nach Sahlberg) auf Grund obi-i ger Untersuchung zu berichtigen, als auch die Angaben über die Fühler der Larve von At. pnbicollis, deren Fühlerbildung mit jener der Larve von At. paradoxus< (Nr. 5, S. 81 Separ.) tatsächlich übereinstimmt. Neue Beiträge zur Biologie von Lomeehusa und Atenieles. 367 den!). Sic sind nur zweigliedrig, kaum länger als breit, das erste I Glied kurz ringförmig, das zweite ein wenig länger, etwas kürzer als breit, walzenförmig mit gerundeten Seiten; das zweite Glied endet in einen stumpf kegelförmigen Vorsprung, der von kurzen, konvergieren- den Borsten umgeben ist; daneben steht lateral an der breiten Spitze i des Gliedes ein deutlich abgesetztes, spitz kegelförmiges, etwas weiter [ vorragendes Anhangsglied, das so lang wie breit ist; dieses Anhangs- I glied darf jedoch nicht als drittes Fülilerglied, sondern nur als late- l rale Endpapille des zweiten Gliedes gerechnet werden. Das erste, I ringförmige Glied trägt einen Kranz von vier längeren Borsten. Im Vergleich zur erwachsenen Larve von Atemeies paradoxus {Xr. 5, S. 325 [81 Sep.]) ist das zweite Fühlerglied der Lomechusa- Larve etwas kürzer und dicker; sonst finde ich keine Unterschiede. Vergleicht man die Fühlerbildung der Larven von Lomechusa und Atemeies mit derjenigen andrer Staphylinidenlarven, so erkennt man sofort ihre starke Reduktion. Die Larven der nahe verwandten Aleo- charinengattung Dinarda haben ziemlich lange, dreigliedrige Fühler (s. Nr. 9, S. 160 — 161, u. Fig. 2)i, die Larven der Oxytelini dreiglied- rige, jene der StapJu/Jinini viergliedrige, relativ lange Fühler. Der Besitz eines Anhangsgliedes — das bei der Dinarda-Ijavve an der Spitze des vorletzten Fühlergliedes steht — ist allen Staphylinidenlarven gemeinsam (s. Ganglbauer II., S. 9); deshalb darf dasselbe auch bei den Larven von Lomechusa und Atemeies, wo es dem letzten Fühler- .{• gliede angefügt ist, nicht als solches mitgezählt werden. In der auf- t fallenden Reduktion der Fühler der Larven von Lomechusa und Ate- \ meles müssen wir eine hochgradige Anpassung an ihre sym- phile Lebensweise sehen. Da diese Adoptivlarven von den Ameisen gleich Ameisenlarven gepflegt werden, konnten die als Sinnesorgane für eine selbständige Lebensweise dienenden Fühler so bedeutend rück- gebildet werden. Durch die starke Reduktion der Fühler wird zu- gleich die Ähnlichkeit dieser Larven mit den fühlerlosen Ameisen- larven für den Tastsinn der Ameisen erhöht; vielleicht dürfen wir hierin, wie in der Gestalt und Haltung jener Käferlarven, ein Element er Mimikry sehen. Sehr auffallend ist es, daß bei der in Nordamerika lebenden dritten attung der Lomechusini, bei Xenodusa Wasm., die Fühler weit we- ger reduziert sind als bei unsern beiden paläarktischen Gattungen. 1 Auch die von Silvestri 1912 beschriebene Larve von Notothecta in- Fauv. hat dreigliedrige Fühler (Contribuzioni alla conoscenza dei Mirrae- "cofiH IL, Boll. Lab. Zool. Portici VI., p. 230). 368 E. Wasmann, Nach der von Wheeler 1911 1 gegebenen Beschreibung und Abbil- dung der Larven von Xenodusa cava Lee. sind die Fühler von der Länge des Kopfes, >>well developed<<. Sie scheinen nach der Abbildung dreigliedrig zu sein. Auch die Beine sind bedeutend länger (wenig- stens doppelt so lang) als bei den Larven von Atemeies und Lonie- chusa. Augen fehlen wie bei letzteren. Die Körperform, die jedoch in der Mitte stärker verbreitert ist, und die gekrümmte Haltung der Xenodusa-haiven erinnert an jene von Lomeckusa. Die Umbildung der Larven von Xenodusa ist jedenfalls viel weniger weit fortgeschritten als jene der beiden altweltlichen Gattungen. Wahrscheinlich dürfen wir hieraus schließen, daß das symphile Gastverhältnis der Larven von Xenodusa in Nordamerika weit jüngeren Datums ist und mid sich erst viel später entwickelt hat als dasjenige der Larven der paläarktischen Gattungen Lomechusa und Atemeies. Es ist ferner Textfig. B. Mundteile der erwachsenen Lo7nechusa-l,a,Tve (Buchstabenerkläiung im Text). wahrscheinlich, daß die Larven der beiden letzteren Gattungen ehe- I mals durch ein Stadium hindurchgegangen sind, das in bezug auf den geringeren Grad der Reduktion der Antennen und Beine den heutigen Xenodusa-h&iven ähnlich ist 2. Die Mund teile der erwachsenen Lom£chusa-JjSiYYe {Tai. X, Fig. 24, und oben Textfig. B) sind jenen der Larven von Atemeies para- doxus (Nr. 5, S. 325 [81 Sep.] und Fig. 2 u. 3) sehr ähnlich, aber mit breiterer Zunge und noch kürzeren, dickeren Lippen- und Kiefertastern. 1 Notes 'on the myrmecophilous beetles of the genus Xenodusa, with a description of the larve of X. cava (Journ. New York Ent. Soc. XIX., Nr. 13, Sept. 1911, S. 163—169). 2 Während des Druckes dieser Arbeit erschien eine Mitteihmg von W. M. Mann (Seme Myi'mecoijhilous Insects from Mexico, in: Psyche. XXI, No. 6, Dec. 1914, p. 171 — 184), worin derselbe (S. 174) die mexikanische Xenodusa Sharpi Wasm. wegen ihrer verdickten Halsschildseiten zur neuen Untergattung Pseiidolomechusa erhebt. Auch die Gestalt der Larven nähert sich derjenigen der Lomechusa- Larven, indem der Körper zylindrisch mit sehr kurzen Beinen ist. Pseudolomechusa Sharpi ist somit als die am weitesten entwickelte Lomechusine Amerikas anzusehen. Neue Beiträge zur Biologie von Lomechusa und Atemeies. 369 In der beifolgenden Textfigur B sind die Mundteile der Lome- i'JiKSd -Lavve in situ nach einem Canadabalsampräparate mit der ABBESclien Camera gezeichnet, fast lUOfach vergrößert (Zeiß AA, Oc. 4). Die in dem flachen Präparate auf die Seite gedrängten Ober- kiefer stehen natürlich in Wirklichkeit etwas näher beisammen. Die Oberkiefer (md) sind kräftig, einfach sichelförmig, am Innenrande mit einer Rinne versehen; letztere ist auch bei den Mandibeln der AtemeIes-Ija.Tyen vorhanden, wurde aber von mir 1888 übersehen. Eine Oberlippe fehlt, wie bei allen Staphylinidenlarven (Gangl- BAUER II., S. 9). Was ich 1888 bei den Atemeles-La.rven als Ober- lippe beschrieb und abbildete, ist der Clypeus. Die Maxillen (m) sind kurz, häutig, die beiden Lobi miteinander fast verwachsen, so daß nur eine undeutliche Grenzlinie sichtbar wird; die äußere Lade trägt einen kurzen, sehr dicken, dreigliedrigen Kiefertaster (/jm) ; das erste Glied desselben ist kurz ringförmig, das zweite breiter als lang, walzenförmig, das dritte viel schmaler, stumpf kegelförmig, ungefähr so lang wie das zweite. (Bei der Larve von Atemeies paradoxus in Nr. 5, S. 325 [81 8ep.], Fig. 3, & ist das dritte Glied viel schlanker und das zweite kürzer als das erste.) Die Unterlippe [Ih) ist kurz und breit, die Zunge {l) kurz und breit gerundet, die Lippen taster {pl) zweigliedrig, sehr kurz, das erste Glied breiter als lang, walzenförmig, das zweite so lang aber viel schmaler als das erste, nur doppelt so lang wie breit. (Bei der Atemeies -IjdiXve, ist es deutlich schlanker.) Vgl. auch auf Taf. X die Photographien der Unterlippe und Unterkiefer der Lome- chusa-LsiTve (Fig. 24, nach einem mit Pikrocarmin gefärbten Präpa- rat) und der Imago von Lomechusa (Fig. 23)^ Vergleichspunkte. Zwischen den Mundteilen der Larven von Lomechusa und Ate- meies bestehen analoge Unterschiede wie zwischen denjenigen der Imagines ^ ; besonders zeigt sich dies in der breiteren Zunge und den kürzeren, dickeren Lippentastern von Lomechusa gegenüber Atemeies. Zwischen den Mundteilen der Larven dieser beiden Gattungen einer- seits und jenen der Larven von Dinarda (Nr. 9, S. 161 — 162, Fig. 2 bis 4) andrerseits bestehen ebenfalls analoge Unterschiede wie zwi- schen jenen der Imagines (s. Nr. 5, S. 302 [58], Fig. 1, 2, 4). Bei den Larven der Aleocharini scheint, soweit sie bisher bekannt sind, über- haupt eine größere Ähnlichkeit zwischen den larvalen und den ent- 1 Vgl. die Fig. 1 und 2, S. 302 (58 Separ.) in der Arbeit Xr..'» (1888). 370 E. Wasmann, sprechenden imaginalen Mundteilen zu bestehen als bei den Larven der Staphylinini. Namentlich zeigt sich dies in der Bildung der Ma- xillen, welche bei den ersteren zu häutigen Lobi entwickelt sind, wäh- rend sie Ijei letzteren sehr primitiv tasterförmig sind (s, Ganglbauer II. j S. 10). Die größere Ähnlichkeit zwischen den larvalen und ima- ginalen Mundteilen ist daraus zu erklären, daß im Laufe der Phylo- genese der betreffenden Art die Modifikationen der Mundteile der Imagines durch Vererbung auch auf die Larven sich übertrugen i. Bei Formen mit hochgradig spezialisierter Lebensweise, wo die Larve überdies dieselben Lebensbedingungen hat wie die Imago, ist daher auch eine relativ große Ähnlichkeit der Mundteile von Larve und Imago zu erwarten. Dies gilt namentlich für die symphilen Gattungen Lomechusa und Ätemeles. Sowohl bei den Imagines wie bei den Lar- ven bringen die sichelförmigen, gerinnten Oberkiefer die räuberische Lebensweise zum Ausdruck, die breite Zunge und die verkürzten Taster dagegen die symphile (Fütterung aus dem Munde der Wirte)^, und zwar bei den Larven in noch extremerer Weise als bei der Imago. Während im Laufe der Stammesentwicklung von Lomechusa und Atemeies die äußere Körperform der Larven durch Verkürzung der Fühler und Beine immer weiter vom Typus der Staphylinidenlarven abwich und demjenigen der Curculionidenlarven sich näherte, wurden die Mundteile umgekehrt in derselben Richtung spezialisiert wie bei der Imago. Die Beine der erwachsenen Larve von Lomechusa (und Atemeies) weichen vom gewöhnlichen Typus der Staphylinidenlarven nur durch bedeutende Verkürzung ab. Die Beine der Lomechusa-haTve sind relativ noch stärker verkürzt als jene der Atemeles-hawe (vgl. Taf. X, Fig. 27 mit Nr. 5, S. 325 [81 Separ.], Fig. 5). Bei der 10 mm langen Lomechusa -haTYe sind sie ungefähr 0,8 mm (in gekrümmter Hal- tung) lang, ausgestreckt etwa 1 mm. Die Hüften sind relativ groß, schwach kegelförmig vorragend; Schenkel und Schienen kurz, der eingliedrige Tarsus sehr kurz, mit einer einfachen Klaue. 4b. Zur Anatomie der erwachsenen Lomeehusa-Larve. (Taf. X, Fig. 25 u. 26.) Hier sollen nur einige Punkte kurz hervorgehoben werden auf Grund der Schnittserien zuni Vergleich mit der jungen Atefneles-Larye vom Stadium II (s. unter 5 a, S. 372 ff.). 1 S. hierzu auch Deegenee, Die Metamorphose der Insekten, 1909, S. 14. 2 S. hierüber namentlich Nr. 51, S. 420ff. Neue Beiträge zur Biologie von Lomechusa und Atenieles. 371 Das Ganjiliensystem der erwachsenen Larve ist gut entwickelt, die Sclilundganglien jedoch relativ kleiner als bei der Atemeles-Lavxe vom Stadium II. Die drei Thoraxganglien paare sind schmal und lang, die Hinterleibsganglien etwas kleiner. Der Csophagus geht am Hinterendo des Prothorax in den sehr langen und breiten Mittel - darni über, welcher auf medianen Sagittalschnitten oft ein Drittel der Körperbreite einnimmt in seinem ganzen Verlauf. Im 10. Seg- ment geht er in den viel schmaleren Enddarm über (vgl. hierzu die Bildung des Darmkanals in der jungen Atemeles-haiTye S. 373). Die malpighischen Gefäße (Taf. X, Fig. 25, m) sind sehr stark ent- wickelt, von bedeutender Länge und Breite und vielfach gewunden; zu den Seiten des Mitteldarms reichen sie nach vorn bis an den Meta- thorax. Von Gonaden konnte ich nur eine schwache Anlage im 9. Segment entdecken, in Form von je drei dünnen, kurzen Schläu- chen, welche schräg einwärts nach hinten konvergierend ziehen und deshalb auf den Sagittalschnitten je drei sich successiv einander nä- hernde Schnittpunkte bilden (vgl. Taf. X, Fig. 25, g). Ob dies wnrk- hch die jungen Gonaden sind, wage ich nicht zu entscheiden; jeden- falls ließ sich kein andres Organ der erwachsenen Larve als solche deuten. Das Fettgewebe ist sehr umfangreich entwickelt (Taf. X, Fig. 25 u. 26, /). In dasselbe sind vereinzelte große Oenocyten ein- gelagert, welche in den letzten Thoraxsegmenten und den ersten und den vorletzten Abdominalsegmenten besonders groß und kugelförmig sind und zu je einem Paar dorso-lateral in dem betreffenden Segmente liegen; diese Riesenzellen machen fast den Eindruck von einzelligen Drüsen, haben jedoch sicher nicht deren Struktur; auch für Uratzellen kann ich sie nicht halten. Eine dieser Zellen aus dem vorletzten Ab- dominalsegment ist Taf. X, Fig. 26 abgebildet. Sie mißt mit dem Ocularmikrometer gemessen (kontrolliert mit dem Objektmikrometer) 130 X 120 X 110 /i. Der große eckige Kern zeigt nur undeutliche Um- risse, da das Zellplasma ebenfalls stark basophil ist. Vielleicht stehen diese Riesenzellen doch mit einer Exsudatfunktion im Zu- sammenhang. 5. Larvenstadien von Atemeies. (Hierzu Taf. IX, Fig. 14 und Taf. X, Fig. 28—31.) Da diese Larven denen von Lomechusa sehr ähnlich sind, da ferner die Larven von Atemeies paradoxus bereits früher (Nr. 5, S. 324 ff. [80 ff. Separ.]) von mir beschrieben worden sind, die Larven von At. emarginatus (Nr. 11, Nachtrag S. 263) und jene von At. pubicollis 372 E. Wasmann, (Nr. 109) ebenfalls, da endlich oben im 3. Kapitel dieses Abschnittes B (S. 327 ff.) manche Einzelheiten über jüngere Stadien der Atemeles- Larven bereits gegeben wurden, beschränke ich mich hier auf einige ergänzende und zusammenfassende Angaben. Auffallend ist, daß die jüngsten von mir gefundenen Larven der verschiedenen Atemeies -Arten in der Größe (speziell in der Kör- perlänge) hinter den jüngsten Lofnechusa-h&vven nicht zurückstehen, obwohl in den folgenden Stadien die entsprechenden Atemeles-haTven stets erheblich kleiner sind als die entsprechenden LomecJmsa -Lar- ven, und die erwachsenen Lomechusa-Larven die erwachsenen Larven der kleineren Atemeies- Arten um etwa 4 mm, jene der größeren Ate- meles-Arten um etwa 2 mm Größe übertreffen. Auffallend ist ferner, daß bei den Larven der kleineren Atemeies -Arten Stadium I gar nicht gefunden wurde, und daß bei jenen der größeren Arten wenigstens keine so scharfe Scheidung zwischen Stadium I und II sich zeigte wie bei den Zomec/iMsa-Larven. M,öglicherweise hängt das zusammen mit Übergängen zwischen Viviparität und Ovoviviparität, in- dem bei den Lomechusa-harven das freie (von der Eihaut befreite) Larvenleben früher zu beginnen scheint als bei den Atemeies -Jj&rven, und bei den Larven der größeren Atemeies- Arten früher als bei jenen der kleinen (s. oben S. 362). 5 a. Larve von Atemeies paradoxus Grav. Stadium II. (Taf. IX, Fig. 14.) Eine der zahlreich bei F. rufibarhis Anfang Juni 1902 zu Luxem- burg gefundenen jungen Atemeies -Larven (s. oben S. 327 — 329), die dem Stadium II der Lomechusa-Larven entsprechen, wurde damals mit Hämalaun (Mayer) in toto schwach gefärbt und in Canadabal- sam eingebettet. Damals und im April 1914 wurde das Objekt photographiert. Wegen der besseren Aufhellung während des zwölfjäh- rigen Aufenthaltes im Canadabalsam wählte ich die letztere Photogra- phie zur Eeproduktion als Übersichtspräparat (Taf. IX, Fig. 14). Die 1,4 mm lange und 0,72 mm breite Larve zeigt 13 Segmente. Am 1. Segment (Kopf) ist der helle Bogensektor am Vorderrande der Clypeus. Der unmittelbar dahinter stehende halbmondförmige schwarze Querfleck sind die zusammengebogenen Oberkiefer. Zu jeder Seite des Clypeus, in der Ausbuchtung des Kopfrandes stehen die winzig kleinen papillenförmigen Fühler von 20 /.i Länge ; sie sind so lang wie breit, bei starker Vergrößerung aus zwei fast gleich großen ringför- migen Gliedern bestehend, mit einem äußerst kleinen, kegelförmigen Neue Beiträge zur Biologie von Lomechusa und Atemeies. 373 Anhangsglied (Endpapille), das ziemlich zentral auf der Spitzenfläche des zweiten Gliedes steht. Das 2. Segment ist der relativ große Pro- thorax. Der große nieronfiu-mige Fleck in der Mitte des Vorderrandes ist das doppelte Schlimdganglion ; der große zentrale Fleck am Hinter- rande, der auf das folgende Segment übergreift, sind die umfangreichen Thoraxspeicheldrüsen, welche mit dem sie umgebenden Fettgewebe bis zum Hinterrand des 3. Segments (des Mesothorax) reichen. In das kurze 4. Segment (Metathorax) ragen bereits die Spitzen der eigen- tümlichen gabelförmigen oder Y-förmigen Anlage hinein, die vom 5. bis zum 13. Segment reicht und somit den ganzen Hinterleib ein- nimmt. Auf den ersten Blick hat dieses Organ große Ähnlichkeit mit Ovarien samt Oviduct. Bei näherer mikroskopischer Untersu- chung des sehr klaren Präparates erwies sich jedoch diese Deutung als ganz unhaltbar, zumal in diesem Jugendstadium der Larve der Cronoduct noch nicht bis zur Hinterleibsspitze reichen konnte. Es handelt sich in Wirklichkeit um das Darmsystem, von welchem sonst in dieser Larve nichts vorhanden wäre. Der hintere, röhren- förmige, bereits ausgebildete Abschnitt ist der J^nddarm, die von ihm ausgehenden beiden Aste sind die Wände des nach vorn vorwach- senden und später mit dem Ösophagus sich vereinigenden Mittel - dar ms. Diese Erklärung wurde mir auch durch Heymons bestätigt, welchem ich die Photographie und das Originalpräparat zur Ansicht gesandt hatte. Nach Übersendung des letzteren schrieb er mir (22. V. 1914): >> Jetzt ist für mich gar kein Zweifel mehr, daß Sie mit der Deu- tung der fraglichen Y-förmigen Anlage im Rechte sind. Der Zusam- menhang des mipaaren Stückes (Enddarms) mit den beiden nach vorn abgehenden Schenkeln ist ganz klar; letztere sind die Epithelstreifen des Mitteldarms, die hinten aus großen, wie ich annehme, wohl schon funktionsfähigen Zellen bestehen und nach vorn hin allmählich ver- schwinden.« Die beiden Schenkel des Mitteldarms reichen vom 5. bis zum 8. Segment einschließlich. Die erwähnten größeren Darmepithelzellen, vier bis sechs auf jeder Seite, beginnen erst kurz vor der Vereinigung der beiden Schenkel; oralwärts gehen sie in immer kleinere Zellen über, bis die AVände schließlich nur noch die Gestalt eines schmalen Doppelstreifeus annehmen, in dem noch keine Zellgrenzen deutlich erkennbar sind. Das Rohr des Enddarms ist im 9. Segment birnför- mig erweitert, krümmt sich dann ein wenig nach oben und dann wieder nach unten und zeigt namentlich im 10. und 11. Segment bei starker Vergrößerung feine, enggedrängte Querfalten seiner Wandung. Das 374 E. Wasmami, gerundete Ende der vereinigten Schenkel des Mitteldarms ragt etwas hinein in die birnförmige Erweiterung des Enddarms an der Grenze des 8. und 9. Segments. Besonders im 9. und 10. Segment liegen zu jeder Seite des Enddarms die langen, vielfach gewundenen malpighi- schen Gefäße, von denen auf der Photographie nur einige kleine, in der Einstellungsebene liegende Schleifenstücke im 9. Segment erkenn- bar sind; ihre hintere Mündung in das Proctodaeum liegt sehr weit analwärts im 12. Segmente. Im 11. Segment finden sich jederseits vom Enddarm rosettenförmige Drüsenbündel, die auf der Photogra- phie als runde Flecke sichtbar sind; w^ahrscheinlich sind es die Anal- drüsen. Von einer Genitalanlage ist in diesem Larvenstadium noch nichts zu bemerken. Vergleicht man den inneren Bau dieser Atemeles-hsiTve vom Sta- dium II mit den Schnittserien der erwachsenen Larve von Atemeies faradoxus, die mit jenen der erwachsenen Lomechusa-hsiTYe (s. oben S. 371 und Taf. X, Fig. 25 u. 26) wesentlich übereinstimmen, so zeigen sich hauptsächlich folgende Unterschiede. Das Schlundganglienpaar ist bei der jungen Larve weit massiger entwickelt als bei der erwach- senen, während bei letzterer eine differenzierte Bauchganghenkette vorhanden ist, die bei der ersteren noch nicht erkennbar war. Die bei der jungen Larve mächtig entwickelten Thoraxspeicheldrüsen konnte ich bei der erwachsenen Larve nicht wiederfinden; sie sind völhg rückgebildet und daher als »provisorische Larvenorgane<< der ersten Larvenstadien zu bezeichnen; wahrscheinlich hängt ihre Re- duktion mit dem Wechsel der Ernährungsweise zusammen, indem die jungen Larven fast nur von Eiern und jungen Larven der Ameisen leben, während die älteren Larven vorzugsweise aus dem Kröpfe der Arbeiterinnen gefüttert werden. Der mächtig entwickelte Mitteldarm der erwachsenen Larve ist im Stadium II erst in der Entstehung be- griffen (Schenkel des Y-förmigen Organs). Der Enddarm ist bei dieser jungen Larve relativ länger und breiter als bei der erwachsenen. Die malpighischen Gefäße sind dagegen bei letzterer relativ länger und viel dicker und reichen seitlich vom Mitteldarm bis zum Metathorax hinauf. Sie sind im übrigen eigentlich persistierende Organe der ver- schiedenen Larvenstadien, indem sie vom Stadium II bis zum Ende des Stadiums IV nur relativ geringe Veränderungen zeigen, die haupt- sächlich auf der Größenzunahme beruhen. Das Fettgewebe ist bei der erwachsenen Larve weit stärker entwickelt als bei der jungen Larve. Von den riesigen Oenocji^en des Stadiums IV konnte ich im Stadium II wenigstens bisher noch nichts bemerken. Neue Beiträge zur Biologie von Loinccluisa und Atcmeles. 375 5b. Larvenstadien von Atemeies paradoxus. Einige Malie der paradoxiis-LuvYen des Stadiums II, die im Juni 1902 im Brutmaterial von Formica rufibarbis gefunden wurden, sind bereits oben (unter B, S. 328f.) gegeben; ebenso Maße der im Mai 1909 gefundenen jüngsten Larven derselben Art. In dem ganzen Material ist Stadium I — d.h. das dem Stadium I der Lomechusa-Lan-ven entsprechende Stadium — nicht vertreten, sondern nur Stadium II von elliptisch-tonnenförmiger Gestalt und kaum bemerkbarer Segmen- tierung. Die kleinste dieser Larven ist 1,22 mm lang und 0,48 mm breit, also schon erheblich länger aber dabei viel schmaler als die klein- sten Lotnechusa-Ijavven (Ix 0,6 mm) vom Stadium I. Ihre Gestalt L^eicht der auf Taf. X, Fig. 16 abgebildeten LomecÄwsa-Larve vom Stadium II, ist aber gestreckter, stärker walzenförmig. Die größte paradoxus-hsLTve des Stadiums II in dem nämlichen Material erreicht 2,2 X 0,75 mm, ist also nicht weit entfernt von der oberen Größen- grenze des Stadiums II der Lomechusa-haTveu, aber viel schmaler. Aus dem Beginne des Stadiums III liegt unter dem Material von 1909 eine erst 2,1 mm lange und 0,86 mm breite paradoxus-JjanYe vor, neben andern, die Übergänge zum Stadium IV bilden. Wie be- reits oben (S. 329) bemerkt wurde, erfolgt die zum Stadium III über- leitende Häutung der paradoxus-IjaTve somit bei etwa 2,2 mm (bei der Lomechusa-haTve bei etwa 2,8 mm; s. oben S. 364). Die erwähnte jüngste paradoxus-'LaTYe von Stadium III ist noch nicht gekrümmt, der Körper oben fast flach, hinten stärker verengt, der relativ große Kopf sehr nahe an den Thorax gerückt, die Beine ragen gerade, lang und spitz vor, die Fühler sind relativ lang (40 jli), fast doppelt so lang wie breit, zweigliedrig, mit einem papillenförmigen sehr kleinen An- hangsgUede auf der Endfläche des zweiten Gliedes. Diese Larve gleicht der auf Taf. X, Fig. 17 abgebildeten jüngsten Lomechusa- Larve vom Stadium III, ist aber flacher und hinten spitzer als diese, der Kopf relativ tiefer eingedrückt, die Fühler relativ länger, die Beine relativ länger und spitzer, endlich absolut genommen weit kleiner, da die entsprechende Lomechusa -Larve bereits 3 mm mißt. Die paradoxus-LsiVYe vom Stadium III ist, abgesehen von der etwas ge- ringeren Größe, sehr ähnlich der auf Taf. X, Fig. 29 abgebildeten tnin- cicoloides-haTve vom Stadium III. Von da an werden die Größenuuterschiede zwischen den ent- sprechenden Stadien der Larven von Lomechusa und von Atemeies paradoxus immer bedeutender. Die jüngste paradoxiis-hsuve vom E. Wasmann, 376 St dium IV (aus dem Material von Juni 1902) mißt in gekrümmter wlnnff erst 2,9 mm, ausgestreckt etwa 3,2 mm; die entsprechende iolL'^a-Larve dagegen (Taf. X, Fig. 19) mißt bereits 5 mm. Die erwachsene paradoxus-Le^rve ist gekrümmt etwa 5,.5 mm lang, aas- gestreckt 6,5 mm, die entsprechende Lomechusa-L&iYe dagegen (Taf. X, Ficr 20) gekrümmt etwa 8,5—9 mm, ausgestreckt 10,-5-11 mm. " Obwohl somit im Laufe des Wachstums die Größenunterschiede zwischen den iomecÄMSO-Larven und jenen der kleineren Atemks- Arten für die ich faradoxus als Beispiel wählte, immer beträchtlicher werden, so sind doch merkwürdigerweise die jüngsten von mir ge- fundenen Larven der kleineren Atemeies- kxten bereits absolut größer — der Lance nach — als die jüngsten Lomec/wsa-Larven des Sta- diums I. Zum Vergleiche der Larven der größeren AtemeUs-kii^w mit den iowecÄMsa-Larven dienen die folgenden Angaben über: 5c. Larvenstadien von Atemeies traneieoloides Wasm. (subsp, von pubicoUis Bris.). (Taf. X, Fig. 28-31.) Stadium I bis II, 1,04—2 mm (vgl. die Größenmaße oben S. 332). — Eine so scharfe Unterscheidung zwischen Stadium I und II me bei den Xomec/msa-Larven fand ich hier nicht, aber doch eine größere Annäherung der kleinsten Larven an das Stadium I als bei fardoxn, wo es völlig fehlte. Die kleinste, 1,04x0,4 mm messende Irmm- loides-Larve ist etwas länger als die kleinste Lomechusa-Uw, d'e 1,0x0,6 mißt, aber bedeutend schmaler. Die Körperform ist deutWer segmentiert und unten flacher als beim Stadium II der Lomecfma-^ und paradoa^MS-Larven, hierin dem Stadium I der Lomechm-Urnji':^^ nähernd. Auch die zweitgrößte truncicoloides-L&rye, die ^"^ .^ ^'^j Fig. 28 abgebildet ist, (1,64x0,56 mm) steht trotz i'^'^^'^ ^''° J^J^j^ dem Stadium II der Lomechusa-La.vve entspricht, in der ^"""PJ^^^^. in der Mitte zwischen Stadium I und II und ist sehr <^^^''*'^J ^^^^";j„j„. tiert, nicht glatt tonnenförmig wie das Stadium II o^r ^ n^j^ und pamdoxus-LsiTven. Die abgestreifte Larvenhaut m ^^^^^ tmncicoloides-M&tevM (2,0 x 0,9 mm) gehört einer erwacbsene^^ ^^^^^ vom Stadium II an, die zum Stadium III durch die Hau uHp g^^ig- ,. sta<«"^ Stadiumlll, 2,3— 3 mm. Die jüngste Larve ^^^^ ^^ j^^je" (Taf. X, Fig. 29) gleicht sehr der jüngsten Lomechusa-Ur^'^^^^ ^ ^ Stadiunis (Taf. X, Fig. 17), ist aber viel kleiner (2,3 gegen^ Zu „Waamann. Biologie von Lomechtiaa" (zu S. 363). Neue Beiträge zur Biologie von Loincchusa und Atemelcs. 377 relativ schlanker, flacher, mit spitzeren, weit längeren Beinen und tieferem Kopfeindruck. Sie nähert sich der oben (8. 375) beschrie- benen jüngsten Larve des Stadiums III von ÄtemeJcs paradoxus, ist aber weniger stark zugespitzt und relativ breiter, obwohl absolut nur wenig größer (2,3 gegen 2,1 mm). Stadium IV, 3—8,5 mm (Taf. X, Fig. 30 und 31). Die junge Larve dieses Stadiums (Fig. 30) unterscheidet sich von der entspre- chenden Lomechusa-havve (Taf. X, Fig. 19) hauptsächlich durch die geringere Größe (3,5 gegen 5 mm) und relativ um die Hälfte längere Beine. Von der erwachsenen tnincicoJoides-harye (Taf. X, Fi». 31) ist sie durch ähnliche Unterschiede getrennt wie die betreffende Lo- mechusa-havve von ihrer erwachsenen Form; der Körper der erwach- senen Larve ist relativ schlanker, tiefer geringelt, der Kopf relativ größer, die Beine stärker gekrümmt. Von der erwachsenen Lome- chusa-'Lavye (Taf. X, Fig. 20) unterscheidet sich die erwachsene trun- cicoloides-haive- (Fig. 31) durch geringere Größe (8,5 gegen 10,5 mm), mehr gleichbreite, nach vorn weniger verschmälerte Gestalt, relativ größeren Kopf, etwas längere und dichtere Behaarung und gelblichere Färbung; die Länge der Beine ist fast dieselbe bei beiden Endstadien, doch sind sie bei der truncicoloides-hsivve ein wenig schlanker und spitzer. Ferner ist der dreieckige Stirneindruck bei letzterer tiefer als bei der Lomechusa-LiSLYve. Bei den Larven der größeren Atemeies- Arten, für die ich At. trun- cicoloides als Beispiel wählte, sind somit die jüngsten mir vorliegenden Formen ebenfalls etwas länger (aber schmaler) als die jüngsten Lome- chusa-hsivven, nähern sich jedoch mehr dem Stadium I der letzteren als die jüngsten paradoxus-hsiTyen, die sämtüch schon zum Stadium II gehörten und auch absolut bereits größer waren als beide. Wie be- reits oben (S. 372) angedeutet wurde, können diese Unterschiede vielleicht mit verschiedenen Stufen der Ovoviviparität zusammen- hängen und durch künftige Forschungen entwicklungsgeschichtlich aufgeklärt werden. 6. Puppenstadien von Lomechusa und Atemeies; Puppengehäuse. 6a. Puppenstadien von Lomechusa strumosa. Halbpuppe oder Vorpuppe (Taf. IX, Fig. 9). In der Körper- bildung in der Mitte stehend zwischen der erwachsenen Larve vom Sta- dium V (Taf. X, Fig. 21) und der echten Puppe (Taf. IX, Fig. 10 u. 11), die vordere Hälfte der Puppe, die hintere der Larve entsprechend. Der Vorderkörper ist bereits eine Puppe, mit freien, von einer Puppen- Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CXIV. Bd. 25 273 -E- Wasniann, haut umhüllten CTliedmaßen i ; der Hinterleib dagegen gleicht noch der walzenförmigen Larve und zeigt keine imaginalen Organe. Der ganze Körper ist nur wenig kürzer und breiter als bei der erwachsenen Larve, der Hinterleib etwas breiter als bei dieser, der Vorderkörper erheblich schmaler als bei der echten Puppe. Die Färbung ist weiß oder blaßgelbhch. Ich halte diese Halbpuppe nicht für ein regelmäßiges Stadium in der Metamorphose von Lomechusa, da sie nur bei einer meiner Larvenzuchten zu Exaten (22. Juni bis 3. Juli 1898) in einem einzigen Versuchsnest (Lubbocknest 86^^) beobachtet wurde, hier jedoch in mehreren Exemplaren. Bei allen andern Lomechusa -Zuchten von Exa- ten und Luxemburg (z. B. Juni 1904, s. oben S. 345 ff.) beobachtete ich sie nicht, sondern nur die echte Puppe; desgleichen erschien sie bei keiner meiner Atemeles-Zuchten. Jene Halbpuppe ist daher wahr- scheinlich als eine Hemmungsbildung zu betrachten, die durch äußere Einflüsse veranlaßt wird, welche die normale Entwicklung anormal verzögern. Nach meinen damahgen Aufzeichnungen dauert es 3 bis 4 Tage, bis die Vorpuppe in die echte Puppe sich verwandelt. Direkt beobachtet habe ich diesen Vorgang nicht. Die hier beschriebene Vorpuppe von Lomecliusa strumosa ent- spricht der von Silvestri^ bei Lebia scapularis beobachteten >>Prae- nympha<<, welche bei dieser Art ein regelmäßiges Stadium bilden und durch eine neue Häutung in die echte Puppe sich verwandeln soll. Ohne eine neue Häutung könnte auch die Vorpuppe von Lomechusa nicht zur echten Puppe werden, da ihr Hinterleib noch ganz larval ist. Sie kann somit nicht als eine >>Seniipupa<< im Sinne von Hey- MONS^ angesehen werden, die ohne neue Häutung zur echten Puppe auswächst. Andererseits aber zeigt der puppenähnliche Vorderkörper bei demselben Exemplar, das auf Taf . IX, Fig. 9 photographiert ist*, den durch zufälliges Abstreifen einer der beiden Fühlerscheiden be- reits frei gewordenen, perlschnurförmigen, wie bei der Imago gestal- 1 An einem Fühler wurde beim Reinigen des Objektes von den anhaftenden Staubteilchen die Hautscheide abgestreift, so daß hier der noch weiße, weiche imaginalc Fühler bereits freiliegt. 2 Contribuzione alla conoscenza delle metamorfosi e dei costumi della Lebia scapularis Fourcr. (Redia, IL fasc. 1, 1904), p. 78 und Taf. IV, Fig. 4. 8 Die verschiedenen Formen der Insektenmetamorphose usw. (Ergebnisse u. Fortschritte d. Zool., L, 1. Heft 1907), S. 175. * Die Photographie zeigt die Oberseite; der Fühler ist hier nur von der Unterseite sichtbar. Xeuc Beiträge zur Biologie von Lomechusa und Atcmcles. 379 teten, aber noch weißen Fühler. Würde sich somit der Vorderkörper nochmals häuten, so könnten scliwerlich die der echten Puppe (Taf. IX, Fig. 10 u. 11) zukommenden dicken Fühlorscheiden nochmals ent- stehen. Diese Widersprüche bestärken mich in der Ansicht, daß die Halbpuppe von Lomechusa eine anormale, auf Hemmungsbil- dung beruhende Erscheinung ist, bei welcher die Verwandlung der Larve in die Puppe nur unvollständig erfolgte. Ob sie einer wei- teren Entwicklung überhaupt fähig ist, muß dahingestellt bleiben. Bezüglich ähnlicher Unregelmäßigkeiten in der ^Metamorphose bei an- dern Coleopteren verweise ich auf die Ausführungen von Heymons (1907, S. 171 ff.). Echte Puppe (Tai. IX, Fig. 10 u. 11). — Diese ist eine vollkom- men freie Puppe und gleicht in der Körpergestalt, auch in der Form und Gliederung des Hinterleibes, ganz der künftigen Imago, deren sämtliche äußere Körperteile an ihr vorgebildet und von der Puppenhaut umgeben sind. Fühler und Beine sind angezogen, ziemlich eng an den Leib gelegt, die Vorder- und Hinterflügel ragen in ihren Scheiden seitlich schräg nach unten vor. Der Hinterleib ist schwach aufge- rollt. Die Puppe ist anfänglich weiß, dann gelb, schließlich rötlich. Zugleich wird die Puppe, die in den ersten 5 — 8 Tagen noch einen dünnen Hinterleib hatte (der aber ebenso breit ist wie bei der Imago), am Ende ihres Wachstums rasch dicker, bis sie in wenigen Tagen den Umfang der Imago erreicht. Da die Körperteile der Imago an der freien Puppe — ähnlich wie bei einer nackten Ameisenpuppe — völlig vorgebildet sind, ist es in den letzten Tagen des Puppenstadiums oft schwer, von der Unterseite des Glasnestes aus eine in der Puppen- wiege liegende reife Puppe von dem frischentwickelten Käfer zu unter- scheiden, da letzterer noch etwa 8 Tage lang die zusammengekauerte Körperhaltung beibehält. Am leichtesten kann man an dem Ver- schwinden der Flügelscheiden, von denen die hinteren länger ihre herabhängende Stellung beibehalten, und an dem Freiwerden der perlschnurförmigen Fühler den Zeitpunkt des Abstreifens der schließ- lich nur noch äußerst dünnen Puppenhaut erkennen. Letztere scheint dann vom Käfer gefressen zu werden, da ich sie in den leeren Kokons nicht mehr vorfand. 6b. Puppenstadien von Atemeies. Die Puppen von Atemeies emarginatus, paradoxus, pubicolUs und truncicoloides, die ich durch Aufzucht in meinen Versuchsnestern er- hielt, waren sämthch echte, freie Puppen (Nymphae), die von 25* 330 E. Wasmann, der echten Lomechusa-'PuT^^e nur durch geringere Größe, etwas schlan- kere Gestalt (bei gleichfalls aufgekrümmtem Hinterleib) und durch die immer deutlicher hervortretenden specifischen Merkmale der be- treffenden Imago sich unterscheiden. Deshalb gehe ich auf ihre Be- schreibung nicht weiter ein. Halbpuppen (Praenymphae) habe ich bei keiner Atemeles-Ait beobachtet. Die Puppengehäuse von Lomechusa und Atemeies, die ich als »Puppen wiegen« bezeichnete, bestehen aus einem äußerst dünnen seidenartigen Kokon, der von der Larve gesponnen wird und mit den anhaftenden Brdteilchen eine erbsenförmige Kugel bildet. Über Ge- stalt und Verfertigung dieser Puppenwiegen s. oben unter B, S. 342, und C, S. 364. Tai. IX, Fig. 12 zeigt die Puppen wiege von Lome- chusa, mit einer vertrockneten Larve im Innern, Fig. 13 die leere Pup- penwiege von Atemeies paradoxus. Kann man von Hyper metamorph ose bei Lomechusa und Ate- meles sprechen? — Von Hypermetamorphose im eigentlichen und engeren Sinne jedenfalls nicht, als deren wichtigste Eigentümlichkeit die Einschaltung eines Scheinpuppenstadiums in die Entwicklung der Larve nach Heymons (1907, S. 168) anzusehen ist. Die Aufeinander- folge verschiedengestalteter Larvenstadien, die auch bei Bruchus {Mylabris) und einigen andern Coleopteren vorkommt, begründet noch keine eigentliche Hypermetamorphose. Ebenso auch nicht das Vorpuppenstadium, das zudem nur eine ausnahmsweise Erscheinung in der Metamorphose von Lomechusa bildet. 7. Entwicklungsdauer von Lomechusa und Atemeies. Ich rechne die Entwicklungsdauer hier vom Beginn des ersten Larvenstadiums an bis zum Zeitpunkte, wo der bereits großenteils ausgefärbte und erhärtete Käfer spontan die Puppenwiege verläßt. Da die Larvenperiode von Lomechusa in den Nestern von For- mica sangui'fiea, während welcher mehrere Larvenserien aufeinander- folgen, 11/2 — 2 Monate dauern kann (s. oben unter A, S. 297 ff.), da ferner die Larvenperiode der verschiedenen Atemeies- Arten bei ihren betreffenden Formica-Wivten sogar 2 — 3 Monate dauern kann (s. oben unter A, S, 301), ist es nicht möglich, aus den Funden der ersten jungen Larven und der ersten frischentwickelten Käfer in einem Neste in freier Natur sichere Schlüsse auf die individuelle Ent- wicklungsdauer zu ziehen. Diese mußte daher durch Zuchtver- suche festgestellt und mit den Befunden in freier Natur vergUchen werden. Neue Beiträge zur Biologie von Lomochiisa und Atenielcs. 381 7a. Entwicklungsdauer von Lomechusa strumosa. (^iehe oben unter A, S. 297 u. 305 u. B, 8. 348.) Dauer desLarveiiwachstums von StadiumI — IV( 1 — 1 1 mm) : 1 0 — 14 Tage Larve in der Puppenwiege (Stadium Y) 0 — 8 Tage Puppenstand 10— 1 4 Tage Erhärtimg mid Ausfärbung des Käfers bis zum Verlassen der Puppen wiege 7 — 10 Tage Gesamtdauer der Entwicklung daher 33 — 46 Tage oder 1 — IV2 Monat. Selbstverständlich sind die jeweiligen Witterungs- und Tempe- raturverhältnisse, welche teils direkt die Entwicklungsdauer der Lar- ven und Puppen beeinflussen, teils indirekt durch reichhchere oder spärlichere Ernährung der Larven, für die Verschiedenheiten der Ent- wicklungsdauer maßgebend. Meist nähert sich dieselbe der letzteren Grenze. Durch die sorgfältige Pflege, welche diese Adoptivlarven von ihren Wirten "erhalten, bleiben die Unterschiede der jeweiligen Witte- rungsverhältnisse fast ohne Einfluß auf das konstante Optimum der Entwicklungsbedingungen. Daher die außerordentlich geringen Schwankungen der specifischen Körpergröße bei den Imagines der verschiedenen Atemeles-Avten im Vergleich zu andern freilebenden Aleocharinen, z. B. aus der Gattung Aleochara'^. Noch ausgeprägter ist die Konstanz der Körpergröße bei Lomechusa strumosa, welche G,5 mm bei ausgestrecktem Hinterleib und 5 — 5,5 mm bei aufgeroll- tem Hinterleib beträgt (s. Taf. IX, Fig. 7 u. 8). Unter mehreren Hun- dert Exemplaren, die ich bei Exaten während 15 Jahren fand, weicht keines merklich von dieser Normalgröße ab. Unter den in Versuchs- nestern gezüchteten Exemplaren ist ein einziges, das 1896 bei einer künstlich rasch forcierten Lom^chusa-Zucht erhalten wurde, merklich kleiner als die Normalform, nämlich nur 4,5 mm bei aufgerolltem Hinterleib. Auch die lokalen Verschiedenheiten der Körpergröße von Lomechusa strumosa sind nur sehr gering, wie in meiner Sammlung aus dem Vergleich der Exemplare von Exaten und Blijenbeek in Hol- ländisch-Limburg, von Süd-Luxemburg (Luxemburg-Stadt und Johan- nisberg) und Nord-Luxemburg (Hohscheid im ösling), vom Rheinland (Linz), von Böhmen (Prag und Mariaschein), von Vorarlberg (Feld- kirch), von Südtirol (Monte Baldo, Friese!), von England (Donis- thorpe!) usw\ zu ersehen ist. 1 Bei Aleochara curtula Goeze (fnscipes Grav.) schwankt sie z. B. bei den Exemplaren meiner Sammlung von 5 — 8, .5 mm. 3g2 E. Wasmann, \ 7b. Entwicklungsdauer der kleinen Atemeles-Arten. Atemeies emarginatus Payk. — Ich wähle nur ein Beispiel aus, wo die canze Entwicklung verfolgt werden konnte. Bei einer Zucht von Exaten 1890 (s. oben unter B, S. 354) wurden die ersten, sicher höchstens wenige Tage alten Larven am 28. April beobachtet. Ihr Wachstum war, obwohl sie von den fusca gut gepflegt wurden, ent- schieden viel langsamer als bei den Lomec/msa-Larven. x\m 10. Mai waren die größten erst 5 mm lang, am 26. Mai, also nach einem Monat, waren mehrere Dutzend erwachsen, ausgestreckt 6,5 mm lang; einige waren schon zur Verpuppung in den Erdgehäusen eingebettet. Der erste frischentwickelte Käfer, bereits ziemlich weit ausgefärbt und erhärtet, kam aus der Puppenwiege am 2. Juli, zwei andre am 3. Juli. Die Käfer suchten aus dem Neste zu entkommen. — Die Entwicklung hatte für das Larven Wachstum 3 1/2 — ^ Wochen, für den Aufenthalt in der Puppen wiege 4 — 6 Wochen gedauert, zusammen also T^/2 — 10 Wochen oder I2/3 — 21/3 Monate, erheblich länger als bei LomecJmsa. Atemeies fciradoxus Grav. — Bei meinen zahlreichen Zuchtver- suchen seit 1888 waren meist verschiedenaltrige Larven, aus Nestern in freier Natur entnommen, in größerer Zahl in den betreffenden Be- obachtungsnestern von Formica rufibarbis (oder Polyergus rufescens mit rufiharUs als Sklaven, z. B. Luxemburg 1904), so daß die Wachs- tumsdauer der einzelnen Larve sich nur annähernd verfolgen ließ. Wiederholt konnte ich jedoch feststellen, daß das Wachstum der para- doxus-havven langsamer als jenes der Zomec/msa-Larven erfolgte, aber etwas rascher als jenes der emargifiatus-h&vven, und durchschnittlich 2 1/2 — 3 Wochen dauerte. Die Dauer der Metamorphose in der Pup- penwiege nach der Einbettung war ähnlich wie bei Lomechusa, etwa 1 Monat. Z.B.: 13. Juni 1904 (Luxemburg) waren in einem Lubbocknest , von rufibarbis ein Dutzend erwachsene Larven in den Puppenhöhlen von der Unterseite des Nestes sichtbar; mehrere derselben waren schon vor 4 — 5 Tagen eingebettet w^orden. Am 16. Juni waren 20 Pup- penwiegen sichtbar, von denen fünf bereits eine Puppe enthielten. \ Am 19. Juni 35 Puppenwiegen, in acht bereits eine Puppe. Am 25. .^ Juni waren 31 Puppen vorhanden. Am 27. Juni begannen einige derselben sich bereits blaß röthch zu färben. Am 30. sah ich drei frischentwickelte, helLrotbraune Käfer in ihren Puppenwiegen, außer- dem eine Anzahl Puppen. Viele Puppen waren von den Ameisen herausgezogen und gefressen worden. Am 1. Juli zwang ich die Ameisen Neue Beiträge zur Biologie von Lomcchusa und Ateineles. 383 zur Auswanderung durch eine Glasröhre in ein andres Nest; trotz des Einbhisens von Tabakrauch setzten sie dem Wohnungswechsel ungewöhnlich hartnäckigen Widerstand entgegen^, indem sie beson- ders über den Puppenhügeln sitzen blieben (s. auch Nr. 164, 8. 106). Hierauf wurden sechs frischentwickelte Käfer und sechs Puppen ver- schiedener Reifestadien herausgenommen und in Bolles-Leescher Mi- schung konserviert. Am 4. Juli waren in den Puppenhöhlen noch drei ganz frischentwickelte Käfer sichtbar; sie blieben darin lebend bis zum 12. Juli, am 15. waren sie leider durch Schimmel getötet. Am 10. fing ich an einem der rufiharbis-^ estev in freier Natur einen frisch- entwickelten, bereits fast ausgefärbten At. paradoxus, der im Begriffe war, an einem Grashalm emporzuklettern und davonzufliegen. Die Entwicklungsdauer im Beobachtungsneste hatte also ungefähr Schritt gehalten mit jener in den Nestern draußen, aus denen die betreffen- den Larven geholt worden waren. Für die Entwicklungsdauer von Atemeies paradoxus können wir somit ungefähr ansetzen: Dauer des Larvenwachstums von Stadiumll— IV(1,2— 7 mm) : 17 — 23 Tage Larve in der Puppenwiege 5 — 7 Tage Puppenstand 10—14 Tage Verweilen des Käfers in der Puppen wiege 8 — 12 Tage Zusammen also: 40 — 56 Tage oder fast 1^/2 — 2 Monate. 7c. Entwicklungsdauer der größeren Atemeies- Arten. Atemeies puhicoUis Bris, subsp. truncicoloides Wasm. — Da die am 15. und 20. Juli imd am 6. August 1909 in Beobachtungsnester mit Formica truncicola gesetzten Larven (s. oben unter B, S. 330) • — zusammen weit über 50 — bereits fast alle halberwachsen bis er- wachsen waren (die jüngeren Stadien wurden meist direkt konserviert), so ließ sich die Dauer des Larven Wachstums nicht mehr genau feststellen. WahrscheinUch ist sie — nach den Größenbefunden in freier Natur an den erwähnten Tagen und nach dem Fortschritt des Wachstums in den Versuchsnestern — auf etwa 3 AVochen anzusetzen (s. Nachtrag S. 390). Die Einbettmig der erwachsenen, 8 mm langen Larven, bzw. ihre Einbohrung in die Erde des Beobachtungsnestes, hatte bei den älte- 1 Siehe auch S. 347 und 38 i. — Sonst ziehen die Formica sehr rasch um, wenn man m das neue Nest etwas feuchte Erde gibt, Zucker in die Gänge streut und ein schwarzes Tuch auf die obere Glasscheibe legt, während das alte Nest erhellt wird. 384 E. Wasmann, steu Larven bereits kurz nach der Einrichtung des Beobachtungs- nestes begonnen, am 18. JuH. Der erste Käfer, der die Puppenwiege bereits verlassen hatte und im Neste umherlief, um dasselbe zu ver- lassen, wurde am 18. August daselbst beobachtet. Die Dauer der Metamorphose in der Puppenwiege ist also ähnlich wie bei Lomechusa auf 1 Monat anzusetzen. Bei der gewaltsamen Ausräumung des Be- obachtungsnestes am 25. August, wo die Ameisen trotz Einblasens von Tabakrauch von den Puppenwiegen nicht weichen wollten, fanden sich überhaupt nur noch eine fast reife Puppe, eine noch weiße Puppe und eine noch nicht verpuppte Larve in den Puppenwiegen vor. Alle übrigen, mit Ausnahme von drei Käfern, die vom 18. — 21. August aus der Puppen wiege gekommen waren i, sind von den Ameisen wahr- scheinlich als Puppen hervorgeholt und gefressen worden. Die Gesamtdauer der Entwicklung vom jüngsten Larvenstadium (I — II) bis zum Verlassen der Puppenwiege ist für Atemeies trunci- coloides hiernach auf etwa 7 — 8 Wochen anzusetzen oder auf beinahe 11/2 — 2 Monate; sie ist somit entschieden länger als bei Lomechusa, aber kaum kürzer als bei Atemeies -paradoxus (s. Nachtrag S. 390). 8. Rückblick auf die Entwicklung von Lomechusa und Atemeles. Die Entwicklung von Lomechusa strumosa verläuft im Larven- stande rascher und gleichmäßiger als bei den Atemeles- Alten. Die raschere Entwicklung der Lomechusa-hsuven ist um so auffälliger, da die jüngsten derselben kleiner und die erwachsenen weit größer sind als die Atemeles -hsivven. Sie ist wahrscheinlich in letzter Instanz (phylogenetisch) auf die eifrigere und bessere Pflege derselben durch die Wirtsameise {F. sanguinea) zurückzuführen. Da Lomechusa ein- wirtig ist und ihre Larvenpflege in vielen aufeinanderfolgenden Jahren in denselben Kolonien stattfindet, während unter den doppel- wirtigen Atemeles die kleineren Arten bei ihrem Wirtswechsel häufiger in noch nicht infizierte Kolonien ihres Larvenwirtes geraten, während die 'größeren Atemeles- Arten sogar alljährlich eine andre 1 Aus dem betreffenden truncicola-'^este in freier Natur hatte ich schon vom 4. August an die frischentwickelten Atemeles hervorkommen gesehen (oben S. 331); manche schon früher entwickelte werden mir entgangen sein, weil ich noch nicht auf die betreffende Tageszeit (morgens und abends) achtete. — Wie in freier Natur, so suchten die truncicola auch im Beobachtungsnest die entwei- chenden Atemeles einzufangcn und zurückzubringen. Besonders die kleinsten Arbeiteriimen waren sehr eifrig im Fange der Käfer. Zweien, die einen Flug- versuch machten, wurden die Flügel teilweise ausgerissen, ohne die Käfer im übrigen zu verletzen. Xeuc Beiträge zur Biologie von Lomcchusa und Atemeies. 385 »Zentralkülonie« ihres Larveuwirtes zu wählen scheinen (s. oben unter A, Ö. 291, 301, 308), ist es leicht verständlich, daß die Larvenpflege von Lomechusa sich in symphiler Richtung vollkommener entwickeln konnte als jene der Atemeies. Bezüglich der Dauer der Metamorphose in der Puppenwiege sind dagegen die Unterschiede zwischen Lome- chusa und Atemeies relativ geringer. Betrachten wir die Larven von Lomechusa und Atemeies in ihrer morphologischen Eigenart und ihrer Lebensweise zusammenfassend, so finden wir, daß die Larven in noch höherem Grade in sym- philer Richtung modifiziert sind als die Imagines. Die An- passung dieser Larven an die Brutpflege durch die Ameisen hat sie in den verschiedenen Stadien (I — IV) ihrer Entwicklung völlig um- gewandelt und von dem gewöhnlichen Typus der Aleocharinenlar- ven (und der Staphylinidenlarven überhaupt) so weit entfernt, daß Ganglbauer mit Recht an der Zugehörigkeit der durch Sahlberg beschriebenen Lomec/msa-Larven zu Lomechusa zweifeln konnte, bis durch meine Zuchtversuche der Beweis für ihre Zusammengehörigkeit erbracht war. Und was für das den Curculionidenlarven äußerlich ähnliche Stadium IV dieser Larven gilt, hat in noch höherem Grade für die Stadien I — III Geltung, welche von den Jugendstadien der Staphylinidenlarven noch weiter abweichen. Die symphile Anpassung der Larven von Lomechusa und Ate- meies an ihre Wirte ist ursprünglich eine Folgeerscheinung der symphilen Anpassung der Imagines, und deshalb auch später als die Symphilie der Imagines entstanden zu denken. Erst mußte die f letztere einen gewissen Grad erreicht haben, bevor die Ameisen die Pflege, die sie den Käfern angedeihen ließen, auch auf die Larven derselben übertrugen und ihren Brutpflegeinstinkt auf jene Adoptiv- larven ausdehnten. Merkwürdigerw^eise ist dies nur von Seite der Formica geschehen, welche demgemäß die Larvenwirte sämtlicher Lomechusini geworden sind, während bei den Gattungen Atemeies und Xencdusa die Imagines später zu andei-en AVirtsgattungen {Mijr- mica bzw. Camponotus) übergingen i. Da die Formica allein heute noch die Larvenwirte aller dieser drei Gattungen sind, müssen wir 1 Vgl. hierüber besonders Xr. 154, S. 46 (568) ff. und Xr. 179. Daß die Differenzierung der Arten bei den größeren Atemeies heute noch nicht abge- schlossen ist, -wurde ebendort gezeigt. — Daß säinthche Lomechusini heute noch ihre Larven bei Formica erziehen lassen, kann für Atemeies und Xenodusa nicht als »Atavismus« bezeichnet werden, da es sich nicht um einen Rück.schlag in eine ph3logenetisch ältere Lebensweise, sondern vielmehr um eine Beibehaltung derselben im Larvenstande handelt. 386 E. Wasmann, aimehmeu, daß nur bei Formica die neuropsychischen Anknüp- funf^spunkte sich fanden für die Ausdehnung der eigenen Brutpflege auf jene der genannten Käferlarven. Ohne dieses »psychische Korre- lat« wäre die Entstehung der Symphilie der Larven der Lomechusini nicht mügUch gewesen und infolgedessen auch nicht die progressive Weiterentwicklung der Symphilie der Imagines. Während nämlich früher die Pflege, welche die Ameisen jenen Käfern zuwandten, nur auf die Imagines sich bezogen hatte, ging sie von da an auch auf die Larven derselben über. Hiermit trat selbstverständlich eine bedeutende Steigerung der züchtenden Wirkungen der »Amikalselektion« ein, durch welche die drei Gattungen der Lomechusini in der heutigen Form ihrer Arten entstanden sind^. Am vollkommensten konnten sich diese Wirkungen zeigen bei der Gattung Lomechusa, deren Arten einwirtig blieben, indem hier dieselbe Formica-Art Käfer und Larven pflegt. Dem entspricht auch der höhere Grad der symphilen Entwicklung, den wir bei Lomschusa gegenüber Atemeies und Xenodusa finden, und zwar sowohl bei den Käfern als bei ihren Larven. Bei Lomechusa finden wir nämlich eine vollkommene Differenzierung der Larve in vier Stadien bei rascherer Entwicklung, während bei den kleineren Atemeies nur drei Stadien bekannt sind, und bei den gröi3eren Ate- meies Stadium I und II wenigstens nicht so scharf getrennt sind wie bei Lomechusa; die Xenodiisa-\j2^T\en endlich stehen in der symphilen Umbildung weit zurück gegenüber den beiden andern Gattungen, mit Ausnahme der Untergattung Pseudolotnechusa {X. Sharfi Wasm.), welche auch in ihrer Larvenform Lomechusa ähnlich ist (s. oben S. 368). In psychischer Beziehung ist jedoch mit der Einwirtigkeit von Lome- chusa insofern ein Rückschritt verbunden, als die Imagines sich den Ameisen gegenüber weit passiver verhalten als die Atemeies, deren höhere Initiative (Aufforderung zur Fütterung nach Ameisenart, usw.) eben durch ihre Doppel wirtigkeit bedingt ist. Daß die symphile Anpassung der Lomechusini im Laufe ihrer Stammesgeschichte nicht eine bloß einseitige war, die nur die Gäste beeinflußte, welche allein als Imagines wie als Larven die symphilen Anpassungscharaktere zeigen, sondern in instinktiver Beziehung eine gegenseitige, indem bei den betreffenden Ameisenarten sich die erbliche Neigung zur Pflege der Imagines und (bei den Formica) später auch der Larven derselben sich entwickelte, wird durch die Tatsachen selber uns nahegelegt. Auf der vorhandenen Grundlage des Brut- 1 Über das Verhältnis derselben zur Naturalselektion s. besonders Nr. 173, S. 164ff. Neue Beiträge zur Biologie von Loinechusa und Atemeies. 387 pflegeiustiiiktes der ^^ irte traten spezifische Differenzierungen desselben in Bezug auf bestinunte fremde Objekte — nämlich in Be- zug auf die verschiedenen Lornechusini und deren Larven — im Laufe der .Stammesgeschichte auf, wie wir sie heute tatsächlich als spezifisch begrenzte »Symphilieinstinkte« vorfinden, vermöge deren z. B. Formica sanguinea nur die Loniechusa und deren Larven dauernd pflegt und erzieht, F. rufibarhis nur den Atemeies paradoxus und dessen Larven, F. fusca nur den Atcmeles emarginatus und dessen Larven, usw. usw. Hiermit dürfte weiteren Mißverständnissen der von mir angenommenen Symphilieinstinkte und der Wirkungsweise der Amikaiselektion vor- gebeugt sein. Schlußbemerkung. In vorliegender Arbeit konnte nur ein kleiner Teil meines biolo- gischen Materials über Loniechusa und Atemeies verwertet werden. Namentlich die für die Entwicklungbedingungen der Symphilie so wichtigen »internationalen Be Ziehungen <. Vorbemerkungen zu den internationalen Beziehungen der Ameisengäste. — Biol. Centralbl. XL 1891. Nr. 11. S. 331—343. 21. Die zusammengesetzten Nester und gemischten Kolonien der Ameisen. Münster 1891. 22. Neue Termitophilen, mit einer Übersicht über die Termitengästc. — Verh. Zool Bot. Ges. Wien 1891, S. 647—658 und Taf. VI. *24-. Die internationalen Beziehungen von Lomechusa strumosa. — Biol. Cen- tralbl. XIL 1892. Nr. 18—21. 25 . Zur Biologie einiger Ameisengäste. — Deutsch. Ent. Ztschr. 1892. II. S. 347—351. 33. Die europäischen Dinarda, mit Beschreibung einer neuen deutschen Art. — Deutsch. Ent. Ztschr. 1894. IL S. 275—280. 392 ^- Wasmaiin, *'H. Zur Lebens- und Entwicklungsgeschichte von Atemeies pubicollis, mit einem Nachtrag über Atemeies emarginatus. — Deutsch. Ent. Ztschr. 1894. IL S. 281— 283. *35 . Über Atcmeles excisus Thoms. — Deutsch. Ent. Ztschr. 1894. IL S. 283 bis 284. *38. Kritisches Verzeichnis der myrmekophilen und termitophilen Arthro- poden. Mit Angabe der Lebensweise und Beschreibung neuer Arten. Berlin 1894. (S. 61—65.) *45. Zur Biologie von Lomechusa strumosa. — Deutsch. Ent. Ztschr. 1895. IL S. 294. *16. Die ergatogynen Formen bei den Ameisen und ihre Erklärung. — Biol. Centralbl. XV. 1895. Nr. 16 u. 17, S. 606—646. 49. Dinarda- Arten oder -Rassen? — Wien. Ent. Ztg. 1896. 4. und 5. Heft. S. 125—142. *51. Die Myrmekophilen und Termitophilen. Leyden 1896. — Compt. Rend. III. Congr. Intern. Zool., S. 410—440; *56. Revision der Lomechusa-Gruppe. — Deutsch. Ent. Ztschr. 1896. IL S. 244—256. *57. Selbstbiographie einer Lomechusa. — Stimm. Maria-Laach. LH. 1897. 1. Heft. 59. Vergleichende Studien über das Seelenleben der Ameisen und der höheren Tiere. Freiburg i. Br. 1897. 2. Aufl. 1900. *60. Zur Entwicklung der Instinkte (Entwicklung der Symphilie). — Verh. Zool. Bot. Ges. Wien. 1897. 3. Heft. S. 168—183. *69. Eine neue Xenodusa aus Colorado, mit einer Tabelle der Xenodusa-Arten. — Deutsch. Ent. Ztschr. 1897. IL S. 273—274. *70. Zur Biologie der Lomechusa-Gruppe. — Deutsch. Ent. Ztschr. 1897. IL S. 275—277. *75. Zur Biologie und Morphologie der Lomechusa-Gruppe. — Zool. Anzeig. 1897. Nr. 546. S. 463—471. *83. Erster Nachtrag zu den Ameisengästen von Holländisch-Limburg, mit biologischen Notizen. Haag 1898. — Tijdschr. v. Entom. XLI. S. 1 bis 18. *85. Die Gäste der Ameisen und der Termiten. — Illustr. Ztschr. f. Entom. 1898, Heft 10—16. *95. Die psychischen Fähigkeiten der Ameisen. — Zoologica. Heft 26. S. 1 bis 133, mit 3 Taf. Stuttgart 1898. *105. Weitere Nachträge zum Verzeichnis der Ameisengäste von Holländisch- Limburg. — Tijdschr. v. Entom. XLIL 1899. S. 158—171. *109. Über Atemeies pubicollis und die Pseudogynen von Formica rufa. — Deut- sche Ent. Ztschr. 1899. IL S. 407—409. 114. Neue Dorylinengäste aus dem neotropischen und dem äthiopischen Fau- nengebiet. — Zool. Jahrb. System. XIV. 3. 1900. S. 215—289 u. 2 Taf. *118. Gibt es tatsächlich Arten, die heute noch in der Stammesentwicklung be- griffen sind? Zugleich mit allgemeinen Bemerkungen über die Ent- wicklung der Myrmekophilie und Termitophilie und über das Wesen der Symphilie. — Biolog. Centralbl. XXL 1901. Nr. 22 u. 23. Neue Beiträge zur Biologie von Loinecluisa und Atemeies. 393 120. Neues über die zusaniiuengesetzten Nester und gemischten- Kolonien der Ameisen. — Allgem. Ztschr. f. Entom. VI. 1901. Nr. 23 und 24; VII. 1902. Nr. 1—21. (Separ. 78 S. mit 1 Taf.) 124. Zur näheren Kenntnis der termitoiilülen Dipterengattung Termitoxenia. Jena 1902 mit 1 Taf. — Verh. V. Intern. Zoologenkongr. 1901. S. 852—872. 130. Biologische und phylogenetische Bemerkungen über die Dorylinengäste der alten und der neuen Welt, mit spezieller Berücksichtigung der Konvergenzerscheinungen. — Verh. Deutsch. Zool. Ges. ] 902. S. 86—98 und Taf. I. *i;U. Neue Bestätigungen der Lomechusa-Pseudogynentheorie. — Verh. Oeutsch. Zool. Ges. 1902. S. 98—108 und Taf.II. *134. Zur näheren Kenntnis des echten Gastverhältnisses (Symphilie) bei den Ameisen- und Termitengästen. — Biol. Centralbl. XXIII. 1903. Nr. 2, 5, 6, 7, 8 (Untersuchung der Exsudatorgane und Exsudatgewebe), mit 24 Fig. i:)5. Zum Mimikrj-typus der Dorylinengäste. — Zool. Anz. XXVI. 1903. Nr. 704. S. 581—590. *136. Zur Brutpflege der blutroten Raubameise. — Insektenbörse. XX. 1903. Nr. 35. S. 275—276. 137. Die Thorakalanhänge der Termitoxcniidae, ihr Bau, ihre imaginale Ent- ■nicklung und phylogenetische Bedeutung. — Verh. Deutsch, ZooL Ges. 1903. S. 113—120, mit 2 Taf. 138. Zur Kenntnis der Gäste der Treiberameisen und ihrer Wirte vom oberen Congo. — Zool. Jahrb. Supplem. VII. 1904. S. 611— 082, mit 3 Taf. *140. Ein neuer Atemeies aus Luxemburg. — Deutsch. Ent. Ztschr. 1904. I. S. 9—11. *143. Die moderne Biologie und die Entwicklungstheorie. 2. Aufl. (9. Kapitel.) Freiburg i. Br. 1904. 145. Die phylogenetische Umbildung ostindischer Ameisengäste in Termiten- gäste. — Compt. Rend. VI. Congr. Int. Zool. 1904. S. 436—448, mit 1 Taf. *146. Urspnmg und Entwicklung der Sklaverei bei den Ameisen. — Biol. Cen- tralbl. XXV. 1905. Nr. 4 — 9. (Mit vielen Beobachtungen über Atemeies, Lomechusa usw.) *149. Zur Lebensweise von Atemeies pratensoides. — Ztschr. f. wissensch. In- sektenbiol. IL 1906. Hef 1 1 u. 2. *1.")4. Beispiele recenter Artenbildung bei Ameisengästen und Termitengästen. — Festschr. f. Rosenthal. Leipzig 1900. S. 43—58; Biol. Centralbl. XXVL Nr. 17—18. S. 505—580. *157 . Die moderne Biologie und die Entwickhmgstheoric. 3. Aufl. Freiburg i. Br. 1906. (10. Kap. über die Stammesgeschichte der Ameisengäste und der Termitengäste usw.) *162. Weitere Beiträge zum sozialen Parasitismus luid der Sklaverei bei den Ameisen. — Biol. Centralbl. XXVIII. 1908. Nr. 8—13 und 22. (Mit Beobachtungen über Atemeies, Lomechusa usw.) Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CXIV. Bd. 26 gc)^ E. Wasmann, 1908—1913. *164. Die psychischen Fähigkeiten der Ameisen. Mit einem Ausblick auf die vergleichende Tierpsychologie. 2. Aufl. Stuttgart 1909. Mit 5 Taf. (Zoologica. Heft 26. 2. Aufl.) (Kap. VI über Mimikry bei Ameisen- gästen. Anhang II. Beschreibungen neuer myrmekophiler Staphy- liniden.) 165. Myrmechusa, eine neue Gattung zwischen Myrmedonia imd Lomechusa. — Ann. Mus. Civ. Genova. XLIV. Nov. 1908. S. 39—42, mit 5 Fig. 166. Termitophilen. Ein neues termitophiles Stai^hylinidengenus (Termito- telus Schultzei) nebst andern Bemerkungen über Gäste von Hodo- termes. Mit 1 Taf, — L. Schultze, Forschungsreise im westl. u, zentral. Südafrika 1903—1905. I. S. 239—243. — Denkschriften mediz. na- turw. Ges. Jena. XIII. 1908. S. 441—445. 167. Zur Geschichte des sozialen Parasitismus und der Sklaverei bei den Amei- sen. — Naturw. Wochenschr. 1909. Nr. 26. S. 401—407, mit 5 Fig. *168. Zur Kenntnis der Ameisen und Ameisengäste von Luxemburg. III. Teil. Mit 5 photogr. Taf. Luxemburg 1909. — Arch. trimestr. Inst. Grand- Ducal IV. Fase. 3 u. 4. S. 1 — 114. (Über Lomechusa und Pseudo- gynen S. 49— 72.) 169. Die j^rogressive Artbildung und die Dinarda- Formen. Mit 2 Fig. — Natur u. Offenbarung LV. 1909. Heft 6. S. 321— 346. 170. Über den Ursprung des sozialen Parasitismus, der Sklaverei und der Myr- mekophilie bei den Ameisen.— BioLCentralbl. XXIX. 1909. Nr. 19—22. 171. Myrmecosaurus, ein neues myrmekophiles Staphylinidengenus. — Zool. Anzeig. XXXIV. Nr. 24—25. 1909. S. 765—768. 172. Über gemischte Kolonien von Lasius- Arten. Kritische Bemerkungen und neueBeobachtungen. — Zool. Anz. XXXV. Nr. 4— 5. 1909. S. 129— 141. *173. Über Wesen und Ursprung der Symphilie. — Biol. Centralbl. XXX. 1910. Nr. 3—5. 174. Staphylinus-Arten als Ameisenräuber. ■ — Ztschr. f. wissensch. Insekten- biol. XV. 1910. Heft 1—2. 175 . Nils Holmgrens neue Termitenstudien und seine Exsudattheorie. — Biol. Centralbl. XXX. 1910. Nr. 9. S. 303—310. 176. Ameisenpsychologie. Vortrag auf der Versammlung d. GörresgeseUsch. zu Regensburg 1909. — 3. Vereinsschr. d. Görresges. S. 84 — 107, mit 3 Taf. Köln 1909. 177. Nachträge zum sozialen Parasitismus und der Sklaverei bei den Ameisen. — Biol. Centralbl. XXX. 1910. Nr. 13—15. 178. Termiten von Madagaskar, den Comoren und Inseln Ostafrikas. — Voeltz- Kow, Reise in Ostafrika 1903—1905. Bd. IIL Stuttgart 1910. S. 117 bis 127. (Über parasitische Calotermes S. 120.) *179. Die Anpassungscharaktere der Atemeies. Mit einer Übersicht über die mitteleuropäischen Verwandten von At. paradoxus. — ■ Extr. I. Congr. Intern. d'Entomol. 1910. S. 265— 272. *180. Die Doppelwirtigkeit der Atemeies. — Deutsch. Entom, Nationalbibl. I. 1910. Nr. 7 und 8. *181. Atemeies siculus Rottbg und seine Vem^andten. — Deutsch. Ent, Ztschr. 1911. I. S. 39—43. Xenc Beiträge zur Biologie von Loniechusa und Atemeies. 395 182. Zur Kenntnis der Gattung Plouroptcrus und andrer Paussiden. — Ann. Soc. Ent. Belg. LIV. 1910. Nr. XI. 8. 392—402. *183. Gibt es erbliche Instinktraodifikationen im Verhalten der Ameisen gegen- über ihren Gästen? — Zool. Anzeig. XXXVII. Nr. 1. 1911. S. 7— 18. ♦184. Die Ameisen und ihre Gäste. — Extr. d. I. Congr. Internat. d'Entomol. 1910. S. 209—234 u. Taf. XII— XVII. 185. Termitophile Coleopteren aus Ceylon. — Sep. aus Esciierich, Termiten- leben auf Ceylon 1911. S. 231— 232. *186. Selbstbiographie einer Lomechusa. 2. vermehrte Aufl. (s. Xr. ,57) — Urania (Wien). IV. Nr. 33. 12. Aug. 1911. 187. Ein neuer Paussus aus Ceylon, mit einer Übersicht über die Paussiden- wirte. — Tijdschr. v. Entomol. LIV. 1911. 3. u. 4. Lief. S. 195—207, mit 1 Taf. 188. Zur Kenntnis der Termiten und Termitengäste vom belg. Congo. — Rev. Zool. Afric. (Bruxelles) I. 1911. Fase. 1—2. Taf. III— VIIL 189. Escherichs Termitenleben auf Ceylon. — Biol. Centralbl. XXXI. 1911. Nr. 13 u. 14. (Gäste von Odontotermes obesus, S. 401 ff.) 190. Über ^lyrmekophilen und deren Anpassungserscheinungen. — Versl. Ned. Entom. Ver. C6. Zommerverg. 1911. S. XXXV— XXXVIII. 191. (WASMA^■^• und Holmgrex.) Tabelle der Termitophya- und der Xeno- gaster-Arten. — Zool. Anzeig. XXXVIII. Nr. 18—19. 1911. S. 428—429. 192. Neue Beiträge zur Kenntnis der Termitophilen und Myrmekophilen. — Ztschr. f. wissensch. Zool. CI. 1912. Heft 1—2. S. 70—115 u. Taf. V bis VII. 193. Neue Anomraa-Gäste aus Deutsch-Ostafrika. — Entomol. Rundschau XXIX. 1912. Nr. G. S. 41— 43. 191. Jlimanonnua spectrum, ein neuer Dorylinengast des extremsten Mimikry- typus. — Zool. Anzeig. XXXIX. Nr. 15—16. 1912. S. 473—481. 195 . Zwei neue Paussiden und ein neuer Rhj^sopaussine aus Niederl. Indien. — Tijdschr. v. Entomol. LV. 1912. 4. Lief. S. 255— 261, mit 1 Taf. 196. Das Seelenleben der Ameisen. — Vortrag auf d. 51. Vers, deutsch. Phi- lolog. u. Schulmänner in Posen 5. Okt. 1911. — Unterrichtsbl. für Mathematik u. Naturwiss. 1912. Nr. 3. (US. Separ.) 197. H. Sauters Formosa-Ausbeute. Paussidae (CoL). — Supplementa Ento- mologiea. 1012. Nr. 1. S. 1—4 u. Taf. L 198. Revision der Termitoxeniinae von Ostindien u. Ceylon. — Ann. Soc. Ent. Belg. LVIL 1913. Nr. 1. S. 16— 22i. 199. Neue Beispiele der Umbildung von Dorylinengästcn zu Termitengästen. — Verh. Ges. Deutsch. Naturf. u. Ärzte 1912. II. 1. Hafte. S. 254—257. 200. Ein neuer Fall zur Geschichte der Sklaverei bei den Ameisen. — Verh. Ges. Deutsch. Naturf. u. Ärzte 1912. II. 1. Hälfte. S. 264—268. 201. Lasius emarginatus OL, eine kartonnestbauende Ameise. — Biol. Centralbl. XXXIIL 1913. Nr. 5. S. 264— 266, mit 1 Taf. (Mit Angabe der Gäste.) 202. Gäste von Eciton praedator Sm. aus dem Staate Espirito Santo (Südbrasi- lien). — Entomol. Mitteilungen (Berlin) II. 1913. Nr. 12. S. 376-380. 1 In der Unterschrift der Fig. 2, S. 18 muß es heißen Termitoxenia (nicht Termitosphaera) Buttcli. 396 E. Wasmann, 203. Ein neuer Paussus aus Südindien, mit Bemerkungen zur Stammesge- schichte der Paussiden. — Entomol. Mitteilungen (Berlin) II, 1913. Nr. 12. S. 381—383. *204. Ants and their guests. — Smithson. Report f. 1912, S. 455 — 474, mit 10 Taf. Publication 2210. Washington 1913. Erklärung der statistischen Karte der Sanguinea-Kolonien bei Exaten 1895—1899. Siehe im Text S. 258ff. sowie die Erklärung der Buchstaben, Ziffern und Farben linlvs auf der Karte selbst. Bemerkungen. Die im Maßstab 1 : 4000 angefertigte Originalkarte mußte, aus Rücksicht auf das Format der »Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie« bei der Repro- duktion auf drei Viertel ihrer Größe reduziert werden, so daß also jetzt die Distanzen auf der Karte dem Maßstab 1 : 5000 entsprechen. Dadurch sind selbst- verständlich die wirklichen Entfernungen zwischen manchen nahe beieinander gelegenen Kolonien, die nicht enger beisammen eingezeichnet werden konnten, relativ noch mehr vergrößert, als es bereits auf der Originalkarte der Fall war (siehe im Text S. 259). Der statistisch- biologische Wert der Karte wird jedoch durch diese unvermeidliche Abweichung von den tatsächlichen Distanzverhält- nissen einiger Kolonien nicht beeinflußt. Es sei noch bemerkt, daß die in schwarzen Klammern stehenden Kolonien solche sind, che später auswanderten und nicht weiter kontrolliert werden konnten. Der iomec/ittsa-Pseudogynen-Bezirk I. liegt außerhalb des 4 qkm- Gebietes. Es wurde trotzdem auf der Karte eingetragen, weil ich an jener Stelle 1887 die ersten Xomec/msa-haltigen und später jDseudogynenlialtigen Kolonien traf. Ihre Numerierung erfolgte jedoch erst im Frühjahr 1898 in der chrono- logischen Reihenfolge ihrer damaligen Wiederauffindung. Die Kolonien 500 und 501, die ebenfalls außerhalb des Hauptgebietes, süd- lich von Bezirk V lagen, sind in der rechten unteren Ecke der Karte eigens ein- getragen (siehe S. 263 und 306, Anra.) Die nördlich von der Landstraße Roermond-Weert liegenden Kolonien gehen an ihrer nördlichen Grenze ebenfalls über das 4 qkm Gebiet hinaus. Sie haben, weil dort keine 'Pseudogynen-Bezirke sich fanden, keine großen römischen Bezirks- ziffern erhalten. Kol. 21, 38 und 39, die oberhalb des Bezirkes VIII an der Straße lagen, sind noch zu letzterem Bezirke gerechnet worden. Aus der Verteilung der roten und blauen Striche der Sa7iguinea-Kolonien in den acht Pseudogynenbezirken geht unmittelbar hervor, daß die pseudogynen- haltigen Kolonien, welche fast alle aktuell Lomeclmsa züchteten (siehe Text S. 264), die Zentren der iomec/i wsa-Bezirke sind, von denen aus die Infektion ringsum fortschreitet. Aus dem Vergleich dieser Bezirke mit dem nördlich der Straße Ro^rmond-Weert gelegenen Sanguinea-Gehieie ergibt sich ferner, daß außerhalb der Zomec/iWsa-Bezirke keine Pseudogynen in den Sangninea-Kolornon vor- kommen. Neue Beiträge zur Biologie von Loniechusa und Atcmcles. 397 Erklärung der Abbildungen'. Tafel IX. Fig. 1 (38 : 1). Medianer Sagittalschnitt durch ein physogastres Indivi- duum von Termitoxenia Assmuthi Wasm. aus Nest von Odontotermes ohesus Kanib. ; Ostindien (Assmuth!), (Färbung Hämatoxylin Delafield und Orange- Eosin; Zeiß AA, Projektocul. 2*.) Die Physogastrie beruht hier hauptsächlich auf der CJröße des reifen Eies. Siehe Text S. 237. 0, reifes Ei; ov, Ovariuni; /, Fcttzcllen; g, Gehirn; gl, die drei Thorakalgan- glien mit dem Abdominalganglion; /•, Rüssel mit den Saugmuskeln im Vorder- kopf; md, Saugmagen und darüber der Mitteldarm. (Neben dem Objekt sind einige Schnittstücke der Beine, ebenso auch auf Fig. 2 u. 3.) Fig. 2 (25 : 1 ). Medianer Sagittalschnitt durch ein Männchen von Xeno- gaster inflata Wasm. aus Nest von Eutermes fulviceps Silv., Brasilien (J. P. Schmalz!). (Hämatoxylin Delafield-Eosin. Zeiß AA, Projektoc. 2*.) Die Physogastrie beruht hier primär auf der Erweiterung des Vormagens, sekundär auf der starken Entwicklung des männlichen Genitalsysteras. Siehe Text S. 237. m, kugelförmig erweiterter Vormagen; t, Schnitt durch die Hoden; ex, Exsudatknospen (s. Nr. 134, S. 302). Fig. 3 (30 : 1). Etwas lateraler Sagittalschnitt durch ein Weibchen von Xenogaster inflata. Das übrige wie in Fig. 2. Die Physogastrie beruht hier primär auf der Erweiterung des Vormagens {vm), sekundär auf der starken Entwicklung des weiblichen Genitalsystems, be- sonders des großen Eies (o). Fig. 4 (12 : 1). Timeparthemis regius Silv.^ aus Nest von Anoplotermes tenebrosus Hag., Brasilien (Silvestrü). (Leitz Micros. 42, Projektoc. 2*, Aufnahme in feuchter Kammer.) Extremste Physogastrie der termitophilen Aleocharinen. Siehe Text S. 237. Fig. 5 (7:1). Atemeies jnihicollis ^ris. subsp. trtmcicoloides Wasm. (Type) aus Nest von Formica truncicola Nyl, Westfalen. (Leitz Micros. 42, Projektoc, 2*.) Siehe Text S. 331. Fig. 6 (7:1). Atemeies pratensoides Wasm. (Type) aus Nest von Formica pratensis Deg., Luxemburg. (Leitz Micros. 42, Projektoc. 2*.) Siehe Text S. 333. Fig. 7 (7 : 1). Xo7«ec/iwsa 6'^ramosa F., aus Nest von F. 6Y/n(7?n'ne«Ltr., Kxaten. In natürlicher Stellung mit aufgerolltem Hinterleib. (Leitz Micros. 42, Projektoc. 2*.) Siehe Text S. 238. Fig. 8 (7,5 : 1). Lomechiisa strumosa mit ausgestrecktem Hinterleib, um die gelben Haarbüschel an den Seitenzipfeln der vier ersten freien Abdominalscgmente 1 Die photographischen Aufnahmen wurden sämtlich mit Obernetter Sil- ber-Eosin-Platten von 0. Perutz (München) gemacht, die für Mikrophotographie sich am besten bewähren. Bei den Aufnahmen farbiger Schnitte wurde die Gelb- grünscheibe von Zeiß benutzt, ebenso auch bei Fig. 14, 23 und 24. ~ Die Photographie stellt eine von Silvestri erhaltene Cotype dar. 398 E. Wasmann, zu zeigen. (Zeiß Tessar 1 : 6,3, Photographie zweifach vergrößert.) Siehe Text S. 238. Yi4L- Larven im Lubbocknest, und zwar wiederum ohne vorherigen freien Eizustand, an den Larven der vorletzten Serie klebend. Pflege der Larven sehr eifrig; fortwäh- rend von den g ^ klumpenweise im Maule gehalten und beleckt. Wachstum langsam: 6. VIII. sind die L. der vorletzten Serie (2 Wochen alt) 3,8 — 4 mm 1., am Beginn des Stadium IV; die L. der letzten Serie (1 Woche alt) 2 — 2,3 mm, am Beginn des Stadium III (s. S. 376). Das At.-^ lebt noch 6. VIII. Von den am 14. VI. vorhandenen ^ -Larven kamen nur wenige zur Ent- wicklung; die übrigen sowie die Eierklumpen wurden von den AL-Ij. bis Ende Juni aufgefressen. 3. VII. waren 7 kleine ^ -Kokons da; 17. — 19. VII. die ersten frischen ^ ö , sehr klein, aber keine Pseudogynen. Ergebnis von 1915: Von Ende Mai bis Anfang August waren noch Eltern- pärchen unterirdisch imNests lebend und die Paarung wiederholend. Den Wieder- holungen der Paarung scheint (etwa 14 Tage später) eine neue Brutablage (Larven- sarie) zu entsprechen. Die kontrollierten zwei letzten Serien erschienen sicher vivipar (s. S. 297—301 und 359—362). über die sogenannten Kiemenreste der Anuren. Von Dr. Eduard Michl. Mit 1 Figur im Text und Tafel XI und XII. In seinem Lehrbuch der vergleichenden Zootomie beschreibt im Jahre 1818 C. Carus zum ersten Male bei Rana esculenta einen paarig auftretenden Körper auf der inneren Seite der Kehlblase und seitlich vom Zungenbein, den er die glandula thyroidea des Tieres nennt. 1826 sucht E. HuscHKE durch Verfolgung der Metamorphose den Nach- weis zu erbringen, daß die von Carus gefundene Drüse ein Überbleibsel der anfangs frei aus dem Halse vorragenden Kiemen sei. J. Simon schließt sich dieser Ansicht an; auch er hält das in Frage stehende Ge- bilde für die Schilddrüse. Der Ableitung des Organs von den Kiemen, wie sie Huschke gegeben hat, hält er seine Beobachtung an dem perenni-branchiaten Aniphibium Menohranchus lateralis Harl. ( = Nec- turus maculatus Kaf.) entgegen, in welchem trotz der Persistenz des Kiemenapparates die Schilddrüse nachgewiesen werden könne. Auch F. Leydig glaubt 1852 in dem von Carus entdeckten Organ die glan- dula thyroidea vor sich zu haben. Er findet neben der Drüse noch einige kleinere Drüsen, die er als zur Schilddrüse gehörig betrachtet. Es waren dies offenbar die sogenannten Epithelkörper, die v. Ebner mit dem Namen »Beischilddrüsen« (glandulae parathyroideae) belegt hat. Es sei hier hervorgehoben, daß diese Bezeichnung nur auf die Lage und Morphologie dieser Drüsen Bezug hat und daß jene speziell bei Anuren keine genetischen, anatomischen oder physiologischen Merkmale mit der fälschlich sogenannten Schilddrüse gemein hat. 1853 glaubt A. Ecker in dem mysteriösen Körper die glandula thymus zu sehen. 1868 zweifelt schon E. Fleischl an der Richtigkeit der Auffassung dieses Organs als Schilddrüse. Er beobachtet auch schon in das Organ eintretende Blutgefäße und Nerven, welche sich bereits in der den 404 Eduard Michl. Körper umgebenden bindegewebigen Hülle verzweigen, wo die letz- teren als doppelt konturierte Fasern sich verfolgen lassen. Die Farbe der »sogenannten Schilddrüse« sei rötlich; ihre Größe schwanke zwi- schen der eines Stecknadelkopfes und der eines Hanfkornes. Fleische macht auch einige Angaben über die Blutbahnen in der Drüse und findet experimentell durch Injektion ein intercelluläres Gefäßsystem, welches im selben Jahre von C. Toldt als Extravasat gedeutet wurde. C. Toldt hat auch zuerst auf den lymphoiden Charakter des Organs hingewiesen und das fast ausnahmslose Auftreten desselben bei Hyla arborea, Rana esculenta, R. temporaria und Bufo cinemscens durch den Mangel von Lymphdrüsen erklärt, welche zum Unterschied von Anu- ren in der typischen Ausbildung allen andern Vertebraten zukommen. Trotzdem die wahre glandula thyroidea der caducibranchiaten Am- phibien noch nicht gefunden worden war, hat C. Toldt die Identifi- zierung der fraglichen Drüse mit der Schilddrüse zurückgewiesen, welch letztere erst im Jahre 1871 von W. Müller entdeckt wurde. C. Toldt vertrat nämlich noch die Anschauung, daß den Anuren die Schilddrüse überhaupt fehle. Die ersten genaueren Untersuchungen über die Schilddrüse von Rana stammen 1882 von E. 0. Baber, denen zufolge die glandula thyroidea wie bei allen Vertebraten ein System von größeren oder kleineren Follikeln darstellt, die einen acinösen Bau aufweisen und ausnahmslos von einem mehr oder w^eniger ein- schichtigen, oft kubischen Epithel ausgekleidet w^erden. Der Inhalt dieser Follikel besteht nach Baber aus einer kolloidalen Flüssigkeit, die mitunter feinere Strukturen (granula) erkennen läßt. 1888 be- handelt S. Mayer unter anderem die Nomenklatur des strittigen Kör- pers Und schlägt für ihn die Bezeichnung »glandula pseudothyroidea << vor. Im Jahre 1888 erschienen auch die ersten genaueren Untersu- chungen von F. Maurer über die Pseudothyroidea (S. Mayer). Maurer konnte nachweisen, daß dieses Organ im Larvenzustand noch nicht besteht, sondern erst gegen Ende der Metamorphose sich zu ent- wickeln beginnt, nachdem die Schilddrüse schon ausgebildet ist. Nach Maurer geht die Entwicklung der Pseudothyroidea von einem be- stimmten Teil der allmählich obliterierenden Kiemenhöhle aus. Als Relikt des Eespirationsapparates nennt der Autor den Körper »ven- tralen Kiemenrest«, nachdem die sogenannten dorsalen und medialen Kiemenreste nicht ,persistieren {Rana). — Trotzdem die Natur dieses Gebildes sowie nach den früheren Ausführungen die der wahren glan- dula thyroidea bei Anuren schon klargelegt schien, wurde noch immer in neuerer Zeit der ventrale Kiemenrest mit der Schilddrüse verwech- über die sogenannten Kiernenreste der Anuren. 405 seit. 80 kennt 1895 E. Bozzi noch nicht die SclnkklrUse von R sternohyoideus C, Cor M.ohd. >> omohyoideus P, Pericardium X.hp., Nervus hypoglossus T, Thyroidea. V.j.e., Vena jugularis externa (Xach Gaupp-Ecker.) Fig. 5. Verschiedene Formen des ventralen Kiemenrestes von Bana esculenta. Fig. 6. a) Der ventrale Kiemenrest (/i) durch eine Brücke von fetthal- tigem Bindegewebe {B) in zwei Balken getrennt [Rana sp.). b) Der ventrale Kiemenrest {K) mit angelagertem Epithelkörper {E), Bin- degewebe {B) strangförmig ausgebildet. Fig. 7. Der ventrale Kiemenrest eines alten Tieres mit mächtig ausge- bildeter Hülle Aon Bindegewebe {B). Fig. 8. Microphotographie. Die bindegewebige Hülle vom Kiemenrest ab- präpariert; üi der Hülle die beiden Epithelköi'per [E) und die dunkel vortreten- den Blutbahnen. Fig. 9. Schema der arteriellen und venösen Blutversorgung im Kiemen- rest (Ä'). B.H., Hülle von fetthaltigem Bindegewebe. Die Venen sind dunkel eingetragen, g.c, Carotidcndrüse; r.mg., Ranius musculo-glandularis; a.c.e., Ar- teria car. externa. Ein Blutgefäß {x) durchsetzt das Organ, ohne sich in dem- selben zu verzweigen. Fig. 10. Microphotographie. Schnitt durch den Kiemenrest. Die Blut- bahnen treten dunkel hervor. Das zentral gelegene, abführende Gefäß ist quer getroffen. Fig. 11. Schema der Schlundspaltenderivate für Anuren. /, // . . . Vit erstes bis sechstes Schlundtaschcnpaar; ^i?, tz, Glandula thymus; e, Epithel- körper; T, Glandula thyroidea; c.p., Coi-pus postbranchiale; A'i, A'g, A'3, Kie- menreste. (Xach Maurer, etwas verändert.) i i Das Nervensystem der Octopoden. Von Alfred Pfefferkorn aus Würzen. (Aus dem Zoologischen Institut der Universität Leipzig.) Mit 13 Figuren im Text und Tafel XIII und XIV. Inhalt. Seite Einleitung 425 Systematik und Literatur 427 Material und Technik 432 I. Die ganglionären Centren und ihre C'ommissuren 434 a) Bei den Octopodiden 434 b) Bei den Bolitaeniden 443 c) Bei den Philonexiden 444 d) Bei den Cirroteuthiden 449 IL Das periphere Xervensystem 450 a) Xerven des Ganglion cerebrale 450 b) Xerven des Ganglion viscerale 4(3G c) Xerven des Ganglion pedale 487 d) Xerven des Ganglion brachiale 496 e) Xerven des Ganglion buccale superius 503 f) Das Ganglion buccale inferius und seine Xerven 512 Zusammenfassung 518 Schlußbetrachtung 520 Literaturverzeichnis ''»24 Erklärung der Abkürzungen 528 Erklärung der Abbildungen 531 Einleitung. Die vorliegende Arbeit wurde im Zoologischen Institut der Uni- versität Leipzig ausgeführt. Sie bildet die Fortsetzung und Ergän- zung einer Reihe von Untersuchungen über das Nervensystem der Cephalopoden, die auf Anregung von Herrn Professor Dr. Carl Chun hier entstanden. Auf die Arbeiten von Chun und Richter, welche Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CXIV. Bd. 28 426 Alfred Pfefferkorn, einige typische Vertreter der Oegopsiden behandeln, sowie von Hil- lig, der Sepia officinalis, die bekannteste Species der Myopsiden, eingehender untersucht hat, lasse ich jetzt eine Beschreibung des Nervensystems der Octopoden folgen. Ich abstrahiere, wie ich von vornherein betonen möchte, vollkommen von histologischen und mi- kroskopisch-anatomischen Details und beschränke mich wie meine Vorgänger darauf, eine topographische Anatomie des Nervensystems der bekanntesten und wichtigsten Vertreter dieser Ordnung zu geben. Bei dem relativ geringen Formenreichtum der Octopoden bin ich, gestützt auf mehrere neuere Untersuchungen, in der glücklichen Lage, fast sämtliche Familien dieser Gruppe in den Kreis meiner Be- trachtungen ziehen und auch einen vergleichend-anatomischen Über- blick über das Nervensystem dieser interessanten Tiere geben zu können. Vor allem lag mir aber auch am Herzen, einem schon lange fühl- baren Bedürfnis der Physiologen abzuhelfen und eine anatomische Basis für physiologische Untersuchungen zu liefern. Besonders die Octopoden haben sich unter den Tintenfischen als ausgezeichnete Versuchsobjekte erwiesen und stehen im Begriff, wie Bauer sagt, mit Frosch und Kaninchen zu rivalisieren. Ist es nun oft schon nicht ganz leicht, an eigens zu diesem Zwecke konserviertem Material die Nerven zu verfolgen, um wieviel schwerer für den Physiologen, der an frischen Tieren arbeiten muß, wenn ihm die topographisch-ana- tomische Grundlage fehlt. Nun sind wir zwar über das centrale Ner- vensystem der beiden hier hauptsächlich in Betracht kommenden Genera Eledone und Octopus schon ganz gut orientiert, um so weniger dagegen über das periphere. Das einzige Werk, das wir hierüber be- sitzen, ist die schöne Arbeit Cherons, die allerdings dem heutigen Stande der Forschung nicht mehr ganz entspricht. Die Physiologen, die an der Zoologischen Station zu Neapel ihre Untersuchungen an- gestellt haben, haben sich meist auf den handschriftlichen Nachlaß von Jatta ges-tützt, aber auch er hat sich mehr mit dem centralen als dem peripheren Nervensystem befaßt, und sein nicht abgeschlossenes Werk hat manchmal irregeführt. So schien denn eine nochmalige intensive Bearbeitung dieser Verhältnisse eine nicht ganz undank- bare Aufgabe zu sein, der ich mich gern unterzogen habe. Bevor ich zur Behandlung des Themas selbst übergehe, möchte ich auch an dieser Stelle meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Ge- heimen Eat Prof. Dr. Chun, dem ich die Anregung zu dieser Arbeit verdanke, meinen aufrichtigsten und herzlichsten Dank ausspre- Das Nervensystem der Octopoden. 427 chen für sein stetes Interesse und die vielfachen Förderungen, die er mir zu teil werden ließi. Mit größter Bereitwilligkeit sorgte er im Verein mit Herrn Dr. Hempelmann für die Erfüllung meiner Wünsche in bezug auf Versorgung mit Material, das ich von den zoologischen Stationen zu Neapel und Rovigno erhielt. Auch die übrigen Dozenten des Institutes, Herr Prof. Dr. AVoltereck und Herr Dr. Steche, verpflichteten mich zu Dank durch ihr freundliches Interesse an der Arbeit. Herrn Dr. Naef in Neapel danke ich verbindlichst für die teilweise Überlassung von Jattas handschriftlichem Nachlaß und seiner Zeichnungen. Schließlich verdanke ich Herrn stud. rer. nat, Ebersbach noch einige wertvolle Angaben über das Nervensystem von Cirroteuthis. Systematik und Literatur. Es sei mir gestattet, zunächst einiges über die Systematik der (ictopoden vorauszuschicken, da wir ja im Laufe der Arbeit einen Blick über das gesamte System derselben werfen wollen. Hoyle bringt im Challenger Report 1886 eine Übersicht über alle bis dahin bekannten Species, die bis auf die Familien herunter hier kurz ange- führt werden sollen: Octopoda. Division I. Lioghssa. Family 1. Pteroti {Cirroteuthidae). Division II. Trachyglossa. Family 2. Amphitretidae. Family 3. Argonautidae. Family 4. Philonexidae. Family 5. Alloposidae. Family 6. Odopodidae. Auch in seinen späteren Schriften hat Hoyle diese Einteilung un- gefähr beibehalten, nur wendet er statt des Namens Philonexidae den Namen Tremoctopodidae an und ersetzt Octopodidae durch Pohjpo- didae. Zu den Octopodiden rechnet er übrigens auch Bolitaena und Eledonella, zwei Formen, die später von Chun als eine selbständige Familie »Bolitaenidae << abgetrennt wurden. 1 Geheimrat Chun ist, während ihm diese Arbeit zur Durchsicht vorlag, leider verstorben. So kann ich ilim meinen Dank nur noch in die Ewigkeit nach- rufen. 28* 428 Alfred Pfefferkorn, Nicht wesentlich unterscheidet sich von Hoyle das neue System von Naef 1912. Es hat folgende Einteilung: Octojpoda. I. Unterordnung: Lioglossa. 1. Familie: Cirroteuthidae. 2. Familie: Opisthoteuthidae. II. Unterordnung: Trachyglossa. S.Familie: Amphitretidae. 4. Familie: Bolitaenidae. 5. Familie: Polypodidae. 6. Familie: Argonautidae. In der Familie der Argonautiden sind bei Naef auch die Philonexiden (einzige Gattung Tremoctopus) und Alloposiden (einziges Genus Allo- posus) Hoyles mitenthalten. Dagegen trennt er die Pteroti in die Familien der Cirroteuthidae und Opisthoteuthidae. Wenn wir jetzt einmal das System von Naef zu Grunde legen, so sind wir, wie aus der folgenden Literaturübersicht hervorgeht, über das Nervensystem der Hauptvertreter sämtlicher Familien unterrichtet mit Ausnahme der seltenen Familie der Amphitretidae (einziges Genus Amphitretus) . Wir können uns also ein ungefähres Bild vom Bau des Nervensystems der gesamten Octopoden jetzt schon verschaffen. Da es uns aber in dieser Arbeit auf die Systematik nicht weiter an- kommt, so will ich der Einfachheit halber, wie dies auch in den meisten Lehrbüchern (Hertwig, Claus) getan ist, nur die drei Familien der Octopodidae, Philonexidae und Cirroteuthidae unterscheiden und die- sen noch die Bolitaenidae angliedern. Die bekanntesten Gattungen dieser Familien sind dann: Octopodidae {Eledone, Octopus, Scaeurgus). Philonexidae {Ärgonauta, Ocythoe, Tremoctopus). Cirroteuthidae {Cirroteuthis , Opisthoteuthis). Bolitaenidae {Bolitaena, EledoncUa). Überschauen wir nun einmal die unserm Thema zu Grunde lie- gende Literatur. Diese konzentriert sich natürlich in der Hauptsache auf die Octopodiden mit den beiden bekanntesten und häufigsten Species Eledone moschata und Octopus vulgaris. Die einzige Arbeit, die das Gesamtnervensystem dieser beiden Tiere, sowohl das centrale als auch das periphere, gleichmäßig behandelt, ist bis auf den heu- tigen Tag die treffliche Arbeit des Franzosen Cheron, »Kecherches Das Xervensysteni der Octopoden. 429 pour servir ;\ riiistoire du Systeme uerveux des Ceplialopodcs dibran- chiaux« (186G). Hier finden wir auch eine vollständige Übersicht über die ältere Literatur, die zum Teil nur historischen Wert hat, so daß es sich für mich erübrigt, darauf einzugehen. Cheron gibt in einem ersten Kapitel eine >>Anatomie descriptive << des Nervensystems von »Eledone moschatus, Octopus vulgaris, Sepia officinalis und Loligo«, in einem zweiten und dritten Kapitel, die für uns weniger in Betracht kommen, eine mikroskopisch-anatomische und histologische Beschrei- bung desselben. Er beschreibt parallel nebeneinander das Nerven- system von Eledone und Octopus, das erstere ausführlicher, das letztere, das ja sehr wenig Differenzen aufweist, kursorischer. Für seine Zeit und bei dem Mangel der optischen Hilfsmittel ist diese Arbeit Cherons gewiß eine hervorragende Leistung. Ich werde im Laufe der Arbeit immer wieder auf diesen Autor zurückzukommen haben. Ein Jahr später (1867) erscheint eine Arbeit der beiden russischen Forscher Owsjannikow und Kowalewsky »Über das Centralnerven- systeni und das Gehörorgan der Cephalopoden«. Wie schon der Titel sagt, beschränken sich diese Autoren auf das centrale Nervensystem der Cephalopoden. Sie geben eine recht gute Beschreibung des Ge- hirns von Octopus vulgaris, die wesentlich klarer ist als die Cherons. Auch die beiden Zeichnungen des Gehirns von Octopus (von oben und von der Seite gesehen) auf Tab. V, Fig. 3 und 4 müssen als ge- lungen bezeichnet werden. Das nächste Werk, das für die Octopoden in Betracht kommt, ist die »Vergleichende Anatomie des Nervensystems und Phylogenie der Mollusken« von H. v. Jhering (1877). Auch dieses Buch bringt nur eine ganz kurze Beschreibung des Centralnervensystems der Octo- poden {Eledone) S. 258 und 259 und stützt sich im übrigen auf die früheren Autoren. Es schaffte aber den Boden für eine einheitliche Nomenklatur. Eine schöne Abhandlung brachte uns das nächste Jahr (1878) in der Arbeit von Dietl, >)Untersuchungen über die Organisation des Gehirns wirbelloser Tiere«. Dietl hat den Bau des Gehirns von Eledone und Sepiola mikroskopisch untersucht. Er kommt auf Grund seiner mikroskopischen Untersuchungen zur Einteilung der Ober- schlundmasse in verschiedene Lobi, die sich vollkommen mit den äußeren Befunden am Gehirn der Cephalopoden decken. Seine Nomen- klatur ist von den neueren Arbeiten übernommen worden. Bevor ich zur Besprechung der Literatur der übrigen Octopoden 430 Alfred Pfefferkorn, übergehe, möchte ich noch des ungedruckten, handschriftlichen Nach- lasses von Jatta gedenken, den mir Herr Dr. Naef aus der Bibliothek der Zoologischen Station zu Neapel liebenswürdigerweise zur Verfü- gung gestellt hat. Jatta selbst hat nur weniges daraus in mehreren kleinen Aufsätzen publiziert. Ich erhielt das Manuskript und die hinterlassenen Zeichnungen jedoch erst, als ich meine Untersuchungen bereits abgeschlossen hatte. Da Bauer in seiner »Einführung in die Physiologie der Cephalopoden« (1909) bereits Verschiedenes aus dem Nachlaß veröffentlicht, und auch ab und zu ein Physiologe, wie schon oben erwähnt, auf ihm gefußt hat, so möchte ich an dieser Stelle etwas auf Jattas Arbeit mit eingehen. Jatta hat fast sämtliche Octopoden- species des Golfes von Neapel auf ihr Nervensystem hin untersucht. In seiner »Descrizione del Sistema nervoso degli Octopodi« behandelt er eingehend das Nervensystem von Octopus vulgaris, aber auch er legt das Schwergewicht auf die Ganglien und das Centralnerven- system, dessen einzelne Teile er sehr ausführlich beschreibt. Das periphere Nervensystem erledigt er schneller, auf eine feinere Unter- suchung desselben hat er sich nicht eingelassen. Die wichtigsten Zeich- nungen haben Bauer, bzw. Uexkuell und Magnus pubhziert. Sehr wertvoll ist, daß Jatta auch die übrigen Species der Octopodiden, wie Octopus macropus, Scaeurgus tetracirrhus, Scaeurgus unicirrhus, Eledone moschata und Eledone Aldrovandi mit in den Bereich seiner Untersuchungen gezogen hat; er gibt darüber kurze Berichte, aus denen aber hervorgeht, daß keine nennenswerten Unterschiede zwi- schen diesen Formen bestehen. — • Außer den Octopodiden hat Jatta nun aber auch die Philonexiden mit herangezogen und zum ersten Male eine Beschreibung des Nervensystems von Ocythoe gegeben, sich aber auch hier fast nur auf das Gehirn und die Ganglien be- schränkt. Im Anschluß hieran erbringt er in zwei kurzen Berichten den Nachweis, daß das Nervensystem von Ärgonauta und Tremoc- topus sich ähnlich dem von Ocythoe verhält. Für diese drei Formen existieren auch noch drei ganz hübsche Übersichtszeichnungen. — Im Laufe der Arbeit werde ich noch hier und da einmal auf Jatta zurückgreifen müssen; da es sich bei ihm aber um eine unfertige Arbeit handelt, kann ich mich nicht spezieller mit ihr befassen. Da das Manuskript wohl kaum noch zur Veröffentlichung gelangen wird, möchte ich auf diese letzte, sehr fleißige Arbeit Jattas auch an dieser Stelle nochmals hingewiesen haben. Über das Nervensystem der Philonexiden existiert neben den eben erwähnten Angaben Jattas eigentlich nur noch die Abhand- Das Nervensystem der Octopoden. 431 hing von van Beneden, »Memoire sur rArgonaute« (1838). Der Verfasser bespricht das Nervensystem von Argonauta, in der Haupt- sache Gehirn, Visceralis und Sympathicus. Wenn man von seinen Versuchen, überall Beziehungen zwischen dem Nervensystem von Argonauta und dem der Wirbeltiere herzustellen, absieht, weist die Arbeit eine für die damalige Zeit erstaunlich gute Beobachtung auf. Seine Zeichnungen übertreffen bei weitem die von Cheron. Einige kurze Notizen über Argonauta und eine schematische Zeichnung des Gehirns finden sich dann noch bei Pelseneer in »Sur la valeur morphologique des bras et la composition du Systeme ner- veux central des Cephalopodes << (1888). Über das Nervensystem der Cirroteuthiden sind wir erst in neuester Zeit genauer unterrichtet worden. Mit der Anatomie von Opistho- teuthis depressa haben sich zuerst die beiden Japaner Ijima und Ikeda beschäftigt, doch erwähnen sie noch nichts über das Nervensystem dieses Tieres, ebensowenig über das von Amphitretus. Dagegen geht Meyer in seiner Dissertation »Die Anatomie von Opisthoteuthis de- pressa (Ijima und Ikeda) << (1906) recht ausführlich auf dasselbe ein; leider fehlten ihm aber damals noch moderne Nervenarbeiten, die ihm als Grundlage hätten dienen können. — Das wenige, was wir über das Nervensystem von Cirroteuthis wissen, haben uns die beiden Dänen Reinhardt und Frosch überliefert in ihrer Untersuchung »Om Sciadephorus Mülleri (Eschr.)« (1846); doch befindet sich be- reits eine neue Untersuchung über die Gesamtanatomie dieses inter- essanten Octopoden im hiesigen Institute in Bearbeitung, die auch das Nervensystem eingehend mit berücksichtigen wird. Was endlich die Bolitaeniden anlangt, so hat uns Chun über ihr Nervensystem interessante Mitteilungen gemacht in seinem Aufsatz »Cirrothauma, ein bhnder Cephalopod« (1911). Wir finden hier eine kurze Beschreibung von Gehirn, Sinnesnerven und Visceralis von Bolitaena und Eledonella. Eine ausführlichere Untersuchung über das Nervensystem dieser beiden Formen wird sein II. Teil der Cepha- lopoden in den wissenschafthchen Ergebnissen der deutschen Tiefsee- Expedition bringen, der im Erscheinen begriffen ist. Es existieren noch eine Menge Arbeiten, die über bestimmte Teile des Nervensystems berichten; ich werde sie später bei den betreffen- den Abschnitten zitieren. Dagegen möchte ich hier noch die schöne Arbeit von Bauer, »Einführung in die Physiologie der Cephalopoden« (1909) erwähnen, die uns einen Überblick über die gesamte Physio- logie derselben verschafft. x\uch kommt er auf die Anatomie des 432 Alfred Pfefferkorn, Nervensystems der Cephalopoclen zu sprechen, meist in Anlehnung an Jattas Nachlaß. In der Literaturübersicht habe ich in der Hauptsache nur die Arbeiten angeführt, die für die makroskopisch-anatomische Beschrei- bung des Nervensystems der Octopoden in Betracht kommen. Ein größeres Literaturverzeichnis, in dem auch die mikroskopischen Untersuchungen und die ältere Literatur erwähnt sind, hat Hillig angegeben, auf den ich hier verweisen möchte. Material und Technik. Meine Untersuchungen erstrecken sich auf Eledone moschata, den gemeinen Moschuspolyp (nach Naef heißt er jetzt Moschites mo- schata), daneben habe ich aber stets den gemeinen Pulp, Octopus vul- garis {Polypus vulgaris nach Naef) mit zum Vergleich herangezogen. Es ergeben sich dabei aber so wenig Differenzen im Nervensystem dieser beiden so nahe stehenden Gattungen, daß ich von einer geson- derten Beschreibung des letzteren wohl absehen kann; wo sich Ab- weichungen vorfinden, werde ich sie nebenher miterwähnen. — Die Zeichnungen sind nach Präparaten von Eledone moschata hergestellt, aus rein praktischen Gründen, da mir hier besseres und größeres Mate- rial zur Verfügung stand, sie könnten in den meisten Fällen auch für Octopus gelten; einzelne Abweichungen werden wohl kaum Schwie- rigkeiten verursachen — der Physiolog, der an Octopus arbeitet, wird sich sicherlich ebenso gut nach ihnen richten können. Bei difficileren Sachen (Augeninnervierung, Unterschlundganglion) habe ich die Ner- ven in ihren topographischen Beziehungen zu den sie umgebenden Organen eingezeichnet, um dem Physiologen ein Auffinden derselben zu erleichtern ; vielleicht werden auch die beigegebenen Photographien der Vorstellung zu Hilfe kommen. Neben den beiden oben erwähnten Octopodiden habe ich auch das Nervensystem von Argonauta argo etwas eingehender nachgeprüft, der gute Erhaltungszustand zweier alter Spiritusexemplare lud dazu ein. Die peripheren Nerven w^aren im großen und ganzen dieselben wie bei Eledone, so daß ich sie gleich im Anschluß an letztere immer mit beschreiben kann. Dagegen erforderte das Centralnervensystem eine gesonderte Besprechung. Herr Professor Chun überließ mir dann noch die wertvollen Exemplare von Eledonella und Bolitaena, an denen er seine Unter- suchungen angestellt hatte, zur Durchsicht, wofür ich ihm zu beson- Das Nervensystem der Octopodcn. 433 deieiii Danke verpflichtet bin. Ich habe an ihnen noch einige Klei- nigkeiten gefunden und werde sie an den betreffenden Stellen an- biingen. Da das centrale Nervensystem der Octopodiden schon bedeutend besser bekannt ist als das periphere, habe ich naturgemäß den Schwer- punkt meiner Arbeit auf das periphere Nervensystem gelegt. Aber auch das Centralnervensystem habe ich noch einmal gründlich nach- geprüft, und es im Zusammenhang mit dem der übrigen Gruppen beleuchtet. — Bei der Nomenklatur war ich bestrebt, soviel wie mc)"- lieh die Bezeichnungen der älteren Autoren zu übernehmen, mich aber in der Hauptsache an die von Chun, Hillig und Richter zu halten. Die Orientierung der Tiere erfolgte nach Jatta; der Kopf des Octopoden befindet sich vorn, die Spitze des Eingeweidesackes hinten, die Trichterseite bildet die Ventral-, die ihr gegenüberliegende die Dorsalseite. Für die vergleichend-anatomischen Betrachtungen muß ich, um einen Einklang zu erzielen, auch O'pisthoteuthis, der nach Hescheler orientiert ist, ausnahmsweise hier in diese Lage bringen. Zum Schluß noch einiges über die Technik. Zur Präparation verwandte ich Männchen und Weibchen von Eledone moschata von etwa 12 cm Körperlänge (bis zur Armbasis gerechnet), von Odo- fus standen mir nur etwas kleinere Tiere zur Verfügung. — Die einzige für die Präparation der Nerven geeignete Konservierung bei den Octopodiden ist die mittels Chromessigsäure (nach Dr. Naef). Hillig hat die Fixationsvorschrift auf S. 742 seiner Arbeit an- gegeben. Nur bei dieser Konservierung kann man mit ziemhcher Sicherheit auf ein Vorwärtskommen bei der Präparation der peripheren Nerven rechnen. Auch das Gehirn war immer sehr gut erhalten, und ich kann nicht sagen, daß ich mit Formolmaterial hier ein wesentlich besseres Präparationsobjekt bekommen hätte. Ein Zerfallen des cen- tralen Nervensystems, wie es Hillig bei Sepia beschreibt, habe ich nie wahrgenommen. Das Material ist nicht allzu hart, es hat daher den Vorteil, daß sofort lospräpariert werden kann, während frisches Formolmaterial oft monatelang gewässert werden muß, um es nur einigermaßen weich zu bekommen. Die Nervenpräparation einer Ele- done oder eines Octopus bietet infolge des reichlichen, mitunter sehr verfilzten Bindegewebes und der starken Muskulatur oft recht erheb- liche Schwierigkeiten, im Gegensatz zu den schlankeren Oegopsiden, wo das erstere fast ganz fehlt. Bei Chromessigsäurematerial ist nun das Bindegewebe und 434 Alfred Pfefferkorn, namentlich die Muskulatur etwas grünlich gefärbt, während sich die Nerven weißlich davon abheben, nur dadurch ist ein Vorwärtskommen bei der feineren Präparation möglich. An frischem Formolmaterial, an dem ich zuerst arbeitete, wo Nerven und umgebendes Gewebe ein- heitlich weißlich gefärbt waren, mußte ich das Präparieren bald auf- geben. Dagegen eigneten sich alte Spiritusexemplare, bei denen das Fleisch schon eine bräunliche Färbung angenommen hatte, noch ganz gut, so ließen sich die beiden Ar gonauta -Weihchen aus der hiesigen Sammlung noch ganz vorzüglich präparieren. Ein sehr wertvolles Hilfsmittel für die feinere Präparation war mir die ZEisssche binoculare Lupe, mit einem eisernen Standfuß ver- sehen, so daß das lästige Eintauchen in das Präparierbecken wegfiel. — Ich habe fast ausschließlich unter der Lupe präpariert mit den schwächsten Ocularen (2) und Objektiven (F = 55), was einer etwa 6-fachen Vergrößerung entspricht. Ein Beleuchtungsapparat, der vorn zwischen den beiden Tuben befestigt war, schickte mittels einer kleinen Glühbirne das Licht gerade an die Stelle, an der jeweilig präpariert wurde. Man kann statt dessen das Objekt auch mittels elektrischen oder Gaslichts beleuchten, das man durch eine sog. Schusterkugel strahlen läßt. Gehirn und fast sämtliche austretende Nerven wurden von dorsal, bzw. von der Seite präpariert. Um auf das Gehirn zu stoßen, geht Inan am besten in der Mitte der Verbindungslinie der beiden Augen in die Tiefe. Nur beim Nervus visceralis und bei den peripheren Tei- len des Pallialis macht sich eine Präparation von der Ventralseite notwendig. I. Die ganglionären Centren und ihre Commissuren. a. Octopodiden. Die ganze centrale Nervenmasse der Octopoden (man hat sie infolge der starken Konzentration der Ganglien, die ja hier noch weiter gediehen ist als bei den Decapoden, als »Gehirn« bezeichnet) besteht aus einem »Schlundring«, der den Oesophagus kurz nach seinem Aus- tritt aus dem Pharynx umgibt. Dieser Schlundring setzt sich zu- sammen aus einer über der Speiseröhre gelegenen »Oberschlund- masse« = Suprapharyngealportion und einer unter ihr liegenden >> Unterschlundmasse « = Subpharyngealportion. Diese Namen, die von Jheeing eingeführt und von Dietl übernommen worden sind, sind nicht ganz korrekt; schon Cheron nennt diese beiden Teile richtiger »Masse superieure du collier oesophagien« und »Masse sous-oesopha- Das Nervensystem der üctopoden. 435 gienne«, denn sie liegen im Bereich des Oesophagus, und nicht des Pharynx. Ich will sie deshalb als Supra-, bzw. »Suboesophagealportion bezeichnen, indem ich noch bemerke, daß auch von Uexkuell be- reits diese Namen dafür gebraucht. Beide Abteilungen des Gehirns werden durch zwei Commissuren- paare, ein hinteres stärkeres und ein vorderes schwächeres, in Ver- bindung gebracht, so daß sich also zwischen ihnen ein Loch im Gehirn befindet, welches bei den einzelnen Familien der Octopoden verschie- dene Gestalt besitzt. Die Supraoesophagealportion besteht wieder aus zwei Paaren von Ganglienknoten, dem »Ganglion cerebrale« und dem »Ganglion buccale superius« (= Lobus supraoesophagealis Dietl), welch letzteres ja bei den Octopoden an das Gehirn herangerückt ist, die Suboesophagealportion aus den bekannten drei Ganglienknoten- paaren, welche in der Richtung von vorn nach hinten als »GangHon brachiale«, »Ganglion pedale<< und »Ganglion viscerale« bezeichnet werden. Eine Trennung der beiden Ganglienknoten eines jeden Paares ist am Octopodengehirn äußerlich unmöglich; nur am Ganglion buc- cale superius weist gewöhnlich eine seichte Furche auf die Doppel- natur des Ganglions hin. Noch besser ist dieselbe oft beim Ganglion buccale inferius ausgeprägt, das aber nicht mehr zum Centralnerven- system gerechnet werden kann. Das Gehirn ist bei den Octopodiden von einer Knorpelkapsel völlig eingeschlossen, die sich jedoch nicht in unmittelbarem Kontakt mit den Nervencentren befindet, sondern namentlich auf der Dorsalseite einen ziemlichen Zwischenraum läßt (Taf. XIV, Fig. 4, 7), der nach Petit mit einer »couche de tissu muqueux« erfüllt ist. Außerdem erreichen feine, die Kapsel durchbrechende Blutgefäße, die natürlich nicht mit abgehenden Nervenstämmen verwechselt werden dürfen, das Gehirn in dieser Höhlung. Damit es nun darin auch den nötigen festen Halt besitze, ist das Gehirn mit zwei Bändern an der Knorpel- kapsel befestigt. Diese beiden Bänder entspringen auf beiden Seiten, etwa an der Grenze zwischen Lobus verticalis und Lobus basalis, lie- gen über dem Opticusstiel und ziehen schräg nach oben außen, wo sie sich an der Kapsel anheften. Ich habe sie nicht in meine Figuren eingezeichnet, doch hat sie Jatta bereits dargestellt. Ich verweise deshalb auf seine beiden Abbildungen (publiziert von Magnus [1902] Fig. IV auf Taf. VII und Fig. V auf Taf. VII). Diese Ligamente sind bei Eledone ganz kurz und mehr faseriger Natur, während sie bei Octopus ein langes, festes Band darstellen. Auch bei Argonauta finden sie sich als schöne Bänder, die denen von Octopus gleichen. — Au 436 AKred Pfefferkorn, den beiden Seiten, wo die Augenkapseln mit der Gehirnkapsel zu- sammentreffen, und wo der Opticusstiel durchtritt, liegt das Gehirn ziemlich fest der Knorpelwandung an. Wesentliche Unterschiede im Gehirnbau von Eledone und Octo- fus sind nicht vorhanden, nur sind die Ganglien der Suboesophageal- portion bei Octopus noch näher zusammengerückt als bei Eledone. (Ich möchte darauf nochmals aufmerksam machen.) Stets ist die Unterschlundmasse etwas länger als die Oberschlundmasse, aber nicht doppelt so lang, wie dies Cheron für Eledone angibt. Das kommt daher, weil er in Fig. 44 das Brachialganglion viel zu weit nach vorn zeichnet, in Wirklichkeit liegt es in derselben Höhe wie das obere Buccalganglion, und nur ein Teil des Visceralganglions ragt hinten unter der Oberschlundmasse hervor. Nach meinen Messungen ver- hält sich Oberschlundmasse : Unterschlundmasse bei Eledone etwa wie 5 : 71/2, bei Octopus wie 5:6. — Durch den Kanal zwischen Supra- und Suboesophagealportion passieren der Oesophagus mit den beiden Nervi sympathici, der Ausführungsgang der hinteren Speicheldrüsen nebst seinen Nerven und die Arteriae buccales innerhalb der Vena perioesophagealis. 1. Snpraoesophagealportiou. Die Supraoesophagealportion besteht aus dem Ganglion cerebrale und dem Ganglion buccale superius. Die früheren Autoren kennen ein Ganglion cerebrale bei den Cephalopoden nicht, sondern reden immer nur schlechtweg von der Oberschlundmasse, so z. B. Cheron. Dabei ist aber zu berücksichtigen, daß Oberschlundmasse bei Deca- poden und Octopoden nicht gleichwertig zu setzen ist, daß man vielmehr bei den Octopoden noch ein Ganglion zu der sog. Oberschlundmasse rechnet, welches bei den Decapoden stets als selbständig betrachtet wird, eben das oben erwähnte Ganglion buccale superius. Dem wird durch Einführung des Namens »Ganglion cerebrale« abgeholfen, ein Name, der hauptsächlich erst durch Chun bei den Cephalopoden ein- gebürgert worden ist; doch erwähnt ihn auch schon Pelseneer, der ihn allerdings wieder für beide Ordnungen gebraucht. — Um nun im Einklang mit der Nomenklatur von Chun, Hillig und Richter zu bleiben, muß auch ich das Ganglion buccale superius bei den Octopoden gesondert betrachten, obwohl es so innig mit dem Ganglion cerebrale verschmolzen ist ; übrigens hat Chun dasselbe schon bei Bolitaena getan. Die Gestalt der Supraoesophagealmasse läßt sich schwer mit einem treffenden Gegenstand vergleichen. Durch die Angliederung des Gan- Das Nervensystem der Octopoden. 437 glion buccale superius hat sie eine wesentlich andre Form angenommen als bei den Decapoden. Sie besitzt hinten ihre größte Breite, ver- schmälert sich etwas nach vorn und verbreitert sich dann wieder etwas zum Ganglion buccale superius. Den größten Teil der Supraoesopha- gealportion nimmt natürlich das Ganglion cerebrale ein, während das davor gelegene Ganglion buccale superius nur einen ganz geringen Kaum beansprucht. Ganglion cerebrale. Das Cerebralganghon (Taf. XIII, Fig. 1, 2 und Taf. XIV, Fig. 3, 4 g.cer.) gliedert sich wieder in fünf einzelne Lobi, die nach Dietl als Lobus frontalis inferior, Lobus frontalis superior, Lobus verticalis, Lobus basalis anterior und Lobus basalis posterior bezeichnet werden. Diese Einteilung, die Dietl nach seinen mikroskopischen Befunden bei Eledone gibt, deckt sich in allen Punkten genau mit der äußeren Abgrenzung der einzelnen Lobi untereinander. Man vergleiche hierzu die Photographien des Medianschnittes eines Gehirns von Eledone (Taf. XIV, Fig. 10, 11), (die etwa der Fig. 2 auf Taf. I Dietls entspre- chen [sagittaler Längsschnitt des Gehirns]) mit der Gehirnzeichnung (Fig. 2)1. Nur eine Abgrenzung von Lobus basalis anterior und Lobus basalis posterior ist äußerlich nicht vorhanden ; der hier heraustretende Opticusstiel verwischt jedenfalls die Grenze, die auf dem Schnitt (Taf. XIV, Fig. 11 durch die gebogene Linie angedeutet) so schön zu sehen ist. Betrachtet man das Gehirn von dorsal, so liegt dem Cerebrale hinten kappenförmig der Lobus verticalis auf, der als eine flache Scheibe von ovaler, vorn etwas abgestumpfter Form auf dem Lobus basalis ruht. Der eben erwähnte Medianschnitt zeigt die scharfe Ab- hebung desselben vom Lobus basalis posterior sehr deutlich. Eine Andeutung einer Zweiteilung wie bei Sepia läßt sich an ihm nicht erkennen, nur an seinem vorderen Rande ist in der Mitte eine schwache Einbuchtung ausgebildet. Das Auffallende ist mm, daß dieser Schei- tellappen eine Art Gyrifikation, wenn man es so nennen darf, aufweist, wie sie nirgends mit Sicherheit bei den Decapoden beobachtet wurde^. 1 Hierzu vergleiche weiter- die Abbildungen von Haller, »Die Intelligenz- sphären des MoUuskengehirns« (1913). Tai. XIX, Abb. 62. — Diese Abhand- lung kam mir leider zu spät zu Gesiclit. 2 Zwar beschreibt Appelloef (Bcrgcns Museums Aarsberetning for 1889) bei Veranya eine Fünffelderung der hinteren Gehimabteilung, und Cheron am »>Cervelet« von Loligo »des raies blanches tres fines qui sont comme le rudiment 438 Alfred Pfefferkorn, Fünf (in der Literatur werden auch sieben angegeben) annähernd gleich breite Längswülste = Gyri (v. Jhering bezeichnet sie direkt als »Windungen«) werden durch vier Furchen = Sulci, die ungefähr in der Längsrichtung des Tieres gehen, voneinander geschieden. Der mittelste Gyrus (Gyrus medianus) ist der größte und macht den höch- sten Teil des Gehirns aus. Die beiden anliegenden (Gyri mediales) sind schon kürzer; sie sind bilateral-symmetrisch angeordnet, ebenso wie die beiden äußersten (Gyri laterales), die am wenigsten entwickelt sind. Auf diese Verhältnisse möchte ich hier noch einmal besonders aufmerksam machen. Leider ist über die physiologische Bedeutung dieses interessanten Hirnteiles, der so von dem der Decapoden ab- weicht, fast gar nichts bekannt. Der Lobus verticalis grenzt nun unten an den Lobus basalis posterior mit einer scharfen Grenze. Der hintere Basallappen nimmt die größte Masse des Cerebrale in Anspruch, er ist nach rückwärts frei, unten geht er vermittels der Commissura lateralis posterior in das Pedal- und Visceralganglion über, in der Mitte grenzt er an den darunterliegenden Oesophagus. Eine äußere Trennung zwischen dem größeren Lobus basalis posterior und dem kleineren Lobus basalis anterior läßt sich, wie schon oben erwähnt, nicht nachweisen. Aus dem Lobus basalis, bzw. schon aus der hinteren Seitencommissur ent- springen die drei Nervi ophthalmici superiores, der Opticus und in- direkt der Nervus olfactorius. Der Opticusquerschnitt hat einen, Durchmesser von 1 mm, er ist lange nicht so mächtig wie bei Sepia und den Oegopsiden und hat kreisrunden Querschnitt. Vor dem Lobus verticalis liegt nun mit ihm noch in gleicher Höhe ein ziemlich starker Querwulst, durch eine Querfurche deutlich von ihm abgegrenzt, nach oben konvex in der Frontal- und Sagittalrich- tung. Es ist der Lobus frontalis superior. Von hier aus neigt sich der vordere Teil des Cerebrale mit dem Ganglion buccale supe- rius schief nach vorn unten und bildet mit dem Lobus verticalis einen Winkel von 120 bis 130°. Der Lobus frontalis superior ist etwa keil- förmig gestaltet und liegt noch auf der Höhe des Hirns; nach oben frei, grenzt er vorn an den Lobus frontalis inferior. Auch vom Lobus basalis ist er äußerlich abgegrenzt, ich konnte immer eine seichte, etwas gebogene Furche, die vom Vertikallappen nach dem unteren Frontallappen ging, bemerken (Taf. XIII, Fig. 2). Diese Grenze des bandelettes blanches qui existent sur celui du Poulpe et sur celui de l'Ele- done«, doch das ist nicht sicher nachgewiesen, und aus den Abbildungen geht nichts hervor. Das Nervensystem der üctopoden. 439 stimmt auch mit den mikroskopischen Befunden Dietls überein. 80 entsteht also ein Keil, der sich zwischen Lobus basalis und Lobus verticalis einer- und Lobus frontalis inferior anderseits einschiebt. Der Lobus frontalis inferior ist schon tiefer gelegen, er ist ein querverlaufender Wulst, in dieser Richtung etwas schmäler als der vorhergehende. Die Furche, die ihn vom Lobus frontalis superior trennt, verläuft etwas gebogen nach unten (Taf. XIII, Fig. 2), bis zum »Foramen cerebri«, so daß er mit dem vor ihm liegenden Gang- lion buccale superius unten wieder die Decke für den Oesophagus bildet. — Erwähnen möchte ich noch, daß die Physiologen (v. Uex- kuell) für die fünf Teile des Cerebrale andre Bezeichnungen einge- führt haben, die aber der anatomischen Gliederung vollkommen ent- sprechen. Der Lobus verticalis wird als zweites Cerebral-, der Lobus frontalis superior als erstes Cerebralganglion, der Lobus frontalis in- ferior als erstes Central-, der Lobus basalis anterior als zweites Cen- tral-, der Lobus basalis posterior endlich als drittes Centralganglion bezeichnet (vgl. v. Uexkuell [1895], Fig. 2, S. 588). Ganglion buccale superius. Das Ganglion buccale superius (Taf. XIII, Fig. 1, 2 g.hucc.sup.)^ welches die Fortsetzung des Ganglion cerebrale nach vorn bildet (DiETL nennt es Lobus supraoesophagealis), ist dem selbständigen, durch zwei Commissuren mit dem Ganglion cerebrale verbundenen Ganglion buccale superius der Decapoden vollkommen homolog. Es ist von dem Lobus frontalis inferior durch eine ebenfalls deutliche Furche abgegrenzt und stellt einen etwas gebogenen Wulst dar. Vorn besitzt es eine Einbuchtung, die deutlich die Doppelnatur dieses Gan- glions verrät, die Seiten sind infolgedessen mächtiger ausgebildet als die Mitte. Von seinem vorderen Rande entspringen die Lippennerven, an den Ecken die Nervi mandibulares und die Unterschlundcommissuren. 2. Snboesophagealportiou. Die Suboesophagealportion setzt sich aus dem Ganglion viscerale, dem Ganglion pedale und dem Ganglion brachiale zusammen. Die beiden letzteren sind bei den Octopodiden so nahe aneinander gerückt, daß eine äußerliche Trennung unmöglich wird. Dagegen hebt sich das Visceralgandion scharf von dem vorderen Teil der Unterschlund- masse ab, hauptsächlich dadurch, daß es sich ziemlich weit nach ven- tral verlängert, ein Verhalten, das auch nur den Octopoden, aber allen, zukommt. 440 Alfred Pfefferkorn, Ganglion viscerale. Das Visceralganglion (Taf. XIII, Fig. 1,2 g.visc), das mit dem Ganglion cerebrale durch die Commissura lateralis posterior in Ver- bindung steht, grenzt mit seiner Hauptmasse vorn an das Ganglion pedale an. Es knickt dann gegen das letztere mit einem scharfen Winkel ab, so daß es gewissermaßen am Gehirn hinten herabhängt. Sein tiefster Punkt liegt etwa mit dem tiefsten des Brachialganglions in einer Horizontale. Mit seiner Vorderseite liegt es der Gehörkapsel auf, aber der Knorpel erstreckt sich von unten noch ein Stück zwi- schen Pedale und Viscerale herein. Da hier nun zugleich noch die beiden Pedalarterien in einem Kanäle von oben hinten schräg nach vorn unten passieren, so wird das Pedale vom Viscerale im Zentrum durch eine bindegewebige Einlage getrennt. Auf diese Weise erhält das Visceralganglion im Medianschnitte (Taf. XIV, Fig. 11) eine birn- förmige Gestalt, der Stiel ist nach unten gerichtet. Es läuft also spitz nach seinem tiefsten Punkte aus, dort, wo die Nervi viscerales ab- gehen. Auf seiner Oberseite hat das Ganglion eine Kinne für den Oesophagus, die hintere, konvexe Seite wird durch eine schwache Knorpelplatte von der Leberkapsel geschieden, unten durchbricht die Visceralisportion in einem Foramen den Knorpel. Äußerlich hebt sich das Visceralganglion von dem vor ihm liegenden Pedale und Bra- chiale durch seine stärkere Wölbung nach außen ab, es ist also mehr lateralwärts ausgewuchtet. Es verstreicht nämlich ein schräg nach hinten gerichteter Wulst von länglicher Form vom Opticusstiel nach dem Visceralisaustritt. Dieser fällt nach vorn unten zu ab, während er hinten in den Pallialis übergeht. Durch den Wulst entsteht eine Senke gegen das Pedale zu und auf diese Weise eine annähernd scharfe Abgrenzung. Eine äußere Zweiteilung des Ganglions ist nicht mehr da. Das dorsale Dach zeigt wie bei Sepia die Gestalt eines Kecht- ecks, die lateralen Eänder sind durch die Rinne emporgetrieben. Die beiden Viscerales gehen direkt nebeneinander aus der Mitte ab. Außer ihnen jederseits noch der Nervus capsulae hepaticae anterior und posterior, der Nervus oculomotorius posterior, der Nervus pallialis und collaris, der Nervus infundibuli posterior und der Nervus venae cavae anterior und posterior (letzterer nur bei Eledone). Ganglion pedale. Am einfachsten von den drei Ganglien der Unterschlundmasse ist das Pedalganglion (Taf. XIII, Fig. 2 g.jied.) gestaltet. Es liegt Das Xcrvensystein clor Octopoden. 441 unten der Gehürkapsel auf und ist überall ungefähr gleich breit, seine Kanten sind abgerundet, seine Oberseite mit einer Rinne für den Oesophagus versehen. Die Grenze gegen das Visceralganglion wurde schon oben angedeutet. Das Pedale, das kleinste Ganglion der Sub- oesophagealportion, ist also zwischen Viscerale und Brachiale einge- schoben und hängt nach oben durch einen Teil der Commissura late- ralis posterior mit dem Cerebrale zusammen. Aus ihm entspringen folgende Nerven: Nervus staticus, Nervus Ophthal micus inferior, Ner- vus oculomotorius anterior, Nervus musculi adductoris pallii mediani und Nervus infundibuli anterior. Ganglion brachiale. An das Pedalganglion schließt sich vorn ohne scharfe äußere Grenze das Armganglion an (Taf. XIII, Fig. 2 g.hrach.), das an Um- fang das Ganglion pedale übertrifft, da es sich von hinten nach vorn ziemlich verbreitert. Cuvier nennt es mit treffendem, seine Gestalt wiedergebendem Ausdruck »Gänsefußganglion« (Ganglion en patte d'oie). Das Ganglion liegt unten dem Gehirnknorpel auf, an dem die vordere Pfeilermuskulatur ansetzt; vorn ist es durch eine dünne Knorpelplatte abgeschlossen, die das Gehirn von dem Schlundkopf davor trennt. Seine Kanten sind abgerundet wie beim Pedale, seine Vorderseite von oben nach unten konvex, von rechts nach links kon- kav. Die Unterseite dagegen ist glatt. An der Vorderseite des Gang- lions entspringen nun auf einer Kreisperipherie mit großem Radius auf jeder Seite die vier Armnerven. Sie setzen sich in gleichen Ab- ständen im Umkreis an das Ganglion an, mit Ausnahme seiner Ober- seite. Hier lassen die beiden ersten Armnerven eine Lücke zwischen sich, welche durch die Rinne verursacht wird, in der der Oesophagus verläuft. Mit der Oberschlundmasse steht das Brachiale durch die kurze Commissura lateralis anterior in Verbindung. Vom Brachial- ganglion entspringen außer den Armnerven indirekt noch die Nervi antorbitales superiores und inferiores sowie die Intorbrachiales. Die beiden Armganglien werden nun dorsal durch eine Commissur verbunden, die den Decapoden gänzlich fehlt. Diese schöne, etwa V4 mm breite Commissur, die eigentümlicherweise von den früheren Autoren bei der Präparation der Octopodiden gänzlich übersehen worden ist, überbrückt direkt vor den Commissurae laterales ante- riores den Oesophagus; sie liegt unter dem Ganglion buccale superius ziemlich verborgen und wird von ihm nur durch eine dünne Binde- gewebsplatte getrennt. Dietl hat sie zuerst bei der mikroskopischen Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CXIV. Bd. 29 442 AKred Pfefferkorn, Untersuchung des Gehirns von Eledone gefunden, sie fehlt auch den übrigen Octopoden nicht, wie wir später noch sehen werden. Pelse- NEER (1888) wies sie dann für Octopus als >> Commissure supraoesopha- gienne« nach und gibt auf Taf. XXXVII, Fig. 3 eine Zeichnung davon. Chun, der sie bei Eledonella beschrieb, hat ihr den Namen >>Commissura ganglii brachialis« gegeben, den ich beibehalten möchte. 3. Commis Suren. Nachdem wir Supra- und »Suboesophagealportion betrachtet haben, haben wir noch der Commissuren zu gedenken, die beide in Verbin- dung setzen. Zunächst die stärkste, die Commissura lateralis posterior (Taf. XIII, Fig. 1, 2 c.lat.post.). Sie hat etwa die Breite des Lobus verticalis und verbindet das Cerebralganglion am Lobus basalis mit dem Viscerale und Pedale, in die sie zu etwa gleichen Tei- len einstrahlt. Doch ist eine Grenze zwischen Gehirn und Commissur nicht da. — ■ Die Commissura lateralis anterior (Taf. XIII, 'Pig.2c.lat.ant.) ist bedeutend schmäler und ziemlich kurz; sie ver- bindet das Brachialganglion mit dem Lobus frontalis inferior ganglii cerebralis und dem Ganglion buccale superius. So liegt zwischen den beiden Commissu^ren ein Zwischenraum (Foramen cerebri) von ovaler Gestalt. Vor die Commissura lateralis anterior endlich kommt noch die schon erwähnte Commissura ganglii brachialis (Taf. XIII, Fig. 2 c.g.brach.) zu liegen, die die Armganglien untereinander verbindet, beide Commissuren haben etwa die gleiche Breite. Was die vordere Seitencommissur betrifft, so entspringt sie vom Innenrande des Gang- lion brachiale und geht von vorn unten etwas schräg nach hinten oben. Da nun schon bekannt war (v. Jhering, S. 259), daß sie nicht nur in das Cerebrale, sondern auch mit in das Ganglion buccale supe- rius einstrahlt, das ja bei den Decapoden durch eine selbständige Com- missura brachiobuccalis mit dem Brachialganglion in Verbindung steht, so lag die Frage nahe, ob sich nicht auch hier noch die beiden Com- missuren der Decapoden (Commissura cerebrobrachialis und Commis- sura brachiobuccalis), die ja bei den Octopoden infolge der Verschmel- zung des Ganglion buccale superius mit dem Ganglion cerebrale ganz aneinandergetreten sein mußten, als zwei gesonderte Stränge erkennen ließen, v. Jhering verneint es, er sagt: »Die Commissura lateralis anterior ist nämlich bei den Octopoden nach oben hin nicht in zwei Schenkel gespalten, sondern einfach«. Dietl erwähnt nichts darüber. Bei genauem Beobachten konnte ich nun doch eine doppelte Com- Das Xcrvensystoin der Octopoden. 443 missiu", analog der der Decapoden sehen. Beide Commissuren ent- springen etwa in der Mitte des Bracliialganglions zusammen, ein Ver- halten, das übrigens Hillig auch für Sepia angibt, teilen sich aber dann und lassen einen kleinen, kaum wahrnehmbaren dreieckigen Spalt zwischen sich (Taf. XIII, Fig. 2 c.lat.ant.). Die vordere Com- missur geht in das Ganglion buccale superius, entspräche also der Comniissura brachiobuccalis, die hintere (Commissura cerebrobrachia- lis) in den Lobus frontalis inferior. Beide sind annähernd von gleicher Stärke. Ich habe dies Verhalten zuerst bei Octopus gefunden, mußte aber zu diesem Zwecke die oberste feine Faserlage des Gehirns weg- nehmen, dann sah ich es ebenfalls bei Eledone, wenn auch nicht ganz so deutlich. Die Spaltung der Schenkel ist nur sehr schwer zu sehen; wenn ich nicht danach gesucht hätte, wäre sie mir sicher entgangen. Ich will die Commissuren daher auch nicht gesondert bezeichnen, sondern nur mit dem schon früher gebräuchlichen Namen »Commis- sura lateralis anterior << benennen. Ich möchte aber doch auf diese Verhältnisse hingewiesen haben. - — Dahingegen ist natürlich von einer Commissura cerebrobuccalis auch nicht die leiseste Spur mehr vorhanden. Zu diesen Commissuren käme nun noch die Commissura buc- calis superior inferior, die das Ganglion buccale superius mit dem Ganglion buccale inferius in Verbindung bringt. Ich kann aber auf sie, wie auch auf das Ganglion buccale inferius selbst erst später eingehen. Das Centralnervensystem der übrigen Octopodiden Eledone Al- drovandi, Octopus macropus, Scaeurgus tetracirrhus und Scaeurgus unicirrlius soll sich nach Jatta fast gar nicht von dem eben beschrie- benen unterscheiden. b. Bolitaeniden. Der Vollständigkeit halber will ich im Anschluß an die Octopo- diden noch das Gehirn der Bolitaeniden rekapitulieren, dessen Be- schreibung wir Chun verdanken. Chun hebt hervor, daß das dorsal gelegene Cerebralganglion breit mit dem davor gelegenen Ganglion buccale superius zusammenfließt. Ich möchte hier noch nachtragen, daß ich am Ganglion cerebrale von Eledonella, an demselben Exem- plar, nach dem Chun die Zeichnung 8 angefertigt hat, auch die ein- zelnen Lobi unterscheiden konnte, die ich bei den Octopodiden an- geführt habe: einen kleinen Lobus frontalis inferior, einen auffällig 29* 444 Alfred Pfefferkorn, breiten Lobus frontalis superior und einen dahinter gelegenen Lobus verticalis, mit Gyri versehen, die ja auf der betreffenden Zeichnung auch angedeutet sind. Die Unterschlundmasse besteht aus einem herzförmigen Ganglion viscerale, das sich nur wenig von dem davor gelegenen Pedale abhebt, dagegen »ist das Ganglion brachiale durch eine deutliche Einschnürung von dem Fußganglion abgesetzt«. Wir kommen auf diesen Punkt später noch einmal zurück. Auffallend ist die Breite des Cerebralganglions ; >>es ist mindestens doppelt so breit als lang«. Diese Breite der Oberschlundmasse ist bei den Octo- podiden schon erheblich zurückgegangen; ich maß hier 41/2 mm größte Breite gegenüber einer Länge von 5 mm bei Eledone. Direkt klein nimmt sich dagegen die 8upraoesophagealportion der Philone- xiden aus; wir müssen natürlich hier von den breiten Commissuren abstrahieren. Dieses Abnehmen der Breite der Oberschlundmasse von den Bolitaeniden nach den Philonexiden zu mag aber vielleicht keine ganz zufällige Erscheinung sein. c. Philonexiden. Im Bau des Centralnervensystems unterscheiden sich die Philo- nexiden in wesentlichen Punkten von den Octopodiden. Meine Un- tersuchungen erstrecken sich hier in der Hauptsache auf Ärgonauta argo, doch habe ich die Befunde, soweit es das Material zuließ, auch an Ocythoe tuherculata und Tremoctopus violaceus nachzuprüfen ver- sucht. Es zeigte sich nun, daß Ärgonauta und Ocythoe außerordentlich im Gehirnbau einander ähneln, auch Tremoctopus hat einen ähn- lichen Typ, doch schien er mir mehr einen Übergang zu den Octopo- diden hin zu bilden. Leider stand mir hiervon nur ein einziges, nicht sonderlich gutes Exemplar zur Verfügung. Das Gehirn der Philonexiden liegt dem Schlundkopf mit seiner Supraoesophagealmasse direkt auf, und zwar an der Stelle, wo der . Oesophagus in den Pharynx übergeht, während es bei den Octopo- diden weiter entfernt lag. Was an ihm sowohl bei Ärgonauta als auch bei OcytJioe sofort ins Auge fällt, ist die gewaltige Ausbildung der Commissurae laterales, besonders der hinteren. Von oben betrachtet zeigt das Gehirn eine beträchtliche Breite gegenüber dem von Ele- done und Octopus. Das rührt aber daher, daß der Oesophagus viel stärker ist als bei den eben erwähnten Formen. Um ihn zu umspan- nen und Ober- und Unterschlundmasse zu verbinden, gehören natür- lich viel längere Commissuren dazu. Die Supraoesophagealportion, die direkt auf dem Oesophagus liegt, nimmt sich ziemlich klein aus; I Das Nervensystem der Octopoden. 445 das küiniut auch bei einer Seitenaüsicht des Gehirns gut zum Aus- druck (Textfig. 1). Sie besteht, und das ist der Hauptunterschied, von oben gesehen nicht aus vier Wülsten wie bei den Octopodiden, sondern nur aus drei. Am weitesten hinten und auf der Höhe des Gehirns Hegt der Lobus verticahs; er hat eine ähnliche Gestalt wie der von Eledone und ist durch vier Längsfurchen in fünf deutlich sich abhebende Gyri geteilt, van Beneden deutet deren sechs an, mög- lob. veH: /ob. Front. ; g. cer. g.bucc.sup. nn. lab. cer. \--c.lat.anf: — c.bucc.sup.inF. nopth.sup.post. -\-^\f~^ j \\n.ophfh. ^^^y^— - n.antorb.sup. T^nn.ör^cA n.an/orb. int. n.inFd.post. — ' _ n.ophth.inF n.inFd.ant. Textfig. 1. Das centrale Nervensystem von Ärgonauta argo von der rechten Seite. Vergr. etwa 8 : 1. licherweise kommen Variationen vor. Ich konnte bei Octopodiden und Philonexiden immer nur fünf erkennen, Jatta hat in seinen nach- gelassenen Zeichnungen von Ärgonauta, Ocythoe und Tremodopus ebenfalls immer fünf angegeben, ebenso bei den Octopodiden. Vor dem Lobus verticalis befindet sich nun ein breiter, quergerichteter AVulst, von dem aus das Gehirn sich senkt. Er dürfte dem Lobus frontalis superior entsprechen. Hierauf verbreitert sich das Gehirn ein wenig und bildet einen Wulst von etwas größerem Umfang (Text- fig. 1). Er ist nach vorn abgerundet, ohne Einbuchtung versehen, an seinem vorderen Eande entspringen die Lippennerven, an den 446 Alfred Pfefferkorn, Ecken die Unterschluudcommissuren. Er würde also in seinem vor- deren Teile dem Ganglion buccale superius homolog sein. Dagegen weist keine Furche oder Einschnürung auf einen hinter ihm liegenden Lohns frontalis inferior hin, beide sind wahrscheinlich so nahe an- einander gerückt, daß die Differenzierung unmöglich wurde. Leider existiert eine mikroskopische Untersuchung dieser Verhältnisse noch nicht, die hierüber vielleicht Aufschluß geben könnte. So kann man also am Philonexidengehirn keine Grenze zwischen Ganglion cere- brale und dem oberen Buccalganglion angeben, und man gerät hier bei der Nomenklatur in Schwierigkeiten. — Die Lobi basales sind äußerlich nicht voneinander abgegrenzt, sie gehen auch ohne mar- kierte Grenze in die Commissura lateralis posterior über. Die Suboesophagealmasse scheidet sich wieder scharf in zwei Por- tionen, in eine hintere, birnförmig gestaltete, die das Visceralganglion darstellt, und eine vordere von größerem Umfange, die aus Pedal- und Brachialganglion besteht. Nur verbreitert sich das Ganglion brachiale nach vorn nicht so sehr wie bei Eledone. Beide Ganglien sind auch hier so eng zusammengerückt, daß keine äußerliche Tren- nungslinie sich erhalten hat. Diese Konzentration der Unterschlund- masse, also namentlich der beiden vorderen Ganglien, wird von den Forschern sehr hervorgehoben. So erklärt Pelseneer auf S. 737 die Unterschlundmasse von Ärgonauta »comme presentant une con- densation encore bien plus grande que Octopus<<, und »Ganglions brachiaux et pedieux forment une masse unique, tres courte, presque globuleuse, sans aucun brusque changement de volume . . . « Jatta schreibt auf S. 42 seines Nachlasses über Ocytlioe: »Anche nelle sezioni si riscontra una conessione maggiore, che negli altri Octopodi, fra il primo ed il secondo ganglio sottoesophageo«. Auch ich konnte diese Konzentration der Unterschlundmasse bei Ärgonauta feststellen, wenn auch nicht in dem Maße, wie dies Pelseneer in seiner schematischen Fig. 5, Planche XXXVII, die auch von Hescheler übernommen worden ist, darstellt. Die Unterschlundmasse bei Ärgonauta über- trifft immer noch die Supraoesophagealportion an Länge, wie man aus meiner nach der Natur gezeichneten Textfig. 1 ersehen kann; das beruht aber in der Hauptsache wieder darauf, daß das Visceralgang- lion noch ein Stück weiter nach hinten reicht, wie dies auch Jatta in seinen nachgelassenen Zeichnungen von Ocythoe, Ärgonauta und Tremoctopus zur Darstellung gebracht hat. Erst bei den Cirroteu- thiden, namentlich bei OpistJioteuthis, ist (wie wir auch später noch sehen werden) die Konzentration der Unterschlundmasse, und das Das Nervensystem dvv Octopoilen. 447 beruht in der Hauptsache auf der des Gan^lioii pedale und brachiale, so weit fortgeschritten, daß Supra- und Suboesophagealportion fast dieselbe Länge besitzen. — Wenn ich liier luiu noch den interessanten Befund Chuns bringe, der bei den liolitaeniden eine deutliche Ab- schnürung des Ganglion brachiale vom Ganglion pedale fand und außerdem die Unterschlundportion bedeutend länger als die Ober- schlundmasse angibt, so würde sich bei den Octopoden eine konti- nuierliche Reihe finden, die (in bezug auf die Konzentration der Suboesophagealportion) mit Eledonella an die Decapoden, besonders Myopsideu (wo ja Brachialganglion auch noch deutlich vom Pedal- ganglion getrennt ist, vgl. Chun, Spirula, HilliCx, 8epia), anklingend, ausgehen und sich bis zur größtmöglichen Konzentration bei Opistho- teuthis steigern würde, nämlich die Reihe: ßolitaenidae -^ Octopodidae (Eledone -^ Octopus) —> Philonexidae {Tremoctopus — ?- Argonauta) -^ Cirroteuthidae {Cirroteuthis — > 0 pisthoteuthis) . Auf diese auffällige Tat- sache möchte ich aber nur hingewiesen haben, ohne indes einen phylogenetischen Schluß daran knüpfen zu wollen. Wir haben noch auf die Comniissuren einzugehen, die wir oben schon erwähnten. Die Commissura lateralis posterior fällt durch ihre Länge auf, auch hat sie eine ziemliche Breite. Sie zieht aus dem Cere- bralganglion entspringend etwas schräg von vorn oben nach hinten unten und tritt hier mit dem Ganglion viscerale und pedale etwa zu gleichen Teilen in Verbindung. Am Übergang der Commissur in die Unterschlundportion tritt der Opticus mit kreisförmigem Querschnitt aus. Sein Durchmesser nimmt sich gegenüber der großen Commissur recht klein aus, besonders fällt dies auf, wenn man ihn mit den ge- waltigen Opticusquerschnitten bei Cirroteuthis und 0 pisthoteuthis ver- gleicht. Vor und hinter ihm entspringt der Ophthalmicus superior anterior und Ophthalmicus superior posterior aus der Commissur, während im Cerebrale gar keine Nerven wurzeln. Das läßt dasselbe für die Octopodiden vermuten, wo man das ja infolge der Kürze der Commissur nicht mit Sicherheit erkennen kann. Den Nerven d, den VAX Beneden auf Planche I, Fig. IV angibt, kann ich mir nicht er- klären, er hat (nach der Zeichnung wenigstens) die Lage, wo das Band abgeht, welches das Gehirn an der Schädelkapsel befestigt. Nach der Beschreibung sah er ihn nach hinten verlaufen, um sich auf dem Nacken zu verlieren. — Zwischen beiden Comniissuren bleibt ein langge- strecktes, dreieckiges Foramen cerebri frei, durch das Gefäße hindurch- gehen. Die Commissura lateralis anterior ist ebenfalls sehr lang, aber ziem- 448 Alfred Pfefferkorn, lieh dünn. Sie entspringt aus dem vordersten Ganglion der Ober- schlundmasse, ungefähr an der Stelle, wo sonst Lobus frontalis infe- rior und Ganglion buccale superius sich abgrenzen, und geht zu beiden Seiten des Oesophagus an die Innenseite des Brachialganglions. Von ihr spaltet sich oben ein dünner Schenkel ab, von dem ich erst ver- mutete, daß er die Commissura ganglii brachialis darstellte, und den ich auf der Zeichnung (Textfig. 1) nur angedeutet habe. Ich konnte aber dann bei den beiden Exemplaren, die ich untersuchte, diese Com- missur nicht mit Sicherheit feststellen. Das ist umso auffallender, als ich bei Ocythoe tuberculata eine lange, wenn auch sehr dünne Com- missura ganglii brachialis über den Oesophagus wegziehen sah. und auch bei Tremoctopus violaceus eine gefunden zu haben glaube, die sich eigentümlicherweise in der Mitte noch einmal spaltete. (Leider ließ mich mein Material hier im Stich.) Diese Commissur ist aber bei den Philonexiden, wenn sie überhaupt da ist, ziemlich fein, und es dürfte daher eine mikroskopische Untersuchung dieser Verhältnisse einmal am Platze sein. Leider erwähnt auch Jatta in seinem Nach- laß diese Commissur bei sämtlichen drei Philonexiden mit keiner Silbe. Es scheint hier am Platze zu sein, noch mit einigen Worten auf diese interessante Commissur einzugehen, der allerdings Pelseneer keine besondere Bedeutung beimißt, indem er sie nur als >>une conse- quence de l'extension des ganglions brachiaux vers la face dorsale« auffaßt. — Zunächst nur bei Eledone und Odopus bekannt, wurde sie durch die neueren Untersuchungen sowohl von Meyer bei 0})istho- teuthis, als auch von Chun bei Eledonella nachgewiesen, so daß es den Anschein hatte, als ob sie ein typischer Bestandteil des Octopoden- gehirns wäre, während sie ja den Decapoden gänzlich fehlt. Leider konnte ich ihr Vorhandensein nicht lückenlos und mit Sicherheit für alle Philonexiden feststellen, und auch bei der Präparation von Cirro- teuthis wurde bisher noch keine derartige Commissur gefunden, ob- wohl sie OpistJwteuthis, der nächste Verwandte, wieder besitzt. Doch gebe ich den Befund bei Cirroteuthis nur mit Vorbehalt wieder, die weiteren Untersuchungen darüber werden wohl hier den Sachverhalt unzweideutig feststellen. — Und so muß denn späteren, namentlich mikroskopischen Untersuchungen überlassen werden, die volle Klar- heit über die Existenz dieser interessanten Commissur bei den Octo- poden zu erbringen. Beim Centralnervensystem von OcytJioe tuberculata brauche ich mich nicht aufzuhalten, da es, wie schon oben erwähnt, Punkt für I Das Xi>r\ xnsy.sti'iu di-r Octopodcn. 449 Punkt mit dein von Argonauta übereinstiniiiit. In Jattas Nachlaß finden wir eine etwas eingehendere Beschreibung, er macht nament- lich wieder auf die gewaltigen Commissurae laterales aufmerksam, die die von Argonauta sogar noch an Größe übertreffen sollen. Dagegen schien mir das CTchirn von Tremoctopus violaceus bei dem einzigen alten Spiritusexemplar, das mir zur Verfügung stand, doch in einigen Punkten von dem der beiden vorhergehenden Formen abzuweichen, so daß ich es für notwendig erachte, wenigstens einmal darauf hinzuweisen, besonders da wir über das Nervensystem und die innere Anatomie dieser seltenen Form so wenig unterrichtet sind. Schon bei der Präparation von oben fällt die Ähnlichkeit des Gehirns mit dem von Eledone und Octopus auf. Die Oberschlundmasse ist größer als bei den Argonautiden und bildet wie dort einen ziemlich scharfen Winkel, sie fällt stark nach vorn ab, während sie bei Argo- nauta und Oci/thoe mehr in einer Ebene liegt. Der Lobus verticalis ist in fünf Gyri geteilt, davor befindet sich ein großer und schön ent- wickelter Lobus frontalis superior, der noch auf der Höhe des Gehirns liegt. Die Commissurae laterales waren bei diesem Tier wesentlich kürzer als bei Argonauta und Ocijthoe, was an die Octopodiden er- innert; dagegen war keine Trennung des Lobus frontalis inferior vom Ganglion buccale superius zu sehen, und hierin nähert sich das Gehirn wieder dem der Argonautiden. Die Unterschlundportion glich eben- falls der von Argonauta. Ich hatte den Eindruck, als ob das Gehirn von Tremoctopus einen Übergang zwischen Octopodiden und Argo- nautiden darstellte; vielleicht kann dieser Punkt, wenn er sich bei späteren Untersuchungen als richtig erweisen sollte, einmal bei der Klassifikation in Betracht kommen. Die meisten Forscher fassen ja Argonauta, Ocythoe und Tremoctopus unter die eine Familie der Phi- lonexiden zusammen, während Jatta (1896) Argonautidae (zu denen Argonauta und Ocythoe gehört) und Philonexidae {Tremoctopus) unter- scheidet und als zwei gesonderte Familien bespricht (wie mir scheint, nicht ganz mit Unrecht). Allerdings erwähnt Jatta in seinem kurzen Bericht über Tremoctopus (Nachlaß S. 45) nichts über derartige Ver- hältnisse, wie sie mir aufgefallen sind. d. Cirroteuthiden. Zum Schluß will ich noch kurz das Centralnervensystem der Cir- roteuthiden streifen, einiges wurde ja schon erwähnt; ich muß in der Hauptsache aber hier auf die in Betracht kommende Monographie (Meyer) und die in Bearbeitung sich befindende (Ebersbach) hin- 450 Alfred Pfefferkorn, weisen. Die Gehirne beider Tiere zeichnen sich durch die größtmög- liche Konzentration aus, die überhaupt bei den Cephalopoden vor- kommt. An der Supraoesophagealportion unterscheidet Meyer nur ein Cerebrale und einen Lobus suprapharyngealis ( = Ganglion buc- cale superius), während die einzelnen Lobi nicht zu erkennen sein sollen. Vielleicht hat es an der Konservierung des Materials gelegen (an manchen Exemplaren konnte auch ich eine Differenzierung des Cerebrale nur schwer erkennen). Wenn es sich aber tatsächlich so verhalten sollte, dann wäre Opisthoteuthis der einzige Vertreter der Octopoden, dessen Cerebralganglion nicht differenziert wäre, denn bei Cirroteuthis waren Lobus verticalis, Lobus frontalis superior sowie inferior ganz deutlich zu erkennen, sogar eine Gyrifikation des Lobus verticalis markierte sich in weißen und grauen Strichen. Scharf war auch das Ganglion buccale superius abgesetzt. Ich vermute dasselbe bei Opisthoteuthis, zumal da, wie Meyer selbst angibt, das Material nicht genügend erhalten war. — Die Suboesophagealportion ist (wenig- stens bei Opisthoteuthis) aufs äußerste konzentriert; das Pedalganglion am kleinsten, das Visceralganglion abgesetzt und herzförmig gestaltet (dasselbe geben auch Reinhardt und Prosch für Cirroteuthis an), also genau wie bei den übrigen Octopoden. Die Seitencommissuren sind ziemlich kurz, aus der hinteren entspringt der gewaltige Nervus op- ticus, dessen Querschnitt bei Cirroteuthis kreisrund, bei Opisthoteuthis rechteckig ist. Daß eine Commissura ganglii brachialis bei Opistho- teuthis vorhanden ist, bei Cirroteuthis bisher aber noch nicht nach- gewiesen werden konnte, wurde schon früher erwähnt. — Das ganze Gehirn liegt dem Schlundkopf direkt auf. ■ — • Über die Commissurae buccales superiores inferiores und das Ganglion buccale inferior später. II. Das periphere Nervensystem. a. Nerven des Ganglion cerebrale. 1. Nervus opticus. Aus dem X^obus basalis des Ganglion cerebrale und aus der Com- missura lateralis posterior entspringt der Nervus opticus (Taf. XIII, Fig. 1, 2 n.opt.), der Pedunculus ganglii optici, wie ihn Stieda genannt hat, als ein kurzer, sehr starker Nerv, der etwas nach vorn außen ge- richtet ist und bald in das Ganglion opticum übergeht. Nachdem er den hier ziemlich starken Knorpel, der die Scheidewand zwischen Gehirn und Augenganglion bildet, durchbrochen hat, schwillt er kegel- förmig an und verdickt sich stark. Auf seiner Dorsalseite hat er eine typisch wiederkehrende wulstförmige Erhebung (crista peduncuH) auf- Das XervonsystcMii der Octopoden. 451 zuweisen, die in Form einer etwas gebogenen, langgezogenen Leiste von dem vorderen Winkel des Augenganglions nach hinten und etwas nach außen nach dem Ganglion pedunculi zu verläuft. Auf einigen der beigegebenen Photographien (Taf. XIV, Fig. 3, 7) läßt sie sich deut- lich erkennen, auf Taf. XIII, Fig. 1 {cr.pedunc.) habe ich sie, wie es das Präparat zeigte, eingezeichnet. Die Crista pedunculi scheint den Decapoden zu fehlen, weder Chun noch Richter noch Hillig tun ihrer Erwähnung. Auch in der übrigen Decapodenliteratur, soweit ich sie übersehe, ist von ihr keine Rede. Warum ich mich des längeren bei ihr aufhalte, wird das Folgende erkennen lassen. In seinem weiteren Verlauf geht der Opticusstiel, durch eine tiefe, von vorn nach hinten gerichtete Spalte begrenzt, sofort in das Gang- lion über. Auf der Ventralseite ist er einförmig konvex gestaltet; auch hier grenzt er sich mit einer gebogenen Furche scharf ab, bevor er in dem Ganglion verschw^indet. Dem Winkel, den die oben er- wähnte Spalte mit dem hinteren Hörn des Augenganglions bildet, schmiegt sich auf der Dorsalseite des verbreiterten Opticus ein kuge- liges, bei Eledone schon mehr elliptisch gestaltetes, etwa stecknadel- kopfgroßes Knötchen an, das Ganglion pedunculi (Taf. XIII, Fig. 1 g.pedunc, Taf. XIV, Fig. 3, 4, 7), früher fälschlich Ganglion olfactorium genannt. Von den Physiologen wird es als Colorations- ganglion bezeichnet (vgl. Bauer). Bei Octopus gewöhnlich etwas kleiner als bei Eledone, ist es mit seiner Unterseite dem Tractus opti- cus angeheftet, doch läßt es sich ziemlich leicht von seiner Unterlage abheben. Wie Lenhossek (1896, S. 79) angibt, »hat es mit dem Ganglion opticum keinen eigentlichen, organischen Zusammenhang; vielmehr ist es gegen den Hilus des Sehlappens hin durch eine binde- gewebige Zwischenschicht getrennt«. Einen höchst merkwürdigen Befund bringt uns nun Jatta (1887) in seiner Arbeit: Sopra il cosi detto ganglio olfattivo dei cefalopodi. Er sagt da auf der zweiten Seite: » Ordinariamente si presentano conie due tubercoli tondeggianti, divisi da una strozzatura piü o meno pro- fonda in due parti, di cui una e adossata al peduncolo ottico e l'altra e attacata alla prima. — Questi tubercoli sono piü rilevati negli Oc- topodi che nei Decapodi, e nei primi e anche piü distinta la divisione in due parti«. Auch bei Argonauta argo sollen die Tuberkeln in zwei Teile geteilt sein und besonders schön bei Philonexis catenulatus (je- denfalls Ocythoe tuherculata). Mir selbst ist eine derartige Zweitei- lung des Ganglion pedunculi niemals aufgefallen, weder bei Eledone und Octopus, noch bei Argonauta; auch die einschlägigen Arbeiten 452 Alfred Pfefferkorn, von Lenhossek und Kopsch, die sich mit dem Ganglion pedunculi von Eleclone befassen, wissen nichts davon. Ebensowenig haben van Beneden bei Argonauta und Chun bei den Bolitaeniden eine derartige Beobachtung gemacht. In der Octopodenhteratur ist dieser Fall kein zweitesmal beschrieben worden. Ich kann mir Jattas Beobachtung nur so erklären, daß er die oben von mir erwähnte Crista pedunculi für den einen Teil des Ganglion pedunculi hält (»di cui una e addo- sata al pedunculo ottico<<), das eigentliche Ganglion aber für den an- dern (»l'altra e attacata alla prima <<). — Nach seiner Beschreibung kann man das annehmen. Das findet seine Stütze auch darin, daß nach ihm bei den Decapoden, wo die Crista ja fehlt, auch das Gang- lion einfach sein soll. Keinem der bisherigen Beobachter ist aber je in den Sinn gekommen, die Crista pedunculi (bisher ist sie, soviel ich weiß, noch gar nicht beschrieben worden) als einen Teil des Gang- lion pedunculi aufzufassen; darauf paßt auch der Vergleich mit einem Stecknadelkopf nicht, wie er sich in der Literatur immer findet. — Eigentümlicherweise ist trotz Jattas Beschreibung auf der von Bauer (S. 175) veröffentlichten Abbildung Fig. 10 (Übersichtsbild über das Nervensystem von Eledone moschata [?]) — wir kommen später noch einmal darauf zurück — nur ein einziges, ungegliedertes Ganglion pedunculi zu sehen; dagegen hat Jatta auf seinen nachgelassenen Philonexidenzeichnungen dieselben deutlich abgebildet. Ein Blick auf die von mir beigefügten Photographien (Taf. XIV, Fig. 3, 4, 7, vgl. auch die Fig. 8, 9 von Argonauta) wird die JATTAschen Angaben zum mindesten zweifelhaft erscheinen lassen. Das eigentliche Ganglion opticum (Taf. XIII, Fig. 1 g.opt., Taf. XIV, Fig. 3, 7) hat die Form einer Bohne oder Niere, in ihren Hilus dringt der Nervus opticus ein. Es ist bedeutend größer als das Gehirn, erstreckt sich vorn ein kleines Stück über das Ganglion buc- cale superius hinaus und reicht hinten etwa bis zum hinteren Rand des Cerebralganglions. Beide Augenganglien liegen nicht ganz in der Horizontaleben,e, sondern sind etwas nach außen unten geneigt, so daß der Hilus medial und etwas nach oben, die Konvexität lateral und etwas nach unten gerichtet ist. Die Längsachse des Ganglions bildet mit der Mittellinie des Tieres einen Winkel von 10 — 15°, die Konvergenz der Ganglien nach vorn ist also nicht so stark wie bei Sepia, und von einem Zusammendrücken des Gehirns durch die Au- genganglien ist hier keine Rede. Das Ganglion, das bei Tieren dieser Größe eine Länge von etwa 7 mm und eine Breite von 31/2 ^^^^ besitzt, weist dorsal in der Das Xervcnsystcrn der ( )(t()|)()>in straffer Spannung zum Auge<<. Diejenigen Fasern nun, die von der Ober- und Unter- seite des Ganglions ausgehend die äußerste Lage bilden, stellen kräf- tige, bandförmige Nerven dar, während zwischen diesen beiden Schich- ten mehr vom Außenrande desselben feine, dünne Nervchen ihren Ursprung nehmen. Beiderlei Arten von Nerven vereinigen sich zu Bündeln, bevor sie ins Auge eindringen. Die Bündel, die vom vor- deren Drittel des Ganglions ausgehen, ziehen schräg nach vorn außen, es sind die stärksten und längsten des Ganglions; — die des mittleren, die am kürzesten und schwächer sind, sind ebenfalls nach außen und ganz wenig nach vorn gerichtet; die hinteren, die wieder stärker, län- ger und etw'as gekrümmt sind, haben einen gerade nach außen gerich- teten Verlauf. Auf diese Weise wird das Ganglion opticum mit schön geschwungenen, flügeiförmigen Fortsätzen versehen, die sich nament- lich vorn weit über das eigentliche Ganglion hinaus erstrecken. So zeigt das Ganglion mit seinen Fasern etwa die Form eines Trapezes; die Fasern breiten sich über ein Gebiet von 10 mm Länge und 6 bis 7 mm Breite aus. Alle die Nervuli retinae strahlen auf die Fläche des Auges aus, die starken vorderen und hinteren innervieren die Rand- partie der Retina. Bevor aber die Fasern ins Auge eindringen, kreu- zen sie sich auch bei den Octopoden »wne die Finger gefalteter Hände«. Diese Kreuzung ist namentlich hinten sehr schön zu sehen, wo be- sonders lange und breite Fasern bogenförmig an den Bulbus heran- treten (Taf. XIV, Fig. 3). Die Durchkreuzung der Faserbündel findet in einer gebogenen Linie statt, die nicht überall gleich weit vom Bul- bus entfernt ist (vorn und hinten w'eiter als in der Mitte). Je ein Bündel der Oberseite kreuzt sich mit einem der Unterseite und dringt 1/2 — 1 mm nach der Kreuzung durch die Argentea interna in den Bul- bus ein. Diese Bündel treten in mehreren Reihen untereinander in die Retina ein, es sind ungefähr vier bis fünf solcher Reihen vorhanden. 454 Alfred Pfefferkorn, Es scheint nun, wie schon Hillig beschrieben hat, als ob die vor- dersten und hintersten Bündel des Ganglions sich nicht kreuzten. Es vereinigen sich nämlich mehrere der vordersten breiten, bandför- migen Nerven, die alle am innersten Rande des Augenganglions von oben und unten entspringen, indem sie untereinander auch Anasto- mosen bilden und sich fest aneinanderlegen, zu einem sehr starken Bündel, dem stärksten des ganzen Ganglions. Die Fasern sind hier fest miteinander verwachsen. Aber dieser starke Nerv teilt sich, be- vor er in den Bulbus an dessen vorderster Stelle eintritt, wieder in einige weniger starke Aste. Und dies macht es wahrscheinlich, daß auch an dieser Randpartie noch eine Kreuzung der Fasern vorliegt. Ähnlich wird es sich auch bei dem hintersten Bündel, das von der Hinterseite des Ganglions seinen Ursprung nimmt und direkt in den Bul- bus zu gehen scheint, verhalten. — Die Zahl der Retinanerven, die nach Hillig bei Sepia gegen 200 betragen soll, kann ich nicht genau angeben, doch sind es meiner Schätzung nach bei Eledoyie bedeutend mehr. Das Ganglion opticum von Octopus vulgaris zeigt nun insofern eine Verschiedenheit von dem von Eledone moschata, als hier die schö- nen, flügeiförmigen Fortsätze, die das von Eledone auszeichnen, fehlen, und alle Fasern direkt lateralwärts sich an das Auge begeben. Taf . XIV, Fig. 4 wird dieses zur Anschauung bringen. Betrachten wir daraufhin einmal die schon vielfach erwähnte jATTASche Übersichtszeichnung des Nervensystems von Eledone moschata (?) (Bauer, S. 175, v. Uexkuell, Taf. VII, Fig. 3), so finden wir hier das eben beschriebene Opticus- ganglion von Octopus vulgaris genau dargestellt, auch die Form des Hilus, des Ganglion pedunculi, des Unterschlundganglions, der Stellarganglien (vgl. die beiden Photographien Taf. XIV, Fig. 5 und 6) und die Anwesenheit einer Visceralcommissur (!) stimmen vollkommen für Octopus vulgaris. Ich möchte das nur nebenbei be- merken und eventuell richtigstellen. Der Nervus opticus von Argonauta argo (Textfig. 1, Taf. XIV, Fig. 8) untersoheidet sich nicht allzusehr von dem der Octopodiden. Er entspringt aus dem untersten Abschnitt der Commissura lateralis posterior, etwa in der Mitte, sein Querschnitt ist drehrund und noch etwas kleiner als bei Eledone, der Stiel selbst etwas länger als bei der eben erwähnten Form. Eine Crista pedunculi ist auch hier vorhanden, dahinter befindet sich ein schönes, reichhch stecknadelkopfgroßes Ganglion pedunculi. Eine derartige Krümmung, wie sie van Beneden auf Planche 4 eingezeichnet hat, und die auf uns etwas befremdlich wirkt, existiert nicht, doch läßt die eben erwähnte Hervorwulstung Das Nervensystem der Octopoden. 455 des Opticus einen älinliclien Eindruck schon hervorrufen. — Das AugengangUon selbst ist wieder bedeutend größer als das Gehirn, auch in seiner Form etwas von der der beschriebenen Art abweichend (Taf. XIV, Fig. 8 und 9), wie überhaupt jede Gattung kleine Diffe- renzen im morphologischen Bau desselben aufweist. Sie fallen nicht allzusehr ins Gewicht. Ziemlich lang erschienen mir die Opticusstiele bei Ocythoe tuher- culata, das stimmt auch mit Jattas Nachlaß überein. Das Au^en- ganglion dieser Species ähnelt ganz dem von Argonauta; das große Ganglion pedunculi sitzt weit distalwärts auf dem Stiel, der ebenfalls einen Querwulst aufweist. Bei den Cirroteuthiden ist die Stärke des Opticusstieles wieder charakteristisch. Beide Formen übertreffen hierin sämtUche andern Octopoden, auch die Kürze desselben ist auffallend. Ein Ganglion pedunculi fehlt sowohl bei Cirroteuthis, als auch bei Opisthoteuthis. Sehr richtig sagt Meyer auf S. 259: »Sein Fehlen kann nicht auffallen, da wir wissen, daß es (Ganglion pedunculi) in nächster Beziehung zum Farbenwechsel steht, und wir bei Opisthoteuthis in der Oberhaut die Chromatophoren vermissen.« Dasselbe würde auch für Cirro- teuthis gelten. Das Ganglion opticum ist nach Keinhardt und Frosch bei Cirroteuthis eiförmig, bei Opisthoteuthis hat es dagegen wieder nierenförmige Gestalt. Außerdem steht es bei letzterem >> senkrecht zu der Richtung des Oesophagus, als ein Ausdruck der Verlagerung der einzelnen Körperteile, während bei Octopus der längere Durch- messer des Ganglions dem Oesophagus parallel liegt«. Für die Bolitaeniden hebt Chun die auffälhge Verlängerung des Nervus opticus namentlich bei Eledonella pygmaea hervor, bedingt durch das weite Auseinanderstehen der relativ kleinen Augen. Bei Bolitaena ist der Augennerv schon wieder etwas kürzer, an seinem distalen Ende tritt das Ganglion pedunculi in Berührung mit dem Ganglion opticum, wie dies auch bei den übrigen Octopoden der Fall ist. Auffallend ist dagegen nach Chuns Fig. 8 die abweichende Lage des Ganglion pedunculi bei Eledonella, das dem Opticusstiel etwa in seiner Mitte anliegt; dieses Verhalten, von dem ich mich selbst über- zeugen konnte, scheint durch die hier einzigartige Verlängerung des Opticus bedingt zu sein. 2. Nervus olfactorius. Der Geruchsnerv (Taf. XIII, Fig. 1,2 und Textfig. 8 n.olj.) ist ein sehr feiner Nerv, sein Durchmesser wird i/^q bis Vs iwiu betragen, 456 Alfred Pfefferkorn, aber trotzdem ist er ganz gut mit bloßem Auge zu sehen und gar nicht schwer zu finden. Er entspringt aus dem hinteren Kande des Opti- cusstieles, direkt unter dem Ganglion pedunculi, zu dem er aber in keiner Beziehung steht. Er wird also zunächst von diesem Ganglion und dem hinteren Flügel des Sehganglions bedeckt, läuft dann an der hinteren, inneren Wand der Augenkapsel, zwischen ihr und dem »weißen Körper« hin, biegt mit ihr nach außen um und durchbricht den Knorpel schief nach hinten außen an der Stelle, wo der große hin- tere Augenmuskel entspringt, ßr läuft auf dieser Strecke parallel mit dem etwas über ihm hinziehenden Nervus oculomotorius poste- rior, der ja diesen Muskel innerviert. Außerhalb der Kapsel zieht der Olfactorius dann im Bindegewebe ziemlich gerade nach außen und etwas nach unten über dem dünnen Musculus bulbucollaris hin, der vom Augenbulbus nach der Leberkapsel verstreicht, und ver- schwindet schließlich mit einem Blutgefäß, das ihm parallel zieht, in der knopfförmigen Anschwellung des Geruchsorgans, das sich in dem Winkel, wo der Mantel sich am Halse festsetzt, befindet. In seinem ganzen Verlaufe bleibt dieser Nerv gleichmäßig stark. Nach Cheron soll der Olfactorius bei seinem Eintritt in das Ge- ruchsorgan zu einem »Ganglion terminal« aufschwellen, von dem zahlreiche feine Nerven ausgehen und die Geruchsgrube innervieren sollen. Er gibt von diesem Verhalten auf Planche I, Fig. 6 auch eine Abbildung. Ich konnte mich von der Richtigkeit dieser Behauptung Cherons nicht überzeugen, es läßt sich weder eine ganglionäre An- schwellung, noch eine makroskopisch sichtbare Nervenaufzweigung am Ende des Olfactorius nachweisen. Das merkliche Anschwellen des Geruchsnerven bis zu seiner Endigung im Geruchstuberkel, welches Chun für ChiroteutJiis beschreibt, darf man immer noch nicht mit dem Befund Cherons identifizieren. Zudem kommt, daß Watkinson (1908) im Verlaufe des Nervus olfactorius keine Ganglienzellen ge- funden hat; dagegen ist eine Stelle auf S. 389 interessant, wo sie sagt: »Bei Octopus und besonders bei Eledone erhebt sich die Stelle des Ein- tritts des Hauptnervenstammes in das Epithel oftmals wie ein hoher Wulst, welcher aus Nervenstamm, Blutgefäßen und Epithel besteht.« Ein Längsschnitt durch das Geruchsorgan von Octopus defilippU (Fig. 31) erläutert dieses Verhalten. Vielleicht läßt sich auch Che- rons Befund auf diese Weise erklären. Bei Ocythoe tuherculata hat der Nervus olfactorius nach Wat- kinson denselben Verlauf wie bei Eledone. Ihre Fig. 25 ist aber in- sofern nicht ganz korrekt, als auch hier der Nerv direkt unter dem Das Xorvtnsy.strm der Ottopodon. 457 Gaiiizlion pedunculi entspringt, also an seinem Ursprung von ihm bedeckt wird. Einen Geruchsnerven finden wir in van Benedens Beschreibunff von Argonauta argo nicht erwähnt. Das ist nicht gerade verwunder- lich, da er bei dieser Form außerordentlich dünn ist. Jedoch scheinen hier etwas abweichende Verhältnisse vorzuliegen, wie ja auch die Form des Geruchsorgans bei Argonauta eine andre ist. Der Olfac- torius entspringt hier aus dem Opticusstiel, direkt unter dem medialen Rande des Ganglion pedunculi, zieht unbedeckt vom Augenganglion am inneren Rande der Augenkapsel hin und durchbricht sie an der- selben Stelle wie bei Eledone. Von da an hat er einen eigentümlichen Verlauf. Er zieht nach hinten außen auf dem äußeren Blatt des Mus- culus collaris entlang, direkt unter der Haut, so daß man ihn durch sie hindurchschimmern sieht und endigt dort plötzlich ganz oberfläch- lich mit einer kleinen Anschwellung. Von da aus war er schlechter- dings nicht weiter zu verfolgen. Leider gibt uns auch Watkinson darüber keine Erklärung, und so muß ich mich denn begnügen, auf diesen aberranten Fall nur hinzuweisen. Bei Tremoctopus violaceus fiel mir die eigentümliche Beschaffen- heit des Ganglion pedunculi auf, welches in medial-lateraler Richtung zusammengedrückt war, und aus dem der Olfactorius zu entspringen schien. Sonst hatte es die gewöhnliche Größe und Lage. Das erstere kann eine Folge der Konservierung gewesen sein, das letztere erwies sich bei genauerer Beobachtung als falsch, auch hier mündet der Ge- ruchsnerv medial vom Tuberkel in den hinteren Rand des Opticus- stieles. Damit aber kommen wir nochmals auf die alte Streitfrage zurück, ob der Olfactorius seine Fasern aus dem Ganglion pedunculi beziehe, welches in jedem Falle identisch ist mit dem sog. Ganglion olfactorium der früheren Autoren. Watkinson und J.a.tta bestreiten dies auf Grund ihrer mikroskopischen Untersuchungen aufs entschiedenste, letzterer will den Ursprung des Nerven im Lobus frontalis superior gefunden haben. Ich kann hier nur nach dem makroskopischen Be- funde urteilen. Danach erscheint es aber als vollkonnnen ausge- schlossen, daß der Geruchsnerv in irgendw^elcher Beziehung zum Gang- lion pedunculi stände. Gerade die neuesten Untersuchungen von Hillig und Richter, die nur auf der Präparation beruhen, haben sowohl für Myopsiden als auch für Oegopsiden gezeigt, daß der Ol- factorius in den Opticusstiel einmündet, sei es nun auf der Ventral- seite, oder, wie ich es bei sämtlichen von mir untersuchten Octopoden Zeitsclirift f. wissensch. Zoologie. CXIV. Bd. 30 458 Alfred Pfefferkorn, gefunden habe, auf der Hinterseite desselben; sehr oft in unmittel- barer Nähe des Ganglion pedunculi, nie aber aus demselben. Ja, bei den Bolitaeniden entspringt er sogar aus dem Ganglion pedale, wie Chun unzweideutig nachgewiesen hat, und da muß es direkt als aussichtslos erscheinen, wenn man seine Fasern in ein Ganglion pe- dunculi verfolgen will, welches einen derartigen Abstand vom Gehirn hat wie das von Eledonella. Ganz abgesehen davon, daß Cirroteuthis und OpisthoteutJiis überhaupt kein Ganglion pedunculi besitzen, aus dem er seinen Ursprung nehmen könnte. Damit dürfte sich dieser Punkt wohl für immer erledigt haben. Der Geruchsnerv von Ofisthoteutliis hat einen ähnlichen Verlauf wie der der Octopodiden. »Sein Ursprung ist beinahe auf die Unter- schlundmasse verlegt«, sagt Meyer, er rechnet ihn aber trotzdem noch zur Oberschlundmasse. Die späteren Arbeiten haben gezeigt, daß seine Annahme gar nicht so gewagt war, auch bei Cirroteuthis ist er herumgerückt und mündet direkt unter dem Opticusstiel, bei den Bolitaeniden kommt er sogar aus dem Ganglion pedale, worauf schon oben hingedeutet wurde. Bei den letzteren schildert Chun noch eine Zweiteilung des Nerven in einen stärkeren motorischen und einen feineren sensiblen Ast. Ein derartiges Verhalten konnte ich für die Octopodiden nicht nachweisen. 3. Nervi ophthalmici snperiores. Wir unterscheiden bei Eledone und Octopus drei Paare Nervi ophthalmici snperiores (Taf. XIII, Fig. 1, 2, Taf. XIV, Fig. 7 und Textfig. 2, 3), die aus der Supraoesophagealportion ihren Ursprung nehmen. Erst nachdem wir den Verlauf der einzelnen Nerven kennen- gelernt haben, wollen wir sie in ihrer Gesamtheit noch einmal be- trachten. a) Nervus Ophthal micus superior posterior. Der Nervus ophthalmicus superior posterior (Textfig. 2, 3 n.ophth. su'p.'post.) ist der stärkste der drei Ophthalmici snperiores und ent- springt gewöhnlich mit zwei Wurzeln aus dem Ganglion cerebrale, man könnte vielleicht auch sagen, aus der Commissura lateralis poste- rior. Die hintere Wurzel (radix posterior) ist bedeutend stärker als die vordere und nimmt ihren Ursprung direkt hinter dem Opticus- stiel, sie ist breit bandförmig gestaltet. Die vordere Wurzel (radix anterior) dagegen ist ziemlich dünn und verläßt das Gehirn in den meisten Fällen mit den beiden vorderen Ophthalmici superiores, also Das Xervensystt'in der Octopoden. 459 direkt vor dem Opticus. Doch habe ich auch hin und wieder beob- achtet, daß sie isoliert von den übrigen etwas weiter hinten über dem Ursprung des Sehnerven aus dem Cerebrale entspringt. Beide Wur- zeln verlaufen noch ein kleines Stück innerhalb der Knorpelkapsel des Gehirns, so daß man sie, wenn man das Dach dieser Kapsel ab- gehoben hat, verfolgen kann, und durchbrechen dann den Knorpel Sie steigen zunächst senkrecht in Kanälen schräg nach außen oben Aug Kaps MusH Haut n ophrh.sup ant. I n ophfh.sup.med. 3n. nn ophth. r irid. I Gehirn. Geh Maps. (j.ophthsup. rrnusc Textfig. 2. Xervi ophtlialmici superiores von'Etedone moschata von dorsal. (Augen- und Gehirnkapsel sowie Hüllliäute des Bulbus zum Teil weggenommen.) Vergr. etwa 3 : 1. nach oben dem »weißen Körper« angelagert, der von einer feinen, bindegewebigen Haut überzogen wird, und biegen dann in die hori- zontale Richtung nach außen um. An dieser Stelle vereinigen sich beide Wurzeln und bilden ein Ganglion, das länglich-oval gestaltet ist und etwa die Form eines Weizenkorns hat. Es ist das Ganglion ophthalmicum superius (Textfig. 2)i. Beim Eintritt in das Gang- lion konnte ich einige Male sogar noch eine dritte, sehr feine Wurzel 1 Bei Odopus fand ich das Ganglion noch in die hintere Wurzel einge- schlossen, erst dann vereinigen sich beide Wurzehi. Der gleich zu besprechende Ramus iridicus aber entsprang auch hier aus dem Ganglion. 30* 460 Alfred Pfefferkorn, beobachten, die noch vor der vorderen Wurzel gelegen war und mit ihr das Ganglion erreichte. Das Ganglion ophthalmicum superius gibt nun vom lateralen Ende seines Vorderrandes, dort, wo es in den Nerven übergeht, einen sehr dünnen Nervenzweig ab, den ich konstant immer wieder gefunden habe. Er verläuft zunächst noch zwischen dem »weißen Körper« und der »Muskelhaut«, wie Hensen die über demselben gelegene Haut bezeichnet, durchbricht sie aber bald und geht dann zwischen ihr und Argentea externa schräg nach außen, etwa in der Richtung nach der Pupille. Ich habe diesen äußerst feinen Nerven bis an die Iris verfolgen können, er verzweigt sich, indem er einen feinen Ast nach außen hinten abgibt, außerdem entsendet er feine Astchen an die Muskelhaut und die Argentea externa. Seinen Verlauf kann man nur dann verfolgen, wenn man ihn vom Ganglion aus präpariert, in- dem man vorsichtig die äußere Silberhaut wegnimmt. Ich will ihn als Ramus iridicus bezeichnen und unten noch einige Bemerkungen an ihn anknüpfen. — Kurz nach dem Verlassen des Ganglions gibt der Ramus iridicus eine sehr feine Anastomose (Anastomosis nervo- rum ophthalmicorum) nach dem Nervus ophthalmicus superior me- dius ab, sie wurde wiederholt auf beiden Seiten gefunden (allerdings nicht bei Octopus), doch muß man schon sehr genau Obacht geben, wenn man sie nicht übersehen will (Textfig. 2). Bevor der Ophthalmicus superior posterior die Orbita verläßt, gibt er vorher noch nach hinten gleich nach Verlassen des Ganglions ein feines Nerve nästchen (Ramus muscularis) ab, das sich bald ver- zweigt und die feinen Augenmuskeln der Muskelhaut versorgt. Manch- mal treten auch zwei solcher Astchen heraus. Der eigentliche Nervus ophthalmicus superior posterior durch- bricht nun sofort, nachdem er das Ganglion passiert hat, in einem Foramen die Hüllhäute des Auges (Muskelhaut, Argentea externa) und dann schräg die knorpelige Orbita in ihrem hinteren Teile am medialen Rande. So erscheint er als ein dorsiventral abgeflachter, breiter Nerv von glänzendem Aussehen, der nun zwischen Orbita und dem dicht daraufliegenden Musculus nuchalis nach außen zieht. Der erste Zweig, der hier abgegeben wird, ist ein feines Ästchen, das in die Knorpelkapsel des Auges geht (Ramus orbitalis), hierauf fol- gen zwei Nerven (Rami nuchales), die den Nuchalis versorgen (Text- fig. 3 rr.nucJi.). Sie entspringen an gleicher Stelle noch aus dem Stamme des Nerven, der eine innerviert den medialen, der andre den lateralen Teil des Muskels. Beide verbreiten sich an der Unterseite Das Xcrvonsysffin diT Octopodcn. 461 des Muskels und raniifiziereu sich dort fein, man sieht sie, wenn man den Nuchahs in der Mitte aufschiieitlet und dann zur Seite klappt. — Nachdem der Nervenstamm diese Äste abgegeben hat, teilt er sich gewöhnlich in zwei ziendich gleichstarke, plattgedrückte Äste. Diese verlaufen in dem feinen Bindegewebe zwischen Nuchalis und Augen- knorpel direkt auf der Kapsel, die nach außen zu immer dünner wird, so daß man dort die Argentea hindurchschimmern sieht, und heben sich ziemlich schwer vom Untergrunde ab. Sie gehen dann ziendich dors PF.Musk. n.n.antorbsup n. ophfh. sup.posf. Nenü antorbitales superiores und Xervus ophthalmicus superior posterior von Eledone moschata von dorsal. (Der Musculus nuchalis ist weggenommen.) Vergr. etwa 3 : 1. gerade lateralwärts etwas nach vorn, verästeln sich stark und bilden auch Anastomosen untereinander. Die feineren Ästchen verlieren sich dann in dem Ringmuskel, der das Augenlid umgibt und haben also anscheinend, indem sie ihn innervieren, die Funktion der Lid- bewegung. Das Verbreitungsgebiet des Ophthalmicus superior poste- rior ist also die hintere, obere Hälfte des Augenrandes, er versorgt dort Haut, Muskulatur und subcutanes Bindegewebe, — Beizufügen wäre vielleicht noch, daß den Nerven, oft eng an ihn angefügt, die Arteria ophthalmica begleitet, sie verläuft entweder zwischen den 462 AKred Pfefferkorn, beiden AVurzeln des Nerven oder auf ihnen, parallel mit der hinteren Wurzel. An ihrer starken Verzweigung auf dem »weißen Körper« läßt sie sich leicht von dem Nerven unterscheiden, ein feiner Gefäß- zweig durchbricht auch mit dem Nerven die Orbita in demselben Foramen, oft auch in einem kleinen Loch direkt daneben. b) Nervus ophthalmicus superior medius. Dieser breite, bandförmige Nerv (Textfig. 2 n.ophth.sup.med.), der etwa die Stärke der hinteren Wurzel des Ophthalmicus superior poste- rior hat, entspringt aus dem Cerebrale direkt vor dem Opticusstiel, häufig zusammen mit der vorderen Wurzel des eben genannten Ner- ven, immer aber gemeinsam mit dem Ophthalmicus superior anterior. Es ist ein ziemlich kurzer, plattgedrückter Nerv, er läuft, nachdem er die Knorpelkapsel durchbrochen hat, am »weißen Körper« in die Höhe, dann seitwärts, zwischen ihm und der Muskelhaut, und teilt sich bald in drei bis vier Äste auf, von denen der vorderste der stärkste ist und sich bald wieder teilt. Diese Äste lassen sich in die Muskelhaut verfolgen, in die sie eindringen. Sie versorgen also diese, vielleicht auch noch die Argentea externa. Der hintere Ast dieses Nerven gibt dann gewöhnlich die schon oben beschriebene feine Anastomose nach dem Kamus iridicus nervi ophthalmici superioris posterioris ab, die auf dem »weißen Körper«, bedeckt von der Muskelhaut, dahinläuft. c) Nervus ophthalmicus superior anterior. Der Nervus ophthalmicus superior anterior endlich (Textfig. 2 n.Ofhth.swp.ant.) ist der kleinste der Ophthalmici superiores, er ist aber mit der Lupe immerhin noch gut zu finden, wenn man am vor- deren, inneren Eande der Augenkapsel, deren Knorpel von oben ab- getragen wurde, in die Tiefe geht, da er die Gehirnkapsel ziemlich tief durchbohrt. Auf Textfig. 2 und Taf. XIV, Fig. 7 ist er ja auch deutlich zu erkennen. Er entspringt aus dem Cerebrale mit dem Oph- thalmicus superior medius zusammen vor dem Opticusstiel auf etwa gleicher Höhe wie die hintere Wurzel des hinteren oberen Augen- nerven und verläuft nach Durchbohrung der Knorpelkapsel ebenfalls am »weißen Körper« hin, von der Muskelhaut überdeckt. Auch er ist bandförmig, manchmal von derselben Breite wie der Nervus oph- thalmicus superior medius, da er aber schon am vorderen inneren Rande der Augenkapsel gelegen ist, ist er nicht mehr dorsiventral, sondern mehr von vorn nach hinten abgeplattet, so daß man beim Prä- parieren von oben in seiner eigentlichen Lage gewissermaßen nur die Das Nervensystrin der Octopodcn. 463 Kaute dieses Nerven sieht. Er teilt sich bakl in zwei Äste, die hier in die feinen Fasern der Muskelhaut, eventuell auch der Argentea externa, eindringen. — Auf Textfig. 2 wurde er absichtlich etwas nach hinton gezogen dargestellt. Cherons kurze Beschreibung der oberen Augennerven — er uennt sie nerfs ophthalmiques superieurs — hat absolut keine Bedeutung. Zwar gibt er richtig deren Dreizahl an und zeichnet ihre Ursprünge auf PI. V, Fig. 47 auch annähernd genau ein, doch stimmen seine Beobachtungen für keinen dieser drei Nerven. Ich vermute stark, daß ihm die Nerven bei der Präparation durch die Gehirnkapsel ab- gerissen sind, und er die peripheren Stümpfe dann willkürlich mit den noch stehengebliebenen Nervenwurzeln in Zusammenhang ge- bracht hat. (Die Präparation dieser Nerven durch die Gehirnkapsel ist aber gar nicht so leicht und erfordert immerhin eine gewisse tech- nische Fertigkeit und gute optische Hilfsmittel.) So hat Cheron z. B. das Ganglion ophthalmicum superius, das er wohl gesehen und auch abgebildet hat, dem Nerf ophthalmique posterieur et superieur zugesprochen, einem Nerven, den wir später noch als Oculomotorius posterior kennen lernen werden, während es in Wirklichkeit ja dem Nervus ophthalmicus superior posterior angehört. Seine Schilderung vom Verlauf des vorderen Ophthalmicus aber stimmt eher mit dem eines Antorbitalis superior überein. — Auch nach Jattas kurzer Be- schreibung (Nachlaß S. 29) kann man sich kein Bild vom Verlauf der Augennerven machen. Ich mußte die Angaben dieser Autoren aus dem Grunde etwas kritisch betrachten, weil sich Magnus (1902) bei seinen physiologi- schen Untersuchungen über die Pupillenreaktion der Octopoden auf sie gestützt hat und infolgedessen zu Resultaten gekommen ist, die sich nur sehr schwer mit den wahren anatomischen Tatsachen in Ein- klang bringen lassen. Magnus unterscheidet auf Grund seiner phy- siologischen Befunde einen Erw^eiterungs- und einen Verengerungs- nerv der Pupille, sowie einen Coloratiousnerven der Iris und bezeichnet sie mit diesem Namen auf einer von Jatta hinterlassenen Zeichnung des Gehirns von Octopus vulgaris (es ist übrigens dieselbe Zeichnung, die Bauer auf S. 165 unter dem Namen »Gehirn von Eledonea ver- öffentlicht hat). Es ist mir nun schlechterdings nicht möglich ge- wesen, diese Nerven von Magnus mit den von mir oben beschriebenen mit Sicherheit zu identifizieren, und ich kann mich daher hier nur in Vermutungen ergehen. 464 Alfred Pfefferkorn, Was zunächst den Erweiterungsnerven anlangt, so entspringt er etwa an der Stelle des Gehirns, an der bei uns der Nervus ophthal- micus superior anterior und medius dasselbe verlassen. Da der erstere ziemlich versteckt liegt, nehmen wir an, es sei der Nervus ophthal- micus superior medius. Dieser innerviert, wie wir oben gesehen haben, die feine Muskelhaut und eventuell auch die Argentea externa. Leider wissen wir über die Anatomie und Funktion der Augenmuskeln bei Cephalopoden noch sehr wenig. Aber es könnte immerhin sein, daß die Augenmuskeln der Muskelhaut durch ihre Kontraktion eine Dila- tation der Pupille herbeiführen. Dieser Nerv bewirkt aber auch Dun- kelfärbung der Iris. Da ich nun vermutet habe, daß er auch die Ar- gentea externa mit versorgt, diese aber vorn in die Iris übergeht, so könnte man sich immerhin die Vermutung gestatten, daß der sog. Erweiterungsnerv der Pupille dem Nervus ophthalmicus superior me- dius entspräche. Schwieriger wird diese Beweisführung schon für den >> Colorations- nerven<< der Iris. Sein Ursprung fällt nach der Zeichnung etwa mit dem der hinteren Wurzel des Ophthalmicus superior posterior zu- sammen. Nun innerviert dieser Nerv aber, wie wir oben gesehen haben, den Sphincter oculi bzw. den oberen Lidrand. Eine Colora- tion der Iris auf dieser Bahn ist also ausgeschlossen. Da kommt uns der Ramus iridicus zu Hilfe, den ich bis in die Iris hinein verfolgt habe. Es drängt sich unwillkürlich die Vermutung auf, daß das Ganglion ophthalmicum superius, welches in diesen Nerven eingeschaltet ist und aus dem ja der Ramus iridicus entspringt, in Beziehung zum Chromatophorenspiele der Iris stehe, und daß die Bahnen für dasselbe im Ramus iridicus verlaufen. Auf diese Weise läßt sich die Coloration der Iris schon erklären, der Colorationsnerv von Magnus würde also im Anfang mit meinem Nervus ophthalmicus superior posterior iden- tisch sein und seine Fortsetzung im Ramus iridicus desselben haben. — Ich muß allerdings hinzufügen, daß ich am Ganglion ophthalmicum inferius, das wir später noch besprechen werden, vergeblich nach einem ähnlichen Irisast gesucht habe; auf welchem Wege dann hier ein Dunkelwerden der Iris erfolgen soll, welches Magnus ebenfalls beobachtet hat, kann ich mir nicht erklären. Hoffentlich wird uns die Physiologie bald einmal Aufklärung über diese interessanten Ver- hältnisse bringen. Schließlich noch der Verengerungsnerv der Pupille. Magnus identifiziert ihn mit dem Nerf ophthalmique posterieur et superieur Cherons, einem Nerven, der in seinem Ursprung unserem Nervus Das Nervensystem diT ()oto])()(lcii. 465 üculoiuütorius postoiior entsprechen würde. Der einzige Umstand, der dafür spricht, daß der Verengerungsnerv mit letzterem identisch sei, ist der, daß Magnus bei Reizung desselben eine Drehung des Auges nach hinten erhielt, denn der Oculoniotorius posterior versorgt einen großen Augenmuskel, der eine derartige Funktion haben kann. Eine Verengerung der Pupille und eine Entfärbung der Iris von hier aus ist aber undenkbar. Dafür würde ebenfalls nur der Ophthalmicus superior posterior in Betracht kommen. Man könnte höchstens noch an eine verschiedene Funktion der beiden Wurzeln dieses Nerven denken. Darüber kann aber die Anatomie keine Auskunft geben; ich muß das dahingestellt sein lassen. Wir haben jetzt die Nervi ophthalmici superiores bei Argonauta zu betrachten (Textfig. 1). Sie haben im allgemeinen denselben Ver- lauf wie bei Eledone, jedoch handelt es sich hier nur um zwei, einen Nervus ophthalmicus superior posterior und einen Nervus ophthal- micus superior anterior. Der erstere entspringt aus der Commissura lateralis posterior mit zwei Wurzeln, die hintere Wurzel tritt hinter dem Opticusstiel in das Gehirn ein, die vordere Wurzel wahrscheinlich wieder vor ihm; sie war so dünn, daß ich sie nicht bis zu ihrem Ur- sprung verfolgen konnte. Die radix posterior gab einen äußerst fei- nen Nervenzweig an die Arteria ophthalmica ab in der Richtung nach dem Gehirn zu. Ein Ganglion ophthalmicum superius habe ich nicht bemerken können, dagegen zeigte sich wieder der bekannte Ramus iridicus, der sich mit einem Ast der Arteria ophthalmica unter der Argentea externa bis zur Iris verfolgen ließ. Nach Vereinigung der beiden Wurzeln durchbricht der Nerv die Orbita in ihrem hinteren Teile, gibt einen dünnen Zweig an den schmalen, langgestreckten ^lusculus nuchalis ab, der vom Mantelrand nach vorn an die laterale .Seite des ersten Armpaares zieht, und entsendet einen kleineren an die Augenkapsel. Der Ramus nuchalis ist ziemlich lang, verläuft nach hinten und etwas nach oben und versorgt den hinteren Teil die- ses Muskels, sich kurz vorher in mehrere Zweige aufsplitternd. Der Hauptstamni des Nerven verstreicht dann nach der Mitte des Augen- lides, seine Endverzweigungen verlieren sich im Sphincter oculi und der umgebenden Haut. Wegen der Durchsichtigkeit der Haut war diese Innervierung hier besonders schön zu sehen. — Der vordere obere Augennerv verläßt die Commissura lateralis posterior vor dem Opticus an ihrem Übergang in die Suboesophagealportion. Er zieht am vorderen Rande des Augenganglions hin und teilt sich bald in zwei stärkere Äste, die in die Muskelhaut des Auges eindringen. 466 Alfred Pfefferkorn, Von den Augennerven, die Meyer für Ojpistlioteuthis beschreibt, scheint nur der Nervus ophthahnicus superior und der Nervus ocu- lomotorius anterior superior unsern oberen Augennerven zu entspre- chen, der erstere dem hinteren, der letztere dem vorderen. Ich habe mit Willen meine vorderen oberen Ophthalmici nicht mit dem Namen Oculomotorii belegt, weil ich nicht genau feststellen konnte, ob es reine Augenbewegungsnerven waren. Der » sogenannte << Nervus an- terior Meyers entspringt ungefähr an derselben Stelle, wo sonst das Ligament das Gehirn verläßt. Da er aber die Schädelkapsel durch- bohren und einen Muskel versorgen soll, so ist an seiner Behauptung wohl nicht zu zweifeln. — Über die Augennerven von Cirroteuthis fehlen noch genauere Angaben. Auf Vergleiche mit den Decapoden kann ich mich hier nicht ein- lassen, da das zu weit führen würde. Die Octopoden zeigen immerhin gewisse Abweichungen von ihnen, so daß es eine Aufgabe für sich sein würde, sichere Homologien zwischen den Nerven dieser beiden Gruppen festzustellen. Ein Nervus postorbitalis existiert bei den Octopoden nicht. Wir sollten jetzt eigentlich zur Besprechung der Nerven des Gang- lion buccale superius übergehen, da dieses ja mit zur Supraoesophageal- portion gehört. Aus gewissen Gründen wollen wir diese aber erst später im Zusammenhang mit denen des Ganglion buccale inferius betrachten; wir vermeiden dadurch ein Zerreißen der Materie, denn einige der dort zu besprechenden Nerven stehen zu beiden Ganglien in Beziehung. Außerdem bleiben wir durch diese rein äußerliche Anordnung im Einklang mit den neueren Decapodenarbeiten. b. Nerven des Ganglion viscerale. 4. Nervus oculomotorius posterior. Dieser Nerv (Taf. XIII, Fig. 1, 2 und Textiig. 8 n.oculom.'post.) entspringt vom. Visceralganglion, und zwar von dem Winkel, in dem die Commissura lateralis posterior und das Ganglion viscerale hinten zusammentreffen. Es ist ein ziemlich dünner Nerv, er läuft zunächst eine kleine Strecke innerhalb der Gehirnkapsel schräg nach hinten außen und durchbricht dann den Knorpel in einem kurzen Kanal. So gelangt er in das Innere der Orbita, auf deren hinterer Innenseite er unmittelbar oberhalb vom Olfactorius (etwas stärker wie dieser) bis zu dem größten der Augenmuskeln hinzieht, der schief an der Knorpelkapsel an ihrem hinteren Teile entspringt und dann auf die Das Xcrvensy.stom der Uctopodeii. 467 Oberseite des Bulbus übergreift {Tcxtf'v^. 8 Aug. Musk.^). Der Nerv teilt sich schon, bevor er den Muskel erreicht, in zwei bis drei Äste, die dann in die Muskelmasse eindringen und sich dort weiter ver- zweigen. Er hat höchstwahrscheinlich nur motorische Funktionen, ich habe ihn deshalb auch als Augenmuskelnerv bezeichnet. Cheron hat den Ursprung dieses Nerven, den er Nerf ophthal- niique posterieur et superieur nennt, zweifellos richtig gesehen, wie auch aus seinen Fig. 47 und 48 hervorgeht, hat ihn aber nicht durch die Knorpelkapsel verfolgen können und beschreibt ihn in der Fort- setzung als einen mit einem Ganglion ausgestatteten Nerven, der Äste bis zum Augenlid abgeben soll. Das ist natürlich, wie wir oben gesehen haben, der Nervus ophthalmicus superior posterior, der ihm jedenfalls abgerissen ist, und den er nun willkürlich mit der Wurzel des Nervus oculomotorius posterior in Zusammenhang bringt. Denselben Nervus oculomotorius posterior treffen wir auch bei Argonauta wieder (Textfig. 1), er verläßt das Visceralganglion in dem Winkel, den es mit der Commissura lateralis posterior bildet, am weitesten lateral gelegen von den drei hier entspringenden Nerven. Mit zwei bis drei Ästen innerviert er den großen hinteren Augenmuskel, Unser Nervus oculomotorius ist seinem Ursprung und Verlauf nach vollkommen mit dem Nervus oculomotorius superior posterior von Opisthoteuthis identisch. 6. Xei'Tus capsulae hepaticae anterior. Mit dem vorhergehenden und dem folgenden Nerven entspringt der Nervus capsulae hepaticae anterior (Taf. XIII, Fig. 1, 2 und Text- fig. 8 n.ca-ps.hep.ant.) von der Dorsalseite des Visceralganglions etwa aus dem Winkel zwischen Commissura lateralis posterior und Gang- lion viscerale. Er verläßt das Gehirn lateral von dem Nervus ocu- lomotorius posterior, am weitesten nach außen von den dreien; alle drei Nerven entspringen ganz nahe aneinander. Der Nerv, der etwas stärker als seine Nachbarn und mehr plattgedrückt ist, läuft unter dem Oculomotorius posterior weg, durchbricht den Gehirnknorpel schräg von vorn nach hinten außen und zieht dann direkt unter und hinter der Augenkapsel im Gewebe der Leberkapsel zunächst eine kurze Strecke nach außen. Nun biegt er nach vorn um und beschreibt so, der Ansatzstelle der Leberkapsel folgend, einen Bogen nach vorn außen. Dabei geht er in die Tiefe und verliert sich, indem er immer schwächer wird, und nur wenige Seitenzweige abgibt in dem Bereich, wo die Leberkapsel an der Orbita ansetzt. 468 AHred Pfefferkorn, Der Nervus capsulae hepaticae anterior findet sich auch bei Oc- tofus und Argonauta wieder, wo er genau denselben Verlauf nimmt. Nur fand ich ihn bei letzterer in der Mitte zwischen Nervus oculomo- torius posterior und Nervus capsulae hepaticae posterior entsprin- ofend. — Wir kommen auf diesen Nerven noch einmal kurz zurück, nachdem wir den folgenden kennengelernt haben. 6. Neryus capsulae hepaticae posterior. Am weitesten medial von den drei eben besprochenen Nerven gelegen, tritt der Nervus capsulae hepaticae posterior (Taf. XIII, Fig. 1, 2 und Textiig. 8 n.cajjs.hep.post.) aus dem Viscerale heraus. Es ist ein sehr dünner Nerv, der ziemlich gerade nach hinten, etwas nach oben gerichtet ist, die hintere Membran des Gehirnknorpels durchbricht und dann innerhalb der muskulösen Leberkapsel zur Seite der Arterien, die hier gelegen sind, verlaufend in diese selbst von innen aus eindringt. Hier splittert sich der Nerv in mehrere feine Ästchen auf (ich konnte auch Anastomosen zwischen ihnen bemer- ken), die dann die Muskulatur dieses Teiles der Leberkapsel versorgen. Seine Länge beträgt kaum 1 cm. Ich brauche diesen Nerven nicht noch einmal für Argonauta argo zu beschreiben, da er in seinem Verlauf mit dem von Eledone und Octopus vollkommen übereinstimmt. Die beiden letztgenannten Nerven, die also ihr Verbreitungsgebiet in der muskulösen Leberkapsel haben (ich konnte sie wenigstens nur in ihr verfolgen), und die ich auch danach benenne, sind bisher noch bei keinem Octopoden beschrieben worden. Die ziemlich versteckte Lage des ersteren und die Feinheit des letzteren läßt uns das nicht Wunder nehmen. Doch sind es zwei ganz konstant immer wieder- kehrende Nerven, die deshalb schon einige Beachtung verdienen. Der Nervus capsulae hepaticae posterior gleicht seinem Ursprung und Verlauf nach dem von Hillig auf S. 776 beschriebenen Nervus retractoris capitis anterior. Da nun, wie Brock dargetan hat, der Musculus retractor capitis bei den Octopoden seine Selbständigkeit aufgegeben hat und in die muskulöse Leberkapsel einbezogen worden ist, so liegt die Annahme nicht fern, daß es sich hier um eine Homo- logie zwischen diesen beiden Nerven handle. Dahingegen läßt sich der Nervus capsulae hepaticae anterior mit keinem der beschriebenen Decapodennerven in Einklang bringen. Er muß also vorläufig noch als eine selbständige Bildung aufgefaßt werden. Das Xorvonsystom cli>r Ootopodi-n. 469 7. Nervus pallinlis. Jeder der beiden Mantelnerven (Mantelkonnektive) (Taf. XIII, Fig. 1, 2 n.paU.) entspringt vom hinteren Seitenrande des Ganglion viscerale als einer der kräftigsten Nerven des Gehirns, etwa von der Stärke der Arninerven, durchbohrt den hier dünnen Gehirnknorpel und befindet sich nun im Inneren der muskulösen Leberkapsel. Hier zieht er der oberen Wandung derselben angelagert schräg nach außen und etwas nach unten, wird ganz platt und verläßt sie schließlich durch ein Foranien in der Muskelwand. Noch innerhalb der Leber- kapsel gibt er zwei Äste ab, einen längeren, der vom oberen Rand des Nerven entspringt und nach hinten und etwas nach oben an die Innenwandung der Kapsel verstreicht, und einen kleineren, vom un- teren Rand abgehend, der ebenfalls die Innenseite derselben versorgt. Nach seinem Austritt aus der Leberkapsel wird der Nerv, der nun wieder schmaler und rundlicher gestaltet ist, von dem Musculus ad- ductor pallii lateralis wie von einer Scheide umhüllt. Hier inner- viert er mit einem längeren, dünnen Nervus musculi adductoris pallii lateralis auch diesen Muskel und tritt dann schräg von innen vorn kommend in das bekannte Sternganglion ein. Das Ganglion stellatum, das direkt unter der Haut liegt, in dem Winkel, wo Mantel und Körperwand aneinanderstoßen, hat bei Eledone moschata etwa die Gestalt eines Dreieckes mit abgerun- deten Ecken (Taf. XIV, Fig. 5), dessen Hypotenuse nach außen gerichtet ist. In den Winkel, den die beiden Katheten zusammen bilden, tritt der Nervus pallialis von ventral her ein. Von den freien Rändern des Ganglions treten nach allen Seiten Nerven von wech- selnder Stärke sternförmig aus, die dann dünner werdend in die Mus- kulatur des Mantels eindringen. Bis zu diesem Eintritt haben die Nerven, die nach hinten ziehen, den längsten Verlauf, sie nehmen dann an der Außenseite nach vorn zu kontinuierlich an Länge ab. Diejenigen, die sich medianwärts ausbreiten, sind die kürzesten; zwi- schen ihnen befestigen sich die Ansätze des Musculus adductor pallii lateralis an der Mantelmuskulatur. Die Behauptung Cherons, daß der innere Rand des Sternganglions keine Nerven aussende, beruht auf einem Irrtum. Nach ihrem Eintritt in die Mantelmuskulatur lassen sich diese einzelnen Nerven aber noch weit darin verfolgen und bewirken so eine äußerst feine Innervierung derselben. Ich habe bei Eledone gegen 3-5 derartige Nervi stellares gezählt, und fand die Zahl auf beiden Seiten konstant. Bei Octopus vulgaris waren es we- 470 Alfred Pfefferkorn, niger, nur etwa 25 Stück; auch besitzt das Ganglion stellatuni hier eine mehr halbkreisförmige Gestalt (Taf. XIV, Fig. 6), in dessen Zen- trum der Pallialnerv eintritt. So hat das Sternganglion bei den ver- schiedenen Arten immer einen etwas abweichenden Habitus. Es ist bei Eledone mit seiner Unterlage durch eine Anzahl feiner Nerven- fäden verwachsen, bei Octopus dagegen konnte ich keine derartige Anheftung nachweisen. Eine Commissur zwischen den beiden Ganglia stellata existiert bei den Octopodiden nicht. Daß die Angabe Pfeffers (1877) über das Vorhandensein einer solchen auf Verwechslung mit Blutgefäßen beruht, haben schon Fritsch (1878) und Brock (1880) eingehend zur Sprache gebracht; ich konnte mich von der Richtigkeit ihrer Be- obachtung nochmals überzeugen. Die von Mantey entdeckte »Ana- stomose« habe ich nicht wiedergefunden, sie würde aber ihrer Be- schreibung nach nicht den Charakter einer Commissur tragen. Auch sonst ist über eine Stell arcommissur bei andern Octopodengruppen nichts bekannt. Huxley und Pelseneer (1895, S. 18) haben auf ihr allmähliches Verschwinden von den Oegopsiden über die Myop- siden nach den Octopoden zu bereits aufmerksam gemacht. Der Nervus pallialis von Argonauta argo (Textfig. 1) ist ein stär- kerer Nerv, der keine Besonderheit zeigt. Innerhalb der Leberkapsel gibt er einen feinen Ast an deren Wand ab, dann zieht er in der Scheide des Musculus adductor pallii lateralis bis zum Sternganglion, von dem etwa 15 Nervi stellares nach allen Richtungen des Mantels entspringen. Bei Opisthoteuthis verläßt der Pallialis nach Meyer das Gehirn an derselben Stelle wie bei den übrigen Octopoden. Er geht aber nur zur Hälfte in dem Sternganglion auf, die zweite Hälfte dient der Flosseninnervation. Wir haben hier also ähnliche Verhältnisse wie bei Sepia. Das Ganglion stellatum ist rechteckig, und seine Zw^eige versorgen Körperoberfläche, Seitenmuskulatur des Rumpfes, Mus- culus depressor infundibuli, Musculus retractor capitis und die seit- lichen Partien. der Kiemenhöhle. Ein eigentümliches Verhalten zeigt nach Reinhardt und Prosch (Fig. 2 auf Tab. V) das Sternganglion bei Cirroteuthis. Es ist vom Pallialnerven abgespalten und nur durch zwei kurze Schenkel mit ihm in Verbindung. Es besitzt also einen ähnlichen Bautypus wie etwa das von Ommatostrephes und steht somit unter den Octopoden bisher einzigartig da. Wenige sehr feine Aste sollen aus ihm heraus- treten. — Die Bestätigung dieses abweichenden Befundes bei Cirro- teuthis bleibt noch abzuwarten. Das Xervcn.sysU'in der Octopodfii. 471 8. Nervus collaris. Mit dem Nervus pallialis entspringt der bedeutend schwächere Nervus collaris (Taf. XIII, Fig. 1, 'In.coll.) aus einer Wurzel, und zwar über ihm und etwas nach innen, vom hintersten Punkte des "Visceralganglions. Er durchbricht im Verein mit dem Pallialis die hintere, dünne Wandung der Gehirnkapsel und zweigt sich dann so- fort ab. Der Collaris befindet sich also auch im Innern der Leber- kapsel, verläuft, während der Pallialis schräg nach außen unten zieht, etwas nach oben hinten und schräg nach außen und durchbohrt dann die muskulöse Leberkapsel über dem Ursprung des Musculus adductor infundibuli lateralis. Die Arteria collaris begleitet ihn an seiner In- nenseite. Unter dem Musculus bulbocollaris biegt er dann mit einem scharfen Winkel nach vorn um und dringt hier zugleich mit der Arterie in den Musculus collaris ein. Hier zieht er nach vorn und teilt sich in mehrere feine Äste, die sich auf der Ober- und Außenseite des Mus- kels aufzweigen. Bis zum Mantelschließapparat konnte ich ihn nicht verfolgen. Er ist also der typische Nerv für den Musculus collaris. — Cheron beschreibt diesen Nerven auf S. 28 unter dem Namen >>Nerf accessoire du palleal«. Über sein wahres Verbreitungsgebiet kann man aber nach seinen Worten nicht recht klar werden. — Es ist aber ein vollkommen selbständiger Nerv, der zum Pallialis absolut keine Beziehung hat. Hillig hat ihn daher bei Sepia als »Nervus collaris« bezeichnet, welchen Namen ich für die Octopoden übernommen habe, da beide Nerven sich völlig entsprechen. Bei Anjonauta (Textfig. 1) verläßt der Nervus collaris getrennt vom Nervus pallialis das Gehirn, und zwar über dem letzteren. Er versorgt hier ebenfalls den Musculus collaris, wo er sich in mehrere Aste auflöst. Der feine »Accessorius nervi pallialis« bei Opisthoteiithis, den Meyer kurz iTwähnt, soll die an der Hinterseite der Augenkapsel inserierenden Muskeln der Rumpfmuskulatur innervieren. Ein aus- geprägter Musculus collaris scheint hier nicht zu existieren. 9. Nervus visceralis. Die beiden Eingeweidenerven (sie werden auch als Nervi vagi oder Visceralconnektive bezeichnet) (Taf. XIII, Fig. 2 und Textfig. 4 fi.visc.) entspringen als zwei sehr starke, platt gedrückte Nervenstränge vom hintersten, untersten Rande des Visceralganglions. 8ie durch- brechen sofort den Gehirnknorpel und ziehen innerhalb der musku- 472 Alfred Pfefferkorn, lösen Leberkapsel parallel nebeneinander gelagert zunächst ein Stück nach abwärts, krümmen sich dann im Bogen nach hinten um und verlaufen so direkt über der ventralen Muskelschicht der Leberkapsel, in die auch Fasern des Musculus adductor pallii medianus einstrahlen. Nach kurzem Verlauf verlassen sie die Leberkapsel in zwei getrennten länglichen Foramina (Textfig. 4 Dst.d.n.visc), die in einer Höhe neben- einander liegen, und gelangen nun in den Raum zwischen den beiden Blättern des Musculus adductor pallii medianus. Bei Eledone mo- schata verbreitert sich hierauf der Nerv, der sich jetzt der Vena cava anlegt, ziemlich, und während er bis zum Durchbruch ganz unver- zweigt war, spaltet er sich hier in zwei Portionen, von denen die innere zahlreiche Äste (Rami venae cavae) an die große Vene abgibt, die von dorsal her (denn die beiden Viscerales liegen an dieser Stelle noch über der Vene nebeneinander, so daß man letztere beim Präparieren von ventral erst zur Seite ziehen muß, um einen der Nerven zu sehen) der Länge nach in ihre Wandung eindringen. Das geschieht in der Hauptsache noch vor der Ausmündung des Rectum. In der Höhe des Afters etwa vereinigen sich beide Portionen dann wieder, und je- der Visceralis setzt jetzt in der Nische zwischen dem Musculus ad- ductor pallii medianus und der großen Vene seinen Verlauf nach hinten fort. Aus der oben erwähnten äußeren Portion und vom lateralen Rand des hinten wieder vereimgten Nervus visceralis entspringen nun gewöhnlich noch drei bedeutendere Nerven, zwei schwächere (Rami musculi adductoris pallii mediani) besorgen die Innervation des hin- teren Teiles des Mittelmantelmuskels, während ein stärkerer, der Ner- vus musculi depressoris infundibuli, den gleichnamigen Muskel inner- viert. Der letztere tritt an der Verwachsungsstelle von Musculus adductor pallii medianus und Musculus depressor infundibuli in ihn ein, zieht nach hinten und etwas nach außen als ein etwas breitge- drückter, platter Nerv und verzweigt sich mehrfach zwischen dessen Muskelfasern. Etwas abweichende Verhältnisse fand ich in diesem Teile des Visceralnerven bei Octopus vulgaris vor. Ursprung und Verlauf ist derselbe wie bei Eledone, doch trennt sich nach Verlassen der Leber- kapsel medianwärts ein stärkerer Nervenast, der der oben bespro- chenen inneren Portion entsprechen dürfte, vollkommen ab und ver- sieht mit zahlreichen Nervenzweigen die Vena cava. Er zieht ein beträchtliches Stück an ihr nach hinten entlang und mündet also nicht wieder in den Hauptnerven, der seinerseits fast keine Äste an die große Vene abgibt, ein. Daß dieser Ast des Nervus visceralis dem Nervus Das X(M\riis\ stein der ( )ftopü(U'n. 473 veiiae cavae posterioris von Elcdone, den ich bei Octopus nicht nach- weisen konnte, entspricht, möchte ich nicht annehmei\, da der Ver- lauf, wie wir später sehen werden, doch ein andrer ist, eher wird er der »inneren Portion« homolog zu setzen sein. Doch habe ich gerade in diesem vordersten Teile des Visceralis immer Variationen gefunden. Immerhin auffällig ist aber die außerordentlich reiche Innervierung der großen Vene. Wir haben den Eingeweidenerven etwa in der Höhe der Aus- mündung des Enddarms verlassen. Etwas hinter dieser Stelle gibt nun der Visceralis der linken Seite einen kurzen Nerven ab, der den vordersten Abschnitt des Rectums innerviert. Dieser kleine »Nervus recti« kreuzt die Vena cava und dringt mit zwei bis drei Ästen von dorsal in die AVandung des Rectums nahe am After ein. — Ein wenig weiter hinten spaltet sich vom rechten Nervus visceralis der Nervus atramenti, der Tintenbeutelnerv, ab; er zieht etwas nach innen hinten und teilt sich gewöhnlich in zwei Zweige, einen vorderen, der sich mehr an den Ausführungsgang des Beutels anlegt, und einen hinteren, der in der Wandung des Beutels selbst verschwindet; es ist ein äußerst feiner Nerv. GiROD beschreibt auf S. 37 seiner Arbeit »Recherches sur la poche du noir des Cephalopodes des cotes de la France<< (1881) die Inner- vation des Tintenbeutels und der Tintendrüse bei Octopus vulgaris ausführlicher, jedenfalls auf Grund von Schnittserien. Beide Nervi viscerales sollen etwa an der Stelle, wo der Ausführungsgang in den Tintenbeutel mündet, ein Paar »nerfs vesiculaires << an den letzteren abgeben. Zwei »nerfs de la glande<< sollen etwas weiter hinten die Tintendrüse innervieren. Auch vom Magenganglio'n aus soll diese Drüse versorgt werden, jedenfalls durch die später zu erwähnenden Nervi rectales ganglii gastrici (Fig. 7 bei Girod erläutert diese Darstellung). Eine derartig komplizierte Innervation dieses Organs durch Präpa- ration nachzuweisen, war mir natürlich unmöglich. Unser Nervus atramenti würde einem der »nerfs vesiculaires« entsprechen. Wir sind im Verlauf unserer Untersuchung jetzt ungefähr an der Stelle angekommen, an der die berühmte Visceraliscommissur Che- RONs liegen soll. In Anbetracht der Wichtigkeit dieses Punktes wollen wir einmal des näheren auf ihn eingehen. Cherox beschreibt ihren Verlauf bei Eledone auf S. 25 folgendermaßen: »Immediamment en arriere de la cloison, le nerf de droite et celui de gauche communiquent par un filet anastomotique d'une finesse extreme, absolument trans- versal, qui passe entre le rectum et la poche du noir, situes au-des- Zeiti5clirift f. wissensch. Zoologie- CXIV. J'.d. 31 474 AKred Pfefferkorn, sous, et le foie, place au-dessus. Ce filet est tres difficile a bien voir. << Auf Fig. 2, PI. I, ist diese Commissur an der betreffenden Stelle mit feinen Punkten angedeutet. — Cheron beschreibt dann dieselbe mit ähnlichen Worten auch für Octopus. — v. Jhering hat diese Angaben Cherons übernommen, ohne sie jedenfalls noch einmal nachgeprüft zu haben. Brock bekennt in seiner Arbeit »Versuch einer Phylo- genie der dibrancTiiaten Cephalopoden << (1880), daß er sie zwar bei Eledone und Octopus wie auch bei den Philonexiden gesucht, aber nicht gefunden habe. Trotzdem bezweifelt er keinesfalls die Befunde Cherons. Er macht aber insofern einen Fehler, als er sie mit der Commissura visceralis posterior der Oegopsiden und Myopsiden homo- logisiert, während sie ihrer ganzen Lage nach der Commissura visce- ralis anterior entsprechen würde. Die letztere war allerdings damals noch gar nicht bekannt. Auch Appelloef (Teuthologische Beiträge I., 1889, S. 19) hat diese Commissur nicht wiedergefunden; außer Cheron hat sie also niemand wieder gesehen. Ich habe aus diesem Grunde mit Fleiß nach ihr gesucht, habe aber ebenfalls nirgends eine Spur davon entdeckt, weder bei Octopus, noch bei Eledone, noch bei Argonauta. Allerdings ist die Präparation an dieser Stelle etwas schwierig wegen der außerordentlich zahlreichen feinen Blutgefäße, die hier die Vena cava verlassen und sich mit dem anliegenden Bindegewebe verfilzen. Ich vermute aber sicher, daß Cheron ein solches Blutgefäß als Commissur angesehen hat, auf diese Weise wäre dann der Irrtum erklärlich. So bestechend das Vorhan- densein einer derartigen Commissur bei den Octopoden wäre, da sie ja bei den Decapoden an dieser Stelle existiert, was Cheron aber gar nicht wußte, so muß doch immerhin hervorgehoben werden, daß sie schon bei den Myopsiden, wie Hillig nachgewiesen hat, »durchaus keinen massiven Eindruck macht, sondern eher einer zufälligen Ver- einigung mehrerer Nervenfäden gleicht <<. Eine vollständige Reduk- tion bei den Octopoden wäre also gar nicht sehr verwunderlich, und wir können jetzt schon mit Sicherheit annehmen, daß eine vordere Visceraliscommissur bei den Octopoden nicht existiert. Hierzu kommt aber noch eine andre Beobachtung. Ransom beschreibt in seiner Abhandlung >> On the cardiac rhythm of Inverte- brata« (1884) auf S. 267 ein kleines Ganglion im Verlauf des Visce- ralis bei Octopus folgendermaßen: »The cords (gemeint sind die Visce- rales) on either side end in a small ganglion lying under the liver, from which go nerves to the body wall and the columnar muscle inserted into the mantle, ....<< Nach seiner Beschreibung kann man sich Das Xorveiisysteiu der Uctopock-n. 475 kein sicheres Bild von der Lage dieses (^»aiiglions machen, nach der sonst übrigens recht guten Fig. 1, PI. Vll könnte es vielleicht an der Stelle der Coniniissur Cherons liegen, mir erscheint es allerdings etwas zu weit vorn (leider' sind Enddarm und Tintenbeutel nicht mit ein- gezeichnet). Eine derartige ganglionäre Anschwellung habe ich bei der Präparation niemals bemerkt, sie ist auch sonst nirgends für die Oetopodiden oder die Philonexiden erwähnt worden; ob in histolo- gischer Beziehung Ganglienzellen vorhanden sind, darüber habe ich in der Literatur keine Angaben gefunden. Nun hat aber Chun zwei derartige Ganglien bei den Bolitaeuiden gefunden, interessanterweise etwa an der Stelle der CHERONSchen Visceraliscommissur. Er beschreibt sie S. 20: »Bei beiden Gattungen schwellen nunmehr die Aste zu kräftigen, ovalen Ganglien an, die bisher bei keinem Octopoden beobachtet wurden. Sie liegen in der Höhe des Afters, den Seitenwandungen der Hohlvenc dicht ano-e- schmiegt und geben Äste sowohl zum Enddarm wie zur Hohlvene ab.« Wie ich mich an dem betreffenden mikroskopischen Präparat, das mir Herr Professor Chun zur Durchsicht gegeben hatte, über- zeugen konnte, machten diese aus dem Ganglion abgehenden Äste zunächst ganz den Eindruck einer Commissur, verloren sich aber dann in den Wänden der Vena cava, nur ein geringes Zwischenstück zwi- schen sich lassend. Dieser Befund Chuns würde meiner Ansicht nach auch gegen die Annahme einer derartigen Visceraliscommissur bei den Octopoden sprechen. Nachgewiesen ist sie keinesfalls. Sie ist an ganz andrer Stelle erst viel später entdeckt worden. Die beiden Hauptstämme der Nervi viscerales verlaufen nach Abgabe des Rectal- und Tintenbeutel nerven zunächst noch an der Seite der Vena cava nach hinten weiter und biegen dann langsam nach außen um. Der rechte Nerv liegt beim Weibchen zwischen End- darni und Oviduct, beim Männchen lateral vom Enddarm, den er überkreuzt — wir betrachten immer von dorsal — , der linke zwischen Vena cava und Oviduct bzw. Vas deferens. Auf diese topographi- schen Beziehungen hat schon Fredericq: Recherches sur la physio- logie du Poulpe commun (1878) aufmerksam gemacht. Etwa beim Austritt aus dem Kanal, der durch den Musculus adductor pallii me- dianus gebildet wird, zweigen sich vom Hauptast zwei stärkere Ner- ven ab, die noch eine ziemliche Strecke nach hinten innen auf dem sog. »Diaphragma rausculare« verlaufen. Sie versorgen diesen Muskel, indem sie schließlich in ihn eindringend sich darin in feine Ästchen aufsplittern. Ich will diese beiden Nerven, die ich auffallenderweise 31* 476 Alfred Pfefferkorn, noch nicht beschrieben finde, als Nervi abdominales bezeichnen, in- dem ich darauf aufmerksam mache, daß sie ihrem Ursprünge nach nicht identisch sind mit denen, die Chun bei den Bolitaeniden be- ^schriebeu hat, obwohl auch sie die Muskulatur der inneren Bauchdecke innervieren. — Zwischen Nierenpapille und Geschlechtsausführungs- gang — die erstere ist unter dem letzteren und hinter ihm gelegen — -- n.bcanch. '^ggl^'Bndi. gjard. branch. : — nn.cord.branch. n sacc ren Textfig. 4. Übersichtsbild über das Visceralnervensystem einer weiblichen Eledone mosehata von ventral. Vergr. etwa 1 V2 :!• biegt der Nervus visceralis nach außen um und bildet, indem er am Ursprung der Kieme wieder rückwärts zieht, eine große, nach vorn offene Kurve. Kurz vor der Nierenpapille schwillt er in ein Ganglion auf, das Cheron schon gesehen hat, er nennt es Ganglion fusiforme. Dieser Name hat sich indes nicht eingebürgert, die Physiologen bezeichnen es gewöhnlich als erstes Herzganglion. Ich will es »Ganglion car- 1 Das Xi'ivensysteni der Ottopodcn. 477 diacum<< benennen, denn es steht in engster Beziehung zur Herz- innervation. Es ist eine kleine, ge\v(")hnlich etwas oval oder spindel- förmig, wie der Name »fusiforme« sagt, gestaltete Anschwellung des Visceralis, nicht immer deutlich ausgebildet. Jedoch fand Brock auch da, wo der Nerv makroskopisch keine Anschwellung darbot, mikroskopisch immer Ganglienzellen eingelagert. Eigentümlicheiweise behauptet Brock, der es von van Beneden beschrieben fand, Che- RON kenne dieses Ganglion nicht. Aus dem Ganglion cardiacum (Textfig. 4 g.card.) entspringen nun mehrere feine Nerven, von denen ich konstant zwei immer wieder fand, einen an den Harnsack und einen nach der Herzgegend. Der erstere (ich will ihn nur zur besseren Orientierung auf der Textfig. 4 als Ner- vus sacci renalis [n.sacc.ren.] bezeichnen), ein ziemlich langer Neiv, breitet sich median von der Nierenpapille nach hinten und etwas nach innen auf der äußeren Harnsackwandung aus. Er zog in der Rich- tung nach dem langen, schmalen Kiemenmuskel zu, ich habe ihn aber nicht in diesen hinein verfolgen können. Etwas weiter lateral habe ich mehrere Male ein feines Astclien aus dem Herzganglion an die Nierenpapille abgehen sehen, hin und wieder auch noch einen Nerven an die Harnsackwandung. Den wichtigen Herznerven, den Nervus cordis, wollen wir zu- nächst einmal bei Eledone betrachten. Er entspringt am weitesten medial vom Ganglion cardiacum, zieht medianwärts und etwas nach hinten in die Tiefe des Harnsacks und legt sich bald an die Kiemen- vene an. Der Nerv zieht dann mit einem kleinen Blutgefäß, jeden- falls der Arteria cordis branchialis (nach Grimpe: »Das Blutgefäß- system der dibranchiaten Cephalo]ioden<<, 1913) weiter dem Herzen zu; er liegt eingeschlossen in den Hüllen des Harnsacks, die Kiemen- vene und Herzvorhof umgeben, und gibt feine Ästchen an dieselben und an den Herzvorhof ab. "Während ich den Nerv rechts meist nur bis an die Grenze zwischen Vorhof und Ventrikel verfolgen konnte, sah ich ihn links direkt die Ober- und Ventralseite des Herzens inner- vieren, manchmal sogar mit zwei Zweigen (Textfig. 4). Fuchs (Bei- träge zur Physiologie des Kreislaufs bei den Cephalopcden, 1895) beschreibt sogar zwei gesonderte Nerven aus dem Herzganglion her- ausgehend, einen für den Vorhof und einen für den Ventrikel, der- gleichen habe ich aber nicht bemerkt. Zahlreiche feine Blutgefäße begleiten den Herznerven, er läßt sich aber, obwohl er sehr dünn ist, trotzdem ganz deutlich übersehen, wenn man seinen Ursprung im Ganglion gefunden hat und ihn von da verfolgt. 478 Alfred Pfefferkorn, Etwas anders liegen die Verhältnisse bei Octopus. Die Nerven, die aus dem Ganglion cardiacum, das äußerlich meist nur wenig aus- geprägt ist, hier austreten, sind dieselben wie bei Eledone: ein paar Äste an die Harnsackwandung, Nerven für die Geschlechtsorgane, auf die wir später noch zu reden kommen, und endlich solche für die Herzinnervierung. Bei den letzteren ist aber insofern eine Abwei- chung bemerkbar, als sie sich hier von einer wirklichen Visceraliscom- missur abzweigen, die zwischen den beiden Herzganglien ausgespannt ist. Appelloef hat diese interessante Commissur zuerst bei Octopus vulgaris entdeckt; es sei mir gestattet, die betreffende Stelle der Be- schreibung, die sich auf S. 14 seiner Arbeit » Japanska Cephalopoder<< (1886) befindet, in Anbetracht ihrer Wichtigkeit zu zitieren. Er sagt: >>Följer man nemligen den första af de större nerver, som afgä frän ff carcf.öranch. nn. sacc.ren. Textfig. 5. Hinterer Teil der Nervi viscerales eines männlichen Octopus vulgaris von ventral. Vergr. etwa 2 :1. gangliet, finner man, att denna gär längs med gälgrenarne frän aorta posterior, läggände sig tätt intil dessa. Derefter gär den öfver a. po- sterior halt nära dess Ursprung ur hjertat och förenar sig med andra sidans ganglion<<. Diese Beschreibung Appelloefs ist so exakt, daß ich sie kaum besser wiedergeben kann. Ich fand denn diese allerdings ziemlich dünne, etwas über 2 cm lange Commissur bei Octopus vul- garis sofort wieder (Textfig. 5). Sie läuft, wenn ich's noch einmal wiederholen soll, mit der feinen Arteria cordis branchialis, um die sie sich auch einmal herumwindet, von einem Herzganglion zum andern, und überkreuzt dabei, eng den Vorhöfen und dem Herzen angelagert, die Aorta posterior bei ihrem Ursprung aus dem letzteren. Dabei gibt sie in ihrem Verlaufe einige feine Ästchen (Nervi cordis) an das Herz und die Herzvorhöfe ab (Textfig. 5). Diese Commissura visce- ralis macht trotz ihrer Feinheit ganz den Eindruck einer massiven, Das XiTVfnsystem der Octopotlcn. 479 konstanten Verbindungsbrücke der beiden Viscerales und nicht den einer zufälligen Vereinigung der Herznerven. Sie entspricht denn auch ihrer Lage nach vollkoinnien der Coniinissura visceralis posterior der Oegopsiden und Myopsiden, ist allerdings bei diesen Formen be- deutend kürzer. Bei Se^ia entspringt aus ihr ebenfalls der Herznerv. Ganz überraschend war nun, daß sich keine derartige Commissur bei Eledone moschata vorfand. Sie ist bei diesem Tiere auch noch nicht sicher festgestellt worden, Appelloef beschreibt sie nur für Octopu^ vulgaris. Ich habe etwa fünf Exemplare von Eledone darauf- hin präpariert und den Herznerven bis zum Austritt der Aorta poste- rior, also bis in die Mediane verfolgt, konnte aber bei keinem Tiere auch nur die leiseste Spur einer Commissur entdecken, während mir das bei Octopus und bei Ärgonauta, wo sie äußerst fein ist, wie wir noch sehen werden, auf Anhieb gelang. Das erregt bei zwei so nahe stehenden Formen, wie Octopus und Eledone, Verwunderung. Hier würde jedenfalls nur die mikroskopische Untersuchung einmal ein- deutige Auskunft geben, eventuell könnte diese Commissur ja auch im Embryonalzustand noch erhalten sein. Als einziger hat Jatta in seinem Nachlaß sie für Eledone beschrieben; er hat aber keinen siche- ren Beweis dafür erbracht. — Bei Ärgonauta argo fand ich eine äußerst feine Visceraliscommissur, die bisher noch nicht beschrieben worden ist; für Opisthoteuthis depressa hat sie Meyer nicht nachweisen können, das Resultat bei Cirroteuthis bleibt noch abzuwarten. Das Ganglion cardiacum steht aller Wahrscheinlichkeit nach auch in Beziehung zur Innervierung des Geschlechtsapparates. Schon Che- RON beschreibt von ihm ausgehend einen Zweig an den Ausführungs- gang der Geschlechtsdrüse. Diese Nerven müssen aber sehr fein sein, und die Präparation gerade dieser Gegend, die mit Bindegewebe stark verfilzt ist, ist keine ganz leichte. Ich konnte leider weder bei Männ- chen noch bei Weibchen von Eledone und Octopus, so sehr ich danach gesucht habe, Nerven an den Samengang oder die Eileiter finden, nur bei einem besonders großen Männchen von Octopus vulgaris gelang es mir, zwei Nerven nachzuweisen (Nervi vasis deferentis, Textfig. 5), die von der lateralen Seite des Herzganglions entsprangen und sich an den Ausführungsgang der männlichen Geschlechtsdrüse anlegten. Bei Ärgonauta argo fand ich von diesem Punkte aus eine ganz deut- liche Innervation des Genitaltractus. Auch Ransom (S. 267) beschreibt uns: »a fine nerve to the generative duct« vom ersten Herzganglion aus. Diese Nerven versorgen alle den Leitungsapparat, eine direkte Innervieruns des Hodens oder des Ovariums wurde bisher noch nicht 480 Alfred Pfefferkorn, entdeckt. Die Angabe Cherons, daß vom Kiemenherzganglion ein Ast ausgehen soll, der tief in die Geschlechtsdrüse eindränge, konnte ich nicht bestätigen, obwohl auch Botazzi und Enriques in ihrer Arbeit: »Recherches physiologiques sur le Systeme nerveux visceral des Aplisies et de quelques Cephalopodes << (1900) derartige Nerven als existierend betrachten. S. 137 heißt es: >>Lespetitsrameaux nerveux, que nous avons vus arriver du conduit, proviennent tous du ganglion cardio-branchial. << Das Experiment gibt ihnen aber nicht recht, denn die Fortsetzung lautet: >>Mais la nicotinisation de celui-ci (Ganglion cardio-branchial) ne rend pas le nerf visceral inactif. « Dies ist auch natürlich, da die Nerven nicht vom Ganglion cardio-branchiale, sondern vom Ganglion cardiacum ihren Ursprung nehmen. Endlich behauptet Jatta auf S. 31 seines Nachlasses gar, die Innervation der Geschlechtsorgane solle von der Visceraliscommissur ausgehen. »Da essa (Visceraliscommissur von Octopus) si staccanno due sottili fila- menti nervosi, che vanno agli organi genitali. << Er wird wohl die Herz- nerven gesehen haben. Ich muß das aber deshalb erwähnen, weil diese Behauptung auch in Bauer, S. 181, übergegangen ist, und beide Nerven daselbst auf Fig. 10 eingezeichnet sind. Etwa 1/2 cm vom Ganglion cardiacum schwillt der Visceralis in ein zweites, viel deutlicher ausgeprägtes Ganglion auf, das sog. Kie- menherzganglion, das »ganglion du coeur branchial«, wie Cheron es nennt. Die Physiologen bezeichnen es als zweites Herzganglion. In Anbetracht dessen, daß von diesem Ganglion in der Hauptsache die . Kiemenherzinnervierung erfolgt, will ich es mit dem Namen »Gang- lion cardiobranchiale« {Textiig. i g.card.hranch.) belegen. Es liegt in der Grube, die von Kiemenherz, Harnsack und Kiemenvene be- grenzt wird. Es ist ein rundliches, knopfförmiges Ganglion von etwa Stecknadelkopfgröße mit einem Stiel mit dem Visceralis in Verbin- dung, der sich namentlich bei Octo-pus hervorhebt. Es ist also nicht in den Verlauf des Visceralis eingeschaltet, sondern hängt gewisser- maßen an ihm. Aus ihm entspringen mehrere kurze, ganz dünne Nervenäste, stark in Bindegewebe verlagert, zwei davon treten ge- wöhnlich an das Kiemenherz selbst heran (Nervi cordis branchialis), zwei oder mehrere verlieren sich im Innern des Harnsackes und an den Nephridialanhängen (Nervi renales). Während also das Ganglion cardiacum nach den anatomischen Befunden hauptsächlich Harnsack, Herz und Geschlechtsapparat innerviert, versorgt das Ganglion cardio- branchiale Kiemenherz und Nieren. Leider herrscht über die Existenz der Ganglia cardiaca und der Das Ncrvcnsystiiii di-r Ottopüdni. 481 Gaii-iliii caidiobrauchialia bei den Decapoden noch der denkl)ar größte Widerspruch. Nur bei den Oegopsiden scheint das erste Herzganglion (Ganglion cardiacuni) zu fehlen, weder Chun noch Richter haben an dieser Stelle ganglionäre Anschwellungen gefunden. Und bekräftigt wird diese Beobachtung noch durch den Befund Brooks (1800), der auch bei der mikroskopischen Untersuchung keine gangliösen Ele- mente entdecken konnte (vgl. dazu Richter, S. 345). Für die Myo- psiden {Sepia officinalis) leugnet Hillig (S. 769) ein makroskopisch sichtbares Ganglion, während Jatta und Cheron ein derartiges Gang- lion gefunden haben, und letzterer auch mikroskopisch Gangliensub- stanz nachgewiesen haben will. — Noch größer ist die Unklarheit über das Ganglion cardiobranchiale. Chun und Richter kennen nur ein »Ganglion branchiale<<, das aber ungefähr an der Stelle unsres Ganglion cardiobranchiale (des zweiten Herzganglions) gelegen ist. Richter zeichnet nun die Nerven des Kiemenherzens noch aus dem Visceralis abgehend kurz vor seinem »sogenannten« Ganglion bran- chiale (vgl. Fig. 12, S. 342), während Chun einen Ast zum Kiemen- herzen direkt aus dem »Kiemenganglion« hat abgehen sehen. Dieser Befund Chuns gibt zu denken. — Dazu kommt, daß auch Appelloef (1889, S. 19) von einem »Kiemenherzganglion« an der Kiemenbasis spricht, worauf schon Richter (S. 347) hingewiesen hat. — Dagegen ist nun das »Ganglion branchiale«, welches Hillig für Sepia be- schreibt, sicher unserm Ganglion cardiobranchiale homolog zu setzen. Schon seine topographische Lage weist daraufhin, ebenso die Nerven, die davon ausgehen. Hillig gibt selbst an, daß von ihm aus die In- nervierung des Kiemenherzens und der Kiemengefäße erfolgt, wäh- rend kein einziger Ast von hier aus die Kiemenblättchen versorgt. Das hat aber auch Cheron bereits gefunden, der dieses Ganglion für Sepia schon richtiger als »Ganglion du coeur branchial« bezeichnet. (S. 54 und PI. II, Fig. 16.) Und Jatta nennt es ebenfalls besser zwei- tes Herzganglion. Wenn Hillig der »Richtigkeit der Annahme« dieses Autors hier »berechtigte Zweifel« entgegensetzt, so muß ich Jatta' doch vor solcher Behauptung Hillig s entschieden in Schutz nehmen. — Fügen wir noch hinzu, daß die eigentlichen Ganglia branchialia schon bei manchen Octopoden nicht sehr deutlich ausgebildet sind, wie wir noch sehen werden, so können sie bei den Decapoden analog dem Verhalten der Cardiaca so beschaffen sein, daß sie keine äußerlich sichtbaren Anschwellungen aufweisen und daß man ihnen infolgedessen hier keine Beachtung geschenkt hat. Ist auch die Form der Ganglia cardiobranchialia bei den Octopoden eine ganz andre als die der sog. 482 Alfred Pfefferkorn, »Ganglia branchialia << bei den Decapoden, so ist es doch nach der topographischen Lage und der Innervationsgebiete dieser Ganglien durchaus nicht ausgeschlossen, daß wir es hier mit homologen Ge- bilden zu tun haben. Dann hätten wir bei sämtlichen Dibranchiaten in bezug auf Herz-, Kiemenherz- und Kiemenganglien die gleichen Verhältnisse. — Das wird aber endgültig erst eine nochmalige, vor allem mikroskopische Untersuchung aufklären. Nach Verlassen des Ganglion cardiobranchiale wendet sich der Visceralis rückläufig im Bogen wieder nach vorn und wird nun zum eigentlichen Kiemennerven, zum Nervus branchialis. Dieser läuft etwas vor und unter der Kiemenarterie an der Kiemenbasis entlang und schwillt in der Höhe jedes Kiemenblättchens in ein dreieckiges bzw. eiförmiges ganglienartiges Knötchen auf, das Ganglion bran- chiale. Aus diesem dringt ein Nervenzweig (Ramus branchialis) in jedes der betreffenden Kiemenblättchen ein, nicht mehrere (wie Che- RON sagt). Es sind gegen zehn solcher Kiemenganglien in annähernd gleicher Entfernung vorhanden, nur gegen die Spitze der Kiemen rücken sie dann zusammen. Bei Octopus vulgaris fand ich die Ganglia branchialia nicht sehr deutlich ausgebildet. Überschauen wir den Visceralis noch einmal, so sehen wir, daß er folgende Organe innerviert: Vena cava, Musculus adductor infundi- buli medianus, Musculus depressor infundibuli, Tintenbeutel, End- darm, Diaphragma musculare, Harnsack, Herz, Ausführungsgang der Geschlechtsorgane, Nierenanhänge, Kiemenherz und Kieme. Nachtragen möchte ich hier, daß Carlson in seiner Arbeit >> Com- parative physiology of the invertebrate heart« (1905) die Innervierung des Herzapparates bei Octopus punctatus untersucht, sie aber ganz übereinstimmend mit der der Octopodiden gefunden hat. Wir wollen jetzt kurz noch den Verlauf des Nervus visceralis bei Argonauta an uns vorüberziehen lassen, er ist im allgemeinen derselbe wie bei Eledone und Octopus. Der Nerv (Textfig. 1 n.visc.) entspringt am, untersten Rande des Visceralganglions, passiert die Leberkapsel und gibt nach seinem Austritt aus derselben zunächst mehrere Nervenäste an die Vena cava ab, darauf innerviert er mit einem stärkeren Nerven den gewaltigen Musculus depressor infundi- buli, mit einem schwächeren den bei Argonauta sehr dünnen Musculus adductor pallii medianus, mit einem Nervus abdominalis endlich die Bauchdecke. Diese Nerven entsprechen alle den gleichnamigen oben beschriebenen. Der Visceralis läuft dann an der Innenseite des Ovi- ductes hin und gibt, bevor er diesen nach außen kreuzt, zunächst Das Nervensystem der Octopoden. 483 Äste au den Geschlechtsausführungsgang ab (Textlig. G n.ovid.), die hier sehr deutlich zu sehen waren, rechts einen, der unter der Visce- ralisconiniissur nach hinten zieht, den umgebogenen vSchenkel des Ovi- ductes innerviert und vorher noch mit einem feinen Zweig die End- schenkel versieht, links einen, der lateral ziehend sich dem Eileiter anlegt und sich in einen nach vorn und einen nach hinten gerichteten Zweig spaltet (Textfig. 6). Kurz darauf verbinden sich beide Visce- rales, ohne eine deutliche Anschwellung an der Stelle des Ganglion cardiacum erkennen zu lassen, durch eine Commissura visceralis mit- einander. Diese läuft als ein äußerst dünner Faden an der Dorsal- gxard brancfi. Textfig. 6. Hinterer Teil der Nervi viscerales einer weiblichen Argonauta argo von ventral. (Die Striche- lung der Commissur und des Herznerven de-.itet die dorsale Lage an.) Vergr. etwa 2V2 : 1. Seite der Herzvorhöfe und des Herzens in ziemlich gerader Richtung von einem Herzganglion zum andern. Die Commissur liegt der Herz- wandung direkt an und läßt sich nicht von ihr abheben, man sieht sie wegen ihrer Feinheit nur, wenn man sehr aufmerksam beobachtet, an einzelnen Stellen muß man das Tier verschiedentlich nach dem Lichte drehen, um ihren Verlauf zu übersehen. Es ist aber eine sehr deutliche Verbindung. Auf der rechten Seite zweigt sich von ihrem Ursprung ein feiner Xerv ab, der sich auf die Ventralseite des Herz- vorhofs verfolgen läßt, auf der linken Seite ein längerer, der auf der Dorsalseite bis in die Herzwaudung verstreicht (Textfig. 6). Die Länge der Commissur maß 2 cm. — Der Visceralis selbst kreuzt nun ventral 484 Alfred Hefferkorn, den Oviduct und bildet 1/2 ein vom Herzganglion entfernt das Kie- menlierzganglion, das hier durch seine Größe auffällt, und von dem Nerven an das Kiemenherz und den Harnsack abgegeben werden. Dann wendet er sich als Nervus branchialis der Kieme zu und gibt an die einzelnen Kiemenblättchen kleine Nerven ab (Rami branchiales), ohne deutliche Anschwellungen von Kiemenganglien aufzuweisen. — Den Hauptverlauf des Visceralis hat bereits van Beneden bei Argo- nauta ziemlich genau geschildert. Meyers Beschreibung des Visceralis von Opisthoteuthis depressa deckt sich in den Grundzügen mit der der übrigen Octopoden. Ein Ganglion cardiacum erwähnt er nicht, wohl aber das Ganglion cardio- branchiale. Abweichend verhält sich einzig und allein der eigentliche Kiemennerv, der sich nach einer kleinen ganglionären Anschwellung in zwei Aste teilt, die rechts und links von der Kiemenarterie über die Kiemenmilz verlaufen, und in die kleine Ganglien eingeschaltet sind. — Eine derartige Teilung des Kiemennerven ist bisher noch nicht bei den übrigen Octopoden nachgewiesen worden. Bei EledoneUa beschreibt unsCnuN einen Nervus visceralis, der eine ziemlich lange Strecke unpaar verläuft. Das ist, soviel ich aus Meyer herauslese, auch bei Opisthoteuthis der Fall, ebenso hat Ebers- bach für Cirroteuthis nur einen Visceralis abgehen sehen, der sich erst später teilt. Im Anschluß an den Visceralis sei mir noch eine kurze Bemer- kung gestattet über die sog. »Nervi somatici«, die Jatta in seinem Nachlasse beschreibt. Bauer hat das Wesentliche daraus auf S. 177 und 178 wiedergegeben. Ich wurde erst beim Zusammenschreiben der Arbeit auf sie aufmerksam. Aus dem Visceralganglion, den Mantel- connectiven und den Visceralnerven entspringend sollen sie den vor- deren, mittleren und hinteren Teil der Körperwand versorgen. Es ist mir ganz rätselhaft geblieben, welche Nerven Jatta darunter ver- stehen könnte, auf Abbildungen sind sie leider nicht mit Namen verzeich- net. Hillig hat, wie er auf S. 775 angibt, trotz genauester Nachprüfung derartige Nerven nicht finden können. Auch die neueren Arbeiten von Chun und Richter geben mir keinen Schlüssel. Ich muß mich be- gnügen, sie hier der Vollständigkeit halber mit zu erwähnen, ohne auch nur eine annähernd sichere Deutung von ihnen geben zu können. 10. Nervus iufnndibuli posterior. Der hintere Trichternerv (Taf. XIII, Fig. 2 und Textfig. 7 n.infd. post.) entspringt an der untersten Spitze des Visceralganglions zu- Das Nervensystem der Oetopoden. 485 sammeu mit dem Visceralis und dem Nervus venae cavae posterior, und zwar mit letzterem am weitesten nach außen und vorn, während der Visceralis ganz innen etwas isoliert abgeht. Mit dem Nervus venae cavae posterior durchbricht er die Gehirnkapsel und läuft eng ange- schmiegt an ihn in der Leberkapsel schräg nach hinten, unten und außen. Bis zum Austritt aus der Leberkapsel ist er bei Eledone mit dem Nervus venae cavae posterior verwachsen, doch leicht von ihm bis zum Ursprung zu trennen. Man könnte bei flüchtiger Beobach- tung beide Nerven für einen halten, weshalb Cheron diesen jedenfalls übersehen hat. Er ist etwas plattgedrückt, der schwächste dieser drei Nerven, auch bedeutend schwächer als der vordere Trichternerv. Beide Nerven verlassen dann die Leberkapsel in einem Loch, der Trichter- uerv hat außerdem noch den. Musculus adductor pallii medianus zu passieren. Darauf dringt er, dünner werdend, in den hinteren Teil der Trichtermuskulatur ein, und zwar dort, wo das innere Blatt des Collaris an dem Trichter ansetzt, durchbohrt dies bei seinem Ansatz und splittert sich in der Muskelsubstanz in dünne Ästchen auf, die das innere Blatt des Collaris und den hinteren, lateralen, mehr dor- salen Teil des Trichters versorgen; ein stärkerer Ast geht nach dem Trichterschließmuskel. Der Nerv kann aber auch vorn in dem Winkel zwischen Ansatz des Collaris und Trichters verlaufen, versorgt auch hier das innere Blatt mit mehreren Zweigen, während ein stärkerer vorderer Ast in der Richtung des Trichterschließapparates zieht, in den hinein ich ihn verfolgt habe. Beide Arten der Innervierung habe ich beobachtet, die erstere ist auf Textfig. 7 abgebildet. Der hintere Trichternerv versorgt also das hintere Drittel des Trichters, haupt- sächlich den lateralen und dorsalen Teil, dazu eine Partie des Collaris und den Trichterschließapparat. Von Cheron haben wir schon eine kurze, ziemlich wahrheits- getreue Schilderung dieses Nerven erhalten. Er nennt ihn >>nerf posterieur de l'entonnoir«. Brock (1880) hat ihn dann auch bei den Philonexiden als »Nervus infundibuli inferior« festgestellt. Bei Argonauta ist der Nervus infundibuli posterior (Textfig. 1) ein dünnerer Nerv, der kurz vor dem Visceralis entspringt, die Leber- kapsel schräg nach außen hinten durchsetzt und schließlich in dem Winkel, wo der Collaris mit dem Trichter verwachsen ist, endet. Er innerviert das hintere, obere Trichterdrittel und verzweigt sich in der Richtung auf den Trichterschließapparat, in den ich ihn hier aber nicht habe verfolgen können. Der gleichnamige Nerv von Opisthoteuthis depressa entspricht 486 AKred Pfefferkorn, zweifellos unserem hier beschriebenen. Wenn Meyek angibt, »er ver- liert sich in den vorderen Partien der unteren Trichterwand«, so handelt es sich dabei natürlich um die Orientierung nach Heschelek, nach unsrer Orientierung würde das gleichbedeutend mit der hin- teren Partie sein. Der Nerv soll bei Opisthoteuthis den Musculus adductor infundibuli mit seinen Fasern versorgen, bei den Octopo- diden geschieht dies, wie wir später noch sehen werden, durch den Nervus infundibuli anterior. 11. Nervus renae carae posterior. Dieser Nerv (Taf. XIII, Fig. 2 n.ven.cav.jwst.) ist Cheron unbe- kannt. Er entspringt zwischen Nervus infundibuli posterior und Ner- vus visceralis als ein plattgedrückter Strang, der etwas stärker ist als der hintere Trichternerv. Innig dem letzteren angelagert, durchbricht er mit ihm die Leberkapsel. Dann spaltet er sich in zwei Nervenäste, von denen bald der vordere, bald der hintere an Stärke überwiegt. Der vordere Ast mündet in die seitliche Außenwand der Vena cava ein und ist dort nicht weiter zu verfolgen. Der hintere verläuft schräg nach hinten und legt sich ebenfalls der Vene an. Nach dem Durch- bruch des Trichternerven durch die Leberkapsel sehen wir noch ein sehr feines Nervengeflecht von ihm nach hinten an die Außenseite der Leberkapsel abgehen, das den Adductor pallii medianus durch- bohrt und sich in dem Winkel zwischen Leberkapsel und Trichter aufzweigt. Es verliert sich dort im Bindegewebe, seine Bedeutung ist mir unbekannt. Der ganze Nerv spaltet sich leicht in einzelne Stränge auf. Trotzdem der Nervus venae cavae posterior so innig dem Nervus infundibuli posterior angelagert ist, muß man ihn wohl als selbstän- digen Nerven auffassen, denn man kann ihn bis zu seinem Ursprung aus dem Gehirn leicht vom hinteren Trichternerven trennen, und dann haben beide Nerven auch ein ganz anderes Innervationsgebiet. Er existiert allerdings nur bei Eledone moschata. Bei Octopus und Argo- nauta habe ich diesen Nerven vergeblich gesucht, im Laufe der Be- schreibung des Visceralis war davon schon einmal die Rede. Auf- fallend dagegen ist, daß ein derartiger Nerv bei Opisthoteuthis existiert, Meyer bezeichnet ihn auch als Nervus venae cavae. Er entspringt von demselben Punkt zwischen Eingeweide- und hinterem Trichter- nerv, ist aber nur unpaar vorhanden. Schließlich sei noch erwähnt, daß sich die beiden letztgenannten Nerven innig aneinander gelagert auch bei Sepia finden, und daß Das Xervonsystini dci- (ktopodoii. 487 sie ihrem Ursprünge und Verlaufe nach vollkoninien identisch mit den meinigen sind (Nervus venae cavae posterior mihi = Nervus ve- nae cavae anterior Hillig). Dies würde eine gewisse Bekräftigung meiner Angaben für EJedone sein. Wie sich ihr Fehlen bei Octopus und Aryonauta erklären läßt, vermag ich nicht zu sagen. Ich glaube aber nicht, daß ich sie übersehen habe. 12. Nervus venae cavae anterior. Der Nervus venae cavae anterior (Taf. XIII, Fig. 2 n.ven.cav.ant.) entspringt vom Ganglion viscerale zwischen Visceralportion und dem vorderen Trichternerven, beide Nerven in der Mediane direkt neben- einander. Gleich nach Anstritt aus dem Gehirn tritt er in den Knor- pel ein und verläuft in einem langen Kanal zwischen den beiden Ge- hörkapseln nach vorn, dann wendet er sich nach unten. Er gelangt dort in unmittelbare Nähe des vorderen Trichternerven, von dem er zunächst durch eine dreieckige Knorpelmasse getrennt war, dann ver- laufen beide Nervi venae cavae anteriores den Trichternerven ange- schmiegt nach unten, direkt nebeneinander. Nach Verlassen des Kanals biegt sich der Nerv etwas nach hinten um und verzweigt sich in der Wand der großen Vene. Dabei gibt er gewöhnlich einen kleinen Ast nach vorn ab, einen andern nach unten an die Venenwand, wäh- rend der Hauptast sich nach hinten verteilt. Ein Weiterverfolgen auf der dünnen Venenwand ist umiiöglich. Beide Nerven, die mit die schwächsten des Gehirnes darstellen, sind von vorn nach hinten etwas plattgedrückt. Sie treffen in der Mitte der Vene oben zusam- men und legen sich glatt an die Venenwand an. Bei Cheron finden wir diesen Nerven als »Nerf de la grande veine« bezeichnet. Seine Behauptung, daß beide »quelquefois au nombre de deux de chacjue cote « entsprängen, habe ich niemals bestätigt gefun- den. — Für Aryonauta (Textfig. 1) gilt dasselbe, was ich für die Octo- podiden beschrieben habe. Dagegen findet sich bei Opisthoteuthis und den Decapoden kein homologer Nerv. c. Nerven des Ganglion pedale. 13. Nervus staticus. Der Nervus staticus (Taf. XIII, Fig. 2 n.stat.) entspringt mit zwei Wurzeln aus dem hinteren Teile des Pedalganglions vom seitlichen Rande des Gehirns nahe der Ventralseite gelegen. Direkt davor ist der Austritt des Nervus ophthalmicus inferior, wieder davor etwas weiter entfernt wurzelt in gleicher Höhe der Nervus oculomotorius 488 Alfred Pfefferkorn, anterior. Beide Nerven, die nur 1/4 — 1/2 mm an ihrer Ursprvmgs- stelle voneinander entfernt sind, treten sofort abwärts in den Knorpel ein, der hier dem Gehirn sehr fest anliegt, und mit dem auch das Ge- hörbläschen an dieser Stelle verwachsen ist. Die Länge der Nerven bis zu ihrer Ausbreitung auf der Statocyste beträgt nur 1 mm; sie verlaufen ganz im Knorpel und sind kaum intakt herauszupräparieren, doch läßt sich ihr Verlauf im Knorpel ganz gut übersehen. Cheron und die übrigen Autoren sprechen von einem statischen Nerven, der sich sofort nach seinem Austritt aus dem Gehirn in zwei Äste teile, ich konnte analog dem Befunde von Hillig bei Sepia verschiedentlich deutlich zwei getrennte Wurzeln des Nerven sehen, möchte aber beide nur als einen einzigen Nerv, den Nervus staticus, auffassen. Der vor- dere Nerv, im Knorpel etwas nach vorn gerichtet, tritt an die Vorder- seite der Statocystenwand heran und läuft platt werdend, während er erst dünn und rundlich war, bis zur Mitte der Macula statica. Dies würde also der Nervus maculae staticae sein. Der hintere Nerv, im Knorpel etwas nach hinten gewendet, innerviert die Crista statica als Nervus cristae staticae. Beide Nerven sollen nach Hamlyn-Harris (1903) die Blasenwand durchbrechen und an der Innenseite der Stato- cyste bis zu den Reiz percipierenden Organen verlaufen. Den Nervus staticus haben für die Octopodiden außer andern Autoren schon Cheron (Bezeichnung: Nerf auditif), Owsjannikow und Kowalewsky (Gehörnerven), Hamlyn-Harris (statischer Nerv) und Jatta in seinem Nachlasse (Nervi acustici) beschrieben. Der Nervus staticus von Argonauta argo (Textfig. 1) verläßt das Ganglion pedale mit zwei deutlich getrennten Wurzeln, die auch etwas länger sind als bei Eledone und Octopus. Der vordere innerviert die Macula, der hintere die Crista statica. Opisthoteuthis und Cirroteuthis zeigen in bezug auf die Innervation der Statocyste dieselben Verhältnisse, Meyer beschreibt einen nicht sehr starken Nervus staticus, der sich erst später in zwei Äste teilt, während Eber'sbach für Cirroteuthis zwei von den Wurzeln aus ge- trennte Äste fand. Sie münden an derselben Stelle ins Pedalganglion wie bei den oben besprochenen Formen. Endlich hat Chun bei den Bolitaeniden einen Nervus staticus entdeckt, der sogar mit drei Wurzeln von den seitlichen Ventralflächen des Ganglion pedale ausging. Ein Ast, der mittelste, innerviert die Macula, die beiden andern die Crista statica. So haben wir im Nervus staticus einen äußerst konstanten Nerv Das Ncrvensj'stcni der Octopoden. 489 vor uns, der bei allen Octopoden an derselben Stelle ents])rin>Nerf anterieur de l'entonnoir« richtig dar, doch kann man sich im einzelnen aus seiner Schilderung desselben kein klares Bild machen. Ich hoffe dem durch die beige- gebene Zeichnung (Textfig. 7) einigermaßen abgeholfen zu haben. 15. Nervus mnscnli adductoris pallii median!. Mit dem Nervus infundibuli anterior, aber an seinem Ursprung völlig von ihm getrennt, entspringt bei Eledone und Octopus ein zwei- ter Nerv, der weit dünner ist, der Nervus musculi adductoris pallii mediani (Taf. XIII, Fig. 2 n.m.add.paU.med.). Er verläßt das Gang- lion pedale direkt vor dem vorderen Trichternerven, dringt alsbald in den Knorpel ein und zieht an der Innenwand der Gehörkapsel in einem etwa 31/2 i^ii^"^ laiigen Kanal nach abwärts. Kurz nach seinem Ursprung fand ich des öfteren eine Anastomose, die schräg nach dem vorderen Trichternerven abging. Der Nerv liegt ziemlich oberfläch- lich im Knorpel, man kann ihn seiner ganzen Länge nach durch die Innenwand der Gehörkapsel hindurchschimmern sehen. Nach seinem Austritt aus dem Knorpel biegt er etwas nach hinten um und spaltet sich in zwei Ästchen, die sich im Musculus adductor pallii medianus verzweigen, der hier nach vorn zieht und mit zwei Portionen an dem ventralen Armpaar ansetzt. Topographisch betrachtet, läuft der Ner- vus musculi adductoris pallii mediani etwas weiter lateral als der vor- dere Trichternerv; das ist natürlich, da ja die beiderseitigen Muskel- züge des Adductor pallii medianus lateral von den Trichternerven liegen und durch diese auch voneinander geschieden werden. Dabei kreuzt er in seinem Laufe den Trichternerven, wie dies aus Taf. XIII, Fig. 2 ersichtlich ist. Ich glaube nicht fehlzugehen, wenn ich den eben geschilderten 32* 492 Alfred Pfefferkorn, Nerven bei Cheron als Ast des Trichternerven beschrieben finde. Cheron sagt nämlich S. 29: >)Des son origine (Nervus infundibuli an- terior), il s'engage dans un canal creuse verticalement dans le carti- lage, en dedans et en avant des cavites auditives, et fournit une branche grele qui se porte en avant et en bas. Elle traverse le cartilage dans un canal long et etroit, et se distribue aux muscles, qui unissent l'en- tonnoir ä la tete sur la ligne mediane. << — Da es aber ein ganz selb- ständiger Nerv ist, der mit der Trichterinnervation gar nichts zu tun hat, sondern nur den Musculus adductor pallii medianus versorgt, habe ich ihn auch nach diesem seinen Verbreitungsgebiet benannt. Er ist bei den übrigen Octopoden nicht bekannt, soviel ich weiß, auch nicht für die Decapoden. 16. NerTus ophthalmicns inferior. Der untere Augennerv (Taf. XIII, Fig. 2 und Textfig. 8 n.ofhth. inj.) entspringt wieder etwas weiter vorn aus dem Pedalganglion, etwa in gleicher Höhe mit dem vor ihm liegenden Oculomotorius anterior. Er tritt sofort in den Knorpel ein, verläuft darin eine Spur schräg nach vorn und wendet sich nach Verlassen des Kanals senkrecht zum Gehirn nach außen, indem er sich sofort sehr verbreitert. Dieser Nerv ist etwas stärker und breiter als der Nervus oculomotorius anterior, dorsoventral plattgedrückt und auch etwas länger bis zu seiner Auf- zweigung. Kurz vor derselben bildet er an seinem vorderen Rande ein Ganglion aus, das ebenfalls ganz plattgedrückt ist und sich in Form einer halben Ellipse an ihn anlegt, so daß es den Anschein hat, als ob die eigentlichen Nervenfasern hinter dem Ganglion vorbeizögen. Das Ganglion hebt sich auch durch einen gelblichen Ton von dem mehr weißlichen Nerven ab; wir nennen es Ganglion ophthal- micum inferius. Nach Verlassen dieses Ganglions teilt sich der Nerv in mehrere Aste, der Hauptstamm zieht weiter nach außen, etwas nach vorn, durchbricht in, einem Foramen den Orbitalknorpel und verläuft zu- nächst an der Unterseite des Knorpels, also extraorbital, analog dem Nervus ophthalmicus superior posterior in der Richtung nach dem Augenlid. Ich konnte auch beobachten, daß der Nerv vor seinem Durchtritt durch die Kapsel sich in zwei annähernd gleich starke Zweige gabelte, die in zwei Löchern die Orbita durchbrachen und sich dann wieder zu einem einzigen Nerven vereinigten. Dieser Nerv gibt kurz nach Verlassen der Kapsel oft einen feinen Zweig nach vorn außen an das Gewebe der Augenkapsel ab. Der eigentliche Ophthal- Das Nervinisystem der üctopodon. ■493 micus inferior zieht in dem Bindegewebe unter der Augenkapsel hin, legt sich auf die längsgerichteten Fasern der unteren Nuchalis])artie und teilt sich hier in zwei bis drei leine Ästchen, die sich bis zum un- teren Augenlid verfolgen lassen und sich wieder verzweigen. Sie ver- sorgen die hintere, untere Hälfte des Augenlides. Die Äste müssen in ihrem letzten Teile sich wieder etwas nach oben wenden. Dieser Nerv ist also vollkommen konform dem hinteren, oberen Ophthal- n oculpm.ant. Aug.Mush.j n.oculom.pczf. n.olE ' g.ophtht.inE n.ophth.inF. rnmusc Aug.Musk.ji^ : Aug.Bulb. Auaen Musk.j Textfig. 8. Untere Augennerven und Geruchsnerv von Eledone moxchata von dorsal. (Das Ganglion opticum ist am Opticus abgeschnitten und weggenommen, ebenso der darunter liegende »weiße Körper«. Der Augenbidbus ist zur Seite gezogen.) Vergr. etwa C : 1. micus, sowohl in seiner topographischen Lage, als auch in der Art seiner Verbreitung. Einen Ramus iridicus, analog dem aus dem Gang- lion ophthalmicum superius, konnte ich allerdings, trotzdem ich mein Augenmerk darauf gerichtet habe, nicht entdecken. Kehren wir zum Ganglion ophthalmicum inferius zurück, so be- merken wür noch andre Äste, die es mehr nach hinten außen gerichtet verlassen. Es sind das ein oder zwei Eami musculares, die ganz typisch einen schmalen, langgestreckten Augemimskel (Textfig. 8 Aug.Musk.2) 494 Alfred Pfefferkorn, versorgen, der schräg von hinten innen, wo er am Knorpel ent- springt, nach vorn außen zieht und dort unter dem noch zu er- wähnenden Fächermuskel am Augenbulbus ansetzt. Der Kamus muscularis des Ophthalmicus inferior ist ein etwas breitgedrückter Nerv, der in den hinteren Teil des eben erwähnten Muskels eintritt. Schließlich habe ich am weitesten nach hinten einen langen, sehr dünnen Ast beobachtet, der in dem Bindegewebe und den feinsten Muskelfasern des Augenbulbus sich verlor. Cheron beschreibt die »Nerfs ophthalmiques inferieurs« nur mit wenig Worten und behauptet unter anderem, daß bei Eledone drei Paar derartiger Nerven exstieren sollen, was aber niemals zutrifft. Für Octopus gibt er wieder richtig deren Zweizahl an. Er bezieht also in sie den nachher zu besprechenden Nervus oculomotorius anterior ein. — Bei der Besprechung der Ophthalmici superiores haben wir uns schon des längeren bei den interessanten Augennerven aufgehalten und ihre eventuelle physiologische Bedeutung gestreift. Ich möchte an dieser Stelle nur noch einmal auf die eigentümlichen Ganglia oph- thalmica aufmerksam machen, die den Decapoden scheinbar ganz fehlen. Ihre Bedeutung ist noch unbekannt. Für etwaige physiologische Experimente will ich hier nur kurz noch anfügen, daß man die beiden Nerven leicht freilegen kann, wenn man, nachdem von dorsal bis aufs Ganglion opticum präpariert wor- den ist, den Stiel desselben nebst Olfactorius an seinem Ursprung durchschneidet, das Sehganglion und den Augenbulbus nach außen emporschlägt und den darunter befindlichen »weißen Körper« vor- sichtig entfernt. Dann sieht man gewöhnlich schon in der vorderen Hälfte der Orbita die beiden Nerven durch das feinfaserige Binde- gewebe hindurchschimmern, von dem sie noch bedeckt werden. Das Präparat, nach dem Textfig. 8 gezeichnet wurde, habe ich auf diese Weise angefertigt, es zeigt die Nerven in ihrer natürlichen Lage. Auch bei Argonauta argo findet sich der Nervus ophthalmicus (Textfig. 1) vor und hat denselben Ursprung und Verlauf, wie bei Eledone und Octopus. Nur habe ich an ihm, ebenso wie auch an dem Ophthalmicus superior posterior, kein Augenganglion bemerkt. Be- vor er die Orbita durchbricht, gibt er einen dünnen Ast an den hier bedeutend breiteren Augenmuskel ab, der dem schmalen, langgestreck- ten der Octopodiden entspricht. Nach Verlassen der Augenkapsel teilt sich der Nerv in zwei Zweige, die den hinteren Teil des unteren Augenlides innervieren. Ganz entschieden ist dieser Nerv auch identisch mit dem gleich- Das Nervensystem der Oetopoden. 495 Ucamigon, den Meyer für Opisthoteuthis beschrieben hat, sogar der Muskehist ist an ihm vorhanden. Dagegen fehlen Opiathoteuthis wieder beide Ganglia ophthalmica. 17. Nervus oculomotorius auterior. Dieser Nerv (Taf. XIII, Fig. 2 und Textfig. 8 n.oculom.ant.) wur- zelt als vorderster im Fußganglion, etwa auf der Grenze zwischen Ganglion brachiale und pedale unter dem Foramen cerebri. Er zieht zunächst zwischen Gehirn und Kapsel etwas nach vorn, durchbricht dann schräg nach außen in einem ziemlich langen Kanal den gemein- samen Orbital- und Gehirnknorpel und verläuft als platter, bandför- miger, ziemlich breiter Nerv an der unteren Innenseite der Orbita etwas schräg nach vorn außen. Schließlich spaltet er sich nach kur- zem Verlaufe in seine Endäste auf. Er teilt sich dort zunächst in etwa drei Hauptzweige, die auch unter sich wieder Anastomosen eingehen können. Der vorderste versorgt Knorpel und Bindegewebe, in der Hauptsache aber, wie auch die beiden folgenden Aste, einen breit ausgespannten, fächerförmigen Augenmuskel (Textfig. 8 Aug.MusJc.i), der mit einem schmalen Ursprung an der Innenseite der Orbita in- seriert und in die vordere, untere Partie des Bulbus flächenförmig ausstrahlt. Der Nerv, der in seinem ganzen Verlaufe in fasrigem Binde- gewebe unter dem »weißen Körper« verläuft, liegt also mit seinen Verzweigungen am weitesten nach innen, unten und außen von ihm der fächerförmige Muskel, dann Bindegewebe und Knorpel. Die ein- zelnen Äste des Nerven teilen sich bald wieder und dringen zwischen die einzelnen Muskelbündel ein, wo sie sich verHeren, der Nerv ist also ein reiner Oculomotorius, Äste an die Argentea habe ich von ihm aus nicht bemerken können. — Den Nerven begleitet ein Blutgefäß, das etwas vor ihm gelegen ist und sich zwischen seinen mittleren Ästen hindurch ebenfalls an den Muskel wendet. Für Argonauta argo konnte ich den Nervus oculomotorius ante- rior (Textfig. 1) als einen schönen, starken Nerven nachweisen, der an der Grenze zwischen Brachial- und Pedalganglion entspringt. Nach Durchbruch durch die Augenkapsel teilt er sich in mehrere starke Äste, die in dem fächerförmigen Muskel verschwinden, der fast genau so gestaltet ist wie bei Eledone. Bei Opisthoteuthis endlich finden sich zwei Nervi oculomotorii inferiores, ein anterior und ein posterior. Die Ursprungsstellen decken sich nur ungefähr mit denen bei den Octopodiden und Argonauta, die Nerven entspringen aber hier viel höher. Ihrem Verbreitungs- 496 AKred Pfefferkorn, gebiet nach dürften sie aber dem Nervus oculomotorius anterior iden- tisch sein. d. Nerven des Ganglion brachiale. 18. Nervi brachiales. Die Armnerven und überhaupt die Arme der Cephalopoden sind schon mehrfach der Gegenstand von Untersuchungen gewesen. Wir wollen hier im Zusammenhang noch einmal ihren Verlauf feststellen. Die Nervi brachiales (Tai XIII, Fig. 1, 2 n.hrach. 1,2, Z, i) ent- springen jederseits aus dem Vorderrand des Ganglion brachiale als vier kräftige, bandförmig gestaltete Stämme, die sofort die Knorpel- kapsel durchbrechen und nun in die Buccalhöhle gelangen. Sie ver- laufen dabei an der Innenwand der Pfeilermuskulatur, dem Sinus buccalis aufgelagert. Das erste Armnervenpaar wendet sich nach der Dorsal-, das vierte nach der Ventralseite, beide Paare sind ziemlich gleichartig gestaltet. Nach kurzem Verlaufe biegen sie im Bogen nach außen (Taf. XIII, Fig. 1), verbreitern sich dabei sehr und ziehen nun als plattgedrückte Bänder, den Konturen des Schlundkopfes folgend, konvergierend nach vorn bis in die Höhe der Mundöffnung. Beim Eintritt in die Armmuskulatur machen sie einen kleinen Knick nach außen und werden nun wieder schmäler. Das zweite und dritte Armnervenpaar sind ebenfalls plattgedrückt, sie verlaufen an der Seite des Schlundkopfes hin, doch besitzen sie vom Gehirn bis zum Eintritt in den Armkanal eine mehr konstante Stärke. Zwischen dem dritten und vierten Armnervenpaar ist ein etwas größerer Zwischenraum als gewöhnlich vorhanden, hier tritt nämlich die Arteria brachialis com- munis durch, die sich dann nach oben und unten in die vier Armarte- rien aufzweigt. Die Länge der Armnerven, bis zur Commissur gerechnet, nimmt vom ersten bis zum vierten kontinuierlich ab. An der Armbasis werden sämtliche Armnerven durch eine ziem- lich starke Ringcommissur (Commissura interbrachialis) in Verbin- dung gesetzt. .Jede Einzelcommissur geht mit einer Verbreiterung kontinuierlich in den Armnerven über, so daß derselbe an dieser Stelle eine etwa kreuzförmige Gestalt erhält, doch macht diese Verbreite- rung durchaus nicht den Eindruck eines Ganglions, wie es Hillig für Sepia beschreibt. Überdies hat Cheron bei der mikroskopischen Untersuchung dort auch keine Ganglienzellen gefunden. — Die Com- missura interbrachialis ist etwa halb so breit wie der Armnerv selbst, es gabelt sich aber sekundär von ihr wieder eine zweite, viel dünnere Nebencommissur ab, die also immer zwei Einzelcommissuren in Ver- Das Xervcnsysti'iii der Octojjodi-n. 497 biiulung setzt, indem sie innen vom Hauptnerv himvegzieht. Diese interessante Doppelcommissur hat schon Cuvier für Ortopus entdeckt. Wenn allerdings Brock (1880) 8. 229 behauptet, daü die ursprüng- liche C'ommissur sich als ein geschlossener Ring vollständig von den Armnerven losgelöst habe, mit denen sie nur noch durch bogenför- mige Schenkel zusammenhinge, so muß ich dem die verschiedene Stärke der Haupt- und Nebencommissur entgegenhalten. Während nämlich die »bogenförmigen Schenkel« fast mit ganzer Breite der Commissura interbrachialis in den Armnerv übergehen, besitzt der vom Nervus brachialis abgezweigte Teil der Commissur kaum ein Drittel derselben (Taf. XIII, Fig. 2). Diese Beobachtung, die Brock anscheinend nicht aufgefallen ist, würde meiner Ansicht nach eher dafür sprechen, daß die (von mir so genannte) Nebencommissur eine sekundäre Bildung ist, allerdings weist Brock, S. 229, Anm. 2, schon auf die Unhaltbarkeit seiner Behauptung hin, indem er sagt: »Den anatomischen Verhältnissen entspricht es allerdings besser, wenn man sagt, die Armnerven hängen durch einfache Commissuren zusammen, die vor jedem Nerven sich schleif enförmig verdoppeln, denn die bogen- förmigen Schenkel gehen im rechten AVinkel von den Armnerven ab und scheinen die eigentlichen Homologa der einfachen Decapodencom- missur zu sein.« — ■ Auch Brocks Behauptung, daß die Commissur zwischen den Armnerven bei allen untersuchten Decapoden einfach wäre, hat sich inzwischen als unrichtig erwiesen, denn nach neueren Untersuchungen (Richter) wurde auch für die Oegopsiden eine der- artige Doppelcommissur festgestellt, während sie bei den Myopsiden bisher noch nicht beschrieben worden ist. — Auf die Interbrachial- commissuren bei den übrigen Octopoden kommen wir im Laufe der Besprechung noch zurück. Nach Passieren der Commissura interbrachialis treten die Arm- nerven in Begleitung der Brachialarterien, die nun in einer Rinne an der Außenseite des Nerven hinziehen, in die Arme selbst ein und durchlaufen, von lockerem Bindegewebe umgeben und an Stärke kon- tinuierlich abnehmend, die Armmuskulatur in ihrer ganzen Länge. Durch ihre gelbliche Farbe heben sie sich bei Chromessigsäurepräpa- raten von dem weißlichen Bindegewebe und der grünen Muskulatur leicht ab. Man kann an ihnen äußerlich leicht zwei ganz verschiedene Partien unterscheiden, zunächst einen Strang von annähernd gleicher Stärke, der aus Längsfasern besteht, er ist etwas grünlich und liegt immer lateral, also an der den Saugnäpfen entgegengesetzten Seite. Das würden die Nervenfasern sein. Nicht mechanisch von dem 498 Alfred Pfefferkorn, Nerven zu trennen, aber deutlich sichtbar, zieht neben dem lateralen ein medialer Strang von mehr gelblicher Farbe hin, in dem man keine Faserzüge erkennen kann, er besitzt im Präparat mehr bröckelige Struktur; hier haben wir es mit Gangliensubstanz zu tun. Dieser Strang ist nun bei Eledone moscliata mit etwa ellipsenförmigen Gang- lien besetzt, die mit den Saugnäpfen korrespondieren, und von denen zahlreiche feine Nerven durch die Muskulatur nach den Saugnäpfen ziehen. Sie lassen sich aber mittels Präparation nicht weit verfolgen. — Während die Ganglien am hinteren Teile des Armes noch einen Zwischenraum zwischeneinander lassen, rücken sie, nach vorn zu immer kleiner werdend, dicht zusammen, analog dem dicht gedrängten Stande der Saugnäpfe. Ein Unterschied ergibt sich für Octopus vulgaris nur insofern, als hier die Saugnapfgangiien sich alternierend bald nach der einen, bald nach der andern Seite wenden, je nach der Lage der Saugnäpfe, die ja hier in zwei Keihen angeordnet sind. Die Ganglien haben die Form eines ellipsoidischen Segmentes und sind dem inneren Nerven- strang angefügt. Den Verlauf der Armnerven hat uns schon Cheron sehr schön beschrieben, außerdem finden wir bei Pelvet (1869) eine kurze Schil- derung. Ich könnte nur noch auf Jattas ausführlichere Beschreibung in seinem Nachlaß aufmerksam machen, an die ich mich aber nicht weiter gehalten habe. Die Armnerven von Argonauta argo (Textfig. 1) umgeben als platt- gedrückte, gleichstarke Stränge den Schlundkopf bis zur Armbasis und werden hier durch eine Doppelcommissur, die denselben Typus hat wie die der Octopodiden, in Verbindung gebracht. Sie ist aller- dings ziemlich dünn, van Beneden hat sie noch als ein einfaches Ver- bindungsband beschrieben und abgebildet. Diese fälschliche Angabe wurde aber* schon von Brock (1880) richtig gestellt. — Dagegen be- hauptet nun Brock (1879) wieder, daß bei Tremoctopus Carena {Ocy- thoe tuherculata) eine verhältnismäßig sehr starke, einfache Commissur existiere. Auch dies hat sich bei der genaueren Untersuchung als ein Irrtum erwiesen, denn ich fand bei dieser Form ebenfalls eine deutlich ausgeprägte Doppelcommissur, deren Verbindungsast aber ziemlich lang und dünn war. Desgleichen beobachtete ich bei Tremoctopus violaceus die gewöhnliche Doppelcommissur, so daß also bei den Philo- nexiden keine Abweichung von dem herrschenden Typus eintritt. Gleich vor der Armnervencommissur liegt das Ganglion für den ersten Saugnapf, und wir bemerken hier wieder die beiden Stränge Das XervL'iisystt'iu di-r OttoiHMU-ii. 499 des Nerven, die wir schon bei Eledone beobachtet haben; der laterale weißlich, längsgefasert, der mediale mehr gelblich ohne Faserstruktur mit dorn Ganglienbelag. Diese Struktur des Nervus brachial is hat VAX Beneden wohl gesehen, und sie hat ihn veranlaßt, zwei verschie- dene Armnerven zu unterscheiden, >>dont Tun forme des renflements ganglionaires de distance en distance, et dont l'autre est compose de f ihres cylindriques«. Das ist gar nicht so auffallend, da sich beide Schichten hier ziemlich leicht voneinander trennen lassen. Jedenfalls ist nicht anzunehmen, wie Brock meint, daß van Beneden ein Blut- gefäß für einen Nerven gehalten habe. — Die Saugnapfganglien sind halbe Ellipsen, sie neigen sich abwechselnd nach dem Saugnapf der einen oder andern Seite, wde dies bei van Beneden auf PI. 4 sehr schön dargestellt ist. Die Armnerven von Opisthoteuthis depressa weisen im allgemeinen keine tiefgreifenden Unterschiede im Verlauf und im Bau auf, so daß ich ganz auf die Beschreibung von Meyer hinweisen kann. Erwähnt sei nur. daß sich hier außer den größeren Saugnapfganglien auch noch kleinere für die Cirren finden, und daß die Kingcommissur die Form bei den übrigen Octopoden wiederholt. Daß die Commissura inter- brachialis auch für Cirroteuthis denselben Bautypus hat, wie Meyer schon ganz richtig vermutete, hat sich neuerdings herausgestellt. Da- mit ist aber der dritte Typus einer Armnervencommissur, wie ihn Brock, gestützt auf die Abbildung von Keinhardt und Prosch (Tab. V, Fig. 2) aufgestellt hat, hinfällig geworden. Zum Schluß möchte ich noch des eigenartigen Baues der Arm- nerven Erwähnung tun, den ich bei BoUtaena und Eledonella beob- achten konnte. Hier wird jeder Nervus brachialis durch ein ganz schmales Band von weißlicher Farbe repräsentiert, das an der Arm- basis in ein langgestrecktes Ganglion von braungelber Farbe anschwillt. Am proximalen Ende dieses Ganglions zweigt sich eine äußerst feine Doppelcommissur ab, die die beiden benachbarten Nerven in Verbin- dung setzt (Textfig. 9). Am distalen Ende desselben verschmälert sich aber der Armnerv zu einem weißlichen Bande von derselben Länge wie der des Ganglions, um dann wieder in eine spindelförmige Anschwellung überzugehen. So wechselt hier Ganglien- und Nerven- fasersubstanz miteinander ab, während sie bei Octopodiden und Philonexiden, wie wir ja oben gesehen haben, parallel nebeneinander herziehen. Aus den Anschwellungen entspringen zahlreiche feine Ner- venfasern für den Arm und die Saugnäpfe, jedem Saugnapfe entspricht auch hier ein Ganglion. 500 Alfred Pfefferkorn, Was schließlich die Armnervencommissuren anlangt, so hatte ich sie bei diesen Formen zunächst nur als eine einfache Verbindung wahrgenommen, die an und für sich schon sehr dünn war, bis mich Herr Professor Chun bei Bolitaena auf eine Doppelcommissur auf- merksam machte. Ich konnte mich dann auch von der Kichtigkeit dieser Beobachtung bei Eledonella überzeugen, wo ich eine äußerst feine und ziemlich lange Nebencommissur, die innen vom Armnerven Textfig. 9. Armnerv von Eledonella rjygmaea. Außenansicht. Vergr. etwa 4:1. verlief, bei weiterem Suchen entdeckte. — Damit haben wir aber diese Doppelcommissur für sämtliche Octopoden ohne Ausnahme festge- stellt, sie ist ein typischer, wenn auch nicht alleiniger Bestandteil der Octopodenorganisation, da sie ja, wie wir oben gesehen haben, auch den Oegopsiden zukommt. 19. NerTi antorbitales superiores. Diese Nerven (Taf. XIII, Fig. 1, 2 und Textfig. 3 nn.antorb.sup., Taf. XIV, Fig. 7) habe ich bei Eledone in fast allen Fällen in der Drei- zahl auf beiden Seiten gefunden. Sie kommen alle von einem gemein- samen Nervenstamm, der seinen Ursprung an der Basis des ersten Armnervenpaares kurz nach Austritt aus dem Ganglion brachiale hat, und zwar wurzelt er dort an der äußeren, oberen Seite des ersten Arm- nerven. Außer den Antorbitalnerven gibt der Stamm noch einen Das Nervensystem der Uetoi)oden. 501 oder mehrere starke Muskelnerven (Nervi musculares) ab, die sich in die dorsale Pfeilermuskulatur begeben und diese innervieren. Das erste Nervenpaar verläßt den Stamm am weitesten oben, durchbricht sofort den Kopfknorpel an der Stelle, wo die dorsale Pfeilermusku- latur ansetzt und zieht hierauf in einem feinen Kanal ziemlich senk- recht nach oben durch die letztere hindurch, um aus ihr gewöhnlich etwas medianwärts vom medialen Rande des Orbitalknorpels auszu- treten und dann auf den Orbitalknorpel selbst nach seitwärts über- zubiegen. Solange der Nerv im Muskelpfeiler verläuft, ist er sehr dünn, da er durch die feste Muskulatur an Ausdehnung gehindert wird, er läßt sich dort sehr schwer bis zum Ursprung verfolgen. Sowie er aber die Muskulatur verlassen hat, wird er sofort breiter und zieht also zwischen Orbita und Musculus nuchalis nach außen in der Rich- tung des vorderen Augenwinkels, .teilt sich dann gewöhnlich und ver- liert sich im Nuchalis und dem Bindegewebe zwischen ihm und der Augenkapsel. Dieser Antorbitalis ist also am weitesten nach hinten gelegen. — Als zweiter Ast entspringt aus dem oben erwähnten Ner- venstamm dann gewöhnlich ein starker Muskelnerv, der sich bald verzweigt und die dorsale Pfeilermuskulatur versorgt, hierauf am weitesten nach unten die beiden vorderen Paare der Antorbitales. Eigentümlicherweise wurzelt der eine oder andre sehr oft mit zwei Wurzeln im Stamm, die wieder den Knorpel durchbrechen und sich erst dann zu einem Nerven vereinigen. Das zweite Paar der Ant- orbitales superiores folgt schon mehr dem Zwischenraum zwischen Pfeil ermuskulatur und Augenkapsel, legt nur noch manchmal eine ganz kurze Strecke im Muskelpfeiler zurück und verläuft der Orbita an- liegend im Bindegewebe von unten innen hinten nach oben außen vorn, zieht dann noch lateralwärts umbiegend wieder nach außen und durch- bricht schließlich auch den Nuchalis, Zweige an ihn und das darauf- liegende subcutane Bindegewebe abgebend. — Das dritte Antorbi- talispaar endlich zieht auch wieder in der Nische zwischen Orbita und Kopfpfeiler nach vorn oben. Es sind äußerst feine Nerven, die auf dem vordersten Teil des Augenknorpels sich in querer Richtung nach außen begeben. Jeder Nerv teilt sich dann gewöhnlich schon am Innenrande der Orbita, so daß es dann den Anschein hat, als ob zwei vordere Antorbitales auf jeder Seite existierten, diese beiden Aste anastomosieren dann untereinander, splittern sich hierauf in feine Zweige auf dem vordersten Teile der Orbita auf und innervieren die Muskulatur, das Bindegewebe und die Haut. — Die Antorbitales superiores entspringen also auf beiden Seiten in gleicher Höhe, ihr Ver- 502 AHred Pfefferkorn, breitungsgebiet erstreckt sich über die vordere obere Hälfte der Aiigen- kapsel. Sie versorgen im wesentlichen den Niichalis, subcutanes Binde- gewebe und Haut, ließen sich aber nur selten bis direkt zum Lidrand verfolgen. Alle Antorbitales superiores haben nichts mit dem Augen- bulbus zu tun, sondern liegen extraorbital. Es sind feine, zarte Ner- ven, viel dünner als die Ophthalmici und von mehr rundlichem Quer- schnitt, in dem Bindegewebe verfilzt und daher oft nur schwer zu sehen. Sie sind bisher noch nie so weit verfolgt worden. Bei Octopus vulgaris habe ich nie mehr als zwei Paare derartiger Antorbitales superiores gefunden. Cheron beschreibt ganz kurz diese und die folgenden Nerven als >>Nerfs anterieurs de la tete et nerfs interbrachiaux«. Er hat sie nur bis in die Muskulatur verfolgt. Ebenso hat Meyer verschiedene derartige Nerven bei Opisthoteuthis beobachtet. Bei Ärgonauta (Textfig. 1) sah ich nur ein Paar Antorbitales su- periores, die am vorderen Eande der Augenkapsel als ganz dünne Stämmchen hinzogen und sich bis zum vorderen Augenwinkel ver- folgen ließen. 20. Nervus antorbitalis inferior. Man kann hier eigentlich nur von einem, allerdings typischen Antorbitahs inferior auf jeder Seite sprechen. Dieser Nerv (Taf. XIII, Fig. 2 n.antorb.inf.) entspringt an der Basis des dritten Armnerven, entweder am dritten Armnerven selbst oder zwischen Abgang des dritten und vierten. Er ist bei seinem Ursprung sehr breit und platt- gedrückt, zieht erst ein wenig nach vorn, dann durch den Gehirnknor- pel in einem Kanal nach außen und gelangt so in die ventrale Pfeiler- muskulatur. Hier teilt er sich in seine Äste auf. Zunächst entspringt am weitesten nach vorn und oben ein platter, schmaler Ast, er läuft an der unteren Außenseite der Augenkapsel in ihrem vorderen Teile hin, in dem filzigen Bindegewebe zwischen Orbita und ventraler Pfeilermuskulatur (also ganz entsprechend den Antorbitales superiores) und gelangt so an die untere Partie des Nuchalis. Hier teilt er sich in seine Endäste (die Verzweigung des Nerven macht ganz den Ein- druck der eines Gefäßes), und die zahlreichen Zweige treten nun an die Innenseite des Nuchalis heran und splittern sich dabei auf. Ein stärkerer Ast versorgt den vorderen Teil des unteren Augenlides, Mus- kulatur und subcutanes Bindegewebe, ein andrer die vordere untere Partie des Nuchalis. Die Nervenverbreitung ist also ganz analog der der Antorbitales superiores. Die mehr nach hinten zu gelegenen Das XervcnsystcMii (U-r Octopodcn. 503 Äste des Antorbitalis inferior sind wieder reine Mu.ski'läste (Rami musculares), sie versorgen, sich zahlreich verzweigend und unterein- ander anastoniosierend. die seitliche und ventrale Pfeilermuskulatur. Gewöhnlich sind es zwei dünne Zweige, die sich schwer weiter verfolgen lassen. Am besten präpariert man den Nerven von seinem Ursprung aus und schneidet vorsichtig dem Kanal folgend auf. Dieser Nervus antorbitalis inferior ist ein merkwürdig konstanter Nerv und zeigt Avenig Variationen. So finden wir ihn auch bei Argo- nauta (Textfig. 1) wieder, wo er zwischen dem dritten und vierten Armnerven entspringt, mehrere Muskeläste abgibt und dami als sehr dünner Nerv nach dem vorderen Teile des unteren Augenlides zieht. 21. Nervi interbracliiales. Als Nervi interbrachiales (Taf. XIII, Fig. 2 nn. interbrach.) be- schreibe ich nach dem Vorschlag Cherons zwei kleine Nerven auf jeder Seite, die sich bei Eledone fast konstant vorfinden. Am Ur- sprung des zweiten Armnerven findet man bei der Präparation ein feines Astchen, das den Knorpel durchbricht, sich in zwei Zweige teilt und sich in der seitlichen Pfeilernmskulatur verliert. Auch von der Basis der vierten Armnerven entspringt ein solcher Nerv nach vorn, der sich bald in zwei Äste teilt, hin und wieder sind es auch zwei getrennte Nervenästchen, die sich sehr schwer durch den Knorpel ver- folgen lassen. Auch sie sind reine Muskelnerven und verschwinden in der ventralen Pfeilermuskulatur. Derartige Interbrachiales habe ich bei Octopus nicht beobachtet, doch können sie mir bei der Schwierigkeit der Präparation und der geringen Größe des Materials leicht entgangen sein. e. Nerven des Ganglion buccale superius. 22. Nervi lal)iales. Die Lippennerven (Taf. XIII, Fig. 1, 2 und Textfig. 10 »m./a&.) entspringen dicht nebeneinander von der seitlichen Partie des vorderen Randes des Ganglion buccale superius. Sie durchbrechen sofort die Gehirnkapsel, an ihvnn Ursprung sind sie mit Knorpel und Binde- gewebe stark verfilzt und schwer herauszupiüparieren. Hierauf wen- den sie sich auf dem Gewebe des Buccalsinus nach vorn zu beiden Seiten des Oesophagus, der hier in den Pharynx übergeht, direkt der Innenseite der Pfeilermuskulatur angelagert. Bei Eledone sind ziem- lich konstant auf jeder Seite vier Lippennerven vorhanden. Der am w^eitesten median gelegene Nerv läuft über die vordere Speicheldrüse 504 Alfred Pfefferkorn, und den Schlundkopf nach vorn und verliert sich an der Ansatzstelle der Schlundkopf muskulatur am Schnabel. Gewöhnlich ist er noch nicht von den Armnerven überdeckt, höchstens im vorderen Teile. Es ist ein stärkerer Nerv, der sich schließlich in zwei Endäste spaltet, die Spaltung erfolgt manchmal schon kurz nach dem Austritt aus dem Gehirn. — Rechts schlängelt sich gewöhnlich noch ein feiner un- paarer Nerv direkt in der Mitte nach vorn; ich konnte ihn mehrere Male beobachten, sowohl als dünnen selbständigen Ast getrennt vom ersten Lippennerven, als auch aus derselben Wurzel kommend und sich sofort abzweigend. — Die feinen Endäste aller dieser Nerven ff/.bucc. -ff. buccsup. I Textfig. 10. Schlunclkopf mit Lippennerven von Eledone moschata von dorsal. Vergr. etwa 4:1. verlieren sich dann in dem Ringmuskelwulst am Kiefer und versorgen den oberen, mittleren Teil des Schlundkopfes. Nach auß«n von den eben beschriebenen Nerven folgen rechts und links je zwei ganz parallel nebeneinander verlaufende Labiales. Sie ziehen ebenfalls noch über die vorderen Speicheldrüsen hin, kreuzen das erste Armnervenpaar unter demselben und laufen dann schräg seitlich nach vorn, wo ihre Endästchen, deren jeder Nerv zwei bis drei besitzt, zwischen den Muskelbündeln, die den Schlundkopf an der Pfeilermuskulatur anheften, passieren und wieder in den Ringmuskel der Kiefer eindringend die seitlichen Partien des Schlundkopfes inner- vieren. Es sind dünne, rundliche, ziemlich gleichstarke Nerven, die Das XorvensystiMii der Octopoden. 505 eigentümlichenvoisc immer ]iaiallol ncbeneinandor herlaufen und unter den Labiales die sehwäehsten. Am stärksten ist immer der lateralste Lippennerv ausgeprägt, der vierte Labialis. Er kreuzt in seinem Verlaufe sowohl den ersten als auch den zweiten Armnerven, zieht schräg nach vorn außen und unten und versorgt schon den ventralen Teil des Schlundkopfes. Mit einer Verbreiterung setzt er am äußersten Rande des Buccalganglions an, direkt über dem Ursprünge des Buccalnerven und der Commissura buccalis superior inferior; als ein relativ breiter, plattgedrückter Nerv gabelt er sich dann an der rechten und linken Seite des Schlundkopfes auf. Er spaltet sich ungefähr in der Höhe des vorderen Randes der vorderen Speicheldrüsen, der rechte in zwei ziemlich gleichstarke Aste, von denen der obere wieder aufwärts steigt und sich in zwei bis drei Astchen aufsplittert, während der untere Ast nach vorn und median- wärts geht und, indem er sich ebenfalls in zwei bis drei Endäste auf- teilt, den ventralen Teil des Schlundkopfes versorgt. Auf der linken Seite ist die Verzweigung ähnlich, nur teilt sich hier der vierte Nerv gewöhnlich in drei Äste, indem vor der Spaltung des Nerven ein dün- nerer Ast noch nach vorn an die Seite des Schlundkopfes zieht. Die unteren Aste sind ebenfalls bis zu ihrer Aufzweigung ziemlich stark, sie treffen dann in der Medianlinie unten zusammen, so daß ein voll- ständig geschlossener Ring von Labialnerven um den Schlundkopf gebildet wird. Es ist also eine außerordentlich reiche Innervierung vorhanden. Die letzten Endverzweigungen aller dieser Lippennerven treten dann zwischen den Muskelbündeln hindurch, die den Schlundkopf an die Pfeilermuskulatur anheften. Sie verschwänden schließhch alle in gleicher Höhe in dem Ringmuskel des Schlundkopfes, der die Kiefer umgibt und auf diese Weise eine kreisförmige Lippe bildet. Daß diese Nervenästchen einen Plexus bilden sollen, wie Cheron angibt, konnte ich nicht bemerken, dagegen legen sich oft zwei Nervenfädchen im Endverlaufe ganz nahe aneinander, um dann wieder auseinander zu weichen. Die Zahl und die Verzweigung der Labiales ist immer etw^as va- riabel, doch sind es bei Eledone und Octopus gewiihnlich vier Paare. Bei einem Odopws-Exemplar fand ich je fünf Lippennerven, ihr Ver- lauf und ihre Verzweigung war im großen ganzen dieselbe wie bei Eledone. Auch Cheron beschreibt für Eledone vier Paare »Nerfs des levres«, während nach Jattas Nachlaß (publiziert in: Bauer, S. 177) bei Ele- Zeit3chrift f. wissensch. Zoologie. CXIV. Bd. 33 506 Alfred Pfefferkorn, done drei, bei Octopus vier Paare »Nervi labiali« sich finden sollen. Überhaupt hat uns Cheron schon eine ziemlich genaue Schilderung dieser Nerven gegeben, die im wesentlichen eingehender ist als die Jattas. Wir kommen hierauf auch bei der Besprechung des nächsten Nerven noch einmal zurück. Bei Argonauta argo fand ich auf jeder Seite vier bis fünf Nervi labiales (Textfig. 1) vom Ganglion buccale superius ausgehend, welche die kreisförmige Lippe innervieren. — Reinhardt und Frosch haben bei Cirroteuthis deren acht gezählt, Meyer beschreibt für Opistho- teuthis sechs bis acht sehr variabler Lippennerven. Die wenigsten besitzt anscheinend Eledonella, Chun hat am Gehirn dieser Form (Fig. 8) nur deren zwei im ganzen eingezeichnet. 23. Nervns mandibnlaris. Außer den Nervi labiales treten jederseits aus dem Ganglion buc- cale superius noch zwei Nervenstränge aus, einmal die Commissura buccalis superior inferior, die die Verbindung des Oberschlundgang- lions mit dem Unterschlundganglion vermittelt, und dann ein eigen- tümlicher und interessanter Nerv, der nach den bisherigen Untersu- chungen einzig und allein den Octopodiden als selbständiger Nerv zukommt, der Nervus mandibnlaris (Textfig. 11 n.mand.). — Es sei mir gestattet, zunächst einmal den Verlauf dieses Nerven festzustellen, wobei ich gleichzeitig auf die in enger Beziehung mit ihm stehende Commissura buccalis superior inferior eingehen muß. Die Verbindung des Ganglion buccale superius mit dem Ganglion buccale inferius wird hergestellt durch eine ziemlich kräftige Com- missur, die zunächst innig mit dem Mandibularnerven vereinigt ist. Beide Nervenstränge entspringen also am vorderen Rande des Ober- schlundganglions, seitlich vom Austritt des Oesophagus, und zwar medial die Commissur, lateral der Mandibnlaris. Über ihnen entsprin- gen die mittleren, sowie die verbreiterte Wurzel des vierten Lippen- nerven. Unter, ihnen läuft die etwas dünnere Arteria buccalis in gerader Richtung nach vorn. Sie durchbrechen die Gehirnkapsel, laufen zunächst zu beiden Seiten des Oesophagus hin und trennen sich dann. Da sie nun ziemlich lang sind, so müssen sie sich auf dem kur- zen Wege, der ihnen zur Verfügung steht, stark winden, ehe sie das Ganglion, bzw. den Schlundkopf erreichen. Die Commissurae buc- cales superiores inferiores jeder Seite umgreifen also den Oesophagus und erreichen das Unterschlundganglion in seinen hinteren, äußeren Ecken, der Nervus mandibnlaris aber, der die gleiche Stärke hat wie Das NervensystiMii t.]vr ()cto[)odc'n. 507 die Commissuren und von rundlichoni Querschnitt ist, zieht mehr nach außen und in die Tiefe und diinj^t im hinteren lateralen Teile des Pharynx in ihn ein, seitlich vom gemeinsamen Ausführungsgang der hinteren Speicheldrüsen. An der Eintrittsstelle in den Pharynx emp- fängt der Nervus mandibularis noch einen dünnen Ast vom Unter- schlundganglion her, der von dessen hinterer, äußerer Ecke mit der Commissur sich abzweigt und nach aul](Mi auf dem Pharynx zu ihm oes. nn.symp. -= — nn.gl.abd. d.gl.aöd. d.gl. bucc.iabgeschn.) n. max. an. phar. g. bucc. inF. n. brach. — r. comm. n.mandJn.bucc. Ch) ■ art. bucc. buccsup.inP - rxlab.i^ -g.öucc.sup. Tcxtfig. 11. Schlundkopf mit Unterschlundganglion und seinen Xervcn von Eledone moschata von dorsal. (Uer Oesophagus ist nach links zur Seite gezogen, die drei mittleren Lippennervenpaare sind weggenommen.) Vergr. etwa 5:1. hinläuft. Ich habe diesen Ast, da er den Mandibularnerven mit dem Unterschlundganglion in Verbindung setzt, als Ramus communicans bezeichnet. Kaum nachdem diese Vereinigung stattgefunden hat, verschwindet der Nervenstamm im Schlundkopf. Ein Bild der eben beschriebenen Verhältnisse gibt Textfig. 11. Bei der Orientierung über den weiteren Verlauf des Nervus man- dibularis, die uns auf ein bisher fast gar nicht erforschtes Gebiet führt, 33* 508 Alfred Pfefferkorn, wird uns die Textfig. 12 zu Hilfe kommen. Der Nerv tritt an der Ventralseite in den Pharynx ein, indem er die dünne Muskellage durchbricht, die über der Unterkieferdrüse (wie sie Wuelker nennt) liegt, und gibt dabei ein feines Astchen (Ramus muscularis) an diese Faserlage ab. Hierauf teilt sich der Nerv, der jetzt direkt auf der Submaxillardrüse (so wird sie von Hillig und Kichter bezeichnet) hinzieht, in zwei annähernd gleichstarke Äste, einen rückläufigen, der einen Bogen bildet, nach innen verläuft und sich an den Ausfüh- rungsgang der hinteren Speicheldrüsen anlegt, welchen er dann nach hinten begleitet. Dadurch erhält der hintere Speichelgang, der an und für sich gar nicht sehr breit ist, eine ziemliche Stärke, die Nerven allein machen etwa 2/3 seines Volumens aus. Sie ziehen mit ihm an seinen beiden Seiten direkt nach hinten durch das Gehirn durch. Später verzweigen sie sich auf seiner Oberfläche, gehen Anastomosen untereinander ein, umspinnen ihn in seinem ganzen Verlaufe bis zu seiner Teilungsstelle in die beiden Speicheldrüsengänge und folgen ihnen schließlich bis in den Hilus der Speicheldrüsen hinein. Hier lassen sie sich makroskopisch nicht weiter verfolgen. Die Nervi glandulae abdominalis, wie ich diese imnerhin recht ansehnlichen Nerven benennen will, heben sich makroskopisch so wenig von dem Ausführungsgang der hinteren Speicheldrüsen ab, daß eine Trennung derselben sich nur künstlich bewerkstelligen läßt. Infolgedessen hatte die Innervierung dieser wichtigen Drüsen bisher noch keine eindeutige Erklärung gefunden. Wuelker, der sich ein- gehend mit dem Bau der Speicheldrüsen bei den Cephalopoden be- faßt, läßt uns darüber im unklaren. Auch bei Hillig und Richter finden wir leider nichts über sie verzeichnet. Der einzige, der uns eine Lösung dieser Verhältnisse zu geben versucht hat, ist Krause, »Über Bau und Funktion der hinteren Speicheldrüsen der Octopoden« (1897). Er sagt auf S. 1089: »Die Nerven der hinteren Speicheldrüsen stammen aus dem Buccointestinalganglion (Ganglion buccale inferius), legen sich sehr, bald dem Speichelgang innig an, umflechten ihn und gelangen mit seinen beiden Zweigen in den Hilus der Drüsen.« Ob Krause den richtigen Ursprung dieser Nerven gefunden hat, geht aus seiner kurzen Beschreibung nicht hervor, immerhin fügen ja die sog. Rami communicantes dem Nervus mandibularis Fasern zu, die aus dem Ganglion buccale inferius stammen. Aber der eigentliche Speicheldrüsennerv trennt sich, wie wir oben gesehen haben, erst etwas später vom Mandibularnerven ab, und ob man diesen so starken Nerv, der also vom Ganglion buccale superius stammt, so ohne Das Xervi"nsy.sti'in cU-r ()cto])o(li'n. 509 weiteres ausschalten darf, nuicl\te ich nicht annehmen, zumal da aus dem späteren Verlauf des Mandibularis noch rückläufige Commissuren zum hinteren Speicheldrüsennerv ziehen, wie wir noch sehen werden. — Hier könnten nur physiologische Experimente (Reizung des Nervus mandibularis, des Ramus cominunicans und des vereinigten Nerven) zur klaren Erkenntnis führen. — Im übrigen aber glaube ich, den anatomischen Verlauf der Nerven der hinteren Speicheldrüsen bei den Octopoden hiermit festgestellt zu haben. Der eigentliche Nervus mandibularis zieht nun auf der Drüsen- Papd.gl.abd. Textfig. 12. Nervus mandibularis und Ganglion subradulare von Eledone moschata von dorsal. Scliematisch. (Man denke sich den ganzen darüber liegenden Tharynx weggenommen und nur die Submaxillar- drüse mit dem direkt daraufliegenden Speiehelgang erhalten. Der Ramus conmiunicans ist bei seinem Eintritt in das Unterschlundganglion abgeschnitten.) Vergr. etwa 4 : 1. Substanz weiter nach vorn, dabei konvergieren beide Nerven etwas nach vorn, er gibt aber schon nach ganz kurzem Verlaufe einen kleinen Verbindungsast, der konstant zu sein scheint, rückläufig an den Spei- chelgangnerven ab. Dann schwillt er zu dem bisher noch recht wenig bekannten Ganglion subradulare auf, so genannt nach dem Sub- radularorgan, dem ganzen unter der Radula gelegenen Organkomplex. Es ist das ein mit bloßem Auge deutlich sichtbares, etwa 2 mm langes Ganglion, unregelmäßig oval gestaltet und dorsoventral zusammen- gedrückt, das noch auf der Submaxillardrüse gelegen ist, und zwar kurz vor der Einniündungsstelle des Speicheldrüsenganges in seine 510 Alfred Pfefferkorn, papillenförmige Erweiterung, durch die er dann am Unterkiefer aus- mündet. Die mediale Seite des Ganglions ist etwas konvexer als die laterale, sie gibt einige sehr feine Astchen an das umliegende Gewebe der Drüse ab, darunter einen konstanten größeren, der schräg nach innen hinten verläuft, sich an den Speichelgang anlegt, ihn jedenfalls auch innerviert und ihm entlang nach hinten ziehend sich mit dem rückläufigen Nervus glandulae abdominalis vereinigt. An seiner vor- dersten Spitze gibt das Ganglion noch ein paar kleine Nervchen an die Papille ab, auch konnte ich einmal bei Eledone eine ganz deutliche, wenn auch sehr dünne Commissur wahrnehmen, die die beiden Gang- lien unter dem Speichelgang verband (Textfig. 12). Ob diese beiden Ganglia subradularia eine Innervation der Unter- kieferdrüse (Glandula submaxillaris) herbeiführen, ist bisher noch nicht festgestellt worden, doch liegt diese Vermutung nahe, zumal da ich auch Äste daraus direkt in die Drüsensubstanz verfolgen konnte. Man könnte die Ganglien also vielleicht besser als Ganglia submaxil- laria bezeichnen, doch bleibt ein endgültiges Resultat (eventuell von physiologischer Seite) noch abzuwarten. Pelseneer hat diese inter- essanten Ganglien zuerst für Sepia beschrieben (Recherches morpho- logiques et phylogenetiques sur les Mollusques archaiques, 1899, S. 56), anscheinend hat er sie auf Schnitten gefunden. Heinrich (Über den Schlundkopf einiger dibranchiater Cephalopoden, 1904) hat sie dann ebenfalls auf Schnitten von Octopus vulgaris beobachtet und gibt ihnen den Namen: Ganglion subradulare. Leider hat sie Hillig bei der Präparation von Sepia völlig übersehen, so daß wir über ihr äußeres Aussehen hier noch nicht orientiert sind. Bei den Oegopsiden sind sie bisher noch nicht entdeckt worden. — Dagegen scheinen sie ein konstanter Bestandteil des Octopodennervensystems zu sein, sie wurden neuerdings im hiesigen Institute sowohl für Argoyiauta argo als auch für Cirroteuthis nachgewiesen. Daß sie Meyer bei OpistJio- teuthis ihrer Kleinheit wegen leicht übersehen haben kann, scheint nicht verwunderlich. Betrachten wir nun noch einmal den Nerven in seiner gesamten Ausdehnung. — Wer nach einem ähnlich verlaufenden Nervus man- clibularis bei den übrigen Cephalopoden — - Decapoden wie Octopoden — suchen sollte, wird wenig Glück haben. Und doch handelt es sich anscheinend um keine Neubildung. Wir wollen auf diesen Punkt einmal etwas näher eingehen. Der erste, der diesen Nerven mit Sicherheit festgestellt hat, ist Cheron; er nennt ihn >>Nerf buccal<< und schildert ihn für Eledone Das Xorvrnsystoin der (Ktopodcn. 511 auf S. 23 und kürzer für üclopu^ auf 8. 38. Soiueu Hauptverlauf hat er richtig dargestellt, dagegen ist die Beschreibung über die Verzwei- gung desselben recht unklar. Nur sein »rameau superieur ou recur- rent« ist zweifellos mit unserni Ranuis coniinunicans identisch, der >wameau inferieur« bedeutet jedenfalls die Fortsetzung des Nervus niandibularis innerlialb des Pharynx, über die wir aber bei ihm mir weniges erfahren, >)le rameau moyen<< habe ich nicht gesehen. — Auch Jatta kennt die Nervi mandibulares bei Octopus vulgaris, beschreibt sie aber fälschlich als »zwei weitere Lippennerven << (Nachlaß S. 26, Bauer S. 177). Diesen Nerven finden wir also nur bei Eledone und Octopus, und zwar sind sie bei beiden Formen vollkommen gleichartig gestaltet. Bei Anjonauta argo dagegen habe ich einen gesonderten Nervus buc- calis nicht finden können, auch van Beneden beschreibt keinen sol- chen. Desgleichen fehlt er Cirroteuthis und Opisthoteuthis. (Das, was Meyer als Nervus buccalis hervorhebt, ist natürlich, wie aus seiner Beschreibung schon hervorgeht, die Commissura buccalis su- perior inferior.) — Hier haben wir also überall einen ähnlichen Bau- typ wie bei den Decapoden. Wie erklärt sich nun dieser fremdartige Nerv bei den beiden oben beschriebenen Formen? Ich muß zu diesem Zwecke auf das verweisen, was Hillig auf S. 754 sagt, und was auch vorher schon Cheron für Sepia festgestellt hat: »Sie (die Commissura buccalis superior inferior) strahlt auch nur zum Teil ins Ganglion (= Ganglion buccale inferius) aus, zum Teil verläuft sie am Außenrande unter der Nervenscheide, die das Ganglion umhüllt, nach vorn und hilft die an den vorderen Ecken austretenden Nervi mandibulares niitbilden. « Also ,der Nervus buc- calis trennt sich von der Commissur schon bei Eintritt ins Unter- schlundganglion, ist also eigentlich kein eigener Nerv des Ganglion buccale inferius. Denken wir uns diese Trennung nun noch früher eintreten, wie bei Eledone und Octopus, und führen wir uns noch einmal vor Augen, wie innig Nerv und Commissur hier an ihrem Ursprung vereinigt waren (Textfig. 11), so verliert dieser Nerv viel von seiner Fremdartigkeit. Dazu kommt, da 1.5 ich bei Ortopus und Eledone keinen Nervus niandibularis vom Ganglion buccale inferius entspringend entdecken konnte, während er bisher sowohl für die Oegopsiden wie Myopsiden und neuerdings sogar für Cirroteuthis nach- gewiesen wurde. Diese hier fehlende Verbindung mit dem Unter- schlundganglion würde dann durch den Ramus communicans ersetzt werden. In seinem weiteren Verlaufe entspricht aber unser Nervus 512 AKred Pfefferkorn, mandibiilaris vollkommen dem von Hillig und Richter, so daß auch der Name Nervus mandibularis hier gerechtfertigt erscheint. Viel- leicht könnte Cherons alter Name »Nervus buccalis<< für den ersten Teil des Nerven bis zur Einmündung des E.amus communicans bei- behalten werden, doch wollte ich die Sache nicht unnötig kompli- zieren. f. Das Ganglion buccale inferius und seine Nerven. Das Ganglion buccale inferius (Textfig. 11 g.huccinf.), das wir jetzt noch gesondert von den eigentlichen Hirnganglien zu betrachten haben, liegt bei den Octopodiden im Gegensatz zu dem der Decapoden auf dem Schlundkopf, und zwar in der Nische, die dieser mit dem etwa in seiner Mitte von oben austretenden Oesophagus bildet. Das muß hier ganz besonders betont werden, weil seine Lage bei Wuelker (Taf. V, Fig. 51. Schematischer Längsschnitt durch den Schlundkopf von Polypus) topographisch nicht ganz einwandfrei wiedergegeben ist. Nach seiner Zeichnung muß man annehmen, es läge wie bei Se- pia auf der Unterseite des Schlundkopfes, ein Verhalten, daß ich in keinem einzigen Falle bestätigt finden konnte. Ich möchte das nur nebenbei bemerken, da es eventuell bei physiologischen Versuchen von Bedeutung sein könnte. Übrigens hat es auch schon Heinrich auf Taf. II, Fig. 13 richtig eingezeichnet. — Das Ganglion liegt also in der Hauptsache unter dem Oesophagus an seiner Eintrittsstelle in den Pharynx, in einer flachen Grube desselben. Seine Seitenteile werden nebst dem vorderen Teile der Commissura buccalis superior inferior und des Nervus mandibularis von den vorderen Speicheldrüsen über- deckt. Es ist ebenso wie die Nerven, die in das Ganglion eintreten, von verfilzten! Bindegewebe eingeschlossen, das jedenfalls die Wan- dungen des hier gelegenen Venensinus darstellt, und daher ziemlich schwer freizulegen. Das Ganglion selbst hat bei Eledone etwa die Gestalt eines gleichseitigen Dreiecks, die beiden Seiten sind etwas konvex ausgebuchtet, die Basis konkav eingebuchtet. Diese Ein- buchtung ist die einzige Stelle, die die Doppelnatur des Ganglions noch zum Ausdruck bringt. Seine Größe ist im Verhältnis zu der des Gehirns ziemlich bedeutend, sein Längs- und Querdurchmesser mißt je 2 mm (das Ganglion buccale superius hat etwa 3 mm Breite). Die Entfernung des unteren Schlundganglions vom Gehirn beträgt höch- stens 2 1/2 inm, da ja der hintere Teil des Schlundkopfes fast an die Gehirnkapsel heranrückt. Es ist scheibenförmig gestaltet, dorsoven- tral abgeplattet und zeigt auf der Oberseite eine sanfte Wölbung. Das Nervensystem cUr üctopoden. 513 Ähnlich gestaltet, aber immer ein wenig abweichend in der Form ist das Unterschlundganglion von Octopu^, nur besitzt es gewöhnlich eine etwas größere Einbuchtung an seinem Hinterrande, so daß hier die Doppelnatur des Ganglions bei weitem deutlicher zum Ausdruck kommt. Cherons Beschreibung und Zeich ming des Unterschlundganglions (PI. I, Fig. 3), das er »Ganglion sous-pharyngien« nennt, und seiner Nerven ist leider so unklar, daß sich jemand, der sich danach orien- tieren wollte, wohl kaum eine richtige Vorstellung von ihm machen könnte. — Bauer beschreibt es auf S. 179 ganz kurz als erstes Ein- geweideganglion = Ganglion infrabuccale. Auch bei Anjonauta argo liegt das Ganglion buccale inferius in der Nische zwischen Oesophagus und Pharynx, direkt unter dem Ganglion buccale superius, mit dem es durch zwei starke, ganz kurze Commissuren verbunden ist. Es ist etwa rechteckig gestaltet und gibt an seinem hinteren Rande den Nervus sympathicus ab. Eine Andeutung einer Zweiteilung des Ganglions habe ich nicht bemerkt, auch VAN Beneden erwähnt nichts darüber. Dagegen ist nun sehr interessant, daß sowohl bei Opisthoteuthis wie auch bei Cirroteuthis die beiden Hälften des Ganglions ganz aus- einandergerückt sind, »so daß wir«, wie Meyer sich ausdrückt, »von einem rechten und einem linken Unterschlundganglion reden dürfen«. Für Cirroteuthis haben dies schon Reinhardt und Prosch beschrie- ben und abgebildet (Tab. V, Fig. 2), und ihre Angaben haben sich neuerdings auch als richtig erwiesen. Diese beiden Ganglien sind bei Opisthoteuthis durch eine Commissur miteinander verbunden, welche sich auch bei Cirroteuthis wiederfindet. — In der ganzen Decapoden- literatur ist mir kein derartiger Fall von der Existenz zweier Unter- schlundganglien bekannt geworden. Schließlich sei noch erwähnt, daß ich auch bei Eledonella die Tren- nung des Ganglion buccale inferius sehr weit fortgeschritten fand. Etwa die Hälfte des ganzen Ganglions war hier schon zweigeteilt. Der Commissuren, welche Ober- und Unterschlundganglion ver- binden, hatten wir schon bei der Besprechung des Nervus mandibu- laris gedacht. Doch möchte ich an dieser Stelle noch ergänzend auf die verschiedene Länge derselben aufmerksam machen, wie sie sich bei den einzelnen Gruppeii der Octopoden vorfindet. — Chun weist auf die auffällig lange Commissura buccalis superior inferior bei den Bolitaeniden hin, auch bei den Octopodiden ist die Länge derselben 514 Alfred Pfefferkorn, immerhin noch recht beträchtlich zu nennen. Viel kürzer ist sie schon bei Argonauta argo, um dann bei den Cirroteuthiden vielleicht den höchsten Grad der Verkürzung zu erreichen. So haben wir auch hier eine kontinuierliche Reihe vor uns. 24. Die NerTen des Ganglion buccale inferius. Wir haben jetzt noch der Nerven Erwähnung zu tun, welche vom Ganglion buccale inferius entspringen (Textfig. 11). An der konvexen Seite, etwa in der Mitte, verläßt das Unterschlundganglion je ein im Anfang relativ breiter, flachgedrückter Nerv, der speziell die vordere Buccalmasse, d. h. die Maxillen versorgt. Ich will ihn als Nervus maxillaris bezeichnen. Der Nerv geht zunächst etwas schräg nach außen, überquert die Buccalarterie, die hier nach vorn in der Richtung nach den Lippen verstreicht und gibt bei seinem Aus- tritt oder kurz danach Äste an die Muskulatur ab. Er läuft dann, parallel und außen von der Buccalarterie auf der Oberseite des Schlund- kopfes nach vorn und splittert sich etwa in der Höhe des Eintritts des Oesophagus in die Buccalmasse meist etwas davor in zwei bis drei feine Äste auf, die in die Muskulatur eindringen und die »Oberkiefer- wülste« innervieren. Der mediane dieser Äste wendet sich mehr nach innen und zieht wieder über die Arterie hinweg, so daß diese in einer Gabelung der Nervenäste verläuft, der zweite und, wenn vorhanden, auch der dritte wenden sich mehr nach außen. Das ist ein durchaus typisches Verhalten. Statt des einen Nerven habe ich, namentlich bei Octopus, auch zwei beobachtet, die vom Außenrande des Gan- glions entspringen; doch verschwindet der zweite, der vor dem Haupt- nerven liegt, bald in der Muskulatur. Der hintere Teil des Nervus maxillaris ist noch von den vorderen Speicheldrüsen bedeckt, er ist mitunter mit der Buccalarterie, die sich an der Lippe aufzweigt und in der Höhe des Ausführungsganges der vorderen Speicheldrüsen einen Ast an diese abgibt, verwachsen. Vom vorderen Rande des Ganglions gehen mehrere feine Nerven ab, meist vier bis fünf, die sich nach dem Winkel w^enden, den der Oesophagus bei seinem Eintritt in den Schlundkopf mit diesem bildet. Immer sind sie aber etwas variabel. Sie dringen nach ganz kurzem Verlaufe sowohl in den Endabschnitt des Oesophagus als auch in den Pharynx ein und verzweigen sich auch, Anastomosen unterein- ander bildend, im Gewebe dieser Organe. Teils entspringen sie direkt vom Rande, teils noch von der Oberseite des Ganglions, die beiden äußeren sind gewöhnlich etwas stärker, die inneren schwächer, doch Das Xoivensystoiii clor Octopodcn. 515 werde» sie bald so fein, daß sie nicht weiter verfolgt werden können. Wahrscheinlich werden durch diese Nerven auch die vorderen Spei- cheldrüsen versorgt, ich habe einige bis in die Nähe des Ausführungs- ganges verfolgt und vermute, daß sie an diesen herangingen, konnte es aber nicht mit Sicherheit feststellen. Übrigens beschreibt auch Cherox auf S. 33 einen Nerven der vorderen Speicheldrüsen, der von ahnlicher Stelle ausgehen soll, als »une brauche plus volumineuse, cjui se rend a la glande salivaire, dans laquelle eile se perd<<. Daß Nerven an diesem Ausführungsgang ver- laufen, hat außerdem auch Joubin nachgewiesen (Recherches sur la morphologie des glandes salivaires, 1887), er spricht S. 8 von einem »pedoncle<< der vorderen Speicheldrüsen, >>qui contient le canal excre- teur, les vaisseaux et les nerfs, et un peu de tissu conjonctif «. Es läßt sich nun kaum ein andrer Ort als das Unterschlundganglion denken, von dem aus die Innervation der vorderen Speicheldrüsen noch er- folgen sollte. Hillig will sie für Sefia von der Unterseite des Gang- lion buccale inferius ausgehend gefunden haben. Das Unterschlundganglion ist an seiner Unterseite durch ein bis zwei kleinere, aber stärkere Nerven festgeheftet, die vom vorderen Winkel des Ganglions abgehen. Sie wenden sich dann aber nach hin- ten und scheinen die Muskulatur des hinteren Teiles des Schlund- kopfes zu innervieren. — Ich will daher alle zuletzt genannten Nerven mit dem Namen Nervi pharyngei bezeichnen, da sie mehr oder weniger doch mit dem Pharynx in Zusammenhang stehen. Von der Oberseite des Unterschlundganglions entspringen endlich noch die Nervi sympathici auf beiden Seiten des Ganglions vom hinteren, lateralen Rande abgehend, oft auch asymmetrisch, der eine etwas weiter vorn, der andre etwas weiter hinten. Sie steigen etwas nach oben und legen sich dann auf der rechten und linken Seite an den Oesophagus an, verwachsen mit seiner A\'andung und ziehen nach hinten. Es sind gut sichtbare, rundliche Nerven. Bei Octopus verlassen sie das Ganglion nicht von der Oberseite wie bei Eledone, sondern von seinem Hinterrande aus. Dasselbe ist auch bei Argonauta der Fall. Bei Opisthoteutkis entspringen sie an der Innenseite der beiden Ganglien. 25. Der Nervus sympathicus und das Ganglion gastricum. Die beiden sympathischen Nerven, deren Ursprung wir soeben festgestellt haben, laufen an der Wandung der Speiser()hre nach hinten, ziehen mit ihr durch das Gehirn und behalten bis kurz vor den Kropf 516 Alfred Pfefferkorn, ihre Stärke bei. In geringer Entfernung vor demselben fand ich eine längere Anastomose zwischen ihnen, die mir regelmäßig vorhanden zu sein scheint. Von dieser Stelle an lassen sich die Nerven nicht weiter verfolgen. Sie zweigen sich jedenfalls auf der Dorsalseite des Kropfes in feine Ästchen auf und führen so eine Innervierung desselben herbei. Erst am Ende des Kropfes erscheint der Sympathicus an der rechten Seite des Oesophagus wieder, um in dessen Serosa weiter nach hinten zu ziehen und in das Magenganglion einzudringen. Bei einem besonders schön konservierten Exemplar habe ich den rechten Sympathicus schräg über den Kropf hinwegziehend in seiner ganzen Länge verfolgt. Er setzte sich also hier direkt bis zum Magenganglion fort, während der linke Nerv sich, nachdem er mit dem rechten anastomosiert hatte, auf dem Kröpfe aufzuzweigen schien. Vielleicht ist das das tatsächliche Verhalten. Jedenfalls habe ich hinter dem Kropf sowohl bei Eledone als auch bei Octopus stets nur einen Sympathicus gesehen, der die Verbindung mit dem Magengang- lion herstellt, ein Verhalten, das übrigens auch Cheron für Eledone und VAN Beneden für Argonauta festgestellt hat. Ob in dem »Ligament«, das eine Verbindung zwischen Aorta cephalica und Kropf vermittelt (vgl. Grimpe, S. 599), Nervenzweige des Sympathicus auf die Aorta übergehen, konnte ich makroskopisch nicht entscheiden, doch hat neuerdings Herr Dr. Grimpe auf Quer- schnitten durch dieses Ligament Nerven nachgewiesen, so daß eine Innervierung der Kopfaorta vom Sympathicus aus als sehr wahr- scheinlich gelten muß. Das Magenganglion == Ganglion gastricum (Textfig. l^g.gastr.) ist ein etwa 21/.2 mm langes Ganglion, dessen Gestalt man am besten als birnförmig bezeichnet. Es ist an seiner Oberfläche ziemhch ge- wölbt und entläßt von den drei abgerundeten Ecken eine große An- zahl Nerven. Dieses Ganglion liegt in der Nische zwischen Magen, Rectum und Spiralcoecum dem Rectum aufgelagert. Man präpariert es am besten von dorsal, indem man die Leberkapsel entlang dem Kropf und dem Oesophagus bis zum Magen aufschneidet, und dann den letzteren, der zunächst Rectum und Spiralcoecum bedeckt, nach außen klappt. Man trifft dann in diesem Winkel auf ein Knötchen, das zunächst von Bindegewebe noch bedeckt wird, und sieht auch die abgehenden Nerven durchschimmern. So soll es auch betrachtet werden, wir haben es zugleich in der richtigen Lage, die umgeklappte Magenseite ist demnach die ventrale. Das Ganglion liegt also ventral vom Hauptmagen. Das Nervensystem der Oetopoden. 517 Zunächst fällt eine giüißere Anzahl stärkerer Nerven auf, die von der rechten hinteren Ecke entspringen und das Spiralcoecum inner- vieren. 8ie münden strahlenförmig auf der Dorsalseite des Spiral- magens, verzweigen sich zum Teil und dringen in die Wandung des Spiralcoecums ein. AVir wollen sie als Nervi stomachi coeci be- zeichnen. Ich konnte mit leichter Mühe ein halbes Dutzend und mehr zählen. Von derselben Stelle entspringen auch die Nerven, die an den rechten Lebergang (Gallengang) herangehen, die Nervi ductus hepatis. Es sind etwa drei stärkere Nerven, die sich auf allen Seiten des Gallenganges verzweigen und auch untereinander anastomosierend sfom. / nn.sl-om.coec. fom. coeCy Textfig. 13. Magenganglion von Eledone moschata von dorsal. (Der Hauptmagen ist nach außen geklappt, so daß man auf seine Ventralseite blickt.) Vergr. etwa 3V2:1. mit ihm in die Leber eindringen. Gleichzeitig wird von hier aus auch der linke Gallengang versorgt, indem ein Zweig um den rechten sich herumschlingt und dann seinem Laufe folgt {n.d.hep.sin. auf Textfig. 13). Doch geht der Hauptast zwischen rechtem Gallengang und Eectum in die Tiefe und verzweigt sich dann reich in der Wand des linken Gallenganges. — Von dem rechten, vorderen Winkel des Ganglion gehen die Nerven aus, die das Rectum versorgen, die Nervi rec- tales, ich bemerkte entweder zwei stärkere oder einen stärkeren und mehrere schwächere. Sie legen sich innig der Serosa des Rectums an und verschwinden bald in seiner dorsalen Wandung. — Was nun 518 Alfred Pfefferkorn, die Innervierung des Magens selbst anlangt, so fand ich typisch fol- gende Verhältnisse vor: die Mageninnervierung erfolgt von der linken Ecke des Ganglions aus, dort, wo der Sympathicus austritt. Und zwar gehen mehrere Aste, darunter ein stärkerer, nahe dem vorderen Rande des Magens hin und innervieren den ventralen Teil dieses Be- zirkes. Der stärkere Ast biegt sogar auf das Dorsum um und versorgt vielleicht dieses mit, auf jeden Fall aber den lateralen Rand des Ma- gens. Ein zweiter stärkerer Nervus stomachi läuft am medialen Rande des Magens entlang, auch er geht auf das Dorsum über, indem er sich in zwei Äste teilt. Das ist eine ganz typische Verzweigung, die ich immer wiederkehrend gefunden habe. In demselben Winkel mündet noch der Sympathicus, er dürfte wohl der stärkste Nerv des ganzen Ganglions sein. Er zieht schräg über die Ventralseite des Ma- gens nach dem Oesophagus, wo er an dessen linkem (von dorsal gesehen: rechtem) Rande nach vorn steigt. Über seinen weiteren Verlauf ist schon oben berichtet worden. Das Magenganglion von Octopus weist gegenüber dem von Ele- done keine besonderen Unterschiede auf. — Eine Commissur desselben mit dem Visceralsystem konnte ich bei keiner Form entdecken, ist für die Octopoden bisher auch noch nicht beschrieben worden. Trotzdem das Ganglion gastricum nicht allzuleicht zu präparieren ist, haben die früheren Autoren seiner Untersuchung eine besondere Sorgfalt gewidmet, und Cherons Fertigkeit der Präparation muß hier rühmend hervorgehoben werden. Ebenso erstaunlich ist die Leistung VAN Benedens, der uns eine ausgezeichnete Beschreibung und eine treffliche Zeichnung für das Magenganglion von Argonauta gibt. Da letzteres sehr große Ähnlichkeit mit dem von Octopus und Eledone besitzt, kann ich hier ganz auf diesen Autor verweisen. Meyer beschreibt das Magenganglion von Opisthoteuthis unter dem Namen Ganglion splanchnicum. Zusammenfassung. Das Centralnervensystem der Octopodiden {Eledone moschata und Octopus vulgaris) setzt sich aus folgenden Ganglien zusammen: Ganglion cerebrale, G. viscerale, G. pedale, G. brachiale, G. buccale superius, dazu das G. buccale inferius. Diese Ganglien sind äußerlich sichtbar durch folgende Commis- suren verbunden: Commissura lateralis posterior, C. lateralis anterior, C. ganghi brachialis und C. buccalis superior inferior. Das Nnvonsysteni der üctopotlcn. 519 In das periphere Nervensystem sind folgende ganglionären Bil- dungen eingeschaltet: Ganglion opticum, G. pedunculi, G. ophthahnicum superius, G. stellatuni, G. cardiacum, G. cardiobranchiale, GG. branchialia, G. infundibuli, G. ophthahnicum inferius, G. subradnlare, G. gastricum. Als Verlauf und Verbreitungsgebiet der aus dem Gehirn entsprin- genden peripheren Nerven wurde nach den anatomischen Befunden festgestellt : I. Vom Ganglion cerebrale aus: 1. Nervus op'ticus: Retina. 2. Nervus olfactorius: Geruchsorgan. 3. Nervus ophthalmicus superior posterior: Iris, hintere Partie der Muskelhaut, dorsale Augenkapsel, hintere Nu- chalispartie, Ringmuskel des Auges, Haut, subcutanes Bindegewebe der hinteren, oberen Hälfte des Auges. 4. Nervus ophthalmicus superior medius: Muskelhaut, ev. auch Argentea externa des oberen Teiles des Augenbul- bus. 5. Nervus ophthalmicus superior anterior: vordere Partie der Muskelhaut, ev. auch Argentea externa des oberen Teiles des Augenbulbus. II. Vom Ganglion viscerale aus: 1. Nervus oculomotorius posterior: hinterer, ventraler Au- genmuskel. 2. Nervus capsulae hepaticae anterior: vorderer Bereich der muskulösen Leberkapsel. 3. Nervus capsulae hepaticae posterior: hinterer, oberer Be- reich der muskulösen Leberkapsel. 4. Nervus pallialis: muskulöse Leberkapsel, Musculus ad- ductor pallii lateralis, Mantel. 5. Nervus collaris: Musculus collaris. 6. Nervus visceralis: Vena cava, hintere Partie des Mus- culus adductor pallii medianus, Musculus depressor in- fundibuli, Endabschnitt dos Rectum, Tintenbeutel, Dia- phragma musculare, Harnsack, Herz, Ausführungsgang der Geschlechtsorgane, Kiemenherz, Nephridialanhänge (?), Kieme. 7. Nervus infundibuli posterior: hinteres Trichterdrittel, in- neres Blatt des Collaris, Trichterschließapparat. 520 Alfred Pfefferkorn, 8. Nervus venae cavae posterior: (nur bei Eledone) Vena Cava. 9. Nervus venae cavae anterior: Vena cava. III. Vom Ganglion pedale aus: 1. Nervus staticus: Macula und Crista statica. 2. Nervus infundibuli anterior: die beiden vorderen Trich- terdrittel, Musculus adductor infundibuli medialis, Mus- culus adductor infundibuli lateralis. 3. Nervus musculi adduetoris pallii mediani: vordere Partie des Musculus adductor pallii medianus. 4. Nervus ophthalmicus inferior: ventrale Augenkapsel, hin- tere, untere Hälfte des Augenlides, ventraler schmaler ' Augenmuskel. 5. Nervus oculomotorius anterior: vorderer, ventraler fä- cherförmiger Augenmuskel, IV. Vom Ganglion brachiale aus: 1. Nervi brachiales: Arme und Saugnäpfe. 2. Nervi antorbitales superiores: dorsale Pfeilermuskulatur, vordere, obere Hälfte des Augenlides (Bindegewebe, Haut), vordere Nuchalispartie. 3. Nervus antorbitalis inferior: vordere Hälfte des unteren Augenlides, ventrale Pfeilermuskulatur. 4. Nervi interbrachiales: seitliche und ventrale Pfeilermus- kulatur. V. Vom Ganglion buccale superius aus: 1. Nervi labiales: Kingmuskelwulst um die Kiefer (Lippen). 2. Nervus mandibularis : hintere Speicheldrüsen, ev. Sub- maxillardrüse, Unterkiefermuskulatur. VI. Vom Ganglion buccale inferius aus: 1. Nervus maxillaris: Oberkiefermuskulatur. 2. Nervi pharyngei: Endabschnitt des Oesophagus, hintere Pharynxmuskulatur, ev. vordere Speicheldrüsen. 3. Nervus sympathicus: Oesophagus, Kropf, ev. Aorta ce- phalica. Das Ganglion gastricum gibt Nerven an die Leber- gänge, Hauptmagen, Spiralmagen und Kectum ab. Schlußbetrachtung. Überblicken wir zum Schluß noch einmal unsre Resultate über den Bau des Nervensystems der Octopoden, so erscheint mir von Wich- I Das NoivoiisystL-m der Octopodrn. 521 tigkeit, nochmals auf die verschiedenartige Konzentration der Gehirn- ganglien bei den einzelnen Familien aufmerksam zu machen. Wählen wir den Grad der Konzentration als Kriterium, so finden wir, daß in bezug auf die Unterschlundmasse die Bolitaeniden sich am meisten den Decapoden, speziell den Myopsiden nähern, da sie noch ein vom Pedale deutlich abgesetztes Ganglion brachiale besitzen. Es folgen die Octopodiden, bei denen äußerlich keine Trennung dieser beiden Ganglien mehr wahrzunehmen ist, schließlich die Philonexiden, bei denen der Grad der Konzentration vielleicht den Höhepunkt erreicht hat. Höchstens Opisthoteuthis dürfte sie hierin noch überbieten, wenn auch mir \un weniges, während Cirroteuthis auf etwa gleicher Stufe mit ihnen steht. — Betrachten wir die Oberschlundmasse, so bemerken wir ein auffälliges Abnehmen der Breite derselben von den Bolitae- niden über die Octopodiden nach den Philonexiden zu und im Zu- sannnenhang damit ein Anwachsen der Länge der Seitencommissuren, die z. B. bei Ärgonauia ganz gewaltig entwickelt sind. Außerdem haben wir bei den Bolitaeniden und Octopodiden noch ein vom Cere- bralganglion deutlich abgeschnürtes Ganglion buccale superius, während bei den Philonexiden auch hierin die Konzentration wieder gewachsen ist, indem oberes Buccalganglion und Lobus frontalis supe- rior miteinander verschmelzen. In diesem Punkte lassen sich Cirro- teuthis und Opisthoteuthis unserer Reihe nicht angliedern, da beide Formen wieder viel kürzere Seitencommissuren besitzen, fernerhin findet sich bei Cirroteuthis ein vom Cerebrale deutlich abgegrenztes Ganglion buccale superius. was jedenfalls auch bei Opisthoteuthis der Fall ist. — Fernerhin wollen wir der allmählichen Verkürzung der Commissurae buccales superiores inferiores gedenken, die wieder ty- pisch die Reihe Bolitaenidae — Octopodidae — Philonexidae einhält, um aber auch hier bei den Cirroteuthiden den höchsten Grad der Ver- kürzung zu erreichen. — Schließlich haben wir auch am Ganglion buccale inferius eine eigentümliche Gesetzmäßigkeit, die unsere Reihe unterstützt, indem nämlich bei Eledonella noch die Hälfte des Gan- glions zweigeteilt ist, bei Eledone und Octopus eine leichte Ausbuchtung noch die Doppelnatur des Ganglions angibt, während bei Argonauta die Verschmelzung der beiden Ganglien so weit fortgeschritten ist, daß ich keine Andeutung einer Zweiteilung mehr finden konnte. Da- gegen ist nun wieder von Interesse, daß bei Cirroteuthis und Opistho- teuthis zwei vollständig setrennte, nur durch eine Commissur verbun- dene Unterschlundganglien sich vorfinden, ein Fall, der, soviel mir bekannt ist, ganz einzigartig bei den Dibranchiaten dasteht. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CXIV. Bd. 34 522 Alfred Pfefferkorn, Ziehen wir nun das Fazit aus diesen Beobachtungen, so dürfte die schöne, vollkommen gesetzmäßige Steigerung der Gehirnkonzen- tration bei den drei zuerst besprochenen Octopodenfamilien den Ge- danken aufdrängen, daß wir es hier mit einer Entwicklungsreihe zu tun haben, an deren einem Ende die Bolitaeniden stehen, deren andres Ende die Philonexiden einnehmen, während die Octopodiden die Mitte bilden, die Keihe Bolitaenidae — ^ Octopodidae -^ Philonexidae. Welche Familien die niedere, und welche die höhere Organisationsstufe dar- stellen, das sei vorläufig noch dahingestellt. — Ob die Cirroteuthiden das Endglied dieser Reihe bilden, läßt sich nach dem Nervensystem allein schwer entscheiden. Dafür spricht zwar die starke Konzen- tration der Unterschlundmasse (die aber bei Cirroteuthis auch kaum größer sein wird als bei Argonauta, während die zweifellos stärkere bei Opisthoteuthis auch mechanisch durch die Zusammenpressung des Körpers bedingt sein kann) und die größtmögliche Verkürzung der Unterschlundcommissuren ; dagegen spricht außer der vollkommenen Trennung der beiden Unterschlundganglien vor allem die deutliche Abgrenzung des Ganglion cerebrale vom Ganglion buccale superius. Meines Erachtens nach dürften die Cirroteuthiden eine Seitenfamilie der Octopoden darstellen, die sich an irgendeiner Stelle der erwähnten Entwicklungsreihe, vielleicht auch von der Octopodenstammform (das vermag ich nicht zu entscheiden) abgezweigt haben. Damit befinde ich mich auch mit Meyer im Einklang. Von den übrigen Ergebnissen der Arbeit möchte ich in zweiter Linie noch auf das Commissurensystem eingehen. Eine endgültige Klarheit dürfte über die Armnervencommissuren geschaffen sein, die sich bei sämtlichen Familien ohne Ausnahme als gleichartig gebaute Doppelcommissuren erwiesen haben, so daß wir die Doppelcommissur als typischen Bestandteil der Octopodenorganisation auffassen müssen. Nicht in gleichem Maße dürfte das für die Armgangliencommissuren zutreffen, hier wurde nur Eledone, Octopus, Eledonella und Opistho- teuthis eine derartige Commissur zugestanden; wahrscheinlich ist sie auch bei Ocythoe und Tremoctopus vorhanden, dagegen konnte sie bei Argonauta und Cirroteuthis bisher nicht entdeckt werden. Wir haben es also hier mit einer Commissur zu tun, die zwar nur den Oc- topoden zukommt (den Decapoden fehlt sie gänzlich), von der aber erst noch nachgewiesen werden muß, ob sie ihnen wirklich ohne Aus- nahme zusteht. — Zuletzt sei noch der Visceraliscommissur gedacht. Die Existenz einer Commissura visceralis anterior, die der der Decapoden homolog wäre, hat sich als Irrtum herausgestellt; dagegen wurde eine Das Nervensystem der Octopoden. 523 der Conmiissura visceralis posterior der Decapoden homologe Com- missura visceralis bei Octopus und AryomuUa mit Sicherheit festge- stellt, nicht aber bei Eledone. Für die übrigen Formen ist keine be- schrieben worden, was aber immerhin noch nicht besagen will, daß keine vorhanden ist. — Eine Pallialiscommissur existiert bei den Oc- topoden nicht. Abstrahieren wir einmal von den Armgangliencommissuren, die mir weniger von Bedeutung zu sein scheinen, und die- nach Pelse- NEER ja ruhig als eine Konsequenz der Ausdehnung der Armganglien nach oben aufgefaßt werden können, so zeigt sich ein Schwinden der Commissuren von den Oegopsiden nach den Octopoden zu. Nicht nur die Commissurae cerebrobuccales, die beiden Visceralis- und die Pallialiscommissuren sind bei den Oegopsiden vorhanden, sondern da- zu kommen noch (vgl. Richter) Branchialcommissuren, Commissuren, die Magenganglion mid Visceralsystem in Verbindung setzen und Rami reunientes der Augennerven und der Armganglien; Für die Myopsiden ist außer der Commissura cerebrobuccalis und der Com- missura visceralis posterior noch eine Pallialiscommissur für Loligo nachgewiesen (v. Jhering, S. 257), und weiter hat Hillig eine, wenn auch nicht gerade sehr vollendete Commissura visceralis anterior für Sepia beschrieben. Bei den Octopoden ist nur die feine Commissura visceralis, die sich bei Octopus und Anjonauta noch vorfindet, ein letzter Rest des reichen Commissurensystems der Oegopsiden. — Auch im peripheren Nervensystem zeigen die Octopoden eine erfreu- liche Einfachheit und Klarheit der Verhältnisse, man vergleiche nur eimual die beiden Übersichtszeichnungen über das Nervensystem von Stenoteuthis (vgl. Richter, Taf. IV) mit seiner großen Zahl von Nerven und Nervenverzweigungen mit meiner Zeichnung des Nervensystems von Eledone (Taf. XIII, Fig. 2), ebenso das Visceralsystem dieser beiden Tiere. So haben wir zwei Momente erhalten, die für die Octopodenphy- logenie verwertet werden können, die Konzentration des Central- nervensystems und der einfache morphologische Bau des peripheren Nervensystems. Spiegeln diese Momente nun primitive Verhältnisse wieder, oder hat die Natur mit einem so vollendeten Nervensystem die höchststehenden Formen der Cephalopodenklasse ausgestattet? — Zwei Ansichten stehen sich hier gegenüber. Nach Chun bilden die Oegopsiden den ursprünglicheren Typus, während die Octopoden in- folge ihrer höheren Konzentration des Nervensystems den abgeän- derten Typus darstellen. Und nach dieser Auffassung würde unsere 34* 524 Alfred Pfefferkorn, Octopoclenreihe mit den Bolitaeniden beginnen und mit den Philo- nexiden die höchste Entwicklungsstufe erreichen. Dieser Ansicht möchte auch ich zuneigen. — Anders v. Jhering, der die Octopoden gerade wegen der Konzentration ihres Gehirns (Verschmelzung des Suprapharyngealganglions [= Ganglion buccale superius] mit dem Ce- rebrum [= Ganglion cerebrale]) als die phylogenetisch älteren Formen auffaßt, da Gastropoden und Tetrabranchiaten ja dieselben Charak- tere zeigen, v. Jhering hat seine Ausführungen (S. 261) mit folgen- den Worten beendet: »Sollte sich nun zeigen, daß jene Abtrennung des Suprapharyngealganglions nur für einen Teil der Decapoden cha- rakteristisch, etwa bei Spirula noch nicht vorhanden ist, so würde man wohl nicht genötigt sein, die betreffenden Verhältnisse bei den Octopoden auf sekundäre Verschmelzung zurückzuführen, welche An- nahme mir unabweisbar scheint, für den Fall, daß auch Spirula bezüglich des Suprapharyngealganglion das gleiche Verhalten wie die Sepiaden zeigt.« — • Das Resultat für Spirula ist aber jetzt da. Chün hat auch für diese Form ein vom Ganglion cerebrale vollkommen ab- getrenntes Ganglion buccale superius nachgewiesen (analog dem Ver- halten bei den übrigen Myopsiden), ein oberes Buccalganglion, wel- ches sogar ziemlich weit vom Gehirn entfernt ist. — Damit ist aber diese Beweisführung Jherings für seine Phylogenie hinfällig ge- worden. Mit diesem Ausblick soll diese Arbeit geschlossen werden, in- dem ich es berufenerer Seite überlasse, phylogenetische Schlußfolge- rungen zu ziehen, für die ja auch die übrigen Organsysteme mit in Betracht gezogen sein wollen. Möchten die letzten Arbeiten über das Nervensystem der Dibranchiaten einige Bausteine zum Bau der Cephalopodenphylogenie beigetragen haben! Leipzig, am 28. Februar 1914. > Literaturverzeichnis, 1886. A. Appellöf, Japanska Cephalopoder. Kongliga Svenska Vetenskaps- Akademiens Handlingar. Tjiiguförste Bandet. Nr. 13. Stockholm 1884—1887. 1889. — Teuthologische Beiträge I. Bergens Museums Aarsberetning for 1889. Bergen 1890. 1909. V. Bauer, Einführung in die Physiologie der Cephalopoden. Mittei- lungen aus der Zoologischen Station zu Neapel. Bd. XIX. Berlin 1908—1909. Das Xorvcnsystoin der OctopotU-n. 525 1838. J. VAN Bexedex, Memoire öur TArgonaute. Xouvcaux Memoircs de rAcadeniie Royale des Sciences et Beiles- Lettres de Bruxelles. Tome XI. Bnixelles 1838. 1900. 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Erklärung der Abkürzungen. An.nn.ophth., Anastomose der Ophthahnici superiores; Ans.d.m.coll., Ansatz des Musculus collaris; Ans.d.m.add.inf.lat., Ansatz des Muscuhis adductor infundibuli laterahs; Ans.d.m.add.inf.med., Ansatz des Musculus adductor infundibuli medialis; Ao.post., Aorta posterior; Arg. ext., Argentea externa; art.bucc, Arteria buccalis; / art.hranch., Arteria branchialis; Aug.Bulb., Augenbulbus; Aug. Kaps., Augenkapsel; Aug.Musk.-y, vorderer, ventraler, fächerförmiger Augenmuskel; Aug.Mush.2, ventraler, schmaler, langgestreckter Augenmuskel; Aug.3Iusk.3, hinterer, ventraler, großer Augenmuskel; atr., Atramentum, Tintenbeutel; c, Commissur der Ganglia subradularia; c.bucc.sup.inf., Commissura buccalis superior inferior; c.g.brach., Commissura ganglii brachialis; cc.interbrach., Commissurae interbrachiales; c.lat.ant., Commissura lateralis anterior; c.lat.post., Commissura lateralis posterior; c.visc, Commissura visceralis; cr.pedunc, Crista pedunculi; d.gl.abd., Ductus glandulae abdominalis, Ausführungsgang der hinteren Speicheldrüsen ; d.gl.bucc, Ductus glandulae buccalis, Ausführungsgang der vorderen Spei- cheldrüsen ; d.hep.dext., Ductus hepaticus dexter, rechter Leber-(Gallen)gang; dors.Pf.Musk., dorsale Pfeilermuskulatur; Dst.d.n.visc, Durch trittsstelle des Nervus visceralis; for.cer., Foramen cerebri, Gehirnloch; gg.ac, Saugnapf ganglien; , g.brach., Ganglion brachiale; gg.branch., Ganglia branchialia; g.bucc.inf., Ganglion buccale inferius; g.bucc.sup., Ganglion buccale superius; ^ g.card., Ganglion cardiacum; g. card.br anch., Ganglion cardiobranchiale; g.cer., Ganglion cerebrale; Das XcTvcnsystein der Octopoden. 529 g.gastr., Ganglion gastricuni; g.infd., Ganglion infundibuli; g.ophth.inf., Ganglion ophthalniieuni inferius; g.ophth.sup., Ganglion ophthalniicum superius; g.opt., Ganglion opticum; g.ped., Ganglion pcdalc; g.pedttnc, Ganglion pedunculi; g.subr., Ganglion subradulare; g.visc, Ganglion viscerale; Geh. Kaps., Gehirnkapsel; gl.bucc, Glandula buccalis; gl.subm., Glandula submaxillaris; gyr.med., G5a"us medianus; gyr.lat., Gyrus lateralis; hint.A., hinterer Ast; hv., Herzvorhof; Hv., Herzventrikel; Kh., Kiemenherz; Kn., Knorpel; Leb. Kaps., Leberkapsel; lob.bas.ant., Lobus basalis anterior; lob.bas.post., Lobus basalis posterior; lob.front.inf., Lobus frontalis inferior; lob.front.sup., Lobus frontalis superior; lob.vert., Lobus verticalis; m.nuch., Musculus nuchalis; Musk.Haut, Muskelhaut; n.abd., Nervus abdominalis; nn.ac, Saugnapf nerven; n.antorb.inf., Nervus antorbitalis inferior; nti.antorb.su p.. Nervi antorbitales suijeriores; n.atr., Nervus atramenti; n.brach.\.2.'i.\., Nervus brachialis L2.3. 4. ; n.branch., Nervus branchialis; n.caps.hep.ant., n.c.h.a., Nervus capsulac hepaticae anterior; n.caps.hep.post., n.c.h.p., Nervus capsulac hepaticae posterior; n.coll., Nervus collaris; n.cord., Nervus cordis; n.cord.branch., Nervus cordis branchialis; n.d.hep.dext., Nervus ductus hepatici dextri; n.d.hep.sin., Nervus ductus hepatici sinistri; nn.yl.abd.. Nervi glandulac abdominalis; n.injd.ant., Nervus infundibuli anterior; n.infd.post., Nervus infundibuli posterior; nn.interbrach., Nervi inter brachiales; nn.lab.. Nervi labiales; n.m.add.paU.med., Nervus musculi adductoris pallii median!; n.m.depr.infd., Nervus musculi deprcssoris infundibuli; 530 Alfred Pfefferkorn, n.mand., Nervus mandibularis (= K buccalis nach Cheron); n.max., Nervus maxillaris; n.oculom.ant., Nervus oculomotorius anterior; n.ocuhm.posL, Nervus oculomotorius posterior; n.olf., Nervus olfactorius; n.ophth.inf., Nervus ophthalmicus inferior; n.ophth.sup.ant., Nervus ophthalmicus superior anterior; n.ophth.sup.med., Nervus ophthalmicus superior medius; n.ophth.sup.post., Nervus ophthalmicus superior posterior; n.opt., Nervus opticus; n.ovid., Nervus oviducti; n.palL, Nervus pallialis; nn.phar., Nervi pharyngei; nn.rect., Nervi rectales; nn.ren., Nervi renales; n.sacc.ren., Nervus sacci renalis; n.stat., Nervus staticus; nn.stom., Nervi stomachi; nn.stom.coec. Nervi stomachi coeci; nn.symp., Nervi sympathici; nn.vas.def., Nervi vasis deferentis; n.ven.cav.ant., Nervus venae cavae anterior; n.ven.cav.post., Nervus venae cavae posterior; n.visc, Nervus visceralis-; Np., Nierenpapille; Nephr.A., Nephridialanhänge ; o, Öffnung im Orbitalknorpel; oes, Oesophagus; Ov, Oviduct; Pup., Pupille; Pen., Penis; Pap.d.d.gl.abd., Papille des hinteren Speicheldrüsengangs; Qu., Querschnitt; rr. brauch., Rami branchiales; r.comm., Ramus communicans; r.irid., Ramus iridicus; r.m.add.infd.lat., Ramus musculi adductoris infundibuli lateralis; rr.m.add.pall.med., Rami musculi adductoris pallii mediani; rr.musc, Rami musculares; 7-r.nuch., Rami nuchales; r.orh., Ramus orbitalis; rr.ven.cav., Rami venae cavae; rad.ant., Radix anterior; rad.post., Radix posterior; rect.. Rectum; stom., Stomachus; stom.coec, Stomachus coecus; Trsa., Trichterschließapparat; Das Nervensystem der Octopodcii, 531 ven.cav., Vena cava. (Unter Vena oava ist immer die Vena cephalica zu verstehen.) Vnrd.A., vorderer Ast; Vbdgae., Verbindungsäste des Nervus mandibularis und des Nervus glan- dulae abdominalis; ]yeiss.Körp., weißer Körper. Erklärung der Abbildungen. Tafel XIII. Fig. 1. Das centrale Nervensystem von Eledone moschata von der Dorsal- seite. Vergr. etwa 6^/2 : 1. Fig. 2. Das centrale Nervensystem von Eledone moschata von der rechten Seite. (N. mandibularis und C. buccalis superior inferior sind nicht eingezeich- net.) Vergr. etwa 5^/2 : 1. Tafel XIV. Fig. 3. Linkes Augenganglion und Gehirn von Eledone moschata von dorsal. Pliotogr. Vergr. etwa 3:1. Fig. 4. Linkes Augenganglion und Gehirn von Odojnis vulgaris von dorsaL Photogr. Vergr. etwa 22/3 : 1. Fig. 5. Linkes Sternganglion von Eledone moschata von ventral. Photogr. Vergr. etwa 2:1. Fig. 6. Linkes Sternganglion von Octopus vulgaris von ventral. Photogr. Vergr. etwa 2:1. Fig. 7. Präparat vom Centralnervensystem A^on Eledone moschata von der Dorsalseite. Photogr. Vergr. etwa 2^/2 : 1. (Beachte die NN. ophthalmici su- periores und antorbitales superiores.) Fig. 8. Präparat vom Centralnervensystem von Argonauta argo von der Dorsalseite. Photogr. Natürliche Größe. (Beachte die Form des G. opticum und G. pedunculi.) Fig. 9. Präparat vom Centralnervensystem von Argonauta argo von der Dorsalseite, Photogr. Natürliche Größe. (Beachte das Gehirn und die Ver- schmelzung des Lobus frontalis inferior mit dem Ganglion buccale superius.) Fig. 10. aiedianschnitt durch das Gehirn von Eledone moschata von der linken Seite. Photogr. Vergr. 3 : 1. (ZEiss-Obj. a".) Fig. 11. Medianschnitt durch das Gehirn von Eledone moschata von der rechten Seite. Photogr. Vergr. 3 : 1. (ZEiss-Obj. afi.) g.b.s., Ganglion buccale superius; g.br., Ganglion brachiale; g.p., Ganglion pedale; g.v., Ganglion visce- rale; G.K., Gehörkapsel; l.b.a., Lobus basalis anterior; l.b.p., Lobus basalis po- sterior; l.f.i., Lobus frontalis inferior; l.f.s., Lobus frontalis superior; I.V., Lobus verticalis; Oe.K., Oesophaguskanal. Die Photographien verdanke ich dem Hausmeister Hager vom Zoologi- schen Institut zu Leipzig. Untersuchungen über den unteren Kehlkopf der Vögel. I. Zur Kenntnis der Innervierung. Von Richard Conrad. Mit 6 Figuren im Text. A. Historischer Entwicklungsgang der Untersuchungen über die Innervation der Syrinx. Die Anregung zu vorliegender Arbeit habe ich Herrn Professor Valentin Haeckee, zu verdanken, der sich selbst früher mit diesem Stoffe beschäftigt hat. Sie hat zum Gegenstand eine Klarlegung ver- schiedener unsicherer Punkte, welche bezüglich der Innervation der Syrinx bestehen. Ich schicke zunächst eine kurze historische Übersicht voraus, in welcher die wichtigsten Angaben früherer Autoren zusam- mengestellt sind. Eine Eeihe älterer Forscher (Cuvier, Savaet, Wunderlich) be- schäftigt sich ausschließlich mit dem Bau und der Muskelkraft der Syrinx, während die Nerven ganz unberücksichtigt bleiben. Johannes Müller erwähnt beiläufig, daß beim Glockenvogel {Chasmarhynchus caruncidatus) die Muskulatur des unteren Kehlkopfes von einem starken Vagusast versorgt wird. Eine genauere Darstellung gibt zuerst Stannius, der allerdings nur von den Muskehi der Luftröhre im allgemeinen sagt, daß sie von einem, an der Trachea herabsteigenden Aste des Hypoglossus {R. descendens N. hijfoglossi), der feine Fasern vom N. sympathicus, bis- weilen auch vom N. vagus an der Stelle, wo er diesen überquert, aufgenommen hat, und außerdem vom R. recurrens N. vagi innerviert werden. Bonsdorf hält auf Grund von Befunden bei Corvus cornix den von Stannius angegebenen, an der Luftröhre herablaufenden R. de- scendens N. hypoglossi für einen Vagusast, der allerdings zum großen Untersuchungen über ckn unteren Kehlkopf der Vügcl. 533 Teile Hypoglossusfasern enthalten soll. Dieser Nerv, den er >)R. laryn- geus superior« nennt, teilt sich nach ihm kurz oberhalb der Syrinx in zwei Äste von ungefähr gleicher Größe, von denen der äußere in dem M. »furculo-trachealis<< und >>sterno-trachealis« sich verzweigt und eine äußerst feine Verbindung mit dem N. laryngeus inferior = R. recur- rens N. Vagi- einzugehen scheint. Der innere Ast soll an der Gabelung der Trachea feinste Zweige zur Innenfläche der Syrinx abgeben. Owen kommt zu ähnlichen Ergebnissen wie Stannius. Auch er gibt an, daß ein Faseraustausch zwischen Vagus und Hypoglossus stattfindet und die Muskeln der Luftröhre von einem Hypoglossusast innerviert werden. Als allgemein vorkommenden Syrinxner-^en be- zeichnet er den R. recurrens N. vagi. Gadow betont zuerst die Teilnahme cervicaler Elemente und ist im übrigen der Überzeugung, daß die Muskulatur des unteren Kehlkopfes bei den Vögeln durch den die Trachea begleitenden »R. laryngeus N. hypoglossi« oder den am Oesophagus verlaufenden >>R. cervicalis descendens« versorgt wird. Ob er damit meint, daß stets beide Nerven vorhanden sind, ist aus seinem Bericht nicht zu ersehen, ebenso nicht, ob sie eine Verbindung eingehen. In einer Mitteilung aus dem Jahre 1883 kommt er zu dem Schluß, daß die Nervenver- sorgung der Syrinx >>hypoglossal-pharyngeal<< sei. FüRBRiNGER erwähnt ebenfalls die Teilnahme cervicaler Ele- mente und macht zuerst darauf aufmerksam, daß auch bei nahe ver- wandten Formen die Anteile der einzelnen Nervenstämme an der Innervierung der Syrinx stark wechseln. Nach CouvEEUR verteilt sich ein Hypoglossusast, der die Trachea begleitet, in der Muskulatur des unteren Kehlkopfes, In zweiter Linie kommt nach ihm der R. recurrens N. vagi in Betracht. Thebault beschäftigte sich wiederholt in mehreren Aufsätzen mit der Innervation der Syrinx. Als Resultat seiner anatomischen und vivisektorischen Untersuchungen an Singvögeln, Krähen, Papa- geien und Hühnern interessiert vor allem der scharfe Unterschied, den er zwischen Corviden und andren Passeres macht. Bei den ersteren sind stets zwei Äste des Hypoglossus vorhanden, von denen der eine an der Trachea herabsteigende als >>N. syringien superieur«, der andre am Vagus verlaufende als >>N. syringien inferieur« bezeichnet wird. Diese vereinigen sich nach ihm kurz oberhalb der Syrinx in einem »Ganglion syringien << und verzweigen sich erst von hier aus unter mannigfacher Anastomosenbildung in der IMuskulatur. Vom R. re- currens N. vagi bestreitet er ausdrückhch eine Teilnahme an der Inner- 534 Richard Com'ad, vation. Bei den Passeres dagegen soll stets ein Ast des K. recurrens N, Vagi, für den er bei diesen Formen übrigens gelegentlich ebenfalls die Bezeichnung »syringien inferieur« gebraucht, zum unteren Kehl- kopf ziehen und so einen Ersatz bieten für den nach seiner Behaup- tung hier allgemein fehlenden >> syringien inferieur« der Corviden. Auch in diesem Falle, wo also der den Vagus begleitende Ast fehlt, beschreibt er bei Fringilla linaria das Vorhandensein eines »ganglion syringien«. Haecker, der sich bei seinen Untersuchungen auf wenige Arten beschränkte, diese aber eingehend beschrieb und vor allem gute Ab- bildmigen gab, erwähnt von einem derartigen Ganghon nichts. Er fand bei Corvus corone, Pica caudata, Garrulus glandarius und eben- falls bei Turdus merula, daß der untere Kehlkopf von zwei Nerven versorgt wird, dem an der Trachea herabsteigenden >>K. cervicalis descendens superior<>R. cervicalis descendens inferior^ N. hypoglossi <<. Diese beiden Aste vereinigen sich beim Eintritt in die Syrinxmuskulatur zu einem sehr kurzen R. syringeus, der sich in einen dünneren ventralen und stärkeren dorsalen Ast teilt, von dem ein Zweig in den M. sterno-trachealis eindringt. Über das Verhältnis des R. recurrens N. vagi teilt Haecker mit, daß bei Pica caudata eine Beteiligung an der Innervation ausgeschlossen sei. Vielmehr begleitet der R. recurrens N. vagi einen Gefäßstrang, der je einen Zweig der Vena und Arteria syringea enthält und die kopfwärts gelegenen Teile des Oesophagus versorgt. Daneben gibt er von Corvus corone und Pica caudata Abbildungen der zum Plexus cervicalis zusammentretenden Nerven und der Ganglienbildungen bei ihrem Austritt aus dem Schädel. Setterwall bestätigt im allgemeinen die Ergebnisse der vor ihm angestellten Untersuchungen. Hiernach wären die für die Innervie- rung des unteren Kehlkopfes in Betracht kommenden Nerven der aus dem Plexus cervicalis hervorgehende Hypoglossus, welcher an der Überkreuzungsstelle mit den! Vagus Fasern von diesem aufge- nommen hat, und der R. recurrens N. vagi, über dessen BeteiHgung an der Syrinxversorgung, wie wir sahen, die Meinungen ziemlich geteilt sind. Bei den Arten, die Setterwall untersuchte, hat er übrigens eine Anastomose zwischen Vagus und Hypoglossus nie deutlich fest- stellen können. Es sind dies: Turdus merula, T. pilaris, Luscinia 1 superior, weil im aufgeschnittenen Tiere mehr oberflächlich gelegen. 2 inferior, wegen seiner tieferen Lage. Untersuchungen über den unteren Kehlkopf der Vögel. 535 rubecula, Sylvia atricapillo, Muscicapa grisola, Laniiis excubüor, Em- heriza citrineUa, Pijrrhula vulgaris, Fringilla coelebs, Sturnus vulgaris, Pica caudata, Corvus cornix, C. moneduki und Ampelis garrulus. Den an der Trachea verlaufenden Nerven, für welchen er Thebaults Be- zeichnung »Syringeus superior« wieder einführt, hat er bei sämtlichen Arten gefunden, während der den Vagus begleitende Ast, den er eben- falls nach Thebault »Syirngeus inferior« nennt, einer ganzen Anzahl fehlt. Die doppelte Versorgung der Syrinx durch beide Hypoglossus- äste w^iesen auf: Turdus merula, P. pilaris, Muscicapa grisola, Lanius excuhitor, Pica caudata, Corvus monedula und C. cornix. Das am Ver- einigungspunkte dieser Nerven liegende »GangUon syringien« The- baults stellt Setterwall in Abrede, da er sowohl auf makro- wie auf mikroskopischem Wege vergeblich danach gesucht hat. In Über- einstimmung mit Haecker bemerkte er in einigen Fällen, daß die Hypoglossusäste etwas oberhalb der Syrinx einen längeren oder kür- zeren gemeinsamen Stamm bilden, an dessen Stelle aber in zahlreichen andern Fällen eine komphzierte Anastomosenbildung treten kann. Solchen Abweichungen legt er kein besonderes Gewicht bei, da über- haupt individuelle Unterschiede der Syrinxnerven, sowohl in bezug auf ihre Größe, als auch auf ihre Lagebeziehungen von ihm häufig beobachtet worden sind. Stets jedoch sah er, auch wenn der an der Trachea herabsteigende Nerv vorhanden war, ein Stück oberhalb der Syrinx zwei Hauptäste, einen ventralen und dorsalen, der den M. sternotrachealis versorgt. Über den Anteil des R. recurrens N. vagi an der Innervation der Syrinx äußert sich Setterwall recht vorsichtig. Für die Corviden und Pica caudata glaubt er jedoch mit Sicherheit behaupten zu können, daß sie dieses Nerven ermangeln. Er bestreitet aber Thebaults Ansicht, daß der R. recurrens N. vagi einen Ersatz für den fehlenden »syringeus inferior« darstellt, da er bei Turdus merula, T. pilaris und Lanius excuhitor einen mit der Arteria syringea in die Syrinx eintretenden Recurrensast, zugleich mit den beiden syringeus superior und inferior gefunden hat. B. Zweck und Ziel der Arbeit. Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, daß unverkenn- bare Unterschiede und auch verschiedene Unklarheiten in der Dar- stellimg der Innervation der Syrinx bestehen. Gebraucht doch z. B. Thebault die Bezeichnung »syringien inferieur« für zwei ganz ver- schiedene Nerven. Besonders in bezug auf die Beteiligung des Vagus 536 Richard Conrad, Zusammenstellung der für die Innervierung in Betracht kommenden Nerven und ihrer verschiedenen Bezeich- nungen nach der historischen Übersicht. Faseraustausch an Der am Vagus ver- Der an der Trachea Ast des iV. vagus der Überkreuzung laufende Ast herabsteigende Ast recurrens von Vagus und Hypoglossus JoH. Müller Vagusast i Vagusast 1' (-) (-) Stannius (-) R. descendens N. liypoglossi R. recurrens N. Vagi (+) BONSDORFF (-) R. laryngeus sup. N. Vagi R. recurrens N. Vagi (+) Owen (-) Hypoglossusast^ R. recurrens N. vagi^ (+) Gadow R. cervicalis de- R. laryngeus N. (-) (-I-) Zuschuß scendens liypoglossi cervicaler Ele- mente FÜRBRENGER R. cervicalis de- R. descendens N. (-) {+) Zuschuß scendens hypoglossi cervicaler Ele- mente COUVREUR (-) Syringien infe- Hypoglossusast^ R. recurrens N. Vagi 2 (-) Thebault Syringien supe- R. recurrens N. (-) rieur rieur Vagi u. Syringien inf. (nicht allge- mein vorhanden) Haecker R. cervicalis de- R. cervicalis de- R. recurrens N. {+) Zuschuß scendens inferior scendens superior Vagi (nicht allge- cervicaler Ele- N. liypoglossi N. hypoglossi mein vorhanden) mente Setterwall Sypingeus infe- Syringeus supe- R. recurrens N. (-) rior rior Vagi (nicht allge- mein vorhanden) ( + ) bedeutet vorhanden. ( — ) bedeutet fehlt. 1 JoH. Müller erwähnt als Syrinxnerven einen starken Vagusast. Es ist fraglich, welchen Syrinxnerven er- so bezeichnet. 2 Die Arbeiten von Owen und Couvreur waren mir nicht zugänglich. Ich zitiere nach Setterwall. Untersuchungen über den unteren Kelill;oi)f der Vögel. 537 sind die ]\Ieiiiimgen recht geteilt. Die ineisteii Autoreu uehmen einen Zuschuß von Vagusfasern zum Hypoglossus an der Über- kreuzungsstelle als feststehend an, während Setterwall einen solchen in Abrede stellt. Was ferner den R. recurrens N. vagi anbelangt, so wird er von den meisten älteren Forschern als »Syrinx- nerv erwähnt, während Thebault und Setterwall sich in diesem Punkte direkt widersprechen und daher die Frage nicht zur endgül- tigen Lösung bringen konnten. Haecker wiederum beschreibt zu wenige Formen, als daß seine Ergebnisse allgemeine Schlüsse er- laubten. Drittens ist die Darstellung der sich direkt oder indirekt an der Bildung des Plexus cervicalis beteiligenden Ner- ven, die sich in Bronns »Klassen und Ordnungen des Tierreiches« findet, in bezug auf die Abbildungen recht schematisch. Es erschien daher nicht nutzlos, die bisherigen Angaben nachzuprüfen und dann einmal eine größere Anzahl von Vogelarten mit recht verschieden ge- bauter Syrinx auf die genauere Nervenversorgung zu untersuchen, vielleicht auch die Anteile der einzelnen Elemente an der Innervie- rung der einzelnen Singmuskeln festzustellen. Daneben lag es nahe, bei der Präparation auf die Ganglienbildungen am Schädel zu achten. Abgesehen von diesen Einzelheiten erhob sich aber die Frage, inwieweit eine Konstanz in der ganzen Klasse nachzuweisen ist, ob etwa bei andern Vogelgruppen andre Verhältnisse vorliegen, welche Licht auf die phylogenetische Entstehung oder physiologi- sche Bedeutung der kom])lizierten Innervationsverhält- nisse werfen und ob sich endlich etwaige Verschiedenheiten für die Behandlimg systematischer Fragen nutzbar machen lassen. C. Material und Methode. a. Material. Bei der Auswahl des Materials kamen die ieben erwähnten Ge- sichtspunkte in Betracht. Zum Teil wurden solche Vögel ausgewählt, die schon mehrfach untersucht worden sind und bezüglich welcher widersprechende Angaben vorliegen, z. B. mehrere Arten Corviden, Turdiden und Fringilliden. Sodann wurden aber mit Rücksicht auf die erwähnten phylogenetischen und systematischen Gesichtspunkte Vertreter von möglichst verschiedenen, nach Ansicht der Svstematiker » tief erstehenden << Vogelordnungen untersucht, z. B. Laro-Limicolae, Rallen, Sturmvögel und Taucher. Im ganzen ^^•urden folgende (hier Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CXIW Bd. 35 538 Richard Conrad, / nach dem GADOAVschen System angeordnete) Vögel untersucht. Co- lymhus arcticus — Podiceps cristatus, P. minor — Fulmarus glacialis — Cerchneis tinnunculus ■ — Fulica atra — Rissa tridactyla — Larus marinus ■ — Alca torda — Columba Livia ■ — ■ Gallus Bankiiva ■ — Parus coeruleus, P. major ■ — Fringilla coelebs — Passer montanus, P. dome- sticus — Sturnus vulgaris ■ — Turdus merula, T. musicus — Corvus {Lygaeus) monedula, C. frugilegus, C. cornix, C. corone. Zmiächst wurden die am meisten bekannten Corviden untersucht. Hierauf habe ich, um einen möghchst großen Gegensatz zu erzielen, gleich mit der am tiefsten stehenden Gruppe der Taucher begonnen, von welcher mir mehrere Arten in einer größeren Anzahl von Exem- plaren vorlagen. Die übrigen Arten schließen sich dann in der durch das GADOWsche System gegebenen Reihenfolge an. h. Untersuchungsmethode. Für die Untersuchungen wurden in der Hauptsache frisch geschossene, erwachsene Vögel verwandt, daneben auch einige NestUnge, die infolge der Weich- heit ihrer Muskulatur und der geringen Festigkeit des Bindegewebes für die Prä- paration recht geeignet sind. Die Präparation wurde fast durchweg an mehreren Exemplaren, mindestens jedoch an zweien, und zwar stets rechts und links durch- geführt. Beim Abbalgen muß man recht vorsichtig zu Werke gehen. Wähi'end nämlich auf der rechten Seite der Vagus dem samt der Trachea nach rechts ver- lagerten Oesoj)hagus anliegt, findet er sich auf der linken Seite häufig isoliert auf der Halsmuskulatur. Der feine R. cervicalis descendens inferior, welcher bei vielen Arten dicht neben dem Vagus verläuft, wird daher auf der linken Seite leicht abgerissen, zumal er wegen der eben erwähnten Rechtsverschiebung der Trachea links einen verhältnismäßig langen Weg bis zur Syrinx zurücklegen muß, was für seine Auffindung andrerseits wieder von Vorteil ist. Es gilt jetzt Kopf und Hals mit der Syrinx vom Rumpfe zu trennen. Zu diesem Zwecke wurde die Leibeshöhle durch Schnitte geöffnet, die auf beiden Seiten des Halses längs der Clavicula bis in die Gegend der Wü'belsäule geführt wurden. Die Syiinx liegt jetzt frei da und kann nun am besten mit einer gebo- genen Schere an' der Einmündung der Bronchien in die Lungen von den letzteren und überhaupt von den übrigen Organen der Leibeshöhle getremit werden. Schließlich wurde die Wirbelsäule vom Rücken her zwischen den ersten Brust- wirbeln durchschnitten. Bei dieser sehr schnell auszuführenden Präparation läßt sich sehr leicht jede Zerrung vermeiden, die sonst häufig das Abreißen des zum Syrinx ziehenden Recurrensastes zur Folge hat. Auch das bei frischen Tieren beim Durchschneiden der großen Adern reichlich fließende Blut stört nicht, wenn man den Kadaver in senkrechter Lage hält, da es sich dann in dem untern Teile der Leibeshöhle ansammelt. Das so gewonnene Stück wurde, nachdem zwecks besseren Eindjringens der Fixierungsflüssigkeit ein Fenster in den Schädel geschnitten war, in 1 — 2% ige Formaünlösung gelegt. Höherprozentige Lösungen Untoisuohimgon iilu-r den unteren Ktainin (//c), als auch der R. cervicalis descendens inferior (c.d.i.) einen Zuschuß von Vagus- fasern erhalten, a b H. h'. ^ ^" Ib — /7.C.- c.di. Ic c.d.i. Fig. 1 b und e. Zupfpräparat der t'hcrkrcuzungsstellc von X. hypoglosso-ccrvicalis und X. vagus (rechte Seite. Vergrößerung etwa 20lach.) a, ursprüngliche Lagerung; b, das Präparat von unten gesehen, ge- strichelt der herübergeschlagenc X. hypoglosso-ccrvicalis; c, dasselbe photographisch wiederge- geben; h', erste Hypoglossuswurzel; h", zweite Hypoglossuswurzol; c, erster Cerviciilnerv; v, X. vagus; hc, X. hypoglosso-ccrvicalis; c.d.i., 11. cervicalis descendens inferior. 2. daß die Fasern beider Hypoglossuswurzeln in den zur Trachea ziehenden Hauptstamm des N. hypoglosso-ccrvicalis (Fig. Ib, hc), ferner, daß mindestens auch Fasern der zweiten Hypoglossuswurzel 546 Richard Comad, {h") in den parallel zum Vagus verlaufenden R. cervicalis descendens inferior (c. d. i.) eintreten (daß letzteres auch für die erste Hypoglos- suswurzel (li') gilt, ist im Zupfpräparat selber mit Hilfe schwacher Objektive mit Sicherheit festzustellen); 3. ist zu ersehen, daß auch von der Cervicaliswurzel (c) Fasern in beide Äste des N. hypoglosso-cervicalis eintreten. Mit der Feststellung, daß ein Zuschuß von Vagusfasern statt- findet, befinde ich mich in Übereinstimmung mit den meisten Autoren, insbesondere auch mit Haeckek, während Setterwall behauptet, daß er nie eine deutliche Anastomose zwischen Vagus und Hypoglos- sus feststellen konnte. Der Vaguszuschuß erreicht nach meinen Unter- suchungen oft den Betrag der ersten Hypoglossuswurzel (vgl. Fig. Ib), ist aber individuell verschieden. Entweder kurz vor, oder meistens nach dem Überschreiten oder Durchwachsen des Vagus gibt nun der N. hypoglosso-cervicalis etwa ein Drittel bis ein Fünftel seiner Masse als einen Ast ab, der den grö- ßeren Teil der cervicalen Elemente, daneben aber auch in ungefähr gleicher Menge Fasern des Hypoglossus und Vagus mit sich führt. Dieser »E,. cervicalis descendens inferior« (Fig. I, c. d. ?'.), wie er von Haecker genannt wird, verläuft, gleichgültig, ob er vor oder nach der Überkreuzung sich abzweigte, in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle dorsal vom Vagus, nur bei C. cornix fand ich ihn in zwei Fällen ventral, und zwar jedesmal nur auf einer Seite. Der R. cervicalis descendens inferior begleitet dann auf der rechten Seite die Jugular- vene und den Vagus, durch Bindegewebe eng mit diesem verbunden, in der Falte zwischen Oesophagus und Halsmuskulatur. Einen Faser- austausch zwischen den beiden Nerven, wie ein solcher von Gadow als möglich angegeben wird, habe ich wieder bei den Corviden noch bei andern Vögeln beobachten können, ebenso wie Setterwall, der auf diesen Punkt besonders geachtet hat. — Haecker erwähnt in seinem Aufsatze »Über den unteren Kehlkopf der Singvögel <>Vagus-cervicalis-Kreuzung<< mit dem Vagus vollständig verschmelzen sah. Dieser Fall scheint bei den Corviden außerordent- lich selten zu sein. Ich konnte ihn nie beobachten. Da Oesophagus und Trachea, welche die sehr starke S-förmige Krümmung des Halses nicht im vollen Umfange mitmachen, weit nach rechts verschoben sind, da anderseits der linke Vagus samt dem 1 Anat. Anz. Bd. XVI, 1898. Untcrsuchungoii iil>tr den uiitt-ron KchIkoi)f di-r Vögi-l. 547 linken R. cervicalis descendens inferior an dieser Verschiebung nicht beteiUgt ist, so liegen die Verhältnisse auf beiden Seiten etwas ver- schieden. Auf der linken Seite verläuft nämlich der Vagus mit dem R. cervicalis descendens inferior ganz oberflächlich auf der Halsmus- kulatur, verfolgt einen geraden Weg abwärts und kann häufig schon beim Abbalgen deutlich walirgenommen werden. In geringer Entfernung oberhalb der Syrinx verläßt beiderseits der H. cervicalis descendens inferior den Vagus und überquert in schräg ventralen, stark geschlängeltem Verlaufe den Oesophagus, wahrscheinlich, um die bei der Nahrungsaufnahme durch die Aus- dehnung des Oesophagus nötige Streckung ertragen zu können. Nach Durchbohrmig der Aponeurose, einer dicht vor dem Syrinx befind- lichen, den Saccus bronchialis nach vorn abschließenden, derben Membran tritt der Nerv gewöhnlich etwas rostral von der Trommel zur Syrinxmuskulatur. Nach Abgabe des eben beschriebenen R. cervicalis descendens inferior hat der Hauptast des N. hypoglosso-cervicalis, der — wie gesagt — ebenfalls dieselben Elemente mit sich führt, noch ungefähr die halbe Stärke des Vagus. Er geht, um bei den Bewegungen der Zunge keine Zerrung zu erfahren, in vielen unregelmäßigen Windungen zum oberen Kehlkopf. Hier teilt er sich in zwei Aste, die, wieder von individuellen Unterschieden abgesehen, im allgemeinen gleiche Stärke besitzen. Der rostral verlaufende >>R. cervicahs ascendens« oder ge- nauer R. lingualis N. hypoglosso-cervicalis (Fig. I, c. a.) vereinigt sich auf der Unterfläche der Zunge mit dem entsprechenden Nerven der andren Seite und geht w^eiter bis zur Zungenspitze. Die hier vor- handenen sensiblen Elemente stammen, wie schon Gadow vermutet, offenbar aus dem Zuzug vom ersten Cervicalnerven. Der caudal ver- laufende R. cervicahs descendens superior (Fig. I, c. d. s.) steigt an der Trachea herab, indem er, da er streckenweise zyhndrisch, strecken- weise bandförmig ist, eine wechselnde Stärke vortäuscht. Genauer ist über seine Lage folgendes zu sagen: die Luftröhre zeigt gewöhnlich einen dreieckigen Querschnitt mit mehr oder weniger stark abgerun- deten Ecken, wobei die Rasis des Dreiecks nach der Unterseite zeigt. Auf diese Weise paßt sich die Luftröhre lückenlos in die keilförmige Falte zwischen Halsmuskulatur und Oesophagus ein. Die beider- seitigen R. cervicales descendentes superiores verlaufen nun in den schmalen Muskelstreifen (Fig. I, m), welche an den beiden vcntro- lateralen Kanten der Luftröhre sich hinziehen (nur in der Nähe des Larvnx sind diese Muskeln in auf fähiger Weise ganz nach einer Seite, 548 Richard Coiirad, meistens nach links verschoben). Etwas caudalwärts vom Larynx fand ich in einem Falle zwischen den beiderseitigen Nervenästen eine ziem- lich starke Brücke. Meistens vereinigt sich dann jeder Ast mit dem entsprechenden E,. cervicalis descendens inferior unmittelbar beim Eintritt in die Syrinxmuskulatur. An dieser Stelle zeigen bei den Corviden der K. cervicalis descendens superior und der R. cervicalis descendens inferior ungefähr dieselbe Stärke, während bei den meisten andern Vögeln der R. cervicalis descendens superior ganz beträchtlich dicker ist. Am Vereinigungspunkte der beiden Äste soll nach Thebault sich hier, wie auch bei andern Vögeln, ein »ganglion syringien« be- finden, das ich aber mit Hilfe des Binoculars nicht entdecken konnte. Setterwall verneint das Vorhandensein einer solchen Bildung eben- falls. Da er bei verschiedenen Passeres, sowohl makroskopisch als auch mikroskopisch, auf Schnittserien vergeblich danach gesucht hat, ist wohl anzunehmen, daß ein solches Ganglion tatsächlich nicht vor- handen ist. Wie die Angabe Thebaults zu erklären ist, darüber ver- mag ich keinen Aufschluß zu geben. Bezüglich der Lage des Vereinigungspunktes der beiden cervi- calen Äste konnten im übrigen verschiedene Abw^eichungen , beson- ders auch zwischen rechts und links, beobachtet werden. Bei zwei Exemplaren von C. frugilegus sah ich den den Vagus begleitenden R. cervicalis descendens inferior einmal auf beiden Seiten, das andre Mal allein auf der rechten, die Syrinx erst etwa in der Mitte der Trom- mel erreichen und zwischen dem M. tracheo-bronchiaHs dorsalis ob- liquus (Fig. I, tr. br. o.) und M. tracheo-bronchialis dorsalis longus {tr. br. d. l.) in sie eindringen. Eine weitere Präparation ergab sodann, daß dieser Zweig durch eine komplizierte Anastomosenbildung mit dem R. cervicalis descendens superior eine Verbindung hatte, der an der gewöhnlichen Stelle in die Syrinx eingetreten war und einen dünnen Ast an den M. sterno-trachealis abgegeben hatte. In fünf Fällen fand ich dagegen bei C. corone den von Haecker beschrie- benen und bezeichneten Modus der Verzw^eigung. Ein kurzer, und wie ich mit Hilfe der beschriebenen Auffaserung sehen konnte, aus beiden Ästen innig gemischter R. syringeus (N. hypoglosso-cervicalis) teilt sich in einen ventralen und meist etwas stärkeren dorsalen Haupt- ast, von dem ein Zweig in den M. sterno-trachealis eindringt. Die weitere Verzweigung ist durch mannigfache Anastomosen so unüber- sichtlich und unregelmäßig, daß es leider ganz unmöglich ist, über die Versorgung einzelner Syrinxmuskeln durch bestimmte Nerven- rntcrsuchungon über den mitfreii Kclilkupf tk'i- N'ögd. 549 cleinento etwas Genaueres auszusaugen. In den übrifien Fällen begann die Aiuistomosenbildung gleich am Vereinigungspunkte von R. cervi- calis desceudens inferior und K. cervicalis descendens superior, so daß es gar nicht erst zur Bildung eines R. syringeus kam. Auch in diesem Falle soll sich nach der Angabe von Setterwall etwas caudal ein ventraler und ein dorsaler Ast für die ventrale und dorsale Mus- kulatur finden lassen. Bei den von mir untersuchten Exemplaren konnte ich eine solche Unterscheidung nicht mit Sicherheit treffen. Die feineren Details erscheinen überhaupt mehr oder weniger belang- los, da ja die Versorgung der einzehien Muskeln durch ein Nerven- geflecht erfolgt, in dem sämtliche, auf verschiedenen Wegen der Syrinx zugeführten Nerveneleniente sich im Austausch befinden. /?. Die Frage nach dem Anteil des Nervus vagus recurrens. AVas die Beteiügung des R. recurrens N. vagi an der Innervation des Syrinx speziell bei den Corviden anbelangt, so finden sich über diesen Punkt iii der älteren und neueren Literatur widersprechende Angaben. Bonsdorf sagt in seiner »descriptio anatomica nervorum cerebralium C. cornicis« über den R. recurrens N. vagi, den er Laryn- geus inferior nennt, folgendes: »flectitur laryngem inferiorem versus, ubi in ramos dispertitur ad inferiorem partem tracheae pertinentes, ramunque mittit communicantem, c[ui cum ramo externo nervi laryngei superioris coalescit.« Nach Thebault dagegen besteht eine Wechselbeziehung zwischen dem R. recurrens N. vagi mid dem den Vagus begleitenden Nervenast, indem ersterer einen Ersatz für letzteren darstellt. Da nun bei den Corviden der den Vagus begleitende Ast stets vorhanden ist, kommt Thebault zu der Behauptung, daß sie des R. recurrens N. vagi er- mangeln. Haecker erv\'älmt in seiner Arbeit »Der Gesang der Vögel«, in der er auch ein Schema der Innervation der Syrinx bei C. corone gibt, von einer Beteiligung des Recurrens nichts. In einem früheren Aufsatze, »Über den unteren Kehlkopf der Singvögel«, teilt er von Pica mit, daß besonders auf der hnken Seite eine solche BeteiUgung ausgeschlossen sei, da der Recurrens sich einem Gefäßstrang an- schließt, der an die köpf wärts gelegenen Abschnitte des Oesophagus tritt. Bei den von mir untersuchten Corvus-Avten fand ich selbst fol- gende übereinstimmenden Verhältnisse. Der Vagus, welcher sich auf seinem Wege nach dem Herzen zu der Syrinx stark nähert, gibt etwas caudal von der Gabelung der Trachea (Fig. I, Bi) unter spitzem Winkel nach dem Körper zu einen kurzen starken Ast ab, der sich 550 Richard Conrad, gleich darauf in mehrere, gewöhnlich drei Zweige von verschiedener Stärke spaltet. Während zwei der Äste nach den Eingeweiden ziehen, biegt ein in seiner Masse etwa dem R. cervicalis descendens superior entsprechender Nerv kopfwärts um und zieht am Oesophagus hinauf, etwas ventral vom Vagus und mit diesem parallel. Auf seinem Wege gibt er fortgesetzt, beinahe unter rechten Winkeln, dünne Fädchen an die Muskulatur der Speiseröhre ab. Weiterhin verläuft er, immer feiner werdend, in derselben Bahn wie der dorsale Ast des Glosso- pharyngeus (Fig. I, f. h") und durch Bindegewebe so eng mit diesem verbunden, daß es den Anschein erweckt, als verschmelze er mit ihm. Von diesem, als N. vagus recurrens anzusprechenden Nerven geht ungefähr in Höhe der Bifurcation, öfters auch an seiner Umbiegung ein Zweig ab, der bei C. cornix ziemlich genau die Stärke eines Kopf- haares hat und auf seinem Wege zur Syrinx dem aus Vena und Arteria syringea sich zusammensetzenden Gefäßstrang eine Strecke weit so dicht aufliegt, daß er äußerst schwer zu identifizieren ist. Unterhalb des Ansatzes des M. sterno-trachealis tritt der Recurrensast in die Muskulatur ein und gibt äußerst zarte Fädchen ab(Fig. I)i, die mit den übrigen Syrinxnerven vielfach anastomosieren und zusammen mit diesen die einzelnen Singmuskeln versorgen. In einigen Fällen gelang es mir, den Hauptstamm des Recurrens ein kurzes Stück die Trachea hinauf zu verfolgen, wo er mit dem R. syringeus verschmilzt. Am leichtesten habe ich das Vorhandensein eines Recurrensastes immer auf der linken Seite nachweisen können, da hier infolge der oben erwähnten Rechtsverschiebung von Oesophagus und Trachea dieser Nerv etwas länger ist. Die übrigen Corviden, die ich noch untersuchte, stimmen in bezug auf die Innervation der Syrinx mit der hier in erster Linie beschrie- benen Krähenart {C. cornix) bis ins einzelne so genau überein, daß sich eine spezielle Darstellung erübrigt. Verhältnismäßig die meisten Abweichungen vom Typus zeigt C. frugilegus. Auf diese ist schon oben aufmerksam gemacht worden. Jedenfalls zeigt es sich, daß der Syrinx stets dieselben Elemente auf in der Hauptsache gleichen Bahnen zugeführt werden, so daß gewisse Abweichungen im einzelnen für das Endresultat belanglos erscheinen. b. Turdus und Sturuus. Die dreifache Versorgung des unteren Kehlkopfes durch R. cer- vicalis descendens inferior, R. cervicalis descendens superior und 1 Vgl. auch die Fig. IIa, welche die' Syrinx von Fringilla coelebs darstellt. Uiitersufluiiigi.-n über den unteren Kelilkopf der V'ügel. 551 R. recurrens N. vagi findet sich iiuch bei der Amsel {Turdus merula), der Singdrossel {T. musicus) und dem Star {Sturnus vulgaris)^. Die Nerven laufen hier in denselben Bahnen wie bei den Corvus-Arten und auch sonst ergibt sich ein ähnliches Bild, trotzdem der ]\Iuskel- apparat der Syrinx bei den genannten Formen in mancher Hinsicht von dem der Corviden abweicht^. Unterschiede sind nur in bezug auf die Stärkeverhältnisse einzelner Nerven festzustellen. Der R. cervicalis descendens superior ist bei den Drosseln und bei Sturnus verhältnismäßig stärker als bei den Krähen, und dafür der R. cervi- calis descendens inferior schwächer ausgebildet. Stärker als bei den Krähen und daher auch leichter aufzufinden, ist ebenfalls der Recur- rensast, dessen Verhandensein u. a. besonders von Thebault betont wird, der ja in ihm einen Ersatz für den nach seiner Ansicht bei den Drosseln fehlenden R. cervicalis descendens inferior erblickt. Daß letzterer aber doch bei Turdus vorhanden ist, konnte ich mit Sicher- heit feststellen. Auch Setterwall hat mit Bestimmtheit wahrge- nommen, daß bei Turdus merula und T. pilaris ein vom Recurrens zur Syrinx ziehender Nerv, zugleich mit den beiden R. cervicalis descendens inferior und R. cervicalis descendens superior sich findet. Er bemerkt dazu, daß der Recurrensast mit der A. syringea in das genannte Organ eintritt und sich dann sofort in eine große Anzahl feiner Äste teilt. Ob diese mit den übrigen Syrinxnerven anastomo- sieren, konnte er nicht feststellen. Diese Anastomose zwischen dem Recurrens und den Ästen des N. hypoglosso-cervicalis beobachtete ich in allen Fällen, während sonst meine Untersuchungsergebnisse mit Setteewalls Angaben übereinstimmen. Das »ganglion syrin- gien« Thebaults habe ich auch bei diesen Alten nicht finden können. Auch bei Turdus und Sturnus ließen sich wiederum ähnliche Ver- schiedenheiten wie bei den Krähen auf beiden Seiten beobachten. Besonders fiel mir auf, daß links der Recm-rensast fast regelmäßig stärker ausgebildet i&t als rechts. c. Passer, Fringilla, Parus. Von den kleinen Singvögeln behauptet Thebault, daß ihnen allgemein der R. cervicalis descendens inferior fehlt, und konstruiert auf dieser Grundlage den schon erwähnten Gegensatz zwischen den Corviden und den eigentlichen Singvögeln. Bei ersteren soll ja der 1 Meine Untersuchungen erstreckten sich auf fünf Amsehi (drei ^, zwei $), zwei Singdrosseln und drei Stare. 2 Setterwall, s. Literatmnachweis. 552 Richard Comad, R. cervicalis descendens inferior vorhanden sein und der Eecurrens fehlen, während bei den kleinen Singvögeln das Umgekehrte der Fall sein soll. Auch Setterwall fand, abgesehen von Krähen, Staren und Drosseln, diesen Nerven nur noch bei Muscicapa grisola und Lanius excubitor. Inwiefern tatsächlich Unterschiede zwischen diesen Arten bestehen, darüber versuchte ich mir durch Untersuchung einer grö- ßeren Anzahl von Fringilliden und Pariden Gewißheit zu verschaffen. Zu diesem Zwecke präparierte ich jedesmal mehrere Exemplare fol- gender, willkürlich herausgegriffener Passeres, nämlich Haussperling (Passer domesticus), Feldsperling (P. montanus), Buchfink {Frmgilla coelebs), Kohlmeise {Parus maior) und Blaumeise (P. coeruleus). Auch bei diesen Arten fand ich nur geringe Unterschiede, so daß hier eben- falls eine gemeinsame Besprechung geboten scheint. Auffallend ist bei sämtlichen die beträchtliche Stärke des R. cervicalis descendens superior, der, verhältnismäßig betrachtet, ein vielfaches desselben Nerven bei den Krähen erreicht. Bei den männlichen Vögeln ist dieser als breites Band an der Trachea hinunterziehende Ast kräftiger als bei den Weibchen, und beim Buchfinken z. B. wieder kräftiger als beim Sperling entwickelt. Es entspricht dieses Bild, wie sich ja auch von vornherein vermuten läßt, durchaus der verschiedenen Entwicklung der Syrinxmuskulatur. Ich möchte an dieser Stelle einige Beobchtungen einschalten bezüglich der Größe dieser Muskulatur während der Gesangs- periode und andrerseits im Winter bei Fringilla coelebs. Diese Art eignet sich zu solchen Untersuchungen besonders gut, weil im Herbst bis zum Februar der Gesang völlig ausgesetzt wird. Die betreffenden Exemplare {b(^ Winter, 6 ^ Sommer und ver- schiedene $) stammten alle aus derselben Gegend und waren auf gleiche Weise konserviert. Beim Vergleichen der Kehlköpfe ließ sich nun ein Größenunterschied in den beiden Perioden nicht erkennen. Mit der stärkeren Beanspruchung der Stimme im Frühjahr und Sommer geht also offenbar eine quantitative Aus- bildung der Muskulatur nicht Hand in Hand, ebenso wie bei einem Läufer, wenn er nach der Winterruhe sein Training wieder aufnimmt, die Beinmuskeln durchaus nicht dicker, sondern nur fester und dadurch leistungsfähiger werden. Die Bildung des Plexus cervicalis ist ganz den Befunden bei den bis jetzt untersuchten Arten entsprechend. Ich konnte trotz außer- Untersuchungen über den unteren Kehlkoi)f der Vögel. 553 ordentlicher Feinheit der Nerven in mehreren Fällen deutlich zwei Hypoglossuswurzeln, zu denen ein Ast des ersten Cervicalnerven tritt, feststellen. Über die Verbindung des Plexus cervicalis mit dem HaLssym- pathicus habe ich infolge der außerordentlich subtilen Verhältnisse nur einige, wenig sichere Beobachtungen machen können. So konnte ich beim Buchfinken eine direkte Verbindung des Halssyrapathicus Fig. IL A, Fringilla coelebs; B, rechter, C, linker Plexus cervicalis; ca., R. cervicalis ascendens; c.d.s., R. cervicalis descendens superior; r. Recurrens; R.r., Ast des Recurrens; sy, Syrinx; st.t., M. sterno- trachealis; oe, Oesophagus; v, Vagus; s, Halssynipathicus; h', erste Hypoglossuswurzel; h", zweite Hypoglossuswurzel; c, erster Cervicalnerv; g.c.s., Ganglion cervicale superius; g.p., Ganglion pe- trosuin; g. Glosso-pharyngeus; /, R. lingualis N. glosso-pharyngei ; A.c., X. hypoglosso-cervicalis; c.d.i., R. cervicalis descendens inferior; ph, R. pharyngeus X. glosso-pharyngei. mit der zweiten Hypoglossuswurzel feststellen (Fig. II, B, s und Ji"), in ähnlicher Weise wie bei Corvus und Turdus. Dagegen schien in einem Falle bei Passer domesticus eine Verbindung mit dem ersten Cervicalnerven vorzuliegen. Auch bei diesen Formen beobachtete ich stets einen Faseraus- tausch zwischen N. hypoglosso-cervicalis und N. vagus an der Über- kreuzungsstelle. Dieser Faseraustausch ist, wie bei der Besprechung der Corviden erwähnt, von den meisten älteren Autoren angenommen Zeitsclirift f. wissensch. Zoologie. CXIV. Bd. 36 554 Eichard Conrad. worden, während Setterwall ihn ganz allgemein leugnet. Ebenso sah ich stets einen, dem R. cervicalis descendens inferior entsprechen- den (Fig. II, B, c. d. i.), allerdings äußerst feinen Nerven, welcher dorsal oder ventral vom Vagus aus dem N. hypoglosso-cervicahs hervor- kam, und etwa nur ein Drittel der Stärke des R. cervicalis descendens superior hat; dieser Ast liegt, ganz wie bei den Krähen oder Drosseln, dem Vagus dicht auf und ist durch Bindegewebe mit ihm verbunden. ■ c.ds tn- v. R.r. st.t^--/--^ sy- 6^ --'-"____ Fig. IIa. Xervenversorgung der Syrinx von Fringilla coelebs. c.d.s., E. cervicalis descendens superior; tr, Trachea; st.t., M. sterno-tracliealis; sy, Syrinx; br, Broncliien; v, Vagus; r, Recurrens; R.r., Ast des Recurrens. Gewöhnlich verschmilzt er mit dem Vagus, nachdem er ihn ein län- geres oder kürzeres Stück begleitet hat, ohne später nach der Syrinx abzugehen. Es ergibt sich hier dasselbe Bild, welches Haecker ein- mal als Ausnahmefall bei Pica caudata beobachtet hat (vgl. oben S. 549). Bei F. coelebs sah ich in einem Falle den R. cervicahs descen- dens inferior etwa in der Mitte des Halses vom Vagus abgehen und in die Nackenmuskulatur eindringen. In andern Fällen, nämlich bei je einem Exemplar von Passer rntcrsuchunm'ii iilx r iK'u imtcnMi Kclilkoiif der Yöpfl. 555 domesticus und F. coelehs, konnte ich aber den R. cervicalis descendens inferior auf demselben "Wege wie bei Corvus oder l'urdus bis in die Nähe der 8\Tinx vordringen sehen, olme aber sein Eintreten in die 8yrin.\inuskidatur direkt beobachten zu können. Im übrigen finden sicli hier wieder dieselben Verschiedenheiten der beiden »Seiten wie bei den Corviden, so beobachtete ich z. B. bei demselben Exemplar, bei dem ich den R. cervicalis descendens inferior rechts in die Nacken- muskulatur eintreten sah, links den Fall, daß dieser Nerv bis in die unmittelbare Nähe der Syrinx vordrang. Jedenfalls gewann ich die Überzeugung, daß auch bei diesen Formen eine Beteiligung des stets vorhandenen R. cervicalis de- scendens inferior an der Innervation der Syrinx vorkommen kann. Mit dieser Ansicht decken sich auch die Beobachtmigen Setterwalls bei Muscicapa grisola und Lanius excuhitor, der hier, wie schon er- wähnt, eine Versorgung des unteren Kehlkopfes durch beide Äste des N. h}^oglosso-cervicaHs fand. Ein »ganglion syringien«, das Thebault bei F. linaria bestimmt gesehen haben will, konnte ich auch bei dieser Gruppe ebensowenig wie Setterwall entdecken. Der R. cervicalis descendens superior teilt sich vielmehr ohne eine solche Bildung, ein Stück rostral von der Syrinx, in zwei Hauptäste, welche jedoch häufig miteinander anastomosieren. Diese verzweigen sich dann in ganz unregelmäßiger Weise weiter. Nur der M. sterno- trachealis wird hier ebenfalls, wie in den entsprechenden Fällen bei Krähen und Drosseln, ausschließlich von dem dorsalen Hauptaste innerviert. In den meisten Fällen konnte ich auch einen sehr feinen Ast vom N. vagus recurrens zur Syrinx ziehen sehen, der den zugehörigen Gefäßstrang begleitet und sich innerhalb der Muskulatur verzweigt. In einem Falle konnte ich eine Anastomosierung mit den übrigen Syrinxnerven beobachten. Daß eine solche regelmäßig vorkommt, läßt sich aber bei der außerordentlichen Feinheit der Nerven nur als wahrscheinlich hinstellen, ebenso wie die Annahme, daß sich der Re- currens bei den kleinen Passeres überhaupt immer an der Innervation des Syrinx beteihgt. Diese Vermutung würde sich mit der Schilde- rmig von Thebault decken, nach welcher der Recurrens stets vor- handen ist und nur wegen seiner außerordentlichen Feinheit nicht immer wahrgenommen werden kann. Wegen technischer Schwierig- keiten hat auch Setterwall diese Frage nur unvollständig lösen können. Er hat in vielen Fällen einen dünnen Ast vom Recurrens zur Syrinx ziehen sehen. Als bewiesen gibt er aber dessen Beteiligung 36* 556 Richard Conrad, an der Innervation von sämtlichen Arten, die er überhaupt unter- sucht hat, nur für Turdus merula, T. pilaris und Lanius excuhitor an. Der auffallendste Unterschied der eben betrachteten Formen zu den früher besprochenen besteht also darin, daß der, wie ich im Gegen- satz zu Thebault und Setteewall für die kleinen Passeres an- nehmen muß, wohl immer vorhandene R. cervicalis descendens inferior die Syrinx in den meisten Fällen nicht erreicht. Eine große physiologische Bedeutung hat natürlich dieser Umstand nicht. Denn es werden der Syrinx durch den, wie wir sahen, sehr starken R. cervicalis descendens superior allein qualitativ und quantitativ vermutlich dieselben Elemente zugeführt, wie sonst durch R. cervi- calis descendens superior und R. cervicalis descendens inferior zu- sammengenommen. Da sämtliche bisher beschriebenen Formen zur Familie der Pas- seres gehören, läßt sich die große Ähnlichkeit in der Nervenversorgung des Stimmapparates vielleicht durch diese Zusammengehörigkeit er- klären. Es war daher naheliegend, einmal Angehörige andrer, und zwar im Gegensatz zu der für diese Untersuchungen allgemein bevor- zugten Familie, recht tiefstehender und in bezug auf die Syrinxnerven überhaupt noch nicht untersuchter Arten heranzuziehen. 2. Colymbiformes (Podiceps minor, P. cristatus, Colymbus arcticus). Da ich Gelegenheit hatte, mehrere Exemplare vom kleinen Fluß- taucher {Podiceps mmor) und Haubentaucher (P. cristatus) zu be- kommen, wandte ich mich zunächst der, in bezug auf die Syrinxnerven überhaupt noch nicht untersuchten, Ordnung der Colymbiformes, und zwar der Familie der Podicipidae zu, welche durch ihre niedere Or- ganisationsstufe und — was hier besonders interssiert — durch den Bau der Syrinx bedeutend von den Passeres abweicht. Daß es sich tatsächlich bei den Colymbiformes um eine tiefstehende Gruppe han- delt, wird von allen Systematikern anerkannt. Unter anderm ist als relativ primitives Merkmal aufzufassen, daß — abgesehen von den, an den Kanten der Trachea herablaufenden, äußerst dünnen M. sy- ringo-tracheales — • nur ein paar M. sterno-tracheales zu versorgen sind. Trotz dieser einfachen Muskulatur fand ich nun bei P. minor (zwei Exemplare) ein ähnliches Schema der Nerven - Versorgung wie bei den bisher betrachteten Formen. Der N. hypoglosso-cervicalis wird bei dieser Art ebenfalls durch das Zu- sammentreten von zwei Hypoglossuswurzeln, von denen die etwa dreifach so starke zweite eine direkte Verbindung mit dem zum Sym- Untcrsiuhungen über cIlu unteren Kelilkopf iler V'ügel. 557 pathicussysteni gehörigen Canglion cervicale supremuin (Fig. Illa, g. c. s.) aufweist, und einem Aste des ersten Cerviealnerven gebildet {h', h", c). Letzterer tritt hier allerdings erst mit den hypoglossalen Elementen in Verbindung, nachdem der Stamm des -^^ "^"r^ Hypoglossus an der Über- kreuzungsstelle durch Zuzug vom Vagus verstärkt worden ist, und zwar ventral von die- sem Nerven. Beinahe an der- selben Stelle geht der R. cervicalis descendens inferior ab, so daß es fast den An- schein erweckt, als sei letz- terer der erste Cervicalnerv, der nur durch Bindegewebe mit dem N. hypoglosso-cervi- calis zusammenhängt. Die- sen Fall, der bei P. minor bei beiden Exemplaren auf beiden Seiten gefunden wurde, hatten wir als Ausnahme auch schon bei den sämtlichen bis- her besprochenen Arten ken- nen gelernt. Bei genauer Nachprüfung mittels der Zupf- methode stellte sich allerdings heraus, daß ein teilweiser Übergang von Fasern an der Überkreuzmigsstelle stattfin- det, und daß mindestens der R. cervicalis descendens infe- rior einige Fasern vom Hypo- glossus und Vagus aufninunt. Der R. cervicalis descen- dens inferior und der etwa ebenso starke R. cervicalis descendens superior vereinigen sich bei P. minor ein wenis rostral vom Ansatz des M. sterno-trachealis. Bei den zwei Exemplaren, die mir zur Verfügung standen, teilten sie sich sofort wieder in zwei Äste, von denen der eine sich in dem M. sterno- c.d.i Podiceps minor, ca., R. cervicalis asccmlens; c.d.s., R. cervicalis descendens superior; tr, Tracliea; oe, Ocsoplia- gus; iJ.r., Ast des Recurrens; «<.<., M. sterno-trachealis; S!/, Syriux; br, Bronchus; r, Recurrens; c.d.i., R. cervi- calis descendens inferior; v, Vagus. 558 Richard Conrad, trachealis weiter verzweigte, während der andre mit dem R. recurrens N. Vagi anastomosierte (Fig. III, R. r.). Dieser tritt, wie bisher stets, etwas caudal vom Ansatz des M. sterno-tracheahs zur Syrinx und breitet sich auf der Außenfläche dieses Organs aus. Bei einem Exem- plar, das in bezug auf die Syrinxnerven rechts und links gleiche Ver- hältnisse zeigte, konnte ich einen etwas stärkeren Zweig des R. recur- rens N. Vagi bis zum Vereinigungspunkte der beiden Cervicaläste verfolgen, wo er mit diesen verschmolz. Es ist auffallend, daß Fig. III a. Plexus cervicalis des Flußtauchers (Podiceps minor), h', erste Hypoglossuswurzel; h", zweite Hy- poglossus Wurzel; s, Halssympathicus ; c, erster Cervicalnerv; c.d.i., E,. cervicalis descendens inferior; h.e., N. hypoglosso-cervicalis; v, Vagus; g.c.s., Ganglion cervicale superius; g.p., Ganglion petrosum; vg, Vaguszuschuß zum N. glosso-pharyiigeus; g, Glosso-pharyngeus; 1, R. lingualis N. glosso-pha- ryngei; Ac, N. hypoglosso-cervicalis; p.h., 11. pharyngeus X. glosso-pharyngei. diese so niedrig stehende Art bis in kleine Einzelheiten hinein dasselbe Bild liefert, wie die am höchsten stehen- den Formen. Als hauptsächliche Ausnahme kann nur hervorge- hoben werden, daß die beiden Cervicaläste relativ schwächer, der Ast des Recurrens dagegen relativ stärker ausgebildet ist. Um so sonderbarer mutet es an, daß eine nahe verwandte Art, P. cristatus, gänzlich andre Verhältnisse zeigt. Ich dachte deshalb bei dem ersten Exemplar, einem Männchen, zuerst an individuelle Unterschiede, nach Art der früher erwähnten. Untersuchungen libei- den unteren Kehlkopf der Vögel. 559 doch fand ich bei uocli zwei Mäimelieu und einem Weibchen über- einstimmend folgendes (Fig. IV^a). Nur mit Mühe lassen sich zwei Hypoglossuswurzeln unterscheiden, da sie fast unmittelbar nach ihrem Austritt aus dem Schädel einen gemeinsamen Stamm bilden. In einem Falle sah ich die stärkere zweite Wurzel durch einen Zweig mit dem Halssympathicus (Fig. IVa, s) anastomosieien, in den beiden andern Fällen dagegen eine direkte Verbindung mit dem Stamme des Hypoglossus. Kurz, bevor der Hypoglossus den Vagus kreuzt, bildet er mit dem Aste des ersten Cervicalnerven (c), der bei dieser Art sogar den vereinigten Hypoglossusstamm an Stärke übertrifft, den Hypo- glosso-cervicalis (hc). Dieser überschreitet hier den Vagus, ohne von ihm Fasern aufzunehmen. Ebenso fehlt jede Spur eines R. cervicalis descendens inferior, wie ich bei allen drei Exemplaren mit Sicherheit feststellen konnte. Vielmehr geht die gesamte Masse des N. hypoglosso-cervicalis in zahlreichen Windimgen zum oberen Kehlkopf und verzweigt sich hier in einen starken Ramus cervicalis ascendens (Fig. IV, c. a), der zur Zunge geht, und in zwei, kurz hinter- einander, zur Trachea abgehende Äste von der halben Stärke (Fig. IV, a', a"), die eine kurze Strecke nebeneinander herlaufen und dann zu einem R. cervicalis descendens superior zusammentreten, nachdem der ventrale Ast einen sehr dünnen Teilast an die Unterfläche der Zunge abgegeben hat. Der R. cervicahs descendens superior verläuft nun in der bekannten Weise an der Kante der auch hier dreiseitigen Trachea innerhalb des sehr schmalen, an der ganzen Länge der Tra- chea verlaufenden, M. syringo-trachealis hinab. Auf seinem Wege zur Syrinx erhält nun weiter der R. cervicalis descendens superior mehrere, metamer angeordnete Zweige von dem R. pharyngeus N. glosso-pharyngei (Fig. IV, ])h), bzw. nach dessen Teilung in zwei, parallel am Oesophagus herablaufende Äste, von dem ventralen Aste, der seinerseits wieder mehrfach mit dem etwas stärkeren, dorsalen anastomosiert. Trotzdem bleibt der R. cervicalis descendens superior in seiner relativen Gesamtstärke beträchtlich hinter dem entspre- chenden Nerven, z. B. bei den Krähen, zurück, obwohl diese den Zu- wachs aus dem Glosso-pharyngeus nicht aufweisen. Ob diese Zu- züge der Syrinx wirklich ein neues, bisher noch nicht beob- achtetes Element zuführen, darüber soll in der Schlußbetrachtung ein Urteil gefällt werden. Wie in allen bisherigen Fällen findet ein wenig rostral vom Ansatz des M. sterno-trachealis eine Teilung statt. Diesmal versorgt aber der ventrale Ast den M. sterno-trachealis. Der dorsale, der mit dem ventralen eine kurze Schlinge bildet, läßt sich 560 Richard Conrad, noch ein Stück auf der Außenfläche der Syrinx verfolgen. Er hegt hier immer noch innerhalb des langen M. syringo-tracheaHs, welcher caudal noch etwas über dem Ansatz des M. sterno-trachealis hinabreicht. Fig. IV. Podiceps cristatus. ca., R. cervicalis ascendens; a'a", bilden den R. cervicalis descendens superior; c.d.s., R. cervicalis descendens superior; tr, Trachea; r', erster Ast des Recurrens; r", zweiter Ast des Recurrens; st.t., M. sterno-trachealis; sy, Syrinx; /, Recurrens; oe, Oesophagus; v, Vagus; ph, R. pharyngeus Jv. glosso-pharyngei. Untersuchungen iibi-r den unteren Kelilkopi der Vögel. 561 Der N. vagus iccuiicns gibt bei l\ crisiatus mehrere Aste zur Syrinx ab. Bei einem Exemplar sah ich drei Aste, konnte aber vom dritten eine BeteiUgmig an der Innervierung nicht feststellen. Ge- wühnUch fand ich zwei, von denen der eine (Fig. IV, r') etwas rostral von der Tracheabifurkation unter rechtem Winkel vom Kecurrens abc^ing und dann, scharf umbiegend, zum Ansatz des M. sterno-tra- cheaUs zog, wo er mit den Zweigen des R. cervicaUs descendens supe- rior anastomosierte. Dieser Ast des Recurrens entspricht nach seinem h. h. Fig. IV a. Plexus cervicalis des Haubentauchers (P. cristalus). h', erste Hypoglossuswurzel ;IA", ''zweite Hy- poglossuswurzcl; s, Halssynipathicus; c, erster Cervicalnerv ; v, Vagus; g.c.s., Ganglion cervicale superius; g.p., Ganglion petrosum; /, K. lingualis X. glosso-pharyngei ; A.c., X. hypoglosso-cervlcalis; p.h., R. pharynt;eus X. glosso-pharyngei. Verlauf, besonders da er zugleich mit dem syringealen Gefäßstrang in die Syrinx eintritt, dem bisher bei allen Formen gefundenen. Ein zweiter Ast (r") verläßt nun bei P. cristatus den Recurrensstamm rostral vom Ansatz des M. sterno-trachealis und zieht geschlängelt über den Oesophagus hinweg zu dem genannten Muskel hin. Hier niunnt er unter Verschmelzung mit dem dorsalen Aste des Cervical- nerven (s. oben) an der Innervation teil. Die beiden Äste des Re- currens sind gleich dick, mit bloßem Auge deutlich wahrnehmbar 562 Richard Conrad, und erreichen zusammen etwa die Stärke des R. cervicalis descendens superior. Jedenfalls ist der Anteil des Recurrens an der Innervation ebenso wie bei P. minor bedeutend höher einzuschätzen als bei den Passeres, zumal die Aste des N. hypoglosso-cervicalis schwächer als sonst ausgebildet sind. Ganz entsprechende Verhältnisse wie bei P. cristatus fand ich bei einem Exemplar des nordischen Seetauchers (C arcticus), dessen Größe die Vergleichung sehr erleichterte. Bei allen drei Taucherarten ließ sich ebenfalls wie bei den Pas- seres das Zusammenlaufen des Recurrens mit dem dorsalen Aste des Glosso-pharyngeus gut beobachten. Es ist auch versucht worden, dies in der Zeichnung zum Ausdruck zu bringen. 3. Procellariiformes (Fulmarus glacialis). Zwei Eissturmvögel 1 {Fulmarus glacialis), die ich von der Königl. Biologischen Station auf Helgoland Anfang Januar 1914 bekam, boten in bezug auf die Innervation der Syrinx nichts Neues. Die in Betracht kommenden Nerven zeigen, was ihre Stärke und gegenseitige Lage anbelangt, im großen und ganzen dieselben Verhältnisse, wie wir sie eben bei P. cristatus kennen gelernt haben. Doch konnte ich bei bei- den Exemplaren im Gegensatz zu P. cristatus, bei welchem jede Spur eines R. cervicalis descendens inferior fehlt, einen gewissermaßen rudimentären R. cervicalis descendens inferior beobachten, insofern dieser die Syrinx nicht erreicht, sondern schon vorher mit dem Vagus verschmilzt. Es ergibt sich hier also ein ähnlicher Fall, wie wir ihn bei Fr. coelebs (Fig. IIb, c. d. i.) kennen lernten. Ein weiterer Unter- schied zu P. cristatus besteht darin, daß der Glosso-pharyngeus hier nicht mit dem R. cervicalis descendens superior anastomosiert. 4. Accipitriformes (Cerchneis tinnuucnlus). Bei Cerchneis tinnunculus fand ich eine dreifache Versorgung der Syrinx durph R. cervicalis descendens superior, R. cervicalis de- scendens inferior und einen sehr feinen Ast des R. recurrens N. vagi. Der Plexus cervicalis (Fig. VI, 3) setzt sich wie meist aus zwei Hypo- glossuswurzeln und einem, diesmal recht schwachen Ast des ersten Cervicalnerven zusammen. Der R. cervicalis descendens inferior zweigt schon vor der Überquerung des Vagus vom Haüptstamm des N. hypoglosso-cervicalis ab, und verläuft lateral oder eher dorsal vom ^ Ein junges und ein älteres ö. Untersuchungen ülur dm unteren Kehlkopf der Vögel. 5G3 N. vagus abwärts (Fig. VI, 3, c.d.i.). Der Hauptstamm des N. hypo- glosso-cervicalis, welcher den Vagiis ohne Faseraustausch überquert, gibt nacheinander nicht weniger als drei feine Äste zur Bildung des R. cervicalis descendens superior ab. Diese anastoniosieren mehr- fach untereinander, erhalten einen feinen Zweig vom R. pharyngeus N. glosso-pharyngei und bilden überhaupt nur eine kurze Strecke weit einen einheitlichen Nerven, der sich bald wieder in zwei dicht nebeneinander an der Seite der Trachea hinablaufende Äste teilt. In geringer Entfernung von der Syrinx vereinigen sich diese wieder und nehmen den fast rechtwinklig vom Vagus abgehenden R. cervicalis descendens inferior auf, der wegen der außerordentlichen Ausdeh- nungsfähigkeit des Oesophagus bei dessen Übercpierung einen sehr stark gewTindenen Verlauf zeigt. Im Ansatz des M. sterno-trachealis geht ein aus den drei Elementen gemischter, ventraler Zweig in diesen Muskel, während der ähnlich zusammengesetzte dorsale Ast sich im M. tracheo-bronchialis verzweigt. Dieser tritt mit dem, auf dem gewöhnhchen AVege, zugleich mit dem syringealen Gefäßstrange an- kommenden R. recurrens in Verbindung. Die große Weite des Oeso- phagus bringt es mit sich, daß bei dieser Art ein Zusammenlaufen eines Astes des Glosso-pharyngeus mit dem Recurrens nicht zu beob- achten war. Denn beide Nerven verästeln sich vielfach auf der Speise- röhre und verzehren sich, ehe sie einander nahe gekommen sind. 5. Galliformes ((jallus Bankiva). Bei Gallus Bankiva überkreuzt der N. hypoglosso-cervicalis den Vagus, ohne einen Fase raus tausch an der Überkreuzungsstelle einzugehen, auch gibt er keinen R. cervicalis descendens inferior ab (vgl. Podiceps cristatus und Colymhus arcticus) und geht auch keine Verbindmig mit dem Glosso-pharyngeus ein. Der Recurrens gibt hier, wie meistens, nur einen, zugleich mit Vena und Arteria syringea zur Syrinx tretenden. Zweig ab, breitet sich beim Ilaushuhn auf dem Kröpfe aus und verzehrt sich, indem er die Muskulatur dieses Organs versorgt, während der Glosso-pha- ryngeus nur gerade bis zum Kröpfe hinabreicht, ohne, soweit dies mit der Lupe zu erkennen ist, mit dem Recurrenszweige Anastomosen zu bilden. 6. Ralliformes (Fulica atrai. Das Bläßhuhn {Fulica afm), zu dessen Beschreibung ich jetzt übergehe, ist in mehrfacher Hinsicht insofern von besonderem Inter- 564 Richard Conrad, :>. st.t^--- Fig. V. Ftdica atra. ca., R. cervicalis ascendens; h.c, N. hypoglosso-cervicalis; g, N. glosso-pharyngeus; a. Brücke zwischen R. cervicalis descendens superior und dem ventralen Aste des N. glosso-pharyn- geus; edd., E. cervicalis descendens inferior; c.d.s., R. cervicalis descendens superior; (r., Trachea; b.r.. Brücke zwischen den beiderseitigen R. cervicales descendentessuperiores; r, K. vagus recurrens; R.r., Ast des Recurrens; sy, Syrinx; SU., M. sterno-tracliealis; oe, Oesophagus; i^.^Vagus; g.d., dorsaler Ast des X. glosso-pharyngeus. Untersuchungen über den unteren Kelilkonf der VögeL 565 esse, als sich bezüglich der Iiuiorvation des unteren Kehlkopfes einer- seits Anklänge an den Typus der Passeres finden, andrerseits aber ge^visse Besonderheiten von P. cristotus damit kombiniert sind. An die Passeres erinnert die Bildung des Plexus cervicalis (Fig. Va). Zwei Hypoglossuswurzeln {h', h"), von denen wiederum die zweite stärkere eine dünne Verbindung mit dem Halssympathicus (s) aufweist, treten mit einem Aste des ersten Cervicahierven zum N. hypoglosso-cervicalis Fig. Va. Plexus cervicales des Bläßhuhns (Fuliea atra). «, Halssympathicus; h', erste Hypoglossuswurzel; h", zweite Hj-poglossuswurzcl; c, erster Cervicalnerv; h.c, N. hypoglosso-cervicalis; c', cervicaler Nerv; c.d.i., K. cervicalis descendens inferior; v, Vagus; g.c.s., Ganglion cervicale superius; g.p., Ganglion petrosum; g, Glosso-pharyngeus; l, ß. lingualis X. glosso-pharyngei; p.A., treten zum K. pharyngeus N. glosso-pharyngei zusainmen; h.c, X. hypoglosso-cerv'icalis. zusammen. Dieser nimmt da, wo er den Vagus kreuzt, Fasern von diesem auf und gibt gleichzeitig einen sehr feinen R. cervicalis de- scendens inferior ab, welcher dem Vagus dicht aufliegt und bald völüg mit ihm verschmilzt, ohne wieder aus diesem Nerven hervorzutreten, so wie wir es bei Fringilla coelebs und Fuhmirus glacialis gesehen haben. Bei einem von fünf Exemplaren erhielt der N. hypoglosso- cervicalis der einen Seite an der Überkreuzimgsstelle noch einen dün- nen Zweig cervicaler Natur (c'), der etwa 5 mm caudal vom Ursprung 566 Richard Coiu'ad, des ersten Cervicalnerven aus der Halswirbelsäule hervorkam. Der N. hypoglosso-cervicalis teilt sich in der Nähe des Larynx in der ge- wöhnlichen Weise in einen R. cervicalis ascendens (Fig. V, c. a.) und einen schwächeren R. cervicalis descendens superior. Die geringe Dicke des letzteren und der Umstand, daß der CTlosso-pharyngeus bald in kleinerem, bald in größerem Abstand von der Stelle, wo er den N. hypoglosso-cervicalis überkreuzt, mit dem R. cervicalis des- cendens superior durch eine quer zu Oesophagus und Trachea ver- laufende Anastomose («) in Verbindung steht, erinnert lebhaft an die Verhältnisse bei P. cristatus oder C. arcticus (Fig. IV). Bei Fulica atra ist es speziell der dorsale Hauptast des R. pharyngeus N. glosso- pharyngei, welcher durch einen stark gewundenen, ziemlich kräftigen Zweig mit dem R. cervicalis descendens superior in Verbindung tritt, während bei PodicejJS cristatus, wie wir sahen, die Verbindung eine mehrfache ist und im wesentlichen durch den ventralen Ast des R. pharyngeus N. glosso-pharyngei vermittelt wird. Etwas rostral vom Syrinx weisen die beiderseitigen R. cervicales descendentes superiores eine schwache Brücke (Fig. V, hr.) auf, ehe sie in die M. sterno-tra- cheales eindringen. Die Nerven lassen sich als einheitliche Stämme, die fortgesetzt feine Zweige abgeben, weit in die langen Muskeln hinein verfolgen. Vom Recurrens geht auch bei Fulica ein starker Ast auf dem gewöhnlichen AVege, zugleich mit Vena und Arteria syringea, und zwar in dem Winkel zwischen M. sterno-trachealis und Trachea zum unteren Kehlkopf und anastomosiert hier mit dem R. cervicalis de- scendens superior. Das aus beiden Nerven gebildete Geflecht breitet sich auf der Oberfläche der Syrinx aus. Was den Anteil, den R. cervicalis descendens superior und R. re- currens an der Innervation nehmen, anbelangt, so soll hinzugefügt werden, daß ähnlich wie bei P. cristatus dem Recurrensast mindestens die Hälfte zuzuschreiben ist. Weiter ist- hervorzuheben, daß bei F. atra die Beteiligung eines auffallend starken Recurrensastes an der Innervation der Syrinx und das Zusammenlaufen des ebenfalls äußerst kräftigen N. vagus recur- rens selbst mit dem dorsalen Ast des Glosso-pharyngeus hier beson- ders leicht zur Beobachtung gelangt. Der Recurrens (Fig. V, r) reicht kopfwärts, durch Abgabe von Zweigen an die Muskulatur des Oeso- phagus allmählich schwächer werdend, bis etwas über die Mitte des Halses hinauf. Ein Stück caudal von seinem Ende begegnet ihm der dorsale Ast des Glossopharyngeus (Fig. V, g — d), der auch seiner- l'ntorsuclumgon lilnr den iint<.-n'ii KililUopf der Vögel. 567 seits durch Abgabe von Asten allinälilieli dünner geworden ist. Die beiden Nerven sind hier mit ihren Scheiden so eng verwachsen, daß sie ohne Zerreißung nicht zu treinien sind. Dieses eigentümliche Zusaninienhiufen von zwei Nerven mit entgegengesetzter Richtung fand sich schon bei den Corviden und überhaupt bei allen Formen, welche keinen Kropf {Columba, GaUiis) oder besonders weiten Oeso- phagus {Cerchneis) besitzen. 7. Laro-Limicolae (Rissa tridactyla, Laras mariuns, Alca tordai. Die aus der Ordnung der Laro-Limicolae untersuchten Arten {Rissa tridüctijh, Larus marinus, Alca tarda) sind weniger interessant, da sie mehr oder weniger mit einer der schon beschriebenen Formen übereinstimmen. Zwei verschiedene Mövenarten, nämlich Dreizehenmöve {Rissa tridactyla) und Mantelmöve {Larus marinus) wiesen dasselbe Schema der Nervenversorgung auf, soviel ich an den drei mir zur Verfügung stehenden Exemplaren sehen konnte. Bei ihnen ist ein rudimentärer, mit dem Vagus vollkommen verschmelzender R. cervicalis descendens inferior vorhanden, wie war ihn z. B. bei Fulica (Fig. V, c. d. i.) ge- sehen haben. Ein Faseraustausch an der Überkreuzungsstelle findet nicht statt. Dagegen ließ sich auch hier je ein Ast des Recurrens nachw^eisen, wel- cher mit dem R. cervicalis descendens superior zusammen die Syrinx versorgt. Sow-eit stimmen diese Mövenarten mit Fulica atra überein, ebenso was die relative Stärke der Nerven anbelangt. Ein Unter- schied besteht eben darin, daß der Glosso-pharyngeus keinen Ast zum R. cei"vicalis descendens superior abgibt. Der Tordalk {Alca tarda), von dem ich zwei Exemplare unter- suchte, die leider schon etwas maceriert ankamen, erinnert trotz der systematischen Verwandtschaft, w^elche zwischen den Lari und Alcae angenommen wird, sehr wenig an die Verhältnisse bei den Müven, vielmehr würde er eher mit Podiceps cristatus mid teilweise mit Ful- marus glacicdis zusammenzustellen sein, wenn nicht auch hier wieder gewisse Unterschiede vorkämen. Speziell an P. cristatus erinnert die ganze Anordnung des Plexus cervicalis (Fig. IV, 1), das Fehlen eines Vaguszuschusses, das völlige Fehlen eines R. cervicalis descendens inferior, sowie der Umstand, daß der Recurrens Äste zur Syrinx ab- gibt. Auch die relative Stärke der einzelnen Nerven ist ungefähr die gleiche wie bei P. cristatus. Dagegen fehlt bei Alca tarda, ähnhch wie bei F. glacicdis, die Abgabe von Ästen des Glosso-pharyngeus an 568 Richard Conrad, h.c. a{r) 4 &(Z) 5 Fig. VI. Plexus cervicales (rechte Seite) von 1. Alca torda, 2. Columba Livia, 3. Tinnunculus alaudarius, 4. Corvus frtigüegus, rechte und linke Seite desselben Tieres, 5. Corvus corone. li erste Hypoglos- suswurzel, h", zweite Hypoglossuswurzel; c, erster Cervicalnerv; v, Vagus; h.c, N. hypoglosso- cervicalis; c.d.i., R. cervicalis descendens inferior. Untersuchungen über den imteren Kthlko])f der Vögel. 5G9 den R. cervicalis descendons suiHM-ior, wälireiul P. crislatus, wie wir sahen, mehrere solche aufwies. 8. Colambao (Columha Lirin). Die Haustaube {Columba Livia) erinnert sehr an das Haushuhn, wenn man die Stärke der Syrinxnerven vergleicht. Im übrigen da- gegen zeigen sich Anklänge an das bei den Finken beobachtete Schema, insofern auch hier der R. cervicahs descendens superior und ein Ast des Recurrens die Syrinx versorgen, während der R. cervicalis de- scendens inferior rudimentär ist. Interessant ist die Bildung des Plexus cervicalis (Fig. IV, 2), Die beiden verschieden starken Hypoglossuswurzeln {h' und h") treten gesondert in den Vagus ein, verlaufen ein Stück innerhalb desselben und verlassen ihn dann erst mit Vaguselementen gemischt als ein- heitlicher Stamm, der erst jetzt einen kräftigen Ast des ersten Cervical- nerven (c) empfängt. Der gebildete Hypoglosso-cervicalis gibt jetzt zwei feine Äste ab, w^elche durch Zuzug vom Vagus verstärkt einen R. cervicalis descendens inferior bilden, der bald wieder mit dem Vagus verschmilzt. In folgender Tabelle (S. 570) habe ich versucht, die Unterschiede der einzelnen, von mir untersuchten Arten in bezug auf die Beteiligung der einzelnen Nerven an der Innervation der Syrinx übersichtlich zusam- menzustellen. II. Die Ganglienbildung am Schädel. Ehe ich dazu übergehe, die Resultate der vorliegenden Unter- suchungen zusammenzufassen, möchte ich noch in Ergänzung der allgemeinen, allerdings nur durch sehr schematische Abbildmigen unter- stützten Darstellung bei Bronn-Gadow auf die beigegebenen Abbil- dungen der Plexus cervicales mid der Ganglien am Schädel auf- merksam machen. Auffallend ist die große Gleichförmigkeit dieser Bildungen, welche eine zusammenfassende Beschreibung passend er- scheinen läßt. Der Vagus erscheint, wenn man ihn durch das Foramen jugulare hindurch verfolgt, bis zu seinem Ursprung aus der Medulla oblongata als einheitlicher Stamm, während der dicht daneben hervorkonnnende Glosso-pharyngeus stets zwei oder mehrere Wurzeln zeigt, die auch getrennt den Schädel durchsetzen. Das bei Bronn-Gadow erwähnte »G. jugulare N. glosso-pharyngei<< konnte ich bei keiner der von mir untersuchten Formen am entkalkten Präparat auffinden, ebenso nicht Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. fXIV. Bd. 37 570 Richard Conrad, Abgabe voa K. cerv. desc. E,. cerv. desc. inf. Kecurrensast Vaguszuschuß zum Hypoglosso- Ästen des Glosso- pharyngeus zum sup. cervicalis E.. cerv. desc. sup. Corvus (+) (+) (+) (+) (-) Turdus (+) (+) (+) (+) (-) Passer (+) (+) (+) (-) Fringilla coe- erreicht den lebs (+) 1 Syrinx nicht (+) (+) (-) Parus (+) (+) (+) (-) Sturnus vul- garis (+) (+) (+) (+) (-) Columha Li- erreicht den via (+) Syrinx nicht (+) (+) (-) Alc% torda (+) (-) mehrere Äste (-) (-) Larus mari- nus (+) (+) (-) (-) Risset, tridac- tyla (+) erreicht den Syrinx nicht (+) (-) (-) Fulica atra {+) (+) (-) ein Ast Gallus Ban- kiva (+) (-) (+) (-) (-) Cerchneis tin- nunculits (+) (+). (+) (-) (-) Fulmarus gla- erreicht den melirere Cialis (+) Syrinx nicht Äste (-) (-) Podiceps mi- • nor (+) (+) (+) (+) (-) Podiceps cri- status Colymbmarc- (+) (-) ■ zwei Äste (-) mehrere Äste ticus (+) (-) (-) ( + ) bedeutet vorhanden. ( — ) bedeutet fehlt. Untersuchungen über den unteren Kehlkopf der Vögel. 571 das benachbarte »G. radicis N. vagi«, welches mit dem ebenerwähiitcn verbunden sein soll. Allerdings ist das Verfolgen von Nerven auch durch den entkalkten Schädel so schwierig, daß ein Irrtum meiner- seits nicht ausgeschlossen ist. Eine endgültige Entscheidung könnte nur auf 8chnittpräparaten geliefert werden, da diese Ganglienanschwel- lungen jedenfalls recht unbedeutend sind. Einige Wurzeln des Glosso-pharyngeus passieren dann das große sympathische G. cervicale supremum, welches stets eine feine Verbin- dung mit der zweiten Hypoglossuswurzel, vielleicht auch in seltenen Fällen mit dem ersten Cervicalnerven aufweist (z. B. Fig. I, g.c.s.). Bei Fringilla coeJehs und Podiceps cristatus sah ich es außerdem mit dem Vagus durch einen kurzen, dicken Ast verbunden (Fig. II, B, IVa). Beim Durchgang des Glosso-pharyngeus durch das Ganglion findet nur teil- weise ein Faseraustausch statt. Denn oft läßt sich gewöhnlich eine der Glosso-pharyngeus-Wurzeln ohne weiteres aus dem Ganglion her- ausziehen. Man sieht dann ein rmides Loch mit glatten Rändern, so daß in diesem Falle ein Faseraustausch wohl ausgeschlossen erscheint. Die Wurzeln des Glosso-pharyngeus schwellen dann bei den Corviden, ebenso wie bei Turdus merula, T. musicus, Sturnus vulgaris, Passer domesticus, P. montanus, Fringilla coelehs und auch bei Podiceps minor sofort, caudal oder mehr ventral vom G. cervicale supremum zu einem bedeutend kleineren Ganglion von rötUcher Farbe an, welches nach Bronn-Gadow dem >>G. petrosum<< der Säuger entspricht (z. B. Fig. I, g. p.). Bei allen anderen Formen, z. B. bei P. cristatus, F. atra, in einigen Fällen auch bei F. coelehs auf der linken Seite (Fig. II, C) wird dieses Ganglion erst in größerer Entfernung vom G. cervicale supre- mum gebildet. Wie aus der ganz unregelmäßigen Verbreitmig der beiden Typen hervorgeht, dürften solche Einzelheiten wohl kaum eine besondere Bedeutung haben. Der Glosso-pharyngeus verläßt das Ganglion petrosum als ein- heitlicher Stamm, der gewöhnlich erst jetzt vom Vagus einen Ast erhält (Fig. la, vg), der ihm an Stärke mindestens gleichkommt, öfters aber, z. B. bei P. cristatus (Fig. IVa) und F. coelehs (Fig. II, B) be- deutend stärker ist als der Glosso-pharyngeus selber. In bezug auf alle diese Zusammenhänge können übrigens auf der rechten und linken Seite sogar des nämlichen Tieres erhebliche Unterschiede auftreten. So fand ich z. B. bei einem Buchfinken auf der rechten Seite (Fig. 11,^) annähernd typische Verhältnisse, während auf der linken (Fig. II, C) statt einer kurzen Verbindung des G. cervicale supremum mit dem Vagus und einer ebenfalls kurzen Verbindung des Glosso-pharyngeus 37* 572 Richard Comad, mit letzterem, zwei annähernd gleich starke, längere Vagusäste in das G. petrosum eintreten. Der Glosso-pharyngeus teilt sich nun in zwei Äste, die bei man- chen Arten, wie Fulica atra und Podiceps minor miteinander anasto- mosieren können (Fig. Va, III a). Diese Aste sind: 1. der K. linguaUs, z. B. Fig. I, 1. Von diesem geht ein Ast über das Zungenbein hinweg zur Zungenwurzel, ein andrer unter- halb des Zungenbeins eben dahin und zur Stimmritze; 2. der R. pharyngeus (Fig. I, ph). Nach der Darstellung bei Bronn-Gadow geht dieser Ast teils zum oberen Ende des Schlundes, teils durch einen dünnen Zuzug vom G. cervicale supremum verstärkt, zur Schleimhaut des oberen Schlun- des und zu den Papillen der hinteren Gaumenfläche, Ich fand aber, daß diese Beschreibung mehr auf den R. cervicalis ascendens paßt, während der Ast des Glosso-pharyngeus fast ausschließhch den Oeso- phagus versorgt. Gewöhnlich teilt er sich zu diesem Zwecke, beson- ders auf der rechten Seite, nochmals in zwei Hauptäste, von denen der eine mehr ventral, der andre mehr dorsal, parallel dem Vagus, weit am Oesophagus hinunterzieht (z. B. Fig. I, ph', ph"). Eine so enge Verbindung des am Oesophagus hinunterziehenden dorsalen Pharyngeusastes, wie sie von Bronn-Gadow als offenbar typisch angenommen wird (beide Nerven sollen sogar häufig durch eine ge- meinsame Bindegewebsscheide verbunden sein), habe ich niemals ge- sehen. Möglicherweise liegt hier eine Verwechslung mit dem R. cer- vicahs descendens inferior vor. Hinzuzufügen ist noch, daß vom G. cervicale supremum ein sehr dünner Nerv, der durch rötliche Färbung und seine Lichtbrechungs- verhältnisse von den hier vorzugsweise besprochenen Nerven unter- schieden ist, und über dessen Zugehörigkeit zum Sympathicus- oder Glosso-pharyngeus-System ich keine bestimmten Angaben machen kann, ein längeres oder kürzeres Stück neben dem Vagus hinabläuft und in der Halsmuskulatur verschwindet, ohne mit dem Vagus oder einem der Glosso-pharyngeus- Äste zu anastomosieren. Der dorsale Glosso-pharyngeus- Ast (Fig. I, ph") ist es gewöhnlich, der die früher erwähnte Verbindung mit dem R. recurrens N. vagi eingeht. Der Vagus zieht nach Angabe des früher erwähnten starken Astes zum Glosso-pharyngeus (Fig. la, vg) als einheitlicher Stamm weiter. An der Stelle, wo er vom N. hypoglosso-cervicalis überquert wird, I Untersuchungen über den unteren Kehlkopf der Vogel. 573 besteht, wie wir sahen, häufig eine deutliche Verbindung zwischen beiden Nerven. Nach der DarsteUung bei Broxn-Gadow soll der Vagus hier einen laugen Ast vom G. cervicale suprerauni erhalten, was sicher bei den von mir untersuchten Arten nicht der Fall ist. Der Vagus verläuft dann weiter dicht neben dem Oesophagus und dorsal von diesem, ohne, wie gesagt, mit irgendeinem Nerven zu anastomo- sieren. Da, wo jeder Vagus den Bronchus derselben Seite kreuzt, werden nach Bronn-Gadow drei Aste abgegeben, von denen uns hier nur der Recurrens interessiert, dessen weiterer Verlauf ebenso, wie der des wichtigsten Syrinxnerven, des Hypoglossus, schon an den betref- fenden Stellen ausführlich beschrieben worden ist. E. Zusammenfassende Schlußbetrachtung. Die vorstehenden Ausführungen zeigen: 1. daß die Art der Nervenversorgung der Syrinx auch bei sehr weit voneinander stehenden Vogelgruppen, wie es z. B. einer- seits die Passeres, andrerseits die Taucher und Sturmvögel sind, eine weitgehende Übereinstimmung aufweist und daß insbesondere eine Abhängigkeit von der Organisationshöhe der Vögel und speziell dem Ausbildmigsgrade der Syrinxmusku- latur nicht besteht. 2. Von zwei Nerven läßt sich allgemein sagen, daß sie an der Syrinxinnervation beteiligt sind, nämlich von dem R. cervicalis descendens superior und dem R. recurrens N. vagi, welch letz- terer allerdings besonders bei den Passeres gegen den um vieles stärkeren R. cervicalis descendens superior sehr zurücktritt. Der anscheinend bedeutendste Unterschied zwischen den ver- schiedenen Vogelgruppen ist das Vorhandensein oder Fehlen des dritten in Betracht kommenden Nerven, des R. cervicalis descendens inferior, dessen Vorkommen durchaus nicht, wie Thebault behauptet hat, auf die Corviden beschränkt ist, vielmehr schon von Haecker und Setterwall für andre Passeres {Turdus u. a.) nachgewiesen worden ist. Allein die Tatsache, daß sich ein R. cervicalis descendens inferior bei Formen mit so verschiedener Syrinxrauskulatur wie Krähen und Drossehi einerseits, Falken und Steißfüßen andrerseits findet, deutet schon darauf hin, daß ein Vorkommen oder Fehleu des R. cervicalis descendens inferior nicht von großer physiologischer Bedeutung sein kann. 574 Richard Coni'ad, Eine besondere Reclitfeitigung erfähit diese Annahme noch da- durch, daß bei der Familie der Podicipidae, wie wir sahen, die eine Alt (P. minor) einen gut ausgebildeten R. cervicalis descendens infe- rior aufweist, während der andren (P. cristatus) dieser Nerv fehlt. Aber auch angesichts der gleichartigen Abkunft der beiden Nerven- stämme und mit Rücksicht darauf, daß sie da, wo beide vorhanden sind, beim Eintritt in die Syrinxmuskulatur durch Anastomosen in engste Verbindung miteinander treten, ist leicht zu begreifen, daß den besprochenen Unterschieden keine große Bedeutung zukommen kann. 3. Es konnte zunächst für die Corviden endgültig aus dem Zupf- präparate festgestellt werden, daß bei der Überkreuzung des N. hypo- glosso-cervicalis mit dem N. vagus ein mehrfacher Faseraustausch besteht (Fig. Ib): a) eine Abgabe von Vagusfasern an den Hauptstamm des N. hypoglosso-cervicalis sowohl, wie an den R. cervicalis des- cendens inferior; b) ein Übergang von Fasern aus beiden Hypoglossuswurzeln und ebenso aus der Cervicaliswurzel sowohl in den Hauptstamm des N. hypoglosso-cervicalis, als in den R. cervicalis descen- dens inferior. Ähnliche Verhältnisse fand ich bei verschiedenen andren Formen {Turdus merula, Columha Livia, Podiceps minor). Aus diesen Gründen und mit Rücksicht auf die fast regelmäßig stattfindende Anastomosierung zwischen den in die Syrinxmuskeln eintretenden Nerven ist es nicht möglich^ über die Versorgung einzelner Syrinxmuskeln durch bestimmte Nervenele- mente etwas Genaueres auszusagen. 4. Es konnte gezeigt werden, daß bei einigen niederen Formen, Podiceps cristatus, Colymhus arcticus und Fulica atra, der R. cervicalis descendens superior mit dem dorsalen oder ventralen, oesophagealen Aste des Glosso-pharyngeus in mehrfache, zum Teil augenscheinlich metamer angeordnete Verbindung tritt (Fig. IVa, Va). 5. Ein Grund für die Tatsache, daß häufig Verschiedenheiten zwischen der rechten und linken Seite beobachtet wurden, liegt viel- leicht in der in der Halstopographie regelmäßig vorkommenden Asym- metrie, welche durch die Rechtsverschiebung von Trachea und Oeso- phagus bewirkt wird. 6. Der, abgesehen von dieser Asymmetrie, bei allen untersuchten Vögeln beobachtete gleichförmige Verlauf der Nerven erklärt sich wohl I Untersuchungen über den unteren Kehlkopf der Vögel. 575 aus dem gleichartigen Bau des Halses, der den Nerven, die ebenso, wie die Gefäße, gern in den Bahnen geringsten Widerstandes ver- laufen, immer dieselben Falten zwischen Trachea, Oesophagus und Halsmuskulatur darbot. Unter demselben entwicklungsmechanischen Gesichtspunkte ist wahrscheinlich die Tatsache zu betrachten, daß der Recurrens und ein Ast des Glosso-pharyngeus sehr häufig zusammentreffen (z. B. Fig. V) und sogar, wie bei Fulica atra, eine so enge Verbindung her- gestellt werden kann, daß die beiderseitigen Nerven durch eine ge- meinsame Scheide verbunden sind. Jedenfalls entsteht auf diese Weise bei einigen Formen außer der durch R. cervicalis descendens superior und inferior gebildeten ansa, sowie der durch N. vagus recurrens und N. hvpoglosso-cervicalis ge- bildeten Schleife, an der Halsregion noch eine dritte, nämlich zwi- schen Vagus- und Glosso-pharyngeus-System. Alles in allem ist also eine weitgehende Konstanz bezüglich der Innervation der Syrinx in der ganzen Klasse nachzuweisen, die um so auffallender ist, als ja die Syrinx in den einzelnen Gruppen eine so weitgehende Verschiedenheit zeigen kann. Die geringen bestehenden Verschiedenheiten, wie sie im übrigen ebenso gut innerhalb der nie- dersten, als bezüglich der Syrinxausbildung am höchsten organisierten Formen vorkommen (vgl. die Unterschiede zwischen den beiden Podi- cipidae und innerhalb der Passeres), sind jedenfalls zu unbedeutend, als daß sie sich für die Behandlung physiologischer und phylogenetisch- systematischer Fragen nutzbar machen lassen. Die vorliegenden Untersuchungen sind im Zoologischen Institute der Universität Halle in der Zeit vom Oktober 1912 bis zum Januar 1914 unter Leitung von Herrn Professor Dr. Haecker ausgeführt worden. Meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Professor Dr. Haecker, möchte ich an dieser Stelle für seine mannigfachen Ratschläge wäh- rend der FertijTTstellung meiner Arbeit ganz besonders danken. Ferner bin ich Herrn Professor Dr. Eisler für manchen wertvollen Rat tech- nischer Art zu Danke verpflichtet. Halle a. S., im August 1914. 576 Richard Com'ad, Untersuchungen über den unteren Kehlkopf der Vögel. Verzeichnis der für vorliegende Abhandlung benutzten Literatur, Baer, Max: Beiträge zur Kenntnis der Anatomie und Physiologie der Atem- werkzeuge bei den Vögeln. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. LXI. 1896. BoNSDOBFF, E. J. : Nervi cerebrales Corvi Cornicis. Acta Soc. Sei. Fennicae. T. III. Helsingfors 1852. Bronn, H. G. : Klassen und Ordnungen des Tierreichs. Bd. VI. Abt. 4. I. Ana- tomischer Teil. 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Müller, Joh. : Über die bisher unbekannten typischen Verschiedenheiten der Stimmorgane der Passerinen. Abh. d. K. Akad. d. Wiss. zu Berlin 1845. Savart, M. Felix: Memoii'e sur la voix des oiseaux. Ann. de chimie et de phy- sique. T. XXXIL Paris 1826. Setterwall, Carl G. : Studier öfver syrinx hos polymyoda passeres. Lund 1901. Stannixjs, H. : Lehrbuch der vergleichenden Anatomie der Wirbeltiere. Berlin 1846. THEBAtriiT, V. : Sur le nerf de la voix chez les Oiseaux. Bull, du Mus. d'hist. nat. p, 237. Paris 1895. • — : Seconde note sur le nerf de la voix chez les Oiseaux. Ibid. p. 58. 1896. — : Note sur l'innervation de l'organe vocal chez les Oiseaux. Ibid. p. 269. — : Sur les nerfs secreteurs de la trachee. Compt. Rend. de l'acad. d. sei. T. CXXIII. p. 431. Paris 1896. — : Etüde des rapports qui existent entre les systemes pneumogastrique et sym- pathique chez les oiseaux. Arm. d. sei. nat. Zoologie et Palegnto- logie. T. VI. Paris 1898. WiEDERSHEiM, R. : Vergleichende Anatomie der Wirbeltiere. 6. Aufl. Jena 1906. Wunderlich, L. : Beiträge zur vergleichenden Anatomie und Entwicklungs- geschichte des unteren Kehlkopfes der Vögel. Nova acta acad. caes. Leop. Card. Bd. XLVIIL Halle 1886. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Euphausiden. II. Von der Gastrula bis zum Furciliastadium. Von Dr. Erwin Taube. aiit 7 Figuren im Text und Tafel XV— XXI. Material. Vorliegende Arbeit stellt eine Fortsetzung meiner »Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Euphausiden« dar (Zeitschr. f. wissensch. Zool. Bd. XCII. 1909), die ich seinerzeit vom ungefurchten Ei bis zur Gastrula verfolgte. Als ich im Sommer 1911 meine Untersuchungen im Münchener Zoologischen Institut wieder aufnahm, hatte ich mich schon recht- zeitig im Frühjahr an die biologischen Stationen in Villefranche und in Bergen mit der Bitte um Zusendung von Material gewandt. Nur aus Bergen erhielt ich eine Sendung von mehreren Planctonproben. Es erwies sich aber, daß in den meisten Proben sich weder Eier noch Larven fanden, während nur einige wenige eine geringe Menge von Material boten. Ich wäre somit fast nur auf mein altes Material an- gewiesen gewesen, wenn nicht der im Münchener Institut arbeitende Zoologe, Herr Dr. Krüger, mir sein Planctonmaterial, das er im selben Frühjahr bei Monaco gesammelt hatte, in liebenswürdiger Weise zur Verfügung gestellt hätte, wofür ich ihm auch hier meinen besten Dank sage. In diesem Material fand sich eine nicht sehr große Menge gut konservierter Eier, die mir einige wertvolle Schnitte lieferten. Da sich im Laufe des Jahres beim Weiterarbeiten trotzdem ein empfindlicher Mangel an Material bemerkbar machte, so stand ich im Frühjahr 1912 vor der Alternative, entweder mir wieder aufs Ge- ratewohl Planctonmaterial von einigen biologischen Stationen schicken zu lassen, oder mich selbst zu einer Reise nach Bergen zu entschließen, um an Ort und Stelle neues, geeignetes Material zu sammeln und, Zeitsuhriit f. wissensch. Zoologie. CXIV. Bd. 38 578 Erwin Taube, vor allen Dingen, noch einige Beobachtungen an den lebenden Tieren zu machen. Ich entschloß mich zu letzterem und benutzte im Früh- jahr 1912 einen S^/gWÖchigen Urlaub zusammen mit den Osterferien zu einer Reise nach Bergen. Während meiner Durchreise durch Christiania hatte ich Gelegen- heit, mich dem Nestor der norwegischen Zoologen, dem bekannten Crustaceenforscher Herrn Professor G. 0. Sars, vorzustellen. Das Zu- sammentreffen mit Herrn Professor Sars war mir besonders inter- essant und wertvoll, weil er der einzige Forscher ist, der nicht nur die postembryonale Metamorphose der Euphausiden schildert, sondern auch eine Darstellung der Furchung und der ersten embryonalen Vorgänge gibt (On the propagation and early development of Euphau- siidae, Arch. Math. Natur. Kristiania. Bd. XX. 1898). Sehr wichtig war es mir, von Herrn Professor Sars zu erfahren, daß er der Meinung sei, das in Rede stehende Material gehöre zu Boreophausia RascJiii und Nyctiphanes norvegicus, Avas ich selbst früher mit Sicherheit nicht feststellen konnte. Wichtig für die Feststellung der Laichzeit war auch die Mitteilung, daß Professor Sars sein Material im Chri- stianiafjord im Juli und August gesammelt hatte. Wenn die Ver- schiedenheit des Klimas in Bergen und Christiania wohl auch eine Verschiebung der Laichzeiten bedingt, so kann man immerhin anneh- men, daß Nyctiphanes und die nahe verwandten Euphausiden fast ein halbes Jahr hindurch, vom März bis zum August, laichen. Äußerst dankbar bin ich Herrn Professor Sars auch dafür, daß er mir sein 1895 im Christianiafjord gesammeltes Material an Euphau- sideneiern und einige von ihm bestimmte ausgewachsene Exemplare von Nyctiphanes norvegicus überließ. An diesem Material konnte ich nun die vollkommene Identicität meines Materials mit den von Herrn Professor Sars untersuchten Eiern feststellen. Im Herbst 1913 hatte Herr Professor Sars noch die große Liebenswürdigkeit, mir ältere Stadien von Boreophausia und Nyctiphanes zuzusenden. Leider war das Material 'aber nur in Spiritus konserviert und erwies sich daher für histologische Zwecke als unbrauchbar. Von Christiania aus unternahm ich noch eine Fahrt zu der süd- lich von der Stadt am Christianiafjord beim Städtchen Dröback ge- legenen, biologischen Station. Am Vor- und Nachmittage des 21. März bis 3. April machte ich Fahrten auf den Fjord hinaus und fischte in verschiedenen Tiefen von der Oberfläche bis zu 100 m. Das Re- sultat war aber gleich Null. Zum Teil mag es von ungünstigen Strö- mungen, zur Hauptsache aber wohl von der noch herrschenden, nied- Boithigo zur Kiit\vi(kliing.sgc'sclu(.'litf dvv Euphau.sidfii. 579 iiii«Mi Wassorteinporatur, hervor^onifcn duich (1(mi stivn^oii Winter, abuehan^eii haben. In Bergen herrschte bei meiner Ankunft noch Schneewetter, so (laß meine Aussichten auf Erfolg anfangs gering erschienen. Glück- licherweise änderte sich in wenigen Tagen das Wetter so weit, dali ich den größten Teil meines Aufenthaltes in Bergen warmes Früh- lingswetter und spiegelglattes Meer hatte. Die ersten kleinen Boot- fahrten in der Nähe der Stadt zeigten mir, daß Material zu haben sei, wenn auch nicht sehr zahlreich, und erst eine größere am •J9 März/11. April in den Herlöfjord unternommene Exkursion brachte mir reiches Material, besonders an Nauplien, Metanauplien und zum Teil noch älteren Stadien. Meine Sammeltätigkeit zeigte mir auch dieses Mal, daß man bei diesem Material sehr vom Zufall abhäno^io- sei. und bestärkte mich in der Meinung, daß Nycliphanes in Schwärmen auftritt und laicht. Wahrscheinlich ist es, daß viele Tiere gleichzeitig laichen, denn nur so kann ich eine mir schon früher aufgefallene Be- obachtung erklären, daß man in einem Fang meist Tiere oder Eier auf annähernd gleichem Entwicklungszustande trifft. So erfuhr ich- jetzt, daß das Material, das ich seinerzeit im Frühjahr 1908 in Mün- chen erhielt, von einem einzigen Fang herstammte. Und dabei be- stand er aus Tausenden von Eiern auf einem Stadium von 4 — 16 Blasto- meren und nur wenige waren jünger oder älter. Interessant ist auch, daß dieser Fang ganz an der Oberfläche gemacht wurde. Man fand die Eier in solcher Menge an der Oberfläche schwimmend, daß das bloße Auge an einer bestimmten Stelle eine Trübung des Wassers erkennen konnte und man die Eier bloß zu schöpfen brauchte. Zu erwähnen ist noch ein dreitägiger Aufenthalt, den ich in Sols- vik, westlich von Bergen, an der äußersten Grenze des Skjärengürtels nahm. Ich hatte diesen kleinen, nur von einigen Fischern bewohnten Ort aufgesucht, um die Möglichkeit zu haben, in den äußersten Fjords und sogar im offenen Meer nach Plancton zu fischen. Da ich vom Wetter begünstigt war, so konnte ich zu jeder Tageszeit und einmal auch in der Nacht mich weit ins offene Meer hinausrudern lassen und hier in verschiedenen Tiefen fischen. Leider brachte mir aber diese Exkursion fast gar kein Material ein. Immerhin haben die früheren und einige spätere Exkursionen mir so viel Material geliefert, daß ich nicht nur Beobachtungen am lebenden Objekt machen, sondern auch reiches Material nach Hause bringen konnte, das mich in den Stand setzte, meine Untersuchungen abzuschließen. Die Sommer- monate 1912 arbeitete ich im Dorpater Zoologischen Institut, in dem 38* 580 Erwin Taube, mir von meinem hochverehrten, früheren Lehrer, Herrn Prof. Dr. V. Kennel, frevmdlichst ein Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt war. — Den größten Teil meiner Untersuchungen machte ich späterhin in Riga. — Großen Dank schulde ich Herrn Geheimrat Prof. Dr. R. von Hertwig, meinem Münchener Lehrer, für die wertvollen Winke, die er mir bei meiner Arbeit und bei der freundlichst übernommenen Durchsicht meines Manuskriptes zuteil werden ließ. Methoden. Nach meinen früheren Erfahrungen verwandte ich zum Konser- vieren des ganzen Fanges hauptsächlich BouiNsche Lösung (15 Teile gesättigte, wäßrige Pikrinsäure, 5 Teile Formol (40%) und ein Teil Eisessig). Ich wandte dieses Mal auch in größerem Maßstabe Flem- MiNGSche Lösung an, die sich für die älteren Stadien als sehr brauch- bar erwies und bei nachfolgender Färbung mit Eisenhämatoxylin vorzügliche Bilder gab. Von Sublimatgemischen kamen noch das ZENKERsche und die vom RAXHsche Mischung (Sublimat, Pikrin- säure und Essigsäure) zur Verwendung. Eier und Larven wurden immer, mit Ausnahme des in FLEMMiNGscher Lösung konservierten Materials, zuerst in toto gefärbt. Ich benutzte dazu Boraxcarmin, Pikrocarmin, Hämalaun. Für Untersuchungen am ganzen Objekt bei nachträglicher Aufhellung mit Glycerin oder Nelkenöl erwies sich die Boraxcarminfärbung als die geeignetste, die selbstverständlich auch bei Schnitten sehr gute Resultate ergab. Die Art der Verwertung des Glycerinmaterials habe ich in meiner früheren Arbeit angegeben. Während bei der Untersuchung der Furchungsstadien haupt- sächlich die heilen Objekte in aufgehelltem Zustande beobachtet wurden, kam bei den weiteren Entwicklungsstadien natürlich in erster Linie das Schnittverfahren in Betracht. Die Schnitte wurden in allen drei Ebenen ausgeführt. Bei den vorgerückteren Stadien, Nauplius, Metanauplius und Calyptopis, gelingt die Orientierung natürlich leicht, weil die abstehenden Extremitäten immer ein deutliches Orientie- rungsmerkmal geben. Nur der Calyptopis kann nicht immer in seiner ganzen Länge quer oder horizontal geschnitten werden, da er fast immer stark gekrümmt ist. Viel mißlicher steht es mit den jüngeren Stadien, die sich zwischen junger Gastrula und freischwimmendem Nauplius einschalten. Die Schwierigkeiten, die sich dabei ergeben, habe ich schon in meiner früheren Arbeit geschildert. Ich mußte es auch jetzt hauptsächlich dem Zufall überlassen, von diesen Stadien gut orientierte Schnitte zu erhalten. Beitrage zur Eiitw ieklungsgeschichte der Euphausiden. 581 Das in FLKMMiXGschor Lösung konservierte Material wurde mit Eisenhämatoxylin nach Heidenhain weiter behandelt und mit Licht- orün oder Säurefuchsin nachgefärbt. Namentlich bei der Nachfär- l)ung mit Lichtgrün erhielt ich dabei wunderschöne Bilder. Auch bei Hämalaunfürbung wurde mit den beiden genannten Plasma farb- stoffen nachgefärbt, wobei sich das Säurefuchsin als brauchbarer er- wies und besonders schöne Färbungen der quergestreiften Musku- latur ergab. Während meines Frühjahrsaufenthalts 1912 in Bergen lag mir daran, einen Versuch zu wiederholen, den ich schon früher einmal in Villefranche gemacht hatte, nämlich das Züchten von Larven aus Eiern. Tatsächlich ist mir dieses nun auch gerrlückt, DO > und nur mein kurz bemessener Aufenthalt an der biologischen Station in Bergen verhinderte mich, den Versuch zu wiederholen, der das zweite Mal wohl besser geglückt wäre. Dem Züchtungsversuch solcher pelagisch frei lebender Eier und Larven stellen sich mancherlei Schwie- rigkeiten in den Weg. Vor allen Dingen ist es nötig, tadellos lebens- frisches Material zu verwenden. Dieses ist aber bei der Bergenser Station nicht ganz leicht. Die Station liegt im innersten Winkel des »Puddefjords«, der bei der Station nicht sehr tief und durch Ab- wässer stark verunreinigt ist und daher kein reiches Tierleben, mit- hin auch keine Euphausideneier aufweist. Erst wenn man in den Byfjord hinausgerud,ert ist, findet man gewöhnlich Eier und Larven in nicht sehr großer Zahl. Natürlich leidet bei der größeren Länge des Rückweges zur Station die Lebensfähigkeit der Eier. Eine andre Schwierigkeit bestand in der Beschaffung von frischem AVasser. Da die Seewasserleitung zurzeit nicht funktionierte, mußte das Wasser in allen Gläsern täglich gewechselt werden. Da in großen Gläsern das Auffinden der isolierten Tiere sehr schwer ist, so wurden zur Kul- tur flache Petrischalen verwandt, die einerseits den Vorteil boten, daß bei ihnen eine große Wasseroberfläche mit der Luft in Berührung kam. und die andrerseits sich bequem unter die Präparierlupe stellen ließen. Die Gläser wurden anfangs offen gehalten, wobei sich ein Mißstand zeigte, der später nach dem Zudecken auch nur teilweise schwand, nämlich das Verschmutzen des Wassers. Wird auch der aus der Luft stammende Staub abgehalten, so enthält das Meerwasser, falls es nicht filtriert ist, doch immer eine Menge feinsten, mikrosko- pischen Detritus, der sehr bald an den langen Borsten und den Extre- mitäten des Nauplius hängen bleibt, das Tier am Weiterschwimmen hindert und es schließlich mit einem richtigen Schmutzpanzer be- I 582 Erwin Taube, kleidet, so daß es, auf dem Boden liegend, nur wenige hilflose Be- wegungen machen kann. In diesem Schmutzüberzug sammeln sich bald zahlreiche Bakterien und Schmarotzerinfusorien. Infolge aller dieser ungünstigen Lebensbedingungen starben die Tiere gewöhnlich recht bald. Als ich diesen Mißstand bemerkte, versuchte ich die Tiere einer täglichen Reinigung zu unterziehen, indem ich jedes einzelne im Uhr- schälchen unter dem Mikroskop mit Hilfe von Nadeln vom anhaf- tenden Schmutz befreite. Natürlich kam es leicht vor, daß man ein Tier, trotz größter Aufmerksamkeit, durch eine unvorsichtige Be- wegung mit der Nadel erheblich verletzte oder sogar tötete. Als ich später an Stelle der Nadeln feine Pferdehaare, die am Ende schräg abgeschnitten waren, benutzte, hatte ich mehr Erfolg und konnte täglich manchen Gefangenen von seinem Schmutzpanzer befreien und ■ ihm seine Beweglichkeit wiedergeben. Jedenfalls ist es mir bei meinen Versuchen gelungen, die Umwandlung von Eiern auf dem Stadium von 32 Zellen bis zu Gastrulen und Naviplien und die Entwicklung von Gastrulen in Nauplien und Metanauplien zu beobachten, wobei einzelne Exemplare bis zu 19 Tagen in der Gefangenschaft gehalten wurden. Zum besseren Verständnis des Folgenden will ich eine kurze Re- kapitulation der Resultate meiner früheren Arbeit, in der die Fur- chung des Eies bis zur Gastrulation beschrieben ist, vorausschicken. Das dotterreiche Ei furcht sich total und nicht ganz äqual. Die erste Furche teilt das Ei in zwei nicht ganz gleiche Stücke. Dasselbe tut die zweite Furche mit diesen beiden ersten Blastomeren. Durch die nächste Teilung entstehen acht Zellen, die gewissermaßen zwei ineinandergreifende, nicht ganz geschlossene Ringe darstellen, von denen jeder aus vier Zellen besteht. In diesem Stadium fällt eine Zelle durch ihre Größe und eigentümliche Spindelfigur auf. Diese Zelle bezeichnet den vegetativen Pol des Eies. Ihre Spindel zeigt an einem Ende eine viel größere Plasmaanhäufung als am andern. Beim Überoang in das 16-Zellenstadium teilt sich diese Zelle in zwei ungleich große Blastomeren, wobei die kleinere jedoch an dem Spindel- ende entsteht, das von der größeren Plasmaanhäufung umgeben ist. Mithin bekommt die größere Zelle eine größere Dottermenge zuge- teilt, und vermag daher nur verspätet der nächsten Teilung zu folgen. Diese Zelle ist nun die Stammzelle zweier großer Zellen, die uns noch später beschäftigen werden; ich bezeichne diese beiden Zellen mit E^ und E2. Bis zu diesem Stadium, das aus 32 Zellen besteht, haben sich alle Blastomeren immer regelmäßig geteilt. Die Ansicht des vege- Beiträge zur Entwicklungsgesolurlitc der Huphaiisiden. 583 tativen Pols in diesein und im nätlisteii Stadium zei,>Zu den Neubildungen während dieses Stadiums müssen zwei kleine Anhänge gerechnet werden, welche in dem Zwischenraum zwischen der Oberlippe und dem Unterkiefer ihren Platz haben und wahrscheinlich zu einer Art Unterlippe sich bilden« (S. 399). Das dritte Schwimmfußpaar des Nauplius zieht sich stark zusammen, krümmt sich und wird zur Mandibelanlage, während das dritte Paar der neu angelegten Metanaupliusextremitäten sich in zwei beinahe gleich große Lappen teilt. Die Abbildungen zeigen eine ältere Metanaupliuslarve, mit rudi- mentärem Postabdomen, zwei Paar wohl entwickelten Schwimmfüßen, während die übrigen Extremitäten nur durch acht Zapfen repräsen- tiert sind. Beobachtet wurden auch die von Claus beschriebenen Stäbchenbüschel an den Augen und der Darmkanal mit zwei seitlichen Leberanhängen. In seiner ^weiten Arbeit bildet Metschnikoff die älteste von ihm beobachtete Larve ab, die er in die jüngste von Claus beschrie- bene Larvenform übergehen sah. Dieses Stadium zeichnet sich durch die Bildung von Nebenästen an den meisten Mundteilen und durch die Größenzunahme des Schwanzes aus. Brooks und Hoyle (5, 1887 — 88) beschreiben die Metamorphose britischer Euphausiden, besonders von Nycti/phanes norvegicus, Boreo- pJiausea Raschii, B. inermis und Thysanoessa horealis. Sie erwähnen zwei Arten von Eiern, die sich nur ein wenig durch die Größe unter- Beiträge zur Kntwieklungsgeseliielite der KupliiUisideii. 585 scheiden. Beim eisten Auftreten der Naupliusextremitäten gelingt es ihnen nicht, das Vorderende des zukünftigen Tieres zu erkennen. Es folgt eine kurze Beschreibung des Nauplius-, Metanauplius-, Calyptopis-, Furcilia- und Cyrtopiastadiums, wobei auch in einigen Fällen die ungefähre Zahl der zwischenliegenden Häutungen angege- ben wird. G. 0. Sars" wichtige Arbeit über die Entwicklung der Euphau- siden (30, 1898) ist, so weit sie sich auf die Furchung des Eies bezieht, schon in meiner ersten Arbeit besprochen worden. Es bleibt mir also noch übrig, seine w^eiteren Beobachtungen über Gastrulabildung und Larvenfornien zu erw^ähnen. Sars beobachtet zwei große Zellen, die anfänglich an der Ober- fläche liegen und schließlich von den Nachbarzellen überwachsen werden. Er spricht sie als Entodermzellen an. Die Stelle, an welcher sie von den Ectodermzellen überwachsen werden, ist durch eine leichte Vertiefung ausgezeichnet und stellt den Blastoporus dar, der von einer ziemlich regelmäßigen Rosette ungefähr keilförmiger Ectodermzellen umgeben ist. Zu dieser Zeit ist eigentlich nur eine einzige wohl aus- gebildete Zellschicht zu erkennen, nämlich das Ectoderm, während das Entoderm eine kompakte Zellmasse darstellt, die den centralen Teil des Eies ausfüllt. Am innern Winkel des Blastoporus liegen Zel- len, die von den anliegenden Ectodermzellen abstammen, sich stärker färben und die ersten Anfänge des Mesoderms darstellen. Das dazu- gehörige Bild (Fig. 14) entspricht aber nicht den tatsächlichen Ver- hältnissen. Weiter heißt es: »The central entodermal mass at the same time gradually assumes the character of a defined layer by the invagination of the gastral hollow<< (p. 20). Dieses stimmt nicht. Denn erstens kann von einer Entoderm >>schicht« um diese Zeit noch gar keine Rede sein, so lange es sich um eine Gastrula oder junge Em- bryonen handelt. Erst viel später — im Nauplius- und Metanau- pliusstadium — zeigen sich Anzeigen einer schichtförmigen Lagerung von Entodermzellen. Was nun zweitens eine Gastralhöhle anbelangt, so läßt sie sich überhaupt zu keiner Zeit beobachten, es sei denn, man wolle das zuweilen auftretende enge und kurze Lumen des Gastrula- halses als eine »Höhle« bezeichnen. Es stimmt also auch nicht, wenn Sars von einer älteren Gastrula sagt, man könne an ihr leicht die Aus- dehnung der Gastralhöhle an dem durchscheinenden dunkel gefärbten Mesoderm erkennen. Das Mesoderm ist tatsächlich da, nur umgrenzt es keine Höhle, sondern eine kompakte Entodermzellenmasse. Der einzige Hohlraum, der um diese Zeit im Ei noch vorhanden sein kann, 586 Erwin Taube, ist, wie ich früher gezeigt habe, ein Rest einer kleinen, primären Furchungshöhle. Sars beschreibt fernerhin sehr genau das Aussehen eines jugend- lichen Embryo, eines Nauplius, des Metanauplius und der drei Ca- lyptopisstadien. Obgleich seine Schilderungen sich fast nur auf die äußere Morphologie dieser Larvenformen erstrecken, will ich hier doch einiges, so weit es für uns von Interesse ist, erwähnen. An der Gastrula bilden sich zwei seitliche Vorwölbungen, aus denen sich die drei Paar Naupliusgliedmaßen entwickeln. Daran, daß zwei von ihnen schwach zweilappig sind, erkennt man, welches das vordere und welches das hintere Ende des jungen Tieres ist, weil ja das ungespaltene Glied zur ersten Antenne wird und mithin das vordere Ende bezeichnet. Die Seite, nach welcher die gespaltenen Enden der zweiten und dritten Extremität gerichtet sind, ist die Dor- salseite. Die Extremitäten lösen sich allmählich von den Seiten des Körpers los und sind schheßlich nur ventral mit ihm befestigt. Durch energische Bewegungen seiner Gliedmaßen befreit sich der junge Nau- plius um diese Zeit aus der Eihülle. Beim jungen Nauplius glaubt Sars in einer leichten Vertiefung in der Nähe der hinteren Extremität den Platz zu sehen, wo der Ga- strulamund sich bildete. Eine wirkliche Mundöffnung oder Mund- werkzeuge sind aber um diese Zeit noch nicht zu sehen. Auch der schon mehr ausgebildete und beweglichere Nauplius, der nach der ersten Häutung erscheint, zeigt noch keine Spur eines Mundes oder von Mundteilen und ist daher nicht im Stande, Nahrung zu sich zu nehmen. Doch lassen sich die ersten Anzeichen von Mundteilen bei einem alten Nauplius wohl schon erkennen, indem sie durch die Nau- pliushaut hindurch scheinen. Ich erwähne diese Beobachtung ganz besonders, weil es mir auch anfangs sehr überraschend schien, daß ein Nauplius von so beträchtlicher Größe und solcher Beweglichkeit noch nicht imstande sein sollte, Nahrung zu sich zu nehmen. Sowohl an ungefärbten wie an gefärbten Exemplaren glaubt man nämlich ganz deutlich eine Mundöffnung zu sehen und ist dann sehr erstaunt, sie auf Schnitten nicht wiederfinden zu können, weil alles kontinuier- lich von der Larvenhaut überzogen wird. Der Metanauplius zeichnet sich durch die Umwandlung des dritten Extremitätenpaares zu Mandibeln und das Auftreten von drei neuen Extremitätenanlagen, nämlich von zwei Paar Maxillen und einem Paar Kieferfüßen, aus. An der Innenseite der Mandibeln findet mau Beiträgt" zur Entwicklungsgcschiclitt' dor Euphausidcn. 587 nocli zwei nebeneinander gelagerte \'()r\v(»lbuiigeii als Anlage der Un- terlippe. In der Mitte des durchsichtigen Körpers erkennt Sars eine opake Zeihnasse, die im Begriff steht, sich in die Leber zu differen- zieren, und dahinter den Dariukanal, der sich in der Nähe des hinteren Körperendes öffnet. Auch das Herz ist deutlich zu sehen. Das Calyptopisstadiuni wird charakterisiert durch die kapuzen- förmige, vordere Ausdehnung des Carapax, welche die sich entwickeln- den Augen bedeckt, die erst im Furciliastadium seitlich frei hervor- gestreckt werden. Sars unterscheidet drei verschiedene Calyptopis- stadien, deren Beschreibung sich hauptsächlich auf die Form des Kör- pers und der äußeren Anhänge erstreckt. Der Darm ist im ersten Stadium in seiner ganzen Ausdehnung zu sehen; nach vorn verlängert er sich zu einem medianen Blindsack. Die Lebersäcke sind ziemlich deutlich zu unterscheiden, und jeder zeigt drei von großen Zellen aus- gekleidete Läppchen. Im zweiten Stadium beginnt die Entwicklung der zusammen- gesetzten Augen. Im letzten Calyptopisstadium bespricht Sars genau die Entwick- lung der äußeren Anhänge, besonders der Mundwerkzeuge. Züchtungs versuche . Ich lasse hier die Notizen folgen, die ich mir bei meinen Kultur- versuchen gemacht habe. Kultur Nr. 1. 13. IV. 12; 341'» p. m. Ein Exemplar von 16 Zellen, drei Exemplare von 32 Zellen. 14. IV. 12; 341 '^- p.m. Alle vier Exemplare sind zu Gastrulen geworden, wenn auch, wie es scheint, mit kleinen L^nregelraäßigkeiten. Ein Exem- plar, das sehr gut entwickelt war, zeigte schon deutlich die An- lage der drei Extremitätenpaare. 15. IV. 12; 11'' a. m. Zwei Exemplare nicht weiter entwickelt, etwas unregelmäßig. Ein Exemplar mit unregelmäßiger Extremitätenanlage. Ein Exemplar gut entwickelt, mit tief gespaltenen Extremitäten, aber noch in der Gallerthülle. 16. IV. 12; i2l<^'' a. m. Die beiden ersten Exemplare wie am vorigen Tage. Beim dritten Exemplar die Extremitätenanlage etwas stärker. Das letzte 588 Erwin Taube, Exemplar hat die Hülle abgeworfen und ist ein frei schwim- mender Nauplius geworden, der einen Defekt hat. 17. IV. 12; 1/97'^ p.m. Die zwei ersten Exemplare noch in der Gallerthülle, nicht weiter entwickelt, vielleicht schon tot. Nr. 3 ohne Gallerthülle, be- weghch, Extremitäten zum Teil schon abstehend, abnorm ent- wickelt. Nr. 4 frei schwimmender, sehr beweglicher Nauplius, unregelmäßig und mit Defekt. 18. IV. 12; y^n^a.m. Nr. 1 und 2 abgestorben. Nr. 3 junger, abnorm entwickelter Nauplius. Nr. 4 wie am vorigen Tage. 19. IV. 12; 1/210^ a.m. Nr. 4 tot. Nr. 3 lebt noch. 20. IV. 12; 34nha. m. Abgestorben. Kultur Nr. 3. 13. IV. 12; 341h p.m. Acht alte Gastrulen. 14. IV. 12; 142^ p.m. Sieben Exemplare gut weiter entwickelt, alle mit Extremitäten- anlage. Bei fünf Exemplaren waren die zweite und dritte Ex- tremität schon deutlich gespalten, bei zweien nur die mittlere, d. h. die spätere zweite Antenne, während die dritte nur eine Andeutung einer Spaltung zeigte. Eins von den ersteren Exem- plaren wahrscheinlich mit Defekt. Das achte Exemplar verloren. 15. IV. 12; i/2l2''a. m. Alle sieben Exemplare gut entwickelt, mit zwei gespaltenen Ex- tremitäten, Alle noch in der Gallerthülle. - 16. IV. 12; 3410ha. m. Vier Exemplare — freischwimmende Nauplien. Zwei Exemplare, bei denen die beiden vorderen Extremitäten schon abstehend und beweglich sind. Eins von diesen Exem- plaren ohne Gallerthülle, die hintere, noch anliegende Extremität aber schon etwas beweglich, das andre Exemplar mit geplatzter und geschrumpfter Gallerthülle. Ein Exemplar so wie am vori- gen Tage noch in der Gallerthülle, zeigt aber schon Bewegung. Beiträge zur Entwifklungsgeschichto der Euphausiden. 589 17.1V. 12; 7''p. 111. Alle sieben leben. Vier freischwininiende Nanplien, zwei davon äußerst beweglich, zwei mit anhaftender kleiner Luftblase, oft daher an der Ober- fläche. Zwei junge Nauplien ohne Gallerthülle, aber noch nicht freischwimmend. Ein junger Nauplius mit Resten der geplatz- ten Hülle, Extremitäten noch nicht ganz frei. 18. IV. 12; yAV'a.m. Alle lebend; wie am vorigen Tage. 19. IV. 12; 3410'^ a.m. Fünf freischwimmende Nauplien, einer davon mit Defekt und schwachen Lebenszeichen, ein andrer sehr beweglich, mit An- lage der Oberlippe und der drei Metanaupliusextremitäten. Zwei junge Nauplien, der eine mit, der andre ohne Rest der Gal- lerthülle. 20. IV. 12; 11^'a. m. Zwei freischwimmende, sehr bewegliche Nauplien, der eine von ihnen zeigt den Übergang zum Metanauplius. Drei Nauplien mit schwachen Lebenszeichen. Zwei junge Nauplien tot. 21. IV. 12; 348^ p.m. Zwei freischwimmende Nauplien wie am vorigen Tage.' Ein Nauplius mit schwachen Lebenszeichen. Zwei Nauplien tot. 22. IV. 12; 3/411'^ a.m. Zwei freischwimmende, sehr bewegliche NaupUen, beide mit An- lagen der Oberlippe und den drei Metanaupliusextremitäten. Ein Nauplius tot. 23. IV. 12; ll'>a. m. , Beide Nauplien lebend. 24. IV. 12; ll^a. m. Wie am vorigen Tage. 25. IV. 12; ll'^a. m. Wie am vorigen Tage. 7'' p. m. Abdomen schon etwas frei, ebenso die Metanaupliusextremi- täten. Panzeranlage bemerkbar. 26. IV. 12; 12 '^m. Beim Reinigen von angeklebtem Schmutz wurde eins der Tiere stark verletzt und daher entfernt. Dieses Exemplar wurde in 590 Erwin Taube, noch lebendem Zustande unter dem Mikroskop untersucht. Länge 565 /(, größte Breite 360 /<. Der Panzer ist schon ange- legt und schlägt sich hinten in seitlichen Falten auf die Bauch- seite, das dritte Extremitätenpaar ist stark zusammengeschrumpft, ragt seitlich nicht mehr hervor und wird zur Mandibel. Die Metanaupliusextremitäten zeigen Spaltung, was besonders deut- lich am letzten Paar zu sehen ist. Das Abdomen ragt schon ein wenig frei hervor und ist jederseits mit drei Borsten versehen, von denen die mittlere drei- bis viermal länger als die beiden nebenstehenden kleinen ist. Das Abdomen wird vom Panzer nicht verdeckt. Der Vorderrand des Panzers ist mit Stacheln versehen, der Hinterrand nur mit ganz feinen Zähnchen. 27. IV. 12; 12*^ m. Ein Exemplar lebend, es befindet sich ungefähr auf demselben Stadium wie das am vorigen Tage beschriebene Exemplar. Deutlich ist die paarige Anlage der Unterlippe zu sehen. 28. IV. 12 29. IV. 12 30. IV. 12 1. V. 12. 2. V. 12: Abgestorben und in BouiNScher Lösung konserviert. lebend, ohne sichtbare äußere Veränderungen. Kultur Nr. 4, 13. IV. 12; 1/26'^ p.m. Zehn alte Gastrulen. 14. IV. 12; 1/22^' p.m. Alle zehn Exemplare lebend und weiter entwickelt, mit drei Extremitäten. Bei einem Exemplar Avaren die Extremitäten ungespalten, bei vier Exemplaren war nur die mittlere Extre- mität deutlich gespalten, während bei der dritten Extremität die Spaltung kaum angedeutet war (drei von diesen Exemplaren wiesen Def-ekte auf). Bei den letzten fünf Exemplaren waren schon beide Extremitäten gespalten. 15. IV. 12; 3412'^ a.m. Acht Exemplare hatten beide Extremitäten gespalten; eins von die- sen etwas defekt. Ein Exemplar — Spaltung nur einseitig ange- fangen. Ein Exemplar verloren. 16. IV. 12; lO'^a. m. Sechs Exemplare so wie gestern, d. h. beide Extremitäten ge- spalten, aber noch in der intakten Gallerthülle. i Beiträge zur Entwiiklungsgcsclnclite der iMipliaiisidcn. 591 Ein Exomplai- — Extienütiiteu iiocli nicht ganz frei, aber be- weglich, mit Resten der Gallerthülle. Ein Exemplar — Spaltung nicht sehr vorgeschritten, Extremi- täten etwas beweglich, ohne CTallerthülle. Ein Exemplar — freischwimmender Naupliiis. 17. IV. 12; i48'>p. m. Fünf junge Xauplien mit nicht ganz freien, aber beweglichen Extremitäten; zwei ohne, drei mit Rest der GallerthüUe. Drei Exemplare mit noch anliegenden Extremitäten; zwei ohne, eins mit Rest der Gallerthülle, ein freischwimmender Nauplius. 18.1V. 12; ll'^a. m. Sieben junge Nauplien, drei ohne, vier mit Rest der Gallerthülle. Ein junger Nauplius, der schon die Anlage der Metanauplius- extremitäten zeigte, trotzdem aber noch einen Rest der Gallert- hülle hatte, den er während der Untersuchung abwarf. Ein freischwimmender Nauplius. 19. IV. 12; lO'^a. m. Fünf junge Nauplien — zwei ohne, drei mit Rest der Gallerthülle. Unter letzteren einer mit Anlage der Metanaupliusextremitäten. Zwei freischwimmende, sehr bewegliche Nauplien. Einer von ihnen mit Anlage von drei Metanaupliusextremitäten und der Oberlippe. Ein junger Nauplius abgestorben. Ein Exemplar verloren. 20. IV. 12; 1412'^ a.m. Drei junge Nauplien — zwei ohne (mit schwachen Lebenszeichen), einer mit Rest der Gallerthülle. Zwei freischwimmende Nauplien mit Anlage der Oberlippe und der Metanaupliusextremitäten. Zwei junge Nauplien — einer mit, einer ohne Gallerthülle — abgestorben. 21. IV. 12; S'^p. m. Ein junger Nauplius mit Rest der Gallerthülle. Zwei freischwimmende Nauplien mit Anlage der Oberlippe und der Metanaupliusextremitäten. Zwei junge Nauplien abgestorben. 22. IV. 12; ll'»a. m. Ein Nauplius mit Rest der Gallerthülle, die künstlich entfernt wurde. Mit Anlage der Oberlippe und der Metanaupliusextre- mitäten. 592 Erwin Taube, Zwei freischwimmende Nauplien mit Anlage der Oberlippe und der Metana upliusextremitäten. 23. IV. 12; ll'^a. m. Alle drei lebend, ein Exemplar sehr lebhaft. 24. IV. 12; ll^a. m. Ein Exemplar scheinbar tot. Zwei Exemplare mit schwachen Lebenszeichen. 25. IV. 12; ll'^a. m. Ein Exemplar tot. Zwei Exemplare wie gestern. 1/28'^ p. m. Zwei lebende Exemplare, Abdomen und Metanaupliusextremi- täten frei; Panzeranlage bemerkbar. 26. IV. 12; 1/42'^ p.m. Beide Exemplare tot. Kultur Nr. 6. 13. IV. 12; 3/4.5'^ p.m. Zwei Exemplare mit Extremitätenanlage; zweite und dritte Ex- tremität schon gespalten. 14. IV. 12; 1/22^ p.m. Beide lebend, noch in der Gallerthülle, Extremitäten tief ge- spalten. 1/20'^ p.m. Ein Exemplar wenig verändert, das andre hatte schon frei ab- stehende Extremitäten. Beide noch in der Gallerthülle. 15. IV. 12; 12*^ m. Ein Exemplar — vordere Extremitäten abstehend und beweg- lich, Gallerthülle geplatzt, aber noch dranhängend. Mit De- fekten, aber lebend. Ein Exemplar gut entwickelt. Erste Antenne abstehend und stark bewegt. Zweite und dritte Antenne noch etwas anliegend, ab und zu bewegt. Ohne Gallerthülle. 16. IV. 12; lOi^a. m. So wie am vorigen Tage, aber ohne Gallerthülle. 17. IV. 12; 1/28'' P-m. Ein Exemplar — die beiden vorderen Extremitäten abstehend und beweglich, die hintere noch anliegend. Ein Exemplar verloren. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Euphausiden. 593 ly. IV. 12; 1412'' a.m. So wie gestern, liegt am Boden. 19. IV. 12; i''p. m. Abgestorben. Kultur Nr. 9. 16. IV. 12; i/4l2"a. m. Zwei Exemplare mit gespaltenen Extremitäten noch in der Gal- lerthülle. 17. IV. 12; 348'» p.m. Zwei freischwimmende Nauplien. 18. IV. 12; 1^2'^ a.m. Zwei freischwimmende, gut entwickelte Nauplien, sehr beweglich. 19. IV. 12; 1/411'' a.m. Zwei freischwimmende, sehr bewegliche Nauplien, beim Wasser- wechsel verloren. Kultur Nr. 16. 19. IV. 12; ll'^a. m. Zwei Gastrulen. 20. IV. 12; 3412»» a.m. Beide mit anliegenden, gespaltenen Extremitäten, in der Gallert- hülle. 21. IV. 12; 8''p. m. Zwei freischwimmende, wohl entwickelte Nauplien. 22. IV. 12; 1/212'' a.m. Wie am vorigen Tage. 23. IV. 12; ll'^a. m. Wie am vorigen Tage, sehr lebhaft. 24. IV. 12; ll^^a. m. Wie am vorigen Tage. 25. IV. 12; 8hp. m. Beide lebend, recht beweglich. Ein Exemplar zeigt Anlage der Metanaupliusextremitäten. 26. IV. 12; i22''p. m. Beide mit Anlage der Metanaupliusextremitäten. 27. IV. 12; 12''m. Wie am vorigen Tage, sehr beweglich. Beim Reinigen von an- haftendem Schmutz wurde ein Exemplar etwas verletzt und ver- lor seine Beweglichkeit. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CXIV. Bd. 39 594 Erwin Taube, 28. IV. 12; 1/47'^ p.m. Wie am vorigen Tage; beide sehr beweglich. Dritte Extremität noch nicht zur Mandibel geworden. 29. IV. 12; 3411^ a.m. Ein Exemplar sehr lebhaft; beim Reinigen wahrscheinlich ver- letzt, verlor seine Lebhaftigkeit. Ein Exemplar mit schwachen Lebenszeichen. 30. IV. 12; ll^^a. m. Ein Exemplar lebend. Ein Exemplar abgestorben. I.V. 12; 1/2121^ a.m. Ein Exemplar sehr beweglich, drittes Extremitätenpaar zur Man- dibel geworden. 2.V. 12; lO^a. m. Entwicklung wie am vorigen Tage, sehr beweglich, wurde in BouiNscher Lösung konserviert. Aus den vorliegenden Kulturprotokollen lassen sich nun einige Daten über die Schnelligkeit und die Art und Weise der Entwicklung entnehmen, die ich durch andre Beobachtungen ergänzen will. Über die Dauer der ersten Furchungsstadien liegen mir so gut wie gar keine Beobachtungen vor. Im März 1908 fand ich in Ville- franche um 8 Uhr morgens ein Ei, das nur vier Blastomeren aufwies. Unter dem Mikroskop ließen sich in jeder Blastomere zwei Strahlungen erkennen, die immer weiter auseinanderrückten, um 8^23" begannen die neuen Furchen aufzutreten und um 8^ 30'" war die Teilung in acht Blastomeren vollendet. Das Ei wurde dann konserviert. Das Durch- laufen der ersten Furchungsstadien wird wohl nicht viel Zeit in An- spruch nehmen. Wir sehen jedenfalls, daß ein Ei von 16 Zellen inner- halb von 24 Stunden sich zu einer alten Gastrula entwickeln kann. Wenn der Übergang von vier zu acht Zellen ungefähr eine halbe Stunde dauert, so wird die Entwicklung eines ungefurchten Eies zu. einem solchen von 16 Zellen, auch wenn die ersten Teilungsschritte etwas mehr Zeit in Anspruch nehmen sollten, kaum länger als 3 — 4 Stunden dauern. Man kann also annehmen, daß ein Ei, das am Morgen ab- gelegt wurde, am nächsten Tage sich in eine Gastrula umgewandelt hat, die sogar schon Andeutungen der Extremitätenanlagen zeigen kann. Aus mehreren Beobachtungen geht hervor, daß eine Gastrula sich in einem Tage in einen Embryo verwandeln kann, der drei Extremi- I Beiträge zur Entwitklungsgesehichte der Euphausiden. 595 tiltenanlap;en zeigt, von denon tlie zweite und dritte bereits tief ge- spalten sind. Die Extremitäten treten jederseits alle drei gleichzeitig auf und sind anfangs ungespalten. Die Spaltung der mittleren Ex- tremität, d. h. der zweiten Antenne, tritt zuerst auf, nachher spaltet sich die dritte Extremität. Es beginnt die LosUisung der Extremi- täten von den Seiten des Körpers, und zwar von vorne nach hinten. Alle diese Veränderungen gehen noch innerhalb der Clallerthülle vor sich. Durch die stärkeren Bewegungen der frei gewordenen Ex- tremitäten wird schließlich die Gallerthülle zerrissen, und der junge Nauplius mit anfangs fast kugelförmigem Körper schlüpft hervor. Der Zeitpunkt des Abwerfens der Gallerthülle kann wohl variieren, denn ich fand bisweilen Embryonen, deren Extremitäten noch gar nicht ganz frei waren, ohne Hülle. Da die jungen Nauplien, wenn ihre Bewegungen nicht sehr energisch sind, mitunter die Reste der geplatzten Hülle noch einige Zeit mit sich herumschleppen, so kann es ausnahmsweise vorkommen, daß, wie die Beobachtung vom 19. IV. 12, Kultur Nr. 4 zeigt, schon die Anlage der Metanaupliusextremi- täten auftritt, bevor sich das junge Tier ganz von dem anhängenden Hüllenrest befreit hat. Mehrere Beobachtungen zeigen, daß sich am dritten Tage aus dem Ei schon ein freischwimmender Nauplius entwickelt hat. Am fünften Tage tritt am Nauplius die Anlage der drei Metanaupliusex- tremitäten in Form ganzrandiger, seitlicher Vorwölbungen auf, die anfanss in der Mittellinie nicht zusammenstoßen. Erst wenn sie die MitteUinie erreicht haben, tritt eine Spaltung der letzten Extremität auf. Die Anlage der Oberlippe habe ich am sechsten Tage beobachten können. Der Nauplius ist natürlich immer an den drei wohlentwickelten Extremitätenpaaren zu erkennen. Die erste und zweite Antenne ent- springen dicht beieinander am vorderen Körperende, die Mandibeln, in einem gewissen Abstände von ihnen, am Ende der vorderen Kör- perhälfte. Ungefähr in gleichem Abstände von den Insertionspunkten sowohl der beiden ersten Antennenpaare wie der Mandibel scheint die Mundöffnung zu liegen. Jedenfalls sieht man auch an gefärbten Exemplaren an dieser Stelle einen hellen Fleck. Tatsächlich ist aber, wie schon erwähnt, eine Öffnung nach außen um diese Zeit noch gar nicht vorhanden, sondern der ganze Körper wird kontinuierlich von der Naupliuslarvenhaut überzogen. Taf. XVII, Fig. 24 zeigt uns einen fast medianen Schnitt ungefähr durch dieses Stadium. Der helle Fleck bei der Aufsicht kommt dadurch zustande, daß die Oberlippe 39* 596 Erwin Taube, sich in einer gewissen Entfernung von den neu auftretenden Meta- naupliusextremitäten befindet, mit denen sie nur durch ein dünnes Häutchen verbunden ist. Eine Ernährung des Nauplius von außen her kann also überhaupt nicht stattfinden; er ist einzig und allein auf die im Innern aufgespeicherten Dottermassen angewiesen. Am alten Nauplius lassen sich also Oberlippe und Metanauplius- extremitäten unter der durchsichtigen Bauchhaut deuthch erkennen. Erst wenn die Naupliushaut abgeworfen ist, treten diese Anhänge frei hervor und die Mundöffnung öffnet sich nach außen. Die Öff- nung nach innen in den Mitteldarm findet aber erst später statt. Für den Metanauplius ist außer dem Vorhandensein der Oberlippe und Textfig. 1. Junger Nauplius von der Dorsalseite mit eigentümlichem Rückenorgan (nach dem Leben). der Metanaupliusextremitäten die Umwandlung der dritten Nauplius- extremität, die bis dahin auch zum Schwimmen benutzt wurde, in die Mandibel charakteristisch. Diese Umwandlung findet am 12. oder 13. Tage statt "und besteht in einer Krümmung und starken Verkür- zung der Extremität. Das Abdomen tritt um diese Zeit schon etwas hervor, und der seitlich auf die Bauchseite geklappte Panzer ist be- merkbar. Am 14. Tage tritt die Unterlippe in Form zweier kleiner Vorwölbungen zwischen Mandibel und erstem Metanaupliusextremi- tätenpaar auf. Ich möchte hier eine Beobachtung einschalten, die ich zwar nur einmal gemacht habe, die ich aber doch nicht unerwähnt lassen will. In Villefranche fand ich einen ganz jungen Nauplius, dessen Körper I Beiträge zur Entwicklungsgoschichto cIit Kuphaii.sicltn. 597 fast noch kugelförmif!; war, der auf tlom Rücken ein eigentümliches Organ zeigte (Textfig.l). In der Mitte des Kiirpers sah man jeder- seits zwei kreisrunde Vertiefungen, in deren Umgebung die Haut feine, strahlenfininige Falten zeigte, scheinbar hervorgerufen durch den von den Einstülpungen auf die umgebende Haut ausgeübten Zug. Von einer Einstülpung zur andern ging etwas weiter nach vorn eine zweimal leicht gekrümmte Hautfalte. Auch bei freischwimmenden Nauplien ließ sich übrigens eine quer über die Körpermitte verlau- fende, nach hinten zu etwas konkave, dorsale Furche deutlich erkennen. Die beiden dorsalen Grübchen waren auch in der Seitenansicht als sackförmige Einsenkungen wahrnehmbar. Weder habe ich auf Schnit- ten noch in späteren Stadien Spuren dieses Organs wiederfinden können. Wahrscheinlich tritt es nur für kurze Zeit auf und ist in erwachsenem Zustande überhaupt nicht mehr zu finden. Es ist naheliegend, in diesem Organ ein Homologon der bei ver- schiedenen Krebsgruppen beschriebenen und in ihrer Bedeutung noch nicht aufgeklärten »Dorsalorgane« zu erbhcken. Bullae (7, 1879), der es für Cijmothoa beschreibt, erwähnt es noch für Amphipoden, Oniscus, Asellus, Praniza, Cuma, Mysis, ferner für Spinnen und Pen- tastomiden. Die Oastrala. Das letzte Stadium, das ich in meiner früheren Arbeit beschrieben habe, war ein Ei von 122 Zellen. Ich habe alle Zellen solch eines Eies genau gezeichnet und ihre Grenzen zu den Nachbarzellen festgestellt. Eine Ansicht des vegetativen Pols habe ich auf S. 456 gegeben. Wei- terhin ist die Genealogie jeder einzelnen Zelle nicht mehr verfolgt worden, sondern es wurde nur das Schicksal ganzer Zellgruppen und der äußeren und inneren Veränderungen am Ei studiert. Ich glaube annehmen zu dürfen, daß noch zum mindesten eine Teilung erfolgt, ohne daß die beiden ^-Zellen daran teilnehmen, daß also ein Stadium von 242 Zellen durchlaufen wird. Zeichnungen dieses Stadiums habe ich aber nicht herstellen können, weil die Zellen schon zu klein waren, um eine genaue Individualisierung zu ermöglichen. Im Frühjahr 1912 beobachtete ich in Norwegen eine lebende Gastrula, an der ich folgendes konstatieren konnte. Die Zahl der Zellen war mindestens 122, wahrscheinlich aber schon das doppelte, oder richtiger 242 (Textfig. 2). Bei hoher Einstellung war der noch offene Gastrulamund {o.bl.) zu erkennen, der sich beim Niederführen des Tubus allmählich verengerte [u.hl). Um die obere Öffnung sah 598 Erwin Taube, man die acht großen Kerne der Kranzzellen (Kr.), deren Konturen auch ziemlich genau festgestellt werden konnten. In einer bestimmten Tiefe erkannte man sehr deutlich das obere Ende der beiden Ento- dermzellen {E), die hier nicht viel größer als gewöhnliche Zellen sind. Ihre Grenzfläche steht quer zur Längsrichtung der oberen Gastrula- öffnung. Stellte man den Tubus dagegen auf den Äquator des Eies ein, so ließen sich die riesenhaften Dimensionen dieser beiden Zellen ganz genau erkennen, desgleichen, daß sie von ungleicher Größe waren. In allen bisher beschriebenen Stadien ist eine Orientierung des nicht eingeschmolzenen Eies verhältnismäßig leicht möglich. Die Textfig. 2. Ansicht des vegetativen Poles eines Eies von 122 (oder 242) Zellen. Zeichenapparat. Xach dem Leben. oM, obere Blastopoiusöf fnung ; ti.bl, untere Blastoporusöffnung; Kr, Kranzzellen; E, Euto- dermzellen. Handhabe dazu bietet erstens die verschiedene Größe der Zellen am vegetativen und am animalen Eipol. Dazu kommt eine immer mehr zunehmende Phasendifferenz der vegetativen und animalen Zellen, so daß erstere noch im Ruhestadium sein können, während die letzteren sich schon in weit vorgerücktem Stadium der Teilung befinden. Auf diese Weise kann man die vegetativ-animale Achse ziemlich leicht erkennen. Zweitens läßt sich durch die Lage der beiden großen jS-Zellen, bzw. schon ihrer Mutterzelle, eine sagittale Symmetrieebene feststellen. Die Grenzfläche zwischen diesen beiden Zellen steht näm- lich senkrecht zu genannter Ebene. Treten dann noch die beiden Mesenchymzellen und ihre Nachkommen deutlich hervor, so ist diese Ebene noch bestimmter festgelegt. Was andres ist es aber, wenn Beiträge zur Entwicklungsgescliichtt' der Eui)liausiclcTi. 599 bei weiterem Fortschreiten der Gastrulatiou und infolge erneuter Zell- teilungen die Zahl der Zellen sich bedeutend vermehrt, ihre Größe gleichzeitig abnimmt, so daß ein Unterschied zwischen den Zellen des vegeüitiven und animalen Pols kaum mehr wahrgenommen werden kann. Sind dann die ^'-Zellen endgiltig in der Tiefe verschwunden und hat sich der Gastrulamund über ihnen vollständig geschlossen, so tritt ein Stadium ein, wo es kaum gelingt, irgendeinen Punkt des -~~~Ms o^^ ^o o- Textfig. 3. Ansicht des vegetativen Poles einer Gastrula; nach einem gefärbten und aufgehellten Präparat. Ms, Mesenchyrazellen ; 6/, Blastoporus. Eies mit Sicherheit zu identifizieren. Das Ei ist dann äußerlich von überraschender Kegelmäßigkeit, hat scheinbar eine vollkommene Ku- gelgestalt, die höchstens an der Stelle des geschlossenen Urmundes eine leichte Einsenkung zeigt. An der Oberfläche des Eies sieht man dicht gedrängt Kern neben Kern, meist in langen, regelmäßigen Rei- hen, wie Taf. XV, Fig. 1 zeigt. Doch läßt sich auch hier bei genauer Untersuchung des in Glycerin aufgehellten Eies in der Nähe des ge- schlossenen Urmundes eine Stelle finden, die einen gewissen Anhalts- 600 Erwin Taube, punkt zur Orientierung bietet. Man erkennt hier nämlich einige Kerne, die erstens durch ihre Größe auffallen und zweitens dadurch, daß sie in größeren Abständen voneinander liegen, wie die übrigen Kerne. Es lassen sich um diese Kerne herum auch Zellgrenzen wahr- nehmen, was sonst nirgends am Ei der Fall ist. Man sieht also, daß es sich hier um größere Zellen handelt (Textfig. 3). Ferner läßt sich unschwer innerhalb dieser Zellgruppe eine gewisse Symmetrie, ein Rechts und Links erkennen. Die einzigen Zellen aber, die bei der jungen Gastrula von 122 Zellen in der Nähe des Urmundes durch ihre Größe, ihren langsamen Teilungsschritt und ihre symmetrische Lage auffielen, waren die Mesenchymzellen. Die Symmetrieebene müßte ein Ei von 62 Zellen so teilen, daß jede Hälfte eine Mesenchym- zelle mitbekommt; im 122. Zellenstadium würden jederseits je zwei Mesenchymzellen vorhanden sein (vgl. hierzu die Textfig. 4 und 6 auf S. 452 und 456 meiner früheren Arbeit). Ich kann daher wohl mit Sicherheit annehmen, daß die Gruppe großer Zellen in der Nähe des Urmundes einer älteren Gastrula aus Abkömmlingen der beiden Mesenchymzellen besteht. Nur haben sich hier, wie aus der Textfigur ersichthch ist, die Zellen wieder geteilt, und zwar durch eine äqua- toriale Teilungsebene. Links auf dem Bilde ist gerade eine Zelle in solch einer Teilung begriffen. Die Figur zeigt uns aber noch etwas anderes, zwei große Kerne sind vom Rande der Nachbarzellen etwas überlagert. Es macht den Eindruck, als ob die einen Zellen etwas über die andern geschoben würden, die infolgedessen in die Tiefe ge- drückt werden. Tatsächlich ist dieses, wie ich noch zeigen werde, auch der Fall. Die Partie der großen Mesenchymzellen sieht beim aufge- hellten Ei etwas dunkler und undurchsichtiger aus als die Umgebung. Dieses führe ich auf die bedeutende Ansammlung von Plasma in die- sen Zellen zurück, was sich auf Schnitten deutlich erkennen läßt. Von einer Schnittserie, die besonders gut gelungen war, und die eine überraschende Symmetrie der links und rechts gelegenen Zell- gruppen zeigte-, habe ich alle Schnitte aufs genaueste gezeichnet, um ein möghchst klares Bild von dem Innern des Eies zu gewinnen. Es war natürlich nicht möglich, die ganze Bilderserie hier zur Abbildung zu bringen, doch wird auch die Reihe der Fig. 2, 3, 10, 5, 6, Taf. XV (die in der ganzen Schnittserie von 1 — 32 die Nummern 2, 3, 14, 22, 25 repräsentieren) das Verständnis erleichtern. Einer andern Gastrula, auf demselben Stadium und ziemlich in derselben Richtung ge- schnitten, entstammt der Schnitt Taf. XV, Fig. 7. Die auffallend symmetrische Verteilung der Zellen weist darauf Beiträge zur Entwitklungsgoschichto «lor Euphausidon. 601 hin, daß die Öchiiittiiclituiig zwar ziemlich senkrecht zur Symmetrie- ebene steht, nicht aber parallel oder senkrecht zur vegetativ-animalen Achse. Die großen Kerne auf Taf. XV, Fig. 2, 3, 7 Ms gehören zu den Mesenchymzellen, die in der Nähe des Urmundes liegen und Nachkommen der beiden Urmesenchymzellen M^ und .l/g sind. JJic Schnitte Fig. 2 und 3 folgen aufeinander. Der Schnitt Fig. 7, der ja von einem andern Präparat stammt, zeigt besonders schein die .sym- metrische C4ruppierung der großen Kerne und den noch nicht völlig geschlossenen Urmund. Fig. 3 und 7 stellen beiden den dritten Schnitt der betr. Präparate dar: die Mesenchymzellen sind also schon ein wenig unter die Oberfläche gesunken. In den Schnitten 12 — 15 des- selben Präparates trifft man im Innern des Eies den auffallend großen Kern einer Zelle. Im 12. und 15. Schnitt ist der Kern nur angeschnit- ten, in den dazwischenliegenden Schnitten voll getroffen. Der erste von diesen Schnitten ist auf Taf. XV, Fig. 10 abgebildet. Man müßte erwarten, es handele sich hier um den Kern einer der beiden großen £'-Zellen. Das Merkwürdige ist aber, daß nur eine dieser Zellen nach- zuweisen ist. Die sorgfältigste Vergleichung der Schnitte führte mich immer nur zu dem Resultat, daß es sich in den vier aufeinander- folgenden Schnitten um ein und denselben Kern handele. Es bleibt dann nur die eine Erklärung, daß die eine der Zellen schon in mehrere Entodermzellen geringerer Größe zerfallen ist. Taf. XV, Fig. 5 e (Schnitt 22) zeigt uns tatsächlich solche Entodermzellen, die sich von den umgebenden Mesodernizellen, den Abkömmlingen der Kranz- zellen, durch ihre Größe etwas unterscheiden. Ich möchte hier gleich vor<2;reifend bemerken, daß das Schick- sal der beiden ^'-Zellen nicht dasselbe ist. Während die eine ausschließlich Entoderm liefert, stellt die andre die Urgenitalzelle dar (die aber vielleicht auch etwas zum Entoderm beisteuert), wie ich weiter unten genauer darlegen werde. In den Schnitten 12—19 (z. B. Fig. 10 msd.) desselben Präparates findet man am oberen Rande noch einige Kerne, die sich durch ihre Größe und Struktur von den Nachbarkernen des Blastoderms unterscheiden. Sie liegen den Mesenchymzellen gegenüber auf der andern Seite des Urmundes, aber auch symmetrisch zur Sagittalebene. Es ist möghch, daß auch sie bei der Gastrulation zur Mesodermbil- dung herangezogen werden. Die Schnitte 24 — 26 zeigen wieder das Auftreten und Verschwin- den einer Zellgruppe, die sich durch die Größe ihrer Kerne auszeichnet. 602 Erwin Taube, Es sind die vier großen Kerne, die in Taf . XV, Fig. 6 msd. sichtbar sind und auffallenderweise außerhalb der centralen Entodermmasse gelagert scheinen. Ob man es hier trotz der Lage mit Entodermzellen zu tun hat, wofür die Größe der Kerne spricht, oder ob hier Mesoderm vorliegt, das mit den in Fig. 10 am oberen Rande abgebildeten Zellen genetisch in Zusammenhang steht, ist schwer zu entscheiden. Ich neige mehr zur letzteren Ansicht, obgleich ich den erwähnten Zusam- menhang nicht mit Sicherheit nachweisen konnte. Taf. XV, Fig. 4 Ms, ein Schnitt durch eine Gastrula, zeigt wieder die Einwanderung von Mesenchymzellen. Ahnliche Bilder erhält man auch von älteren Stadien, an denen schon die Anlage der Extremi- täten sichtbar ist. Einer sagittal geführten Schnittserie durch solch ein Ei entstammt der Schnitt Taf. XV, Fig. 9, der genau durch die Mittellinie geht und auf dem wieder zwei große Kerne (G) sichtbar sind, die durch Teilung aus der Urgenitalzelle entstanden sind. Be- vor ich aber zu der Besprechung dieses etwas älteren Stadiums über- gehe, will ich noch einiges über Fig. 8, die einen Schnitt durch eine Gastrula darstellt, bemerken. Der Schnitt geht durch den fast ge- schlossenen Gastrulamund (bl), von dem sich eine Protoplasmamasse mit einigen Kernen bis in die Mitte des Eies erstreckt. Hier findet sich ein großer Kern {E), zu der einen £'-Zelle gehörig, während der andre einige Schnitte weiter auftritt. Wir sehen ferner im Innern zerstreut einige Kerne verschiedener Größe, die teils Entoderm, teils Mesoderm vorstellen mögen. Rechts vom Blastoporus erkennen wir im Blastoderm eine Plasmamasse mit zw^ei großen Kernen {Ms), die sich in das Innere des Eies einsenkt. Unzweifelhaft gehören diese Kerne zu der mehrfach erwähnten Mesenchymzellengruppe. Der vegetative Eipol wird jedenfalls zum Hinterende der Larve, wobei sich der Blastoporus vollkommen schließt und der After neu angelegt wird. Bei Moina (Grobben 13, 1879) soll die definitive Mundöffnung an dem Orte entstehen, wo sich der Gastrulamund schheßt. Bei Mysis (Bergh 1, 1892) dagegen hat der Blastoporus »weder zum Munde noch zum After irgendwelche Beziehung, seine Lage ist in der Nähe des künftigen Afters; dieser aber entsteht weit später, lange nachdem der Blastoporus vollkommen unkenntlich ge- worden ist« (S. 437). Im Stadium von 32 — 122 Zellen liegen die beiden .E'-Zellen in der Mittellinie, so daß ein Sagittalschnitt beide Kerne trifft. Die Grenz- fläche zwischen £"1 und Eo steht senkrecht zur Mittelebene und parallel der vegetativ-animalen Achse. Beim Zerschneiden des Eies parallel Beiträge zur Kiitwicklungsgeschichti- (Kr Kiiphausiden. G03 zur Gieiizflächc koiniueu die Kerne der E-ZtAhn auf verschiedene Schnitte. Die Mesenchymzellen und ihre Abk()ininlinge bezeichnen die ventrale Urmundhppe und die Ventralseite des Embryo. Taf. XV, Fig. 11 stellt eine Kombination von vier aufeinander- folgenden »Schnitten dar, die dadurch gewonnen wurde, daß vier durch- sichtige Zeichnungen aufeinandergelegt und durchkopiert wurden. Diese Kombination ist von Wichtigkeit, weil an ihr sich gut zeigen lälit, daß in einer Gastrula, in der die beiden Riesenkerne (G) vor- handen sind, die meiner Meinung nach zu den Genitalzellen gehören, auch noch reichlich Entoderm (e) vertreten ist, das sich durch Größe, Beschaffenheit und Lage seiner Kerne scharf von den es umgebenden Mesodermelementen {msd.) unterscheidet. Die großen Kerne am obe- ren Rande der Zeichnung gehören wahrscheinlich zur Mesenehym- gruppenzelle (Ms.). Sie liegen nicht, wie es die Zeichnung darstellt, unter dem Blastoderm, sondern nehmen Teil an der Bildung des Bla- stoderms. Weil sie aber am Rande eines kleineren Schnittes lagen, macht es auf der kombinierten Zeichnung den Eindruck, als ob sie im Innern des Eies lägen. Von großer Wichtigkeit und äußerst instruktiv ist Fig. 12. Man OD O sieht beim Vergleich mit Fig. 11, daß es sich hier fast um dasselbe Stadium und dieselbe Schnittrichtung handelt. Nur ist dieses Ei einen kleinen Schritt in der Entwicklung vorgeschritten, denn alle Entodermzellen und die beiden Genitalzellen (G), die in Fig. 11 noch in Ruhe sind, befinden sich hier in vollster Teilung. Dieses Präparat ist besonders wertvoll, weil es äußerst selten ist, daß man alle Ento- dermzellen in Teilung findet. Ein glücklicher Zufall ist es außerdem, daß die Schnittrichtung fast dieselbe ist wie in Fig. 11, so daß ein Vergleich ohne weiteres möglich ist. Man erkennt, daß die Kombi- nationsfig. 11 ziemlich genau der AVirklichkeit entspricht, und fast alles, was dort aus vier Schnitten kombiniert dargestellt wurde, ist hier auf einem Schnitt zu sehen. Ohne weiteres läßt sich an der Lage und der Größe der Kernplatte erkennen, daß auch die beiden großen Genitalzellen in Teilung sind. Die Kernplatte der andern Genital- zelle findet man zwei Schnitte weiter. Vou dem Auftreten der Extremitäten bis zum freiscii^immenden >'aupliu8. Während dieser ganzen Zeit sind das Ei und der junge Embryo noch von der durchsichtigen Gallertmasse umgeben. Das Ei selbst ist auch fast vollkommen durchsichtig. Die Extremitäten treten in 604 Erwin Taube, Form dreier länglicher Vorwölbungen seitlich hervor. Die Textfig. 4 bis 7 zeigen uns solch einen Embryo in vier verschiedenen Lagen: von der Seite, in dorsaler und ventraler Ansicht und von hinten. Durch das Auftreten der Extremitäten ist ohne weiteres ein Rechts und Links am Embryo zu erkennen. Bedeutend schwieriger ist die Feststellung dorsal röMich hinten vorn ventral Textfig. 4. Ei mit Extremitätenanlage von der Seite. Textfig. 6. Dasselbe Ei um 90° nach unten gedreht, tralseite. Yen- dorsal vorn Textfig. 5. Dasselbe Ei um 90° um die Längsachse nach oben ge- dreht. Dorsalseite. ventral Textfig. 7. Mesenchymzellengruppe. Dasselbe Ei von Fig. 6 (von hinten aus gesehen). des Vorder- und Hinterendes, der Dorsal- und Ventralseite. Der Ur- mund ist um diese Zeit vollkommen geschlossen, und die Extremitäten lassen noch nicht erkennen, welche von ihnen zur ersten Antenne wird. Später tritt eine Spaltung zweier nebeneinanderliegender Ex- tremitätenanlagen an einem Ende auf und es läßt sich dann erkennen, welche von den drei Extremitäten zur ungespaltenen ersten Antenne wird und damit das vordere Ende des Embryo bezeichnet. So lange Beiträge zur Entwieklungsgeschielile der Eii]>liausiclen. C05 man nun die weitere Entwicklung der Extremitäten und ihre Los- lösung vom Körper noch nicht Ijeobachtet hat, ist auch jetzt das Er- kennen von Rücken- und liauchseite nicht ohne weiteres möglich. Es ist naheliegend, anzunehmen — wie ich es auch anfangs tat — , daß das gespaltene Ende der Extremitäten, das sich ja allmählich vom Körper abhebt, zur Bauchseite gekehrt ist, während die Anheftungs- stelle der Extremitäten die Rückenfläche bezeichnet. Merkwürdifrer- weise ist das gerade umgekehrt. Dasselbe beobachtet Bigelow (3, 1902) bei Le-pas, wo die Abschnürung der Extremitäten mit dem dor- salen, distalen Ende beginnt und fortschreitet, bis endlich die Extre- mitäten nur an der Ventralseite befestigt sind. Wenn sich nun die Extremitäten von den Seiten des Körpers abgelöst haben, so klappen sie nicht ohne weiteres zur Bauchseite hinunter, sondern vollziehen eine Drehung, durch welche sie erst teilweise nach hinten gerichtet sind. Schließlich kommen sie in die Ebene der flachen Bauchseite zu liegen, wobei die erste Antenne ganz nach vorn, die zweite Antenne und die Mandibel zur Seite gerichtet sind. Der junge Embryo ist anfangs fast kugelig, und der Rücken behält noch lange seine kugelige, vorgewölbte Gestalt. An jungen Embryonen, wie sie hier abgebildet sind, gelingt es aber trotz der genannten Schwierigkeiten bei genauem Beobachten sich einigermaßen über die Lage des zukünftigen Tieres zu orientieren. Die fast vollkommen durchsichtigen Eier zeigen näm- lich an einer Stelle eine zarte, rötliche Färbung. Nun beobachtet man dasselbe auch am Hinterende des ganz jungen Nauplius, wie schon Metschnikoff hervorhebt. Die rötliche Färbung läßt also auch bei ungespaltenen Extremitäten das Hinterende erkennen. An aufgehellten Eiern läßt sich am Hinterende etwas ventral und jederseits von dem nunmehr geschlossenen Urmund eine Gruppe von größeren Zellkernen erkennen. Auch auf Präparaten sind diese Zellgruppen ohne weiteres wiederzuerkennen, wie aus den Fig. 13 und 14 {Ms) ersichtlich. Die Schnittrichtung ist senkrecht zur Längsachse des Embryo. Abgesehen von ihrer Größe fallen die Kerne durch ihre schwache Tingierbarkeit und durch den Besitz von ein oder zwei großen Nucleolen auf. Diese Zellgruppe stellt natürlich nichts an- deres dar als die schon mehrfach erwähnten Abkömmlinge der großen Mesenchymzellen. In Fig. 13, einem Querschnitt durch das Hinterende, finden wir aber noch etwas anderes: zwei große Kerne {G), die in der Mitte des Schnittes und genau in der Saoittalebene Herren. Diese Kerne haben ihrer Lage und Struk- tur nach nichts mit den Mesenchymzellen zu tun, und wir werden 606 Erwin Taube, sie daher als die Kerne der beide großen Genitalzellen ansprechen müssen. In beiden Präparaten findet man mehr in der Mitte des Embryos reichlich Entodermzellen, die durch ihre größeren Kerne leicht von dem Mesoderm unterschieden werden können. Man sieht auch, be- sonders deutlich in Fig. 17 ex.a, daß die Loslösung der Extremitäten vom Körper von der Dorsalseite beginnt. In Fig. 18 ms(Z ist nahe der Dorsalseite eine Zellgruppe mit größeren Kernen zu bemerken. Auch im andern Präparat, dem Fig. 17 entstammt, waren diese Kerne vorhanden. Die dorsale Lage dieser Zellen entspricht ziemlich gut der Lage der großen Mesodermkerne, die in Fig. 6, Taf. XV abgebildet waren. Denkt man sich die letzteren durch Teilung vermehrt, so er- hält man ein Bild, das ziemlich gut mit Fig. 18 übereinstimmt. Über das spätere Schicksal dieser Zellgruppe kann ich nichts Bestimmtes sagen. Es könnte sein, daß sie die Anlage der späteren dorsoventralen Extremitätenmuskeln ist. Jedenfalls findet man beim jungen Nau- plius in dieser Gegend in den noch jungen Muskelfasern große, lang- gestreckte Kerne. Die in meiner früheren Arbeit (S. 460) ausgespro- chene Vermutung, die dorsoventrale Muskulatur stamme von den Mesenchymzellen M^ und ilfg, würde eine Stütze erhalten, wenn es möglich wäre, einen Zusammenhang zwischen beiden Zellgruppen nachzuweisen, was mir fürs erste aber nicht gelungen ist. Ich habe es vorgezogen, die Schilderung der von mir beobachteten Vorgänge nicht durch Literaturzitate und Erörterungen zu unter- brechen, um ein einheitliches Tatsachenbild zu geben. In folgen- dem will ich nun die Literatur, so weit sich Vergleichspunkte ergeben, heranziehen. Da ich schon früher einen Teil der Arbeiten in bezug auf Furchung, Gastrulation und Anlage der Keimblätter besprochen habe, werde ich jetzt nur einiges nachzuholen haben. Urbano WITSCH (35, 1885) findet bei der Furchung der Cyclo- piden eine in der Mitte gelegene Zelle, die er als »innere« bezeichnet. Eine Zelle des Blastoderms, die sich durch ihre Größe auszeichnet, wandert nun ein, teilt sich, und von diesen beiden Zellen soll durch weitere »Knospung << das Entoderm abstammen. Die Zellen des Bla- . stoderms sind hoch cylindrisch geworden und von den verdickten inneren Enden dieser Zellen sollen die Mesodermzellen abstammen. Einige dieser Zellen erinnern durch ihre Form und ihre Dotterarmut an die früher erwähnte große, »innere« Zelle, obgleich Autor letztere nicht zum Mesoderm rechnen will. Bei einem Embryo mit Extremi- tätenanlage beobachtet er auf Längsschnitten und an durchsichtig Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Euphausiden. 607 gemachten Exemplaren auf clor Haiichseite nahe am Hinterende zwei große, symmetrisch gelagerte Zellen, die jedenfalls den von Groböen bei Cetochihis beobachteten Urmesodermzellen entsprechen und die auch der Autor für Mutterzellen des secundären Mesoderms ansieht. Autor hält es für wahrscheinlich, daß sie entodermalen Ursprunges sind und wirft die Frage auf, ob sie nicht von den beiden früher er- wähnten großen Zellen abstammen könnten, die, nachdem sie Ento- derni durch Knospung geliefert haben, als Mutterzellen des Mesoblasts nachgeblieben wären. Bei jüngeren und älteren Nauplien lassen sich auf der Ventralseite zu beiden Seiten des Rectum große, rundliche Zellen beobachten, die von den Urmesodermzellen abstammen und das secundäre Mesoderm liefern. Vorgänge, die sehr an die Gastrulation der Euphausiden erinnern, beobachtete Schimkewitsch in seinen Arbeiten über die Entwick- lungsgeschichte parasitischer Copepoden (31, 32, 1893, a und b; 33, 1896). »Bei Chondracanthus merlucci beginnt die Gastrulation mit der Einsenkung zweier mehr oder minder symmetrisch liegender Zellen in das Blastocöl, was an horizontalen Schnitten zu sehen ist.« (33, S. 346). Diese Zellen würden meinen Zellen E^ und E^ entsprechen. — Allmählich folgen noch drei andre Zellenpaare, so daß im ganzen schließlich vier Zellenpaare im Blastocöl liegen. »Darauf senken sich die Zellen ein, welche den Blastoporus von den Seiten und von hinten umgeben . . . « »Diese Zellen umgeben in der Gestalt eines unvoll- ständigen Ringes von hinten und von den Seiten die paarweise an- geordneten größeren Zellen. Es senken sich, wie es scheint, nicht eine, sondern mehrere von den Zellreihen ein, die den Blastoporus umgeben...« (S. 346). — Entweder entsprechen diese Zellen den »Kranzzellen« der Euphausiden und ihren Abkömmlingen oder den Mesenchymzellen. Caryokinetische Figuren hat Schimkewitsch weder in diesen Zellen noch in den Centralzellen beobachten können. — Mau sieht daraus, daß Teilungsstadien dieser Zellen sehr selten sind, und daß ich meine Fig. 12, Taf. XV nur einem glücklichen Zufall ver- danke. — Die centralen Zellen stellen nach Schimkewitsch das En- toderm, der sie umgebende peripherische Ring das Mesoderm dar, was ja vollkommen meiner Auffassung der Vorgänge bei den Euphau- siden entspricht. Interessant ist die Fig. 23 in der zitierten Arbeit. Sie stellt einen Horizontalschnitt durch das Gastrulastadium von Chondracanthus gibbosus mit dem Beginn der Mesodermbildung dar. Die Verhältnisse sind hier so ähnlich wie bei den Euphausiden, daß die Fifur ebenso gut einen Schnitt durch ein Euphausidenei darstellen 608 Erwin Taube, könnte, wie aus einem Vergleich mit meiner Fig. 12 zu er- sehen ist. Bei Notopterofhorus gibher und fapilio verläuft, nach demselben Autor, die Gastrulation in sehr ähnlicher Weise, nur mit dem Unter- schiede, daß bei Chondracanthus sich zur Entodermbildung zwei Reihen der Blastulazellen einsenken, bei Notopterophorus dagegen nur ein Zellenpaar, das sich erst im Dotter zu teilen beginnt. »Im ersten Falle haben wir eine Invagination oder einen Fall der Faltenbildung; die zweite Art kann als teloblastische Entwicklungsweise bezeichnet werden« (S. 353, 1896). Manche überraschende Ähnlichkeit bei der Furchung und Keim- blätterbildung ergibt sich beim Vergleich der Euphausidenentwick- lung mit der Entwicklung der Cirripedien nach den Untersuchungen von Lang (21, 1878), Groom (15, 1895) und Bigelow (2, 1896, 3, 1902). Lang findet auf dem zweiten Zellenstadium eine große, dotter- lialtige Entodermzelle und eine kaum halb so große Ectodermzelle. Letztere teilt sich, und ihre Derivate umwachsen die Entodermzelle, so daß eine Amphigastrula entsteht. »Nachdem der Urmund ge- schlossen und die Ectodermzellen in einschichtiger Lage sich überall über dem Nahrungsdotter ausbreiten, teilt sich auch dieser senkrecht auf die Längsachse des Eies in zwei Entodermzellen« (S. 672). Später teilt sich das Entoderm in acht bis zehn Zellen, die sich in zwei Längs- reihen anordnen. Auch Groom beobachtet, daß die große Dotterzelle erst nach Schluß des Blastoporus, d. h. nachdem sie vollkommen vom Blasto- derm umwachsen ist, sich teilt. — Wenn die Art der Gastrulation in diesen Fällen auch von der der Euphausiden abweicht, so sind die Resultate aber doch dieselben. Die größte Ähnlichkeit mit der Euphausidenentwicklung bietet aber die Entwicklung von Lepas, auf die ich nach den eingehenden Untersuchungen von Bigelow etwas genauer eingehen will. Die Furchung ist auch eine totale und inäquale und es wird wie bei den Euphausiden ein Stadium von 2, 4, 8, 16, 32, 62 und 122 Zellen durchlaufen. Im 8-Zellenstadium ist eine große Mesentoblastzelle (c?*-^) vorhanden. Dasselbe finde ich im Euphausidenei, wo die große Zelle d^ das zukünftige Ento- und Mesoderm enthält. In beiden Fällen tritt nun beim Übergang in das 16-Zellenstadium eine endgiltige Trennung der Entoderm- und der Mesodermzelle ein. Bei Lepas sind Beiträge zur Entwieklungsgeschichte der Eupliausiden. 609 es die Zollen ih'-^ (»eiitobla.st<<) und d'^- (>>priniaiy niesoblast<<), bei meinem Mateiial die Zellen (/-- = E (Urentodernizelle incl. Genital- zellen) und (l--^ (-Mesodermzelle). Schon frühzeitig macht sich eine Verzögerung- bei der Teilung der durch Dotterreichtum ausgezeich- neten Meso-Entoblastzelle {d*-^ [Bigelow] = d^ [Taube]) bemerk- bar und tritt besonders deutlich beim Übergang zu 32 Zellen auf, wo vorübergehend ein Stadiuni von 30 Zellen beobachtet wird. Bige- Lows Fig. 51 entspricht daher der Fig. 15 meiner früheren Arbeit. Ein Unterschied zeigt sich nur darin, daß die Entoblastzelle bei Lepas sich noch langsamer teilt als bei den Euphausiden. Sie ist die letzte Zelle, die beim fünften Teilungsschritt sich zur Furchung anschickt, was man übrigens auch von den Euphausiden sagen kann. Gewöhn- lich teilt sie sich erst zu einer Zeit, wo die Blastodermzellen sich zur nächsten (sechsten) Teilung anschicken. Bisweilen aber erfolgt die Teilung der Entoblastzelle fast gleichzeitig mit der sechsten Teilung der Blastodermzellen. Die Furchungsspindel liegt fast senkrecht zur Sagittalebene, also umgekehrt wie bei den Euphausiden, wo sie parallel zur MittelUnie steht. Bei diesen teilt sich die Urentodermzelle beim fünften Teilungsschritt, zwar auch als letzte, die Teilung wird aber schon hier ganz zu Ende geführt, so daß das Ei aus 32 Zellen besteht, bei denen die Kerne alle im Ruhestadium sind. Der Blasto])orus ist um diese Zeit bei Lepas gefüllt mit dem pro- toplasmatischen Ende des Dotterentoblasten und wird umgrenzt von den beiden primären Mesoblasten und vier Mesectoblasten. Beim Übergang in das 62-Zellenstadium versinken die beiden primären Mesoblasten ins Innere des Eies und teilen sich verspätet. Die vier Zellen, welche den übrigen Urmundrand ])ilden, teilen sich mit radiär und schräg nach innen gerichteten Spindeln. Auch das trifft mutatis niutandis für die Euphausiden zu: die acht Kranzzellen, die im 62- Zellenstadium den Blastoporus umgeben, liefern ja auch Beiträge zum Mesoderm (nicht zum Entoderm, wie ich früher annahm) und tragen zum Teil zur Ectodermbildung bei. Alle übrigen Zellen des Blastoderms sind hier wie dort rein ectodermal. Ein Unterschied im Verhalten der Mesoblastzellen ist bei Lepas und den Euphausiden darin zu konstatieren, daß bei ersterem die bei- den primären Mesoblastzellen reinen Mesoblastcharakter tragen, wäh- rend die entsprechenden Zellen der Euphausiden erst je eine >>Krauz- zelle« abzuteilen haben, die ja ihrerseits wieder Mesoderm und Ecto- derm liefern. Die »primären Mesoblastzellen« bei Lepas entsprechen den >>Mesenchymzellen« der Euphausiden, während das »secundäre Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. CXIV. Bd. 40 610 Erwin Taube, Mesoblast« dem von den Kranzzellen gelieferten Mesoderm gleich- kommt. Das Nanplinsstadium. Wie schon früher geschildert, verläßt der junge Embryo die Gal- lerthülle zu einer Zeit, wo der Körper noch ziemlich kugelförmig ist. Bald findet eine geringe Streckung des Körpers, der jetzt im Umrisse eiförmig wird, und eine Abflachung der Bauchseite statt. Dieses Stadium — vom Verlassen der Eihülle bis zur Ausbildung des frei- schwimmenden Nauplius — wird jedenfalls ziemlich rasch durch- laufen, denn auch in den Fängen, wo zahlreiche Nauplien, Metanau- plien und auch noch Gastrulen zu finden sind, findet man nur vereinzelt dieses Übergangsstadiam. Das Naupliusstadium zeigt während des größten Teils seiner Dauer nur äußerlich wenig Verschiedenheiten, und es fällt schwer, einen eintägigen Nauplius von einem mehrere Tage alten zu unter- scheiden. Erst wenn die Metanaupliusextremitäten durch die Lar- venhaut schon durchscheinen, kann man auch äußerlich einen älteren Nauplius erkennen. Während außen geringe Veränderungen vor sich sehen, findet im Innern naturoemäß ein reges Wachstum statt, und Schnitte durch Tiere vom Anfang oder vom Ende der Nauplius- zeit sehen daher sehr verschieden aus. Diese Verschiedenheiten sind so beträchtlich, daß es mir anfangs schwer fiel, mich in der Fülle der Erscheinungen zurechtzufinden, da Dutzende Präparate von schein- bar demselben Stadium stets neue Bilder lieferten. Man vergleiche z. B. die Fig. 16a und h (Taf. XVI) mit 21a und h (Taf. XVI), um zu sehen, wie verschieden Längsschnitte durch das Naupliusstadium aussehen können. Erst nach großer Mühe gelang es mir schließlich Gesetzmäßigkeiten zu erkennen und gewisse Phasen zu unterscheiden. Genau genommen kann die Zahl der Phasen während des Nauülius- Stadiums eine beliebig große sein, denn jede Stunde verändert das innere Aussehen' des Tieres. Es wird aber genügen, wenn ich innerhalb des Naupliusstadiums drei Phasen unterscheide, die ich als Nauplius I, II und III bezeichnen will. Diese Stadien sind selbstverständlich rein konventionell und stellen in keiner Weise irgendeinen tiefer grei- fenden Einschnitt in der Entwicklung des Nauplius dar. Das Merk- mal, nach dem ich diese Einteilung treffe, ist die mehr oder weniger starke Entwicklung der Bauchseite. Ein Vergleich der Fig. 21a und 6, 22 (Taf. XVI) und 16a und h (Taf. XVI) werden die Unterschiede am besten verständlich machen. Beitrage zur Entwicklungsgesehiehte tler Kiipliausideii. 611 Nauplius I. \\"io erinnorlich, war (1(m- IbWiepunkt des Gastrulastadiunis cha- rakterisiert durch ein aus wunderschcuien Zellreihen und vollkommen gleich großen Kernen gebildetos Blastoderm. Die Regelmäßigkeit der Kernanordnung schwindet schon vor dem Auftreten der Extre- mitätenanlagen, so daß man an diesem Merkmal stets das relative Alter einer Gastrula bestimmen kann. Trotzdem bleibt aber noch während der Extremitätenanlage eine gewisse Gleichmäßigkeit in der Ausbildung des Ectoderms gewahrt, wie die Fig. 17 und 18 zeit^en. Nur noch kurze Zeit läßt sich während des jüngsten Naupliussta- diums diese einigermaßen gleichmäßige Ausbildung des Ectoderms verfolgen. Die weitere Entwicklung wird charakterisiert durch die beginnende stärkere Ausbildung des Ectoderms auf der Bauchseite. Die Fi«-. 21 (Taf. XVI), 23 und 30 (Taf. XVII) lassen den Unterschied in der Aus- bildung des Ectoderms der Dorsal- und Ventralseite deutlich zutage treten. Die Vorgänge auf dem Rücken beschränken sich nämlich auf eine Dehnung der Rückenhaut fast ohne Zellvermehrung und die spätere Anlage des Panzers. An der Ausbildung irgendwelcher Organe von Wichtigkeit ist das dorsale Ectoderm nicht beteiligt. Anders die Bauchseite. Hier ist nicht nur der Platz der regsten Zel- lenvermehrung, es kommt hier zur Anlage der Ganglienkctte, und durch die Ausbildung der Mundwerkzeuge und Metanaupliusextremi- täten wird das Aussehen des jungen Tieres mit jeder Neubildung immer mehr verändert. Die Fig. 21 (Taf. XVI) und 23 (Taf. XVII) zeigen, daß der Rücken des jungen Nauplius nur von einer dünnen Cuticula mit zerstreut dar- unterliegenden Kernen bedeckt ist. Die Cuticula ist so durchsichtig, daß sowohl vom Rücken wie von der Seite die durchscheinenden Extre- mitätenmuskeln gesehen werden können, und zwar im lebenden und im gefärbten Zustande. Das Hinterende der Bauchseite ist von einem richtigen Epithel mit großen, dichtgedrängten Kernen bedeckt. Am vorderen Ende dieser Zellreihe, ungefähr in der Mitte des Körpers, findet sich eine leichte Einsenkung und davor ein kleiner Höcker. Der H()cker wächst später zur Oberlippe aus, die Einsenkung ist die Mundbucht. Die Querschnitte durch das Hinterende solch eines Stadiums (Taf. XVI, Fig. 19 und 20) zeigen ebenso deutlich den Unterschied in der Ausbildung der Dorso- und Ventralseite. Auf der Bauchseite 40* 612 Erwin Taube, eine zusammenhängende Schicht von Zellen, ohne bestimmte Zell- grenzen, mit großen Kernen — auf dem Rücken nur vereinzelte Kerne, meist fast ohne Protoplasma. Während die widerstandsfähige Bauchseite auch nach der Konservierung gleichmäßig gewölbt bleibt, schrumpft die dünne und nachgibige Rückenseite gewöhnlich ein und bildet Falten. Noch immer findet bisweilen eine überraschende Gleich- mäßigkeit in der Ausbildung der linken und rechten Körperhälfte statt, auf die schon früher hingewiesen wurde. Der Querschnitt Fig. 19, ganz in der Nähe des Hinterendes, zeigt jederseits von der Mittellinie eine kleine Zellgruppe (fcb), die mit dem Ectoderm in Zusammenhang stehend sich in das Innere erstreckt. Auf Längsschnitten (Taf. XVII, Fig. 306, fcb) sieht man jederseits von der Mittellinie eine entsprechende Einbuchtung des Ectoderms am Hinterende. Die eingesenkten Zellen- liefern wahrscheinlich die großen Furcalborsten, die in diesem Alter auftreten. Von sonstigen ektodermalen Bildungen, die um diese Zeit auf- treten, wären zu nennen das Stomodäum, das Proctodäum und die Anlage des Gehirns. Das Stomodäum ist noch sehr wenig ausgebildet ; selten gelingt es, ein Präparat zu bekommen, wie Taf. XVI, Fig. 21 st, in dem das Stomodäum schon als feiner, haarförmiger Spalt auf- tritt. Meist läßt sich nur ein scheinbar solider Zellenstrang bemerken, den man beim Nauplius II wiederfindet. Deutlicher ist das Procto- däum zu erkennen, das in Form einer soliden Zeileinwucherung auf- tritt, wie z. B. in Taf. XVI, Fig. 15 pr. Die Fig. 21a und b (Taf. XVI) ist besonders instruktiv, weil hier auf einem Schnitt sowohl Stomo- däum wie Proctodäum getroffen sind. Das Gehirn tritt in Form einer noch wenig scharf umschriebenen Zellenmasse von Gestalt eines X auf, dessen beide oberen Schenkel ein wenig nach vorne geneigt sind. Schnitte durch die Mittellinie treffen daher nur den Kreuzungspunkt der beiden Schenkel in Form einer sehr unregelmäßigen Zellenanhäufung. Schnitte seitlich von der Mittellinie,' wie in Fig. 30a, Taf. XVII, erb, gehen durch die cen- trale Zellenmasse und das Ende des Schenkels. Mesoderm ist reichlich vorhanden, als ursprüngliches und als umgewandeltes, in Form von Muskulatur. Die Muskeln sind alle dorsal befestigt und ziehen sich schräg nach vorne und unten in die Extremitäten hinein. An den Muskelzügen sind große, längliche Kerne sichtbar. Das noch nicht umgewandelte Mesoderm befindet sich auf der Ventralseite, als lockere Zellmasse in Form eines V mit nach hinten gerichteter Spitze. Die Schenkel des V stoßen hinten l^t'iträgc zur Kutwirklung.sgcsclikhtc der Kupliausiden. 613 nicht imnun- uanz zusammen, so daß ein Sagittalschnitt nicht immer ^Mesodermzellen zu treffen brauclit. Schnitte seitlich von der Mittel- linie treffen dann die Schenkel des V, wie in Taf. XVII, Fig. 306 msd zu sehen ist. Am Hinterende des Nauplius liegen aber auch die Ab- kömmlinge der Genitalzellen, und zwar an der Spitze der V-förmigen Mesodermzellenmasse. Auf Querschnitten trifft man daher hier eine kleine Zellengruppe mit auffallend großen Kernen (Taf. XVI, Fig. 20 g). Verfolgt man die Schnittserie weiter nach vorne, so teilt sich die Gruppe in zwei seitlich gelegene, d. h. die Schnitte gehen jetzt durch die beiden Schenkel des V. Da beide Arten Zellen im Hinterende sich wenig voneinander unterscheiden, so Läßt sich natürlich keine genaue Grenze zwischen ihnen ziehen. Die auffallend großen, in Tei- lung begriffenen Kerne in Taf. XVI, Fig. 1.5 y werden wohl sicher zu den Genitalzellen gezählt werden müssen. Es entsteht nun die Frage, ob das hier auftretende Mesoderm auf die beiden Mesenchymzellen oder auf die Kranzzellen zurückzu- führen ist, d. h. ob es dem primären oder secundären Mesoderm im Sinne Bigelows entspricht. Bigelow sagt (S. 109), daß es ihm bei Lepas schon nach dem 62-ZelIenstadium nicht mehr möglich war, die beiden Mesodermarten zu unterscheiden. Obgleich für die Eu- phausiden bis weit in das Gastrulastadium eine Unterscheidung noch immer sehr gut möglich ist, fehlen aber beim Nauplius sichere An- haltspunkte zur Entscheidung dieser Frage. Zwar liegen hier die großen Mesenchymzellen ventral vom Blastoporus, und die noch später zu besprechenden Mesodermteloblasten, die erst im älteren Nau- plius- und Metanaupliusstadium deutlich auftreten, liegen ventral vom Proctodäum, doch, da sich ja der Blastoporus vollkommen schließt und es nicht bewiesen werden kann, daß die Einstülpung des Frocto- däums genau an derselben Stelle erfolgt, so kann natürlich nicht ohne weiteres an eine Identifizierung der beiden Zellgruppen gedacht wer- den. Immerhin ist nicht zu verkennen, daß die Möglichkeit dazu recht nahe liegt. Das Entoderm zeigt beim Nauplius I noch in keiner Weise irgend- eine gesetzmäßige Anordnung, sondern liegt in Form unregelmäßig hier und da verteilter Kerne hauptsächlich in den hinteren zwei Drit- teln des Körpers zerstreut. Es lassen sich zwei Arten vonEntoderm- zellen unterscheiden. Die einen mit großen und blassen Kernen, die später am Aufbau des Darmes teilnehmen, die andern mit kleinen, intensiv gefärbten Kernen. Bei scharfer Einstellung erkennt man, daß sie mit winzigen, schwarzen Körnchen vollgepfropft sind. Die 614 Erwin Taube, zweierlei Kerne des Entoderms sind eine häufige Erscheinung. Die Zellen mit den dunkeln kleinen Kernen sind Vitellophagen, denen die Beseitigung des Dotters zufällt. Der ganze Embryo ist nämlich noch immer vollkommen mit Dotter angefüllt, der in zahlreichen klei- nen und wenig größeren Brocken zwischen allen Geweben zu finden ist. Oft sieht man den Kern eines Vitellophagen inmitten eines größeren Dotterstückes von blaß gelblicher Farbe, während die geringe Protoplasmamasse der Zelle sich nur durch ein schwaches Annehmen der Farbe des Kernes bemerkbar macht, z. B. Taf. XVI, Fig. 21 vtl (die Farbe des Dotters ist in Wirklichkeit nicht so intensiv gelb, wie auf meinen Zeichnungen der Deutlichkeit wegen dargestellt). Das Aufsaugen des Dotters geschieht übrigens nicht nur von Seiten der Vitellophagen, sondern in den beiden älteren Naupliusstadien und auch noch beim Metanauplius findet eine rege Aufnahme von Dotter durch die Darmzellen statt, auf die später noch näher eingegangen werden wird. I Nauplius II. Dieses Stadium wird charakterisiert durch die stärkere Ausbil düng der Bauchseite, was bei einem Vergleich des Längsschnittes i (Taf. XVI, Fig. 22) und der Querschnitte (Taf. XVII, Fig. 28 und 29) ' mit den entsprechenden Bildern des vorhergehenden Stadiums ohne weiteres in die Augen fällt. Die Vorgänge auf der Bauchseite beziehen sich auf die Anlage der Metanaupliusextremitäten und der Ganglien- kette. Die metanauplialen Extremitäten treten in der Zahl drei je- derseits von der Mittellinie als flache, breite Höcker auf, wobei die gegenüberliegenden anfangs durch einen breiten Zwischenraum ge- trennt sind. Die Fig. 25 — 27 stellen Schnitte durch dieses Stadium dar; der Schnitt Fig. 25 liegt am nächsten dem Hinterende, die andern folgen mehr nach vorn in einem Abstände von fünf bzw. acht Schnitten. An allen Figuren sieht man deutlich die beginnende Ein- faltung des Ectoderms. Die drei Bilder geben gleichzeitig eine klare Vorstellung von der & Verteilung des Mesoderms, das in die Metanaupliusextremitäten ge- ' langt. Wie erinnerlich, lag im vorigen Stadium das Mesoderm auf der Ventralseite in Form einer V-förmigen Zellenmasse. Dieselbe Form läßt sich auch hier erkennen, nur daß das Mesoderm an Masse zugenommen hat. Der hinterste Schnitt, Fig. 25 msd, zeigt einen einheitlichen, ziemlich breiten Zellenkomplex, in Fig. 26 msd, d. h. weiter nach vorne, sehen wir zwei getrennte Zellenmassen, die, je weiter nach vorne, immer mehr auseinanderrücken (Fig. 21 tnsd). Beiträge zur Kntw iekluiigsgeschichte der Eiiphausiden. 615 Das StüiuütUium ist schwer zu finden, weil es als scheinbar solider Zellenstrang nur wenig zwischen den Zellen der Umgebung auffällt. Meist ist jedoch an der Stelle, wo der Strang an die Cuticula ansetzt, d. h. an der Stelle der späteren Mund()ffnung, eine leichte Einkerbung zu sehen (in Fig. 22 übrigens nicht sehr deutlich, besser jedoch auf den Nachbarschnitten). Das Proctodäum stellt eine sehr deutliche Einstülpung des Ectoderms dar, die aber noch kein freies Lumen auf- weist. Die Ganglienkette entsteht aus dem Gebiet, das zwischen den Enden der Metanaupliusextremitäten in der Mittellinie liegt. Auf Querschnitten läßt sich eine Gliederung in zwei Längsstränge unter- scheiden (Taf. XVII, Fig. 29 GIK), die bald wie im Bilde getrennt, bald dicht nebeneinander verlaufen. Das Gehirn ist bedeutend stärker entwickelt. Die beiden oberen, nach vorne geneigten Schenkel der früher erwähnten X-förmigen Zellenmasse treten an der Oberfläche ganz nahe zusammen, so daß zwischen ihnen nur ein schmaler Spalt bleibt, und das Gehirn aus zwei Hemisphären zu bestehen scheint. Etwas weiter nach hinten vereinigen sich die beiden Hälften in der Mitte, während die Enden der Schenkel weiter auseinandertreten, und so die X-Form wieder deutlich wird, wie Fig. 31, Taf. XVII, ein Querschnitt durch diese Gegend, zeigt. Große Veränderungen sind unterdessen auch in der Anordnung der Entodermzellen vor sich gegangen. Die Vitellophagen sind ver- schwunden, und die übrigen Entodermzellen umschließen mehr oder weniger vollkommen einen Hohlraum, das Darnilumen. Der Dotter außerhalb und innerhalb des Darmes ist von verschiedener Beschaf- fenheit. Außerhalb, also in der Leibeshöhle, hat er seine frühere Form zahlreicher kleiner Brocken von unregelmäßiger Gestalt behalten. Im Innern des Darmes tritt er in Gestalt größerer Klumpen und Schollen auf, die, wie es scheint, alle von den Zellen des Darmepithels um- faßt werden. Ich wies schon früher darauf hin, daß die Dotterresorp- tion nicht nur von den Vitellophagen aus stattfindet, sondern daß auch die übrigen Entodermzellen daran teilnehmen. Man kann diesen Vorgang auf Längs- und Querschnitten sehr schön verfolgen. Es scheint, daß die verschiedenen Darmbezirke den Dotter aus verschie- denen Quellen beziehen; die Zellen des Daches und der Seiten des hinteren sowie der seitlichen Teile des mittleren Darmabschnittes resorbieren hauptsächlich die kleinen Dotterbrocken der Leibeshöhle, während die Zellen des übrigen Darmes mit ihren langen und äußerst 616 Erwin Taube, feinen Protöplasmaausläufern die großen Dotterschollen im Innern des Darmes umschließen (Taf. XVI, Fig. 22 und Taf. XVII, Fig. 29). Durch das Studium zaMreicher Schnitte durch Nauplien habe ich den Eindruck gewonnen, als ob die Umgrenzung des Mitteldarmes dorsal, in der Nähe des Proctodäums seinen Anfang nimmt. Schon beim Nauplius I findet man ab und zu in der Gegend größere Kerne, die ich für Entodermzellen halte, die schon ihren definitiven Platz im zukünftigen Darmepithel eingenommen haben, z. B. die beiden Entodermkerne in Taf. XVI, Fig. 21&, e. Viel deutlicher tritt dieses beim Nauplius II zutage, wo in dieser Gegend die Entodermzellen epithelartige Lagerung eingenommen haben, auch wenn von einer Umgrenzung des übrigen Darmlumens noch kaum die Eede sein kann. Dieses Epithel des hinteren Abschnittes ist in Taf. XVI, Fig. 22 dd sehr deutlich zu sehen. Die beiden Horizontalschnitte Fig. 35 u. 36 (Taf. XVII u. XVIII) werden übrigens diese Verhältnisse noch besser erläutern. Fig. 35 liegt mehr ventral, Fig. 36 einige Schnitte weiter dorsal. Auf dem ersten Bilde sehen wir, daß die Entodermkerne am Hinterende in einem Halbkreis stehen {dd), in Wirklichkeit also die dorsale Wand einer halben Röhre bilden (man darf hierbei natürlich nicht vergessen, daß der Darm kein gerades Rohr bildet, sondern in seinem hinteren Abschnitt ven- tralwärts gekrümmt ist). Weiter nach vorn findet sich keine Spur einer epithelartigen Anordnung. Auf dem andern Horizontalschnitt (Fig. 36), der ja weiter dorsal liegt, sehen wir, daß sich die epithel- artige Anordnung der Entodermkerne viel weiter nach vorne erstreckt. Das Halbrohr {dd) hat sich also bedeutend erweitert und umfaßt das Darmlumen zum Teil auch schon seitlich. Auf beiden Schnitten sehen wir den fein zerteilten Dotter außerhalb und die großen Dotterschollen im Innern des Darmes. Fig. 35 st zeigt übrigens noch, daß auch auf diesem Stadium das Stomodäum ein feines Lumen aufweisen kann. Nauplius III. Rege Zellenvermehrung und innere Ausgestaltung charakteri- sieren diese letzte Etappe vor dem Metanaupliusstadium, während der Besitz von drei Paar Extremitäten die Larve äußerlich noch immer als Nauplius erkennen läßt. Doch findet schon eine allmähliche Ver- kürzung des dritten Extremitätenpaares statt, und an der Bauchseite treten die zukünftigen Metanaupliusextremitäten immer deutlicher hervor. Auf Längs- und Querschnitten überrascht die kolossale Aus- Beiträge zur KiKw ickluiigsgescliichte der Kupliaiisidcii. 617 bilchniii (lor Bauchseite, die numelunal fast die Hälfte des .Schnittes eiüiiinunt. Hervorgerufen wird das durch zwei Umstände, erstens durch die starke Entwicklung der Ganglienkette und zweitens da- durch, daß die Metanaupliusextremitäten jetzt in der Mittellinie ganz zusammenstoßen. Dieses Aneinanderlegen geschieht so fest, daß selbst auf Querschnitten lange Zeit keine Grenzlinie zwischen den Extreniitätenenden zu finden ist. Die einzige Andeutung besteht darin, daß in der Mittellinie gewöhnlich zwei parallele Reihen von Kernen zu finden sind, die jederseits die Kante der Extremität be- zeichnen (Taf. XVII, Fig. 32 m.ex.a.). Erst kurz vor dem Übergang zum Metanauplius findet eine Trennung der Extremitäten statt, die dann auch auf Querschnitten leicht wahrgenommen werden kann. Die Ganglienkette zeigt jetzt nicht nur eine Gliederung in zwei Längsstränge, sondern auch in Ganglienknoten. Das Gehirn hat be- deutend an Größe zugenommen und bildet auf medianen Längsschnit- ten eine kompakte, ovale Zellmasse, die den ganzen Raum vor dem Schlünde einnimmt. Auf Querschnitten erkennt man noch undeut- lich die Gestalt eines X mit kurzen und dicken Schenkeln. Der Längs- schnitt Taf. XVI, Fig. 16/ zeigt vor dem Schlünde die quergeschnit- tene Fasermasse der Schlundcommissur, die, wenige Schnitte seitlich, im Längsschnitt jederseits vom Schlünde wiederzufinden ist. Dem- entsprechend findet man auf Querschnitten durch die Schlundgegend jederseits einen quer durchschnittenen Faserzug (Taf. XVII, Fig. 33 /), die sich weiter nach vorne zu einem hufeisenförmigen Strange ver- einigen. Stomodäum und Proctodäum sind gut ausgebildet und auf Längs- schnitten besonders deutlich zu sehen (Taf. XVI, Fig. 16 st, pr). Beide stehen mit dem Mitteldarm noch nicht in Verbindung. Das Schlund- rohr steigt erst nach oben und schräg nach vorne, um dann unter stumpfem Winkel nach hinten umzubiegen. Das Ende des Schlund- rohres besitzt eine stark verdickte Wand. Das Schlundrohr setzt sich nicht an das vordere Ende des Mitteldarmes an, sondern dieser ragt noch mit einem breiten Zipfel über das Stomodäum hinaus. Da- her kommt es, daß man jetzt und auch später auf Querschnitten durch diese Gegend zwei durchschnittene Röhren übereinander sieht, wie z.B. in Taf. XVIII, Fig. 37 f?, 6'^ eines späteren Stadiums. Das Proctodäum steigt senkrecht auf und steht zur Längsrich- tung des Mitteldarmes im rechten Winkel. Querschnitte in der Nähe des Hinterendes geben daher einen Längsschnitt durch das Procto- däum (Taf. XVIII, Fig. 38pr). Von sonstigen Vorgängen im Ecto- 618 Erwin Taube, derm wäre noch zu erwähnen, daß die Anlage des Panzers stattfindet. Über dem Ende des Mitteldarmes sieht man eine Einfaltung des Ec- toderms, die sich bald vergrößert (Taf. XVI, Fig. 166 th.p., Taf. XVII, Fig. 34 th-f.). Hier findet zuerst die Loslösung des Panzers statt. Im dritten Naupliusstadium finden wir nun eine Stelle, an der wir mit aller wünschenswerten Deutlichkeit die Vermehrung von Me- soderm und wahrscheinlich auch von Ectoderm für längere Zeit beobachten können. Diese Stelle liegt im letzten, hintersten Winkel der Leibeshöhle, ventral vom Proctodäum. Wir finden dort z. B. in Fig. 166 MT zwei Kerne, von denen der eine die Nachbarkerne um ein Mehrfaches an Größe übertrifft. Diese Zellen sind nichts anderes als Teloblasten. Das Auftreten einer Knospungszone an dieser Stelle ist ja bei Krebsen eine häufige Erscheinung. In unserm Falle handelt es sich um eine ganze Querreihe solcher großer Kerne, wie uns Taf. XVIII, Fig. 39MT zeigt. Daß diese Teloblasten nicht nur ventral vom Darm auftreten, sondern das Proctodäum auch seitlich umfassen, zeigt uns Taf. XVIII, Fig. 38 MT, wo wir zu beiden Seiten des angeschnittenen Enddarmes je eine Zelle mit sehr großem Kerne erblicken, während seitlich die Zellen in Teilung begriffen sind. Da mir noch besseres Beweismaterial für die Teloblastennatur dieser Zellen im nächsten Stadium zur Verfügung steht, komme ich später noch einmal darauf zurück. Es sei hier noch erwähnt, daß der Dorsalseite des hinteren Ab- schnittes des IVIitteldarmes sich vereinzelte Mesodermzellen mit dunk- leren Kernen anlagern, die den Beginn der mesodermalen Umkleidung des Darmes, der Splanchnopleura, darstellen (Taf. XVI, Fig. 166 Sfl). Auch mit dem Mitteldarm sind im Vergleich mit dem vorher- gehenden Stadium starke Veränderungen vor sich gegangen, die sich hauptsächlich darin äußern, daß er eine fester umschriebene Form angenommen und den Dotter allseitig umschlossen hat. Außerdem findet eine Verengerung des Lumens, hauptsächlich in seinen hinteren Partien, statt. . Im vorigen Stadium beschrieb ich, daß die Ausbildung des Mitteldarmepithels seinen Anfang auf der Dorsalseite des hinteren Abschnittes nahm. Auch jetzt ist in dieser Gegend die Ausbildung des Epithels am weitesten vorgeschritten, und so gewähren der hin- tere und der vordere Abschnitt des Mitteldarms einen durchaus ver- schiedenen Anblick (Taf. XVI, Fig. 16). Das Dach des hinteren Ab- schnittes ist jetzt von einem tatsächlichen Epithel bedeckt, das sich dadurch auszeichnet, daß jede Zelle eine nach außen gekehrte, mit Dotter gefüllte Vacuole enthält. Vergleichen wir damit die entspre- Bi'iträgc zur Kutw icklungsgcsrliichtf der Kupliaiisidcii. 619 chcnde Gegend des vorigen Stadiums (Taf. XVI, Fig. 22). Die Zellen besitzen dort feine Protoplasniaausläufer, die sich in die mit Dotter- k()rnchen erfüllte Leibeshöhle erstrecken. Hier dagegen finden wir in der Leibeshr)hle überhaupt keinen Dotter mehr, sondern nur noch in den Darmepithelzellen. Er wurde von den Zellen aufgenommen, die auf seine Kosten wachsen «nd ihn verdauen. Je älter die Zellen werden, desto kleiner werden die Dottervacuolen und schwinden schließlich ganz, und zwar zuerst am Ende des Mitteldarms. Als Er- läuterung hierzu diene Taf. XVIII, Fig. iOdd, die einen Schnitt durch den Darm eines Metanauplius darstellt. Nur Querschnitte durch das hinterste Ende des Mitteldarmes zeigen im Durchschnitt ein Rohr, das allseitig von den gleichen, je eine Dottervacuole enthaltenden Zellen umschlossen ist (Taf. XVIII, Fig. 39 c?). Weiter nach vorne ändert sich das Bild vollkommen: in seiner ganzen vorderen Hälfte und ventral bis fast nach hinten ist der Älitteldarm nur von vereinzelten, weit voneinander abstehenden Zellen umschlossen. Die Zellen besitzen große Kerne, von wenig Pro- toplasma umgeben, das in feinen Strängen entweder die einheitliche centrale Dottermasse durchzieht oder, wie im vorhergehenden Sta- dium (Taf. XVII, Fig. 29), mit dünnen, pseudopodienartigen Aus- läufern große Dotterschollen umklammert (Taf. XVII, Fig. 32). Die Form der Dotterschollen w^eist eine entfernte Ähnlichkeit mit den secundären Dotterpyramiden auf, wie sie Reichenbach für Astacus beschreibt. An der Ventralseite des vorderen Endes des Mitteldarmes finden wir zwischen dem Ende des Stomodäums und dem Gehirn in einer einheitlichen Protoplasmamasse eine Gruppe von Kernen, die sich von den Kernen der übrigen Darmepithelzellen ein wenig unterschei- den. Es handelt sich hier um die Anlage der Leber, die hier zum erstenmal auftritt. Noch deutlicher finden wir diese Anlage auf Quer- schnitten durch die Gegend des Stomodäums (Taf. XVII, Fig. 33 La). Man sieht, daß hier die Leberzellen den Boden des Darmrohres bilden. Beim Metanauplius sind aus dieser Anlage zwei nach vorne gerichtete schlauchartige Divertikel geworden, die die direkte Fortsetzung des Mitteldarms über das Stomodäum hinaus darstellen. Der MctnuAuplius. Der Metanauplius ist schon bei Lupenvergrößerung leicht an dem Besitz von nur zwei Extremitätenpaaren zu erkennen; das dritte Extremitätenpaar des Nauplius ist scheinbar verschwunden: es ist 620 Erwin Taube, zur Mandibel geworden. Unter dem Mikroskop erkennen wir das Auftreten von drei Paar Metanaupliusextremitäten und hinter den Mandibeln ein Paar kleiner Höcker als Anlage der Unterlippe. Auf einem Horizontalsclmitt, Taf. XVIII, Fig. 41, sieht man diese charak- teristischen Veränderungen der Bauchseite beim Eintritt in das Meta- naupliusstadium. Am Vorderende des Schnittes finden wir die große Oberhppe (o.L), während hinten das ventralwärts gekrümmte Ab- domen quer durchschnitten ist. Eine andre Eigentümlichkeit dieses Stadiums ist der durchsichtige Panzer, der die vorderen zwei Drittel des Tieres umhüllt. Das Abdomen ist noch kurz, beginnt aber gerade während dieser Periode sich stark zu strecken: es finden hier rege Wachstumsvorgänge der oben erwähnten Knospungszone statt. Schon im Naupliusstadium wies ich auf das Vorhandensein von Teloblasten am Abdomen hin. Hier tritt diese Erscheinung noch viel deutlicher zu Tage. Ich wurde darauf aufmerksam gemacht durch den Horizontalschnitt Fig. 41, wo man auf der Ventralseite des quer durchschnittenen Abdomens eine Reihe großer Kerne sieht {ET). In der Mittellinie liegt nach innen zu noch eine zweite Reihe, in diesem Falle nur aus zwei Kernen bestehend {MT). Wir haben es hier nun jedenfalls mit Teloblasten des Ecto- und Mesoderms zu tun. Auf Längsschnitten finden wir dieselbe Zellgruppe am Ende des Abdo- mens im ventralen Winkel der Leibeshöhle wieder (Taf. XVIII, Fig. 42 MT). Noch besser erkennt man mitunter die Teloblastennatur dieser Zellen auf den mehr seitlich gelegenen Schnitten, z. B. Fig. 43, 44, 45. Man sieht hier, von den großen Teloblastenkernen ausgehend, eine ganze Reihe von kleineren Kernen sich nach vorne erstrecken, die an ihrer flachen Form erkennen lassen, daß hier ein infolge reger Zellvermehrung hervorgerufener Druck herrscht. In Fig. 46MT fin- det sich einer der großen Teloblasten im Stadium der Tochterplatten. Fig. 43 zeigt uns zwei Zellreihen. Die eine von ihnen bildet das Epi- thel der Ventralseite, ist also Ectoderm {ET). Sowohl die reihen- artige Anordnung der Kerne, als auch die Größe des Kernes an dem einen Ende der Reihe sprechen dafür, daß die Bildung der Zellen von Teloblasten ausgeht, die mithin also auch im Ectoderm auftreten. Die mesodermalen Teloblasten treten übrigens nicht nur ventral, sondern avich seitlich vom Darm auf, indem sie ihn in einem Bogen umspannen. Fig. 44 zeigt uns einen Schnitt, der seitlich vom Procto- däum geführt worden ist und die reihenförmige Anordnung der Kerne besonders schön erkennen läßt. Beiträge zur Entw icklungsgoschichto der Eupliausidcn. G21 In den lueisteii Fällen zeigen die Kerne der Teloblasten und der noch nahe bei ihnen liegenden Zellen ein oder zwei große Kernkör- perchen. Eine abdominale Knospungszone ist schon oft bei Krebsen be- obachtet worden. Reichenjjach (27, 1888) beschreibt bei Astacus an der vorderen Thoracoabdominalpartie eine quergestellte, mehr- reihige Zone großkernigor Zellen, welche die erste Spur einer Knospungs- zone ist, aus der die auf das Mandibelsegment folgenden Segmente allmählich hervorsprossen. In Fig. 73 stellt Reichenbach einen Medianschnitt durch das Naupliusstadium dar. Die Knospungszone im Thoracoabdomen ist hier besonders deutlich zu sehen. Die Ab- bildung ist vergleichbar mit meinen Fig. 42, 43, 45, bzw. mit etwas jüngeren Stadien. Bergh (1, 1893) beobachtet Urzellen des Ecto- und Mesoderras bei Mijsis, und ebenso Wagner (3G, 1896) bei Neomysis. »Ihre Reihe zieht sich quer durch die Schwanzverdickung. Es sind dieses große Zellen, die sich hauptsächlich durch ihren Kern und dadurch unter- scheiden, daß sie sich mit ihren inneren Enden tiefer in den Dotter einsenken als die umgebenden Zellen. Im Vergleich mit den anderen sind ihre Kerne riesig; sie haben ein scharf ausgeprägtes blasiges Aussehen, fast unfärbbare Kernsubstanz und außerordentlich deutlich konturierte ein oder zwei (seltener mehr) runde Kernkörperchen«. Wagners Fig. 15 entspricht meinen Bildern 42 und 43. Bei Nebalia findet Robinson (29, 1906) im Stadium D (der Em- bryo hat außer den Naupliusextremitäten zwei Paar Maxillen und Rudimente der ersten drei Paare von Thoracalextremitäten) in Schnit- ten durch das Hinterende, gleich hinter dem Anus zwei sehr große Zellen, wie sie auch schon im Naupliusstadium zu sehen waren. In späteren Stadien konnten diese Zellen nicht weiter verfolgt werden. Robinson deutet diese Zellen ganz richtig als Teil einer Knospungs- zone, wie sie Reichenbach und Bergh beschrieben haben. Robin- sons Fig. 42 und 43 ähneln überraschend den entsprechenden Schnit- ten meines Objektes (Taf. XVI II, Fig. 38 und 39). Die Form des Gehirns studiert man am besten auf Querschnitten. Die ersten Schnitte durch das Vorderende des Tieres zeigen die Glie- derung des Gehirns in eine rechte und linke Ganglienmasse, die jeder- seits in eine dorsale und ventrale Partie zerfallen. Innerhalb der beiden dorsalen Zellenmassen treten sehr bald querdurchschnittene Fa- sern auf, die ein paar Schnitte weiter in einen hufeisenförmigen Strang mit langen, dojsiilwärts gerichteten Schenkeln übergehen. Die der- 622 Erwin Taube, salen Zellenmassen sind die Ganglia optica, der hufeisenförmige Strang — die Fasern des Tractus opticus. Auf solchen Schnitten hat der Querschnitt durch das Gehirn wieder die schon früher erwähnte X-för- mige Gestalt. Der Hohlraum unter der Gehirnmasse ist ein eigen- tümlich gestalteter, nach vorne sich erstreckender Divertikel der Lei- beshöhle, der auch auf Längsschnitten zu sehen ist. Wieder einige Schnitte weiter sehen wir den Hohlraum verschwinden, an dessen Stelle die voluminöse Oberlippe tritt (Taf. XVHI, Fig. 49 ol). Hier treffen wir auch das der Länge nach ausgeschnittene Stomodäum (st). Die Fasermasse des Gehirns ist wieder getrennt und liegt zu beiden Seiten des Schlundes {scJil.com.). Es ist dieses die quergeschnittene Schlundcommissur. Hinter dem Schlünde vereinigen sich die Stränge wieder, und wenn man eine ganze Schnittserie durchmustert, so findet man sie bald getrennt, bald vereinigt, entsprechend dem Bau einer Gan- glienkette (Taf. XVin, Fig. 47, 48, 51, Taf. XIX, Fig. 52, 55). Einen solchen Zusammenschluß der Fasermassen konnte ich an vier bis fünf Stellen zählen, die also den Ganglienknoten entsprechen würden. Ich glaube, daß sich eine bestimmte Zahl immer nur für ein Individuum feststellen läßt. Das Metanauphusstadium ist ja, ebenso wie die vor- hergehenden Stadien, nichts Stationäres, denn im Innern des Tieres finden beständig Umwandlungen statt. So erhält die Ganglienkette neuen Zuwachs von der abdominalen Knospungszone aus, in deren Nähe jeweilig die jüngsten Ganglien liegen, .in denen die Fasermasse noch gar nicht zur Ausbildung gekommen ist. Zu einer ganz bedeutenden Entwicklung haben es um diese Zeit die Nervenzellen der Gangiienkette gebracht, so daß auf Längs- und Querschnitten das am meisten in die Augen Fallende die kompakte Masse der Ganglienzellen ist. Auf Längsschnitten (Taf. XVIII, Fig. 42 Glk) sieht man gewöhnlich fünf bis sechs deutlich gesonderte Gan- glien, die in der Längsrichtung dicht zusammengedrängt sind. Das letzte Ganglion, das ganz nahe der abdominalen Knospungszone liegt, ist je nach dem Alter des Metanauplius verschieden stark entwickelt und eine Faserung konnte in ihm nicht nacho-ewiesen werden. Quer- und Horizontalschnitte zeigen, daß auch in der Querrich- tung eine Gliederung der Ganglien stattgefunden hat, so daß man eigentlich schon von zwei Längsstämmen der Ganglienkette sprechen kann. Schon bei der Beschreibung der Fasermasse wurde auf diese Quergliederung hingewiesen, die sich in einem bald getrennten, bald vereinigten Auftreten der beiden Stränge bemerkbar machte. Viel deutlicher tritt die Quergliederung bei Betrachtung der Ganglienkette BL'itiiige zur Entwicklungsgoschichto der Eui)luuisiclen. 623 auf Quer- und Horizontalschnitteu zuta,m\ wobei auf Querschnitten nicht immer eine Gliederung ck'r NorvenzeUenmasse einem getrennten Verlauf der Fasersträuge entspricht und umgekehrt. So zeigt in Taf. XIX, Fig. 55 die Ganglienzellenmasse eine deutliche Teilung in zwei Hälften, während die Fasermassen sich gerade vereinigt haben, und in Fig. 56 sehen wir einen dicken, einheitlichen Nervenzellenstrang, in dem die Faserstränge aber getrennt laufen. Natürlich muß, im Grunde genommen, die Zahl der Verschmelzungen der Faserstränge der Zahl der Ganglien entsprechen, nur wird das richtige Bild ein wenig durch die Art der Ausbildung der gesamten Ganglienkette und im vorderen Abschnitt durch die Nachbarschaft andrer Organe ein wenig verschleiert. Betrachtet man die Ganglienkette von oben, d. h. in einem Horizontalschnitt, so sieht man, daß sie vorne breit ist und nach hinten sich verjüngt. Je weiter nach hinten, desto enger rücken die Längsstämme in der Mittellinie zusammen. An den paarweisen seitlichen Ausbuchtungen erkennt man aber deutlich die Zahl der Ganglien. Schon vor der Einmündungsstelle der beiden hinteren Leberschläuche, die in Fig. 50 hl dargestellt ist, schließen die Längs- stämme in der Mittellinie so fest zusammen, daß mau, abgesehen von einer leichten, dorsalen Einbuchtung, die übrigens nach hinten wieder deutlicher wird, nur an dem stellenweis getrennten Verlauf der Faser- stränge erkennen kann, daß man es hier mit zwei Längsstämmen zu tun hat. Vorne wird das Aussehen der Ganglienkette stark durch die Nach- barschaft des Schlundes und des Anfangsteiles des Mitteldarmes modi- fiziert. Die Schlundcommissuren besitzen zu beiden Seiten des Sto- modäums nur einen äußerst dünnen Belag von Ganglienzellen. Kaum haben sie aber den Schlund passiert, so nimmt die Masse der Ganglien- zellen auf einmal bedeutend zu und schwillt zu gewaltigen Auswüchsen jederseits an, obgleich die Fasermassen ziemlich nahe voneinander verlaufen (Taf. XVIII, Fig. 37/). Die Gegenwart des Stomodäums, das in seinem Endabschnitt nach hinten gerichtet und deshalb hier quer durchschnitten ist, hindert gewissermaßen eine starke dorsale UndiüUung der Fasermasse und zwingt die Nervenzellen, sich seit- lich auszubreiten. Noch etwas weiter nach hinten, in Taf. XIX, Fig. 55, ist der letzte Zipfel des Stomodäums getroffen {st), die Gegenwart des Mitteldarmes wirkt hier aber in ähidicher Weise auf die Vertei- lung der Ganglienzellen, die nach den Seiten hin iiue stärkste Aus- bildung erfahren haben. Um mit den Ectodermbildungen abzuschließen, sei hier noch 624 Erwin Taube, erwähnt, daß »Stomodäum und Proctodäum sich noch immer nicht in den Mitteldarm geöffnet haben. Fig. 55 zeigte uns ja einen Schnitt durch das bhnd geschlossene Ende des Stomodäums. Auf den vier Schnitten, die zwischen Fig 37 (Taf . XVIII) und Fig. 55 (Taf . XIX) liegen, befindet sich das Schlundrohr im Darmlumen, der ventralen Wand anliegend. Dieses erklärt sich dadurch, daß das Schlundrohr von unten her die Darmwand ein wenig nach hinten vor sich einstülpt. Bei Betrachtung des Mitteldarmes zeigt sich ein in die Augen fallender Unterschied zwischen dem Epithel seines vorderen und hin- teren Abschnittes. Da der hintere Abschnitt schon früher in seiner Entwicklung voraneilte, so ist er jetzt von einem wohlausgebildeten, großzelligen Epithel bekleidet, das eine gleichmäßige und dicke Wand bildet (Taf. XVIII, Fig. 51, Taf. XIX, 52, 54). Bei jüngeren Exem- plaren findet man aber in den Zellen noch Dottervacuolen, die nach hinten zu immer kleiner werden. — Der vordere Abschnitt ist dünn- wandig, wird aus wenigen Zellen gebildet, die noch immer ihre feinen Protoplasmaausläufer in das hier noch mit Dotter erfüllte Lumen strecken (Taf. XIX, Fig. 55 d). Die Grenze zwischen beiden Bezirken ist keine feststehende und verschiebt sich mit dem Grade der Aus- bildung des Tieres weiter nach vorne. Eine ganz bedeutende Ausbildung im Vergleich zum ältesten Naupliusstadium haben die Leberschläuche erreicht. Während wir damals nur die Anlage der Leber in Form des etwas veränderten, vor- deren Darmepithels konstatieren konnten, finden w^ir jetzt vier wohl- entwickelte Leberschläuche, deren Lumen das des Darmes mitunter bedeutend an Größe übertrifft (Taf. XVIII, Fig. 51 hl). Von den vier Schläuchen sind zwei nach hinten, zwei nach vorne gerichtet, oder richtiger, der Darm spaltet sich vorne in zwei Divertikel — die Leber- schläuche — , die weit über das Stomodäum hinaus sich nach vorne erstrecken. Die Anlage der Leber aus dem ventralen Mitteldarmepithel fin- det auch bei Mysis (Nusbaum, 25, 1887), Parapodopsis (Batschinski, 8, 1890) und Neomysis (Wagner, 36, 1896) statt, doch entstehen hier paarige, rinnenförmige Ausstülpungen, die allmählich den Dotter dor- salwärts umwachsen und sich zu Schläuchen umbilden. Solche Falten konnte ich bei meinem Material nicht beobachten. Wir wollen den Verlauf der Leberschläuche auf Querschnitten von vorne nach hinten verfolgen und dabei die Bilder (Taf. XVIII, XIX, Fig. 47 — 54) betrachten, die sämtlich von einem Präparat stammen. Fig. 47, der am meisten nach vorne gelegene Schnitt, zeigt uns das Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Euphausidcn. 625 blind geschlossene Ende der vorderen Leberschläuche {v.l.). Schon drei Schnitte vorher (die Schnittdicke betni^^ stets 10//) waren Leber- zellen getroffen. In diesem Falle erstrecken sich die Leberschläuche sehr weit nach vorne, so daß sie gleich hinter dem Gehirn anzutreffen waren. JNIitunter, wahrscheinlich bei jüngeren Exemplaren, trifft man sie erst etwas weiter nach hinten, im Bereich des Stomodäums. Fi«^. 48 v.J. (vier Schnitte hinter Fig. 47) zeigt uns das wohlausgebildete Lu- men der beiden Schläuche, deren dicke Wand Kerne enthält, die an Größe alle übrigen übertreffen. Wieder fünf Schnitte weiter (Fig. 49d') sehen wir die Schläuche zu einem Rohr vereinigt und sind damit in den vorderen Abschnitt des Mitteldarms gelangt. Sofort fällt uns die andre Beschaffenheit des Epithels auf, das nun dünnwandig wird. Noch besser sieht man das in Taf. XIX, Fig. 55rf, die einem andern Präparat entstammt. Taf. XVIII, Fig. 37 d zeigt uns den letzten Schnitt (von vorne gerechnet), an dem man noch Spuren der Zweiteilung des Darmrohres in Form eines von der Dorsalseitc vorspringenden Zipfels erkennen kann. In Fig. 50 hl (neun Schnitte nach Fig. 49) treffen wir den Beginn der beiden hinteren Leberschläuche, die als Ausbuch- tungen des Darmrohres beginnen (auf der linken Seite erfolgt die Ein- mündung einen Schnitt weiter). In der korrespondierenden Serie ist in Taf. XIX, Fig. 56 hl die gleichzeitige Einmündung der hinteren Schläuche viel besser zu sehen. — Sind beide Schläuche eingemündet, so liegen sie als zwei Röhren ventral und etwas seitlich vom Darm, den sie an Umfang bedeutend übertreffen. Fig. 51 (acht Schnitte nach Fig. 50) gibt uns einen Schnitt durch alle drei Röhren. Die Wand der Leberschläuche ist besonders an der Außenseite noch bedeutend dicker geworden. Fünf Schnitte weiter verschwinden auch die hin- teren Schläuche , und wir sehen in Fig. 52 hl. einen Schnitt durch ihr hinterstes, blind geschlossenes Ende. Der hintere Abschnitt des Mitteldarmes ist, wie schon beim Nauplius erwähnt wurde, mit einer Splanchnopleura bedeckt, deren Kerne besonders dorsal sehr dicht liegen (Taf. XVIII, Fig. 40 spl). Auch auf den übrigen Teilen des Darmes und auf den Leberschläuchen finden sich vereinzelte Kerne eines splanchnischen Blattes (Taf. XVIII, Fig. 48. 49, 51 spl). Erst im Metanaupliusstadium gelang es mir, die Gegenwart eines Herzens in Form eines äußerst dünnwandigen Schlauches fast in der ganzen Länge des Darmes festzustellen. Sars gibt an, daß man das Herz schon am lebenden Metanauplius wahrnehmen könne. Ich habe leider, als mir lebendes Material zur Verfügung stand, nicht besonders darauf geachtet. Beim Metanauplius liegt der Herzschlauch, wie aus Zeitsclirift f. wissensch. Zoologie. CXrS'. Bd. 41 626 Erwin Taube, den Querschnitten zu sehen ist, dicht dem Panzer an (Taf. XVIII, Fig. 50, Taf. XIX, Fig. 53 h). Am vorderen Ende, wo der Mitteldarm dicht an den Panzer herantritt, liegt er — oder richtiger die Aorta — zwischen beiden, tritt, wenn der Darm sich in die beiden Leber- schläuche spaltet, zwischen diese hindurch, biegt nach unten und öffnet sich in die Zellenmasse, die unter dem Vorderende des Mittel- darmes und vor dem Stomodäum dicht hinter dem Gehirn liegt (vgl. den Längsschnitt Taf. XVIII, Fig. 42). So allein kann ich mir nämlich nur die Bilder Taf. XVIII, Fig. 47 und 48 A deuten. Calyptopis- uud Fnrciliastadinm. Obgleich das Durchlaufen dieser beiden Stadien einen ziemlichen Zeitraum in Anspruch nimmt, will ich sie doch zusammen behandeln, weil ja zu dieser Zeit fast alle Organe schon angelegt sind und nur weiter differenziert werden müssen. Die ganz bedeutenden, äußeren Veränderungen, die die Larven in diesen Stadien durchmachen, sind von Saks eingehend beschrieben worden. Ein paar Worte will ich noch über ein Stadium sagen, das einen gewissen Übergang vom Metanauplius zum Calyptopis darstellt; wahr- scheinlich w^ar das untersuchte Exemplar ein alter Metanauplius, der eben seine letzte Larvenhaut abgeworfen hatte. Die Fig. 58 und 59 (Taf. XIX) geben uns Längsschnitte durch dieses Tier, wobei Vorder- und Hinterende von zwei aufeinanderfolgenden Schnitten stammen. Charakteristisch für den Übergang zum Calyptopis ist die plötzliche Veränderung der Körperform, hervorgerufen durch die beginnende stärkere Entwicklung des Abdomens. Das Abdomen ist stark ab- wärts gekrümmt und steht zur Rückenlinie im rechten Winkel. Da- durch bekommen die Larven zu der Zeit, wo das Abdomen noch wenig über die Extremitäten hervorragt, eine eigentümliche, buckelige Ge- stalt. Der Hinterrand des Rückenschildes, der in den vorhergehenden Stadien noch fest anlag (Taf. XVI, Fig. IQ th.p., Taf . XVIII, Fig. 34 th.p.), aber b.eim Metanauplius sich eben loszulösen begann, ragt jetzt ganz frei vor (Fig. 59 ^^.^.). Darmkanal. Die Veränderungen, die während des Calyptopis- und Furcilia- stadiums mit dem Darmkanal vor sich gehen, erstrecken sich auf die gleich nach dem Metanaupliusstadium erfolgende Kommunikation des Mitteldarms mit den Endabschnitten, auf das weitere Auftreten von Leberschläuchen, auf die histologische Differenzierung und bedeu- tende Streckung des gesamten Tractus. Beiträge zur Enlwieklungsgeschiehte der Eupluiuäiden. 627 Die Oberlippe bildet beim Xauplius und Metanaiiplius mit dem Gehirn eine scheinbar einheitliche Zellenmasse, die nach vorne eine vollkommen glatte Begrenzung aufweist (Taf. XVI, Fig. 16; Taf. XVIII, Fig. 42; Taf. XIX, Fig. 58 o.l). Beim Cahjptopis findet eine Einschnü- rung an ihrer Basis und dadurch eine immer deutlichere Abgrenzung zum Gehirn statt. • Bei der Furcüia liegt die Oberlippe gleich hinter dem Gehirn (Taf. XIX, Fig. 62). Sie ist in querer Richtung stark gewölbt (Taf. XIX, Fig. 60 0./.; Taf. XXI, Fig. 83), besitzt im Innern einen größeren Hohlraum, der direkt mit der Leibeshöhle kommuniziert und von einigen Muskelzügen kreuz und quer durchzogen wird (Taf. XX, Fig. 75, 76; Taf. XXI, Fig. 83). Im allgemeinen konnte ich folgende Muskelzüge unterscheiden: 1. zwei Paar von vorne nach hinten ge- hend, das vordere Ende etwas tiefer als das hintere, 2. ein Paar ziem- lich in der größten Ausdehnung der Lippe, parallel ihrem hinteren Rande, d. h. also die beiden ersten Paare in schräger Richtung kreu- zend, und 3. einen einzelnen Muskel quer und wagerecht zwischen den beiden Paaren der sub. 1 genannten Muskeln, nahe dem Hinter- rande der Lippe. Auf den erwähnten Figuren lassen sich alle diese Muskelzüge gut unterscheiden. Fig. 83 ist ein Querschnitt durch die vordere Partie der Oberlippe, Fig. 76 ein ungefähr sagittaler Längs- schnitt und Fig. 75 liegt einige Schnitte weiter seitlich. In Fig. 83 sehen wir die sub. 1 genannten, von vorne nach hinten ziehenden zwei .Muskelpaare quer durchschnitten (mws), in Fig. 75 und 76 sind sie nur teilweise der Länge nach getroffen. Fig. 75 zeigt einen Muskel des sub. 2 genannten Paares; sein Gegenstück wäre auf der andern Seite der Mittellinie zu suchen. Und schließlich finden wir in Fig. 75 und 76 den Querschnitt des sub. 3 genannten, quer verlaufenden Mus- kels {mus). Der vordere und obere Teil der Oberlippe ist fast vollständig mit einem eigentümlichen, drüsenähnlichen Gewebe ausgefüllt, wie aus den eben besprochenen Figuren ohne weiteres ersichtlich (dr). Ebensoich ein Gewebe finde ich symmetrisch gelagert an und gleich hinter der Ansatzstelle der Unterlippe (Taf. XXI, Fig. 82 dr). Es wäre möglich, daß es sich hier um Teile der Antennen- bzw. der Ma- xillenniere handelt, die ja oft nicht in den Gliedmaßen liegen, von denen sie ihren Namen haben (Giesbrecht, 12, 1913, S. 152). Da ich aber keine Ausfuhrwege konstatieren konnte, halte ich es für wahr- scheinlicher, daß es eine Art Stützgewebe ist. Die blattförmige Unterlippe (Taf. XIX, Fig. 61 ul) ist, wie schon 41* 628 Erwin Taube, Sars beschreibt, in der Mitte tief eingeschnitten und daher auf genau geführten Sagittalschnitten nicht anzutreffen. Auf Schnitten etwas seithch von der Mittellinie finden wir sie ebenso weit, wie die Ober- lippe vorragen. Zwischen ihnen liegt die Kaulade der Mandibeln. Der Schlund beschreibt bei der Furcilia einen fast vollständigen, nach hinten zu offenen Halbkreis (z. B. Taf. XIX, Fig. 62). Das cy- lindrische Schlündepithel des Metanauplius geht allmählich in ein kubisches bei der Furcilia über, das mit seinen dicht gedrängten Ker- nen sich scharf von den großen, flachen und blaß gefärbten Zellen des Mitteldarms unterscheidet. Die Wand des Schlundes bildet zwei seitliche und eine medioventrale Längsfalte (Taf. XVIII, Fig. 37 If.st. ; Taf. XXI, Fig. 81 If.st.). Wo das Schlundrohr nach hinten umbiegt, befindet sich außen auf seiner Dorsalseite die schon erwähnte, im Längsschnitt dreieckige Zellgruppe, von der einige feine, schwer wahr- nehmbare Fasern zwischen den beiden vorderen Leberschläuchen nach vorn und dorsalwärts streben. Wahrscheinlich sind das Muskelfasern, die zur Erweiterung des Schlundes dienen. An der Übergangsstelle in den Mitteldarm ragt das Stomodäum in Form eines sich verengenden Rohres oder einer Keuse noch ein beträchtliches Stück frei in das Lumen des Mitteldarms hinein, auf diese Weise einen Cardiaverschluß bildend. Die Wand dieses Eohres ist kernlos. Die Zellen des Mitteldarms haben am Anfang des Calyjjtopis- stadiums noch die Dotterresorption zu vollenden, wobei sie immer flacher werden. Nachher erstreckt sich der Mitteldarm als anfangs weites, später ziemlich enges Rohr fast durch das ganze Tier. Wie schon erwähnt, ist die Grenze zwischen Stomodäum und Mitteldarm schon durch das verschiedene Epithel scharf gekennzeichnet. Das Epithel des Mitteldarms besteht in seinem vorderen weiteren Ab- schnitt aus ziemlich großen, flachen Zellen, so daß auf einem Längs- schnitt die Kerne recht weit auseinander liegen. Weiter nach hinten sind die Zellen kleiner, höher und die Kerne liegen dichter, gewöhn- lich in einer regelmäßigen Reihe angeordnet. Das zum Lumen ge- kehrte freie Ende der Zellen war oft abgerundet, so daß auf dem Längs- schnitt der Darm von einer gekerbten Linie begrenzt war. In dieser Gegend des Darmes sieht man auf Tangentialschnitten durch die Darm- wand abweichende Kernformen. Die Kerne haben ihr regelmäßiges, rundes Aussehen verloren und zeigen verschiedene, lappenförmige Aus- wüchse, mitunter sehen sie hanteiförmig aus. Es ist dieses wohl der Ausdruck einer lebhaften, drüsenartigen Funktion der Darmzellen. Bciträgi' zur Ent\vicklungsgi'.schichte clor JOiipliausidon. G29 Je älter das Tier wird, um so mehr gehen die kubischen Zellen der hinteren Danngegend in die ilachen des vorderen Abschnittes über. Bei iler Furcilia ist der ganze Mitteldaim. und besonders in seinem hinteren Abschnitt von äußerst flachen Zellen ausgekleidet. Das Proctodäum, das durch sein höheres Epithel wieder ziemlich deutlich vom Mitteldarm getrennt ist, ist rechtwinklig geknickt. Auch hier lassen sich Dilatatoren beobachten, besonders deutlicii an der Ventralseite. Man findet hier gleich nach dem Winkel drei Zellen, die dicht dem Enddarm anliegen und von denen feine Muskelfasern sich bis zum ventralen Panzer erstrecken. Einen bedeutenden Fortschritt macht die Entwicklung der Leber- s'jhläuche. Beim Metanauplius ließen sich zwei Paar Schläuche unter- scheiden: zwei vordere und zwei hintere. Auch beim jungen Calyp- topis treffen wir dieselbe Anzahl wieder. Ein instruktives Bild gibt Taf. XIX, Fig. 57 hl. Es stellt einen Horizontalschnitt durch einen Cahjptopis dar, auf dem man sehr schön das vordere und hintere Paar Leberschläuche sehen kann. Da das Calyptopisstadium stark ge- krünunt ist, so geht der Schnitt zwar horizontal durch den Thorax, durchschneidet dann etwas schräg die breite Ganglienkette {Glk.) und geht dann quer durch das Abdomen, woraus sich der zweite hin- tere Querschnitt durch das Darmrohr erklärt. In Fig. 61 hl ist die Einmündungsstelle der hinteren Schläuche im Querschnitt dargestellt. — Das vordere Paar Leberschläuche bleibt in den nächsten Stadien unverändert (Fig. 60), mit dem hinteren Paar gehen aber während der ganzen Zeit Veränderungen vor sich. Schon bei älteren Meta- nauphen kann man mitunter auf Querschnitten sehen, daß das hin- tere Paar eine laterale, etwas dorsal gelegene Einbuchtung aufweist (Taf. XVIII, Fig. 51 zeigt eine Andeutung davon). Im Calyplopin- stadium geht diese Abschnürung weiter vor sich, so daß es zur Bil- dung eines neuen kürzeren, dorsalen Divertikels kommt. Das Epithel dieses neuen Divertikels sieht auf dem Querschnitt immer viel dunkler aus als das des ventralen. "Wahrscheinlich liegt das daran, daß im letzteren, als im älteren, die Zellen schon weiter differenziert sind und wohl schon als Drüsenzellen zu fungieren begonnen haben, worauf auch ihr stärkere Vacuolisierung hinweist. Auf dieselbe Weise konnnt es im FurciUa-^tadhim zur Bildung eines oder sogar zweier neuer Schläuche, die immer dorsal von den vorhergehenden liegen, weiter nach vorne entspringen und weniger weit nach hinten reichen. So treffen wir in der Gegend des Herzens drei Querschnitte durch Leberschläuche (Taf. XIX, Fig. 63 hl), etwas 630 Erwin Taube, weiter nach hinten, beim Beginn der Arteria postica nur noch zwei (Taf. XX, Fig. 65 hl) und weiter caudalwärts schließlich nur noch einen. Mesodermale Bildungen. Hierher gehören die weitere Ausbildung der Muskulatur, binde- gewebiger Hüllen und das Herz. Welche große Aufgaben das Mesoderm in dieser Periode zu leisten hat, zeigt sich besonders in der starken Zunahme der Muskulatur. Die riesige Muskelmasse des Abdo- mens, das ja erst am Ende des Metanaupliusstadiums hervorzuspros- sen beginnt und schon vor dem Beginn des Furciliastadiums seine normale, relative Größe erreicht hat, muß gebildet werden und außer- dem die Thorakalmuskulatur verstärkt und komplettiert werden. Die Bilder Taf. XIX, Fig. 62 — ein Längsschnitt — und besonders Taf. XX, Fig. 64 • — ein Querschnitt durch das Furciliastadium — geben eine gute Vorstellung von der Muskelmasse im Abdomen: andre Organe scheinen dort kaum mehr Platz zu haben. Das Darmfaserblatt läßt sich so wie früher überall leicht nach- weisen und ist besonders stark auf der Dorsalseite des Darmes ent- wickelt. Auch auf den Leberschläuchen findet man zerstreut die ganz flachen, dicht anliegenden und intensiv gefärbten Kerne der Splanchnopleura . Eine eigentümliche, bindegewebige Hülle finde ich bei älteren Calyptofis und besonders bei den Furcilia ausgebildet. Es ist eine kontinuierliche Decke, die Darm und Leberschläuche in der Gegend des Herzens und etwas weiter nach hinten dorsal und lateral umhüllt. Man sieht sie am besten auf dem Querschnitt Taf. XX, Fig. 65 stpl, außerdem in den Fig. 63, 66, 68, 69, 70 {stpl). Diese Umhüllung kann nicht mit dem Darmfaserblatt, das sich etwa von seiner Unterlage etwas abgehoben hat, verwechselt werden. Dem widerspricht, daß man an vielen Stellen außer der genannten Hülle gleichzeitig die Kerne der Splanchnopleura erkennen kann. Die Bindegewebshülle beginnt etwas vor dem Herzen, mit dessen ventraler Wand sie anfangs (Taf. XIX, Fig. 63 stpl) nicht in Verbindung steht. Etwas weiter nach hinten tritt sie in Verbindung mit der Wand der Arteria pleica (Taf. XX, Fig. 65 apl, stpl), oder richtiger, die Arteria pleica scheint in ihr zu verlaufen. Überhaupt ist dieses Bindegewebsblatt eine Stütze für verschiedene Organe. So findet sich die erste Anlage der Geschlechts- organe, die im CalyptopisSt&dinm. aus ein oder zwei Zellen besteht, jederseits vom Darm im Bindegewebsblatt aufgehängt. Wenn dann Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Euphausiden. 631 in spcätereu Stadien die Geschlechtszellen dorsalwärts wandern, um sich über dem Darm zu vereinigen, so liegen sie immer noch im selben Bindegewebe, welches dann auch die erste bindegewebige Hülle der Geschlechtsorgane bildet (Taf. XX, Fig. 6G und 70 stpl). Nach alle- dem werden wir wohl diese Bindegewebshülle als die Somatopleura ansprechen müssen. Über die enge Beziehung zwischen den Ausfuhrwegen für Ge- nitalprodukte und der Somatopleura wird noch später bei Beschrei- bung der Genitalanlage die Rede sein. Die Somatopleura endigt ein wenig hinter den Ausfuhrwegen der Geschlechtsprodukte. Herz und Blutgefäße, die beim Metana uplius auf Schnitten nicht immer ganz leicht nachgewiesen werden konnten, sind bis zum Fur- c///a-Stadium schon recht weit in der Entwicklung gediehen. Beim Cali/ptopis sind diese Organe zwar noch äußerst zart und dünnwandig, aber deutlich wahrnehmbar. Das Herz liegt dicht unter dem Thora- calpanzer nahe seinem hinteren Rande und hat im Längsschnitt fast die Form eines rechtwinkligen Dreiecks mit dem Thoracalpanzer an- liegender Hypothenuse, während die kleinere Kathete caudalwärts liegt. Nach vorne nimmt die Aorta vom Ende der längeren Kathete, d. h. dicht unter dem Panzer, ihren Anfang, während die viel deutlicher entwickelte Arteria pleica vom Scheitel des rechten Winkels entspringt. Die Wand dieser Arterie ist anfangs äußerst dünn und nur stellen- weise mit Kernen belegt, so daß auf einigen Längsschnitten dieses Blutgefäß wie durch zwei scharf gezogene parallele Linien bezeichnet wird. Im F urcüiaStadmm ist natürlich alles viel deutlicher und kräf- tiger ausgebildet. Der Längsschnitt Taf. XIX, Fig. 62 h orientiert über die Lage des Herzens, während Taf. XX, Fig. 74 das Herz mit dem Ursprung der Arteria pleica bei stärkerer Vergrößerung darstellt, gezeichnet nach demselben Schnitt. Die Fig. 63, 66 und 70 zeigen auf Querschnitten die Breite des Herzens, das in dieser Gegend be- deutend breiter als der Darm ist. Die Wand der Arteria pleica ist an ihrem Ursprung dicht hinter dem Herzen ungemein dick und färbt sich sehr intensiv. Wie erwähnt, verläuft sie anfangs innerhalb der Somatopleura, die hier noch kurze dorsale Zipfel entsendet, welche sich den seitlichen Muskelmassen anlegen (Taf. XX, Fig. 65 apl). Im F urcilia-Stadium mit allen Pleopodien gabelt sich die Arteria pleica sehr bald, nachdem sie in das Abdomen eingetreten ist, und die beiden Äste verlaufen dann seitlich vom Darm weiter. Fig. 84 zeigt einen Querschnitt durch die Gabelungsstelle, während einige 632 Erwin Taube, Schnitte weiter (Fig. 85) schon zwei getrennte Gefäße anzutreffen sind. Die Gabelungsstelle fand ich entweder zwischen dem ersten und zweiten Pleonsegment oder im ersten, in einem Falle sogar noch früher, bei der Abgangsstelle der Genitalwege, noch vor dem Ende der hinteren Leberschläuche. Im ältesten Calyptopis-^^ta,dmm. habe ich in keinem meiner Präparate eine Teilung der Arteria pleica auf- finden können, nehme daher an, daß sie erst im älteren Furcilia-^ia,- dium erfolgt. Nervensystem. Beim Übergang vom Metanauplius zum Ca^^ptop/s-Stadium voll- zieht sich die Loslösung des Nervensystems vom Ectoderm und be- sonders sein Auswachsen in caudaler Richtung. Im i^Mrci7w-Stadium haben wir schon das Nervensystem des ausgewachesnen Tieres fast vollständig en miniature vor uns. Die Form des vorderen Gehirn- abschnittes wird stark durch die Entwicklung der Augen, die ja wäh- rend der beiden letzten Stadien stattfinden, beeinflußt. Während bei Beginn des Ca^y/3top?s-Stadiums eine Grenze zwischen Augenanlage und Gehirn noch gar nicht zu sehen ist, treten am Ende dieser Periode die Augen als zwei in der Mitte zusammenstoßende Halbkugeln deut- lich hervor und werden im jPwraZta-Stadium durch die Entwicklung der Augenstiele vollkommen vom Kopfe abgehoben. Erst jetzt ist die präorale Nervenmasse als Gehirn deutlich unterscheidbar. Das Gehirn ist durch eine dorsale, tief einschneidende Furche in zwei symmetrische Hälften geteilt. Vorne schneidet diese Furche ganz durch, so daß zwei getrennte Hälften entstehen; es sind die Ner- venstränge, die zu den Augen führen. Dasselbe geschieht dicht vor dem Schlünde, bei Bildung der beiden Schlundcommissureu . Zwi- schen diesen beiden Punkten, d. h. auf zehn bis zwölf Schnitten (zu 10/<), bildet das Gehirn eine zusammenhängende Masse, und auch die Fasermasse ist eine einheitliche. Außer der medianen Furche sind noch zwei kürzere laterale, dorsale vorhanden, von denen die näher zur Mittellinie gelegene ziemhch tief einschneidet. Die Ober- fläche des Gehirns ist dann zwischen den Furchen wulstartig vorge- wölbt (Taf. XXI, Fig. 80). Die Trennung der beiden Gehirnhälften wird durch das tiefere Eindringen der medianen, dorsalen Furche vorbereitet. Hier finden wir die ventral abgebogene Aorta {A), die sich in die vor dem Schlünde gelegene Zellmasse öffnet. Auf den nächsten zwei Schnitten, wo schon die vordere Wand des Stomodäums angeschnitten wurde, ist die Trennung bereits vollzogen. In der Lage Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Euphausiden. 033 der Fasennasse ist auch ein Wcehscl vor sieh gegangen. So lange das Gehirn eine einheitüche Masse darstellte, war auch die Fasermasse von ähnlicher Form und nahm eine ziemlich centrale Lage innerhalb des Querschnittes ein. Je tiefer nun die dorsale Medianfurche einschneidet, um so breiter wird der Querschnitt der Fasermasse, wobei er immer näher zur Ventralseite rückt. In den Schlundcommis- suren liegen nun die beiden Faserstränge ganz einseitig ventral ver- lagert, während die Ganglienzellenmasse sich ihnen dorsal anschließt. Es ist verständlich, daß die Faserstränge in den Commissuren ohne weiteren Belag von Ganglienzellen den seitlichen Bchlundwänden dicht anliegen. Beim Passieren der Schlundgegend kommt es zeitweise zu einer fast vollständigen Trennung der Fasermasse von den Ganglienzellen (Taf. XXI, Fig. 81). Dicht hinter dem Schlünde verläuft nämlich in querer Richtung die starke Muskulatur der Mandibeln {md.mus.), dringt durch die Schlundcommissuren und trennt dabei jederseits einen dorsalen, fast alle Ganglienzellen enthaltenden Abschnitt (scÄ/.com.) von einem ventralen, der aus dem Faserstrang (/) mit einigen dorsal oder lateral anliegenden Ganglienzellen besteht. Auf einigen Schnit- ten fehlen auch diese, so daß dann die gesamte Ganglienzellemnasse dorsal, die nackten Faserstränge ventral von der Mandibehnusku- latur liegen. Auffallend ist, daß in dieser Gegend die Faserstränge äußerst dünn werden, so daß die Summe ihrer Querschnitte um ein Mehrfaches von den vor oder nach ihnen belegenen Querschnitten durch die vereinigten Stränge übertroffen wird. Ist der Schlund voll- kommen passiert, so vereinigen sich die Ganglienzellen dorsal von der Muskulatur zu einer einheitlichen Masse, die gleich hinter dem Muskelstrang wieder mit der nunmehr auch einheitliehen Fasermasse in Verbindung tritt. Eine kurze Strecke verlaufen die Fasern noch unbedeckt auf der Ventralseite der Ganglienkette und werden dann endgültig in das Innere der Ganglienzellemnasse wieder aufgenommen, wobei sie gleich anfangs zur Bildung der ersten Längscommissuren wieder auseinander treten. In der Gegend der Maxillen dringt nochmals Muskulatur von den Seiten in die Ganglionkette, wobei sich die Tendenz zu einer ähn- lichen Trennung von Fasern- und GangUenzellenmasse zeigt wie vor- hin. Zu einer wirklichen Scheidung kommt es hier aber nicht, ob- gleich die Form der Ganglienkette dadurch stark beeinflußt wird (Fig. 82 mx.mus.). In ähnlicher Weise wirken die dorsal dicht an- liegenden Leberschläuche, wodurch das Bauchmark hier dachartig 634 Erwin Taube, abgeschrägt ist. Auch weiter hinten im Thorax übt die Nachbar- schaft der Leberschläuche einen Einfkiß auf die Form der Gan- glienkette aus, z. B. dort, wo die Ganglienkette stark dorsoventral zusammengedrückt ist (Taf. XIX, Fig. 63). Der thoracale Abschnitt der Ganglienkette ist von dem abdo- minalen Teil scharf unterschieden. Dadurch, daß die aufeinander- folgenden Ganglienpaare stark zusammengerückt sind, stellt sich uns der vordere Teil des Nervensystems äußerlich fast als einheitliche Masse dar. Während auf der Ventralseite noch eine Reihe von Einker- bungen die einzelnen Ganglienpaare andeutet, stellt auf der Dorsalseite die Ganglienkette auf große Strecken eine vollkommen ebene Fläche dar (Taf. XIX, Fig. 62). Noch besser ist das auf einem etwas weiter seitlich folgenden Schnitte zu sehen, auf dem die thoracale Fasermasse in ihrer ganzen Länge getroffen ist. In ihrem vorderen Drittel ist sie von einer dicken, nach hinten sich verjüngenden Schicht von Gan- glienzellen bedeckt, während in den hinteren zwei Drittel diese Schicht ganz dünn wird und eine überaus regelmäßige Anordnung der Gan- glienzellen, in der Form eines einschichtigen, selten zweischichtigen Epithels zeigt. In der abdominalen Ganglienkette hat eine so weit gehende An- näherung der Ganglienpaare in longitudinaler Richtung nicht statt- gefunden, wohl aber sind die Längsstämme, wie auch im vorderen Abschnitt, transversal einander ganz nahe gerückt. Wir finden deshalb auf Längsschnitten, wie in Fig. 62, ziemlich weit voneinander liegende Ganglien, getrennt durch Connective, die nur von wenigen Ganglien- zellen bedeckt sind. Taf. XX, Fig. 73 zeigt bei stärkerer Vergröße- rung einen Längsschnitt durch das I. und II. Abdominalganglion und die sie verbindende Commissur. Die Hauptmasse der Ganglienzellen in den Ganglien liegt auf der Ventralseite, obgleich der ventrale Höcker zugleich auch den Ursprung der Pleopoditen darstellt. Man sieht aus diesem Bilde, daß die Commissuren teilweise gar keine Bedeckung von Ganglienzellen aufweisen. Dasselbe zeigen die drei aufeinander- folgenden Querschnitte zwischen drittem und viertem Ganglienpaar in Fig. 71, aus denen man gleichzeitig ersieht, daß die Längscommis- suren dicht aneinander gerückt sind. Fig. 72 gibt das Bild eines Quer- schnittes durch das vierte Abdominalganglion. Genitalorgane. Da bei vielen Crustaceen die Geschlechtsorgane sehr frühzeitig angelegt werden, oft sogar in der Form besonders auffallender Blasto- I Beiträge zur Eiit\vi(.klung.sgesehichto der Kupliiuisiden. 635 meren schon in den ersten Furchungsstadien bemerkbar sind, so rich- tete ich während meiner Untersuchunjien mein Augenmerk besonders darauf, ob es mir nicht gelingen würde, die Entstehung der Geschlechts- organe bis auf die allerersten Zellen zu verfolgen, womöglich deren Absonderung von dem übrigen Zellenmaterial zu beobachten. Die ersten Furchungsstadien der Euphausiden scheinen mit ihren großen Blastomeren ein besonders gut dazu geeignetes Untersuchungsmate- rial zu bieten. Die frühzeitig auftretenden und lange Zeit zu verfol- genden beiden großen £'-Zellen {E^ und E^), die ja z. B., wie ich schon früher gezeigt, wohl ohne weiteres mit zwei ähnlichen Zellen bei Moina (Entodermzelle und Genitalzelle nach Grobben) zu homologisieren sind, legten auch hier den Gedanken nahe, daß eine von ihnen die Urzelle der Genitalorgane sein würde. So verlockend auch dieser Gedanke war, konnte ich doch in meinen früheren, bis zur Gastrulation ireführ- ten Untersuchungen keinen einzioen Beweis für diese Anschauung bringen. Bei dem späteren Studium der Gastrula und der Larven- stadien habe ich mit besonderer Aufmerksamkeit jede Zellengruppe verfolgt, die ihrer Form, Lage und ihrem Aussehen nach als Anlage der Geschlechtsorgane hätte dienen können, leider aber stets mit negativem Erfolg. Ich nahm daher an, daß die Umwandlung von indifferentem Zellenmaterial in die Geschlechtszellen erst in einem älteren Stadium, wde es mir nicht mehr zu Gebote stand, erfolgte. Erst als ich dabei w^ar, meine Arbeit abzuschließen und mit der Unter- suchung des ältesten mir zu Gebote stehenden Stadiums, der Furcilia, beschäftigt war, die mir außerdem nur in einigen wenigen Exemplaren zur Verfügung stand, stieß ich, sozusagen in zwölfter Stunde auf einige Zellen, die ich bei eingehender Nachprüfung als die Anlage der Ge- schlechtsorgane ansprechen und sogar noch einige Stadien rückwärts bis in das Calyptopis- und Metanaupliusstadium verfolgen konnte. Nun drängte sich mir erneut mit besonderem Nachdruck die Frage auf, ob nicht doch die beiden großen ^'-Zellen im Gastrulastadium mit der Genitalanlage genetisch in Zusammenhang zu bringen wären. Eine genaue Nachprüfung der Präparate von diesem Gesichtspunkt aus brachte mich auf eine Erklärungsmöglichkeit, die alle bis dahin sich scheinbar widersprechenden Tatsachen verbindet. AVenn ich daher auch die Zurückführung der Genitalorgane auf die Z^-Zcllen nicht als zweifellos und klar bewiesen ansehen kann, so spricht doch die größte Wahrscheinlichkeit dafür, daß der vermutete Zusammenhang zwischen ihnen in der von mir zu schildernden Weise besteht. Bevor ich zur Schilderung meiner Befunde übergehe, sei hier das 636 Erwin Taube, Auftreten der Geschlechtsorgane bei einigen Crustaceen rekapitu- liert. Gkobben findet bei Moina (13, 1879) im Stadium von 32 Zellen am vegetativen Pol eine grobkörnige, central gelegene Zelle, die er als Genitalzelle bezeichnet. Er hält es für wahrscheinlich, daß sie eine Schwesterzelle der daneben liegenden Entodermzelle ist. Die Genitalzelle bleibt gegenüber den andern Zellen in der Teilung zurück, und erst, wenn .sich der Gastrulamund schließt, rücken die jetzt vor- handenen acht Genitalzellen in die Tiefe und legen sich unter das En- toderm. Sie bilden hier eine bilateral-symmetrische, später dreieckige Zellplatte. Auf einem Stadium, wo der Embryo bereits zwei Thora- calf ußanlagen hat, liegt die Genitalanlage zwischen . zweitem Maxil- lar- und erstem Thoracalsegment. Sie hat ihre dreieckige Form jetzt aufgegeben, sich quer gestreckt und zeigt in der Mitte eine Einschnü- rung, die den Beginn zur Teilung der unpaaren Anlage in zwei sym- metrisch gelagerte Hälften anzeigt. Wenn vier Thoracalfüße angelegt worden sind, ist die Genitalanlage bereits paarig geworden, und die beiden Geschlechtsorgane nehmen nicht mehr die BaucLseite ein, sondern .sind an die Seiten des Embryo gerückt. Auf einem späteren Stadium wurde bei M. paradoxa noch beobachtet, daß Mesoderm- zellen die Genitalzellengruppe umwachsen haben. In einer späteren Arbeit über die Entwicklung von Cetochüus beschreibt Grobben (14, 1881) beim Nauplius ventral vom Enddarm jederseits eine große Mesodermzelle als erste Anlage der Genitalorgane. In einem folgenden Stadium, mit zwei Thoracalfüßen, besteht der Geschlecht.sapparat jederseits noch immer aus einer einzigen Zelle. Jede die.ser Zellen ist von einigen (zwei bis drei) Mesodermzellen von ganz andenn Aussehen umwachsen. Aus diesen letzteren Zellen gehen die Hüllen, sowie die Ausführungsgänge der Genitaldrüsen hervor. Die Keimzellen vermehren sich später, und die Anlagen wandern auf die Dorsalseite des Darmes, wo sie sich aneinanderlegen. Urbanowitsch (20, 1885) findet beim Nauplius von Cyclops jederseits vom Rectum eine Gruppe von Zellen des secundären Meso- derms. Eine Zelle zeichnet sich auf jeder Seite durch ihre bedeutende Größe aus und stellt die Anlage der Genitalorgane dar. Später be- wegen sie sich nach vorne auf den Rücken und man findet bei einer fünftägigen Larv^e in der vorderen Körperhälfte die unpaare Anlage des Geschlechtsapparates, bestehend aus vier regelmäßig gelagerten Zellen. Bei einem 7-tägigen Cijdojjs ist sie schon zu einem ziemlich großen, vielzelHgen Gebilde herangewachsen. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Euphausiilen. 0;>7 Bei Mi/sis Cliomaeico bosohreibt Nusbai'M (25, 1887) währejul der Entodennbildung im Ectoderm einige große Zellen, die er später im Abdomen hinter der Entodermanlage wiederfindet und die er fiir Genitalzellen hält (vgl. dazu Waoner, 18%). Während des Nauplius- stadiums findet sich jederseits hinter der Leberanlage eine Gruppe von Genitalzellen. Sie rücken später dorsalwärts und bilden eine uupaare Genitaldrüse zwischen Darm und Herz. Bei seinen Untersuchungen über die Entwicklung von Ci/clops beobachtet Hacker (IG, 1892: 17. 1895; 18, 1897) schon auf dem 32- Zellenstadium zwei Zellen, die er als >> Ureutoderm ^^ und »Stammzelle bezeichnet {E und S). Beide zeichnen sich durch einen verlangsamten Teilungsschritt aus. Erst auf einem Stadium von 125 Zellen teilt sich die *S-Zelle beim Hinabsinken in die Tiefe in die A- und B-Zelle. Letz- tere bleibt aber im A'erbande des Blastoderms, während die .J-Zelle als primäre L'^^rgenitalzolle in die Tiefe rückt und sich dort in die beiden definitiven Urgenitalzellen teilt. Bis zum Naupliusstadium läßt sich dann am Anfang des hinteren Körperdrittels ein Paar Zellen verfolgen, welche sich durch ihre Größe von allen andern embryonalen Ele- menten unterscheiden. Im Stadium des zum Ausschlüpfen bereiten Nau})lius liegen diese Zellen mehr ventral als dorsal beiderseits vom ^litteldarm. Hacker ninnnt mit Bestimmtheit an, daß dieses wirk- lich die beiden Abkömmlinge der .-1-Zelle sind, welche, nachdem sie eine Zeit lang an der ventralen Seite des Embryo nebeneinander ge- legen hatten, nunmehr auf die beiden Seiten des Mitteldarms gerückt sind. Wagner (30, 189(>) gelano- es bei Xcomf/sis vulgaris ein sehr frühes Auftreten der Geschlechtszellen nachzuweisen, viel früher, als sie von NusBAUM bei Mj/sis Chamaeleo beobachtet wurden. Er stellte außer- dem fest, daß dieser Autor offenbar Urectodermzellen, deren Auf- gabe und Schicksal später von Bergh (1, 1893) so genau beschreiben worden sind, für LTj-genitalzellen gehalten hat. Nach Wagner treten die Ur^fcnitalzellen in einem Meso-Entodermzellenhaufen auf, dessen Bestandteile sieh zum Teil in Dotterzellen verwandeln, während die Geschlechtszellen in situ verbleiben. »Um die Zeit der Bildung der Schwan/.furche bleiben an der betreffenden Stelle nur einige Zellen, welche bei der Vertiefung der Schwanzfurche sich von der Reihe der primären Ectodermzellen des Keimstreifens entfernen. Die Sehicht ihrer Kerne bildet eine nach dem Dotter hin convexe Platte. In ilen folgenden Stadien vergrößert sich die Concavität der Scheibe, und bei der eben aus dem Ei geschlüpften Larve bilden die (Jeschlechts- 638 Erwin Taube, Zellen bereits eine doppelte Schicht. Die Zahl der Zellen der Ge- schlechtsanlage hat ein wenig zugenommen. In ihren histologischen Eigentümlichkeiten unterscheiden sie sich jetzt scharf von den be- nachbarten Zellen. Später teilt sich die ganze Anlage in zwei seit- liche Gruppen. Zu dieser Zeit können in jeder Drüse nur etwa zehn Kerne gefunden werden. Später runden die Drüsen sich ab und wei- chen auseinander. Auf Fig. 66 ist zu sehen, wie die Geschlechtsdrüsen nach oben hinaufrücken. Bei der Translokation nach dem Rücken werden sie von Mesodermzellen umgeben, welche sich höchstwahrschein- lich von der dorsalen Mesodermgruppe absondern. Nach der Trans- lokation nach dem Rücken hört die Bewegung der Drüsen nach hinten auf. Sie liegen alsdann in den Falten des Mesenterons, welche den gemeinsamen Anfangsteil der hinteren Leberschläuche vom dorsalen Auswuchs des Mesenteron abgrenzen. Nach der Bildung des letzteren vereinigen sich die beiden Geschlechtsdrüsen miteinander hinter dem- selben« (S. 206). In seinen schon erwähnten >> Studien über parasitische Copepoden« beschreibt Schimkewitsch (33, 1896) bei NotopleropJiorns die Gastrula- tion in der Weise, daß sich zuerst ein Zellenpaar einsenkt, das aber bald durch Teilung vier Paar Entodermzellen liefert. »Außer den Ento- dermzellen senken sich in den Dotter noch zwei Blastodermzellen ein, welche unmittelbar vor dem zweiten (von vorn nach hinten gezählt) Paare der Entodermzellen liegen.« »Im Laufe der weiteren Entwick- lung lagern sich diese Zellen an der Grenze zwischen dem Dotter und dem vierten Paare der Entodermzellen. Sie stellen die Genitalzellen vor . . .« »Sie können leicht beim Embryo mit abgesondertem Kopf- und Schwanzlappen bemerkt werden, es treten hier aber ihrer schon vier hervor. Bei N. papilio sind sie dabei manchmal ziemlich tief in den Dotter eingesenkt und lagern sich als ein Zellenhaufen nach innen von der Entodermschicht. Später liegen sie an der Rückenfläche des Schwanzlappens, ein Paar links und ein Paar rechts zwischen den Meso- derm- und Entodermzellen« (S. 349). Bei Lernaea branchialis {Febascr-e-sko, 26, 1898) tretenim Gastrula- stadium auf der Ventralseite vier größere Zellen auf, die Urgenital- zellen, die von den Randzellen der ectodermalen Mikromerenkappe herstammen. Sie sind längere Zeit sogar auf Totalpräparaten zu sehen, bis sie im Stadium G (Auftreten von Thoracalfußpaaren) von den Nervenstämmen bedeckt werden. In einem gewissen Stadium der Entwicklung sind jederseits zwei Urgenitalzellen vorhanden, die paarweise miteinander verschmelzen. Später, auf den letzten Em* Beiträge zur Entwkkluiigsgeschkhtc der Eupliausicleii. 039 bryonalstiulioii, rücken diese auf jeder Seite des Darmes dorsahvärts und nach hinten, wo sie sich wieder vernieliren und von Mesoderni- elementen umschlossen werden. 8chheßHch stoßen sie in der Mitte über dem Darm wieder zusannnen. Beim NaupHus und ^letanaupHus von Diaptomus cueruleus liegen nach Krimmel (20, 1910) die beiden Urgeschlechtszellen getrennt von- einander zu beiden Seiten des Darmes. Nachdem eine der Zellen sich geteilt hat, treten die beiderseitigen Anlagen zu einer unpaaren Drüse zusannnen, die also aus drei Zellen besteht, ein Stadium, das übrigens infolge fortschreitender Vermehrung der Zellen nur ein vorübergehen- des ist. Mesodermale Belegzellen bilden allmählich eine vollständige Hülle um die Gonade. Die erste Anlage der Ausfuhrwege zeigt sich in Form einer Zellen- anhäufung am vorderen Ende der Gonade, welche bald darauf im männlichen Geschlecht zu einem, im weiblichen zu zwei aus dicht- gedrängten Zellen bestehenden Strängen auswächst, aus denen sich später Röhren bilden. Wie ersichthch, treten die Urgenitalzellen meist schon frühzeitig im Gastrulastadium oder noch früher auf und machen sich durch ihre Größe und langsamen Teilungsschritt bemerkbar. Beim Nauplius fin- det sich die Genitalanlage als kleine, paarige Zellengruppe (mitunter nur eine Zelle auf jeder Seite) jederseits vom Darm. Jede Gruppe ninunt durch Zellteilung ein wenio; an Größe zu und rückt an der Seite des Darms dorsalwärts, wo sich die beiderseitigen Gruppen vereinigen. Die Schwierigkeit der Zurückführuno- der Genitalorgane bei den Euphausiden auf die großen £'-Zellen besteht hauptsächlich darin, daß die Zellen im Nauplius- und Metanaupliusstadium sehr an Größe verlieren und daher schwer von dem ziemlich gleichartigen Zellen- material unterschieden werden können. Aus diesem Grunde setzte sich in mir die vorgefaßte Meinung fest, daß beide ^'-Zellen das gleiche Schicksal hätten und vollkommen in der Bildung von Entoderm auf- frino^en. Ein Punkt, der mir dabei die größten Schwierigkeiten nuichte, war, daß ich in verschiedenen Präparaten, trotz reichlich vorhandenen Entoderms, zwei große Zellen, die vermeintlichen £'-Zellen, fand. Ich versuchte dieses durch eine teloblastische Entwicklungsweise des En- toderms zu erklären. Die Erklärung, zu der ich jetzt gekommen bin, scheint mir alle Schwierigkeiten in ungezwungener Weise zu beseitigen. Ich nehme an, daß nur eine der ^'-Zellen rein entodermalen Charak- ters sei, d.h. vollkommen in der Bildung von Entoderm 640 Erwin Taube, aufo"inge, während die andre bei einem bedeutend ver- langsamten Teilungsschritt die ersten Geschlechtszellen zu liefern hätte. Es ist dabei nicht ausgeschlossen, daß diese zweite Zelle durch eine anfängliche Teilung vorher j auch Entodermmaterial abgestoi3en haben könnte. i Für die Richtigkeit meiner Annahme sprechen folgende Wahr- \ scheinlichkeitsbeweise : ich erwähnte schon in meiner früheren Arbeit, j daß von vornherein, sobald die beiden -C-Zellen gesondert auftreten, sie durch ihr verschiedenes Aussehen individualisiert seien. Die £'2- Zelle ist etwas größer und zeichnet sich durch eine größere Plasma- menge aus. Durch dieses verschiedene Aussehen lassen sich die bei- den ^'-Zellen bis in das späte Gastrulastadium leicht voneinander unterscheiden. Es liegt die Wahrscheinlichkeit nahe, daß Zellen, die konstant längere Zeit hindurch so ungleich aussehen, auch ein verschiedenes Schicksal haben. Die mit mehr Dotter beladene Zelle würde dann wohl die Stammutter der Urgenitalzellen darstellen. Die Schwierigkeit der Erklärung des gemeinsamen Vorkommens 1 zweier großer Zellen, bei reichlich entwickeltem Entoderm, kann jetzt, 1 ohne die etwas gezwungene Annahme einer Teloblastennatur der E- ' Zellen, einfach durch die Deutung beseitigt werden, daß die eine E- Zelle schon in der Bildung von Entoderm aufgegangen ist, während die andre, d. h. die Urgenitalzelle, sich gerade in zwei Zellen geteilt hat. ; Ein besonders schwerwiegender Beweis hierfür ist das oben be- 1 sprochene Präparat einer Gastrula, in der nur ein großer ^'-Zellkern vorhanden ist, dessen Erklärung mir sonst die größten Schwierigkeiten f j bereitete (Taf. XV, Fig. 10 6^). Zwanglos ergibt sich jetzt, daß diese \ Zelle die Urgenitalzelle ist, während die andre £'-Zelle sich in kleinere Entodermzellen geteilt hat (Taf. XV, Fig. 5e). ; Für die angenommene Erklärung lassen sich auch Analogien bei • andern Krebsen finden, bei Moina (Grobben, 1879) und Cycloys (Hacker, 1892, 1895, 1897). Ich will nun die Entwicklung der Geschlechtsorgane von ihrem ^' ersten Auftreten an zusammenhängend und chronologisch schildern. Im Stadium von 16 Zellen ist das Material der Genital- und En- todermzellen noch in einer großen Zelle (früher mit E = dß-^ bezeich- : net) vereinigt. Im nächsten Stadium von 32 Zellen teilt -sich diese Zelle in zwei ihrem Aussehen und Schicksal nach verschiedene Zellen, die ich jetzt mit E (im siDczielleren Sinne) und G, als Urentoderm- und Urgenitalzelle bezeichnen möchte. Beide Zellen sinken vom nächsten Stadium ab immer mehr in die Tiefe, wodurch die Gastru- Boiträgo zur Entwiiklungsgcsehichtc lUr EupliaiisicU'n. 641 lation vor sich geht. Im Iiineiu der (Jastnila teilt sicli die £'-Zellc niehroreinal und liefert Entoderin, während die (r-Zelle fürs erste ungeteilt liegen bleibt, event. erst, nachdem sie auch einen Bei- trag zmn Entoderm beigesteuert hat. Nach einiger Zeit teilt sich auch die ö-Zelle einmal, und es sind wieder für den Rest des Gastrula- stadiums zwei große Zellen, und zwar beides Genitalzellen, vorhanden, ein Zustand, den ich durch zahlreiche Präparate belegen kaiui. Beim Auftreten der Extremitätenanlagen in Form seitlicher Furchen liefen die beiden Genitalzellen nicht allzuweit von der Oberfläche in der Gegend des nunmehr vollkommen geschlossenen Urmundes genau in der Sagittalebene. Die Gegend des Urmundes wird durch die im Halb- kreis um ihn liegenden großen Zellen, die Abkömmlinge der beiden Mesenchymzellen gekennzeichnet (Taf. XVI, Fig. 13 und 14). Da die Kerne der Genitalzellen nicht nur durch ihre Größe, sondern auch durch die schöne Ausbildung des Knäuelstadiums auffallen, habe ich sie mit Immersion noch einmal gezeichnet und in Taf. XX, Fig. 77 abgebildet. Man sieht, daß an beiden Kernen Astrosphären aufge- treten sind und daß eine Teilung nahe bevorsteht. Ein gut geführter sagittaler Längsschnitt, wie in Taf. XV, Fig. 9, muß natürlich beide Zellen auf einmal treffen. Einen glücklichen Zufall kann ich es nur nennen, daß ich ein Präparat besitze, welches die direkte Fortsetzung des in Fig. 77 begonnenen Vorganges darstellt. Fig. 78 ist einer Schnitt- serie durch ein Ei entnommen, das äußerlich nicht die geringsten Un- terschiede von dem eben beschriebenen aufwies und von dem ein Schnitt schon in Taf. XVI, Fig. 14 abgebildet ist. Man erkennt, daß die in Fig. 77 eingeleitete Teilung der beiden Genitalzellen hier im vollsten Gange ist. Man hat hier also diesen äußerst seltenen und schwer zu beobachtenden Vorzug sozusagen direkt vor Augen. Das nächste Stadium mit vier Genitalzellen stellt Fig. 79 dar. Auch dieser Querschnitt entstammt einem Embryo mit noch ungespaltener Ex- tremitätenanlage. Im jugendlichen Naupliusstadium lassen sich die Genitalzellen leicht auffinden. Sie liegen am Hinterende, der Ventralseite genähert (Taf. XVI, Fig. 20(/). Man kann gewöhnlich deutlich eine paarige Anordnung der großen Kerne beobachten. Mir scheint, daß merk- würdiaerweise vorübergehend ein Stadium von sechs Zellen durch- laufen wird. Wahrscheinlich liegt das daran, daß einige Zellen sich lano^samer teilen. So sieht man auf dem Längsschnitt Taf. XVI, Fig. 15, daß eine Zelle in der Teilung der andern ein wenig voraus ist. Da sich in dieser Gegend auch reichlich Mesoderm befindet, so Zeitst-liriit f. wUsensch. Zoologie. CXIV. lid. 42 04,2 Erwin Taube, fällt es schon jetzt mitunter ziemlich schwer, die verschiedenen Ele- mente mit Sicherheit zu unterscheiden. Besonders schwierig ist dieses aber beim alten Nauplius, weil bei ihm durch die Entwicklung der Ganglienkette und die Anlage der Metanaupliusextremitäten auf der Ventralseite eine starke Zellver- mehrung stattgefunden hat, und sich hier infolgedessen so zahlreiche, ziemlich gleichartige Zellen befinden, daß eine genaue Diagnostizie- runc unmöglich wird. Jedenfalls scheint in diesem Stadium eine Ab- nähme der Genitalzellen an Zahl und eine Verlagerung mehr nach vorn stattzufinden. Beim Metanauplius gelang es mir, sie wieder aufzu- finden, und zwar in geringer Zahl rechts und links vom vorderen Ab- schnitt des Mitteldarms, noch immer nahe der Ventralseite. Immer- hin gelingt auch hier das Auffinden der Genitalzellen nur auf äußerst günstigen Präparaten. Deutlicher treten die Zellen schon im Calyptopisstadium auf. Die Anlage besteht hier aus wenigen Zellen jederseits vom Mitteldarm, die sich aber kaum von benachbarten Zellen mit ähnlichen, großen Kernen, z. B. Leberzellen, unterscheiden lassen, so daß sie mir hange Zeit ganz entgangen waren, obgleich ich Hunderte Schnitte daraufhin unter- sucht hatte. Auf Querschnitten sieht man zwei Bindegewebsstränge, die seitlich ventral beginnen und nach der Dorsalseite zu konvergieren. In ihrem Verlauf, mehr dorsal als ventral, liegen nun die Genitalzellen. Erst im Furcihastadium treten die Genitalzellen so weit deutlich auf, daß man sie unschwer auf jedem Präparat finden kann, wenn man erst genau über ihre Lage orientiert ist. Sie sind jetzt bedeutend ■ mehr nach der Dorsalseite gerückt und liegen über dem Darm und sämtlichen Leberdivertikeln. Taf. XX, Fig. 66 g zeigt einen Schnitt durch dieses Stadium. Die beiden nur aus zwei Zellen bestehenden Anlagen liegen noch getrennt, nur durch einen dicken Bindegewebs- strang verbunden. Mitunter sind auch Zellgrenzen zwischen den großen Kernen sichtbar. Zur Lage dieser Zellgruppen sei noch folgendes bemerkt. Wenn man eine Querschnittserie von vorne nach hinten durchmustert, so findet man die Genitalzellen unmittelbar nach dem blinden Ende des am meisten dorsalwärts gelegenen Leberdivertikelpaares. Sie liegen also im Winkel, den die ventrale, vordere Herzwand mit der dorsalen Wand des Mitteldarms bildet (Taf. XIX, Fig. 62 g). Ein ganz genau geführter, medianer Längsschnitt dürfte sie daher eigent- lich nicht treffen, Avohl aber ein Schnitt, der etwas neben der Mittel- linie liegt, z. B. Fiii'. 67, ein Nachbarschnitt von Fig. 62. Beiträge zur Entwickliiimsgcschichle der l'Jipliaiisidcn. 643 ^Vie bei andern Krebsen, so findet auch bei den Euphausiden eine Vereinigun;ezählt werden kann, sd werden wir sie doch als totale und fast ätjuale ihm unmittelhai' an die Seite setzen kcumen. Hervorhel)en m»")ehte ich noch die auffallende Rc^el- mäßigkeit der Furchung auch in späteren .Stadien, angefangen von 1() Zellen bis hoch hinauf ins Gastrulastadium, wo alle Zellen, mit xVusnahme der frühzeitig sich differenzierenden Urentoderm- und Mesenchymzellen, von überraschender Gleichmäßigkeit sind. Da wir die Crustaceen von anneliden-ähnlichen Vorfahren ab- leiten und die charakteristische Larvenform der Krebse auf die Anne- lidentrochophora beziehen, so ist es konsequent, in solch einem Ver- gleich noch weiter zurückzugehen und bei gewissen ursprünglichen Formen auch schon während der Furchung nach Analogien zu suchen. Tatsächlich ist auf diesem Gebiet noch w^enig bekannt. Die Unter- suchungen von BiGELOW^ über Lepas zeigen, daß in den ersten Fur- chungsstadien eine geAvisse Übereinstimmung mit den von Child (9, 1900) für Arenicola festgestellten Vorgängen besteht. Nun habe ich schon darauf hingewiesen, daß sich bei der Furchung von Lepas und der Euphausiden eine ganz überraschende Ähnlichkeit zeigt, worin sich natürhch dann eine gewisse Annäherung an den Annelidentypus ausspricht. Bekanntlich ist für die Arthropoden der superficielle Furchungs- typus besonders charakteristisch. Doch ist jetzt schon eine ganze Reihe von Crustaceen bekannt, deren Eier sich total furchen, z. B. Branchipus, Lucifer, Chondracmdhus, Lepas, manche frei lebende Copepoden und schließlich auch die Euphausiden. Bei den letzteren erfolgt aber die Furchung entschieden nach dem Spiraltypus, worauf ich schon früher hingewiesen habe. Unter den Holoblastiern folgen diesem Typus die Polycladen, Nemertinen, viele -Mollusken und be- sonders die Polychaeten. Der Spiraltypus ist zwar bei den Euphau- siden nicht annähernd so typisch und deutlich ausgeprägt wie bei den Anneliden und Mollusken, ist aber trotzdem an der Stellung der Spindeln erkennbar. Man sieht dieses unter anderni beim Vergleich der Furchungsbilder Fig. 7, K» und IT meiner früheren Arbeit, welche Eier von 8, 10 und 32 Zellen von derselben Seite gesehen darstellen. Da in meinen Zeichnungen der animale Pol nach unten gekehrt ist, so bekommt man eine klare Vorstellung, wenn man die Tafel umgekehrt betrachtet. Man erkennt dann, daß der Übergang von acht zu IG Zellen durch eine läotrope. von IG zu 32 durch eine dexiotrope Tei- C48 Erwin Taube, lung zustande gekommen ist. Das würde übrigens auch mit Areni- cola übereinstimmen und weist, wie auch später zu beobachten, auf das strenge Befolgen der Alternanzregel hin. Erschwerend bei der Feststellung, ob die Teilung dexiotrop oder läotrop erfolgt, wirkt üb- rigens der Umstand, daß das Achterstadium aus zwei ineinander 'ge- schobenen, nicht ganz geschlossenen Ringen aus je vier Zellen besteht, wobei die Spindeln in den Zellen des einen Ringes fast senkrecht zu den »Spindeln des andern Ringes stehen. Es haben daher einige Spin- deln, bei senkrecht stehender vegetativ-animaler Achse, eine fast horizontale Lage und sind von fast senkrecht stehenden Spindeln begrenzt (Furchungsbild Fig. 7), was sich ja auch noch an späteren Stadien erkennen läßt (Furchungsbild 23). Trotzdem sieht man auch an diesem letzteren Bilde, daß der Übergang von 32 zu 64 Zellen durch läotrope Teilung erfolgte, was ja nach dem oben Gesagten auch zu erwarten war. Die Furchung der Crustaceeneier ist, soweit superficielle in Be- tracht kommt, der nicht determinativen Entwicklungsweise zuzu- rechnen. Der determinative Charakter einiger holoblastisch sich ent- wickelnder Formen ist zuerst durch die Arbeiten Grobbens über Moina und CetocJiilus (1879, 1881) bekannt geworden, denen sich nachher Untersuchungen einiger andrer Formen, hauptsächlich aus der Gruppe der Entomostraken anschlössen. Unter den Malacostra- ken ist die Zahl noch geringer, so daß Korschelt und Heider in der neuen Auflage ihrer vergleichenden Entwicklungsgeschichte der wirbellosen Tiere nur die Untersuchungen von Brooks über Lucifer und von Sars und mir über Euphausia anführen. Der spirale Fur- chungstypus und der determinative Charakter der Entwicklung der Euphausiden sind entschieden Momente, die eine gewisse Beziehung zur Annelidenentwicklung erkennen lassen. Je nachdem das Mesoderm dem primären Ectoderm oder dem Entoderm entstammt, unterscheiden Korschelt und Heider (ibd.) Ectomesoderm' und Entomesoderm. Seiner Entstehung nach empfeh- len sie beim letzteren fünf Typen auseinanderzuhalten: 1. die telo- blastische Mesodermstreifenbildung, 2. die secundäre oder abgeleitete Mesodermstreifenbildung, 3. die Enterocölbildung, 4. die Cölombil- dung, 5. die mesenchymatische Cölombildung. Zum ersten Typus rechnen sie »die Entstehung paariger Mesodermstreifen von zwei Mesodermzellen aus, wie sie sich bei Anneliden und Mollusken u. a. vorfindet«. Zum zweiten Typus gehören alle jene Fälle, »bei denen paarige Mesodermstreifen angelegt werden, ohne daß Urmesodermzellen I Briträgo zur Kiilwickhmgsgcscliiclitc der lOiipliausidcn. (349 in Fraoo kämen. Es sind dies ininior Fälle, die offenbar als secundäre ;M()difikati()nen des ersterwähnten Typus zu betrachten sind, inso- fern sie sieh bei Formen vorfinden, welche sich von Aiuieliden oder Mollusken ableiten lassen. Hierher ;^ehört die Mesodermbildun,dale 679 Nerven des tJaiiglion brachiale 685 Nerven des (Ganglion buccalc supcrius <)8S Nerven des (Jaiigiion buccalf inferius 688 Zusammenfassung des Xerveiisystems 691 Allgemeines id)er das Bhitgefäßsystem 694 Arm- und Ko])fvenen 694 8inus mesenterieus 703 Mesenterialven von Williams für Loligo Pealii. Bei dieser Form eiits[)rinfit der Nervus visceralis ebenfalls als unpaarer Stamm, der aber im C!an<2;lion selbst zwei getrennte Wurzeln besitzt. Kurz nach ihrem Austritt aus dem (Januiion treten die beiden Nervi viscerales in den Speicheldrüsensinus ein, indem sie, zunächst dem Statocystenknorpcl ziemlich eng anliegend, steil nach der Ven- tralseite hinunterziehen. Kurz vor dem Diaphragma musculare ver- lassen sie den Sinus und geben gleich danach jeder einen kleinen Ner- ven ab, der direkt nach unten zieht, durch die Leberkapsel oberhalb des Diaphragma hindurchtritt und etwas nach vorn an die Vena cava herantritt, wo er mit kleineren Ästen, die sich von dem vom Nervus infundibuli posterior abgezweigten Nervus venae cavae anterior ab- trennen, kommuniziert. Ich nenne diesen Ast des Nervus visceralis übereinstimmend mit Hillig Nervus venae cavae posterior (To.xt- fig. 3, n.v.c.p.). Hillig beschreibt für Sepia zwar dieselben Nerven, aber ihm ist von einer Kommunikation mit dem Nervus venae cavae anterior nichts bekannt. Der Irrtum Hilligs, es seien diese Nerven vor ihm von keinem andern Autor gesehen worden, ist bereits von Richter berichtigt worden, insofern Carlson diese Nerven sowohl für Loligo Pealii, als auch für Ommatostrephes illecehrosus (syn. IHex illecebrosus) festgestellt hat. Vielleicht meint auch Williams in seiner Arbeit über Loligo Pealii diesen Nerven; denn er beschreibt (S. 77) den Nervus visceralis und fährt dann fort: >)it gives off two branches: one passes outward to the siphonal retractor. The other turns down- ward around the anterior vena cava and joins its mate from the other side.« Richter hat die Nervenzweige für die von ihm beschriebenen Formen, bei denen sie vor der Teilung in die beiden Nervi viscerales abgehen, ebenfalls erwähnt. Von einer Kommunikation mit dem Nervus venae cavae anterior ist auch ihm nichts bekannt. Kurz nach dem Abgang dieser Nerven weichen die beiden Nervi viscerales etwas auseinander und zweigen jederseits einen stärkeren Nerven ab, den Nervus nnisc. depressoris infundibuli, der mit ihnen zusammen duich die Foramina in den Diaphragmaknorpel, dessen Vorhandensein bei Rossia schon Brock festgestellt hat, hindurchtritt (Textfig. 3, «.(/./.). Diese Nerven biegen sofort nach ihrem Durchtritt durch den Diaphragmaknorpel im stumpfen W iiikel von d(>m Viscc- rahshauptast ab und ziehen zusammen mit der Vena musc. depres- 668 Arthur Wiukler, soris infundibuli zu einem Muskel i, den man Muse, adductor infundi- buli posterior nennen könnte und der nach dem Muse, depressor infundibuli hinläuft, dort, wo dieser in die hintere, dorsale Trichter- wand ausstrahlt. Noch während des Verlaufs in dem Adductor infun- dibuli posterior teilt sich der Nerv in zwei Aste, gibt auch an ihn klei- nere Zweige ab, von denen der obere in gleicher Richtung fortlaufend über die hintere Trichterwand in den vorderen Teil des Depressor infundibuli hineinzieht. Der andre, bei weitem stärkere Ast biegt erst ein wenig nach hinten zu, läuft dann hinüber ^zum hinteren Teil des Depressor infundibuli, wo er sich wiederum teilt. Der stärkste dieser Äste zieht im Muskel nach hinten zu bis zu dessen Anheftung am Mantel. Dieser Nervus depressoris infundibuli ist fast allen früheren Au- toren bekannt. Cheron, v. Jhering, Jatta und ebenso Chun be- schreiben den Nerven und bilden ihn auch richtig ab. Daß Hancock, ebenso wie Posselt die Nerven auch gekannt haben, ist durch Richter zur Genüge erörtert. Von neueren Untersuchern erwähnen Hillig und Richter die Nerven und bilden sie auch ab. Ob Willi- ams diesen Nerven kennt, ist nicht ohne weiteres aus seiner Beschrei- bung heraus?;ulesen, ebenso wenig aus seinen Figuren zu erkennen, zumal da zu diesen manche Bezeichnungen fehlen. Er berichtet, daß der Nervus visceralis nach seinem Austritt aus dem »cephalic retrac- tor<< zwei Nerven abgebe: »one passes outward to the siphonal retrac- tor<<. Es ist möglich, daß er mit »siphonal retractor« den Adductor infundibuli posterior meint; in diesem Falle würde der Nerv wohl dem Nervus depressoris infundibuli gleichzusetzen sein. Jedenfalls hat er sich nicht die Mühe genommen, den Nerven weiter zu verfolgen. Wir haben bisher die beiden Nervi viscerales bis zu ihrer Aus- trittsstelle aus dem Diaphragma verfolgt. Sie verhalten sich in ihrem Verlauf bis zu der Stelle, wo sie auf den Nierensack hinauftreten, et- was verschieden. Ich beschreibe zunächst den rechtsseitigen Nerven. Dieser läuft nach seinem Austritt aus der Leberkapsel an der Außen- seite der Vena cava, ihr eng anliegend, unter einer dünnen Membran. An dem vorderen Kopf des Muse, adductor pallii medianus angelangt, gibt er einen starken Nerven, den Nervus musc. adductor pallii me- dianus (Textfig. 3, n.p.m.), zu dem entsprechenden Muskel ab. Er verläuft in diesem nach hinten und oben, löst sich in viele Aste auf 1 Dieser Muskel, den schon Brock für Sepia beschreibt, setzt an der äußeren Seite des Diaphragmaknorpels an, als ein wohldifferenziertes stärkeres Muskel- biindel, und zieht hinüber in die hintere Wand des Trichters, Untersuch, üb. d. Non'on.'^ystoni ii. d. Blutgofäß.'^ystom v. Ros.sia macrosoma. 669 und zieht in seinen einzelnen Verzweij^ungen hinauf bis zur Ansatz- stelle des Adductor medianus am Mantel und in diesen Muskel hinein. Dieser Nerv ist, soweit mir die Literatur l)ekannt ist, noch niemals Textfig. 3. C70 Arthur Winkler, für Decapoden beschrieben worden. Direkt neben ihm geht noch ein stärkerer Nerv ab, der Nervus atramenti, der über die Vena cava hinweg nach dem vorderen Teil des Tintenbeutels verstreicht, dort, wo dessen Ausführungsgang sich absetzt (Textfig. 3, n.atr.). Dieser Nerv teilt sich auf dem Tintenbeutel in zwei Hauptäste, von denen einer sich auf dem Ausführungsgang verzweigt und ihn bis zur Ein- mündung in den Enddarm begleitet, während der andre in entgegen- sesetzter Richtung nach hinten zu bis ans Ende des Beutels zieht und diesen selbst reich mit kleineren Nerven versorgt. Dieser Ast innerviert wohl auch die Tintendrüse. Von dem Hauptnerven zweigt sich vor dem Tintenbeutel noch ein kleinerer Nerv ab, der zum End- darm zieht, wo er sich auch nach vorn und hinten reich verästelt. Die zuerst von Chun, von dem auch die Bezeichnung Nervus atramenti herrührt, und dann auch von Hillig beschriebene Commissur zwi- -schen den inneren Ästen des Nervus atramenti konnte ich trotz sorg- fältiger Präparation nicht auffinden (ich möchte damit aber nicht etwa abstreiten, daß sie nicht doch als allerdings äußerst schwache Verbindung vorhanden sein könnte). Hillig erwähnt ausdrücklich, daß die Commissur durchaus keinen massiven Eindruck mache, son- dern weit mehr einer zufälligen Vereinigung der Nerven gleiche. Gi- ROD kennt ja auch keine Commissur dieser inneren Zweige, trotzdem seine sonstigen Angaben nach dem Zeugnis von Hillig sehr gewissen- haft sind. Dies könnte mich fast in der Ansicht der zufälligen Ver- einigung bestärken. Den von dem Nervus atramenti abgehenden Nervus analis beschreibt Hillig nicht. Nach Abgabe dieser beiden Nerven zieht der Nervus visceralis auf der Außenseite der Vena cava weiter nach hinten und gelangt, etwas ventralwärts sich wendend, zum Nierensack. Kurz vor der Nie- renpapille biegt er scharf nach außen um und läuft auf dem Nieren- sack nach der Kieme. Kurz bevor er von der Vena cava auf den Harn- sack übertritt, geht an der Außenseite der Vena cava ein Nerv ab, manchmal auch ein Bündel (drei bis vier) feiner Nerven, die an der vorderen Wand des dorsalen Harnsacks steil hinunter ziehen zum hinteren Ende der Leber, wo sie sich in mehrere kleine Nerven teilen. Ein starker Ast komnmniziert mit dem entsprechenden Nerven des linksseitigen Nervus visceralis (Textfig. 3, n.h. und c.v.d.a.). Man könnte diesen Nerven als Nervus hepaticus und die Commissur als Comm. visceralis dorsalis anterior bezeichnen, im Gegensatz zu einer später noch zu erwähnenden Comm. visceralis dorsalis posterior. Dort, wo der Nervus visceralis den scharfen Knick nach außen Untersuch, üb. d. Xorvcnsystoni u. d. Blutjicfäßsy.stom v. Ro.ssia mnoro.soma. 071 ZU macht, ^ibt er einen ihm an Stärke fast frleiclikommenden platt- gedrückten Nerven ab, der oberhalb der Nierenpapille nach der Mitte zu verläuft. Kurz nach seinem Ursprung teilt sich dieser Nerv in mehrere miteinander anastomosierende Äste, die, nachdem sie an den Nierenpapillen vorbei sind, hinüberziehen zu den Nidamentaldrüsen (Textfig. 3, c.v.c). Von ihnen zweigen sich noch vor der Nierenpapille mehrere kleine Nerven ab, die sich auf der Oberfläche des Nierensacks verästeln und auch hinüberziehen zur Papille. Ebenso zweigen die Hauptnerven nach der Mitte zu mehrere dünne Nerven ab, die mit den entsprechenden der andern Seite kommunizieren. Diese Com- missur bezeichnet Hillig als hintere Visceralcommissur. Die Haupt- nerven zu den Nidamentaldrüsen lassen sich als zwei getrennte Ner- ven auseinander halten, von denen der außenliegende (Raums exter- nus) auf der äußeren Seite der Drüsen nach hinten zu zieht, während der innere sich an der vorderen Spitze der Drüsen in mehrere Äste teilt, von denen einer von unten an die Drüse herantritt, der andre zwischen beiden Drüsen verläuft, während ein dünner dritter und vierter hinüberzieht zu den accessorischen Nidamentaldrüsen. In diese letzterwähnten Drüsen gehen wohl auch kleinere Nervenästchen von der Kommissur aus. Ich konnte keine scharfe Trennung zwischen den Nerven der beiden Drüsenapparate, wie sie Döring für Sepia beschreibt, feststellen und nenne deshalb den ganzen Nervenkomplex wie Hillig Nervus nidamentalis (Textfig. 3, n.n.). Von einem stär- keren Strang der Commissur geht nach hinten zu ein nicht allzustarker Nerv ab, der zunächst zwischoi den accessorischen Drüsen nach hinten zu zieht, bis an die Art. musc. adductoris pallii medius heran und mit dieser in dem muskulösen Kanal nach dem Herzen geht, an der Aus- trittsstelle der Aorta abdominalis eintretend, der Nervus cordis (Text- fig. 3, n.c). Daß von derselben Commissur noch ein zweiter Nerv abgegangen wäre, wie das Hillig beschreibt, habe ich nicht feststellen können, trotz genauer Untersuchung. Bei Hillio verläuft der Ner- vus cordis dem Enddaim entlang und tritt ungefähr an der Stelle, wo die Aorta genitalis abgeht, in das Herz ein. Nach Rkmitkr ent- springt der Herzventrikelnerv, der weiterhin einen Nerv in die Comm. branchialis sendet, bei Illex meist mit zweifacher W'iir/.cl von dei' hin- teren Visceralcommissur, während er bei Ommatoslrephcs und Steno- teuthis als reiner Herzventrikelnerv aus dem linksseitigen Nervus branchialis kommt. Carlson erwähnt bei Loliijo Pealii ebenfalls einen Nervus cordis, vom ersten Herzganglion, entsprechend der Vis- ceraliscommissur, ausgehend, der in d<'n \'(>ih(»f eintritt, \\illl\ms, 672 Arthur Winkler, der die Arbeit von Caklson gar nicht kennt, erwähnt auch den Nerv nicht. Schon Hillig bemerkt, daß die Präparation aller dieser Nerven recht schwierig sei. Ich kann das für Rossia vollauf bestätigen. Die Nerven sind völlig plattgedrückt und fast durchsichtig, so daß man nur bei starker Vergrößerung und großer Sorgfalt zum Ziele kommen kann. Wie die Nerven beim männlichen Tiere verlaufen, kann ich nicht sagen, da ich nur weibliche Exemplare zur Verfügung hatte. An der Abzweigungsstelle der Nervi nidamentales von dem Nervus visceralis geht noch ein Nerv ab, der steil nach der Dorsalseite zu zieht. Dieser Nerv legt sich an die hintere Kundung des Tintenbeu- tels an, zieht unter diesem durch und kommuniziert mit dem ent- sprechenden Nerven der Gegenseite. Von dieser Commissur, die wohl bisher noch nicht beschrieben worden ist, und die ich Comm. visce- ralis dorsalis posterior nennen möchte (Textfig. 3, c.v.d.p.), gehen nach hinten zu zwei Nerven ab, die sich nach kurzem Verlauf zusammen- legen und nach dem dorsalen Teil des Nierensacks zu ziehen, wo sie sich reichlich verzweigen und ebenfalls Astchen an die Vena cava während ihres Verlaufes im dorsalen Nierensack abgeben. Ich möchte diese von der Commissur abgehenden Nerven als Nervi nephridiaci dorsales bezeichnen. Um noch einmal zusammenzufassen, so sind demnach bei Rossia drei Visceralcommissuren vorhanden. Die hin- tere Visceralcommissur der andern Autoren und die beiden dorsalen Commissuren, die, wie schon erwähnt, bisher noch nicht beschrieben sind. Der Verlauf des linken Nervus visceralis ist ganz entsprechend dem der rechten Seite, nur daß der Nerv nach einem kleinen Stück neben der Vena cava auf dem Tintenbeutel verläuft und deswegen bei weitem nicht so ausgebuchtet erscheint wie der rechtsseitige. Von der Abzweigungsstelle der Nervi nidamentales und der hin- teren dorsalen Commissur aus verläuft der Nerv weiter als Nervus branchialis auf dem Nierensack nach hinten bis zur Kieme. Dabei gibt er mehrere Aste ab, die sich reichlich auf dem Harnsack nach innen und außen ausbreiten (Textfig. 3, n.cl.n.). Am Anfang der Kieme verdickt sich der Nerv zu dem länglich walzenförmigen Kiemengan- glion. Aus diesem entspringen verschiedene Nerven (siehe Textfig. 3). Zunächst zieht ein Nerv auf der Art. branchialis hinüber zum Kiemen- herzen, der Nervus cordis branchialis. Kurz vor dem Kiemenherzen teilt sich dieser in zwei Äste, einen Ramus anterior und einen Ramus posterior, die sich ihrerseits wieder verzweigen. Weiterhin nimmt direkt neben diesem Nerv ein dünnerer seinen Ursprung, der in der- Untersuch, üb. d. Xcrvcn.systoni u. d. Blutgefäßsysteni v. Rossia macrosonia. 673 solben Hiclitunn; auf der Art. branchialis verläuft und sie zwischen Kienienhcrz und GanSpeicheldriisensinus. Er teilt sich nach kurzem Verlauf in drei Äste. Zwei von diesen, die dünneren, verzweigen sich noch innerhalb der Leberkapsel auf deren Innen- wand. Der dritte, stärkere Zweig ist der eigentliche Nervus collaris. Er tritt durch einen Spalt in der Leberkapsel, durchsetzt den Muse, retractor capitis geradlinig und tritt in das innere Blatt des Muse. collaris ein, nahe der Umschlagstelle in das äufiere Blatt. Er verläuft nach der Ventralseite zu bis auf die vordere Trichterwand, in die Nähe des Trichterschließknorpels. Kurz nach seinem Eintritt in den Muse, collaris zweigt sich von ihm ein Ast ab, der das äußere Blatt des Col- laris reich versorgt. Bei Sepia beschreibt Hillig für den Nerven ein ganz ähnliches Verbreitungsgebiet. Auch der Verlauf gleicht dem bei Rossia, nur ist von einem Durchtritt durch den Muse, retractor capitis nichts erwähnt. Bei den RiCHTERschen Formen ist der Nervus collaris bei weitem nicht so stark ausgebildet wie bei Rossia und ^epia. Richter hat den Nerv auch durch den seitlichen Kopfrückzieher verfolgt. Nei'Tns collaris acccssorlus. Es ist hier noch eines Nerven Erwähnung zu tun, der seitlich außen von dem eben beschriebenen Nervus collaris aus dem Gangüon entspringt, und den ich Nervus collaris accessorius nennsn möchte (Taf. XXII, Fig. 1 u. 2, n.coll.a.). Dieser Nerv geht mit dem Nervus collaris durch den Retractor capitis hindurch nach außen und etwas nach vorn zu an die LTmschlagstelle des inneren Blattes des Muse. collaris in das äußere, wo er an ein plattgedrücktes Körperchen heran- geht von etwa semmelförmiger Gestalt, das direkt unter der Haut an dieser .Stelle liegt und dessen Natur mir völlig rätr.elhaft geblieben ist. Ich habe die Stelle geschnitten. Der Erhaltungszustand des Materials war für mikroskopische Untersuchung nicht sehr gut und es war nichts weiter zu sehen, als daß dieses Körpeichen aus zwei nebeneinanderliegenden hohlen, runden Kcirpern bestand. Zu be- merken ist noch, daß weitere Äste des Nerven zu ähnlieheii, noch weiter nach außen gelegenen Gebilden hinziehen, in d n- Literatur habe ich nichts darüber finden können, ebensowenig ist der Nerv irgendwo erwähnt. Nervus iufundibnli posterior und Nervus vcnae cavae anterior. Der Nervus infundibuli posterior entspringt direkt vor dem Ner- vus pallialis und dem Nervus collaris von der Seite des Visceralgan- 678 Arthur Winkler, glions. Er tritt sofort nach seinem Ursprung in den Knorpel ein und zieht in ihm der »Statocyste aufliegend direkt nach ventral und etwas nach hinten zu, indem er dabei einen (auf Taf.XXII, Fig. 2, n.i.p.) deut- lich zu sehenden Knick macht. Nach kurzem Verlauf tritt er aus dem ötatocystenknorpel aus an der hinteren Seite und verläuft ein kleines tStückchen der Innenseite der Leberkapsel (im ventralen Teil) an- liegend. Dann tritt er durch ein Loch in der Leberkapsel hindurch auf die dorsale Wand des Trichters und teilt sich hier in mehrere Äste, unter diesen zwei stärkere. Der obere, dünnere von den beiden läuft in gerader Richtung nach außen, über den Ansatz des Depressor in- fundibuli hinweg. Er teilt sich seinerseits wiederum in mehrere (zwei bis drei) Äste, die sich bis in die Nähe des Trichterschließknorpels verfolgen lassen. Der hintere, stärkere Zweig des Nerven läuft unter dem Ansatz des Depressor infundibuli hinweg und versorgt mit meh- reren Ästen nach hinten zu ziehend die Dorsalfläche des Trichters bis zur Seite. Der Nervus venae cavae anterior entspringt aus dem Gang- lion viscerale direkt hinter dem Nervus infundibuli posterior, und zwar diesem so eng anliegend, daß man die beiden für einen Nerven halten könnte (Taf. XXII, Fig. 1 u. 2, n.v.c.a.). Ich habe auch einen Fall gefunden, wo er offensichtlich sich erst nach dem Durchgang durch die Leberkapsel von dem Nervus infundibuli posterior ab- zweigt. Der Verlauf ist bis zu dem Verlassen der Leberkapsel der- selbe wie der des Nervus infundibuli posterior. Nach dem Durchtritt zieht er nach innen zu, erst ein wenig nach vorn, macht dann einen Knick und geht direkt hinüber zur Vena cava, in deren Wandungen er sich dort, wo die große Venenklappc liegt, verzweigt und mit dem vom Nervus visceralis kommenden Nervus venae cavae posterior kommuniziert (siehe S. 667). Bei Sepia scheint nach Hillig der Ver- lauf des Nervus infundibuli posterior etwas anders zu sein, indem | zunächst der Nerv senkrecht nach der Ventralseite zu zieht, bis an die Vena cava (siehe seine Textfig. 7) herangeht und erst von dort aus sicH nach außen auf die hintere Trichterwand verteilt. Man muß auch nach derselben Textzeichnung einen direkt ventralen Ursprung des Nerven aus dem Ganglion annehmen. Die Verzwei- gungen auf dem Trichter scheinen bei Sepia ähnlich zu sein. Was den Nervus venae cavae anterior angeht, so entspringt er bei Sepia deutlich vom Nervus infundibuli posterior getrennt, etwas hinter diesem. Der Verlauf ist bis an die Vena cava derselbe wie der des Nervus infundibuli posterior. Bei den RiCHTERschen Formen sind die Verhältnisse ziemlich dieselben wie bei Rossia, indem hier nur f i Untcisiu-l). iil). d. Xcrvonsystoni u. d. Blutgofäßsystem v. Rossia macrosonia. 679 ein Nervus iiiluiulibuli posterior direkt unter dem Nervus pallialis entspringt, der ein Stück über den vordersten ventralen Zipfel der Leber iinverzweigt hinüberstreicht, um dann erst den Nervus venae cavae anterior abzugeben. Am weitesten oben geht dieser Nerv bei lUex ab, gleich nach dem Austritt aus dem Knorpel. Der Ver- lauf des Trichternerven ist ganz ähnlich wie bei Rossia. Hier ist noch zu bemerken, daß ich die Innervierung der Trichterdrüse, die Richter als erster beschreibt, auch gefunden habö. Die hin- teren Drüsen werden durch den Nervus infundibuli posterior, die vorderen durch einen Zweig des Nervus infundibuli anterior ver- sorgt. Chun beschreibt keinen gesonderten Nervus infundibuli poste- rior, sondern Zweige an die Vena cava gehen vom vorderen Trichter- nerven ab. Nerven des Ganglion pedale. Nervus retractoris capitis anterior snperior iiiid inferior. Diese beiden Nerven entspringen, der eine etwas veiitial vom andern, an derselben Stelle aus dem Ganglion pedale wie der Nervus ophthalmicus inferior posterior, und zwar etwas über demselben, hart an der Grenze zwischen Visceral- und Pedalganglion (Taf. XXII, Fig. 1 u. 2 n.r.a.). Der obere dieser beiden Nerven verläuft im Knorpel nach hinten, oben und etwas nach außen zu. Sofort nach dem Austritt aus dem Knorpel geht er in den dorsalen Teil des am Knorpel inse- rierenden Muse, retractoris capitis und teilt sich in diesem in mehrere Äste. Der andre Retractornerv zieht unter diesem im Knorpel in derselben Richtung, nur mehr ventralwärts nach hinten, bei der Prä- paration des Superior durchscheinend. Er teilt sich noch während seines Verlaufes im Knorpel in zwei Aste. Diese ziehen in den ven- tralen Teil des Kopfrückziehers hinein, sich in mehrere reich ver- zweigte Äste teilend. Die Nerven sind während ihres Verlaufes im Knorpel bandfonnig zusammengedrückt. Hillig kennt bei Sepia nur einen Nervus retractoris capitis anterior, der deutlich (siehe Taf. XXXIll) aus dem Ganglion viscerale, nicht aus dem Ganglion pedale entspringt. Er führt schon an, daß auch Williams bei Lolif/o Pealii einen entsprechenden »nerf to the nuchal and cephalic retractor<< einzeichnet (Textfig. l^^), der auch der Beschreibung und der Zeich- nun"^ nach aus dem Ganglion pedale an der Grenze zwischen Visceral- und Pedalganglion entspringt. Richter beschreibt bei seinen Fornu'ii als Nervus retractoris capitis lateralis mehrere den unsern völlig ent- sprechende Nerven. Sie entspringen ebenfalls vom seitlichen Hinter- 680 Arthur Winkler, rande des Ganglion pedale. Ihre Anzahl ist verschieden ; bei Illex gibt er deren drei, bei den andern bis zu fünf an. Eine Trennung in Superior und Inferior beschreibt er nicht. Einen Ansatz zur Tren- nung findet man in der Zeichnung auf Taf. IV { Stenoteuthis Bartrami), wo die Nerven deutlich in zwei Partien entspringend gezeichnet sind. Bemerkenswert ist, daß Kichter noch einen Nebenast dieser Nerven beschreibt, den Kamus orbitalis nervi retractoris capitis lateralis, der in den hinteren Teil der Orbitalkapsel eindringt und sonst nirgends erwähnt wird. Nervus cristae und Nervus uiacnlae staticae. Diese beiden Nerven treten von der Seite des Pedalganglions aus, etwas weiter nach vorn als die eben erwähnten Nerven (Taf. XXII, Fig. 2, n.m.st., n.cr.st.). Der bedeutend stärkere, bandförmige, von den beiden ist der Nervus cristae staticae. Er läuft auf der Statocyste ein Stück nach hinten zu und tritt dann in diese ein. Der direkt vor ihm entspringende Nerv, der manchmal auch als Ast des vorherge- henden auftritt, geht nach kurzem Verlauf im Knorpel ebenfalls in die Statocyste hinein; den weiteren Verlauf in derselben ver- mochte ich nicht zu beobachten. Für Sepia gibt Hillig ebenfalls diese beiden Nerven an; auch Williams für Loligo Pealii, wo sie ebenso verlaufen (Textfig. 15 15 u. jg). Chun beschreibt bei Chiro- teuthis eine Zweiteilung des statischen Nerven in Nervus cristae und Nervus maculae staticae. Bei den EiCHTERschen Formen sind eben- falls zwei getrennt entspringende statische Nerven vorhanden; der rundliche Nervus maculae ist bei diesen ebenso wie bei Rossia ziemlich unansehnlich. Nervus oculoniotorius posterior. Dieser plattgedrückte Nerv entspringt direkt unter dem Opticus- stiel (Taf. XXII, Fig. 2, n.om.f.). Er liegt dem Orbitalknorpel auf und zieht so in gerader Kichtung nach außen. Dabei teilt er sich nach kurzem Verlaufe in mehrere Äste (zwei bis drei), die in die ventrale Augenmuskvilatur hineingehen. Es ist ein typischer Augenniuskel- nerv. Bei Sepia (Hillig) verläuft dieser Nerv fast ebenso; es läßt sich nur nicht genau aus der Beschreibung herauslesen, ob der Nerv auf oder in dem Orbitalknorpel läuft. Dieses Hinziehen auf dem Knorpel wird von Richter, der diesen Nerven für seine Formen eben- falls beschreibt, besonders betont. Er hebt auch noch die auffällige Verbreiterung beim Eintritt in den Muskel hervor. f Untersuch, üb. d. Xcrvi-usystcm u. d. Blutgcfüßsystem v. llossia macrosoina. 681 Nervus olfactorius. Dieser Nerv eiitsprinjit direkt hinter dein Nervus oeiilomotorius posterior unter dem Opticusstiel, jenem so eng anliegend, daU ich die beiden nicht als getrennte Nerven unterscheiden konnte (Taf. XXII, Fig. 2, 71.0I.). Er verläuft mit dem Nervus oculomotorius posterior bis kurz vor dessen Eintritt in die ventrale hintere Augenmuskulatur. Dort zweigt er sicli von ihm ab und biegt schräg nach hinten und außen. Nach einem kurzen Stück tritt er in die Muskulatur der Au- genhöhle ein und verläuft in dieser bis zum Geruchsorgan. Zu be- merken ist, daß bei älteren Tieren das Geruchsorgan bedeutend mehr geschlossen ist als bei jüngeren, ähnlich, wie dies Watkinson bei SepioJa beschreibt. Bei Sepia ist der Verlauf des Nervus olfactorius ganz ähnlich wie bei Rossia. Er entspringt, wenigstens der Zeich- nung nach, gesondert vom Nervus oculomotorius posterior, was bei Kut;sia bestimmt nicht zutrifft. Es ist bei Rossia durchaus nicht so leicht, wie das Hillig für Sepia beschreibt, diesen Nerven zu ver- folgen, weil man beim Herausnehmen des Augenbulbus diesen außer- ordentlich feinen Nerven meistens mit zerreißt. Chun beschreibt bei Chiroteuthis ebenfalls diesen Nerven, der hier am ventralen Hinterrand des Opticus bei seinem Übergang in das Augenganglion entspringt. Die ganglionäre Anschwellung am Ursprung vermochte ich nicht fest- zustellen. Bei den RiciiTERschen Formen entspringt der Nervus ol- factorius ebenfalls oben vom Opticusstiel. Er läuft mit dem Nervus oculomotorius posterior bis zum Eintritt in den Augenmuskel, geht durch den Muskel und kurz danach durch den Knorpel hindurch nach außen in die Geruchsgrube. Nach Williams geht der Nervus olfac- torius aus dem Pedalganglion hervor, läuft auf dem Knorpel, durch- bricht diesen dann und geht in das Geruchsorgan hinein. Nervus ophthaliniens iuferior posterior. Dieser verhältnismäßig dünne Nerv entspringt ein Stückchen unter dem eben y)eschriebenen und wenig oberhalb des Nervus infun- dibuli anterior (Taf. XXII, Fig. 2, n.opht.i.p.). Er verläuft im Orbital- knorpel in derselben Richtung wie der über ihm auf dem Knorpel liegende Nervus oculomotorius posterior. Fast am Entle des Orbi- talknorpels tritt er aus diesem aus, biegt etwas nach vorn zu und ven- tral und zieht in der Muskulatur der Augenkapsel iiach dem Lid und ist bis in dieses zu verfolgen. Auf diesem Wege gibt er viele kleinere Nebenästcheu ab in die Muskulatur der Augenkapsel. IIillig be- 682 Arthur Winkler, schreibt diesen Nerven für Sepia ebenfalls; er hat ziemlich denselben Verlauf. Nur ist er hier ein Ast des Nervus infundibuli anterior, wäh- rend er bei Rossia völlig gesondert von diesem entspringt. Bei den RiCHTERschen Formen zweigt sich der Nervus ophthalmicus inferior • — Richter stellt ja, worauf ich bei den Nerven des Brachialgan- glions noch kommen werde, den Nervus ophthalmicus inferior anterior für seine Formen in Abrede — von dem starken Stamm des Ner- vus infundibuli anterior ab. Er zieht durch den Knorpel nach oben, tritt durch ihn hindurch und biegt dann um auf den Knorpel. Nach einer Zweiteilung geht er in die Muskulatur bis zum Augenlid. Chun beschreibt für Chiroteuthis einen Seitenast des Nervus infundibuli, der unserm Nerven seinem Verlauf nach wohl gleichzusetzen ist. Nervus infundibuli anterior. Dieser außerordentlich starke Nervenstamm entspringt, sehr der Ventralseite genähert, ebenfalls unterhalb des Opticusstieles (Taf . XXII, Fig. 2, n.i.a.). Er durchbricht sofort den Kopfknorpel, indem er direkt vorn an dem Statocystenknorpel, diesem anliegend, vorbei ventral- wärts zieht. Am Hinterrande des Muse, adductor infundibuli posterior und damit auf der Dorsalseite des Trichters angelangt, gibt er zwei kleinere Zweige an diesen ab, biegt etwas nach vorn zu und außen und teilt sich in zwei bis drei starke Aste, die nach Abgabe von klei- neren Nerven auch für den vorderen Trichteradductor sich in die Muskulatur des Trichters einsenken. Der vordere Ast gabelt sich nochmals und zieht vielfach sich verzweigend und anastomosierend zwischen den beiden Muskelschichten des Trichters nach vorn zur Spitze des Trichters und versorgt dabei auch mit sehr feinen Zweigen die Trichterklappe. Der andre Hauptast zweiteilt sich ebenfalls. Er versorgt hauptsächlich die hintere Partie des Trichters, u. a. mit fei- nen Ästchen, wie schon erwähnt, die vordere Trichterdrüse. Von dem Hauptstamm strahlen auch stets nach seinem Durchtritt durch den Knorpel ein paar plattgedrückte Nerven aus, die nach hinten zu unter dem Orbitalknorpel in der Muskulatur der Augenkapsel gegen den Retractor capitis sich verzweigen. Der Nervus infundibuli anterior verhält sich bei Sepia (Hillig) ebenso, nur daß er sich in vier Haupt- äste teilt. Eine Innervation der Trichteradductoren, der Trichter- klappe und der Drüsen findet sich bei Hillig nicht angegeben. Chun hat bei seinem Nervus infundibuli eine Versorgung des Adductor in- fundibuli erwähnt. Richter beschreibt ebenfalls die seitlichen Aste des Nervus infundibuli anterior in der Augenkapsel, die Rami late- Untersuch, üb. d. Nervensystem u. d. Blutgefäßsystem v. Rossiii niacroßonia. G83 rales, und aucli sonst ist der Wrlauf d(\s Nerven mit dein bei Rossia sehr übereinstimmend, nur dalJ die Trieliterklappe von einem beson- deren impaaren Nervus infundilmli medius, der l)ei Ifossia nicht vorhanden ist, versorgt wird. Williams beschreibt bei Lolvjo Pealii ebenfalls Trichternerven, die durch ein Foramen hindurchtreten »in the pedal process to the siphon<<. Während seines Durchtritts «fibt der Nerv einen Ast ab, der in die Augenkapsel geht. Es scheint, daß dieser Nerv unserm Nervus infundibuli anterior entspricht. Willi- ams beschreibt auch noch einen vor diesem entspringenden medianen Nerven, »which goes thru the pedal process and is distributed to the muscles of the lower side of the liead«. Vielleicht entspricht dieser dem Nervus infundibuli medius Richters. Nervus postorbitalis. Dieser Nerv entspringt etwas hinter dem Nervus ophthalmicus superior anterior am hinteren Rande des Nervus opticus (Taf. XXII, Fig. 1 u. 2, n.po.). Er geht steil in die Höhe und durchsetzt den Kopfknorpel. Nach dem Austritt aus dem Knorpel tritt er durch einen vorderen Kopf des Muse, retractorius capitis und teilt sich da- nach in mehrere Zweige auf, die in den darüberliegenden Muse, nu- chalis eintreten (Bezeichnung nach Brock) und ihn reich versorgen. Hillig erwähnt diesen Nerven zum erstenmal bei Sepia. Der Ver- lauf ist ganz ähnlich wie bei Rossia, nur entspringt der Nerv ziemlich hoch aus dem Ganglion cerebrale, nicht aus dem Ganglion pedale. Chun nennt den Nervus postorbitalis ebenso bei ChirofculJiis wie bei Spirula, bei beiden aus dem Ganglion cerebrale entspringend. Bei den RiCHTERschen Formen kommt der Nerv aus der »oberen Hinter- ecke des Ganglion pedale«. Der Verlauf und der Verbreitungsbezirk ist derselbe wie bei Rossia. Bei Williams ist der Nerv weder be- schrieben noch auf den Zeichnungen zu finden. Nervi oplithaluiioi snpcriores. Unter diesem Namen erwähnt Hillk; für S< pia mehrere Nerven, die ich auch bei Rossia konstatieren konnte (Taf. XXII, Fig. 1 u. 2, n.oplif.a.. n.opht.p.). Sie entspringen ebenfalls am hinteren Rande des Ganglion pedale, tSils vor, teils hinter dem Nervus postorbitalis. Es sind leicht zwei getrennte Nerven zu unterscheiden. Nervus ophthalmicus superior anterior. Dieser stark abgeflachte ansehnliche Nerv teilt sich kurz nach seinem Ursprung in zwei starke Äste, zwischen denen die Art. ophtha!- 684 Arthur Winkler, mica läuft. Diese beiden Nerven ziehen über das Augenganglion und den weißen Körper hinweg — sie liegen dabei direkt unter dem Knor- pel — nach außen und etwas schräg nach vorn zu bis an das Auge heran. Dort teilt sich jeder Nerv wiederum in mehrere Aste. Die Zweige des vorderen Nerven verästeln sich vielfach, treten durch das häutige Blatt, daß die Fortsetzung der Knorpelkapsel auf dem Auge bildet, nach oben hindurch und versorgen die auf diesem gelegenen Muskelschichten und die über dem Auge liegenden Hautpartien. Ei- nige Äste gehen bis an das Augenlid und in den Sphincter oculi hinein. Die Zweige des hinteren Nervenastes versorgen die zwischen Argen- tea externa und interna liegende Augenmuskulatur. Ein hinten ge- legener Nervenast läuft auf dem Bulbus hinten herum nach der Iris zu. Nervus oplitlialinicns superior posterior. Der zweite dieser oberen Augennerven ist sehr stark abgeflacht und tritt etwas unter dem Nervus postorbitalis zusammen mit den beiden Nervi retractoris capitis aus. Er verläuft im hinteren Flügel des Augenknorpels, wenig unter der Oberfläche, nach außen. Kurz vor seinem Austritt aus dem Knorpel teilt er sich in zwei Aste, deren jeder nach seinem Austritt in einen der hinteren Augenmuskel, die an dieser Stelle am Knorpel inseiieren, hineingeht und nach vorn zu in der Richtung auf die Iris weiterläuft. Ich vermochte ihn wegen seiner Zartheit und außerordentlich großen Durch- sichtigkeit leider nicht weit zu verfolgen. Bei Sepia beschreibt Hillig dieselben Nerven, nur daß hier beide aus dem Ganglion cere- brale kommen. Der Verlauf und das Verbreitungsgebiet des Nervus ophthalmicus anterior deckt sich genau mit dem von Rossia — auch Chun beschreibt für Chiroteuthis einen Nervus ophthalmicus superior als einfachen schwachen Nerven mit demselben Verbreitungsgebiet — ■, während der Nervus ophthalmicus superior posterior bei Sepia in gleicher Richtung mit dem anterior laufend am Hinterrand des Gan- glion opticum und des Bulbus bis in die Nähe der Iris geht; von einer Versorgung von Augenmuskeln durch diesen Nerven ist nichts be- schrieben. Richter und Chun erwähnen nur einen Nervus ophthal- micus superior, der aus dem Hinterrand des Lobus basalis posterior entspringt und dasselbe Verbreitungsgebiet hat wie der vordere Au- gennerv bei Rossia. Nervns oculomotorius nuterior. Dieser Nerv entspringt als breiter, bandförmiger Strang von der Seite des Pedalganglions, dort, wo dieses in das Brachialganglion über- Untersuch, üb. d. Xcrvonsystoni \i. d. Blutgofäß.syslom v. Rossin ninrrosonin. 685 «Toht (Tai. XXIT, Fig. 2, n.oni.n.). Er liogt dorn CJ.anglion enfi an und zieht nach vorn und der Ventralseite. Nach kurzem Verlauf, dabei über den Knorpel hinwegziehend, teilt er sich in drei bis vier Äste, die in die vorderen ventralen Augenmuskeln irmcin verlaufen. Bei Sepia tritt nach Hillig der Nerv durch den Knorpel hindurch. Er kennt nur einen der auch bei Sepia vorhandenen drei vorderen ven- traliMi Augenmuskeln, so daß wohl anzunehmen ist, daß sein Nervus ooulomotorius anterior auch die beiden andern versorgt. Richter beschreibt bei seinen Formen ebenfalls einen Nervus oculomotorius anterior. Dieser verstreicht ebenso wie bei Rossia über den Knorpel vor dem Eintritt in den einen vorderen ventralen Augenmuskel. Kurz nach dem Ursprung hat sich der Nerv geteilt. Zwei breite, bandför- mige Nerven gehen in die Augenhöhlenmuskulatur. Dem von Chun beschriebenen Nervus oculomotorius setzt Richter, ebenso wie Hil- lig, seinen Nervus oculomotorius anterior gleich, widirend er in dem eben erwähnten vorderen Zweig dieses Nerven Chuns Nervus ophthal- micus inferior sieht. Der Zeichnung nach (Textfig. 15 21) ist dieser Nerv auch bei Loligo Pealii (Williams) vorhanden. Aus der Be- schreibung ist nicht ganz klug zu werden. Nerven des Ganglion brachiale. Nervi brachiales uud Nervus tentacularis. Aus dem vorderen Ende des Brachialganglions treten auf jeder Seite fünf starke Nerven aus, die ersten vier, von oben gerechnet, gehen in die Arme — es sind dies die Nervi brachiales — , während der fünfte, der ganz eng anliegend mit dem vierten Armnerv zusam- men entspringt, in den Tentakel hineingeht, der Nervus tentacularis (Taf. XXII, Fig. 2, n.hr.l, 2, 3, 4; n.t.). Die bandförmigen Arm- nerven laufen auf dem Schlundkopf nach vorn zu, wobei sich der erste Armnerv nach der Dorsalseitc zu, der vierte nach den Ventralseite zu wendet, der zweite und dritte dieser Nerven verläuft auf den Außen- seiten. Ein kleines Stückchen vor dem vorderen Ende des Schlund- kopfes, dort, wo die Armmuskulatur ansetzt, verdicken sich die Arm- nerven ein wenig zu Ganglien. Jedes dieser Ganglien ist mit dem der benachbarten Arme durch eine kräftige Gommissur verbunden, so daß die acht Armnerven miteinander eine geschlossene Ringcom- missur bilden. Von diesen Armganglien gehen viele kleinere Nerven- äste in die umgebende Muskulatur, und an der Rückseite der Gan- glien, dort, wo die Gommissur ansetzt, treten noch feinere Nerven' aus, aus jedem Ganglion einer, die direkt nach der Mitte zu ziehen und in "686 Arthur Winkler, die Biiccalpfeiler eintreten, wo sie sich stark verdicken und zu läng- lichen, walzenförmigen Ganglien anschwellen, von denen wiederum viele kleinere Nerven ausgehen. Es sind dies die Nervi pili buccalis (Taf. XXII, Fig. 2, n.p.h.l, 2, 3, 4). Diese Nerven sind zum erstenmal von Chun beschrieben worden, in dem Werk über die Oegopsiden, ebenso wie die Buccalpfeiler und ihre Heftungen. Die Buccalpfeiler sind bei Rossia sechszähhg, die beiden dorsalen ebenso wie die beiden ventralen zu einem verschmolzen. Nach Chuns Ansicht ist die sechs- und die siebenstrahlige Form die abgeleitete, während normalerweise acht Buccalpfeiler vorhanden sind. Hillig hat bei Sepia, bei der die siebenstrahlige Form vorhanden ist, gefunden, daß die beiden dorsalen Nerven in dem verschmolzenen dorsalen Buccalpfeiler zu einem Ganglion zusammentreten, ebenso Richter bei seinen Formen. Ich konnte bei Rossia eine ebenso interessante Bemerkung machen. In jedem der beiden verschmolzenen Pfeiler konnte ich zwei eng neben- einanderliegende Ganglien feststellen, und zwar war eines weniger stark ausgeprägt als das andre, bei dem dorsalen Pfeiler das linke, bei dem ventralen das rechte. Dies ist meiner Ansicht nach ein un- zweideutiger Beweis für die Annahme Chuns. Zu erwähnen ist noch, daß die zweiten Arme dorsal, die dritten Arme ventral heften. Die Armnerven runden sich nach ihrem Austritt aus dem Ganglion ab und sind während ihres ganzen Verlaufes im Arm mit gleichmäßigem Ganglienbelag versehen. Sie geben zahlreiche dünnere Nerven an die umgebende Muskulatur ab, ebenso Nerven an die Saugnäpfe, die vor ihrem Eintritt in den Saugnapfstiel sich zu einem Ganglion verdicken, wie das ebenso Hillig für Sepia und Niemic für Sepioteuthis fest- stellten. Was den Nervus tentacularis angeht, so läuft er erst ein Stückchen weit steil nach unten und tritt dann gleich seine Rundung behaltend in den Tentakel ein. Er verläuft hinaus bis zur Spitze, allmählich schwächer werdend, und gibt dabei Äste an die Musku- latur und in der Tentakelkeule Nerven für jeden Saugnapf ab. Eine ganglionäre Verdickung in der Tentakelkeule ist nicht vorhanden. Eine Einbeziehung des Tentakelnerven, wie sie Chun für Chiroteuthis und auch Richter für seine Formen festgestellt hat, in die Armring- commissur konnte ich ebensowenig wie Hillig für Sepia nachweisen. Nervi antorbitales superiores. Von dem vorderen Rande des Ganglion brachiale bzw. dem ersten Arm'nerven gehen diese Nerven — der Name ist von Chun bei Chiro- teuthis zum erstenmal gebraucht — ungefähr in der Dreizahl ab Untersuch, üb. d. Xorvcnsystoni u. d. Blutgcfäßsystom v. Rossia niacrosomn. 687 (Taf. XXII, Fig. 2, 7i.ant.s.). Sio zichon dirokt nach ohon und vorzwoigon sich reich in der dorsahMi Pfeilennnskuhitur. Kin stiirkcMer Stranff, begleitet von etliclien dünneren, geht zwischen Pfeilrrniu.'^kulatiir und Augenkapsel hindurch auf die vordere dorsale HiUfte der Augenkapsel und verzweigt sich dort sowie in der anliegenden Annniuskulatur. Alle diese bandförmigen Nerven zeichnen sich dadurch aus, daß sie sehr oft anastomosieren. Sic verhalten sich bei Sepia ganz ähnlich (HiLLic), ebenso wie nach Chun bei Chiroteuthis und bei den Rkuiter- schen Formen. Der auf die Augenkapsel übertretende Nerv findet sich bei diesen Autoren nicht beschrieben. NerTi interbrnchiales. Diese kleinen Nerven entspringen zwischen und von den einzelnen Armnerven, mehr nach der Dorsalseite zu und versorgen die umlie- gende Pfeilermuskulatur (Taf. XXII, Fig. 2, n.ibr.). Sie sind bisher zuerst von Richter erwähnt, vorher noch nirgends, weder für Oegop- siden, noch für Octopoden. Richter hält die ersten Nervi antorbi- tales superiores, die Hillig vom ersten Armnerv entspringend einzeichnet, für entsprechende Nerven. Nervi antorbitales inferiores. Hinter dem dritten Armnerven entspringt aus dem Ganglion brachiale ein sehr breiter Nervenplexus, ungefähr sechs Nerven, die Nervi antorbitales inferiores (Taf. XXII, Fig. 2, yi.ant.i.). Sie inner- vieren miteinander anastomosierend die ventrale Hälfte der Augen- kapsel und die ventrale Pfeilermuskulatur, die vorderen mehr nach außen und vorn zu, die hinteren geradeaus und nach hinten zu. Chun hat denselben Verlauf für zwei Nervi antorbitales inferiores bei Chiro- teuthis festgestellt; die Nerven sind hier zum erstenmal erwähnt und der Name vorgeschlagen; Hillig fand dasselbe Verhalten und den- selben Verbreitungsbezirk der Nerven bei Sepia und Richter bei seinen Formen. Richter führt noch die doppelte Zusammensetzung der Nerven aus Fasern des Ganglion brachiale und des Ganglion pe- dale als besonders bemerkenswert und noch nie erwähnt an. Ich bin auch seiner Ansicht, daß genaueres erst durch tnikroskopische Unter- suchung festgestellt werden kann. NerTOS oplitbalinieus inferior anterior. Mit diesem Namen bezeichnet Hillio bei Sepia den vordersten und auch stärksten der Nervi antorbitales inferiores (Taf. XXII, Fig. 2, n.opht.i.a.). Dieser Nerv tritt bei Rossia ebenfalls am weitesten nach 688 Arthur Winkler, vorn zu auf, als rundlicher Nerv gegenüber den andern abgeplatteten, wird aber kurz nacbber von dem nächstfolgenden überschritten. Er geht ziemlich senkrecht in der Muskulatur der Augenkapsel hoch, an die er auch einige kleine, seitlich sehr zusammengedrückte Äste abgibt, und verzweigt sich in der Ncähe des Lides. Richter stellt für seine drei Formen das Vorhandensein dieses Nerven entschieden in Abrede. Nerven des Ganglion buccale superius. Nervi labiales. Die stärksten Nerven des Oberschlundganglions sind die drei Commissurenpaare, die Comm. cerebro-buccalis, die Comm. brachio- buccalis und die Comm. buccalis superior inferior. Außer diesen drei Paaren treten noch eine große Anzahl von Nerven vom vorderen Rand des Ganglions aus, ebenso wie auch zwischen der Brachial- und der Buccalcommissur. Die Anzahl der Nerven, die meistens zu zweit, oder auch allein, selten zu dritt austreten, beträgt bis zu 28 (Taf. XXII, Fig. 1, n.lab.). Diese Nervi labiales laufen auf einer durchsichtigen Membran in der obersten Muskelschicht des Schlundkopfes, dem Si- nus buccalis externus aufliegend, nach vorn zu, reich verästelt, wohl auch öfters miteinander anastomosierend, bis an die Lippen heran. Die zwischen Brachial- und Buccalcommissur austretenden Nerven laufen über die Buccalcommissur hinweg zunächst etwas nach der Ventralseite, wo sie nach vorn umbiegend an den ventralen Teil der Lippen herantreten. Das Verhalten der Nervi labiales ist bei Se-pia (Hillig) ganz ähnlich, ebenso wie bei den RiCHTERschen Oegopsiden, nur daß bei Rossia eine größere Anzahl dieser Nerven vorhanden ist. Zu erwähnen ist noch, daß Chun diese Nerven bei ChiroteutJiis nur in der Zweizahl festgestellt hat. Nerven des Ganglion buccale inferius. Nervus mandibularis. Dieser Nerv tritt an der vorderen Ecke des Ganglions aus (Text- fig. 1 u. 2, n.md.). Er verläuft auf der Muskulatur etwas im Bogen nach vorn zu und tritt an der Stelle, an der er nach außen hin einige kleinere Muskeläste abgibt, in die Muskulatur unter der Sublingual- drüse hinein. Er nähert sich mehr und mehr nach der Mitte zulaufend dem Ausführgang der hinteren Speicheldrüse und nimmt dabei be- deutend an Stärke ab. In seinen letzten Ausläufern ist er bis in das Subradularoroan zu verfolgen. I Untersuch, üh. d. Xcrvensystoin u. d. Ululgi-fäßsystoin v. Rossia macrosoni.i. 689 Nervus iiiaxillaris. Dieser bandförmige Nerv tritt am hinteren Ende der schmalen fc>eiten des Ganghons aus (Textfig. 1 u. 2, n.mx.), verläuft ein kleines Stückchen auf der Muskulatur parallel der Richtung des Oesophagus, um sich dann in drei bis vier Äste zu teilen, die sich in die Musku- latur des Oberkiefers einsenken. Andere Nerven des Ganglions. Vom vorderen Rande des Ganglions treten dünne Nerven in der .Sechszahl aus, zwei von ihnen einander sehr genähert (Textfig. 2, n.l.). Die Nerven laufen direkt nach vorn zu in die Muskulatur. Sie sind nicht sehr weit zu verfolgen, denn sie verdünnen sich sofort nach ihrem Austritt sehr stark. In bezug auf die Organe, die sie versorgen, schließe ich mich ganz Hilligs Vermutungen an. (Zwei von diesen Nerven vermochte ich bis an die Art. buccales zu verfolgen.) Ebenso treten dünne Nerven auf der Unterseite des Ganglions in der Mitte aus: auf jeder Seite je ein ziemlich starker Nervenast, der sich verzweigt und in der Muskulatur in derselben Richtung wie der Nervus maxillaris verläuft. Zwischen diesen beiden tritt noch ein dünnerer, unpaarer Ast aus, der ebenfalls in die Muskulatur hineingeht, aber in der glei- chen Richtung wie der Nervu« mandibularis. Außer diesen drei Ner- ven gehen noch, dem Hinterrand genähert, mehrere dünne Astchen in die Muskulatur. Alle diese Nerven des Unterschlundganglions finden sich in fast gleicher Weise schon bei Hillig für Sepia und bei Richter für seine Formen beschrieben. Richter nennt die vom Vor- derrande des Ganglions entspringenden Nerven direkt Nervi linguales. Nervi sjmpathici. Diese beiden Nerven treten am Hinterrande des Ganglions der Mittellinie genähert aus (Textfig. 2, n.s.). Sie müssen gleich scharf nach unten zu umbiegen, um auf den Oesophagus zu gelangen, au dessen Seiten sie durch das Gehirn- und den Speicheldrüsensinus hindurchziehen bis zum Magen, wo sie sich zum Ganglion gastricum vereinigen. Einmal konnte ich von der Hinterseite neben der linkssei- tigen Commissur einen dünnen Nerven beobachten, der an den Oeso- phagus herantrat und auf seine Ventralseite zog (vgl. Hillig. S. 790). Dieses Ganglion ist dort, wo der Oesophagus in den Magen eintritt, gelegen, und wo dieser mit dem Magenblindsack zusammenstößt. Seine Gestalt ist die eines stumpfwinkligen Dreiecks, dessen lange Seite etwas nach außen gebogen ist (Textfig. 5, O.g.). Von dem Ganglion Zeitsdirift f. wisseuscli. Zoologie. CXIV. Bd. 4.5 690 Arthur Wirikler, geht eine große Anzahl wichtiger Nerven aus. An der vorderen Spitze treten die beiden Nervi sympathici ab, ein wenig voneinander ent- fernt. Zwischen ihnen tritt eine Gruppe feinerer Nervenfäden aus, links die Nervi ductus hepatici (n.d.h.), dem rechten Nervus sympa- thicus genähert die Nervi pancreatici {n.pc). Erstere gehen an die Lebergänge heran und verzweigen sich in diesen reichlich, während die andern die Pancreaszotten innervieren. Von der nach dem Magen Textfig. 5. zu liegenden langen fSeite des Ganglions treten hauptsächlich zwei Gruppen von Nerven aus; beide gehen auf den Magen. Dem vor- deren Ende genähert entspringen mehrere Nerven, vier bis fünf an der Zahl, einer von ihnen sehr stark ausgebildet, die in gerader Eichtung nach außen über die Ventralseite auf die Dorsalseite des Magens ziehen und sich dort reich verzweigen. Vereinzelt ließen sich Anastomosen beobachten. Ich nenne diese Nerven Nervi stomachi dorsales (n.st.d.). Neben diesen geht ein dünnerer Nerv auf die Ven- l'ntorsiuh. ül). d. Xervonsystcin u. d. Blutgefäßsystoni v. Rossia macrosoma. G91 tralseite. Die zweite Gruppe, drei bis fünf Nerven, tritt am andern Ende aus, und diese Nerven ziehen jierade nach hinten, teils auf (Um- Ventralseite des Magens, teils auf der Seite, wo .Magfn und Maj^en- blindsack aneinander liegen. Diese Nerven bezeichne ich als Nervi stomachi ventrales {n.st.v.). Am hinteren Ende des Ganglions, gegen- über den Nervi sympathici, nimmt ein Nerv seinen Ursprung, bei wei- tem der stärkste aller das Ganglion verlassenden Nerven. Er zieht hinüber nach dem Spiralmagen, gibt auf diesem Wege viele Äste auf die dem Magen anliegende Seite und ebenso auf den Spiralmagen selbst ab, um dann auf dessen Dorsalseite sich aufzul(")sen. Vorher ver- sorgt er noch mit einigen Asten den Bhndsack und die Lebergänge an ihrer Einmündungsstelle. Diesem Nerven gebe ich die Bezeich- nung Nervus stomachi coeci (n.st.c). Auf der dem Magenblindsack zugekehrten Seite des Ganglions zwischen dem linken Nervus sym- pathicus und dem eben erwähnten Nervus stomachi coeci treten noch eine ganze Anzahl dünner Nerven aus, die alle auf die Ventralseite gehen, höchstens mit ihren Verästelungen bis auf die Dorsalseite reichen. Einer von ihnen, der direkt neben dem Nervus stomachi coeci abgeht, läuft ventral auf dem Enddarm, der Nervus recti (n.r.). Bei Sepia finden wir fast denselben Verlauf der abgehenden Nerven. Die Nervi ductus hepatici und die Nervi pancreatici gehen hier allerdings nicht zwischen den beiden Nervi sympathici, sondern links von ihnen ab. Ebenso läuft der Nervus recti auf der Dorsalseite, nicht ven- tral. Das Ganglion oastricura hat rhombische Gestalt. Die Verhält- nisse sind von Chun bei Chiroteuthis fast ebenso beschriebon wie bei Sepia. Bei den RiCHTERschen Formen verlaufen die Nerven, abge- sehen von einigen kleinen Änderungen, die in der Gestalt des Magens ihre Erklärung finden, in ganz ähnlicher Weise. Zusammenfassung des Nervensystems. Das centrale Nervensystem der Rossia macrosoma besteht aus folgen- den Ganglien: Ganglion cerebrale (S. 659), Ganglion viscerale (S. 661), Ganglion pedale (S. 662), Ganglion brachiale (S. 662). Ganglion buccale superius (S. 663) und Ganglion buccale inferius (S. 663). Diese einzelnen Ganglien sind duich folgende C'ommissuren ver- Inmden: Comm. cerebro-buccalis (S. 664) zwi.schen Ganglion cerebrale und Ganglion buccale superius; Comm. cerebro-brachialis zwischen Ganglion cerebrale und Gan- glion brachiale; 45* 692 Arthur Winkler, Comin. brachio-buccalis zwischen Ganglion brachiale und Gan- glion buccale superius; Comm. buccalis superior inferior zwischen Ganglion buccale su- perius und Ganglion buccale inferius; Comm. lateralis zwischen Ganglion cerebrale und Ganglion pe- dale. Im peripheren Nervensystem sind folgende Ganglien zu erwähnen: Ganglion opticuni (S. 665), Ganglion branchiale (8. 672), Ganglion stel- latum(S. 674), Armnervenganglion(S. 685), Buccalpfeilerganglion(S. 686) und Ganglion gastricum (S. 689). Folgende Commissuren sind im peripheren System vorhanden: Comm. visceralis dorsalis anterior (S. 670), Comm. visceralis dorsalis posterior (8. 672), Comm. visceralis ventralis (S. 671), Comm. interbrachialis (S. 685). Von den einzelnen Ganglien entspringen folgende Nerven mit fol- gendem Verbreitungsgebiet : I. Vom Ganglion cerebrale: 1. Nervus opticus (S. 665) an die Ketina. II. Vom Ganglion viscerale: 1. Nervus visceralis (S. 666) an die Vena cava (S. 667), die Trich- terdepressoren (S. 667), den Tintenbeutel mit Tintendrüse (S. 670), den Muse, adductor pallii medius (S. 668), die Nida- mentaldrüsen mit den accessorischen Drüsen (S. 671), den Nierensack, Herz (S. 671), Oviduct (S. 673), Kiemenvene, Kiemenarterie, Kiemenherz, die beiden Kiemenmuskeln und die Kieme selbst (S. 672). 2. Nervus pallialis und Nervus retractoris capitis zum Mantel (S. 674) und zu der Flosse, bzw. zum hinteren Teil des Kopfrückziehers (S. 675/76). 3. Nervus collaris (S. 676), einige Äste an die Leberkapsel und auf die beiden Blätter des Muse, collaris. 4. Nervus collaris accessorius (S. 677). 5. Nervus infundibuli posterior (S. 677) zum hinteren Teil des Trichters und der hinteren Trichterdrüse. 6. Nervus venae cavae anterior (S. 678) zur Vena cava. III. Vom Ganglion pedale: 1. Nervi retractoris capitis anteriores (S. 679) an den vorderen Teil des Kopfrückziehers. I Untorsuch. ül). d. XiTvensystom \i. d. lihitgefäßsystcm v. Rossia macrosoma. 693 2. Nervi cristae und inaculae staticae (8. 680) an die Crista und die ^lacula. 3. Nervus oculoinotorius posterior (8. 680) an die hintere ven- trale Augenniuskiilatur. 4. Nervus olfactorius (S. 681) an die Geruchs<2;rube. 5. Nervus oplitlialmicus inferior posterior (8. 681) in der Mus- kulatur der Auiionkapsel nach dem Litl. 6. Nervvis inlunililuili anterior (8. 682) an den vorderen Teil des Trichters; außerdem zur Trichterklappe, in das vordere Trichterorgan und (Rami laterales) in den hinteren Teil der ventralen Augenkapsel. 7. Nervus postorbitalis (S. 683) zum Muse, nuchalis und der darüberliegenden Haut und zu einem vorderen Kopf des Muse, retractoris capitis. 8. Nervi ophthalmici superiores (S. 683) an die dem Auge dor- sal aufliegenden Muskelschichten bis in die Nähe der Iris und an zwei hintere Augenmuskeln. 9. Nervus oculomotorius anterior (S. 684) an die vordere ven- trale Augenmuskulatur. IV. Vom Ganglion brachiale: 1. Nervi brachiales und Nervus tentacularis (S. 685) in die Arme bzw. den Tentakel. 2. Nervi antorbitales superiores (8. 686) an die dorsale Pfeiler- muskulatur und den vorderen dorsalen Teil der Augen- kapsel. 3. Nervi interbrachiales (8. 687) zur Pfeilermuskulatur in der Nähe der Armnervwurzeln. 4. Nervi antorbitales inferiores (8. 687) zur ventralen Pfeiler- muskulatur. 5. Nervus ophthalmicus inferior anterior (8. 687) in die vordere ventrale Augenkapsel bis in die Nähe des Lides. V. Vom Ganglion buccale superius: 1. Nervi labiales (8. 688) an die Lippen. VI. Vom Ganglion buccale inferius: 1. Nervus mandil)ularis (8. 688) zur .Muskulatur des Unter- kiefers. 2. Nervus maxillaris (8. 089) zur Muskulatur des Oberkiefers. 3. Nervi linguales (8. 689) zur vorderen Speicheldrüse und dem hinteren Teil der Muskulatur des 8chlundkopfes. 1 694 Arthur Winkler, 4. Nervi synipatliici (S. 689 ff.) am Oesophagus hinab zum Ma- genganglion, von dem aus versorgt wird: das Pancreas, die Lebergänge, der Hauptmagen, Magenblindsack und Enddarm. Ehe ich zur Besprechung des Blutgefäßsystems schreite, möchte ich kurz zusammenfassen, was bisher auf diesem Gebiete gearbeitet wurde. Hauptsächlich haben sich früher Cuvier, Delle Chiaje, und Milne-Edwards mit Untersuchungen über dieses Gebiet be- schäftigt. Letzterer hat die erste gute Arbeit darüber verfaßt, in der er auch, im Gegensatz zu Cuvier, nachgewiesen hat, daß der Kreis- lauf der Cephalopoden nur ein teilweise geschlossener ist und daß große Lacunen im Körper vorhanden sind. Von diesen glaubte Delle Chiaje, daß sie nur Aussackungen der Venenwandungen seien, wäh- rend Milne-Edwards einwandfrei nachwies, daß diese Lacunen keine eigentlichen Blutgefäßwandungen besäßen, sondern Hohlräume des Körpers seien. Diese Annahme ist bis heute die geltende geblieben. Zu erwähnen ist noch, daß Chux die Lacunen bei den Cranchien für sekundär erweiterte Venen hält. Die erste genaue Bearbeitung des Blutgefäßsystems der Octopoden ist die von Grimpe. Ich beginne mit der Beschreibung des Venensystems und folge dabei der Circulationsrichtung. Die Orientierung ist die nach Jatta. Arm- und Kopfvenen. An jedem Arm läuft an der Außenseite direkt unter der Haut auf jeder Seite je eine Vene herunter nach dessen Basis, die Vena bra- chialis superficialis. Eine Ausnahme davon machen die beiden vierten Arme, bei denen diese Vene nur an einer Seite, der dem dritten Arm zugekehrten, zu konstatieren ist. Diese Venen sammeln zahlreiche kleinere Haut- und oberflächliche Muskeläste und anastomosieren mit den später noch zu erwähnenden Saugnapf venen jeden Armes und mit der entsprechenden Vene der andern Seite. Die beiden korre- spondierenden Venae brachiales superficiales des ersten und zweiten, sowie des zweiten und dritten Armes einer jeden Seite vereinigen sich an der Basis der Arme zu je einem >> Primitivstamm« (Grimpe), der Vena brachialis communis, die in der Furche zwischen den Armen, ihrerseits Haut- und Muskeläste aufnehmend, in eine starke Vene einmündet, die im Bogen an der Basis der Arme nach hinten und der Dorsalseite zu läuft, um das Auge auf der Dorsalseite herumzieht und durch die dorsale Pfeilermuskulatur in die Tiefe tritt, um in das hintere Ende des Sinus buccalis externus bzw. in die Vena perioeso- Untcrsiuli. üb. d. Xcivonsystcin u. d. Bliilgofäßsystem v. Rossia inacrosoma. 695 phau'ealis eiii/umündcii. l^'.lic ich wcMtor l)erichte, welche Venen sie aulicrdem aut diesem Wege aufnimmt, möchte ich noch bemerken, daß sie von der Einmündunüsstelle des Primitivstanimes 2 (siehe Textfiu. G, P.II) aus noch als dünne Vene im Bogen nach der Ventral- seite zu weiter verläult und in die auf der Seite des vierten Armes liegende Vena brachialis superficialis des dritten Armes eintritt. Diese Vene mündet ihrerseits wieder in die Tentakelvene und damit auch in den Sinus infrabuccalis, oder, wie Williams ihn nennt, Sinus bra- chialis, so daß man fast von einem Circulus venosus externus spre- '.S.I./. Textfig. 6. chen könnte. Ich komme zu der vorerwähnten Vene zurück. Diese bekommt auf ihrem Verlauf von der die Augenkapsel bildenden Mus- kulatur und der darüberliegenden Haut zahlreiche kleinere Venen. Kurz nach dem Eintritt des Primitivstammes 2 bekommt sie vom Auge her noch eine stärkere Vene, die ihrerseits wieder aus zwei Ästen entsteht, die beide in der Muskulatur der Dorsalseite bis in die Ge- gend der Lider zu verfolgen waren, die Venae supraorbitales. Sie entsprechen wohl den gleichnamigen Venen bei den Octopoden (Grimpe). Weiterhin münden beim Durchtritt durch die dorsale Pfeilermuskulatur von der nach innen und dorsal gelegenen Seite 696 Arthur Winlder, mehrere Muskeläste und auch dünnere Venen von der Basis der ersten Arme. Ich komme jetzt zurück zu den übrigen Venae brachiales superficiales. Die beiden Venae brachiales superficiales zwischen den ersten Armen, die an der Basis durch eine dünnere Vene verbunden sind, treten zwischen den Armen in die Tiefe und gehen direkt über in den Circulus venosus internus. Dieser Venenring verläuft an der Innenseite der Basis der Arme unter der Haut, dort, wo die Haut vom Schlundkopf auf die Arme, diesen eng anliegend, übertritt. Dieser Ring geht dann zwischen den beiden vierten Armen hinunter nach dem Schlundkopf, avo er zusammen mit der entsprechenden Vene der andern Seite in den Sinus infrabuccalis einmündet. Der Circulus venosus internus bekommt an der Basis eines jeden Armes eine starke Vene, die Saugnapf vene, die an der Innenseite eines jeden Armes zwi- schen den Saugnäpfen direkt unter der Haut verläuft (Textfig. 6). Kurz vor der Einmündung der Saugnapfvene des zweiten Armes mündet noch eine dünne Vene ein, die vom äußeren Venenring, vom Primitivstamm 2 kommend, zwischen dem zweiten und dritten Arm hindurchtritt. Die Saugnapf venen bekommen von jedem Saugnapf eine kleine Vene und kommunizieren durch kleinere Äste mit den Venae brachiales superficiales desselben Armes. Außerdem bekommt jede Saugnapf vene auf der Höhe der Armnervencommissur noch eine Vene, die vom Inneren des Armes herkommt, wo sie aus zwei Venen sich zusammensetzt, die rechts und links vom Armnerven bis zur Spitze des Armes verlaufen. Von diesen Venen geht auch manchmal noch ein Ast nach hinten zu am Nerv entlang. Diese beiden Arm- nervenvenen anastomosieren miteinander durch viele unter dem Nerv durchgehende Venen, die an den Nerv, die Arterie und das Binde- gewebe der Nervenscheide herangehen. Von der Saugnapfvene der beiden vierten Arme geht noch je ein dünner Venenast zwischen den beiden Armen hindurch auf die ventrale Pfeilermuskulatur, wo er mehrere Muskel- und Hautäste aufninunt. Die beiden Venen kom- munizieren auch w^ohl miteinander. Es liegt die Ansicht nahe, sie viel- leicht für ein Rudiment der betreffenden Venae brachiales superfi- ciales zu halten. Ferner ist noch Erwähnung zu tun der beiden Venae brachiales superficiales zwischen dem dritten und dem vierten Arm. Die Vene des vierten Arms tritt von der Dorsalseite her hinüber auf die Tentakelscheide, läuft unter der Haut auf dieser hin, dabei viele kleine Venen von der Tentakelscheide hier aufnehmend, tritt dann hindurch durch diese und mündet von innen zugleich mit der ent- sprechenden Vene des dritten Armes in die Tentakelvene. Die Vene l'nloismli. iil). d. Xcrvonsystciu u. d. Blutgcfiißsy.stcm v. Rossia macrosonia. 697 (li'S (liitti'ii Aniu's läuft von der IJasis des Annes, wo sie den Itaiiiiis coinnuiiiicans des äußeren A i in\'enenringes aufuinnnt, scharf uinbie- ^enil, fast im recliten Winkel, der Augcnkapsel aufliegend, nach der Ventralseite zu. tritt dann in die Tentakelscheide ein und mündet nach kurzem Verlauf an tlerselben Stelle wie die des viiM'ten Armes in die Vena tentaculaiis. Auf ihrem \\'e;.;e ninunt sie einige stärkere \'enen von der Ventralseite der Augenkapsel auf, die vielleicht der A'ena circumorbitalis Grimpes entsprechen, und ebenso mehrere Venen von der umgebenden Muskulatur. Die Vena tentacularis kommt von der Tentakelkeule, wo sie von jedem Saugnapf eine Vene aufnimmt, au der Innenseite des Tentakels unter der Haut verlaufend. An der Einmündungssteile der beiden Venae brachiales superficiales mündet in sie auf der entgegengesetzten Seite noch eine neben dem Tentakel- nerv verlaufende Vene, die sich etwas weiter oben aus zweien zusam- mensetzt, die rechts und liidcs vom Nerven und der Arterie verlaufen und sich sonst genau so verhalten, wie die entsprechenden Armvenen. Sie anastomosieren mit der äußeren Tentakelvene. Die beiden Venae tentaculares münden an der Basis des Sinus infrabuccahs in denselben ein (Textfig. 7, v.l.). An derselben Stelle treten in diesen auch noch zwei von hinten aus der Pfeilermuskulatur kommende kleinere Venen ein. Die Verhältnisse der Arm- und Kopfvenen sind in mehrfacher Beziehung von denen der Octopoden stark abweichend. Erstens ist hervorzuheben, daß der äußere Armvenenring nicht wie bei Rossia in die Vena perioesophageahs, also dorsal, mündet, sondern ventral direkt in die Vena cava sein Blut ergießt. Bei den Octopoden fehlen auch besondere Saugnapfvenen, wie sie bei Rossia in den inneren Arm- venenring einmünden. Das Blut aus den Saugnäpfen wird mit von den Venae brachiales superficiales aufgenommen. Ein innerer Arm- venenring ist bei den Octopoden auch nicht vorhanden, ebensoAvenig natürlich eine Kommunikation zwischen den beiden Venenringen und ein Sinus infrabuccahs. Der bedeutsamste Unterschied zwischen den Octopoden und Rossia scheint mir der, daß bei dieser Form die gesamte Menge des venösen Blutes aus dem Kopf und den Armen erst in die verschiedenen Sinus des Kopfes gelangt, so daß eine Ableitung auch durch den Sinus mesentericus und die Mesenterialvenen in die beiden Schenkel der Vena cava, ebenso wie durch die Ductus reuni- entes in die Vena cava erfolgen kann, während bei jenen das gesamte Blut sofort in die Vena cava kommt, abgesehen von der schwachen Verbindung des Sinus ophthalmicus mit dem Ductus Edwardsi. Die Arthur Winklcr, Textfiff. 7. l'iitersucli. iil). d. Xiivciisystcm u. d. Ulutgcfäßsystom v. Rossia macrosoma. G99 aiidcni ^^Ml(Ml. (lio Voiia cii'cuiii()il)italis und die X'cna supraorbitalis, iiluu'lti sich wiilil so ziciiilich. IIksohkler scheint bei Sepia im Ge- ucnsatz zu Hai.i.ki; nur den einen iiuiereu Armvenenrinu' fe.str Zweite <>"(^lit diiicli das Mesente- riuni hindurch, während der andre hinüber nach dem Oesophagus geht und sich dort aufteilt. Der oben erwähnte stärkere Ast geht hinter dem Lebergang herum auf die andre Seite hinüber zur Außen- seite des Magens, gibt mancherlei Aste an diesen ab und kommuni- ;5iert dann mit dem einen Magenast der rechten Mesenteiialvene. Zum Schluß mochte ich nochmals erwidinen. daß die Mesenterialvenen während ihres Verlaufs diirch ilrn llarnsack Vetienanhänge tragen. Bei den Octopoden mündet die linksseitige Vena mesenterica in den mittleren Teil des Sinus, wähnuid die Vena mesenterica dextra gerade auf der Grenze zwischen dem \orderen und dem mittleren Zeit-ichrift f. wissensoll. Zoologie. CXIV. Bd. 46 Ti'xtfi«. '.). 706 Arthur Winkler, Abschnitt einmündet, zum Teil in den vorderen, zum Teil in den mitt- leren. Eigentlich wäre zu erwarten gewesen, daß bei Rossia wegen der Obliteration der beiden hinteren Sinusteile die rechte Vena mesen- terica in den 8inus einträte, anstatt umgekehrt. Als besonders inter- essant erwähnt Grimpe, daß in einigen Fällen die Vena genitalis in die rechtsseitige Vena mesenterica einmündete; er hält dieses Vor- kommen für nicht gerade selten. Er führt ferner als bemerkenswert an, daß bei den Decapoden die Vena genitalis in die rechte Vena me- senterica mündet und kommt beim Vergleich mit dem oben erwähnten Verhalten der Octopoden zu dem Schluß, daß die Vena genitalis der Decapoden der Vena mesenterica dextra der Octopoden homolog sei. Phylogenetisch soll sich die rechte Vena mesenterica »vom Sinus vorn emanzipiert und dann vor der völligen Obliteration des hinteren Si- nusteiles von demselben abgeschnürt haben«. Auf diesem Stadium dürfte demnach Rossia stehen geblieben sein; die rechte Vene ist mit dem Sinus nur noch durch die linke verbunden. Für eine derartige Entwicklung soll die relativ weit vorn liegende, gar nicht der Lage der Keimdrüse entsprechende Mündung der Vena genitalis sprechen, wie sie Naef auch für Sepia angibt, und die sich bei den Myopsiden gleich nach der Teilung der Vena cava in ihre Schenkel finden soll. Dies ist bei Rossia nicht zutreffend; die geringe Verlagerung nach vorn ist durch die Lage des Herzens bedingt, unter dem die Vena genitalis erst hindurchlaufen muß, damit sie von der Dorsalseite her münden kann. Es wäre sehr interessant, das Verhalten der Mesen- terial- und Genitalvene auch bei andern Decapoden (außer Loligo) kennen zu lernen. Bei Loli(jo sind die Mesenterialvenen zu Leber- venen, in deren rechte die Vena genitalis mündet, geworden und haben die Verbindung mit dem hier außerordenthch kleinen Sinus völlig verloren. Veua cava. Von der Vena perioesophagealis zieht, wie schon gesagt, auf jeder Seite ein starker Ductus reuniens (Textfig. 7, 8, D.r.) an dem Pedal- gangiion vorbei durch den Knorpel nach der Ventralseite. Er tritt durch ein Loch im Knorpel hinüber zur Basis des Trichters, wo er gemeinsam mit dem der andern Seite in die suprainfundibulare Er- weiterung der Vena cava mündet. Das venöse Blut aus den beiden Armringen und vom Kopf wird also durch diese beiden Ductus reunientes und die beiden Venae mesentericae (durch Vermittlung des Sinus mesentericus) in die Vena cava übergeführt, während bei den I l'tidMSucli. iil>. (I. XiTvoiisystcm ii. d. Blutgefäßsystoni v.Rossia inacTosoniii. 707 Üctopüdcu (.las gesamte Blut aus Armen und Kopi, abgesehen \'om Sinus ophthalmicus, direkt in die Vena cava mündet. An der Ein- miindungsstelle der beiden Ductus reunientes findet sich in der Vena eava eine große segelförniigo Khippe von länghch rechteckiger Ge- stalt, die augenscheinlich eine Kückstauung in die Ductus verhindern soll. Zu bemerken ist, daß ich verschiedene Nerven bis in die Klappe hinein veifolgen konnte, Zweige des Nervus visccralis und des Nervus int'undibuli posterior, die Nervi venae cavae anteriores und posteriores. Bei den Octopoden ist nur ein unpaarer starker Ductus reuniens vor- handen. Er stellt die Verbindung dar zwischen dem Sinus buccalis (externus) und der Vena cava. Kurz vor der Einmündung in diese teilt er sich in zwei die vorderen Trichternerven umfassende Äste. Es ist dies wohl als eine Anlage zur V()lligen Teilung aufzufassen. Bei Loll(/o sind keine eigentlichen Ductus reunientes vorhanden. Ihnen entsprechen vielleicht die beiden aus dem Augensinus kommenden CTcfäße, die dann die Vena cava bilden. An deren Einniündungs- stelle befindet sich ebenfalls eine Venenklappe. An derselben Stelle wie die beiden Ductus reunientes münden vom Trichter her kommend zwei sehr starke Venen ein, die beiden Venae infundibuli aiiterioics. und in der Mitte zwischen diesen beiden eine unpaare Vene, die Vena infundibuli dorsalis (Textfig. 7, v.i.a., v.i.cL). Letztere Vene schlängelt sich auf der Dorsalseite von der Trichtermündung her herunter. Vorn an der Trichtermündung nimmt sie zwei korrespondierende Venen auf, die beide mit einem Ramus lateralis der Vena infundibuli anterior komnmnizieren. Auch nimmt sie eine Vene auf. die aus der Trichterklappe Blut bringt. Die beiden \'riiae iiiruii(lil)uli anteriores liegen nach der Ventralseite des Trich- ters und etwas nach vorn zu. Sie nehmen jederseits drei größere Ve- nen auf, eine, die am Trichter seitwärts herüberkommt, eine von der Iimenseite von hinten her und eine von der Ventralseite. Eine seit- lich gelegene Vene, der Ramus lateralis, bringt Blut vom vorderen Ende des Trichters, wo sie zwei Venen aufnimmt, deren eine, dorsal nach der Mitte zu gelegen, mit einem Ast der oben erwähnten Vena infundibuli dorsalis kommuniziert, während di<^ andre von der Ven- tralseite heraufkommt. Die Vene nimmt nach ihrer Vereinigung meh- rere reich verzweigte Venen, ungefähr sieben an Zahl, die von der Ventralseite kommend in fast rechtem Winkel einmünden, auf. Diese Venen stehen in ihren feineren Verästelungen mit den entsprechenden Gefäßen der Gegenseite in Verbindung. Ebenso bekommt sie meh- rere Muskeläste von der Dorsalseite des Trichters. Die von der Ven- 46* 708 Arthur Winkler, tralseite kommende Vene, der Ramus ventral is, setzt sic4i zusammen aus mehreren Venen, die ebenfalls von der Ventralseite des Trichters, aber mehr nach hinten zu als die des Ramus lateralis kommen. Sie besteht hauptsächlich aus zwei Asten, deren einer weiter nach hinten zu gehend mehr die untere seitliche Partie der Muskulatur versorgt, während der andre von der ventral gelegenen Muskulatur herkommt, dabei mit dem der andern Seite in Austausch stehend. Sie nimmt an dieser Stelle auch noch zwei Äste auf, die von der inneren Wand des Trichters herauskonunen, wo sie die Trichterdrüsen versorgen. Bei den Octopoden dienen der Versorgung des Trichters zwei Venen- paare, die Venae infundibuli anteriores, die in die Venae circumorbi- tales einmünden, also zu dem Armvenenring gehören, und die Venae infundibuli laterales, sowie eine unpaare, ziemlich starke Vene, die Vena infundibuli propria, die von der oberen Wand des Trichters kommt. Letztere entspricht wohl unserer Vena infundibuli dorsalis, während die Venae infundibuli laterales, um dies gleich vorweg zu nehmen, unsern Venae infundibuli posteriores zu entsprechen scheinen. Bei Loligo Pealii (Williams) finden sich Venen des Trichters weder beschrieben noch abgebildet. Ich komme zurück zu der Vena cava und der suprainfundil)U- laren Erweiterung, wobei zu bemerken ist, daß diese bei weitem nicht so stark ausgeprägt erscheint wie bei den Octopoden. Die Vena cava zieht in ziemlich gerader Richtung weiter nach hinten zu, überdeckt von der Trichtermuskulatur, und biegt kurz vor ihrem Eintritt in den Nierensack ziemlich stark nach rechts zu aus, durch den End- darm aus der Mittellinie herausgedrängt, und liegt auch noch bei ihrem Eintritt in den Nierensack etwas asymmetrisch. Während ihres Ver- laufes bis zum Nieronsack nimmt sie noch mehrere Venen auf, die beiden Venae infundibuli posteriores, die beiden Venae musc. depres- sores infundibuli und die Vena hepatica (Textfig. 7, v.i.p., v.d.i., v.h.). Um zunächst die beiden hinteren Trichtervenen zu bespreche]i, so bringen diese Blut von der Muskulatur des dorsalen hinteren Teiles des Trichters, der Muskulatur um den Anheftungsknopf herum und von diesem selbst. Von dem Anheftungsknopf aus läuft sie auf der Muskulatur herum auf das hintere Blatt, tritt dort heraus, macht einen Knick nach hinten, nach kurzer Zeit noch einen wieder nach vorn zu und tritt im Bogen laufend in die Vena cava in der Nähe des Diaphragma musculare ein. Sie liegt dabei über den Nervi viscerales. Kurz nach ihrem Austritt aus der Trichtermuskulatur nimmt sie noch zwei kleinere Venen auf, deren eine auch aus der Trichtermuskulatur r iitfisiicli. iil). (I. N\i\ ('nsysti'ni ii. d. IJlut^cl'alisy.stcin \. Kossiii iiiactnsdiiia /(l9 koimiit. dii' ;iii(li(' (laii'(\u(Mi aus (Iciu Adductoi' iiifuii(lil)iili auti'iior. \\ ritciiiiii iiiiiiidct in die \'(Mia caN-a kui-z nach iliiriii l'^iiitiitt in den JMiim'WtMdcsack direkt an doi' Anlicftuii^sstcllc des Muse, adiluctoi' j)allii nKHÜauus jedorseits eine Vene, die in dem Adductor infundibuli ])()sterior verläuft und aus diesem und der Haut viele Aste sammelt. Kurz voi ihiem Eintritt nimmt sie noch mehrere Venen auf, eine da- \()n aus dem vorderen Kopf des Adductor pallii medialis, die andre von der Oberfläche des Einiieweidesacks und der umlie«i-enden Haut, und zuletzt auch notdi ^'enen aus dem Depressor inluiidiliuli. die sich auf dessen Oberfläche und in der darüberliej^enden Haut netzartig reich verzweigen, l^o'i den Octopoden mündet ebenfalls ein Veiien- ])aar in die Vena cava, das filut'von dem Depressor infundibuli bringt, drnen bei Rossia ganz entsprechend. Bei Williams finde ich diese A'eiien nicht beschrieben. Dort wo die Ausbiegung l)er Vena cava beginnt, bekonnnt sie noch von der Dorsalseite her ein unpaaies, großes Gefäß, die Vena hepatica, die an dieser Stelle flurch die Leberkapsel liindurchtritt. Diese Vene setzt sich hauptsächlich aus drei Stämmen zusammen, einem, der von der Dorsalseite heraufkommt, und zwei andern, die das Blut aus den nach hinten ausgezogenen Zipfeln der Leber herbeibringen. Diese Äste teilen sich reich in eine Art Maschenwerk in der Leber auf. Die Einschnürunu' kurz vor der Mündung in die Vena cava, die Grimpe beschreibt, kotuite ich nicht beobachten. ]5ei den Octopoden mündet die A'cna hepatica an fast derselben Stelle. Die Verengerung an der .Mündung verhindert, daß zuviel Blut aus den Armen in die Leber konniit. Williams beschreibt für Lolüjo Pealii (S. 61) ebenfalls Leber- venen, die aber nicht unpaar außerhalb des Nierensackes in die Vena cava münden, sondern innerhalb desselben in die Schenkel der Vena cava. Sie bekommen auch Blut vom Pancreas und den Lebergängen. Die rechte Vene vereinigt sich vor ihrer Einmündung mit der Vena genitalis. Es sind anscheinend Reste der Mesenterialvenen, wenig- stens nach dem Verbreitungsgebiet und der Einmündung der Vena genitalis zu urteilen. Der Nierensack und seine Venen. Kurz voi' (h'tu Eintritt in den un[)aarci\ Nierensack teilt sich die Vena cava in tlie IxMden llohlvenenscheiikcl. Diese beiden Schenkel verlaufen auf jeder Seite zunächst in dem (h)rsalen Teil des Nieren- sacks, dabei Venenanhänge tragend (Textfig. 10). Zu erwähnen ist hierbei noch, daß auch die Vena cava selbst ein kleines Stück vor 710 Artliur Winkl.T, ihivr Ti'ilmiii. dort, wo sie mit der Dorsalseite dem dorsalen 8ack aid- lieat, A^eiienanhänge trägt. Während des Verlaufes in dem dorsalen Harnsack nimmt der linke Schenkel die von unten herkommende linke Vena mesenterica auf. Beide Schenkel treten dann durch je ein Loch in den ventralen Nierensack ein. Hier empfangen sie mehrere Venen. Zunächst im ersten vorderen Drittel je eine starke Vene, die von der Mitte der Ventralseite herkommt und Blut vom Enddarm, vom Tin- tenbeutel und dem Oviduct bringt, die Vena anterior. Ein Stück vor dem Eintritt der Vena cava-Schenkel in das Kiemenherz kommt vom hinteren äußeren Zipfel des Nierensacks jederseits die Vena ab- dominalis und direkt nach dieser die Vena pallialis. Alle diese Venen sind mit Venenanhängen reich versehen, mit Ausnahme der letzt- erwähnten, die sofort aus dem Nierensack austreten, ebenso die Hohl- venenschenkel, mit Ausnahme eines kleinen Stückes, währenddessen sie an der dorsalen Wand des Nierensackes angeheftet sind. In den rechten Schenkel tritt in diesem Stück von unten aus dem dorsalen Nierensack die Vena genitalis und mit dieser gemeinsam die rechte Vena mesenterica ein. Eine quere Verbindung zwischen den beiden Schenkeln der Vena cava, wie sie Naef abgebildet und auch beschrie- ben hat, ist nicht vorhanden. Sie könnte kaum zu übersehen sein, denn es müßte bei der großen Entfernung der beiden Schenkel ein ziemlich langes und nach der Zeichnung auch ein sehr starkes Stück sein. Ich behandle im folgenden die einzelnen in die Hohlvenenschenkel einmündenden Venen und komme zuerst zu der Beschreibung der Venae anteriores (Textfig. 7, 10, v.a.). In diese münden auf jeder Seite drei Venenstämme ein, auf der rechten Seite nach innen zu eine besonders starke Vene, die Vena adductoris pallii medialis, dann die Vene für die rechte accessorische Nidamentaldrüse und die für den Tintenbeutel, auf der linken Seite die Vena rectalis, die Vena nida- mentalis ventralis und die Vena gonoducalis anterior. Die Vena ad- ductoris pallii medialis setzt sich aus einem Ramus anterior, der von dem vorderen Teil des Muskels Blut herbeibringt und dort n;it den Venen des Enddarms kommuniziert, und aus einem Ramus posterior vom hinteren Teil zusammen. Die beiden Aste treten ungefähr auf der Höhe der Nierenspitzen zusanmien. Bei der Vereinigung dieser beiden nimmt die Vene auch noch mehrere kleinere Venen auf, die von der Oberfläche des Mantels herkommen. Der Hauptstamm zieht gerade hinunter, dorthin, wo der Nierensack der Enddarmbiegung anliegt, zieht zwischen Nierensack und Darm ein wenig in die Tiefe l'ntcisucli. iiIp. (I. Nnvciisystcin u. d. I'liit^cfäljsyslciii v. Hcjssiii iniu rosoiiia. <11 uiiil (hiliri i:l''itli/AMti;j, nach rcclils uihI iiiiiiidci in dm Nierensack, in die icclitc N'ciia aiit ciior. Die \'(Mit'ii, dir die accessorische Nicla- jiit'iitaldrüse der reciitoii Seite tlurehhluteii, treten von der Dorsal- seite der Drüse in mehreren AsttMi aus dieser aus, nelmien noch einige Aste von der ventialeii Oheriläehe des Nierensacks aul und ziehen nach ihrer Vereinigung etwas nach vorn, wo sie die Vena adduetoiis ]>alhi inedialis treffen und denselben Weg wie diese bis zu ihrer Mün- ilutig in den Nierensack ziehen. Die dritte Vene, die Vena atramenti dexti'a konnnt von dei' reclits vom Enddaiin liegenden Hälfte des Tiiitenbeutels. ganz, vorn \'on dessen l'^ininünilungsstelle in den End- v.p.m. V n.a. vatrd. v.n.v van. y v.go.L abd v.go E. Textfig. 10. darm. Sie zieht direkt neben diesem, von außen viele reich verzweigte Venen aufnehmend, nach hinten und mündet rechts von der End- darmbiegung in den Nierensack. Die nach der Mitte zu gelegene Vene der linken Seite ist die Vena nidamentalis ventralis. Sie kommt vom hinteren Ende der beiden Nidamentaldrüsen her; für jede Drüse findet sich eine Vene, die auf ihrem Wege zwischen den beiden Drüsen nach vorn von der Oberseite der entsprechenden Drüse eine große Anzahl feinerer Venen aufninnnt. Voin am Ende der Nidamental- drüsen vereinigen sich die beiden \'enen und ziehen weiter nach vorn zu im Bogen rechts um die Art. adduetoiis pallii medialis herum, dem 712 Arthur WiukltT. Nicrensack aufliegend. Auf diesem Wege müiitUMi in die Vena nida- mentalis ventialis aueli iioeli die Venen der linksseitigen accessorischen Nidanientaldrüse und verschiedene Nierensackvenen von beiden Seiten. Üami biegt die Vene nach links unten und tritt zwischen Enddarm und Nierensack in diesen ein. Die zweite Vene dieser Seite ist die Vena rectalis. Diese zieht vom After aus auf der Ventralseite des Enddarms hinunter bis an die Umbiegungsstelle des Enddarms und biegt dort nach links und hinten zu zum Nierensack hin. Sie vereinigt sich kurz vor ihrem Ein- tritt in den Nierensack mit einer Vene, die auf der linken Seite des Tintenbeutels und besonders zwischen Tintenbeutel und Enddarm sich reich verzweigt. Diese setzt sich aus zwei Asten zusammen, einem, der ganz vorn am After erst ein Stück auf dem Enddarm läuft, und einem, der vom Tintenbeutelgang herkommt. Diese Vena atra- menti sinistra steht durch eine Quervene mit der Vena rectalis in Ver- bindung. Die dritte Vene dieser Seite ist die Vena gonoducalis ante- rior (Textfig. 10, v.go.I.). Sie kommt von der Eileiterdrüse her, auf der sie sich aus zwei Ästen zusammensetzt; der eine kommt von vorn und außen, der andre von hinten. Nach der Vereinigung laufen beide in der Richtung des hinteren Astes weiter nach vorn zu gegen die Nierenpapille. Auf dieser Strecke treten noch mehrere Venen in sie ein. Eine Vene, die von der Mündung des Eileiters und dem vorderen Teil der Drüse Blut bringt, andre von der Innenseite von der Ober- fläche des Nierensacks. Die Vene biegt dann unter der Nierenpapille um diese herum und verläuft nach hinten in der Mitte zu, bis sie mit den beiden andern Venen in die Vena anterior eintritt. Bei den Octo- poden liegen die Verhältnisse anders, indem die bei Rossia in die Venae anteriores vereinigt mündenden Venen einzeln eintreten. So mündet die Vena analis asymmetrisch auf der rechten Seite in die Vena cava, ebenso kurz nach dieser die Vena musc. adductor pallii medialis. In die Vena analis münden Aste vom Tintenbeutelgang und die Vena siphonalis inferior. Williams beschreibt bei Loligo Pealii zwei besondere Venen für den Enddarm, die entsprechend uii- sern Venae anteriores in die Vena cava-Schenkel einmünden. Die beiden Venen für den Tintenbeutel münden symmetrisch in die Vena Cava Vor ihrer Teilung. Veua genitalis. Diese Vene setzt sich aus drei reich verästelten Venen zusammen, die sich ihrerseits wieder so verzweigen, daß jedes Ei an seiner Vene riilnsiicli. iil). (I. \i r\(tis\st('in ii. d. lUiiliicfaLisystcin \-. Itossiii macrosoiiiii. 713 uliMchsam atil^cliiiimt ist (Text l'iu. 7. rj/c). Vj\\\ Ast koiiiint n'oh der rccliti'H Sritc. ciiHM' \ W>na genitalis in der Kuiclie /.wischen Maiden unil .MamMiblindsack nach vorn, auf der linken Seite bej^leitet von der Aoita genitalis. Während dieses Verlaufes treten sowohl vom .Maueu als auch vom lilindsack mehrere Venen in sie ein. Noch kurz l)e\-or die Veiu^ den Magen verläßt, mündet in sie vom Magen ans eine starke Vene, die von dessen Dorsalseite i3lut herbeibringt. Ein klei- nes Stück vor dem Magen tritt die Vene von unten vor dem Herzen in den doisalen Harnsack ein, ninnnt hier noch eine kleine Vene auf, die \(in der umliegenden Nierensackwandung herkonnnt, und läuft ein kleines Stück an der Wand angeheftet bis zu ihrem Eintritt von unten her in die an dieser Stelle ebenfalls an die dorsale Wandung des ventralen Sacks angeheftete Vena cava dextra. Sie trägt wäh- lend ihres Verlaufes im Nierensack Venenanhänge. Bei den Octo- poden mündet die Vena genitalis als ein gewaltiger Schlauch in den hintersten Teil des Mesenterialsinus, die Pars coecalis mit einer Art sinuösen Erweiterung, in die zugleich noch die Vena cordis superior einti-itt. die ja bei Rossia ihr Blut in die rechte Mesenterialvene er- gießt, und die Vena siplionalis superior (auf jeder Seite), die bei Ros- f-ii(li. iili. (I. Xt'i\ rn.s\stiiii II. (1. l!liitL'tt';iüsystciii v. I'nssia iiaciosomii. 715 l\ur/. \(ii' (Ifiii i'liiitrilt (ItT \'i'ii;i aluloiiiiii.ilis in den Xici-ciisack iiiiimli't in sie von liintcn konimiMid eint' staikc \'(Mir rin. die N'cna iiidaniciitalis dorsalis (Toxtlii;-. 7, 1(», i\u.). Dieso konuiit von der olxMvn Seitr di'r NichuncMitaldiüse als einzelnes starkes (iefäß, das das nan/.e IJlut dieser reich versorgten iJrüse sammelt. Nach ihrem Aus- tritt l)iei2;t sie etwas nach außen und vorn zu n\n\ mündet außerhalb des Nierensackes in die Vena abdominalis. In die linksseitige Vena nidamentalis dorsalis mündet von der Außenseite noch eine stäikere Vene, die Vena gonoducalis posterior (Textfig. 7, 10. vjjo.JI .). i)iese Vene kommt vom hinteren Ende des Eileiters, auf (h'in sie sich aus vielen Zweigen zusammensetzt. Sie läuft nach voin zu unter der Art. ])innalis hiiuhuch und über die A'ena abdominalis hinweg bis auf das Hinterende dei' Eileiterdrüse auf deren äußere Seite, biegt dann nach innen zu um, dabei eine von außen und vorn von der Drüse kommende Vene aufnehmend, und läuft noch ein Stück weit nach vorn zu. Dann biegt sie scharf um und läuft denselben Weg zurück, indem sie sich nochnuils über die Vena abdominalis hinweg legt, und zieht nach der Mitte zu, um in die Nidamentalvene einzutreten. Eben- so mündet in die Nidamentalvene jeder Seite noch eine Vena sipho- nalis, die aus der Gegend des rudimentären Sipho herkommt. Sie verläuft zwischen dem Ovar, wobei sie von der dieses bedeckenden Haut viele Aste aufnimmt, und der Haut des Eingeweidesackes nach vorn zu und biegt mit der Vena alxloiiiinalis um in die Vena nidamen- talis hinein. Die Vena abdominalis ist bei den Octopoden rudimentär gewor- den, hauptsächlich wohl wegen des fehlenden Drüsenapparates, und ist nur noch als Ast der Vena pallialis vorhanden, der ventral vom Kicmeidunzen nach hinten zu zieht. Als Mantelvene ist sie ebenfalls entl)ehrlich, weil der hintere Teil des Mantels von Zweigen (Ramus superior und posterior) der Vena pallialis mit versorgt wird. Bei Lo- li<)o Pcalii ist nach Williams die Vena abdominalis ebenso stark ent- wickelt wie bei Rossia. Sie setzt sich zusammen aus Venen, die von der Flosse her Blut bringen, und Venen aus dem hinteren Teil des Mantels. Naef beschreibt bei Sepia dif \'rna ab(h)minalis ebenfalls als stark entwickelt und sich aus denselben Asten zusannnensetzend. Die spindeliVtrmige Anschwellung, wie sie Naef und Williams be- schreiben und zeichnen, habe ich bei Rossld ni(^ l)eobachtet. Bei den Octopoden ist eine Vena nidamentalis aus den oben er- widinton Gründen nicht vorhanden. Die Vena gonoducalis mündet bei diesen Formen von der Dorsalseite her in die Vena pallialis und 71G Arthur WiiikkT, tritt nur im weiblichen Geschlecht auf beiden Seiten gleich stark auf, während sie bei den männlichen Tieren auf der rechten Seite ganz fehlt (Grimpe, ö. 557). Die Vena siphonalis (superior) mündet bei den Octopoden, wie schon erwähnt, rechts und links von der Vena genitalis in den Mesenterialsinus, Pars coecalis. Bei Loligo schreibt Williams, daß die Venae nidamentales direkt in die Hohlvencn- schenkel münden, während die Vena gonoducalis in die Vena pallialis anterior eintritt. Eine Vena siphonalis beschreibt Williams nicht. Bei Sepia treten nach Naef die Venae nidamentales in die Venae abdominales ein, ebenso wie die Venae siphonales. Auch sind bei Sepia zwei Venae gonoducales vorhanden, eine Vena anterior und eine Vena posterior, von denen die vordere in die Vena pallialis mün- det, während die hintere in die Vena abdominalis eintritt. Ycna pallialis. Als die letzte der in die Vena cava-Schenkel einmündenden Venen wäre die Vena pallialis anterior zu besprechen (Textfig. 7, 10, v.p.). Diese führt Blut durch zwei hauptsächliche Zweige herbei, einmal von dem dorsalen Teile des Mantels und dem Ganglion stell atum durch den Ramus stellaris, zum zweiten von dem vorderen ventralen Teile des Mantels durch den Ramus lateralis. Der Ramus stellaris versorgt das Ganglion stellatum sehr reichlich; er schlängelt sich rund um das Ganglion zwischen den Nerven durch und konnnuniziert mit der schon erwähnten Vena nervi pallialis, die aus dem Speicheldrüsensinus kommt. Er bringt auch Blut aus den umliegenden Muskclpartien. Vom Gang- lion aus läuft er auf der Dorsalseite des Mantels nach innen und etwas nach hinten bis an die Verwachsungsstelle der muskulösen Leber- kapsel mit dem Mantel und tritt durch diese hindurch. Nach dem Durchtritt legt er sich der Anheftungsstelle der Lebcrkapsel an und läuft an ihr entlang nach hinten zu bis zum Ansatz des Depressor in- fundibuli und des Retractor capitis. Kurz nach dem Durchtritt und ebenso während des eben geschilderten Verlaufes bekommt er eine Menge Venen aus der dorsalen Mantebnuskulatur. Darauf tritt er von unten her in den Anheftungsknorpel für den Depressor infundi- buli hinein, nimmt von hinten kommend eine Vene auf, biegt im Knor- pel verlaufend nach außen und vorn zu um und tritt aus dem Knorpel aus. An der Austrittsstelle mündet in ihn eine Vene, die vom dorsalen Teil des Eingeweidesackes aus den Häuten der Leberkapsel herkommt, der Ramus visceralis. An dieser Stelle, an der Basis des Depressor, ver- einigt er sich auch mit dem Ramus lateralis. Dieser kommt von der l'nti'rsiicli. iil). d. XiTvoiLsystt-iii ii. d. lUiitucfiißsystcm v. Rossia inacrosoiiia. 717 .Muskulatur des Nordcicn Teiles clor Vontralscito. Die eiuzcliKMi N'cihmi, aus (leuon er sich zusamnionset/t . t irtcii am vorderen ?]nde des Kieineu- auihänuehaudes zusauuneu. und der Raums lateralis verläuft läniis der i\ieuieul)asis au di'v Aulienseite hinunter bis zum Depressorkopl. rn^elahr in der Mitte der Kieme bekommt der Raums lateralis noch (Mue Veno, die Vena l)raneliiodienalis {r.hr.}.), die durch das musku- l()se Aufhäniioband aus der Kicnienuiilz herauskommt und die sich in dieser an dci' Basis aus zwei län,tis verlautenden Asten zusamuuui- setzt. einem von hinten, dem andern von vorn herkommend. Diese beiden .Vste sind in (h'i- Kiinnenmilz reich verzweigt. Nach ihi'er Ver- einiiiunu- zieht die \'ena pallialis anterior untei' (h'u beichMi Kiemen- muskeln und der Art. bianehialis hinauf zur Unterseite des Kiemen- herzsackes, lej^t sich diesem an dei- Vorderseite an und tritt in den Xierensack ein, kurz vor dem Eintritt des Hohlvenenschonkels in das Kienienherz. in n miiiidend. Nach dem Durchtiitt untei' dem vorderen Kiemenmuskel l)ekommt die Vena pallialis noch eine Vene, die aus dem hinteren Kiemenmuskel konunt, in dem sie bis zur Spitze der Kieme läuft, dem Nervus brancliialis entlanu-, die Vena nuisc. branchialis. Bei den Octopoden hat die Vena pallialis ungefähr denselben Verlauf. Der Ranius stellaris ist vorhanden — allerdings ist von einer Verbindung mit d(M- Vena nervi pallialis nichts beschrieben — , der Kamus lateralis und visceralis ebenfalls. Diese Aste haben nur einen etwas andern Verlauf. Eine Vena musc. branchialis fehlt. Die Vena branchiü-lienalis mündet hier nicht in den Ramus lateralis wie bei »~ Rossia, sondern an der Außenseite der Kienienbasis in die Vena pal lialis. ScHAEFKR beschreibt ebenfalls die Vena branchio-lienalis, aller- dings nicht unter diesem Namen, sondern merkwürdigerweise als »Vas afferens« der l>lutdiiise, weswegen sich (Jrimpe schon ausfiilirlicli mit. ihm auseinandergesetzt hat. Ich bin ganz Grlmpes Meinung. Wil- LLA.MS beschreibt füi' Lolif/o ebenfalls zwei Äste der Vena pallialis. dem Ramus stellaris und dem Ramus lateralis bei Rossia ent- sprechend. Ebenso sind bei Loliijn die \'ena nuisc. branchialis und die Vena branchio-lienalis vorhanden, letzteie aus dem hin- teren Ende der Hlutdrüse austretend. N.vef beschreibt bei Sepia \ ebenfalls die Vena pallialis mit einem Ranuis stellaris und einem Ramus lateralis, zu dem sich noch ein nach hinten zu gehender Ramus superior gesellt. Er erwähnt auch einen besoudeien Jlamus branchialis, der im Kiemenband verläuft und »ilie Biutdrüse ver- sorgt <<• I 718 , Ailhui Wiukler, Der Eiemenkreislauf. Über die Kieme ist schon frühzeitig gearbeitet worden. Thile- sius, CuviER, Ferussac, V. Siebold und Milne-Edwards haben sie untersucht. Die beiden letzten haben dabei auch die Bhitdrüse in den Kreis ilirer Betrachtung gezogen. Befriedigende Angaben sind aber erst von Joubin und in neuerer Zeit von Schäfer gemacht wor- den. Ich will nur eine ganz kurze Beschreibung geben. Aus der Kie- menvene treten viele kleinere Gefäße nach unten zu aus, die sich in einer Vene, die dem Muse, branchialis inferior aufliegt, und in andern kleineren Venen sammeln. Von diesen aus treten kleine Venen in die Blutdrüse ein, lösen sich dort auf und sammeln sich wieder in den oben beschriebenen zwei längs verlaufenden Gefäßen, die sich zur Vena branchio-lienalis vereinigen. Die Funktion der Blutdrüse ist nicht bekannt. Der Kreislauf in der Kieme selbst ist bedeutend komplizierter. Aus den Vasa afferentia II. Ordnung gehen solche bis zur VII. Ord- nung ab. Das arteriell gewordene Blut sammelt sich in den Vasa efferentia h.'ichster Ordnung, die schließlich in die zweiter Ordnung münden, um in der Vena branchialis dem Herzen zugeführt zu werden. Die Vena branchialis tritt in den Eingeweidesack zwischen Nie- renpapille und Kieme ein und läuft unter dem Nierensack zum Her- zen hin. Darüber, ob die Benennung >> Vorhof« während ihres Ver- laufes im Eingeweidesack berechtigt ist oder nicht, hat sich Grimpe schon ausführlich geäußert, und er kommt zu dem Schluß, daß das Gefäß eine echte Vene ist und daß h()chstens der Ausdruck »Sinus arteriosus<< Berechtigung hat. Beim Eintritt in das Herz heben sich die Venae branchiales wegen ihrer weißen Farbe gegen das Gelb der Herzmuskulatur deutlich ab. Das Herz selbst, das etwas nach rechts gerückt ist und innerhalb der Visceropericardialhöhle liegt, ist nach dem Octopodentypus gebaut und quer ausgezogen. Beim Eintritt der Venae branchiales sind Semilunarklappen vorhanden. Das Herz zeigt nach hinten zu eine leichte Krümmung, während die Vorder- seite ziemlich gerade ist. Rechts ist das Herz in fast rechtem AVinkel nach vorn und etwas dorsal ausgezogen, und aus diesem Teil ent- springt die Aorta cephalica. Die Aorta genitalis entspringt von der Mitte der Ventralseite, etwas nach rechts gerückt, und die Aorta ab- dominalis entspringt ebenfalls von der Ventralseite ziemlich nach hinten zu. Histologisch ist das Herz genugsam von Marceau be- handelt. UntcrKucli. ül>. (i. N'crvcnsystciii ii. d. Hliitt,'cf:il,^systcin v. Kossiii iiiacrosoma. 711> Aorta cephalica. Die Aoila ccplialica, hei wcitcin das <2;r()ßt(' der aus dein I[erzen kdiiiiiK'iidi'M (u>t;d,U\ (MltspI■ill^t aus dem etwas nach vorn rechts und doisul ausm'Z()«::onou Teil des Herzens; an ihrem l^isprun;; trügt sie Semilunarklappen (Textfig. 11, a.cc). Kurz nach ilirem Uisprung legt sie sich, nach der Dorsalseitc zu ziehend, von unten dem Magensack an und verläuft unter dem Oesophagus nach der Mitte des Hinter- randes der Leber zu, dort, wo die beiden nach hinten gehenden Lebcr- lappen im Winkel zusammenstoßen. Sie gelangt so auf die Dorsal- seite des Speicheldrüsensiiuis und verläuft, diesem seitlich aufliegend, ein wenig aus der Mittellinie nach rechts zu verschoben, nach vorn. Dort, wo der Sinus nach beiden Seiten hin sich in zwei Zipfel ver- breitert, biegt auch die Aorta cephalica am hinteren Rande dieser Verbreiterung in einem starken Bogen nach rechts aus und zieht dann hinüber nach dem Oesophagus, nach der Mündung der Vena perioeso- phagealis in den Sinus. Hier teilt sie sich in die beiden Arteriae pe- dales. Auf diesem Wege gibt die Aorta cephalica mehrere wichtige Ar- terien ab. Kurz nach ihrem Ursprung entläßt sie auf der Ventral- seite drei Gefäße, deren Ursprung eng beieinander liegt, eine dünnere, am weitesten nach vorn zu gelegene Arterie, die Art. hepato-pancrea- tica, und zwei stärkere, die Art. pancreatica dextra, und die Art. gastrica. Alle drei wenden sich nach der Innenseite zu. Die dünnste der drei Arterien, die Art. hepato-pancreatica (a./i.p.), zieht erst ein Stückchen in der Richtung der Aorta cephalica nach vorn und innen und teilt sich darauf in zwei Aste, die fast im rechten Win- kel von ihr abzweigen. Der hintere innere Ast, der Ramus pancrea- ticus, geht in die Pancreaszotten des rechten Leberganges, in die am weitesten nach vorn zu gelegenen Zotten. Der andere Ast, der Ramus hepaticus, zieht auf der Vcntralseite des hinteren Teiles der Lcber- kapsel hin und verzweigt sich dort reichlich. Zu erwähnen ist noch, daß dieser Leberkapselast rückläufig noch einen kleineren Ast an das Pancreas sendet. Die zweite Arterie, die Art. pancreatica dextra {a.p.d.), versorgt, wie schon aus ihrem Namen zu ersehen ist, die Pan- creaszotten des rechten Leberganges. Die dritte und stärkste der drei Arterien, die Art. gastrica (Text- fig. 11, a.g.), entspringt am weitesten nach dem Herzen zu, sofort nach dem Austritt der Aorta cephalica. Sie biegt sofort schräg nach unten und hinten zu und tritt in den Ma^ensack ein. Ein kleines Stück 720 a. br. c. a.h.p.^ ap.o. a.g.- rv.br. a. abd. ä.ge. - 3.pi. - Z 2. Artliur Winkler, - ^■l^.a.br. -"-^ f /. V. br. Textfig. 11. nach ihrem Ursprung gibt sie einen Seitenast nach aulJen zu ab, der nur bis in das um- gebende Bindegewebe zu verfolgen war. Nach kurzem Verlauf entläßt sie noch einen Ast auf derselben Seite, der nach dem Magen hin- über zieht. An dersel- ben Stelle, nur auf der andern Seite, zweigen sich mit kurzer gemein- samer Wurzel zwei dün- nere Arterien ab — ich habe auch einmal fest- stellen können, daß sie ganz eng aneinander entspringen, ohne ge- meinsame Wurzel — , die sich in dem vorderen Teile des Pancreas ver- ästeln. Diesen beiden folgt gleich darauf noch ein dünnerer Ast mit demselben Verbrei- tungsgebiet. DerHaupt- stamm der Arteria ga- strica läuft weiter bis an die Stelle, wo der End- darm aus dem Magen- blindsack austritt, und teilt sich dort in zwei starke Endäste, deren einer zwischen Magen- blindsack und Magen auf den letzteren hin- überzieht — man kann ihn mit Ramus sto- I liiUisucli. iil'. tl. xsuviiisysti jii u. d. Blulgefäßsystcni v. Rossia macrosoira. 721 maticus bezcicluKMi — und sich dort in viele Verzweigung(ui auf- l(>st, wälueiul der andre Endast, der liainu.s .stoniaclii coeci, zu- nächst jihMch nach der Trennunjj; einen starken Ast nacli vorn zu auf (Umi l'hiddann al)uil)t. um (hmn zwischen der Mündung der heich'u Lehergänge und iUmu Phuldarm austretend dorsalvvärts auf den Jilind- sack hinzuziehen. Vor der Trennung in diese beiden eben erwähnten Endäste gibt die Art. gastrica außer den bereits beschriebenen Seiten- ästen noch folgende ab. Auf der Seite der Lebergänge zwei Arterien, die nach vorn zu auf der Ventralseite des Enddarnis verlaufen und sich in reiche Verzweigungen auflösen, die Ranii rectales. (Die erste der beiden Arterien kann auch nui' als stärkerer Zweig des oben er- wähnten zweiten Pancreasastes auftreten.) Auf der andern »Seite der Art. gastrica, nach dem Magen zu, treten drei Arterien aus. Eine sehr starke Arterie, fast so stark wie tue Art. gastrica selbst, zweigt sich am Eintritt des Oesophagus ab, legt sich nach außen und dor- salwärts um den Magen herum und löst sich auf der Dorsalseite in viele Aste auf. Ich bezeichne diese Arterie als Ramus stomaticus dorsal is. Kuiz vor diesem entspringt eine dünnere Arterie, die unter dem eben beschriebenen Ast nach hinten zu durchzieht und sich auf dem Magen verästelt. Diese Arterie gibt ihrerseits direkt nach unten einen dünnen Ast ab, der das Magenganglion reich versorgt. Die letzte der drei Arterien dieser Seite geht im letzten Drittel der Art. gastrica ab, macht erst einen kleinen ]5ogen nach vorn zu und ver- zweigt sich dann in der ursprünglichen Richtung auf der Ventralseite des Magens. Ich konnne jetzt zu dem einen Endast, dem Ramus stomaticus, zurück. Er zieht, wie schon gesagt, hinüber zum Magen, teilt sich nach kurzem Verlauf zwischen diesem und dem Blindsack in zaid- reiclic Äste. Ein Ast verläuft in der ursprünglichen Richtung weiter an der Innenseite des Magens, auf der dejÄ Filindsack anliegenden Seite und geht an der hinteren Seite des Mag<'ns in seine letzten Ver.äste- lungen. Ein zweiter Ast läuft in ungefähr derselben Kichtunu ein Stückchen an der unteren Kante der Intienseite und verästelt sich dann auf der Dorsalseite. Eine dritte Arterie gibt nach dem Magen drei Äste ab, sowie einen vierten rückläufig auf den Nervus stoinachi coeci. Der zweite Endast, der Raums stomachi coeci, läuft in der Furche zwischen Enddarm, J31indsack und der Lebergangmündung nach aus- wärts auf die Dorsalseite. An der Umbiegungsstelle gil)t er noch einen kloinen Pancreasast ab, der ebenfalls mit auf die Dorsals-iite des End- Zeitschrift t. wissensch. Zoologie. CXIV. Bd. 47 722 Arthur Winkler, darnis geht, und kurz darauf einen Ast, der sich wieder in zwei teilt, einen nach dem Enddaim und einen nach dem Pancreas des linken Leberganges. Ein Ast nach links verläuft ebenfalls nach dem links- seitigen Pancreas, der andre, der Endast des Ramus stomachi coeci, geht unter den Lebergängen hindurch auf die dorsale Seite des Blind- sacks und löst sich dort auf. Bei den Octopoden sind die Arterien für den Magen und für die Leber zu einem gemeinsamen Stamm ver- einigt, der von der Dorsalscite, ziemlich auf der Höhe der Leberbasis, abzweigt; Der vorderste dieser Äste stellt die unpaare Art. hepatica dar, die sich auch nach dem Eintritt in die Leber nicht in ein Doppel- gefäß zerlegt, sondern gleich auflöst. Die Art. gastrica I versorgt hauptsächlich den Kaumagen, die Art. gastrica II den Blindsack. Williams führt für Loligo Pealii einen Arterienstanmi an, der gleich nach dem Austritt aus dem Herzen aus der Aorta ceplialica entspringt und den man vielleicht mit Art. mesenterica bezeichnen könnte. Die- ser teilt sich in mehrere Aste für Magen und Magenblindsack. Bei Sepia beschreibt Naef eine Art. mesenterica, die unsern Gefäßen und vor allem dem bei Loligo entsprechen dürfte. Weiterhin geht von dem Teile der Aorta cephalica, der in den Kanal, der zum Teil von der Leberkapsel gebildet wird, nach der Dor- salseite hinzieht, dorsal rückläufig eine ziemlich starke Arterie ab, die Art. pancrcatica sinistra, die das Pancreas des linken Leberganges versorgt und sich auf diesem selbst reich verzweigt (a.p.s.). Einige kleinere Äste zweigen sich nach dem Oesophagus ab; ebenso tritt ein kleinerer Ast dieser Arterie dorsal an den Enddarm heran, beide Äste zunächst auf dem Leber oang verlaufend. Diese Arterie ent- springt bei den Octopoden als ein Ast der Art. rectalis, die wiederum der schwächere Ast der Aorta posterior ist. Sic versorgt außer dem Pancreas noch die hinteren drüsigen Partien des Tintenbeutels. Bei Loligo ist die Art. pancreafeica ein Ast der Art. mesenterica. Während ihres Verlaufes auf dem Speicheldrüscnsinus, ungefähr im ersten Drittel, entspringen etwas hinter den beiden Mantelarterien auf der Dorsalseite die beiden Leberarterien (Textfig. 11, a.h.). Sie legen sich um den Sinus herum und treten, in die Tiefe gehend, sofort in die Leber ein. Vorher geben sie noch jederseits einige Ästchen an den dorsalen Teil der Leberkapsel ab, die nach vorn zu unter den Mantelarteiien hindurchlauf cn. Jede Art. hepatica teilt sich sofort nach ihrem Eintritt in die Leber in zwei entgegengesetzt verlaufende Äste, von denen der eine nach hinten und seitwärts, der andre nach vorn zu geht. Diese beiden Äste teilen sich ihrerseits wieder in Äste I'iUirsiuh. iil). (1. Xeivonsystom u. d. Bliitgcfäßsystcm v. Rossia macrosoma. 723 zwcitiM' Ordiuuii; und so weitor, bis sio sich in mizilhligc Capilhii'eii auflösen. Die Leberarterie der Octopodeii habe ich mit der Art. ga- strica zusammen schon oben erwähnt. Bei LoU(jo entspringen eben- falls aus der Aorta cephalica zwei starke Leberarterien, die hier außer der VcMsorgunii der Leber noch folgende Aste abgeben: an den >>8i- phonalretractor«, das Kienienaufhängeband und die Bhitdrüse und einen Ast an einen Arterienplexus am Dorsalende des Mantels. Nach Naef zweigt sich bei Se^ia die Leberarterie von der jederseitigen Art. stellaris (= pallialis) ab. Direkt vor den Leberarterien entspringt auf jeder Seite eine Art. pallialis (Textfig. 11, a.f.), die sich kurz nach ihrem Austritt in zwei Aste teilt, von denen einer auf der Innenseite der Leberkapsel hin- läuft, d. h. auf der Grenze zwischen häutigem und muskulösem Teil, und nach beiden Teilen Aste abgibt. Unten am Ursprung des De- pressor infundibuli biegt dieser Ast nach vorn zu um und verläuft in dem Muskel nach voiii zu als Art. depressoiis iiirundibuli. Der zweite Ast der Art. pallialis durchbricht gleich nach der Teilung die Leberkapsel und zieht im fast rechten Winkel zu dem andern Ast auf dem Mantel zum (Janglion stellatum, unter dem er durchzieht und in mehreren Ästen in die Muskulatur eindringt. Ein Ast geht von ihm ab mit dem Nervus pinnalis durch den Mantel hindurch nach. der Flosse zu und anastomosiert mit einem Ast der Art. pinnalis. Bei den Octopoden entspringen die Art. palliales eng nebeneinander gleich- nach dem Austritt der Aorta cephalica aus dem Herzen. Die eine der beiden Arterien ist bedeutend kürzer als die andre wegen der asym- metrischen Lage der Aorta. Ebendasselbe trifft auch für Rossia zu, nur nicht in dem Maße. Ein Ast der Art. pallialis geht in den Depres- sor infundibuli utid an das Ganglion stellatum, andre versorgen die Mantehnuskulatur und die Haut. Bei Lolit/o beschreibt Williams eine Arterie, die dasselbe Verbreitungsgebiet im .Mantel hat wie die Art. palliales. Von einem Ast in den Depressor infundibuli ist nichts erwähnt. Naef beschreibt bei Sepia die beiden Ail. pilliaics unter dt'ni Namen Art. stellares. Dort, wo die Aorta cephalica nach rechts ausbiegt, entspringt aus ihr dorsal eine dünnere Arterie (Textfig. II, a.n.), die nach links über den Sinus hinüber nach dem daiid)erliegenden Teil der Jjel)er- kapsel zieht, sich doit in zwei Äste teilt, von denen einer in der Muskulatui- untei' dem Nackeiiknorpel sich verästelt, während der stärkeie der beiden durch die Lebei'kapsel hindurchtritt und am hinteren Ende des Nackenknorpels in diesen hineintritt, die Art. 47* 724 Arthur Winkler, nuchalis. Diese Arterie ist weder bei den Octopoden noch bei Loligo beschrieben. Wie schon erwähnt, teilt sich die Aorta cephalica an der Stelle, wo der Oesophagus in den Speicheldrüsensinus eintritt, in die beiden Arteriae pedales (Textfig. 11, a.pd.). Diese ziehen rechts und links vom Oesophagus ein kleines Stück weiter nach vorn, dem Ganglion viscerale aufliegend, bis zum Austritt des Oesophagus aus der Vena perioesophagealis, wo jede nach innen zu eine starke Arterie abgibt, die sofort nach ihrem Ursprung in den Ductus Edwardsi hineintritt und nach vorn zu zieht, die Art. buccales. Bevor ich diese in ihrem Verlauf weiter verfolge, möchte ich noch eines Gefäßes Erwähnung tun, das jederseits kurz vor dem Abgang der Art. buccalis aus der Art. pedalis austritt, der Art. collaris (Textfig. 11, a.co.). Diese Ar- terie verläuft mit dem Nervus collaris nach hinten und außen, diesem aufliegend, und teilt sich kurz nach der Teilung des Nerven ebenfalls in zwei Äste, von denen einer mit dem Nerven weiter in der bisherigen Richtung verläuft und in den Muse, collaris hineingeht. Der andre Zweig zieht sofort steil nach unten unter dem Nervus collaris hindurch und tritt dort in den Muse, retractor capitis. Zu bemerken ist noch, daß die Arterie vor ihrer Teilung einen rückläufigen Ast abgibt, der auf dem Nervus collaris verläuft, dann auf den Nervus pallialis über- tritt und sich auf diesem verzweigt. Bei den Octopoden ist diese Ar- terie ebenfalls vorhanden, nur ist der Zweig an den Kopfrückzieher nicht erwähnt. Bei Loligo beschreibt Williams eine Arterie, die an derselben Stelle entspringt wie unsre Art. collaris, an dem Kopfrück- zieher, während der >>Nuchal retractor« mit von der Art. pallialis ver- sorgt wird. Ich komme jetzt zur Art. buccalis zurück (Textfig. 11, a.b.). Die beiden Bnccalarterien verlaufen in der Vena perioesophagealis nach vorn zu beiden Seiten des Speicheldrüsenausführganges und treten am Schlundkopf angelangt von der Dorsalseite aus auf diesen. Sie ^ biegen dann von der bisherigen Verlaufsrichtung ab und ziehen zu- | nächst ein Stückchen parallel zur Längsachse des Schlundkopfes auf der Oberfläche nach vorn, um dann wieder in der ursprünglichen Richtung weiter zu laufen. An dieser zweiten Biegung geht ein klei- nerer Ast nach der Dorsalseite des Schlundkopfes ab. Die Haupt- arterie teilt sich nach kurzem Verlauf in zwei Äste, die sich beide wie- derum zweiteilen. Der eine Zweig des dorsalen Astes, der Ramus mandibularis, geht oberflächlich nach vorn, der andre in die Tiefe der Unterkiefermuskulatur. Ebenso verhalten sich die beiden Äste l'iitt rsucli. iil). (I. Xorvonsystom ii. d. Blutgofäßsystem v. Rosaia macrosoina. 72o des Kanuis iiiaxillaris. \\v\ den Octopodm sind die Art. buccales Zwciu»' der AitiMiac salivalfs. wühirnd Williams für Lolifjo genau dasselbe Vorhalten angibt, wie es für Rossia besteht. Von der linken Art. bucoalis zweijjjt sich ein kleines Stück nach dtM(t'ivtnsysUin u. d. Blutgefäßsystem v. Rossia ninciosonia. 733 lii den Sinus buccalis iutonius (S. 7l>(>) inündct dci Sinus buccalis extcnms (S. 099) und dir A'cmumi tles ilulieren Annvcnenringes (S. 695), die von dor C)bt'iiläclu> der Anno die in dem Piinntivstiunin V(M'bun- dcnm A'onao supeiliciali-s (S. 091) aufnohnuMi. Ebenso iniii\det dort dtM' Sinus ()[)hthahnicus (S. 702). Der Simis buccabs internus >H^\t id)ei in den Ductus Edwards! (S. 701). und dieser mündet seinerseits in den Sinus mesentericus (S. 7ü3). In (UestMi münden einige Venen von (\ev W'aiuUmg der Leberkapsel (8. 704) und : b Fig. 14. ivr i/fän 'AB, !..i^;^- utan y.y Flg. 14 f. ^% r^JJ»* v/;*'a Zrifschriff /'. iriss. Zoologie. Bd. CXIV. Taf. Vin. 9. /n/7 - ep 'f|^ -sp Fig. 20. Fig. 21a. schm • ••• kon •. ♦ • -*^s <5^/*' ij^T dff/7^ 9 Fig. 23. Fig. 22. Viilhelm £"t%a„„ , Leipzig. Zeitschrift f. iciss. Zoologie. Bd. CXIV. Taf. IX. W ■^4' 3 wk i E.Wasmann phot. Verlagvo.'.^-'ll"'"'^'Mn,a„„i„ Leipzig. 1 Zeitschrift f. (ciss. Zoologie. Bd. VXIV. \^ 20 ZI Taf. X. '^ -V.;... 22 '•^SÄü 28 E.Wasmann phot. Verlag von ir//''^''" '"fe'mann in Leipzig. ^J Zeitschrift /'. iriss. Zoologie. Bd. CXIV. Taf. XI. rtii>iiiiiMi; a? Fig. 4. / * # Fig. 5. Fig. 8. Verlag von WMelm £'*•»„„ ,„ ^^,^^.^ Zritsclirifl f. triss. Zoologie. Ihi. CXIW \ Taf. XII. Fi}?. iJ. Vvr.U. lU. Mi Chi. Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig. Pll Zeitsclirift f. wks. Zoologie. Bd. CXIV. Tafel XIII. A. Pfefferkorn gez. Fig. 2. Verlag von Wilhelm ^tUmann in Leipzig. Zeitschrift f. wiss. Zoologie. Bd. C'XIV. Tafel XIV. Verlag von Wilhelm £4l.ia„„ ,„ ^^^ /titsrhri/} ^!wiss./!ooltHjir Bd.CXIV. 'Ihf.Xi: Zeiischrip ;:\nss. '/oalngir Mi> • •■ ex« 3 ^ %^ 75. Hi # ia- 76? -r 5f^ ;,^j. /^/! r • 1^ — '-•«' 1^ / 4^ i- ' \, '*.. i'f V.:> Verlag v'V , ''■1). ^ V w.fl w- . '*L. i^^^'^J^'^V V • :'■• . v/V 7Ä %, ••,%« l.thAni: vf::A}un>j:Int,'nq 7,ilsctinft ;: wiss. '/odhiqic Bil . C.KIV. 7h/:.\VIL 23. sw '»«/ -',-y »Furtel- ß6. -"fl Taf.X. ^^Ä 69. stpl ev.pl 71. \_^ N§^ i ^ ^M*^ 'v'-T'd^ vWilliplni Engelmann i Zt'JLschrift /.' tiväw. ZoohHjLe Bd. CX/V. m. S'-! schl (■' ■if:st äk ••r" 1} 83. S^k ^^ apl S'5. c ^ y •-'^ '' (Ir \MJlielrnJ''nqrliiiaii I 1 ll Zeitschrift f. wiss. Zoologie. Bd. CXIV. c br ti b. c bri. r.ibr et <,.c. /. fra. I.ba. i _. Taf. XXII. Fig. 1 Fig. 2 Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig. 5 WHSE 01859 V'-.' h ^id^^' rä»- r ' .♦ ^^